Glaube in Karl Barths 'Kirchlicher Dogmatik': Die anthropologische Gestalt des Glaubens zwischen Exzentrizität und Deutung 3110567598, 9783110567595, 9783110574876, 9783110573398, 2018949253

In dieser Studie wird zum ersten Mal eine systematische Analyse des menschlichen Glaubens in Karl Barths Kirchlicher Dog

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Glaube in Karl Barths 'Kirchlicher Dogmatik': Die anthropologische Gestalt des Glaubens zwischen Exzentrizität und Deutung
 3110567598, 9783110567595, 9783110574876, 9783110573398, 2018949253

Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Einleitung
1 Problemaufriss und Thema der Arbeit
2. Einführung in die Textgrundlage
Teil I: Die Begründung des Glaubens und das Wesen des Menschen
3. Die Unmöglichkeit und Fremdheit des Glaubens
4. Die exzentrisch-christologische Bestimmung zum Glauben
5. Glaube als freie Tat des Menschen
Teil II: Der geschichtliche Vollzug des Glaubens
6. Die geschichtliche Realisierung des Bundes im Glauben
7. Das Sein des Glaubens im Werden
8. Die menschliche Glaubenstat
Resümee
9. Glaube als Verstehen zwischen Exzentrizität und Deutung
Literaturverzeichnis
Personenregister
Sachregister

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Juliane Schüz Glaube in Karl Barths Kirchlicher Dogmatik

Theologische Bibliothek Töpelmann

Herausgegeben von Bruce McCormack, Friederike Nüssel und Christoph Schwöbel

Band 182

Juliane Schüz

Glaube in Karl Barths Kirchlicher Dogmatik

Die anthropologische Gestalt des Glaubens zwischen Exzentrizität und Deutung

ISBN 978-3-11-056759-5 e-ISBN (PDF) 978-3-11-057487-6 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-057339-8 ISSN 0563-4288 Library of Congress Control Number: 2018949253 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Inhalt Vorwort

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Einleitung  . .. .. .. . . .. .. .. . .  . .. .. . .. .. . .. .. .. .. .

3 Problemaufriss und Thema der Arbeit ‚Glaube‘ – Ein für Barth untypisches Thema? 8 9 Barths Einspruch gegen eine ‚Glaubenslehre‘ Barths Abgrenzung von der Unterscheidung fides qua und fides quae 14 Barths Verhältnisbestimmung von Glaube und Glaubensgegenstand 17 28 Forschungsüberblick zur Glaubensthematik in der KD Aktuelle Konzeptionen menschlichen Glaubens 34 Der ‚hermeneutische‘ Ansatz 35 39 Der ‚deutungstheoretische‘ Ansatz Verhältnis beider Ansätze zu ‚Exzentrizität und Deutung‘ 43 47 Vorgehen und Thesen der Untersuchung Ausblicke auf Barths Ekklesiologie und Pneumatologie 51 56 Einführung in die Textgrundlage Die Entwicklung von Barths Glaubensbegriff – eine Skizze 56 Barths Glaubensbegriff bis zur KD 57 60 Entwicklungen in der KD und ihrem Umfeld Traditionsbezug und Gesprächspartner 64 64 Einordnung in die reformatorisch-reformierte Tradition Barths implizite Gesprächspartner 66 Glaube in der KD – ein Überblick 69 70 KD I – Die Lehre vom Wort Gottes KD II – Die Lehre von Gott 75 KD III – Die Lehre von der Schöpfung 78 KD IV – Die Lehre von der Versöhnung 81 Auswertung des KD-Überblicks im Hinblick auf die Thesen der Arbeit 91

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Inhalt

Teil I: Die Begründung des Glaubens und das Wesen des Menschen  . .. .. . .. .. .. . .. .. . .. .. .. .. . .

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Die Unmöglichkeit und Fremdheit des Glaubens 97 Die Kritik am anthropologischen Anknüpfungspunkt 100 100 Der Kontext der Debatte um den Anknüpfungspunkt 104 Brunners Position zum Anknüpfungspunkt Barths Stellungnahme gegen eine ‚menschliche 109 Möglichkeit‘ Kritik des positiven Anknüpfungspunkts 109 Kritik des negativen Anknüpfungspunkts 110 112 Gotteserkenntnis ist allein von Gott her möglich Barths Begründung der Glaubensmöglichkeit 114 Barths christologischer Anknüpfungspunkt in der analogia 116 fidei Aktualistische Anknüpfung 118 120 Barths Ablehnung einer restitutio ad integrum Barths Ablehnung einer klassischen Urstandsvorstellung 125 Der Primat des ‚Gnadenbundes‘ – Barth gegen Coccejus 126 129 Barths christologische Deutung des Urstands 131 Die radikalisierte Fremdheit des Glaubens Der Glaube als Wunder, Sprung und schöpferischer Neuanfang 134 Systematische Auswertung: Konstitution des Glaubens im Werk 139 Gottes Die exzentrisch-christologische Bestimmung zum Glauben 141 144 Barths Methode: Anthropologie aus der Christologie Der Mensch als Bundespartner Gottes 146 146 Die Vorordnung des Bundes vor die Schöpfung Gottes Wahl 149 Christi Antwort 151 156 Die übrigen Menschen in Christi stellvertretender Antwort Der Glaube als entsprechende Antwort und Anteilhabe des Menschen 161 Die Unterscheidung zwischen Erwählt-Sein und ErwähltLeben 165 Die Unterscheidung zwischen dem Sein ‚de iure‘ und der Entsprechung ‚de facto‘ 166 169 Die wesentliche Exzentrizität des Glaubens

Inhalt

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Die analogia relationis als Konkretion der ontologischen Bestimmung 173 Die imago Dei als analogia relationis in der Beziehung von Mann 174 und Frau Der Streit analogia relationis – analogia entis und Brunners ‚neuer Barth‘ 179 Systematische Auswertung: Die Wesensgemäßheit 185 des Glaubens Glaube als freie Tat des Menschen 187 Barths theologisch qualifiziertes Freiheitsverständnis 190 Barths Aufnahme der klassischen causa- und concursus192 Lehre Freiheit als Entsprechung 196 Die Totalitarismus-Kritik gegenüber Barths Freiheitsverständnis 198 Die Begründung menschlicher Freiheit und das Problem der 200 Wahlfreiheit Die formale Wahlfreiheit als Grundlage der ‚Bewährung‘ des Menschen 201 Die Begründung menschlicher Freiheit im 202 Bundesgedanken Die freie und zugleich notwendige Entscheidung des Glaubens 205 Glaube zwischen Möglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit 205 Die göttliche Berufung zum Glauben 208 Die freie Entscheidung des Glaubens in der göttlichen Berufung 210 214 Das christliche Leben im je und je der Entscheidung Gott und Mensch: Zwei tätige Subjekte in differenzierter Einheit 216 218 Der nicht-eschatologische Status des Glaubens als Tat Die existenzielle Beteiligung des Menschen im Tatcharakter des Glaubens 220 Systematische Auswertung: Barths theologischer Kompatibilismus 223

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Inhalt

Teil II: Der geschichtliche Vollzug des Glaubens  . .. .. . .. .. .. .. . .. .. . .. .. .. .

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Die geschichtliche Realisierung des Bundes im Glauben 229 230 Geschichtlichkeit bei Barth – eine Begriffsklärung Kontext: Geschichte und Offenbarung als Thema der Dialektischen Theologie 231 Geschichtlichkeit im anthropologischen und christologischen 235 Sinn 239 Der Zweck der ‚Zwischenzeit‘ Der Geschichtslosigkeitsvorwurf gegenüber Barths Theologie 240 Barths inklusive Christologie als Raum für die menschliche 242 Geschichte in der ‚Zwischenzeit‘ Das munus propheticum Christi: der Glaube als Teil der 247 Versöhnungsgeschichte Christi prophetisches Wirken als heilsgeschichtliches 250 Drama Die Rolle des Glaubens in Gottes geschichtlicher Selbstoffenbarung 255 255 Glaube als Dienst an Gottes Selbstkundgabe 258 Die Vorordnung des Dienstes vor die Heilsgewissheit Die geschichtliche Wirklichkeit des Glaubens als Erkenntnis 261 Rechtfertigender Christus oder rechtfertigender Glaube? 262 Der Vorwurf der kognitivistischen Verengung des Glaubens 266 Glaube als existenzielle, tätige Erkenntnis 268 Systematische Auswertung: Glaube als geschichtliche Realität 272 275 Das Sein des Glaubens im Werden Der neue Mensch im Werden: participatio Christi 278 Der neue Mensch und die Heiligung als Geheimnis in Christus 279 281 simul iustus et peccator – eine Geschichte im Werden Die Umkehr als Akt Christi: Christus selbst ist im Werden 285 Die Umkehr in der Geschichte der Gläubigen 288

Inhalt

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Das neue Sein des Glaubens als prinzipiell anfangendes Sein 290 Glaube als unvollendeter Anfang in eschatologischer 291 Erwartung Heiligung und reale Veränderung im unvollendeten Anfang 294 296 Anfänglichkeit in Anfechtung und Kampf Glauben als ein täglich neues Anfangen 299 300 Der Glaube als je neuer und unverfügbarer Anfang Der täglich neue Anfang in der Kraft Christi 303 Die Einmaligkeit des je neu anfangenden Glaubens am Beispiel 305 der Berufung Aktualismus und Kontinuität der Glaubensgewissheit 307 Glaubensgewissheit in Jesus Christus 308 311 Die Kontinuität im Stand der Hoffnung Die Kontinuität in Erinnerung und Erwartung 312 Systematische Auswertung: Glaube als gedeutete 314 Ereignisgeschichte Die menschliche Glaubenstat 318 319 Die Vielfalt und Einheit der Glaubensvollzüge 322 Anerkennen – die Bestimmung des Gottesverhältnisses Anerkennen als erste und grundlegende Glaubenstat 322 Die existenzielle Erkenntnis Christi in der Anerkennung 325 (IV/1, § 63) Die Anerkennungstat im Hinblick auf die ‚passive‘ Rechtfertigung im Glauben 331 Erkennen – die Konstitution eines neuen Selbstverständnisses 335 336 Gotteserkenntnis als Selbsterkenntnis (IV/1, § 63) Das Selbstverständnis in Analogie zu Kreuz und Auferstehung 339 Die Analogie zu Christus als Form der Teilnahme am Gotteswerk 343 346 Bekennen – das neue Weltverhältnis Kenntnisnahme und Kenntnisgabe 347 Charakterisierung des Bekennens als menschliche Tat 350 Der Zeugendienst entspricht dem Dienst Christi 354 Das Glaubensbekenntnis in der Mitmenschlichkeit 356

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Inhalt

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Systematische Auswertung: Die differenzierte Einheit von Gottes-, Selbst- und Weltbezug 361

Resümee  . . .. .. . .. .. . .. .. .. .

