Gleichniserzählungen Jesu als Texte evangelischer Predigt 9783666623233, 3525623232, 9783525623237

125 69 6MB

German Pages [232] Year 1990

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Gleichniserzählungen Jesu als Texte evangelischer Predigt
 9783666623233, 3525623232, 9783525623237

Citation preview

VÔR

Arbeiten zur Pastoraltheologie

Herausgegeben von Peter Cornehl und Friedrich Wintzer

Band 23

Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen

Gleichniserzählungen Jesu als Texte evangelischer Predigt

Von Martin Dutzmann

Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen

MEINER FRAU

CIP-Titelaufnahme

der Deutschen Bibliothek

Dutzmann, Martin: Gleichniserzählungen Jesu als Texte der evangelischen Predigt / von Martin Dutzmann. - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht, 1990 (Arbeiten zur Pastoraltheologie ; Bd. 23) Zugl.: Bonn, Univ., Diss., 1987/88 ISBN 3-525-62323-2 NE: GT

© 1990 Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen Printed in Germany. - Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gesetzt aus Garamond auf Linotron 202 System 4 Satz und Druck: Guide-Druck GmbH, Tübingen Bindearbeit: Hubert & Co., Göttingen

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1987/88 von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn als Dissertation angenommen und für den Druck nur geringfügig erweitert. Mein Interesse an der Predigt von Gleichniserzählungen Jesu wurde in den ersten Semestern meines Theologiestudiums durch Herrn Professor. Dr. Wolfgang Harnisch in Marburg geweckt. In seinen Veranstaltungen lernte ich die immer komplizierter werdende neuere Gleichnisforschung kennen und stellte mir bald die Frage nach der Bedeutung der Hermeneutik der Gleichnisreden Jesu für die christliche Verkündigung, insbesondere die Predigt. Herr Professor Dr. Friedrich Wintzer in Bonn ließ sich auf diese Fragestellung ein, regte aber neben dem hermeneutisch-homiletischen zugleich den predigtgeschichtlichen Zugang zum Problem der Gleichnispredigt an. Ich verdanke Herrn Professor Wintzer darüber hinaus viele weitere Impulse, die er mir in zahlreichen Gesprächen über die Gleichnispredigt gegeben hat. Ihm und Herrn Professor Dr. Peter Cornehl, Hamburg, danke ich ferner für die Aufnahme der Untersuchung in die Reihe der „Arbeiten zur Pastoraltheologie". Mein Dank gilt schließlich der Evangelischen Kirche im Rheinland, dem Kirchenkreis Lennep und der Evangelischen Kirchengemeinde Lennep, die sich mit Druckkostenzuschüssen am Zustandekommen dieses Buches beteiligt und so ihre Mitverantwortung für die theologische Forschung zum Ausdruck gebracht haben. Lennep, im Februar 1990

Martin Dutzmann

5

Inhalt

Vorwort Einleitung: Interesse und Methode der Untersuchung 1. Das Interesse 2. Methodische Vorüberlegungen

A. Konkretionen der Parabelpredigt am Beispiel der neueren Predigtgeschichte von Mt 19,27—20,16 (20,1-16) und Lk 10,23 -37 (25 -37) I. Probleme und Kriterien der Darstellung II. Parabelpredigt als vernünftige Argumentation und praktische Ermahnung 1. Predigtgeschichtliche Einordnung 2. Zwei Predigtbeispiele a) J. L. v. Mosheim : Die ungerechten Beschwerden der Menschen über die ungleiche Austeilung der irdischen Güter (Predigt am 10.2.1732. Text: Mt 2 0 , 1 3 - 1 5 ) b) J. J. Spalding : Uber die gemeinschaftliche Verbindung der Menschen untereinander (Text: Lk 10,23—37) 3. Merkmale der Parabelpredigt als vernünftige Argumentation und praktische Ermahnung a) Homiletische Eigenart b) Die Auslegung der Gleichniserzählungen 4. Kritische Würdigung III. Parabelpredigt als Darlegung von Lehre und Bekenntnis 1. Predigtgeschichtliche Einordnung 2. Zwei Predigtbeispiele

a) L. Harms : Viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt (Text: Mt 19,27-20,16)

42

b) W. Löhe:PredigtzuLk 1 0 , 2 3 - 3 7

46

3. Merkmale der Parabelpredigt als Darlegung von Lehre und Bekenntnis

50

a) Homiletische Eigenart

50

b) Die Auslegung der Gleichniserzählungen

54

4. Kritische Würdigung IV. Parabelpredigt als Aufruf zu persönlicher Frömmigkeit

59 61

1. Predigtgeschichtliche Einordnung

61

2. Zwei Predigtbeispiele

62

a) L. Hofacker: Von der Einladung Gottes zur Arbeit in seinem Weinberg (Text: Mt 19,27-20,16)

62

b) K. Gerok: Wer ist denn mein Nächster? (Predigt am 13. Sonntag nach Trinitatis 1860. Text: Lk 10,23-37)

67

3. Merkmale der Parabelpredigt als Aufruf zu persönlicher Frömmigkeit

71

a) Homiletische Eigenart

71

b) Die Auslegung der Gleichniserzählungen

75

4. Kritische Würdigung

80

V. Parabelpredigt als Beschreibung christlicher Einstellung im Spannungsfeld von Glauben und Handeln

82

1. Predigtgeschichtliche Einordnung

82

2. Zwei Predigtbeispiele

83

a) A. Bitzius: Der Lohn im Reiche Gottes (1872. Text: Mt 20,1 — 15) b) W. Beyschlag: Der barmherzige Samariter (Text: Lk 10,23-37) . . 3. Merkmale der Parabelpredigt als Beschreibung christlicher Einstellung im Spannungsfeld von Glauben und Handeln

92

a) Homiletische Eigenart

92

b) Die Auslegung der Gleichniserzählungen

96

4. Kritische Würdigung VI. Parabelpredigt als Ausrichtung des Wortes Gottes

8

83 88

102 103

1. Predigtgeschichtliche Einordnung

103

2. Zwei Predigtbeispiele

105

a) E. Thurneysen: Wo Liebe ist, da ist Gott (Text: Lk 10,25-37) . . . b) Predigt über Mt 20,1-16(1938) 3. Kritische Würdigung VII. Rezeption und Realisierung traditioneller Anliegen in neueren Parabelpredigten 1. Vorbemerkungen 2. Anknüpfung an frühere Parabelpredigt Exkurs: Die Gleichnispredigten H. Thielickes 3. Parabelpredigt im Spannungsfeld von Theologie und Anthropologie a) Parabelpredigt als Belehrung über die theologischen Aussagen der Gleichniserzählung Exkurs: Die Bedeutung der Hermeneutik A. Jülich ers für die neuere Parabelpredigt b) Parabelpredigt als Belehrung über die anthropologischen Aussagen der Gleichniserzählung c) Parabelpredigt als Vermittlung von Theologie und Anthropologie 4. Christologische Entscheidungen in neueren Parabelpredigten

B. Erwägungen zur

Parabelpredigt

I. Grundlagen, Methode und Ziel einer Theorie der Parabelpredigt 1. Grundlagen a) Die neuere Predigtgeschichte



b) Die Hermeneutik der Gleichnisreden Jesu c) Das Predigtverständnis 2. Methode und Ziel II. D i e Aufgabe der Parabelpredigt 1. Grundprobleme a) Die Prägekraft der Gleichniserzählungen Jesu b) Gemeindliche Hermeneutik 2. Parabelpredigt als dreifache Pro-vokation III. D i e Berücksichtigung des Parabelrahmens in der Predigt IV. D i e Technik der Verfremdung

V. D i e homiletische Relevanz der Sprachform der Gleichniserzählungen J e s u

175

1. Die Einheit von Form und Inhalt der Parabel

176

2. Die Parabel als autonomes ästhetisches Objekt und dramatische Konfiguration

180

a) Kommunikation

181

b) Identifikation und Emotion

183

3. Die Parabel als Metapher

188

a) Spannung

190

b) Offenheit

195

4. Ergebnis VI. Perspektiven der Arbeit an Parabelpredigten

197 199

1. Perspektiven homiletischer Auslegung von Gleichniserzählungen Jesu

199

a) Reflektierte Unmittelbarkeit

201

b) Die Parabel als Wahrnehmungshilfe

205

2. Perspektiven der Gestaltung von Parabelpredigten

211

V I I . Ertrag

217

Literaturverzeichnis

220

10

EINLEITUNG

Interesse und Methode der Untersuchung 1. Das Interesse Seit dem bahnbrechenden Werk A. Jülichers1 ist die Diskussion um die Hermeneutik der Gleichnisreden Jesu nicht zur Ruhe gekommen. Im Gegenteil, die Debatte ist gerade in neuerer Zeit wieder sehr lebendig, wie die Fülle jüngerer Publikationen exegetischer, systematisch-theologischer, philosophischer sowie linguistischer Provenienz eindrücklich dokumentiert2. Um so erstaunlicher ist es, daß die Textgattung der Gleichnisreden Jesu bislang allenfalls am Rande Gegenstand homiletischer Reflexion gewesen ist: Es liegt bis heute keine umfassende Untersuchung über die mit der Predigt von Gleichnistexten sich stellenden homiletischen Probleme vor. Erstaunlich ist dieser Befund auch deshalb, weil das homiletische Problembewußtsein im Blick auf andere Gruppen biblischer Texte wesentlich stärker entwickelt ist. So wurde erst jüngst wieder über die Predigt alttestamentlicher Texte3 ebenso wie über die Predigt von Wunderperikopen4 gearbeitet. Besondere Aufmerksamkeit ist auch immer der Festtagspredigt und damit Texten spezifisch christologischen bzw. pneumatologischen Inhalts geschenkt worden5. Nun läßt sich die Notwendigkeit einer Untersuchung der Gleichnispredigt jedoch nicht allein formal aus dem beschriebenen Defizit begründen. Vielmehr handelt es sich hier um ein sachliches Erfordernis : Seit etwa zwei Jahrzehnten ist die homiletische Debatte wie schon früher um

1 A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu I/II, Darmstadt 1976 (Nachdruck der Ausgabe Tübingen 1910). 2 Vgl. W. Harnisch, Die Gleichniserzählungen Jesu, Göttingen 1985 (Lit.). E. Rau, Reden in Vollmacht, Göttingen 1990. 3 H. D. Preuß, Das Alte Testament in christlicher Predigt, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1984. 4 H. Nitschke (Hrsg.), Zeichen und Wunder, Gütersloh 1985. 5 Vgl. H. Breit, K. Nörenberg (Hrsg.), Festtage. Zur Praxis der christlichen Rede, München 1975; H. Nitschke (Hrsg.), Weihnachten-Jahreswechsel. Predigten-Meditationen. Gottesdiens t e - Erzählungen, Gütersloh 1983; Ders. (Hrsg.), Passion. Predigten, Meditationen, Andachten, Gottesdienste, Gütersloh 1983; Ders. (Hrsg.), Ostern, Gütersloh 1978; Ders. (Hrsg.), Himmelfahrt - Pfingsten - Die Kirche, Gütersloh 1981.

11

die Jahrhundertwende6 von einer verstärkten Zuwendung zum Predigthörer geprägt. Die Predigt wird als Dialog7 oder als Ermutigung zum Dialog mit dem Hörer 8 begriffen. W. Jetter kann sogar zugespitzt formulieren: „Predigt ist dialogisch, oder «ie ist nicht evangelisch."9 Es fällt nun auf, daß auch die Gleichnisforschung seit J.Jeremias 10 - wenn auch auf anderer Ebene und mit anderer Zielsetzung als die Homiletik - immer wieder das Moment des Dialoges im Blick auf die Gleichnisrede energisch betont hat. So begreift Jeremias die Gleichnisse als „Streitwaffe" im Kampf Jesu mit seinen Gegnern: „Jedes von ihnen fordert eine Antwort auf der Stelle."11 Und noch deutlicher heißt es bei E.Linnemann: „Das Gleichnis... ist eine Weise der Rede. Seine Ursprungssituation ist die Unter-redung, das Gespräch. Ein Gleichnis ist eine eindringliche Bemühung des Redenden um den Hörenden. (...) Es gehört zum Wesen des Gleichnisses, daß sich darin ein ώίΐ-legesthai, eine t/«ier-redung, ein Gespräch zwischen dem Erzähler und dem Hörenden vollzieht." 12 Die Gleichnisse werden also von Jeremias und Linnemann nicht als Belehrung über einen Sachverhalt, als bildhafte Einkleidung einer allgemeingültigen Wahrheit, verstanden.13 Vielmehr reden sie die Hörer an, nehmen ein Gespräch mit ihnen auf, bringen sie in Bewegung. Das geschieht, indem das Gleichnis die Hörer auf ihre alltägliche Wirklichkeit und auf ihre gewohnte Sicht dieser Wirklichkeit hin anspricht, zugleich aber beides transzendiert. Linnemann redet in diesem Zusammenhang von dem Phänomen der „Verschränkung" : „In der Parabel verschränkt sich das Urteil des Erzählers über die fragliche Situation mit dem der Hörenden." 14 Noch pointierter beschreibt Jetter den dialogischen Charakter der Gleichnisse: „Die Gleichnisse Jesu sind Gipfelmodelle dialogischer Predigt, weil sie den Hörer zum

6 Vgl. F. Wintzer, Die Homiletik seit Schleiermacher bis in die Anfänge der .dialektischen Theologie' in Grundzügen, Göttingen 1 9 6 9 , 1 1 9 f f . 7 Vgl. die Arbeiten von E . Lange, bes.: Zur Theorie und Praxis der Predigtarbeit. In: Ders., Predigen als Beruf. Aufsätze zu Homiletik, Liturgie und Pfarramt (Hrsg. R. Schloz), München 1982, 9 - 5 1 ; W.Trillhaas, Die wirkliche Predigt. In: Wahrheit und Glaube. FS für E . H i r s c h (Hrsg. H . Gerdes), Itzehoe 1 9 6 3 , 1 9 3 - 2 0 5 ; D. Rössler, Das Problem der Homiletik. In: T h P r 1, 1966,14-28. 8 F. Wintzer, Die Predigt als Ermutigung zum Dialog. In: Fides et communicatio. FS für M . Doerne zum 70. Geburtstag (Hrsg. D . Rössler u. a.), Göttingen 1 9 7 0 , 4 2 8 - 4 4 0 . - Hier ist wie an allen entsprechenden Stellen der Untersuchung die Hörerzrc mitgemeint, dasselbe gilt selbstverständlich für die Predigerz«, die Auslegen« usw. 9 10

W. Jetter, Die Predigt als Gespräch mit dem H ö r e r . In: PTh 5 6 , 1 9 6 7 ( 2 1 2 - 2 2 8 ) , 225. J.Jeremias, Die Gleichnisse Jesu, Göttingen 8. Aufl. 1970.

11

A . a . O . 18.

12

E . L i n n e m a n n , Gleichnisse Jesu, Einführung und Auslegung, Göttingen 7.Aufl. 1978,

27f. 13

So A . Jülicher, Gleichnisreden 1 , 1 0 5 .

14

E . Linnemann, Gleichnisse, 35.

12

Mitspieler machen und nur so in seiner Existenz zu ihrem Ziel kommen, zum tbaumazein über Gottes verhüllte, hilfreiche, Heil schaffende Gegenwart." 15 Die Dialoghaftigkeit der Gleichnisreden ist für die homiletische Reflexion nun aber so lange noch ohne besondere Bedeutung, wie als Adressaten der Gleichnisse Menschen der Vergangenheit, seien es die Gegner Jesu, sei es die christliche Gemeinde, angenommen werden. Seit der formgeschichtlichen Erforschung der Evangelien ist bekannt, daß durchaus nicht nur die Gleichnisse eine zielgerichtete, hörerbezogene Anrede darstellen. Dieses Kennzeichen allein würde also eine besondere homiletische Erörterung der Gleichnisreden noch nicht rechtfertigen. Die literaturkritische Betrachtung der Gleichnisse durch D . O . Via16 hat in diesem Zusammenhang jedoch neue Akzente gesetzt. Via behauptet den ästhetischen Charakter der Gleichnisse sowie ihre relative Autonomie, also ihre Unabhängigkeit von der ursprünglichen Redesituation ebenso wie von a priori existierenden Deutungsmustern: „Es gibt mehr als ein bedeutsames Element in einem Gleichnis, und alle diese Züge müssen beachtet werden, aber sie beziehen sich nicht primär und zunächst auf ein Ereignis, Ereignisse oder Ideen außerhalb des Gleichnisses. Sie beziehen sich zunächst einmal innerhalb des Gleichnisses aufeinander, und die Struktur der Verbindungen dieser Elemente wird nicht bestimmt durch Ereignisse oder Ideen außerhalb des Gleichnisses, sondern durch die schöpferische Komposition des Autors." 17 Aus ihrer Autonomie folgt, daß die Gleichnisse auch den heutigen Hörer oder Leser unmittelbar ansprechen. Das geschieht durch „das innere Beziehungsgeflecht der Einzelelemente, durch Gefalle, Szenenfolge und Handlungsbewegung, die unsere Aufmerksamkeit beanspruchen, und zwar ohne den Umweg über einen außerhalb der Geschichte angesiedelten Referenten." 18 Diesen Beobachtungen Vias haben sich P.Ricoeur19 und neuerdings auch W.Harnisch angeschlossen: „Die Gleichniserzählung hat anziehende Kraft. Dies zeigt sich daran, daß sie uns auf die präsentierte Handlung selbst versammelt, uns in sie hineinzieht." 20 Die These von der ästhetischen Autonomie der Gleichnisse ist freilich noch zu differenzieren und zu modifizieren. So ist etwa zu prüfen, ob nicht die 15

W. Jetter, Predigt als Gespräch, 224.

16

D. O . Via, Die Gleichnisse Jesu. Ihre literarische und existentiale Dimension, München

1970. 17

A . a . O . 34.

18

W. Harnisch, Gleichniserzählungen, 62.

P. Ricoeur, Stellung und Funktion der Metapher in der biblischen Sprache. In: P. Ricoeur/ E.Jüngel, Metapher. Zur Hermeneutik religiöser Sprache, E v T h (Sonderheft) 1974, 4 5 — 7 0 ; Ders., Biblische Hermeneutik (1975). In: W. Harnisch (Hrsg.), Die neutestamentliche Gleichnisforschung im H o r i z o n t von Hermeneutik und Literaturwissenschaft, Darmstadt 1982, 248-339. 19

20

W. Harnisch, Gleichniserzählungen, 63.

13

jahrhundertelange homiletische und katechetische Verwendung der Gleichnisse deren ästhetische Autonomie aufhebt. Es hat sich ja im Laufe der Zeit zwangsläufig ein außerhalb der Geschichte angesiedelter und das Verstehen maßgeblich beeinflussender „Referent" in Gestalt der Wirkungsgeschichte dieser Texte eingestellt. Ungeachtet dieser Einschränkung ist aber so viel deutlich: Mit der Einsicht, daß die Gleichnisse Jesu in ihrer Anlage ästhetisch autonom sind, ist das homiletische Sonderinteresse an den Gleichnissen begründet. Es ist zu fragen : Wie kann der Prediger, der den Dialog mit seinen Hörern sucht, in der Predigt mit diesen Texten umgehen, die ihrerseits ihre Ersthörer schon unmittelbar in ein Gespräch verwickeln? Mit den Ersthörern sind hier nicht notwendig die Gesprächspartner Jesu gemeint, sondern alle Menschen, die Jesu Gleichnisse zum erstenmal bzw. unvoreingenommen hören. Oder grundsätzlicher gesprochen: Bieten die Gleichnisreden Jesu gegenüber anderen Predigttexten besondere, bisher noch nicht hinreichend beschriebene homiletische Chancen?

2. Methodische

Vorüberlegungen

Bei den bisherigen Überlegungen wurde noch nicht zwischen einzelnen Formen der Gleichnisrede Jesu differenziert. Jülicher unterscheidet bekanntlich Gleichnis, Parabel und Beispielerzählung, und diese Klassifizierung ist in der Folgezeit im wesentlichen beibehalten worden. Eine Neuordnung der Formen geschieht durch die Untersuchung von W. Harnisch 21 : Er bestreitet die Existenz einer „Beispielerzählung" und ordnet die bisher zu diesem Genus gerechneten lukanischen Texte der Gruppe der Parabeln im Gegenüber zu der der Gleichnisse zu. Die Parabel definiert er als dramatische Gleichniserzählung, die sich durch bestimmte narrative Bauelemente sowie durch ihr metaphorisches Wesen auszeichnet. Von der Parabel gilt vornehmlich, was oben zur Autonomie gesagt wurde; es ist die Gleichniserzählung, die ihre Hörer unmittelbar anredet und in das erzählte Geschehen verwikkelt. Darum wird die homiletische Untersuchung sich auf diese Gruppe der Gleichnisreden Jesu beschränken. Eine Untersuchung von Problemen der Parabelpredigt kann aus verschiedenen Gründen unmöglich von der Vredigtgeschichte absehen. Gegenwärtige Predigt geschieht immer - bewußt oder unbewußt, explizit oder implizit auf dem Hintergrund bereits ergangener Predigt. Dies gilt zum einen aus der Perspektive der Adressaten·. Viele Predigttexte der Perikopenreihen sind 21

14

A.a.O. 71 ff.

ihnen nicht nur nicht fremd, sondern oft auch schon mit bestimmten, durch Predigt und Unterricht tradierten Deutungen behaftet: „(Die Kirche) hat sich immer auch mit ihrer eigenen Tradition auseinanderzusetzen, die ihr in allen Phasen der Lebendigkeit und des Verfalls in ihren Hörern entgegentritt. Sie hat es mit Unverständnissen, Mißverständnissen und Scheinverständnissen, mit einer heimlichen oder ganz offenen Verdrehung ihrer eigenen Botschaft zu tun, an der sie keineswegs unschuldig ist... (Die Hörer) hören jedenfalls nicht auf Neues, sondern auf scheinbar oder wirklich Bekanntes, mit allen Urteilen und Vorurteilen, die man dem Bekannten gegenüber immer schon mitbringt." 22 Diese grundsätzliche Erkenntnis ist für die Parabelpredigt von besonderer Bedeutung: Daß die Gleichniserzählung autonom ist und also jeden, auch den heutigen Adressaten, unmittelbar anspricht, läßt sich dann nämlich zwar als hermeneutische Erkenntnis, nicht aber in gleicher Weise auch als homiletische Einsicht formulieren. Es ist nur in Ausnahmefällen zu erwarten, daß die Predigthörer sich bei der Verlesung einer Gleichniserzählung als Predigttext unmittelbar angesprochen fühlen, sich wie die ersten Adressaten in die erzählte Handlung hineinziehen lassen und dadurch etwas gänzlich Neues und Umstürzendes erfahren. Eine Theorie der Parabelpredigt, die den Predigthörer als einen für die Predigtarbeit konstitutiven Faktor ernstnimmt, wird die die Wahrnehmung der Hörer bestimmenden Deutungsmuster zu beschreiben versuchen und sich zu diesem Zweck mindestens partiell mit der Geschichte der Parabelpredigt auseinandersetzen. - Daß die Predigtgeschichte den Hintergrund gegenwärtiger Predigtpraxis bildet, gilt in gleicher Weise auch im Blick auf den Prediger: Zwar können wir „(nicht) das Predigen dadurch lernen, daß wir uns in der Geschichte der Predigt darüber informieren, wie früher gepredigt wurde" 2 3 , doch ist eine Untersuchung bisheriger Predigt sinnvoll, weil hier an konkreten Paradigmen homiletische Grundfragen sichtbar und beschreibbar werden. Von der predigtgeschichtlichen Arbeit an Parabelpredigten ist zu erwarten, daß sie Aufschluß über Probleme des homiletischen Umgangs mit der Textgattung der Gleichniserzählungen Jesu gibt. Konkretionen der Parabelpredigt aus der neueren Predigtgeschichte bilden also den Ausgangspunkt der Untersuchung. Es wird versucht, einzelne Predigtweisen zu unterscheiden und deren jeweils besondere Chancen und Grenzen kritisch zu würdigen. Der zweite Hauptteil versteht sich als Entwurf einer Theorie der Parabelpredigt: Die bei der predigtgeschichtlichen Arbeit gewonnenen Erkenntnisse werden kritisch mit Einsichten der neueren homiletischen For2 2 E. Lange, Chancen des Alltags. Überlegungen zur Funktion des christlichen Gottesdienstes in der Gegenwart (Hrsg. P. Cornehl), München 1984,215. 2 3 H . Urner, Gottes Wort und unsere Predigt, Göttingen 1961,13.

15

schung sowie mit hermeneutischen Erkenntnissen im Blick auf Jesu Parabeln vermittelt, um aus dieser Zusammenschau Perspektiven für die Arbeit an Parabelpredigten zu gewinnen.

16

Α . KONKRETIONEN DER PARABELPREDIGT AM BEISPIEL DER NEUEREN PREDIGTGESCHICHTE VON M T 1 9 , 2 7 - 2 0 , 1 6 ( 2 0 , 1 - 1 6 ) UND L K 1 0 , 2 3 - 3 7 ( 2 5 - 3 7 )

I. Probleme und Kriterien der Darstellung Eines der Grundprobleme bei der Analyse vergangener Predigt liegt in der Schriftlichkeit des zur Verfügung stehenden Quellenmaterials. Einerseits ist die Bezugnahme auf gedruckte Predigten um der wissenschaftlichen Überprüfbarkeit der Untersuchungsergebnisse willen geboten, andererseits ist mit dieser Bezugnahme eine Auswahl vorgegeben, deren Kriterien der Predigtanalytiker nicht selbst verantwortet und somit auch kaum kontrollieren kann. Ein Blick auf die Titelseiten der Predigtbände zeigt, daß ihre Verfasser vielfach Theologen mit besonderem Status waren: Professoren, Superintendenten, Konsistorialräte, Hofprediger usw. 1 Damit aber stellt sich ein doppeltes Problem, das freilich heute kaum mehr zu lösen ist: Es ist einmal zu fragen, ob denn der Ausschnitt aus der Predigtgeschichte, den wir in Form gedruckter Predigten heute vorliegen haben, diese Geschichte tatsächlich hinreichend repräsentiert, wenn wir - mit Ausnahme der gedruckten Leichenpredigten - kaum Zeugnisse „gewöhnlicher" Pfarrer aus früherer Zeit besitzen. Zweitens ist nicht immer unmittelbar deutlich, mit welcher Intention die Prediger ihre eigenen Werke veröffentlichten. Waren ihre Predigtbände als Erbauungsliteratur gedacht? Sollten sie Lehrbücher für zeitgenössische Prediger sein? Oder dienten sie vor allem der Dokumentation des Schaffens ihrer Verfasser? Diese Intention zu kennen, wäre für ein umfassendes Verstehen der in den Bänden jeweils enthaltenen Predigten wichtig, doch dürfte sich eine solche Kenntnis nur in Ausnahmefällen wirklich erreichen lassen. Die Arbeit an gedruckten Predigten ist daher schon im Ansatz durch offene Fragen belastet. Mit der Schriftlichkeit des Quellenmaterials stellt sich neben der historischen auch eine grundsätzliche,prinzipiell-homiletische Frage. Sie lautet: Ist evangelische Predigt eigentlich noch Predigt, wenn sie gedruckt und damit 1

Eine Ausnahme bilden hier die Prediger der Erweckungsbewegung.

17

von ihrem Vollzug abgelöst ist? Ist sie als Druckerzeugnis noch viva vox evangelii, als die sie nach reformatorischem Verständnis überhaupt nur Predigt zu sein beanspruchen kann? Nur in den seltensten Fällen läßt sich an Hand einer gedruckten Predigt die Situation von Prediger und Hörergemeinde einigermaßen zuverlässig rekonstruieren, und selbst dann ist die Predigt nicht mehr als lebendiges, aktuales Wort zu vernehmen. Sie ist dann allenfalls besser verstehbar und beschreibbar als Wort in eine bestimmte, dann auch bekannte, aber eben vergangene Situation hinein. Wir haben folglich in gedruckten Predigten immer nur den Niederschlag des damaligen Predigtgeschehens, nie aber dieses selbst vor Augen2. Diese mit der Tatsache des Drucks von Predigten gegebene grundsätzliche Problematik scheint das Unternehmen predigtgeschichtlicher Forschung im Ansatz unsinnig werden zu lassen. Wenn vergangene Predigt nicht mehr als Geschehen und also nicht mehr eigentlich als Predigt faßbar ist, dann ist zu fragen, ob es nicht redlicher wäre, auf eine Berücksichtigung der Geschichte der Predigt von Gleichniserzählungen zu verzichten und stattdessen sofort ausgehend von den hermeneu tischen Erkenntnissen der neueren Gleichnisforschung jenes Predigtgeschehen vorzubereiten, das sich erst noch ereignen soll. Diese letzte Konsequenz einer völligen Abkehr von der Predigtgeschichte wird jedoch im vorliegenden Fall wohl nicht zu ziehen sein. Die beabsichtigte Untersuchung soll die gedruckten Predigten primär unter einer eingegrenzten Fragestellung analysieren. Sie soll beschreiben wie frühere Prediger mit einer Gruppe biblischer Texte, den Gleichniserzählungen Jesu, umgegangen sind. Wie aber ein biblischer Text in einer Predigt verarbeitet worden ist, das läßt sich durchaus an Hand des schriftlichen Niederschlags feststellen, ohne daß der Analytiker unmittelbar Zeuge des Predigtgeschehens gewesen sein müßte. Die hermeneutischen Voraussetzungen, unter denen ein Prediger eine Gleichniserzählung ausgelegt hat, entziehen sich nicht der Untersuchung. Man muß freilich wissen, was man tut, wenn man sich im Rahmen einer homiletischen Untersuchung gedruckter Predigten bedient. Mit dem zuletzt Gesagten ist bereits die Frage des Analyseverfahrens angeschnitten: Es ist beabsichtigt, eine bestimmte biblische Textgattung hinsichtlich ihrer Verwendung in früheren Predigten zu untersuchen: 2 Zum Problem vgl. Chr. Bizer, Viva vox impressa. Zu den Formen gedruckter Predigt. In: W P K G 6 2 , 1 9 7 3 , 1 — 11. Bizer relativiert das Problem unter Hinweis auf die Vorrede zu Luthers Weihnachtspostille von 1522. „Wer theologisch ausweisen kann, was Predigt ist, der braucht die Objektivation seiner Predigt nicht zu scheuen." (10) Diese Feststellung mag hilfreich sein für den, der eigene oder fremde Predigten in den Druck zu geben beabsichtigt. F ü r die Predigtanalyse indessen trägt sie nichts aus, da das Predigtverständnis früherer Prediger oft unbekannt ist und sich allenfalls aus den Predigten selbst eruieren läßt. Es bleibt daher bei der beschriebenen Problematik.

18

Gleichniserzählungen Jesu als Predigttexte. Die Quellen sollen also auf die ihnen inhärenten hermeneutischen Voraussetzungen hin befragt und der Kritik unterworfen werden. Im einzelnen gilt es zu prüfen, in welcher Weise das Bedeutungspotential der Gleichniserzählungen Jesu jeweils homiletisch fruchtbar gemacht oder auch ignoriert wurde, und wo die Prediger Schwerpunkte setzten. Möglicherweise zeigt sich bei dieser Prüfung, daß moderne hermeneutische Einsichten in die Wirkweise der Parabeln in früheren Predigten bereits präfiguriert sind; solche „Leuchtspuren" gilt es aufzuzeigen. Obwohl hier das primäre Interesse der Untersuchung liegt, erscheint die beschriebene externe Kritik allein jedoch als unzureichend, weil dann suggeriert würde, daß es bei der Parabelpredigt ausschließlich auf die (richtige) Interpretation der Gleichniserzählung ankomme. Predigtgeschichte wäre dann engführend als Auslegungsgeschichte (miß-)verstanden, und es bestünde die Gefahr hermeneutischer Beckmesserei, die den Predigten als Predigten nicht gerecht würde. Aus diesem Grunde ist bei der Analyse die hermeneutische mit der homiletischen Fragestellung und die externe mit der immanenten Kritik zu verbinden: Die homiletische Eigenart der jeweiligen Einzelpredigt ist unter Berücksichtigung des predigtgeschichtlichen Umfeldes zu beschreiben und zu den die Gleichniserzählung betreffenden hermeneutischen Entscheidungen in Beziehung zu setzen. Die Aufgabe heißt also nicht nur: „Gleichniserzählungen Jesu als Predigttexte", sondern zugleich: „Gleichniserzählungen Jesu als Predigttexte". Mit dieser Beschreibung der Analysekriterien für die Einzelpredigten ist bereits Entscheidendes für ihre Zusammenordnung zu Gruppen und also für die Darstellung von in mehreren Predigten sich dokumentierenden Predigtweisen gesagt. Es ist kaum notwendig, zu betonen, daß eine Gruppierung von Predigten grundsätzlich ein fragwürdiges Unternehmen ist; es besteht immer die Gefahr, daß dabei die einzelne Predigt mit den unverwechselbaren Bedingungen ihrer Entstehung und mit ihrer einmaligen individuellen Gestaltung einer vorschnellen Systematisierung zum Opfer fällt. Darum ist es besonders wichtig, die Kriterien einer solchen Zuordnung vor dem Vollzug sorgsam zu reflektieren und zu differenzieren. Es dürfte inzwischen hinreichend begründet sein, daß eine Kategorisierung der Predigttradition allein unter hermeneutischen Gesichtspunkten nicht sachgemäß ist; die homiletischen Implikationen sind immer mit zu bedenken. Auf der anderen Seite ist es kaum ratsam, die homiletischen Kriterien nun ihrerseits zu verabsolutieren und etwa den Skopus 3 , den Aufbau oder den Hörerbezug von Predigten zum alleinigen regulans der Grup3

Zum Skopusbegriff vgl. F. Wintzer, Predigt als Ermutigung, passim.

19

pierung zu erheben. Ein solches Vorgehen entspräche nicht dem Interesse der Untersuchung, die besonders der hermeneutischen Verfahrensweise ansichtig werden möchte. Homiletische und hermeneutische Kriterien müssen also die Kategorisierung des Quellenmaterials in gleicher Weise bestimmen. Als Ausweg böte sich freilich noch eine Zusammenstellung der Parabelpredigten in predigtgeschichtlichen Blöcken an. Aber auch hier sind Fragezeichen zu setzen, da eine hinreichend differenzierte Bearbeitung der Predigten allein unter chronologischen Gesichtspunkten kaum möglich erscheint. Die Parabelpredigt in der Zeit der Aufklärung gibt es nicht, ebensowenig wie die Predigt von Gleichniserzählungen im 19. oder 20. Jahrhundert. Andererseits muß der historische Ort bei dem geplanten Unternehmen Berücksichtigung finden, denn Predigten entstehen nun einmal nicht außerhalb von Raum und Zeit, sondern sind von den theologischen, homiletischen, gesellschaftlichen und weltanschaulichen Strömungen der jeweiligen Epoche mehr oder weniger stark geprägt. Es ist also notwendig, sich bei der Gruppierung gedruckter Predigten von Gleichniserzählungen sowohl an Aeren predigtgeschichtlichem Hintergrund, als auch an ihrer homiletischen Eigenart, als auch an dem in ihnen zur Anwendung kommenden hermeneutischen Verfahren zu orientieren. Dabei erscheint es im Interesse einer lebendigen Vorstellung von den Quellen sinnvoll, jeweils zunächst einzelne Paradigmen zu besprechen und diese dann zur Grundlage der Beschreibung einer Predigtweise zu machen. Ein letztes Problem der Darstellung von Weisen der Parabelpredigt betrifft die Auswahl aus der Fülle gedruckter Predigten, die, wie oben gezeigt wurde, bereits ihrerseits eine Auswahl darstellen. Es bietet sich an, die predigtgeschichtliche Untersuchung auf zwei unterschiedliche Parabeln zu beschränken und die Predigtgeschichte dieser Gleichniserzählungen exemplarisch darzustellen. Ausgewählt wurden zwei sehr bekannte Parabeln: die Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter (Lk 10,23—37 bzw. 25—37) und die Parabel von den Arbeitern im Weinberg (Mt 19,27-20,16 bzw. 2 0 , 1 - 1 6 ) . Diese Auswahl ist durch die unterschiedlichen theologischen Akzente begründet, die von den beiden Perikopen gesetzt werden: Die Gleichniserzählung von den Arbeitern im Weinberg zielt auf die Erkenntnis der freien Gnade Gottes, während die Parabel vom barmherzigen Samariter in ihrem lukanischen Kontext eine deutlich ethische Ausrichtung hat. Diese Differenz in der theologischen Schwerpunktsetzung hatte in der Predigtgeschichte einen jeweils unterschiedlichen Umgang mit den beiden Perikopen zur Folge. Beide gehören zu den sogenannten altkirchlichen Evangelien, so daß sie von daher eigentlich mit einer gewissen Regelmäßigkeit als Predigttexte am Sonntag Septuagesimae (Mt 19,27—20,16 bzw. 20,1 — 16) und am 13. Sonntag nach Trinitatis (Lk 10,23—37 bzw. 25—37) hätten bearbeitet werden sollen. 20

Vergleicht man nun aber, mit welcher Häufigkeit welcher Text in welchem Zeitraum gepredigt wurde4, so ergibt sich ein charakteristischer Befund: In bestimmten Epochen der Predigtgeschichte haben viele Prediger jeweils einen der beiden Texte bevorzugt bearbeitet, und in der Regel ging solche Bevorzugung der einen Parabel mit einer verminderten Berücksichtigung der anderen Gleichniserzählung einher. Für viele Prediger lag und liegt es wohl auch heute noch nahe, die Parabel vom barmherzigen Samariter von ihrem evangelischen Rahmen her als Ermahnung zur Nächstenliebe zu begreifen, sie ethisch als Gesetz zu verstehen. Ist dieses aber die hermeneutische Voraussetzung, unter der die Gleichniserzählung gepredigt wird, dann überrascht es weder, daß viele Aufklärungsprediger diesen Text bearbeitet und ethisch gepredigt haben, noch, daß im 19. Jahrhundert etwa Vertreter einer konfessionell lutherischen Theologie ihm mit spürbarer Reserve begegneten und ihn entweder ignorierten5 oder aber ihn dogmatisch-lehrhaft predigten6. Und wenn umgekehrt in der Gleichniserzählung von den Arbeitern im Weinberg das „Evangelium in nuce" 7 gesehen wird, so kann es nicht verwundern, daß die Schwerpunkte bei der Predigt dieses Textes anders gesetzt wurden als bei Lk 10,23—37 bzw. 25—37. Diese Beobachtungen werden im Verlauf der Untersuchung zu präzisieren und ganz besonders auch im Blick auf das 20. Jahrhundert zu differenzieren sein. Soviel ist aber bereits jetzt deutlich: Die beiden Parabeln erfuhren als Predigttexte eine ganz unterschiedliche, oft sogar gegensätzliche Bearbeitung, so daß sie sich als Paradigmen für die geplante Untersuchung besonders eignen. Es wird zu prüfen sein, ob es Gemeinsamkeiten in der homiletischen Behandlung beider Texte gibt und ob sich aufgrund solcher Gemeinsamkeiten Aussagen zur Geschichte der Parabelpredigt überhaupt machen lassen.

4 Absolute Zahlen stehen aus quellentechnischen Gründen nicht zur Verfügung, was aber in diesem Zusammenhang auch nicht unbedingt notwendig ist, da es nicht um eine lückenlose Dokumentation, sondern um die Wahrnehmung von Tendenzen in der Parabelpredigt geht. Für die Untersuchung wurden 152 Predigten zu den beiden oben genannten Texten analysiert, die mit Ausnahme einiger Predigten Luthers - alle in dem Zeitraum von etwa 1730 bis zur Gegenwart entstanden sind. Davon nehmen 69 Predigten Bezug auf die Parabel v o m barmherzigen Samariter, 83 Predigten haben als Text die Gleichniserzählung von den Arbeitern im Weinberg. 5 So z . B . C . H a r m s : vgl. das Register in: F. Wintzer, Claus Harms, Predigt und Theologie, Flensburg 1965. 6 Vgl. die Predigten von L . H a r m s in: Predigten über die Evangelien des Kirchenjahrs, Hermannsburg 4. Aufl. 1867, 8 4 1 - 8 5 5 und Th. Kliefoth in: Predigten in der Domkirche zu Schwerin, Schwerin 1 8 5 7 , 2 7 0 - 2 8 7 . 7

A . Jülicher, Gleichnisreden II, 471.

21

II. Parabelpredigt als vernünftige Argumentation und praktische Ermahnung 1. Predigtgeschichtliche

Einordnung

Die mit den Attributen „vernünftige Argumentation" und „praktische Ermahnung" bezeichnete und im folgenden genauer zu beschreibende Weise der Parabelpredigt hat ihren predigtgeschichtlichen Ort in der Epoche der Aufklärung1. Die hier zu untersuchenden Predigten sind mithin Teil des groß angelegten Versuches, die gottesdienstliche Predigt aus orthodoxer Starrheit und pietistischer Engführung zu befreien und die Kommunikation mit den Strömungen der neuen Zeit aufzunehmen. Diese Bemühung war keineswegs ein einheitlicher und zeitlich exakt eingrenzbarer Vorgang: So sind von den frühen Aufklärungspredigern wie J.G. Reinbeck, J.L. v.Mosheim, F. S.G. Sack u. a., denen an dem Nachweis der Ubereinstimmung von Vernunft und Offenbarung lag, die Prediger des Rationalismus zu unterscheiden, die ab etwa 1780 die Ideen ihrer Zeit in verstärktem Maße aufgriffen (]. J. Spalding, W. A. Teller u. a.). Sie gestalteten ihre Predigten nach dem Grundsatz, daß als Inhalt der Verkündigung grundsätzlich nur figurieren könne, was vor der Instanz der Vernunft bestehe. Bei einigen „Nachzüglern" (M. Schian) setzt sich diese Predigtweise noch bis in das 19. Jahrhundert hinein fort, als die Mehrzahl der Prediger dem Rationalismus bereits den Rücken gekehrt hat (Chr.F. Ammon, J . H . B . Dräseke, J.F. Röhr, M.F. Schmaltz u.a.). Schon während der Blütezeit der aufklärerischen Predigt gab es jedoch auch kritische Stimmen, die dem Zug der Zeit energisch widersprachen. Als bedeutendster Vertreter der zwar unter dem Einfluß der Aufklärung stehenden, sich ihr aber zugleich widersetzenden supranaturalistischen Predigt ist F. V. Reinhard zu nennen. Die Predigt des 18. Jahrhunderts ist also ganz und gar nicht homogen. Ungeachtet der vielfältigen Differenzen läßt sich jedoch ein gemeinsamer Grundzug beobachten: Die meisten Prediger jener Zeit schenkten ihren Hörern besondere Aufmerksamkeit und legten darum Wert auf die rationale Nachvollziehbarkeit ihrer Ausführungen sowie auf deren praktische Relevanz für das tägliche Leben. In diesem Zusammenhang ist nun zu fragen, wie mit den Gleichniserzählungen Jesu als Predigttexten umgegangen wurde, 1

Vgl. zum folgenden: M . Schian, Art. Predigt, Geschichte der christlichen. In: R E 3. Aufl.

Bd. 15 ( 6 3 2 - 7 4 7 ) , 6 9 0 f f . ; A . Niebergall, Die Geschichte der christlichen Predigt. In: Leiturgia. Handbuch des evangelischen Gottesdienstes, B d . 2 , Kassel 1955 ( 1 8 2 - 3 5 3 ) , 306ff.; W . S c h ü t z , Geschichte der christlichen Predigt, Berlin/New York 1 9 7 2 , 1 5 9 f f .

22

sofern man sie denn überhaupt predigte2. Die Parabelpredigt stand nämlich in jener Zeit vor einer grundsätzlichen Schwierigkeit: Den Predigern lag an der Logik und Praktikabilität ihrer Aussagen, die Gleichniserzählungen Jesu hingegen sind alles andere als logisch und praktikabel: Sie erzählen gerade nicht, was nach menschlichem Ermessen und mit Hilfe vernünftiger Erwägung zu erwarten wäre, sondern führen Unerwartetes vor Augen. Daß Lk 10,30 ff. ausgerechnet ein Samariter dem Überfallenen helfen wird, ist vom Duktus der Erzählung her nicht absehbar, und ebensowenig erwartet man Mt 20,1 ff. die merkwürdige Entlohnung der Arbeiter durch den Besitzer des Weinberges. Wie mit dieser Schwierigkeit im einzelnen umgegangen wurde, soll zunächst an zwei Predigtbeispielen gezeigt werden, wobei unterschiedliche Phasen der Aufklärungspredigt berücksichtigt werden: J . L . v. Mosheim wird der frühen Aufklärung zugerechnet, während J . J . Spalding als Vertreter der rationalistischen Predigt in ihrer Blütezeit gilt.

2. Zwei

Predigtbeispiele

a) J.L. v. Mosheim: Die ungerechten Beschwerungen ungleiche Austeilung der irdischen Güter (Predigt am 10.2.1732. Text: Mt 20,13-15?

der Menschen über die

J. L. v. Mosheim (1694—1755) machte sich als führender Kirchenhistoriker seiner Zeit und später als Kanzler der neu gegründeten Göttinger Universität einen Namen. Ferner trat er als Prediger hervor und prägte als solcher die Predigtweise seiner und der beiden nachfolgenden Generationen entscheidend mit. Seine vor allem zu besonderen Anlässen an H o f und Universität gehaltenen Predigten sind in sechs Bänden unter dem Titel „Heilige Reden über wichtige Wahrheiten der Lehre Jesu Christi" gesammelt. In den Vorreden zu den „Heiligen Reden" sowie in der Schrift „Anweisung, erbaulich zu predigen" legte er darüberhinaus seine homiletischen Grundsätze dar.

Mosheim beginnt seine Predigt zu Mt 20,13—15 mit einer ausführlichen Auslegung von 1.Tim 6,6 f. (S. 178—192): Paulus lehrein dieser Passage seines Briefes Genügsamkeit und begründe diese Lehre durch verschiedene Argumente. Letztere werden von Mosheim in aller Breite entfaltet. Eine Frucht 2

Ein Beispiel für die fast völlige Abstinenz im Blick auf Jesu Parabeln als Predigttexte sind die

15 Predigtbände G. J. Zollikofers, die nur eine einzige Parabelpredigt zu der Gleichniserzählung vom verlorenen Sohn Lk 1 5 , 1 1 - 3 2 enthalten. (Vgl. G . J . Zollikofer, Sämmtliche Predigten, 1 5 B d e , Leipzig 1798). 3 In: Heilige Reden über wichtige Wahrheiten der Lehre Jesu Christi, 5. Teil, Frankfurt/ Leipzig 2. Aufl. 1741, 177—240. Alle Zitate aus dieser wie auch aus anderen älteren Predigten werden in der Untersuchung den heute geltenden orthographischen Regeln angepaßt.

23

fehlender Genügsamkeit, eine Frucht der Begierde also, seien die „Beschwerungen" der Menschen über die ungleiche Verteilung der irdischen Güter, und diese „Beschwerungen" seien ihrerseits Anlaß zu Unglauben und Verleugnung Gottes sowie zu Haß und Neid, „lauter Dinge, die mit dem höchsten Recht Geißeln der Welt und des menschlichen Geschlechts heißen können" (S. 190). Aus diesem Grund hält Mosheim eine Abhandlung zum Thema menschlicher Unzufriedenheit für unbedingt geboten und stellt mit Blick auf die Parabel fest: „Jesus lehrt uns mit klaren und unumstößlichen Beweistümern, daß alle diese Klagen töricht und ungegründet seien" (S. 190). - Die eigentliche Predigt über Mt 20,13—15 beginnt mit grundsätzlichen hermeneutischen Überlegungen zur Funktion der Gleichnisreden Jesu, die dann auf den Predigttext bezogen werden (S. 192-195). Mosheim behauptet eine doppelte Absicht der Gleichnisse Jesu: eine besondere, die nur gewisse Zeiten, Personen und Begebenheiten betrifft und eine allgemeine, zeitlos gültige Absicht. Die Ausleger, so Mosheim, sind sich in der Regel nur über den besonderen, nicht aber über den allgemeinen Zweck der Gleichnisse uneinig, und das trifft auch für das zu predigende Gleichnis zu. Eine besonders zentrale allgemeine Wahrheit, die die Parabel von den Arbeitern im Weinberg enthält, lautet: Es ist unbillig, an Gottes Gerechtigkeit zu zweifeln, weil er unwürdig erscheinenden Menschen mehr Güter als anderen zuteilt. „Man wird doch allezeit auf diese Wahrheit geraten müssen, wenn man nur etwas nachdenkt" (S. 194). Diese Wahrheit wird durch die Worte Jesu klar und gründlich bewiesen, wobei vorauszusetzen ist, daß mit dem Weinberg die Erde, mit den Arbeitern die Sterblichen und mit dem Groschen die irdischen Güter gemeint sind. Nach diesen hermeneutischen Vorüberlegungen folgt ein dreifacher Beweisgang, der die Ausgangsthese stützen soll. Der erste Teil (S. 195—204) trägt die Überschrift: „Die Beschwerungen der Menschen über die ungleiche Verteilung der irdischen Güter sind zuerst darum ungerecht und unbillig, weil niemand mehr von Gott begehren kann, als in dem Vergleich, den er mit ihm getroffen, versprochen ist" (S. 195). Inwiefern hat Gott mit uns einen Vergleich geschlossen? Mosheim begründet diese These zweifach: Die Schrift sagt ganz deutlich, daß Gott uns zur Arbeit und Pflichterfüllung in die Welt gesetzt hat und uns, sofern wir unsere Pflicht erfüllen, einen Teil seiner Güter geben wird (vgl. Gen 3,19; 2.Thess 3,10; l.Tim 6,7f.; 1.Kor 9,14). Im übrigen ist dieser Vergleich Gottes mit uns auch mit Hilfe der Vernunft erkennbar: Schließlich hat Gott uns mit den Werkzeugen, die zur Arbeit erforderlich sind, in die Welt gesetzt, also zur Arbeit bestimmt und wird darum als Auftraggeber die Kräfte der von ihm Beauftragten durch Nahrung und Kleidung erhalten. Das aber bedeutet nicht, daß Gott auch zu mehr als dieser 24

notwendigen Erhaltung der Arbeitskraft verpflichtet ist. Im Anschluß an diesen ersten Argumentationsgang wehrt Mosheim den bei seinen Hörern vermuteten Protest gegen seine These mit dem Hinweis ab, daß wir uns als Menschen in jedem Fall in Gottes Ordnung zu schicken haben, selbst wenn der Vergleich uns ungerecht erscheint (vgl. Rom 9,20; 11,35). Im übrigen sei der Besitz von noch mehr Gütern auch gar nicht notwendig, da wir als Christen das irdische Leben ohnehin als nur eine kurze Zeit der Prüfung begreifen könnten (vgl. Mt 6,33; l.Joh 5,1 ; 2.Kor 4,18; l.Petr 2,9). - Es folgt der zweite Beweisgang (S. 204—212) unter dem Thema: „Die Beschwerungen der Menschen über die ungleiche Verteilung der irdischen Güter sind vors andere darum unbillig und ungerecht, weil der Höchste der Oberherr über dieselbe ist und sie daher geben und austeilen kann wie er will" (S. 204). Hier bezieht Mosheim sich auf die Äußerung des Hausherrn: „Oder habe ich nicht Macht, zu tun, was ich will mit dem, was mein ist?" (v. 15 a). Diese Frage wird als unmittelbar einsichtig beschrieben, da keiner einem rechtmäßigen Besitzer bestimmter Güter Vorschriften über den Umgang mit seinem Eigentum machen kann. Bezogen auf Gott, so der Prediger, ist der Fall überhaupt völlig unstreitig, da ihm als dem Schöpfer selbstverständlich das Recht zur Güterverteilung in dieser Welt zukommt. Auch nach diesem zweiten Argumentationsgang geht Mosheim wieder auf mögliche Einwände aus der Hörerschaft ein, und zwar auf die Frage: Muß die Verteilung der Güter durch Gott nicht mit seiner Weisheit, Gerechtigkeit und Güte übereinstimmen? Diese Ubereinstimmung weist der Prediger im Detail nach: Gottes Handeln ist stets weise, gleich ob wir diese Weisheit verstehen oder nicht. Es ist ferner gerecht, denn nicht unser Maßstab von Gerechtigkeit gilt, sondern dem Schöpfer allein steht das Urteil über unsere Verdienste zu, da er uns überhaupt erst die Fähigkeit dazu verliehen hat. Und schließlich: Gottes Handeln entspricht durchaus seiner Güte und Liebe. Handelte es sich bei den in Frage kommenden irdischen Gütern um solche, die die menschliche Glückseligkeit beförderten, so geböte die Liebe und Güte Gottes in der Tat eine gleichmäßige Verteilung. Die Schrift (Phil 3,7f.) aber und die Erfahrung beweisen, daß die von uns so genannten Güter nur Scheingüter sind. - „Der Hausvater fragt zuletzt den mißvergnügten Arbeiter: Siehst du darum so scheel, daß ich so gütig bin? Diese Frage, wenn sie entkleidet wird, enthält diese Wahrheit: Es ist einem Menschen höchst unanständig, verdrüßlich darüber zu werden, daß Gott einigen Menschen mehr Guttaten erzeigt als ihm" (S.213). Unter diesem Thema steht der dritte Teil der Predigt (S. 213—224), dessen Struktur der der vorangegangenen Abschnitte entspricht. Mosheim entfaltet zuerst die These und beschreibt die neidische Haltung als Sünde. Denn, so argumentiert er, wenn Gott seine Güter vielen 25

überflüssig zuteilt, so ist das ein Ausdruck seiner Güte und Liebe. Wer an dem Glück anderer Anstoß nimmt, verleugnet folglich den gnädigen Gott. Es folgt wieder ein Einwand von Hörerseite: Der Anstoß richtet sich nicht auf Gott selbst und seine Güte, sondern er entzündet sich daran, daß Gott seine Güte ausgerechnet anderen erweist. Mosheim begegnet diesem Einwand mit einem doppelten Argument: Wer, so antwortet er, vor Gott Ansprüche geltend macht, der muß sich selbst ja für würdiger und besser halten als die von Gott reich Beschenkten oder doch zumindest für gleich. Das aber ist ein Trugschluß: Derjenige, der klagt und sich beschwert, läßt eben dadurch erkennen, daß er gerade nicht fromm, gottselig und gerecht ist; dann nämlich begnügte er sich mit dem ihm vom Schöpfer Zugeteilten. Und selbst wenn der Klagende frommer und gerechter als die anderen wäre, so wäre auch das kein eigenes Verdienst, sondern Gabe Gottes und also unter keinen Umständen Grundlage für einen Anspruch an Gott. Das zweite Argument gegen den Einwand der Predigthörer besteht in einer Gegenfrage: Was ist das Ziel der Klage? Etwa, daß alle Menschen gleich werden sollen? Das, so Mosheim, ergäbe äußerste Unordnung und Verwirrung unter den Menschen; vielmehr garantiert gerade ihre Ungleichheit Ruhe und Frieden. Den Abschluß der Predigt bildet eine ausführliche Anwendung des Gesagten auf die Hörer (S. 224—240). Mosheim konstatiert, daß nur wenige Christen sich explizit mit Worten gegen die Vorsehung des Herrn auflehnen, viele dagegen durch ihr Verhalten, durch ihr Streben nach mehr irdischen Gütern, eine solche Einstellung zu erkennen geben. Der Prediger beurteilt dies als Zeichen großer Entfernung von Gott und seinem Reich, einer Entfernung, die nicht allein durch guten Willen, sondern nur durch eine höhere, reinere Liebe zu Gott und dem Nächsten überbrückt werden kann. - Abschließend wendet Mosheim sich ausdrücklich zunächst an die Reichen und dann an die Armen unter seinen Hörern. Den Reichen schärft er ein, daß Gott alle Geschöpfe in gleicher Weise liebt und sie, die Reichen, darum nicht besser als ein Bettler sind. Im übrigen bedeute ihr Reichtum, da er Frucht der Gnade Gottes sei, eine besondere Verpflichtung zum Gehorsam gegen den Wohltäter. Die Reichen müßten also eifriger und treuer als andere Menschen an ihrer Besserung und Heiligung arbeiten. Vor dem Gericht Gottes trügen sie eine besonders große Verantwortung, so daß sie ihren Reichtum weise anwenden und Gutes tun sollten. Die Armen weist Mosheim darauf hin, daß die irdischen Güter nicht die wahren und rechten Schätze sind. Im Gegenteil, die Reichen seien in gewisser Weise sogar schlechter gestellt als die Armen, weil von ihrem Reichtum viele Versuchungen ausgingen und sie auch mehr Angst vor dem Tod haben müßten: wer viel besitze, habe viel zu verlieren. Zuletzt verweist Mosheim zum Trost auf Rom 12,11 f. und schließt daraus: Wenn 26

schon Gottlose von Gott viel erhalten, welchen Gnadenlohn wird erst der Gerechte in der Ewigkeit empfangen! An der referierten Predigt fällt auf, daß der Prediger sich nicht auf die ganze Gleichniserzählung bezieht, sondern nur die vv. 13—15, also die Erwiderung des Weinbergbesitzers an die murrenden Arbeiter, zum Gegenstand des Nachdenkens macht. Dieses Vorgehen bei der Abgrenzung des Textes wird verständlich, wenn man die ganze Predigt in ihrer homiletischen Zielsetzung zu erfassen sucht. Der Prediger will seine Hörer zur Zufriedenheit ermahnen, da er in der Unzufriedenheit den Keim zu Unglauben und Verleugnung Gottes sowie zu Haß und Neid gelegt sieht. Im Rahmen dieses homiletischen Skopus' bietet sich natürlich die Argumentation des Hausherrn als zentrales Thema an; die Abgrenzung ist also homiletisch veranlaßt. Der Prediger bemüht sich sodann darum, seine Vorgehensweise auch hermeneutisch einleuchtend zu begründen, indem er eine besondere und eine allgemeine Absicht der Gleichnisreden postuliert; letztere, so behauptet er, lasse sich ziemlich eindeutig beschreiben. Im Vollzug der Betrachtung der Parabel von den Arbeitern im Weinberg fixiert Mosheim dann diese allgemeine Absicht innerhalb des Textes, und zwar in den vv. 13—15, die in der Tat die Schlüsselszene der Parabel darstellen. Die übrige Gleichniserzählung wird in der Predigt nicht thematisiert. - Wie ist der so abgegrenzte Predigttext in der Predigt verarbeitet? Bei der Wiedergabe wurde die Disposition des Hauptteils der Predigt in drei Argumentationsgänge beschrieben, die jeweils von einer These eingeleitet werden. Jede dieser Thesen stellt die Verallgemeinerung einer Aussage des Predigttextes dar, wobei die Person des Hausherrn allegorisch auf Gott, die der Murrenden auf die unzufriedenen Menschen überhaupt gedeutet wird. Dabei hält der Prediger die im Text gebotene Reihenfolge ein: Die erste These, die auf die Vereinbarung Gottes mit den Menschen Bezug nimmt, schließt sich an v. 13 an; der zweite Satz betont das Verfügungsrecht des Eigentümers über sein Eigentum und ist auf dem Hintergrund von vv. 14.15 a entworfen; die dritte These schließlich erklärt im Anschluß an v. 15 b den Neid zu einer unanständigen Haltung. Jedes einzelne Argument des Hausherrn in der Gleichniserzählung bzw. jede seiner Fragen wird mithin aus dem narrativen Kontext gelöst und auf eine abstrakte Ebene verschoben. Das Ergebnis ist ein nach Meinung des Predigers allezeit und allerorten gültiger Lehrsatz. Nachdem dieser Schritt der Verallgemeinerung vollzogen ist, wird auf den Predigttext Mt 20,13—15 nicht mehr rekurriert; der Prediger hat es nur mehr mit den aus den einzelnen Sätzen herausdestillierten allgemeinen Wahrheiten zu tun, die er mit Belegen aus der Schrift und mit rationalen Argumenten stützt, um sie den Hörern einsichtig und damit akzeptabel zu machen. - Die homiletische Verarbeitung der Parabel von den 27

Arbeitern im Weinberg läßt sich als eine doppelte Funktionalisierung der Gleichniserzählung beschreiben. Im Rahmen der gesamten Predigt dient die Gleichniserzählung der Ermahnung der Hörer, denn darauf kommt es dem Prediger entscheidend an: „Wohl uns, wenn wir auf seine (sc. Jesu) Worte merken und durch dieselben unser Herz beruhigen und bessern!" (S. 190) Die Ermahnung ihrerseits zielt auf den Abbau des Unglaubens und auf die Beseitigung von Haß und Neid, also, positiv gewendet, auf die Beförderung von Frömmigkeit und Glückseligkeit. Innerhalb dieses homiletischen Skopus' kommt der Gleichniserzählung eine zweite, spezielle Funktion zu: Sie liefert das Gerüst für einen dreifachen Argumentationsgang, steht also im Dienst einer Beweisführung, die ihrerseits die Hörer zu einer Verhaltensänderung motivieren soll4: Die Aussagen der Parabel werden als „Beweistümer" (S. 190) verstanden. Die beschriebene doppelte Funktionalisierung der Gleichniserzählung wirkt sich homiletisch in mehrfacher Weise aus: Hinsichtlich der rhetorischen Gestaltung der Predigt eröffnet sich dem Prediger ein weiter Spielraum dadurch, daß er sich nur partiell an den Duktus der Parabel bindet. So kann er die Regeln der Rhetorik ohne Einschränkung zur Geltung bringen und erreicht dadurch eine thematisch einheitliche, übersichtlich gegliederte Rede mit klar beschreibbarer Zielsetzung. Freilich geschieht dies um den Preis, daß die Parabel nur noch im Rahmen der ihr zugewiesenen Funktion aussagefähig ist: Da sie in eine rationale Argumentation eingebunden ist, kann sie nur der Ratio zugängliche Wahrheiten und kaum mehr ihre eigene Botschaft hören lassen. Diese restriktive Wirkung der Funktionalisierung zeigt sich deutlich, wenn man die theologischen Aussagen der Predigt kritisch überprüft. Wo der Prediger etwa von der Gnade Gottes spricht, begreift er sie als Schöpfergnade, die sich an der Ausrüstung der Menschen mit dem Lebensnotwendigen verifizieren läßt und die der Mensch zu respektieren hat (S. 214ff.). An keiner Stelle der Predigt kommt Gottes Gnade als befreiende Möglichkeit für die menschliche Existenz in den Blick oder wird sie gar den Predigthörern zugesprochen. Die Gleichniserzählung Mt 20,1 — 15 weist jedoch in eine andere Richtung: Wer sich auf sie einläßt, wird sich selbst in den murrenden Arbeitern wiedererkennen und entdecken, wie auch er aus der Entsprechung von Leistung und Lohn lebt. Zugleich aber wird ihm als neue, 4

Die Abfolge von Beweisführung und Ermahnung ist für Mosheims Predigtverständnis

insgesamt charakteristisch: „Für seine Auffassung von der Predigt ist es nur bezeichnend, daß er von einer doppelten Erbauung spricht: Zunächst gilt es, den Verstand zu e r b a u e n . . . Erst nach der Erbauung des Verstandes soll der zweite Hauptzweck der Predigt angegangen werden, nämlich, ,den Willen zu erbauen und zu bessern'. Denn ,eine vernünftige Bewegung des Willens geschieht durch Gründe und Ursachen, die der Verstand begreift und für gültig erkennt'." (A. Niebergall, Geschichte, 307f.).

28

befreiende Existenzweise das Leben aus der Güte Gottes angeboten. Die Gleichniserzählung spricht also Gottes Gnade zu, während der Prediger ihre Anerkennung fordert, oder - zugespitzt formuliert - : Die Parabel von den Arbeitern im Weinberg verkündet das Evangelium, die vorliegende Predigt dieser Parabel tendiert zur Gesetzlichkeit. - Die Funktionalisierung der Parabel von den Arbeitern im Weinberg und damit die relative Unabhängigkeit von ihr gibt dem Prediger sodann die Möglichkeit, in einen lebendigen Dialog mit seinen Hörern einzutreten : Innerhalb eines jeden der drei Beweisgänge im Hauptteil der Predigt nennt der Prediger potentielle Einwände aus den Reihen seiner Hörer, um auch diese in die Argumentation zu integrieren. Dabei werden die Adressaten freilich vor allem auf ihren Intellekt hin angesprochen, was gegenüber der Anlage der als Predigttext figurierenden Gleichniserzählung Jesu eine Reduktion darstellt. Die Parabel redet ihre Hörer ganzheitlich, auf der kognitiven und auf der emotionalen Wahrnehmungsebene, an und intendiert gerade, was der Prediger zu verhindern trachtet: daß der Hörer in den Protest der scheinbar geprellten Ganztagsarbeiter einstimmt. Nach dem Gesagten ist deutlich, daß die Art und Weise, wie Mosheim die Gleichniserzählung von den Arbeitern im Weinberg verarbeitet, ihm einerseits große homiletische Freiheit verschafft, auf der anderen Seite aber gleichzeitig dazu führt, daß wichtige Aspekte der Parabel nicht wahrgenommen werden.

b) J.J. Spalding: Uber die gemeinschaftliche untereinander (Text: Lk 10,23—37)5

Verbindung der Menschen

J. J. Spalding (1714—1804) wirkte als Propst und Oberkonsistorialrat in Berlin und galt dort als führende kirchliche Gestalt. In seinem homiletischen Werk „über die N u t z barkeit des Predigtamts und deren Beförderung" (1772, 3. Aufl. 1791) stellt er den Nutzen des Predigtamtes dar, fordert aber den Verzicht auf die breite Darlegung theologischer Sachverhalte (Trinität, Rechtfertigung, Versöhnung usw.) in der Predigt. Spaldings Entwurf führte zu einer lebhaften Auseinandersetzung mit Zeitgenossen, besonders mit Herder.

„Ein jedes aufmerksames und gut geartetes Gemüt muß es ohne Zweifel einsehen, daß eine hauptsächliche Glückseligkeit des menschlichen Lebens in der einträchtigen Wohlgewogenheit und liebreichen Gesinnung der Menschen gegeneinander besteht. Wieviel würde also nicht zum Besten der Welt damit gewonnen sein, wenn ihnen insgesamt die Gründe lebendig und stark 5

In: Neue Predigten, Tübingen 1787, 157-180.

29

genug an das Herz gelegt werden könnten, welche an sich so vermögend sind, dergleichen würdige und Gott wohlgefällige Neigung zu erwecken! Wir, die wir euch das Evangelium der Liebe predigen, würden damit eine Hauptabsicht unseres Amtes erreichen, wenn die Macht der göttlichen Wahrheit es dahin brächte, daß mehr Wohlwollen, mehr Vereinigung der Gemüter unter euch herrschte, daß von dieser Seite ein wesentliches Stück und der eigentliche Geist des Christentums tätiger bei euch hervorleuchtete, und daß, eben durch eine solche gemeinschaftliche, liebreiche Ubereinstimmung euch zugleich euer Leben schon auf der Welt glücklicher würde" (S. 158f.). - Mit diesen einleitenden Sätzen bestimmt Spalding das Ziel und die wichtigsten Inhalte seiner Predigt. In einem ersten Gedankengang (S. 160—166) werden die Gründe für die Verbindung der Menschen untereinander benannt. Spalding wendet sich zunächst der Person des Schriftgelehrten als dem Adressaten der Gleichniserzählung zu. Dieser hat, so der Prediger, eine „unrichtige Meinung" (S. 160) bzw. „viel zu eingeschränkte Begriffe" (Ebd.) von Nächstenschaft und Nächstenliebe, da er nur Volks- und Glaubensgenossen als Nächste anzuerkennen bereit ist. Darum belehrt Jesus ihn durch die Parabel, die die Verbindung gerade auch verschiedener Menschen (Samariter/Jude) eindrücklich veranschaulicht. Diese Verbindung, in der Erzählung konkret an zwei Personen dargestellt, gilt für alle Menschen. Spalding nennt fünf Ursachen menschlicher Gemeinschaft: Die Menschen sind einmal eine Gemeinschaft der Natur, da sie eben Menschen sind und als solche über eine vernünftige und der Gotteserkenntnis fähige Seele in einem sichtbaren Leib verfügen. Sie sind zweitens eine Gemeinschaft des Ursprungs·, nicht nur sind sie wie alle Geschöpfe von Gott erschaffen, sondern darüber hinaus verbindet sie die gemeinsame Abstammung von Adam und Noah zu einer Bruderschaft. Ein dritter Grund für die Zusammengehörigkeit aller Menschen ist darin zu sehen, daß die Menschheit als eine Gemeinschaft der Schwachheiten zu verstehen ist: Letztlich fehlt es jedem Menschen an irgendetwas, ein Zustand, der in der Sterblichkeit aller Menschen seinen deutlichsten Ausdruck findet. Damit hängt der vierte Grund für die Verbindung der Menschen untereinander zusammen: Die Menschheit, so Spalding, ist eine Gemeinschaft der Bedürfnisse; jeder bedarf des anderen, und das gilt auch und gerade für die Mächtigen unter den Menschen. Schließlich begreift der Prediger fünftens die Menschheit als „höhere Gemeinschaft der göttlichen Absichten und Wohltaten" (S. 165), als Gemeinschaft der Erlösten·. Die Allgemeinheit der Gnade Gottes vereinigt die Menschen zu einer neuen und edleren Verwandtschaft. - Aus dieser mehrfach begründeten Verbindung unter den Menschen schließt Spalding, daß grundsätzlich jeder Mensch den Namen „Nächster" verdient. 30

Der zweite Teil der Predigt (S. 166—173) beschreibt „die Gesinnungen und Pflichten..., die aus dieser Gemeinschaft der Menschen untereinander fließen" (S. 166 Hervorhebung durch Verf.). Spalding faßt diese zunächst unter dem Begriff der „allgemeine(n) Menschenliebe" (Ebd.) zusammen: wo diese Liebe ausbleibt, handelt es sich um Empörung gegen die Ordnung und Absicht des Schöpfers, der die Menschen miteinander so eng verbunden hat. Im folgenden werden dann die einzelnen Wirkweisen der Menschenliebe beschrieben: Die gemeinschaftliche Verbindung der Menschen untereinander verpflichtet erstens „ . . . zu einer wirklichen Teilnehmung an den Umständen und Schicksalen derselben (sc. der Menschen)" (S. 167). Solche gefühlsmäßige Teilnahme an fremdem Geschick zeichnet den Samariter aus, der sich aus bloßer Menschlichkeit dem Überfallenen zuwendet, und Spalding betont, daß solche natürliche Regung den Christen in ganz besonderer Weise ansteht. Letzteres gilt auch für die zweite Wirkweise der Menschenliebe, die tätige Hilfeleistung, die wiederum der Samariter beispielhaft repräsentiert. Schließlich und drittens leitet der Prediger aus den beiden Merkmalen der Menschenliebe, dem Mitleid und der tätigen Hilfe, ab, daß, wer aus Eigennutz oder Gewinnsucht entgegengesetzt handelt, sich schuldig macht. Im dritten und letzten Teil der Predigt (S. 173—180) bezieht der Prediger die bis dahin gewonnenen Erkennntnisse auf seine Hörer. Er konstatiert, daß alle äußere und innere Unruhe in der Feindschaft der Menschen gegeneinander ihre Ursache hat und daß diese Feindschaft wiederum oft von äußerlichen Unterschieden veranlaßt ist. Spalding benennt diese Unterschiede, um sogleich zu beweisen, daß ihnen kein die Menschen trennender Charakter innewohnt: Unterschiede des Volkes, der Sprache und der Sitten etwa können seines Erachtens Menschen nicht trennen, weil sie über alle diese Unterschiede hinweg durch ihren gemeinsamen Ursprung verbunden sind; im übrigen entspricht die relative Verschiedenheit der Menschen durchaus der Ordnung Gottes. Ferner können auch die Standesunterschiede zwischen den Menschen ihre natürliche und von Gott gegebene Gemeinschaft nicht aufheben, so sehr es dieser Unterschiede zur Ordnung und Erhaltung der Welt bedarf. Daß schließlich auch Differenzen in den Religionsmeinungen keine grundsätzlich trennende Wirkung haben, dafür, so Spalding, bietet der Samariter im Gleichnis ein Beispiel, weil er als Irrgläubiger einem Juden hilft. „Hier aber lehret uns unser Heiland... mit seinem Beifall gegen das Verhalten des liebreichen Samariters, wie gut es sei, wenn unter einer solchen Religionstrennung die große Pflicht der allgemeinen aufrichtigen Menschenliebe nicht verloren geht" (177). Die wesentlichen Lehren der Religion, so Spalding, sind jedem redlichen Gewissen klar, und demgegenüber ist die Bekenntniszugehörigkeit von sekundärer Bedeutung. „Der beste und einzige Beweis, daß 31

man nicht bloß in seinem Bekenntnis, sondern auch in seinem Herzen wahre Religion habe, ist Gottseligkeit und Liebe, worin sich der Glaube tätig erweist" (179). Abschließend weist der Prediger darauf hin, daß Eintracht und Liebe nur dort recht geübt werden können, wo das Herz sich Gott ergibt und von seinem Geist leiten läßt. Darum werden die Hörer ermahnt, Gottes alle Menschen umfassende Liebe stets zu bedenken. Spalding legt seiner Predigt nominell die ganze Perikope Lk 10,23—37 zu Grunde 6 . Eine zunächst nur formale Uberprüfung der tatsächlichen Verwendung des Textes ergibt jedoch, daß keineswegs alle seine Aussagen verarbeitet sind: Es fehlen die Seligpreisung vv. 23f. und die Frage des Schriftgelehrten nach dem ewigen Leben; die Zitation des Doppelgebotes der Liebe wird nur teilweise, nämlich in ihrem Bezug auf den Nächsten, berücksichtigt. Schließlich wird in der Predigt auch nicht auf den Schlußdialog Jesu mit dem Schriftgelehrten rekurriert. Das Interesse des Predigers haftet also stärker an der Gleichniserzählung als an deren Rahmen. Diese Akzentsetzung ist wohl kaum exegetisch motiviert, sondern wird auf dem Hintergrund der homiletischen Grundsätze Spaldings verständlich. Da er in seinen Predigten prinzipiell auf die Darlegung theologischer Theorie verzichten will, um so die aufgeklärten Zeitgenossen zu erreichen, bietet sich im vorliegenden Fall die Gleichniserzählung als Hauptbezugspunkt an: Sie ist, da sie ohne theologische Begriffe auskommt, auch Menschen ohne besondere religiöse Prägung zugänglich. Unterzieht man nun jene Passagen der Predigt, in denen der Prediger den verbleibenden Text (vv. 27b.29—35) bespricht, einer genaueren Überprüfung, so ist zunächst negativ zu konstatieren: Der Predigttext hat an keiner Stelle eine homiletisch tragende Funktion, da der Gedankengang der Predigt durch eine Streichung aller Textbezüge kaum wesentlich gestört würde. Dieser Sachverhalt hat seinen Grund in einem gegenüber der zuvor besprochenen Predigt Mosheims veränderten Stellenwert des Predigttextes. Zwar verfährt Spalding zunächst ähnlich wie Mosheim, indem er einen Gedanken aus der Parabel herausgreift. Er beobachtet richtig, daß der Gegensatz zwischen Juden und Samaritanern in der Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter eine zentrale Rolle spielt. Die Uberwindung dieses Gegensatzes und die daraus resultierende Gemeinschaft zwischen den beiden Akteuren in der Parabel wird sodann vom Prediger aus dem Kontext der Erzählung gelöst und in Richtung auf menschliche Gemeinschaft überhaupt verallgemeinert. Sowohl bei Mosheim als auch bei Spalding liefert also die Parabel das Predigt6

32

In der Überschrift über die Predigt.

thema. Dann aber geht Spalding gegenüber Mosheim einen eigenen Weg: Während jener die in der beschriebenen Weise aus dem Predigttext extrahierten allgemeinen Sätze durch Argumente aus Schrift und Vernunft zu stützen sucht, gilt Spalding die Parabel selbst als rationalem Denken unmittelbar einsichtig, was sich unter anderem daran zeigt, daß er, wo immer das Verhalten des Samariters thematisiert wird, dieses als absolut vernünftiges und darum von jedem Menschen erwartbares Tun beschreibt. Diese hermeneutische Prämisse bestimmt dann deutlich die homiletische Verarbeitung des Predigttextes. Bei Mosheim haben die Aussagen der Parabel die Qualität von (freilich ergänzungsbedürftigen) Argumenten in einer Beweisführung, und als solche bilden sie das Dispositionsprinzip des Hauptteils der Predigt. In der vorliegenden Predigt Spaldings hingegen wird auf eine ausgeführte Apologie verzichtet und der Text eklektisch benutzt, um einzelne Thesen zu illustrieren. Zugespitzt läßt sich sagen, daß sich von Mosheim zu Spalding die Gewichte des Predigttextes auf der einen und der Ratio auf der anderen Seite verschoben haben: Während bei Mosheim die Parabel offenkundig Priorität hat und erst dann die rationale Argumentation hinzutritt, rangiert bei Spalding deutlich die Ratio an erster Stelle, genauer: Text und Ratio werden in eins geschaut. Diese Gewichtsverlagerung zeigt sich auch in der Terminologie der beiden Prediger, wenn sie die Funktion des Predigttextes benennen: Mosheim sieht in seiner Gleichniserzählung „Beweistümer" beschlossen, während für Spalding die seine eine „Veranlassung" (S. 160) zur Predigt darstellt. Der beschriebene Umgang des Predigers mit der Parabel vom barmherzigen Samariter hat neben der bereits genannten noch weitere homiletische Konsequenzen, wobei zu beobachten ist, daß die bei Mosheim angelegten und oben dargestellten Tendenzen sich verstärken. Auf Grund seiner hermeneutischen Voraussetzungen kann Spalding sich im Unterschied zu Mosheim ganz und gar von dem Duktus des Textes lösen und seine Rede in völliger rhetorischer Freiheit gestalten. Aufbau und Argumentation sind daher von kaum zu überbietender Klarheit, und die ganze Predigt zeichnet sich durch höchste thematische Geschlossenheit aus. - Wie oben dargelegt wurde, setzt der Prediger voraus, daß die Parabel rationalem Denken unmittelbar zugänglich ist und ordnet sie als solche seiner Argumentation ein. Stärker noch als bei Mosheim wird daher der Predigthörer als ein der vernünftigen Erkenntnis fähiges Wesen angesprochen, während andere Aspekte menschlicher Existenz weitgehend ausgeblendet sind. Selbst der menschliche Wille, der in der Predigt Mosheims durch die Schlußmahnung angesprochen wird, spielt hier praktisch keine Rolle : Der dritte Teil der Predigt stellt weniger eine unmittelbar an die Hörer gerichtete Mahnung als vielmehr eine ethische Reflexion 33

dar. In dieser Weise kann die Parabel nur predigen, wer den Raum der lebendigen, den Hörer unmittelbar und ganzheitlich ansprechenden Erzählung verlassen hat. - Mit diesem „Verlassen" der Gleichniserzählung sind zugleich schwerwiegende theologische Akzentverschiebungen gegenüber der Parabel verbunden: Die Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter intendiert eine Identifikation der Adressaten mit der Person des (jüdischen) Überfallenen. Aus seiner Perspektive erlebt der Hörer die unerwartete, grenzüberschreitende Zuwendung des Samariters. Diese läßt sich in ihrer Unverfügbarkeit als Hinweis auf die grundlose Liebe Gottes deuten. Spalding hingegen sieht in dem Verhalten des Samariters das Natürliche, allgemein Menschliche abgebildet und entzieht der Parabel so ihr theologisches Sinnpotential. Zwar enthält die Predigt durchaus auch theologische Reflexion, namentlich im Blick auf die Gnade Gottes, aber letztere wird formal verstanden: Es ist in erster Linie die „Allgemeinheit" der Gnade (S. 166.180), die den Prediger interessiert und die ihm ein zusätzliches Argument für die Verbindung der Menschen untereinander liefert. Entsprechend lautet dann die Aufforderung an die Predigthörer, sich den Gedanken an Gottes allgemeine Vaterliebe zueigen zu machen (vgl. S. 180) und in diesem Horizont mitmenschlich zu handeln. Eine solche Ethik aber unterscheidet sich grundlegend von einer aus dem unmittelbaren Zuspruch der Gnade erwachsenden Paränese. Der hier angesprochene Mensch bleibt letztlich mit sich und seiner Ratio allein. Alles in allem ist hier in noch stärkerem Maße als für die Predigt Mosheims zu urteilen, daß der rationalistische Zugang zur Parabel sich positiv auf die Gestaltung der Predigt auswirkt und eine in Gedankengang und Sprache an den Bedürfnissen aufgeklärter Hörer orientierte Rede ermöglicht. Auf der anderen Seite werden so die der Gleichniserzählung inhärenten homiletischen Möglichkeiten nur noch partiell oder gar nicht mehr wahrgenommen.

3. Merkmale der Parabelpredigt als vernünftige und praktische Ermahnung a) Homiletische

Argumentation

Eigenart

Die beiden besprochenen Predigten weisen eine Reihe gemeinsamer homiletischer Merkmale auf, die auch andere Parabelpredigten aus dem gleichen Zeitraum kennzeichnen. Freilich handelt es sich dabei zum Teil auch um solche Züge, die für die Aufklärungspredigt überhaupt typisch und mithin nicht exklusive Charakteristika der ParabelpreàÌQ sind. Das gilt insbesonde34

re für die rhetorische Gestaltung der Predigten: Neben ihrer oft enormen Länge fällt die meist besonders sorgfältig ausgeführte und vielfach bis in die kleinsten Abschnitte hinein explizit markierte Disposition auf. Ferner sind die Predigten durch den in ihnen vorgeführten Austausch von Argumenten und Gegenargumenten dialogisch geprägt. Das Gliederungsprinzip wird in der Regel nicht aus dem gedanklichen Duktus des Textes gewonnen, sondern die Predigt entfaltet - nicht selten in der Reihenfolge von „Betrachtung" und „Anwendung" - einen ihr vorangestellten thematischen Leitsatz; dieser allerdings wird aus dem Predigttext entwickelt. - Eine Ubersicht über mehrere Aufklärungspredigten zu der Parabel von den Arbeitern im Weinberg einerseits und zu der Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter andererseits zeigt neben den genannten formalen jeweils auch deutlich inhaltliche Konvergenzen: So werden Predigten über M t 19,27—20,16 bzw. 20,1 — 16 unter folgenden ähnlichen thematischen Leitsätzen entfaltet: „Die ungerechten Beschwerungen der Menschen über die ungleiche Austeilung der irdischen Güter" (J. L. v.Mosheim); „Die Gleichheit der Menschen bei ihrer äußerlichen Ungleichheit" (J. L. v. Mosheim) 7 ; „Daß jeder, der sein Schicksal als ungerecht anklagt, ein sehr tadelnswürdiger Mensch sei" (F.V. Reinhard) 8 ; „Der ist nicht Christ, welcher nach Lohn für seine Tugend fragt" Q . H . B . Dräseke) 9 ; „Was haben wir zu erwägen, um unser Herz vor scheelsüchtiger Unzufriedenheit mit unserer Lage im Leben sicher zu stellen?" Q. F. Röhr) 1 0 ; „Daß der Mensch kein Recht habe, für seinen Gehorsam gegen das Sittengesetz das äußerliche Wohlergehen als einen verdienten Lohn zu fordern, sondern daß Gott in Austeilung desselben freie Macht habe" (K. G . Bretschneider) 1 1 ; „Warnungen vor Unzufriedenheit mit dem glücklichen Lose, das anderen gefallen ist" ( M . F . Schmaltz) 12 . Die Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter wird unter anderem unter folgenden Themen gepredigt: „Uber die gemeinschaftliche Verbindung der Menschen untereinander" (J.J. Spalding); „Der Wirkungskreis der wahren Menschenliebe"

7 In: Heilige Reden über wichtige Wahrheiten der Lehre Jesu Christi, 4. Teil, Frankfurt/ Leipzig 2. Aufl. 1 7 4 1 , 2 5 1 - 3 0 8 . 8

In: Predigten Bd. 4 Jg. 1 7 9 6 , 2 . Teil, Sulzbach 1 8 3 1 , 1 3 - 2 4 .

9

In: Predigten für denkende Verehrer Jesu, Bd. 1, Lüneburg 1 8 3 6 , 1 2 2 — 1 3 9 .

1 0 In: Predigten in der H o f - und Stadtkirche zu Weimar über die gewöhnlichen Sonn- und Festtags-Evangelien gehalten, Bd. 1, Neustadt a.d. Orla 1822, 4 2 - 5 3 . 11 In: Worte der heiligen Schrift zum Unterricht und zur Erbauung erklärt in Predigten an Sonn- und Festtagen, Leipzig 1823, 55—70. 1 2 In: Das menschliche Leben im Lichte der evangelischen Geschichte. Predigten über die Sonn- und Festtags-Evangelien 1837 in Hamburg gehalten, Bd. 1, Hamburg o.J., 5 1 - 6 7 .

35

(F.V. Reinhard) 13 ; „Das Evangelium von der Liebe" Q.H.B. Dräseke) 14 ; „Wieviel dazu gehöre, ein edler Mensch nach dem Sinne Jesu zu sein" (C. F. Ammon) 15 . Man wird aufgrund dieser Ubersicht generalisierend zusammenfassen können: Die Predigten über den Text Mt 19,27—20,16 bzw. 20,1 — 16 behandeln überwiegend das Problem menschlicher Unzufriedenheit16, die Predigten zu Lk 10,23—37 bzw. 25—37 haben meist die mitmenschliche Gesinnung zum Gegenstand17. Was die Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter betrifft, so liegt die thematische Konzentration der Predigten über diesen Text auf die Nächstenliebe sowohl vom Kontext der Parabel als auch von den homiletischen Strömungen der Aufklärungszeit her nahe. Da die Aufklärungspredigt in besonderer Weise an der Tugend und Besserung der Menschen, also ethisch orientiert ist, bietet sich die Person des barmherzigen Samariters als Vorbild für das Handeln der Predigthörer bzw. als Musterfall innerhalb einer ethischen Reflexion an. Aber auch für die Predigten über die Parabel von den Arbeitern im Weinberg ist das Motiv der thematischen Orientierung unschwer erkennbar, und auch hier sind die Gründe sowohl in der Beschaffenheit des Predigttextes als auch in den besonderen homiletischen Interessen der Zeit zu suchen. Die Parabel von den Arbeitern im Weinberg erzählt eine Geschichte, die aus dem Rahmen des Alltäglichen fällt und alles Vernünftige und Erwartbare sprengt. Erwartbar, vernünftig und alltäglicher Erfahrung entsprechend wäre eine zwölfmal höhere Entlohnung der Ganztagsarbeiter gewesen. Die Prediger der Aufklärung und des Rationalismus, denen an der verstandesmäßigen Durchdringung der biblischen Texte und an der rationalen Nachvollziehbarkeit ihrer Predigt lag, mußten sich folglich von der Tatsache der merkwürdigen Entlohnung besonders herausgefordert fühlen. Von daher wird die beinahe einhellige Konzentration auf das Motiv der Unzufriedenheit und der Versuch, diese Haltung mit Vernunftgründen als Unrecht zu erweisen, verständlich: Nur 13 In: Predigten bey dem Churfiirstl. Sächsischen evangelischen Hofgottesdienste zu Dresden. Vierte Sammlung v o m Jahre 1804, Bd. 2, Sulzbach 1 8 0 5 , 4 2 - 6 2 . 1 4 In: Predigten f ü r denkende Verehrer Jesu, Bd. 2, Lüneburg 1836, 249—264. 15 In: Predigten in der H o f - und Sophienkirche zu Dresden über die Evangelien gehalten, Bd. 2 , 2 . Abt., Nürnberg 1 8 1 5 , 5 5 9 - 5 8 2 . 1 6 Eine Ausnahme: Reinhard hält 1812 eine Predigt über den Beruf zur Arbeitsamkeit. In: Predigten Bd. 35, Jg. 1812, Sulzbach 1 8 3 6 , 5 9 - 7 3 . 1 7 Einige Prediger halten im Anschluß an Lk 10,23—37 jedoch auch Predigten über das Gottvertrauen bzw. die Gotteserkenntnis. Vgl. W . A . Teller, Predigten an den Sonn- und Festtagen des ganzen Jahres über die gewöhnlichen Abschnitte aus den Lebensgeschichten Jesu Christi, Berlin 1785, 8 7 - 9 9 ; J . G . Reinbeck, Auserlesene Predigten, die bey besondern Gelegenheiten von ihm gehalten worden (Hrsg. F. E. Rambach), 2. Abt., Berlin 1750, 584-603.