367 Glaube als Verstehen zwischen Exzentrizität und Deutung Systematische Zusammenfassung der Ergebnisse 369 374 Glauben als neues Verstehen Die cognitio des Glaubens als neues Verstehen 374 Das Verhältnis Barths zu Bultmann 375 379 Die Exzentrizität des Glaubens Die Einsicht in die eigene Exzentrizität 379 Barth und die Kritik der ‚ausgelöschten Individualität‘ 381 384 Glauben als religiöse Deutung Die sündig-vorletzte Tat des Glaubens als Deutung 384 387 Barth im Verhältnis zu ‚deutungstheoretischen‘ Ansätzen Glauben in der Gestalt der Religion 391 Glauben als zeugnishaftes Deuten auf Christus 394

Literaturverzeichnis Personenregister Sachregister

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Vorwort Die vorliegende Untersuchung ist die geringfügig überarbeitete Fassung meiner Dissertationsschrift, die ich im Januar 2016 unter dem Titel „Glaube zwischen Exzentrizität und Deutung. Die anthropologische Gestalt des Glaubens in Karl Barths Kirchlicher Dogmatik“ bei der Evangelisch-theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität Mainz eingereicht habe. Ich danke der Fakultät für die Annahme der Arbeit und besonders meinen Gutachtern Prof. Dr. Christiane Tietz und Prof. Dr. Michael Roth sowie dem Vorsitzenden des Promotionsausschusses Prof. Dr. Kristian Fechtner. Die Arbeit ist unter der Betreuung von Prof. Dr. Christiane Tietz (Zürich) entstanden. Ich danke ihr herzlich für die engagierte Betreuung und Begleitung bei der Entwicklung dieser Arbeit. Mein Dank gilt ebenso den Doktorandinnen und Doktoranden in ihrem systematisch-theologischen Kolloquium in Mainz und Zürich für ihre stets gewinnbringenden Diskussionsbeiträge. Herrn Prof. Dr. Michael Roth (Mainz) danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens. Zwei sukzessive Promotionsstipendien haben es mir ermöglicht, in Vollzeit an meiner Dissertation zu arbeiten. Ich danke der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Hessischen Lutherstiftung für ihre Förderung. Die Arbeit habe ich größtenteils in Tübingen geschrieben. Das Tübinger Theologicum war für mich ein fruchtbares Forschungsumfeld. Herzlich danke ich Prof. Dr. Friedrich Hermanni und Prof. Dr. Christoph Schwöbel, die mich in ihr systematisch-theologisches Kolloquium eingeladen haben und mir mehrmals die Möglichkeit zum Vortrag gaben. Dr. Paul Peterson sei für dessen Organisation und seine hilfreichen Kommentare gedankt. Auch die Sozietät von Prof. Dr. Christof Landmesser hat meine Promotionszeit in Tübingen sehr bereichert. Meine Arbeit ganz zu Anfang gefördert haben Prof. Dr. Michael Beintker und Prof. Dr. Ernstpeter Maurer. Für Unterstützung und Ermutigung danke ich Prof. Dr. Bruce McCormack und Prof. Dr. Darrell Guder für gute Gespräche. Peter Zocher danke ich für die Bereitstellung seiner Expertise während meines Besuchs des Basler Barth-Archivs. Mein herzlicher Dank gilt den vielen akademischen Wegbegleitern, welche die Entstehung dieser Arbeit mit Rat und Tat befördert haben, deren Zahl so groß ist, dass ich sie hier leider nicht alle anführen kann. Zu nennen ist die Tübinger „Mittagsessensrunde“, der ich für den täglichen Austausch und die gegenseitige Unterstützung danke, besonders Dr. Jeremias Gollnau, Dr. Dorothee Dettinger und Dr. Frank Dettinger. Ich danke Katharina Gutekunst herzlich für den engen, bereichernden Austausch und das gegenseitige Korrekturlesen. Des Weiteren danke ich für Ermutigung, anregende Diskussionen und die Lektüre einzelner Kapitel https://doi.org/10.1515/9783110574876-001

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Vorwort

Prof. Dr. Hanna Reichel und Michael Pfenninger. Ferner verdanke ich den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Barth-Tagungen auf dem Leuenberg, der Summer School des AK Analytische Theologie zu „Theological Realism“ sowie der Werkstatt am Präbichl des Evangelischen Bundes wichtige Anregungen. Besonders möchte ich mich bei meiner Familie bedanken. Meine Eltern Ingrid und Uwe Klein haben mich stets gefördert und liebevoll unterstützt. Meiner Mutter gilt darüber hinaus der Dank für das Korrekturlesen des gesamten Manuskripts. Mein Ehemann Simon Schüz hat mich den gesamten Schreibprozess hindurch mit seiner Liebe und philosophisch-theologischen Expertise begleitet und gestärkt. Ihm widme ich dieses Buch. Für die Aufnahme der Dissertation in die Reihe „Theologische Bibliothek Töpelmann“ bedanke ich mich bei den Herausgebern. Für großzügige Druckkostenzuschüsse danke ich der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Union Evangelischer Kirchen (UEK) sowie der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Dem Verlag De Gruyter danke ich für die Zusammenarbeit bei der Drucklegung. Oestrich-Winkel, im August 2018 Juliane Katharina Schüz (geb. Klein)

Einleitung

1 Problemaufriss und Thema der Arbeit In der vorliegenden Arbeit wird die anthropologische Gestalt des Glaubens in Karl Barths Kirchlicher Dogmatik (KD) herausgearbeitet. Dies dient der Klärung eines Barth wiederholt vorgeworfenen Grundproblems: Der Ansatz bei einer Offenbarung, die den Menschen „senkrecht von oben“¹ trifft, scheint den Menschen und dessen Glauben in wesentlichen Aspekten auszublenden,² zumal Barth den Glauben nicht als „eine menschliche Möglichkeit“³ versteht. Eine derartige Kritik bringt zum Beispiel Rudolf Bultmann vor, wenn er gegen Barth betont, dass der Glaube als „der Glaube eines Glaubenden, d. h. eines existierenden Menschen“ verstanden werden müsse.⁴ Eine verwandte Kritik formuliert Dietrich Bonhoeffer, wenn er konstatiert, dass das glaubende Ich bei Barth ein „himmlischer Doppelgänger“ des empirischen Ich sei.⁵ Diese Kritik wurde nicht nur von Zeitgenossen und angesichts von Barths Römerbrief-Kommentar geäußert,⁶ sondern der Vorwurf wird in ähnlicher Weise  K. Barth, Der Christ in der Gesellschaft (1919), in: K. Barth, Vorträge und kleinere Arbeiten 1914– 1921, S. 556 – 598, 564.  Auf diese grundsätzliche Kritik an Barth weist zum Beispiel Wolf Krötke hin, der ihr mit seiner Analyse des Gott-Mensch-Verhältnisses als Partnerschaft zu widersprechen sucht, vgl.W. Krötke, Gott und Mensch als ‚Partner‘. Zur Bedeutung einer zentralen Kategorie in Karl Barths Kirchlicher Dogmatik, in: Theologie als Christologie, hg. v. H. Köckert, W. Krötke, Berlin 1988, S. 106 – 120, 107– 109.  Vgl. K. Barth, Barth an Bultmann. 5. Feb. 1930, in: K. Barth; R. Bultmann, Karl Barth – Rudolf Bultmann Briefwechsel 1922– 1966, S. 100 – 102, 101.  R. Bultmann, Bultmann an Barth. 8.6.1928, in: K. Barth; R. Bultmann, Karl Barth – Rudolf Bultmann Briefwechsel 1922– 1966, S. 80 – 82, 81. Vgl. auch R. Bultmann, Karl Barths „Römerbrief“ in zweiter Auflage (1922), in: Anfänge der dialektischen Theologie I, hg. v. J. Moltmann, München 1977, S. 119 – 142, 130: „Ist der Glaube, wenn er von jedem seelischen Vorgang geschieden, wenn er jenseits des Bewußtseins ist, überhaupt noch etwas Wirkliches? Ist nicht das ganze Reden von diesem Glauben eine Spekulation, und zwar eine absurde? Was soll das Reden von meinem ‚Ich‘, das nie mein Ich ist? Was soll dieser Glaube, von dem ich höchstens glauben kann, dass ich ihn habe?“ Siehe hierzu auch die Analyse in C. Landmesser, Christus und Adam oder Adam und Christus. Anmerkungen zur Auseinandersetzung zwischen Karl Barth und Rudolf Bultmann im Anschluss an Röm 5, in: ZDTh 23.2 (2007), S. 153 – 171, 156 – 158.  D. Bonhoeffer, Akt und Sein. Transzendentalphilosophie und Ontologie in der systematischen Theologie, DBW 2, hg. v. H.-R. Reuter, München 1988, 95. Zur Herleitung dieses Begriffs siehe C. Tietz, Bonhoeffers Kritik der verkrümmten Vernunft. Eine erkenntnistheoretische Untersuchung, Tübingen 1999, 165.  Zur ‚frühen‘ Kritik vgl. M. Beintker, Kontingenz und Gegenständlichkeit. Zu Bonhoeffers Barth-Kritik in ‚Akt und Sein‘, in: M. Beintker, Krisis und Gnade, S. 1– 21; M. Beintker, Karl Barth, in: Bonhoeffer Handbuch, hg. v. C. Tietz, Tübingen (in Vorbereitung); C. Tietz, Barth und Bonhoeffer, in: Barth Handbuch, hg. v. M. Beintker, Tübingen 2016, S. 111– 116. https://doi.org/10.1515/9783110574876-002

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auch noch gegenwärtig und gegenüber der KD erhoben. Emil Brunner kritisiert 1963 an Barth, „daß dem Glauben gegenüber der Offenbarung Gottes ein durchaus untergeordneter Platz zukommt“.⁷ Zuletzt formulierte Rainer Goltz den Vorwurf, dass bei Barth „die Rolle des Menschen dabei [im Offenbarungsgeschehen] theologisch und phänomenologisch unzulässig marginalisiert“ und so „der Mensch in seiner geschöpflich-personalen Struktur […] als Adressat der Offenbarung […] bewusst ausgeblendet“ werde.⁸ Damit schließt sich Goltz – auch unter Einbeziehung der KD – dem von Bonhoeffer in anderem Zusammenhang gegen Barth erhobenen Vorwurf des Offenbarungspositivismus explizit an⁹ und zieht das Fazit, dass Barth „an einer Beschreibung der Vorgänge innerhalb der Struktur personaler Humanität gänzlich uninteressiert“ sei.¹⁰ Diese Kritik einer anthropologischen ‚Leerstelle‘ formuliert auch Konrad Stock, demzufolge der Glaube bei Barth als menschliches wie als göttliches Werk „unterbestimmt“ bleibe, denn es fehlten Aussagen zur existenzbestimmenden Gewissheit, zur Kraft des Glaubens, zu Selbstgefühl und Affekten.¹¹ Welche theologiegeschichtlichen Hintergründe motivieren Barth, eine so kontroverse Glaubenskonzeption zu entwerfen? Barth grenzt sich mit seinem Glaubensbegriff von dem Paradigma ab, das um 1900 unter vielen liberalen Theologen im Deutschen Kaiserreich und in der Schweiz vorherrschend ist. Diese bestimmten den christlichen Glauben im deutlichen Gegensatz zu einer dogmatischen, moralischen oder kirchlichen Auffassung grundlegend als innerliches Vertrauen und subjektives Gefühl. Dieses Paradigma, das sich in verschiedenen Formen und Schwerpunktsetzungen um 1900 findet, kann man z. B. bei Adolf von Harnack, in der Göttinger Religionsgeschichtlichen Schule, in diversen

 So Brunner 1963 in der die erste Auflage von 1938 ergänzenden Einführung: E. Brunner, Wahrheit als Begegnung, Zürich, Stuttgart 1963, 48 f.  R. Goltz, Das Werden der Gewissheit. Eine Untersuchung zum protestantischen Verständnis von Offenbarung als Grund des Glaubens im Anschluss an die Theologien von Barth, Ebeling und Herms, Leipzig 2008, 132.  Vgl. ebd., 135 – 139; vgl. D. Bonhoeffer, Bonhoeffer an Eberhard Bethge. 30.04.44 (Nr. 137), in: D. Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, S. 401– 408, 404. Zu den verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten des Bonhoefferschen Vorwurfs siehe den Überblick bei E. van ’t Slot, Negativism of Revelation? Bonhoeffer and Barth on Faith and Actualism, Tübingen 2015, 208 – 226.  R. Goltz, Das Werden der Gewissheit, 142. Einen ähnlichen Einwand hat auch McGrath formuliert: „Barth believes it is possible to exclude anthropological considerations altogether from theology.“ (A. E. McGrath, The Making of Modern German Christology. From the Enlightenment to Pannenberg, Oxford 1986, 105 f.).  Vgl. K. Stock, Einführung. Die Wirklichkeit des Glaubens als Gegenstand der Theologie, in: Marburger Jahrbuch Theologie IV, hg. v. W. Härle, R. Preul, Marburg 1992, S. 1– 11, 6.

1 Problemaufriss und Thema der Arbeit

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Strömungen der Religionsphilosophie oder in der subjektivistisch-psychologischen Theologie Georg Wobbermins und seiner Schüler wiederfinden. Diese unterschiedlichen Ausprägungen des subjektzentrierten Glaubensbegriffs haben keine einheitliche ‚Quelle‘, auch wenn sich die meisten auf die Entwürfe Albrecht Ritschls und Friedrich Schleiermachers beziehen. So stellte zum Beispiel von Harnack den unendlichen Wert des Menschen in den Mittelpunkt und bestimmte entsprechend Zuversicht und Nächstenliebe als die zentralen Merkmale des Glaubens.¹² Gepaart wurde diese Vorstellung mit einer Skepsis gegenüber einem philosophisch-metaphysischen Gottesbegriff und einer Auffassung von Theologie als Dogmatik.¹³ Stattdessen sprach man von einem Erlebnis des Glaubens, um der innerlichen Tiefe und Ungreifbarkeit des Geisteslebens Ausdruck zu geben. Gegenüber diesem religionsphilosophischen Paradigma formuliert Barth einen Glaubensbegriff, der fundamental auf der Beziehung zum Glaubensgegenstand aufbaut, den er als Wort Gottes bzw. Jesus Christus bestimmt. Damit greift Barth auf die reformatorische Theologie zurück und formuliert traditionelle Aussagen über den Glauben neu für seine Zeit, die durch die Krisen des Umbruchs und der Weltkriege geprägt ist. Zentral ist dabei, dass Barth die Objektivität Gottes neu betont und seiner erschütterten Welt und Zeit gegenüberstellt.¹⁴ So ist sein Glaubensverständnis grundlegend davon geprägt, dass er bei der Offenbarung Gottes ansetzt, die den menschlichen Glauben konstituiert.¹⁵ Die Besonderheit Barths liegt jedoch nicht nur in seinem Offenbarungsverständnis (s.o.), sondern auch in seiner radikalen Interpretation der effektiven Rechtfertigung in Jesus Christus (s.u. 6.4). Dieses radikale Verständnis einer bereits für alle verwirklichten Rettung führt in der Konsequenz dazu, dass weder die Kirche die göttliche Gnade vermitteln noch Christus erst im Gläubigen präsent

 Vgl. A. von Harnack, Das Wesen des Christentums, hg. v. T. Rendtorff, Gütersloh 1999, 86 – 104, bes. 87.  Deutlich wird der unterschiedliche Ansatz Barths und Harnacks in dem offen ausgetragenen Disput der beiden um Methode und Gegenstandsbezug der Theologie, wie er sich exemplarisch an den „15 Fragen“ zeigt: vgl. A. von Harnack, Offener Brief an Karl Barth. 15 Fragen an die Verächter der wissenschaftlichen Theologie unter den Theologen, in: ChW 37 (1923), S. 142. Der weitere Briefwechsel hierzu findet sich in K. Barth, Offene Briefe 1909 – 1935, KBG V, hg. v. D. Koch, Zürich 2001.  Hierbei steht auch noch die Erschütterung des Historismus um 1860 im Hintergrund, gegen die Barth gleichsam ‚trotzdem‘ die Objektivität Gottes betont und Gottes ‚Deus dixit‘ als Fundament rehabilitiert.  Weder religionsphilosophische Spekulation noch religiöse Erfahrung und Gefühl sollen zum Ausgangspunkt seiner Theologie werden (s.u. 1.1.1).

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1 Problemaufriss und Thema der Arbeit

sein muss.¹⁶ Stattdessen verschiebt sich die Relevanz des Glaubensereignisses in die lebensverändernde Kenntnis Gottes, wie in der vorliegenden Untersuchung zu zeigen ist.¹⁷ Diese Besonderheit Barths wird im deutschsprachigen und im englischsprachigen Raum unterschiedlich diskutiert. In der englischsprachigen Debatte steht im Fokus, ob die substantielle Einheit (unio) zwischen Christus und dem Gläubigen bei Barth ‚zu retten‘ ist.¹⁸ In der deutschsprachigen Diskussion hingegen geht es primär um die Problematik, dass Barths radikale Deutung des Christusgeschehens die Rolle des Menschen abwerten bzw. gar exkludieren könnte (s.u. Kap. 6.4). Diese Problematik spezifiziert die eingangs angeführte Kritik an Barths Offenbarungsverständnis und wird daher in der vorliegenden Arbeit stärker fokussiert werden.¹⁹ Barths starker Offenbarungsbegriff, sein Anspruch der exklusiven Fundierung der Dogmatik im Wort Gottes, sein radikaleffektives Rechtfertigungsverständnis und seine strikt christologische Entfaltung der Anthropologie führen somit zu einer Kritik der Unterbestimmtheit des menschlichen Glaubens. Es scheint, als ob ausgehend von diesen dogmatischen Voraussetzungen die menschliche Glaubenswirklichkeit weder angemessen erfasst noch ihr eine substantielle Funktion innerhalb der Dogmatik zugestanden werden kann. Träfen diese Vorwürfe zu, dann wären sowohl Barths Glaubensbegriff als auch sein Offenbarungsbegriff als Offenbarung an den Menschen defizitär. In der vorliegenden Arbeit soll gezeigt werden, dass und wie Barth durchaus den menschlich vollzogenen Glauben thematisiert, jedoch in einer für seine Theologie spezifischen Weise.²⁰ Ein sekundäres Ziel der Arbeit ist dabei, von Barth Impulse für die gegenwärtige systematische Bestimmung des Verhältnisses von  Die Arbeit verwendet durchweg die Bezeichnungen „der Gläubige“ und „er“ als Kurzform für die geschlechterneutrale Form ‚der gläubige Mensch‘.  Diese grundsätzliche Bestimmung des Glaubens als ‚Kenntnis Gottes‘ findet sich in Barths Römerbriefkommentaren (s.u. 2.1.1) und vielfach in der KD, besonders in IV/1 § 63.2 (s.u. Kap. 6.4 und Kap. 8).  Exemplarisch dazu Paul Nimmos kurze, kritische Besprechung von George Hunsingers Verständnis von „participation as union over one of participation as correspondence“ in P. Nimmo, Being in Action. The Theological Shape of Barths Ethical Vision, 2007, 178 f.  So ist der Glaube bei Barth beispielsweise nach Vorster nur eine noetische Resonanz auf das objektive Offenbarungs- und Gnadenwirken Gottes. Vgl. H. Vorster, Art. „Glaube“, in: HWPh 3 (1974), Sp. 627– 643, 640, der sich mit dieser Aussage auf KD I/1, 249 bezieht.  Dabei wird die grundsätzliche Bestimmung des Glaubensbegriffs in Entelechie auf seine letzte Gestalt in KD IV gewonnen. Inwiefern IV/1, § 63 Barths Festlegung zum Thema Glauben in „endgültiger Weise“ darstellt, erörtert auch M. Seils, Glaube, Gütersloh 1996, 185, Anm. 1. Die vorliegende Arbeit wählt somit einen synthetischen und rezeptionsorientierten Zugriff auf die KD. Zum Umgang mit historischen Entwicklungen Barths und spannungsvollen Tendenzen innerhalb der KD s.u. Kap. 2.1.2.

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menschlichem Glauben und Gott zu gewinnen, denn wie mehrere jüngere Arbeiten beanstanden, ist „[d]ie theologische Explikations- und Begründungsaufgabe, die dem Grundbegriff ‚Glaube‘ gilt, im gegenwärtigen Diskurs nicht befriedigend gelöst worden.“²¹ Der Titel Glaube „zwischen Exentrizität und Deutung“ beschreibt die spezifische Eigenart des Barthschen Glaubensverständnisses, wie es im Folgenden entwickelt werden soll.²² Es wird gezeigt werden, dass der Gläubige exzentrisch in Jesus Christus begründet ist. Im gottgewirkten Glaubensakt erkennt ein Mensch sein wirkliches Sein extra se in Jesus Christus und lebt von dort her bestimmt. Doch auch in der KD ist Barths Denken noch von der Dialektik zwischen Selbstmitteilung Gottes und der Unverfügbarkeit dieses göttlichen Wortes geprägt.²³ So wird weiter gezeigt werden, dass dem Gläubigen dieses Gotteswerk des Glaubens auch in seiner Erschlossenheit unverfügbar bleibt. Zugleich wird Barths Glaubensverständnis sowohl von einem theandrischen Verständnis als auch von einem realisiert eschatologischen Verständnis abgegrenzt werden und ist gerade kein gottmenschliches Ereignis. Stattdessen sei der Glaube strikt eine menschliche Tat, die zwar durch Gott ermöglicht ist, aber als irdisch-menschliche Tat auf Gottes Werk in Jesus Christus antwortet. Die durch Gott im Glauben erschlossene Erkenntnis der eigenen Exzentrizität in Jesus Christus bleibt insofern für den Gläubigen im Bereich seines menschlich-produktiven Erkenntnisvermögens. Als eine solche unverfügbare Erschlossenheit, die jedoch im Bereich der menschlichproduktiven Antwort liegt, wird der Glaube im Verlauf dieser Arbeit durch den Begriff der Deutung expliziert. Im folgenden Abschnitt wird erstens mit einer Annäherung an das Thema Glaube bei Barth begonnen, um die Besonderheiten des Barthschen Ansatzes

 K. Stock, Einführung, 1. Diese Kritik nimmt auch Seils auf und versucht ihr durch seine Besprechung des Glaubens zumindest teilweise Abhilfe zu schaffen: M. Seils, Glaube, 15. Außerdem kritisiert Heiko Schulz, dass es wenig neuere deutsche Forschung zum Glauben und seinem Verhältnis zum Geglaubten gibt (vgl. H. Schulz, Theorie des Glaubens, Tübingen 2001, 1– 4). Jüngst hat Christiane Tietz auf die Notwendigkeit hingewiesen, den Glauben in seinem Verhältnis zu Gott zu untersuchen (siehe: C. Tietz, Von Schleiermacher zu Dworkin. Anmerkungen zum Verhältnis von Glaube und Gott. Antrittsvorlesung an der Universität Zürich am 18. April 2015 (in Vorbereitung)).  Siehe hierzu besonders die Erklärung der beiden Interpretationsbegriffe unten in 1.3.3.  Vgl. zu dieser grundsätzlichen Bestimmung der Barthschen Dialektik zwischen Selbstmitteilung und Unverfügbarkeit Gottes: M. Beintker, Karl Barth. Eine Einführung, in: M. Beintker, Krisis und Gnade, S. 246 – 263, 247. Zur dialektischen Methode Barths siehe ferner W. Kreck, Grundentscheidungen in Karl Barths Dogmatik. Zur Diskussion seines Verständnisses von Offenbarung und Erwählung, Neukirchen-Vluyn 1978, 26 – 31.

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aufzuzeigen (1.1).²⁴ Dies führt zu einer ersten Klärung, wie Barth den menschlichen Glauben in striktem Bezug auf Gott versteht (1.1.3). Zweitens soll in einem Forschungsüberblick gezeigt werden, dass bisher noch keine ausführliche Auseinandersetzung mit Barths Glaubensverständnis hinsichtlich der menschlichen Wirklichkeit des Glaubens vorliegt und die Arbeit somit eine Lücke in der Barthforschung schließt (1.2). Drittens illustriert eine Skizze gegenwärtiger Ansätze zum Thema Glauben in der Theologie den weiteren Problemhorizont, in den Karl Barths Glaubensverständnis eingezeichnet werden soll (1.3). Schließlich folgen ein Überblick über das nähere Vorgehen und die Thesen der Arbeit (1.4) sowie ein Ausblick auf das Verhältnis des Themas zu Ekklesiologie und Pneumatologie bei Barth (1.5).

1.1 ‚Glaube‘ – Ein für Barth untypisches Thema? In seiner Vorlesung „Einführung in die evangelische Theologie“ (1962) benennt Barth „[e]inige Abgrenzungen zu dem schon im älteren und besonders im neueren Protestantismus sehr strapazierten Begriff des Glaubens“:²⁵ Dieser solle erstens nicht zum „ontischen Zentralbegriff“ der Theologie werden und zweitens dürfe nicht die Vergottung des Glaubenden gelehrt werden.²⁶ Stattdessen sei der Glaube

 Die Weite und der Facettenreichtum des Themas ‚Glaube‘ machen einen Gesamtüberblick praktisch unmöglich. Zu dieser Problematik siehe R. Slenczka, Art. „Glaube VI. Reformation/ Neuzeit/ Systematisch-theologisch“, in: TRE 13 (1984), S. 318 – 365, 319 und M. Seils, Glaube, 15. Versuche eines allgemeinen Überblicks zum Thema Glauben finden sich zum Beispiel bei Slenczka, Art. „Glaube VI. Reformation/ Neuzeit/ Systematisch-theologisch“; E. Jüngel, Art. „Glaube, IV. Systematisch-theologisch“, in: RGG4 3 (2000), Sp. 953 – 974 und M. Seils, Glaube. Einen knappen Überblick über die semantischen und syntaktischen Aspekte von ‚glauben‘ bietet H. Schulz, Theorie des Glaubens, 227– 230. Folgend soll nur auf eine begrenzte Auswahl wichtiger Publikationen über den Glauben aus jüngerer Zeit hingewiesen werden: Zwei in ihrer Ausführung sehr unterschiedliche Analysen des Glaubensphänomens im Hinblick auf seinen Wirklichkeitsbezug bieten ebd. und D. Korsch, Religionsbegriff und Gottesglaube. Dialektische Theologie als Hermeneutik der Religion, Tübingen 2005. In zwei Aufsatzsammlungen entwickelt Herms einen eigenen Zugang zum Thema: E. Herms, Grund und Gegenstand des Glaubens nach römisch-katholischer und evangelisch-lutherischer Lehre. Theologische Studien, Tübingen 2008; E. Herms, Phänomene des Glaubens. Beiträge zur Fundamentaltheologie, Tübingen 2006. HansMartin Barth setzt sich umfassend mit der Plausibilisierung des Glaubens, säkularen Anfragen und dem pluralistischen Kontext der Weltreligionen auseinander: H.-M. Barth, Authentisch glauben. Impulse zu einem neuen Selbstverständnis des Christentums, Gütersloh 2010.  K. Barth, Einführung in die evangelische Theologie, Zürich 1962, 108 f.  Ebd., 110 f. Barth führt dort vier Abgrenzungen zum Glaubensbegriff an. Neben den beiden Genannten noch drittens, dass der Glaube kein „Vermuten“ und „Postulieren“, sondern vielmehr