36

so konnte die Parabel nach Meinung der Prediger für den vernünftig denkenden, aufgeklärten Christen gerettet werden. Die beschriebenen thematischen Konvergenzen besagen aber nun nicht, daß alle Predigten über die Parabel vom barmherzigen Samariter die „praktische Ermahnung" zur homiletischen Zielsetzung haben, während der Skopus der Predigten zu der Parabel von den Arbeitern im Weinberg in der „vernünftigen Argumentation" besteht. Das erhellt schon aus den beiden ausführlich besprochenen Paradigmen : Mosheims Predigt über Mt 20,13—15 ist in ihrem Schlußteil als Paränese gestaltet, während Spalding im Anschluß an Lk 10,23—37 seine Hörer vor allem durch rationale Argumente überzeugen will. In den meisten Parabelpredigten aus der Zeit der Aufklärung und des Rationalismus finden sich sowohl vernünftige Argumentation als auch praktische Ermahnung. b) Die Auslegung der Gleichniserzählungen Die beiden Predigten von Mosheim und Spalding lassen eine ähnliche Methode der Textauslegung erkennen, die so auch in anderen zeitgenössischen Parabelpredigten zu beobachten ist. In der Regel wird aus der jeweiligen Gleichniserzählung ein Gedanke herausgegriffen, so daß die übrige Erzählung und der evangelische Kontext homiletisch weitgehend unberücksichtigt bleiben. Dieser Gedanke wird von der in der Parabel geschilderten konkreten Situation abgelöst, verallgemeinert und auf alle Menschen aller Zeiten bezogen. Die so gewonnene und dann als Predigtthema fungierende abstrakte Wahrheit gilt dem Prediger entweder als vernünftiger Erkenntnis ohne weiteres zugänglich (vgl. Spalding), oder sie wird durch zusätzliche Argumente gestützt (vgl. Mosheim). Die Gleichniserzählungen Jesu werden in der Predigt der Aufklärung und des Rationalismus mithin nicht als geschlossene narrative Konfiguration wahrgenommen, sondern als bildhafte Einkleidung einer allgemeinen Wahrheit, Erfahrung oder Verhaltensnorm, die im Auslegungsprozeß herauszuarbeiten ist. Die in der Gleichniserzählung handelnden Akteure sind als Typen verstanden, die ein bestimmtes positives oder negatives Verhalten repräsentieren; als Identifikationsfiguren fungieren sie in der Predigt gewöhnlich nicht. Da die allgemeine Wahrheit, die die Parabel ins Bild setzt, als auch auf andere Weise, nämlich mit den Mitteln der Ratio, erschließbar gedacht ist, ist zu urteilen: Der Gleichniserzählung Jesu kommt in der Aufklärungspredigt keine innovatorische, sondern primär illustrative Funktion zu. Im Blick auf das beschriebene Auslegungsverfahren ist nun noch einmal zwischen den Predigten zu der Parabel vom barmherzigen Samariter und 37

jenen zu der Gleichniserzählung von den Arbeitern im Weinberg zu unterscheiden. Erstere konzentrieren sich primär auf das Verhalten des Samariters, um je einen Aspekt seines Handelns besonders zu akzentuieren: So zeigt der Samariter etwa, wie man seine Augen recht gebraucht 18 ; er erinnert an die Freude, die mit der Vollbringung einer guten Tat verbunden ist19; er repräsentiert die allgemein-menschliche Erfahrung, daß Hilfe oft von unerwarteter Seite kommt 20 , und an ihm werden die Züge und der Umfang der wahren Menschenliebe sichtbar 21 . Im Unterschied dazu fällt an den Predigten zu der Parabel von den Arbeitern im Weinberg auf, daß sie jeweils einzelne Verse aus der Gleichniserzählung herauslösen und verallgemeinern, wobei es sich - mit wenigen Ausnahmen 22 - um Sätze aus dem letzten Drittel der Gleichniserzählung handelt: So zieht Mosheim in einer Predigt von 1735 nur v. 12 heran 23 , Reinhard in einer Predigt von 179624 vornehmlich v. 15, und Bretschneider beschränkt sich auf die w . 14.15 a25. Auch Röhr 26 und Schmaltz 27 beziehen sich in ihren Predigten zu der Parabel von den Arbeitern im Weinberg ausschließlich auf den Schlußdialog. Dieser auffällige Befund läßt sich nur mit dem besonderen homiletischen Interesse jener Prediger erklären : Da es ihre Absicht war, in der Predigt zu argumentieren und in einen Dialog mit den Hörern einzutreten, lag es nahe, daß sie jenen Teil der Parabel, der als Dialog und Argumentation gestaltet ist, zur Grundlage ihrer Predigt machten. An den Predigten zu der Parabel von den Arbeitern im Weinberg wird mithin besonders augenfällig, was für die Parabelpredigt in der Zeit von Aufklärung und Rationalismus überhaupt gilt: Die hermeneutischen Entscheidungen haben keine eigene Dignität, sondern werden jeweils zweckgebunden - im Blick auf die homiletische Zielsetzung - getroffen. Von daher muß auch bezweifelt werden, ob man hier überhaupt von einer spezifischen Gattung der Parade/predigt sprechen kann ; es ist vielmehr anzunehmen, daß die Prediger in Aufklärung und Rationalismus mit allen biblischen Texten in ähnlicher Weise verfuhren. Gleichwohl ist zum Schluß noch anzumerken, daß das beschriebene hermeneutische Verfahren, wie es (unter anderem) bei den Gleichniserzählungen zur Anwendung gebracht wird, Analogien zu der

18 19 20 21 22 23 24 25 26 27

38

Vgl. die Predigt Reinbecks (s. Anm. 17). Vgl. F.S.G. Sack, Predigten, Frankfurt/Leipzig, 2. Aufl. 1799,199-220. Vgl. die Predigt Tellers (s. Anm. 17). Vgl. die Predigt Reinhards (s. Anm. 13). Vgl. die Predigt Reinhards (s. Anm. 16) und die Predigt Dräsekes (s. Anm. 9). Vgl. Anm. 7. Vgl. Anm. 8. Vgl. Anm. 11. Vgl. Anm. 10. Vgl. Anm. 12.

mehr als hundert Jahre später entwickelten Gleichnistheorie A. Jülichers aufweist: Jülicher begreift die Gleichnisreden Jesu als rhetorische Instrumente mit argumentativem Charakter und beschreibt sie als zweigliedrig, aus einer Bild- und einer Sachhälfte bestehend, die sich in einem Punkt, dem tertium comparationis, treffen. Letzteres läßt sich als eine „allgemeine Wahrheit" 2 8 formulieren. Es liegt auf der Hand, daß Elemente dieser Gleichnistheorie in Aufklärungspredigten präfiguriert sind 29 . Eine entscheidende Differenz dürfte freilich in der Auffassung von der „Sachhälfte" der Parabel liegen. Bei Jülicher sind mit diesem Terminus die „Verhältnisse des Himmelreiches" 30 gemeint, während die Parabelprediger in Aufklärung und Rationalismus der Auffassung sind, die Gleichniserzählung veranschauliche etwas allgemein Menschliches und Vernünftiges.

4. Kritische

Würdigung

Die Stärke der Aufklärungspredigt und mithin auch der Parabelpredigt jener Zeit liegt in ihrer engen Bezogenheit auf die Predigthörer. Den Predigern kommt es darauf an, das Zeitgefühl der Hörer aufzunehmen, ihrem Bedürfnis nach logischer Folgerichtigkeit Rechnung zu tragen und praktische Hinweise für das tägliche Leben der Christen zu geben. Diesem Anliegen dienen die Predigten sowohl ihrem Inhalt wie ihrer Form nach. Exemplarisch wird dies deutlich an den untersuchten Predigten zu der Parabel von den Arbeitern im Weinberg: Die Ausgrenzung einzelner Verse der Gleichniserzählung und die damit zusammenhängende Wahl des Themas ist veranlaßt durch die homiletische Zielsetzung der „vernünftigen Argumentation und praktischen Ermahnung". Formal sind die Predigten gekennzeichnet durch ihren klaren Aufbau, ihre thematische Geschlossenheit sowie durch ihre verständliche und prägnante Sprache. Freilich wird dadurch der Spannungsreichtum, die Lebendigkeit und Dynamik der Gleichniserzählung vielfach unkenntlich: Spannungen werden logisch-argumentativ aufgelöst, die Parabeln einer strengen Disposition untergeordnet und somit domestiziert. Dennoch entfalten die Parabelpredigten der Aufklärungszeit nie lebensferne theologische Lehre, sondern bemühen sich, den Zusammenhang des Glaubens mit dem täglichen Leben offenzulegen. Das bedeutet für den Umgang mit den Gleich28

Vgl. A . Jülicher, Gleichnisreden 1 , 1 0 5 .

Daß Mosheim in M t 2 0 , 1 3 - 1 5 „Beweistümer" sieht und Jülicher die Gleichnisreden grundsätzlich mit Aristoteles als „Beweismittel" versteht (Gleichnisreden I, 71), ist darum mehr als nur eine zufällige terminologische Ubereinstimmung. 29

30

Vgl. A . Jülicher, Gleichnisreden 1 , 1 0 4 f.

39

niserzählungen, daß die Auslegungsmethode der Allegorese nur sehr begrenzt angewandt wird, nämlich dann, wenn die homiletische Intention es erfordert. Das ist gelegentlich bei Predigten über die Parabel von den Arbeitern im Weinberg, nie jedoch bei solchen über die Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter der Fall. Statt der Allegorese bedienen sich die Prediger des Mittels der Verallgemeinerung einzelner Aussagen des Textes, um die Hörer in ihrer Wirklichkeit zu treffen. Mit ihrem besonderen Interesse an den Predigthörern entspricht die Parabelpredigt der Aufklärungszeit der Intention der Parabeln Jesu selbst: Auch sie sind nicht abstrakt-theologische Belehrung, sondern wollen auf die Hörer einwirken, bei ihnen etwas be-wirken. Gleichwohl handelt es sich hier um zwei verschiedene Weisen der Anrede: Während die Parabel erzählt und den Hörer in diese Erzählung verwickelt, argumentieren und ermahnen die Parabelprediger. Diese verschiedenen Modi der Rede aber lassen auf ein unterschiedliches Bild vom Hörer schließen. Die Gleichniserzählung erfaßt den Hörer ganzheitlich, ihre Predigt als vernünftige Argumentation und praktische Ermahnung zielt auf Verstand und Willen; der Horizont, in dem der Hörer angesprochen wird, ist in der Parabelpredigt gegenüber der Parabel selbst verengt. Verengt ist auch der theologische Horizont: Während die Gleichniserzählungen Jesu ihren Hörern durch das Mittel der Fiktion eine gänzlich neue und alles Bestehende transzendierende Wirklichkeit erschließen, die Wirklichkeit des Reiches Gottes, kommt es den Predigern darauf an, die Wirklichkeit Gottes gerade in Einklang mit der rational faßbaren Realität zu sehen. Darum versuchen sie, alle jene Züge in den Parabeln, die nicht ohne weiteres mit der vorfindlichen Wirklichkeit korrespondieren, entweder zu eliminieren oder als doch logisch und vernünftig zu erweisen. Das aber bedeutet, daß der in dieser Weise angesprochene Mensch zuletzt an seine Wirklichkeit und also an sich selbst gefesselt bleibt und den Zuspruch der freien Gnade Gottes nicht vernehmen kann; die Predigt erhält einen gesetzlichen Zug.

40

III. Parabelpredigt als Darlegung von Lehre und Bekenntnis 1. Predigtgeschichtliche

Einordnung

Für die oben beschriebene „Parabelpredigt als vernünftige Argumentation und praktische Ermahnung" konnten bestimmte homiletische Merkmale sowie bestimmte hermeneutische Verfahrensweisen beschrieben und als charakteristisch erwiesen werden. Predigtgeschichtlich waren die zu dieser Gruppe zu rechnenden Predigten der Epoche von Aufklärung und Rationalismus zuzuordnen, so daß diese Predigtweise nicht nur durch inhaltliche Momente konstituiert, sondern zugleich auch historisch eindeutig fixierbar war. Etwa mit der Wende zum 19. Jahrhundert wird der Befund wesentlich komplexer, und es ist nicht mehr möglich, verschiedene Gruppen von Parabelpredigten nicht nur inhaltlich, sondern auch zeitlich genau gegeneinander abzugrenzen; vielmehr existieren jetzt unterschiedliche Predigtweisen nebeneinander. Diese Beobachtung freilich bezieht sich keineswegs allein auf die Parade/predigt, sondern betrifft die Predigt des 19. Jahrhunderts überhaupt. So werden in den Darstellungen der Predigtgeschichte dieses Zeitraumes in der Regel bis zu sechs verschiedene Predigtweisen genannt 1 . Ihnen allen ist die Wendung zu einer „betont biblischen Verkündigung" gemeinsam2, die aber in jeweils charakteristischer Verschiedenheit entfaltet wird. Eine der Predigtweisen des 19. Jahrhunderts ist zu beschreiben als die „Predigt eines wieder erwachenden Konfessionalismus" 3 . Die in ihren Umkreis gehörenden Prediger fühlen sich dem kirchlichen Bekenntnis in besonderer Weise verpflichtet, ihre Predigt versteht sich als „Darbietung der lauteren Heilslehre, des Kerns und Sterns des Evangeliums" 4 . Demgegenüber verliert die Rücksicht auf die konkrete Gemeinde und den einzelnen Predigthörer ebenso wie das Bestreben nach einer Aussöhnung der biblischen Botschaft mit dem Zeitgeist an Bedeutung. Es liegt auf der Hand, daß die Prediger, die sich jene dogmatische, bekenntnisorientierte Predigtweise zueigen gemacht hatten, vor besonderen Schwierigkeiten standen, wenn sie eine Gleichniserzählung Jesu als Predigt1

Vgl. M. Schian, Geschichte 708ff.; A.Niebergall, Geschichte, 316ff., W. Schütz, Geschichte, 186 ff. 2 Vgl. M.Schian, Geschichte, 711; A.Niebergall, Geschichte, 339; W.Schütz, Geschichte, 187. 3 A. Niebergall, Geschichte, 331. 4 M. Schian, Geschichte, 717.

41

text verarbeiten mußten: Die Parabeln nämlich stehen von vornherein in einem gewissen Spannungsverhältnis zu der homiletischen Intention jener Prediger. Lag letzteren daran, ihren Hörern das Bekenntnis der Kirche verständlich und akzeptabel zu machen, so hatten sie es hier mit Predigttexten zu tun, die sich gerade nicht als Bekenntnisse, sondern als Erzählungen, und also als ein ganz und gar anderer Modus der Rede präsentieren. Diese Spannung setzt sich auf der inhaltlichen Ebene fort : Waren die Prediger daran interessiert, ihren Hörern theologische Lehre zu vermitteln, näherhin die reformatorische Rechtfertigungslehre mit der zentralen Unterscheidung von Gesetz und Evangelium, so lagen ihnen hier Predigttexte vor, die keine explizite Theologie entfalten, sondern ganz einfach von einem Überfallenen und seinem Retter, von einem Weinbergbesitzer und seinen Arbeitern oder von einem Vater und seinen Söhnen erzählen. Wie mit dieser Spannung zwischen der homiletischen Intention der Prediger einerseits und der Eigenart der Gleichniserzählung andererseits umgegangen wurde, welche hermeneutischen Zugänge zu den Parabeln benutzt wurden, um diese Spannung zu lösen und wie sich in diesem Zusammenhang die Gestalt und der Inhalt der Parabelpredigt darstellten, das soll im folgenden - wiederum ausgehend von zwei Predigtbeispielen - untersucht werden.

2. Zwei

Predigtbeispiele

a) L. Harms: Viele sind berufen, aber wenige sind (Text: Mt 19,27-20,16f

auserwählt

L. Harms (1808—1865) stand als Prediger zunächst unter dem Einfluß des Rationalismus, bis er sich um 1830 der überlieferten lutherischen Lehre zuwandte. Von der über die Hermannsburger Gemeinde und auch über seine Zeit hinausreichenden Bedeutung seiner Verkündigung zeugt die Tatsache, daß 1923 seine Evangelienpredigten in 19. Auflage erschienen sind.

Harms geht aus von der Frage des Petrus nach dem Lohn der Nachfolge (Mt 19,27). Er sieht diese Frage durch den Predigttext, die Parabel mit ihrem Kontext, in mehrfacher Hinsicht beantwortet und diese Antwort wiederum in dem Schlußsatz der Perikope, „Viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt" (Mt 20,16 b) zusammengefaßt. Die Predigt selbst entfaltet jene Schlußsentenz in drei Teilen, wobei jedem Teil der Predigt nacheinander je ein Abschnitt des Predigttextes zu Grunde 5

In: Predigten über die Evangelien des Kirchenjahrs. Zweites H e f t : Vom Sonntag Septuagési-

ma bis 2. Ostertag, Hermannsburg 1 8 5 9 , 2 3 3 — 2 4 5 .

42

gelegt wird. - Teill (S. 2 3 5 - 2 3 9 ) antwortet mit Hilfe von Mt 19,28 f. auf die Frage: „Wozu sind wir berufen?" Harms sieht das Ziel der Berufung in der Herrlichkeit der Wiedergeburt, von der in der Antwort Jesu an Petrus (v. 28) die Rede ist und die er als zukünftiges Paradies, als „neue Erde und neuen Himmel" begreift. Plastisch malt der Prediger alle Freuden aus, die den Frommen in jenem Reich zuteil werden, weist aber darauf hin, daß irdische Entbehrungen und Leiden nicht erst und nicht allein dort, sondern durchaus schon in dieser Welt vergolten werden. - Teil II der Predigt (S. 239—242) bezieht sich sodann auf die erste Hälfte der Gleichniserzählung von den Arbeitern im Weinberg (Mt 20,1 - 7), um die Frage, „wer die Berufenen sind", zu klären. Das geschieht durch die Auswertung und Anwendung dreier Einzelaspekte des zu Grunde liegenden Textabschnittes: Der Hausvater, so Harms, ist „unser lieber Herr Jesus Christus" (S. 239), und der beruft nach seiner Himmelfahrt durch die Taufe und durch die Predigt des Evangeliums. Dieses doppelte Amt hat er mit dem Missionsbefehl (Mt 28,18—20) in die Hände seiner Diener gelegt. Fazit: „Die Berufenen sind die Getauften, welche die Predigt des Evangelii hören" (S. 240). Die mehrfache Anwerbung von Arbeitern deutet der Prediger dahingehend, „daß die Taufe und die Predigt des Evangelii fortgehen soll bis zum jüngsten Tage wie sie schon fortgegangen ist bis auf diesen Tag" (Ebd.). Die dadurch erfolgte Berufung ist eine Voraussetzung zur Erlangung der Seligkeit, und diese Voraussetzung ist bei den Predigthörern erfüllt. Schließlich wird drittens darauf hingewiesen, daß hier von Arbeitern im Weinberg Gottes die Rede ist, daß damit aber nicht etwa nur die Pastoren, sondern alle Christen gemeint sind und also Berufung zugleich Arbeit bedeutet. - Nachdem der zweite Teil der Predigt die Hörer grundsätzlich als Berufene und also potentiell Selige angeredet hat, dient Teil III (S. 242—245) der „Warnung und Ermahnung", denn: „Wirklich selig werden nur die Auserwählten". Diesen Satz entfaltet Harms mit Hilfe des zweiten Teils der Parabel, der Auszahlungszene (Mt 2 0 , 8 - 1 5 ) . Hier ist nach Meinung des Predigers vom Jüngsten Gericht, genauer: von dem Urteil Gottes über die Berufenen die Rede. Ihnen allen ist ein unteilbarer Groschen, die ewige Seligkeit, versprochen, jedoch nicht als Verdienst, sondern als Gnadenlohn. An diesem Punkt aber entscheidet sich nun, wer nur berufen und wer hingegen zur Seligkeit auserwählt ist. Während die einen ihre Seligkeit dankbar entgegennehmen, verschmähen die anderen aus Hochmut und Selbstgerechtigkeit die ihre. Diese Aussage begründet Harms mit der Antwort des Hausvaters v. 14: „Nimm, was dein i s t . . . " Er schließt daraus, die Arbeiter hätten ihren Groschen aus Protest nicht angenommen. Wenn also, so folgert der Prediger, Berufene nicht selig werden, dann ist das nicht etwa Gottes, sondern allein ihre eigene Schuld. Im folgenden wird das 43

Gesagte auf konkrete Menschengruppen bezogen: Zu den Berufenen, die nicht zu Auserwählten werden, gehören, so Harms, prinzipiell die Juden, ferner jene Christen, die durch ihre Teilnahme an den Sakramenten sowie durch ihre Heiligung einen Anspruch auf die Seligkeit zu haben meinen. Die Predigt gipfelt in einem Aufruf an die Hörer, sich zu entscheiden: „Wie steht es nun mit euch? Wollt ihr die Seligkeit aus Gnaden oder aus Verdienst?" (S. 245). Im Vergleich mit der bereits besprochenen, gut ein Jahrhundert älteren Predigt J . L . v.Mosheims über dieselbe Perikope6 fällt hier unmittelbar die breitere Rezeption des Predigttextes auf: Hatte Mosheim sich aus homiletischen Gründen auf die Erwiderung des Hausvaters an die murrenden Ganztagsarbeiter vv. 13 — 15 konzentriert und nur diesen kurzen Textausschnitt zur Basis seiner Argumentation gemacht, so wird bei Harms der Predigttext zur „voll ausgebeuteten Stoffquelle" 7 . Er predigt nicht nur die Parabel in allen ihren Bestandteilen, sondern bezieht auch ihren Kontext, die Frage des Petrus nach dem Lohn der Nachfolge und Jesu Antwort darauf (Mt 19,27—30), in seine Ausführungen ein. Bei näherem Hinsehen zeigt sich freilich, daß auch Harms - ähnlich wie vor ihm die Prediger der Aufklärung und des Rationalismus die Gleichniserzählung von den Arbeitern im Weinberg im Blick auf seine homiletische Intention funktionalisiert. Verschieden ist lediglich der Hintergrund: Lag Mosheim und anderen besonders daran, ihren Hörern eine einsichtige Argumentation zu präsentieren, um so ihre Lebenspraxis zu beeinflussen, so kommt es Harms darauf an, die kirchliche Lehre zu entfalten, um so seine Hörer im christlichen Glauben zu vergewissern. Das Interesse an einer Präsentation der kirchlichen Heilslehre bei gleichzeitigem Ausschöpfen des Predigttextes leitet das Verstehen der Parabel von den Arbeitern im Weinberg: Der Prediger sieht in dem (ganzen) Text unterschiedliche Aspekte der Berufung zur Seligkeit beschrieben. Dabei überwindet er die Differenz zwischen der Sprachform der Erzählung einerseits und der des diskursiven Kontextes andererseits durch eine allegorische Auslegung der Parabel; auf diese Weise gewinnt er der Gleichniserzählung von den Arbeitern im Weinberg unmittelbar einen theologischen Sinn ab und gleicht sie sprachlich dem Kontext an. Die Allegorese der Parabel jedoch führt den Prediger in theologische Aporien, wobei sich besonders die Deutung des Denars oder Groschens als schwierig erweist: Bedeutet er nämlich die „ewige Seligkeit", so folgt daraus zwangsläufig, daß diese ein von Menschen erreich6 7

44

S . o . 2 3 Anm.3. M. Schian, Geschichte, 716.

barer Lohn ist, denn die zuerst angeworbenen Arbeiter sollten ja laut mündlichem Vertrag den Groschen als Arbeitslohn erhalten. Harms hilft sich, indem er zwar die besagte Übertragung vollzieht, zugleich aber behauptet, es handle sich hier um Gnadenlohn, auch für die Ganztagsarbeiter. Davon ist freilich in der Parabel keine Rede. Sie gipfelt darin, daß Arbeitern, die unterschiedlich lang gearbeitet haben, gleicher Lohn ausgezahlt wird und daß dieses Verhalten des Weinbergbesitzers Entrüstung bei den Ganztagsarbeitern wie bei den Hörern der Gleichniserzählung provoziert. Diese Spitze der Erzählung wird von dem Prediger mit Hilfe einer erweiterten Deutung des Lohnes abgebrochen: Es gibt, so Harms, nur eine ganze, unteilbare Seligkeit, so daß der Hausherr (Christus) bei der Auszahlung gar nicht differenzieren kann. - Neben dem beschriebenen, mit der allegorischen Auslegung verbundenen Problem fällt in der vorliegenden Predigt die mitunter gewaltsame Deutung von Einzelzügen der Parabel bis hin zum Eintragen fremder Momente auf: So ist dem Text die „dankbare", „seelenfrohe" Stimmung der Letzten kaum zu entnehmen, und es erscheint geradezu verstiegen, aus der Aufforderung des Hausherrn, „Nimm das deine...", schließen zu wollen, die Ersten hätten ihren Lohn verschmäht. Diese Verformungen des Textes, die die Argumentation der Predigt in Teil III im wesentlichen tragen, entstehen durch den Druck, den die homiletische Intention des Predigers auf die Parabel ausübt. Harms' Interesse an der kirchlichen Heilslehre und die daraus resultierende Auslegungsweise wirken sich deutlich auf den Duktus der Predigt aus: Sie präsentiert sich als thematische Einheit - in allen ihren Bestandteilen geht es letztlich um die Frage nach dem Heil - und in überschaubarer Disposition. Bei näherem Zusehen zeigt sich freilich, daß der Versuch der Darbietung eines theologischen Lehrstücks auf der Basis des Predigttextes mit mehreren logischen Brüchen erkauft ist. So besteht ohne Zweifel eine gewisse Dissonanz zwischen den Teilen I und III der Predigt: Während in Teil I Berufung und Seligkeit in eins geschaut werden (allerdings gebraucht Harms hier den Terminus „Herrlichkeit" bzw. „Berufung zur Herrlichkeit"), tritt in Teil III die Kategorie des Auserwähltseins dazwischen. Ebenso stehen bestimmte Aussagen des II. Teils mit solchen des III. Teils in Spannung: So wird in der Predigt nicht abschließend geklärt, welche Rolle das Tun, die Arbeit des Berufenen, für seine Seligkeit spielt. Einerseits erscheint die Arbeit geradezu als Voraussetzung der Seligkeit (S. 242 : „Was wollt ihr antworten am jüngsten Tage, wenn der Herr Jesus zu euch sagt: Ich habe euch zu Arbeitern gemietet, wo ist eure Arbeit?"), andererseits wird das Tun diskreditiert (S. 244f.: „Die einen gebrauchen die Taufe, Kirche, Absolution, Abendmahl und Übung in der Gottseligkeit als Arbeitsmittel und gebrauchen sie sich zur Verdamm45

nis..."). Diese Spannungen sind ein Indiz dafür, daß es dem Prediger nicht gelingt, die von ihm vertretene (lutherische) Heilslehre exakt mit dem zu predigenden Text zur Deckung zu bringen. Der Grund dafür könnte darin liegen, daß die dramatisch konzipierte Gleichniserzählung sich mit starren theologischen Denkmustern nicht hinreichend erfassen läßt. - Konsequenzen hat das Vorgehen des Predigers auch für die homiletischen Zuspitzungen im Blick auf die Predigthörer. Die konkrete Situation der Hörergemeinde wird in der Predigt nicht explizit bedacht, sondern es ist die menschliche „Grundsituation" 8 vor Gott, die der Prediger primär thematisiert. Die Adressaten werden ausschließlich theologisch qualifiziert: als Getaufte und im christlichen Glauben Unterwiesene (Teil II), als Berufene, die auf Hochmut und Selbstgerechtigkeit verzichten sollen, um die Seligkeit zu erlangen (Teil III). Harms will seinen Hörern die Frömmigkeit als Lebensperspektive erschließen. Damit hat er die Gleichniserzählung von den Arbeitern im Weinberg partiell richtig gedeutet, denn auch sie zielt darauf, daß der Hörer sich seiner Situation vor Gott bewußt und daß ihm eine erneuerte Lebensperspektive zuteil wird. Im Unterschied zu der Parabel aber, die mit Hilfe der narrativen Fiktion und der Partizipation ihrer Hörer indirekt Theologie treibt, steht in der vorliegenden Predigt die theologische Reflexion von Anfang an und explizit im Zentrum. Diese Verschiebung wird augenfällig in der Differenz der Sprechakte: Während die Parabel durch ihr narratives Gepräge die Hörer ganz und unmittelbar auf sich „versammelt" 9 , dominiert in der Predigt der Sprechakt der Belehrung bzw. der der Mahnung und Warnung. Ferner fällt auf, daß jene Teile der Predigt, denen die anschauliche Gleichniserzählung zu Grunde liegt, weitgehend ohne Bilder gestaltet und mit zahlreichen Theologumena durchsetzt sind, während der Prediger sich dort, wo er den explizit theologischen Kontext der Parabel verhandelt, zu außerordentlich plastischen und redundanten Schilderungen veranlaßt sieht.

b) W. Löhe: Predigt zu Lk 10,23 -3710 W . L ö h e ( 1 8 0 8 - 1 8 7 2 ) w a r a b 1 8 3 7 P f a r r e r in N e u e n d e t t e l s a u . W i e L . H a r m s s o w a r a u c h er G r ü n d e r einer ( l u t h e r i s c h e n ) M i s s i o n u n d D i a s p o r a h i l f e . B e k a n n t g e w o r d e n ist L ö h e a u c h d u r c h seine l i t u r g i s c h e n A r b e i t e n , die w i e d e r u m sein P r e d i g t v e r s t ä n d 8 Zum Begriff vgl. G . Ebeling, Dogmatik des christlichen Glaubens, 2. Aufl. Tübingen 1982, Bd. 1 , 1 9 4 - 1 9 9 , Bd. 3 , 2 1 0 - 2 1 9 . 9 E.Jiingel, Die Problematik der Gleichnisrede Jesu. In: W.Harnisch (Hrsg.), Gleichnisse Jesu. Positionen der Auslegung von Adolf Jülicher bis zur Formgeschichte, Darmstadt 1982 ( 2 8 1 - 3 4 2 ) , 339. 10 In: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtaage des Kirchenjahres, 2.Teil, Gütersloh, 4. Aufl. 1 8 7 4 , 8 1 - 8 7 .

46

nis maßgeblich prägten. Predigt ist für ihn immer integrativer Bestandteil der gottesdienstlichen Feier: „Man sitzt vor seinem (sc. des Herrn) Angesichte nieder, und es beginnt in der Predigt das selige homilein, die Gemeinschaft der Heiligen, die sich vor dem Herrn des Herrn freuen." 11 Inhaltlich lassen seine Predigten eine enge Bindung an die lutherische Tradition erkennen.

„Das heutige Evangelium stellt uns einen zweifachen Weg zur Seligkeit vor, den Weg der Werke und den Weg des Glaubens" (S. 82). Diese einleitende Bemerkung leistet für die darzustellende Predigt ein doppeltes: Sie gibt zum einen das Thema und damit die (dogmatische) Perspektive an, aus der der Predigttext ausgelegt wird, und sie benennt zugleich die Disposition der Predigt: In einem ersten, sehr ausführlichen Teil (S. 82—85) setzt der Prediger sich mit dem Gesetz als Heilsweg und der daraus resultierenden Problematik auseinander, während er in einem zweiten, kürzeren Teil (S. 85—86) die Rechtfertigung aus Glauben beschreibt. Textgrundlage für die Überlegungen im ersten Teil der Predigt sind die w . 25—37, also das Gespräch Jesu mit dem Schriftgelehrten und die ihm nachfolgende Parabel vom barmherzigen Samariter. Löhe sieht in der Frage des Schriftgelehrten, „Was muß ich tun, daß ich das ewige Leben ererbe?" (v. 25), dessen Meinung ausgesprochen, er könne die Seligkeit auf dem Weg der Werke erlangen. Mit seiner Antwort geht Jesus auf diese Meinung ein, freilich in der Absicht, dem Fragenden gerade die fehlende Tragfähigkeit des gesetzlichen Heilsweges drastisch vor Augen zu führen. Jesus ermuntert den Schriftgelehrten geradezu zu Gehversuchen auf dem Weg des Gesetzes („Tu das!"), damit dieser seine Schwäche und seine Unfähigkeit erkennt, die Seligkeit aus eigener Kraft zu bewirken. In diesem Zusammenhang warnt Löhe seine Hörer davor, sich selbst zu überschätzen und etwa zu meinen, sie hätten die zehn Gebote bereits erfüllt. Dieser Meinung, so der Prediger, ist offenbar der Schriftgelehrte, als er sich selbst rechtfertigen will. Seine Frage „Wer ist denn mein Nächster?" aber entlarvt ihn und ist geeignet, ihn zum Bewußtsein seiner großen Mangelhaftigkeit zu bringen. Als Jude nämlich hält er nur seine Volksgenossen für Nächste, gibt also selbst eine zu enge, beschränkte und mithin falsche Antwort auf seine Frage. Demgegenüber belehrt Jesus den Schriftgelehrten im Gleichnis vom barmherzigen Samariter über den „christlichen Begriff des Nächsten" (S. 84). „Wenn wir nun aus dieser Geschichte die Lehre ziehen und die Frage des Schriftgelehrten: ,Wer ist mein Nächster?'... beantworten wollen, wie lautet die Antwort? Sie lautet also. Dein Nächster ist der, dem du der Nächste bist. Dein Nächster ist der, welcher dein bedarf, welcher ohne dich nicht aus seiner Not gerissen wird. Ja 11

Zit. nach A. NÎebergall, Geschichte, 333.

47

mehr noch, dein Nächster ist, dessen Not dir kund wird; jeder Leidende, welcher dir offenbar wird, ist dein Nächster" (Ebd.). Diese klare, eindeutige Antwort, so Löhe, läßt den Schriftgelehrten ebenso wie alle Späteren die eigene Unfähigkeit zur Nächstenliebe, damit aber die Unfähigkeit zur Erfüllung des Gesetzes überhaupt erkennen: „Die Gebote... zeigen bei einer jeden Vergleichung unsere Schande, unsere Blöße, unseren Schmutz, unsere Sünde, unsere Schuld, unsere große Schuld. - Da ist nichts für uns, - auf dem Weg der Werke !" (S. 85). Nachdem Löhe im ersten Teil der Predigt somit den gesetzlichen Heilsweg als Irrweg erwiesen hat, der in die Verzweiflung führt, entfaltet er im zweiten Teil, ausgehend von v. 23 f., das „sola fide" : Die Seligkeit wird denen zuteil, die Jesus Christus sehen und ihn hören, freilich im Glauben. Das leibliche Sehen und Hören ist nämlich gegenüber dem Glauben sekundär: Im Glauben, so Löhe, sehen wir den Herrn schöner noch als seine Jünger ihn drei Jahre lang gesehen haben, „denn wir sehen Ihn immer vor den Augen unsrer Seele, wie sie Ihn nur am Tage Seiner Vollendung, am Tage der Himmelfahrt, sahen" (S. 86). Wer Christus in dieser Weise mit „Glaubensaugen" sieht, wer auf ihn hört wie ein Jünger, der wird selig. Der sieht in Christus „eine Herrlichkeit als des Eingeborenen vom Vater", der hört „aus Jesu Munde nur Erbarmung, nur Gnade für reumütige Sünder, nur holdselige Worte, voll Liebe Gottes zum verlorenen, menschlichen Geschlechte" (Ebd.). Dieses Sehen und dieses Hören aber bewirken „eine feste Zuversicht von der Gnade Gottes, eine heimatliche, kindliche Freude an Ihm und zu Ihm" (Ebd.). Wie Harms so geht es auch Löhe in seiner Predigt zu Lk 10,23—37 um die Darlegung der Heilslehre. Auch er verarbeitet den ganzen Predigttext, und wie bei Harms so werden auch hier jeweils Abschnitte des Textes dem Predigtthema zugeordnet: Die w . 25—37 bezeichnen den gesetzlichen, die w . 23 f. den evangelischen Heilsweg. Gegenüber Harms fällt jedoch auf, daß Löhe die Abfolge der Textaussagen umkehrt, ein Vorgehen, das von seiner homiletischen Intention her unmittelbar verständlich wird. Der Prediger will seine Hörer nicht nur über die rechte Unterscheidung von Gesetz und Evangelium informieren, sondern sie davon überzeugen, daß der Glaube für sie der einzig gangbare Heilsweg ist. Zu diesem Zweck schreitet Löhe mit seinen Hörern einen theologischen Erkenntnisweg ab; er führt ihnen das Gesetz in seinem anklagenden Gebrauch vor Augen, um sie auf diese Weise für das Evangelium gleichsam aufzuschließen. Diesem homiletischen Skopus wird der Predigttext zugeordnet, und das hat - neben der formalen Umstellung der Aussagen - auch inhaltliche Konsequenzen für das Verstehen des Textes, namentlich der Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter. Als hermeneutischer Schlüssel dient dem Prediger das theologisch verstandene 48

Gesetz, und zwar im usus elenchticus legis. Das aber bedeutet, daß er in der Parabel eine Forderung repräsentiert sieht, näherhin eine aufgrund menschlicher O h n m a c h t und Schwäche, aufgrund der Erbsünde unerfüllbare F o r derung. D e r Samariter ist zwar als „Beispiel" bezeichnet (S. 84), wird aber nicht als ein von den H ö r e r n kopierbares Vorbild verstanden, sondern als unerreichbarer Repräsentant des „christlichen Begriffes des N ä c h s t e n " . L ö he verdeutlicht dies an einem erdachten Fall: Nachdem er seine Hörer darauf hingewiesen hat, daß sie in der Vergangenheit selbst ihren nächsten Angehörigen die Nächstenliebe schuldig geblieben sind, fährt er fort: „Ich will fragen: seid ihr jetzt fähig, sie an ihnen zu üben, wie der Samariter sie am Juden übte? Ich setze den Fall, es wäre bei uns ein Wald, in dem Räuber hauseten, ihr kämt eilend des Wegs und fändet euern leiblichen Bruder, eure leibliche Schwester halbtot liegen. Würdet ihr stehen bleiben, würdet ihr vom Pferde steigen, verbinden, aufs Pferd heben? Würdet ihr nicht für euer Leben mehr als für das des Bruders fürchten, würdet ihr nicht zu schwach sein, euch seinetwegen auf dem gefährlichen Weg aufzuhalten? Und wenn nun erst daheim Weib und Kind auf euch warten, euretwegen in Sorgen wären, wenn ihr vielleicht mit dem Bruder nicht einig gelebt hättet, wenn er euch etwa, wie der Jude den Samariter, für einen Gottund Heillosen erkannt und ausgegeben hätte? Wie dann? - Von Pflege im Hause, von unentgeltlichem, uneigennützigem Auswarten nichts zu sagen: was würdet ihr nur im Walde tun? - Die Hand aufs Herz! Vielleicht nicht dem Bruder, geschweige einem jeden, den ihr fändet, geschweige dem Juden - würdet ihr Liebe erweisen!" (85). H i e r ist die Differenz etwa zur rationalistischen Predigt eines J . J . Spalding mit Händen zu greifen: dort war der Samariter den H ö r e r n mit N a c h druck als kopierbares Ideal christlicher Moral, mehr n o c h : als Repräsentant eines gänzlich normalen und daher von jedem Menschen erwartbaren Tuns vor Augen geführt worden. - Man kann wohl mit allem Vorbehalt vermuten, daß die Hermeneutik Löhes und anderer auch von einer Abwehrhaltung gegen die rationalistische Predigt und also nicht nur theologisch, sondern zugleich predigtgeschichtlich determiniert ist. D i e Parabel vom barmherzigen Samariter verliert unter den beschriebenen Voraussetzungen ihre Kraft, Neues zur Sprache zu bringen; sie wird zu einer Veranschaulichung von Lehrsätzen, die auch auf andere, nicht bildhafte Weise mitteilbar sind. In Löhes Predigt wird dieser Sachverhalt sehr gut sichtbar: So argumentiert er bereits bei der Auslegung des Dialoges Jesu mit dem Schriftgelehrten: „Der H e r r ging mit ihm auf seine Meinung ein und offenbarte ihm die Wunder und Herrlichkeit des Gesetzes also, daß dem armen Menschen wohl die Erkenntnis k o m m e n mußte, der Weg des Gesetzes sei zur Seligkeit für ihn ein unmöglicher" (82). Demgegenüber aber sagt die sich anschließende Parabel innerhalb der Predigt nun nichts substantiell

49

Neues mehr, so daß die Predigt auch ohne diesen Text, jedoch mit demselben Skopus hätte gehalten werden können. In viel stärkerem Maße also als bei Harms' Predigt über Mt 19,27—20,16 liegt bei Löhes Versuch, Bibeltext und theologische Lehre zur Deckung zu bringen, das Gewicht auf dem lehrhaften Element. Das hat zur Folge, daß die bei Harms beobachteten logischen Spannungen innerhalb der Predigt bei Löhe nicht auftreten, zugleich aber, daß hier wesentlich stärker noch als dort mit theologischen Begriffen gearbeitet wird. Die Prävalenz des Lehrhaften drückt sich auch darin aus, daß den Predigthörern der theologisch fragende und diskutierende Schriftgelehrte des Parabelrahmens, nicht aber der Überfallene aus der Gleichniserzählung 12 als Identifikationsfigur angeboten wird. Das aber bedeutet, daß wie bei Harms so auch hier die Hörergemeinde primär auf ihre Grundsituation vor Gott angesprochen wird, die Löhe als das Sein im Spannungsfeld von Gesetz und Evangelium näher qualifiziert. Gegenüber dieser Sicht der Hörer treten die konkreten Situationsbezüge deutlich zurück.

3. Merkmale der Parabelpredigt als Darlegung von Lehre und Bekenntnis a) Homiletische

Eigenart

Die exemplarisch dargestellten und ausgewerteten Predigten von L. Harms und W. Löhe sind klar und überschaubar aufgebaut. Beide arbeiten mit einem thematischen Leitsatz, den sie in mehreren Abschnitten entfalten und folgen darin formal den Predigern der Aufklärung und des Rationalismus. Eine inhaltliche Analyse der Themen und Einzelaussagen dieser wie anderer Predigten aus demselben Umfeld zeigt jedoch deutlich einen so großen Abstand zu den meisten Predigern des vorangegangenen Jahrhunderts, daß die hier zu verhandelnde Predigtweise geradezu als Gegenentwurf zur Aufklärungspredigt zu verstehen ist13. Dort bezeichneten die Predigtthemen in der Regel eine allgemeine Wahrheit, Erfahrung oder Verhaltensnorm, und dieser Zusammenhang war grundsätzlich dem vernünftigen Denken zugänglich. Hier dagegen werden ganz andere Gegenstände verhandelt: Es geht um die Seligkeit, um Gottes freie Gnade, um Gesetz und Evangelium, um Nachfolge und Lohn, um Glaube und Werke, kurz, um zentrale Wahrheiten der kirchlichen Heilslehre. Diese Wahrheiten werden dann gewöhnlich unter 12 Eine Identifikation mit dem Überfallenen ist mindestens möglich. Vgl. W.Harnisch, Gleichniserzählungen, 281. 13 Vgl. M. Schian, Geschichte, 716.

50

voller Inanspruchnahme des Bibeltextes entfaltet. Fast alle Prediger weisen dem Text eine konstitutive Funktion für ihre Predigt zu und sind daran interessiert, Text und Lehre miteinander zu vermitteln. Diese Vermittlung geschieht freilich mit unterschiedlicher Akzentsetzung: Während einzelne Prediger wie etwa L. Harms14, Ahlfeld15, Kliefoth16 und andere sich eng an die Einzelaussagen des Predigttextes anschließen, steht bei C. Harms17, Löhe 18 , Uhlhorn 19 und anderen das lehrhafte Element im Vordergrund und bestimmt die Disposition der Predigt. Im Blick auf die Zielsetzung der Predigten vollzieht sich ebenfalls auf breiter Basis eine Wandlung: War in der Aufklärungspredigt ein in erster Linie argumentatives und moralisches Interesse zu beobachten, so ist die Predigtintention jetzt vor allem katechetischer Art, was sich in dem katechismusartigen Stil vieler Predigten niederschlägt20. Die bis jetzt beschriebenen homiletischen Merkmale betreffen nicht allein die Parabelpredigt, sondern die Predigt des wieder erwachenden Konfessionalismus im 19. Jahrhundert überhaupt21, auch wenn hier ausschließlich Predigten zu Gleichniserzählungen herangezogen wurden. Die Parabelpredigten aber haben nun jeweils ganz besondere thematische Schwerpunkte: Fast alle untersuchten Predigten zu der Gleichniserzählung von den Arbeitern im Weinberg, die der hier darzustellenden Gruppe von Parabelpredigten zuzurechnen sind, setzen sich mit dem für die Heilslehre zentralen theologischen Problem von Lohn und Gnade auseinander. Das gilt auch für jene Predigten, deren thematischer Leitsatz nicht durch das entsprechende theologische Vokabular geprägt ist, wie etwa die oben referierte Predigt von L. Harms. So heißt es in einer Predigt von C. Harms: „Es rede dies Evangelium mit, wenn ich in dieser Stunde vortrage die Lehre unserer Kirche von der Gnaden-

1 4 S.o. 42, Anm. 5. Vgl. seine Predigt zu L k 10,23—42. In: Predigten über die Evangelien des Kirchenjahrs, Hermannsburg 4. Aufl. 1867, 8 4 1 - 8 5 5 . 1 5 Vgl. F. Ahlfeld, Ein Seelenexamen Jesu Christi ( L k 10,23—37). In: Predigten über die evangelischen Perikopen, Halle 4. Aufl. 1854, 5 0 9 - 5 1 8 . 1 6 Vgl. Th. Kliefoth, Predigt zu L k 1 0 , 2 3 - 3 7 . In: Predigten in der Domkirche zu Schwerin, Schwerin 1 8 5 7 , 2 7 0 - 2 8 7 . 1 7 Vgl. C . H a r m s , Die Lehre unserer Kirche von der Gnadenwahl (Mt 20,1 — 16). In: Neue Winterpostille für die Sonn- und Festtage von Advent bis Ostern, Altona 1 8 2 5 , 2 4 9 - 2 7 4 . 1 8 S.o. 46, A n m . 10. Vgl. seine Predigt zu M t 2 0 , 1 - 1 6 . In: Evangelien-Postille für die Sonnund Festtage des Kirchenjahres, 1. Teil, Gütersloh 4. Aufl. 1 8 7 4 , 1 0 6 — 1 1 3 . 1 9 Vgl. G . Uhlhorn, Predigt zu Mt 1 9 , 2 7 - 2 0 , 1 6 . In: Gnade und Wahrheit. Predigten über alle Episteln und Evangelien des Kirchenjahres, Bd. 1: Evangelien-Predigten, 2. Aufl. 1888, 166-172. 2 0 So ist etwa in Löhes Predigt über Mt 20,1 —16 jeder Abschnitt mit einer Frage eingeleitet. In L . H a r m s ' Predigt zu L k 1 0 , 2 3 - 4 2 finden sich viele wörtliche Zitate aus Luthers Kleinem Katechismus, 846. 21

Vgl. die Darstellungen der Predigtgeschichte.

51

wähl."22 Thomasius betitelt seine Predigt zu demselben Text mit: „Die freie Gnade Gottes" und beschreibt „I. ihre Zeiten, in denen sie kommt, II. ihre Forderungen, die sie stellt, und III. ihr(en) Lohn, den sie verheißt und gibt" 23 . Eine Predigt von Petri24 steht unter dem Thema: „Die Nachfolge Christi und ihr Lohn" und beantwortet die Fragen: „1. Wer sind die Nachfolger? 2. Was ist der Lohn? 3. Welches ist das Maß, wonach gemessen wird?" In jenem letzten Teil heißt es dann: „So kommt aber auch der Lohn her aus Gnad und lauter Güte." 25 Schließlich sind noch zwei weitere Predigten zu demselben Text und mit ähnlicher Thematik zu nennen: Löhe predigt über den „Lohn Gottes" 26 , Uhlhorn „vom Lohn der Gläubigen"27. Diese Übersicht zeigt neben einer weitgehenden thematischen Ubereinstimmung auch Akzentverschiebungen zwischen den Predigten: Während einzelne Prediger stärker die göttliche Gnade betonen, mühen sich andere in besonderer Weise um ein evangelisches Verständnis der Rede vom Lohn. - Das Thema „Lohn und Gnade" legt sich nicht nur vom Kontext (Lohnfrage des Petrus), sondern auch von der Parabel selbst her durchaus nahe: In der Gleichniserzählung ist expressis verbis die Rede vom Lohn (misthos), und wer die Parabel mit der Intention liest, die zentralen Wahrheiten des christlichen Glaubens zu verkündigen, der wird dann auch das Wort agathos v. 15 mit „gnädig" übersetzen und auf Gott beziehen. Die Parabel kommt also dem homiletischen Interesse der Prediger entgegen, so daß ein Bezug der Predigt auf den Parabelrahmen zwar möglich, aber keineswegs unbedingt erforderlich ist28. Die Feststellung, die Gleichniserzählung von den Arbeitern im Weinberg komme dem Interesse des konfessionell geprägten Predigers entgegen, trifft nun auf die Parabel vom barmherzigen Samariter in keiner Weise zu. Im Gegenteil, dieser Predigttext muß für die Prediger aus zwei Gründen ganz besonders widerständig gewesen sein: Zum einen bietet die Parabel selbst keinerlei Ansatzpunkt zu einer unmittelbaren Verkündigung der Heilslehre, es sei denn man legte sie konsequent allegorisch auf Christus hin aus, zum andern war sie predigtgeschichtlich vorbelastet: Den Predigern des wieder erwachenden Konfessionalismus mußte die moralistische Auslegung durch 22

C.Harms,254.

G.Thomasius, Die freie Gnade Gottes (Mt 20,1 — 16). In: Predigten für alle Sonn- und Festttage des Kirchenjahres, Erlangen 1 8 6 1 , 1 8 7 - 1 9 7 . 23

2 4 L . A . Petri, Predigt zu Mt 1 9 , 2 7 - 2 0 , 1 6 . In: Licht des Lebens. Ein vollständiger Jahrgang von Predigten aus den ordentlichen Evangelien. Nebst sieben Fastenpredigten, Hannover 3. Aufl. 1 8 8 8 , 1 1 3 - 1 2 2 . 25

A . a . O . 121.

26

W. Löhe, Predigt zu Mt 20,1 - 1 6 , 1 0 7 . G . U h l h o r n , 166.

27 28

52

C. Harms, Thomasius und Löhe verarbeiten nur M t 20,1 - 1 6 .

die Predigt in Aufklärung und Rationalismus unangemessen erscheinen. Möglicherweise ist dies der Grund dafür, daß etwa C. Harms keine einzige Predigt zu diesem Text veröffentlicht hat, obwohl Lk 10,23-37 als Predigttext für den 13. Sonntag nach Trinitatis vorgesehen ist und man daher eine Predigt zu dieser Perikope in Harms' Postillen vermutet29. Die vorhandenen Predigten zu der Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter sind im Blick auf das Predigtthema erstaunlich homogen. Es geht in allen untersuchten Paradigmen um die Seligkeit des Christen bzw. um den Weg zu ihr. So beschreibt etwa O. v. Gerlach das Thema und den Aufbau seiner Predigt folgendermaßen : „Das ist die große Seligkeit des neuen Bundes, welche unser Heiland seinen Jüngern anpreist. Sie besteht darin, daß das Evangelium 1. dem Menschen alle Entschuldigungen benimmt, und 2. eine allumfassende Gnadenhilfe ihm gewährt."30 Ganz ähnlich, wenn auch in umgekehrter Reihenfolge, heißt es bei Ahlfeld: „Wir wollen unserer weiteren Erbauung das Wort voranstellen: Ein Seelenexamen Jesu Christi. Er stellt hin 1) das herrliche Erbe der Kinder Gottes; 2) den gesetzlichen Weg zu demselben; 3) den Nachweis, daß es auf diesem Wege keiner erreicht." 31 Kliefoth beginnt seine Predigt mit den Worten: „Unser heutiges Evangelium hat drei Abschnitte: der erste enthält ein Wort des Herrn an seine Jünger, der zweite eine Unterredung desselben mit einem Schriftgelehrten, und der dritte ein von dem Herrn gesagtes Gleichnis. Aber alle diese drei Abschnitte hängen dem Inhalte nach eng zusammen und behandeln eine und dieselbe Frage, die große Frage, Geliebte, von der Seligkeit..." 32 Eine Predigt von L.Harms, deren Predigttext auch noch die Perikope von Maria und Martha (Lk 10,38—42) umfaßt, betrachtet „Die Seligkeit eines Christen" 33 , M.Frommel predigt über das Thema „Zwei Wege zur Seligkeit und doch nur einer" 34 , und der erste Satz der Predigt Löhes, der bereits oben zitiert wurde, beginnt mit den Worten: „Das heutige Evangelium stellt uns einen zweifachen Weg zur Seligkeit vor..." 3 5 Diese einhellige Konzentration auf den theologisch zentralen Gedanken der Seligkeit dürfte, wie bereits angedeutet, zuerst predigtgeschichtlich zu erklären sein. Im Text hat dieses Thema lexikalisch einen 29

Vgl. das Register der Predigten in: F. Wintzer, Claus Harms, 203—205.

Ο . v. Gerlach, Predigt zu Lk 1 0 , 2 3 - 3 7 . In: Predigten über herkömmliche Perikopen und freie Texte, gehalten in der St. Elisabet-Kirche zu Berlin in den Jahren 1836—40, Berlin 1850 ( 1 1 5 - 1 2 1 ) , 115. 30

31

F. Ahlfeld, Seelenexamen, 511.

32

Th. Kliefoth, 271.

33

L. Harms, Predigt zu Lk 1 0 , 2 3 - 4 2 , 82.

M . F r o m m e l , Zwei Wege zur Seligkeit und doch nur Einer ( L k 1 0 , 2 3 - 37). In: Herzpostille. Evangelienpredigten für das ganze Kirchenjahr, Emishofen/Konstanz/New York 7. Aufl. o . J . ( 4 1 5 - 4 2 3 ) , 417. 34

35

W. Löhe, Predigt zu Lk 1 0 , 2 3 - 3 7 , 82.

53

Anhalt nur in dem Rahmen der Parabel: w . 23 f. preist Jesus die Augen und Ohren seiner Jünger selig (makarioi), und v. 25 fragt der Schriftgelehrte nach dem ewigen Leben (zoe aionios). Aus diesem Grunde beziehen alle untersuchten Predigten den Kontext der Parabel als konstitutives Element mit ein.

b) Die Auslegung der

Gleichniserzählungen

Die Untersuchung der katechetisch ausgerichteten Parabelpredigt des wieder erwachenden Konfessionalismus im 19. Jahrhundert ist, was die Methoden der Textauslegung betrifft, wesentlich ergiebiger als die der Predigt von Gleichniserzählungen in Aufklärung und Rationalismus, weil hier ganz bewußt Wert auf die volle homiletische Verarbeitung des Predigttextes gelegt wird. Zudem finden sich in einer Reihe von Predigten dieser Gruppe explizit hermeneutische Vorüberlegungen. Offenbar hielten es einige Prediger für notwendig, besonders wenn ihnen die Parabel vom barmherzigen Samariter als Predigttext aufgegeben war, ihre Verstehensvoraussetzungen gegenüber denen der Aufklärungspredigt darzulegen. Ein besonders eindrückliches Beispiel für einen solchen hermeneutischen A b r i ß bietet die bereits genannte Predigt M . F r o m m e i s zu L k 1 0 , 2 3 — 3 7 : „ , D i e dunkeln Stellen der Heiligen Schrift sollen ausgelegt werden nach den klaren' - so lautet der Grundsatz unserer Kirche. Ist dieser Grundsatz richtig, so folgt daraus, daß das Alte Testament m u ß ausgelegt werden nach dem N e u e n , und die Evangelien müssen ausgelegt werden nach den Briefen der A p o s t e l . . . D i e Evangelien predigen uns die G e s c h i c h t e des H e r r n , des Gottessohnes und Menschensohnes auf E r d e n und die Worte des fleischgewordenen Wortes, aber die Briefe der Apostel sind die beste, tiefste und gewisseste Auslegung der Evangelien und des E v a n g e l i u m s . . . Als Beispiel zu diesem G r u n d s a t z e ist unsere heutige Epistel ( G a l 3,15—22 d. Verf.) die trefflichste Auslegung unseres Evangeliums, wie sie sich besser nicht finden ließe in der ganzen Schrift. D e n n sie sagt: ,Wenn ein G e s e t z gegeben wäre, das da k ö n n t e lebendig machen, so k ä m e die Gerechtigkeit wahrhaftig aus dem G e s e t z ' , und spricht damit den kurzen Inhalt des ganzen Evangelien textes aus. Sie fährt aber f o r t : , A b e r die Schrift hat alles beschlossen unter die Sünde, auf daß die Verheißung käme durch den Glauben an J e s u m C h r i s t u m , gegeben denen, die da glauben', und damit ergänzt sie, was das Evangelium nur andeutet, aber nicht völlig ausspricht. A u f G r u n d dieser Auslegung der Epistel laßt uns denn heute betrachten: Zwei Wege zur Seligkeit und doch nur e i n e r . " 3 6 G a n z ähnlich heißt es bei v. G e r l a c h : „In unserem heutigen Sonntagsevangelio werden uns zwei scheinbar ganz verschiedenartige Aussprüche J e s u Christi berichtet; zuerst derjenige, worin er seine J ü n g e r selig p r e i s t . . . und sodann das christliche G e b o t der allgemeinen Nächstenliebe, in dem Gleichnis v o m barmherzigen Samariter uns klar gemacht. O b w o h l diese Aussprüche des Heilands nicht zu derselben Zeit, nicht einmal zu denselben Personen geredet w o r d e n , so dürfen wir es doch nicht als einen bloßen Zufall ansehen, daß unser Evangelium 36

54

M.Frommel, Zwei Wege, 416f.

b e i d e s z u s a m m e n f a ß t ; v i e l m e h r d ü r f t e u n s e r e h e u t i g e E p i s t e l in i h r e m h e r r l i c h e n S c h l u ß w o r t e die W a h r h e i t u n s a u f w e i s e n , w o r i n b e i d e A u s s p r ü c h e eines w e r d e n : G a l 3 , 2 2 : , D i e S c h r i f t h a t es alles b e s c h l o s s e n u n t e r die S ü n d e , a u f d a ß die V e r h e i ß u n g k ä m e d u r c h d e n G l a u b e n a n J e s u m C h r i s t u m , g e g e b e n allen, die d a g l a u b e n . ' D e n n in d i e s e m A u s s p r u c h w i r d u n s die g r o ß e , u n e n d l i c h w i c h t i g e W a h r h e i t , die s o o f t in d e r h. S c h r i f t w i e d e r h o l t w i r d , ans H e r z g e l e g t : I m W e r k e u n s r e r E r r e t t u n g g e h ö r t d e m M e n s c h e n allein die S c h u l d , G o t t allein die E h r e ! " 3 7

Nicht in allen Predigten zu Lk 10,23—37, die der „Parabelpredigt als Darlegung von Lehre und Bekenntnis" zuzuordnen sind, werden die hermeneutischen Voraussetzungen in dieser Klarheit explizit entfaltet, aber allen liegt mutatis mutandis das gleiche Modell zugrunde: 1. Den hermeneutischen Schlüssel zu der Gleichniserzählung und ihrem Kontext bildet ein außerhalb ihrer selbst liegendes Moment, nämlich die paulinische bzw. reformatorische Rechtfertigungslehre. Der zu predigende Evangelientext wird mithin im Sinne reformatorischer Theologie gleichsam „apostolisiert" 38 . 2. Im Vollzug der so eingeleiteten Deutung ist die Gleichniserzählung meist als Beispiel des Gebotes der christlichen Nächstenliebe und also theologisch als Gesetz verstanden 39 .3. Dabei gilt jedoch, daß das Tun des Samariters nicht etwa als exemplarisches, vorbildliches Handeln, sondern als unerreichbares Ideal begriffen ist, so daß präziser gesagt werden kann: Die Parabel vom barmherzigen Samariter repräsentiert das theologisch verstandene Gesetz in seinem anklagenden Gebrauch (usus elenchticus bzw. theologicus legis). 4. Da aber das Gesetz in seinem anklagenden Gebrauch die Funktion hat, zur Sündenerkenntnis zu führen und so auf die Rechtfertigung aus Glauben als den einzig möglichen Weg zur Seligkeit hinzuweisen, muß im Zusammenhang mit der Parabel immer auch vom Evangelium die Rede sein, muß das „sola gratia", „sola fide", „solus Christus" zur Sprache gebracht werden. Dieser theologische Topos wird in der Regel in dem Kontext der Gleichniserzählung, genauer: der Seligpreisung w . 23f., gefunden. Der Kontext der Parabel vom barmherzigen Samariter ist also für diese Prediger nicht nur aus 37

O . v . Gerlach, 115.

Vgl. dazu die berühmt gewordene Äußerung von C . Harms aus der Pastroaltheologie: „Bei den Evangelien wird das Evangelium nicht gepredigt. Wie sollte das Evangelium aus ihnen herausgepredigt werden? Es ist ja nicht darin." Zit. nach F. Wintzer, Claus Harms, 111. 38

3 9 So bei Ο . v.Gerlach, F.Ahlfeld, Th.Kliefoth, L . A . Petri, W . L ö h e , M . F r o m m e l . Eine Ausnahme bildet die Predigt von L. H a r m s : Zwar heißt es auch hier: „Er (sc. der Herr) zeigt in der Geschichte vom barmherzigen Samariter, die er uns e r z ä h l t . . . daß ein jeder Mensch, der unserer Hilfe und Liebe bedarf und dem wir sie nicht mit aller Willigkeit, Freudigkeit und Selbstverleugnung leisten, uns als einen Übertreter des göttlichen Gesetzes verdammen wird am jüngsten Tage." (847f.), aber dann fährt H a r m s fort: „Aber Luther sagt schon, daß dies alles nicht die Hauptsache sei bei dieser Geschichte vom barmherzigen Samariter, sondern daß der H e r r Jesus sich selbst darin abkonterfeit habe." (848). E s folgt eine sehr detaillierte Allegorese, die die Parabel als Evangelium begreift.

55

einem formalen Vollständigkeitsstreben heraus, sondern auch aus theologischen Gründen unverzichtbar. Der Unterschied der Sprachform der Parabel einerseits (dramatische Erzählung) und des diskursiven Kontextes andererseits gerät damit freilich völlig aus dem Blick: Das Verstehen berücksichtigt ausschließlich inhaltliche Gesichtspunkte. 5. Für den homiletischen Umgang mit der Gleichniserzählung selbst ergeben sich aus den beschriebenen hermeneutischen Voraussetzungen folgende Konsequenzen : Wie in der Parabelpredigt in Aufklärung und Rationalismus, so findet auch hier die narrative Qualität der Gleichniserzählung praktisch keine Berücksichtigung; die Prediger nehmen ihre Dramatik nicht wahr, sondern fassen ihren Inhalt oft in dürren Worten und mitunter außerordentlich knapp 40 zusammen. Anders jedoch als in der argumentativ-moralischen Parabelpredigt wird hier niemals ein einzelner Vers oder ein einzelner Aspekt der Parabel isoliert, sondern die Erzählung wird grundsätzlich als geschlossene Konfiguration behandelt. Dabei macht der hermeneutische Zugang über die Lehre von Gesetz und Evangelium eine Allegorese in der Regel überflüssig 41 . - Nach dem Gesagten ist deutlich, daß die Parabel vom barmherzigen Samariter in der bekenntnisorientierten Predigt des neunzehnten nicht anders als in der Predigt des vorangegangenen Jahrhunderts von außerhalb ihrer selbst liegenden Prämissen interpretiert wird, wobei nur die Prämissen jeweils unterschiedlicher Provenienz sind. Die Inanspruchnahme eines a priori existierenden Referenten bewirkt jedoch hier wie dort eine Einengung des Raumes, innerhalb dessen die Parabel ausgelegt wird. Die Gleichniserzählung sagt dem Prediger wie den Hörern nichts Neues, sondern bestätigt Bekanntes in dem Sinne, daß die in der Parabel gemachten Aussagen auch aus anderen Quellen, im vorliegenden Fall dem kirchlichen Bekenntnis, erschlossen werden können. Die Parabel dient dem homiletischen Ziel der vergewissernden Gemeindepredigt. Das hermeneutische Verfahren, mit dem in der katechetisch orientierten Predigt die Gleichniserzählung von den Arbeitern im Weinberg gedeutet wird, entspricht dem beschriebenen, bei L k 10,23—37 angewandten Modell in seiner Grundorientierung, weist aber auch charakteristische Differenzen zu jenem auf. Wie dort so wird auch hier die Parabel in der Regel mit dem hermeneutischen Schlüssel kirchlicher Lehre aufgeschlossen. Sehr pointiert heißt es in einer Fußnote (!) zu einer Predigt W. Löhes über den Text: „Vergi, mit der in dieser Predigt vorgetragenen Lehre das Concordienbuch, Müllersche Ausgabe, Apologie p. 147f. ,Wir aber zanken nicht um das Wort L o h n . . . - wie ein Kind für dem andern.' Lies, wenn du kannst, das Lateini40

So widmet etwa Th. Kliefoth in seiner 4 7 9 Zeilen umfassenden Predigt der Parabel ganze

17Zeilen!, (286 f.). 41

56

Vgl.Anm.39.

sehe und Deutsche, und sieh dann zu: ob nicht der Inhalt dieser Predigt wie der Schrift, so auch dem Bekenntis der Kirche treu sei."42 Und bei C. Harms liest man zu Beginn der Predigt den in anderem Zusammenhang bereits zitierten Satz: „Es rede dies Evangelium mit, wenn ich in dieser Stunde vortrage die Lehre unserer Kirche von der Gnadenwahl." 43 Dennoch wird der Predigttext hier anders verarbeitet als in den Predigten zu der Parabel vom barmherzigen Samariter: Wurden dort die Parabel und ihr Kontext als die Repräsentation unterschiedlicher, wenn auch aufeinander bezogener Lehrgegenstände - Gesetz und Evangelium - verstanden, so wird hier die Lehre mit Hilfe allegorischer Auslegung der Gleichniserzählung entfaltet. Dieses Verfahren legt sich zweifellos deshalb nahe, weil die Parabel selbst die Thematik von Lohn und Güte anbietet und die diesbezüglichen Aussagen nur noch auf die theologische Ebene zu transponieren sind. Der Kontext, die Lohnfrage des Petrus, wird zwar gelegentlich in die Predigt mit einbezogen 44 , kann aber ebenso auch ignoriert werden 45 . - Die Tatsache, daß das katechetische Interesse der Prediger die allegorische Auslegung der Gleichniserzählung lenkt, daß also die Textdeutung von der homiletischen Zielsetzung gesteuert wird, bewirkt zunächst eine außerordentlich große Freiheit gegenüber der Auslegungsmethode. Die meisten Prediger sehen sich absolut nicht genötigt, die Allegorese rite, nach allen Regeln der Kunst, durchzuführen, was bedeuten würde, jeden Einzelzug der Erzählung auf die theologische „Sachebene" zu übertragen. Vielmehr werden nur dort allegorische Deutungen vorgenommen, wo sie homiletisch, und das heißt in dem vorliegenden Fall: zur Darlegung der Lehre von Lohn und Gnade, erforderlich sind. Darüberhinaus ist es auch durchaus möglich, daß innerhalb einer Predigt dieselben Einzelzüge nacheinander in unterschiedlicher Weise gedeutet werden: So kann etwa Thomasius die Stunden der Berufung durch den Weinbergbesitzer sowohl auf die Berufung der „Länder und Völker", als auch auf „das Leben der einzelnen christlichen Völker" als auch auf „das Leben jedes einzelnen Christen" übertragen 46 . Auf der anderen Seite ergeben sich im Zuge der von der Predigtintention her durchgeführten Allegorese unübersehbar auch Schwierigkeiten, wie sie bereits oben bei der Auswertung der Predigt von L. Harms angedeutet wurden. So kommt es regelmäßig zu Problemen bei der allegorischen Übertragung des Groschens, der allen Arbeitern am Ende des Tages ausgezahlt wird: Ist mit ihm nämlich die „Selig-

42 43 44 45 46

W. Löhe, Predigt zu Mt 20,1 - 1 6 , 1 0 6 . C . H a r m s , 254. So bei L. A. Petri, G. Uhlhorn und L. Harms. So bei C. Harms, G. Thomasius und W. Löhe. G. Thomasius, 189f.

57

keit" gemeint, so steht der Prediger zwangsläufig vor dem theologischen Problem des Synergismus, da die Ersten sich dann die Seligkeit selbst hätten erarbeiten können. Bei C. Harms ist daher der Groschen „ein gewisses Maß irdischer Wohlfahrt"47, Thomasius sieht jeden Lohn, „mit dem er (sc. Gott) zeitlich und ewig den Dienst an seinem Reich... lohnt" in dem Groschen repräsentiert48, und bei Löhe, der das Problem in aller Breite diskutiert, heißt es schließlich: „Wenn man nun nach alledem zu mir spräche: ,So sag uns kurz und gut, was ist der Groschen, was ist unter dem Gotteslohne zu verstehen?' so würde ich antworten:,Unter dem Groschen ist alles zu verstehen, was der Herr nach Seiner großen Gnade als besondere Verheißung auf das Verhalten der Menschen im Einzelnen gesetzt hat.' Es gibt zeitliche, es gibt ewige Verheißungen; es gibt geistige, es gibt leibliche.. ," 49 Durch die Orientierung der Prediger an der Gnadenlehre werden sodann vielfach fremde, den Text erweiternde Züge in die Parabel eingetragen: L. Harms etwa unterstellt wie beschrieben den Letzten im Gleichnis Dankbarkeit, den Ersten dagegen Hochmut und Selbstgerechtigkeit50, Petri macht ihre Treue zum Maßstab ihrer Belohnung51, und oft wird einfach behauptet, es handle sich bei dem Lohn weder der Ersten noch der Letzten um einen verdienten Lohn, da der Mensch die Gnade nicht verdienen könne52. Mit diesen Deutungen wird freilich das Skandalon der Gleichniserzählung, die gleiche Entlohnung bei ungleicher Arbeit, auf theologischem Weg neutralisiert: Wenn alles an Gottes Gnade gelegen ist und der Mensch mit leeren Händen dasteht, ist jedes Murren von vorneherein ausgeschlossen bzw. als Hybris zu qualifizieren. An diesem Punkt berührt sich die hier zu beschreibende Predigtweise mit jener in Aufklärung und Rationalismus; dort allerdings wurde der Anstoß der Parabel auf dem Wege vernünftiger Argumentation und praktischer Ermahnung beseitigt. Es ist deutlich geworden, daß und warum die Prediger mit der Parabel von den Arbeitern im Weinberg hermeneutisch anders verfahren als mit der Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter. Abschließend seien noch einmal die Gemeinsamkeiten festgehalten: Hier wie dort ist bei den Predigern die Hermeneutik der Gleichnisrede durch das homiletische Interesse, das in diesem Fall ein katechetisches ist, determiniert. Damit aber stellt sich C.Harms,260. G . Thomasius, 195. 4 9 W. Löhe, Predigt zu Mt 20,1 - 1 6 , 1 0 9 . 5 0 Vgl. L. H a r m s , Predigt zu Mt 19,27-20,16,243 f. 51 Vgl. L. A. Petri, Predigt zu Mt 1 9 , 2 7 - 2 0 , 1 6 , 1 2 2 . 5 2 Vgl. C . H a r m s , 260; G . T h o m a s i u s , 195; L . A . Petri, Predigt zu Mt 19,27-20,16, 121; W. Löhe, Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 6 , 1 0 8 ; G. Uhlhorn, 169; L. Harms, Predigt zu Mt 19,27-20,16, 243. 47

48

58

das Problem der Vermittlung zwischen theologischer Lehre und fixiertem Bekenntnis einerseits und der dramatischen, anschaulichen Parabel andererseits, ein Problem, das bei den unterschiedlichen Gleichniserzählungen auf unterschiedliche Weise gelöst wird. Dabei wird jedoch die Parabel nie wie in der Aufklärungspredigt auf einen einzelnen Vers oder Aspekt reduziert, sondern stets als Ganzheit wahrgenommen. Die narrative Qualität dieser geschlossenen Konfiguration ist allerdings in der Regel nicht gesehen; die in der Erzählung agierenden Personen erhalten nie die Funktion von Identifikationsfiguren für den Predigthörer. Bietet der Prediger seinen Hörern überhaupt eine Identifikationsmöglichkeit an, so richtet sie sich auf die jeweilige Person des Parabelrahmens, den nach dem Lohn der Nachfolge fragenden Petrus bzw. den nach dem Nächsten fragenden Schriftgelehrten. Daran wird noch einmal deutlich, daß die Parabel als Antwort auf eine theologische Frage und mithin als Katechese verstanden wird. Da der Inhalt dieser Katechese aber auch anderweitig zugänglich ist, kommt der Gleichniserzählung weniger innovatorische als bestätigende Funktion zu.

4. Kritische

Würdigung

Es hat sich gezeigt, daß die beiden Gleichniserzählungen vom barmherzigen Samariter und von den Arbeitern im Weinberg im Horizont einer gemeinsamen homiletischen Intention, nämlich des Interesses an einer Darlegung der kirchlichen Heilslehre zum Zwecke der Vergewisserung der Predigthörer im Glauben, ausgelegt werden. Zugleich wurde deutlich, daß dabei die beiden Parabeln aufgrund ihrer unterschiedlichen Beschaffenheit hermeneutisch unterschiedlich bearbeitet werden. Auch hier gilt also wie schon für die Aufklärungspredigt: Hermeneutische Entscheidungen haben keine Eigenbedeutung, sondern werden zweckgebunden getroffen. Folglich ist auch für die Predigt des wieder erwachenden Konfessionalismus zu urteilen, daß eine eigene Gattung der „Parabelpredigt" im Gegenüber zu etwaigen anderen Gattungen nicht zu verifizieren ist; die Predigt von Gleichniserzählungen ist ebenso wie die Predigt anderer Texte in eine Gesamttheologie eingebunden. Gleichwohl soll auf dem begrenzten Sektor der Predigt von Gleichniserzählungen ein Vergleich mit der Aufklärungspredigt versucht werden: Gegenüber der „Parabelpredigt als vernünftige Argumentation und praktische Ermahnung" ist die Predigt von Gleichniserzählungen mit dem Ziel der Darlegung von Lehre und Bekenntnis durch besondere theologische Tiefe ausgezeichnet: In jeder Predigt werden zentrale Wahrheiten des christlichen Glaubens zur Sprache gebracht. Kam Gott in der Parabelpredigt von Aufklä59

rung und Rationalismus allenfalls als Schöpfer vor, dem das Recht zur Verteilung irdischer Güter zusteht oder der die Menschen schöpfungsmäßig miteinander verbunden hat, so wird hier die Heilslehre und also das Anliegen der Reformatoren mit Entschiedenheit wieder zur Geltung gebracht. War in der Aufklärungspredigt das Predigtziel als Hinführung der Hörer zur Glückseligkeit zu beschreiben, wobei unter „Glückseligkeit" ein irdischer Zustand des Wohlbefindens verstanden wurde, so wird hier der Begriff „Seligkeit" wieder strikt theologisch gefaßt: Seligkeit ist immer gnädige Gabe Gottes und prinzipiell keine menschliche Möglichkeit. Und schließlich: Hatte die Prämisse der Aufklärungspredigt, daß als Predigtgegenstand nur figurieren könne, was rational nachvollziehbar sei, die Predigt streckenweise gesetzlich werden lassen, so ist bei den konfessionell-lutherisch geprägten Predigern das Bemühen spürbar, solche Gesetzlichkeit um jeden Preis zu vermeiden. In den untersuchten Predigten wird folglich die theologische Relevanz der Gleichniserzählungen Jesu wieder ernstgenommen. Darin sind sie ein notwendiges Korrektiv zu der Parabelpredigt in der Zeit der Aufklärung und des Rationalismus, und darin liegt zweifellos ihr bleibendes Verdienst. Ein Problem stellt jedoch die Art und Weise der Vermittlung theologischer Inhalte dar: Während die Parabeln eine indirekte Theologie bieten, behandeln die Parabelprediger die theologischen Fragen von Anfang an explizit. Diese Differenz aber führt zu verschiedenen beschreibbaren Schwierigkeiten, die im folgenden als kritische Anfragen noch einmal zusammenfassend dargestellt werden sollen: Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß die Gleichniserzählungen in der konfessionell-lutherisch geprägten Predigt stets als eine Einheit behandelt wurden, jedoch nicht - und das ist entscheidend - als eine narrative, sondern als eine dogmatisch-lehrmäßige Einheit: Die Gleichniserzählung repräsentiert einen Lehrgegenstand. Mit dieser Hermeneutik, die ihrerseits homiletisch veranlaßt ist, wird die Parabel jedoch nicht mehr in ihrer Komplexität wahrgenommen. Ihre dramatische Qualität, ihre Dynamik, ist nicht gesehen, so daß die Parabelpredigten dann auch nicht die Erzählbewegung der Parabeln widerspiegeln, sondern sich als wohlgegliederte Abhandlungen präsentieren. Damit hängt zusammen, daß die Predigthörer nicht in die Gleichniserzählung eingewiesen und also auch nicht auf der emotionalen Wahrnehmungsebene angesprochen werden, sondern einseitig als Lernende, als „Katechumenen" verstanden und angeredet sind. Wenn aber Lernen das primäre Ziel der Predigt und zugleich die Qualität der Lehrinhalte eine rein theologische ist, erscheint eine Bezugnahme auf die konkrete Situation der Gemeinde als sekundär. - Das Vorherrschen eines Frömmigkeitstypus zeigt sich auch in dem Sprachstil vieler Predigten, die vorrangig mit theologischem Vokabular arbeiten und auf Beispiele und Bil60

der oft ganz verzichten, obwohl ihnen eine lebendige Erzählung als Predigttext zugrundeliegt.

IV. Parabelpredigt als Aufruf zu persönlicher Frömmigkeit 1. Predigtgeschichtliche

Einordnung

Die beiden bisher beschriebenen Weisen der Parabelpredigt konnten predigtgeschichtlich relativ eindeutig fixiert und einer bestimmten Epoche (Aufklärung und Rationalismus) bzw. einer Gruppe von Predigern ähnlicher Prägung zugewiesen werden. Ferner gaben sie sich auch homiletisch weitgehend homogen, so daß hier beinahe von Typen der Parabelpredigt gesprochen werden kann. Eine solche verhältnismäßig exakte predigtgeschichtliche Ortsbestimmung ist für die im folgenden zu beschreibenden Gruppen von Parabelpredigten kaum noch möglich. Die Durchsicht des zur Verfügung stehenden gedruckten Quellenmaterials ergibt vielmehr negativ, daß Prediger, die in den Darstellungen der Predigtgeschichte unter homiletischen und theologischen Gesichtspunkten einander zugeordnet werden, keineswegs auch die Gleichniserzählungen Jesu immer in ähnlicher Weise verarbeiteten. Umgekehrt ist positiv zu konstatieren, daß Parabelpredigten von Predigern unterschiedlicher homiletischer und theologischer Prägung durchaus Konvergenzen in Gestalt und Inhalt aufweisen. In diesem Zusammenhang wird die beschränkte Reichweite einer ausschließlich predigtgeschichtlich orientierten Kategorisierung von Parabelpredigten sichtbar1. Im Fortgang der hier vorgelegten Beschreibung der Predigt von Gleichniserzählungen Jesu wird aber auch deutlich, wie die Grenzen zwischen den einzelnen Predigtweisen in homiletischer und hermeneutischer Hinsicht unschärfer werden. Die meisten Parabelpredigten sind Mischformen, so daß sich auch Ansätze für andere Einordnungen aufzeigen lassen. Es ist darum hier noch einmal darauf hinzuweisen, daß die vorgelegte kategorisierende Beschreibung der Parabelpredigt in ihrer Geschichte nur Tendenzen aufzeigen, keinesfalls aber einzelne Prediger von Gleichniserzählungen auf eine bestimmte Predigtweise festlegen will. Trotz der genannten Schwierigkeiten und der Vorbehalte gegenüber einer allzu engen predigtgeschichtlichen Fixierung von Weisen der Parabelpredigt 1

S.o. 20.

61

ist zu fragen, durch welche Predigten die „Parabelpredigt als Aufruf zu persönlicher Frömmigkeit" in der Hauptsache konstituiert wird. Es sind dies in erster Linie Predigten jener Lutheraner, die einer gemeindenahen, praktischen und das Individuelle betonenden Predigtweise verpflichtet sind 2 . Zu dieser Gruppe sind etwa Ahlfeld, Gerok, die Brüder Frommel, Steinmeyer, Pank und andere zu rechnen. In ihren Predigten tritt das konfessionelle Element zugunsten einer stärkeren Orientierung an der konkreten Lebenswirklichkeit der Predigthörer zurück. Zugleich müssen in diesem Zusammenhang aber auch Parabelpredigten ganz anderer Provenienz berücksichtigt werden, so etwa eine Predigt L. Hofackers, des „hervorragendste(n) Vertreter(s) der deutschen Erweckungspredigt jener Zeit" 3 , ferner eine Predigt Bezzels, der gewöhnlich zu den Epigonen der konfessionell-lutherischen Predigtweise gerechnet wird 4 und schließlich Predigten von R ö m held, Stöcker und Schenkel, die wiederum jeweils unterschiedlichen homiletischen Strömungen angehören. Worin die Parabelpredigten dieser theologisch so unterschiedlich denkenden Prediger konvergieren, so daß sie unter dem Titel „Parabelpredigt als Aufruf zu persönlicher Frömmigkeit" gemeinsam beschrieben werden können, das ist im folgenden genauer darzulegen.

2. Zwei

Predigtbeispiele

a) L. H of acker: Von der Einladung Gottes zur Arbeit in seinem Weinberg (Text: Mt 19,27-20,16f L. Hofacker (1798—1828) zählt zu den Vertretern der Erweckungsbewegung in Württemberg und erlangte während seiner nur kurzen Wirksamkeit als Prediger große Bedeutung. E r selbst beschreibt in seinem einzigen Band gedruckter Predigten, der 1911 bereits in 47. Auflage erschien, seine Predigtweise: „Mein ganzes Bestreben geht darauf, keilförmig zu arbeiten, das heißt, dem Zuhörer einen Keil ins Gewissen zu schlagen und einen Totaleindruck hervorzubringen." 6

2 Vgl. M . Schian, Geschichte, 718 ff. ; W. Schütz, Geschichte, 192 ff. ; A . Niebergall (Geschichte) beschreibt für das 19. Jahrhundert keinen solchen Typus einer praktischen Gemeindepredigt, sondern er stellt die jeweiligen Prediger stärker unter theologiegeschichtlichen Gesichtspunkten dar und ordnet sie dementsprechend dem lutherischen Konfessionalismus, dem Biblizismus oder der Vermittlungstheologie zu. 3 4

M. Schian, Geschichte, 713. Vgl. A . Niebergall, Geschichte, 3 3 3 ; W. Schütz, Geschichte, 206.

5 In: Predigten für alle Sonn-, Fest- und Feiertage nebst einigen Büß- und Bettagspredigten und Grabreden, Stuttgart 47. Aufl. 1 9 1 1 , 2 0 9 - 2 2 0 . 6

62

Zit. nach A . Niebergall, Geschichte, 327.

Die vorliegende Predigt zu der Parabel von den Arbeitern im Weinberg ist ganz und gar von dieser (erwecklichen) Zielsetzung geprägt. Formal zeigt sich das zum einen an dem Thema, unter das die Predigt als ganze gestellt ist, zum anderen an der Verteilung der Gewichte innerhalb der Ausführungen: So liegt der gedankliche Schwerpunkt - das läßt schon der äußere Umfang erkennen - deutlich in den Teilen I („Von der Arbeit im Weinberge", S. 210-215)und II („Von der Einladung dazu", S. 215-218), während Teil III („Von dem Arbeitslohne", S. 218—220) eher wie ein Appendix wirkt. In dem I. Teil seiner Predigt geht Hofacker der Frage nach, „was unter der Arbeit im Weinberg des Herrn zu verstehen ist" (S. 210). Eine Gleichsetzung des Weinberges Gottes mit der Welt weist er unter Hinweis auf deren verdorbenen Zustand nach dem Sündenfall entschieden zurück. Stattdessen identifiziert er den Weinberg mit dem „Reich Gottes", wobei jedoch nicht recht klar wird, welche Größe der Prediger konkret vor Augen hat. Gott, so Hofacker, hat sein Reich mitten in diese sündige Welt hineingepflanzt, und zwar mit dem Ziel seiner fortgesetzten Entwicklung bis hin zur Wiedergeburt der ganzen Welt. Dieses Hineinpflanzen des Reiches Gottes in die Welt ist im Alten Testament vorbereitet und von dem „rechten Gärtner" (S. 212), Jesus Christus, vollendet worden. „Seine Reben waren ihm so angelegen, daß er aus Liebe für sie und aus Sorgfalt für seinen Weinberg das Leben ließ..." (Ebd.). Seitdem hat Gott immer wieder Menschen zur Pflege seines Weinberges ausgewählt, zunächst die Apostel und dann die zum öffentlichen Lehramt Berufenen, aber darüberhinaus gilt: „Ein Arbeiter in seinem (sc. des Heilandes) Weinberge kann und soll jeder Christ sein..." (S.213). Dieser letzte Gedanke wird von Hofacker sehr breit ausgeführt, wobei er konkrete Beispiele solcher Arbeit benennt. Schwerpunkt seiner meist Imperativisch gestalteten Darlegungen ist die Treue des Christen in seinen Verhältnissen und seinem Beruf, seine Pflichterfüllung „im stillen Aufblick auf den Heiland" (S. 214). Solche Treue aber setzt voraus, daß der Christ zuerst an seiner eigenen Person arbeitet: Nur „wer... in der Wiedergeburt steht, und mit seinem Herzen sein (sc. Jesu) ganzes Eigentum zu werden sich bestrebt, der wird auch ohne viele Worte, nur durch sein Beispiel, durch sein häusliches und öffentliches Leben, durch seine fast unbemerkten Handlungen ein Arbeiter im Weinberge des Herrn sein..." (S. 215). - Teilll der Predigt behandelt die „Einladung zur Arbeit in diesem Reiche" (Ebd.). Ausgehend von der Frage des Hausvaters in der Parabel - „Was steht ihr den ganzen Tag müßig da?" (Mt 20,6) - beschreibt Hofacker den geistlichen Müßiggang vieler Menschen, der durchaus mit äußerlicher Aktivität und Geschäftigkeit einhergehen kann und klagt seine Hörer solcher Untätigkeit an: „Ihr seid ja bisher unfruchtbar und müßig dagestanden und habt wohl obendrein dieje63

nigen, welche zur Arbeit in Gottes Weinberg gehen wollten, durch euren eiteln Wandel abgehalten, daß sie nicht hingingen, sondern in ihrer alten Trägheit blieben" (S.216). Die Entschuldigung der Arbeiter in der Parabel läßt der Prediger für seine Hörer nicht gelten; sie seien immer wieder von Gott gerufen worden durch sein Wort und Sakrament, durch Freuden und Leiden des Lebens, durch Gottes große Wohltaten usw. Sie allein und nicht etwa Gott treffe mithin die Schuld für ihren Müßiggang, der Lohn der Müßiggänger aber sei „die ewige höllische Verdammnis" (S. 217). Mit dieser Situationsanalyse ist der Boden bereitet für eine drängende, geradezu beschwörende, mit Imperativen und Fragen durchsetzte Anrede des Predigers an seine Hörer. Er versteht seine Predigt als erneute Einladung der Müßigen zur Arbeit in Gottes Weinberg und verspricht denen, die umkehren: „Eure Sünde soll, wenn ihr kommt, getilgt und zugedeckt werden mit seinem (sc. des Heilandes) teuern Blut, und ein Lohn der Gnade liegt für euch bereit, wenn ihr für ihn zu leben und zu wirken euch befleißet" (S. 218). - Die Frage nach dem Lohn wird vergleichsweise kurz in dem III. Teil der Predigt verhandelt. Hofacker schildert die Arbeit im Weinberg des Herrn selbst als lohnend und herrlich, um seine Hörer zur Umkehr zu ermutigen: „Ja, schon das Bewußtsein, einem solchen Hausvater anzugehören, welch eine Ehre und Wonne für einen armen Sünder, für ein so verdienstloses Geschöpf; auserlesen zu sein, das Reich Gottes in sich und außer sich zu erbauen! Könnt ihr euch, liebe Zuhörer, etwas Größeres denken?" (S. 219). - D i e Predigt schließt mit einem Aufruf zur Glaubenspraxis, wie Hof acker sie für angemessen hält: „So verleugnet nun die Welt und ihre Lüste und euch selbst; bleibet nicht länger müßig bei dem großen Haufen stehen; lasset euch erbitten, wenn ihr offene Ohren habt, und kommet in den Weinberg des Herrn! Ringet und arbeitet! Es wird euch wohl belohnt werden. Im Namen meines Herrn Jesu Christi sage ich euch: Gehet hin! Und wenn ihr auch mit Tränen säet, ihr werdet doch mit Freuden ernten!" (S. 220). Wie bei der im Zusammenhang mit der „Parabelpredigt als Darlegung von Lehre und Bekenntis" besprochenen Predigt von L. Harms, so steht auch hier am Ende ein Aufruf an die Hörer, jedoch mit anderer Zielsetzung. Hatten die Predigthörer sich dort im Blick auf ihre Einstellung zu entscheiden, ob sie die Seligkeit aus Gnaden oder aus Verdienst wollten, wobei es sich bei dem zweiten Glied der Alternative um eine durch die Predigt als unmöglich erwiesene Möglichkeit handelte, so wird hier zu einem Verhalten aufgerufen: „Ringet und arbeitet! " Dieses Verhalten wird in der Predigt selbst als Arbeit an der eigenen Person und am Nächsten beschrieben und durch Beispiele konkretisiert. Die Predigtintention liegt folglich in der Motivierung des (einzelnen) Predigthörers zur Praxis des Glaubens. Dieser homileti64

sehe Skopus prägt die Predigt in ihren Aussagen, in ihrer Gestalt und in der Art und Weise, wie der Predigttext, die Parabel von den Arbeitern im Weinberg, aufgenommen wird. Ging es in der Aufklärungspredigt Mosheims und anderer um die Frage nach der ungleichen Verteilung der irdischen Güter und also um das Problem der Gerechtigkeit und war es das Anliegen der konfessionell-lutherisch geprägten Prediger, ihren Hörern im Anschluß an Mt 19,27—20,16 den theologischen Zusammenhang von Lohn und Gnade zu verdeutlichen, so ist hier das beherrschende Thema die „Arbeit" des Christen, seine Frömmigkeit, die primär in der Umkehr und Hinwendung zu Gott besteht. Mit diesem Thema hängt es zusammen, daß in der vorliegenden Predigt anders als in den bisher untersuchten Paradigmen die sogenannten regulativen gegenüber den sogenannten konstativen oder behauptenden Sprechakten überwiegen7, wobei sich näherhin Beschwörung, Anklage, Drohung, Argumentation und Bitte unterscheiden lassen. Dadurch wie durch ihren Reichtum an Bildern und Beispielen läßt sich Hofackers Predigt geradezu als ein Zeugnis dafür verstehen, wie der Prediger um seine Hörer ringt. In diesem Horizont nun wird die Parabel von den Arbeitern im Weinberg gedeutet: Zunächst fällt auf, daß, anders als bei Mosheim, der sich nur auf einen Ausschnitt der Auszahlungsszene der Parabel bezieht, und anders auch als bei L. Harms, der die ganze Gleichniserzählung samt Kontext verarbeitet, hier der Schwerpunkt deutlich auf die Berufungsszene gelegt wird, was von der homiletischen Intention des Predigers her unmittelbar verständlich ist: Ihm geht es ja gerade darum, seine Hörer zu aktivieren, zu berufen, so daß ihm das entsprechende Motiv in der Gleichniserzählung ein willkommener Predigtgegenstand ist. Freilich gerät bei diesem homiletisch bedingten hermeneutischen Zugang die Parabel als geschlossene narrative Konfiguration aus dem Blick. Die gesamte Auszahlungsszene, auf die hin die Gleichniserzählung angelegt ist, bleibt für die vorliegende Parabelpredigt nahezu ohne Bedeutung. Zwar ist von Entlohnung für die Arbeit im Weinberg Gottes die Rede, aber der Prediger verlegt den Vorgang der Entlohnung in die Arbeit selbst hinein. Von einer Auszahlung neben und nach der Arbeit ist nur mit einem einzigen Satz die Rede, der aber gerade das Besondere der im Text erzählten Entlohnung nicht bedenkt: „O ein köstlicher Arbeits- und Gnadenlohn, der des treuen Arbeiters, des müden Streiters wartet!" (220). Die Aussagen der Parabel in ihrer für die Predigt zentralen Berufungsszene deutet Hofacker allegorisch, wobei er sehr frei mit dieser Auslegungsmetho7

Zur Klassifizierung der Sprechakte vgl. H . W . Dannowski, Kompendium der Predigtlehre,

Gütersloh 1 9 8 5 , 1 2 1 - 1 2 3 .

65

de umgeht. Übertragen werden nur die Züge der Gleichniserzählung, die für den Duktus der Predigt unmittelbar relevant sind; so spielen etwa die Lohnabsprache und die Stunden der Berufung keine Rolle, während der Weinberg, die Arbeiter und ihre Arbeit, die Tatsache der Berufung und der Müßiggang ausführlich bedacht werden. Die Deutung der letztgenannten Einzelmotive weist eine große Variationsbreite, mitunter aber auch eine gewisse Unschärfe auf. So wird nicht deutlich, welche Wirklichkeit der Prediger in dem Weinberg repräsentiert sieht; eine Identifikation mit der Welt lehnt er aus theologischen Gründen ab, ohne jedoch das Bild präzise etwa auf die Kirche zu beziehen. Die Wirklichkeit des Reiches Gottes, die Hofacker mit dem Weinberg verbindet, gewinnt in der Predigt keine klaren Konturen. Die Arbeiter in der Parabel werden gleich auf mehrere Personen bzw. Personengruppen, nämlich auf Christus selbst („der rechte Gärtner"), auf die Apostel, auf die berufenen Diener am Wort und schließlich auf alle Christen bezogen, und gelegentlich baut der Prediger einzelne Motive selbständig aus. So benennt er im Zusammenhang mit dem Weinberg Reben, Giftpflanzen, Düngung, Fruchtbarkeit, einen Zaun usw. und überträgt diese hinzugefügten Einzelzüge wiederum allegorisch. Bei diesem sehr freien Umgang mit der Gleichniserzählung kommt es zu gedanklichen Spannungen - etwa wenn die angeredeten Predigthörer sich gleichzeitig mit den Weinstöcken und den Arbeitern im Weinberg des Herrn identifizieren sollen - aber auch zu bewußten Abweichungen vom Predigttext: Die Entschuldigung der spät eingestellten Arbeiter, sie seien bisher nicht eingestellt worden, läßt der Prediger für seine Hörer, die er ansonsten mit den Arbeitern identifiziert, nicht gelten. Darüberhinaus trägt er mit dem Hinweis auf den Genuß, den die Arbeit selbst in sich birgt, einen fremden Zug in die Gleichniserzählung ein. Abschließend ist zusammenfassend festzuhalten: Die Parabelpredigt H o f ackers trifft sich mit der Parabel von den Arbeitern im Weinberg in der Intention, die Hörer unmittelbar anzureden und auf ein bestimmtes Ziel hin zu motivieren. Verschieden sind jedoch hier und dort der Modus und das Ziel der Anrede: Während die Parabel eine Geschichte erzählt und den Hörer auf dem Wege der Identifikation anspricht, löst der Parabelprediger einzelne Motive aus dieser Erzählung heraus, deutet diese theologisch und setzt sie in eine paränetische Anrede an seine Hörer um. Während die Gleichniserzählung auf eine „Umkehr der Einbildungskraft" des Adressaten zielt8, geht es dem Prediger primär um die Umkehr der Hörer im Sinne einer pietistisch verstandenen Selbsthingabe an Gott. Mit dieser Verschiebung hängt zusammen, daß die Rede von der Güte, die in der Parabel ausdrücklich thematisiert 8

66

Vgl. W. Harnisch, Gleichniserzählungen, 158, im Anschluß an P. Ricoeur.

und dem Hörer als Möglichkeit zugesprochen wird9, in der vorliegenden Parabelpredigt hinter Beschwörung, Anklage, Drohung, Argumentation und Bitte im Blick auf die Predigthörer zurücktritt.

b) K. Gerok: Wer ist denn mein Nächster ? (Predigt am 13. Sonntag nach Trinitatis 1860. Text: Lk 10,23 —37)10 Wie L . Hofacker so wirkte auch K. G e r o k ( 1 8 1 5 — 1 8 9 0 ) in Württemberg, zuletzt als Prälat und Oberhofprediger in Stuttgart. Sein besonderes Anliegen war es, den Menschen seiner Zeit das Evangelium in ästhetisch ansprechender F o r m und mit erkennbarem Bezug zu ihrer Lebenswirklichkeit zu verkündigen.

Die ersten Sätze seiner Predigt von 1860 lassen bereits erkennen, daß deren Zielsetzung eine paränetische ist und daß der Prediger die Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter von ihrem evangelischen Kontext her als Paradigma christlicher Nächstenliebe versteht: „Gehe hin und tue desgleichen! Fürwahr, meine Lieben, das ist ein eindringliches Schlußwort unseres Evangeliums, das ist die beste Predigt über den ganzen Text" (S. 666). Im Einleitungsteil begründet Gerok zunächst die Notwendigkeit solcher Paränese mit dem Hinweis auf konkrete und aktuelle Notsituationen. Zwar sei dort bereits Hilfe geleistet worden, aber noch nicht genug: „Der echte Samaritersinn ist immer noch selten in der Christenheit, und viele unter uns haben noch zu lernen an der Frage des Schriftgelehrten im Text: Wer ist denn mein Nächster?" (S. 667). Nachdem in dieser Weise das Thema zugespitzt formuliert ist, untersucht Gerok in drei Gedankengängen, wie jene Frage nach dem Nächsten von den unterschiedlichen in der Parabel handelnden Personen beantwortet wird. Dabei fällt die in strenger Parallele entworfene Disposition der drei Teile der Predigt auf: Zunächst wird das Handeln der jeweiligen Akteure in aller Breite dargestellt, sodann beschreibt der Prediger gegenwärtig lebende Menschen, deren Handeln dem der Figuren in der Gleichniserzählung entspricht, um schließlich auf diesem Hintergrund die Predigthörer zu ermahnen. Der I. Teil der Predigt (S. 668—671) hat die Räuber und Mörder zum Gegenstand. Gerok erinnert in diesem Zusammenhang an einen in der Woche zuvor in unmittelbarer Nähe zu Stuttgart geschehenen und also der Gemeinde präsenten Mordfall, warnt seine Hörer jedoch vor „einem pharisäischen Wehe über die Täter" : „Nein, meine Lieben, an unsere eigene Brust Vgl. a.a.O. 183. In: Predigten auf alle Fest-, Sonn- und Feiertage des Kirchenjahrs. Bd. 1: EvangelienPredigten, Stuttgart, Leipzig 5. Aufl. 1874,665 - 6 7 7 . 9

10

67

lasset uns schlagen, über unsere eigene Sünde lasset uns erschrecken bei solchen Taten, denn was sind sie anders als ein paar blutig aufgebrochene Beulen einer allgemeinen Pest...? (S.669). Diese „Pest" erkennt Gerok in einem „fleischlichen Sinn(es), der keinen Nächsten mehr neben sich liebt, weil er keinen Gott mehr über sich fürchtet..." (Ebd.), und der sich nicht nur in physischen, sondern auch in seelischen Morden Bahn bricht. Ohne Namen zu nennen, beschreibt der Prediger „Ehrenräuber und Seelenmörder", die in der Stadt ihr Unwesen treiben, wobei die sehr konkreten Beispiele und die drastische Sprache vermuten lassen, daß er ganz bestimmte Menschen vor Augen hat. Ziel dieser Schilderung ist die Aufforderung an die Hörer, sich selbst zu prüfen, eventuelle eigene Vergehen am Nächsten zu bereuen und zu sühnen und bußfertig „zum Kreuz des Welterlösers (zu) kommen" (S. 670). Im II. Teil (S. 671 —674) untersucht Gerok zunächst, wie Priester und Levit die Frage nach dem Nächsten beantworten. Nach einer breiten Analyse möglicher Motive für ihre unterlassene Hilfeleistung kommt er zu dem Schluß, daß die beiden „in ihres Herzens Grund eben die Antwort hatten: Jeder ist sich selbst der Nächste" (S. 672). Auch diese Einstellung findet der Prediger bei seinen Hörern wieder, doch begnügt er sich nicht damit, den Sachverhalt lediglich zu konstatieren, sondern er benennt einzeln die Ausflüchte und Entschuldigungen, die vorgebracht werden, um nicht helfen zu müssen: „Des Bittens und Betteins ist doch kein Ende!... Die Leute können sich füglich selber helfen... Mein Gulden oder Sechser machts ja doch nicht gut..." usw. Diese konkreten Ausführungen münden in eine Anklage - „O ihr kühlen Seelen und harten Herzen!" (S.673) - und diese Anklage wird noch verschärft durch den Hinweis, daß das Leben derer, die sich in der beschriebenen Weise von der Nächstenliebe dispensieren, selbst verdanktes und von Gott, dem Schöpfer, geschenktes Leben ist. - Der III. Teil der Predigt (S. 674—676) geht aus von dem Verhalten des Samariters in der Parabel. Durch dieses Vorbild, so Gerok, wird die Frage nach dem Nächsten in unmißverständlicher Weise beantwortet: „Wer ein Mensch ist wie du... und wer in Not ist... und wem du helfen kannst wie der Samariter... der ist dein Nächster" (S. 674 f.). Wiederum stellt der Prediger Menschen vor, die sich so verhalten bzw. verhalten haben wie die Figur in der Gleichniserzählung, jetzt mit dem Ziel, seine Hörer durch diese Beispiele zu ermutigen, wenigstens das in ihren Kräften Stehende zu tun. In diesem Zusammenhang erinnert Gerok noch einmal an die zu Beginn beschriebenen aktuellen Notsituationen und benennt konkrete und realisierbare Handlungsmöglichkeiten für seine Predigthörer. Den Abschluß der Predigt bildet eine kurze theologische Reflexion, die das geforderte Verhalten als Praxis des Glaubens beschreibt. Die rechte Menschenliebe, so Gerok, quillt nur aus der Liebe zu 68

Gott und diese wiederum aus Gottes Liebe zu den Menschen: „Und sehet meine Lieben, da gilt unser Texteswort: selig sind die Augen, die da sehen, das ihr seht! Ja selig sind unsere Augen, denn wir sehen in Jesu Christo die ewige Liebe und Erbarmung; wir sehen in ihm, der für uns lebte und für uns starb, den rechten himmlischen Samariter... Diese seine Liebe lasse der Herr uns je mehr und mehr erkennen und an uns selber erfahren, dann werden wir in Dank und Freude nicht anders können, als daß wir auch Ihn lieben und um Seinetwillen die Brüder" (S. 676 f.). Wie die Predigt Löhes zu derselben Gleichniserzählung so endet auch die vorliegende Predigt Geroks mit einem Hinweis auf den Kontext der Parabel vom barmherzigen Samariter, präziser: auf die an die Jünger Jesu gerichtete Seligpreisung Lk 10,23 f. Eine entscheidende Differenz liegt jedoch in der Zielsetzung, die die beiden Prediger jeweils verfolgen, wenn sie sich auf diese Passage des Predigttextes beziehen. Zwar liegt für beide in der Seligpreisung das Evangelium beschlossen, aber während in ihm bei Löhe das Ziel des durch das Gesetz angefochtenen und angeklagten Sünders liegt, bezeichnet es bei Gerok den Ermöglich ungsgr und für die Erfüllung des Gesetzes. An dieser Differenz wird unmittelbar die unterschiedliche Predigtintention beider Prediger deutlich: Löhes Interesse liegt in einer Katechese, die die Seligkeit des Christen zum Gegenstand hat, während es Gerok um eine Paränese, näherhin um eine Ermahnung zur Nächstenliebe, geht. Löhes Predigt zielt primär auf die Vergewisserung im Glauben, während es Gerok vor allem auf die Praxis des Glaubens ankommt. In dieser Absicht berührt sich die Predigt Geroks mit Predigten zu demselben Text, wie sie in der Zeit der Aufklärung und des Rationalismus gehalten wurden. Dennoch gibt es auch hier markante Unterschiede: So ist einmal zu sehen, daß Gerok in der theologischen Begründung seiner Aussagen anders argumentiert als etwa Spalding in seiner oben untersuchten Predigt. Zwar spielt auch bei Gerok die Güte Gottes als des Schöpfers und Erhalters als Motiv für mitmenschliches Handeln eine Rolle, aber der zentrale Beweggrund für die Nächstenliebe ist der Dank für die Heilstat Gottes in Jesus Christus, die bei Spalding nur formal als ein Grund unter anderen für die „gemeinschaftliche Verbindung der Menschen untereinander" angeführt wird. Eine zweite Differenz zur Parabelpredigt in Aufklärung und Rationalismus liegt in der wesentlich intensiveren Verarbeitung des Predigttextes durch Gerok und eine dritte schließlich in den homiletischen Zuspitzungen im Blick auf die Adressaten der Predigt. Während Spalding, jedenfalls im ersten Teil seiner Predigt, sehr stark deskriptiv redet und so seine Hörer zu überzeugen versucht, ist die Predigt Geroks - ähnlich wie jene L. Hofackers zu Mt 19,27-20,16-durch die Sprechakte der Ermutigung, der Anklage und der Bitte, sowie durch einen überaus großen Reich69

tum an Bildern, Beispielen und Situationsschilderungen charakterisiert. In Abgrenzung zu Löhe und Spalding kann die Predigt Geroks zusammenfassend also etwa folgendermaßen beschrieben werden: Wie Spalding, so geht es Gerok um mitmenschliche Praxis, wobei er jedoch stärker als jener diese Praxis als Praxis des Glaubens beschreibt. Mit Löhe verbindet ihn die lutherische Lehre von der Zuordnung und Unterscheidung von Gesetz und Evangelium, doch legt Gerok den Akzent stärker als Löhe auf die Praxis des Evangeliums. Dem Ziel, die Predigthörer zur Praxis des Glaubens zu rufen, dient nun in der Predigt Geroks die Auslegung der Parabel vom barmherzigen Samariter. Formal ist zunächst zu beobachten, daß keine der bisher besprochenen Predigten die Gleichniserzählung in solcher Breite aufnimmt, wie es im vorliegenden Fall geschieht: Am Beginn eines jeden Teils der Predigt wird ein Abschnitt der Erzählung gelesen, den der Prediger dann entfaltet, aktualisiert und auf eine Mahnung an seine Hörer hin zuspitzt. Dabei bezieht Gerok nicht nur die Person des Samariters, sondern in gleicher Weise die Räuber, den Priester und den Leviten in seine Ausführungen ein. Unter der leitenden Fragestellung „Wer ist denn mein Nächster?" ermöglicht ihm dies einen gleichsam „lernpsychologischen" Aufbau der Predigt: Nachdem zweimal verkehrte Antworten auf die Frage gegeben wurden, wird schließlich die richtige gefunden (trial and error). Dennoch gibt dieses Vorgehen Anlaß zu Anfragen: Die Tatsache nämlich, daß Gerok sich an den Figuren der Parabel orientiert und diese nacheinander in ihrer Einstellung zum Nächsten vorführt, berücksichtigt nicht, daß diese Figuren in der Gleichniserzählung keineswegs gleichberechtigt nebeneinander stehen, sondern als Akteure innerhalb der dramatischen Konfiguration einander in einer ganz bestimmten Weise zugeordnet sind11: Die Handlungsträger, die in der Parabel eine klar determinierte Rolle spielen, werden in der Parabelpredigt von dieser Rolle weitgehend abgelöst und als Repräsentanten für ein bestimmtes, auch anderweitig zu beobachtendes Verhalten verstanden. Dadurch aber gerät die Qualität der Parabel als Erzählung völlig aus dem Blick. Die Dynamik, die die Predigt zweifellos aufweist, verdankt sich mithin weniger der besonderen Beschaffenheit des Predigttextes als vielmehr dem Engagement und Interesse des Predigers. - Besondere Aufmerksamkeit verdient die Art und Weise, wie bei Gerok die Person des barmherzigen Samariters verstanden und dargestellt ist. Wie Löhe und die anderen Vertreter einer konfessionell-lutherischen Predigt, so sieht auch er in dieser Figur der Parabel die christliche Nächstenliebe exemplarisch repräsentiert. Im Unterschied zu jenen aber ist bei Gerok 11

70

Vgl. W. Harnisch, Gleichniserzählungen, 29 ff.

das Handeln des Samariters als vorbildliches und also von den Hörern prinzipiell kopierbares Handeln verstanden. Wo die Größe dieses Vorbildes nicht erreicht wird, liegt das nicht etwa an der durch die Sünde verderbten menschlichen Natur, sondern an situativen Gegebenheiten oder eben an der verkehrten und also zu überwindenden Einstellung des Menschen. In theologischer Terminologie ausgedrückt bedeutet das: Das Verhalten des barmherzigen Samariters ist nicht als Paradigma für das Gesetz im usus elenchticus der Rechtfertigung vor-, sondern ihr als Beispiel für die Heiligung nachgeordnet. - Sowohl Löhe als auch Gerok begründen ihre Auslegung der Parabel mit deren unmittelbarem Kontext, freilich mit unterschiedlichen Passagen desselben : Während Löhe auf den - bei Gerok nicht erwähnten - Dialog Jesu mit dem Schriftgelehrten rekurriert und in ihm die anklagende und überführende Funktion der Parabel präfiguriert sieht, setzt Gerok mit der - von Löhe ignorierten - Schlußmahnung ein und versteht von ihr her die Gleichniserzählung als Paränese. In dem Vergleich dieser beiden Predigten wird noch einmal deutlich, wie sehr die Auslegung der Gleichniserzählung in der Parabelpredigt jener Zeit von der homiletischen Zielsetzung des jeweiligen Predigers bestimmt ist.

3. Merkmale der Parabelpredigt als Aufruf zu persönlicher a) Homiletische

Frömmigkeit

Eigenart

Die beiden untersuchten Predigten von L. Hofacker und K. Gerok sind auf einem unterschiedlichen predigtgeschichtlichen Hintergrund entstanden. Während Hofacker der Erweckungspredigt zu Beginn des 19. Jahrhunderts angehört 12 , wird Gerok gewöhnlich als Vertreter einer vor allem in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts verbreiteten biblizistischen 13 bzw. praktisch ausgerichteten 14 Gemeindepredigt beschrieben. Ungeachtet dieser Differenz weisen die beiden Parabelpredigten jedoch eine Reihe gemeinsamer Merkmale auf, die sie von den bisher bearbeiteten Predigten in charakteristischer Weise unterscheiden. Das gilt zunächst für die homiletische Zielsetzung: Boten die untersuchten Parabelpredigten aus der Zeit der Aufklärung und des Rationalismus überwiegend Argumentation und vernunftmäßig begründete Moral und kam es den Predigern des wieder erwachenden Konfessionalismus 12

Vgl. M. Schian, Geschichte, 713; A.Niebergall, Geschichte, 327; W.Schütz, Geschichte,

182. 13 14

Vgl. A. Niebergall, Geschichte, 328 f. Vgl. M. Schian, Geschichte, 719 ; W. Schütz, Geschichte, 193 f.

71

besonders auf eine an der lutherischen Heilslehre orientierten Katechese an, so ist der Skopus der Parabelpredigten Hofackers und Geroks, aber auch anderer noch zu nennender Prediger, als theologisch begründete Paränese zu beschreiben: Es geht diesen Predigern darum, die persönliche Frömmigkeit ihrer Adressaten in ihrem Sinne und auf verschiedenen Ebenen zu beeinflussen. Von den Hörern wird eine Einstellungs'inderung, die gläubige Selbsthingabe an Christus bzw. Gott, und darauf aufbauend eine Verhaltens'inderung (Gottesdienstbesuch, diakonisches Engagement usw.) gefordert. In allen untersuchten Predigten werden beide Ebenen der Frömmigkeit benannt, wenn auch mitunter die Gewichte verschieden verteilt sind. Dieses homiletische Interesse wirkt sich auf die Gestalt der Parabelpredigt unmittelbar aus: Sie präsentiert sich vielfach in der Form der Anrede an die Predigthörer, ihr Aufbau ist in der Regel klar, der Stil wirkt mitunter durch eine Fülle von rhetorischen Fragen und Ausrufen drängend. Auffallend ist der häufige Gebrauch von Bildern, Beispielen und Situationsschilderungen sowie die Benennung konkreter Handlungsfelder, auf denen christlicher Glaube bewährt werden kann. Was den Inhalt der „Parabelpredigt als Aufruf zu persönlicher Frömmigkeit" betrifft, so ist zwischen den Predigten zu der Parabel vom barmherzigen Samariter und jenen zu der Gleichniserzählung von den Arbeitern im Weinberg zu differenzieren. Zwar wird hier wie dort die Frömmigkeit von Christen beschrieben, aber die Prediger setzen im Anschluß an die Parabeln verschiedene Akzente. Wo die Perikope Mt 19,27-20,16 bzw. 2 0 , 1 - 1 6 mit dem Ziel gepredigt wird, die Hörer zur Glaubenspraxis zu veranlassen, ist eine thematische Konzentration auf die Motive der „Arbeit" und der „Berufung" zu beobachten. Die theologische Problematik von Lohn und Gnade, wie sie für die konfessionalistische Predigt kennzeichnend ist, und die Frage nach der Gerechtigkeit, von der die Aufklärungsprediger bewegt waren, treten demgegenüber deutlich in den Hintergrund. Die Predigthörer sollen ihre Berufung zur Arbeit im Weinberg Gottes wahrnehmen und ihr folgen. So predigt L. Hof acker wie beschrieben „von der Einladung Gottes zur Arbeit in seinem Weinberge"15, Ahlfeld überschreibt seine Predigt mit dem Imperativ „Verscherze nicht den Ruf Gottes in seinen Weinberg" 16 , und bei Gerok lautet der Titel: „Vom rechten Arbeitersinn im Dienste des Herrn" 17 . Negativ 15

L . Hofacker, 210.

F. Ahlfeld, Verscherze nicht den Ruf Gottes in seinen Weinberg (Mt 20,1 - 1 6 ) . In : Predigten über die evangelischen Perikopen, Halle 4. Aufl. 1 8 5 4 , 1 4 0 - 1 4 9 . 16

1 7 K. Gerok, Predigt zu Mt 1 9 , 2 7 - 2 0 , 1 6 . In: Pilgerbrod. N o c h ein Jahrgang EvangelienPredigten, Stuttgart/Leipzig 2. Aufl. 1 8 7 0 , 2 0 3 - 2 1 6 .

72

wird das gleiche Thema von Steinmeyer formuliert: „Der Müßiggang im Himmelreich" 18 . Aber auch Predigten, die nicht in der beschriebenen Weise programmatisch betitelt sind, stellen die Berufung und die Arbeit des Christen in das Zentrum der Ausführungen. So nimmt etwa in einer Predigt Römhelds 19 das Thema: „Von der Berufung zu dem Himmelreiche" großen Raum ein, während die Frage nach dem Lohn gar nicht gestellt wird, und ebenso bildet die Aufforderung zur Mitarbeit im Weinberg den Schwerpunkt einer „modernen" Predigt O. Ebelings20. Die Predigten Stöckers 21 und Bezzels22 zu Mt 20,1 — 16 sind zwar thematisch nicht in gleicher Weise einheitlich gestaltet, aber auch hier ist das Interesse an der Arbeit des Christen deutlich erkennbar. - Die beschriebene thematische Konzentration der Predigten zu der Parabel von den Arbeitern im Weinberg erklärt sich sowohl aus der homiletischen Intention der Prediger als auch aus einem bestimmten Einzelzug gerade dieses Predigttextes: Die Prediger, deren Ziel es war, ihre Hörer zu aktivieren, sahen wahrscheinlich in dem Arbeiter berufenden Weinbergbesitzer ihr eigenes Anliegen repräsentiert, so daß sie sich vor allem mit den Motiven der Berufung und der Arbeit auseinandersetzten. Dabei wird die Arbeit, zu welcher die Hörer motiviert werden sollen, inhaltlich in folgender Weise verstanden: Fast alle genannten Prediger sind der Ansicht, daß der Christ vor allem an sieb selbst arbeiten soll, sei es, weil sie darin die Grundlage aller sonstigen Glaubenspraxis sehen, sei es, weil solche Arbeit als grundsätzlich auch dann noch realisierbar gedacht wird, wenn der Mensch - aus welchen Gründen auch immer - nicht in einem größeren Rahmen tätig sein kann. So heißt es bei Römheld: „Die nächste und beste Arbeit in Jesu Reich ist aber die am eigenen Herzen. Wo diese Arbeit getrieben wird, da findet sich nachher die weitere Arbeit in Jesu Dienst und Reich von selbst." 23 Und ähnlich konstatiert Gerok: „Viel Mühe und Schweiß kostet jeden redlichen Christen die Arbeit im Weinberg des Herrn, da, wo sie zuerst und von allen getrieben werden soll, im eigenen Herzensboden drin." 24 Auch Bezzel betont 1 8 F.L. Steinmeyer, Predigt zu Mt 20,6. In: Predigten f ü r das ganze Kirchenjahr (Hrsg. M. Keyländer) 1. Teil: Die festliche Hälfte des Kirchenjahres, Gütersloh 1902, 2 0 9 - 2 1 9 . 1 9 C . I . Römheld, Predigt zu Mt 20,1 — 16. In: Das heilige Evangelium in Predigten auf alle Sonn- und Festtage des Kirchenjahres dem Volke erzählt und ausgelegt, Berlin 8. A u f l . 1893, 114-121. 2 0 O . Ebeling, Festpredigt an einem Jünglingsvereinsfeste (Mt 20,1 —16). In: Moderne Predigten. Ein Jahrgang Predigten über meist freie Texte, Leipzig 1 9 1 1 , 356—361. 2 1 A . Stöcker, Predigt zu M t 20,1 — 16. In: Den A r m e n wird das Evangelium gepredigt. Ein Jahrgang Volkspredigten über die Evangelien des Kirchenjahres, Berlin 5. A u f l . 1 9 0 0 , 1 0 3 — 1 1 1 . 2 2 H. Bezzel, Predigt zu Mt 20,1 — 16. In: Auf ewigem Grunde. Ein Jahrgang Predigten über die alten Evangelien, Konstanz 1 9 1 4 , 1 7 3 - 1 8 3 . 2 3 C.I. Römheld, 121. 2 4 K. Gerok, Predigt zu Mt 1 9 , 2 7 - 2 0 , 1 6 , 2 0 7 . Vgl. L. Hof acker, 2 1 4 f.

73

den Vorrang der Arbeit des Christen an sich selbst und führt dazu aus: „Laß mich die Selbstarbeit in drei Worte fassen! Arbeite, daß du treu werdest!... Bitte zum zweiten um rechte Geduld!... Bitte um Treue, Geduld und Wahrheit, das ist das dritte, um Wahrheit gegen dich selbst." 25 Weniger als eine für alle weitere Glaubenspraxis grundlegende Tätigkeit denn als ein auch im ungünstigsten Falle noch mögliches Tun verstehen Ahlfeld und Stöcker diese „Selbstarbeit". Besonders drastisch formuliert Stöcker: „Und wenn du auf einem Krankenbette lägest und könntest deine Hand nicht rühren, und die Gicht hätte dich gebrochen in deinen Gliedern - eine Arbeit kannst du doch tun, die Arbeit an dir selbst, daß du als eine Rebe dich anrankst an den Weinstock, daß du die wilden Ranken abschneidest und dich willig in die Kelter Gottes gebest." 26 - Neben dieser zumeist als Bekehrung verstandenen Arbeit an der eigenen Person mahnen die Prediger zur Erziehung der Kinder im christlichen Glauben 27 , zu regelmäßigem Gottesdienstbesuch 28 sowie zum Engagement in Mission und Diakonie 29 . Diese Mahnungen erfolgen mitunter so massiv, daß sie kaum noch als Ermutigung zur Glaubenspraxis, sondern vielmehr als Drohung zu begreifen sind. Ein besonders markantes Beispiel für solche Redeweise sei zitiert: „Vielleicht ist mancher von euch noch gar nicht gedingt, es ist seine elfte Stunde ; und wenn er heute nicht folgt, vielleicht ist's zu spät. Wir wissen's ja nicht, ob nicht einer unter uns ist, der keinen Gottesdienst mehr mitfeiern wird, weil er am nächsten Sonntag schon tot ist..." 3 0 Auch die paränetischen Predigten zu der Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter unterscheiden sich deutlich von denen des wieder erwachenden Konfessionalismus. Die Seligkeit des Christen - dort das Kardinalthema - ist hier allenfalls am Rande Gegenstand des Nachdenkens; vielmehr werden in aller Breite verschiedene Aspekte der Nächstenliebe im Zusammenhang mit dem Handeln des Samariters entfaltet und als Mahnung auf die Predigthörer hin zugespitzt. Das in den Predigten zu der Parabel von den Arbeitern im Weinberg beobachtete zentrale Motiv der Bekehrung tritt dabei zugunsten von Aussagen über die Diakonie zurück. Diese Thematik erhellt schon aus den Titeln einzelner Predigten: So stellt Gerok seine Ausführun25

H . B e z z e l , Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 6 , 1 8 0 . A. Stöcker, Predigt zu Mt 20,1 - 1 6 , 1 0 6 . Vgl. F. Ahlfeld, Ruf Gottes, 143. 27 Vgl. L. Hofacker, 213; O. Ebeling, 358; H . Bezzel, Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 6 , 1 7 9 ; A. Stöcker, Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 6 , 1 0 6 . 28 Vgl. A. Stöcker, Predigt zu Mt 20,1 - 1 6 , 1 0 6 ; F. Ahlfeld, Ruf Gottes, 145. 29 Vgl. L.Hofacker, 214; K. Gerok, Predigt zu Mt 1 9 , 2 7 - 2 0 , 1 6 , 210f.; O . Ebeling, 359; A. Stöcker, Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 6 , 1 0 6 ; F. Ahlfeld, Ruf Gottes, 145. 30 A. Stöcker, Predigt zu Mt 20,1 - 1 6 . Vgl. H . Bezzel, Predigt zu Mt 20,1 - 1 6 , 1 7 6 ; L. Hofakker, 217. 26

74

gen unter die Frage des Schriftgelehrten: „Wer ist denn mein Nächster?" 3 1 und entfaltet in einer späteren Predigt Jesu Antwort: „Gehe hin und tue desgleichen" 32 , während Pank „Unterricht über Nächstenliebe" erteilt 33 . "Weiter gehören zu dieser Gruppe Predigten von E. Frommel 3 4 und Schaefer 35 . - In ihrem Aufbau und auch in ihren Aussagen erinnern einige dieser Predigten sehr an solche der Aufklärungszeit, unterscheiden sich aber zugleich von diesen in charakteristischer Weise: So sind die ethischen Aussagen hier in der Regel explizit christologisch begründet, und es werden konkrete Handlungsfelder christlicher Nächstenliebe benannt. In diesem Zusammenhang spielt die Kollekte in dem jeweiligen Gottesdienst eine besondere Rolle 3 6 . Zugleich werden hier - anders als in der Aufklärungspredigt - immer wieder gegenwärtige „Samariter" den Predigthörern als Vorbilder vor Augen gestellt 37 .

b) Die Auslegung der Gleichniserzählungen Sowohl die Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter als auch jene von den Arbeitern im Weinberg wird also in der „Parabelpredigt als Aufruf zu persönlicher Frömmigkeit" in einen paränetischen Zusammenhang gestellt. Dies scheint im Blick auf L k 10,23—37 näher zu liegen als für M t 19,27—20,16, so daß zunächst untersucht werden soll, wie die Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter in den oben genannten Predigten verstanden wird. Im Unterschied zur Predigt dieses Textes durch die konfessionell-lutherisch geprägten Prediger wird der (vordere) Kontext der Parabel (v. 23 f.) zwar gelegentlich erwähnt, aber er erlangt kaum irgendwo eine vergleichbare homiletisch und theologisch konstitutive Funktion 3 8 . Stattdessen konzentriert sich alles Interesse auf die Gleichniserzählung und dort wiederum auf das Verhalten des Samariters. In einer späteren Predigt Geroks wird im Einleitungsteil die Disposition folgendermaßen angekündigt: „Gehe hin und 31

Vgl. A n m . 10.

K. Gerok, Predigt zu L k 1 0 , 2 3 - 3 7 . In: Der Heimat zu! Ein Jahrgang nachgelassener Evangelien-Predigten, Stuttgart 1893, 4 2 2 - 4 3 1 . 32

3 3 O . Pank, Unterricht über Nächstenliebe ( L k 10,23—37). In: Ich schäme mich des Evangeliums von Christo nicht. Ein Jahrgang Predigten, Halle 1910, 434—441. 3 4 E . Frommel, D e r barmherzige Samariter (Lk 10,25—37). In: Das Evangelium L u c ä in Predigten und Homilien ausgelegt. 1. Hälfte, Halle 4. Aufl. 1 9 0 7 , 4 0 2 - 4 1 4 . 3 5 Schaefer, D e r barmherzige Samariter ( L k 10,25—37). In: J. Fenner (Hrsg.), Predigtbuch der Dorfkirche, Berlin 1 9 1 5 , 3 7 7 - 3 8 4 . 36

Vgl. K. Gerok (In: Predigten); O . Pank.

37

Vgl. E . F r o m m e l 4 1 3 f . ; K . G e r o k , beide Predigten, passim; O . P a n k , 4 3 9 ; Schaefer, 381,

383. 38

Vgl. O . Pank, K. Gerok (beide Predigten), E . Frommel.

75

tue desgleichen! Das soll auch uns wieder einmal eine Mahnung werden zur rechten Samariterliebe: 1) als einer herzlichen 2) als einer tätigen 3) als einer gründlichen Nächstenliebe."39 Bei Schaefer ist das Tun des Samariters in der Terminologie von l.Kor 13 beschrieben: „1) Die Liebe sucht nicht das Ihre! 2) Die Liebe höret nimmer auf!" 40 O. Pank schließlich konstatiert, nachdem er den in der Gleichniserzählung agierenden Personen nachgegangen ist, im Blick auf den Samariter: „Verfolgen wir nur kurz sein Verhalten. Jeder einzelne Zug ist echter Liebeszug." 41 Pank nennt das „heiße, tieft Mitgefühl", die persönliche und praktische Hilfe, die Tatsache, daß der Samariter Liebe übt, obwohl er im Gegensatz zu Priester und Levit nicht dazu prädestiniert ist, und schließlich, daß er neben dem persönlichen Einsatz auch mit seinem Geld hilft. - Bei diesen Beschreibungen des Samariters durch die genannten Prediger ist dessen Verhalten als prinzipiell auch von den Predigthörern realisierbar vorgestellt, der Samariter fungiert als Vorbild. Zugleich aber findet sich in allen genannten Predigten neben der literalen eine allegorische Auslegung der Parabel. Diese ist mitunter ausführlich präsentiert42, meist aber nur angedeutet43. Dabei ist der Samariter mit Christus identifiziert, wobei aber diesem gegenüber jenem noch ein vervollkommnendes Attribut beigelegt wird: Christus ist der „rechte himmlische"44, der „rechte" 45 , der „große" 46 , der „wahre"47 oder der „leibhaftige"48 barmherzige Samariter. Die vorliegenden Predigten sind mithin durch einen doppelten hermeneutischen Zugang zu der Gleichniserzählung charakterisiert. Allegorisch ausgelegt repräsentiert die Parabel das Evangelium von Jesus Christus, wörtlich verstanden ist sie Anleitung zur Heiligung oder zur Praxis des christlichen Glaubens. Diese beiden Auslegungsweisen werden innerhalb eines theologischen Begründungszusammenhangs aufeinander bezogen, und zwar in einer Weise wie sie grundlegend in Luthers reformatorischer Hauptschrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen" von 1520 dargelegt ist. So heißt es bei Gerok im Anschluß an die allegorische Auslegung der Parabel: „Dann werden wir in Dank und Freude nicht anders können, als daß wir auch Ihn lieben und um Seinetwillen die Brüder." 49 , und in einer anderen Predigt: „Haben wir 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49

76

K. Gerok (in: Heimat), 423. Schaefer, 379. O.Pank, 438. Vgl. E. Frommel, 412f. Vgl. K. Gerok (In: Heimat), 430; ders. (In: Predigten), 676f.; O. Pank, 440; Schaefer, 384. K. Gerok (In: Predigten), 676. K. Gerok (In: Heimat), 430. E. Frommel, 412. Schaefer, 384. O.Pank,440. K. Gerok (In: Predigten), 677.

seine Barmherzigkeit an uns erfahren, dann werden auch wir gern Barmherzigkeit üben." 50 Ahnlich begründen auch E.Frommel und Schaefer ihre paränetischen Aussagen. Schaefer benutzt das Bild vom Evangelium als einer „verborgenen Triebfeder" des Handelns 51 , und Frommel führt aus : „Wer von ihm, dem großen barmherzigen Samariter gefunden worden ist, und wessen Seele durch den Wein seines heiligen Ernstes und das Ol seiner vergebenden Gnade geheilt worden, wen er in die Herberge seiner Kirche gebracht und ihn dort gepflegt mit Wort und Sakrament - der kann nicht anders als hingehen und das gleiche tun." 52 An der beschriebenen Deutung der Parabel vom barmherzigen Samariter wird nun noch einmal die Eigenart der „Parabelpredigt als Aufruf zu persönlicher Frömmigkeit" deutlich sichtbar. Man kann wohl mit aller Vorsicht zusammenfassend konstatieren, daß die in den Predigten vorliegende doppelte Auslegung das (ethische) Anliegen der Aufklärungsprediger mit dem (dogmatischen) der konfessionell-lutherischen Parabelpredigt verbindet und dadurch die dort jeweils beobachteten Engführungen vermeidet. Wie in der Aufklärungspredigt ist die Parabel hier als Beispiel für die Nächstenliebe und sind die Akteure in der Erzählung als Typen für bestimmte Verhaltensweisen verstanden. Dabei werden jeweils einzelne Züge der Gleichniserzählung herausgegriffen, verallgemeinert und in eine Mahnung umgesetzt. Anders als in der „Parabelpredigt als vernünftige Argumentation und praktische Ermahnung" ist aber damit die Auslegung nicht beendet. Zu der wörtlichen tritt aus theologischen Gründen die allegorische Deutung. - Dem theologischen Defizit der Aufklärungspredigten zu Lk 10,23—37 entgegenzuwirken, das ist freilich auch die Absicht der „Parabelpredigt als Darlegung von Lehre und Bekenntnis". N u r repräsentiert dort die Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter das Gesetz in seinem anklagenden Gebrauch, während sie hier in allegorischer Auslegung als Evangelium und in wörtlicher Auslegung als Beispiel der Heiligung des Christen verstanden wird. Auch an den paränetischen Predigten zu der Parabel von den Arbeitern im Weinberg lassen sich im Blick auf die Textauslegung gewisse, gegenüber den beiden oben dargestellten Weisen der Parabelpredigt eigentümliche Merkmale beobachten, die zum Teil mit den für die Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter beschriebenen konvergieren. Wie dort so ist auch hier der unmittelbare Kontext der Parabel, in diesem Fall die Frage des Petrus nach dem Lohn der Nachfolge, zwar gelegentlich erwähnt, bleibt aber ohne nennenswerte Funktion für das Verstehen der Parabel und also für die 50 51 52

K . G e r o k (In: Heimat), 431. Schaefer, 384. E.Frommel,413.

77

PredigtS3. Stattdessen rückt die Gleichniserzählung selbst ins Zentrum, allerdings in einer bisher nicht beobachteten Weise: Wie in den Predigten zu Lk 10,23—37 so ist auch hier das Interesse auf Grund der homiletischen Zielsetzung brennpunktartig auf bestimmte Aussagen der Parabel gerichtet. Stand dort das Verhalten des Samariters im Mittelpunkt, was der Kontext der Gleichniserzählung selbst auch nahelegt, so ist es hier die Berufung zur Arbeit durch den Weinbergbesitzer. Die zweite Hälfte der Parabel wird in den Predigten entweder gar nicht54 oder nur anhangsweise55 ausgelegt. Anders als in den Predigten zu Lk 10,23 ff. gibt es aber hier im Blick auf die Berufungsszene kein Nebeneinander von wörtlicher und allegorischer Deutung der Parabel, sondern die einzelnen Züge der Erzählung werden ausschließlich allegorisch verstanden, wobei die Allegorese grundsätzlich mit Blick auf das Ziel der Predigt, den Aufruf zu persönlicher Frömmigkeit, durchgeführt wird. Diese Zielgerichtetheit der Deutung wird an der in fast allen untersuchten Predigten ähnlichen Auslegung bestimmter Einzelzüge der Parabel unmittelbar evident. Das gilt zunächst für das Motiv des Anwerbens von Arbeitern durch den Weinbergbesitzer zu unterschiedlichen Tageszeiten. Die Stunden werden gewöhnlich lebenszyklisch gedeutet, also etwa auf Taufe, Konfirmation, Eheschließung, Alter und Sterben bezogen56. Den Grund für dieses hermeneutische Verfahren benennt Ahlfeld, wenn er nach dem Referat anderer Deutungsmöglichkeiten feststellt: „aber lassen wir diese Deutungen. Wir haben eine andere, die uns näher liegt, die gewaltiger in unser Leben hereinruft."57 Dieses „Hereinrufen" geschieht dann vielfach so, daß in der Predigt nacheinander die verschiedenen Altersgruppen der Hörer benannt werden und der Prediger entfaltet, was die Berufung in den Weinberg Gottes für diese jeweils bedeutet. Dabei bleibt es jedoch meist nicht bei einer bloßen Deskription wünschenswerten Verhaltens, sondern die Predigt versteht sich selbst als eine erneute Berufung durch Gott und also als Fortsetzung der Parabel: „Ist einer hier, der bis jetzt noch nicht gedinget wäre, dem will ich zurufen, daß der Herr ihn haben will" 58 , heißt es bei Stöcker, und 53 Vgl. H.Bezzel, Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 6 , 173; F.Ahlfeld, Ruf Gottes, 141; A.Stöcker, Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 6 , 1 0 8 ; L. Hofacker, 210; K. Gerok, Predigt zu Mt 1 9 , 2 7 - 2 0 , 1 6 , 2 0 4 f . 5 4 So bei C. I. Römheld. 55 So bei K. Gerok, Predigt zu Mt 1 9 , 2 7 - 2 0 , 1 6 ; L. Hofacker; O. Ebeling; A. Stöcker, Predigt zu Mt 20,1 - 1 6 ; F. Ahlfeld, Ruf Gottes ; H. Bezzel, Predigt zu Mt 20,1 - 1 6 . - Explizit gegen die zweite Hälfe der Parabel predigt F.L. Steinmeyer, 218: „Lassen wir uns nicht täuschen durch den Zug des Gleichnisses, daß auch die zur elften Stunde Berufenen ihren Groschen gleich den andern empfangen... Versäumtes unversäumt machen, das kann auch die Gnade nicht." 56 So oder ähnlich bei F. Ahlfeld, Ruf Gottes; K. Gerok, Predigt zu Mt 1 9 , 2 7 - 2 0 , 1 6 ; A. Stökker, Predigt zu Mt 20,1 - 1 6 ; O. Ebeling; C. I. Römheld. 57 F. Ahlfeld, Ruf Gotes, 144. 58 A. Stöcker, Predigt zu Mt 20,1 - 1 6 , 1 0 8 .

78

ähnlich bei Gerok: „Wenn es wahr wäre bis heute, daß dich niemand gedingt habe: heute dinget dich der Herr durch dieses ernste Evangelium." 59 Die allegorische Auslegung der Parabel erschöpft sich folglich nicht in einer reinen Übertragung einzelner Motive, sondern wird gleichsam auf den Vollzug der Predigt hin „verlängert". Neben der lebenszyklischen Deutung der Berufungszeiten herrscht unter den Predigern ferner Einigkeit darüber, daß der Markt in der Parabel als „Markt der Welt" zu verstehen ist, von dem weg die Christen in den Weinberg Gottes zu führen sind, und daß der in der Gleichniserzählung erwähnte Müßiggang ein „geistlicher Müßiggang" ist, der sich vielfach hinter äußerer Aktivität und weltlichem Fleiß verbirgt. Das Ziel des Rufens, der „Weinberg", ist entweder ganz konkret die Kirche 60 oder aber das „Reich Gottes", wobei meist nicht klar erkennbar wird, wie diese Größe konkret zu denken ist61. An die Stelle einer exakten Definition tritt hier eine Erweiterung und Ausmalung des Bildes vom Weinberg und die allegorische Deutung der so hinzugewonnenen Einzelzüge: „Kennet ihr die Frucht, köstlicher noch als die Frucht der Reben, die da gezogen werden soll im Sonnenschein der göttlichen Gnade, nämlich die Früchte des Geistes...?... Freilich kostet sie Mühe, diese Arbeit im Weinberg des Herrn. Heiße Mühe hat sie gekostet den treuen Schaffner Gottes, unsern Herrn Jesum Christum, der auf dem steinigen Acker dieser sündhaften Welt, auf dem harten Boden seines verstockten Volkes zuerst diesen Weinberg des Reiches Gottes angepflanzt, mit treuer Liebe seine ersten schwachen Reiser gepflegt, mit seinem heiligen Blut ihn begossen hat..." 6 2 Die extensive, homiletisch bedingte, allegorische Auslegung der Parabel von den Arbeitern im Weinberg führt mitunter zu gedanklichen Spannungen, vor allem wenn die Gleichniserzählung mit der Bildrede Jesu Joh. 15 kombiniert wird: Dann ist Christus zugleich als erster Arbeiter und als der rechte Weinstock zu denken, und die Christen haben sich sowohl in den Reben als auch in den Arbeitern wiederzuerkennen 63 . Ferner werden auch das hängt mit der Auslegungsmethode der Allegorese und ihrer zielgerichteten Anwendung zusammen - einzelne Züge des Gleichnisses massiv 59

K. Gerok, Predigt zu Mt 1 9 , 2 7 - 2 0 , 1 6 , 2 1 2 . Vgl. A. Stöcker, Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 6 , 104; F. Ahlfeld, Ruf Gottes, 142: „Wo das Wort Gottes lauter und rein gepredigt wird, und die h. Sakramente nach der Einsetzung des Herrn verwaltet werden, da ist der Weinberg des Herrn." 61 K. Gerok, Predigt zu Mt 1 9 , 2 7 - 2 0 , 1 6 , 207: „Kennet i h r . . . den Weinberg des Herrn, das Reich Gottes um uns und in uns?"; vgl. L. Hofacker, 211 f.; O . Ebeling, 358; H . Bezzel, Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 6 , 1 7 4 . 62 K. Gerok, Predigt zu Mt 1 9 , 2 7 - 2 0 , 1 6 , 207. Vgl. L. Hofacker; F. Ahlfeld, Ruf Gottes; A. Stöcker, Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 6 ; H . Bezzel, Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 6 . 63 So bei L. Hofacker; K. Gerok, Predigt zu Mt 1 9 , 2 7 - 2 0 , 1 6 ; F. Ahlfeld, Ruf Gottes; O . Ebeling; H . Bezzel, Predigt zu Mt 20,1 - 1 6 . 60

79

umgedeutet: So wird zwar die Berufung der Arbeiter auf die Hörer übertragen64, nicht aber ihre Entschuldigung, sie seien bisher nicht eingestellt worden; der Lohn - in der Parabel etwas Zweites neben und nach der A r b e i t wird von manchen Predigern in die Arbeit selbst hinein verlegt65, und auch die besondere Dringlichkeit der Berufung, die alle Prediger betonen, hat im Predigttext keinen Anhalt. Abschließend seien noch einmal die Gemeinsamkeiten in der Auslegung der beiden Parabeln innerhalb der Predigt zusammenfassend dargestellt: Der Text beider Gleichniserzählungen wird - anders als in der katechetisch ausgerichteten Parabelpredigt - nicht als geschlossenes Ganzes behandelt, sondern die Prediger wählen im Hinblick auf ihre homiletische Zielsetzung einzelne Züge der Parabel aus. Diese werden dann in der Predigt in aller Breite verhandelt, wobei die Anschaulichkeit der Gleichniserzählung stellenweise noch gesteigert wird. Grundsätzlich gilt, daß die Auslegung der Parabel weniger in theologischen Kategorien geschieht als das bei den konfessionell-lutherisch geprägten Predigern der Fall ist. Vielmehr ist das Bemühen erkennbar, den Predigttext möglichst unmittelbar auf die Predigthörer zu beziehen. Dies geschieht aber nun nicht auf dem Wege der Identifikation mit der Person oder Personengruppe, die die Gleichniserzählung selbst als Identifikationsfigur nahelegt, also dem Überfallenen in Lk 10,30-35 66 und den Ganztagsarbeitern in Mt 20,1 —1567, sondern den Predigthörern werden jeweils die Akteure ausführlich vor Augen geführt, deren Verhalten dem Prediger nachahmenswert erscheint. Wo die Parabel erzählt und zur Identifikation einlädt, mahnen die Parabelprediger und fordern zur Identifikation auf. - Auch hier ist freilich anzunehmen, daß die genannten Prediger nicht nur mit Gleichniserzählungen in der beschriebenen Weise verfuhren, sondern auch andere Bibeltexte im Horizont ihrer homiletischen Zielsetzung (Aufruf zu persönlicher Frömmigkeit) ähnlich verarbeiteten, so daß von einer Gattung der P^ra^e/predigt kaum gesprochen werden kann.

4. Kritische

Würdigung

Die „Parabelpredigt als Aufruf zu persönlicher Frömmigkeit" ist in der Regel außerordentlich lebendig und anschaulich gestaltet. Die Prediger reden 64

So bei L. Hofacker, 216f.; K. Gerok, Predigt zu Mt 19,27-20,16,212. So bei L. Hofacker, 218 f. ; F. L. Steinmeyer, 216 ; A. Stöcker, Predigt zu Mt 20,1 - 1 6 , 1 0 6 f. ; O . Ebeling, 361. 66 S.o. 50, Anm. 12. 67 Vgl. W. Harnisch, Gleichniserzählungen, 188. 65

80

ihre Hörer unmittelbar an und nehmen mitunter explizit auf die jeweilige homiletische Situation Bezug, um diese vom Predigttext her kritisch in Frage zu stellen und die Predigthörer zur Praxis ihres Glaubens in dieser Situation zu ermahnen. Darin unterscheidet sich diese Predigtweise deutlich von der „Parabelpredigt als Darlegung von Lehre und Bekenntnis", wo das einseitige Interesse an der Vergewisserung der Hörer im Glauben die Predigt von Gleichniserzählungen vielfach zu theologischen Abhandlungen werden läßt. Zugleich stehen die paränetischen Predigten in Spannung zu der Parabelpredigt in Aufklärung und Rationalismus. Zwar lag auch Predigern wie Mosheim und Spalding daran, die Aussagen der Gleichniserzählung unmittelbar für ihre Hörer fruchtbar zu machen, aber durch die fehlende oder nur fragmentarisch vorhandene christologische Reflexion tendierten ihre Predigten zur Gesetzlichkeit. Dieser Gefahr entgehen die Verfasser der hier besprochenen Predigten durch die allegorische Auslegung der Gleichniserzählung. - Dennoch sind kritische Anfragen zu stellen : Ein Problem der paränetisch orientierten Parabelpredigten liegt zweifellos dort, wo die Änderung der Einstellung stärker postuliert wird als ein verändertes Verhalten. Dies ist vor allem in den Predigten zu der Gleichniserzählung von den Arbeitern im Weinberg der Fall. Da alle untersuchten Predigten ohnehin die persönliche Frömmigkeit des einzelnen Christen zu verändern suchen, erhöht sich bei der beschriebenen Akzentsetzung deutlich die Gefahr einer Entpolitisierung des Evangeliums: Einige Prediger rufen geradezu zur Verleugnung der Welt auf, was in der Konsequenz der allegorischen Übertragung des Marktes auf die Welt liegt. - Eine zweite kritische Anfrage betrifft den drängenden Stil der hier untersuchten Predigten, der manchmal in massiven Drohungen kulminiert. Die Predigthörer sollen dadurch zu einer bestimmten, vom Prediger favorisierten Frömmigkeit genötigt werden. Es ist zu fragen, ob damit nicht die Eigenart der Predigttexte, der Gleichniserzählungen Jesu, bis zu einem gewissen Grade verkannt wird. Zwar ergreifen auch sie ihre Hörer, aber auf eine offenkundig andere Art und Weise als die Parabelprediger das tun: Die Gleichniserzählungen verwickeln die Hörer in ein erzähltes Geschehen; als Erzählungen ziehen sie Aufmerksamkeit auf sich. Diese narrative Qualität ist jedoch von den Predigern nicht wahrgenommen, vielmehr werden die Parabeln gleichsam als „Steinbruch" für paränetisch verwendbare Motive benutzt, und der Zugriff auf die Hörer geschieht dann durch die Mahnung bzw. Drohung. Damit verbunden ist die Tatsache, daß das Skandalon, das allen Gleichniserzählungen Jesu eignet, homiletisch nicht zur Geltung gebracht wird. Die untersuchten Parabelpredigten neutralisieren vielmehr die Anstößigkeit der jeweiligen Parabel, indem sie das Erzählte zu einer Paränese ummünzen. Strukturell sind sie darin den bisher besprochenen Weisen der 81

Parabelpredigt ähnlich. Auch dort wurde eine „Domestizierung" der Gleichniserzählungen beobachtet, wenn auch die Mittel andere waren: Die „Parabelpredigt als vernünftige Argumentation und praktische Ermahnung" suchte die Widerständigkeit der Gleichniserzählungen Jesu rational aufzulösen, die „Parabelpredigt als Darlegung von Lehre und Bekenntnis" erklärte sie theologisch. Allen drei Weisen der Parabelpredigt ist also gemeinsam, daß sie die offene, zu eigener Reflexion anregende und daher wze/deutige Parabel im Sinne ihrer Theologie und homiletischen Intention emdeutig auslegen.

V. Parabelpredigt als Beschreibung christlicher Einstellung im Spannungsfeld von Glauben und Handeln 1. Predigtgeschichtliche

Einordnung

Zu der „Parabelpredigt als Beschreibung christlicher Einstellung im Spannungsfeld von Glauben und Handeln" sind Predigten sowohl von Vertretern der sogenannten Vermittlungstheologie (Rothe, Schenkel, Müllensiefen, Beyschlag u.a.), als auch von solchen einer modern-liberalen Predigtweise (Bitzius, Schwarz, Rittelmeyer, Dörries u.a.) zu rechnen. Heranzuziehen sind ferner aber auch einzelne Parabelpredigten von Predigern ganz anderer theologischer Herkunft wie M.Frommel, Schlatter, Bezzel u.a., so daß die hier zu untersuchende Weise der Parabelpredigt noch weniger als die zuvor beschriebenen Gruppen einer theologischen Schule zuzuweisen ist 1 . - Zu den die genannten Predigten verbindenden Merkmalen gehört zunächst ein deutlicher Kontrast zu den beiden ersten in dieser Untersuchung beschriebenen Weisen der Parabelpredigt, also zu der Weise, wie Gleichniserzählungen Jesu in der Zeit von Aufklärung und Rationalismus einerseits und im Umkreis eines wieder erwachenden Konfessionalismus andererseits gepredigt wurden. Daß dieser Kontrast mindestens von einzelnen Predigern beabsichtigt ist, beweist folgende programmatische Aussage des Gothaer Generalsuperintendenten und hervorragendsten Vertreters der modern-liberalen Predigt 2 , C. Schwarz: „ D a s ist daher die Aufgabe unserer Predigt, überall in sich diese innerste und engste Verbindung von 1 2

82

Vgl. dazu F. Wintzer, Homiletik seit Schleiermacher, 132. Vgl. M. Schian, Geschichte, 723 f. ; W. Schütz, Geschichte, 202.

Religion und Sittlichkeit darzustellen, die Religion in ihrer Ursprünglichkeit, gleichsam in ihrem fließenden Leben, noch nicht zum toten Dogma erstarrt, zu erfassen, aus ihr als dem göttlichen Quellpunkt aller Sittlichkeit fort und fort zu schöpfen. Und darin liegt zugleich die Entscheidung über den Wert der moralischen und der dogmatischen Predigten. Beide Gattungen sind offenbar gleich wertlos und verkehrt, und nicht minder als die alten Rationalisten, die sich in die endlichste und ordinärste Philistermoral verloren, sind die Bekenntnismänner neuester Art anzuklagen, die mit ihrem trostlosen Dogmatisieren alles wahrhaft fromme Leben in den Gemeinden totgepredigt haben. Die Predigten sollen religiös-sittliche sein, so daß in ihnen keine Lehre auftritt, die für sich einen Wert in Anspruch nehme auch ohne die sittliche Anwendbarkeit und daß wieder keine sittliche Aufgabe gestellt wird, die nicht ihre tiefere religiöse Begründung erhielte."3 Neben der polemischen Abgrenzung von den Vertretern der rationalistischen und der konfessionell-lutherischen Predigt benennt diese grundsätzliche Äußerung die Darstellung der „innerste(n) und engste(n) Verbindung von Religion und Sittlichkeit" als das zentrale Anliegen der Predigt; darin unterscheidet sie sich deutlich auch von der erwecklichen und der praktisch ausgerichteten Gemeindepredigt, wie sie im vorigen Kapitel beschrieben wurde. Es liegt auf der Hand, daß diese bei Schwarz allgemein skizzierte Predigtintention mit der Eigenart und Absicht der Parabeln Jesu konkurriert, sofern man diese nicht mit Jülicher als Beweismittel bzw. Mittel zur Darstellung einer Idee, sondern mit der neueren Hermeneutik der Gleichnisreden Jesu als dramatische, den Hörer in einen (metaphorischen) Prozeß versetzende Erzählungen versteht. Wie die genannten Prediger ihr Interesse dennoch auch in der Parabelpredigt zur Geltung bringen, das ist im folgenden - zunächst wieder an Hand zweier Predigtbeispiele und dann auf dem Hintergrund einer breiteren Quellenbasis - zu untersuchen.

2. Zwei a) A. Bitzius: Der Lohn im Reiche

Predigtbeispiele Gottes (1872. Text: Mt

20,1-15)"·

In den Darstellungen der Predigtgeschichte wird A. Bitzius (1835—1882), Pfarrer in Twann/Schweiz und später Regierungsrat in Bern, im Gegenüber zu C. Schwarz als „Realist", ja sogar als „einer der praktischsten, wenn nicht der praktischste Prediger des 19. Jahrhunderts"5 beschrieben. Dieses Urteil gründet vor allem auf der Tatsache, daß Bitzius sich in seinen Predigten, von denen sieben Bände posthum herausgegeben 3 4 5

C. Schwarz, Predigten aus der Gegenwart, Erste Sammlung, Leipzig 3. Aufl. 1866, X X I V f . In: Für Leben und Tod. Predigten Bd. 4, Bern 2. Aufl. 1 8 9 7 , 2 5 8 - 2 6 5 . M. Schian, Geschichte, 724.

83

wurden, vielfach mit sogenannten „speziellen" Themen wie „Frauentreue", „Statistik" und „Grundsätze der Armenpflege" bzw. mit konkreten Ereignissen in der Gemeinde (z.B. einer Feuersbrunst im Ort, einem Sängertag oder dem Anfang der Winterschule) auseinandersetzte. Ob das Etikett des „praktischen Predigers" Bitzius wirklich hinreichend beschreibt, muß angesichts seiner Predigt zu der Parabel von den Arbeitern im Weinberg jedoch bezweifelt werden, denn hier tritt das praktische Interesse deutlich zugunsten hermeneutischer und theologischer Reflexion zurück. Was die äußere Form der vorliegenden Predigt zu Mt 20,1 - 1 5 betrifft, so fällt unmittelbar auf, daß sie zwar wie die bisher untersuchten Paradigmen unter ein Thema gestellt ist - „Der Lohn im Reiche Gottes" - , daß aber anders als dort die Entfaltung dieses Themas nicht in strenger und vorher angekündigter Partition geschieht. Dennoch lassen sich verschiedene Abschnitte unterscheiden: Bitzius beginnt seine Predigt mit einer hermeneutischen Überlegung zum Predigttext. Die Parabel, so der Prediger, darf keinesfalls in zwei gleichberechtigte Hälften auseinandergerissen werden, da gerade im Zusammenhang beider Teile der Hauptsinn der Gleichniserzählung liegt. Dieser Zusammenhang aber besteht in der Gesinnung der Arbeiter im Weinberg, die in dem ganzen erzählten Geschehen, bei der Berufung und Arbeit ebenso wie bei der Auszahlung des Lohnes, dieselbe ist. Aus diesem Grunde ist gleichzeitig von der Arbeit und ihrem Lohn zu sprechen. - Nach diesen Prolegomena wendet der Prediger sich der Parabel näher zu und bietet eine allegorische Auslegung ihrer beiden Teile. Dabei begegnen einzelne, aus den bereits besprochenen Predigten bekannte Deutungen und Motive wie etwa der Bezug der Berufungszeiten auf den menschlichen Lebenszyklus, aber durchaus auch neue Interpretationsansätze. So sieht der Prediger eine „sachliche Schwierigkeit" (S. 260) in der gleichen Entlohnung von ungleich langer Arbeit, weist aber die in Aufklärung und Rationalismus mit dem Hinweis auf Gottes Freiheit und Macht allenthalben geübte Auflösung dieser Schwierigkeit entschieden zurück. Stattdessen versucht Bitzius eine Erklärung des Sachverhaltes mit Hilfe einer eigenwilligen Deutung des allen Arbeitern ausgezahlten Groschens : „Nun aber ist der Groschen gar kein äußerer Lohn, sondern nur eins im Diesseits und Jenseits: die Liebe Gottes. Diese Liebe Gottes, die kann nicht kleiner und kann nicht größer werden..." (S. 261). Die grundsätzliche hermeneutische Erkenntnis aus dem ersten und die allegorische Deutung der Parabel aus dem zweiten Teil der Predigt werden sodann in einem dritten Gedankengang zusammenfassend auf die Predigthörer bezogen. Bitzius sucht zunächst nach aktuellen Entsprechungen für die Ganztagsarbeiter in der Gleichniserzählung. Er findet sie in „sehr ehrenwerte(n), vielfach treffliche(n) Menschen, Muster(n) von Pflicht, Treue, Arbeitsamkeit und rechtem Wandel" (Ebd.), deren Gesinnung aber einer Uberprü84

fung nicht standhält. Es sind Menschen, die sich nur deshalb tugendhaft verhalten, weil sie sich davon einen Vorteil versprechen, etwa in Form einer irdischen oder himmlischen Belohnung durch Gott; diese Einstellung aber, so der Prediger, macht ihr Handeln zum Selbstbetrug: Zwar erhalten auch die pflichtbewußten Arbeiter Gottes Liebe als Lohn, doch wird dieser Lohn für sie, weil nicht exklusiv für sie bestimmt, nur Anlaß zu Neid und Unzufriedenheit, nicht aber zur Freude. Aus diesem Grunde warnt Bitzius seine Hörer vor dem Tun des Guten in Erwartung einer „sogenannte(n) himmlische^) Seligkeit" (S. 263) und entwirft vor ihnen als Gegenbild das „wahre Verhalten" (Ebd.): „Vor allem darf man, eintretend in den Dienst Gottes, nicht meinen, man tue Gott ein groß Gefallen damit und er könne es nicht machen ohne uns. Nein, um unsertwillen müssen wir eintreten, weil es uns angst geworden ist da draußen so müßig auf dem Markt des Lebens... aber einmal eingetreten ist das die Hauptsache, daß wir nicht mehr für uns, sondern für Gott arbeiten" (263 f.). Solche Gesinnung aber äußert sich in Genügsamkeit und dem Verzicht auf die Erwartung zusätzlicher göttlicher Belohnungen. - Abschließend verweist der Prediger noch einmal auf das Negativbeispiel der Erstberufenen sowie auf das der Mutter der Zebedaiden (vv. 20—28), die er auf Grund ihrer Bitte an Jesus für unzufrieden hält, und zieht daraus die für den Hörer freilich nicht unmittelbar einsichtige Konsequenz: „Aus diesen beiden Beispielen lernet, daß aller himmlische Lohn inwärts liegt... und daß wer den himmlischen Lohn nicht in sich trägt, ihn draußen in der Welt und im Himmel überall umsonst sucht" (265). Hermeneutisch lebt die vorliegende Predigt weitgehend von der Abgrenzung zu anderen Verstehensmöglichkeiten der Parabel von den Arbeitern im Weinberg, obgleich diese Auseinandersetzung nicht offen und polemisch geführt wird. Wer jedoch mit den Weisen der Parabelpredigt im 18. und 19. Jahrhundert und besonders mit der Predigtgeschichte dieser Gleichniserzählung vertraut ist, dem werden die vielfältigen Anspielungen in Bitzius' Predigt nicht entgehen. So wehrt sich der Prediger im Einleitungsteil heftig gegen eine Aufspaltung des Gleichnisses in zwei Hälften, eine, die von der Arbeit und Berufung, und eine, die von dem Lohn handelt. Eine solche Aufspaltung hat es in der Predigtgeschichte immer wieder gegeben : Mosheim und andere Aufklärungsprediger etwa hatten sich in ihren Predigten zu dem Text ausschließlich auf die Auszahlungsszene konzentriert, während bei L. Hofacker und anderen die Berufungsszene im Brennpunkt des Interesses stand. Stattdessen fordert Bitzius ein Verstehen der Gleichniserzählung als geschlossener Konfiguration, allerdings mit einer eigentümlichen Begründung: Nach seiner Ansicht ist es nicht etwa der theologische Zusammenhang von Leistung und Lohn bzw. Lohn und Gnade, den die Parabel repräsentiert 85

und der ein Zerreißen der Erzählung verbietet. Das dürfte der Grund gewesen sein, warum die Mehrzahl der konfessionell geprägten Prediger die Parabel als geschlossenes Ganzes predigten 6 . Auch ist das einheitsstiftende Band nicht die narrative Komposition mit ihrem Geflecht von Beziehungen innerhalb der Parabel. Vielmehr heißt es explizit: „Alles, was da von einer Zeitfolge, einem Nacheinander gesagt wird, ist Einkleidung, Bild" (S. 259). Sondern: „Das Bindeglied ist... die Gesinnung der Personen von denen die Rede ist, und diese Gesinnung ist dieselbe während der Arbeit schon wie bei der Ablöhnung" (Ebd., Hervorhebung durch Verf.). Damit aber rückt ein Motiv in den Vordergrund, das in den bisher untersuchten Predigten zwar auch mitunter eine Rolle spielte, aber nie eine in dieser Weise konstitutive Funktion erlangte. - Die Abgrenzung von anderen Predigtweisen, namentlich von denen der Aufklärung und des lutherischen Konfessionalismus, vollzieht sich aber nicht allein in der besonderen hermeneutischen Option des Predigers im Blick auf die ganze Gleichniserzählung, sondern auch in seiner Deutung bestimmter Einzelzüge. Es fällt auf, daß gerade die Grundlagen sowohl der rationalistischen als auch der konfessionalistischen Predigt dieses Textes gestellt, aber in eigenwilliger Weise beantwortet werden. Das gilt zunächst für das Problem der Gerechtigkeit des Handelns Gottes, das wie oben beschrieben wurde - den Kern der meisten Aufklärungspredigten zu der Parabel von den Arbeitern im Weinberg bildete. Bitzius referiert die dort unternommenen Lösungsversuche, sieht sich aber von diesen nicht überzeugt, so daß er abschließend feststellt: „Das ist alles völlig wahr, das ist unwiderleglich, und dennoch bleibt ein Stachel gegen Gottes Gerechtigkeit in unseren Herzen zurück" (S. 261). Darum wendet der Prediger sich der Deutung des Groschens zu, einer Frage, die - wie gesehen - für die „Parabelpredigt als Darlegung von Lehre und Bekenntnis" zentrale Bedeutung hatte. Bitzius konstatiert: „Um die Antwort auf diese Frage dreht sich alles" (Ebd.). Freilich gibt er eine eigene Antwort, die die bei den konfessionell-lutherisch geprägten Predigten immer wieder beobachtete Alternative von zeitlichem und ewigem Lohn zugunsten einer neuen Deutung des Groschens auf die zeitlich und ewig wirksame Liebe Gottes überwindet. Der Gegensatz dieser Aussagen zu jenen der „Parabelpredigt als Darlegung von Lehre und Bekenntnis" wird unmittelbar deutlich, wenn man nachliest, wie plastisch etwa L. Harms die Freuden der „Wiedergeburt" auszumalen wußte, und wenn man diese Beschreibung mit dem lapidaren Satz Bitzius' vergleicht: „Es gibt hier und drüben nur einen Lohn, Gottes Liebe, erwartet dazu keine sogenannte himmlische Seligkeit voll Genüsse und Guthaben und Besserhaben 6

86

S.o. 59.

als andere" (S. 263). Diese Beobachtungen zeigen unmißverständlich, daß die vorliegende Predigt in ihrer Auslegung der Parabel von den Arbeitern im Weinberg auf dem Hintergrund von in der Predigtgeschichte erfolgten Deutungen entworfen ist, und daß also die hermeneutischen Prämissen - wenn auch mit negativen Vorzeichen - mindestens partiell predigtgeschichtlich determiniert sind. Die beschriebenen hermeneutischen Entscheidungen wirken sich homiletisch in mehrfacher Hinsicht aus. Konsequenzen werden einmal in der Gestalt der Predigt sichtbar: Wie der Prediger eine Aufspaltung der Parabel ablehnt, so ist auch seine Predigt, wenigstens in formaler Hinsicht, aus einem Guß, und die bisher übliche Form der geordneten Abhandlung verschiedener Hauptgedanken des Predigttextes ist verlassen. Arbeit und Lohn werden nicht nacheinander sondern gleichzeitig verhandelt, und an die Stelle der traditionellen thematisch orientierten Disposition tritt bei Bitzius das Schema von explicatio und applicatio der Parabel. - Insgesamt ist zu urteilen, daß die vorliegende Predigt etwa im Vergleich zu den oben untersuchten Parabelpredigten als „Aufruf zu persönlicher Frömmigkeit" eher unanschaulich und theoretisch wirkt. Es dominiert die deskriptive Sprache, Beispiele und Bilder fehlen fast gänzlich. Diese Eigenart der Predigt dürfte ihre Ursache gleichermaßen in der hermeneutischen Verfahrensweise wie in der homiletischen Intention des Predigers haben, die ihrerseits wieder wechselseitig aufeinander einwirken. Die Entscheidung fällt bereits in den ersten Sätzen der Predigt, wo Bitzius den Hörern seine hermeneutischen Überlegungen mitteilt. Damit verobjektiviert er die Parabel, macht sie zum Repräsentanten einer Gesinnung, und der Parabelpredigt kommt die Aufgabe zu, dieselbe darzustellen und auf die Hörer zu applizieren. Die ansprechende Sprache der Gleichniserzählung wird in beschreibende Sprache überführt, der Anstoß, den sie bei ihren Hörern intendiert, wird umgemünzt in eine „sachliche Schwierigkeit" (S. 260). Aber auch die homiletische Zielsetzung fördert nicht gerade die Anschaulichkeit der Predigt. Ging es den Vertretern der „Parabelpredigt als Aufruf zu persönlicher Frömmigkeit" darum, ihre Hörer zu einer Änderung ihrer Einstellung und ihres Verhaltens zu motivieren, so kommt es Bitzius darauf an, die rechte Einstellung oder „Gesinnung" zu beschreiben, die dann das Verhalten regulieren soll. Solche Gesinnung aber kann nicht konkret dargestellt werden, vielmehr ist intendiert, daß die Predigthörer selbst in aller Freiheit die Konkretionen schaffen.

87

b) W. Bey schlag: Der barmherzige

Samariter (Text: Lk 10,23— 37f

W. Beyschlag (1823 — 1900), Professor der Theologie in Halle, wird jener Gruppe von meist akademischen Predigern zugerechnet, die der sogenannten Vermittlungstheologie verpflichtet waren. In ihren Predigten nahmen diese Theologen die historischkritische Forschung auf und bemühten sich, die christliche Lehre mit der modernen Bildung und dem Empfinden der Zeit in Einklang zu bringen. Beyschlag, von dem fünf Predigtsammlungen publiziert wurden, verkörperte bei seinem Versuch, eine Verständigung mit dem modernen Menschen zu erreichen, eine apologetische Haltung; diese zeigt sich auch deutlich in seiner Predigt zu der Parabel vom barmherzigen Samariter.

Der Prediger sieht in dem Predigttext Lk 10,23-37 eine scheinbare Stufenfolge im Denken Jesu repräsentiert, die vom neutestamentlichen (w. 23 f.) über den alttestamentlichen (w. 25—28) hin zu einem allgemein-menschlichen „Standpunkt" (vv. 29—37) reicht. Diese scheinbare Struktur, so Beyschlag, sei dazu angetan, jene verbreitete Denkart zu unterstützen, nach welcher der eigentliche Kern des Christentums weder in seinen übernatürlichen Tatsachen und Wahrheiten noch auch nur allgemein im Gottesglauben, sondern in der praktischen Sittlichkeit liege. Diese Denkart als Mißverständnis zu entlarven, ist das Ziel seiner Predigt. Beyschlag unternimmt es, zu zeigen, daß die tätige Nächstenliebe zwar ein Hauptstück des Christentums ist, aber notwendig mit einer religiösen Begründung versehen werden muß. Zu diesem Zweck kehrt der Prediger die scheinbare Stufenfolge im Denken Jesu um, indem er nacheinander zunächst die Gleichniserzählung, dann das Streitgespräch Jesu mit dem Schriftgelehrten und schließlich die Seligpreisung der Jünger durch Jesus verhandelt. In einem I. Teil („Das Evangelium als Religion der Nächstenliebe", S. 46—49), dessen Textgrundlage die Gleichniserzählung ist, wird der barmherzige Samariter als Exempel wahrer Menschenliebe beschrieben, die keinen Unterschied zwischen den Hilfsbedürftigen kennt und für diese notfalls ihr Leben einsetzt. Solche Nächstenliebe wertet der Prediger als in der Tat charakteristisch für das Christentum und nur für dieses, denn es hat „keine Religion als die christliche die Liebe gelehrt, die auch ihr Leben läßt für die Brüder, und die auch noch im Fremdling, im Feinde, den Bruder erkennt" (S. 48). Aber diese Erkenntnis wird sogleich präzisiert: Weil im Text an die Übung der Liebe das ewige Leben geknüpft wird, so der Prediger, ist unter christlicher Liebe nicht nur eine gelegentliche gute Tat, sondern eine „ständige Herzensverfassung" (Ebd.) zu verstehen. Eine solche aber sucht man unter den Zeitgenossen, gerade auch unter denen, „welche das Christentum 7

88

In: Academische Predigten, Berlin o.J., 44—54.

mit Verwerfung aller positiven Religion und aller Religion überhaupt als das pure Evangelium der Nächstenliebe proklamieren" (S. 48 f.) vergeblich. Der II. Teil der Predigt („Das Evangelium als die Religion der Liebe zu Gott", S. 49—52) dient dem Nachweis, daß die praktische Sittlichkeit religiös begründet sein muß und entfaltet diesen Gedanken an Hand des Gespräches Jesu mit dem Schriftgelehrten. Das Tun der Nächstenliebe, die sich auch an den Feind richtet, bedarf unbedingt einer treibenden religiösen Kraft: „Hier, meine Freunde, lernen wir es fassen, warum die reinste und edelste Sittenlehre ohnmächtig ist ohne einen Grund der Religion, auf dem sie ruht" (S. 50). Als „Inbegriff aller wahren Religion" versteht der Prediger das von dem Schriftgelehrten zitierte Gebot der Gottesliebe. Das Problem, so Beyschlag, aber liegt nun darin, daß der Mensch Gott weder von Natur aus noch aus eigenem Entschluß lieben kann, da dieser sich dem natürlichen Menschen nur als Richter offenbart. Der III. Teil der Predigt („Das Evangelium als die Religion der in Christo erwiesenen Liebe Gottes zu uns", S. 52—54) entfaltet an Hand der Seligpreisung der Jünger durch Jesus die materiale Seite der religiösen Begründung der Sittenlehre. Beyschlag behauptet, daß das Alte Testament die Gottesliebe zwar geboten, sie aber nicht ermöglicht hat. Dieses geschieht erst durch das Sehen Christi, in dem der unsichtbare Gott sichtbar und menschlich geworden ist und sich als die Liebe auch in Leid, Schuld, Tod und Sünde offenbart hat. Von dieser Liebe sind die Jünger Jesu ergriffen und zur Gottes- wie zur Nächstenliebe befähigt worden, wobei aber nicht ihr Sehen Christi mit Leibes- sondern mit „Herzensaugen" (S. 53) entscheidend gewesen ist. Dem Schriftgelehrten hingegen mußten die Augen durch den Verweis auf das Gesetz als „Zuchtmeister zu Christo" erst geöffnet werden. Abschließend überträgt der Prediger diese Erkenntnisse in seine Zeit, bemüht, Extreme zu vermeiden. Diejenigen, denen besonders an der tätigen Nächstenliebe liegt, müssen, wie der Schriftgelehrte, zu der alle Nächstenliebe begründenden Liebe Gottes in Christus geführt werden, während die diese Liebe bereits Erkennenden daran zu erinnern sind, daß die Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter auch zur Nachfolge erzählt wurde (v. 37b). Die vorliegende akademische Predigt Beyschlags zu Lk 10,23—37 stellt eine Kette von Argumenten dar, die den Hörer von der Notwendigkeit und von einer bestimmten Weise der religiösen Begründung praktischer Sittlichkeit überzeugen soll. Formal ist mit dieser argumentativen Struktur eine gewisse Nähe zu der Predigt dieses Textes in der Zeit der Aufklärung und des Rationalismus gegeben, und auch inhaltliche Merkmale weisen auf die „Parabelpredigt als vernünftige Argumentation und praktische Ermahnung" zu89

rück. Das gilt einmal von der Feststellung, allein das Christentum sei die Religion vollkommener Nächstenliebe 8 und zum anderen von der Art und Weise, wie Beyschlag (in Teil I der Predigt) die Parabel versteht, nämlich als Illustration des allgemeineren Begriffes der Nächstenliebe. Gleichwohl sind in der Predigt auch markante Differenzen etwa zu der oben untersuchten Parabelpredigt Spaldings zu beobachten: So lehnt Beyschlag eine ausschließliche Beschreibung des Christentums als Religion der Nächstenliebe als die „unpraktische Vorschrift eines unerreichbaren in blauer Luft verbleibenden Ideals" (S. 49) ab und hält auch die in der rationalistischen Predigt allenthalben geübte Begründung der Sittenlehre durch schöpfungstheologische Aussagen für zwar notwendig (Teil II der Predigt), aber letztlich unzureichend. In diesem Bemühen um Abgrenzung trifft sich die vorliegende Predigt mit anderen Predigten zu demselben Text, wie sie vor allem von lutherischkonfessionell geprägten Predigern gehalten wurden, und diese Konvergenz ist auch im Aufbau wie in einzelnen inhaltlichen Momenten positiv nachzuweisen: Die Predigt bezieht nicht nur die Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter, sondern auch das Streitgespräch Jesu mit dem Schriftgelehrten und die Seligpreisung der Jünger mit ein, wobei - wie in der „Parabelpredigt als Darlegung von Lehre und Bekenntnis" - jedem Teil der Predigt jeweils einer der genannten Abschnitte des Textes zu Grunde gelegt wird. Inhaltlich besteht die Affinität zu den konfessionell-lutherischen Predigten zu demselben Text in dem Verständnis der Parabel vom barmherzigen Samariter als Gesetz im anklagenden Gebrauch: „Für's Evangelium waren dem Manne (sc. dem Schriftgelehrten) die Augen noch nicht aufgegangen; an ihm mußte das Gesetz erst noch sein Werk tun, das Werk des Zuchtmeisters zu Christo. ,Tue das, so wirst du leben', heißt es zu ihm, nicht als ob er aus sich so zu tun vermöchte, sondern damit er lerne, daß er es nicht vermöge..." (S. 53 f.). Mit diesem hermeneutischen Zugang zu der Gleichniserzählung verbunden ist für diese wie für die konfessionalistische Predigt die konstitutive Funktion der Seligpreisung w . 23 f., die dann das Evangelium von Jesus Christus repräsentiert. Freilich liegt gerade in der Rolle, die dieser (weitere) Kontext der Parabel in der vorliegenden Predigt Beyschlags spielt, zugleich auch eine Differenz zu der Parabelpredigt des wieder erwachenden Konfessionalismus. Bildete nämlich etwa bei Löhe die Verkündigung des Evangeliums als des einzigen Weges zur Seligkeit das Ziel der Predigt, so ist sie hier eingebunden in einen größeren gedanklichen Zusammenhang und fungiert im Rahmen der religiösen Begründung der Sittenlehre. Die beschriebenen Divergenzen und Konvergenzen zu anderen Weisen 8

90

Vgl. J . J . Spalding, 166.

der Predigt über Lk 1 0 , 2 3 - 3 7 zeigen an, daß hier der Versuch einer Vermittlung unternommen wird, der die unterschiedlichen hermeneutischen und theologischen Ansätze integriert und die jeweiligen Engführungen vermeidet. In diesem Anliegen berührt sich die Predigt Beyschlags mit jenen Predigten zu der Parabel vom barmherzigen Samariter, die oben als „Aufruf zu persönlicher Frömmigkeit" beschrieben wurden, also etwa der ausführlich dargestellten Predigt K. Geroks. Ebenso wie bei Gerok ist bei Beyschlag eine allegorische Auslegung der Parabel angedeutet, wenn Christus als der „rechte barmherzige Samariter" (S. 53) bezeichnet wird, und auch die theologische Verbindung von Rechtfertigung und Heiligung, von Glaube und Werk, ist hier ähnlich wie dort vollzogen. Der Unterschied zu der Parabelpredigt Geroks und anderer liegt mithin nicht in den theologischen und hermeneutischen Entscheidungen, sondern in der homiletischen Zielsetzung. Während es Gerok im Anschluß an die Gleichniserzählung primär um eine Verhaltensänderung seiner Hörer geht, wobei der theologischen Begründung homiletisch ein untergeordneter Stellenwert zukommt, stellt Beyschlag gerade diesen Begründungszusammenhang in das Zentrum der Predigt und deutet die paränetischen Implikationen nur an. Ihm geht es im Blick auf seine Hörer um die Beschreibung christlicher Einstellung im Spannungsfeld von Glauben und Handeln. - Die homiletische Intention und das mit ihr verbundene Auslegungsverfahren haben Konsequenzen für die Gestalt und für die Sprache der Predigt: Ähnlich wie Bitzius beginnt auch Beyschlag seine Predigt mit einer verobjektivierenden Deskription des Predigttextes: „Die verlesenen Aussprüche Christi, Geliebte im Herrn, hat nicht nur der Evangelist so hintereinander mitgeteilt, sondern auch die kirchliche Sitte faßt sie als ein Sonntagsevangelium zusammen. Aber eine wunderliche Zusammenstellung, möchte man sagen : so verschiedenartig, ja so widerspruchsvoll erscheint, was hier aus dem Munde des Herrn zusammengefaßt ist" (44 f.). Der Parabelpredigt kommt die Aufgabe zu, unter Auflösung dieses scheinbaren Widerspruches die einem Christen adäquate Einstellung zu beschreiben, und damit ist über ihren argumentativen, vor allem an den Intellekt der Hörer sich richtenden Stil entschieden. Die vorliegende Predigt präsentiert sich als mitunter außerordentlich komplizierte theologische Reflexion; der Raum der die Hörer auch in ihrem Gefühl ansprechenden, dramatischen und ohne theologische Begrifflichkeit arbeitenden Gleichniserzählung ist damit verlassen.

91

3. Merkmale der Parabelpredigt als Beschreibung christlicher im Spannungsfeld von Glauben und Handeln a) Homiletische

Einstellung

Eigenart

Die beiden besprochenen Paradigmen weisen deutlich eine gemeinsame homiletische Zielsetzung auf und treffen sich darin mit einer Reihe anderer Parabelpredigten. Diese Zielsetzung besteht in dem Bemühen, Glauben und Handeln aufeinander zu beziehen; realisiert wird sie durch die Beschreibung einer für christlich gehaltenen Einstellung („Gesinnung", „Herzensverfassung"). In diesem Rahmen begegnen immer wieder zwei Termini, die als Vermittlungsbegriffe auch die zeitgenössische theologische Debatte in besonderer Weise prägten: Es ist dies zum einen der Begriff der „Religion", der sich etwa durch die oben bearbeitete Predigt Beyschlags wie ein roter Faden hindurchzieht und dessen Vielschichtigkeit H.-J. Birkner eingehend beschrieben hat9. Zum anderen ist mehrfach die Rede vom „Reich Gottes"10, ein Begriff, der vor allem für die Theologie R. Rothes von zentraler Bedeutung war: Das Reich Gottes ist in Rothes Denken das Ziel der Weltgeschichte wie der Geschichte des Christentums und als vollkommene religiöse und sittliche Gemeinschaft verstanden. Auf dem Weg zu diesem Ziel stellt die christliche Kirche nur eine Ubergangsphase dar. Ob in den untersuchten Predigten der Reich-Gottes-Begriff immer in diesem von Rothe beschriebenen umfassenden Sinn verstanden wurde, sei dahingestellt. Deutlich ist aber, daß man in ihm eine Möglichkeit sah, Glauben und Handeln terminologisch zu verbinden. So heißt es in einer Predigt von C. Schwarz zu Mt 20,1 — 16: „Das Reich Gottes ist die auf dem Glauben ruhende und vom Glauben erfüllte sittliche Ordnung der Welt. " n Ferner wird immer wieder darauf hingewiesen, daß die Kategorie „Reich Gottes" jene der ecclesia visibilis übergreift: „Das Reich Gottes ist weiter und mächtiger! Sein Umkreis ist die ganze Welt. " 12 „Reich Gottes - verstehen wir darunter nicht etwa von vornherein die äußere sichtbare Kirche in ihrer gegenwärtigen Gestaltung (...) Das Reich Gottes ist 9 H . - J . Birkner, Beobachtungen und Erwägungen zum Religionsbegriff in der neueren protestantischen Theologie. In: D. Rössler u.a. (Hrsg.), Fides et communicatio. FS M. Doerne zum 70. Geburtstag, Göttingen 1970, 9 - 2 0 . 10 Das gilt natürlich besonders von den Predigten zu M t 20,1 —16, da hier der Predigttext in v. 1 den Begriff vorgibt. Vgl. aber die Predigt von D. Schenkel zu L k 1 0 , 2 5 - 3 6 : Die Grundbedingung unserer Teilnahme am Himmelreiche. In : Predigten. Neue Folge, Bd. 1 : Das Heilswort der Liebe. Zwölf Predigten gehalten in der Münsterkirche zu Schaffhausen, Schaffhausen 1850, 18-38. 11 C . S c h w a r z , Die Arbeiter im Weinberge (Mt 20,1 — 16). In: Predigten aus der Gegenwart. Zweite Sammlung, Leipzig 2. Aufl. 1865, (321 - 3 3 3 ) , 323. 12

92

Ebd.

in der Schrift eine Gnadengabe, die aus Gott, aus der Ewigkeit stammt, die uns geschenkt wird, durch die wir unser gesamtes Leben verklären lassen sollen."13 - Auf dem Hintergrund der beschriebenen gemeinsamen homiletischen Intention lassen sich unterschiedliche Akzentsetzungen bei den Predigten zu der Parabel von den Arbeitern im Weinberg einerseits und jenen zu der Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter andererseits beobachten. In den untersuchten Predigten zu der Parabel von den Arbeitern im Weinberg ist zum Teil allgemein von menschlichem Handeln die Rede: „Der Herr sieht's klar, was schon unser bloß menschlicher Verstand auch erkennen kann, daß es nur eine Tätigkeit hier auf Erden gibt, die wirklich Tätigkeit ist, weil sie wirklich ein Ergebnis hervorbringt, die Tätigkeit für das Reich Gottes und in seinem Dienste. Alle übrige Anstrengung menschlicher Kräfte, wenn sie nicht eine bestimmte Beziehung auf das Reich Gottes hat und in demselben wie ihre Quelle so auch ihr Ziel findet, ist nur ein geschäftiger Müßiggang, ein trauriges, wesenloses Blendwerk.. ," 14 , heißt es bei Rothe. Ahnlich qualifiziert auch Rietschel „alle Mühe, die in der vergänglichen Welt und für dieselbe allein gewirkt wird", als frucht- und ziellos, weil in dieser Arbeit kein „ewiges Ziel" und kein „ewiger Gewinn" erkennbar wird15, und bei M. Frommel heißt es: „Jesus nennt das Leben derer, welche nur für diese Welt leben, Müßiggang!"16 Daneben finden sich Predigten, die bestimmte Bereiche menschlicher Lebenswirklichkeit herausgreifen und das Handeln in ihnen besonders bedenken. So stehen bei Bitzius, Schwarz und Müllensiefen17 die bürgerlichen Tugenden Ordnung, Mäßigkeit, Treue und Nüchternheit im Vordergrund, während die Predigten von Palmer18 und Schlatter19 primär den „Christenwandel mit allem Tun und Entbehren" 20 thematisieren. 13 G. Rietschel, Predigt zu Mt 20,1 — 16. In: die frohe Botschaft. Predigten gläubiger Zeugen der Gegenwart über die altkirchlichen Evangelien (Hrsg. E . Quandt), Leipzig 1893 (144—155), 148. 14 R. Rothe, Die Arbeiter im Weinberge des Herrn (Mt 20,1 - 1 6 ) . In: Nachgelassene Predigten (Hrsg. D.Schenkel). l . B a n d : Predigten aus den Jahren 1 8 2 4 - 1 8 2 8 , in der evangelischen Gemeinde zu R o m gehalten, Elberfeld 1868 ( 1 5 - 2 3 ) , 19. 15

Vgl. G. Rietschel, 147.

M. Frommel, Predigt zu Mt 20,1 — 16. In: Herzpostille. Evangelien-Predigten für das ganze Kirchenjahr, E m i s h o f e n / K o n s t a n z / N e w York 7. Aufl. o . J . ( 1 3 4 - 1 4 1 ) , 136. 16

17 Vgl. J. Müllensiefen, Die Arbeiter im Weinberge (Mt 20,1 - 1 6 ) . In: Zeugnisse von Christo. Ein Jahrgang Predigten auf alle Sonn- und Festtage des Kirchenjahres, Halle 14. Aufl. 1884, 191-201. 18 Vgl. Chr. Palmer, Predigt zu Mt 19,27—20,16. In: Predigten aus neuerer Zeit, Tübingen 1874,73-83. 19 Vgl. A. Schlatter, Das reine Opfer (Mt 1 9 , 2 7 - 2 0 , 1 6 ) . In: D e r Ruf Jesu. Predigten, Calw und Stuttgart 1 9 1 3 , 2 1 5 - 2 2 0 . 20

Chr. Palmer, Predigt zu Mt 1 9 , 2 7 - 2 0 , 1 6 , 80.

93

Bei Dörries 21 , Pank 22 und Praetorius 23 schließlich ist es vor allem der Lebensbereich der Berufsarbeit, auf den in der Predigt reflektiert wird. Diese Vielfalt bei der Beschreibung von Handlungsfeldern dürfte in der Mehrdeutigkeit des durch den Predigttext vorgegebenen Begriffes der „Arbeit" ihre Ursache haben. - Das Handeln in allen diesen Lebenszusammenhängen - darin sind sich die Prediger einig - muß von einer bestimmten inneren Einstellung begleitet sein: Die rechte Arbeit im Dienste des Reiches Gottes, so Schwarz, ist „nie eine Arbeit nur nach außen, sondern zugleich eine an dem innern Menschen" 24 , und so entscheidet auch für alle anderen Prediger die „Gesinnung" oder die „Herzensverfassung" über Wert oder Unwert menschlichen Tuns bzw. darüber, ob solches Tun als Last oder als Freude erlebt werden kann: „Auf diese Gesinnung kommt alles an, sie entscheidet allein."25 Die rechte Gesinnung aber zeichnet sich dadurch aus, daß sie auf Gott bzw. auf das Reich Gottes ausgerichtet ist und manifestiert sich konkret in Vertrauen26, Demut 27 , Dankbarkeit 28 und Treue gegen Gott 29 . - Die beschriebene Schwerpunktsetzung bedeutet aber nun nicht, daß die untersuchten Parabelpredigten ausschließlich mit dieser Thematik befaßt wären. Immer wieder werden auch Gedanken aufgenommen, die in anderen Predigten zu demselben Text eine zentrale Bedeutung haben, so etwa das Problem der göttlichen Gerechtigkeit 30 , das Verhältnis von Lohn und Gnade 31 oder auch die Berufung durch Gott in den unterschiedlichen Phasen des menschlichen Lebenszyklus 32 , aber diese Themen prägen die Predigten nicht entscheidend. Das Interesse an einer Vermittlung von Glauben und Handeln kennzeichnet auch die Predigten zu der Parabel vom barmherzigen Samariter, doch fallen zwei markante Unterschiede unmittelbar auf: Zum einen findet gegenüber den Predigten zu der Parabel von den Arbeitern im Weinberg eine 21 Vgl. B. Dörries, Unsere Berufsarbeit ein Gottesdienst (Mt 19,27—20,16). In: Das Evangelium der Armen. Ein Jahrgang Predigten, Göttingen 1896,110-119. 22 Vgl. O. Pank, Arbeiterfragen (Mt 19,27—20,16). In: Das Evangelium Matthäi in Predigten und Homilien ausgelegt. Zweite Hälfte, Halle 4 u. 5. Aufl. 1907,132-141. 23 Vgl. W. Praetorius, Die Arbeitsfrage (Mt 20,1 —16). In: Von der heiligen Unruhe. Predigten, Barmen 1928,101-108. 24 C. Schwarz, Arbeiter, 324. 25 G. Rietschel, 155. 26 Vgl. R. Rothe, Arbeiter, 22. 27 Vgl. J. Müllensiefen, 201 ; A. Bitzius, 264. 28 Vgl. G. Rietschel, 155; Chr. Palmer, Predigt zu Mt 19,27-20,16, 82; M. Frommel, Predigt zu Mt 20,1-16,140f.; A. Schlatter, 220; O. Pank, Arbeiterfragen, 141. 29 Vgl. B. Dörries, 118. 30 Vgl. die Predigten von A. Bitzius, C. Schwarz, G. Rietschel und O. Pank. 31 Vgl. die Predigten von G. Rietschel, C. Schwarz, R. Rothe und B. Dörries. 32 Vgl. die Predigten von R. Rothe, C. Schwarz, J. Müllensiefen, M. Frommel, G. Rietschel und O. Pank.