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von der „Begegnung“ mit dem Glaubensgegenstand her zu verstehen.²⁷ Hiermit grenzt Barth sich unter anderem gegen die Theologie Friedrich Schleiermachers ab, in der der Mensch laut Barth „Subjekt, Christus aber sein Prädikat geworden ist“.²⁸ Demgegenüber betont Barth, dass Gott im ‚Hauptsatz‘ der Theologie stehe, der Mensch nur im ‚Nebensatz‘ oder als ‚Prädikat Gottes‘. Dies gilt es nun in Abschnitt 1.1.1 zu erörtern. Die dort nachgezeichnete Unterscheidung Barths zwischen dem Glauben und Gott als dem Glaubensgegenstand soll Abschnitt 1.1.2 durch Abgrenzung zur traditionellen Unterscheidung von fides qua und fides quae profilieren. Im dritten Abschnitt 1.1.3 soll Barths Verständnis des Glaubens und des Glaubensgegenstandes skizziert werden: In dieser Gegenstandsbezogenheit ist der Glaube für Barth ein Thema der Theologie, sodass sich dort eine erste Annäherung an sein Verständnis des Glaubens als menschliche Tat darstellen lässt.

1.1.1 Barths Einspruch gegen eine ‚Glaubenslehre‘ „Der Glaube ist die conditio sine qua non, nicht aber – wie käme er auch dazu? – der Gegenstand und also das Thema der theologischen Wissenschaft.“²⁹ Hiermit verwehrt sich Barth eindeutig dagegen, den Glauben als Zentrum der Dogmatik anzusehen, nicht jedoch dagegen, den Glauben im Rahmen der Dogmatik überhaupt zu thematisieren. Zwar ist die Dogmatik auch für Barth ein „Glaubensakt“ (I/1, 16) und sie bedarf des Glaubens des Dogmatikers (vgl. I/1, 18), aber sie ist keine Glaubenslehre. In KD IV/1 bezeichnet Barth die Versöhnung durch Jesus Christus als „Mitte ihres [der christlichen Botschaft] Gegenstandes, ihres Ursprungs und Inhalts“ und wendet sich damit explizit dagegen, den christlichen Glauben als „Mitte“ zu bestimmen (IV/1, 1).³⁰ Selbst gegen Luther äußert Barth die Kritik, dass bei jenem „doch das Problem des Subjektiven, des die göttliche

„gewissestes Wissen“ sei, weil der Gegenstand des Glaubens Gott ist (ebd., 109), und viertens grenzt Barth sich von einer fides implicita ab (vgl. ebd., 109 f).  Ebd., 110.  K. Barth, Geschichte der protestantischen Theologie. Vorlesung aus dem Wintersemester 1929/30 in Bonn, Zürich 1943, 424.  K. Barth, Einführung in die evangelische Theologie, 111.  Dies begründet Barth in IV/1, 1 damit, dass der Glaube von der empfangenen Botschaft als seiner Mitte lebt und daher nicht selbst zur Mitte werden könne. Dementsprechend ist die Versöhnungslehre und Christologie zentrales Thema in der KD.

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Offenbarung und Versöhnung empfangenden Menschen, man möchte fast sagen: das theologische Problem gewesen ist“ (I/2, 274).³¹ Gegen eine zentrale Stellung des Glaubens sprechen nach Barth verschiedene Gründe: Methodisch sei eine Glaubenslehre „uns nicht erlaubt“, weil die Dogmatik nicht bloß am Maßstab des menschlichen Glaubens zu prüfen sei, sondern an dem verheißenen und insofern auch gegenwärtigen Wort Gottes (I/2, 893).³² Indem „Gott gesprochen hat, spricht und sprechen wird“, sei der „anthropologische[ ] Ansatz der Theologie Schleiermachers unmöglich [ge]macht“ (I/2, 893). Nicht der menschliche Glaube, sondern vielmehr das Wort Gottes ist demnach für Barth das Kriterium der Dogmatik. Nur gemäß einer eigenen Definition von ‚Glaubenslehre‘ wäre Barth bereit, seine Dogmatik auch als eine solche zu bezeichnen, denn insofern sie die Darstellung des „Inhalts der Erkenntnis und des Bekenntnisses des christlichen Glaubens“ ist, wäre es „nicht absolut ausgeschlossen, daß sie sich auch als ‚Glaubenslehre‘ verstehen und bezeichnen könnte“ (IV/1, 827). Entsprechend weist Barth auch Schleiermachers der materialen Dogmatik vorgeordnete Lehnsätze zurück als eine der Dogmatik äußerliche und sie dadurch fremdbestimmende Ontologie (vgl. I/1, 35 – 39). Der Glaube kann somit nach Barth nicht in den Prolegomena verortet werden, sondern kommt erst in den materialen Ausführungen der Dogmatik vor, als ein „zum Inhalt der Erkenntnis und des Bekenntnisses“ gehörendes Thema (IV/1, 827): „Sie [Verfasser einer Glaubenslehre, J. S.] gingen von der Voraussetzung aus: der christliche Glaube als solcher sei, wie man auch zu ihm Stellung nehme, ein allgemein bekanntes und darum auch Jedermann als solches verständlich zu machendes Faktum und Phänomen […]. Die Aufgabe der Dogmatik wäre nach diesen Konzeptionen gewesen: die Beschreibung des christlichen Glaubens als solchen (der fides qua creditur) und die Aufzählung, Auslegung und Erklärung seiner charakteristischen Aussagen (der fides quae creditur).“ (IV/1, 827).

 Ebeling wendet hiergegen ein, „daß bei Luther der Glaube nicht zu Jesus Christus in Konkurrenz tritt“ und es „im Gegenteil alarmierend [ist], wenn diese Prävalenz des Glaubens, aus welchen Gründen auch immer, verdächtig erscheint“, denn in dieser Zusammengehörigkeit von Christus und Glauben kommt zum Ausdruck, „welchen Bezug Christus zum Leben hat“ (G. Ebeling, Lutherstudien: Begriffsuntersuchungen – Textinterpretationen – Wirkungsgeschichtliches, Tübingen 1985, 559).  Nach Barth droht sonst die Gefahr, dass „das Erfahren und Sichverhalten des erkennenden Subjektes zum Kriterium der theologischen Erkenntnis erhoben“ (I/1, 19) wird. Zwar betrifft der Glaube auch nach Barth „die Existenz des Menschen“ (I/1, 20), aber hinsichtlich der theologischen Erkenntnis soll eine Abhängigkeit von der menschlichen Erfahrung vermieden werden. Weiter zeigt sich diese methodische Ablehnung einer Glaubenslehre auch in I/2, 10 f. und I/2, 909.

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Demnach liegt ein weiterer Unterschied zur Form der „Glaubenslehre“ (IV/1, 827) darin, dass der Glaube für Barth nichts allgemein Bekanntes ist, insofern er auch nicht aus einer allgemeinen Anthropologie hergeleitet und der Dogmatik vorgeordnet werden kann. Sowohl gegen Schleiermacher und Wilhelm De Wette (vgl. I/1, 36) wie auch gegen Brunner³³ konstatiert Barth, dass der Glaube „unabhängig von den angeborenen oder erworbenen Eigenschaften und Möglichkeiten des Menschen“ sei, da er allein vom Worte Gottes lebe (I/1, 249). Dem liegt zugrunde, dass die Möglichkeit des Glaubens nur actualiter in der Wirklichkeit Gottes besteht und gerade „nicht so, daß man sie, diesen Menschen betrachtend, irgendwo in oder an ihm entdecken oder ablesen könnte“ (I/1, 249).³⁴ Das bedeutet aber, dass zur Untersuchung der Struktur des Glaubens nicht schlicht der gläubige Mensch in abstracto betrachtet werden kann, denn dadurch würde das für den Glauben konstitutive Verhältnis zu Jesus Christus als dem Worte Gottes nicht mit erkannt.³⁵ Um zu Aussagen über den Menschen und sein Gottesverhältnis zu gelangen, gründet Barth daher innerhalb der materialen Dogmatik die „Anthropologie auf die Christologie“ (III/2, 50). Barths Grundannahme ist, dass es der Gottmensch Jesus Christus ist, in dem uns das wahre Menschsein und im Zusammenhang damit auch die gläubige Gottesbeziehung dieses Menschen offenbar wird. Daher muss Barth zufolge die Analyse des Glaubens an Jesus Christus als dem wahrhaft gläubigen Menschen ansetzen. An Jesus Christus könne erstens gezeigt werden, dass der Mensch von Gott her zur Gottesbeziehung bestimmt ist, und zweitens, wie der Mensch in der Gottesbeziehung leben soll. Dementsprechend schreibt Barth, dass zur Untersuchung des Glaubens zuerst Jesus Christus als der „Grund“ (IV/1, 827) und „Gegenstand“ des Glaubens zureichend geklärt sein müsse, bevor dann auch der Glaube des Christen an Jesus Christus „kurz zum selbstständigen Thema werden“ kann (IV/1, 828).³⁶ Durch diesen strikt christologischen Zugriff auf den

 Siehe hierzu die ausführliche Auseinandersetzung mit der Thematik des Anknüpfungspunktes in Kap 3.  Hier reiht sich auch Barths Religionskritik in I/2, § 17 ein, in der Barth den wahren Glauben gegen die menschliche Religion abgrenzt (s.u. Kap. 9.4.3), denn Religion im Singular wurde als „anthropologische Kondition des Menschseins verstanden“ (M. Beintker, Glaube und Religion. Das Barthsche Erbe, in: M. Beintker, Krisis und Gnade, S. 136 – 152, 141). Vgl. auch IV/1, 169, wo Barth erneut gegen Schleiermachers Fokus auf den homo religiosus incurvatus in se polemisiert.  Noch weiter zugespitzt wird diese Position in den Überlegungen zur Anthropologie in KD III, denen zufolge die Betrachtung des irdischen Menschen noch nicht einmal die wahre geschöpfliche Natur des Menschseins entdecken könne, sei diese doch durch die Sünde bis zur Unkenntlichkeit verdunkelt (vgl. III/2, 32). Siehe hierzu die Erörterungen in Kap. 4.1.  Kritik an dieser Polemik äußerte u. a. G. Ebeling, Jesus und Glaube, in: G. Ebeling, Wort und Glaube, S. 203 – 254, 204 f., Anm. 2.