94

Reduktion im Blick auf die Beschreibung der Lebenswirklichkeit statt. Wurden dort mehrere verschiedene Bereiche christlichen Handelns genannt, so konzentriert sich hier alle Aufmerksamkeit allein auf das Problem des Verhältnisses von Glauben und mitmenschlichem Handeln. Eine zweite Differenz besteht in der Art und Weise, wie Glaube und Handeln aufeinander bezogen werden. Versuchten die Predigten zu der Parabel von den Arbeitern im Weinberg eine Synthese beider Größen, wobei das Bindeglied in der „Gesinnung" oder „Herzensverfassung" des Christen gesehen wurde, so wird in den Predigten zu der Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter meist der eine Pol im Gegenüber zu dem anderen besonders akzentuiert. Rothe33, Beyschlag, Palmer34 und Smend35 etwa kommt es darauf an, gegenüber bloßer Moralpredigt die Begründung des Handelns im Glauben zur Geltung zu bringen, während Schenkel36, Schwarz37 und Rittelmeyer38 primär darauf dringen, daß Glaube sich im Handeln zu bewähren hat. Weniger deutlich werden die Schwerpunkte von Stöcker39 und Bezzel40 gesetzt. Die unterschiedlichen Akzentsetzungen kommen in mitunter polemischen Randbemerkungen der Prediger zum Ausdruck: So heißt es zugespitzt bei Schwarz: „Auf das menschliche Gefühl der Barmherzigkeit k o m m t es an, nicht auf alle die übernatürlichen Offenbarungen und Lehren, nicht auf den regelmäßigen Kirchenbesuch, nicht auf die Angehörigkeit an diese oder jene kirchliche Gemeinschaft." 4 1 U n d umgekehrt polemisiert Rothe in seiner Predigt im Anschluß an das Zitat der Seligpreisung v. 2 3 : „Ist es nicht eine Stimme der Herrlichkeit v o m Himmel, die den Gehorsam des Glaubens predigt? Tönt sie nicht ganz anders als das marklose G e schwätz der bloßen Tugendprediger, bei denen der Text Tugend, die Erklärung Tugend, der Beweis Tugend, die Anwendung wieder Tugend ist? Die das scharfe, zweischneidige Schwert des Wortes Gottes in einen zierlichen Staatsdegen u m schmieden, mit dem sie nur zum Spiele der Eitelkeit fechten, der das H e r z der 3 3 R.Rothe, Der Streit zwischen Glauben und Tugend auf der Welt (Lk 10,23-37). In: Nachgelassene Predigten (Hrsg. D. Schenkel). 1. Band: Predigten aus den Jahren 1824—1828, in der evangelischen Gemeinde zu Rom gehalten, Elberfeld 1868, 7 0 - 8 6 . 3 4 Chr. Palmer, Predigt zu Lk 1 0 , 2 3 - 3 7 . In: Predigten aus neuerer Zeit, Tübingen 1874, 367-377. 3 5 J. Smend, Predigt zu Lk 10,23—37. In: Evangelische Predigten samt den zugehörigen Gottesdienstordnungen, Straßburg 1910,156—164. 3 6 Vgl. Anm. 10. 3 7 C. Schwarz, Der barmherzige Samariter (Lk 10,25-37). In Predigten aus der Gegenwart. Zweite Sammlung, Leipzig 2. Aufl. 1865,334—346. 3 8 F. Rittelmeyer, Der barmherzige Samariter (Lk 10,25—37). In: Chr. Geyer/F. Rittelmeyer, Leben aus Gott. Neuer Jahrgang Predigten, Ulm 4 . - 6 . Aufl. 1 9 1 2 , 4 5 3 - 4 6 2 . 3 9 A. Stöcker, Predigt zu Lk 10,23—37. In: Den Armen wird das Evangelium gepredigt. Ein Jahrgang Volkspredigten über die Evangelien des Kirchenjahres, Berlin 5. Aufl. 1900, 367—375. 4 0 H. Bezzel, Predigt zu Lk 10,25—37. In: Auf ewigem Grunde. Ein Jahrgang Predigten über die alten Evangelien, Konstanz 1914, 517—528. 4 1 C. Schwarz, Samariter, 340 f.

95

Zuhörer weder trifft noch verletzt, mit dem sie aber auch, wenn die Stunde des letzten entscheidenden Kampfes kommt, den Feind und Verkläger unserer Brüder nicht entwaffnen werden?"42 Die genannten Unterschiede zu den Predigten über die Parabel von den Arbeitern im Weinberg dürften sowohl in der Eigenart des jeweiligen Textes als auch in der Predigtgeschichte begründet sein. So wurde bereits darauf hingewiesen, daß das Motiv der Arbeit in Mt 2 0 , 1 - 1 5 in mehrfacher Weise (allegorisch) gedeutet und somit auf unterschiedliche Lebensbereiche bezogen werden kann, während die Parabel vom barmherzigen Samariter durch ihren Kontext eine Fixierung auf das mitmenschliche Handeln unmittelbar nahelegt. Ferner ist der in den Predigten zu der Gleichniserzählung von den Arbeitern im Weinberg verstärkt auftretende ausdrückliche Hinweis auf die „Gesinnung" von Christen wahrscheinlich darauf zurückzuführen, daß diese in Mt 20,15 b unmittelbar thematisch wird. Die besonderen Akzentsetzungen im Blick auf die Parabel vom barmherzigen Samariter sind in der Predigtgeschichte vorgebildet und werden in den vorliegenden Predigten zum Zwecke der Vermittlung von Glauben und Handeln jeweils zur Geltung gebracht. Da die Predigten zu den beiden Perikopen die Beschreibung christlicher Einstellung zum Ziel haben, dominiert in ihnen eine deskriptive Redeweise, die nur selten zugunsten von Ermahnungen oder Appellen an die Predigthörer verlassen wird. Da es sich näherhin um die Beschreibung christlicher Einstellung handelt, was im Anschluß an die Parabel vom barmherzigen Samariter freilich weniger explizit wird als im Blick auf Mt 20,1 — 16, ist die Sprache jener Predigten zudem wenig anschaulich. Die Prediger vermeiden es, zu konkret zu werden, sondern überlassen es ihren Hörern, wie sie die beschriebene christliche Einstellung in ihrer jeweiligen Lebenswirklichkeit wirksam werden lassen.

b) Die Auslegung der

Gleichniserzählungen

Die Parabelpredigten, deren Ziel es ist, die christliche Einstellung im Spannungsfeld von Glauben und Handeln zu beschreiben, weisen hinsichtlich der hermeneutischen Voraussetzungen einige Gemeinsamkeiten auf. So ist erstens durchgehend zu beobachten, daß die Prediger die Gleichniserzählung als eine geschlossene Konfiguration wahrnehmen und sich daher nicht nur auf einzelne Verse oder Aspekte der Parabel beschränken. Freilich beruht die Geschlossenheit der Gleichniserzählung, wie sie von den Predigern wahrge42

96

R. Rothe, Streit, 74 f.

nommen wird, nicht etwa auf deren narrativer Qualität, durch die jeder Einzelzug innerhalb des Erzählganzen eine unersetzbare Funktion erhält. Das einheitsstiftende Band liegt vielmehr, was die Gleichniserzählung von den Arbeitern im Weinberg betrifft, in einer bestimmten Gesinnung, während die Parabel vom barmherzigen Samariter insgesamt das humanitäre Ideal der Menschenliebe verkörpert. - Eine weitere Gemeinsamkeit besteht zweitens darin, daß die untersuchten Parabelpredigten in hermeneutischer Hinsicht sehr flexibel sind. Die Prediger bedienen sich noch weniger als das bereits bei den bisher beschriebenen Weisen der Parabelpredigt der Fall war, einer bestimmten Methode der Auslegung, sondern sie verbinden fast immer innerhalb ein und derselben Predigt verschiedene Deutungsweisen miteinander, um ihr Predigtziel zu erreichen. Dabei fällt das Bemühen auf, die aus der Predigtgeschichte bekannten und zum Teil sehr einseitigen Deutungsversuche aufeinander zu beziehen und dadurch Engführungen zu vermeiden. Schließlich und drittens setzen sich viele der hier untersuchten Paradigmen intensiver als bisherige Parabelpredigten mit den Akteuren in der Gleichniserzählung, mit ihrem Verhalten, besonders aber mit ihrer Gesinnung auseinander. Im folgenden ist genauer zu untersuchen, wie sich die beschriebenen Perspektiven der Auslegung im Vollzug der Deutung der Parabel von den Arbeitern im Weinberg einerseits und der Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter andererseits konkret darstellen. Da die vorliegenden Parabelpredigten weniger zu einer eindeutig beschriebenen Verhaltensänderung veranlassen als die einem Christen angemessene Einstellung beschreiben wollen, verwundert es nicht, daß die Deutung der Gleichniserzählung von den Arbeitern im Weinberg die Einstellung bzw. die „Gesinnung" der in der Parabel handelnden Personen besonders hervorhebt. In diesem Zusammenhang kann etwa der Hausvater als eine Persönlichkeit beschrieben werden, die sich nicht durch „schwächliche Gutmütigkeit und unmännliche Weichherzigkeit", sondern durch „ruhige charaktervolle Besonnenheit" auszeichnet43. Meist jedoch liegt der Schwerpunkt der Auslegung auf der Charakteristik der Arbeiter. Die „Gesinnung" der früh am Morgen Eingestellten wird dabei in der Regel so ermittelt, daß die Prediger von einzelnen in der Parabel erzählten Details auf die innere Verfassung der Akteure zurückschließen. Die Ganztagsarbeiter bringen sich demnach nicht erst durch ihren Protest gegen die vermeintlich ungerechte Bezahlung in Mißkredit, sondern ihre hochmütige, lohnsüchtige Gesinnung dokumentiert sich bereits in ihrem „Feilschen um Lohn" (v. 2)44, ihre Unzufriedenheit in 43

B . D ö r r i e s , 110 f.

44

A.Bitzius, 262. Vgl. J.Müllensiefen, 195; R . R o t h e , Arbeiter, 2 2 ; G.Rietschel,

151;

C. Schwarz, Arbeiter, 3 2 5 ; O . Pank, Arbeiterfragen, 140.

97

der Tatsache, daß sie ihre Arbeit als „Last" empfinden (v. 12)45. Da die Parabel von den in der elften Stunde eingestellten Arbeitern nichts vergleichbares erzählt, wird e silentio auf deren Dankbarkeit, Zufriedenheit und Demut geschlossen: „Die ganze Anlage unseres Gleichnisses scheint darauf hinzuweisen, daß diese Letzten dem Herrn besonders wert geworden waren, weil sie als die Ersten den Lohn empfangen, und wenn sie zu den Erstberufenen, deren Neid und Mißgunst den tiefen Unwillen des Herrn hervorruft, in einem entschiedenen Gegensatze stehen, so muß ja wohl auch ihre Herzensverfassung eine entgegengesetzte gewesen sein.. ," 46 Weil es den Predigern auf diese Gesinnung der Letzten besonders ankommt, werden zu ihrer näheren Beschreibung vielfach biblische Belege von außerhalb der Parabel herangezogen. In diesem Zusammenhang spielt der Hinweis auf Lk 17,10 eine besondere Rolle: „Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren." 47 Die Gesinnung der in der Parabel agierenden Personen wird nun aber in der Predigt nicht einfach neutral dargestellt, sondern jeweils gewertet, wobei Pank programmatisch das Ziel solcher Wertung angibt: „Gott behüte uns vor der Schlange im Weinberge, der Lohnsucht und Scheelsucht! Er helfe uns, daß wir vielmehr solche Arbeiter werden wie jene andern, die letzten."48 Ähnlich formuliert Rietschel: „Und siehe, die sich selbst also als die Letzten wissen, sie werden die Ersten sein. Auf diese Gesinnung kommt alles an, sie entscheidet allein."49 - Es ist unmittelbar deutlich, daß diese Auslegung der Parabel von den Arbeitern im Weinberg ihren Ursprung in der Absicht der Prediger hat, Glaube und Handeln auf der Ebene der Einstellung des Individuums aufeinander zu beziehen. Ebenso ist offensichtlich, daß die Parabel überinterpretiert wird, wenn die Ausleger hinter einzelnen Aussagen wie etwa der Lohnabsprache v. 2, die innerhalb der Erzählung eine narrative Notwendigkeit darstellt, einen tieferen Sinn zu erkennen meinen. Auf der anderen Seite muß aber gesehen werden, daß es mit Hilfe des beschriebenen hermeneutischen Verfahrens gelingt, verschiedene Aporien der Auslegung innerhalb der bisher beschriebenen Weisen der Parabelpredigt aufzulösen. Dies wurde im Rahmen der Analyse der Predigt von Bitzius bereits erkennbar. So wird es mit 4 5 Vgl. J.Müllensiefen, 195f.; A.Bitzius, 262; A.Schlatter, 217f.; R.Rothe, Arbeiter, 22; G. Rietschel, 153; O. Pank, Arbeiterfragen, 140. 4 4 J. Müllensiefen, 199. Vgl. Chr. Palmer, Predigt zu Mt 1 9 , 2 7 - 2 0 , 1 6 , 81 f.; R. Rothe, Arbeiter, 22; G.Rietschel, 151; C.Schwarz, Arbeiter, 322f.; O.Pank, Arbeiterfragen, 141; M. Frommel, Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 6 , 1 4 0 . 4 7 Vgl. O. Pank, Arbeiterfragen, 139; Chr. Palmer, Predigt zu Mt 1 9 , 2 7 - 2 0 , 1 6 , 80; G. Rietschel, 155. 4 8 O. Pank, Arbeiterfragen, 141. 4 9 G. Rietschel, 155.

98

Hilfe der Kategorie der „Gesinnung" zum einen möglich, die Parabel als eine Ganzheit wahrzunehmen und die einseitige Konzentration auf den zweiten50 bzw. ersten51 Teil der Gleichniserzählung zu vermeiden. Zweitens gelingt es auf diese Weise, sowohl die für die Aufklärungspredigt zentrale Frage nach der Gerechtigkeit Gottes als auch das in der konfessionalistischen Parabelpredigt permanent wiederkehrende Problem der Deutung des Groschens aufzunehmen und einer Lösung zuzuführen. So wird die Ungerechtigkeit Gottes, die sich in dem Verhalten des Weinbergbesitzers widerspiegelt, als eine nur scheinbare Ungerechtigkeit begriffen; die Schwierigkeit, so einige Prediger, löse sich, wenn man das beschriebene Handeln Gottes mit der rechten Gesinnung beurteile52. Für Schwarz zeigt sich in der gleichen Entlohnung sogar gerade Gottes Gerechtigkeit, „welche nicht nach äußeren Maßen urteilt, sondern bis in das Innerste des Menschenherzens hinabschaut; die Gerechtigkeit, welche den Wert der Arbeit nicht nach der Zeit der Arbeit mißt, auch nicht nach der Mühe der Arbeit, nach der Sonnenhitze, die ertragen wurde. Welche den Wert der Arbeit mißt nach ihrer eigenen Art, nach der ihr innewohnenden Gesinnung, nach der Kraft der Liebe, nach der Fülle des Vertrauens, nach der Uneigennützigkeit und Reinheit des Strebens, das nicht marktet und dingt zuvor, nach der Freudigkeit und Begeisterung, mit der das Gute ergriffen und das neue Leben begonnen wird." 53 - Die allegorische Deutung des Groschens, der in der Erzählung allen Arbeitern am Abend ausgezahlt wird, stand in der „Parabelpredigt als Darlegung von Lehre und Bekenntnis" fast immer vor der Alternative, ob der Groschen als zeitlicher oder als ewiger Lohn auszulegen sei. Diese Alternative wird in den meisten hier zur Debatte stehenden Predigten mit dem Hinweis überwunden, der Lohn werde in den Händen der Empfänger je nach ihrer Gesinnung ein anderer54. Der in seiner Eigenart wie in seinen Auswirkungen beschriebene hermeneutische Ansatz begegnet in allen untersuchten Predigten, was aber keineswegs die gleichzeitige Präsenz auch anderer Auslegungsmethoden ausschließt. Wie eine solche Kombination vollzogen werden kann, das zeigt sehr deutlich die Predigt Müllensiefens zu M t 20,1 —16: Ihr Aufbau orientiert sich an den jeweils zu unterschiedlichen Tageszeiten berufenen Arbeitern, wobei jedoch die Fragestellung hinsichtlich der verschiedenen Gruppen variiert: „Indem wir die Ersten für sich S.o. 22ff. S.o. 61 ff. 52 Vgl. A. Bitzius, 260f.; G. Rietschel, 154; O. Pank, Arbeiterfragen, 139. 5 3 C.Schwarz, Arbeiter,331. 5 4 Vgl. C. Schwarz, Arbeiter, 330; Chr. Palmer, Predigt zu Mt 19,27-20,16, 81 f.; R. Rothe, Arbeiter, 21 ; A. Bitzius, 262. 50 51

99

betrachten und uns bemühen, der ihnen selbst unbewußten Unlauterkeit ihrer Gesinnungen auf den Grund zu kommen, wird in Bezug auf die anderen unsere Aufgabe darin bestehen, je nach den verschiedenen Stunden, in denen sie berufen werden, auch ihre verschiedene Erkenntnisstufe und Herzensstellung ins Auge zu fassen, auf welche ja die an sie ergehende Berufung Rücksicht nehmen mußte." 5 5 Hier wird die auf die Gesinnung fixierte Deutung mit der allegorischen Auslegung der Berufungsstunden auf den menschlichen Lebenszyklus vereinigt.

Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß die in den untersuchten Predigten vorgefundene Orientierung an der Gesinnung der in der Parabel handelnden Akteure keineswegs ein absolutes N o v u m in der Geschichte der Parabelpredigt darstellt 56 . Gegenüber anderen Weisen der Predigt von Gleichniserzählungen bekommt dieses Moment jedoch jetzt besonderes Gewicht. Auch die Predigten zu der Parabel vom barmherzigen Samariter zielen darauf, ihren Hörern eine als christlich verstandene Einstellung vor Augen zu führen. Das Auslegungsverfahren, dessen die Prediger sich bedienen, ist hier jedoch sehr viel komplexer als in den Predigten zu der Gleichniserzählung von den Arbeitern im Weinberg, ein Sachverhalt, der vermutlich mit der besonders wechselvollen und von unversöhnlichen Gegensätzen gekennzeichneten Predigtgeschichte gerade dieser Perikope zusammenhängt. Vereinfachend lassen sich zwei Gruppen von Predigten unterscheiden, die je einen anderen hermeneutischen Zugang zu der Gleichniserzählung repräsentieren. Auf der einen Seite stehen jene Predigten, die den Hörern vor allem die handlungsbezogenen Aspekte christlicher Einstellung bewußt machen wollen. Sie konzentrieren sich ausschließlich auf die Parabel, ohne den Kontext die Seligpreisung und das Streitgespräch - zu berücksichtigen und fragen, ähnlich wie die Predigten zu Mt 19,27—20,16 bzw. 20,1 — 16 nach der Gesinnung der in der Erzählung agierenden Personen. Es liegt auf der Hand, daß den dramatischen Nebenfiguren des Priesters und des Leviten auf Grund ihrer unterlassenen Hilfeleistung eine negative Gesinnung unterstellt wird. Sie gelten als Paradigma „hartherzige(r) Heiligkeit und Kirchlichkeit" 57 , als Repräsentanten des Sprichwortes „Jeder ist sich selbst der Nächste!" 5 8 Ausführlich wird ihre Gesinnung bei Schenkel im Rahmen einer allegorischen Auslegung der Parabel beschrieben: „Unter der Person des Priesters und Leviten zeichnet er (sc. der Herr) die Schriftgelehrten, Priester und Vorgesetzten des jüdischen Volkes, die in dem Dünkel ihrer vermeintlichen Rechtgläubigkeit und in den angeblichen Tugendmantel ihrer Eigengerechtigkeit eingehüllt auf 55 56 57 58

100

J. Müllensiefen, 193. S . o . 58. C. Schwarz, Samariter, 340. F. Rittelmeyer, 457f.

das in Sünde und Laster, in leibliches und geistliches Elend versunkene Volk stolz und verächtlich herabblickten, zu selbstsüchtig und herrschsüchtig, um ihm aus seinem Elende aufzuhelfen.. ."59 Demgegenüber ist der Samariter als Repräsentant der barmherzigen Liebe verstanden; die verschiedenen Aspekte solcher Liebe werden in aller Breite entfaltet und als vorbildlich dargestellt. Es fällt auf, daß die Predigten, die die Parabel vom barmherzigen Samariter in dieser Weise auslegen, zumeist daneben auch eine allegorische Deutung der Gleichniserzählung bieten. Diese ist etwa bei Schenkel und Schwarz breit ausgeführt, bei Rittelmeyer nur angedeutet. Allegorische und wörtliche Auslegung werden jedoch in den genannten Predigten - anders als in der „Parabelpredigt als Aufruf zu persönlicher Frömmigkeit" - nicht innerhalb eines theologischen Begründungszusammenhanges aufeinander bezogen, sondern stehen unverbunden nebeneinander. Die zweite Gruppe von Predigten, die im Blick auf die christliche Gesinnung vor allem an der Verankerung des Handelns im Glauben interessiert ist60, weist in ihrer Auslegung der Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter Gemeinsamkeiten, aber auch markante Unterschiede zu der „Parabelpredigt als Darlegung von Lehre und Bekenntnis" auf: Gemeinsam ist zunächst, daß der Kontext der Gleichniserzählung, und hier ganz besonders die Seligpreisung vv. 23 f., für die Parabelpredigt wichtig wird. Der Kontext repräsentiert gleichsam den Glauben, während die Parabel als Beispiel für das Handeln verstanden wird; für die Parabelpredigt kommt es dann darauf an, beide Größen miteinander zu verbinden. Anders als in der konfessionalistischen Parabelpredigt stellt dabei die Hinwendung zu Christus jedoch nicht das Ziel des durch das Gesetz verklagten Menschen dar, sondern sie markiert die Einstellung, die allem sittlichen Tun zu Grunde liegen soll: „Nur liegt es doch am Tage, daß... erst dies Aufschauen auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens zum Handeln willig und tüchtig und praktisch macht."61 Man kann folglich zusammenfassend festhalten, daß bei der ersten Gruppe von Predigten zu Lk 10,23—37 bzw. 25—37 die erwünschte Einstellung primär in der Parabel, bei der zweiten Gruppe hingegen vor allem in deren Kontext gesehen wird. Daneben gibt es Predigten, in denen beide Teile des Predigttextes gleichermaßen zu ihrem Recht kommen62.

59 60 61 62

D.Schenkel, 24f. Es sind dies die Predigten von R. Rothe, J. Smend, W. Beyschlag und Chr. Palmer. J. Smend, 162. Das gilt für die Predigten von A. Stöcker und H . Bezzel.

101

4. Kritische Würdigung Stärker noch als in der „Parabelpredigt als Aufruf zu persönlicher Frömmigkeit" ist in der „Parabelpredigt als Beschreibung christlicher Einstellung im Spannungsfeld von Glauben und Handeln" das Bemühen erkennbar, die Engführungen und Einseitigkeiten rationalistischer und konfessionalistischer Parabelpredigt zu überwinden und gleichzeitig die Wahrheitsmomente beider Predigtweisen zu verstärken. Den Predigern geht es darum, Theologie und Anthropologie, Glauben und menschliches Handeln, aufeinander zu beziehen, besser: eine Vermittlung beider Größen vorzubereiten. Vollzogen wird die angestrebte Synthese erst im „Herzen" oder in der „Gesinnung" des einzelnen Hörers, so daß alles auf die Beschreibung der „rechten" oder „wahren" Gesinnung ankommt. Damit kritisieren die Prediger zugleich ein Verhalten, das nicht wahrhaftig ist. Die Einstellung, die das Verhalten begründen soll, ist aber - und das stellt ein Problem dar - abhängig von gültigen Wertvorstellungen. - Es ist deutlich, daß sich mit dieser Predigt die bereits andernorts beobachtete Tendenz zur Individualisierung und möglichen Entpolitisierung verstärkt, was ganz besonders in den Predigten augenfällig wird, die etwa die moderne Arbeitswelt63 oder aber den Gegensatz von reich und arm64 ausdrücklich thematisieren. Mit dem Willen, in der Parabelpredigt theologische und anthropologische Aspekte aufeinander zu beziehen, nehmen die Prediger bewußt oder unbewußt das Anliegen der Gleichniserzählungen Jesu in besonderer Weise ernst, denn auch sie wollen Theologie und Anthropologie integrieren: Die Parabeln stellen sich als dramatische Erzählungen dar, die ihre Adressaten zur Identifikation mit dem Protagonisten einladen. Die Hörer sind es dann, die das Erzählte auf ihre Alltagserfahrungen zu beziehen haben und die in diesem (metaphorischen) Prozeß möglicherweise zu theologisch qualifizierten Einsichten gelangen65. Den Adressaten der Gleichniserzählung wird mithin zugetraut, daß sie das Erzählte selbständig im Blick auf ihre eigene Lebenswirklichkeit rezipieren können. Dieser letzte Aspekt - die Freiheit der Hörer - spielt auch in den untersuchten Parabelpredigten eine wichtige Rolle, wenn weitgehend auf die Ausführung konkreter Verhaltensmaßregeln verzichtet wird. - Trotz dieser Konvergenzen ist zu urteilen, daß die Prediger zwar ein ähnliches Ziel verfolgen wie die Gleichniserzählungen Jesu, daß sie aber einen gegenüber den Parabeln eigenen Weg gehen. Die Parabeln Jesu vermitteln Theologie und Anthropologie im Medium einer dramatisch konzipier63 64 65

102

Vgl. B. Dörries, passim. Vgl.D.Schenkel,36f. Zu diesem Verständnis der Parabeln vgl. W. Harnisch, Gleichniserzählungen.

ten metaphorischen Erzählung, während in den vorliegenden Predigten die „Gesinnung" als Vermittlungsinstanz fungiert. Die Prediger achten daher weniger auf die erzählte Handlung als auf die Einstellung der Handlungsträger, die aber in den Gleichniserzählungen charakteristischerweise fast nie explizit beschrieben wird. Dieses Verfahren der Prediger hat eine doppelte Konsequenz: Dadurch, daß die „Gesinnung" einzelner Akteure beschrieben und positiv oder negativ qualifiziert wird, erscheint der Anstoß, den das jeweils erzählte Geschehen bei seinen Adressaten erregt, als prinzipiell durch eine Einstellungsänderung überwindbar. Damit wird die Parabel harmonisiert, ihr Skandalon neutralisiert. Für die Gestalt der Predigten folgt aus der an der „Gesinnung" der Akteure orientierten Auslegung, die das Erzählgerüst und die Handlungsbewegung der Parabel (D. O . Via) kaum noch wahrnehmen läßt, daß die Dynamik der Gleichniserzählungen homiletisch nicht zur Geltung gebracht wird: Die Predigten wirken mitunter sehr unanschaulich und wenig spannungsreich, wobei freilich Ausnahmen wie etwa eine Predigt von B. Dörries zu Mt 19,27—20,16 die Regel bestätigen. Wie für die bisher beschriebenen Weisen der Parabelpredigt so gilt auch für die Parabelpredigten als „Beschreibung christlicher Einstellung im Spannungsfeld von Glauben und Handeln", daß ihre gemeinsamen Merkmale sich weniger dem Bezug auf eine bestimmte Textgattung als der leitenden homiletischen Zielsetzung verdanken. Auf ihrem Hintergrund werden die Gleichniserzählungen in zum Teil sehr verschiedener Weise ausgelegt, so daß auch hier gilt: Es ist nicht möglich, eine von der Predigt anderer Texte unterschiedene und ihrer Eigentümlichkeit beschreibbare Gattung der „Parabelpredigt" auszugrenzen.

VI. Parabelpredigt als Ausrichtung des Wortes Gottes 1. Predigtgeschichtliche

Einordnung

Die Predigt der Wort-Gottes-Theologie, wie sie besonders in den von Karl Barth und Eduard Thurneysen gemeinsam veröffentlichten Predigtbänden dokumentiert ist1, markiert zweifellos einen Einschnitt und Neubeginn ge1 K. Barth/E. Thurneysen, Suchet Gott, so werdet ihr leben! Bern 1917; Komm, Schöpfer Geist, München 1924; Die große Barmherzigkeit, München 1935.

103

genüber den Predigtweisen des 19. Jahrhunderts. So spricht A. Niebergall von einem „neuen Predigtstil, der von einer geradezu explosiven Dynamik erfüllt ist" 2 . Diese Beurteilung bedarf jedoch in zweierlei Hinsicht der Präzisierung. So ist zum einen darauf hinzuweisen, daß die frühen Predigten von Vertretern der Wort-Gottes-Theologie sich durchaus nicht nur als radikale Antithese zu vorangegangenen und zeitgenössischen Predigtweisen präsentieren, sondern daß daneben auch eine gewisse Kontinuität, namentlich zu der sogenannten „modern-liberalen" Predigt, zu beobachten ist. Es handelt sich hier folglich weniger um eine vollständige Abkehr von der homiletischen Tradition als vielmehr um ein spannungsreiches Verhältnis zu ihr. Dieser Sachverhalt soll im folgenden an Hand einer frühen Predigt Thurneysens zu Lk 10,25—37 näher beschrieben werden. Zweitens suggeriert das zitierte Votum zur Predigt der Wort-Gottes-Theologie, daß es sich dabei um ein homogenes Gebilde gehandelt habe; eine Durchsicht etwa der Predigten Barths legt es jedoch nahe, verschiedene Phasen der Predigttätigkeit innerhalb der „Dialektischen Theologie" zu unterscheiden3. Aus diesem Grunde werden im folgenden zwei Predigten vorgestellt, die in einem zeitlichen Abstand von etwa zwanzig Jahren entstanden sind und somit gewissermaßen den homiletischen Weg der Wort-Gottes-Theologie auf dem eng begrenzten Sektor der Parabelpredigt ein Stück weit erhellen. Wie bei den vorangegangenen Beschreibungen von Weisen der Parabelpredigt sollen auch hier die jeweilige homiletische Eigenart und das hermeneutische Verfahren dargestellt und einer kritischen Würdigung unterzogen werden. In diesem Zusammenhang ist zu fragen, ob die homiletischen Optionen von Vertretern der „Dialektischen Theologie", wie sie in verschiedenen programmatischen Arbeiten niedergelegt sind4, der Parabelpredigt neue Impulse zu geben vermochten.

2

A . Niebergall, Geschichte, 343.

Vgl. K. Barth, Wir haben ja das Wort. Predigten und Texte zur Homiletik (Hrsg. H . Genest), Berlin 1987. Der Herausgeber unterscheidet bei seiner Anordnung der Predigten vier Phasen in Barths Predigertätigkeit. 3

4

104

Vgl. F. Wintzer, Homiletik seit Schleiermacher, 1 8 4 - 2 2 6 .

2. Zwei a) E. Thurneysen:

Predigtbeispiele

Wo Liebe ist, da ist Gott (Text: Lk

10,25—37f

Wenn A. Niebergall - vielleicht etwas zu pauschal - der Predigt der WortGottes-Theologie als ganzer eine „explosive Dynamik" bescheinigt, so trifft diese Charakterisierung die vorliegende, rhetorisch eindrucksvolle frühe Predigt Thurneysens in besonderem Maße. Ohne, wie das in der bisherigen Parabelpredigt sehr häufig zu beobachten war, seine hermeneutischen Vorüberlegungen zu der Gleichniserzählung in extenso vor den Predigthörern auszubreiten, kommt der Prediger sogleich zur Sache. Der Gedankengang der Predigt ist - im Einklang mit der sogenannten modernen Predigt - nicht mehr in starrer Gliederung durchgeführt, so daß, wenn im folgenden von „Abschnitten" oder „Teilen" die Rede ist, diese nicht durch eine Disposition markiert sind. Die Predigt bildet eine geschlossene und spannungsreiche Einheit. „Wo ist Gott?" Mit dieser kurzen Frage beginnt Thurneysen seine Parabelpredigt. Ein erster Gedankengang spitzt die Frage auf die Predigthörer hin zu, präzisiert sie inhaltlich und stellt die Verbindung zum Predigttext her. So konstatiert der Prediger zunächst allgemein, daß das Suchen und Rufen nach Gott in jedem Menschen lebendig sei, und beschreibt dann diese Suchbewegung in aller Ausführlichkeit, wobei er sich formal der Anrede an den Predigthörer in der 2. Person Singular bedient: „Es ist doch noch in dir ein verborgener Wille, zu leben, ein heimliches Verlangen nach ein bißchen Glück und Sonnenschein" (S. 106). Dieses heimliche und unbestimmte Verlangen - „nenn's Glück, nenn's Liebe, nenn's Reinheit, nenn's Gerechtigkeit, nenn's Friede" (S. 107) - ist zu beschreiben als die eine Frage nach Gott: „Denn Gott, das fühlst du, das fühlen wir alle, Gott, wenn es ihn gibt, Gott wäre das alles; bei Gott wäre Liebe, Glück, Sonne; in Gott wäre das Ende alles Hungerns und Dürstens; Gott haben heißt satt werden, Ruhe finden, Gott ist Leben, wahres Leben, Leben, das seinen Namen verdient, Leben ohne Schatten, ewiges Leben" (Ebd.). Diese Frage nach Gott ist es auch, die der Schriftgelehrte Lk 10,25 stellt, und Jesus antwortet darauf mit seiner Geschichte. - Der zweite Teil der Predigt bezieht sich auf den in der Exposition der Parabel geschilderten Uberfall. Dieser wird vom Prediger als „Schicksal", als „dunkle Unbegreiflichkeit" (S. 109) verstanden und zu den Erfahrungen der Predigthörer in Beziehung gesetzt: „Dieser Mann ist uns nicht fremd und unbekannt. (...) Er ist uns das Vertrauteste an der ganzen Geschichte" (S. 108). Die Menschen vernichtende Macht des Schicksals wird 5

In: Suchet Gott, so werdet ihr leben!, 1 0 5 - 1 1 6 .

105

mit einer Fülle von Beispielen aus dem häuslichen, beruflichen und politischen Leben der Hörer dargestellt. - In dem dritten Gedankengang der Predigt kommt es Thurneysen darauf an, die eingangs beschriebene Frage nach Gott zu der im zweiten Teil der Predigt dargestellten dunklen Schicksalsgewalt in Beziehung zu setzen. Zum einen, so der Prediger, besteht die Möglichkeit, Gott und das Schicksal miteinander zu identifizieren. In diesem Falle aber kann Gott nicht mehr gegen das Schicksal angerufen werden. „Trost" kann dann nur noch in dem Rat bestehen, sich dem Schicksal zu ergeben. Thurneysen lehnt diese Identifikation aus zwei Gründen ab: Sie paßt nicht zu dem Gott, der „selber in Jesus Christus einen siegreichen Kampf geführt (hat) gegen das ganze Heer der Schicksalsmächte und Lebensverderber, gegen Leid, Sünde und Tod" (S. 111 ), und sie ist unbarmherzig. Sie läßt die Trostlosen letztlich ohne Trost, die Hilflosen ohne Hilfe. Beispielhaft repräsentieren Priester und Levit aus der Parabel den Schicksalsglauben, doch ist deutlich: „Gott ist nicht auf ihrer Seite. Gott ist nicht da, wo man ans Schicksal glaubt. Gott ist nicht da, wo man an Schicksalsnot vorübergeht" (S. 112). Vielmehr ist Gott zu finden in dem Tun des Samariters, wie es die Gleichniserzählung beschreibt : „Da endlich finden wir Gott. Da ist Gott, der Gott, den wir suchen und an den wir glauben möchten, der Gott des Lebens und der Hilfe, der Gott, der das Schicksal wendet, der Gott, der die dunklen Gefängnisse des Leidens zerbricht, der Gott, der die Sonne des Erbarmens aufgehen läßt über allen Geschlagenen und Zertretenen" (Ebd.). Darin erweist sich Jesu Erzählung als frohe Botschaft. - Der vierte und letzte Gedankengang der Predigt ist paränetisch ausgerichtet. Es müßten Menschen kommen, so der Prediger in optativisch formulierten Sätzen, die wie der Samariter nicht an die Macht des Schicksals glauben und darum die Welt nicht für unveränderbar halten. Aber: „Warum kommen sie nicht? Warum sind wir sie nicht? Ich fürchte, wir alle seien noch viel zu viel in der Nähe des Priesters und des Leviten. (...) Wir verwechseln Gott mit dem, was wir Schicksal heißen, wir haben Angst, in Gottes Namen tapfer zuzugreifen" (S. 114). Aus diesem Grunde entwirft Thurneysen vor seinen Hörern unter Verwendung der für die frühe Dialektische Theologie typischen „nicht-sondern"-Sprachfigur (nicht das Schicksal, sondern...) das Gegenbild des Glaubens und ermutigt sie, im Vertrauen auf Gott Breschen in die „Mauern der Schicksalsmächte" zu schlagen. Auch hier werden wieder konkrete Beispiele genannt und Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt. Solches Verhalten gilt als möglich, weil Jesus selber, „der hinter der einfachen und doch so gewaltigen Geschichte vom Barmherzigen Samariter steht" (S. 116), die Bresche bereits geschlagen hat. Es kommt jetzt alles darauf an, „in den Sieg zu treten, den Er schon erfochten hat" (Ebd.). 106

Die referierte Predigt ist in allen ihren Teilen von lebendiger Bewegtheit bestimmt, und diese „explosive Dynamik" äußert sich formal in einer Fülle von Fragen und Ausrufen, von Parallelismen, von Bildern und Beispielen aus dem täglich Leben der Predigthörer. Insofern erinnert diese frühe Parabelpredigt Thurneysens an die „Parabelpredigt als Aufruf zu persönlicher Frömmigkeit", wie sie etwa K. Gerok etwas mehr als fünfzig Jahre zuvor gehalten hatte 6 . Gleichwohl bestehen zu der genannten Weise der Parabelpredigt fundamentale Unterschiede: Die lebendige Gestaltung der Predigt ließ sich dort geradezu als Beschwörung der Predigthörer verstehen, und sie diente dem Ziel, die Hörer zu einem bestimmten, als christlich verstandenen Verhalten zu motivieren. Im Gegensatz dazu stellt sich die Predigt Thurneysens als ein intensives Gespräch mit den Predigthörern dar. Vom ersten bis zum letzten Satz läßt der Prediger sich auf die notvolle Situation der Adressaten ein und bedenkt diese Situation im Lichte des Textes, ohne sie dadurch zu verharmlosen. Es handelt sich mithin um eine in besonderer Weise seelsorgerliche Predigt. Ausgangspunkt ist, wie gesagt, die - freilich verallgemeinerte - Situation der Hörer, und damit nimmt Thurneysen ein zentrales Anliegen der sogenannten modernen Predigt auf 7 . Die scharfe Unterscheidung von Gott und Welt bzw. Mensch, wie sie die frühe „Dialektische Theologie" in besonderer Weise kennzeichnet, kommt in dieser Predigt noch nicht voll zur Entfaltung. Auf der anderen Seite begegnen hier Elemente, die sich nicht aus dem Programm der „modernen Predigt" herleiten und somit den theologischen wie homiletischen Neubeginn ahnen lassen. So geht es in der vorliegenden Predigt nicht etwa um eine auf der Ebene der Einstellung des Individuums zu vollziehende Vermittlung von Glauben und Handeln, sondern es wird die bereits vollzogene Uberwindung des Schicksals durch Gott verkündigt. Gott und das Schicksal gelten als inkommensurable Größen. Die Aneignung der Tat Gottes durch den Christen geschieht nicht durch eine bestimmte Einstellung oder Gesinnung, sondern durch den Glauben. In den beschriebenen Rahmen zeichnet Thurneysen nun die Parabel vom barmherzigen Samariter ein. Seine hermeneutische Grundorientierung soll ausgehend von der formalen Beobachtung beschrieben werden, daß er die Bezeichnungen „Gleichnis", „Gleichniserzählung" und „Parabel" für den Predigttext in seiner Predigt konsequent vermeidet und stattdessen den Terminus der „Geschichte" gebraucht, die Jesus erzählt. Dies mag ein Zufallsbefund sein, aber möglicherweise will der Prediger mit seiner terminologischen Entscheidung 6

S.o. 67,Anm. 10. Vgl. F. Niebergall, Die moderne Predigt. In: ZThk 15, 1905, 203-271. Abgedruckt in: G. Hummel (Hrsg.), Aufgabe der Predigt, Darmstadt, 1971, 9 - 7 4 . 7

107

auch zum Ausdruck bringen, daß er das erzählte Geschehen nicht nur als Vergleich8, Bild oder Analogie begreift, die eine wie auch immer geartete Realität abbildet bzw. zu deren Anerkenntnis verhilft, sondern daß er in der „Geschichte" vom barmherzigen Samariter unmittelbar das Wort Gottes vernimmt. In der Gleichniserzählung ereignet sich Gottes Wort, in ihr spricht Gott. Diese Hypothese gewinnt an Wahrscheinlichkeit, wenn man die Verarbeitung des Predigttextes in der Predigt genauer analysiert. So fällt zunächst auf, daß der Prediger in dem zweiten und dritten Teil seiner Predigt, wo die Parabel Gegenstand der Betrachtung ist, diese an keiner Stelle verobjektiviert. Möglichkeiten solcher Verobjektivierung sind aus der Predigtgeschichte von Lk 10,23—37 bzw. 2 5 - 3 7 hinlänglich bekannt: So beginnt eine Vielzahl von Predigten des 19. Jahrhunderts mit hermeneutischen Vorüberlegungen zu der Gleichniserzählung, wobei der Prediger in der Regel vor der Alternative steht, ob er diese als Gesetz oder als Evangelium zu verstehen hat9. Eine weitere Form der Verobjektivierung besteht in dem Rekurs auf oder in der polemischen Abgrenzung von anderen Weisen, die Perikope zu predigen, und schließlich impliziert auch die ausdrücklich vollzogene allegorische Auslegung von Einzelzügen der Parabel ein Gegenüber von Text und Prediger bzw. Ausleger. Im Gegensatz dazu läßt die vorliegende Predigt Thurneysens keinerlei Distanz zum Predigttext zu; der Prediger folgt dem Duktus der Parabel und bezieht letztere unmittelbar auf die Hörer: Thurneysen predigt die Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter und nicht über sie. Diese Unmittelbarkeit der Gleichniserzählung zu Prediger und Predigthörern wird in besonderer Weise sichtbar, wo Thurneysen einzelne Passagen zitiert und diese auf die Situation bezieht: „,Es zog ein Mann hinab nach Jericho und fiel unter die Räuber; die zogen ihn aus und ließen ihn halbtot liegen', und nun liegt e r - liegt nicht nur dort in der Wüste zwischen Jerusalem und Jericho, liegt in unsern Spitälern, liegt in einsamen Leidenskammern, liegt in Armenhäusern, liegt in Gefängnissen, liegt an unsern Wegen rechts und links in der Armut, im Elend, liegt in Leutwil, liegt in Saf enwil, liegt überall, ja, wer weiß, er liegt daheim bei dir, unter dem gleichen Dache, er liegt bei dir und in dir, du bist es, ich bin es, wir beide sind auch schon dem Schicksal in die Hände gefallen, wir sind auch schon zusammengefahren unter seinen harten Schlägen" (S. 110). Ferner: „Gibt es überhaupt solche Schicksalsgläubige? Ja, es gibt sie: ,es begab sich', erzählte Jesus, ,daß ein Priester die Straße hinabzog...'" (S. 112). Und schließlich: „,Ein Samariter aber reiste und kam dahin... '. Da endlich finden wir Gott. Da ist Gott... Wir spüren wieder, wie durch die Worte Jesu etwas hindurchbricht,... frohe Botschaft ; sieh da, nicht mehr dunkle Schicksalmächte, die über dir walten, nicht mehr verborgene Ratschlüsse und falsche Frömmmigkeit: sondern Gottes klarer guter Wille, erkannt und getan von einem Menschen" (S. 112 f.). 8 Vgl. A. Jülicher, Gleichnisreden I, der die Gleichnisreden Jesu von der G r u n d f o r m des Vergleichs her versteht. 9 Vgl. besonders die Predigt M. Frommeis zu L k 1 0 , 2 3 - 3 7 (s.o. 53, Anm. 34).

108

Hinter dieser Predigtweise steht offensichtlich die Überzeugung, daß die Parabel die menschliche Situation in ihrer Verlorenheit schonungslos aufdeckt und daß sie zugleich das Evangelium von der Uberwindung dieser Situation ist. Insofern wird sie als Gottes lebendiges Wort verstanden, und insofern hat die Parabelpredigt die Aufgabe der Ausrichtung des Wortes Gottes. - Die beschriebene hermeneutische Grundorientierung wird jedoch in der vorliegenden Predigt nicht durchgehalten. In ihrem letzten paränetischen Teil erfolgt dann doch auf einmal eine Verobjektivierung der Parabel, sie wird zum Paradigma für den Predigthörer. Interessant ist dabei vor allem die Tatsache, daß in diesem Zusammenhang zurückgegriffen wird auf die hermeneutischen Verfahrensweisen der „Parabelpredigt als Beschreibung christlicher Einstellung im Spannungsfeld von Glauben und Handeln", wie sie etwa in den Predigten von Schwarz und Schenkel zu finden sind. So werden, nachdem in dem zweiten und dritten Teil der Predigt die Hörer an der Stelle des Überfallenen standen, diese jetzt an die Seite des Priesters und des Leviten gerückt. Deren Einstellung aber (Schicksalsgläubigkeit) wird vom Prediger negativ qualifiziert und soll in Richtung auf das Vorbild des Samariters hin überwunden werden: „Denkt, was das wäre, wenn wir einmal die sein wollten, die anfangen, und zwar anfangen hier unter uns und beim nächsten, wie auch der Samariter beim nächsten angefangen hat!" (S. 114) An die „Parabelpredigt als Aufruf zu persönlicher Frömmigkeit" erinnert der theologische Begründungszusammenhang mit der Andeutung einer allegorischen Auslegung der Parabel: „Jesus selber... (steht) hinter der einfachen und doch so gewaltigen Geschichte vom barmherzigen Samariter..." (S. 116). Zusammenfassend ist festzuhalten: Die Predigt Thurneysens zu Lk 10,25—37, die in theologischer wie in hermeneutischer und homiletischer Hinsicht einen Neubeginn darstellt, zugleich aber auch in Kontinuität zu vorangegangenen Weisen der Parabelpredigt steht, zeichnet sich besonders durch die Unmittelbarkeit aus, mit der in ihrem zweiten und dritten Teil die Gleichniserzählung auf die Predigthörer bezogen wird. Darin entspricht sie der Intention der Parabel, die den Hörer „anzieht" und ihm eine neue Möglichkeit der Existenz eröffnet 10 . Zu fragen ist indessen, worin diese Unmittelbarkeit der Parabelpredigt gründet, und hier ist eine deutliche Differenz zu der Wirkweise der Parabel selbst zu konstatieren. Die Gleichniserzählung berührt ihre Hörer unmittelbar durch ihr narratives Gepräge und durch ihre metaphorische Eigenart 11 . In der vorliegenden Parabeipredigt fungiert sie als Antwort auf die Frage nach Gott und wird als den Hörer 10 11

Zur Kategorie der „Möglichkeit" vgl. W. Harnisch, Gleichniserzählungen, 158-167. Vgl. a.a.O. 62 ff.

109

unmittelbar treffendes Wort Gottes ausgelegt. Von daher werden dann der Uberfall als „Schicksal", Priester und Levit als die „Schicksalsgläubigen" und der Samariter als Täter von „Gottes klarem gutem Willen" beschrieben. Auf diese Weise wird die Parabel als erfahrungsbezogenes und verheißendes Wort gehört.

b) Predigt über Mt 20,1—16 (1938f1 Die vorliegende Predigt zu der Parabel von den Arbeitern im Weinberg ist dem von H . Diem herausgegebenen Predigtband „Warum Textpredigt?" entnommen, der sich als „Rechenschaftsbericht einer theologischen Arbeitsgemeinschaft von württembergischen Pfarrern" 13 versteht. Die einzelnen Predigtbeiträge werden ihren Verfassern jedoch nicht zugeordnet, so daß der Prediger von Mt 20,1 - 1 6 nicht zu benennen ist. Wie in der zuvor untersuchten Predigt Thurneysens so ist auch hier eine Disposition weder vorher angekündigt noch in der Ausführung der Predigt im einzelnen markiert, doch es ist deutlich, daß die Aussagen der Parabel in ihrer Reihenfolge das Gliederungsprinzip der Predigt bilden. Diese werden unter folgender im Einleitungsteil der Predigt beschriebenen Prämisse ausgelegt: „In unserer ganzen Gleichnisgeschichte ist es eigentlich der Herr, der handelt, er allein" (S. 94). Dabei wird der Herr in der Gleichniserzählung allegorisch auf Gott gedeutet, und zugleich ist vorausgesetzt, daß Gott selbst auch heute noch in der Parabel spricht: „Er ist selber in unserem Gleichnis verborgen und will sich uns darin offenbaren durch seinen heiligen Geist. Er will es heute selber an uns wahrmachen, daß wir Arbeiter sind in seinem Weinberg und uns dazu verhelfen, daß wir es bleiben" (S. 95). Begründet wird der zweite Teil dieser Aussage damit, daß Gott in Christus handelt und daß darum sein Handeln nicht selbstgenügsam ist, sondern daß wir in sein „Tun und Werk" (Ebd.) hineingenommen sind. Die beiden Hauptteile der Predigt behandeln entsprechend der beschriebenen Voraussetzung zunächst das Werk und dann den Lohn Gottes, wobei jeweils die Implikationen des Handelns Gottes für die Menschen mit bedacht werden. - In dem ersten Gedankengang wird das Ausgehen des Herrn in der Parabel auf den Weg Gottes in Christus gedeutet und als Erniedrigung verstanden, deren Ziel jedoch die umfassende und totale Herrschaft Gottes ist. Die Totalität dieser göttlichen Herrschaft bedeutet für den Menschen, daß seine Arbeit im Weinberg nicht als ein Wechsel von weltlichen zu frommen Dingen, sondern nur 12 In: H . D i e m (Hrsg.), Warum Textpredigt? Predigten und Kritiken als Beitrag zur Lehre von der Predigt, München 1939,94-100. 13 A.a.O. 3.

110

als „eine schlechthin umfassende Sache" (S. 97) verstanden werden kann: „Dieses unser Leben... unter die Herrschaft dessen gestellt, der allein gut ist, und der dies alles für seinen Dienst gebrauchen will und auch tatsächlich gebraucht - das ist die Arbeit im Weinberg des Herrn" (Ebd.). - Der zweite Teil der Predigt relativiert zunächst die Bedeutung der menschlichen Arbeit und wendet sich dann der Interpretation des Lohnes zu: „Ist diese Arbeit ,Last und Hitze', und das heißt von lauter Unvermögen, Behinderungen, Schwachheit, Torheit und Sünde durchsetzt, was sollte der Lohn anderes sein, als daß diese böse Durchsetzung und Verfälschung unserer Arbeit beseitigt wird, daß sie dastehen darf gereinigt und zum Ziel gekommen, so daß all das offenkundig und aufgedeckt ist, was wir hier immer nur im Glauben, im Glauben an die Vergebung der Sünden, tun konnten" (Ebd.). Unter dieser Voraussetzung kann der Prediger die Arbeit im Weinberg positiv als „einen kräftigen Vorschuß auf diesen ewigen Lohn" (S. 98) werten. Das Murren der Ganztagsarbeiter in der Parabel schließlich wird als die „Sünde der Kirche" (S. 99) gedeutet, die Gottes Gnade ausschlägt. Solches Verhalten, so der Prediger, ist gravierender als die „Sünde der Welt" (Ebd.) und muß eigentlich im Gericht Gottes enden. Gott aber hält trotz allem an seiner Berufung fest und gewährt den Sündern die „Gnade in der Gnade" (S. 100). Diese Gewißheit wird abgeleitet aus der Anrede des Hausvaters an den Wortführer der Murrenden (Das Wort hetaire v. 13 wird vom Prediger mit „Freund" übersetzt und besonders betont.): Hier sieht der Prediger das „Geheimnis der ewigen Erwählung" (Ebd.) repräsentiert. Die dargestellte Predigt zu Mt 20,1 —16 ist ungefähr zwanzig Jahre nach der Predigt Thurneysens zu der Parabel vom barmherzigen Samariter entstanden. Auch sie versteht sich als Ausrichtung des Wortes Gottes, doch wird diese Auffassung in gänzlich anderer Weise realisiert, als das bei Thurneysen zu beobachten war. Unmittelbar evident ist zunächst die sprachliche Differenz zwischen den beiden Predigten: Die Fülle von kurzen Fragen und Ausrufen, von Bildern, Beispielen und Situationsschilderungen, deren Thurneysen sich bediente, sowie die gesellschaftlichen und politischen Bezüge, die er herstellte, finden in der vorliegenden späteren Predigt keinerlei Entsprechung. Im Gegenteil, der Satzbau hier ist oft kompliziert und verschachtelt, der Gedankengang der Predigt abstrakt und nicht immer unmittelbar verständlich. Der Grund für diese formalen Schwächen liegt möglicherweise darin, daß der Prediger von einem Predigtverständnis herkommt, das den Hörer ausschließlich theologisch qualifiziert. Die von (dem frühen) Barth desavouierte Frage „Predigen, wie macht man das?" 14 gerät damit auch 14

Vgl. K. Barth, N o t und Verheißung der christlichen Verkündigung. In: ZZ 1,1923, ( 3 - 2 5 ) ,

6.

111

weitgehend aus dem Blickfeld dieses Predigers. Inhaltlich ist die als Homilie konzipierte Parabelpredigt als ein dogmatisches „Panorama" zu beschreiben: sie bietet definitorische Aussagen zu dem „Wort Gottes", christologische Reflexion, Aussagen zur Herrschaft Gottes, zur Eschatologie, zu Sünde, Gnade und ewiger Erwählung. Dabei benutzt der Prediger häufig theologische Termini, ohne diese im einzelnen veranschaulichend zu entfalten. Es liegt auf der Hand, daß eine in solcher Abstraktion gestaltete Predigt anders als die Predigt Thurneysens das Prädikat „seelsorgerlich" kaum für sich beanspruchen kann. Deutlich wird das nicht nur an der Vernachlässigung der homiletischen Situation, sondern auch an den Aussagen der Predigt zum Thema „Trost". Auch Thurneysen gebraucht die Vokabel „Trost", jedoch in einem fest umrissenen Zusammenhang, nämlich in der Abwehr falschen Trostes, der, von „Schicksalsgläubigen" gespendet, ein Ruf zur Ergebung in das Schicksal und damit nicht mehr wirklich Trost ist. Positiv verstanden begegnet der Begriff an keiner Stelle der Predigt, weil diese selbst Trost ist, Ansage, Zuspruch, frohe Botschaft. Formal zeigt sich das auch in der Anrede der Predigthörer in der 2. Person Singular. Ganz anders dagegen die spätere Predigt zu Mt 20,1 — 16. Hier präsentiert der Prediger jeweils zunächst einen theologischen Gedankengang und gibt dann ein Rezept, wie das Gesagte zu hören sei: als Trost. So heißt es im Einleitungsteil im Anschluß an den Hinweis, daß das Handeln des Herrn in der Parabel zentral ist: „Zuerst dürfen wir uns durch diese Erkenntnis trösten lassen" (S. 95). Ähnlich führt der Prediger am Schluß im Zusammenhang mit dem Gedanken der „ewigen Erwählung" aus: „Daß es auch an den untersten Ortern, auch in der tiefsten Schuld, der Schuld an Gottes Gnade, nun noch einmal Gnade gibt, diesen Trost dürfen wir hier empfangen" (S. 100).

Die Unmittelbarkeit zu den Predigthörern, die Thurneysens Predigt in besonderer Weise auszeichnete, ist hier dem Schema von explicado und applicatio gewichen. Die Ursachen dieses Phänomens können nur hypothetisch benannt werden. Maßgeblich dürfte hier der Unterschied der Zeiten und der Prediger sein: Während der theologische Neubeginn Barths und Thurneysens bekanntlich aus der Not der pfarramtlichen Predigtpraxis erwuchs und beider Predigt in den Anfangsjahren Elemente der „modernen" Predigtbewegung aufwies, haben sich die (weiterentwickelten) Einsichten der Wort-Gottes-Theologie nach zwanzig Jahren auf breiter Basis dogmatisch etabliert und werden nun ihrerseits in die Predigt zurückprojiziert. Daneben wird allerdings wohl auch die unterschiedliche homiletische Kompetenz der jeweiligen einzelnen Prediger eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Wie sich diese Entwicklung homiletisch auf die Parabelpredigt auswirk112

te, wurde gezeigt: Von „explosiver Dynamik" ist nichts mehr zu spüren, das dialogische Element der Predigt ist kaum noch wahrnehmbar. Ein weiterer Vergleich der beiden Parabelpredigten verdeutlicht, daß auch in hermeneutischer Hinsicht sich ein Wandel vollzogen hat. - Vordergründig betrachtet sind beide Predigten durch eine gemeinsame hermeneutische Prämisse verbunden: In der Gleichniserzählung Jesu redet Gott selbst. Bei näherem Hinsehen werden freilich markante Unterschiede deutlich: So läßt sich das Verständnis der Parabel vom barmherzigen Samariter in der Predigt Thurneysens nur durch eine formale und inhaltliche Analyse mit mehr oder minder großer Sicherheit bestimmen, da der Prediger gänzlich auf eine explizite hermeneutische Reflexion und also auf eine Verobjektivierung der Parabel verzichtet. Die hermeneutische Grundentscheidung wird der Predigt nicht vorangestellt, sondern realisiert sich in ihr. Im Gegensatz dazu stellt die jüngere Predigt zu der Parabel von den Arbeitern im Weinberg ganz nach der Weise vieler Parabelpredigten des 19. Jahrhunderts zunächst die hermeneutische Prämisse vor: „Er (sc. Gott) ist selber in unserem Gleichnis verborgen und will sich uns darin offenbaren durch seinen heiligen Geist. Er will es heute selber an uns wahrmachen, daß wir Arbeiter sind in seinem Weinberg und uns dazu verhelfen, daß wir es bleiben" (S. 95). Das Verstehen der Gleichniserzählung als Wort Gottes ist hier nicht mehr lebendig vollzogen, sondern zu einem für wahr gehaltenen Dekret geronnen, das auf die Predigt appliziert wird. Die homiletische Anwendung dieser zu Beginn proklamierten anspruchsvollen hermeneutischen Prämisse vollzieht sich dann als Allegorese, die sich lediglich in ihrer Ausführung von früheren Weisen allegorischer Auslegung in der Parabelpredigt unterscheidet. So achtet der Prediger darauf, daß „Bildebene" und „Sachebene" der Gleichniserzählung nicht auseinanderfallen, sondern einander durchdringen, so daß deskriptive und interpretierende Aussagen in der Predigt kaum voneinander abgehoben werden können. Dieses Ineinander von Text und Deutung war auch in der Predigt Thurneysens zu beobachten, wirkte dort aber plausibel, weil der Prediger die homiletische Situation im weitesten Sinne zum Ausgangspunkt der Auslegung nahm und seinen Hörern zugleich die Identifikation mit dem Überfallenen bzw. dem Samariter nahelegte. Beides fehlt fast ganz in der Predigt zu Mt 20,1 — 16. Die homiletische Situation wird überhaupt nicht thematisiert, und eine Identifikation mit den Akteuren der Parabel geschieht nur theologisch vermittelt und in der Form der Frage. Im Blick auf die Murrenden heißt es : „Was nun, wo sich herausstellt, daß wir gerade die Güte Gottes zum Anlaß unserer Sünde nehmen?" (S. 99) Anders als bei Thurneysen wirkt daher hier das unvermittelte Nebeneinander von Gleichniserzählung und Deutung störend und hindert den hörenden Mitvollzug der Predigt.

113

Inhaltlich bietet die Allegorese neben traditionellen Elementen wie etwa der Deutung des Hausvaters auf Gott und des Marktes auf die Welt im Vergleich mit der Predigtgeschichte dieser Parabel auch Neues. Das gilt für die Deutung des Lohnes als Zum-Ziel-Kommen der Arbeit, die aber auch schon in einer Predigt Barths begegnet13, und besonders für die Interpretation von v. 13 als „Geheimnis der ewigen Erwählung". An beiden Einzelauslegungen zeigt sich unmittelbar, daß die Allegorese von einem vorgegebenen dogmatischen System geleitet ist und daß die Parabel von den dort entfalteten theologischen Voraussetzungen her gelesen wird16. Es ist zu fragen, ob die vorliegende Predigt wirklich „Textpredigt" ist, wie es der programmatische Titel des Sammelbandes behauptet. Die Berechtigung dieser Gattungszuweisung ist angesichts des Umgangs mit der Gleichniserzählung mindestens zu überprüfen. Der Prediger läßt sich nicht auf das tatsächlich in der Parabel erzählte Geschehen, das zugegebenermaßen extravagante Verhalten eines Weinbergbesitzers gegenüber seinen Arbeitern, ein, sondern er interpretiert die Handlung vorschnell unter dogmatischen Prämissen. Dadurch kommt es zu zum Teil groben Verzeichnungen des Textes: So stellt etwa die mehrfache Anwerbung von Arbeitern durch den Hausvater innerhalb der Parabel ein narratives Erfordernis dar, das die Plausibilität des Erzählten sichern soll17. Die Interpretation dieses Handelns als „erniedrigend" ist vom Text selbst in keiner Weise gedeckt und würde einem unbefangenen Leser oder Hörer kaum einfallen. Eine ähnliche Differenz ist bei der Deutung des Murrens der Ganztagsarbeiter zu beobachten. Diese Reaktion ist innerhalb der Gleichniserzählung voll und ganz verständlich, ja, die Erzählung zielt darauf, eben diese Empörung auch bei ihren Hörern zu provozieren. Der Parabelprediger indessen hat sich bereits so weit von seinem Text entfernt, daß er fragen kann: „Aber wie ist das nur möglich?" (S. 98) Zugespitzt läßt sich festhalten: Der Prediger behauptet, Gott sei in dem Gleichnis verborgen und wolle sich darin offenbaren; eine Analyse seiner Predigt jedoch zeigt deutlich, daß der Prediger eine bestimmte Theologie in dem Gleichnis verborgen sieht und diese seinen Hörern „offenbart". Ausrichtung des Wortes Gottes und Darlegung

Vgl. K. Barth, Predigt zu Mt 1 9 , 2 7 - 2 0 , 1 6 . In: Die große Barmherzigkeit, 9 5 - 1 0 5 . Das wird noch einmal sehr deutlich in der der vorliegenden Predigt angefügten Kritik. D e r Kritiker bemängelt im Blick auf die Deutung des hetaire (v. 13): „Rein exegetisch ist aus der Anrede des Hausvaters an einen der Murrenden wohl nicht soviel herauszulesen, wie die Predigt tut. Sachlich a b e r . . . ist diese Auslegung durchaus berechtigt." In: H . Diem (Hrsg.), 100. - Die Unterscheidung von „exegetisch" und „sachlich" (gemeint ist: dogmatisch) liegt unausgesprochen wohl auch der Predigt zu Grunde. 15

16

17

114

Vgl. E . Linnemann, Gleichnisse, 8 8 f . ; W. Harnisch, Gleichniserzählungen, 178f.

der Wort-Gottes-Theologie sind hier in hermeneutisch wie homiletisch fataler Weise verwechselt.

3. Kritische

Würdigung

Die beiden untersuchten Predigten haben sich trotz der gemeinsamen Annahme, daß die Gleichniserzählung Jesu als Wort Gottes zu verstehen und die Parabelpredigt als Ausrichtung dieses Wortes zu gestalten sei, als in homiletischer wie in hermeneutischer Hinsicht außerordentlich disparat erwiesen. Sie zeigen exemplarisch einen Teil des Weges, den die Prediger der von Barth beeinflußten Wort-Gottes-Theologie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gegangen sind. Aus diesem Grunde ist es nicht möglich, wie bei der Untersuchung früherer Weisen der Parabelpredigt, die homiletische Eigenart und die Auslegungsmethoden der „Parabelpredigt als Ausrichtung des Wortes Gottes" generalisierend zu beschreiben. Vielmehr kommt es darauf an, vor allem die mit den beiden Parabelpredigten dokumentierte Entwicklung kritisch zu beurteilen. Aus der Auffassung von der Gleichniserzählung als Wort Gottes folgt homiletisch erstens die unvermittelte Nebeneinanderstellung von Einzelaussagen oder -motiven der Parabel und deren Deutung bzw. Anwendung auf die Predigthörer. Text und Auslegung werden eng miteinander verzahnt, so daß die in früheren Parabelpredigten durch einen expliziten Ubertragungsvorgang entstandene Distanz hier überwunden ist. Formal ist damit der Eigenart der Parabel, die sich einer verobjektivierenden Darstellung widersetzt, Rechnung getragen. Zweitens bewirkt die genannte hermeneutische Voraussetzung, daß die Parabelpredigt im weitesten Sinne als Homilie gestaltet wird. Dadurch ist gewährleistet, daß die Gleichniserzählung nicht auf einen willkürlich gewählten Punkt reduziert, sondern in ihrer Ganzheit zur Sprache gebracht wird. Problematische Auswirkungen für die Parabelpredigt ergeben sich jedoch dadurch, daß mit der Weiterentwicklung der WortGottes-Theologie sich der Umgang mit der beschriebenen hermeneutischen Prämisse wandelt: In der frühen Parabelpredigt Thurneysens etwa ereignet sich das Verstehen der Gleichniserzählung als Wort Gottes im Vollzug der Auslegung, während es in der besprochenen späteren Predigt als scheinbar allgemeingültiges und handhabbares AuslegungspnVzzzp figuriert. Oder mit anderen Worten: Während dort die Parabel in der Parabelpredigt gleichsam zum Wort Gottes wird, ist hier ihr Charakter als Wort Gottes behauptet. Das aber hat entscheidende homiletische Konsequenzen, denn der Prediger steht damit zwangsläufig vor der Frage, wie denn dieses Prinzip bzw. diese Be115

hauptung in der Predigt einzulösen sei. Also: Wie kann in der Parabelpredigt manifest werden, daß die Parabel als Wort Gottes verstanden wird? Als Antwort auf diese Frage gehen sowohl die untersuchte Predigt zu Mt 20,1 —16 als auch eine Predigt Barths zu demselben Text den Weg der Allegorese, wobei die einzelnen Bestandteile der Parabel als Lehraussagen gedeutet werden. O b damit der Anspruch, die Parabel sei Wort Gottes, wirklich eingelöst ist, sei dahingestellt. Homiletisch bedeutet dieses Verfahren jedenfalls, daß statt „explosiver Dynamik" nun trockener Lehrstil die Parabelpredigt kennzeichnet. Im Blick auf ihren Inhalt ist zu urteilen, daß mit dem beschriebenen Wandel nun eine radikale Abkehr von der „Parabelpredigt als Beschreibung christlicher Einstellung im Spannungsfeld von Glauben und Handeln" erfolgt. Parabelpredigt wird primär Rede von Gott und erst von daher auch Rede vom Menschen. Solche theologische Geradlinigkeit ist freilich mit einem Verlust an unmittelbarer Relevanz der Parabelpredigt für die komplexe menschliche Lebenswirklichkeit erkauft.

VII. Rezeption und Realisierung traditioneller Anliegen in neueren Parabelpredigten 1.

Vorbemerkungen

Die Deskription gedruckter Parabelpredigten erfolgte bisher in der Weise, daß jeweils mehrere Predigten einander zugeordnet und hinsichtlich ihrer homiletischen Merkmale sowie der ihnen inhärenten Auslegung der Gleichniserzählungen untersucht wurden. Dabei wurden jeweils zwei besonders repräsentative Predigten exemplarisch vorgestellt und analysiert. Dieses Verfahren erschien legitim, da sich in der Predigtgeschichte im allgemeinen und mit ihr auch in der Geschichte der Parabelpredigt des 18. und ^ . J a h r h u n derts deutlich verschiedene Predigtintentionen und deshalb auch verschiedene Predigtweisen voneinander abheben lassen: Trotz unterschiedlicher Akzentsetzungen im einzelnen läßt sich die Aufklärungspredigt generalisierend beschreiben, ohne daß damit notwendig eine Pauschalisierung gegeben wäre, und auch für das 19. Jahrhundert ist es ungeachtet einer zunehmenden homiletischen Vielfalt möglich, verschiedene Predigtweisen zu unterscheiden. Das 20. Jahrhundert ist predigtgeschichtlich durch einen erneut einsetzenden Prozeß der Differenzierung charakterisiert, der auch die Parabelpredigt

116

erfaßt. Es erscheint daher schlechterdings unmöglich, die neueren und neuesten gedruckten Parabelpredigten einander zuzuzordnen und diese Gruppen als Predigtweisen zu beschreiben ; schon gar nicht lassen sich einzelne Predigten als exemplarisch für andere auffassen. Jede Kategorisierung bedeutet hier eine Vereinfachung, die die Individualität der einzelnen Predigt nivelliert. Die Quellen erzwingen folglich eine andere, offenere Art der Darstellung, und so sollen im folgenden - stärker noch als bisher - nur Tendenzen oder Aspekte neuerer Parabelpredigten aufgezeigt werden. Zugleich ist gegenüber der Untersuchung älterer Parabelpredigten eine neue Fragestellung hinzuzunehmen: Da seit dem Werk A. Jülichers die Erforschung der Gleichnisreden Jesu rasch vorangeschritten ist, muß geprüft werden, ob und wie hermeneutische Konzeptionen hinsichtlich der Gleichniserzählungen sich auf deren Predigt ausgewirkt haben. Der beschriebene Prozeß der zunehmenden Differenzierung in der Parabelpredigt bedeutet nun aber keineswegs einen radikalen Traditionsabbruch. Die meisten neueren Predigten zu Gleichniserzählungen machen sich Anliegen früherer Parabelpredigt zueigen, wenn sie auch im Blick auf die Auslegung des Textes und die homiletische Gestaltung eigene Lösungen finden. Daneben gibt es einige Paradigmen, die bis in einzelne Motive hinein unmittelbar an die Tradition anknüpfen.

2. Anknüpfung

an frühere

Parabelpredigt

Unter den neueren Parabelpredigten finden sich vergleichsweise wenige, die hermeneutisch und homiletisch auf den im 19. Jahrhundert vorgezeichneten Wegen gehen. Zu ihnen gehören zunächst eine Predigt des Schweizer Pfarrers F. Dürst zu der Parabel von den Arbeitern im Weinberg1 sowie eine von R. A. Schröder zu der Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter2. Beide stehen offenkundig in einer gewissen Kontinuität zu der „Parabelpredigt als Darlegung von Lehre und Bekenntnis". Ahnlich wie verschiedene konfessionell-lutherisch geprägte Prediger des ^ . J a h r hunderts so zerlegt auch Dürst den Text Mt 20,1 — 16 in thematisch bestimmte Abschnitte und deutet ihn allegorisch mit dem Ziel, die Predigthörer über das Verhältnis von Arbeit und Lohn im Dienste Gottes zu belehren. Nachdem in der modernliberalen Predigt zu diesem Text Arbeit und Lohn als durch die Gesinnung der 1 F . D ü r s t , Der merkwürdige Arbeitgeber (Mt 2 0 , 1 - 1 6 ) . In: Aus seiner Fülle. Predigten, Zürich 1 9 6 0 , 4 0 - 4 7 . 2 R. A. Schröder, Predigt zu L k 1 0 , 2 3 - 3 7 . In: Predigten zum Kirchenjahr. Ges. Werke Bd. 8, 1965,588-601.

117

Arbeiter verbunden gedacht wurden, fallen diese beiden Größen bei Dürst wieder auseinander, und es stellt sich erneut das Problem, wie die gleiche Entlohnung bei ungleicher Arbeit zu verstehen sei. Der hermeneutische Schlüssel ist die Rechtfertigungslehre: „,Gerechtigkeit' können wir es wirklich nicht nennen, was da geschieht. Aber nun sollten wir einen anderen Namen dafür kennen. Einen unvergleichlich viel schöneren und klingenderen! Was da geschieht, das ist - Barmherzigkeit."3 - Die lutherische Rechtfertigungslehre leitet auch die Auslegung von Lk 10,23—37 in der Predigt Schröders. So ist die Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter als eine „Spiegelgalerie"4 verstanden, die den Betrachter zum Bewußtsein seiner Unzulänglichkeit vor Christus bringt; sie fungiert mithin als Gesetz im anklagenden Gebrauch. Das Evangelium sieht der Prediger in der Seligpreisung der Jünger durch Jesus (w. 23 f.) sowie in der Epistel Rom 3,21 —285 repräsentiert. Über den Zusammenhang beider zu belehren, darin besteht die homiletische Intention der Predigt, wenn dies auch nicht - wie oft in der katechetischen Parabelpredigt des 19. Jahrhunderts - zu Beginn der Predigt programmatisch angekündigt wird. An die „Parabelpredigt als Aufruf zu persönlicher Frömmigkeit " knüpfen zwei Predigten an, die in einer Situation eingeschränkten kirchlichen Handlungsspielraumes entstanden sind. Die eine wurde im Jahre 1945 im Konzentrationslager Dachau von M. Niemöller 6 , die andere 1954 in Berlin/Ost von dem Studiendirektor des Sprachenkonvikts A. Tietsch7 gehalten. Beiden Predigten liegt als Text die Parabel von den Arbeitern im Weinberg zu Grunde. Wie in den paränetischen Parabelpredigten des 19. Jahrhunderts so wird auch hier der ersten Hälfte der Gleichniserzählung Mt 20,1 —16 und dort wiederum dem Motiv der Berufung zur Arbeit in den Weinberg Gottes besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Absicht der Prediger ist es, ihre Hörer zur Praxis des christlichen Glaubens zu motivieren. So mahnt Niemöller vor allem zur Gemeinschaft der Christen und zum Gebet: „Für uns alle heißt es: .Gehet ihr auch hin in den Weinberg!' So einsam sind wir in unserer Isoliertheit ja doch nicht, daß wir nicht noch den christlichen Bruder an unserer Seite hätten, an den wir als unsern Nächsten durch Gottes Gebot gewiesen sind, auf daß wir ihm zur Förderung und nicht etwa zum Hemmnis für seinen Glauben werden sollen; und selbst dann, wenn wir wieder in strenger Einzelhaft wären, Gottes Ruf an uns bliebe in Kraft."8 Besonders der letzte Satz erinnert an Predigten aus dem 19. Jahrhundert, aber was dort noch hypothetisch für Grenzsituationen menschlichen Lebens formuliert wurde, ist hier Realität geworden. So läßt sich folgender Gedanke Stöckers beinahe als eine Prophezeiung verstehen: „Und wenn du auf einem Krankenbette lägest und könntest deine Hand nicht rühren, 3

F. Dürst, Arbeitgeber, 46.

4

R.A.Schröder,598. Die Epistel scheint v o m Prediger frei gewählt worden zu sein.

5

6 M . N i e m ö l l e r , Predigt zu M t 2 0 , 1 - 1 6 a . In: „ . . . zu verkündigen ein gnädiges Jahr des H e r r n ! " Sechs Dachauer Predigten, München 1 9 4 6 , 2 2 - 3 3 . 7 A.Tietsch, D e r L o h n der Arbeit (Mt 2 0 , 1 - 1 6 ) . In: M . F i s c h e r (Hrsg.). Einer trage des anderen Last. Vom geordneten Dienen in der Gemeinde. Ein diakonischer Predigtband, Berlin 1957,238-241. 8

118

M . Niemöller (In: Gnädiges Jahr), 25.

und die Gicht hätte dich gebrochen in deinen Gliedern - eine Arbeit kannst du doch tun, die Arbeit an dir selbst, daß du als eine Rebe dich anrankst an den Weinstock, daß du die wilden Ranken abschneidest und dich willig in die Kelter Gottes gebest." 9 War es in der Predigt Niemöllers die Situation der Gefangenschaft, so ist es bei Tietsch die des Personalmangels, die die kirchlichen Handlungsmöglichkeiten drastisch einschränkt. Fast wie ein L. Hofacker beschwört der Prediger darum seine Hörer, in der Kirche haupt- oder ehrenamtlich mitzuarbeiten. Zwar behandelt ein längerer Abschnitt auch den Lohn der Arbeit, doch ist - das zeigen ihre letzten Sätze - das Interesse der ganzen Predigt auf die Berufung zur Arbeit konzentriert: „Noch ist es nicht zu spät! Noch ruft Gott. Komm!" 1 0 Auch an die „Parabelpredigt Spannungsfeld

von Glauben

als Beschreibung und Handeln"

christlicher Einstellung

im

ist in neuerer Zeit angeknüpft

worden, namentlich in den Gleichnispredigten, die H . Thielicke in der H a m burger Michaeliskirche gehalten und unter dem Titel „Das Bilderbuch Gottes" 1 1 publiziert hat. Da diese „Reden über die Gleichnisse Jesu" eine gegenüber anderen neueren Parabelpredigten eigene Prägung aufweisen, sollen sie im folgenden gesondert besprochen werden.

Exkurs:

Die Gleichnispredigten H . Thielickes

Das Charakteristikum von Thielickes „Reden" ist in ihrer besonderen Nähe zu den Predigthörern zu sehen, die sich deutlich in der rhetorischen Gestaltung der Predigten manifestiert: Thielicke predigt außergewöhnlich redundant und entfaltet beinahe jeden Gedanken mit Hilfe mehrerer, oft breit ausgeführter Bilder und Beispiele, um seinen Adressaten den hörenden Nachvollzug zu erleichtern. Nicht selten benutzt er das Stilmittel der direkten Rede und bringt so etwaige Einwände seiner Hörer zur Sprache (vgl. S. 17, 43, 97, 104, 123 f., 135, 277). Ein besonderes Kennzeichen der Gleichnispredigten sind schließlich ihre konkreten Zuspitzungen: Thielicke entläßt seine Hörer oft mit sehr detaillierten Hinweisen für die christliche Lebenspraxis, mit Regeln (vgl. S. 77, 92, 157f., 201, 252f., 284, 303), „Rezepten" (S. 124) oder mit der Ermutigung, versuchsweise als Christ zu leben (vgl. S. 174f., 206, 319). - Auch inhaltlich zeichnet sich die Predigtsammlung durch besondere Hörernähe aus : Immer wieder erinnert der Prediger in unterschiedlichen Zusammenhängen an die bei seinen Hörern unmittelbar lebendigen Erfahrungen aus der Kriegs- und Nachkriegszeit, an Bombennächte, Vertreibung und Gefangenschaft. Gerade in diesen Grenzsituationen, so Thielicke, sei manchem Christen die rettende Liebe Gottes erfahrbar geworden, während zugleich die selbst gemachte Religion zerbrach: „Wir alle haben schon einmal erlebt, daß uns alle Sicherungen zerschlagen wurden : Vielleicht war das im Fliegerkrieg, im Gefangenenlager oder auch, als wir eine große Schuld auf uns luden. Und vielleicht haben wir ausgerechnet in solchen Situationen erfahren, wie nah uns 9 10

A . Stöcker, Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 6 , 1 0 6 . A . Tietsch, 241.

H . Thielicke, Das Bilderbuch Gottes. Reden über die Gleichnisse Jesu, Stuttgart 1957, 4. Aufl. 1963. 11

119

der Segen und die Behütung Gottes gerade dann war, wenn wir uns auf keine Dinge und Menschen mehr verlassen konnten. Gerade in solchen Stunden soll die Verheißung Gottes gelten, daß wir dann, wenn wir nichts mehr in Händen haben und keinen Ausweg mehr sehen, alles auf Gott werfen und ihn in einer Ausschließlichkeit wie sonst nie für uns sorgen lassen dürfen" (S. 58, vgl. 42, 120, 167, 201, 212, 220, 245, 262f., 266,273). Neben diesen Reminiszenzen setzt Thielicke sich aber auch kritisch mit Gegenwartsfragen auseinander: Mehrfach benennt er die Sorge der Menschen angesichts der Teilung Deutschlands und der Spannung zwischen den Machtblöcken (vgl. S. 89f., 139, 264) und weist auf die problematischen Implikationen moderner Wissenschaft und Technik hin, die er vor allem im Machbarkeitswahn und im Streben nach Autonomie gegeben sieht (vgl. S. 89f., 139, 264). Ferner thematisiert er oft die berufliche und private Lebensweise des Einzelnen im Zeichen zunehmender Konsumfreudigkeit und liberalisierter Sexualität (vgl. S. 22, 103, 130ff., 139,153). Dabei ist zu beobachten, daß der Prediger solche Lebenspraxis keineswegs einfach diskreditiert, sondern sie zunächst als Seelsorger zu verstehen sucht, um dann die versklavende und zerstörerische Dimension solcher Existenz aufzudecken. Programmatisch beschreibt Thielicke die Bedeutung seines Eingehens auf die homiletische Situation in seiner Predigt zu der Parabel vom ungerechten Haushalter Lk 16,1—9: Nachdem er die Gedankengänge des Protagonisten zunächst nachgezeichnet hat, warnt er seine Hörer davor, sich allzu schnell von solcher Denkweise zu distanzieren und beschreibt, wie etwa freiberuflich tätige Menschen sich gezwungen sehen können, Steuern zu hinterziehen. Anschließend heißt es: „Es ist sicher ungewöhnlich - diese Zwischenbemerkung sei mir erlaubt - , solche Dinge auf der Kanzel zu behandeln. Vielleicht bekommt der Prediger, wenn er solche Fragen berührt, selber schmutzige Hände. Es wäre viel leichter, bei unserem Text nur von der Treue des Haushalteramtes zu sprechen oder von der Treue im kleinen. Es ist ja so leicht, einige Worte aus dem Zusammenhang unseres schweren und harten Textes zu reißen und die Gemeinde damit zu erbauen. Aber der Prediger würde dann wohl das Gefühl nicht ganz los, sich vor einer schweren Aufgabe zu drücken und einen erbaulichen Schwindel zu treiben. Die eben besprochenen Dinge lasten auf unzähligen Gewissen. Darum muß man als Seelsorger davon sprechen. Die Gemeinde muß sich von ihrem Herrn in dieser Not weisen lassen. Sie muß sich sagen lassen, was das heißt, als Kinder des Lichtes mitten in der Welt und im Gemenge mit dem ungerechten Mammon und also mit schmutzigen Händen zu leben - und dennoch fröhlich und unter der vergebenden Güte unseres Herrn zu leben. (...) Wenn nicht alles trügt, werden heutzutage die meisten Nöte mit Gott dort gelitten und die meisten Fluchtversuche gegenüber Gott dort unternommen, wo wir es mit solchen ethischen und höchst diesseitigen und weltlichen Fragen zu tun haben". (S. 136f.) Die ethischen Fragen sind es dann auch, die die Gleichnispredigten Thielickes theologisch in besonderer Weise bestimmen. Zwar hält er unbeirrt an der Prävalenz des Evangeliums vor dem Gesetz fest, doch begegnet nicht selten die Warnung vor der „billigen Gnade" (vgl. S. 280, 302) und der Hinweis, daß christliche Lebenspraxis Arbeit und Anstrengung bedeutet (vgl. S.76f., 170, 196, 254, 264, 301 f.). Dabei werden die unterschiedlichen ethischen Normen durchweg christologisch begründet: Der Christ hat Sorge dafür zu tragen, daß in seiner Existenz die Gnade Gottes zur Wirkung kommt, damit Christus nicht vergeblich gestorben ist (vgl. S. 104,157,222, 235). Ferner begegnet immer wieder die Aufforderung, die Mitmenschen als solche zu

120

begreifen, für die Gott seinen Sohn geopfert hat, und das Handeln an dieser Erkenntnis zu orientieren (vgl. S. 75, 109, 157,188,198, 201, 221, 267). Mit dieser positiven Zielsetzung verbunden ist die permanente Abgrenzung gegen eine verbürgerlichte Religion, die zwar das Christentum als Weltanschauung im Sinne einer Ideologie der Humanität gelten, sich aber durch das Evangelium nicht mehr ernsthaft in Frage stellen läßt: „Wir Menschen neigen ja dazu, uns immer wieder bestimmte Lieblingsideen zu bilden. Zum Beispiel sind wir durchaus damit einverstanden, daß das Christentum eine Religion der ,Liebe' und der .Humanität' sei. Es tut uns gut, inmitten der geschichtlichen Machtkämpfe, inmitten der Auseinandersetzung mit unserer Konkurrenz, inmitten der Nüchternheit der täglichen Tretmühlen davon zu wissen, daß es eine Instanz in der Welt gibt, in der Milde statt Härte, Liebe statt Leistung, Herz statt Verstand gilt. (...) Aber das, was unser Herz so an Wünschen und Träumen aus sich hervorbringt, das ist ja gar nicht Jesus von Nazareth, sondern das sind eben Träume und Schäume, die im Ernstfall zerrinnen" (S. 211 f., vgl. S. 41, 44, 72 f., 91,100,146 f., 150f., 165f., 204f., 216,233f., 260,268). Ein Rezensent des Predigtbandes „Das Bilderbuch Gottes" urteilt: „Man darf die Predigten nicht in der Richtung befragen, was sie zur Einzelauslegung der Gleichnisse austragen. Sie wollen nicht Erläuterung der Einzelheiten der Gleichnisse sein, sondern die in dem Gleichnis ausgesprochene Botschaft in unsere Zeit und Situation hinein sagen" 12 . Diesem Urteil ist in seiner Tendenz zuzustimmen: Es geht nicht an, Predigtkritik auf die Beurteilung der Textauslegung durch den Prediger zu reduzieren 13 . Gleichwohl ist in diesem Zusammenhang nach den hermeneutischen Implikationen zu fragen und zu prüfen, inwiefern sich die einzelnen Predigten nach Form und Inhalt den zu Grunde liegenden Gleichnissen und Parabeln verdanken. Dem Interesse der vorliegenden Untersuchung entsprechend ist dabei das Hauptaugenmerk auf den Umgang mit den Gleichniserzählungen zu richten. - Thielicke selbst benennt mitunter in seinen Predigten die hermeneutischen Voraussetzungen, von denen her er die Parabeln liest. Dabei werden unterschiedliche Ansätze relevant. Auf der einen Seite kommt es ihm darauf an, daß der Gleichnis- und Predigthörer sich in einer der Personen oder Personengruppen der Erzählung wiedererkennt: „Denn man liest die Gleichnisse nur recht..., wenn man sie wie ein Stück Autobiographie liest" (S. 199). Wenn der Hörer seine Rolle gefunden hat (vgl. S. 146), erweist sich die Parabel als ein Spiegel: „Wir machen dann eine merkwürdige Entdeckung: In allen diesen Gestalten schaut uns dann plötzlich unser eigenes Porträt an. In allen diesen Geschichten finden wir den Lageplan unseres Lebens aufgezeichnet..." (S. 15f., vgl. 180). Diesen hermeneutischen Ansatz macht Thielicke in einigen Predigten in besonderer Weise fruchtbar, indem er das Geschehen aus der Perspektive des Protagonisten mit großem Einfühlungsvermögen nachzeichnet und die aktuelle Relevanz des Erzählten behutsam herausarbeitet (vgl. die Predigten zu Lk 15,11—24; Lk 16,1—9; Lk 16,19—31). Neben solcher Erschließung der Parabeln durch das perspektivische Nacherleben der Handlung nennt Thielicke eine weitere Form des Umgangs mit diesen Texten : Die Gleichniserzählungen Jesu bergen, so der Prediger, „Geheimnisse" (S. 205), und sie lassen sich nur aufschließen, wenn man den „springenden Punkt" (S. 129) herausfin12 H . Wenschkewitz, Neuere Bibelauslegungen für die Gemeinde. In: ThLZ 85, 1960, ( 4 1 9 - 4 2 6 ) , 423. 13 In diese Richtung tendiert die Besprechung durch H . Schulte: Christliche Erziehung? II. Teil. Für den Bücherschrank des Religionslehrers (Fortsetzung). In: T h R 2 5 , 1 9 5 9 , 3 3 6 - 3 5 1 .

121

det. Im Zusammenhang mit der Parabel von den Arbeitern im Weinberg heißt es : „Wahrhaftig, dieses Gleichnis ist ein chiffriertes Telegramm. Man versteht es nicht, wenn man den Code nicht kennt. So ist es im Grunde mit allen Gleichnissen Jesu. Es gibt... immer nur einen Punkt, von dem aus siesich erschließen" (S. 164, vgl. 51,149). Hier orientiert Thielicke sich eindeutig an Jülichers Gleichnistheorie, innerhalb derer alles darauf ankommt, daß man das die beiden „Hälften" des Gleichnisses verbindende tertium comparationis findet. Für Jülicher stellen sich die Gleichnisse als Hilfsmittel zur Veranschaulichung allgemeiner Wahrheiten dar, die auch diskursiv aussagbar sind. Auch darin ist Thielicke ihm gefolgt: Aus manchen Gleichniserzählungen werden Lehrsätze herausgefiltert (vgl. S. 175,228,235ff., 252,271 ff.), und es fälltauf, daß sich in beinahe jeder Predigt biblische Bezüge finden, von denen der Prediger meint, sie seien der Aussage des Gleichnisses kongruent (vgl. S. 110, 119, 150, 220, 269,272). Schließlich findet sich in den Predigten immer wieder auch die seit Jülicher diskreditierte allegorische Auslegung einzelner Züge der Gleichniserzählungen (vgl. S. 16, 129, 145, 198, 201 f., 229, 273, 300, 316). - Es ist also festzuhalten, daß die Predigtsammlung „Das Bilderbuch Gottes" keinem einheitlichen hermeneutischen Prinzip verpflichtet ist, das sich in jeder Einzelpredigt verifizieren ließe. Nicht einmal innerhalb der Predigten wird konsequent eine hermeneutische Linie vertreten. Es scheint vielmehr, als mache der Prediger die Wahl der Auslegungsmethode von der jeweiligen homiletischen Zielsetzung abhängig, ein Vorgehen, das aus der Geschichte der Parabelpredigt im 18. und 19. Jahrhundert hinlänglich bekannt ist. Zu fragen ist freilich, ob auf diese Weise die besondere Eigenart der Gattung „Gleichniserzählung" und das Proprium der je einzelnen Parabel genügend zur Geltung gebracht werden kann. Thielicke gelingt es, in seinen Gleichnispredigten theologische und anthropologische Aspekte gleichermaßen zu berücksichtigen, doch geschieht dies nicht im Anschluß an die Art und Weise, wie Theologie und Anthropologie von den Gleichniserzählungen selbst miteinander verschränkt werden. Wenn es richtig ist, daß die Predigten „die in dem Gleichnis ausgesprochene Botschaft in unsere Zeit und Situation hinein sagen (wollen)" 14 , dann ist dieser Anspruch nur partiell erfüllt : Zweifellos ist hier höchste Zeit- und Situationsbezogenheit gegeben, so daß diese Predigten von vielen Hörern in den fünfziger Jahren verstanden wurden und der Sammelband innerhalb kurzer Zeit vier Auflagen erleben konnte. Zu fragen ist jedoch, ob tatsächlich die Botschaft der jeweiligen Parabel oder aber allgemein der auch aus anderen Texten zu erschließende Zuspruch und Anspruch des Evangeliums in diese konkrete Situation hinein verkündigt wurde. Wie nah Thielickes „Reden über die Gleichnisse Jesu" der „Parabelpredigt als Beschreibung christlicher Einstellung im Spannungsfeld von Glauben und Handeln" mitunter sind, zeigt sich exemplarisch an seiner Predigt zu Mt 19,27—20,16 (S. 161 — 176). Ahnlich wie Bitzius und andere nimmt Thielicke die Parabel als geschlossene Konfiguration wahr und konstatiert, „daß die Arbeit im Weinberge stattfindet, daß sie also ein Dienst für den Herrn sein soll und eben darum gar nicht als ,Ver'-dienst aufgefaßt werden kann, daß diese Arbeit vielmehr selber schon ein Geschenk ist und ihren Lohn in sich trägt" (S. 165). Daraus folgt - was in der Predigt allerdings nur angedeutet wird - daß die Empörung der Ganztagsarbeiter als Frucht ihrer falschen Einstellung zu verstehen ist und daß es im Unterschied dazu zentral auf die richtige Einstellung ankommt. Ihrer Beschreibung widmet Thielicke fast ein 14

122

H . Wenschkewitz, 423.