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menschlichen Glauben erklärt sich auch, warum Barth den Glauben als „ein in der christlichen Religion … Verborgenes“ bezeichnet, „das als solches selbst nur geglaubt, nur im Glauben erkannt und bekannt werden kann.“ (IV/1, 827) Diese Reihenfolge spiegelt bei Barth jedoch nicht nur eine Erkenntnisordnung wider, sondern auch der Sache nach ist der Glaube auf seinen Gegenstand angewiesen, denn ‚Glauben‘ sei nicht schon selbst ein inhaltlich gefüllter Begriff und als solcher untersuchbar, sondern er bedürfe der inhaltlichen Konturierung durch denjenigen, an den geglaubt wird.³⁷ Deutlich wird diese Auffassung an den Nachlassfragmenten zur KD. Dort sucht Barth nach einem „ethischen Zentralbegriff“ für die Versöhnungsethik und bespricht, ob es sinnvoll wäre, von einer „Ethik des Glaubens“ zu sprechen. Dagegen wendet er jedoch selbst ein, dass – wenngleich die Ethik im Gehorsam des Glaubens geschieht – Glaube nur eine „formal[e]“ Beschreibung leiste, „soll er etwas ethisch Inhaltliches aussagen“, wäre er „bestimmter Füllungen bedürftig“.³⁸ Dementsprechend kritisiert Barth auch 1959 an Gerhard Ebeling, dass bei diesem der „Fideismus bzw. Fideimonismus“ drohe, wenn Glaube „nicht ausdrücklich als Glaube an Jesus Christus oder ähnlich definiert werde[ ]“.³⁹ Sobald Jesus Christus, das Wort Gottes oder der Heilige Geist „nur als Prädikate des Glaubens in Betracht gezogen werden, erscheint dieser als eine sich selbst hervorbringende und genügende Hypostase.“⁴⁰ Stattdessen, so fordert Barth, müsse „gerade dieses Subjektsein des Menschen im Glauben eingeklammert als Prädikat des Subjektes Gott“ verstanden werden (I/1, 258).⁴¹ Hierbei bestimmt Barth Gott als eigentliches und wahres Subjekt, ohne jedoch die Eigenständigkeit der menschlichen Subjektivität nivellieren zu wollen. Um beides zu bewahren, unterscheidet Barth die Ebenen des Schöpfers und des Geschöpfes: So „wie eben der Schöpfer sein Geschöpf … umklammert“, so kann es

 So betont Barth auch in seiner Credo-Vorlesung: nicht das ‚Dass‘ des Glaubens sei entscheidend, sondern vielmehr die Bestimmung dessen, woran geglaubt wird, denn „[i]ndem das Bekenntnis [Apostolikum] vom Subjektiven schweigt […] redet es auch am besten, am tiefsten und vollkommensten von dem, was dabei mit uns Menschen vorgeht, was wir sein und tun und erleben dürfen.“ (K. Barth, Dogmatik im Grundriß, Zürich 2006, 17) Das Subjekt des Glaubens steht bei Barth also explizit nicht im Mittelpunkt der Darstellung, aber es soll gerade dadurch, dass es nicht ins Zentrum gestellt wird, auf ihm gemäße Weise behandelt werden.  K. Barth, Das christliche Leben. Die Kirchliche Dogmatik IV, 4, Fragmente aus dem Nachlaß. Vorlesungen 1959 – 1961, KBG II, hg. v. H.-A. Drewes, E. Jüngel, Zürich 1976, 59 f. Vgl. auch M. Seils, Glaube, 217 f., Anm. 224.  K. Barth, Das christliche Leben, 59.  Aus einer handschriftlichen Notiz Barths über Ebelings Werk, Das Wesen des christlichen Glaubens vom 29. Juli 1959, in: ebd., 59 f., Anm. 20.  Siehe hierzu die Ausführungen des Glaubens als an-en-hypostatisches Sein in Jesus Christus: Kap. 4.3.3.

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bei „jenem Subjektsein des Menschen“ bleiben und doch ist „gerade dieses, gerade das Ich des Menschen als solches, nur noch von dem Du des Subjektes Gott her“ bestimmt (I/1, 258). Es kann daher festgehalten werden, dass Barth den Glauben überhaupt nur insofern zum Thema macht, als er diesen in direkter Rückbindung an Gott als Glaubensgegenstand betrachtet.⁴² Zweitens ist Gott als Glaubensgegenstand das primäre Subjekt des Glaubens, der Mensch ein dem göttlichen Wirken entsprechendes zweites Subjekt.⁴³ Schon früh geriet diese radikale Gegenstandsorientierung von Barths Dogmatik in die Kritik. So beanstandet Georg Wobbermin, Barth versuche „im methodischen Ansatz der theologischen Arbeit die fides qua creditur grundsätzlich auszuschalten“, wodurch er seine lobenswerte Grundintention in der Durchführung verfehle, denn „nur die grundsätzlich Berücksichtigung des Glaubens im Sinne der eigenpersönlichen Glaubensüberzeugung und Glaubenserfahrung erschließt den Blick in jene letzte Tiefe.“⁴⁴ Auch die spätere Stellungnahme Konrad

 Das Grundmotiv der Nachordnung des Glaubens bzw. des Menschen hinter Gott als dem Glaubensgegenstand findet sich an vielen Stellen der KD wieder. Neben der Rede von ‚Subjekt und Prädikat‘ findet sich auch die Relation von ‚Hauptsatz und Nebensatz‘ (vgl. u. a. IV/1, 273. 277 und IV/3, 545 f.) sowie die Beschreibung als ‚Vorher und Nachher‘: „Der Stand des erkennenden Menschen diesem Gegenstand gegenüber ist der Stand eines grundsätzlichen unaufhebbar dazu bestimmten Nachhers, eines Nachhers, das in keiner Weise in ein Vorher des Menschen verwandelt oder umgedeutet werden kann.“ (II/1, 21). Dabei ordnet Barth die menschliche Autonomie in die göttliche Theonomie ein, wie in Kap. 5 näher gezeigt werden soll.  Der Vorwurf, dass Gott zum Prädikat des Menschen werde, ist Barths inhaltlicher Hauptkritikpunkt an den Glaubenslehren: „Das Sein Jesu Christi ist also nicht, wie Schleiermacher es in seiner Weise genial verstanden und erklärt hat, ein, das höchste, entscheidende und charakteristische Prädikat seiner Gemeinde, das Urbild, der geschichtliche Beziehungspunkt der in ihr lebendigen Frömmigkeit. […] Nein: sie [die Gemeinde] ist nur, indem Er ist. ‚Ich lebe und ihr sollt leben‘ (Joh. 14, 19) lautet die Ordnung. Eben dieser Satz kann und muß aber gewagt werden: daß das Sein der Gemeinde ein Prädikat, eine Dimension des Seins Jesu Christi selber ist.“ (IV/3, 863, Herv. J. S.) Das Problem der Glaubenslehren sei dementsprechend, dass sie implizit den Gläubigen in seiner Individualität und Selbstheit ins Zentrum rücken: „Sie stellten die christliche Wahrheit so dar, als sei das ihre höchste Ehre, rund um das christliche Individuum mit seinem bißchen Glauben rotieren zu dürfen, und man mußte noch froh sein, wenn sie dieses nicht geradezu als ihren Produzenten und Herrn darstellten. Solche Wichtigtuerei kann dem christlichen Individuum nicht verstattet werden.“ (IV/1, 828) Statt um das menschliche Subjekt zu ‚rotieren‘, bestimmt Barth Gottes Wort in Jesus Christus zum Gegenstand und Kriterium der Dogmatik.  G. Wobbermin, Richtlinien evangelischer Theologie zur Überwindung der gegenwärtigen Krisis, Göttingen 1929, 109 f. Barth greift diese Vorwürfe an ihn auf: „‚Die eigenpersönliche Glaubenserfahrung soll ganz ausgeschaltet werden‘. Die Übermittlung der Offenbarung werde nicht so gedacht, ‚daß dabei auch das Naturwesen des Menschen in Betracht kommt‘ – so referiert z. B. G. Wobbermin […] und von E. Schaeder muß ich wieder und wieder […] den allerdings etwas vagen Vorwurf hören, ich sei der Gefahr erlegen, ‚den Protest gegen die Stellung und Geltung des

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Stocks pflichtet bei, dass allein die fides quae bei Barth „ermüdend“ breit geschildert werde.⁴⁵ Barth selbst verneint jedoch diesen Vorwurf der ‚vergessenen fides qua‘: „Ich muß das betonen, weil ich es leid bin, immer wieder das Sprüchlein zu hören, als gehe ich damit um, die Offenbarung und den Glauben hinsichtlich des glaubenden Menschen in die Luft zu stellen, eine fides quae creditur ‚ohne Berücksichtigung der fides qua creditur der eigenpersönlichen Glaubensüberzeugung und Glaubenserfahrung‘ zu lehren.“ (I/1, 218)

Statt aber eine eigene Lehre der fides qua creditur zu entwickeln, um damit die menschliche Gestalt des Glaubens im Verhältnis zu dem vielfach betonten Glaubensgegenstand zu thematisieren, grenzt sich Barth – wie folgend zu zeigen ist – gegen diese Begrifflichkeit selbst ab, da dadurch weder der Glaubensgegenstand noch der Glaube zutreffend erfasst würden.

1.1.2 Barths Abgrenzung von der Unterscheidung fides qua und fides quae Die Diskussion um das Verhältnis von Glaube und Glaubensinhalt wird traditionell am Leitfaden der terminologischen Unterscheidung von fides qua creditur und fides quae creditur geführt. Herausgefordert durch den zwar allen Christen gemeinsamen, doch unterschiedlich ausgeprägten Glauben, unterschied Augustin damit zwischen „dem, was geglaubt wird, und dem Glauben, durch den das Ich glaubt.“⁴⁶ Im 17. Jahrhundert wurde diese Unterscheidung von der altprotestantischen Orthodoxie wieder aufgenommen und so in der evangelischen Terminologie etabliert.⁴⁷ David Hollatz definiert 1707 die fides objectiva, sive quae Ich im Glauben und in der Theologie des Glaubens in unhaltbarer Weise zu übersteigern‘.“ (I/1, 218).  Vgl. dazu K. Stock, Einführung, 4. Demgegenüber versucht Krötke zu zeigen, dass gerade Barths Fokus auf Gott dazu dient, die menschliche Wirklichkeit zu erschließen (vgl. W. Krötke, Der Mensch und die Religion nach Karl Barth, Zürich 1981, 5).  „Sed aliud sunt ea quae creduntur, aliud fides qua creduntur“, Augustinus, De Trinitate, 386, XIII, II,5, 28 f.; Übersetzung nach E. Jüngel, Art. „Glaube, IV. Systematisch-theologisch“, 957.  Luther stellte sich gegen die seiner Meinung nach scholastisch spitzfindige Unterscheidungen des Glaubens in fides qua und quae und unterscheidet vornehmlich zwischen lebendigem Glauben (fiducia) und totem Glauben (fides historica), welcher für ihn Unglauben und Sünde ist (vgl. ebd., 962). Johann Gerhard greift auf Augustin zurück und führt 1610 die Unterscheidung von fides qua und fides quae in die Terminologie der evangelischen Orthodoxie wieder ein. Dabei nutzt er die von Philipp Melanchthon eingeführte Trias notitia, assensus und fiducia, um die fides qua zu erläutern; vgl. J. Gerhard, Loci Theologici. cum pro adstruenda veritate tum pro destruenda quorumvis contradicentium falsitate per theses nervose solide et copiose explicati.

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creditur als das, was geglaubt wird, nämlich die „doctrina fidei“; die fides subjectiva sive qua creditur ist hingegen der persönliche Glaube.⁴⁸ Die fides quae als objektiv wahres Glaubenswissen muss dabei im persönlichen Vollzug (fides qua) erkannt und angeeignet werden. Erst durch diese Aneignung in der fides subjectiva kommt es nach Hollatz zum persönlichen Glauben, sodass die fides qua als „fides proprie dicta“ eingestuft wird.⁴⁹ Barth bedient sich zwar in der KD an einigen Stellen der Unterscheidung von fides qua und fides quae,⁵⁰ doch lehnt er eine solche begriffliche Unterscheidung des Glaubens in diese zwei Aspekte dezidiert ab: Das „schon phonetisch so komische Gerede von fides quae und fides qua“ (I/1, IX) könne nur „die Dialektik des objektiv-subjektiven Gehalts des Glaubensbegriffs […,] das Problem GlaubeGlaubensgegenstand als solches […] bezeichnen.“ (I/1, 248) Statt eine handliche Formel zu liefern, wie Glaube und Gegenstand aufeinander bezogen sind, steht die Unterscheidung von fides quae und fides qua vielmehr für das ungelöste Problem dieser Beziehung: „Zur Diskussion dieses Problems selbst gibt diese Unterscheidung keinen Beitrag“ (I/1, 248).⁵¹ Darüber hinaus sei an dieser Begrifflichkeit problematisch, dass sie für die Art der Beziehung des Glaubens auf seinen Glaubensgegenstand eine „Wechselbeziehung“ oder ein „doppelpoliges Verhältnis“ (I/1, 245) suggeriere. Eine isolierende Unterscheidung des Glaubens in

Tomus Tertius, Berolini 1865, Locus XVI: De justificatione per fidem, 350. Auch Barth vertritt die Auffassung, dass Gerhard zuerst die fides qua/quae Unterscheidung wieder einbrachte (vgl. I/1, 248). Die Unterscheidung notitia, assensus, fiducia findet sich bereits bei Melanchthon: P. Melanchthon, Loci praecipui theologici von 1559 (2. Teil) und Definitiones, Melanchthons Werke in Auswahl 2, Teil 2, hg. v. H. Engelland, R. Stupperich, Gütersloh 1953, 371. Vgl. dazu auch J. Wallmann, Der Theologiebegriff bei Johann Gerhard und Georg Calixt, Tübingen 1961, 103.  D. Hollatz, Examen theologicum acroamaticum. Pars tertia, Pars quarta 2, hg. v. E. Jenisch, Darmstadt 1971, Theol. Sect. II. Cap VII, Q 2, 279 f.  Vgl. ebd.  Zum Beispiel in III/4, 85; IV/1, 827.  Hierbei wendet sich Barth gegen Wobbermin (G. Wobbermin, Richtlinien evangelischer Theologie zur Überwindung der gegenwärtigen Krisis, 125. 140), denn in der sprachlichen Unterscheidung von fides qua und fides quae würde dann „alles […] darauf ankommen, zu bestimmen, was denn unter fides qua zu verstehen ist.“ (I/1, 248). Dieser hatte zur Zeit Barths das Begriffspaar verwendet, um damit auf die „Wechselbeziehung zwischen dem objektiven und dem subjektiven Pol des Glaubensverhältnisses, zwischen der fides quae creditur und der fides qua creditur“, hinzuweisen (Wobbermin, Richtlinien evangelischer Theologie, 109). Wobbermin benutzte dabei diese Begriffe, um „das Beziehungsverhältnis zwischen Gott und Mensch, das von Gott aus als Offenbarung, vom Menschen aus als Glaube erscheint“ deutlich zu machen (ebd., 117). Zur Kontroverse zwischen Barth und Wobbermin siehe M. Wolfes, Protestantische Theologie und moderne Welt. Studien zur Geschichte der liberalen Theologie nach 1918, Berlin, New York 1999, 318 – 327.

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ein Erkenntnisobjekt und einen darauf bezogenen, separaten Willensakt des Menschen wird von Barth ausgeschlossen. Statt der Unterscheidung von fides qua und fides quae nimmt Barth den reformatorischen Begriff der fiducia auf,⁵² die „über sich selbst hinausweist auf den Gegenstand, in Beziehung zu dem sie fiducia ist.“ (I/1, 248)⁵³ Der Glaubensvollzug hat bei Barth grundsätzlich diese Verweisungsstruktur auf den, an den geglaubt und dem vertraut wird: „Fiducia bezieht sich also auf die Zuverlässigkeit, die bona fides des anderen […]. Ich habe Fiduz heißt also: ich habe Grund, mich auf diese Zuverlässigkeit des anderen meinerseits zu verlassen. Ohne die Beziehung auf diesen Gegenstand, die bona fides des anderen, gäbe es keine fiducia. Ich habe sie, indem ich in dieser Beziehung zu ihm stehe, und um in dieser Beziehung zu ihm stehen zu können, nichts sonst.“ (I/1, 247).

Der Glaubensgegenstand ist dabei nicht außerhalb dieser Vertrauensbeziehung für den Menschen zugänglich, denn man braucht die fiducia, „um in dieser Beziehung zu ihm [Gott] stehen zu können“ (I/1, 248). Glaubensakt und Glaubensgegenstand werden somit in der fiducia in einer innigeren Beziehung gedacht als im bipolaren Verhältnis von ‚qua‘ und ‚quae‘, denn erstens verdankt sich das Vertrauen dem ihm vertrauenswürdigen Gegenstand, d. h. der Glaube erhält seine spezifische Gestalt von seinem Gegenstand.⁵⁴ Zweitens gibt es umgekehrt auch den Glaubensgegenstand nicht unabhängig vom Glauben, das Vertrauenswürdige nicht unabhängig vom Vertrauen, sondern der Gegenstand erschließt sich selbst erst in der Glaubensbeziehung.⁵⁵ Dabei dient Barth der fiducia–Begriff jedoch vor allem in der Abgrenzung von einer Begrifflichkeit, die Glaube und Glaubensge-

 Der reformatorische fiducia-Begriff ist durchaus umstritten. Manche neuzeitliche Interpretationen fassen ihn – gerade gegen Barths Interpretation – rein subjektiv auf. Hiergegen steht jedoch zum Beispiel Jüngels Votum, wonach fiducia „niemals ein sich selbst genügender Akt religiöser Subjektivität“ war (E. Jüngel, Art. „Glaube, IV. Systematisch-theologisch“, 963). Nach Barth hat fiducia bei den Reformatoren und in der altprotestantischen Theologie „mit einer Verschiebung der Wirklichkeit des Glaubens aus dem Gegenstand des Glaubens in das glaubende Subjekt nichts zu tun“ (I/1, 246).  Barth schreibt: „[G]erade fiducia, gerade das im Glauben stattfindende Sichverlassen auf Gottes Zuverlässigkeit bezeichnet diese Gegenstandsbezogenheit prägnant“. Die fiducia beschreibe dabei den „sachlichen Gehalt[ ] des Glaubens“. Sie sei „zur Kennzeichnung [d]es formalen Gehalts [durch] die Begriffe notitia und assensus“ zu ergänzen (I/1 248).  Auf die Bedeutung des Gegenstandsbezugs für die fiducia weist auch Christiane Tietz hin – mit Luther und contra Schleiermacher (C. Tietz, Von Schleiermacher zu Dworkin, 16 f.).  Dies wird an Barths Verständnis der existenziellen Gotteserkenntnis expliziert, s.u. Kap. 8.3.

1.1 ‚Glaube‘ – Ein für Barth untypisches Thema?

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genstand künstlich voneinander trennt.⁵⁶ Weitaus häufiger bedient sich Barth der Unterscheidung von Glaubenstat und Glaubensgegenstand, um die Struktur der christlichen fides aufzuschlüsseln.

1.1.3 Barths Verhältnisbestimmung von Glaube und Glaubensgegenstand Barth unterscheidet durchgängig zwischen dem Glauben als menschlicher Tat und dem Glaubensgegenstand als dessen Ermöglichungsgrund. Deutlich wird dies bereits in seiner Vorlesung zum Credo von 1935: „Der Mensch glaubt. Und also: der Mensch fällt diese Entscheidung, credo.“⁵⁷ Der Glaube ist hiernach also eine menschliche Tat. Doch Barth fährt direkt fort: „Aber nicht dies […] gibt dem Glauben seinen Ernst und seine Kraft. Der Glaube lebt vielmehr von seinem Gegenstand.“⁵⁸ Dieser notwendige Bezug des Glaubens auf seinen Glaubensgegenstand wird von Barth in der KD sogar noch weiter radikalisiert, denn – so behauptet Barth in dem einzigen expliziten ‚Glaubensparagraphen‘ der KD (§ 63)⁵⁹ – der Gegenstand ist nicht vom Glauben abhängig, sondern „[d]as Gegenteil ist wahr: der Glaube steht und fällt mit seinem Gegenstand.“ (IV/1, 828) Der Glaube kann nach Barth „keineswegs als in sich selbst begründet“ verstanden werden, „sondern nur als ein Letztes, […] das einer ganzen Reihe von Begründungen“ bedarf (IV/1, 827).⁶⁰ Dies führt dazu – wie auch schon an der Abgrenzung zu

 Auch in KD IV/1 greift Barth auf die fiducia zurück, um zwischen einem selbsttätigen Glauben des Menschen und dem Glauben als Antwort auf Gottes Verheißung zu unterscheiden. Auch dort betont Barth mit der fiducia, dass der menschliche Glaube nur in direktem Bezug zum Gegenstand wirklicher Glaube ist: „Glauben ist nach dieser positiven Seite schlicht – und darum haben unsere Alten an dieser Stelle von fiducia geredet – Vertrauen! kein willkürliches, sondern das auf das zu mir gesprochene Wort Gottes antwortende, kein unbestimmtes, sondern das in der Erkenntnis des Glaubens als der Erkenntnis Jesu Christi begründete Vertrauen.“ (IV/1, 865).  K. Barth, Credo. Die Hauptprobleme der Dogmatik dargestellt im Anschluß an das Apostolische Glaubensbekenntnis, München 1935, 6.  Ebd.  Ein Überblick über die Quellenlage und den Umgang mit der KD in dieser Arbeit findet sich in Kap. 2.  Barth beschreibt in diesem Zusammenhang weiter, dass der Glaubensgegenstand die Notwendigkeit des Glaubens begründet: „Die Notwendigkeit des Glaubens liegt aber nicht im Menschen […] Es ist der Gegenstand des Glaubens, der sie in sich hat. Und es ist dieser Gegenstand, der sich dem Menschen in seiner Notwendigkeit aufdrängt und eben damit seinen Glauben begründet.“ (IV/1, 834 f.)

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1 Problemaufriss und Thema der Arbeit

Schleiermacher deutlich wurde (s.o. 1.1.1) –, dass Barth den Glauben strikt von diesem Gegenstandsverhältnis her verstehen will:⁶¹ „Der Christ glaubt an … und von diesem ‚an‘ her, aus der Bezeichnung dessen, was ihm als Glaubendem begegnet und was er im Glauben empfängt, geschenkt bekommt, erfaßt, ergibt sich […] Alles, was zur Bestimmung der christlichen Tat als Tat des Glaubens zu bedenken und zu sagen ist.“ (IV/2, 853)

Soll also die anthropologische Gestalt des Glaubens in Barths KD untersucht werden, so ist gerade dieses spezifische Verhältnis des Glaubens zu seinem Gegenstand zu untersuchen.⁶² Entsprechend ist Barths Verständnis des ‚Gegenstandes‘ knapp zu erläutern (a). Daraufhin können grundlegende Leitlinien für das Verständnis des Glaubens bei Barth aufgestellt werden (b).

a) Barths Gegenstandsverständnis Barth zögert nicht, Gott als „Objekt“ oder als „objektive res“ des Glaubens zu bezeichnen.⁶³ Trotz dieser Begrifflichkeit versteht er Gott aber nicht als ein Objekt wie andere innerweltliche Objekte, die der Wechselwirkung mit einem Subjekt unterliegen. Gottes Gegenständlichkeit sei vielmehr „die besondere, die schlechthin einzigartige Gegenständlichkeit“ (II/1, 13).⁶⁴ Um diese Differenz zu  Der Unterschied zwischen Schleiermachers Glaubensbegriff als Gefühl schlechthinniger Abhängigkeit und Barths Bezogenheit des Glaubens auf den Glaubensgegenstand liegt u. a. darin, dass der Glaube bei Barth ein Erkennen ist. Dieses bezieht sich auf ein „Unterschiedene[s]“, dem Erkennenden „Gegenüberstehende[s]“, dem Gefühl ist ein solch Gegenüberstehendes – wie Cramer gezeigt hat – jedoch fremd. (K. Cramer, Die subjektivitätstheoretischen Prämissen von Schleiermachers Bestimmung des religiösen Bewusstseins. Hans-Georg Gadamer zum 85. Geburtstag, in: Friedrich Schleiermacher 1768 – 1834, hg. v. D. Lange, Göttingen 1985, S. 129 – 162, 130).  Jüngel streicht diese Gegenstandsorientierung als Grundzug des Barthschen Glaubensverständnisses heraus: „In scharfer Abgrenzung von jeder die Subjektivität des Glaubens zu ihrem eigentlichen Thema machenden Theologie wird Glaube als von dem sich selbst vergegenständlichen Gott begründetes Treueverhältnis verstanden.“ (E. Jüngel, Art. „Glaube, IV. Systematischtheologisch“, 971).  Der Begriff „Gegenstand“ wird von Barth schon in der Überschrift für § 63.1 verwendet, „Der Glaube und sein Gegenstand“ (IV/1, 826), und kommt in § 63 über fünfzig weitere Mal vor. Christus als „Objekt“ des Glaubens kommt in § 63 zweimal vor (IV/1, 850 f.), auch Christus als „objektive res“ ist ebenso zweimal zu finden (IV/1, 829).  Das Verhältnis zwischen der besonderen Gegenständlichkeit Gottes in Hinblick auf die Erkenntnis und allgemeiner Gegenstandserkenntnis wird bei Osthövener ausführlicher besprochen, siehe C.-D. Osthövener, Die Lehre von Gottes Eigenschaften bei Friedrich Schleiermacher und Karl Barth, Berlin, New York 1996, 155 – 158.

1.1 ‚Glaube‘ – Ein für Barth untypisches Thema?

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allen anderen Gegenständen deutlich zu machen, spricht Barth auch von Gott als dem „Nicht-Sein“ gegenüber allem anderen Sein oder von „Gottes Nicht-Gegenständlichkeit“.⁶⁵ Warum aber wählt Barth den Begriff ‚Gegenstand‘, der doch diese Ambivalenzen mit sich bringt? Diese Wahl erklärt sich aus dem im Wort ‚Gegenstand‘ konnotierten Sinn eines „Entgegenstehenden“: „Der Glaube ist […] im Verhältnis zu einem Gegenstand, d. h. zu einem dem glaubenden Menschen Entgegenstehenden, klar von ihm Verschiedenen, das sich also in seinem Glauben nicht erschöpfen, von seiner gläubigen Existenz nicht resorbiert werden kann, geschweige denn, daß es nur in ihr Bestand hätte oder gar aus ihr hervorgegangen wäre, mit ihr stehen und fallen würde.“ (IV/1, 828; Herv. J. S.)