Drittel der Predigt und nennt dabei Aspekte, die an die Predigten von Rothe, Rietschel, Pank, Palmer, M.Frommel u.a. zu demselben Text erinnern: „Die selige Gewißheit..., daß Gott gut ist..., zieht nur dann in mein Herz ein, wenn ich vertraue, daß er über all mein Bitten und Verstehen für seine Kinder sorgt und daß auch ich in dieser Güte geborgen bin. Darum müßte ich, wenn der Neid mich überfällt, einmal mit dem zermürbenden Rechenexempel aufhören, ob Gott dem anderen mehr gegeben habe als mir. Ich sollte ihm stattdessen danken für das, was er mir schenkte... (S. 175. Hervorhebungen durch Verf.)15.

3. Parabelpredigt

im Spannungsfeld von Theologie und

Anthropologie

Die Mehrzahl der neueren Parabelpredigten lehnt sich nicht in der beschriebenen Weise eng an die homiletische Tradition an, doch sind die leitenden Fragestellungen der Parabelpredigt des 18. und 19. Jahrhunderts nach wie vor auch dort aktuell: So wurde etwa an der konfessionell-lutherischen Parabelpredigt das Interesse sichtbar, mit Hilfe der Gleichniserzählung zu theologischen Aussagen zu kommen. Dieses Interesse wird gewahrt von einer Reihe gedruckter Predigten, die in erster Linie den „theologischen Gehalt" der jeweiligen Parabel zur Geltung bringen und daraus Folgerungen für die Lebenswirklichkeit der Hörer ableiten (a). Der Parabelpredigt in Aufklärung und Rationalismus hingegen lag an besonderer Nähe zu ihren Hörern: Um diese zu erreichen, wurde unter anderem versucht, die Wahrheit der Gleichniserzählungen rational zu erweisen. Im weiteren Sinne in dieser Tradition stehen verschiedene neuere Predigten, die in der Parabel anthropologische Strukturen aufspüren und diese primär zu ihrem Thema machen (b). Schließlich und drittens gibt es in neuester Zeit Versuche, in der Parabelpredigt Theologie und Anthropologie so eng aufeinander zu beziehen, daß keiner der beiden Pole vorrangig oder gar allein den Duktus der Predigt bestimmt (c). Dieses Anliegen erinnert an die „Parabelpredigt als Beschreibung christlicher Einstellung im Spannungsfeld von Glauben und Handeln", wie sie im Zusammenhang mit der Predigt der Vermittlungstheologie und der sogenannten „modernen" Predigt begegnete. Weitgehend ohne Analogie ist in den untersuchten Predigten nur die Zielsetzung der „Parabelpredigt als Aufruf zu persönlicher Frömmigkeit", aber vielleicht könnte ein Blick auf die Predigt in den Freikirchen hier eines Besseren belehren.

15

S. o. 94.

123

a) Parabelpredigt als Belehrung über die theologischen der Gleichniserzählung

Aussagen

A. Jülicher hat in seiner Auslegung der Parabel von den Arbeitern im Weinberg diese als „evangelium in nuce" bezeichnet, „das bloß von der Geberireudigkeit Gottes handelt" 16 . Auf dem Hintergrund dieser Deutung erscheint Mt 20,1 — 15 bzw. 16 als ein für dogmatisch geprägte Predigten über die Gnade Gottes geradezu prädestinierter Text, und in der Tat lassen sich eine Reihe gedruckter Predigten zu dieser Perikope finden, die vorwiegend das Thema „sola gratia" behandeln. Dies geschieht oft in der Weise, daß unterschiedliche Aspekte der Gnade Gottes ausgehend von dem in der Parabel erzählten Handeln des Weinbergbesitzers entfaltet werden. Schon die Berufung der Arbeiter in den Weinberg erscheint dann als gnädiges Tun, und erst recht wird natürlich die merkwürdige Auszahlung als Akt der Gnade Gottes interpretiert 17 . Daneben gibt es solche Predigten, die auch auf die Wirkung des „sola gratia" auf den Menschen reflektieren 18 , wobei nicht selten auf eine Predigt Luthers aus der Fastenpostille von 1525 zurückgegriffen wird. Luther spricht dort von der „Mittelstraße" zwischen Vermessenheit und Verzweiflung, auf die der Glaubende durch die Parabel gewiesen werde 19 . Auch die letztgenannten Predigten zu der Parabel von den Arbeitern im Weinberg sind trotz ihrer Hinwendung zum Menschen dogmatisch geprägt, da sich in ihnen Anthropologie primär als theologische Anthropologie präsentiert. Von dogmatischen Überlegungen bestimmte Predigten gibt es, wenn auch bei weitem nicht so häufig wie zu Mt 20,1 — 15 bzw. 16, auch zu der Gleichnis-

A. Jülicher, Gleichnisreden II, 471. Vgl. dazu folgende Predigten: H . A s m u s s e n , Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 6 . In: Gelegen oder ungelegen. Predigten, Stuttgart 1947, 5 1 - 5 4 ; K. Immer, Predigt zu Mt 2 0 , l - 1 6 a . In: J. Beckmann/G. Heidtmann (Hrsg.), Botschafter an Christi Statt. Predigten aus der Evangelischen Kirche im Rheinland, Düsseldorf 1957, 6 2 - 6 4 ; A. Erb, Zu viel... (Mt 2 0 , 1 - 1 6 ) . In: G . Locher u. a. (Hrsg.), Berner Predigten 11,1965, N r . 2, 3 - 1 2 ; F. Hahn, Partner Gottes (Mt 20,1 - 1 5 ) . In: Wo ist Gott? Predigten, Stuttgart/Göttingen 1971, 6 1 - 6 5 . - Auf die Verdeutlichung des „sola gratia" kommt es auch in der narrativen Predigt von W. Motte zu Mt 20,1 — 16 a an : In : H . Nitschke (Hrsg.), Gottesdienste mit Schülern, Gütersloh 1979, 121 — 123. 16

17

18 Vgl. dazu folgende Predigten: R. Bultmann, Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 5 . In: Marburger Predigten, Tübingen 1 9 5 6 , 1 5 9 - 1 6 8 ; F. Heiler, Allein aus Gnade (Mt 2 0 , 1 - 1 6 ) . In: Mysterium Caritatis. Predigten für das Kirchenjahr, München 1949, 97—105; H . Bornkamm, Freie Gnade (Mt 20,1 — 16). In: W.Herbst (Hrsg.), Das Zeugnis der Kirche in der Gegenwart. Ein Jahrgang Predigten, Nürnberg 3. Aufl. 1952, 4 3 6 - 4 4 1 ; H.-W. Bartsch, Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 5 . In: Die Anrede Gottes. Das biblische Wort dem modernen Menschen dargeboten, H a m b u r g 1958, 47—51 ; W. Trillhaas, Die Arbeiter im Weinberg (Mt 20,1 — 15). In : Von den Geheimnissen Gottes. Predigten, Göttingen 1956, 2 8 - 3 1 ; H . Karpp, Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 6 a . In: J. Konrad (Hrsg.), Bonner Universitätspredigten, Neukirchen 1959, 30—35. 19

124

In:WA17II,135-141.

erzählung Lk 10,25—37. Gegenstand der Betrachtung ist hier jedoch weniger die Rechtfertigungs- als die Gotteslehre. Die Prediger entfalten an Hand der Parabel vom barmherzigen Samariter das Bild des menschenfreundlichen, barmherzigen Gottes 20 . Neben den dogmatisch geprägten finden sich in neuerer Zeit auch eine Reihe e t h i s c h ausgerichteter Parabelpredigten, und es überrascht nicht, daß es sich bei ihnen vornehmlich um solche zu der Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter handelt. Diese Parabel ethisch zu predigen, liegt nahe, weil ihr lukanischer Kontext eindeutig in diese Richtung weist: Die Parabel erscheint dort als Antwort auf die Frage des Schriftgelehrten nach dem Nächsten, und der redaktionelle v. 37 beschreibt das Handeln des Samariters als vorbildlich. Hinzu kommt die Tatsache, daß die Gleichnisforschung seit Jülicher die Perikope Lk 10,30—35 als „Beispielerzählung" qualifiziert, eine Beschreibung, deren Legitimität erst in neuester Zeit in Zweifel gezogen wird21. Bei Jülicher heißt es: „An dem Beispiel des Samariters in Lk 10,30ff. wird der Satz veranschaulicht, daß echte, opferfreudige Liebe den höchsten Adel verleiht im Himmel und auf Erden.. ." 22 - Daß die Parabel die Veranschaulichung eines ethischen (Lehr)-Satzes sei, diese Uberzeugung liegt offensichtlich den meisten ethisch orientierten Predigten zu Lk 10,25—37 zu Grunde. Unmittelbar deutlich wird das daran, daß oft die Frage des Schriftgelehrten den Ausgangspunkt der Darlegungen bildet und daß die Predigthörer an seine Seite gestellt werden 23 : Wie der Schriftgelehrte durch die Gleichniserzählung so wird der Hörer durch die Predigt über das Wesen der wahren Nächstenliebe belehrt. Dabei können freilich die Akzente unterschiedlich gesetzt werden: Kommt es einigen Predigern besonders darauf an, daß die Liebe nicht bloße Theorie bleiben darP 4 , so ist anderen im Anschluß an v. 36 2 0 Vgl. dazu folgende Predigten: H . Grüber, Predigt zu L k 10,25—37. In: D o n a nobis pacem! Gesammelte Predigten und Ausätze aus zwanzig Jahren, Berlin o.J., 2 0 6 - 2 1 1 ; A. Schönherr, Predigt zu L k 10,23—37. In: Rede, Herr, denn dein Knecht hört. Ein Jahrgang Predigten, Berlin 1 9 5 5 , 2 2 8 - 2 3 2 ; H . Brosseder, U m Gottes willen den Menschen nicht übersehen! ( L k 1 0 , 3 0 - 3 5 ) . In: O . Fuchs (Hrsg.), Von G o t t predigen, Gütersloh 1 9 8 4 , 1 2 8 - 1 3 0 .

Vgl. W. Harnisch, Gleichniserzählungen, 84—97. A . Jülicher, Gleichnisreden 1,112. 2 3 Vgl. dazu folgende Predigten: H . Bannach, D a liegt einer! ( L k 10,25—37). In: H . Z ä h m t (Hrsg.), Postille 53, H a m b u r g 1 9 5 3 , 1 8 4 - 1 8 7 ; Rißmann, Predigt zu L k 1 0 , 2 8 - 4 2 . In: G . V o i g t (Hrsg.), Sein Heil und Gnaden. Predigten für alle Sonn- und Festtage des Kirchenjahres, Berlin 1 9 5 4 , 1 4 0 - 1 4 5 ; R.W. Solberg, Die Nächsten ( L k 1 0 , 2 3 - 3 7 ) . In: M . Fischer (Hrsg.), Einertrage des anderen Last. Vom geordneten Dienen in der Gemeinde. Ein diakonischer Predigtband, Berlin 1957, 2 3 1 - 2 3 7 ; H . Renkewitz, Gehe hin und tue desgleichen ( L k 1 0 , 2 3 - 3 7 ) , a.a.O. 208—214. D o r t heißt es explizit: „ D a m i t stehen wir just dort, w o der fragende Theologe und Jurist hier steht." (209); F. V.Bodelschwingh, Die falsch gestellte Frage ( L k 1 0 , 2 5 - 3 7 ) . In: Zeichen der H o f f n u n g . Predigten 1 9 6 6 - 1 9 6 8 , Bethel 1968, 8 6 - 9 3 . 21

22

24

Vgl. dazu folgende Predigten: E. Brunner, D e r barmherzige Samariter ( L k 10,25—37). In:

125

der Hinweis wichtig, daß nicht der Hilfsbedürftige, sondern der Helfende der „Nächste" ist 25 . Wieder andere Prediger insistieren mit Nachdruck darauf, daß Nächstenliebe keineswegs nur den leiblichen, sondern auch den geistig-seelischen Bereich umfaßt 26 . Nahezu allen untersuchten ethisch ausgerichteten Predigten zu der Parabel vom barmherzigen Samariter ist gemeinsam, daß die Aussagen über die Nächstenliebe christologisch begründet werden, um so der Gefahr der Gesetzlichkeit zu entgehen 27 . - Homiletisch wirkt sich der beschriebene Umgang mit der Gleichniserzählung in der Weise aus, daß die Predigten sich häufig eher als Darlegung ethischer Sachzusammenhänge denn als an die Hörer gerichtete Paränese präsentieren. Nicht nur die „Beispielerzählung" vom barmherzigen Samariter, sondern auch die Parabel von den Arbeitern im Weinberg wird in neuerer Zeit gelegentlich mit ethischer Ausrichtung gepredigt. Só finden sich seit etwa 1960 einzelne gedruckte Predigten zu Mt 2 0 , 1 - 1 5 bzw. 16, die aus der theologischen Aussage der Gleichniserzählung ethische Konsequenzen ableiten; inhaltlich geht es hier meist um die Solidarität unter den Menschen 28 . Programmatisch formuliert wird das Anliegen in folgender Vorbemerkung zu einer Predigt: „Ziel dieser Predigt ist zu zeigen, wie die Botschaft von der Menschenfreundlichkeit Gottes eine notwendige und doch zugleich begrenzte Verhaltensweise im menschlichen Miteinander berührt und den Impuls zur Ergänzung/Änderung dieser Verhaltensweise geben kann." 2 9 Diese Beschreibung kann als für andere ethische Predigten zum Text exemplarisch angesehen werden, insofern sie als Ziel der Predigt ein „Zeigen" und also eine Saat und Frucht. Zehn Predigten über die Gleichnisse Jesu, Zürich 1946, 73—86; E. Mülhaupt, Christentum der Tat! Aber wie? (Lk 1 0 , 2 3 - 3 7 ) . In: Evangelisch leben! Predigten mit Luthers Hilfe, Göttingen 1 9 5 4 , 7 0 - 7 3 ; R. W. Solberg; H . Renkewitz; Th. Sorg, Zwischen Jerusalem und Jericho (Lk 1 0 , 2 5 - 3 7 ) . In: Theol. Beiträge 14, 1983, 1 - 5 . 2 5 Vgl. dazu folgende Predigten: F. Heiler, Samariterliebe (Lk 10,25—37). In: Mysterium Caritatis. Predigten für das Kirchenjahr, München 1949, 384—391; H . Bannach; R. Bösinger, Die bestürzende N ä h e des ewigen Lebens (Lk 10,25—37). In: U m die Mitte des Jahrhunderts gepredigt. Eine Predigtreihe für alle Sonn- und Festtage des Jahres über die Texte der altkirchlichen Evangelien, Lahr 1 9 6 0 , 2 6 6 - 2 7 0 ; F. v. Bodelschwingh. 2 6 Vgl. die Predigt von R.W. Solberg, ferner: F.Heiler, Die Kirche als Samariterin (Lk 10,23—37). In: Ecclesia Caritatis. Ökumenische Predigten für das Kirchenjahr, Marburg 1964, 240-243. 2 7 Zur Funktion der Christologie in der Parabelpredigt s. u. 143 ff. 2 8 Vgl. dazu folgende Predigten: R. Bösinger, Der himmlische Tarif (Mt 20,1 — 15). In: U m die Mitte des Jahrhunderts gepredigt. Eine Predigtreihe für alle Sonn- und Festtage des Jahres über die Texte der altkirchlichen Evangelien, Lahr 1960,94 - 98 ; G . Kohlhaase, Die andere Gerechtigkeit (Mt 20,1 - 1 5 ) . In : Predigt im Gespräch 15,1968 ; P. Stuhlmacher, Predigt zu Mt 20,1 - 1 5 . In : Predigten für jedermann 17,1970, N r . 5, 3 - 8 ; Gottes Barmherzigkeit (Mt 2 0 , 1 - 1 6 ) . In: H . Arens u. a. (Hrsg.), Die Predigt vom menschenfreundlichen Gott. Gebote und Leid als Prüfsteine der Verkündigung, München 1980,51—55. 29

126

A . a . O . 51.

Belehrung der Predigthörer über einen - in diesem Fall ethischen - Sachverhalt benennt. Insgesamt ist festzuhalten, daß die genannten Parabelpredigten ihren H ö rern in erster Linie den theologischen Gehalt der jeweiligen Gleichniserzählung zur Kenntnis bringen wollen, sei dieser nun dogmatischer oder ethischer Art. Daraus ergibt sich für die Predigt inhaltlich eine deduktive Struktur: D i e Parabel wird in der Regel auf einen oder mehrere theologische Sätze reduziert, die dann gleichsam auf die H ö r e r hin „verlängert" werden. Es liegt auf der Hand, daß dem Situationsbezug in diesen Predigten ein vergleichsweise untergeordneter Stellenwert zukommt. Sofern die homiletische Situation überhaupt Berücksichtigung findet, geschieht dies vielfach in sehr allgemeiner Weise: So wird etwa des öfteren vage von einer alle Menschen umtreibenden Suche nach Sinn gesprochen, die auf dem Hintergrund der in der Parabel gemachten theologischen Aussagen zu ihrem Ziel komme 3 0 . Daneben finden sich in den theologisch geprägten Parabelpredigten zwar mitunter auch konkretere Hinweise auf die Hörersituation, doch sind diese gewöhnlich innerhalb des dogmatischen oder ethischen Gedankengangs funktionalisiert: Sie dienen dann entweder als negative Folie, auf deren Hintergrund der theologische Gedanke entwickelt wird 3 1 , oder aber sie haben die Funktion von Beispielen, die das Gemeinte veranschaulichen sollen 3 2 . In beiden Fällen k o m m t der homiletischen Situation kaum konstitutive Bedeutung für den Duktus der Predigt zu; Tradition und Situation sind nicht wirklich miteinander „versprochen" 3 3 .

Exkurs:

D i e Bedeutung der Hermeneutik A . Jülichers für die neuere Parabelpredigt

Im Verlauf der bisherigen Darlegungen wurde mehrfach am Rande darauf hingewiesen, daß jene neueren Parabelpredigten, die primär den theologischen Gehalt der jeweiligen Gleichniserzählung zur Geltung bringen, im Zusammenhang mit Jülichers Standardwerk „Die Gleichnisreden Jesu" zu sehen sind. Dieser Hinweis bedarf der Begründung und Präzisierung. Grundlegend für die bahnbrechende Neuorientierung in der Gleichnisforschung um die Jahrhundertwende ist Jülichers Auffassung, daß die Gleichnisrede generell als rhetorisches Mittel zu verstehen sei und daß ihr folglich ein argumentatives Interesse 3 0 Vgl. dazu: H . Renkewitz, 2 0 9 f . ; W. Trillhaas, 2 9 ; K. Immer, 621 ; F. Dürst, Arbeitgeber, 4 4 ; F . H a h n , 62 f. 31

Vgl. dazu: K. Immer, 6 2 ; H . Bornkamm, 5 2 5 ; E.Mülhaupt, 71.

Vgl.dazu: A . E r b , 8 f . ; F . H a h n , 6 4 ; H . G r ü b e r , 2 0 6 f . ; G . K o h l h a a s e , 3 f . ; F . H e i l e r , S a m a r i terliebe, 3 8 9 f. ; H . Bannach, 1 8 7 ; R. Bösinger, Nähe, 2 6 8 ; F. Heiler, Kirche, 242 f. 32

33

Vgl. E . Lange, Theorie und Praxis, 27.

127

innewohne. So heißt es im Anschluß an Aristoteles, der in seiner Rhetorik die Parabel unter die Beweismittel rechnet: „Er hat Recht; was die Vergleichung dem einzelnen Begriffe leistet, nämlich die Vorstellung von demselben durch fremde Hilfe zu unterstützen, zu beleben, zu läutern, das leistet das Gleichnis dem Satze, dem Urteil, das doch jeder Satz enthält, es unterstützt dies Urteil und macht es einleuchtend." 34 Diese hermeneutische Verankerung der Gleichnisrede in der Rhetorik hat für die weitere Entfaltung der Theorie Jülichers Konsequenzen: So muß er grundsätzlich das Verständnis der Gleichnisrede als einer verhüllenden und damit Zug um Zug der Deutung bedürftigen Allegorie entschieden zurückweisen: „Illustrare ist die Tendenz des Gleichnisses (...) Ein Gleichnis deuten - welch ein Gedanke!" 3 5 Anders als die Allegorie sei die Gleichnisrede überhaupt und mit ihr auch die als „Gleichnis", „Parabel" und „Beispielerzählung" vorliegende Gleichnisrede Jesu als zweigliedrige, aus einer Bild- und einer Sachhälfte zusammengesetzte Figur zu begreifen: Der Hörer soll das ihm auf der Bildebene nahegelegte Urteil auf der Sachebene in gleicher Weise vollziehen. Das aber bedeutet nach Auffassung Jülichers, daß die Gleichnisrede im Unterschied zur Allegorie nur einen Grundgedanken beleuchtet, das beide Ebenen verbindende tertium comparationis. Für die Parabeln der Evangelien wird das Verhältnis von Bildhälfte und Sachhälfte in folgender Weise präzisiert: „Die evangelischen Parabeln... haben Verhältnisse des religiös-sittlichen Lebens im Auge, die sie durch Herbeiziehung ähnlicher Verhältnisse auf niederen Gebieten zu beleuchten suchen." 36 Freilich, so Jülicher, sei die Sachhälfte der Parabeln in der Regel nur hypothetisch zu benennen, weil die ursprünglichen Anlässe der einzelnen Gleichnisreden kaum mehr mit Sicherheit zu rekonstruieren sind: „Für gewöhnlich ist der Nagel, an den Jesus selber die Parabel gehängt hatte, ausgerissen und verloren gegangen. Öfter sogar als bei den ,Gleichnissen' wird uns hier nur noch die eine Hälfte, die man sich freilich gewöhnt hat, statt des Ganzen schon,Parabel' zu nennen, überliefert; allein der Schaden ist zu ertragen, weil wir wissen, daß jedes Wort Jesu der Erziehung zum Himmelreiche galt, und wo und wie er auch lehrte, es waren Verhältnisse des Himmelreichs, über die er Belehrung spendete." 37 Es ist hier nicht der Ort, Jülichers Gleichnistheorie unter hermeneutischen Gesichtspunkten der Kritik zu unterziehen38, wohl aber sind die Wirkungen zu untersuchen, die sein in der neutestamentlichen Wissenschaft weithin rezipierter Ansatz auf die Predigt von Gleichniserzählungen ausgeübt hat und gewiß auch heute noch ausübt. Zwar wäre es eine unsachgemäße Abstraktion, zu meinen, die Prediger von Gleichniserzählungen hätten Jülichers Theorie geradewegs in Predigt „umgesetzt", denn bekanntlich sind hermeneutische Überlegungen nur eine Determinante auf dem Weg zur Predigt. Gleichwohl lassen sich an einer ganzen Reihe jüngerer Parabelpredigten auffällige und gegenüber der Predigt des 19. Jahrhunderts neue gemeinsame Merkmale beobachten, deren Ursprung in der Gleichnistheorie Jülichers mindestens wahrscheinlich A. Jülicher, Gleichnisreden I, 71. A . a . O . 73. 3 6 A . a . O . 101. 3 7 A . a . O . 104 f. 3 8 Diese Kritik ist nachzulesen bei D . O . Via, 88ff.; H.Weder, Die Gleichnisse Jesu als Metaphern. Traditions- und redaktionsgeschichtliche Analysen und Interpretationen, Göttingen, 3. Aufl. 1984, 16 f. ; W. Harnisch, Die Sprachkraft der Analogie. Zur These vom .argumentativen Charakter' der Gleichnisse Jesu. In: Ders. (Hrsg.), Gleichnisse Jesu, 3 9 0 - 4 1 3 ; Ders., Gleichniserzählungen, 118—125. 34 35

128

zu machen ist. Das gilt zunächst negativ für das deutliche Zurücktreten der allegorischen Auslegung von Gleichniserzählungen in der Predigt. Zwar konnte bereits für frühere Weisen der Parabelpredigt nachgewiesen werden, daß die Allegorese durchaus nicht immer angewandt 3 9 und im Falle ihrer Anwendung durchaus nicht immer konsequent durchgeführt wurde 4 0 , aber der Grund dafür war dort primär in der jeweiligen homiletischen Zielsetzung der Predigten zu suchen. In neuerer Zeit hingegen wird die Allegorese auch bei unterschiedlichen homiletischen Intentionen weitgehend vermieden: Offenbar ist sie als Auslegungsmethode in Mißkredit geraten. Diese mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Jülicher zurückgehende Entwicklung kann in homiletischer Hinsicht nur positiv bewertet werden: Die oftmals ermüdende Spekulation um die Bedeutung einzelner Motive der Parabel 41 ist einem insgesamt freieren Umgang der Prediger mit der Gleichniserzählung gewichen. Vor allem aber gewinnt die einzelne Parabelpredigt an thematischer Geschlossenheit. Die Feststellung, daß die Allegorese in der neueren Parabelpredigt zurücktritt, bedeutet aber nun keineswegs, daß sie abrupt und vollständig aufgehört hat, seit Jülicher mit seinem Verdikt auf den Plan getreten ist. Immer wieder werden auch noch in neuester Zeit Einzelmotive der Parabel ausgelegt 42 , ein Verfahren, das aber auch Jülicher selbst nicht unbedingt ausschließt. Offenbar in dem Wissen darum, daß seine Theorie, das Gleichnis beleuchte nur einen Gedanken, sich in der Predigt nicht puristisch durchführen läßt, schreibt er: „Unwillkürlich wird man bei der homiletischen Behandlung der Parabeln nach weiteren Verbindungslinien zwischen Bild- und Sachhälfte suchen." 4 3 Die beschriebene erste Beobachtung zu den Auswirkungen der Gleichnistheorie Jülichers auf die neuere Parabelpredigt - das Zurücktreten allegorischer Auslegung betrifft fast alle hier untersuchten Predigten von Gleichniserzählungen. Verschiedene von ihnen scheinen aber nun noch einmal in ganz besonderer Weise von Jülicher beeinflußt zu sein, und es überrascht kaum, daß es sich dabei um jene Parabelpredigten handelt, die ihren Hörern primär den theologischen Gehalt der jeweiligen Gleichniserzählung vermitteln. Die Ursache für die besondere Prägung dieser Predigten liegt vermutlich in der Auffassung von der Parabel als rhetorischer Sprachform, wobei freilich von Jülicher ein verkürztes Rhetorikverständnis zu Grunde gelegt wird. Das Ziel rhetorischer Bemühungen besteht für ihn primär darin, den Hörern einen Sachverhalt plausibel und akzeptabel zu machen. Dies aber impliziert, daß der Inhalt einer Rede nicht notwendig auf eine bestimmte Form angewiesen, sondern auch abgelöst von ihr aussagbar ist. Rhetorik wird mithin ausschließlich formal verstanden, die Form aber wird abgewertet. Dies zeigt sich deutlich, wenn Jülicher die die „religös-sittlichen Verhältnisse" beschreibende „Sachhälfte" der Parabel als „höhere", die „Bildhälfte" dagegen als „niedere" Ebene versteht 44 . Wo die GleichniserzähS . o . 40. S . o . 57. 41 Bei vielen älteren Predigten zu Mt 20,1 — 16 etwa stellte - wie beschrieben - vor allem die Deutung des Denars ein Problem dar, das in aller Breite diskutiert wurde. 4 2 Vgl. dazu folgende Predigten: H . A s m u s s e n ; K . I m m e r ; A . E r b ; F . H a h n , W.Trillhaas; R. Bösinger, Tarif. 4 3 A. Jülicher, Gleichnisreden I, 108. - Zwar behauptet Jülicher, es handle sich hier nicht um eine Ersetzung parabolischer Ähnlichkeit durch allegorische Identifikation, aber in der Praxis der Auslegung dürfte dieser Unterschied unkenntlich werden. 4 4 Vgl. a.a.O. 101. 39 40

129

lungen Jesu in der Predigt auf diesem Hintergrund ausgelegt werden, liegt es nahe, gleichsam durch die Form der Parabeln hindurch auf ihren Inhalt zu schauen und ihre „Lehren" 45 oder „Botschaften" 46 zu benennen; die Erzählung wird sehr schnell in Richtung auf die vermeintlich höhere, theologische Ebene verlassen. In einer Reihe neuerer Predigten zu der Parabel von den Arbeitern im Weinberg fällt der schon fast stereotyp wirkende Hinweis auf, in der Parabel gehe es nicht etwa um irdische Verhältnisse, sondern um das Himmelreich 47 . Stellvertretend für andere seien die ersten Sätze einer Predigt zitiert: „Arbeitsrechtlich gesehen ist dieses Verhalten des Grundbesitzers ein Skandal. Wäre das heute passiert, dann hätten sich die Landwirtschaftskammer und die zuständige Gewerkschaft empört eingeschaltet, und die Bildzeitung hätte Anlaß zu einer fetten Schlagzeile gehabt - etwa: Unglaublicher Lohnskandal! Oder: Ungerechtigkeit stinkt zum Himmel! Oder: Gleichberechtigung am falschen Platz! - Diese Einwände träfen zu, diese Empörung wäre durchaus berechtigt, wenn Jesus mit diesem Gleichnis zur Frage des gerechten Lohnes oder zu einer ähnlichen ökonomischen Frage hätte Stellung nehmen wollen. Aber es geht hier gar nicht um landwirtschaftlich ökonomische Probleme - es geht um ,reichgotteswirtschaftliche' Fragen." 48 Es liegt auf der Hand, daß dieses frühe Sich-Abwenden des Predigers von dem Erzählstoff gravierende homiletische Konsequenzen haben muß. Wo die Gleichniserzählung hermeneutisch und dann auch homiletisch für kaum bedeutsam gehalten wird, da kann die Predigt nicht von deren Spannung und Dynamik profitieren, und es besteht die Gefahr, daß Parabelpredigt ein steriles und langweiliges Unternehmen wird. Zum andern ist der Horizont, in dem der Predigthörer von der Parabelpredigt angesprochen werden kann, auf einen sehr engen, nämlich den intellektuellen Sektor und dort wiederum auf das theologische Verstehen begrenzt. - Neben der lehrhaften Intention und der theologischen Prägung wurde als weiteres und mit den ersten beiden Beobachtungen zusammenhängendes Merkmal der oben beschriebenen Gruppe neuerer Parabelpredigten die vergleichsweise untergeordnete Bedeutung der homiletischen Situation für den Duktus der Predigt genannt; sie kommt in der Predigt oft gar nicht zum Zuge oder wird im Blick auf die theologische Aussage funktionalisiert. Auch dieses Merkmal läßt sich möglicherweise mit Jülichers Hermeneutik der Gleichnisrede in Verbindung bringen. Zwar betont er im Anschluß an seine These von der „Zweigliedrigkeit" der Gleichnisreden, daß letztere erst dann wirklich verstanden sind, wenn ihr historischer Kontext erhellt ist und unterstreicht damit die enge Zusammengehörigkeit der Erzählung mit einer bestimmten Situation. Da diese historische Situation jedoch kaum mehr zu eruieren ist, hilft sich Jülicher mit der Behauptung, es gehe in den Parabeln eigentlich immer allgemein um die Beleuchtung des „religiös-sittlichen Lebens" bzw. des Himmelreiches: „Die Deutung der Parabel kann nur in einer allgemeinen Wahrheit liegen, die aus der Übertragung der dargestellten Regel auf das Gebiet des religiös-sittlichen

4 5 R. Bultmann, Predigt zu Mt 20,1 - 1 5 . Vgl. W. Trillhaas; F. Heiler, Samariterliebe; H . Renkewitz.

F. Hahn. Vgl. K . Immer. Diese Beobachtung betrifft nicht die Predigten zu L k 1 0 , 2 5 - 3 7 , denn die Gleichniserzählung v o m barmherzigen Samariter gilt als „Beispielerzählung", in der Bild- und Sachhälfte zusammenfallen. Vgl. A . Jülicher, Gleichnisreden 1 , 1 1 2 ff. 46 47

4 8 F. Hahn, 61 f. Vgl. A . Erb, 6 ; R. Bultmann, Predigt zu Mt 20,1 - 1 5 , 1 6 0 f . ; F. Heiler, Gnade, 3 3 6 f . ; H . Bornkamm, 534; W. Bartsch, 4 7 ; W.Trillhaas, 31 ; H . Karpp, 3 0 f . ; G. Kohlhaase, 2 f .

130

Lebens, auf die Ordnungen des Gottesreiches sich ergibt." 49 Diese These impliziert nun doch eine relative Situationsunabhängigkeit und Zeitlosigkeit der „Lehre" der Parabel, und so überrascht es nicht, wenn in vermutlich von Jülichers Hermeneutik der Gleichnisrede beeinflußten Parabelpredigten der homiletischen Situation kaum konstitutive Bedeutung zuerkannt wird. Wenn es richtig ist, daß die beschriebenen homiletischen Merkmale vieler neuerer Parabelpredigten in einem Zusammenhang mit dem den meisten Predigern vermutlich wohlbekannten Werk Jülichers stehen, dann ist zu konstatieren, daß Jülichers Entwurf sich zwar stark auf die Parabelpredigt ausgewirkt hat, daß diese homiletischen Auswirkungen aber kritisch zu beurteilen sind. Schwieriger als die Wirkungen von Jülichers Entwurf sind Spuren der Gleichnistheorie von J. Jeremias in neueren Parabelpredigten nachzuweisen. Im Unterschied zu Jülicher sieht Jeremias in den Gleichnissen Jesu nicht eine allgemeine Wahrheit repräsentiert, sondern er bindet sie in ihrer Aussage an den Kontext des Lebens Jesu. Damit hängt zusammen, daß auch ihre eschatologische Dimension stärker als bei Jülicher zur Geltung gebracht wird. Dieses Moment freilich läßt sich in den untersuchten Predigten kaum wiederfinden und beschreiben. - Mit Sicherheit kaum rezipiert wurde der von Jeremias proklamierte Gedanke, die ipsissima vox Jesu müsse neu zu Gehör gebracht werden: „Zurück zum ureigenen Wort Jesu heißt die Aufgabe! Welch großes Geschenk, wenn es gelingt, hier und da hinter dem Schleier (sc. der urkirchlichen Redaktion) das Antlitz des Menschensohnes wiederzufinden! Auf sein Wort kommt alles an. Erst die Begegnung mit ihm gibt unserer Verkündigung Vollmacht!" 50 Eine direkte Wirkung dieser von Jeremias an Exegeten und Prediger gerichteten Appelle auf die untersuchten Predigten zu Mt 20,1 — 15 (16) und Lk 10,25—37 ist mit einer Ausnahme51 nicht zu verifizieren. Gleichwohl wird man nicht urteilen dürfen, daß die Gleichnistheorie von J.Jeremias gänzlich ohne Wirkung auf die Prediger geblieben wäre. Das Buch ist über mehrere Jahrzehnte hinweg ein theologisches Standardwerk gewesen, und wahrscheinlich ist es ihm überhaupt erst zu verdanken, daß die Einsicht Jülichers in den nicht-allegorischen Charakter der Gleichnisse auch unter Predigern zum Allgemeingut wurde.

b) Parabelpredigt als Belehrung über die anthropologischen der Gleichniserzählung

Aussagen

Neben jenen neueren Predigten, die ihren H ö r e r n vor allem den theologischen Gehalt der jeweils zu Grunde gelegten Gleichniserzählung Jesu zur Kenntnis bringen wollen, ist etwa seit Mitte der sechziger Jahre eine weitere, geradezu gegenläufige Tendenz in der Parabelpredigt zu beobachten. Diese Tendenz manifestiert sich in einer Reihe von Predigten, die im Zusammenhang mit der Gleichniserzählung primär Aussagen über den Menschen und 49

A . Jülicher, Gleichnisreden 1 , 1 0 5 .

J.Jeremias, Gleichnisse, 114. 5 1 Diese Ausnahme ist F. Heiler. In seinen Predigten zu Mt 20,1 —16 und L k 10,23—37 (Kirche) rekurriert er jeweils auf die ursprüngliche Redesituation der Parabel. In beiden Fällen sind die diesbezüglichen Aussagen jedoch nicht konstitutiv für den Duktus der Predigt. 50

131

seine Lebenswirklichkeit machen, kurzum stärker anthropologisch orientiert sind52. Anders als in den deutlich theologisch geprägten Parabelpredigten tritt hier die ausführliche Behandlung dogmatischer oder ethischer zugunsten psychologischer, soziologischer und politischer Inhalte zurück. Sodann fällt auf, daß die homiletische Situation in der Regel stärker und in anderer Weise zur Geltung gebracht wird, als dies in den bisher besprochenen neueren Parabelpredigten geschieht, und damit hängt drittens die hohe Konkretion zusammen, die die Aussagen dieser Predigten weithin kennzeichnet. Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die politischen Predigten: So wird vor allem im Anschluß an Lk 10,25 — 37 immer wieder darauf hingewiesen, daß Nächstenliebe keineswegs nur individuell zu verstehen und zu praktizieren ist, sondern politische Dimensionen hat 53 und daß hier wiederum nicht allein die Linderung der Not, sondern in gleicher Weise die Ursachenbekämpfung gefordert ist54. Die Parabel von den Arbeitern im Weinberg indes gibt einer Reihe von Predigern Anlaß, über die Klassen- und Leistungsgesellschaft nachzudenken und deren menschenzerstörende Implikationen offenzulegen 55 . Neben den politischen finden sich sodann auch Parabelpredigten, die mit Hilfe der Gleichniserzählung die Bedeutung kirchlicher Feste für die Pre52 Hier liegen der Untersuchung folgende Predigten zu Grunde: K.-P. Jörns, Unser Kreuz (Mt 2 0 , 1 - 1 5 ) . In: H.Nitschke (Hrsg.), Das Wort vom Kreuz heute gesagt. Predigten der Gegenwart, Gütersloh 1973, 3 5 - 3 8 ; W. Braselmann, Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 6 . In: H . G . Geyer u. a. (Hrsg.), „Wenn nicht jetzt, wann dann?" FS H.-J. Kraus zum 65. Geburtstag, Neukirchen 1 9 8 3 , 4 9 3 - 4 9 6 ; H. A. j0rgensen, Der gnädige Kapitalist (Mt 20,1 - 1 6 ) . In: I. Reicke u. a. (Hrsg.), Steh auf Nordwind... Skandinavische Predigten und Meditationen aus neuerer Zeit, Konstanz 1981, 77—81 ; H. Gollwitzer, Wider die Leistungsgesellschaft ( M t 2 0 , l - 1 5 ) . I n : Veränderung im Diesseits. Politische Predigten, München 1973,104 - 1 1 1 ; H. Albertz, Predigt z u M t 2 0 , l - 1 6 . I n : Diesseits von Eden, Stuttgart 1979, 33—38; W.H. Hartley, Der barmherzige Samariter (Lk 10,25-37). In: G. Bassarak (Hrsg.), Einheit und Frieden. Ökumenische Predigten, Berlin 1976, 1 4 5 - 1 5 0 ; M. Mezger, Der Außenseiter (Lk 10,25—37). In: Freude am Wort. Predigten, Gütersloh 1975, 5 7 - 6 2 ; H.Thielicke, Wo ist mein Mitmensch? (Lk 10,25-37). In: Und wenn Gott wäre... Reden über die Frage nach Gott, Stuttgart 1 9 7 0 , 1 5 3 - 1 6 7 ; Th. Krummenacher, Predigt zu Lk 10,25-37. In: H.Nitschke (Hrsg.), Worte am Sonntag heute gesagt. Predigten der Gegenwart I. Perikopenreihe, Bd. 3, Gütersloh 1973,35—38; M. Tschabold, Zum Thema: Nächstenliebe politisch (Lk 10,25—37). In: H.Nitschke (Hrsg.), Worte zur Lage heute gesagt. Politische Predigten, Gütersloh 1 9 7 2 , 1 4 3 - 1 4 6 ; B. Lanz, Weihnachten: Der barmherzige Samariter kommt zu uns! (Lk 10,30—37). In: Neu machst du alles, 53 Predigten von Schweizer Pfarrern, St.Gallen, 1965, 409—415; G.Hammerschmidt, Der barmherzige Samariter (Lk 10,25-37). In: Schulandachten, Gütersloh 1965, 8 2 - 8 8 . - Zwar nicht zeitlich, aber sachlich gehört in den vorliegenden Zusammenhang: K. Münk, Der barmherzige Samariter (Lk 10,23-37). In: Bekenntnis zur Wahrheit, Zürich 1944, 7 2 - 7 7 . 5 3 Vgl. W.H. Hartley, 149; Th. Krummenacher, 37; H.Thielicke, Mitmensch, K. Münk, 74 f. ; M. Tschabold, 145 f. 5 4 Vgl. H.Thielicke, Mitmensch, 163; M.Tschabold, 144f.; M. Mezger, 60f. 5 5 Vgl. H. Albertz, 34; H. Gollwitzer, 110; H . A . Jergensen, passim.

132

162f.;

digthörer darlegen, so etwa eine Karfreitagspredigt zu Mt 20,1 —1556 und eine Weihnachtspredigt zu Lk 10,30—3757. - Die genannten Predigten sind zwar offenkundig anthropologisch ausgerichtet, doch bedeutet dies nicht, daß sie auch als Dialog mit den Predigthörern gestaltet bzw. als Ermutigung zu einem solchen Dialog zu verstehen wären. Vielmehr dominiert hier wie in den theologisch geprägten Parabelpredigten das Moment der Belehrung. Die Hörer sollen im Blick auf den Zusammenhang von Evangelium und Politik informiert werden, so daß auch in diesen Predigten primär der Intellekt angesprochen ist. Auch hier werden vor allem Kenntnisse vermittelt, nur daß diese nun eben nicht bzw. nicht in erster Linie dogmatischer oder ethischer Natur sind. Daß die Predigt dabei zum Monolog geraten kann, zeigt sich in den mitunter nicht hinreichend differenzierten Aussagen über die Predigthörer 58 . Was den Umgang der anthropologisch ausgerichteten Parabelpredigten mit der Gleichniserzählung betrifft, so ist zunächst zu konstatieren, daß es hier keineswegs ein hermeneutisches Grundmuster gibt, nach dem die Prediger verfahren. Anders als bei den stärker theologisch geprägten Predigten, für die ein Zusammenhang mit Jülichers Hermeneutik der Gleichnisrede wahrscheinlich gemacht werden konnte, gibt es hier eine Fülle unterschiedlicher Zugangsweisen zu der jeweiligen Parabel. Einige wiederkehrende Grundmotive seien im folgenden skizziert: Es wurde oben darauf hingewiesen, daß jene Prediger, die ihren Hörern den theologischen Gehalt der Parabel von den Arbeitern im Weinberg zur Kenntnis bringen wollen, oft sehr rasch die Ebene der Erzählung mit dem Argument verlassen, es gehe in der Parabel nicht um alltägliche Zusammenhänge, sondern um die Verhältnisse im H i m melreich. Daß eine Predigt mit primär anthropologischem Interesse hier diametral entgegengesetzt verfahren muß, liegt auf der Hand, und so kommt es hier gelegentlich zu programmatischen Aussagen wie: Das Gleichnis ist „brennende Gegenwart" 5 9 oder: „(Das Gleichnis) befaßt sich mit einem der alltäglichsten Probleme - unserer täglichen Kommunikation mit anderen Leuten." 60 In der Regel allerdings wird die Alternative „Himmelreich oder Alltag" gar nicht explizit benannt, sondern die Parabel sogleich im Horizont des Alltags ausgelegt. Diese Auslegung kann in unterschiedlicher Weise K.-P. Jörns. B.Lanz. 5 8 Vgl. etwa K.-P. Jörns, 36: „Söhne Gottes wollen w i r ja alle gerne sein und heißen. A b e r gleichsein mit allen anderen wollen wir nicht, weil wir stets mehr sein und mehr haben wollen als andere." O d e r G.Hammerschmidt, 8 6 f . : „So wird uns also durch dieses Gleichnis unsere Situation ganz deutlich: seit Kain ist jeder von uns der Mörder des anderen." 56 57

59 60

H. Albertz, 36. W . H . H a r t l e y , 145.

133

erfolgen: So wird in verschiedenen Predigten Aeri Akteuren der Gleichniserzählung, ihrem Denken, Fühlen, Leiden und Hoffen besondere Aufmerksamkeit geschenkt und dieses auf gegenwärtig lebende Menschen oder Menschengruppen übertragen 61 ; dabei kann der Predigthörer entweder auf die Identifikation mit einem Akteur bzw. mit einer Gruppe von Akteuren festgelegt werden 62 , oder aber er wird im Verlauf der Predigt verschiedenen Personen der Parabel parallelisiert 63 . Bei einer solchen psychologisierenden Auslegung besteht freilich die Gefahr, daß den Handlungsträgern der Gleichniserzählung Gedanken und Gefühle unterstellt werden, an denen die Parabel selbst in keiner Weise interessiert ist 64 . Sie zeichnet sich im Gegenteil gerade dadurch aus, daß sie dramatische Erzählung ist und daß es mithin primär auf das Handeln der Personen ankommt. Ebenfalls gesprengt wird die geschlossene Konfiguration der dramatischen Gleichniserzählung durch eint politisierende Auslegung: So wird in verschiedenen Predigten zu Mt 20,1 — 15 bzw. 16 die Gleichniserzählung unter dem Aspekt von Reichtum und Armut verhandelt 65 , ja geradezu als Widerspruch Jesu gegen die Klassengesellschaft interpretiert 66 , und in einigen Predigten zu L k 10,25—37 werden Personen der Parabel mit gesellschaftlichen Gruppen gleichgesetzt 67 . Hier kann es zu einer Uberakzentuierung von in der Gleichniserzählung unbetonten Motiven oder gar zum Eintrag völlig fremder Gedanken kommen 6 8 . - Dasselbe gilt schließlich von der kasusbezogenen Interpretation, die in der Gleichniserzählung solche Momente aufsucht und betont, die nach Meinung des Predigers geeignet sind, die Bedeutung der jeweiligen Kirchenjahreszeit zu erhellen 69 . - Allen hier skizzierten Auslegungsansätzen ist gemeinsam, daß das homiletische und das heißt in diesem Vgl. die Predigten von H . Albertz; W. Braselmann; G . Hammerschmidt; M. Mezger. Vgl. H . Albertz; M. Mezger. 6 3 Vgl. G . Hammerschmidt. 6 4 Besonders deutlich ist dies in der Predigt von W. Braselmann, die die Gefühle der Arbeitsuchenden in aller Breite beschreibt und diesen Gefühlen eine zentrale Bedeutung für die ungewöhnliche Bezahlung durch den Hausvater zuschreibt. Die Antwort des Hausvaters an die Murrenden wird in folgender Weise paraphrasiert: „Die Güte rechnet so: du einen Silbergroschen für eine Stunde Warten und elf Stunden Arbeit. Der einen Silbergroschen für eine Stunde Arbeit und elf Stunden Angst und Sorge um sein tägliches Bort, als er auf dem Markt wartete." (496). 61

62

Vgl. H . A . Jergensen. Vgl. H . Gollwitzer, 110. 6 7 Vgl. Th. Krummenacher; H.Thielicke, Mitmensch. 6 8 Als Beispiel sei die Predigt von H . A. Jergensen genannt. Schon der Titel „ D e r gnädige Kapitalist" unterlegt der Parabel eine Aussage, die sie von sich aus nicht oder allenfalls am Rande macht. In der Predigt selbst heißt es: „ D a ist es nicht überraschend, daß die Arbeiter, die gewohnt waren der G r u p p e der Bestentlöhnten anzugehören, dagegen protestieren." (79) Der Inhalt des Relativsatzes läßt sich aus der Parabel schlechterdings nicht herleiten. 6 9 Vgl. K.-P. J ö r n s ; B . L a n z . 65

66

134

Fall das primär anthropologische Interesse in die Parabel hineinprojiziert und letztere daher kaum noch als Erzählung wahrgenommen wird. Eine solche Hermeneutik aber läuft Gefahr, die Gleichniserzählung in vorgegebene Interpretationsraster einzuschnüren und die eigene unverwechselbare Botschaft der Parabel zu überhören. Nachdem bis jetzt zwei deutlich wahrnehmbare Tendenzen in der neueren Parabelpredigt beschrieben wurden, sollen in einer Art Zwischenbilanz die jeweiligen Chancen und Grenzen zusammenfassend benannt und dadurch die Problemfelder, denen sich die jüngere und jüngste Parabelpredigt ausgesetzt sieht, ein Stück weit erhellt werden. - Wo es dem Prediger einer Gleichniserzählung Jesu darauf ankommt, deren dogmatischen oder ethischen Gehalt darzulegen, zeichnet sich die Predigt in der Regel durch besondere theologische Stringenz und hermeneutische Klarheit aus. Der homiletischen Situation kommt in diesen Predigten nur untergeordnete Bedeutung zu, insofern sie, wird sie überhaupt explizit erwähnt, strikt auf den theologischen Gedanken bezogen und mithin funktionalisiert ist. - Wirklichkeitsbezug und Konkretion stellen nun umgekehrt die besondere Stärke jener Parabelpredigten dar, die sich vor allem auf die anthropologischen Implikationen der Gleichniserzählung beziehen; diese Predigten erscheinen zum Teil als so fest in ihrer Situation verwurzelt, daß ihre Aussagen für spätere Leser nur noch schwer verständlich sind70. Hier jedoch sind vielfach Defizite in theologischer und hermeneutischer Hinsicht deutlich erkennbar. So kann der Leser sich bei einigen Parabelpredigten mit anthropologischer Tendenz kaum des Eindrucks der Gesetzlichkeit erwehren; oft wird nicht hinreichend deutlich, worin denn eine politische Ethik ihr theologisches Fundament hat71, und mitunter scheint es gar, als werde die Güte und Zuwendung Gottes entgegen aller reformatorischen Einsicht an die Voraussetzung menschlicher Leistung geknüpft72. Zudem ist an die anthropologisch orientierten Predigten die Frage zu richten, ob sie die der Predigt zu Grunde gelegte Gleichniserzählung ausreden lassen; die Analyse ergibt nämlich, daß hier oft die Parabel im Blick auf den anthropologischen Gedanken funktionalisiert ist. Mitunter läßt sich sogar fragen, ob die Gleichniserzählung für die Predigt überhaupt konstitutiv ist oder ob die Predigt nicht ebensogut ohne die Parabel hätte gehalten werden können73. 7 0 Vgl. besonders die Predigt von K. Münk. Bezeichnend ist die Tatsache, daß der Predigt von M. Tschabold für den Druck eine Anmerkung mitgegeben werden mußte, die die in der Predigt angesprochene Situation erläutert (143). 71

Vgl. die Predigten von Th. Krummenacher; M. Tschabold; M . Mezger; H . Albertz.

H . A . Jorgensen, 8 0 : „Dort, w o Menschen so handeln wie der gutherzige Bauer im Gleichnis... dort kommt das Reich Gottes zum D u r c h b r u c h . . . " 72

73

Dies gilt für die beiden Kasualpredigten, aber auch etwa für die Predigt von W. H . Hartley,

135

Die Bestandsaufnahme der stärker theologisch und der vornehmlich anthropologisch ausgerichteten Parabelpredigt liefert mithin ein vielschichtiges Bild, in dem sich jedoch Grundlinien erkennen lassen. So ist deutlich geworden, daß die Dominanz des jeweils einen Aussageinteresses die Abschwächung oder gar den Verlust wichtiger homiletischer Dimensionen nach sich zieht. Es ist daher zu fragen, ob es nicht auch eine Möglichkeit gibt, theologische und anthropologische Einsichten in der Predigt von Gleichniserzählungen kritisch aufeinander zu beziehen. Vielleicht gelänge es einer solchen im Spannungsfeld von Theologie und Anthropologie entworfenen Parabelpredigt auch, die bisher beobachtete primär belehrende Attitüde in der Predigt von Gleichniserzählungen zugunsten einer Anrede an den Hörer zu überwinden, die neben der intellektuellen auch stärker die emotionale Wahrnehmungsebene berücksichtigt.

c) Parabelpredigt al$ Vermittlung von Theologie und

Anthropologie

In der Tat läßt sich innerhalb der neueren Parabelpredigt nun auch eine Tendenz beobachten, die die Anliegen sowohl der primär theologisch geprägten als auch der in erster Linie anthropologischen Predigten von Gleichniserzählungen kritisch vermittelnd aufnimmt 74 . Ungeachtet der Vielfalt der Gestaltungsmöglichkeiten im einzelnen ist an den betreffenden Predigten eine Grundstruktur zu erkennen, deren hervorragendstes Kennzeichen die Uberwindung von Scheinalternativen sowohl in hermeneutischer wie in homiletischer und theologischer Hinsicht darstellt. Im Zusammenhang mit der Beschreibung gedruckter Parabelpredigten aus deren thematischer Schwerpunkt in ihrer zweiten Hälfte liegt. D o r t aber wird die Parabel nicht mehr erwähnt. 7 4 Hier liegen der Untersuchung folgende Predigten zu Grunde: M. Walsdorff, D e r H e r r kennt keinen Stundenlohn (Mt 2 0 , 1 - 1 5 ) . In: H . Z ä h m t (Hrsg.), Postille 53, H a m b u r g 1953, 5 6 - 5 9 ; O . H a r t m a n , Himmlische Ungerechtigkeit (Mt 2 0 , 1 - 1 6 ) . In: Wie in einem Spiegel, Hamburg 1954, 3 7 - 4 5 ; G. v . R a d , Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 5 . In: Predigten (Hrsg. U . v . R a d ) , München 1972, 7 1 - 7 6 ; E . Fuchs, Das Wunder der Güte (Mt 2 0 , 1 - 1 6 ) . In: Predigten für jedermann 9, 1962, N r . 3, 3 - 8 ; L. Ahne, Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 6 . In: H . Nitschke (Hrsg.), Worte am Sonntag heute gesagt. Predigten der Gegenwart. I. Perikopenreihe, Bd. 1, Gütersloh 1972, 1 1 1 - 1 1 4 ; R. Christiansen, Der Gnade vor Recht ergehen läßt (Mt 2 0 , 1 - 1 5 a ) . In: H . Nitschke (Hrsg.), Jesus heute gesagt. Predigten der Gegenwart, Gütersloh 1972, 105—109; E . Winkler, Der Maßstab Gottes (Mt 2 0 , 1 - 1 6 ) . In: F . W i n t e r (Hrsg.), N u r Zeuge sein. Predigten von Beratern und Lehrern der Verkündigung, Berlin 1975, 1 0 4 - 1 0 8 ; W. Jetter, Der Stundenlohn Gottes (Mt 20,1 — 16). In: vertrauen lernen. Versuche, v o m Glauben zu reden, Göttingen 1981, 72—83; R. Schulz, Freisetzung von Lohn-Sklaven (Mt 20,1 —16). In: Nicht in der Angst verkommen. Unkonventionelle Predigten, Düsseldorf/Köln 1 9 8 0 , 1 3 2 - 1 4 3 ; E . Hübner, Predigt zu Lk 10,25—37. I n : H . Keller u.a. (Hrsg.), Mir ist gegeben alle G e w a l t . . . Predigten aus der kirchlichen Bruderschaft im Rheinland = Bekennen und Bekenntnis H e f t 2 , Neukirchen 1956, 5 3 - 6 1 ; F. Dürst, Wer ist mein Nächster? (Lk 1 0 , 2 5 - 3 7 ) . In: Basler Predigten 3 7 , 1 9 7 3 , N r . 9 , 2 - 6 .

136

neuerer Zeit wurden bisher zwei gänzlich verschiedene Methoden des Zugangs- zu der jeweiligen Gleichniserzählung sichtbar: Entweder wird die Parabel auf ihren theologischen Gehalt hin abgehört: nicht um den Alltag, sondern um das Himmelreich geht es, oder aber der Prediger sucht in ihr nach anthropologischen Motiven: nicht eine theologische Theorie ist der Gleichniserzählung zu entnehmen, sondern wertvolle Hinweise für die Gestaltung menschlichen Lebens. Beide Zugangsweisen stellen jedoch, sofern sie - wie es in vielen Predigten geschieht - verabsolutiert werden, eine unzulässige hermeneutische Engführung dar, die homiletisch nicht folgenlos bleibt. - Die genannte falsche Alternative wird nun in einer Reihe von Parabelpredigten durch eine Hermeneutik überwunden, die in der oder besser: durch die Gleichniserzählung Jesu Theologie und Anthropologie miteinander verschränkt sieht. Allerdings handelt es sich dabei vorwiegend um Predigten zu der Parabel von den Arbeitern im Weinberg, während nur zwei Predigten ähnlicher Prägung zu der Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter gefunden werden konnten; über die mögliche Ursache dieses auffälligen Befundes wird noch zu handeln sein. Für alle in diesem Zusammenhang untersuchten Predigten zu Mt 20,1 — 15 bzw. 16 gilt, daß sie die Parabel offenbar als dramatisch konzipierte, in jedem Fall aber den Hörer unmittelbar ergreifende und also wirksame Erzählung wahrnehmen75. In der Regel wird die Wirkung der Gleichniserzählung auf die Predigthörer - letztere teilen die Empörung der scheinbar zu kurz gekommenen Ganztagsarbeiter - ausführlich beschrieben. Dabei kommt es allen Predigern darauf an, die Anstößigkeit des erzählten Geschehens nicht mit Hilfe theologischer Argumentation - Gottes Güte ist eben nicht teilbar ! oder ethischer Appelle - Uberwindet den Neid! - zu nivellieren, sondern sie gerade auszuhalten und zum Anlaß für eine weiterführende Reflexion zu nehmen. Ein Prediger geht sogar so weit, zu sagen: „Eigentlich möchte ich jetzt nur mit denen weiterreden, die das alles aufregend finden." 76 Nachdem diese Reaktion der Hörer der Gleichniserzählung festgestellt ist, wird nach der Ursache der Empörung und des Protestes gefragt, und diese wird in der Art und Weise gesehen, wie wir Menschen gewöhnlich leben und miteinander umgehen.

75

Ein solches Verständnis deutet sich zwar auch schon in einigen der primär theologisch bzw.

anthropologisch orientierten Parabelpredigten an, ist dort aber nicht konsequent entfaltet. Vgl. etwa die Predigten von H . Bannach und T h . S o r g zu Lk 1 0 , 2 5 - 3 7 und die Predigten von R. Bultmann, A . Erb, H . Albertz und H . Gollwitzer zu Mt 20,1 - 1 6 . 76

G. v. Rad, 73.

137

So offenbart unser Einspruch gegen das in der Parabel geschilderte Geschehen unseren Standpunkt als „Rechtsstandpunkt" 77 , unsere Denkweise als „eine Art von geistigem Bankwesen" 78 ; er läßt als „Grundgesetz all unseres Bewertens von Menschen und ihrer Leistung" das „Gesetz der Billigkeit" sichtbar werden79. An unserem Protest gegen die Parabel wird offenbar, wer unser Gott ist: „der Gott der Leistung und einer Gerechtigkeit, die wie eine Waage funktioniert" 80 . Unsere Empörung zeigt unsere Lebenseinstellung: „Wir möchten das tägliche Leben nach den Regeln der Gerechtigkeit organisieren."81 „Unser Leben ist durchzogen von dem Gedanken: Alles hat seinen Preis; Leistung und Lohn müssen einander entsprechen." 82 Die dieser Predigtweise zu Grunde liegende Hermeneutik der Gleichniserzählung Jesu versteht letztere mithin zuerst in ihrer Ausrichtung, nun aber nicht in der Weise, daß innerhalb

anthropologischen

der Parabel anthro-

pologisch relevante Strukturen aufgedeckt werden, sondern so, daß die Gleichniserzählung als ganze

den Menschen in seiner ihm vertrauten E x i -

stenzweise demaskiert: Die Parabel bietet gleichsam eine indirekte

Anthro-

pologie. - Die Prediger führen sodann die Reflexion fort, und es ist bemerkenswert, daß die durch die Gleichniserzählung aufgedeckte menschliche Existenzweise in der Regel keineswegs als Fehlhaltung und moralischer Defekt disqualifiziert 83 , sondern daß ihre vernichtende und Menschen versklavende Wirkung zur Geltung gebracht wird: „Trotz aller Leistung erfahren wir immer wieder, daß Arbeit allein nicht glücklich macht und gerechter Lohn auch nicht." 84 „Diese Welt nach den Regeln der lückenlosen Gerechtigkeit organisieren zu wollen, wäre ebenso schwierig wie einen Bittersee in der Wüste zu einem Süßwasserteich zu machen." 85 „Lohndenken führt zur Versklavung." 86 An diesem Punkt nun wird auf die Parabel zurückgelenkt und die durch sie angebotene Möglichkeit einer neuen, befreienden Existenzweise von Gott her beschrieben.

77

M . Walsdorff, 58.

78

O . Hartman, 40.

79

G. v. Rad, 74. L . A h n e , 111.

80 81 82

W. Jetter, Stundenlohn, 75. R. Schulz, 136.

83

Eine Ausnahme bildet die Predigt von O . Hartman.

84

R.Christiansen, 106.

85

W. Jetter, Stundenlohn, 77. R. Schulz, 140. Vgl. E . Winkler, 107.

86

138

Diese Existenzweise stellt sich dar als „Gnadenstandpunkt" 8 7 , als „verborgene Brüderlichkeit,... die es nur da (gibt), wo man etwas von der anderen Wertung, von den Maßstäben des himmlischen Hausvaters weiß" 8 8 , als ein Leben, „das sich nach der Melodie der Güte bewegen will" 8 9 .

Hier kommen die von den Predigern wahrgenommenen theologischen Implikationen der Parabel zum Tragen. Jedoch gilt wiederum, daß nicht einzelne Züge innerhalb der Parabel theologisch nutzbar gemacht werden, sondern daß die Gleichniserzählung als ganze nun eben auch von Gott redet und mithin neben der indirekten Anthropologie auch eine indirekte Theologie bietet. Die beschriebene hermeneutische Grundstruktur, die die untersuchten Predigten ungeachtet aller Differenzen im einzelnen kennzeichnet, wird in den ersten Sätzen einer Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 6 aus dem Jahr 1978 zusammenfassend beschrieben: „Die Gleichnisse Jesu sind prall voll von Leben. Im Spiegelbild einer kleinen Szene begegnen wir unserem alltäglichen Leben. Zugleich liegt mehr darin. Es liegt ein Schimmer darüber von einer anderen Weise zu leben. Ein halb verborgener Schimmer davon, wie ganz anders dieses Leben gelebt werden könnte. So kommt beides zusammen in den Gleichnissen Jesu: unsere ganz alltägliche und seine ganz andere Weise zu leben. Sie rühren damit an das Geheimnis des menschlichen Lebens. Sie geben den Blick frei für eine bessere, freiere Weise, zu leben. Darum können sie so nachhaltig wirken und uns so nachdenklich machen." 9 0

Diese kurze Deskription nimmt Erkenntnisse der modernen Gleichnisforschung auf, wie sie vor allem in einem Aufsatz von P. Ricoeur aus dem Jahre 197491 niedergelegt und in jüngster Zeit durch W.Harnisch 92 weitergeführt worden sind. Im Blick auf die vor 1974 erschienenen Predigten, die die Gleichniserzählung in der beschriebenen Weise auslegen, ist zu urteilen, daß in ihnen neueste hermeneutische Erkenntnisse vorwissenschaftlich bereits präsent sind. Sie vollziehen faktisch, was Ricoeur und Harnisch später als „metaphorischen Prozeß" bezeichnen werden. Die dargestellte Auslegungsweise, die Theologie und Anthropologie durch die Parabel von den Arbeitern im Weinberg miteinander verschränkt sieht oder präziser gesagt: die die Gleichniserzählung als den Menschen entlarvend und zugleich ihm eine neue Existenzweise von Gott her anbietend versteht, wirkt sich auf die meisten Predigten unmittelbar aus. Dies gilt für alle homiletisch relevanten Dimensionen : für die theologischen Aussagen der 87

M . Walsdorff, 58.

88

G. v. Rad, 76.

89

W. Jetter, Stundenlohn, 75.

90

A . a . O . 72 f.

91

Vgl. P. Ricoeur, Stellung und Funktion.

92

Vgl. W. Harnisch, Gleichniserzählungen.

139

Predigt ebenso wie für ihren Aufbau, für ihre Zuspitzungen im Blick auf die Predigthörer ebenso wie für ihre sprachliche Gestalt. Die meisten in den vorliegenden Zusammenhang gehörenden Predigten entfalten theologisch die Spannung von Gesetz und Evangelium. Dies geschieht aber nun nicht in der Weise, daß die Hörer über die Bedeutung und die Notwendigkeit der Unterscheidung beider Größen informiert würden, sondern beide, Gesetz und Evangelium, werden eng auf die Hörerwirklichkeit bezogen. So kann das Gesetz - in diesem Fall auf eine auf Gleichheit und Gerechtigkeit sich gründende Lebenseinstellung hin konkretisiert - unmittelbar als versklavende und vernichtende Macht erkannt und das Evangelium als Befreiung gepredigt werden. Es ist sicher kein Zufall, daß in den vorliegenden Predigten die Vokabeln „befreien" und „Befreiung" deutlich häufiger gebraucht werden als in den anderen neueren Predigten zu demselben Text93. Mit dieser Predigt von Gesetz und Evangelium aber ist eine in der neuesten Predigtgeschichte von Mt 20,1 — 15 bzw. 16 beobachtete falsche Alternative überwunden: Wird auf der einen Seite im Anschluß an Jülichers Auslegung vielfach das „reine" Evangelium gepredigt, so daß das Gesetz in der Predigt keinen Raum hat94, so dominiert in anderen das Gesetz bis hin zur Gesetzlichkeit95. Hier dagegen ist in der Regel das spannungsreiche Miteinander von Gesetz und Evangelium erkannt und homiletisch umgesetzt worden. Konsequenzen hat die beschriebene Hermeneutik der Gleichniserzählung ferner für den Aufbau der meisten Predigten: Wo die Parabel nicht als Lehrstück über theologische oder anthropologische Zusammenhänge, sondern als den Hörer unmittelbar mit Beschlag belegende, wirksame Erzählung begriffen wird, da tritt in der Parabelpredigt die Struktur von explicatio und applicatio ebenso zurück wie die den einzelnen Textabschnitten folgende thematische Gliederung. Der Duktus der Predigt verläuft vielmehr meist analog dem von der Parabel ausgelösten Verstehensprozeß und ist gekennzeichnet durch einen fortwährenden Wechsel zwischen eigener Reflexion und Auslegung des Predigttextes 96 . So zeigt die Predigt bereits in ihrer äußeren Form an, daß sie sich als Dialog mit dem Text97 versteht, ein Dialog, den bekanntlich bereits Schleiermacher als für die Predigt konstitutiv be93 Vgl. E. Fuchs, Wunder, passim; R. Christiansen, 107; E. Winkler, 107; W. Jetter, Stundenlohn, 80. Bei R.Schulz, 143, heißt es: „Lassen wir uns durch Christus vom Lohndenken erlösen!", und bei G. v. Rad, 75: „ . . . daß Jesus hierein Gesetz zerbricht, an das wir geschmiedet sind und das uns vor Gott verurteilt." 94 Vgl. stellvertretend für andere die Predigt von K. Immer. 95 S.o. 135. 96 Vgl. aber die Predigt G. v. Rads, die die hier beschriebene mit einer thematisch orientierten Struktur verbindet. 97 Explizit spricht L. Ahne, 111, von einem Dialog mit dem Text.

140

schrieben hat98. Überlagert wird dieses Gespräch mit der Parabel von einem gleichzeitigen (indirekten) Dialog mit dem Predigtbörer. Daß ein solcher in den meisten hier untersuchten Predigten zu der Parabel von den Arbeitern im Weinberg geführt wird, zeigt sich formal daran, daß immer wieder mögliche Einwände gegen das Gesagte formuliert und beantwortet werden; Frage und Antwort, Rede und Gegenrede prägen diese Predigten in besonderer Weise". Dem entspricht, daß die homiletische Situation - meist als „homiletische Großwetterlage" 100 - in aller Breite Berücksichtigung findet. Dies geschieht aber nun weder in der Weise, daß die Situation im Blick auf eine theologische Aussage funktionalisiert und nur als Reservoir für Beispiele benutzt würde, noch umgekehrt so, daß sie den archimedischen Punkt bildete, auf den hin alle theologischen Gedanken orientiert wären. Anthropologische und theologische Aussagen der Parabelpredigt sind vielmehr meist kritisch aufeinander bezogen, auch dies vermutlich eine Frucht der beschriebenen hermeneutischen Voraussetzungen. - Die Tatsache, daß die Parabel als wirksame, Anthropologie und Theologie miteinander verschränkende Erzählung wahrgenommen wird, hat für den Hörerbezug der Parabelpredigt nun noch eine weitere Konsequenz : Die Predigthörer werden in die von der Parabel inaugurierte Bewegung hineingenommen; das aber bedeutet, daß sie in der Predigt nicht nur auf der kognitiven, sondern in gleicher Weise auf der emotionalen Wahrnehmungsebene angesprochen werden: „Es ist verwirrend: Einerseits sehen wir, es wird keiner verkürzt, ein objektives Unrecht tut der Hausvater nicht. Andererseits spüren wir dunkel, daß durch sein Verfahren etwas aus den Angeln gehoben wird, das für unser ganzes Leben und Denken und Urteilen... grundlegend ist. "101 „Wir protestieren mit ihnen (sc. den Murrenden) gegen die Belohnung derer, die nichts geleistet haben. Und wir fühlen uns dabei im Recht." 102 Die genannten homiletischen Merkmale kennzeichnen nun aber nicht alle hermeneutisch ähnlich verfahrenden Predigten zu Mt 20,1 —15 bzw. 16 in gleicher Weise. So können trotz der offenkundig gemeinsamen hermeneutischen Ausgangsposition selbstverständlich die theologischen Akzente unterschiedlich gesetzt werden 103 , der Aufbau der Predigt kann anders entworfen sein, als es oben beschrieben wurde 104 , und auch die

98 Vgl. F. Schleiermacher, Die praktische Theologie nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche im Zusammenhang dargestellt (Hrsg. J. Frerichs), Berlin 1850, 248. 99 Vgl. bes. M. Walsdorff, 59 ; G. v. Rad, 73 f. ; W. Jetter, Stundenlohn, passim. 100 Vgl. E. Lange, Theorie und Praxis, 38. 101 G . v . R a d , 73 f. 102 R.Christiansen, 105. 103 So legt etwa O . H a r t m a n den Akzent auf die Unausweichlichkeit der Güte Gottes, L. Ahne auf das im Gleichnis zutage tretende Gottesbild. 104 Vgl. dazu E. Winkler; G. v. Rad; E. Fuchs, Wunder.

141

dialogische Struktur der Predigt ist keine notwendige Konsequenz einer bestimmten Auslegung der Gleichniserzählungen Jesu 105 . Gleichwohl wird an den untersuchten Predigten deutlich, daß sich mit dem neuen Verständnis der Parabel von den Arbeitern im Weinberg auch in homiletischer Hinsicht neue Wege eröffnen. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß unter den hermeneutisch und homiletisch in der beschriebenen Weise verfahrenden neueren Parabelpredigten solche zu der Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter deutlich unterrepräsentiert sind. Nur zwei gedruckte Predigten zu diesem Text konnten gefunden werden, die offenkundig die Parabel als wirksame, Theologie und Anthropologie miteinander verschränkende Erzählung wahrnehmen und diese Erkenntnis homiletisch fruchtbar zu machen versuchen106. Gleichwohl gibt es auch hier noch einen markanten Unterschied zu der oben beschriebenen Weise des Umgangs mit der Parabel von den Arbeitern im Weinberg: Wurde dort die Gleichniserzählung in ihrer unmittelbaren Wirkung auf den Hörer bedacht und stand dessen von der Parabel provozierte Reaktion zunächst im Brennpunkt des Interesses, so wird in den beiden vorliegenden Predigten zu Lk 10,25—37 zunächst die Wirkung der Parabel auf eine dritte Person, nämlich den Schriftgelehrten aus dem lukanischen Kontext, erörtert und dessen Reaktion auf den Hörer übertragen. Hermeneutisch wird also gleichsam ein Umweg beschritten. - Mit dieser Beobachtung ist vermutlich auch der Schlüssel für die Erklärung des genannten quantitativen Ungleichgewichts gegeben: Während die Perikopenordnungen von 1957107 und 1978108 als Predigttext für Septuagesimae die Perikope Mt 20,1 —16a, und das heißt: die Gleichniserzählung (fast) ohne ihren evangelischen Kontext benennen, ist für den 13. Sonntag nach Trinitatis Lk 10,25—37, das bedeutet: die Parabel mit ihrem lukanischen Kontext, vorgesehen. Dieser Kontext aber fördert eindeutig ein ethisches Verständnis der Parabel vom barmherzigen Samariter, da diese nun als Antwort auf die Frage nach dem Nächsten erscheint und überdies mit einer Aufforderung zur imitatio abgeschlossen wird, so daß ein unmittelbarer Zugang zu ihr kaum noch möglich erscheint. Freilich ist zu sehen, daß ein solcher Zugang nicht allein schon dadurch gewährleistet ist, daß man den Kontext einfach wegläßt. Das Kolorit der Erzählung selbst ist zweifellos stärker zeit- und ortsgebunden als dies für

105

Vgl. dazu O . H a r t m a n ; E . Fuchs, Wunder.

Vgl. E. H ü b n e r ; F. Dürst, Nächster. Vgl. Lutherische Liturgische Konferenz Deutschlands (Hrsg.). Perikopenbuch zur O r d nung der Predigttexte, Berlin 1 9 6 6 , 1 3 6 . 381. ios vgl. Lutherische Liturgische Konferenz Deutschlands (Hrsg.). Perikopenbuch zur O r d nung der Predigttexte, Hamburg 1978, 9 6 . 2 7 4 . 106 107

142

die Parabel von den Arbeitern im Weinberg gilt. Der Prediger von Lk 10,30—35 kann bei seinen Hörern eine unmittelbare emotionale Wirkung dieser mit heute fremd gewordenen Gestalten und Orten operierenden Erzählung kaum voraussetzen.

4. Christologische

Entscheidungen

in neueren

Parabelpredigten

Bei der Deskription neuerer Parabelpredigten blieb bisher unberücksichtigt, wie in ihnen von dem Geschick Jesu Christi und seiner Bedeutung für die Menschheit geredet wird. Insbesondre ist zu fragen, wie die Prediger mit der Tatsache umgehen, daß das Neue Testament insgesamt den Erzähler der Parabeln, Jesus von Nazareth, als den gekreuzigten und auferstandenen Christus bezeugt. Um die Voraussetzungen christologischer Entscheidungen innerhalb der jüngeren Predigten zu Gleichniserzählungen in den Blick zu bekommen, sei noch einmal auf die ältere Geschichte der Parabelpredigt zurückverwiesen: Die „Parabelpredigt als vernünftige Argumentation und praktische Ermahnung", wie sie für Aufklärung und Rationalismus kennzeichnend war, sah in Jesus in erster Linie den Gleichniserzähler, der durch seine Verkündigung als Sittenlehrer wirkt; seine Autorität ruht vor allem auf der unumstößlichen Beweiskraft seiner Aussagen109. Zwar wird Jesus gelegentlich auch als „Erlöser" bezeichnet110, doch bleibt dieser Titel in der Regel formal. Insgesamt gilt: Für den Gedankengang dieser Parabelpredigten sind christologische Aussagen nicht konstitutiv. - In schroffer Antithese dazu stellen sodann im 19. Jahrhundert verschiedene Prediger ihre Parabelpredigt entschieden in den Dienst der Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus : Die Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter wird entweder mit Hilfe der Seligpreisung Lk 10,23 f.111 oder aber durch allegorische Auslegung 112 auf Christus bezogen, und auch die meist allegorische Deutung der Parabel von den Arbeitern im Weinberg ist nach christologischen Gesichtspunkten gestaltet. So wird etwa in einigen Predigten die Deutung des Arbeitslohnes auf die ewige Seligkeit mit dem Argument abgewiesen, es werde dadurch das Werk Christi geschmälert113. - Mit dem hermeneutischen Neuansatz A. Jülichers wird um die Jahrhundertwende die Allegorese, eines der am meisten benutz109 110 111 112 113

Vgl. J. L. V. Mosheim, Predigt zu M t 20,13 - 1 5 , 1 9 0 . Vgl. J.J. Spalding, 250 f. S.o. 55. S.o. 55, A n m . 39. Vgl. bes. W. Löhe, Predigt zu Mt 20,1 - 1 6 , 1 0 9 .

143

ten Vehikel für christologische Aussagen in der Parabelpredigt, als nicht mehr legitime Auslegungsmethode erwiesen. Allerdings bietet Jülicher nicht auch zugleich neue Wege an, wie an Hand einer Gleichniserzählung das Evangelium von Jesus Christus ausgesagt werden kann. Im Gegenteil, die Christologie der Kirche ist für Jülichers neues Verständnis der Gleichnisreden Jesu bedeutungslos114. Damit aber stehen die Prediger erneut vor der Frage, wie mit Hilfe einer Gleichniserzählung der Gekreuzigte und Auferstandene zu verkündigen sei. Daß die Parabelpredigt von Jesus Christus zu reden hat, ist nämlich in neuerer Zeit im Unterschied zu Aufklärung und Rationalismus weitgehend unumstritten, über das Wie jedoch gehen die Meinungen auseinander. Das beschriebene Problem ist in den neueren hier untersuchten Parabelpredigten in außerordentlich vielfältiger Weise gelöst, und auf den ersten Blick bietet das Quellenmaterial ein buntes Nebeneinander verschiedener Bezüge der jeweiligen Gleichniserzählung auf Jesus Christus. Gleichwohl lassen sich auch hier verschiedene Tendenzen ausmachen, und es liegt nahe, zu fragen, ob jene Parabelpredigten, die homiletisch und hermeneutisch ähnliche Wege gehen, auch jeweils zu vergleichbaren christologischen Aussagen kommen. Diese Frage ist im Grundsatz zu bejahen. a) Was die homiletische Zielsetzung und das hermeneutische Verfahren betrifft, so wurde innerhalb der neueren Parabelpredigt eine Tendenz beschrieben, den Predigthörern den theologischen Gehalt der jeweiligen Gleichniserzählung zur Kenntnis zu bringen. Die Predigten, in denen sich jene Tendenz in besonderer Weise manifestiert, bieten zum Teil sehr verschiedene christologische Aussagen, die jedoch eine gewisse gemeinsame Grundorientierung erkennen lassen. Diese Grundorientierung wird in einer Predigt zu der Parabel von den Arbeitern im Weinberg expliziert: „Jedes Gleichnis Jesu haben wir erst dann verstanden, wenn wir ihn selber in der Geschichte gefunden haben." 115 Dieses Postulat wirkt sich in dieser wie in anderen Parabelpredigten homiletisch in der Weise aus, daß der aus der Gleichniserzählung deduzierte und die Predigt prägende theologische Grundgedanke christologisch begründet wird. So ist etwa das in einzelnen Predigten zentrale Motiv, daß die Christen in der Welt, in ihren Lebenszusammenhängen Mitarbeiter Gottes sind, auf die Inkarnation zurückgeführt116, während jene

114

Vgl. H . Weder, 16.

115

K. Immer, 64. Vgl. A. Erb, 9 ; F. Hahn, 62f.

116

144

Prediger, die in Mt 20,1 — 15 bzw. 16 das „sola gratia" repräsentiert sehen, meist mit der Heilsbedeutung des Kreuzes Christi argumentieren 117 . In den primär theologisch ausgerichteten neueren Predigten zu der Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter kommt - anders als in den Predigten zu Mt 20,1 —15 bzw. 16 - Jesus stärker als der Erzähler der Parabel in den Blick. Der Grund dafür dürfte in der Abgrenzung des Predigttextes zu suchen sein, der bekanntlich die (lukanische) Erzählsituation mit umfaßt. Theologisch allerdings ist die hier hervorgehobene Tatsache, daß Jesus die Parabel erzählt, ohne Belang; vielmehr treten andere christologische Aussagen hinzu, die die meist ethische Reflexion in der Predigt stützen. Aus der Tradition bekannt ist die Titulatur Christi als „großer" oder „wirklicher" barmherziger Samariter, dessen Erlösungswerk menschliches Samariterhandeln allererst ermöglicht 118 ; als neues Motiv erscheint die an Mt 25,40 sich anlehnende Vorstellung, daß Christus im Hilfsbedürftigen präsent ist und mithin in diakonischem Handeln die Begegnung mit ihm erfolgt 119 . Die beschriebenen Beobachtungen zeigen, daß die christologischen Aussagen in den untersuchten Predigten primär das durch die Menschwerdung und Kreuzigung Christi bewirkte Heil akzentuieren, während der Gleichniserzählerjesus entweder gar nicht berücksichtigt wird oder aber entsprechende Hinweise beziehungslos neben den soteriologischen Sätzen stehen. Dieses Verfahren ruht offenkundig auf der Prämisse, daß nur die im Neuen Testament bezeugte Heilsgeschichte als ganze den Kontext für die Auslegung der Gleichniserzählungen Jesu bereitstellt, und „Kontext" heißt, wie gezeigt wurde, in diesem Zusammenhang nichts anderes als Begründung und Legitimation. Mit anderen Worten: Jesu Parabeln erscheinen als ergänzungsbedürftig. Dann aber ist zu fragen, aus welchem sachlichen Grund die Gleichniserzählungen Jesu überhaupt als Predigttexte figurieren. Wäre es unter den genannten Voraussetzungen nicht redlicher und vor allem auch einfacher, epistolische Texte zu wählen, die das Heilsgeschehen samt den für die Christen daraus erwachsenden Konsequenzen explizit bezeugen? b) Gänzlich anders gelagert sind die christologischen Aussagen und Anspielungen meist in jenen neueren Parabelpredigten, die die anthropologischen Implikationen der Gleichniserzählung besonders akzentuieren, und es dürfte kaum überraschen, daß hier nun umgekehrt Jesus als Gleichniser zäh 117 Vgl. H . Asmussen, 53; H . B o r n k a m m , 440; A E r b , 11 f.; H.-W. Bartsch, 49; W.Trillhaas, 31 ; P. Stuhlmacher, passim; R. Bösinger, Tarif, 96. 118 Vgl. F. Heiler, Samariterliebe, 391; ders., Kirche, 240; E . M ü l h a u p t , 73; Rißmann, 143; R.W. Solberg, 235; H . Renkewitz, 212; F. v. Bodelschwingh, 92; Th. Sorg, 5; R. Bösinger, Nähe, 270. 1 1 9 Vgl. F. Heiler, Samariterliebe, 390; ders., Kirche, 241.

145

1er im Brennpunkt des Interesses steht, während die Heilsbedeutung seines Todes eine untergeordnete oder gar keine Rolle spielt. In vielen Predigten wird die Parabel zunächst zu dem Leben ihres Erzählers in Beziehung gesetzt, und zwar so, daß man im Leben Jesu die in der Gleichniserzählung beschriebenen mitmenschlichen Verhaltensweisen exemplarisch vollzogen sieht. So heißt es in einer Predigt zu M t 20,1 — 16: „Unser Gleichnis wird ja nicht im luftleeren R a u m erzählt. E s hat eine Vorgeschichte. D e r Mann, der es erzählt, ist das Ziel wütender Angriffe geworden. Denn er redet nicht nur herausfordernd und umstürzlerisch, er tut auch das, was er sagt. E r gibt sich mit den merkwürdigsten Menschen ab: mit betrügerischen Beamten (den Zöllnern), mit Prostituierten und außerhalb oder am Rande der damaligen Gesellschaft stehenden Leuten, mit keineswegs rechtgläubigen Juden, er spricht in einer Welt von Männern mit Frauen und Kindern, er übertritt Vorschriften, indem er am Sabbat heilt. E r stellt also geheiligte Ordnungen in Frage und bricht in alle nur denkbaren Vorurteile und Tabus ein. E r hat schon die Letzten zu Ersten gemacht, lange vor unserem G l e i c h n i s . . . " 1 2 0 Ganz ähnlich liest sich eine Passage aus einer Predigt zu der Parabel vom barmherzigen Samariter: „(Jesus) wirkte und handelte in seinem kurzen Leben wie der Samariter. E r stand zu den Fremden, hielt zu den Verachteten und Rechtlosen, gesellte sich zusammen mit Ehebrechern, Dirnen und Betrügern. E r steht auf der Seite der O h n m ä c h t i gen und Machtlosen, auf der Seite derer, die keinen Einfluß haben und nichts machen können, sich darum einsam und unnütz v o r k o m m e n . " 1 2 1

Den Predigthörern wird das in solcher oder ähnlicher Weise umrissene Leben des Gleichniserzählers Jesus als vorbildich vor Augen geführt122. Neben dem Leben wird freilich mitunter auch der Tod Jesu in den neueren anthropologisch geprägten Parabelpredigten erwähnt, doch erscheint dieser dann meist nicht als das einzigartige Heilshandeln Gottes an der Menschheit, das allein christliche Existenz begründet, sondern als die logische Konsequenz dieses Lebens, als die „Quittung" 123 für unangepaßtes Verhalten und für das Erzählen revolutionärer Geschichten124. Wo die christologischen Entscheidungen in der beschriebenen Weise vollzogen werden, da erscheint die Gleichniserzählung Jesu vor allem als Kommentar zu seinem Leben, und es ist dann auch hier zu fragen, ob der Prediger auf sie nicht ebensogut verzichten kann; jedenfalls gibt es innerhalb der Evangelien eine Reihe vor Perikopen, die sehr viel direkter und anschaulicher Jesu Verhaltensweise beschreiben. Im übrigen ist mit einer einseitigen Konzentration auf den Menschen Jesus von Nazareth das von der altkirchlichen 120 121 122 123 124

146

H. Albertz, 35f.; vgl. B. Lanz, 412f. M.Tschabold, 143 f. Vgl. Th. Krummenacher, 38; K. Münk, 77; M. Mezger, 60. H. Albertz, 36. Vgl. K.-P. Jörns, 35; H . A . J 0 rgensen, 80f.; M.Tschabold, 143.

Christologie in gleicher Weise betonte „vere Deus" ignoriert, so daß Jesus Christus letztlich austauschbar wird. c) Sowohl die in erster Linie theologisch geprägten als auch die primär anthropologisch orientierten neueren Parabelpredigten weisen in christologischer Hinsicht Defizite auf. Wird auf der einen Seite nicht oder kaum deutlich, daß der Retter Christus zugleich der die Parabel erzählende Jesus von Nazareth ist, so daß das Mißverständnis des Doketismus droht, so bleibt auf der anderen Seite unbetont, daß der vorbildliche Mensch Jesus zugleich der Erlöser der Welt ist. Zwar ist es grundsätzlich legitim, in einer Predigt den einen oder den anderen Aspekt stärker zu akzentuieren, doch müßte dann geprüft werden, ob nicht ein anderer neutestamentlicher Text als gerade eine Gleichniserzählung das jeweils Gemeinte präziser und anschaulicher zum Ausdruck bringt. Im Zusammenhang der Beschreibung neuerer Parabelpredigten wurde eine Weise des Umgangs mit der Parabel erkennbar, die durch die Gleichniserzählungjesu Theologie und Anthropologie eng aufeinander bezogen sieht, und es konnte gezeigt werden, daß diese Hermeneutik sich auf die Gestaltung der Parabelpredigt positiv auswirkt. Es ist nun hinzuzufügen, daß in einigen der betreffenden Predigten auch die Spannung zwischen dem irdischen Jesus und dem erhöhten Christus oder - in dogmatischer Terminologie - zwischen natura humana und natura divina Jesu Christi nicht einseitig aufgelöst, sondern ausgehalten wird. Die Vermittlung von Theologie und Anthropologie kennzeichnet also auch die christologischen Aussagen dieser Predigten. Zu den in dieser Weise zu beschreibenden christologischen Entscheidungen kommen die Prediger in der Regel mit Hilfe einer Methode, die in Analogie zur Hermeneutik des Alten Testaments als „Typologie" bezeichnet werden kann125: Danach ist die Gleichniserzählung Typos auf das Heilsgeschehen in Christus; sie präfiguriert dieses und wird ihrerseits durch das Heilsgeschehen „beglaubigt" und „besiegelt"126: „Merkwürdige Zusammenhänge sind das zwischen unserem Gleichnis und dem Sterben Jesu Christi. Aber da auf Golgatha ist ja nun auch wieder eine Rechnung beglichen worden (...) In unserem Gleichnis steht sie zunächst nur auf dem Papier, etwa wie ein Voranschlag. Bezahlt wurde sie auf Golgatha." 127 Innerhalb

1 2 5 Vgl. G. v. Rad, Die typologische Auslegung des Alten Testaments. In: EvTh 12,1952/53, 1 7 - 3 3 ; H . W . Wolff, Zur Hermeneutik des Alten Testaments. In: EvTh 16,1956, 3 3 7 - 3 7 0 . 1 2 6 W. Jetter, Stundenlohn, 82. Vgl. R. Christiansen, 109; M. Walsdorff, 59. 1 2 7 G. v. Rad, Predigt zu Mt 20,1 - 1 5 , 75 f.

147

dieser christologischen Verortung der Parabel ist es möglich, den Kreuzestod Jesu dann auch als Konsequenz seines Redens und Tuns zu verstehen128. Es ist offensichtlich, daß die so vollzogene typologische Auslegung der Gleichniserzählung nicht nur christologisch sachgemäß ist, sondern darüberhinaus das gegenüber anderen neutestamentlichen Texten unverwechselbare Profil der Parabel zur Geltung bringt. Die Gleichniserzählung wird hier weder als bloß historische Reminiszenz noch als zeitlose Abbildung des Heilsgeschehens, sondern als Hilfe auf dem Weg zu einem vertieften Verstehen des Kerygmas von Jesus Christus verstanden. Was die beiden Predigten zu Lk 10,25—37129 betrifft, so sind auch hier die christologischen Hauptaspekte aufeinander bezogen, doch geschieht dies auf andere Weise als in den Predigten zu der Parabel von den Arbeitern im Weinberg. Die Parabel vom barmherzigen Samariter wird, wie oben dargelegt, in ihrer Wirkung auf den Schriftgelehrten des lukanischen Kontextes beschrieben. Diese Wirkung besteht nach Ansicht der beiden Prediger am Ende darin, daß der Schriftgelehrte den die Parabel erzählenden Jesus von Nazareth als den Christus erkennt130.

128 Vgl. M. Walsdorff, 59; G. v. Rad, Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 5 , 75; R. Christiansen, 109; W. Jetter, Stundenlohn, 81 f. 129 Vgl. E. Hübner; F. Dürst, Nächster. 130 Vgl. E. Hübner, 59; F. Dürst, Nächster, 6.

148

Β. ERWÄGUNGEN ZUR PARABELPREDIGT

I. Grundlagen, Methode und Ziel einer Theorie der Parabelpredigt 1. a) Die neuere

Grundlagen

Predigtgeschichte

Die vorliegende Untersuchung hat in ihrem ersten Teil die neuere Predigtgeschichte zweier Parabeln Jesu dargestellt und die Chancen und Grenzen einzelner Predigtweisen kritisch zu würdigen versucht. Es könnte sich daher nahelegen, die Aufgabe gegenwärtiger Parabelpredigt von den dort gewonnenen Einsichten her zu beschreiben und homiletische Leitlinien ausgehend von den untersuchten Predigten zu entwerfen 1 . Ein solcher predigtgeschichtlicher Zugang zum Problem der Parabelpredigt hat ein relatives Recht, wie überhaupt die Predigtgeschichte in ihrer Bedeutung für die gegenwärtige Predigtarbeit ernstzunehmen ist2. Die Analyse gedruckter Predigten zu Mt 19,27-20,16(20,1-16) und Lk 10,23-37(25-37) hat verschiedene für die homiletische Reflexion wichtige Erkenntnisse ergeben, die im folgenden noch einmal thetisch zusammengefaßt werden sollen. Die Thesen (1) und (2) benennen Ergebnisse der predigtgeschichtlichen Untersuchung in ihrer gesdwihomiletischen Bedeutung, während die Thesen (3) bis (5) die Relevanz der historischen Arbeit für die Predigt von Gleichniserzählungen beschreiben. (1) Die neuere Geschichte der Parabelpredigt dokumentiert eine Fülle zum Teil sehr unterschiedlicher Möglichkeiten, Gleichniserzählungen Jesu homiletisch zu verarbeiten. Diese Vielfalt des Zeugnisses ist legitim: Das Neue Testament selbst erinnert als Sammlung unterschiedlicher Glaubenszeugnisse daran, daß die christliche Verkündigung von Anfang an vielstimmig gewesen ist. - Den Predigttheoretiker schützt die Mannigfaltigkeit von 1 In dieser Weise verfährt zum Beispiel für die Passionspredig: W. Zwanzger, Christus für uns gestorben. Die evangelische Passionspredigt, Stuttgart 1985. Allerdings sind dem Verfasser die Grenzen seines Vorgehens bewußt, vgl. 247f. 2 Vgl. E. Lange, Brief an einen Prediger. In: PSt I I I / l , 7—17.

149

Predigten zu derselben Perikope bzw. Textgattung vor Engführungen bei der Theoriebildung. Sie führt ihm vor Augen, daß Homiletik immer nur als ein Rahmen entworfen werden kann, innerhalb dessen verschiedene Möglichkeiten vor Predigt realisiert werden können. (2) Die Darstellung und Beurteilung gedruckter Predigten zu zwei Parabeln hat gezeigt, daß oft mit den beiden Texten hermeneutisch in verschiedener Weise verfahren wurde, selbst wenn man sie mit derselben homiletischen Intention predigte. Dieser Befund erlaubt eine negative und eine positive Schlußfolgerung: Negativ ist zu konstatieren, daß die Frage nach àer Auslegung von Gleichniserzählungen in der Regel dem jeweiligen Predigtmteresse untergeordnet wurde, so daß - vielleicht mit Ausnahme einiger ganz neuer Predigten3 - eine Gattung der Parabelpredigt in der Geschichte kaum zu verifizieren ist. Diese Einsicht erinnert den Predigttheoretiker daran, daß Hermeneutik und Homiletik zwar aufeinander zu beziehen sind, daß aber die Homiletik eigene Fragestellungen einzubringen hat und sich nicht lediglich als Verlängerung hermeneutischer Einsichten in die Predigtpraxis hinein verstehen kann4. Die Hermeneutik hat hinsichtlich der Predigt eine Dienstfunktion. - Positiv ist an dem beschriebenen Befund zu erkennen, daß die Predigten immer im Horizont einer Gesamttheologie entworfen werden. Die Frage nach einer solchen Gesamttheologie ist auch für die gegenwärtige Predigttheorie und -praxis unverzichtbar. (3) Die Untersuchung gedruckter Predigten zu der Parabel von den Arbeitern im Weinberg und zu der Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter hat ergeben, daß die Prediger - von wenigen Ausnahmen abgesehen - die Parabeln kaum als dramatische Erzählungen wahrnahmen, sondern sie in der Regel als bildhafte Einkleidung eines oder mehrerer Gedanken verstanden. Mit solcher Verobjektivierung der Gleichniserzählung ist meist der Versuch ihrer abschließenden Deutung verbunden. - Diese durch zahlreiche Predigten tradierte Sicht der Gleichniserzählungen Jesu ist für eine Theorie der Parabelpredigt insofern von Bedeutung, als das Vorverständnis der Predigthörer dadurch entscheidend geprägt worden ist. (4) Zugleich belegt die neuere Predigtgeschichte von Mt 19,27—20,16 (20,1 - 1 6 ) und Lk 10,23—3 7(25—37) als ganze in ihrer Vielfalt eindrücklich die von der gegenwärtigen Hermeneutik der Gleichnisreden Jesu zu Recht herausgestellte Offenheit der Parabeln. Die Tatsache, daß Jesu Gleichniserzählungen verschiedener Auslegung fähig sind, ist von gegenwärtiger Theorie und Praxis der Parabelpredigt unbedingt zu berücksichtigen. 3 4

150

S.o. 136ff. Vgl. auch den folgenden Abschnitt b).

(5) D i e predigtgeschichtliche Untersuchung hat schließlich ergeben, daß an den beiden Parabeln immer wieder richtige Einzehspekte

gesehen wurden

und daß in der Predigttradition z u m Teil modernste hermeneutische Einsichten in Wesen und Funktion der Gleichniserzählungen präfiguriert sind. Gleichwohl ist zu urteilen, daß die mit jenen Einsichten verbundenen homiletischen Möglichkeiten jeweils nur partiell genutzt wurden. Eine Theorie der Parabelpredigt wird deshalb die Wahrheitsmomente einzelner Predigtweisen wahrzunehmen und so weit wie möglich zu integrieren versuchen. Eine Durchsicht neuerer Predigthilfen zu der Parabel vom barmherzigen Samariter sowie zu der Gleichniserzählung von den Arbeitern im Weinberg ergibt freilich, daß die Bedeutung predigtgeschichtlicher Arbeit von den Mediatoren offenbar nicht sehr hoch eingeschätzt wird. Von wenigen Ausnahmen 5 abgesehen werden keine Predigten über die jeweils zu bearbeitende Parabel herangezogen. Selbst die von E. Lange inaugurierten „Predigtstudien", deren Konzept die Berücksichtigung der Predigtgeschichte vorsieht 6 , lassen oftmals die Beschäftigung mit der homiletischen Tradition vermissen7. Beispiele aus der Predigtliteratur finden sich in drei „Predigtstudien": G. Goldbach stellt seiner homiletischen Bearbeitung von Mt 20,1 —168 ein Referat zweier neuerer Predigten zum Text voran, freilich ohne diese für die homiletische Besinnung auszuwerten. Anders eine Predigthilfe zu Lk 10,25—37 von M. Stöhr 9 : Hier werden drei Predigten in ihren zentralen Aussagen dargestellt und beurteilt. Allerdings geschieht diese Beurteilung unter negativen Vorzeichen: „Das Gleichnis verführt a) zu einer psychologisierenden und allegorisierenden Auslegung seiner Einzelheiten (alle untersuchten Predigten bringen lange Kataloge von Ausreden, die Priester und Levit hätten sagen können), b) zu anthropologischen Dogmen (,das grausamste Tier auf der Welt ist und bleibt der Mensch' - Frommel)" 10 . Dieses Fazit hängt wahrscheinlich mit der willkürlich getroffenen Auswahl der Beispiele zusammen und erscheint angesichts des Reichtums der Predigtgeschichte dieser Perikope als zu dürftig. - Ebenfalls verengt ist der Blick auf die Predigtgeschichte in der „Predigtstudie" von W. Herrmann 11 : Er zieht nur die Predigt Bultmanns zu Mt 20,1 — 15 heran und beurteilt sie allein unter dem Aspekt der ihr inhärenten Tendenz zur Verinnerlichung. - Es ist nun freilich von den Verfassern der „Predigtstudien" nicht zu verlangen, daß sie sämtliche erreichbaren gedruckten Predigten zum Text heranziehen und auswerten. Umso notwendiger ist es, in der Homiletik neben den bereits zahlreich

5 Vgl. M. Doerne, Er kommt auch noch heute. Homiletische Auslegung der alten Evangelien, Göttingen 4. Aufl. 1956,47f. ; H.Wulf. In: Homiletische Monatshefte 60,1985,438 f.; ferner die u.g. „Predigtstudien". 6 Vgl. Anm. 2. 7 Vgl. K. Pfitzner/V. Läpple. In: PSt 1/2, 1979, 192-197; B. Ter-Nedden-Amsler/B. Stierle. In: PSt \ / \ , 1984,126-136; W. Wiese/W. Härle. In: PSt 1/2,1985,206-213. 8 G. Goldbach. In: PSt 1/1,1978,140-147. 9 M. Stöhr/H.-J. Heydorn. In: PSt 1/2,1973,178-183. 10 A.a.O. 178 f. 11 W. Herrmann/E. Domay. In: PSt 1/1,1972,118-124.

151

erschienenen /ire ¿¿gergeschichtlichen Arbeiten 1 2 auch die />rec/¿gf geschichtliche Forschung voranzutreiben 13 .

Die Bedeutung der Predigtgeschichte für gegenwärtige Erwägungen zur Parabelpredigt ist allerdings nun insofern zu relativieren, als die Predigttradition nicht die einzige Quelle homiletischer Reflexion sein kann und darf. Die Analyse gedruckter Predigten zu Gleichniserzählungen hat ergeben, daß diese oft in hohem Maße Kinder ihrer Zeit sind, so daß sich eine unkritische Rezeption dieser oder jener Weise der Parabelpredigt verbietet. Die Berücksichtigung der Predigtgeschichte im Rahmen der Predigttheorie kann ferner auch nicht in der Weise erfolgen, daß die Stärken und Schwächen verschiedener Predigtweisen gegeneinander abgewogen und daraus gleichsam ein zeitloser Idealtypus von Predigt konstruiert würde. Auch ein solches Verfahren mißachtet die Zeitbezogenheit, die zum Wesen der Predigt unabdingbar hinzugehört. Bei der Ableitung homiletischer Erwägungen zur Parabelpredigt allein aus der Predigtgeschichte würde im übrigen die besondere Aufgabe gerade der Azra^e/predigt im Kontext christlicher Predigt überhaupt nicht sichtbar. Eine Theorie der Parabelpredigt muß folglich neben der Predigtgeschichte aus anderen Quellen schöpfen.

b) Die Hermeneutik

der Gleichnisreden

Jesu

Neben der Predigtgeschichte bietet sich als Grundlage einer Theorie der Parabelpredigt die Hermeneutik der Gleichnisreden Jesu an. Es liegt auf der Hand, daß die Berücksichtigung hermeneutischer Erkenntnisse ein unverzichtbares Element homiletischer Reflexion darstellt. So hat die im ersten Teil der Untersuchung vorgelegte Analyse vergangener und gegenwärtiger Parabelpredigt deutlich gezeigt, wie der Predigttext oft für gesellschaftliche oder theologische Zeitströmungen vereinnahmt wurde und wird. Einer solchen Tendenz kann und muß die Hermeneutik als kritisches Korrektiv entgegentreten; sie schützt gleichsam als Anwältin des Textes diesen vor Willkür bei 12 Vgl. etwa: G . B a y e r , Johann Tobias Beck als Prediger. In: M P T h 1, 1904/5, 437-452; A . Haarbeck, Ludwig Hofacker und die Frage nach der erwecklichen Predigt, Neukirchen 1961; H . Kreßel, Wilhelm Löhe als Prediger, Gütersloh 1929; F. Rießbeck, Die Predigt bei Christian Geyer, Diss. Erlangen 1978; M. Schellbach, Tholucks Predigt. Ihre Grundlage und ihre Bedeutung für die heutige Praxis, Berlin 1956; H . T h e u r i c h , Theorie und Praxis der Predigt bei Carl Immanuel Nitzsch, Göttingen 1975; W. Trillhaas, Schleiermachers Predigt und das homiletische Problem, Berlin/New York 2. Aufl. 1975; F. Wintzer, Claus Harms. Predigt und Theologie, Flensburg 1965. 1 3 Neben der bereits genannten Studie zur neueren Geschichte der Passionspredigt von W . Z w a n z g e r (s.o. A n m . 1) sei auf eine Arbeit verwiesen, die eine einzelne Perikope zum Gegenstand detaillierter predigtgeschichtlicher Forschung macht: H . Mohr, Predigt in der Zeit. Dargestellt an der Geschichte der evangelischen Predigt über L k 5 , 1 - 1 1 , Göttingen 1973.

152

der homiletischen B e a r b e i t u n g , i n d e m sie seine E i g e n a u s s a g e zur G e l t u n g bringt. D i e s e f ü r alle biblischen Texte w a h r z u n e h m e n d e A u f g a b e n s t e l l u n g der H e r m e n e u t i k erfährt im Blick auf die Gleichniserzählungen eine b e s o n dere Z u s p i t z u n g , da die Gleichnisse u n d Parabeln J e s u seit Jülicher G e g e n stand i m m e r neuer hermeneutischer B e m ü h u n g g e w o r d e n sind. E i n e T h e o r i e der Parabelpredigt w i r d an den hier g e w o n n e n e n vielfältigen E r k e n n t n i s s e n nicht v o r ü b e r g e h e n k ö n n e n u n d dürfen. D i e s e Einsicht hat sich weitgehend durchgesetzt, s o daß die M e h r z a h l der seit der J a h r h u n d e r t w e n d e u n t e r n o m menen Versuche, die A u f g a b e der Parabelpredigt z u b e s t i m m e n und Leitlinien f ü r ihre Praxis z u entwickeln, in e n g e m Z u s a m m e n h a n g mit hermeneutischen Ü b e r l e g u n g e n e n t w o r f e n w u r d e . Als exemplarisch für die Denkstruktur dieser Entwürfe kann der 1899 - zehn Jahre nach Erscheinen des ersten Bandes von Jülichers „Gleichnisreden Jesu" - verfaßte Aufsatz „Zur homiletischen Behandlung der Gleichnisreden Jesu" von O . Gehrcke gelten 14 : Gehrcke ist der Auffassung, daß der Ertrag der Jülicherschen Hermeneutik der Gleichnisreden „von direkter und einschneidender Bedeutung für die Predigt ist" 1 5 , und er unternimmt es, diese Bedeutung näher zu beschreiben. Zunächst werden ausführlich die Grundentscheidungen in Jülichers Entwurf referiert, sodann aus einzelnen Entscheidungen homiletische Konsequenzen gezogen: 1. Nach Jülicher sind die Gleichnisse Gelegenheitsreden Jesu zu besonderen Anlässen. Homiletische Konsequenz: „Es ist also nicht genug für die Predigt über Gleichnisse, daß man sich auf die Worte des Gleichnisses beschränke." 16 Auch die ursprüngliche Redesituation ist zur Geltung zu bringen. 2. Die Gleichnisse sind als zweigliedrig, aus Bild- und Sachhälfte bestehend, zu denken, wobei jedoch in der Regel nur die Bildhälfte überliefert ist. Homiletische Konsequenz: Die Gleichnispredigt hat „einen Torso zu ergänzen" 1 7 . 3. Die Gleichnisse sind rhetorische Mittel, deren argumentative Kraft auf ihrer Form beruht. Homiletische Konsequenz: „Die Predigt (hat) auf die Form der Gleichnisse Rücksicht zu nehmen.. ," 1 8 4. Gegenüber anderen Formen der Rede haben die Gleichnisse den Vorzug der Anschaulichkeit und Lebendigkeit. Homiletische Konsequenz: „Die Predigt muß darüber (sie!) aus sein, die eigentümliche Anschaulichkeit und Lebendigkeit der Gleichnisbilder den Hörern zu erhalten bzw. zugänglich zu machen." 1 9 5. Das Gleichnis zwingt den Hörer zur Zustimmung. Homiletische Konsequenz: „Alles ist deshalb in der Predigt zu vermeiden, was diesem Erfolge in den Weg treten könnte; alles ist aufzubieten, um ihn zu erreichen." 2 0 Das Ziel der Gleichnispredigt sieht Gehrcke darin, „möglichst denselben Erfolg hervorzubringen, dem das Gleichnis ursprünglich dienen sollte"21. Dieses Ziel 14

O . Gehrcke, Zur homiletischen Behandlung der Gleichnisreden Jesu. In: ZPrTh 21, 1899,

1-11. 15 16 17 18 19 20 21

A.a.O. A.a.O. Ebd. Ebd. A.a.O. Ebd. A.a.O.

1. 5.

6. 7.

153

zu erreichen, erscheint ihm ein viergliedriges Schema zum Aufbau der Predigt geeignet: 1. Beschreibung der Ursprungssituation des Gleichnisses 2. Erzählung der Bildhälfte 3. Entfaltung der Sachhälfte 4. Folgerungen für die Gemeinde der Gegenwart. Die bei Gehrcke beobachtete Methode, ausgehend von hermeneutischen Einsichten Grundsätze der Parabelpredigt zu entwerfen, wird auch in den folgenden Jahrzehnten immer wieder praktiziert. So heißt es etwa bei L. Fendt in der „Homiletik" 2 2 im Anschluß an hermeneutische Überlegungen zu den Gleichnissen: „Das Tertium ist der Hauptskopus des Gleichnisses. Uber das Tertium ergeht die eigentliche Predigt. Wer nicht in dieser Weise auf das Tertium aus ist, der verschleudert das Gleichnis Jesu, der bringt alles durcheinander, der,schwätzt'." 2 3 U m den Prediger vor dieser Gefahr zu bewahren, bietet Fendt im folgenden eine Liste der „Skopi" ( = Tertia comparationis) aller Gleichnisse Jesu 2 4 . Mit der Fortentwicklung der Hermeneutik der Gleichnisreden Jesu variieren in der Folgezeit auch die homiletischen Optionen. K. Fror 25 und ähnlich auch Chr. Bourbeck 2 6 nehmen im Anschluß an Jeremias den eschatologischen Charakter der Gleichnisse als Ansage der in der Welt der Sünde und des Todes schon jetzt wirksamen Gottesherrschaft ernst und erkennen in ihnen mit Fuchs ein „Selbstzeugnis J e s u " . Näherhin werden die Gleichnisse verstanden als Aufruf zur Entscheidung des Glaubens; Ziel der GleichnisprWzgi ist es, die Hörer erneut in diese Entscheidung zu stellen. Einen hermeneutischen Ansatz eigener Art bietet I. Baldermann 27 . Grundlegend ist die Erkenntnis, daß die sprachliche Form eines Textes schlechterdings nicht austauschbar und vom Inhalt ablösbar ist: „Was einmal in eine bestimmte sprachliche Form gefaßt ist, läßt sich nicht in irgendeine andere Form umgießen - es würde etwas völlig anderes daraus. U n d ebensowenig ist es möglich, etwa den Inhalt von der Form abzulösen und ihn nun in einem kurzen Satz begrifflich exakt zusammenzufassen. Unter der Hand entzieht sich der Inhalt. (...) Die unausbleibliche Folge i s t . . . Wirklichkeitsverlust." 28 L . Fendt, Homiletik, 2. Aufl. neu bearbeitet von B. Klaus, Berlin 1970. A . a . O . 69. 24 A . a . O . 7 0 - 7 4 . 2 5 K. Fror, Biblische Hermeneutik. Zur Schriftauslegung in Predigt und Unterricht, München 1 9 6 1 , 2 9 2 - 3 0 7 ; ders., Art. Gleichnis und Parabel III. In Predigt und Unterricht. In: R G G 3. Aufl. Bd. II, 1 6 1 9 - 1 6 2 1 . 2 6 C h r . B o u r b e c k , Die Gleichnis-Predigt. In: L.Schmidt (Hrsg.), Kleine Predigttypologie Bd. III: Das N e u e Testament, Stuttgart 1 9 6 5 , 1 2 4 - 1 3 0 . 2 7 I. Baldermann, Biblische Didaktik, H a m b u r g 1963; vgl. ders., Die Bibel - Buch des Lernens, Göttingen 1980. Baldermann bezieht seine Überlegungen primär auf den Unterricht, gibt aber zu erkennen, daß er sie in gleicher Weise auf die Predigt appliziert wissen will. 2 8 I. Baldermann, Didaktik, 24. 22 23

154

Es liegt in der Konsequenz dieses Ansatzes, daß die Aufgabe des Unterrichts wie der Predigt primär als „Entfaltung" des jeweiligen biblischen Textes beschrieben wird29. Im Blick auf Jesu Gleichnisse, so Baldermann, sei es darüberhinaus notwendig, eine existentielle Erfahrung aufzufinden, die der durch das Gleichnis ursprünglich geklärten Situation analog ist: „Im Auffinden des Bezuges zu unserem Leben liegt das hermeneutische Kernproblem der Gleichnisexegese und damit auch das didaktische Kernproblem der Gleichnisbehandlung. " 3 0 Auch W. Schütz gewinnt in seiner Homiletik 31 die Kriterien für die Predigt über Gleichnistexte aus der Hermeneutik. In Abgrenzung von Jülicher erklärt er, daß „durch solches Erzählen und Ansagen im Gleichnis das Kommen der Königsherrschaft Gottes mit Macht geschieht und wunderbar Ereignis wird." 32 Für die Predigt bedeutet das: Ihre Thematik soll nicht durch „das berühmte tertium comparationis" 33 bestimmt sein, sondern: „Es geht um die durch das Gleichnis im Erzählen und Ansagen hereinbrechende Macht und Gewalt von Gottes königlichem Herrschen; sie zu verdeutlichen, zu verkünden und lebendig zu machen, diese ihre besondere Artikulation und Zuspitzung gerade in diesem einen Gleichnis herauszustellen, ist Mitte, Thema und Gegenstand der Predigt, damit durch sie auch wir heute Bürger dieses Reiches werden. Dies allein soll entfaltet, begründet, ausgerufen, gegliedert, praktisch und konkret gemacht werden." 34 Wie Fror so ist auch Schütz der Auffassung, daß die Gleichnisse Jesu indirekte Christologie bieten. Daraus folgert er für die Predigt: „Daß Jesus hinter dem Gleichnis steht, ist einer der wichtigsten Sätze für jede Predigt über Gleichnistexte. (...) Die versteckte und verschlüsselte christologische Aussage in den Gleichnissen ist homiletisch der Ausgangspunkt der Predigt über sie." 35 Allen skizzierten Versuchen, Leitlinien für die Parabel- bzw. allgemein die Gleichnispredigt zu entwerfen, ist ungeachtet weitreichender inhaltlicher Differenzen - man vergleiche etwa die Aussagen von Fendt und Schütz miteinander! - die Struktur der homiletischen Reflexion gemeinsam. Aus hermeneutischen Einsichten werden homiletische Grundsätze deduziert. Konkret bedeutet das für die Bestimmung der Aufgabe der Parabelpredigt: Sie hat dieselbe Wirkung hervorzubringen wie die Parabel sie in ihrer Ursprungssituation nach Meinung des jeweiligen Hermeneuten hervorgebracht 29 30 31 32

A . a . O . 55. A . a . O . 138. W. Schütz, Probleme der Predigt, Göttingen 1981, 8 7 - 9 2 . A . a . O . 89.

33

Ebd.

34

A . a . O . 90. A . a . O . 92.

35

155

hat. Damit aber sind Wesen und Ziel der Parabelpredigt nur sehr verkürzt erfaßt, denn die homiletische Dimension bleibt unberücksichtigt: Die Differenz zwischen Parabel und Parabelpredigt ist verwischt, Predigt auf Auslegung reduziert. Damit hängt zusammen, daß die Grenzen für die Gestaltung der Predigt in der Regel sehr eng gezogen werden und die Einzelanweisungen für die Predigtarbeit formalistisch wirken 36 . In Abgrenzung zu dem beschriebenen hermeneutischen Rigorismus kommt es in einer Theorie der Parabelpredigt darauf an, die notwendige hermeneutische Reflexion kritisch mit homiletischen Aspekten, (Überlegungen zu den Predigthörern, zur Person des Predigers, zur Predigtintention, zur Sprachgestalt der Predigt usw.) zu vermitteln.

c) Das

Predigtverständnis

Eine dritte Möglichkeit, Perspektiven für eine Theorie der Parabelpredigt zu gewinnen, ist die Bestimmung ihrer Aufgabe und der Entwurf von Leitlinien zu ihrer Gestaltung vom Predigtverständnis her. Aus zwei Gründen erscheint es sinnvoll, Erwägungen zur Parabelpredigt im Zusammenhang mit einer Darlegung des Predigtverständnisses zu entwickeln. So wird einmal auf diese Weise gegenüber einer Homiletik, die sich als Verlängerung von Hermeneutik versteht und dadurch die Differenz zwischen Parabel und Parabelpredigt verwischt (vgl. b), die Parabelpredigt von vornherein als Predigt bedacht. Zum andern ist gegenüber einer Ableitung von homiletischen Grundsätzen aus der Predigtgeschichte (vgl. a) der Horizont der Theorie der Parabelpredigt erweitert, weil hier auch das Verhältnis der Parabelpredigt zu anderen Predigtgattungen zu bestimmen und zu fragen ist, ob die Parabelpredigt als Parabelpredigt einen spezifischen Beitrag zur Erfüllung der Aufgabe christlicher Predigt überhaupt zu leisten vermag. Gleichwohl darf auch dieser Ansatz einer Theorie der Predigt von Gleichniserzählungen Jesu nicht verabsolutiert werden. D. Bonhoeffer stellt 1935 in einem Vortrag vor Hilfspredigem und Vikaren der Bekennenden Kirche die Frage nach der Predigt neutestamentlicher Texte unter dem Gesichtspunkt ihrer Vergegenwärtigung 37 . In Abgrenzung von der deutsch-christlichen Theologie kann Vergegenwärtigung nach Bonhoef36

Vgl. etwa das Aufbauschema bei O.Gehrcke, die Liste der Skopi bei L.Fendt oder die Kontrollfragen an den Ausleger bei K. Fror, Hermeneutik, 304 f. Dieser Formalismus hat seinen Grund freilich auch in der Abwehr der allegorischen Auslegung der Gleichnisse. 37 D. Bonhoeffer, Vergegenwärtigung neutestamentlicher Texte. Vortrag vor der Bruderschaft der Hilfsprediger und Vikare der Provinz-Sächsischen Bekennenden Kirche in Hauteroda am 23. August 1935. In: GesSchr Bd. III, München 1960, 303-324.

156

fer nicht dazu dienen, die biblische Botschaft vor dem Forum der Gegenwart rechtfertigen zu wollen, vielmehr habe umgekehrt diese vor jener zu bestehen. Das Wesen der Vergegenwärtigung wird folgendermaßen beschrieben: „Die wahre Vergegenwärtigung liegt in der Frage nach der Sache. Es wird der Sache selbst zugetraut, daß dort, wo sie wirklich zu Wort kommt, sie in sich selbst das Gegenwärtigste sei; es bedarf darum gar keines besonderen Aktes der Vergegenwärtigung mehr, in der Sache selbst vollzieht sich die Vergegenwärtigung. Allerdings - nur weil es diese Sache ist, um die es im Neuen Testament geht, weil die Sache hier Christus und sein Wort ist. Wo Christus im Wort des Neuen Testaments zu Worte kommt, dort ist Vergegenwärtigung." 3 8 Predigt, die den biblischen Text recht vergegenwärtigt, muß also inhaltlich Christuspredigt und methodisch Schriftauslegung sein 39 . Dieses Predigtverständnis entfaltet Bonhoeffer sodann an verschiedenen Predigtgattungen, nämlich der Predigt über Lehrtexte, über Wundergeschichten, über Gleichnisse sowie der Predigt über Gebote und Paränesen. Alle diese Texte seien als Zeugnis von Christus auszulegen, wobei vom Gleichnis gelte: „Das Gleichnis ist Zeugnis von Christus in höchster Potenz." 4 0 Ein Verständnis der Gleichnisse als Darstellung allgemeiner Wahrheiten sei abzulehnen, vielmehr sei „Christus... das inhaltliche Ziel jedes Gleichnisses." 4 1 Ferner sei die Form des Gleichnisses nicht eine psychologisch begründete, vorbildliche Redeform, „sondern eine in der Sache des Reiches Gottes selbst begründete Gestalt seines R e d e n s . . . , durch die E R die Scheidung der Geister in Glaubende und Verstockte vollzieht." 42 Für die Gleichnispr-et/zgi formuliert Bonhoeffer daher folgende Aufgabenstellung: „So sind gerade die Gleichnisse nicht als die unvergänglichen Bilder ewiger Wahrheiten zu predigen, sondern als Zeugnis für Christus, der sich schenkt und versagt, der durch dasselbe Wort offenbart und verhüllt, als der Gekreuzigte, der durch sein klares Wort die Geister scheidet, durch dessen Wort sich das Geheimnis der ewigen Erwählung und Verwerfung vollzieht." 43 Eine ähnlich wie bei Bonhoeffer strukturierte Bemühung um die Gleichnispredigt hat 1955 J. Wolff im Rahmen seiner „Anleitung zur Predigtmeditation" 4 4 vorgelegt. Auch Wolff stellt seinen Überlegungen die Beschreibung seines Predigtverständnisses voran: „Predigt ist Verkündigung des Wortes A . a . O . 306 f. Vgl. a.a.O. 312. Vgl. auch D . Bonhoeffer, Finkenwalder Homiletik. In: GesSchr Bd. IV, München 1961, ( 2 3 7 - 2 8 9 ) , 246. 4 0 D . Bonhoeffer, Vergegenwärtigung, 317. 4 1 Ebd. 4 2 Ebd. 4 3 A . a . O . 317f. 4 4 J. Wolf, Anleitung zur Predigtmeditation, Berlin 1955. 38

39

157

Gottes. Sie wird durch dieses selbst Gottes Wort." 45 Dieser dogmatische Predigtbegriff wird sodann ausführlich entfaltet. Wolff versteht die Bibel als ganze als „die grundlegende Sammlung von Predigten"46 und beschreibt die Aufgabe gegenwärtiger Predigt als „Wiederholung der alten Predigt"47, freilich in einem neuen Sprachgewand: „Eine Predigt wird in dem Maße Predigt sein, indem es ihr gelingt, die alte Predigt in die Gegenwart herüberzuholen." 48 Es liegt in der Konsequenz dieses Ansatzes, daß für Wolff der Wortlaut des biblischen Textes von grundlegender Bedeutung ist, ja er hält es für wahrscheinlich, „daß diese Texte, eben weil sie wirklich Predigten sind, die Geordnetheit der göttlichen Welt widerspiegeln und auf diese hinweisen."49 Für die Predigtmeditation im Zusammenhang der Gleichnispredigt ergibt sich als Aufgabe, die vom Gleichnis gemeinte theologische Aussage („Tiefendimension") Zug um Zug an der gesamten Fläche der Erzählung zu verifizieren. „Wird diese nicht oder falsch gefunden, so kann keine legitime Predigt über das Gleichnis gehalten werden." 50 Der besondere Vorzug des Gleichnisses gegenüber anderen biblischen Texten besteht nach Wolff in seiner Anschaulichkeit, die auch tiefere Schichten des Bewußtseins erreicht und darum in der Predigt keinesfalls preisgegeben werden darf. Beiden Versuchen, die Aufgabe der Gleichnispredigt zu beschreiben, ist gemeinsam, daß die homiletischen Aussagen aus einem vorher dargelegten Predigtverständnis abgeleitet werden. Letzteres ist jeweils dogmatisch bestimmt und darum verhältnismäßig eindeutig: Entweder Predigt wird grundsätzlich als Christuspredigt begriffen (Bonhoeffer), oder aber sie ist als Wort Gottes, welches in Wiederholung der „alten Predigt" ergeht, verstanden (Wolff). Werden nun auf diesem Hintergrund Aussagen zur Gleichnis- bzw. Parabelpredigt gemacht, so verwundert es nicht, daß die Überlegungen zur Hermeneutik dogmatisch determiniert sind und daß wichtige homiletische Fragen wie etwa die nach der Gemeindesituation oder der Person des Predigers nicht gestellt bzw. a limine disqualifiziert werden. Mit der Eindeutigkeit des Predigtverständnisses hängt ferner zusammen, daß die Parabelpredigt inhaltlich festgelegt wird. Aus diesen Beobachtungen ergibt sich die Frage, in welcher Weise gegenwärtig das Predigtverständnis in Erwägungen zur Parabelpredigt einbezogen werden kann. Es wird zunächst darauf zu achten sein, daß die homiletische 45 46 47 48 49 50

158

A.a.O. A.a.O. A.a.O. Ebd. A.a.O. A.a.O.

1. 5. 40. 46. 74.

Reflexion im Blick auf die Textgruppe der Parabeln nicht ausschließlich aus dem Predigtverständnis hergeleitet wird; in diesem Fall besteht die Gefahr, daß die Parabeln nicht mehr in ihrer Eigenaussage gehört werden. Ferner ist das Predigtverständnis daraufhin zu überprüfen, ob es nicht nur theologisch verantwortet ist, sondern zugleich die Fragen der Predigtprax¿s integriert.51 Nur auf diese Weise läßt sich eine für die Praxis relevante Theorie der Parabelpredigt entwerfen.

2. Methode und Ziel Die bisherigen Überlegungen zur Grundlegung einer Theorie der Parabelpredigt haben ergeben, daß eine solche Theorie sowohl die Geschichte der Parabelpredigt als auch die Hermeneutik der Gleichnisreden Jesu zu berücksichtigen hat und daß sie im Zusammenhang mit einem auch die empirischen Aspekte von Predigt umfassenden Predigtverständnis zu entwerfen ist. Es ist deutlich, daß die in der homiletischen Reflexion auf die Parabelpredigt vielfach erfolgte Verabsolutierung jeweils einer Zugangsmöglichkeit zum Problem die Komplexität des Phänomens „Parabelpredigt" nicht hinreichend berücksichtigt. Gegenüber solchen einseitigen Zuspitzungen ist eine Theorie der Parabelpredigt in einer Weise zu entwickeln, die die genannten Ansätze integriert und also im Spannungsfeld von Predigtgeschichte, Hermeneutik und Homiletik Perspektiven für die Arbeit an der Predigt von Gleichniserzählungen benennt. Es erscheint sinnvoll, die nunmehr klar konturierte Aufgabe mit der Frage nachdem homiletischen Grundproblem der Parade/predigt im Unterschied zu der Predigt anderer Texte anzugehen und nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Dabei sollen neben hermeneutischen und homiletischen Arbeiten Predigthilfen zu den bereits aus der predigtgeschichtlichen Untersuchung vertrauten Texten Lk 10,25—37 und Mt 20,1 —15(16) herangezogen werden. Die Erwägungen zur Parabelpredigt sind also innerhalb eines breiten Theorierahmens zu entwerfen. Das hat notwendig Auswirkungen auf den Charakter der zu erwartenden Ergebnisse: So kann im folgenden nicht etwa eine Anleitung zur Predigt von Gleichniserzählungen geboten werden, die der Prediger dann nur noch auf „seine" Parabel anzuwenden hätte. Die Aussagen werden vielmehr zwangsläufig weniger doktrinal als in den oben beschriebenen Entwürfen sein und eher den Charakter von Perspektiven haben, die dem Prediger das Feld eigener Reflexion abstecken. 51

Vgl. F. Wintzer, Aufgabe und Funktion der Gemeindepredigt. In : Ders., Praktische Theolo-

gie, Neukirchen 2. Aufl. 1985 ( 1 0 2 - 1 1 5 ) , 111 f.

159

II. Die Aufgabe der Parabelpredigt 1. a) Die Prägekraft

Grundprobleme

der Gleichniserzählungen

Jesu

Eine fundamentale Schwierigkeit christlicher Predigt besteht darin, daß sie bei ihren Hörern in der Regel auf ein Vorverständnis stößt, weil der Predigttext immer schon zugleich auch gepredigter Text und mithin den Predigthörern nicht selten sehr vertraut ist. „So seltsam es klingen mag: Ein Hauptproblem für die Predigt in der kirchlichen und gesellschaftlichen Situation der Bundesrepublik ist es, daß sie in einem christlichen oder quasichristlichen oder nachchristlichen Kontext steht. Die Botschaft des Evangeliums hat durch die lange Geschichte eines ,christlichen Abendlandes' jeden Uberraschungs- und Neuigkeitswert verloren."1 „Man darf doch nicht im Ernst erwarten, daß ein westeuropäischer Predigthörer, der die Möglichkeit hat, über 50mal mit wachem Bewußtsein und im Gottesdienst der Gemeinde Weihnachten zu feiern, hermeneutisch imstande ist, noch irgendeinen einschlägigen Bibeltext als Neuigkeit zu hören." 2 Eine Homiletik, die die Neuigkeit des Evangeliums nicht einfach aus dogmatischen Gründen behauptet, sondern sich realistisch auf die empirischen Bedingungen von Predigt einläßt, wird an diesem Befund nicht vorübergehen können. In den letzten zwanzig Jahren ist eine Fülle homiletischer Literatur erschienen, deren erklärte Zielsetzung darin besteht, dem Prediger Hilfen zur Uberwindung der genannten Schwierigkeit an die Hand zu geben. Dabei werden im einzelnen sehr unterschiedliche Wege beschritten, um dem Predigttext trotz seiner Bekanntheit im Hörerkreis eine neue, bisher nicht gekannte Aktualität abzugewinnen. Auf die verschiedenen hier vorgeschlagenen Techniken - Verfremdung3, Bibelauslegung als Interaktion4, psychologische Auslegung5 etc. - wird an anderer Stelle dieser Untersuchung noch zurückzukommen sein; hier interessiert zunächst etwas anderes: An fast allen einschlägigen Arbeiten fällt nämlich auf, daß die Autoren besonders häufig auf Jesu Parabeln rekurrieren und ihre Erkenntnisse an ihnen exempli1 2 3

H . W . Dannowski, Kompendium, 16. H . - D . Bastian, Verfremdung und Verkündigung, T h E x 1 2 7 , 1 9 6 5 , 29. Vgl. dazu bes. Bastian.

Vgl. dazu bes. W. Wink, Bibelauslegung als Interaktion. U b e r die Grenzen historischkritischer Methode. Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1976. 5 Vgl. dazu I. Adam, Manchmal springt ein Funke über. Die psychische Aktualität von Bibeltexten - Homiletische Erfahrungen. In: Z G P 1 , 1 9 8 3 , Heft 2, 5 - 8 . 4

160

fizieren6. Es scheint eine Art stummer Übereinkunft darüber zu geben, daß die Gleichniserzählungen Jesu zu den bekanntesten und geläufigsten Texten der Bibel gehören und daß die Parabelpredigt aus diesem Grund besonderer Aufmerksamkeit bedarf. Diese Vermutung wird durch eine Reihe neuerer Predigthilfen zu Parabeltexten eindrücklich bestätigt. So beginnt etwa ein Verfasser seine Meditation zu Lk 1 0 , 2 5 - 3 7 mit den Worten: „Wer seine Bibel aufschlägt, um den Predigttext für den nächsten Sonntag zur Kenntnis zu nehmen, und dabei auf das Gleichnis vom barmherzigen Samariter stößt, wird... seufzen: Der Text ist zu bekannt!" 7 Ahnlich ein anderer Bearbeiter derselben Perikope: „Die Geschichte vom barmherzigen Samariter bringt (mich als) Hörer in eine ambivalente Situation: Das Gefühl der Vertrautheit kollidiert mit dem des Überdrusses."8 Der Verfasser einer „Predigtstudie" zu Mt 20,1 — 16 schließlich vermutet im Blick auf die Parabel von den Arbeitern im Weinberg bei den Predigthörern „die Reaktion des ,längst bekannt' und ,schon tausendmal gehört!'" 9

Das in Umrissen sich abzeichende homiletische Grundproblem der Predigt von Gleichniserzählungen Jesu ist mit den Stichworten „Bekanntheit" bzw. „Vertrautheit" des Predigttextes nun aber erst formal beschrieben und also noch nicht hinreichend erfaßt. Um die Aufgabe der Parabelpredigt skizzieren und Versuche zur Lösung dieser Aufgabe anbieten zu können, ist es notwendig, die Gründe für die besondere Bekanntheit der Parabeln zu kennen und zu untersuchen, welcher Art die Vertrautheit der Predigthörer mit den Gleichniserzählungen ist. Beide Fragen hängen aufs engste miteinander zusammen. - Die Gleichniserzählungen Jesu zeichnen sich zunächst durch ihre narrative Eigenart aus. Als anschauliche Erzählungen sind sie sehr einprägsam und besonders geeignet, etwa Kindern einen ersten Zugang zum christlichen Glauben zu erschließen; nicht zufällig haben die Parabeln einen festen Platz im Kindergottesdienst sowie im Religionsunterricht der Grundschule. Diesen Platz teilen sie zunächst noch mit anderen narrativen Partien aus dem Alten (z.B. Sintflutgeschichte, Vätererzählungen, Jona- und Danielgeschichte) und dem Neuen Testament (z.B. Wundergeschichten und Nachfolgeerzählungen). Die Gleichniserzählungen aber überdauern offenkundig die Phase der religiösen Sozialisation im Kindesalter und stellen so in besonderer Weise einen „selbstverständlichen Besitz der Predigtgemeinde"10 dar. Die Gründe dafür sind vielfältig: So ist einmal im Blick auf den erzählten 6

Vgl. H . - D . Bastian, 6 6 ; W. Wink, 3 4 f . ; I. Adam, 7; Homiletische Arbeitsgruppe ( H . Arens,

F. Richardt, J. Schulte), Kreativität und Predigtarbeit, München 1974, 6 3 , 6 6 . 7 H . B l a u e r t . In: E P M 1 9 7 8 / 7 9 , Bd. II: Dritter Sonntag nach Ostern (Jubilate) bis Letzter Sonntag des Kirchenjahres, ( 2 9 4 - 2 9 9 ) , 295. 8

W.Wiese/W.Härle,211.

9

G. Goldbach, 140.

10

H . - D . Bastian, 66.

161

Stoff festzustellen, daß die Parabeln im Unterschied zu vielen anderen biblischen Erzählungen auf wunderhafte, die erfahrbare Realität transzendierende Züge verzichten11. Das Erzählmaterial ist der Lebenswirklichkeit entnommen, so daß - auch wenn die Erzählungen durch das Arrangement der Einzelzüge eine unvorhersehbare Wendung nehmen - die Geschichten plausibel wirken. Dieses Wesensmerkmal der Gleichniserzählungen Jesu erleichtert auch dem „aufgeklärten", der Ratio verpflichteten Menschen den Zugang zu ihnen. Damit hängt eine zweite Eigenart zusammen: Die Parabeln geben sich „untheologisch" ; sie verlangen vom Hörer keine religiöse oder theologische Vorgabe, um verstanden werden zu können. Das bedeutet, daß die Gleichniserzählungen auch dafür offen sind, von Nichtchristen rezipiert und tradiert zu werden12. Schließlich ist daraufhinzuweisen, daß die Parabeln Jesu auf Grund dieser soeben beschriebenen Offenheit bereits von der Urkirche u. a. mitHilfe allegorischer und paränetischer Auslegung auf die eigene Situation gedeutet werden konnten13. Die Gleichniserzählungen wurden also schon früh in ihrer Relevanz für den Alltag bedacht und auf die Glaubenspraxis der Christen bezogen. Auf diesem Hintergrund nun läßt sich die Art und Weise der Vertrautheit heutiger Predigthörer mit den Gleichniserzählungen Jesu präziser beschreiben: Vertraut und bekannt sind den Hörern auch die Sintflut-, die Jona- und die Danielgeschichte oder etwa die Erzählung vom Hauptmann von Kapernaum sowie die Zachäusperikope; vertraut und bekannt in dem Sinne, daß sie sie beim Hören wiedererkennen oder gar sie nachzuerzählen in der Lage sind. Es ist jedoch kaum anzunehmen, daß diese Erzählungen die Frömmigkeit von Christen14 auf so breiter Basis und so nachhaltig bestimmt haben und bestimmen, wie das für etliche Parabeln Jesu vermutet werden kann. Das hängt damit zusammen, daß die in der Bibel berichteten Erfahrungen eines Noah, Jona, Daniel, eines Hauptmann von Kapernaum oder eines Zachäus nur bedingt den lebensgeschichtlichen Erfahrungen heutiger Christen entsprechen. Die Gleichniserzählungen Jesu hingegen haben aus den genannten Gründen eine besondere frömmigkeitsprägende Kraft15 : Sehr deutlich zeigt sich diese Prägekraft an der Parabel vom barmherzigen Samariter: Der Samariter ist auch über den engeren Bereich der Kirche hinaus zum Symbol der Nächstenliebe geworden („Arbeitersamariterbund"). 11 Eine Ausnahme bildethiernur die Parabel L k 16,19—31, die vonder Aufnahme des Lazarus in Abrahams Schoß sowie von den Höllenqualen des reichen Mannes erzählt. 12 Ein Beispiel dafür ist der von W. Jens herausgegebene Band : Vom Nächsten. Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter heute gesehen, Stuttgart 1973.

Vgl. J. Jeremias, Gleichnisse, 19—114. Z u r Frömmigkeit als Thema der Praktischen Theologie vgl. F. Wintzer, Art. Frömmigkeit III. Praktisch-theologisch. In: T R E X I , 6 8 3 - 6 8 8 (Lit!). 13

14

15

162

Darin ist den Parabeln allenfalls noch die lukanische Weihnachtsgeschichte vergleichbar.

b) Gemeindliche

Hermeneutik

Es liegt auf der Hand, daß die besondere Prägekraft der Gleichniserzählungen Jesu das eingangs skizzierte, mit der Bekanntheit vieler biblischer Texte sich stellende homiletische „Hauptproblem" entscheidend verschärft. Die Tatsache nämlich, daß die Parabeln die Glaubenspraxis vieler Christen mitbestimmt haben und noch mitbestimmen, bewirkt nicht nur, daß sie „selbstverständlicher Besitz der Predigtgemeinde" geworden sind, sondern hat weiterreichende Konsequenzen. Der Prediger hat damit zu rechnen, daß die Gemeinde eine eigene Hermeneutik der Gleichniserzählungen Jesu entwikkelt hat, die der von Exegeten vorgelegten möglicherweise zuwiderläuft. Diese Hermeneutik aber dürfte sich gerade aufgrund ihrer Verwurzelung in der Glaubenspraxis als gegenüber Infragestellungen außergewöhnlich resistent erweisen. Zu der gemeindlichen Hermeneutik der Parabeln gehört, daß die Hörer die Gleichniserzählungen vermutlich kaum noch als Erzählungen wahrnehmen, weil diese im Verlauf ihrer Rezeptionsgeschichte vielfach verobjektiviert und mit einem Etikett versehen wurden. Der im ersten Teil dieser Untersuchung vorgelegte Einblick in die Predigtgeschichte dokumentiert sehr deutlich diesen Vorgang16. So hat sich in der christlichen Tradition etwa die Parabel vom barmherzigen Samariter als Paradigma des Dienstes am Nächsten, die Gleichniserzählung vom Zöllner und Pharisäer als das von Hochmut und Demut („Hochmut kommt vor dem Fall!"), die Parabel von den verlorenen Söhnen als Urbild der verzeihenden Liebe und die Gleichniserzählung von den Arbeitern im Weinberg als das der schenkenden Güte etabliert. - Aber nicht nur die Predigthörer, sondern auch theologisch und hermeneutisch geschulte Prediger bedienen sich oft - vermutlich unbewußt - der aus der frömmigkeitsprägenden Kraft der Gleichniserzählungen resultierenden inoffiziellen Hermeneutik. Sehr deutlich zeigt sich das bei einer Analyse neuerer Predigthilfen zu L k 10,25—37. Mehrere Bearbeiter des Textes heben zu Beginn die narrative und dramatische Qualität der Parabel vom barmherzigen Samariter hervor und beschreiben Bewegung und Gefälle der Gleichniserzählung. Dabei begegnet des öfteren im Anschluß an G. Bornkamm 1 7 der Hinweis, die Geschichte sei aus der Perspektive des Überfallenen erzählt: „Der Hörer wird an den Platz des unter die Räuber Gefallenen versetzt und erlebt... das Herankommen und Vorübergehen der ersten beiden mit, und jeder merkt, wie wenig es dem Elenden hilft, ob sie nicht vielleicht gute Gründe für ihr eiliges

16 Vgl. dazu die der Beschreibung der verschiedenen Weisen der Parabelpredigt jeweils angefügte „Kritische Würdigung" im ersten Teil dieser Untersuchung. 17 G . Bornkamm, Jesus von Nazareth, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 11. Aufl. 1977.

163

Vorübergehen haben und ihr Verhalten entschuldigt und gerechtfertigt ist." 1 8 Bis auf wenige Ausnahmen 1 9 verlassen die Verfasser der Predigthilfen dann jedoch ohne Begründung diese Spur und gelangen unisono zu ethischen Schlußfolgerungen. Diese aber drängen sich keineswegs unmittelbar auf, wenn man die Parabel konsequent und bis zu ihrem Ende aus dem Blickwinkel des Überfallenen liest.

An den Predigthilfen wie auch an einer Reihe neuerer Predigten zu dieser Perikope 20 wird mithin deutlich: Die gemeindliche Hermeneutik ist so wirksam, daß sich trotz gegenläufiger hermeneutischer Einsichten am Ende die gewohnte Deutung ergibt. Ein zweites Merkmal der auf der Prägekraft der Parabeln beruhenden gemeindlichen (und pastoralen) Hermeneutik hängt mit dem ersten zusammen: Wo die Gleichniserzählungen nicht oder nur untergeordnet als Erzählungen wahrgenommen werden, da ist nicht zu erwarten, daß die ursprüngliche Anstößigkeit und die provokative Kraft dieser Geschichten noch zum Zuge kommt. Es ist kaum damit zu rechnen, daß die Hörer einer Predigt am 13. Sonntag nach Trinitatis, denen die Parabel vom barmherzigen Samariter als Predigttext vorgelesen wird, die ursprünglich beabsichtigte schockierende Wirkung des Erzählten noch zu registrieren in der Lage sind. Vielmehr ist die Figur des Samariters im gemeindlichen Bewußtsein in einer Weise idealisiert, die eine Wahrnehmung seiner Person als Feind und Gotteslästerer selbst dann kaum zuließe, wenn man die historische Information an die Gemeinde weitergäbe. Verschiedene Bearbeiter dieses Textes beschreiben in ihren Predigthilfen dieses Problem. O b es freilich schon dadurch gelöst wird, daß man die Parabel als „das Gleichnis vom barmherzigen Kommunisten" 2 1 liest, ist angesichts der tiefen Verwurzelung des positiven Samariterbildes in der Frömmigkeit zu bezweifeln. Ebenso dürfte der Hinweis, hier werde Nächstenliebe als Feindesliebe verstanden 22 , in seiner Abstraktion die urprüngliche Fremdheit der Erzählung kaum neu zur Geltung bringen können. Ahnliches wie von der Parabel vom barmherzigen Samariter gilt auch von den anderen Gleichniserzählungen. Auch sie sind im Bewußtsein der Gemeinde ihres provokatorischen Charakters weithin entkleidet und damit domestiziert. Möglicherweise hängt diese Entwicklung auch mit einer Fröm18 A . a . O . 99f.; vgl. K . P f i t z n e r / V . L ä p p l e , 192; K . H . Bieritz. In: E P M 1984/85, B d . I I : 3. Sonntag nach Ostern (Jubilate) bis Letzter Sonntag des Kirchenjahres, (254—258), 255; W. Wiese/W. Härle, 208; M. Barth. In: G P M 1950 (2. Aufl. 1966), ( 2 3 4 - 2 3 9 ) , 237; H . Gollwitzer. In: G P M 1954, ( 2 1 3 - 2 1 6 ) , 215; Merkel/Balzer/Georgi. In: G P M 1961, ( 2 4 5 - 2 4 8 ) , 245; P.Bukowski. In: G P M 1979, ( 3 5 0 - 3 5 7 ) , 353; H . B l a u e r t , 296; G . Schmoll. In: N e u e Calwer Predigthilfen 1. J g . Bd. B : Exaudí bis Ende des Kirchenjahres, ( 1 4 4 - 1 5 0 ) , 146. 19 20 21 22

164

Vgl. H . Gollwitzer, M. Barth. Bei K. H . Bieritz wird der Perspektivwechsel begründet. S . o . 125f. M . B a r t h , 236. Vgl.W.Wiese/W.Härle,211.

migkeitstradition zusammen, die in dem Gleichniserzähler Jesus von Nazareth primär den Lehrer, Mahner, Freund und Tröster und nicht den unbequemen Revolutionär erkennt. Wo die Gleichniserzählungen verobjektiviert und domestiziert sind, da zeigt sich schließlich drittens die Tendenz, die in ihnen handelnden Personen festzulegen. Daß die Figur des Samariters im Bewußtsein vieler Predigthörer wie auch vieler Prediger hochgradig positiv besetzt ist, wurde bereits ausgeführt. In gleicher Weise sind aber auch etliche Akteure der Parabeln zu Negativfiguren, ja geradezu zu Karikaturen geworden. Der Pharisäer etwa in Lk 18,10—14 gilt als der Prototyp der Selbstgerechtigkeit, eine Einschätzung, die Folgen bis in die Umgangssprache hinein hat, wo „Pharisäismus" synonym mit „Heuchelei" gebraucht wird23. Ahnlich negativ sind im gemeindlichen Bewußtsein auch Handlungsträger anderer Parabeln qualifiziert: So gelten Priester und Levit in der Gleichniserzählung Lk 10,30—35 als hartherzig, der reiche Mann in der Parabel Lk 16,19—31 als unbarmherzig, während Habgier das Kennzeichen des Kornbauern Lk 12,16-20 ist. Allen diesen Charakterisierungen ist gemeinsam, daß sie in der jeweiligen Gleichniserzählung selbst nicht den geringsten Anhalt haben. Es ist daher anzunehmen, daß die Karikierung der genannten Personen einen Zweck im Blick auf die sie vollziehenden Hörer der jeweiligen Parabel erfüllt. Sie dient dazu, die Erzählung zu moralisieren, sie dadurch handhabbar zu machen und in die eigene Glaubenspraxis zu integrieren. Ein Beispiel: Wer dem reichen Kornbauern unlautere Motive, etwa Habgier, unterstellt, und seinen plötzlichen Tod darauf zurückführt24, der kann in seinem eigenen Leben diesen Fehler vermeiden und auf ein besseres Ergehen hoffen. In diesem Zusammenhang ist am Rande eine interessante Beobachtung zu machen. Es fällt auf, daß die Personen, die durch die gemeindliche Hermeneutik in der beschriebenen Weise karikiert werden, in jenen lukanischen Parabeln vorkommen, die A. Jülicher seinerzeit als besondere Gattung von „Beispielerzählungen" ausgrenzte. Bei den übrigen Parabeln ist die Tendenz zur Karikatur einzelner Akteure durch die Hörer zwar durchaus auch gegeben, jedoch in deutlich anderer F o r m : In ihnen nämlich charakterisieren sich einzelne Figuren durch ihr Reden und Denken zweifelsfrei negativ, so etwa der ältere Sohn in Lk 15,11—32 oder die Ganztagsarbeiter in Mt 20,1 — 15; man kann ihnen ihr „Verschulden", ihre unmoralische Einstellung gleichsam am Text nachweisen. Die Karikierung durch den Hörer besteht dann darin, die jeweiligen Akteure auf ihr negatives „Image" festzulegen und sich auf diese Weise 23

Vgl. Der große Duden (Hrsg. P. Grebe), Bd. 1, Mannheim/Zürich 1967, 523.

Diese Deutung ist bereits in dem redaktionellen Vers L k 12,21 angelegt. Zur Redaktionskritik vgl. G . Eichholz, Gleichnisse der Evangelien. F o r m - Uberlieferung - Auslegung, Neukirchen 2. Aufl. 1975, 181. - Auf die Tendenz, anstößige Gleichnisse Jesu durch redaktionelle Zusätze zu domestizieren, verweisen auch T. Schramm/K. Löwenstein, Unmoralische 1 leiden. Anstößige Gleichnisse Jesu, Göttingen 1986, passim. 24

165

von ihnen zu distanzieren. Anders bei den sogenannten „Beispielerzählungen" : Dort wird das negative „Image" vom Hörer allererst geschaffen, damit er die Geschichte auf seine Glaubenspraxis beziehen kann. Es besteht folglich in der Tat ein Unterschied zwischen den genannten vier lukanischen lind den übrigen Parabeln, nur ist dieser das hat W. Harnisch überzeugend dargelegt25 - kein Unterschied in der Struktur und Wirkweise der Gleichniserzählung, sondern ein Unterschied in der Rezeption. Es wäre daher einmal zu überprüfen, ob Jülichers Gattungsbestimmung tatsächlich nur exegetisch motiviert oder aber zugleich von der Frage nach der Praxis des Glaubens geleitet war.

2. Parabelpredigt als dreifache

Pro-vokation

Auf dem Hintergrund der angezeigten Grundprobleme ist die Aufgabe der Parabelpredigt nunmehr als eine dreifache Pro-vokation, ein dreifaches Heraus· bzw. „Hervorrufen" der Predigthörer zu beschreiben. - Zuerst kommt es entscheidend darauf an, die zu predigende Gleichniserzählung der auf ihrer Prägekraft beruhenden Selbstverständlichkeit zu entkleiden, oder besser: die Predigthörer aus den beschriebenen Engführungen, Festlegungen und Karikierungen herauszurufen. Dieser Schritt ist notwendig und keineswegs identisch mit einer Provokation (im umgangssprachlichen Sinn), die primär zum Widerspruch reizen soll. Es geht hier um nichts weniger als um die fundamentale homiletische Frage nach dem Predigthörer: Ihm soll durch die Parabelpredigt signalisiert werden, daß in der Parabel seine Sache, seine Existenz auf dem Spiel steht. Damit dieses „Tua res agitur!" aber gehört werden kann, hat - in welcher Weise auch immer - die Pro-vokation der Hörer aus der gewohnten Hermeneutik heraus zu erfolgen. Um die Aufgabe an einem biblischen Beispiel zu verdeutlichen, sei an den Propheten Nathan erinnert, der David nach dessen Ehebruch und Blutschuld eine Parabel erzählt. Als David das Verhalten der Hauptfigur in der Erzählung empört verurteilt, antwortet Nathan: „Du bist der Mann!" (2.Sam 12,7a). Diesen Zu-spruch hat die Parabelpredigt an ihre Hörer auszuteilen, und dazu ist es notwendig, die gemeindliche Hermeneutik zugunsten einer neuen Sichtweise der Parabel aufzusprengen. Ihr Ziel hat die erste in einer zweiten Pro-vokation. Es ist nämlich nicht nur erforderlich, aus festgefahrenen Deutungsmustern herauszurufen, sondern die Parabelpredigt hat zugleich die Aufgabe, die Hörer in der Auseinandersetzung mit der Gleichniserzählung zu einer neuen Sicht ihrer eigenen Lebenswirklichkeit sub specie Dei zu pro-vozieren; in dieser Zielsetzung trifft sie sich mit der Predigt über andere, nicht parabolische Texte. Auch hier 25

166

Vgl. W. Harnisch, Gleichniserzählungen, 8 4 - 9 7 .

kann Nathan als Vorbild für den Parabelprediger gelten: Nachdem er seine Parabel erzählt und dem David auf den Kopf zugesagt hat, daß hier seine Sache verhandelt wird, verhilft er ihm zu einer neuen Sichtweise dessen, was er getan hat und damit zu einer neuen Einschätzung seiner selbst, indem er den Ehebruch und die Blutschuld aus der Perspektive Gottes schildert ( w . 7b—12). David antwortet: „Ich habe gesündigt gegen den Herrn." (v. 13 a). Damit ist bereits die dritte Pro-vokation benannt, die die Parabelpredigt zu vollziehen hat: Wie alle christliche Predigt soll sie Pro-vokation zum Dialog sein. An die Predigt des Nathan schließt sich ein Gespräch mit dem König an, ein Gespräch, das diesem eine Zukunftsperspektive eröffnet (vv. 13 f.). - Erst wenn die Predigt einer Gleichniserzählung Jesu ihre Hörer in der beschriebenen dreifachen Weise herausgerufen hat, ist die Aufgabe des Predigers erfüllt: „Und Nathan ging heim." (v. 15a).

III. Die Berücksichtigung des Parabelrahmens in der Predigt Im Rückblick auf die neuere Predigtgeschichte der Parabel von den Arbeitern im Weinberg sowie der Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter zeigt sich, daß die Prediger mit dem evangelischen Kontext der Parabeln in verschiedener und zum Teil charakteristischer Weise umgegangen sind. Besonders auffällig etwa ist die Tatsache, daß die „Parabelpredigt als vernünftige Argumentation und praktische Ermahnung", wie sie für die Zeit der Aufklärung und des Rationalismus kennzeichnend ist, den Parabelrahmen in der Regel allenfalls am Rande berücksichtigt 1 , während er in der vom lutherischen Konfessionalismus des 19. Jahrhunderts geprägten „Parabelpredigt als Darlegung von Lehre und Bekenntnis" theologisch und damit auch homiletisch mitunter eine konstitutive Bedeutung erlangt 2 . Die „Parabelpredigt als Aufruf zu persönlicher Frömmigkeit" wiederum macht sich den Kontext der Gleichniserzählung kaum zunutze 3 . Damit ist deutlich: In vielen Parabelpredigten des 18. und des 19. Jahrhunderts entscheidet die homiletische Zielsetzung darüber, ob nur die Gleichniserzählung oder aber auch der

1 2 3

S.o. 22 ff. S.o. 41 ff. bes. 55. S.o. 61 ff.

167

evangelische Kontext in der Predigt verarbeitet wird4. Diese Beobachtung gibt Anlaß zu der grundsätzlichen Frage, welche homiletische Relevanz dem Rahmen einer Gleichniserzählung zukommt und ob er eine Hilfe für die als „dreifache Pro-vokation" verstandene Parabelpredigt bietet. Die Frage nach der Bedeutung des Parabelrahmens für die Predigt bekommt noch einmal besondere Dringlichkeit, wenn man die Erkenntnisse der formgeschichtlichen Erforschung der Evangelien berücksichtigt. Eine in diesem Zusammenhang gewonnene grundlegende Einsicht ist die, daß die Evangelien nicht Geschichtsschreibung sondern Kerygma sind: sie wollen zum Glauben an Jesus Christus rufen5. Auf die in den Evangelien enthaltenen Gleichniserzählungen Jesu bezogen bedeutet diese Erkenntnis: In der Form, wie die Parabeln im Neuen Testament vorliegen, repräsentieren sie nicht die „ipsissima vox Jesu" Q.Jeremias), sondern es handelt sich hier bereits um Parabelpredigten im weitesten Sinne. Dann aber ist es denkbar, daß aus der u.a. an dem Parabelrahmen ablesbaren Art und Weise, wie jene frühesten „Parabelprediger" die Gleichniserzählungen Jesu auf ihre Situation bezogen, sich Hinweise für die gegenwärtige Predigtaufgabe ergeben: Die Überlieferungsgeschichte der Parabeln bekommt homiletische Relevanz. Die überlieferungsgeschichtlichen Erkenntnisse der neutestamentlichen Wissenschaft haben sich auf das Nachdenken über die Predigt von Gleichniserzählungen Jesu deutlich ausgewirkt. Vor allem ist vielen Predigern und Homiletikern bewußt geworden, daß das Berücksichtigen oder Ignorieren des Parabelrahmens in der Predigt eine Entscheidung6 darstellt, die vom Prediger zu verantworten ist. Diese Einsicht führt gelegentlich dazu, daß einzelne Predigthilfen sich beinahe ausschließlich als Entscheidungshilfen präsentieren, etwa indem sie die Notwendigkeit der Einbeziehung des Parabelrahmens in den Predigttext in extenso begründen7. Gleichwohl scheint es, als sei die spezifisch homiletische Dimension des Problems nicht immer hinreichend erfaßt. So wird in verschiedenen Predigthilfen die Abgrenzungsfrage primär unter systematisch-theologischen Gesichtspunkten diskutiert. M. Barth etwa begründet in seiner Predigtmeditation zu der Parabel vom barmherzigen Samariter die Abgrenzung Lk 10,23—37 damit, daß „das nack-

4 F ü r die jüngeren Parabelpredigten kann diese Feststellung nicht in gleicher Weise generalisierend getroffen werden, sondern ist auf Grund der zunehmenden Differenzierung der Predigt in jedem Einzelfall neu zu erheben.

Vgl. R. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, Göttingen 9. Aufl. 1 9 7 9 , 1 ff. Explizit sprechen Merkel/Balzer/Georgi, 247, von einer Entscheidung zwischen verschiedenen Stadien der Überlieferung von L k 10,25—37; vgl. Chr. Bourbeck, 127; K. Fror, H e r m e neutik, 301. 5 6

7

168

Vgl. G. Klein. In: G P M 1 9 7 3 , 3 9 3 - 4 0 1 .

te Gleichnis... gesetzlich verstanden werden (kann)" 8 . - Häufiger noch als unter systematisch-theologischem wird die Abgrenzung des Predigttextes unter exegetischem

Aspekt vollzogen. Als Beispiel dafür sei nur ein Satz aus

der homiletischen Bearbeitung von Mt 20,1 — 16 durch L.Fendt zitiert: „Will... der Prediger nicht einen Fehlsinn verkündigen, sondern das was Jesus sprach, so muß er hier den Rahmen streichen, also von 20,16 absehen, vom „denn" in 20,1 und somit von einer Rückbeziehung auf 19,30." 9 Der theologischen wie der exegetischen Begründung der jeweiligen Abgrenzung des Predigttextes ist gemeinsam, daß hier primär das „Was" der Predigt, also ihr Inhalt, im Blick ist, während die zentrale homiletische Frage „Wem predigen wir?" (W.Jetter), also die Frage nach den Adressaten, in diesem Zusammenhang nicht gestellt wird. Bedenkt man im Gegensatz dazu bereits bei der Exegese der Parabel, daß mit ihrer Hilfe eine Gemeinde predigt gehalten werden soll, so erscheint der überlieferungsgeschichtliche Befund in einem neuen Licht. Es ist dann nämlich auch danach zu fragen, ob von der homiletischen Situation her eine Berücksichtigung des Kontextes der Parabel sinnvoll oder eher ungünstig erscheint. Dieser Gedankengang wird in zwei Predigthilfen exemplarisch vorgeführt 1 0 . Beide Bearbeiter entscheiden sich dafür, den Rahmen der jeweiligen Gleichniserzählung in die Predigt aufzunehmen und begründen diese Entscheidung mit der homiletischen Situation. So will etwa W. Dietzfelbinger in seiner Predigthilfe zu L k 10,25—37 die Frage des Schriftgelehrten nach dem ewigen Leben (v. 25) in der Predigt berücksichtigt wissen, weil diese Frage, auf die die Parabel im lukanischen Zusammenhang antwortet, s. E. auch heute noch gestellt wird, wenn auch die Formulierungen andere geworden sind. Dietzfelbinger hofft, auf diese Weise die Gleichniserzählung wirksam mit der Hörersituation versprechen zu können 1 1 . Dasselbe Interesse leitet auch J . Roloff, wenn er die Parabel von den Arbeitern im Weinberg zunächst in ihrer Interpretation durch Matthäus predigen will. In seiner Bearbeitung von M t 20,1 —16 a heißt es, konkreter noch als bei Dietzfelbinger: „Die folgende Predigtskizze hat eine Hörerschaft aus einer relativ großen, traditionsreichen Innenstadtgemeinde im Blick. ( . . . ) D i e Gemeinde ist stolz auf ihre ungebrochene und nach wie vor lebendige 8 M. Barth, 235 ; vgl. G. Dehn. In : Herr, tue meine Lippen auf (Hrsg. G. Eichholz), Bd. 1 : Die altkirchlichen Evangelien, Wuppertal 1954, ( 2 6 6 - 2 7 0 ) , 2 6 6 f . ; K. G. Steck, a.a.O., ( 7 7 - 8 2 ) , 77f. ; M. Doerne, 1 2 9 f . ; F. Hahn. In: Homiletische Monatshefte 4 8 , 1 9 7 2 / 7 3 ( 4 3 3 - 4 3 5 ) , 433. 9 L . Fendt, Die alten Perikopen für die theologische Praxis erläutert, Tübingen 1931, (68—70), 6 8 f . ; vgl. a.a.O., ( 1 8 2 - 1 8 4 ) , 1 8 2 f . ; Merkel/Balzer/Georgi, 2 4 5 f f . ; G. Klein, 393ff.; H . Blauen, 2 9 5 ; G . D e h n . In: Mein H e r z hält Dir vor Dein Wort. Biblische Meditationen für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres, Berlin 1940, ( 7 9 - 8 5 ) , 8 0 ; M . Doerne, 4 7 ; H . B e n c k e r t . In: G P M 1961, ( 6 7 - 7 2 ) , 6 8 ; M . Kruse. In: hören und fragen. Eine Predigthilfe (Hrsg. A . Falkenroth, H . - J . Held) Bd. 1 : Erste Evangelienreihe, Neukirchen 1978, ( 9 5 - 9 8 ) , 9 5 ; S. Schwarz. In: Homiletische Monatshefte 5 4 , 1 9 7 8 / 7 9 ( 1 0 9 - 1 1 3 ) , 109. 1 0 Vgl. W.Dietzfelbinger. In: hören und fragen Bd. 1, 2 9 2 - 2 9 9 ; J. Roloff. In: Neue Calwer Predigthilfen 1. Jg. Bd. A : Advent bis Himmelfahrt, Stuttgart 1 9 7 8 , 1 6 2 - 1 7 0 . 11

Vgl. W. Dietzfelbinger, 294 f.

169

Tradition. Zumindest latent herrscht die Angst vor Experimenten, die die Kirche zu stark für Neues, Ungewohntes öffnen könnten. Es kann von daher keine Frage sein, daß die Predigt zunächst die Richtung aufnehmen muß, die Mt durch seine Deutung des Gleichnisses gewiesen hat. Sie muß warnen vor der Überheblichkeit derer, die im Selbstbewußtsein,,Erste' zu sein, auf die ,Letzten' herabsehen; sie muß die Wurzeln dieser Fehlhaltung aufdecken und sie muß deutlich machen, daß Gott sich von uns nicht zu ihrer Legitimierung mißbrauchen läßt." 1 2

Die Beispiele verdeutlichen, daß die Entscheidung, ob der Rahmen einer Parabel in der Predigt verarbeitet werden soll oder nicht, nicht nur theologisch und exegetisch, sondern vor allem auch homiletisch zu verantworten ist, wobei alle homiletisch relevanten Fragestellungen zu berücksichtigen sind13. Da die homiletische Verantwortung jedoch für jede konkrete Predigt neu zu übernehmen ist, kann grundsätzlich kein Uberlieferungsstadium einer Gleichniserzählung eine exklusive Berechtigung als Predigttext beanspruchen, m. a. W. es ist legitim, eine Parabel Jesu sowohl mit als auch ohne ihren evangelischen Kontext zu predigen. Ungeachtet der prinzipiellen Gültigkeit der soeben besprochenen Feststellung ist aber nun zu fragen, ob die Berücksichtigung des Rahmens wirklich eine Hilfe für die Parabelprtàigt darstellt. Das ist zu bezweifeln. Zwar kann, wenn die homiletische Situation es erlaubt oder gar erfordert, die Berücksichtigung des Kontextes einer Gleichniserzählung in der Predigt sich als sinnvoll erweisen. Diese Entscheidung trägt dann dazu bei, die Predigthörer zu einem Dialog zu pro-vozieren. Ob es sich dabei freilich um jenen Dialog handelt, der im vorigen Kapitel als Ziel der „dritten Pro-vokation" beschrieben wurde, erscheint zweifelhaft. Der Dialog mit den Hörern ist dann nämlich nicht durch die Predigt der Gleichniserzählung, sondern durch die Predigt von deren Deutung im Evangelium veranlaßt. Die Gleichniserzählung mit ihrem Rahmen predigen heißt, sie von ihm her zu predigen; die Parabel dient in diesem Fall der Illustration ihres Kontextes und ist nicht oder nur sekundär selbst Gegenstand der Predigt. Unter diesen Umständen aber ist es unmöglich, die Aufgabe der Parabelpredigt - um diese geht es der vorliegenden Untersuchung - mit Hilfe einer Einbeziehung des Parabelrahmens zu lösen. Daß der Kontext der Gleichniserzählungen aus dem genannten Grund keine unmittelbare Bedeutung für die Parabelpredigt hat, heißt aber nun keineswegs, daß er für sie gänzlich ohne Relevanz wäre. Die Tatsache, daß die Evangelisten die Parabeln unbefangen auf ihre Gemeinden beziehen und J . R o l o f f , 168. Ansatzweise geschieht dies in folgenden weiteren Predigthilfen: H . Scheler. In: Homiletische Monatshefte 48,1972/73 ( 1 1 9 - 1 2 2 ) , 119; A. Geense. In: G P M 1973 ( 1 0 7 - 1 1 5 ) , 113f. 12 13

170

zuspitzen konnten, weist vielmehr auch heutigen Parabelpredigern den Weg zu einem freien Umgang mit Jesu Gleichniserzählungen. Diese Bedeutung des Rahmens für die Parabelpredigt beschreibt H. Braun in seiner Predigtmeditation zu Mt 20,1 —1614: Nachdem er auf den matthäischen Ursprung des „denn" in v. 1 sowie des v. 16 hingewiesen hat, folgert er: „Diese Eingruppierung (sc. in den Duktus des Matthäusevangeliums) gibt uns jedoch nun die Freiheit, die Parabel, wie immer Jesus sie gezielt haben mag, jetzt für unsere Situation uns gesagt sein zu lassen, so wie Mt sie auf die Gemeinde der Christen bezieht, für die er schreibt." 15 An diesem Punkt setzt der im folgenden zu beschreibende Versuch einer Lösung der gestellten Aufgabe ein.

IV. Die Technik der Verfremdung Im vorletzten Kapitel wurden die Prägekraft der Parabeln sowie die damit zusammenhängende gemeindliche Hermeneutik als Grundprobleme und die „dreifache Pro-vokation" der Predigthörer als Aufgabe der Parabelpredigt beschrieben. Als ein geeignetes Mittel zur Bewältigung des Grundproblems und also zur Lösung der gestellten Aufgabe scheint sich die von Bertolt Brecht dargelegte und praktizierte Technik der Verfremdung zu empfehlen. Es war H.-D. Bastian1, der 1965 diese Brechtsche Kategorie auf die kirchliche Verkündigung bezog; seine Ausführungen sollen im folgenden in Auswahl skizziert und hinsichtlich ihrer Tragfähigkeit im Blick auf die Aufgabe der Parabelpredigt überprüft werden. In seiner Arbeit „Verfremdung und Verkündigung" polemisiert Bastian mit der Kraft der Einseitigkeit gegen den im Gefolge der Dialektischen Theologie entwickelten, dogmatisch überhöhten Predigtbegriff und fordert die Einbeziehung empirischer Erkenntnisse in die Homiletik. Es geht ihm um die Frage, wie christliche Verkündigung wirksam werden kann, wie der „Effekt des Tua fabula narratur, Tua res agitur" bei den Adressaten zu erreichen ist. Eine wichtige These in diesem Zusammenhang besagt, daß die dogmatisch begründete Rede von der „Eigenbewegung" des Wortes Gottes nicht nur Kommunikation erschwert oder gar verhindert, sondern darüberhinaus auch der Struktur der biblischen Verkündigung nicht entspricht. Dort 14 15 1

Vgl. H. Braun. In: GPM 1954, 5 9 - 6 2 . A.a.O. 59. S.o. 160, Anm.2.

171

nämlich seien - das zeige die formgeschichtliche Analyse - Tradition und interpretierende Gestaltung stets eng miteinander verwoben, so daß auch für heutige Verkündigung zu gelten habe: „Das Wort Gottes (muß) zum Dienste des Menschen unbedingt zurechtgemacht werden..., wenn es wirken soll." 2 Dazu aber eignet sich nach Bastian die Technik der Verfremdung, wie sie von Brecht für das Drama benutzt wurde. Ihre Aufgabe besteht darin, Bekanntes und Vertrautes fernzurücken, um es neu sehen zu lassen: „Das Wichtigste bei seiner (sc. Brechts) Verfremdung ist nicht, daß die Dinge fremd werden, sondern daß sie verständlich werden."3 Damit hängt zusammen, daß das Ziel der Verfremdung jenseits ihrer selbst liegt: „Die Verfremdung will eine Bewegung auslösen, die über das Ende der dramatischen Rede hinausgeht, die den Zuschauer in seine Zukunft entläßt mit dem konkreten Auftrag, die geschaute und gehörte, keineswegs selbstverständliche Wahrheit wirksam zu machen." 4 Bastian hält die Verfremdung gerade biblischer Texte für geboten, weil diese gleichsam als „Stapelware" betrachtet und entsprechend behandelt worden seien, so daß heutige Hörer „diese,Sache' im intimen Umgang längst neutralisiert haben, weil sie ihnen bereits tausendfach beschrieben worden ist." 5 Um die Legitimität der Inanspruchnahme des Verfremdungseffektes durch die Verkündigung zu erweisen, erinnert Bastian daran, daß es diese Technik durchaus schon in der Bibel, namentlich in der prophetischen Rede und in den Parabeln Jesu 6 , gibt. Am Schluß der Untersuchung wird auf die Grenzen der Verfremdung hingewiesen: Sie sei keineswegs identisch mit Verkündigung, sondern ein - allerdings notwendiges - Mittel kirchlicher Rede. Vor allem, so Bastian, sei es nicht statthaft, den Verfremdungseffekt zu verabsolutieren und gegen die Tradition auszuspielen: „Menschliche Existenz, die vor die Aufgabe gestellt würde, alles Selbstverständliche mit einem Kraftakt des reflektierenden Bewußtseins verständlich zu machen, müßte kläglich versagen."7 Der auf die gesamte kirchliche Verkündigung bezogene Ansatz Bastians ist für die als „dreifache Pro-vokation" verstandene Parabelpredigt von besonderer Bedeutung. Die Ziele der Verfremdung entsprechen in der Tat jenen oben beschriebenen drei Pro-vokationen, die die Parabelpredigt zu vollziehen hat: Verfremdung soll zunächst aus der vertrauten Sicht der Dinge herausrufen. Genau darin besteht eine Aufgabe der Parabelpredigt: ihre 2 3 4 5 6 7

172

A.a.O. 9. A.a.O. 15, im Anschluß an Hultberg. A.a.O. 17. A.a.O. 32. Vgl. auch T. Schramm/K. Löwenstein, 153 ff. A.a.O. 72.

Hörer aus der gemeindlichen Hermeneutik zu lösen (= 1. Pro-vokation). Verfremdet wird, um Altes neu entdecken zu lassen und verständlich zu machen. Genau das hat die Parabelpredigt zu leisten: Sie soll die Hörer zu einer neuen Sicht ihrer Lebenswirklichkeit sub specie Dei herausrufen (= 2. Pro-vokation). Verfremdung hat schließlich ihr Ziel jenseits ihrer selbst und des Rahmens, innerhalb dessen sie verwendet wird. Dasselbe ist auch von der Parabelpredigt zu sagen: Sie soll ihre Adressaten zu einem Dialog provozieren ( = 3 . Pro-vokation). Trotz dieser weitgehenden strukturellen Entsprechung der Ziele der Verfremdung auf der einen und der Aufgabe der Parabelpredigt auf der anderen Seite scheint es nicht ratsam, den Begriff „Verfremdung" zum konstitutiven Element einer Theorie der Parabelpredigt zu machen. Obwohl Bastian die Vielschichtigkeit der Verfremdung deutlich herausgearbeitet hat, scheint sich im Bewußtsein mancher Homiletiker und gewiß auch mancher Prediger ein verkürztes Verständnis des Begriffes festgesetzt zu haben. So figuriert die Verfremdung in dem Buch „Kreativität und Predigtarbeit" der Homiletischen Arbeitsgruppe 8 unter der Uberschrift „Wege zur Idee" und wird eingeengt auf die Konstruktion von Antitexten. Damit aber wird zugleich ihre Reichweite beschnitten: „Nachdenklich stimmen und den ursprünglichen Text in einem neuen Licht sehen lassen - das ist das Ziel der Verfremdung durch Antitexte." 9 Verfremdung ist hier auf das neue Verstehen des biblischen Textes reduziert, d.h. sie wird als hermeneutischer Kunstgriff benutzt, während ihre eigentlich homiletische Funktion kaum noch im Blick ist. Diese kommt allenfalls darin zum Ausdruck, daß Rezepte angeboten werden, wie der Prediger diesen Kunstgriff möglichst effektiv einsetzen kann: „Man erzähle eine biblische Geschichte mit anderem Ausgang, erfinde zu einem biblischen Gleichnis ein Gegengleichnis, stelle den biblischen Sinn auf den Kopf! Solche Verfremdung weckt neue Aufmerksamkeit für die ursprüngliche biblische Erzählung, den ursprünglichen Text." 10 Daß eine solche Rezeptur nur einen Teil der komplexen Problematik der Parabelpredigt erfaßt, liegt auf der Hand. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, in diesem Zusammenhang auf den Begriff der „Verfremdung" zu verzichten. Neben der begrifflichen, nicht von Bastian zu verantwortenden Schwierigkeit ist aber nun eine weitere, sachliche zu nennen. Die Grenze des Ansatzes 8

S.o. 161, Anm.6. A.a.O. 64. 10 K.Meyer zu Uptrup, Gestalthomiletik, Stuttgart 1986, 188. In diesem Zusammenhang wird gern auf folgende Arbeit verwiesen, und es ist wohl kein Zufall, daß es sich dabei nicht um eine homiletische Untersuchung handelt: W. Erl/F. Gaiser, Neue Methoden der Bibelarbeit. Vom Anti-Gleichnis zum Zeitungsbericht, Tübingen 4. Aufl. 1969,18—23. 9

173

nämlich zeigt sich, wenn man nach seiner Konkretisierung fragt. Zwar nennt Bastian als gelungenes Beispiel einer Verwendung des Verfremdungseffektes eine Parabelpredigt H.Thielickes zu Lk 18,9—14". Thielicke verfremdet die Figur des Zöllners, indem er ihn sagen läßt: „Ich danke dir, Gott, daß ich nicht so hochmütig bin wie dieser Pharisäer d a . . . " usw. Es ist Bastian darin Recht zu geben, daß die Parabel auf diese Weise ihren aggressiven Anspruch zurückgewinnt und daß dem Hörer so eine Chance eröffnet wird, der biblischen Botschaft neu zu begegnen. Insofern ist Thielickes Verfahren legitim. Nur: „Auch die Verfremdung läßt sich nicht konservieren"12, das räumt Bastian selbst ein. In der Regel aber hat ein Prediger im Lauf seiner Verkündigungstätigkeit dieselbe Parabel vor derselben Gemeinde mehrfach zu predigen. Wie soll er sich die Technik der Verfremdung noch zunutze machen, wenn seine Hörer die Gleichniserzählung sowohl in ihrer ursprünglichen wie in ihrer verfremdeten Version bereits kennen? Die Technik der Verfremdung ist mithin aufgrund ihrer auf den Augenblick berechneten Wirkung nur bedingt geeignet, im Rahmen einer Grundsätze für die Parabelpredigt entwickelnden Theorie eine tragende Rolle zu übernehmen. Trotz der beiden genannten Einwände ist aber nun zu fragen, wie das Anliegen Bastians sinnvoll in eine Theorie der Parabelpredigt zu integrieren ist; daß dieses zu geschehen hat, ist angesichts der oben aufgezeigten Korrespondenzen keine Frage. - Einen Ansatzpunkt bietet hier möglicherweise die von Bastian heftig bekämpfte These von der „Eigenbewegung" biblischer Texte. Als dogmatisch begründete, alle Bibeltexte umfassende These ist sie in der Tat nicht mehr als eine Behauptung, die sich an der biblischen Tradition selbst kaum verifizieren läßt. Als hermeneutische These jedoch, die sich auf die Parabeln bezieht, ist sie nicht von der Hand zu weisen. So wird in verschiedenen neueren Auslegungen der Gleichniserzählungen Jesu die Parabel als autonomes ästhetisches Objekt mit dramatischer Qualität beschrieben. Das meint aber nichts anderes, als daß der Parabel eine Eigenbewegung zugeschrieben wird13. Homiletisch bedeutet das: Um die Parabelpredigt wirksam zu gestalten, ist es nicht unbedingt erforderlich, die Gleichniserzählung Jesu verfremdend „zurechtzumachen". Es scheint vielmehr durchaus möglich, die Adressaten unmittelbar in die Eigenbewegung der Parabel neu zu verwickeln und sie dadurch aus den Engführungen und Festlegungen der gemeindlichen Hermeneutik herauszurufen. Damit hängt ein zweiter Gedanke zusammen. Bastian weist darauf hin, daß die Parabeln Jesu selbst 11

Vgl. H . - D . Bastian, 65 f.

12

A . a . O . 66.

1 3 In diesem Zusammenhang zentral ist D. O . Vias Rezeption des Begriffes „Erzählgerüst" für die Parabelauslegung (vgl. D . O . Via, 96 ff.). Vgl. W. Harnisch, Gleichniserzählungen, 28 f.

174

bereits Verfremdungseffekte darstellen. Dann aber ist zu fragen, ob homiletisch wirklich die Verfremdung der Verfremdung angezeigt ist oder ob es nicht eine Möglichkeit gibt, die von der Gleichniserzählung intendierte ursprüngliche Fremdheit auch ohne diesen Umweg erneut zur Geltung zu bringen. Um zu klären, wie das konkret in der Predigt möglich ist und ob mit Hilfe einer Konzentration auf den biblischen Text die Parabelpredigt die drei oben skizzierten Aufgaben erfüllen kann, soll im folgenden genauer auf die homiletische Relevanz der Form der Parabeln reflektiert werden. Zweierlei aber ist bereits jetzt deutlich. Erstens: Der vorgeschlagene Weg eröffnet die Möglichkeit, Leitlinien zur Parabelpredigt zu entwerfen, die über den Augenblick einer konkreten Predigt hinaus wirksam sind. Zweitens : Wo in der Predigt primär auf die Parabel selbst eingegangen und deren eigene Fremdheit zur Geltung gebracht wird, da ist die von Bastian geforderte Verbindung von Tradition und Verfremdung organisch vollzogen.

V. Die homiletische Relevanz der Sprachform der Gleichniserzählungen Jesu Die beschriebenen Ansätze haben sich als nur bedingt tauglich erwiesen, die Aufgabe der Parabelpredigt einer Lösung zuzuführen, wenn auch das Recht einer Verarbeitung des Parabelrahmens in der Predigt sowie der Nutzen des Verfremdungseffektes grundsätzlich anzuerkennen waren. Deshalb soll im folgenden ein eigener Versuch der theoretischen Explikation der als dreifache Pro-vokation verstandenen Parabelpredigt vorgestellt werden. Von besonderer Bedeutung werden in diesem Zusammenhang verschiedene durch die neuere Gleichnisforschung gewonnene hermeneutische Erkenntnisse sein: Das gilt zunächst von der Einsicht in die unauflösliche Einheit von Form und Inhalt der Parabeln, ferner von der Wahrnehmung der Gleichniserzählungen als dramatische Konfiguration sowie schließlich von ihrer Interpretation als metaphorische Erzählungen. An dieser Stelle ist sogleich einem MißVerständnis vorzubeugen: Es ist nicht etwa daran gedacht, hermeneutische Erkenntnisse nun doch - entgegen der in Kapitel I erklärten Absicht 1 - zum alleinigen Maß homiletischer Reflexion zu machen und Leitlinien für die Parabelpredigt mittels einer Deduktion aus hermeneutischen Einsichten zu gewinnen. Es bleibt dabei: Die Differenz 1

S.o. 159.

175

zwischen Parabel und Parabelpredigt muß beachtet werden. Im vorliegenden Zusammenhang soll der Blick vielmehr auf einen auffälligen Sachverhalt gelenkt werden: Zwischen den genannten die Gleichniserzählungen betreffenden hermeneutischen Einsichten einerseits und Aspekten der neueren homiletischen Debatte andererseits bestehen weitreichende Analogien, die mitunter sogar bis in die Terminologie hinein nachweisbar sind. Diese Entsprechungen sind darzustellen und hinsichtlich ihrer Relevanz für die Aufgabe der Parabelpredigt zu untersuchen.