Was Gott als Glaubensgegenstand auszeichnet, ist demnach, dass er dem Gläubigen als von ihm verschiedenes Gegenüber entgegensteht. Demnach erschöpft sich der menschliche Glaube nicht in der Selbsttätigkeit des Menschen, sondern ein ihm ‚entgegenstehender‘ Gegenstand korrigiert, verändert und beeinflusst durch sein Entgegen-Stehen den Glauben des Menschen. Entsprechend gründet nach Barth auch das Wissen um Gott nicht im subjektiven Bewusstsein des Erkennenden, sondern in der „Entgegensetzung“, weil Gott dem Menschen als Gegenstand entgegentrete und daher dieses Wissen begründe (III/1, 399). Somit baut Barths Verständnis des Glaubens grundlegend darauf auf, dass der Gegenstand unabhängig vom menschlichen Glauben existiert, durch den Glauben nichts hinzugewinnt und insofern ‚objektiv‘ ist: „Glaube […] ist subjektive Realisierung, d. h. er besteht als menschliche Tätigkeit in der Subjektivierung einer objektiven res, die in ihrer Existenz, ihrem Wesen, ihrer Würde, ihrer Bedeutung und Tragweite dieser Subjektivierung und so auch dem in ihr tätigen menschlichen Subjekt vorangeht, von ihm und seinem Tun oder Nichttun unabhängig, ihm überlegen ist.“ (IV/1, 828)

Der Glaube erkennt also den Gegenstand, der von dieser Subjektivierung unabhängig ist. Demnach verändert nicht der Glaube den Gegenstand, sondern die Subjektivierung des Gegenstandes verändert das erkennende Subjekt. Zwar gilt, dass der Gegenstand für den Menschen erst im Glauben Realität erhält, doch zu-

 K. Barth, Schicksal und Idee in der Theologie (1929), in: K. Barth, Vorträge und kleinere Arbeiten 1925 – 1930, S. 344– 392, 370. 374. Zur früheren Auseinandersetzung Barths mit dem Thema der Gegenständlichkeit siehe M. Beintker, Kontingenz und Gegenständlichkeit. Zu Bonhoeffers Barth-Kritik in ‚Akt und Sein‘. Zu Bonhoeffers Charakterisierung Barths als ‚Transzendentalist‘ in Akt und Sein (1929) siehe C. Tietz, Bonhoeffers Kritik der verkrümmten Vernunft, 147– 162.

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gleich wird in dieser Erkenntnis mit eingesehen, dass der Gegenstand schon vorher und unabhängig vom Glauben dieselbe Realität hatte: „Sie müssen ihn, sofern sie ihn denken, mit dem ganzen Vertrauen, mit dem sie überhaupt zu denken wagen, als wahre Wirklichkeit, als wahr in seinem Dasein und Sosein denken.“ (I/1, 195)

Aus der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit Gottes folgt seine Unterschiedenheit von anderen, innerweltlichen Formen von Gegenständlichkeit: er ist ein „Fremdes, Anderes außer ihnen, das ihnen begegnet, da ist Gott, dem sie begegnen, von dem sie her sind“ (IV/1, 2). Barths Gegenstandsverständnis steht insofern dem zeitgenössischen theologischen Realismus nahe, als dieser die Realität Gottes unabhängig und vorgängig zur menschlichen Erkenntnis Gottes vertritt.⁶⁶ Beispielsweise bezeichnet Dalferth Barths „referentiell-extensionale[ ] Interpretation theologischer Rede“ als „eschatologische[n] Realismus“.⁶⁷ Doch obwohl es gerade auch in Barths  Obwohl die Debatte um den ‚theologischen Realismus‘ teils sehr verschieden geführt wird, scheint die Bejahung der Frage: „whether God exists independently of human beings“ einen gemeinsamen Nenner darzustellen (A. Moore, Realism and Christian Faith. God, Grammar and Meaning, Cambridge 2003, Klappentext). Grundsätzlich gilt dabei, dass das Erkenntnisobjekt und das Erkenntnissubjekt voneinander unterschieden werden, wodurch die Eigenständigkeit des Objekts gewahrt werden soll (vgl. dazu die Darstellung bei J. Martin Soskice, Art. „Realismus II. Theologisch“, in: TRE 28 (1997), S. 190 – 196). Grundlegende Ansätze finden sich zum Beispiel bei: H.-P. Grosshans, Theologischer Realismus. Ein sprachphilosophischer Beitrag zu einer theologischen Sprachlehre, Tübingen 1996; A. Moore, Realism and Christian Faith; J. Martin Soskice, Theological Realism, in: The Rationality of Religious Belief, hg. v. W. J. Abraham, S. W. Holtzer, Oxford 1987, S. 105 – 119.  I. U. Dalferth, Theologischer Realismus und realistische Theologie bei Karl Barth, in: EvTh 46, 4/5 (1986), S. 402– 422, 404. 407. Aufgrund der Unabhängigkeit Gottes von der menschlichen Erkenntnis benennt Heiko Schulz Barth zusammen mit Dalferth und Luther als einen der „profilierteste[n] Vertreter“ einer „realistischen Theorie“ (H. Schulz, Theorie des Glaubens, 216). White vertritt eine ähnliche Einordnung Barths, vgl. G. White, Karl Barth’s Theological Realism, in: NZSTh 26.1 (1984), S. 54– 70. Zu einer Erläuterung von Barths Epistemologie anhand des wissenschaftlichen Realismus siehe D. P. LaMontagne, Barth and Rationality. Critical Realism in Theology, Princeton Theological Seminary 2001; auch B. L. McCormack, Der theologiegeschichtliche Ort Karl Barths, in: Karl Barth in Deutschland (1921– 1935), hg. v. M. Beintker, Zürich 2005, S. 15 – 40, 39 f. Zur weitreichenden Debatte um einen ‚kritischen Realismus‘ bei Barth siehe die exemplarische Auseinandersetzung zwischen McCormack und Korsch: D. Korsch, Zu: Bruce L. McCormack, Karl Barth’s Critically Realistic Dialectical Theology. It’s Genesis and Development 1909 – 1936, in: ZDTh 12 (1996), S. 211– 218; B. L. McCormack, Der theologiegeschichtliche Ort Karl Barths, 21 f., Anm. 11. Die Einordnung, dass Barth von einem realen Gott ausgehen wolle, findet sich in kritischer Absicht prominent in Wolfhart Pannenbergs Dezisionismusvorwurf: Barth habe zwar mit dem

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Umfeld in den zwanziger Jahren eine Grundsatzdebatte zur Frage der Gegenständlichkeit Gottes gab,⁶⁸ lässt sich Barth gar nicht erst auf eine umfassende Auseinandersetzung um die Begründung eines theologischen Realismus ein: die Theologie habe vielmehr zu prüfen, „nicht ob, wohl aber inwiefern sie selbst realistisch denken und reden darf.“⁶⁹ Demnach geht Barth zwar von einem real

‚Primat des Wortes Gottes‘ eine Alternative zum ‚Glaubenssubjektivismus‘ schaffen wollen, bliebe diesem jedoch verhaftet, da der Weg zur Wahrheit bei Barth im Glaubensakt liegt (vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie. Band 1, Göttingen 1988, 54). Auch Stock schließt sich Pannenbergs Votum an, dass die Verhaftung an eine Theologie des Wortes Gottes nicht zu dem gewünschten realen Gottesverständnis führe, sondern zum Glaubenssubjektivismus und zu dezisionär willkürlichen Entscheidungen (vgl. K. Stock, Einführung, 6 – 8). Friedrich Hermanni wirft Barth vor, eine antirationalistische Umdeutung Anselms vorzunehmen, weil Barth das ontologische Argument Anselms als glaubensimmanente Argumentationsfigur verstehe: F. Hermanni, Metaphysik. Versuche über letzte Fragen, Tübingen 2011, 47. Polemische Kritik an dem Ansatz der Wort-Gottes-Theologie äußert auch Falk Wagner (F. Wagner, Metamorphosen des modernen Protestantismus, Tübingen 1999), womit sich u. a. Matthias Petzoldt kritisch auseinandergesetzt hat (vgl. M. Petzoldt, Kommunikations- und medientheoretische Anmerkungen zur subjektivitätstheoretischen Kritik an der Wort-Gottes-Theologie, in: Krisen der Subjektivität, hg. v. I. U. Dalferth, P. Stoellger, Tübingen 2005, S. 417– 453). Und auch Wilfried Härle urteilt, dass, obwohl Barth von Gott als einem Entgegenstehenden ausgehen will, dieses doch nur scheinbar ein Entgegenstehendes sei, da es „Entgegensetzung für das Bewußtsein“ ist und so keine Gewissheit bringen kann (vgl. W. Härle, Sein und Gnade. Die Ontologie in Karl Barths Kirchlicher Dogmatik, Berlin, New York 1975, 319 f.). So komme Barth nur zu einer systemimmanenten Rationalität und könne nichts über die Wahrheit des Glaubensgegenstandes sagen (vgl. ebd., 318).  Exemplarisch zeigt sich diese weitreichende Debatte an Reinhold Seebergs 1921 veröffentlichten Aufsatz (R. Seeberg, Christentum und Idealismus. Gedanken über die Zukunft der Kirche und der Theologie, Berlin 1921), in dem er auch aus gesellschaftspolitischen Gründen auf ein neues Aufleben des Idealismus gegen den Materialismus drängt oder auch in der von dem Seeberg-Schüler Dietrich Bonhoeffer veröffentlichten Habilitationsschrift, in der Bonhoeffer 1929 schreibt, dass sich „überall das Ringen mit derselben Fragestellung […] um die ‚Gegenständlichkeit‘ des Gottesbegriffs und einen adäquaten Erkenntnisbegriff“ zeige (D. Bonhoeffer, Akt und Sein, 22). Entsprechend spricht Friedrich Wilhelm Graf von einer „theologische[n] Grundlagendebatte über Idealismus – Realismus – Christentum“ zu der damaligen Zeit (F. W. Graf, Der heilige Zeitgeist. Studien zur Ideengeschichte der protestantischen Theologie in der Weimarer Republik, Tübingen 2011, 252).  K. Barth, Schicksal und Idee in der Theologie (1929), 363. Gott könne weder in einer „subjektiv-objektiven Gegebenheit“ (ebd.) gefunden werden noch wäre ein auf Thomas von Aquin zurückgehendes Konzept der analogia entis angemessen (ebd., 364. 356). Gott wird stattdessen von Barth als unverfügbar hereinbrechende, neue Wirklichkeit beschrieben, als ein „Einbruch“, „etwas seiner ganzen möglichen Erfahrung gegenüber Neues“ (ebd., 364). Diesen Vortrag mit dem Titel ‚Schicksal und Idee’ hätte Barth nach eigener Aussage auch mit „Das Gegenständliche und das Nicht-Gegenständliche“ oder „Realismus und Nominalismus“ betiteln können (ebd., 346).