1. Die Einheit von Form und Inhalt der

Parabel

Die neuere Auslegungsgeschichte der Gleichnisse Jesu ist durch ein ständig wachsendes Interesse an der Form dieser Verkündigung charakterisiert, wobei jedoch die Funktion der Form unterschiedlich beschrieben wird. - A. Jülicher hat mit der Tradition der allegorischen Auslegung der Gleichnisreden Jesu gebrochen und letztere als rhetorische Instrumente mit argumentativem Charakter verstanden. Gleichnisse, Parabeln und Beispielerzählungen galten ihm als eigentliche Rede, die - selbst klar und einleuchtend - nicht auf die Deutung von einer höheren Ebene aus angewiesen ist. Indem Jülicher so die Gleichnisreden Jesu aus den Fesseln allegorischer Auslegung befreite, brachte er sie entschieden neu zu Ehren. Sie selbst beanspruchten nun primär das Interesse des Auslegers, wâhrènd der Vorgang der „Deutung" (Jülicher selbst lehnt diesen Begriff ab), also die Auffindung des Bezuges zur „Sachebene", zu einem Moment neben anderen Elementen der Auslegung wurde. Damit aber mußte sich über kurz oder lang die Frage nach der Bedeutung gerade dieser Verkündigungsform, der analogischen Rede, stellen. Jülicher selbst hat diese Frage ganz auf der Linie seines rhetorischen Ansatzes beantwortet: „Jesus hat die Parabel angewendet, weil er fand, wie diese Form vorzüglich geeignet war, die Deutlichkeit und Uberzeugungskraft seiner Gedanken zu erhöhen. "2 Mit dieser Bestimmung durch Jülicher ist freilich die Einheit von Form und Inhalt der Gleichniserzählung noch nicht begründet; die Form der Parabel wird hier als nützlich, aber keineswegs als notwendig beschrieben. „Das heißt doch wohl, daß Jesus ebensogut hätte anders reden können. Danach, ob etwa der ,Gegenstand' der Verkündigung Jesu die Sprachform der Gleichnisse in besonderer Weise verlangte, wird von Jülicher überhaupt nicht gefragt. Inhalt und Form haben, so scheint es, nichts miteinander zu

2

176

A. Jülicher, Gleichnisreden 1 , 1 4 6 .

tun. Sie sind offensichtlich voneinander ablösbar wie Schale und Kern." 3 Trotz dieser kritischen Bewertung durch E.Jüngel bleibt jedoch festzuhalten: Es war Jülicher, der das Interesse an der Form der Gleichniserzählungen Jesu allererst ermöglicht hat 4 . - Im weiteren Verlauf der Auslegungsgeschichte wurde dann die Einheit von Form und Inhalt der Parabeln immer schärfer gesehen und hermeneutisch wie theologisch begründet. Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die Arbeiten von E. Lohmeyer 5 und E. Fuchs 6 . Lohmeyer deutet die Gleichnisse von der Gottesherrschaft her und begreift auf diesem Hintergrund ihre Form nicht mehr nur als nützlich, sondern als notwendig: „Sie (sc. die Gleichnisse) sind hier nicht mögliche Mittel um andere von einer Sache zu überzeugen, sondern sind der notwendige Ausdruck, um überhaupt von dieser Sache des Himmelreiches zu reden, eine notwendige Form ihres Da-seins." 7 Wesentlich komplexer sind E. Fuchs' Ausführungen zur Analogie; auch in ihnen wird deutlich, daß die analogische Sprachform keineswegs eine Zutat zum Inhalt ist, sondern daß dieser durch jene mitkonstituiert wird. Bei Fuchs bahnt sich im übrigen der Wechsel vom Verständnis der Gleichnisse als rhetorischer Instrumente zu ihrer Deutung als poetische Kunstwerke an : Die „Analogie ist ganz unspekulativ im Dichterischen zu Hause." 8 Dieser Wechsel erscheint als logische Konsequenz der immer engeren Zusammenschau von Form und Inhalt der Gleichnisse und bestimmt die neueste Auslegungsgeschichte 9 . - Die Einheit 3 E.Jüngel, Die Problematik der Gleichnisrede Jesu (1962). In: W. Harnisch (Hrsg.), Gleichnissejesu ( 2 8 1 - 3 4 2 ) , 297. 4 Darauf hat besonders E. Güttgemanns hingewiesen, der die Gleichnistheorie Jülichers unter dem Aspekt der ihr inhärenten Ansätze einer linguistischen Auslegung der Gleichnisreden Jesu untersucht. Vgl. E. Güttgemanns, Die linguistisch-didaktische Methodik der Gleichnisse Jesu (1970/71). In: studia linguistica neotestamentica. Gesammelte Aufsätze zur linguistischen Grundlage einer Neutestamentlichen Theologie, München 1971, 9 9 - 1 8 3 , bes. 1 0 4 - 1 2 5 . 5 Vgl. E. Lohmeyer, Vom Sinn der Gleichnisse Jesu (1938). In: W. Harnisch (Hrsg.), Gleichnissejesu, 1 5 4 - 1 7 9 . 6 Vgl. E. Fuchs, Die Analogie (1954). In: W.Harnisch (Hrsg.), Gleichnisforschung, 1 — 19. 7 E. Lohmeyer, 168. 8 E. Fuchs, Analogie, 1. 9 Vgl. D . O . Via, Gleichnisse; P.Ricoeur, Biblische Hermeneutik. In: W.Harnisch (Hrsg.), Gleichnisforschung, 248—339; ders., Stellung und Funktion; W. Harnisch, Gleichniserzählungen. Das Interesse an der Form der Gleichnisse Jesu bestimmt in besonderer Weise die moderne strukturalistische Auslegung, wie sie etwa von E. Güttgemanns betrieben wird. Eine eingehende Auseinandersetzung mit diesem Ansatz steht auf dem Feld von Exegese und Hermeneutik noch aus. Für die der vorliegenden Untersuchung gestellte homiletische Aufgabe erscheint die Auslegung der Gleichnisse im Horizont einer „generativen Poetik" wenig hilfreich, da sie voraussetzt, daß Predigt ausschließlich vom Text her zu verstehen ist: „Wir lassen nicht die Predigt-Praxis, sondern nur die Größe ,Text' bestimmen, was ,Predigt' ist; darum müssen wir mit unserer Konzeption beim ,Text' ansetzen." (E. Güttgemanns, Theologie als sprachbezogene Wissenschaft. In: studia, 1 8 4 - 2 3 0 , hier: 200). In Kapitel B.I. der vorliegenden Untersuchung wurde begründet, warum im Unterschied dazu eine Theorie der Parabelpredigt im Zusammenhang mit

177

von Form und Inhalt der Gleichnisse wird schließlich durch E. Jüngel ausführlich begründet 10 . Für den vorliegenden Zusammenhang zentral ist sein viel zitierter Interpretationsleitsatz: „Die Basileia kommt im Gleichnis als Gleichnis zur Sprache. Die Gleichnisse Jesu bringen die Gottesherrschaft als Gleichnis zur Sprache." 11 Das Verhältnis von Form und Inhalt ist - auf die Predigt bezogen - heute auch zunehmend Gegenstand homiletischer Reflexion. Nachdem im Gefolge der Wort-Gottes-Theologie Homiletik vor allem als Erörterung der Frage nach dem Wesen der Predigt begriffen und die Frage „Wie macht man das?" gegenüber jenem primären Interesse zurückgestellt wurde 12 , werden seit etwa zwanzig Jahren die Fragen der sogenannten „formalen" Homiletik wieder lebhaft diskutiert. Hinsichtlich des Verhältnisses von Form und Inhalt der Predigt besteht ein Konsens darüber, daß beide Aspekte aufeinander zu beziehen sind und nicht unabhängig voneinander betrachtet werden können. Im einzelnen wird die Zuordnung jedoch unterschiedlich vollzogen. So ist etwa R. Bohren der Auffassung, die Frage nach der Gestalt der Predigt sei „vom Gehalt der Botschaft abzuleiten" 13 , und er unternimmt den Versuch, „die Frage nach dem Wie als eine Frage zu verstehen, die im Was eingeschlossen ist" 14 . Hier sind Form und Inhalt der Predigt nicht als Einheit begriffen, sondern die Form ist lediglich Ausfluß des Inhaltes. Das aber bedeutet, daß man den Inhalt auch abgesehen von der Form haben kann und daß die Form der Predigt für Bohren längst nicht die Bedeutung hat, die der Titel seines Aufsatzes - „Die Gestalt der Predigt" - suggeriert 15 . Anders fällt die Verhältnisbestimmung aus, wo Homiletik im Zusammenhang mit Rhetorik entworfen wird. So charakterisiert etwa M.Josuttis die Predigt als das „Ineinander von Form und Inhalt"16, und in G. Ottos Entwurf „Predigt als Rede" heißt es in der Ausführung der These „Die Predigt ist eine Rede" : „Gängige Argumentation meint, der Inhalt sei das Entscheidende, die Form das Zweitrangige. Die klassische Aufteilung in .materiale' und ,formale' Homiletik folgt genau diesem Schema. Letztlich steht dahinter die Auffaseinem Predigtverständnis zu entwerfen ist, das sich gerade auch an der Predigt/>nra'j ausweisen kann. Dieses Vorhaben zu realisieren, erscheint mit Hilfe der Auslegung der Gleichniserzählungen als Metaphern eher möglich als unter Rekurs auf deren linguistische Interpretation. 10 Vgl. E. Jüngel, Problematik. 11 A . a . O . 338. 12 Vgl. K. Barth, N o t und Verheißung. 13 R . B o h r e n , Die Gestalt der Predigt. In: Predigt und Gemeinde. Beiträge zur Praktischen Theologie, Zürich/Stuttgart, 1963, ( 4 7 - 6 9 ) , 47. 14

?bd-

Ähnliches ist auch von Bohrens Predigtlehre zu sagen. 16 M.Josuttis, Homiletik und Rhetorik (1968). In: Rhetorik und Theologie in der Predigtarbeit. Homiletische Studien, München 1985, ( 9 - 2 8 ) , 12. 15

178

sung, man könne die Wahrheit an sich, den Inhalt an sich haben; die Form, auch der Weg, auf dem die Wahrheit gewonnen oder vermittelt werden (sie!), seien dagegen sekundär. Beschränken wir das komplexe Problem hier auf die Redesituation: In ihr jedenfalls gilt, daß Form und Inhalt, Wahrheit und die Weise ihrer Vermittlung untrennbar miteinander verwoben sind. Der Weg der Mitteilung entscheidet über die Mitteilung selbst. Es gibt keinen Inhalt an sich (in der Rede), sondern nur Inhalte für andere, Inhalte, die durch die Tatsache ihrer Übermittlung mitkonstituiert werden." 17 Eine Predigtlehre, die neben den prinzipiell-homiletischen Problemen auch die Fragen der Predigtpraxis bedenkt, wird an der beschriebenen engen Verklammerung von Form und Inhalt der Predigt nicht vorbeisehen können. Die konstatierte Analogie zwischen den die Gleichnisse Jesu betreffenden hermeneutischen Einsichten einerseits und homiletischen Erkenntnissen andererseits ist - das sei zugegeben - noch formal; zudem ist zu berücksichtigen, daß der Begründungszusammenhang für das Ineinander von Form und Inhalt hier und dort je ein anderer ist. Gleichwohl ist bereits hier zu fragen, was der beschriebene Befund für die Predigt von Gleichniserzählungen bedeutet, wobei natürlich auch diese Auskunft zwangsläufig noch eine formale ist. Wenn Predigt generell durch das Ineinander von Form und Inhalt charakterisiert ist und wenn zugleich für die Gleichniserzählungen Jesu gilt, daß Inhalt und Form nicht voneinander ablösbar sind, dann bedeutet das für die Parabelpredigt·. Sie kann unmöglich von der besonderen Sprachform der Gleichniserzählungen Jesu absehen, mehr noch: Die den Inhalt der Parabel mitkonstituierende Form ist für Inhalt und Form der Predigt von Bedeutung. Das ist in der neueren Geschichte der Parabelpredigt vielfach nicht gesehen worden, weil vorausgesetzt wurde, daß man den Inhalt der Parabel von der Form ablösen und begrifflich fixieren könne. Die Gestalt der Predigt konnte dann gänzlich unabhängig von der Form der Parabel entworfen werden 18 . Worin aber besteht nun genau die Besonderheit parabolischer Rede, und wie ist die homiletische Bedeutung dieser Sprachform präziser zu beschreiben?

17 G . Otto, Predigt als Rede. Über die Wechselwirkungen von Homiletik und Rhetorik, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1976, 2 2 f . ; vgl. H . Breit, Die Predigt im Blickfeld der Rezipientenforschung. In: J. Roloff (Hrsg.), Die Predigtals Kommunikation, Stuttgart 1972, ( 2 8 - 4 3 ) , 28. 1 8 Vgl. dazu die im ersten Teil der Untersuchung beschriebenen Weisen der Parabelpredigt, insbesondere die des 18. und des 19. Jahrhunderts.

179

2. Die Parabel als autonomes ästhetisches Objekt dramatische Konfiguration

und

In der neueren Gleichnisforschung werden die synoptischen Parabeln verstärkt in ihrer Eigenschaft als Erzählungen wahrgenommen, und man hat versucht, die ihnen inhärenten Erzählgesetze zu beschreiben19. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Einsicht, daß es sich bei den Parabeln um dramatisch geprägte Konfigurationen mit szenischem Aufriß handelt20. Diese Erkenntnis wird von D. O. Via noch präzisiert, indem er die literaturkritischen Kategorien „Erzählgerüst"21 und „Handlungsbewegung"22 auf die Parabeln anwendet. Besonders zeichnet sich Vias Entwurf dadurch aus, daß er die Gleichniserzählungen Jesu als autonome ästhetische Objekte versteht, also als „Geschichten, die aus sich selbst und für sich selbst sprechen"23. Das als literarisches Kunstwerk verstandene Gleichnis ist nach Via „nicht so strukturiert, daß es einen Gedankengang hervorruft, der sich über es hinausbewegt. Wenn Sprache ästhetisch verwendet wird, ist vielmehr die Form - das, worauf sich alle Elemente beziehen - zentripetal strukturiert, so daß alle Teile eng miteinander zusammenhängen. Wörter, Bedeutungen und Handlungen verweisen nicht auf die Welt außerhalb, sondern sie sind miteinander verknüpft. So dient die Form als ein Rahmen, der dem literarischen Werk einen gewissen Abstand zur Welt gibt. Diese organisch und innerlich geeinte Form nimmt des Betrachters Aufmerksamkeit gefangen, so daß er sich von einem Teil des Werkes zum andern bewegt, nicht aber nach außen."24 Die Wahrnehmung der Parabeln als autonome ästhetische Objekte bedeutet jedoch nicht die Leugnung jeglichen Verweisungsbezuges; davon wird später noch zu handeln sein (s. 3.a). - Die Auffassung Vias von der ästhetischen Autonomie der Gleichnisse wird in der Gleichnisforschung teils rezipiert25, teils aber auch abgelehnt26; für die homiletische Reflexion im Blick auf die Parabelpredigt ist sie, wie zu zeigen sein wird, von besonderer Bedeutung. Mit der Wahrnehmung der Gleichniserzählungen Jesu als dramatische 19

Vgl. bes. R. Bultmann, Geschichte, 203 ff.

Vgl. G. Eichholz, Das Gleichnis als Spiel (1961). In: Tradtion und Interpretation: Studien zum Neuen Testament und zur Hermeneutik, München 1965, 5 7 - 7 7 . 21 Vgl. D . O . Via, Gleichnisse, 96f. 20

22

Vgl. ebd.

23

W. Harnisch, Gleichniserzählungen, 62. D . O . Via, 76f.

24

2 5 Vgl. P.Ricoeur, Biblische Hermeneutik; ders., Stellung und Funktion; Gleichniserzählungen, 62 ff.

W.Harnisch,

2 6 Vgl. E. Arens, Kommunikative Handlungen. Die paradigmatische Bedeutung der Gleichnissejesu für eine Handlungstheorie, Düsseldorf 1982, 150 ff.

180

Erzählungen und autonome ästhetische Objekte sind verschiedene Einzelbeobachtungen verbunden, die - auf die Predigt bezogen - ähnlich als Desiderate in der homiletischen Literatur begegnen. Diese Analogien sollen im folgenden unter den Stichworten „Kommunikation" sowie „Identifikation und Emotion" entfaltet und ausgewertet werden.

a)

Kommunikation

A. Jülicher hat die Gleichnisreden Jesu in Analogie zum Vergleich als argumentative, die Wirkung eines Satzes sichernde Rede verstanden und sie damit primär in ihrer Bezogenzeit auf eine bestimmte Sache wahrgenommen. Diese Grundorientierung wurde in der Folgezeit zunächst auch dort nicht aufgegeben, wo der Blick auf die Gleichnis^örer gelenkt wurde. So heißt es etwa bei E. Linnemann im Zusammenhang der Darlegung ihrer Verschränkungstheorie: „Der Erzähler nimmt es (sc. das Urteil der Hörer über die Situation) auf, indem er den Hörern etliches einräumt, damit sie den Bezug der Parabel zur Sache erkennen müssen." 27 Die Auslegung der Parabeln als autonome ästhetische Objekte durch Via stellt im Gegensatz dazu die Hörerbezogenheit der Gleichniserzählungen entschieden in den Vordergrund. Die Parabeln haben ein „affizierendes Wesen" 28 ; sie versammeln ihre Adressaten - und zwar nicht nur ihre ursprünglichen Hörer - auf die erzählte Handlung, bringen sie in Bewegung. Das bedeutet: Die Gleichniserzählung ist etwas anderes als ein Sachvortrag, sie ist wesenhaft Anrede. Die Gleichniserzählung intendiert nicht das überzeugt zustimmende „Ja, so ist es!" 29 , sondern will einen Prozeß der Partizipation bei ihren Hörern auslösen. Mit anderen Worten: Jesu Gleichniserzählungen eröffnen Kommunikation. Dieser Sachverhalt ist auch gemeint, wenn G. Eichholz das Gleichnis als „Spiel" versteht, in dem die Hörer Mitspieler sind30. Auch im Bereich der Homiletik ist in den letzten Jahrzehnten der Aspekt der Kommunikation (wieder) wichtig geworden. Nachdem die Wort-Gottes-Theologie homiletisch zum Teil in der Weise gewirkt hat, daß die Predigthörer als konstitutiver Faktor für die Predigtarbeit entweder aus verengter

E. Linnemann, Gleichnisse, 35. W. Harnisch, Gleichniserzählungen, 63; vgl. aber bereits E. Fuchs, Analogie, 3; G . Eichholz, Spiel, 69. 2 9 Vgl. A. Jülicher, Gleichnisreden I, 95. 3 0 Vgl. G . Eichholz, Spiel, 69 ff. 27

28

181

Perspektive gesehen wurden31 oder ganz ausfielen32, trat dieser Aspekt mit der Kritik des ausschließlich dogmatisch determinierten Predigtverständnisses in den sechziger Jahren33 wieder in den Vordergrund. Predigt wurde und wird seitdem verstärkt unter dem Gesichtspunkt ihrer kommunikativen Zielsetzung betrachtet und als „Gespräch mit dem Hörer" (W. Jetter), als „Verständigungsbemühung" (E. Lange), als „Ermutigung zum Dialog" (F. Wintzer) oder - wie die Gleichnisse Jesu - als „Spiel" (K.-H. Bieritz)34 beschrieben. Das Verständnis der Predigt als Kommunikation führte auch dazu, daß Erkenntnisse der Kommunikationswissenschaften durch die Homiletik verstärkt rezipiert wurden35. Selbstverständlich ist bei der hier beschrieben Analogie zu sehen, daß die kommunikative Funktion der Gleichniserzählungen Jesu auf der einen und der Gemeindepredigt auf der anderen Seite unterschiedlich begründet wird und daher eines vom anderen zu unterscheiden ist; Hermeneutik und Homiletik, Parabel und Predigt, sind nicht einfach gleichzusetzen. Gleichwohl sind aus dem Gesagten Schlüsse für die Arbeit an Parabelpredigten zu ziehen: Wenn die Predigt im allgemeinen Eröffnung von Kommunikation mit ihren Hörern sein soll, dann ist die Parabelpredigt gut beraten, wenn sie sich auf die kommunikative Eigenart der Gleichniserzählungen Jesu besinnt und sich diese zunutze macht. Konkret bedeutet das für die Predigtarbeit, die Parabel als autonomes ästhetisches Objekt wahrzunehmen und sich ohne Deutungsabsicht auf die erzählte Handlung einzulassen36. Dieser Arbeitsgang erscheint im Interesse einer als Pro-vokation zum Dialog verstandenen Parabelpredigt sinnvoll. Daß die Predigt von Gleichniserzählungen Jesu einen Dialog mit den 31 Bei K. Barth etwa werden die Hörer ausschließlich dogmatisch-deduktiv als Gemeinde qualifiziert. Vgl. dazu: K.Barth, Die Gemeindemäßigkeit der Predigt (1956). In: G.Hummel (Hrsg.), Aufgabe, 165—178; vgl. ders., Homiletik. Wesen und Vorbereitung der Predigt, Zürich 2. Aufl. 1985,67f. 32 Vgl. E.Thurneysen, Die Aufgabe der Predigt (1921). In: G.Hummel (Hrsg.), Aufgabe, (105 -118), 113 : „Und neben der Warnung vor Beredsamkeit stehe die andere vor dem Eingehen auf das sogenannte Bedürfnis des Hörers. Die Predigt ist nicht der Ort, wo um das Verständnis des Menschen, sondern wo um das Verständnis Gottes gerungen wird." 3 3 Vgl. W. Trillhaas, Die wirkliche Predigt; D. Rössler, Das Problem der Homiletik. 34 Vgl. K.-H. Bieritz, Die Predigt im Gottesdienst. In: P.C. Bloth u.a., Handbuch der Praktischen Theologie Bd. III: Praxisfeld Gemeinde, Gütersloh 1983,112-134. 35 Vgl. H. Breit, Rezipientenforschung; T. Stählin, Kommunikationsfördernde und -hindernde Elemente in der Predigt. In: WPKG 61, 1972, 297-308; H.-D. Schneider, Unter welchen Voraussetzungen kann Verkündigung Einstellungen ändern? In:PTh58,1969,246-257; E. Lerle, Grundriß der empirischen Homiletik, Berlin 1975; K.-W. Dahm, Hören und Verstehen. In: Beruf Pfarrer. Empirische Aspekte, München 1971, 218-244; K.F. Daiber u.a., Predigen und Hören Bd. 2: Kommunikation zwischen Prediger und Hörern. Sozialwissenschaftliche Untersuchungen, München 1983. 36 S.u.Vl.l.a).

182

Hörern eröffnen soll und daß sie dazu die kommunikative Potenz der Parabeln in besonderer Weise wahrzunehmen hat, stellt freilich kein gänzlich neues Desiderat dar. Die predigtgeschichtliche Analyse im ersten Teil der Untersuchung hat ergeben, daß diese Forderung in Parabelpredigten aus der Zeit der Aufklärung und des Rationalismus partiell realisiert ist. So wurde allgemein der dialogische Charakter dieser Predigten beobachtet, und es konnte etwa für Mt 20,1 — 16 gezeigt werden, daß die meisten Prediger sich auf den Schlußdialog der Parabel von den Arbeitern im Weinberg konzentrierten, um von daher in ein Gespräch mit den Predigthörern einzutreten37. Diese Intention der „Parabelpredigt als vernünftige Argumentation und praktische Ermahnung" wird durch die vorstehenden Überlegungen aufgenommen. Zugleich ist sie aber auch zu modifizieren: War in der Parabelpredigt der Aufklärung und des Rationalismus „Kommunikation" primär unter dem Aspekt des intellektuellen Sich-Verstehens begriffen, so bezieht der hier vorzustellende Ansatz auch die Kommunikation auf der Ebene des Gefühls mit ein. Dies ist im folgenden näher zu beschreiben.

b) Identifikation

und

Emotion

Die formgeschichtliche Forschung hat die den Parabeln Jesu inhärenten Gesetze des Erzählens benannt38. So wurde zum Beispiel daraufhingewiesen, daß die Gleichniserzählungen außerordentlich sparsam gestaltet sind und sich auf höchstens drei Hauptpersonen bzw. Personengruppen beschränken. Ferner wurde das Gesetz der szenischen Zweiheit - es agieren nie mehr als zwei Personen gleichzeitig - sowie das Gesetz der Einsträngigkeit der Erzählung - die einmal gewählte Perspektive wird beibehalten - benannt. Zu den Erzählregeln zählen schließlich die indirekte Charakterisierung des Protagonisten, die häufige Verwendung direkter Rede und die aus der volkstümlichen Erzählung bekannten Gesetze der Wiederholung, der Dreizahl und des Achtergewichtes39. Im weiteren Verlauf der Forschungsgeschichte wurden diese Beobachtungen zur Struktur der Parabeln Jesu fortgeführt und präzisiert. Wichtig ist hier vor allem die Einsicht in den dramatischen Charakter der Gleichniserzählung. Diese Einsicht bahnt sich an in dem o. g. Aufsatz von G. Eichholz, „Das Gleichnis als Spiel", und wird entfaltet durch D. O. Vias literaturkritische Interpretation der Gleichnisse. Via fragt nach dem „Erzählgerüst" der Parabeln, also nach dem „inneren Grund der gewählten 37 38

S.o. 38. Vgl. R. Bultmann, Geschichte, 2 0 3 ff.

3 9 Vgl. dazu A . O l r i k , Epische Gesetze der Volksdichtung (1909). In: W . H a r n i s c h (Hrsg.), Gleichnisse, 58—69.

183

Szenenfolge" 4 0 und k o m m t zu dem Schluß, daß die Gleichniserzählungen entweder durch die Struktur Tat-Krise-Lösung oder durch die Struktur Krise - Tat ( = Erkenntnisszene) - L ö s u n g gekennzeichnet sind. Ferner unterscheidet er zwischen einer abwärts gerichteten, den Protagonisten zur Katastrophe führenden und einer aufwärts gerichteten, auf Befreiung und Wohlergehen zielenden „Handlungsbewegung". Daraus ergeben sich vier Modelle dramatisch geprägter Gleichniserzählungen, die sich alle unter den synoptischen Parabeln finden. - Der oben beschriebene, auf der ästhetischen Autonomie beruhende affizierende Charakter der Gleichniserzählungen und ihr dramatisches Gepräge bestimmen gemeinsam den Vorgang der Rezeption durch die Adressaten. Der Hörer wird in die Erzählung hineingezogen, indem ihm eine Person oder Personengruppe zur Identifikation angeboten wird; es ist dies die Person, um deren Ergehen willen die Parabel erzählt wird. Im Verlauf der Erzählung erlebt der Hörer gleichsam an der Seite des Protagonisten dessen Tun und Ergehen und vollzieht die aufwärts oder abwärts gerichtete Handlungsbewegung mit. D a s dramatische Gepräge der Gleichniserzählung und ihr affizierendes Wesen zielen folglich auf eine emotionale Beanspruchung der Adressaten. Dabei werden von den Gleichniserzählungen mit aufwärts gerichteter Handlungsbewegung ambivalente Gefühle ausgelöst: So ist etwa die Parabel vom barmherzigen Samariter aus der Perspektive des Überfallenen erzählt (insofern ist die Bezeichnung „Parabel vom barmherzigen Samariter" irreführend) ; der Hörer erlebt an der Seite des Überfallenen mit, wie Priester und Levit vorübergehen und der Samariter schließlich hilft. In die (Mit-)Freude über die erfahrene Hilfe mischt sich bei dem jüdischen Hörer jedoch großes Unbehagen darüber, daß es sich bei dem Helfer ausgerechnet um einen Samariter, den Erzfeind der Juden, handelt41. - Ahnlich ambivalente Gefühle löst die Parabel von den Arbeitern im Weinberg bei ihren Hörern aus : Nach Anlage der Erzählung wird der Adressat sich mit den zuerst angeworbenen Arbeitern identifizieren und in ihren Protest angesichts der Gleichbehandlung aller Tagelöhner einstimmen. Auf der anderen Seite kann er sich der Argumentation des Weinbergbesitzers kaum entziehen, wenn dieser sein Handeln mit seiner Güte begründet42. Besonders ausgeprägt ist das ambivalente Gefühl des Rezipienten angesichts des Doppelgleichnisses von den verlorenen Söhnen Lk 15,11—32. Die Zwiespältigkeit macht sich fest an den beiden Personen des jüngeren und des älteren Bruders: Einerseits erlebt der Hörer den Auszug des jüngeren Sohnes, seine Lebenskrise und seine Wiederaufnahme in das Vaterhaus mit und stimmt dieser Entwicklung der Dinge wohlwollend zu. Andererseits kann er zugleich das Unbehagen des älteren Bruders angesichts der vermeintlichen Bevorzugung des jüngeren nachempfinden. Als letztes Beispiel sei die Parabel vom ungerechten Haushalter Lk 16,1 — 8 genannt: W. Harnisch, Gleichniserzählungen, 26. Vgl. W. Schräge, Ethik des Neuen Testaments, Göttingen 1982, 66 f. 4 2 Diese Ambivalenz wird in der im ersten Teil der Untersuchung besprochenen Predigt G . v. Rads zu Mt 20,1 - 1 5 ausführlich beschrieben. S. o. 141. 40 41

184

Der Hörer dieser Gleichniserzählung wird am Ende nicht wissen, ob er das Verhalten des Protagonisten für klug oder für ungerecht halten soll und die Geschichte als peinlich empfinden. Etwas anders stellt sich die emotionale Reaktion im Blick auf jene Parabeln dar, deren Handlungsbewegung abwärts gerichtet ist, für deren Protagonisten also das Ende eine Katastrophe darstellt. Diese Gleichniserzählungen lösen Unverständnis und Bestürzung aus : Der Hörer der Gleichniserzählung vom reichen Kornbauern Lk 12,16—20 etwa wird die Handlungweise dieses Mannes ohne weiteres billigen können. Aüch er hätte vermutlich angesichts einer unerwartet reichen Ernte alles getan, um die Früchte vor dem Verderb zu schützen, und er kann die Freude und Zufriedenheit des Kornbauern mitempfinden. Sein plötzlicher Tod muß daher schockierend wirken. Eine ähnliche Wirkung dürfte etwa die Parabel von den zehn Jungfrauen Mt 25,1 — 12 erzielen, die offenkundig primär an dem Ergehen der unvorbereiteten Jungfrauen 43 interessiert ist. Der Rezipient wird sich mit diesen problemlos identifizieren können und - als der Bräutigam sich wider Erwarten erheblich verspätet - ihre vielfältigen Bemühungen um neues Ol gespannt miterleben. Der endgültige Ausschluß vom Fest trifft die unvorbereiteten Jungfrauen und die Hörer der Parabel gänzlich unerwartet und löst Bestürzung aus. - Einen endgültigen Ausschluß vom Fest erzählt auch die Parabel vom Gastmahl Lk 14,16—24par., und auch hier werden die Hörer mit Unverständnis und Bestürzung reagieren, da ihnen das Verhalten der ursprünglich Eingeladenen, ihre begründete Absage, plausibel erscheinen mußte.

An diesen Gefühlen, ausgelöst durch die erzählerische „Extravaganz"44 der Parabel, entsteht der metaphorische Prozeß, über den im folgenden Abschnitt nachzudenken ist. Hier kam es zunächst darauf an, zu beschreiben, daß alle Gleichniserzählungen Jesu - die Beispiele lassen sich beliebig vermehren - via Identifikation Emotionen im Hörer auslösen. Was in der neueren Gleichnisforschung als Charakteristikum der Parabeln Jesu herausgearbeitet wurde, findet sich ähnlich in der Homiletik als Desiderat an die Predigt. Es gibt offensichtlich einen Konsens darüber, daß die Gemeindepredigt sich nicht allein an die kognitive, sondern in gleicher Weise an die emotionale Wahrnehmungsebene ihrer Hörer zu wenden hat, und nicht selten wird damit das Postulat der Identifikation verbunden. Diese Forderung wird in der homiletischen Literatur allerdings unterschiedlich begründet. - H. Breit 45 geht von seinem Predigtverständnis aus, dem zufolge Predigt in Abgrenzung zur „Verkündigung als Information" als Vergewisserung im Glauben zu begreifen ist; mit dieser Wesensbestimmung aber ist eine ausschließlich kognitiv ausgerichtete Predigt nicht vereinbar: „Die heute 43 Die Bezeichnung „töricht" dürfte auf eine spätere Bearbeitung zurückzuführen sein, da die Akteure innerhalb der dramatischen Gleichniserzählungen sonst nie unmittelbar, sondern nur durch ihr Handeln charakterisiert werden. 44 Vgl. P. Ricoeur, Stellung und Funktion, 67. 45 Vgl. H. Breit, Anfragen der Gemeinde an die Predigt. In: H. Breit/L. Goppelt/J. Roloff/ M. Seitz, Die Predigt zwischen Text und Empirie, Stuttgart 1 9 6 9 , 2 2 - 3 9 .

185

stark betonte Auffassung, Verkündigung sei Information - auf die Identität beider kommt es mir an - ist natürlich kaum mehr fähig, Glaubensgewißheit zu erzeugen. Predigt, die sich an den ganzen Menschen wendet, nicht nur an den sich interessierenden Intellekt oder an ein gewisses Informationsbedürfnis des modernen Menschen, Predigt, die in allen ihren Aussagen Zeugnis von dem lebendigen, den Menschen verwandelnden Christus sein will, wird die Immunitätsbarriere gegenüber dem lebenschenkenden Wort, die jeder Mensch a natura um sich aufgerichtet hat, auf Hoffnung und Verheißung zu durchstoßen suchen." 46 - Auch H . Arens 47 begründet die Notwendigkeit einer ganzheitlichen, kognitive und emotionale Aspekte umfassenden Ausrichtung der Predigt mit seinem Predigtverständnis, wenn auch hier andere Schwerpunkte gesetzt werden als bei Breit. Nach Arens ist die Predigt als Lernprozeß zu verstehen und daher entsprechend den Erkenntnissen der Lehr- und Lernforschung zu gestalten. Lernen aber werde dort nicht mehr als eine nur kognitive Bereicherung aufgefaßt, sondern es gelte : „Der Mensch kann Gesinnungen lernen, Gefühle, Werthaltungen, Reaktionen, Einstellungen, Erwartungen und anderes mehr." 48 - Unter einem anderen homiletischen Aspekt akzentuiert E. Lerle49 die Bedeutung des Emotionalen in der Predigt. In seinem „Grundriß der empirischen Homiletik" geht es ihm besonders um die Wirkung der Predigt, die s. E. nur erzielt werden kann, wenn die Hörer auch auf ihre Gefühle hin angesprochen werden: „Wer meint, die Sache von der Emotion trennen zu können, verbaut sich den Zugang zur Einsicht in Realitäten, die für den Prediger von großer Bedeutung sind." 50 Lerle hat im übrigen den Zusammenhang von Identifikation und Emotion aufgezeigt und als homiletisch relevant beschrieben; für den Einstieg in die Predigt empfiehlt er die „projektive Identifizierung" der Predigthörer mit einer der im Predigttext agierenden Personen 51 . - Die homiletische Bedeutung von Identifikation und Emotion wird gegenwärtig aber nicht nur aus dem Predigtverständnis hergeleitet bzw. im Interesse der Wirkung der Predigt gefordert, sondern zunehmend auch unter seelsorgerlichem Aspekt verhandelt. In diesem Zusammenhang ist ein Beitrag der Klinikseelsorgerin I. Adam 52 von Interesse. Die Verfasserin strebt „die Konzep46

A.a.O. 33. Vgl. H . Arens, Die Predigt als Lernprozeß, München 1972. 48 A.a.O. 24. Insofern trifft H . Albrechts Kritik, die Arens' Modell des Intellektualismus' verdächtigt, nicht. Vgl. H . Albrecht, Predigen. Anregungen zur geistlichen Praxis, Stuttgart/ Berlin/Köln/Mainz 1985,63. 49 Vgl. E. Lerle, Grundriß. 50 A.a.O. 50. 51 Vgl. a.a.O. 37. 52 S.o. 160, Anm.5. Grundlegend zum seelsorgerlichen Aspekt der Predigt: H . v.d. Geest, 47

186

tion einer seelsorgerlichen Predigt"53 an und führt dazu u.a. aus: „Wo die Hörer sich mit der einen oder anderen Hauptperson der Geschichte... identifizieren können, wo sie ihre Sehnsüchte wiedererkennen, da werden Emotionen freigesetzt, die Zuhörer fühlen etwas, es geht ihnen ,zu Herzen', sie fühlen - sich selbst. (...) Es ist jenes ,tua res agitur', das nicht nur den Verstand betrifft, sondern tiefere Schichten im Menschen." 54 In eine ähnliche Richtung weisen auch Gedanken von M. Josuttis. Im Rahmen seiner Ausführungen „Uber Feindbilder in der Predigt"55 nennt er die Identifizierung der Hörer mit einer fremden, negativ besetzten Figur des Textes als eine Möglichkeit, Distanz von einem „inneren Feind" zu gewinnen56. - Die Forderung nach einer Intellekt und Gefühl der Hörer ansprechenden Predigt wird schließlich auch hermeneutisch begründet. So konstatiert O.Fuchs 5 7 : „Begibt sich die Homiletik in die ,Banalität des abstrakten Gottes', dann kultiviert sie eine falsche Hermeneutik, die nicht den Text in seiner ganzen Gegebenheit von Inhalt und Form ernst nimmt und somit den ,Überschuß' jedes Textes als offenes Begegnungsfeld zwischen Mensch und Gott verspielt."58 Das Verstehen der Botschaft, so Fuchs, dürfe in der Predigt nicht zur „Leistung der Abstraktionsfähigkeit der Hörer privilegisiert werden" 59 , sondern sei als „Prozeß der Identifikation, Projektion und Reflexion mit all ihren kognitiven und emotionalen Dimensionen" 60 zu vollziehen. Die emotionalen Implikationen der Predigt sind also in der gegenwärtigen Homiletik Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit, und es ist allenthalben das Bemühen sichtbar, die Dominanz des Kognitiven in der Predigt zu überwinden. In diesen Zusammenhang gehört auch die Rezeption der Sprechakttheorie durch die Homiletik, wie sie H. W. Dannowski beispielhaft vorgeführt hat61. Daß Identifikation und Emotion auch für die Parabelpreáigt

homiletisch

D u hast mich angesprochen. Die Wirkung von Gottesdienst und Predigt, Zürich 2. Aufl. 1 9 8 3 ; H . - C h r . Piper, Predigtanalysen, Göttingen 1976. 53

A . a . O . 8.

54

A . a . O . 6. Vgl. M . Josuttis, U b e r Feindbilder in der Predigt. In: Rhetorik und Theologie, 87—114.

55 56 57

Vgl. a.a.O. 102. Vgl. O . Fuchs, Von Gott predigen. Anleitungen - Beispiele - Überlegungen, Gütersloh

1984. 58 59 60

A . a . O . 36. Ebd. Ebd.

Vgl. H . W. Dannowski, Sprachbefähigung in der Ausbildung. Bemerkungen zur Rolle der Sprechakttheorie in der Homiletik. In: P . D ü s t e r f e l d / H . B . Kaufmann (Hrsg.), Didaktik der Predigt. Materialien zur homiletischen Ausbildung und Fortbildung, Münster 1 9 7 5 , 1 6 3 — 1 7 5 ; ders., Kompendium 119ff.; vgl. auch H . L u t h e r , Predigt als Handlung. Überlegungen zur Pragmatik des Predigens. In: Z T h K 8 0 , 1 9 8 3 , 2 2 3 - 2 4 3 . 61

187

von Bedeutung sind, versteht sich nach den bisherigen Ausführungen von selbst und stellt überdies keine neue Erkenntnis dar. So hat der predigtgeschichtliche Abriß im ersten Teil dieser Untersuchung gezeigt, daß in der Parabelpredigt des 19. Jahrhunderts die Gefühle der Hörer mitunter sehr massiv angesprochen wurden62 und daß man immer wieder die Predigthörer mit einzelnen Akteuren der jeweiligen Gleichniserzählung identifiziert hat63. Allerdings war zu konstatieren, daß in der Regel weder die Identifikation noch das Ansprechen der Gefühle in der Weise vollzogen wurde, wie es von der dramatischen Konfiguration der Gleichniserzählung intendiert ist64. Wegweisend war vielmehr das unabhängig von der Parabel entworfene homiletische Ziel: Um dieses zu erreichen, wurden Identifikation und emotional gefüllte Aussagen als Mittel eingesetzt, wobei die Parabel selbst nicht selten massiv umgedeutet wurde. Angesichts der soeben skizzierten Wahrnehmungen im Blick auf den dramatischen Charakter der Gleichniserzählungen Jesu einerseits und der vielschichtigen Bedeutung des Emotionalen in der Predigt andererseits erscheint diese Methode der Parabelpredigt jedoch als so nicht mehr praktikabel. Hermeneutisch sachgemäß und homiletisch sinnvoll dürfte es vielmehr sein, in der Predigtvorbereitung der Dramatik der Parabel zu folgen, sich von ihrer Eigenbewegung tragen zu lassen und die dabei sich einstellenden Gefühle zu registrieren65. Dieses im nächsten Kapitel (VI) zu präzisierende Verfahren schafft die Grundlage dafür, daß Parabelpredigt ihre Hörer dazu pro-voziert, die gewohnte, auf einer Verobjektivierung der Erzählung beruhende Hermeneutik zugunsten einer neuen Sichtweise der Parabel aufzugeben.

3. Die Parabel als

Metapher

In der Geschichte der Gleichnisauslegung wurde und wird die Frage nach dem Verweisungsbezug der Gleichnisse, also die Frage, was jene Erzählungen Jesu zu Gleichnissen macht, in unterschiedlicher Weise beantwortet. Grundsätzlich eröffnen sich hier hermeneutisch zwei Möglichkeiten: „Die 62

S.o. 61 ff.

63

S.o. 61 ff., 82ff.

S.o. 8 1 , 1 0 2 f . 6 5 Gegen J. Wolff, der von seinem (ausschließlich dogmatisch determinierten) Predigtverständnis her anders urteilt: „Die Gefährdung bei diesem Eindringen (sc. in das Gleichnis) liegt darin, daß die Entfaltung des Gleichnisses, eben weil das Gleichnis anschaulich ist, gefühlsmäßig geschieht. Das ist für das innerweltliche Gleichnis ein großer Reichtum. Für das biblische Gleichnis aber ist das gefühlsmäßige Eindringen ebenso abzulehnen, wie das aus jeder anderen innerweltlichen Voraussetzung." (73). 64

188

Alternative läßt sich auf folgende Formel bringen: Entweder setzt die Parabel den Referenten, also das, wovon die Rede sein soll, bereits voraus. In diesem Fall steht die Erzählung (Bildhälfte) im Dienst einer ihr vorausliegenden Behauptung (Sachhälfte), deren Geltung strittig oder problematisch ist. Sie übernimmt dann rhetorische Funktion. Was erzählt wird, hat den Charakter eines Arguments, das eine bestimmte Position illustriert und derart einleuchtend macht, daß der Widerspruch verstummen muß. Oder aber die Parabel setzt das, wovon die Rede sein soll, allererst in Kraft. In diesem Fall hat die Erzählung performativen Sinn. Sie besitzt kreative Potenz. Dann vermittelt sich dem Adressaten im Medium des Erzählten selbst der Referent, und zwar als eine unerhörte Botschaft." 66 Den ersten Weg, den Verweisungsbezug der Gleichnisse zu bestimmen, ist bekanntlich A. Jülicher gegangen, und seine Auffassung von den Gleichnissen als rhetorische Sprachmittel mit argumentativem Interesse wurde in der Folgezeit von den meisten Forschern rezipiert. Die zweite Möglichkeit, den Verweisungsbezug zu lokalisieren, bahnt sich bei E. Fuchs67 an und wird v.a. seit den sechziger Jahren lebhaft diskutiert; als heuristisches Prinzip wird in diesem Zusammenhang immer wieder das Phänomen der Metapher benutzt68. Neuerdings wird besonders die Neubestimmung des Wesens der Metapher durch P. Ricoeur69 in die hermeneutische Debatte um die Gleichnisreden Jesu einbezogen. Schon Ricoeur selbst hat die Gleichnisse auf diesem Hintergrund zu deuten versucht, H. Weder hat seine Erkenntnisse in stark modifizierter Form aufgenommen70, und W. Harnischs Entwurf „Die Gleichniserzählungen Jesu" schließlich ist ein Versuch, die Parabeln konsequent als Metaphern im Sinne Ricœurs zu deuten, wobei jedoch verschiedene Präzisierungen vorgenommen werden71. Die metapherntheoretische Interpretation der Gleichniserzählungen Jesu ist aber nun nicht nur hermeneutisch fruchtbar, sondern bei näherem Hinsehen zeigt sich, daß die als Metapher verstandene Parabel eine strukturelle Analogie zu Aspekten der Predigt aufweist, wie sie von verschiedenen gegenwärtigen Predigttheoretikern beschrieben wird. Diese Analogie soll im folgenden unter den Leitbegriffen „Spannung" und „Offenheit"

66 67

W. Harnisch, Gleichniserzählungen, 109. Vgl. E . F u c h s , Analogie, 3.

6 8 Vgl. den Literaturbericht von W. Harnisch : Die Metapher als heuristisches Prinzip. Neuerscheinungen zur Hermeneutik der Gleichnisreden Jesu. In: V F 2 4 , 1 9 7 9 , 53—89; vgl. ders., Die Sprachkraft der Analogie. Zur These v o m .argumentativen Charakter' der Gleichnisse Jesu (1974). In: W. Harnisch (Hrsg.), Gleichnisse, 3 9 0 - 4 1 3 . 6 9 Vgl. P. Ricoeur, Biblische Hermeneutik; ders., Stellung und Funktion; ders., Die lebendige Metapher, München 1987. 70

Vgl. H . Weder, Gleichnisse.

71

Vgl. W. Harnisch, Gleichniserzählungen, bes. § 3.

189

entfaltet und hinsichtlich ihrer Bedeutung für eine Theorie der Parabelpredigt untersucht werden.

a)

Spannung

A. Jülicher hat es abgelehnt, die Gleichnisreden Jesu als Metaphern zu beschreiben, weil er die Metapher im Sinne der antiken Rhetorik als Substitutionsphänomen verstand und daher einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Metapher und Allegorie sah72. Nach antikem rhetorischem Verständnis dient die Metapher dem Schmuck der Rede; sie ersetzt ein anderes Wort, muß also eine Ähnlichkeit zu dessen Bedeutung aufweisen und bringt prinzipiell keine neue Information. Insofern gilt die Metapher als jederzeit erschöpfend paraphrasierbar73. Dieser rhetorischen Konzeption der Metapher stellt P. Ricoeur seine, die dichterische Funktion der Metapher akzentuierende Neubeschreibung entgegen. Nach seinem Verständnis gehört die Metapher „zur Semantik des Satzes, noch bevor sie die Semantik des Wortes betrifft." 74 Sie entsteht aus der Spannung zwischen zwei in ihrem wörtlichen Verständnis unverträglichen Termini (Beispiel: „grüne Nächte"). „Es ist von metaphorischen Aussagen zu reden. Die Metapher geht hervor aus der Spannung zwischen allen Termini der metaphorischen Aussage. " 75 Damit aber sind auch die anderen durch die rhetorische Tradition benannten Wesenszüge der Metapher destruiert und durch neue ersetzt. Die Metapher beruht nach Ricoeur nicht auf einer vorausgesetzten Ähnlichkeit, sondern sie stiftet allererst Ähnlichkeit, läßt „eine bis dahin unentdeckte Sinnverwandtschaft zwischen Termini entstehen, die durch die alten Klassifizierungen daran gehindert waren, in gegenseitigen Austausch zu treten." 76 Ferner: Die Metapher ist nicht ein Phänomen der Substitution, also der bloße Ersatz für ein anderes Wort, sondern sie erzeugt durch die ihr wesenhaft eigene Spannung eine „wahrhafte Sinn-Schöpfung" 77 : Es entsteht neue Bedeutung. Daraus folgt, daß im Gegensatz zu dem rhetorischen Postulat der erschöpfenden Paraphrase die Metapher im Sinne Ricceurs unübersetzbar ist; sie kann allenfalls umschrieben werden, doch kommt eine solche Umschreibung nie an ihr Ende. Und: Im Unterschied zu der rhetorischen Auffassung, die Metapher bringe keine neue Information, konstatiert Ricoeur: „Sie bringt eine neue 72 73 74 75 76 77

190

Vgl. A. Jülicher, Gleichnisreden I, 52. Vgl. P. Ricoeur, Stellung und Funktion, 46. A.a.O. 47. Ebd. A.a.O. 48. Ebd.

Information mit sich" 78 , mehr noch: „Die Metapher sagt etwas Neues über die Wirklichkeit"79; sie verhilft zu einer neuen Sicht der Wirklichkeit. - Die so beschriebene Spannungsmetapher wird sodann von Ricoeur als heuristisches Prinzip für die Gleichnisauslegung genutzt. Dabei stellt sich notwendig die Frage, wo genau nunmehr die für die Metapher konstitutive Spannung zu lokalisieren sei; die Antwort auf diese Frage ist umstritten. Ricoeur selbst stellt fest: „Man kann nicht sagen, daß in einem Gleichnis einige Wörter wörtlich, einige metaphorisch zu verstehen sind. Im Gegenteil, die ganze Erzählung wird auf der Ebene der gewöhnlichen Lebensereignisse erzählt." 80 Daraus schließt er, daß die Erzählung als ganze metaphorisch wirkt und piaziert die Spannung zwischen dem Gleichnis und der Lebenswirklichkeit: „Die ,Spannung' befindet sich voll und ganz auf der Ebene der Wirklichkeit zwischen dem Einblick, den die Fiktion gewährt und unserer allgemeinen Art und Weise, die Dinge zu betrachten." 81 Der metaphorische Prozeß, der in der Bearbeitung dieser Spannung besteht, entzündet sich an der erzählerischen Extravaganz der Gleichnisse. Letztere befreit nach Ricoeur „die Offenheit des metaphorischen Prozesses von der Geschlossenheit der Erzählform." 82 - Anders gelagert ist der Versuch von H. Weder, die Kategorie der Metapher auf die Gleichnisse Jesu zu applizieren. Zwar versteht er die Metapher ganz im Sinne der durch Ricoeur erarbeiteten Neubeschreibung, doch lokalisiert er bei der Parabel das konstitutive Moment der Spannung an anderer Stelle. Weder stellt fest, „daß nicht die GleichniserzäA/««g als Metapher, die zur Alltäglichkeit bzw. zur Normalität des Weltverständnisses in Spannung steht, verstanden werden darf. Vielmehr ist festzuhalten, daß die für die Metapher charakteristische semantische Spannung... bei den Gleichnissen Jesu primär zwischen der Basileia ...und der Erzählung... besteht. " 8 3 - M i t den beiden Versuchen, die Gleichnisse Jesu als Spannungsmetaphern zu verstehen, setzt sich W. Harnisch eingehend auseinander. In einer subtilen Analyse der Wederschen Argumentation deckt er verschiedene Unstimmigkeiten auf, die s.E. ihren Grund darin haben, daß Weder sich „de facto... immer noch im Bannkreis einer durch A. Jülicher bestimmten Gleichnishermeneutik" 84 befindet, wenn er von der Einleitungsformel „Mit der Gottesherrschaft verhält es sich wie mit..." ausgeht. Diese - vermutlich sekundäre Formel beabsichtige nämlich gerade die Herstellung einer Analogie zwischen 78 79 80 81 82 83 84

A.a.O. 49. Ebd. Hervorhebung durch Verf. A.a.O. 64. A.a.O. 65. A.a.O. 69. H. Weder, Gleichnisse, 61. W.Harnisch, Gleichniserzählungen, 172.

191

Basileia und Erzählung. Dann aber sei eine Hermeneutik, die mit der Kategorie der Spannung arbeitet, notwendig zum Scheitern verurteilt85. Harnisch selbst greift wieder auf die von Ricoeur angebotene Lösung zurück, die die Spannung zwischen der Fiktion der Erzählung und dem Kontext der erfahrbaren Lebenswirklichkeit piaziert. Dabei allerdings nimmt er eine entscheidende Präzisierung vor, indem er konstatiert, „daß sich das Phänomen der ,alltäglichen Lebenswirklichkeit' in der Erzählung Jesu selbst ins Spiel bringt. Spuren des Alten, das die Folie für das Neue abgibt, sind in die seltsam verschrobene Welt der narrativen Konfiguration eingezeichnet. (...) Dies geschieht freilich fragmentarisch, und zwar in der Form einer an die alltagsüblichen Einstellungen erinnernden und sie zugleich decouvrierenden Anspielung, aber doch so, daß sich der Hörer unverkennbar auf das angesprochen weiß, was ihn alltäglich beherrscht."86 Dadurch, so Harnisch, wird der Hörer dazu angestiftet, die begonnene Erzählung im Horizont seiner Erfahrung und faktischen Lebensorientierung zu Ende zu entwerfen, um sich dann mit einem ganz anderen Ausgang konfrontiert zu sehen. An dieser von Harnisch innerhalb der Parabel lokalisierten Spannung macht sich der Verweisungsbezug der Gleichniserzählung fest. Der Hörer ist nämlich veranlaßt, diese Spannung zu bearbeiten, und im Verlauf dieser Arbeit „am Ort der eigenen Existenz... besteht die Chance, daß sich ihm die fiktional erschlossene Zumutung des Neuen als ein unerhörter Gewinn zu verstehen gibt, als die Zugabe einer Möglichkeit, die das Vertraute fragwürdig macht und die Wirklichkeit verwandelt."87 Für die Gleichniserzählungen Jesu gilt dabei im Unterschied zu anderen Parabeln, daß die das Wirkliche verwandelnde Möglichkeit eine qualifizierte Möglichkeit darstellt: „Es sind die positiven Charaktere radikal verstandener Liebe, Freiheit und Hoffnung, auf die sich die durch Jesu Parabeln vermittelte Möglichkeit in bestimmter Weise festlegt."88 In diesem Zusammenhang ist der Gedankengang von Harnischs Untersuchung nur schwer nachzuvollziehen. Zwar beschreibt er eingehend, wie es bei dem Hörer der Gleichniserzählung Jesu zur Entdeckung der das Wirkliche verwandelnden qualifizierten Möglichkeit kommt. Nicht ganz einsichtig ist jedoch, warum es sich dabei um eine theologisch qualifizierte Möglichkeit handeln soll. Der Frage, in welchem Verhältnis die Parabeln Jesu zu seiner Rede von der basileia tou theou stehen, wird nur formal, nicht aber inhaltlich nachgegangen. Gleichwohl ändert die beschriebene Einschränkung nichts an der homiletischen Relevanz dieses hermeneutischen Ansatzes. 85 86 87 88

192

Vgl. a.a.O. 173. A.a.O. 153. A.a.O. 155. A.a.O. 165.

Auf Grund dieser hermeneutischen Überlegungen ist es nunmehr möglich, die Strukturanalogie zwischen der als Spannungsmetapher verstandenen Gleichniserzählung Jesu einerseits und der Gemeindepredigt andererseits aufzuweisen. In den zuletzt referierten Ausführungen W.Harnischs zur Hermeneutik der Gleichniserzählungen Jesu wird der mit der neueren homiletischen Debatte Vertraute eine ähnliche Struktur erkennen, wie sie von E. Lange in seinem bekannten Aufsatz „Zur Theorie und Praxis der Predigtarbeit" für den „homiletischen Akt" dargelegt wurde89. - Lange versteht den homiletischen Akt als eine „Verständigungsbemühung"90, eine Bemühung um Verständigung mit dem Hörer über die Relevanz christlicher Uberlieferung für die gegenwärtige Situation. Damit ist eine Aussage über die Predigt getroffen, die ähnlich von der metapherntheoretisch orientierten Hermeneutik für die Gleichniserzählungen Jesu geltend gemacht wird: Eine Predigt ist ebensowenig wie eine Parabel die nachträgliche argumentative Absicherung und Illustration von etwas Vorgegebenem - hier der Uberlieferung, dort der „Sachhälfte" - , sondern beide beanspruchen, um zum Ziel zu kommen, die Mitarbeit ihrer Adressaten, besser: beide kommen in dieser Mitarbeit zum Ziel91. - Näherhin ist der homiletische Akt, wie Lange ihn beschreibt, durch zwei Größen gekennzeichnet, die einander einen „Widerstand" entgegensetzen, also in Spannung zueinander stehen, nämlich durch die christliche Tradition auf der einen und die homiletische Situation auf der anderen Seite92. Daß das Moment der Spannung für die als Metaphern verstandenen Parabeln konstitutiv ist, wurde ausführlich dargelegt, und es scheint, als seien auch die beiden Pole des Spannungsverhältnisses hier und dort miteinander vergleichbar. Beim homiletischen Akt wie bei der Gleichniserzählung geht es auf der einen Seite um menschliches Leben, wie es mit seinen Orientierungen und seiner Eigengesetzlichkeit im Alltag seinen sichtbaren Ausdruck findet, und auf der anderen Seite um ein Leben von Gott her, das die geltenden Maßstäbe radikal in Frage stellt und zugleich neue Perspektiven eröffnet. - Die Aufgabe der Predigt besteht nach Lange darin, „Verheißung und Wirklichkeit miteinander zu versprechen"^. Genau dies - das Ver-sprechen der miteinander in Spannung stehenden Größen - ist in der als Metapher verstandenen Gleich-

89

Vgl. E . Lange, Theorie und Praxis, 19 ff.

90

A . a . O . 20.

9 1 Das Erreichen dieses Zieles ist freilich menschlichem Zugriff entzogen. Vgl. E . Lange, Zur Aufgabe christlicher Rede (1968). In: Predigen als Beruf, (52—67), 55. A n diesem Punkt ist Lange von R. Bohren mißverstanden worden. Vgl. R. Bohren, Die Differenz zwischen Meinen und Sagen. Anmerkungen zu Ernst Lange, Predigen als Beruf. In: PTh 7 0 , 1 9 8 1 , 4 1 6 - 4 3 0 . 9 2 Langes Begrifflichkeit variiert allerdings und ist nicht immer präzise, was mit dem Engagement des Praktikers Ernst Lange zusammenhängt. 93

E . Lange, Theorie und Praxis, 27. Hervorhebung durch Verf.

193

niserzählung in verdichteter Form realisiert; darauf macht Harnisch aufmerksam, wenn er nicht wie Ricoeur und Weder die Parabel als den einen Pol des Spannungsverhältnisses versteht, sondern in ihr das gesamte Spannungsverhältnis aufgehoben sieht. - Das „Ver-sprechen" von Wirklichkeit und Verheißung in der Predigt bzw. von „alter" und „neuer Geschichte" in der Parabel94 meint aber nun keineswegs eine Auflösung des Spannungsverhältnisses95. Vielmehr ist hier wie dort die Bearbeitung der Spannung als „Prozeß" beschrieben, wenn auch mit unterschiedlichem Subjekt. Für die Parabel als Metapher gilt, daß der Hörer den „metaphorischen Prozeß" 96 zu vollziehen hat, während in der Predigt zunächst der Prediger als „Anwalt" für die Hörer das „Prozeßgeschehen zwischen Tradition und Situation"97 durchläuft. Entscheidend aber ist, daß sowohl der metaphorische wie der homiletische Prozeß nach vorne hin offen, also nie letztgültig abschließbar ist. Davon wird noch zu handeln sein. - Eine letzte Analogie zwischen Parabel und Predigt betrifft die innovatorische Kraft beider. Wenn Lange auf der Notwendigkeit des Ver-sprechens von Verheißung und Wirklichkeit insistiert, so geschieht das in folgender Absicht: „Die... Wirklichkeit soll durch die Predigt... nicht zum Schweigen gebracht, sondern im Gegenteil neu zum Zeugnis für Gott aufgerufen, zur Sprache gebracht werden, und zwar so, daß in dieser Wirklichkeit Gottesdienst und Götzendienst, Treue und Verrat, Hoffnung und Illusion, Wahrheit und Lüge, die Chance der Freiheit und die Gefahr der Unfreiheit sich voneinander unterscheiden und so der Weg des Glaubens in Liebe und Hoffnung sichtbar wird."96 Auch in der Parabel wird die Wirklichkeit nicht zum Schweigen, sondern gerade zur Sprache gebracht, und auch ihr geht es um die die Wirklichkeit verändernde Möglichkeit des Glaubens99 und im Zusammenhang damit um die „radikal verstandene(r) Liebe, Freiheit und Hoffnung." 100 Die aufgezeigte Analogie zwischen der als Metapher verstandenen Parabel einerseits und dem homiletischen Akt, wie er von Lange u. a.101 beschrieben wurde, andererseits bedeutet nun aber keineswegs eine Identität beider! Daß die Gemeindepredigt nicht einfach mit der Parabel gleichzusetzen ist, wird Vgl. W. Harnisch, Gleichniserzählungen, 155. D e r Begriff der „Klärung der Situation" bei Lange meint wohl nicht die Harmonisierung von Tradition und Situation und also die Auflösung des Spannungsverhältnisses. 94 95

96 97 98

W. Harnisch, Gleichniserzählungen, 154, im Anschluß an P. Ricoeur. E . Lange, Theorie und Praxis, 30. A . a . O . 27. Hervorhebung durch Verf.

Vgl. W. Harnisch, Gleichniserzählungen, 158 ff. 1 0 0 A . a . O . 165. 101 Vgl. auch H . Arens u.a., Kreativität. Dort wird das Spannungsverhältnis mit dem Terminus „Bisoziation" beschrieben. 99

194

schon an dem jeweils unterschiedlichen Medium der Mitteilung deutlich: Die Predigt ist eine Rede und kann daher verschiedene Sprechakte enthalten, während die Gleichniserzählung sich als dichterisches Kunstwerk verstehen läßt. Mit dieser Differenz hängt auch zusammen, daß die Predigt in viel höherem Maße zeitbezogen ist als dies von der Parabel gilt. Dieses Merkmal wiederum wirkt sich auf die Beschaffenheit des oben beschriebenen Spannungsverhältnisses aus. So kann der als „homiletische Situation" gekennzeichnete Pol dieser Spannung bei weitem komplexer sein als der vergleichbare Pol innerhalb der Gleichniserzählung und wesentlich mehr als die „alltagsüblichen Einstellungen"102 der Adressaten103 umfassen. Schließlich darauf wurde bereits hingewiesen - tritt bei der Predigt die Person des Predigers hinzu, während bei dem Verständnis der Parabel als Metapher mit einem unmittelbaren Gegenüber von Text und Hörer gerechnet wird. Die genannten Differenzen zwischen Predigt und Parabel sind zu beachten, wenn die Analogie für die Parabelpredigt fruchtbar gemacht werden. Letzteres allerdings erscheint als sinnvoll. Die Parabelpredigt soll ihre Hörer dazu pro-vozieren, die eigene Lebenswirklichkeit sub specie Dei neu zu begreifen104. Dann aber ist zu sehen, daß die Parabel selbst in der ihr eigenen Art diese Pro-vokation bereits vollzieht, mit anderen Worten: Der Predigttext hat in diesem Fall in besonderer Weise eine „kreative Funktion" für die Predigt105.

b)

Offenheit

W.Harnisch setzt sich in seiner hier bereits mehrfach genannten Arbeit kritisch mit den Versuchen einer rhetorischen Vereinnahmung der Gleichniserzählungen Jesu auseinander106 und tritt seinerseits im Anschluß an andere Forscher für ein Verständnis der Parabeln als dichterische Kunstwerke ein107. Gegenüber einer mit rhetorischen Kategorien arbeitenden Hermeneutik, für die die Wirkung der Gleichniserzählungen in deren persuasiver Kraft besteht, sieht eine im Horizont der Poetik entworfene Auslegung das Charak102 W.Harnisch, Gleichniserzählungen, 153. 1 0 3 Allerdings ist der Situationsbegriff bei Lange unscharf und bedarf einer weitergehenden Präzisierung. Vgl. dazu P. Krusche, Die Schwierigkeit, Ernst Lange zu verstehen. Anmerkungen zu dem Versuch von Rudolf Bohren. In: P T h 7 0 , 1 9 8 1 , ( 4 3 0 - 4 4 1 ) , 4 3 9 f f . ; F. Wintzer, Aufgabe und Funktion, 111. 1 0 4 S.o. 166f. ios Vgl. M. Josuttis, Die Bibel als Basis der Predigt. In: H . - G . Geyer u.a. (Hrsg.), „Wenn nicht jetzt, wann dann?" FS H . - J . Kraus, Neukirchen 1983, ( 3 8 5 - 3 9 3 ) , 389ff. io« Vgl. W.Harnisch, Gleichniserzählungen, 1 1 8 - 1 2 5 . 107

Vgl. a.a.O. 131.

195

teristikum der Parabeln darin, daß sie Bestehendes nicht nur aufdecken, sondern zugleich transzendieren, daß sie Neues entdecken lassen und die Kraft haben, Wirklichkeit zu verändern. Da diese Momente durchaus auch als Teilziele der Gemeindepredigt anzusprechen sind, ist es kein Zufall, daß in neuerer Zeit mehrfach der Versuch unternommen wurde, Homiletik im Horizont der Dichtung zu entwerfen. Dabei geht es weniger um die Verarbeitung poetischer Texte bzw. die Verwendung poetischer Sprache in der Predigt108 als um das Verständnis von Predigt als Poesie. - Im vorliegenden Zusammenhang ist es nicht möglich und auch kaum erforderlich, den Verlauf der Diskussion exakt nachzuzeichnen. Verschiedene Homiletiker halten die Verbindung zwischen Homiletik und Poetik, zwischen Predigt und Gedicht für so eng, daß sie zu dem Schluß kommen, der Prediger habe von den Schriftstellern zu „lernen" 109 . Es wird gefordert, „daß der Theologe beim Dichter in die Sprachschule gehen muß" 110 , man sieht sich „Auf dem Weg zu einer poetischen Homiletik" 111 , Predigt wird als „Kunstwerk" verstanden112. Daneben gibt es jedoch auch Stimmen, die das Verhältnis von Homiletik und Poetik nüchterner und differenzierter beurteilen und zu einer möglicherweise realistischeren Einschätzung des Nutzens der „Koalition" von Dichtung und Predigtlehre kommen113. Ein Motiv freilich begegnet in den meisten Beiträgen immer wieder: Es wird darauf hingewiesen, daß Gedichte wesensmäßig offen sind. Sie dekretieren nicht objektive Richtigkeiten, sondern fordern den Hörer dazu heraus, die Wahrheit des Gehörten in der eigenen Existenz wirklich werden zu lassen. Diese Offenheit, wie sie das dichterische Kunstwerk kennzeichnet, wird zu Recht auch von der Predigt gefordert: „Nur eine Predigt, die ungeschützt offen ist (sowohl formal wie im Sinne subjektiver Aufrichtigkeit sich selber und dem Hörer gegenüber), vermag 108 Auch diese Fragen werden allerdings mitunter kontrovers diskutiert. Vgl. die kritische Stellungnahme von H . - J . Benedict, Poetisch oder alltagssprachlich, literarisch oder erfahrungsbezogen? Auseinandersetzung mit Gert O t t o : Predigt als Rede. In: T h P r 1 2 , 1 9 7 7 , 2 2 - 3 4 . 109 v g l . h . Siegel, Lernen von den Schriftstellern? Zum Verhältnis von Literatur und Homiletik. In: P T h 7 1 , 1 9 8 2 , 4 5 9 - 4 7 5 . 1 1 0 W. Lück, Strukturen der Lyrik und die Sprache der Verkündigung. In: T h P r 2, 1967, ( 1 4 - 3 0 ) , 21. 111 Vgl. H . Braunschweiger, Auf dem Weg zu einer poetischen Homiletik. Einige Aspekte der Hermeneutik Ricoeurs als Impuls für die Homiletik. In: E v T h 3 9 , 1 9 7 9 , 1 2 7 - 1 4 3 . 1 1 2 Vgl. G . M . Martin, Predigt als „offenes Kunstwerk"? Zum Dialog zwischen Homiletik und Rezeptionsästhetik. In: E v T h 4 4 , 1 9 8 4 , 4 6 - 5 8 . 113 Vgl. K. Marti, Wie entsteht eine Predigt? Wie entsteht ein Gedicht? Ein Vergleich mit dem Versuch einer Nutzanwendung. In: Wort und Gemeinde. Probleme und Aufgaben der Praktischen Theologie. FS E. Thurneysen, Zürich 1968, 183—198; H . W e r n i c k e , Dichterische Wirklichkeit und christliche Verkündigung. Versuch einer Verhältnisbestimmung. In: ThPr 5, 1970, 13—32; H . Schröer, U m b e r t o E c o als Predigthelfer? Fragen an Gerhard Marcel Martin. In: E v T h 44,1984,58-63.

196

andere für jenen Dialog zu öffnen, in dessen Verlauf Gottes Wort, d.h. Christus, das Bewußtsein, das Verhalten, schließlich auch das Unbewußte eines Menschen zugleich aktiviert und befriedet, so daß aus Hörern Täter des Wortes (Jakobus 1,22) werden, die als aktive Zeugen des Schalom (= Friede, Heil, Recht, Wohlstand) Gottes mithelfen, die Gesellschaft zu verändern." 114 Diese Einsicht ist für die Parabelpredigt von besonderer Bedeutung, da sie es mit Texten zu tun hat, die ihrerseits als Metaphern zu verstehen und daher nie endgültig zu deuten sind115. Die Parabelpredigt müßte folglich - will sie als Pro-vokation ihrer Hörer zum Dialog wirken - die Offenheit der jeweiligen Gleichniserzählung respektieren und neu zur Geltung bringen. In der neueren Geschichte der Parabelpredigt wurde die Notwendigkeit dazu nicht genügend gesehen; ein Beispiel dafür, wie die Offenheit der Parabel durch die Predigt restlos vernichtet werden kann, ist die Einordnung der Gleichniserzählung in einen dogmatischen Zusammenhang, etwa den Zusammenhang von Gesetz und Evangelium116. Ahnliches geschieht, wo die Parabel in eine Argumentationsstruktur eingebunden wird 117 .

4.

Ergebnis

Die vorangegangenen Überlegungen haben unter verschiedenen Aspekten deutlich erwiesen, daß Analogien zwischen der Predigt, wie sie in der gegenwärtigen homiletischen Debatte beschrieben wird, einerseits und der Parabel, wie sie von der metapherntheoretischen Gleichnisauslegung gedeutet wird, andererseits bestehen. Ferner wurde ansatzweise versucht, die jeweiligen Einsichten auf das Problem der Parabelpredigt zu beziehen. Es ist nun aber noch einmal grundsätzlich zu fragen, was der Aufweis solcher Analogien homiletisch zu leisten und was er nicht zu leisten vermag. Angesichts der vielfältigen Entsprechungen zwischen Parabel und Predigt könnte es sich nahelegen, die Gleichniserzählung Jesu als das Grundmodell christlicher Predigt schlechthin zu begreifen118. Alle Predigt hätte sich dann an der kerygmatischen Struktur der Parabeln Jesu zu orientieren. Ein solcher K. Marti, 196; vgl. H. Siegel, 471 ; G. M. Martin, passim; H. Braunschweiger, 1 3 4 f . Vgl. E. Fuchs, Analogie, 11 ; P. Ricoeur, Stellung und Funktion, 49; W. Harnisch, Gleichniserzählungen, 139 ff., 158. Insofern ist die Anfrage Schröers an Martin, ob schon der Text oder erst die Predigt offenes Kunstwerk sei (vgl. H. Schöer, Predigthelfer, 61), für die Parabelpredigt entschieden. 114 115

S . o . 4 1 ff. S.o. 2 2 f f . 1 1 8 Ansatzweise geschieht das bei W. Jetter, Gespräch, 224, wenn er die Gleichnisse Jesu als „Gipfelmodelle dialogischer Predigt" bezeichnet. 1,6

117

197

Schluß ist jedoch aus verschiedenen Gründen als unsachgemäß abzulehnen. So wurde im Verlauf der Untersuchung bereits mehrfach daraufhingewiesen, daß es neben den Strukturanalogien auch eine Reihe struktureller Differenzen zwischen Parabel und Predigt gibt. Dazu gehört, daß die Predigt eine ausgeführte Rede und (in der Regel) keine knappe dramatische Erzählung ist sowie die Tatsache, daß ihr Wesen durch ihre Zeit- und Situationsbezogenheit mitkonstituiert wird und sie sich also nicht wie die Gleichniserzählung als autonomes ästhetisches Objekt beschreiben läßt. Ferner ist die Wirkweise der Predigt von der der als Metapher verstandenen Parabel zu unterscheiden, nicht zuletzt, weil hier die Person des Predigers den Rezeptionsprozeß mitbestimmt. Sodann ist darauf hinzuweisen, daß die Predigt als gottesdienstliche Rede im Unterschied zur Parabel durch einen rituellen Rahmen beeinflußt wird und daß dieser Umstand eine von der Hermeneutik unabhängige spezifisch homiletische Reflexion erfordert. Schließlich wäre mit einer Hochstilisierung der Gleichniserzählungen Jesu zu exklusiven Modellen für christliche Predigt die im Neuen Testament bezeugte Vielfalt von Grundaspekten der Predigt (keryssein, didaskein, parakalein) verkannt119. Neben den strukturellen Unterschieden ist sodann eine inhaltliche Differenz zwischen Parabel Jesu und Gemeindepredigt zu nennen. Letztere bezieht im Unterschied der Gleichniserzählung das als Heilsgeschehen verstandene Geschickjesu von Nazareth in der Regel explizit in ihre Verkündigung ein und bekennt ihn als den Christus. Dazu zieht sie auch biblische Texte heran, die gänzlich anders geartet sind als die Gleichniserzählungen Jesu. Bisweilen hat man sogar die Frage gestellt, ob das (paulinisch verstandene) Evangelium in den Evangelien und mithin auch in den Parabeln überhaupt präsent sei120. Aus den genannten strukturellen und inhaltlichen Unterschieden ergibt sich, daß die Parabel sich nicht als universal verwendbares homiletisches Modell eignet. Für die Parabelpredigt jedoch ist der Aufweis von Analogien zwischen den Gleichniserzählungen Jesu einerseits und der Gemeindepredigt andererseits von entscheidender Bedeutung, obgleich auch hier die aufgezeigten Differenzen nicht außer acht gelassen werden dürfen. Die Strukturähnlichkeiten zeigen an, daß in der Parabelpredigt eine Orientierung an Form und Wirkweise der jeweiligen Gleichniserzählung keineswegs nur deshalb zu erfolgen hat, weil dies hermeneutisch sachgemäß ist, sondern daß es sich hier zuerst und vor allem um ein homiletisch begründetes Desiderat handelt. Als Desiderat ist diese Orientierung deshalb zu bezeichnen, weil mit ihrer Hilfedas hat die Einzelanalyse ergeben - die Aufgabe der Parabelpredigt als einer

119 120

198

Vgl. F. Wintzer, Aufgabe und Funktion, 104. S.o. 55, Anm.38.

dreifachen Pro-vokation ihrer Hörer einer Lösung zugeführt werden kann. Im folgenden Kapitel wird zu klären sein, wie diese Orientierung an Form und Wirkweise der Parabel in der Praxis erfolgen kann und welche Perspektiven für die Arbeit an Parabelpredigten sich daraus ergeben.

VI. Perspektiven der Arbeit an Parabelpredigten Nachdem im vorigen Kapitel die Grundlegung einer Theorie der Parabelpredigt im Zusammenhang mit der metapherntheoretischen Auslegung der Gleichniserzählungen Jesu versucht wurde und die Berücksichtigung der Sprachform der Parabel sich als homiletisch sinnvoll erwiesen hat, ist nunmehr zu fragen, was der skizzierte Ansatz für die Praxis der Predigtvorbereitung austrägt. Es ist zu untersuchen, was die bisherigen Ergebnisse im Blick auf die homiletische Auslegung von Gleichniserzählungen und hinsichtlich der Gestaltung von Parabelpredigten leisten.

1. Perspektiven homiletischer Auslegung von Gleichniserzählungen Jesu Der Terminus „Homiletische Auslegung" begegnet im Untertitel sowohl der Bearbeitungen der altkirchlichen Evangelien durch M. Doerne 1 als auch der Bände zu allen sechs Perikopenreihen von G. Voigt2. Insofern handelt es sich um einen in der gegenwärtigen Homiletik geläufigen Begriff. Gleichwohl soll kurz skizziert werden, was im folgenden unter „homiletischer Auslegung" verstanden wird. Homiletische Auslegung ist erstens eint gemeindebezogene Interpretation des Predigttextes; sie hat von Anfang an die Predigthörer mit im Blick. In dieser Weise spricht bereits A. Hyperius von der „interpretado scripturarum 1

Vgl. M. Doerne, Er kommt auch noch heute. Homiletische Auslegung der alten Evangelien, Göttingen 4. Aufl. 1956,-Ders., Die Alten Episteln. Homiletische Auslegung, Göttingen 1967. 2 Vgl. G.Voigt, Der schmale Weg. Homiletische Auslegung der Predigttexte der Reihe I, Berlin und Göttingen 1978; ders., Das heilige Volk. Homiletische Auslegung der Predigttextre der Reihe II. Berlin und Göttingen 1979; ders., Die geliebte Welt. Homiletische Auslegung der Predigttexte der Reihe III, Berlin und Göttingen 1980; ders., Die himmlische Berufung. Homiletische Auslegung der Predigttexte der Reihe IV, Berlin und Göttingen 1981 ; ders., Die bessere Gerechtigkeit. Homiletische Auslegung der Predigttexte der Reihe V, Berlin und Göttingen 1982; ders., Die lebendigen Steine. Homiletische Auslegung der Predigttexte der Reihe VI, Berlin und Göttingen 1983.

199

popularis" im Unterschied zur „interpretado scholastica"3. - Homiletische Auslegung ist näherhin zweitens die Reflexion darauf, ob und in welcher Weise der zu bearbeitende Bibeltext geeignet ist, die Frömmigkeit der Gemeindeglieder zu beeinflussen. Schon F. L. Steinmeyer, der sich in seiner Homiletik ausführlich mit dem Begriff, dem Prinzip und der Methode homiletischer Auslegung befaßt, hat ihre Intention folgendermaßen beschrieben: „Die Absicht der homiletischen Auslegung geht... dahin, die in dem Texte enthaltene Wahrheit als eine Heilswahrheit, als eine Wahrheit pros eusebeian zu eruieren - ausschließlich von dem Gesichtspunkte aus und zu dem Zwekke, daß sie als solche nicht nur erkannt, sondern auch dahingenommen werden könne. " 4 - Homiletische Auslegung bedeutet drittens, daß der Interpret die eigene Person in den Auslegungsprozeß integriert und dem Predigttext möglichst unmittelbar zu begegnen versucht. Noch einmal sei Steinmeyer zitiert, der großen Wert darauf legt, daß „der meditierende Prediger den Text zunächst auf sich selbst wirken läßt, sich seinem Eindrucke hingibt und dann den Prozeß der Empfindungen beobachtet, den derselbe in seinem Bewußtsein erregt hat." 5 - Die bisherigen Ausführungen bedeuten jedoch nicht, daß die homiletische Auslegung von Predigttexten auf deren historischkritische Interpretation verzichten könnte, im Gegenteil: „So wird... die homiletische Textauslegung mit ihr (sc. der grammatisch-historischen Interpretation) nie in Konflikt kommen oder sie beiseite lassen dürfen. Sie hat dieselbe vielmehr zu ihrer Voraussetzung, zu ihrer schlechthin unentbehrlichen Basis." 6 Der komplexe Bedeutungsgehalt des Begriffes der „homiletischen Auslegung" soll im folgenden durch die Termini „reflektierte Unmittelbarkeit" und „Wahrnehmungshilfe" zur Geltung gebracht werden. Diese Begriffe scheinen geeignet, die homiletische Auslegung von Gleichniserzählungen Jesu zu beschreiben.

3 Vgl. A. Hyperius, D e formandis concionibus sacris seu de interpretatione scripturarum populari libri II, 1553, 2. Aufl. 1562. Vgl. auch H . W . Surkau, Art. Schriftauslegung, V. Praktische Schriftauslegung. In: R G G 3. Aufl. Bd. V, 1 5 3 5 - 1 5 3 7 (Lit.). 4 F . L . Steinmeyer, Homiletik (Hrsg. M. Reyländer), Leipzig 1901, 96. Problematisch freilich ist Steinmeyers Feststellung, in jedem Text sei nur eine Heilswahrheit enthalten, vgl. a.a.O. 118. Mindestens für die Gleichniserzählungen Jesu trifft das nicht zu; sie sind wesensmäßig offen. S.o. 195ff. 5 6

200

A . a . O . 138 vgl. 142 f. A . a . O . 90.

a) Reflektierte

Unmittelbarkeit

Innerhalb der grundlegenden hermeneutisch-homiletischen Reflexion des vorigen Kapitels wurde darauf hingewiesen, daß die Gleichniserzählungen Jesu als autonome ästhetische Objekte die Kommunikation mit ihren Rezipienten beabsichtigen. Da auch die Gemeindepredigt „Gespräch mit dem Hörer" bzw. „Ermutigung zum Dialog" sein soll, wurde für die Parabelpredigt eine Besinnung auf die kommunikative Eigenart der jeweils zu predigenden Gleichniserzählung als homiletisch sinnvoll beschrieben7. Für die Predigtarbeit bedeutet das konkret: Der Prediger müßte gleichsam stellvertretend für seine Hörer das Kommunikationsangebot der Gleichniserzählung annehmen; er müßte die Parabel als autonomes ästhetisches Objekt wahrnehmen und sich ohne Deutungsabsicht unmittelbar auf die erzählte Handlung einlassen. Bevor dieser unmittelbare Umgang mit der Gleichniserzählung eingehender beschrieben werden kann, sei - um die Aufgabe klarer fassen zu können - zunächst kurz die Diskussion um diese Form der homiletischen Auslegung nachgezeichnet. Die Unmittelbarkeit des Zugangs nicht nur zu Gleichniserzählungen Jesu sondern zum Predigttext im allgemeinen wird in der gegenwärtigen homiletischen Diskussion zunehmend und mit unterschiedlicher Begründung gefordert. Es sind vor allem zwei Argumente, die gegen eine Monopolstellung historisch-kritischer Exegese in der Predigtarbeit und für eine gleichzeitige unmittelbare und assoziative Beschäftigung des Predigers mit dem Text ins Feld geführt werden. Das erste Argument ist ein hermeneutisches8. Kritisiert wird, daß die historisch-kritische Exegese - sofern sie verabsolutiert wird den persönlichen Zugang zum Text erschwere: Letzterer werde dann nämlich als Gegenstand der Analyse verobjektiviert und gerate damit in eine kaum überbrückbare Distanz zum Ausleger, so daß eine existentielle Betroffenheit sich kaum einstellen könne. Aus diesem Grunde sei daneben ein unmittelbarer Zugang unerläßlich. Der Text werde dadurch aus der Verobjektivierung befreit und als Subjekt 9 bzw. als Dialogpartner 10 ernstgenommen. Dann aber bestehe die Möglichkeit, daß der Ausleger vom Text kritisch in Frage gestellt und existentiell betroffen werde. E. Lerle veranschaulicht das Gemeinte in einem Vergleich: „Neben der Exegese gibt es eine andere Art des Interpretierens, nämlich den eigenen Vollzug. Den prinzipiellen Unterschied zwischen diesen beiden Arten illustriert am besten eine Parallele S . o . V.2.a Vgl. dazu W.Wink, Interaktion, passim; O . F u c h s , 35f.; T.Schramm, Distanz und Nähe. Erfahrungen im U m g a n g mit biblischen Texten. In: W P K G 64,1975, 372—387. 9 Vgl. O . Fuchs, 35. 10 Vgl. T. Schramm, Distanz, 378. 7 8

201

aus dem Gebiet der Musik. Eine Beethoven-Sonate wird auf zweierlei Weise interpretiert. Man kann eine musikwissenenschaftliche Abhandlung schreiben, in der das Werk kommentiert wird, oder aber man interpretiert die Sonate im Nachvollzug auf den Tasten des Klaviers." 11

Das zweite Argument für eine unmittelbare Begegnung des Predigers mit dem Text ist ein homiletisches: Historisch-kritische Exegese allein hindere die Solidarität des Predigers mit seinen Hörern. Darum sei es notwendig, gleichsam in den Text „hineinzugehen", ihn als „Raum des Gehörs" 12 zu entdecken: „Darum halte ich es für eine entscheidende Aufgabe der Predigt, daß sie im biblischen Text unsere lebendige, selbst erfahrene Wirklichkeit entdeckt und aufdeckt, daß sie es den Hörern ermöglicht, sich im Gesagten wiederzufinden. Es wäre darum gut, wenn wir Prediger es zunächst für uns selber wieder übten und lernten, frei und unbefangen zu assoziieren. Was fällt uns ein, wenn wir diesen Text, diese Geschichte, dieses einzelne Wort hören? Und zwar nicht zuerst: welche theologische Begrifflichkeit oder Tradition, sondern zuerst: welches Stück heutige Wirklichkeit, problematische oder banale Erfahrung, Erinnerung oder Empfindung, ähnlich dem, was auch bei meinen Hörern heraufsteigen und anklingen wird? Denn es geht ja darum, daß wir in der Predigt die Türen öffnen ins Umfeld der Worte, der Begriffe, der Szenen, die der biblische Text uns gibt, daß der Hörer empfinden kann: ,So ist es', weil er im plastisch Gesagten das persönlich Erfahrene angesprochen findet." 13

Das hermeneutisch wie homiletisch begründete Plädoyer für einen unmittelbaren Umgang mit biblischen Texten in der Predigtarbeit ist einleuchtend. Problematisch wird es jedoch, wenn diese Form der Auslegung einseitig favorisiert und gegen die historisch-kritische Exegese ausgespielt wird. Das scheint ansatzweise dort der Fall zu sein, wo in der homiletischen Auslegung die direkte Begegnung mit dem Text vorangestellt und der historisch-kritischen Exegese dann nur noch die Funktion zugewiesen wird, die Einfälle und Assoziationen des Predigers zu kontrollieren14. Für die Parabelpredigt wird hier anders zu verfahren sein. Im Rahmen dieser Untersuchung wurden die Grundprobleme der Parabelpredigt ausführlich dargelegt15. Dabei wurde auf die besondere frömmigkeitsprägende Kraft der Gleichniserzählungen Jesu sowie auf die Existenz 11

E . Lerle, Arbeiten mit Gedankenimpulsen, Berlin 1 9 6 5 , 1 8 .

Vgl. Chr. Möller, Seelsorglich predigen. Die parakletische Dimension von Predigt, Seelsorge und Gemeinde, Göttingen 1 9 8 3 , 5 1 . 12

13

K.-P. Hertzsch, Ermutigung zur Predigt. In: E P M 1 9 7 8 / 7 9 Bd. 1, ( 7 - 1 2 ) , 10.

Vgl. die „nicht-sondern"-Sprachfigur in dem Hertzsch-Zitat; vgl. M. Seitz, Zum Problem der sogenannten Predigtmeditationen. In: H . Breit u. a. (Hrsg.), Die Predigt zwischen Text und Empirie, Stuttgart 1969, 9—21. - A . H o r n , Der Text und sein Prediger. Hoffentlich entlastende Bemerkungen zu einer Phase der Predigtvorbereitung. In: Z d Z 3 7 , 1 9 8 3 , 2 5 3 — 2 5 7 ; K . Meyer zu Uptrup, 4 4 ff. 14

15

202

S.o. 160ff.

einer damit zusammenhängenden „gemeindlichen Hermeneutik" hingewiesen. Letztere zeichnet sich dadurch aus, daß die Parabeln verobjektiviert und ihrer ursprünglichen Anstößigkeit entkleidet sind, sowie dadurch, daß die in den Gleichniserzählungen handelnden Personen vielfach zu Karikaturen gemacht werden. Diese oft auch pastorale „gemeindliche Hermeneutik" aber ist keine spontane Erfindung gegenwärtiger Predigthörer, sondern hat sich in einem langen Traditionsprozeß, der seinen Niederschlag zum Teil im Neuen Testament selbst in Form von mannigfachen Überarbeitungen der Parabeln gefunden hat, herausgebildet. Es wäre daher kurzschlüssig, anzunehmen, der Prediger, der ja selbst an dieser Hermeneutik partizipiert, könne diese durch einfaches Assoziieren und Imaginieren aufbrechen. Es kommt vielmehr zunächst alles darauf an, daß er als theologischer Fachmann, der mit dem Instrumentarium historisch-kritischer Exegese vertraut ist, den Traditionsprozeß der Gleichniserzählung zurückverfolgt und deren wahrscheinliche Urgestalt zu rekonstruieren versucht. Ferner ist es unabdingbar, daß er einzelne Begriffe und Vorstellungen auf ihren historischen Zusammenhang hin befragt: Im Rahmen einer homiletischen Auslegung der Parabel vom barmherzigen Samariter etwa ist es notwendig, sich über das Verhältnis von Samaritanern und Juden gründlich zu informieren, eine Bearbeitung der Gleichniserzählung vom Zöllner und Pharisäer setzt die eingehende Beschäftigung mit den jeweiligen Personengruppen voraus, und der Ausleger der Parabel von den Arbeitern im Weinberg muß u.a. wissen, daß ein Denar zur Zeit Jesu ein angemessenes Entgelt für einen Tagelöhner darstellte.

Nach der historisch-kritischen Exegese der jeweils auszulegenden Parabel wird der Prediger den Traditionsprozeß durch die Predigtgeschichte hindurch mindestens ansatzweise weiter zu verfolgen haben: „In der kritischen Analyse der Predigten anderer Prediger begegne ich immer zugleich wiederum meiner eigenen Gemeinde, und zwar in einem doppelten Sinn. Meine Gemeinde steht ja in einer übergreifenden Tradition mit diesen Predigern und ihren Gemeinden. Die Geschichte der Frömmigkeit, der Theologien, der Verständnisse und Mißverständnisse des christlichen Glaubens, die sich hier ausdrückt, hat sich auch in meiner Gemeinde ausgewirkt und niedergeschlagen. Was hier verständlich gemacht wird, ist als Verstandenes, als SelbstVerständliches ein Element des Vorverständnisses vom Christentum, das jeder meiner Hörer immer schon in die Kirche mitbringt und mit dem meine Predigt sich wird auseinandersetzen müssen. Andererseits wird mir in der Beschäftigung mit den Predigten vergangener Zeiten nur um so eindrücklicher, wie sehr sich meine Gemeinde in ihrer heutigen Verstehenslage von dem unterscheidet, was mir in der Predigtgeschichte begegnet. Im Gespräch mit 203

vergangener Predigt redet meine eigene Gemeinde bereits höchst vernehmlich mit." 16 - Diese beiden „verobjektivierenden" Arbeitsgänge der historisch-kritischen Exegese und der predigtgeschichtlichen Erinnerung sind unverzichtbar, um die durch den Traditionsprozeß erfolgte Verobjektivierung der Gleichniserzählung überhaupt erkennen und beurteilen zu können. Erst auf diesem Hintergrund ist es sinnvoll, einen neuen „subjektiven" oder unmittelbaren Zugang zur Parabel zu versuchen. - Zu dem Vorgang der der unmittelbaren Begegnung mit dem Text vorgelagerten Reflexion gehört aber nun neben den beiden genannten Arbeitsgängen noch ein dritter: Der Prediger muß sich hinsichtlich seines hermeneutischen Ausgangspunktes vergewissern. Dazu gehört die Information darüber, daß die Gleichniserzählungen Jesu sich als dramatisch konzipierte Erzählungen verstehen lassen und daß in der Regel eine Person oder Personengruppe als Identifikationsfigur angeboten wird. Diese Merkmale sind an der jeweils homiletisch auszulegenden Gleichniserzählung zu verifizieren (Benennung der Identifikationsfigur, Gliederung in Szenen, Beschreibung des Spannungsbogens). Erst jetzt, nachdem der Prediger gleichsam Einblick in das „Drehbuch" genommen hat, kann er in dem Drama „Parabel" mitspielen, das Kommunikationsangebot annehmen. - Wenn also im Interesse einer Kommunikation eröffnenden Parabelpredigt vom Prediger erwartet wird, daß er die Gleichniserzählung als autonomes ästhetisches Objekt wahrnimmt und sich unmittelbar auf die dargebotene Handlung einläßt, so kann es sich dabei letztlich nur um eine reflektierte Unmittelbarkeit handeln, so widersprüchlich dies auf den ersten Blick auch erscheinen mag17. In einem weiteren, der exegetischen, predigtgeschichtlichen und hermeneutischen Reflexion folgenden Arbeitsgang innerhalb der homiletischen Auslegung von Gleichniserzählungen Jesu kommt es dann darauf an, die Parabel möglichst unmittelbar zu erfassen, mit anderen Worten: Der Prediger muß sich um die Haltung ästhetischer Wahrnehmung bemühen. Es gilt, an der Seite und aus der Perspektive der Identifikationsfigur sich der erzählten Geschichte zu überlassen und sich die Szenerie möglichst plastisch und konkret vorzustellen. Bei dem Nacherleben der Handlung, die in dieser Szenerie spielt, stellen sich bei dem Prediger notwendig Gefühle ein. Diese durch die Erzählung evozierten, ambivalenten oder auch eindeutig negativen Emotionen gilt es wahrzunehmen und auszuhalten, ohne sogleich in Ab-

16

E . Lange, Brief, 10 f.

Der Begriff der „reflektierten Unmittelbarkeit" scheint geeigneter zu sein als die Rede von der „zweiten Naivität", da er den doppelten Vorgang der Reflexion und der unmittelbaren Auseinandersetzung explizit benennt. 17

204

straktionen und Generalisierungen auszuweichen18. Die unmittelbare, personale Begegnung mit der Parabel hat also den Sinn, den Text emotional zu erschließen, seinen „emotionalen Duktus" 19 zu erfassen. Der Prediger soll den Anspruch der Parabel, das „Tua res agitur!", gleichsam am eigenen Leib spüren, um auf dem Hintergrund dieser Erfahrung mit den Predigthörern ein Gespräch über die Relevanz des Erzählten für die menschliche Existenz führen zu können. Dazu bedarf es im folgenden noch einiger Präzisierungen.

b) Die Parabel als

Wahrnehmungshilfe

Im Vollzug der durch eine reflektierte Unmittelbarkeit charakterisierten homiletischen Auslegung von Gleichniserzählungen sind für den Prediger verschiedene homiletisch bedeutsame Wahrnehmungen möglich, die erstens seine eigene Person, zweitens die homiletische Situation und drittens theologisch relevante Zusammenhänge betreffen. ba) Die Einsicht, daß die Person des Predigers von entscheidender Bedeutung für die Predigt ist, wurde durch die Homiletik der letzten Jahre verstärkt wieder zur Geltung gebracht20. In dem hier vorgeschlagenen Modell homiletischer Auslegung von Gleichniserzählungen hat der Prediger Gelegenheit, Aspekte seiner eigenen Person genauer wahrzunehmen und einschätzen zu lernen. Dies gilt vor allem für die Phase der emotionalen Erschließung des Predigttextes: Nachdem der Prediger in einer ersten Phase der Reflexion die Parabel verobjektivierend analysiert hat und bevor er seine Predigthörer als Gegenüber in den Blick bekommt, ist er zu diesem Zeitpunkt der Auslegung zunächst mit sich allein (freilich im Raum der Gleichniserzählung). - Verschiedene Homiletiker sehen die besondere Schwierigkeit der unmittelbaren Begegnung mit dem Predigttext in der akademischen Ausbildung des Predigers. „Die Problematik des Akademischen, der Gelehrtenzunft" sei nämlich „die Trennung von Theorie und Praxis, von Geist und Körper, von Verstand und Gefühl, von Wissen und Erfahrung" 21 . Ungeachtet der Tatsache, daß dieses Urteil in seiner Zuspitzung wohl überzogen ist, erscheint die Beschreibung der Schwierigkeit des Predigers als Problem seiner universitären Ausbildung im Zusammenhang mit der Parabelpredigt 1 8 Diese Beschreibung trifft sich im übrigen mit neueren Konzeptionen der Bibelarbeit. - Vgl. W. Wink, Bibelarbeit. Ein Praxisbuch für Theologen und Laien. Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1982. 19

I. Adam, 6.

Vgl. F. Riemann, Die Persönlichkeit des Predigers in tiefenpsychologischer Sicht. In: R. Riess (Hrsg.), Perspektiven der Pastoralpsychologie, Göttingen 1 9 7 4 , 1 5 2 — 1 6 6 ; A . Denecke, Persönlich predigen, Gütersloh 1979; H . W . Dannowski, Kompendium, 5 1 - 6 0 . 20

21

W.Wink, Interaktion, 10; vgl. H . Albrecht, Predigen 4 9 ; I. Adam, 6.

205

als zu vordergründig. Hier geht es um mehr als dieses: Der Prediger sieht sich nämlich, will er eine Gleichniserzählung in der beschriebenen Weise auslegen, in der Regel genötigt, partiell Abstand von seinem bisherigen Verstehen zu nehmen. Auf dem Hintergrund des weiter oben zur Prägekraft der Parabeln Gesagten bedeutet dies aber nicht weniger als einen Einbruch in seine Frömmigkeit: In Auseinandersetzung mit der Gleichniserzählung hat der Prediger sich mit seinem bisherigen Verständnis und mit seiner eigenen Glaubenspraxis auseinanderzusetzen und wird dabei vielleicht manches bisher kaum Wahrgenommene erkennen. bb) Im Vollzug der emotionalen Aneignung einer Gleichniserzählung Jesu wird der Prediger unweigerlich in den durch die Parabel eröffneten metaphorischen Prozeß hineingezogen und genötigt, die Spannung zwischen „alter" und „neuer" Geschichte, die in der Gleichniserzählung Jesu angelegt ist22, zu bearbeiten. Darin erweist sich die Parabel als Wahrnehmungshilfe für die homiletische Situation, eine Feststellung, die im folgenden zu präzisieren ist. Innerhalb der grundlegenden Reflexion des vorigen Kapitels wurde unter dem Leitbegriff der „Spannung" auf die Analogie zwischen dem durch die Parabel eröffneten metaphorischen Prozeß einerseits und dem homiletischen Akt andererseits hingewiesen. Zugleich war jedoch dieser Befund angesichts nicht unerheblicher Differenzen zu relativieren: Der Begriff der „homiletischen Situation" umfaßt wesentlich mehr und ist erheblich komplexer als die „alte Geschichte", die in der Parabel nur in Form der „decouvrierenden Anspielung" 23 zur Sprache gebracht wird. So gehört zur Kenntnis der homiletischen Situation über das Wissen um „alltagsübliche Einstellungen" 24 hinaus die Information über die soziologische Struktur, das Altersgefüge und die Frömmigkeitstradition der jeweiligen konkreten Gemeinde sowie über politische und gesellschaftliche Strömungen und Ereignisse. Es wäre daher abwegig, zu meinen, das Zur-Kenntnis-Nehmen der „alten Geschichte" innerhalb einer Gleichniserzählung entbinde den Prediger von einer sorgfältigen Situationsanalyse. Im Blick auf letztere bietet die Parabel jedoch eine gewisse Hilfestellung: Sie lenkt die Aufmerksamkeit des Predigers brennpunktartig auf bestimmte Aspekte der homiletischen Situation. Ein solches Bündeln der Wahrnehmung aber ist sinnvoll und hilfreich, da der Prediger die homiletische Situation unmöglich in ihrer Ganzheit und Komplexität erfassen, geschweige denn in der Predigt verarbeiten kann. Was konkret mit dem Fokussieren der Aufmerksamkeit des Predigers auf bestimmte Aspekte der homiletischen Situation gemeint ist, sei an drei Beispielen verdeutlicht: 22 23 24

206

S.o. V. 3.a). W. Harnisch, Gleichniserzählungen, 153. Ebd.

Legt ein Prediger in der beschriebenen, durch reflektierte Unmittelbarkeit charakterisierten Weise die Parabel vom barmherzigen Samariter Lk 10,30-35 aus, so wird er nach historisch-kritischer Exegese und predigtgeschichtlicher Erinnerung bei der Bestimmung des hermeneutischen Standortes den am Wegrand liegenden (jüdischen) Überfallenen als Identifikationsfigur ausmachen: Aus seiner Perspektive gilt es, die erzählte Handlung emotional zu erschließen. Dabei wird der Prediger sorgfältig seine Reaktionen auf das Verhalten der verschiedenen Akteure registrieren und feststellen, daß er angesichts des Vorübergehens von Priester und Levit Hilflosigkeit und vielleicht Wut empfindet, während er die Zuwendung des Samariters als außergewöhnlich positive Überraschung erlebt. Im Nachdenken dieser Geschichte wird er nach dem Grund seiner Reaktion zu fragen haben und erkennen, daß das Verhalten der Personen in der Erzählung seinen Erwartungen und Vorurteilen nicht entsprochen hat. Er hatte Priester und Levit, die sich beide dem Doppelgebot der Liebe verpflichtet wußten, als Helfer ausersehen, während er von dem Samariter als dem Erzfeind nichts erwartet hatte. Der Gang der Handlung stellt sich im Gegensatz dazu auf der ganzen Linie als Ent-täuschung dar. An diesem Punkt wird der Prediger den Raum der Gleichniserzählung verlassen und ihrem Verweisungsbezug in seine alltägliche Existenz hinein folgen. Er wird sich grundsätzlich fragen: Wie gehe ich mit anderen Menschen um? In welcher Weise bestimmen meine Erwartungen und Vorurteile mein Verhalten zu ihnen? Habe ich mir ein Bild von anderen gemacht, auf das ich sie festlege? Bin ich noch offen fiirEnttäuschungen? Unter diesem Aspekt wird er dann auch die Situation seiner Hörer analysieren können. Die Parabel vom barmherzigen Samariter erweist sich folglich als Wahrnehmungshilfe, indem sie die homiletische Situation unter dem Gesichtspunkt des Vorurteils zu sehen anleitet. - In ähnlicher Weise wird auch die Parabel von den verlorenen Söhnen Lk 15,11 —32 zu einer Wahrnehmungshilfe im Blick auf die homiletische Situation: Im Vollzug der emotionalen Erschließung dieser Gleichniserzählung wird der Prediger sich zunächst auf die Person des Jüngeren konzentrieren und dessen Ergehen als unerwartete Freude erleben. Im zweiten Teil der Erzählung wird er aus der Perspektive des Älteren dessen Empörung über das Verhalten des Vaters mitempfinden. Die Geschichte bewirkt bei dem, der sie in der beschriebenen Weise auslegt, eine Desorientierung und weist zugleich in der Form der „decouvrierenden Anspielung" (Harnisch) auf deren Ursache: „Siehe, so viele Jahre diene ich dir und habe dein Gebot noch nie übertreten..." (v. 29). Hier wird der Prediger die geschlossene Konfiguration der Parabel verlassen und im Blick auf seine eigene Lebenswirklichkeit fragen: Inwiefern ist diese Haltung des älteren Sohnes auch für mich zu einer N o r m geworden ? Empfinde ich diese N o r m als bedrückend, oder erlebe ich sie als Hilfe ? Wie gehe ich mit Menschen um, die ein geregeltes Leben brauchen? Wie mit jenen, die solche Ordnung negativ als angepaßtes Wohlverhalten empfinden? Unter diesen Aspekten kann dann die homiletische Situation untersucht werden. - Schließlich sei auf die Gleichniserzählung von den zehn Jungfrauen Mt 25,1 — 12 hingewiesen : Der Ausleger, der die Parabel aus der Sicht der nicht ausreichend vorbereiteten Jungfrauen emotional erschließt, wird mit ihnen betroffen vor der verschlossenen Tür des Festsaales stehen und nach dem Grund der Bestürzung fragen. Er wird erkennen, daß er selbst wie die fünf Jungfrauen geglaubt hatte, das Verhalten des Bräutigams vorausberechnen zu können. Hier ist dann weiterzufragen: Inwiefern plane ich andere Menschen ein und nehme ihnen dadurch die Freiheit? Wo verfüge ich über andere Menschen? Unter diesem Aspekt kann dann nach der Situation der Predigthörer gefragt werden.

207

Die Beispiele zeigen, wie die Gleichniserzählungen insgesamt sich im Vollzug ihrer emotionalen Erschließung aus der Perspektive der Identifikationsfigur als Wahrnehmungshilfen für die homiletische Situation erweisen. Daß damit die Parabel nicht etwa wieder auf einen Begriff oder einen Lehrsatz reduziert wird, bedarf nach dem Gesagten keiner Erörterung mehr. bc) Zum Begriff der „homiletischen Situation" gehört aber nun unverzichtbar ein weiterer Aspekt, der bisher unberücksichtigt blieb. Dieser „hängt damit zusammen, daß Situationen in der ihres Namens werten Predigt nicht nur zur Kenntnis genommen werden. Die Predigt des Evangeliums verändert auch immer wieder Situationen, indem sie Menschen ermutigt, Neues sehen lehrt, über die christliche Lebenspraxis aufklärt und zur Vergewisserung im Glauben beiträgt"25. Es ist nun zu fragen, inwiefern die oben aufgestellte Behauptung zutrifft, daß die Gleichniserzählungen Jesu sich im Vollzug ihrer homiletischen Auslegung als Wahrnehmungshilfe für die genannten theologisch relevanten Zusammenhänge erweisen. In der neueren Geschichte der Parabelpredigt hat es immer wieder den Versuch gegeben, die jeweils zu predigende Gleichniserzählung Jesu eng mit explizit theologischen Aussagen zu verzahnen. Als exemplarisch für dieses Bemühen kann die „Parabelpredigt als Darlegung von Lehre und Bekenntnis" 26 angesehen werden, wie sie für den lutherischen Konfessionalismus des 19. Jahrhunderts kennzeichnend war. Untersucht man nun aber genauer das Verhältnis von „Lehre und Bekenntnis" auf der einen und der Gleichniserzählung auf der anderen Seite, so zeigt sich, daß die dogmatische oder ethische Aussage jeweils bereits vorausgesetzt wird und den hermeneutischen Schlüssel für die Parabel bildet. Mit anderen Worten: „Lehre und Bekenntnis" erweisen sich als Wahrnehmungshilfe für die Gleichniserzählung, die Gleichniserzählung ist Darstellungshilfe für „Lehre und Bekenntnis". Diese Methode, Parabel und theologische Aussage aufeinander zu beziehen, die mutatis mutandis auch im 20. Jahrhundert praktiziert wurde27, stellt eine Vereinnahmung der Gleichniserzählung durch Dogmatik oder Ethik dar und erlaubt keine neuen theologischen Erkenntnisse: Die Parabel hat dann nur die Funktion der Illustration. Im Gegensatz dazu erscheint das vorgeschlagene Modell homiletischer Auslegung von Gleichniserzählungen als geeignet, das Interesse an theologischer Wegweisung auf eine neue Art zu realisieren: Im Vollzug der emotionalen Erschließung einer Parabel wird der Prediger in die erzählte Handlung selbst verwickelt; dadurch wird er an bestimmte eigene Einstellungen und täglich praktizierte Verhaltensweisen 25 26 27

208

F. Wintzer, Aufgabe und Funktion, 111. S.o. 41 ff. S.o. 124ff.

erinnert und dazu angeleitet, die Situation seiner Hörer unter diesem Aspekt zu analysieren. Damit aber ist die Auslegung keineswegs abgeschlossen, denn im Verlauf des metaphorischen Prozesses wird der Prediger zugleich Momente entdecken, die eben diese Erfahrungen und Verhaltensweisen transzendieren („neue Geschichte"). Es eröffnet sich ihm eine neue Möglichkeit der Existenz, die jedoch nicht seine eigene ist und so - in ihrer Unverfügbarkeit - als von Gott gegebene Existenzmöglichkeit erfahrbar wird. - Das Gemeinte sei wiederum an Beispielen expliziert: Der Prediger, der im Vollzug der personorientierten und emotionalen Aneignung der Parabel Lk 10,30—35 aus der Perspektive des Überfallenen erkannt hat, wo er selbst möglicherweise Menschen durch seine Erwartungen und Vorurteile festlegt, erlebt in dem Handeln des Samariters das Handeln grundloser und alle Grenzen, Erwartungen und Vorurteile übersteigender Liebe. Da diese Liebe für ihn in der Rolle des Überfallenen jedoch unverfügbar bleibt, kann er sie als die Liebe Gottes deuten. Damit aber ist ein doppeltes geleistet: Zum einen erfolgt hier eine Vergewisserung in dem Glauben, der die Liebe Gottes auch und gerade in der als widersprüchlich erfahrenen Welt am Werk sieht. Zum anderen eröffnen sich Perspektiven für eine Lebenspraxis, die diese grenzüberschreitende Liebe Gottes auch für andere Menschen gelten läßt und daher um den Abbau von Vorurteilen und Festlegungen bemüht ist. - In ähnlicher Weise wird die Zuwendung Gottes im Vollzug der emotionalen Erschließung von Lk 15,11 —32 erfahrbar. Der Ausleger, der an sich selbst erkannt hat, wie ambivalent ein geregeltes Leben mit festgefügten Normen erlebt werden kann, wird das Verhalten des Vaters, seine Liebe zu beiden Söhnen ungeachtet ihrer verschiedenen Lebensweise, als Befreiung erfahren. Da er diese Befreiung aber nicht selbst machen und planen kann, sondern sie extra seipsum geschieht, kann er sie als das Handeln Gottes verstehen. Auch hier erfolgt eine Vergewisserung in dem Glauben, der auf Gottes rechtfertigendes Handeln, das die Person nicht ansieht, vertraut; zugleich wird als Konsequenz eine Lebenspraxis sichtbar, die bei anderen Menschen unterschiedliche Lebensentwürfe zu tolerieren imstande ist. - Zu anderen theologischen Wahrnehmungen wird der Prediger gelangen, wenn er die dramatische Bewegung der Parabel von den zehn Jungfrauen Mt 25,1 — 12 aus der Perspektive der Unvorbereiteten nachvollzieht und erkennt, inwiefern er selbst das Verhalten anderer Menschen berechnet und über sie verfügt. Er wird die gnadenlose Zurückweisung durch den Bräutigam als Gericht erleben und kann dieses in seiner Unverfügbarkeit als das Gericht Gottes deuten. Daß der Ausleger das göttliche Gericht über sein Leben erfährt, geschieht im Zuge der erlebensbezogenen Erschließung jener Parabeln, deren Handlungsbewegung abwärts gerichtet ist, deren Protagonist in der Katastrophe endet. Für das gesamte Korpus der Gleichniserzählungen Jesu ist also zu urteilen, daß hier Hilfen geboten werden zur Wahrnehmung des gnädigen undàts zornigen, des liebenden und des strafenden, des verborgenen und des offenbaren Gottes. Aus diesen Überlegungen ergibt sich, daß systematische Theologie hier für 209

die Predigtvorbereitung in einer anderen als der weithin üblichen Weise verwendet wird: Während viele neuere Predigthilfen der systematischen Theologie eine produktive Funktion bei der Predigtarbeit zuweisen, oft sogar an Stelle einer direkten Auseinandersetzung mit dem Text, wird hier Wert darauf gelegt, theologisch relevante Zusammenhänge zunächst in einer reflektierten Unmittelbarkeit existentiell zu erfahren. Diese Form der Wahrnehmung entbindet den Prediger freilich nicht von der Pflicht, das Wahrgenommene auch unter Zuhilfenahme des Instrumentariums systematischtheologischer Wissenschaft zu reflektieren und auf seine theologische Vertretbarkeit hin zu überprüfen. Als Kontrollinstanz haben Dogmatik und Ethik ihre bleibende Funktion innerhalb der homiletischen Auslegung von Gleichniserzählungen Jesu 28 . In systematisch-theologischer Hinsicht hat das vorgelegte Modell homiletischer Auslegung von Gleichniserzählungen seinen Vorzug darin, daß es einen in der neueren Geschichte der Parabelpredigt beobachteten Antagonismus, nämlich die Alternative von theologischer und anthropologischer Auslegung der Parabeln überwinden hilft. So gibt es sowohl im 19. wie im 20. Jahrhundert zahlreiche Predigten, die zwar die menschliche „Grundsituation" 29 vor Gott allenthalben ausführlich beschreiben, die konkrete Zeitsituation jedoch kaum oder gar nicht explizit bedenken30, während auf der anderen Seite auch vielfach so gepredigt wurde, daß primär die anthropologischen Implikationen der Gleichniserzählungen zur Geltung gebracht wurden und man nach ihrer theologischen Bedeutung kaum fragte31. Nur eine geringe Anzahl von Predigten ist so konzipiert, daß sie beide Aspekte in gleicher Weise berücksichtigt32. Die hier beschriebene Weise homiletischer Auslegung läßt Theologie und Anthropologie in einem spannungsreichen Prozeß aufgehoben sein, indem theologisch relevante Zusammenhänge unmittelbar in ihrer Bedeutung für die menschliche Existenz erfahren werden. Im vorliegenden Zusammenhang ist schließlich noch ein weiteres theologisches Problemfeld näher zu betrachten, weil dort in der neueren Geschichte der Parabelpredigt zum Teil sehr unterschiedliche Wege gegangen wurden: die Cbristologie. Die Predigt von Gleichniserzählungen Jesu hat immer vor der Frage gestanden, wie sie von Jesus Christus als dem Erzähler dieser 2 8 Zur Bedeutung systematisch-theologischer Reflexion für die Predigtarbeit vgl. H . Schröer, Die Bedeutung der Dogmatik für die Predigtvorbereitung. In : P T h 5 3 , 1 9 6 4 , 4 2 7 — 4 4 2 ; M. Josuttis, Gesetzlichkeit in der Predigt der Gegenwart, München 1966; E. Lerle, Grundriß, 45. H . - M . Barth, Vom Nutzen der Dogmatik bei der Predigtvorbereitung. In: P T h 7 7 / 1 9 8 8 , 5 3 8 - 5 4 8 . 29

S.o. 46, Anm. 8.

30

S . o . 4 1 ff., 124ff. S.o. 22 ff., 131 ff.

31 32

210

S.o. 136ff.

Geschichten und zugleich als dem zum Heil der Welt gekreuzigten und auferweckten Herrn reden sollte. De facto wurde das Problem jedoch meist im Sinne einer ausschließlichen Konzentration auf einen der beiden Aspekte gelöst: Entweder wurde - nicht selten mit Hilfe einer allegorischen Auslegung der Parabel - der soteriologische Aspekt akzentuiert, oder aber Jesus wurde primär als Lehrer wahrgenommen, der das Kreuz als Konsequenz seiner provokatorischen Verkündigung zu erleiden hatte. Auch hier gibt es nur einige Predigten, die die beiden christologischen Grundaspekte aufeinander beziehen33. Die bezeichnete Alternative erscheint im Prozeß der reflektiert-unmittelbaren homiletischen Auslegung von Gleichniserzählungen als überwunden: Auf der einen Seite kann der Prediger ernstnehmen, daß die Parabeln von dem irdischen Jesus erzählt wurden und als solche eben nicht die Heilstat Gottes in Christus unmittelbar thematisieren, auf der anderen Seite wird er in der Gleichniserzählung, besser: in der seine Alltagserfahrungen transzendierenden „neuen Geschichte" eine Hilfe zur Wahrnehmung des Christusgeschehens, das zu verkündigen ihm aufgetragen ist, erkennen (indirekte Christologie)34. Näherhin ist der Bezug zum Kerygma von der Heilstat Gottes in Jesus Christus darin zu sehen, daß in Kreuz und Auferweckung Christi Gottes Zorn und Gottes Liebe, wie sie in den Parabeln erfahrbar werden, sich gleichsam verdichten und an Jesus Christus der Menschheit zugute wirksam werden. Die Gleichniserzählungen Jesu erfahren dort ihre Besiegelung und Beglaubigung, ohne jedoch deshalb selbst überflüssig zu werden. Die Hermeneutik der Gleichniserzählungen Jesu hat also deutliche Berührungspunkte zu der Hermeneutik alttestamentlicher Texte, und die hier vorgeschlagene Lösung entspricht dem Modell der typologischen Auslegung. Damit ist freilich keineswegs schon darüber entschieden, ob und wie Kreuz und Auferweckung Jesu Christi dann in der einzelnen Parabelpredigt explizit zu thematisieren sind.

2. Perspektiven

der Gestaltung von

Parabelpredigten

Im Vollzug der homiletischen Auslegung von Gleichniserzählungen erweisen sich letztere mithin in mehrfacher Hinsicht als Wahrnehmungshilfen. Sie lassen den Prediger sowohl die eigene Person, als auch die homiletische Situation sowie das die Situation verändernde Kerygma schärfer wahrnehmen. Darin zeigt sich die seelsorgerliche Eigenart der Parabeln Jesu: Sie 33

S . o . 147ff.

34

Zur „indirekten Christologie" der Parabeln vgl. K . F r o r , Hermeneutik, 2 9 4 ; W . S c h ü t z ,

Probleme, 92.

211

stellen eine nicht-direktive Form der Kommunikation dar, ohne jedoch ihre Adressaten allein zu lassen. Sie lösen einen emotionalen und kognitiven Prozeß im Hörer aus, ohne ihm die Durchführung des Prozesses zu ersparen oder ihm gar die daraus resultierende Entscheidung abzunehmen. Sie eröffnen Perspektiven einer neuen Existenzweise, ohne Lösungen aufzwingen zu wollen. Diese seelsorgerliche Eigenart der Gleichniserzählungen Jesu sollte in der Parabelpredigt nicht verspielt werden, zumal mit ihr zugleich auch eine missionarische Möglichkeit gegeben ist: Die Parabeln stellen eine Form indirekter Verkündigung dar, die auch Fernstehende zum Gespräch über den Glauben einzuladen vermag. Aus dem Gesagten ergeben sich unmittelbare Konsequenzen für die Gestaltung von Parabelpredigten: Eine Predigt, die den seelsorgerlichen und missionarischen Charakter der ihr zu Grunde liegenden Gleichniserzählung nutzen und selbst seelsorgerlich und missionarisch wirken will, wird auf die Korrespondenz der Sprechakte zu achten haben. H. W. Dannowski hat durch verschiedene Untersuchungen auf die Dominanz des Sprechaktes der Behauptung in zeitgenössischen Predigten aufmerksam gemacht35, eine Beobachtung, die sich unschwer auch innerhalb der neueren Geschichte der Parabelpredigt verifizieren läßt. Der Sprechakt der Behauptung aber korrespondiert ebensowenig wie etwa der Sprechakt der Ermahnung36 der sprachlichen Eigenart der Parabel, die sich als metaphorische Erzählung begreifen läßt, mehr noch: Eine Parabelpredigt, die primär behauptet oder ermahnt verschließt geradezu die der Parabel eigene Offenheit und verhindert den von ihr intendierten Dialog mit den Hörern. - Verspielt werden kann die Offenheit und mit ihr die seelsorgerlich-missionarische Potenz einer Gleichniserzählung ferner durch die Anwendung verschiedener, in der Predigtgeschichte zum Teil realisierter Dispositionsschemata: Das gilt zum einen für ein homiletisches Verfahren, das die Parabel unter theologischen oder anthropologischen Gesichtspunkten thematisch segmentiert und diese Partition zum Aufbauprinzip der Predigt macht. Zum andern kann die Offenheit der Parabel nicht zur Geltung gebracht werden, wo in der Predigt ein als tertium comparationis aus der Gleichniserzählung herausgefiltertes Thema nacheinander unter verschiedenen Aspekten abgehandelt wird. Auch das lernpsychologische Aufbauschema, wie es von H. Arens vorgeschlagen wird37, erscheint als ungeeignet für die Predigt von Gleichniserzählungen Jesu, da es den Predigttext nach den Phasen „Motivation", „Problemabgrenzung" sowie „Versuch und Irrtum" unter dem Aspekt des „Lösungsangebotes" ein35 36 37

212

S.o. 187, Anm.61. S.o. 61 ff. Vgl. H. Arens, Lernprozeß, 125 ff.

bringt, dem dann noch die „Lösungsverstärkung" folgt. Indem die Parabel so nur als Antwort auf ein gestelltes Problem wahrgenommen wird, büßt sie ihre Sprachkraft und damit ihre Möglichkeit, Neues zu sagen, ein. Die Abgrenzung gegen bestimmte Formen der Gestaltung von Parabelpredigten läßt bereits erkennen, daß die seelsorgerliche und missionarische Wirkung der Gleichniserzählungen Jesu offenbar nur dann angemessen zur Geltung gebracht werden kann, wenn die Form der Parabel auch für die Form der Predigt mit konstitutiv ist. Diese Einsicht läßt sich - das wurde bereits zu Beginn des vorigen Kapitels ausgeführt - auch noch auf andere Weise begründen38: Wenn für die Gleichniserzählung Jesu und zugleich für die Gemeindepredigt gilt, daß Form und Inhalt jeweils untrennbar miteinander verbunden sind, dann bedeutet das für die Parabelpredigt: Sie ist nicht nur durch den Inhalt, sondern zugleich durch die Form der Parabel mitkonstituiert, und sie ist dies nach Inhalt und Form. Es ist nun zu erörtern, was diese Erkenntnis für die Gestaltung von Parabelpredigten konkret bedeutet. Um Mißverständnisse auszuschließen, bedarf es zunächst einer negativen Feststellung: Das Postulat, die Predigt einer Gleichniserzählung Jesu sei im Anschluß an die Form der zu predigenden Parabel zu gestalten, zielt nicht auf eine Uniformität der Parabelpredigt. Eine solche kann nicht ernsthaft gewünscht oder gar gefordert werden39. Orientierung an der Form der Parabel bedeutet nicht die einfache Transformation der Struktur der Gleichniserzählung in homiletische Struktur40. Im Gegenteil: Während die neuere Geschichte der Parabelpredigt deutlich zeigt, daß bestimmte homiletische Zielsetzungen und hermeneutische Zugänge zur Parabel oft sehr ähnliche Predigtformen hervorbringen41, eröffnet das Verständnis der Parabeln als metaphorische Erzählungen sehr unterschiedliche homiletische Gestaltungsmöglichkeiten, von denen drei im folgenden kurz skizziert werden sollen. Eine alte, in der Parabelpredigt des 19. und 20. Jahrhunderts jedoch ausgesprochen selten praktizierte Predigtform ist die Homilie, die in der gegenwärtigen Predigtlehre unterschiedlich beurteilt wird. So befürchtet W. Schütz, die Homilie verführe „zur bloßen Aneinanderreihung von einzelnen Beobachtungen und Anwendungen, ohne daß alles wirklich gebündelt würde"42, während R. Bohren ein „kleines Lob der Homilie" singt und sie 38

S.o. V.l.

Vgl. J. Rothermundt, Der Heilige Geist und die Rhetorik. Theologische Grundlinien einer empirischen Homiletik, Gütersloh 1 9 8 4 , 4 3 ff. 39

4 0 Vereinheitlichungstendenzen ergeben sich vor allem im Anschluß an jene Ansätze, die die Parabelpredigt ausschließlich von der Hermeneutik der Gleichnisrede her beschreiben. S.o. 152 ff. 41 42

S.o. bes. 41 ff. W.Schütz,Probleme,210.

213

unter Berufung auf Bonhoeffer als „eine, wenn nicht die Grundform der Textpredigt"43 versteht. Ungeachtet dieser generellen Beurteilungen der versweisen Auslegung des Textes in der Predigt ist zu fragen, in welcher Hinsicht die Homilie sich als Form der Parabelpredigt anbietet und wo ihre Grenzen liegen. - Zunächst ist festzuhalten, daß eine Homilie den Predigthörern das dramatische Gefalle der Gleichniserzählung unmittelbar vor Augen führt; sie bindet Prediger und Hörer an die irreversible Reihenfolge der Einzelaussagen der Parabel, die wiederum für die Auslösung des metaphorischen Prozesses konstitutiv ist. Entscheidend ist freilich, in welcher Weise eine solche Homilie durchgeführt wird. Nach allem, was bisher zur Parabelpredigt gesagt wurde, erscheint es als gänzlich unangemessen, nacheinander einzelne Verse oder Halbverse der Gleichniserzählung zu zitieren und unmittelbar auf die Predigthörer und ihre Situation „anzuwenden". Damit wäre die erzählerische Konfiguration zerstört, die Parabel wäre um ihre Sprachkraft und die Hörer um die Möglichkeit gebracht, im metaphorischen Prozeß Vergewisserung im Glauben und Handlungsorientierung zu erfahren. Eine Parabelpredigt kann als Homilie darum nur so gestaltet werden, daß die Einzelaussagen in ihrer Bezogenheit aufeinander, also textimmanent, ausgelegt werden. Die Form der Homilie ist dann eine Hilfe für die Hörer, die Parabel als ästhetisches Objekt neu wahrzunehmen; zugleich respektiert sie, indem sie auf Anwendungen verzichtet, die Offenheit der Gleichniserzählung und bringt so deren seelsorgerlich-missionarische Qualität zur Geltung. Es ist freilich zu fragen, ob die vertiefende Wiederholung der Gleichniserzählung allein bei ihren Hörern schon den metaphorischen Prozeß in Gang bringen und also eine Öffnung für den Verweisungsbezug der Parabel bewirken kann. Dies ist angesichts der festen Verwurzelung bestimmter Deutungsmuster in der Frömmigkeit der Predigthörer („gemeindliche Hermeneutik") eher zu bezweifeln, so daß der Verweisungsbezug der Parabel im Anschluß an die Homilie explizit thematisiert werden müßte. An dieser Stelle ist jedoch äußerste Behutsamkeit geboten : Der Prediger hat darauf zu achten, daß er die Offenheit der Parabel nun nicht doch durch eine verobjektivierende „Anwendung" verschließt. Eine zweite Möglichkeit, die Form der Parabel bei der Gestaltung der Parabelpredigt zu berücksichtigen, ist die Ausarbeitung der ganzen Predigt als Erzählung bzw. die Verwendung narrativer Elemente44. Hier wird die 43

R. Bohren, Predigtlehre, 122.

Zum Problem narrativer Theologie und Predigt vgl. bes: H . Weinrich, Narrative Theologie. In: C o n c 9, 1973, 3 2 9 - 3 3 4 ; J . B . Metz, Kleine Apologie des Erzählens. In: C o n c . 9 , 1 9 7 3 , 334—341 ; H . Schröer, Das Problem der Vermittlung von Tradition und religiöser Erfahrung im Erzählvorgang. In: E v T h 38, 1978, 1 1 3 - 1 2 5 ; H . Nitschke (Hrsg.), Erzählende Predigten Bd. 1, 44

214

Kommunikationsform der Gleichniserzählung unmittelbar von der Predigt übernommen; gelingt die Erzählung, dann greift die Predigt ebenso wie die zu Grunde liegende Parabel nach ihren Hörern und verwickelt sie in das erzählte Geschehen. In diesem Zusammenhang sind allerdings verschiedene Präzisierungen vorzunehmen. So ist zunächst grundsätzlich zu unterscheiden zwischen der Nacherzählung der Parabel auf der einen und der Fortsetz»ragserzählung auf der anderen Seite. - Die Nacherzählung kann in der Form der Homilie erfolgen und partizipiert dann an deren Chancen und Grenzen, wie sie oben beschrieben sind. Ihr besonderer Vorzug liegt darin, daß sie den Predigthörern den emotionalen Nachvollzug der in der Parabel gebotenen Handlung ermöglicht. Soll eine solche Nacherzählung jedoch nicht nur als captatio benevolentiae im Einstiegsteil der Predigt fungieren, sondern die Zielrichtung der Parabel konsequent zur Geltung bringen, so ist unbedingt darauf zu achten, daß die in der Gleichniserzählung vorgegebene Perspektive eingehalten wird: Die Parabel Lk 10,30-35 etwa ist dann aus dem Blickwinkel des Überfallenen, Mt 20,1 — 15 aus dem der Ganztagsarbeiter nachzuerzählen. Ein „Spiel mit der Rolle", also ein Nachvollziehen der Gleichniserzählung aus unterschiedlichen Perspektiven, wie es von H. Arens u.a. beschrieben wird45, ist der Anlage der Parabeln nicht angemessen. Dasselbe gilt für die Fortsetzungserzählung: Der Prediger, der sich entschließt, eine Parabel fortzuführen, wird sich gleichsam an die Fersen des Protagonisten heften und sein Denken, Fühlen und Ergehen narrativ darstellen. So wäre es etwa denkbar, einen der Ganztagsarbeiter aus der Parabel von den Arbeitern im Weinberg auf dem Heimweg zu begleiten und seine Gedanken zu erzählen oder aber ihn am Abend desselben Tages einen Dialog mit der Ehefrau oder mit Freunden führen zu lassen46. Dieses Verfahren hat gegenüber der einfachen Nacherzählung den Vorzug, daß der durch die Parabel eröffnete metaphorische Prozeß ein Stück weit ins Bild gesetzt wird und die Predigthörer so in die Lage versetzt werden, diesen Prozeß für sich weiterzuführen. Die Grenze der Nach- wie der Fortsetzungserzählung liegt darin, daß die Möglichkeit der Aktualisierung begrenzt ist. Zwar findet sich in Predigthilfen mitunter der Vorschlag, eine Parabel aktualisierend zu erzählen, doch geschieht dies in der Regel nur durch den Austausch von Begriffen: So wird aus dem Samariter Lk 10,30—35 ein „Kommunist" 47 , aus Priester und

Gütersloh 1976, Bd. 2, Gütersloh 1981; W. N e i d h a r t / H . Eggenberger (Hrsg.), Erzählbuch zur Bibel. Theorie und Beispiele, Zürich/Einsiedeln/Köln 1975, bes. 104 ff. 45

Vgl. H . Arens u. a., Kreativität, 120.

Vgl. die Predigt von W . M o t t e zu Mt 20,1 — 16a, die allerdings einen der „Kurzarbeiter" erzählen läßt. 46

47

Vgl. M . Barth, 236.

215

Levit werden Vertreter der Kirche usw. Daß durch solche begrifflichen Manipulationen die aktuelle Relevanz der Parabel bereits hinreichend zur Geltung gebracht wäre, muß jedoch bezweifelt werden. Eine dritte Möglichkeit, Predigten von Gleichniserzählungen zu gestalten, ist innerhalb der neuesten Geschichte der Parabelpredigt verschiedentlich realisiert worden48. Sie läßt sich begreifen als eine Darstellung des metaphorischen Prozesses. Ausgehend von der Gleichniserzählung als ganzer setzt die Predigt mit der Provokation durch die Parabel und den dadurch ausgelösten Gefühlen ein und bearbeitet diese Emotionen im Spannungsfeld von homiletischer Situation und Gleichniserzählung. Der Gedankengang der Predigt schreitet dann nicht linear fort, sondern präsentiert sich als eine Pendelbewegung zwischen den beiden Polen, mit anderen Worten: Die kommunikative Struktur der Gleichniserzählung manifestiert sich im Aufbau der Predigt. Die Vorzüge dieses Verfahrens sind unbestreitbar: So ist hier der Prediger eher genötigt, sehr persönlich zu predigen und Einblick zu gewähren in den Prozeß seiner homiletischen Auslegung der Parabel. Ferner sind gegenüber der narrativen Parabelpredigt sehr viel konkretere Bezüge auf die homiletische Situation möglich, so daß die Hörer in ihrer Lebenspraxis unmittelbar angesprochen werden können. Schließlich und drittens können bei dieser Predigtweise auch die theologisch relevanten Zusammenhänge direkt und damit eindeutig zur Sprache gebracht werden. Die Grenze dieses Umgangs mit der Gleichniserzählung in der Predigt liegt in der Versuchung, den Predigthörern den metaphorischen Prozeß abzunehmen und ihn an ihrer Stelle zu vollziehen. Der Prediger wird darum besonders darauf achten müssen, daß er die Offenheit der Parabel auch homiletisch respektiert und keine fertigen Antworten gibt, die seine Hörer nur noch zur Kenntnis zu nehmen hätten. Mit der skizzenhaften Beschreibung dreier Gestaltungsformen von Parabelpredigten sollten Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie die besondere Form der Gleichniserzählung in der Predigt berücksichtigt werden kann. Jeder Prediger wird nach Maßgabe der homiletischen Situation, in die hinein er den Text auslegt, und nach Maßgabe der eigenen Gaben und Fähigkeiten auswählen oder verschiedene Elemente miteinander kombinieren, in jedem Fall aber eigene Schwerpunkte setzen.

48

216

S.o. 136ff.

VII. Ertrag

Der in Umrissen skizzierten Theorie der Parabelpredigt liegt die Einsicht zugrunde, daß die als metaphorische Erzählungen verstandenen Parabeln strukturelle Analogien zu der als Ermutigung zum Dialog begriffenen Gemeindepredigt aufweisen. Ziel war es, zu zeigen, daß diese Analogien für die Predigt von Gleichniserzählungen fruchtbar gemacht werden können. Der beschriebene Ansatz hat sich in mehrfacher Hinsicht bewährt. 1. Die vorgeschlagene Theorie verwendet die Geschichte der Parabelpredigt nicht als negative Folie, auf deren Hintergrund sie eine vermeintlich „richtigere" Predigtweise deutlich profilieren könnte, sondern sie integriert verschiedene in der Predigtgeschichte dokumentierte Ansätze. Dies gilt von dem Willen zur Kommunikation, wie er die Aufklärungspredigt in besonderer Weise auszeichnete, von der emotionalen Beanspruchung der Predigthörer, auf die die „Parabelpredigt als Aufruf zu persönlicher Frömmigkeit" zielte, aber auch von dem Interesse an theologischer Wegweisung, das die konfessionell-lutherische Parabelpredigt des 19. Jahrhunderts beherrschte. Ferner konnte mit dem Moment der Identifikation mit einzelnen Akteuren der Gleichniserzählung ein Grundzug der „Parabelpredigt als Beschreibung christlicher Einstellung im Spannungsfeld von Glauben und Handeln" aufgenommen werden, und es war möglich, das die neueste Parabelpredigt in besondere Weise charakterisierende Spannungsfeld zwischen Theologie und Anthropologie offen zu halten. 2. Diese Integrationskraft des vorgelegten Ansatzes beruht aber nun nicht auf einer abstrahierenden Zusammenstellung von in der Predigtgeschichte gefundenen Einzelelementen, sondern auf der Wahrnehmung der Parabel als metaphorischer Erzählung. Damit ist es gelungen, auch die Hermeneutik der Gleichniserzählungen Jesu organisch in die Theorie der Parabelpredigt einzubinden. In ihrer kritischen Funktion ermöglicht es die Hermeneutik, die Gleichniserzählungen in ihrer Eigenaussage zur Geltung zu bringen, ohne daß sie durch Zeitströmungen und -interessen oder durch Lieblingsideen des Predigers vereinnahmt werden. 3. Anders jedoch als in vielen bereits existierenden Ansätzen zu einer Theorie der Parabelpredigt wird hier ein bestimmtes hermeneutisches Modell nicht allein deshalb favorisiert, weil es den Gleichniserzählungen besonders angemessen ist, sondern weil es sich zugleich als homiletische Orientierungshilfe erweist. Es konnte gezeigt werden, daß die Parabelpredigt dort, wo sie sich an die Wirkweise der (als metaphorische Erzählung verstandenen) 217

Parabel anlehnt, eine Vielfalt von berechtigten Desideraten gegenwärtiger Predigtlehre realisieren kann. 4. Innerhalb dieses Spannungsfeldes von Predigtgeschichte, Hermeneutik und Homiletik ist es mit dem vorgestellten Ansatz möglich, die spezifische Aufgabe der Predigt von Gleichniserzählungen Jesu - die dreifache Provokation der Predigthörer-einer Lösung zuzuführen : Wo die Parabelpredigt ihre Hörer in das erzählte Geschehen neu verwickelt, besteht die Chance, daß die Adressaten aus ihrer durch Predigt und Unterricht tradierten und in der Frömmigkeit verwurzelten „gemeindlichen Hermeneutik" gelöst und für neue Erfahrungen und Erkenntnisse mit den Gleichniserzählungen Jesu geöffnet werden. Wo die Parabelpredigt sich auf den durch die Parabel eröffneten metaphorischen Prozeß einläßt, kann sie den Hörern helfen, ihre Lebenswirklichkeit sub specie Dei neu zu begreifen und zu verändern. Darin ist die Parabelpredigt zugleich Pro-vokation zum Dialog zwischen Prediger und Hörern sowie zum Dialog der Hörer untereinander. 5. Die an Form und Wirkweise der Parabel orientierte Predigt kann die seelsorgerliche und missionarische Qualität der Gleichniserzählung zur Geltung bringen und so selbst seelsorgerlich und missionarisch wirken: Im Prozeß der homiletischen Auslegung ist der Prediger genötigt, die distanzierte Haltung aufzugeben und die eigene Person und Biographie in seine Predigtarbeit einzubringen, so daß die Parabelpredigt mittelbar oder unmittelbar eine in besonderer Weise persönliche Predigt sein wird. Zugleich kann die Parabelpredigt, die der Bewegung der Gleichniserzählung folgt, ihre Hörer beteiligen, ohne sie zu vereinnahmen. Sie kann mit Hilfe der Parabel die homiletische Situation in besonderer Schärfe wahrnehmen und so ihren Hörern das Gefühl geben, verstanden zu sein. Sie kann Perspektiven einer veränderten Lebenspraxis eröffnen, ohne diese als verbindlich aufzunötigen. Alle diese Momente kennzeichnen auch das nicht-direktive, aber dem Menschen zugewandte seelsorgerliche Gespräch. Zugleich kann die Parabelpredigt, sofern sie die Gleichniserzählung als Metapher ernstnimmt, diese Lebenshilfe als Glaubenshilfe verständlich machen. Geschieht dies in der Manier der Gleichniserzählungen auf indirekte Weise, so lädt die Parabelpredigt auch Fernstehende zu einem Gespräch über den christlichen Glauben ein. 6. Ein letztes Ergebnis schließlich betrifft die Gestaltung von Parabelpredigten: Wenn postuliert wurde, daß die Parabel in ihrer Einheit von Form und Inhalt den Inhalt und die Form auch der Predigt zu bestimmen hat, so bedeutet dies - das haben die Ausführungen gezeigt - keineswegs eine Uniformierung der Parabelpredigt. Die Offenheit der Gleichniserzählungen Jesu läßt es vielmehr zu, daß der Prediger nach Maßgabe der homiletischen Situation und der persönlichen Kompetenz seine Predigt auf sehr individuel218

le Weise gestaltet. Abzulehnen sind nur solche Dispositionsschemata, die eben jene Offenheit mit Hilfe einer Argumentation, Belehrung oder Ermahnung verschließen. Bei der Darstellung der Predigtgeschichte zweier Gleichniserzählungen von der Aufklärung bis zur Gegenwart wurde immer wieder deutlich, daß eine von der Predigt anderer biblischer Texte streng unterschiedene Gattung der „Parabelpredigt" historisch nicht zu verifizieren ist. Die vorgelegte Theorie der Predigt von Gleichniserzählungen Jesu zielt nun nicht auf das Postulat einer solchen genuinen Gattung, sondern sie versucht im Gegenteil, die exemplarische Bedeutung der Parabelpredigt für die christliche Predigt überhaupt herauszuarbeiten. Wenn die als metaphorische Erzählung verstandene Parabel eine deutliche Strukturanalogie zu der als Ermutigung zum Dialog begriffenen Gemeindepredigt aufweist und wenn die Parabelpredigt sich nach Form und Inhalt an Inhalt und Form der Gleichniserzählung orientiert, dann bedeutet das : Die Parabelpredigt nimmt die Aufgabe christlicher Predigt beispielhaft wahr und repräsentiert ihre Merkmale in verdichteter Form. Darin besteht ihre Besonderheit. Die theoretische Erörterung der Predigt von Gleichniserzählungen hätte folglich ihr Ziel dann erreicht, wenn die in ihrem Zusammenhang entwickelten homiletischen und hermeneutischen Perspektiven auch zu einer Hilfe für die Predigtarbeit an anderen biblischen Texten würden.

219

Literaturverzeichnis I. Quellen Ahlfeld, Friedrich: Predigt zu Lk 10,23—37. In: Predigten über die evangelischen Perikopen, Halle 4. Aufl. 1854, 509-518 - Predigt zu Mt 20,1-16. In: A.a.O. 140-149 Ahne, Lothar, Predigt zu Mt 20,1-16. In: H.Nitschke (Hrsg.), Worte am Sonntag heute gesagt. Predigten der Gegenwart I. Perikopenreihe Bd. 1, Gütersloh 1972, 111-114 Albertz, Heinrich: Predigt zu Mt 20,1-16. In: Diesseits von Eden, Stuttgart 1979, 33-38 Ammon, Christoph Friedrich: Predigt zu Lk 10,23—37. In: Predigten in der Hof- und Sophienkirche zu Dresden über die Evangelien gehalten Bd. 2, 2. Abt., Nürnberg 1815, 559-582 Arens, Heribert u.a. (Hrsg.): Die Predigt vom menschenfreundlichen Gott. Gebote und Leid als Prüfsteine der Verkündigung, München 1980, 51—55 Asmussen, Hans: Predigt zu Mt 20,1 — 16. In: Gelegen oder ungelegen. Predigten, Stuttgart 1947, 51-54 Bannach, Horst: Predigt zu Lk 10,25-37. In: H. Zähmt (Hrsg.), Postille 53, Hamburg 1953,184-187 Barth, Karl: Predigt zu Mt 19,27—20,16. In: Die große Barmherzigkeit, München 1935,95-105 Barth, Karl/Thurneysen, Eduard: Suchet Gott, so werden ihr leben! Bern 1917 - Komm, Schöpfer Geist, München 1924 - Die große Barmherzigkeit, München 1935 Bartsch, Hans-Werner: Predigt zu Mt 20,1 —15. In: Die Anrede Gottes. Das biblische Wort dem modernen Menschen dargeboten, Hamburg 1958,47—51 Beyschlag, Willibald: Predigt zu Lk 10,23—37. In: Academische Predigten, Berlin O.J., 44-54 Bezzel, Hermann: Predigt zu Mt 20,1 — 16. In: Auf ewigem Grunde. Ein Jahrgang Predigten über die alten Evangelien, Konstanz 1914,173—183 - Predigt zu Lk 10,25-37. In: A.a.O. 517-528 Bitzius, Albert: Predigt zu Mt 20,1 —15. In: Für Leben und Tod. Predigten Bd. 4, Bern 2. Aufl. 1897,258-265 Bodelschwingh, Friedrich v.: Predigt zu Lk 10,25—37. In: Zeichen der Hoffnung. Predigten 1966-1968, Bethel 1968, 86-93 Bösinger, Rudolf: Predigt zu Lk 10,25—37. In: Um die Mitte des Jahrhunderts gepredigt. Eine Predigtreihe für alle Sonn- und Festtage des Jahres über die Texte der altkirchlichen Evangelien, Lahr 1960,266—270 - Predigt zu Mt 20,1 - 1 5 . In: A.a.O. 94-98 220

Bornkamm, Heinrich: Predigt zu Mt 20,1-16- In: Das Zeugnis der Kirche in der Gegenwart. Ein Jahrgang Predigten, Nürnberg 3. Aufl. 1952,436-441 Braselmann, Wolfram: Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 6 . In: H . G . Geyer u.a. (Hrsg.), „Wenn nicht jetzt, wann dann?" FS H.-J. Kraus zum 65. Geburtstag, Neukirchen 1983,493-496 Bretschneider, Karl Gottlieb: Predigt zu Mt 20,15. In: Worte der Heiligen Schrift zum Unterricht und zur Erbauung erklärt in Predigten an Sonn- und Festtagen, Leipzig 1823, 5 5 - 7 0 Brosseder, Hubert: Predigt zu Lk 10,30—35. In: O . F u c h s (Hrsg.), Von Gott predigen, Gütersloh 1984, 1 2 8 - 1 3 0 Brunner, Emil: Predigt zu Lk 10,25—37. In: Saat und Frucht. Zehn Predigten über die Gleichnisse Jesu, Zürich 1946, 73—86 Bultmann, Rudolf: Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 5 . In: Marburger Predigten, Tübingen 1956,159-168 Christiansen, Rolf: Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 5 a . In: H.Nitschke (Hrsg.), Jesus heute gesagt. Predigten der Gegenwart, Gütersloh 1 9 7 2 , 1 0 5 - 1 0 9 Diem, Hermann (Hrsg.): Warum Textpredigt? Predigten und Kritiken als Beitrag zur Lehre von der Predigt, München 1939 Dörries, Bernhard: Predigt zu Mt 19,27—20,16. In: Das Evangelium der Armen. Ein Jahrgang Predigten, Göttingen 1896,110-119 Dräseke, Johann Heinrich Bernhard: Predigt zu Mt 19,27—20,16. In: Predigten für denkende Verehrer Jesu Bd. 1, Lüneburg 1836,122—139 - Predigt zu Lk 10,23-37. In: Predigten für denkende Verehrer Jesu Bd. 2, Lüneburg 1836, 2 4 9 - 2 6 3 Dürst, Fritz: Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 6 . In: Aus seiner Fülle. Predigten, Zürich 1960, 40-47. - Predigt zu Lk 10,25-37. In: Basler Predigten 37,1973, N r . 9 , 2 - 6 Ebeling, Oskar: Predigt zu Mt 20,1 — 16. In: Moderne Predigten. Ein Jahrgang Predigten über meist freie Texte, Leipzig 1911,356—361 Erb, Α.: Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 6 . In: G.Locher u.a. (Hrsg.), Berner Predigten 11, 1965, N r . 2 , 3 - 1 2 Frommel, Emil: Predigt zu Lk 10,25—37. In: Das Evangelium Lucä in Predigten und Homilien ausgelegt 1. Hälfte, Halle 4. Aufl. 1907,402-414 Frommel, Max: Predigt zu Lk 10,23—37. In: Herzpostille. Evangelienpredigten für das ganze Kirchenjahr, Emishofen/Konstanz/New York 7. Aufl. o . J , 415—423 - Predigt zu Mt 20,1 - 1 6 . In: A.a.O. 134-141 Fuchs, Ernst: Predigt zu Mt 20,1 — 16. In: Predigten für jedermann 9,1962, N r . 3, 3-8 Gerlach, Otto von: Predigt zu Lk 10,23—37. In: Predigten über herkömmliche Perikopen und freie Texte, gehalten in der St. Elisabet-Kirche zu Berlin in den Jahren 1836-40, Berlin 1850, 1 1 5 - 1 2 1 Gerok, Karl: Predigt zu L k 10,23—37. In: Predigten auf alle Sonn-, Fest- und Feiertage des Kirchenjahrs Bd. 1 : Evangelien-Predigten, Stuttgart/Leipzig 5. Aufl. 1874,665-677 - Predigt zu Mt 19,27—20,16. In: Pilgerbrod. N o c h ein Jahrgang Evangelien-Predigten, Stuttgart/Leipzig 2. Aufl. 1870,203-216 - Predigt zu Lk 10,23—37. In: Der Heimat zu! Ein Jahrgang nachgelassener Evangelien-Predigten, Stuttgart 1893,422-431 221

Gollwitzer, Helmut: Predigt zu Mt 20,1 - 1 5 . In: Veränderung im Diesseits. Politische Predigten, München 1973,104-111 Grüber, Heinrich: Predigt zu Lk 10,25—37. In: Dona nobis pacem: Gesammelte Predigten und Aufsätze aus zwanzig Jahren, Berlin o.J. 206-211 Hahn, Friedrich: Predigt zu Mt 20,1-15. In: Wo ist Gott? Predigten, Stuttgart/ Göttingen 1971, 61-65 Hammerschmidt, Gerhard: Predigt zu Lk 10,25—37. In: Schulandachten, Gütersloh 1965, 82-88 Harms, Claus: Predigt zu Mt 20,1 — 16. In: Neue Winterpostille für die Sonn- und Festtage von Advent bis Ostern, Altona 1825,249-274 Harms, Louis: Predigt zu Mt 19,27—20,16. In: Predigten über die Evangelien des Kirchenjahrs. Zweites Heft: Vom Sonntag Septuagesimä bis 2. Ostertag, Hermannsburg 1859,233-245 - Predigt zu Lk 10,23—42. In: Predigten über die Evangelien des Kirchenjahrs, Hermannsburg 4. Aufl. 1867, 841-855 Hartman, Olov: Predigt zu Mt 20,1 — 16. In: Wie in einem Spiegel, Hamburg 1954, 37-45 Hartley, Wesley H.: Predigt zu Lk 10,25-37. In: G. Bassarak (Hrsg.), Einheit und Frieden. Ökumenische Predigten, Berlin 1976,145—150 Heiler, Friedrich: Predigt zu Mt 20,1 —16. In: Mysterium Caritatis. Predigten für das Kirchenjahr, München 1949, 97-105 - Predigt zu Lk 10,25-37. In: A.a.O. 384-391 - Predigt zu Lk 10,23—37. In: Ecclesia Caritatis. Ökumenische Predigten für das Kirchenjahr, Marburg 1964,240-243 Hofacker, Ludwig: Predigt zu Mt 19,27—20,16. In: Predigten für alle Sonn-, Fest- und Feiertage nebst einigen Büß- und Bettagspredigten und Grabreden, Stuttgart 47. Aufl. 1911,209-220 Hübner, Eberhard: Predigt zu Lk 10,25—37. In: H.Keller u.a. (Hrsg.), Mir ist gegeben alle Gewalt... Predigten aus der kirchlichen Bruderschaft im Rheinland = Bekennen und Bekenntnis Heft 2, Neukirchen 1956, 53—61 Immer, Karl: Predigt zu Mt 20,1 —16a. In: J. Beckmann/G. Heidtmann (Hrsg.), Botschafter an Christi Statt. Predigten aus der Evangelischen Kirche im Rheinland, Düsseldorf 1957,62-64 Jetter, Werner: Predigt zu Mt 20,1 —16. In: vertrauen lernen. Versuche, vom Glauben zu reden, Göttingen 1981, 72-83 Jergensen, Hans Anker: Predigt zu Mt 20,1 — 16. In: I. Reicke u.a. (Hrsg.), Steh auf Nordwind... Skandinavische Predigten und Meditationen aus neuerer Zeit, Konstanz 1981, 77-81 Jörns, Klaus-Peter: Predigt zu Mt 20,1-15. In: H. Nitschke (Hrsg.), Das Wort vom Kreuz heute gesagt. Predigten der Gegenwart, Gütersloh 1973,35—38 Karpp, H.: Predigt zu Mt 20,1 —16a. In: J. Konrad (Hrsg.), Bonner Universitätspredigten, Neukirchen 1959, 30-35 Kliefoth, Theodor: Predigt zu Lk 10,23—37. In: Predigten in der Domkirche zu Schwerin, Schwerin 1857,270-287 Kohlhaase, Günter: Predigt zu Mt 20,1-15. In: Predigtim Gespräch 15,1968 Krummenacher, Theo: Predigt zu Lk 10,25—37. In: H. Nitschke (Hrsg.), Worte am Sonntag heute gesagt. Predigten der Gegenwart I. Perikopenreihe Bd. 3, Gütersloh 1973,35-38 222

Lanz, Beat: Predigt zu Lk 10,30—37. In: Neu machst du alles. 53 Predigten von Schweizer Pfarrern, St. Gallen 1 9 6 5 , 4 0 9 - 4 1 5 Löhe, Wilhelm: Predigt zu Mt 20,1 — 16. In: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres 1. Teil, Gütersloh 4. Aufl. 1 8 7 4 , 1 0 6 - 1 1 3 - Predigt zu Lk 10,23—37. In: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres 2. Teil, Gütersloh 4. Aufl. 1874, 8 1 - 8 7 Luther, Martin: Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 6 . In: WA 17 II, 1 3 5 - 1 4 1 Mezger, Manfred : Predigt zu Lk 10,25—3 7. In : Freude am Wort. Predigten, Gütersloh 1975,57-62 Mosheim, Johann Lorenz von: Predigt zu Mt 20,13 — 15. In: Heilige Reden über wichtige Wahrheiten der Lehre Jesu Christi, 5. Teil, Frankfurt/Leipzig 2. Aufl. 1741,177-240 - Predigt zu Mt 20,12. In: Heilige Reden, 4. Teil, Frankfurt/Leipzig 2. Aufl. 1741, 251-308 Motte, Wolfgang: Predigt zu Mt 2 0 , l - 1 6 a . In: H.Nitschke (Hrsg.), Gottesdienste mit Schülern, Gütersloh 1 9 7 9 , 1 2 1 - 1 2 3 Mülhaupt, Erwin: Predigt zu Lk 10,23—37. In: Evangelisch leben! Predigten mit Luthers Hilfe, Göttingen 1958, 7 0 - 7 3 Müllensiefen, J . : Predigt zu Mt 20,1 — 16. In: Zeugnisse von Christo. Ein Jahrgang Predigten auf alle Sonn- und Festtage des Kirchenjahres, Halle 14. Aufl. 1884, 191-201 Münk, Kaj: Predigt zu Lk 10,23—37. In: Bekenntnis zur Wahrheit, Zürich 1944, 72-77 Niemöller, Martin: Predigt zu M t 2 0 , l — 16a. In: „ . . . zu verkündigen ein gnädiges Jahr des Herrn!" Sechs Dachauer Predigten, München 1946,22—33 Palmer, Christian: Predigt zu Mt 19,27—20,16. In: Predigten aus neuerer Zeit, Tübingen 1874, 7 3 - 8 3 - Predigt zu Lk 1 0 , 2 3 - 3 7 . In: A.a.O. 3 6 7 - 3 7 7 Pank, Oskar: Predigt zu Lk 10,23—37. In: Ich schäme mich des Evangeliums von Christo nicht. Ein Jahrgang Predigten, Halle 1910,434—441 - Predigt zu Mt 19,27—20,16. In: Das Evangelium Matthäi in Predigten und Homilien ausgelegt. Zweite Hälfte, Halle 4. u. 5. Aufl. 1 9 0 7 , 1 3 2 - 1 4 1 Petri, Ludwig Adolf: Predigt zu Mt 19,27-20,16. In: Licht des Lebens. Ein vollständiger Jahrgang von Predigten aus den ordentlichen Evangelien. Nebst sieben Fastenpredigten, Hannover 3. Aufl. 1888, 1 1 3 - 1 2 2 Praetorius, W : Predigt zu Mt 20,1 — 16. In: Von der heiligen Unruhe. Predigten, Barmen 1 9 2 8 , 1 0 1 - 1 0 8 Rad, Gerhard v.: Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 5 . In: Predigten (Hrsg. U. v. Rad), München 1972, 7 1 - 7 6 Reinbeck, Johann Gustav : Predigt zu Lk 10,23—3 7. In : Auserlesene Predigten, die bey besondern Gelegenheiten von ihm gehalten worden (Hrsg. F. E. Rambach) 2. Abt., Berlin 1750, 5 8 4 - 6 0 3 Reinhard, Franz Volkmar: Predigt zu Lk 1 0 , 2 3 - 3 7 . In : Predigten bey dem Churfürstl. Sächsischen evangelischen Hofgottesdienste zu Dresden. Vierte Sammlung vom Jahre 1804 Bd. 2, Sulzbach 1 8 0 5 , 4 2 - 6 2 - Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 6 . In: Predigten Bd. 4. Jg. 1796,2. Teil, Sulzbach 1 8 3 1 , 1 3 - 2 4 - Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 6 . In: Predigten Bd. 35. Jg. 1812, Sulzbach 1836, 5 9 - 7 3 Renkewitz, Heinrich: Predigt zu Lk 10,23—37. In: M. Fischer (Hrsg.), Einertrage des

223

anderen Last. Vom geordneten Dienen in der Gemeinde. Ein diakonischer Predigtband, Berlin 1957,208-214 Rietschel, Georg: Predigt zu Mt 20,1 — 16. In: Die frohe Botschaft. Predigten gläubiger Zeugen der Gegenwart über die altkirchlichen Evangelien (Hrsg. E. Quandt), Leipzig 1893,144-155 Rißmann: Predigt zu Lk 10,28—42. In: G.Voigt (Hrsg.), Sein Heil und Gnaden. Predigten für alle Sonn- und Festtage des Kirchenjahres, Berlin 1954,140—145 Rittelmeyer, Friedrich: Predigt zu Lk 10,25—37. In: Chr. Geyer/F. Rittelmeyer, Leben aus Gott. Neuer Jahrgang Predigten, Ulm 4 . - 6 . Aufl. 1912,453-462 Röhr, Johann Friedrich: Predigt zu Mt 20,1 — 16. In: Predigten in der H o f - und Stadtkirche zu Weimar über die gewöhnlichen Sonn- und Festtags-Evangelien gehalten Bd. 1, Neustadt a.d. Orla 1822,42-53 Römheld, Karl Julius: Predigt zu Mt 20,1 —16. In: Das heilige Evangelium in Predigten auf alle Sonn- und Festtage des Kirchenjahres dem Volke erzählt und ausgelegt, Berlin 8. Aufl. 1893,114-121 Rothe, Richard: Predigt zu Mt 20,1-16. In: Nachgelassene Predigten (Hrsg. D.Schenkel) l . B d . : Predigten aus den Jahren 1824—1828, in der evangelischen Gemeinde zu Rom gehalten, Elberfeld 1868,15—23 - Predigt zu Lk 10,23-37. In: A.a.O. 7 0 - 8 6 Sack, Friedrich Samuel Gottfried: Predigt zu Lk 10,25—37. In: Predigten, Frankfurt/ Leipzig 2. Aufl. 1788,199-220 Schaefer: Predigt zu Lk 10,25—37. In: J. Fenner (Hrsg.), Predigtbuch der Dorfkirche, Berlin 1915,377-384 Schenkel, Daniel: Predigt zu Lk 10,25—36. In: Predigten, Neue Folge Bd. 1: Das Heilswort der Liebe. Zwölf Predigten gehalten in der Münsterkirche zu Schaffhausen, Schaffhausen 1850,18-38 Schlatter, Adolf: Predigt zu Mt 19,27-20,16. In: Der Ruf Jesu. Predigten, Calw/ Stuttgart 1913,215-220 Schmaltz, Moritz Ferdinand: Predigt zu Mt 20,1 — 16. In: Das menschliche Leben im Lichte der evangelischen Geschichte. Predigten über die Sonn- und FesttagsEvangelien, 1837 in Hamburg gehalten, Hamburg o.J., 51—67 Schönherr, Albrecht : Predigt zu Lk 10,23—3 7. In : Rede, Herr, denn dein Knecht hört. Ein Jahrgang Predigten, Berlin 1955,228-232 Schröder, Rudolf Alexander: Predigt zu Lk 10,23—37. In: Predigten zum Kirchenjahr = Ges. Werke Bd. 8,1965, 588-601 Schulz, Rudolf: Predigt zu Mt 20,1 —16. In: Nicht in der Angst verkommen. Unkonventionelle Predigen, Düsseldorf/Köln 1980,132-143 Schwarz, Carl: Predigt zu Mt 20,1 — 16. In: Predigten aus der Gegenwart. Zweite Sammlung, Leipzig 2. Aufl. 1865, 321-333 - Predigt zu Lk 10,25-37. In: A.a.O. 334-346 Smend, Julius: Predigt zu Lk 10,23—37. In: Evangelische Predigten samt den zugehörigen Gottesdienstordnungen, Straßburg 1910,156—164 Solberg, Richard W : Predigt zu Lk 10,23—37. In: M. Fischer (Hrsg.), Einer trage des anderen Last. Vom geordneten Dienen in der Gemeinde. Ein diakonischer Predigtband, Berlin 1957,231-237 Sorg, Theo: Predigt zu Lk 10,25-37. In: Theol. Beiträge 14,1983, 1 - 1 5 Spalding, Johann Joachim: Predigt zu Lk 10,23—37. In: Neue Predigten, Tübingen 1787,157-180

224

Steinmeyer, F. L.: Predigt zu Mt 20,6. In: Predigten für das ganze Kirchenjahr (Hrsg. M. Keyländer) 1. Teil : Die festliche Hälfte des Kirchenjahres, Gütersloh 1902,209-219 Stöcker, Adolf: Predigt zu Mt 20,1 — 16. In: Den Armen wird das Evangelium gepredigt. Ein Jahrgang Volkspredigten über die Evangelien des Kirchenjahres, Berlin 5. Aufl. 1 9 0 0 , 1 0 3 - 1 1 1 - Predigt zu Lk 1 0 , 2 3 - 3 7 . In: A.a.O. 3 6 7 - 3 7 5 Stuhlmacher, Peter: Predigt zu Mt 20,1 — 15. In: Predigten für jedermann 17, 1970, Nr. 5 , 3 - 8 Teller, Wilhelm Abraham: Predigt zu Lk 10,23—37. In: Predigten an den Sonnund Festtagen des ganzen Jahres über die gewöhnlichen Abschnitte aus den Lebensgeschichten Jesu Christi, Berlin 1785,87—99 Thielicke, Helmut: Das Bilderbuch Gottes. Reden über die Gleichnisse Jesu, Stuttgart 1957,4. Aufl. 1963 - Predigt zu Lk 10,25—37. In: Und wenn Gott wäre... Reden über die Frage nach Gott, Stuttgart 1 9 7 0 , 1 5 3 - 1 6 7 Thomasius, Georg: Predigt zu Mt 20,1 — 16. In: Predigten für alle Sonn- und Festtage des Kirchenjahres, Erlangen 1861, 187—197 Thurneysen, Eduard: Predigt zu Lk 10,25—37. In: Suchet Gott, so werdet ihr leben!, Bern 1917 Tietsch, Anselm: Predigt zu Mt 20,1 — 16. In: M.Fischer (Hrsg.), Einer trage des anderen Last. Vom geordneten Dienen in der Gemeinde. Ein diakonischer Predigtband, Berlin 1 9 5 7 , 2 3 8 - 2 4 1 Trillhaas, Wolfgang: Predigt zu Mt 20,1 — 15. In: Von den Geheimnissen Gottes. Predigten, Göttingen 1 9 5 6 , 2 8 - 3 1 Tschabold, Markus: Predigt zu Lk 1 0 , 2 5 - 3 7 . In: H.Nitschke (Hrsg.), Worte zur Lage heute gesagt. Politische Predigten, Gütersloh 1972,143 — 146 Uhlhorn, Gerhard: Predigt zu Mt 19,27-20,16. In: Gnade und Wahrheit. Predigten über alle Episteln und Evangelien des Kirchenjahres, Bd. 1 : Evangelien-Predigten, 2. Aufl. 1 8 8 8 , 1 6 6 - 1 7 2 Walsdorff, Martin: Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 5 . In: H . Z ä h m t (Hrsg.), Postille 53, Hamburg 1953, 5 6 - 5 9 Winkler, Eberhard: Predigt zu Mt 2 0 , 1 - 1 6 . In: F.Winter (Hrsg.), Nur Zeuge sein. Predigten von Beratern und Lehrern der Verkündigung, Berlin 1975, 104-108 Zollikofer, Georg Joachim: Sämmtliche Predigten 15 Bde., Leipzig 1798

II.

Sekundärliteratur

Adam, Ingrid: Manchmal springt ein Funke über. Die psychische Aktualität von Bibeltexten - Homiletische Erfahrungen. In: ZGP 1,1983, Heft 2, 5 - 8 Albrecht, Horst: Predigen. Anregungen zur geistlichen Praxis, Stuttgart/Berlin/ Köln/Mainz 1985 Arens, Edmund: Kommunikative Handlungen. Die paradigmatische Bedeutung der Gleichnisse Jesu für eine Handlungstheorie, Düsseldorf 1982 Arens, Heribert: Die Predigt als Lernprozeß, München 1972 Baldermann, Ingo: Biblische Didaktik, Hamburg 1963

225

Baldermann, Ingo: Die Bibel - Buch des Lernens, Göttingen 1980 Barth, Hans-Martin: Vom Nutzen der Dogmatik bei der Predigtvorbereitung. In: PTh 77/1988, 538-548 Barth, Karl: N o t und Verheißung der christlichen Verkündigung. In: ZZ 1, 1923, 3-25 - Homiletik. Wesen und Vorbereitung der Predigt, Zürich 2. Aufl. 1985 - Die Gemeindemäßigkeit der Predigt (1956). In: G . H u m m e l (Hrsg.), Aufgabe, 165-178 - Wir haben ja das Wort. Predigten und Texte zur Homiletik (Hrsg. H . Genest), Berlin 1987 Barth, Markus: Predigthilfe zu Lk 10,23-37. In: G P M 1950,234-239 Bastian, Hans-Dieter: Verfremdung und Verkündigung, T E H 127, München 1965 Bayer, G.: Johann Tobias Beck als Prediger. In: MPTh 1,1904/5,437-452 Benckert, H.: Predigthilfe zu M t 2 0 , l - 1 6 a . In: G P M 1961, 6 7 - 7 2 Benedict, Hans-Jürgen: Poetisch oder alltagssprachlich, literarisch oder erfahrungsbezogen? Auseinandersetzung mit Gert O t t o : Predigt als Rede: In: ThPr 12,1977, 22-34 Bieritz, Karl Heinrich: Die Predigt im Gottesdienst. In: P.C. Bloth u.a. (Hrsg.), Handbuch der Praktischen Theologie Bd. III: Praxisfeld Gemeinde, Gütersloh 1983, 112-134 - Predigthilfe zu Lk 10,25-37. In: EPM 1984/85 Bd.II: 3.Sonntag nach Ostern (Jubilate) bis Letzter Sonntag des Kirchenjahres, 254—258 Birkner, Hans-Joachim: Beobachtungen und Erwägungen zum Religionsbegriff in der neueren protestantischen Theologie. In: D.Rössler u.a. (Hrsg.), Fides et communicatio. FS M. Doerne, zum 70. Geburtstag, Göttingen 1970,9—20 Bizer, Christoph: Viva vox impressa. Zu den Formen gedruckter Predigt. In: W P K G 62,1973,1-11 Blauen, Heinz: Predigthilfe zu Lk 10,25-37. In: EPM 1978/79, Bd. II: Dritter Sonntag nach Ostern (Jubilate) bis Letzter Sonntag des Kirchenjahres, 294—299 Bohren, Rudolf: Die Gestalt der Predigt. In: Predigt und Gemeinde. Beiträge zur Praktischen Theologie, Zürich/Stuttgart 1963, 47—69 - Predigtlehre, München 3. Aufl. 1974 - Die Differenz zwischen Meinen und Sagen. Anmerkungen zu Ernst Lange, Predigen als Beruf. In: PTh 70,1981,416-430 Bonhoeffer, Dietrich: Vergegenwärtigung neutestamentlicher Texte. Vortrag vor der Bruderschaft der Hilfsprediger und Vikare der Provinz-Sächsischen Bekennenden Kirche in Hauteroda am 23. August 1935. In: GesSchr (Hrsg. E. Bethge) Bd. III, München 1960,303-324 - Finkenwalder Homiletik. In: GesSchr (Hrsg. E. Bethge) Bd. IV, München 1961, 237-289 Bornkamm, Günther: Jesus von Nazareth, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 11. Aufl. 1977 Bourbeck, Christine: Die Gleichnis-Predigt. In: L. Schmidt (Hrsg.), Kleine Predigttypologie Bd. III: Das Neue Testament, Stuttgart 1965,124-130 Braun, Herbert: Predigthilfe zu Mt 2 0 , l - 1 6 a . In: GPM 1954, 5 9 - 6 2 Braunschweiger, Heinrich: Auf dem Weg zu einer poetischen Homiletik. Einige Aspekte der Hermeneutik Ricceurs als Impuls für die Homiletik. In: EvTh 39, 1979,127-143

226

Breit, Herbert: Anfragen der Gemeinde an die Predigt. In: H. Breit/L. Goppelt/ J . Roloff/M. Seitz, Die Predigt zwischen Text und Empirie, Stuttgart 1969,22—39 - Die Predigt im Blickfeld der Rezipientenforschung. In: J . Roloff (Hrsg.), Die Predigt als Kommunikation, Stuttgart 1972,28 - 43 Breit, Herbert/Nörenberg, Klaus (Hrsg.): Festtage. Zur Praxis der christlichen Rede. München 1975 Bukowski, Peter: Predigthilfe zu Lk 1 0 , 2 5 - 3 7 . In: G P M 1 9 7 9 , 3 5 0 - 3 5 7 Bultmann, Rudolf: Die Geschichte der synoptischen Tradition, Göttingen 9. Aufl. 1979 Dahm, Karl-Wilhelm: Beruf Pfarrer. Empirische Aspekte, München 1971 Daiber, Karl-Fritz u.a. (Hrsg.): Predigen und Hören B d . 2 : Kommunikation zwischen Predigern und Hörern. Sozialwissenschaftliche Untersuchungen, München 1983 Dannowski, Hans Werner: Sprachbefähigung in der Ausbildung. Einführende Bemerkungen zur Rolle der Sprechakttheorie in der Homiletik. In: P. Düsterfeld/ H . B . Kaufmann (Hrsg.), Didaktik der Predigt. Materialien zur homiletischen Ausbildung und Fortbildung, Münster 1975,163—175 - Kompendium der Predigtlehre, Gütersloh 1985 Dehn, Günther: Predigthilfe zu Lk 10,23—37. In: G. Eichholz (Hrsg.), Herr, tue meine Lippen auf Bd. 1 : Die altkirchlichen Evangelien, Wuppertal 1954,266—270 - Predigthilfe zu Mt 20,1 — 16. In: Mein Herz hält Dir vor Dein Wort. Biblische Meditationen für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres, Berlin 1940, 79—85 Denecke, Axel: Persönlich predigen, Gütersloh 1979 Dietzfelbinger, Wolfgang: Predigthilfe zu Lk 1 0 , 2 5 - 3 7 . In: A. Falkenroth/H.-J. Held (Hrsg.), hören und fragen. Eine Predigthilfe Bd. 1 : Erste Evangelienreihe, Neukirchen 1 9 7 8 , 2 9 2 - 2 9 9 Doerne, Martin: Er kommt auch noch heute. Homiletische Auslegung der alten Evangelien, Göttingen 4. Aufl. 1956 - Die Alten Episteln. Homiletische Auslegung, Göttingen 1967 Ebeling, Gerhard: Dogmatik des christlichen Glaubens 3 Bde., 2. Aufl. Tübingen 1982 Eichholz, Georg: Das Gleichnis als Spiel (1961). In: Tradition und Interpretation. Studien zum Neuen Testament und zur Hermeneutik, München 1965, 57—77 - Gleichnisse der Evangelien. Form, Uberlieferung, Auslegung, Neukirchen 2. Aufl. 1975 Erl, Willi/Gaiser, Fritz: Neue Methoden der Bibelarbeit. Vom Anti-Gleichnis zum Zeitungsbericht, Tübingen 4. Aufl. 1969 Fendt, Leonhard: Die alten Perikopen für die theologische Praxis erläutert, Tübingen 1931 - Homiletik (2. Aufl. neu bearbeitet von B. Klaus), Berlin 1970 Fror, Kurt: Biblische Hermeneutik. Zur Schriftauslegung in Predigt und Unterricht, München 1961 - Art. Gleichnis und Parabel III. In Predigt und Unterricht. In: R G G 3. Aufl. Bd. II, 1619-1621 Fuchs, Ernst: Die Analogie (1954). In: W.Harnisch (Hrsg.), Gleichnisforschung, 1-19 Fuchs, Ottmar: Von Gott predigen. Anleitungen-Beispiele-Überlegungen, Gütersloh 1984

227

Geense, Adriaan: Predigthilfe zu Mt 20,1-16. In: G P M 1973,107-115 Geest, Hans van der : Du hast mich angesprochen. Die Wirkung von Gottesdienst und Predigt, Zürich 2. Aufl. 1983 Gehrcke, O. : Zur homiletischen Behandlung der Gleichnisreden Jesu. In: ZPrTh 21, 1899,1-11 Goldbach, Günter: Predigthilfe zu Mt 20,1-16. In: PSt 1/1,1978,140-147 Gollwitzer, Helmut: Predigthilfe zu Lk 10,23-37. In: GPM 1954,213-216 Grebe, P. (Hrsg.): Der große Duden Bd. 1, Mannheim/Zürich 16. Aufl. 1967 Güttgemanns, Erhardt: Die linguistisch-didaktische Methodik der Gleichnisse Jesu (1970/71). In: studia linguistica neotestamentica. Gesammelte Aufsätze zur linguistischen Grundlage einer Neutestamentlichen Theologie, München 1971,99—183 - Theologie als sprachbezogene Wissenschaft (1971). In: A.a.O. 184-230 Haarbeck, Ako: Ludwig Hofacker und die Frage nach der erwecklichen Predigt, Neukirchen 1961 Hahn, Friedrich: Predigthilfe zu Lk 10,23—37. In: Homiletische Monatshefte 48, 1972/73,433 - 435 Harnisch, Wolfgang: Die Sprachkraft der Analogie. Zur These vom .argumentativen Charakter' der Gleichnisse Jesu. In: Ders. (Hrsg.), Gleichnisse Jesu, 390—413 - Die Metapher als heuristisches Prinzip. Neuerscheinungen zur Hermeneutik der Gleichnisreden Jesu. In: VF 24,1979, 5 3 - 8 9 - (Hrsg.): Gleichnisse Jesu. Positionen der Auslegung von Adolf Jülicher bis zur Formgeschichte, Darmstadt 1982 - (Hrsg.): Die neutestamentliche Gleichnisforschung im Horizont von Hermeneutik und Literaturwissenschaft, Darmstadt 1982,248—339 - Die Gleichniserzählungen Jesu, Göttingen 1985 Herrmann, Wolfgang/Domay, Erhard: Predigthilfe zu Mt 2 0 , l - 1 6 a . In: PSt 1/1, 1972,118-124 Hertzsch, Klaus-Peter: Ermutigung zur Predigt. In: EPM 1978/79, Bd. 1 , 7 - 1 2 Homiletische Arbeitsgruppe (H. Arens, F. Richardt, J. Schulte): Kreativität und Predigtarbeit, München 1974 Horn, Andreas : Der Text und sein Prediger. Hoffentlich entlastende Bemerkungen zu einer Phase der Predigtvorbereitung. In: ZdZ 37, 1983,253—257 Hummel, Gert: Aufgabe der Predigt, Darmstadt 1971 Hyperius, Andreas: De formandis concionibus sacris seu de interpretatione scripturarum populari libri II, 1553, 2. Aufl. 1562 Jens, Walter (Hrsg.): Vom Nächsten. Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter heute gesehen, Stuttgart 1973 Jeremias, Joachim: Die Gleichnisse Jesu, Göttingen 8. Aufl. 1970 Jetter, Werner: Die Predigt als Gespräch mit dem Hörer. In: PTh 56,1967,212-228 Josuttis, Manfred: Gesetzlichkeit in der Predigt der Gegenwart, München 1966 - Homiletik und Rhetorik (1968). In: Rhetorik und Theologie in der Predigtarbeit. Homiletische Studien, München 1985,9—28 - Über Feindbilder in der Predigt. In: A.a.O. 8 7 - 1 1 4 - Die Bibel als Basis der Predigt. In: H.-G. Geyer u.a. (Hrsg.), „Wenn nicht jetzt, wann dann?" FS H.-J. Kraus zum 65. Geburtstag, Neukirchen 1983, 385-393 Jülicher, Adolf: Die Gleichnisreden Jesu I/II, Darmstadt 1976 (Nachdruck der Ausgabe Tübingen 1910) Jüngel, Eberhard: Die Problematik der Gleichnisrede Jesu. In: W.Harnisch (Hrsg.), 228

Gleichnisse Jesu. Positionen der Auslegung von Adolf Jülicher bis zu Formgeschichte, Darmstadt 1982,281-342 Klein, Günter: Predigthilfe zu Lk 10, (23-24) 2 5 - 3 7 . In: GPM 1973,393-401 Kreßel, Hans: Wilhelm Löhe als Prediger, Gütersloh 1929 Krusche, Peter: Die Schwierigkeit, Ernst Lange zu verstehen. Anmerkungen zu dem Versuch von Rudolf Bohren. In: PTh 70,1981,430-441 Kruse, Martin: Predigthilfe zu Mt 2 0 , l - 1 6 a . In: A. Falkenroth/H.-J. Held (Hrsg.), hören und fragen. Eine Predigthilfe Bd. 1 : Erste Evangelienreihe, Neukirchen 1978,95-98 Lange, Ernst: Brief an einen Prediger. In: PSt III/1,1968, 7—17 - Zur Theorie und Praxis der Predigtarbeit. In: Ders., Predigen als Beruf. Aufsätze zu Homiletik, Liturgie und Pfarramt (Hrsg. R. Schloz), München 1982,9—51 - Zur Aufgabe christlicher Rede (1968). In: A.a.O., 5 2 - 6 7 - Chancen des Alltags. Überlegungen zur Funktion des christlichen Gottesdienstes in der Gegenwart (Hrsg. P. Cornehl), München 1984 Lerle, Ernst: Arbeiten mit Gedankenimpulsen, Berlin 1965 - Grundriß der empirischen Homiletik, Berlin 1975 Linnemann, Eta: Gleichnisse Jesu. Einführung und Auslegung, Göttingen 7. Aufl. 1978 Lohmeyer, Ernst: Vom Sinn der Gleichnisse Jesu (1938). In: W.Harnisch (Hrsg.), Gleichnisse Jesu, 154—179 Lück, Walter: Strukturen der Lyrik und die Sprache der Verkündigung. In: T h P r 2 , 1967,14-30 Luther, Henning: Predigt als Handlung. Überlegungen zur Pragmatik des Predigens. In: ZThK 80,1983,223-243 Lutherische Liturgische Konferenz Deutschlands (Hrsg.): Perikopenbuch zur O r d nung der Predigttexte, Berlin 1966 - Perikopenbuch zur Ordnung der Predigttexte, Hamburg 1978 Marti, Kurt: Wie entsteht eine Predigt? Wie entsteht ein Gedicht? Ein Vergleich mit dem Versuch einer Nutzanwendung. In: Wort und Gemeinde. FS E. Thurneysen, Zürich 1968,183-198 Martin, Gerhard Marcel: Predigt als „offenes Kunstwerk"? Zum Dialog zwischen Homiletik und Rezeptionsästhetik. In: EvTh 44,1984,46—58 Merkel/Balzer/Georgi : Predigthilfe zu Lk 10,25-37. In: GPM 1961,245-248 Metz, Johann Baptist: Kleine Apologie des Erzählens. In: Conc 9,1973,334 — 341 Meyer zu Uptrup, Klaus: Gestalthomiletik, Stuttgart 1986 Möller, Christian: Seelsorglich predigen. Die parakletische Dimension von Predigt, Seelsorge und Gemeinde, Göttingen 1983 Mohr, Hans: Predigt in der Zeit. Dargestellt an der Geschichte der evangelischen Predigt über Lk 5,1-11, Göttingen 1973 Neidhart, Walter/Eggenberger, Hans (Hrsg.): Erzählbuch zur Bibel. Theorie und Beispiele, Zürich/Einsiedeln/Köln 1975 Niebergall, Alfred: Die Geschichte der christlichen Predigt. In: Leiturgia. Handbuch des evangelischen Gottesdienstes Bd. 2, Kassel 1955,182—353 Niebergall, Friedrich: Die moderne Predigt. In: ZThK 15,1905,203-271 = G. H u m mel (Hrsg.), Aufgabe der Predigt, Darmstadt 1971, 9 - 7 4 Nitschke, Horst (Hrsg.): Ostern, Gütersloh 1978 - (Hrsg.): Himmelfahrt-Pfingsten-Die Kirche, Gütersloh 1981

229

Nitschke, Horst (Hrsg.): Erzählende Predigten Bd. 1, Gütersloh 1976, Bd. 2, Gütersloh 1981 - (Hrsg.): Passion. Predigten, Meditationen, Andachten, Gottesdienste, Gütersloh 1983 - (Hrsg.): Weihnachten-Jahreswechsel. Predigten - Meditationen. GottesdiensteErzählungen, Gütersloh 1983 - (Hrsg.): Zeichen und Wunder, Gütersloh 1985 Olrik, Axel: Epische Gesetze der Volksdichtung (1909). In: W.Harnisch (Hrsg.), Gleichnisse, 58—69 Otto, Gert: Predigt als Rede. Uber die Wechselwirkungen von Homiletik und Rhetorik, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1976 Pfitzner, Klaus/Läpple, Volker: Predigthilfe zu Lk 1 0 , 2 5 - 3 7 . In: PSt 1/2, 1979, 192-197 Piper, Hans-Christoph: Predigtanalysen. Kommunikation und Kommunikationsstörungen in der Predigt, Göttingen 1976 Preuß, Horst Dietrich: Das Alte Testament in christlicher Predigt, Stuttgart/Berlin/ Köln/Mainz 1984 Rad, Gerhard v.: Die typologische Auslegung des Alten Testaments. In: EvTh 12, 1952/53,17-33 Ricoeur, Paul: Stellung und Funktion der Metapher in der biblischen Sprache. In: P. Ricceur/E. Jüngel, Metapher. Zur Hermeneutik religiöser Sprache, EvTh (Sonderheft) 1 9 7 4 , 4 5 - 7 0 - Biblische Hermeneutik (1975). In: W.Harnisch (Hrsg.), Gleichnisforschung, 248-339 - Die lebendige Metapher, München 1987 Riemann, Fritz: Die Persönlichkeit des Predigers in tiefenpsychologischer Sicht. In: R. Riess (Hrsg.), Perspektiven der Pastoralpsychologie, Göttingen 1974,152—166 Rießbeck, Friedrich: Die Predigt bei Christian Geyer, Diss. Erlangen 1978 Rössler, Dietrich: Das Problem der Homiletik. In: ThPr 1 , 1 9 6 6 , 1 4 - 2 8 Roloff, Jürgen: Predigthilfe zu Mt 20,1 —16a. In: Neue Calwer Predigthilfen 1.Jg. Bd. A: Advent bis Himmelfahrt, Stuttgart 1 9 7 8 , 1 6 2 - 1 7 0 Rothermundt, Jörg: Der Heilige Geist und die Rhetorik. Theologische Grundlinien einer empirischen Homiletik, Gütersloh 1984 Scheler, Helmut: Predigthilfe zu Mt 20,1 —16a. In: Homiletische Monatshefte 48, 1972/73,119-122 Schellbach, Martin: Tholucks Predigt. Ihre Grundlage und ihre Bedeutung für die heutige Praxis, Berlin 1956 Schian, Martin: Art. Predigt, Geschichte der christlichen. In: R E 3. Aufl. Bd. 15, 632-747 Schleiermacher, Friedrich: Die praktische Theologie nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt (Hrsg. J . Frerichs), Berlin 1850 Schmoll, Gerd: Predigthilfe zu Lk 1 0 , 2 5 - 3 7 . In: Neue Calwer Predigthilfen l . J g Bd. B : Exaudí bis Ende des Kirchenjahres, 144—150 Schneider, Hans-Dieter: Unter welchen Voraussetzungen kann Verkündigung Einstellungen ändern? In: PTh 5 8 , 1 9 6 9 , 2 4 6 - 2 5 7 Schräge, Wolfgang: Ethik des Neuen Testaments, Göttingen 1982

230

Schramm, Tim: Distanz und Nähe. Erfahrungen im Umgang mit biblischen Texten. In: W P K G 64,1975, 3 7 2 - 3 8 7 Schramm, Tim/Löwenstein, Kathrin: Unmoralische Helden. Anstößige Gleichnisse Jesu, Göttingen 1986 Schröer, Henning: Die Bedeutung der Dogmatik für die Predigtvorbereitung. In: PTh 5 3 , 1 9 6 4 , 4 2 7 - 4 4 2 - Das Problem der Vermittlung von Tradition und religiöser Erfahrung im Erzählvorgang. In: EvTh 38, 1 9 7 8 , 1 1 3 - 1 2 5 - Umberto Eco als Predigthelfer? Fragen an Gerhard Marcel Martin. In: EvTh 44, 1984, 5 8 - 6 3 Schütz, Werner: Geschichte der christlichen Predigt, Berlin/New York 1972 - Probleme der Predigt, Göttingen 1981 Schulte, Hanneiis: Christliche Erziehung? II. Teil: Für den Bücherschrank des Religionslehrers (Fortsetzung). In: ThR 25,1959,336—351 Schwarz, Siegfried: Predigthilfe zu Mt 20,1 —16a. In: Homiletische Monatshefte 54, 1978/79,109-113 Seitz, Manfred: Zum Problem der sogenannten Predigtmeditationen. In: H. Breit u. a., Die Predigt zwischen Text und Empirie, Stuttgart 1969,9—21 Siegel, Helmut: Lernen von den Schriftstellern? Zum Verhältnis von Literatur und Homiletik. In: PTh 7 1 , 1 9 8 2 , 4 5 9 - 4 7 5 Stählin, Traugott: Kommunikationsfördernde und -hindernde Elemente in der Predigt. In: W P K G 6 1 , 1 9 7 2 , 2 9 7 - 3 0 8 Steck, K . G . : Predigthilfe zu Mt 2 0 , 1 - 1 6 . In: GPM 1 9 7 8 , 1 1 0 - 1 1 6 Steinmeyer: F. L.: Homiletik (Hrsg. M. Reyländer), Leipzig 1901 Stöhr, Martin/Heydorn, Heinz-Joachim: Predigthilfe zu Lk 1 0 , 2 5 - 3 7 . In: PSt 1/2 1973,178-183 Surkau, Hans Werner: Art. Schriftauslegung, V. Praktische Schriftauslegung. In: R G G 3. Aufl. Bd. V, 1535 - 1 5 3 7 Ter-Nedden-Amsler, Brigitte/Stierle, Beate: Predigthilfe zu Mt 20,1 - 1 5 . In: PSt 1/1, 1984,126-136 Theurich, Henning: Theorie und Praxis der Predigt bei Carl Immanuel Nitzsch, Göttingen 1975 Thurneysen, Eduard: Die Aufgabe der Predigt (1921). In: G.Hummel (Hrsg.), Aufgabe, 1 0 5 - 1 1 8 Trillhaas, Wolfgang: Schleiermachers Predigt und das homiletische Problem, Berlin/ New York 2. Aufl. 1975(1. Aufl. 1933) - Die wirkliche Predigt. In: Wahrheit und Glaube. FS E. Hirsch (Hrsg. H. Gerdes), Itzehoe 1 9 6 3 , 1 9 3 - 2 0 5 Urner, Hans: Gottes Wort und unsere Predigt, Göttingen 1961 Via, Dan Otto: Die Gleichnisse Jesu. Ihre literarische und existentiale Dimension, München 1970 Voigt, Gottfried: Der schmale Weg. Homiletische Auslegung der Predigttexte der Reihe I, Berlin und Göttingen 1978 - Das heilige Volk. Homiletische Auslegung der Predigttexte der Reihe II, Berlin und Göttingen 1979 - Die geliebte Welt. Homiletische Auslegung der Predigttexte der Reihe III, Berlin und Göttingen 1980

231

Voigt, Gottfried: Die himmlische Berufung. Homiletische Auslegung der Predigttexte der Reihe IV, Berlin und Göttingen 1981 - Die bessere Gerechtigkeit. Homiletische Auslegung der Predigttexte der Reihe V, Berlin und Göttingen 1982 - Die lebendigen Steine. Homiletische Auslegung der Predigttexte der Reihe VI, Berlin und Göttingen 1983 Weder, Hans: Die Gleichnisse Jesu als Metaphern. Traditions- und redaktionsgeschichtliche Analysen und Interpretationen, Göttingen 3. Aufl. 1984 Weinrich, Harald: Narrative Theologie. In: Conc 9,1973, 329-334 Wenschkewitz, Hans: Neuere Bibelauslegungen für die Gemeinde. In: ThLZ 85, 1960,419-426 Wernicke, Horst: Dichterische Wirklichkeit und christliche Verkündigung. Versuch einer Verhältnisbestimmung. In: ThPr 5,1970,13—32 Wiese, Walter/Härle, Wilfried: Predigthilfe zu Lk 10,25-37. In: PSt 1/2, 1985, 206-213. Wink, Walter: Bibelauslegung als Interaktion. Uber die Grenzen historisch-kritischer Methode, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1976 - Bibelarbeit. Ein Praxisbuch für Theologen und Laien, Stuttgart/Berlin/Köln/ Mainz 1982 Wintzer, Friedrich: Claus Harms. Predigt und Theologie, Flensburg 1965 - Die Homiletik seit Schleiermacher bis in die Anfänge der dialektischen Theologie' in Grundzügen, Göttingen 1969 - Die Predigt als Ermutigung zum Dialog. In: Fides et communicatio. FS M. Doerne (Hrsg. D. Rössler u. a.), Göttingen 1970,428-440 - Aufgabe und Funktion der Gemeindepredigt. In: Ders., Praktische Theologie, Neukirchen 2. Aufl. 1985,102-115 - Art. Frömmigkeit, III. Praktisch-theologisch. In: TRE XI, 683-688 Wolff, Hans Walter: Zur Hermeneutik des Alten Testaments. In. EvTh 16, 1956, 337-370 Wolff, Johannes : Anleitung zur Predigtmeditation, Berlin 1955 Zwanzger, Walter: Christus für uns gestorben. Die evangelische Passionspredigt, Stuttgart 1985

232