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entgegenstehenden Gott aus, verpflichtet sich jedoch nicht dem theologischen Realismus und dessen Begründungsformen. Vielmehr will Barth innerhalb seines Ansatzes am Wort Gottes an dieser faktischen Offenbarung Gottes entwickeln, inwiefern Gott dem Menschen entgegensteht und insofern für den Gläubigen eine objective res ist.⁷⁰ Der signifikante Unterschied Barths zu Ausprägungen des theologischen Realismus wird ferner daran deutlich, wie Barth den Gegenstand des Glaubens bestimmt: dieser ist weder ein theistischer ‚Gott der Philosophen‘ noch ein dem Verstand transzendentes ‚Geheimnis‘. Vielmehr ist der „‚Gegenstand‘ des Glaubens“ für Barth nichts anderes als „der lebendige Jesus Christus“ (IV/1, 829). „Jesus Christus […] ist das eine Wort Gottes“⁷¹ und ist insofern wesentlich offenbar und wesentlich mehr als das, was in einem theistischen Gottesbegriff enthalten ist. An dem Attribut ‚lebendig‘ wird die besondere Art des Entgegenstehens deutlich, die Barth dem Gegenstand des Glaubens zuschreibt. Denn die Erkenntnis des Glaubens ist einerseits „jeder anderen Erkenntnis darin höchst gleich, daß sie wie jede andere Erkenntnis einen Gegenstand hat.“ (II/1, 21) Andererseits ist sie „aller anderen Erkenntnis darin höchst ungleich, daß ihr Gegenstand der lebendige Herr des erkennenden Menschen ist“ (II/1, 21); d. h. mitunter, dass die Erkennbarkeit Gottes von seiner Inkarnation in Jesus Christus abhängig ist.⁷² Demzufolge ist Jesus Christus kein verfügbares ‚Objekt‘, sondern ist als ‚lebendiger Herr‘ das insofern vollmächtige Gegenüber des Glaubens, das diesen begründet und

Lohmann analysiert diesbezüglich, dass Barth hierbei vom Neukantianismus mit seinem Unverfügbarkeitsverständnis geprägt wurde (vgl. J. Friedrich Lohmann, Karl Barth und der Neukantianismus. Die Rezeption des Neukantianismus im „Römerbrief“ und ihre Bedeutung für die weitere Ausarbeitung der Theologie Karl Barths, Berlin, New York 1995, 399).  Auch in der KD verortet sich Barth jenseits von Konstruktivismus und Realismus: „Wer einmal eingesehen, bedacht und gewürdigt hat, daß in der wirklichen christlichen Erkenntnis ein Geschehen – und welches Geschehen da stattfindet, der wird es lassen, diesen Begriff in dem angedeuteten Sinn kritisch abwerten – und wird es dann auch lassen, ihn in dem angedeuteten Sinn realistisch aufwerten zu wollen. Die wirkliche christliche Erkenntnis trotzt diesen beiden Versuchen.“ (IV/3, 250) Der Glaubensgegenstand Gott unterscheide sich darin von allen anderen Gegenständen, dass er sich der „Wahrheitsfrage“ entzieht (IV/3, 251). Stattdessen stellt vielmehr der Gegenstand dem Gläubigen die Frage, ob er ihm „entsprechen, genügen, gerecht werden möchte.“ (IV/3, 251).  K. Barth, et.al., Theologische Erklärung zur gegenwärtigen Lage der Deutschen Evangelischen Kirche (31. Mai 1934), in: K. Barth, Texte zur Barmer Theologischen Erklärung, S. 1– 5, 2 f. Siehe dazu auch Barths Interpretation des ersten Satzes in: K. Barth, Kurze Kommentierung des ersten Satzes der Theologischen Erklärung der Barmer Synode vom 31. Mai 1934. Vorlesung im Wintersemester 1937/38, in: K. Barth, Texte zur Barmer Theologischen Erklärung, S. 67– 87.  Vgl. II/1, 58 – 60. Weiter differenziert Barth zwischen unmittelbarer, primärer Gegenständlichkeit Gottes und mittelbarer Gegenständlichkeit in der Welt, siehe dazu II/1, 8 – 16.

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durchgängig bestimmt. Damit grenzt Barth sein Gegenstandsverständnis von einem „bloßen Begriffsgott“ ab.⁷³ Der Glaubensgegenstand ist vielmehr „persönliche Gegenwart, nein: gegenwärtige Person“ (IV/1, 829 f.). Diese Bestimmung des Glaubensgegenstandes als ‚lebendiger Herr‘ des Gläubigen führt zwei wesentliche Konsequenzen mit sich: Erstens begründet Jesus Christus als Gegenstand auch den Glauben an ihn (vgl. IV/1, § 63.1; s.u. Kap. 3.3) und verhält sich zum glaubenden Subjekt daher nicht wie ein seinem Erkanntwerden gegenüber passives oder gleichgültiges Objekt. Zweitens unterscheidet sich Barths Glaubensgegenstand von der traditionellen fides quae darin, dass Jesus Christus „selbst“ und nicht nur ein „ihn bezeugende[r] biblische[r] Text und [ ]eine ihn verkündigende biblische oder kirchliche These“ Glaubensgegenstand ist (IV/1, 850).⁷⁴ In Entsprechung zu seinem ausgezeichneten Gegenstand ist der Glauben also gleichsam als eine Einstellung de re zu dem ihm lebendig entgegenstehenden Jesus Christus zu verstehen.⁷⁵

b) Barths Glaubensverständnis – eine erste Annäherung Der Glaube ist, wie gezeigt wurde, durch sein „Verhältnis“ zu Jesus Christus als dem Glaubensgegenstand bestimmt (IV/1, 828 u. ö.). Der Glaubensbegriff scheint dabei allerdings ambivalent gebraucht zu werden:⁷⁶ Einerseits benutzt Barth den

 K. Barth, Schicksal und Idee in der Theologie (1929), 390.  Hiermit ist der Klassifikation des Barthschen Glaubensverständnisses als einem ‚doxastischen Fürwahrhalten‘ zu widersprechen, stattdessen wird der Glaube personal-fiduzial beschrieben. Zur Verhältnisbestimmung von doxastischem, testimonialem und fiduzialem Glauben siehe H. Schulz, Theorie des Glaubens, 316 – 320.  Glaube als Einstellung de re ist von einer Einstellung de dicto zu unterscheiden, welche die Form ‚S glaubt, dass p‘ hat und die propositionale Einstellung eines Subjekts ‚S‘ zu einem Glaubenssatz ‚p‘ beschreibt, wie z. B. „ich glaube, dass Gott existiert“; letzteres entspräche dem Modell der fides quae creditur. Gegen die Auffassung des Glaubens als Einstellung de dicto grenzt sich Barth explizt ab: „Der christliche Glaube ist […] durchaus nicht das unterwürfige Fürwahrhalten irgendwelcher Berichte oder Sätze, gleichviel, ob es sich dabei um solche biblischen oder kirchlichen oder modernen Ursprungs handelt.“ (IV/1, 849 f.) Der Glaube de re hingegen bezieht sich gleichsam direkt auf seinen Gegenstand und ist nicht primär duch Aussagen über ihn oder Beschreibungen von ihm vermittelt, wenngleich der Name „Jesus Christus“ die propositionalen Gehalte einer Einstellung de dicto nicht ausschließt, sondern durch diese expliziert werden kann.  Zur Spannung des Glaubensbegriffs bei Barth vgl. M. Seils, Glaube, 200 f. Diese beiden Aspekte von göttlicher und menschlicher Tat des Glaubens verwendet Barth auch in IV/4 zur Strukturierung seines Fragments zur Taufe (KD IV/4). Dort beschreibt Barth das christliche Leben als antwortende Tat auf Gottes Gnadentat, womit er „zwischen göttlicher Wendung und menschlicher Entscheidung“ unterscheidet (IV/4, 58): In IV/4 widmet Barth den ersten Teil seiner Ausführungen der Geisttaufe (IV/4, 3 – 44) und den zweiten Teil der Wassertaufe (IV/4, 45 – 234).

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Glaubensbegriff im Kontext der Neukonstitution des Gläubigen im Gegenstandsverhältnis (IV/1, 830 – 837). Dabei bezeichnet Barth mit „Glauben“ das Werk Gottes, durch das ein Mensch gleichsam passiv neu geboren wird. Besonders deutlich wird dieser Aspekt in Barths Metapher des Hohlraums: als „Glaube an Jesus Christus“ ist der gläubige Mensch „leere Hand, leeres Gefäß, ‚Hohlraum‘“ (IV/1, 705), denn der Gläubige ist schlicht „lebender Empfänger“ der Gnade Gottes (IV/1, 705). Gott als Gegenstand des Glaubens wird hierbei zum alleinigen Akteur der menschlichen Neugeburt. Dem Menschen wird allein durch Gottes Tat Anteil am Geschehen der Versöhnung gegeben (vgl. IV/2,VI) und es kommt zur unio cum Christo (IV/3, 620. 629). Andererseits bezeichnet Barth mit ‚Glauben‘ explizit „eine menschliche Tätigkeit“ (IV/1, 828), die als menschliche Tat auf Gottes Gnadenzuwendung frei antwortet. ⁷⁷ Zwar steht die Tat des Glaubens in einer „direkten und intimen Beziehung“ zu Jesus Christus (IV/1, 859), ihrem Ermöglichungsgrund, aber sie ist kein göttliches Geschehen im Menschen, denn Glaube wird hierbei als vorletztes, irdisches Ding bezeichnet und so gerade von einem eschatologischen, göttlichen Geschehen abgegrenzt (vgl. IV/1, 858). Die Vorordnung und Betonung der kreatorischen Tat Gottes führt dazu, dass Barth vom menschlichen Glauben als einer kognitiven Tat spricht, die, auf die göttliche Tat antwortend, diese anerkennt, erkennt und bekennt (vgl. IV/1, § 63.2).⁷⁸ Damit wird Glauben auf Seiten der

Obwohl Barth die Einheit der beiden nicht leugnen will, soll mit dieser Unterscheidung gezeigt werden, dass es sich um zwei verschiedene Subjekte, nämlich Gott und Mensch, handelt. Der Zusammenhang ihrer Taten soll gerade durch die Unterscheidung von Wassertaufe und Geisttaufe erläutert werden. Die Wassertaufe als menschliche Tat ist „die erste Gestalt der der göttlichen Wendung entsprechenden menschlichen Entscheidung in der Begründung des christlichen Lebens“ (IV/4, 48). Die Problematik dieser Taufbeschreibung Barths liegt – wie Jüngel treffend analysiert – auch in der begrifflichen Häufung von ‚Taufe‘ für die Geisttaufe, die Wassertaufe und die Einheit der beiden (siehe E. Jüngel, Karl Barths Lehre von der Taufe. Ein Hinweis auf ihre Probleme, in: E. Jüngel, Barth-Studien, S. 246 – 290, 24– 30). Eine ähnliche doppelte Bestimmung dessen, was Glaube heißt, weist zum Beispiel auch Benjamin Schliesser für Paulus aus, indem er von einer „Zweiheit des paulinischen Glaubensverständnisses“ spricht, die in einer „göttlichen Geschehenswirklichkeit“ und einer „menschliche[n] Entsprechung zu diesem Geschehen“ besteht. (B. Schliesser, Was ist Glaube? Paulinische Perspektiven, Zürich 2011, 97 f.; siehe auch J. Klein, Rezension: „Benjamin Schliesser, Was ist Glaube? Paulinische Perspektiven, Theologische Studien, Neue Folge 3, Zürich 2011“, in: SNTU 40 (2015), S. 232– 234).  Etwas anders schreibt Barth noch in KD I: Die fides iustificans ist nach Barth weder eine „qualitas inhaerens“ (Qualität) noch „actio des Menschen“ (Tat), sondern „in praedicatmento relationis“ nur in Beziehung zum Glaubensgegenstand angemessen zu beschreiben (I/1, 244).  Dass Barths Vorordnung des Gegenstands die menschliche Tätigkeit des Glaubens zum Kennen ‚degradiert‘, wurde schon in Bezug auf sein Anselmbuch als „Vorwurf der Intellektuali-

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menschlichen Selbstbestimmung verortet, wenngleich der Gläubige seine Glaubenstat als von Gott ermöglichte versteht. Zwar ist der Glaube keine Tat wie die anderen Taten eines Menschen, sondern eine „Grundtat“ (IV/1, 847), welche die menschliche Existenz als Ganze umgreift, aber dennoch gilt er Barth als Tat. Damit will Barth einerseits Calvin rezipieren, wie eine Aufzeichnung Eberhard Buschs von einem Kolloquiumsgespräch in Basel 1967 belegt, in dem Barth sagt, dass Glaube bei Johannes Calvin „wesentlich verstanden [wird] als Tat des einzelnen Menschen.“⁷⁹ Andererseits gründet der Tatbegriff in Barths Anthropologie, denn Vernehmen und Tun fallen bei Barth zusammen, d. h. der Mensch ist jeweils im Akt zwischen Vernehmen und Tun:⁸⁰ „des Vernehmens als der Voraussetzung des Tuns, des Tuns als des Sinnes und Ziels seiner Fähigkeit zum Vernehmen.“ (III/2, 488)⁸¹ Daher bezieht ein Mensch nach Barth je tätig Stellung zu dem, was ihm in Jesus Christus gilt. Jeder Mensch sei also immer in der Annahme oder Ablehnung der Geschichte Gottes begriffen und insofern immer tätig.⁸² So wird ein rein passiv-rezeptiver

sierung […] erhoben“, wie Josuttis aufzeigt: M. Josuttis, Die Gegenständlichkeit der Offenbarung. Karl Barths Anselm-Buch und die Denkform seiner Theologie, Bonn 1965, 117.  Siehe die Aufzeichnung Buschs von Barths Kolloquiumsgespräch über Calvins Lehre vom Heiligen Geist (Inst III) am 27. 5.1967: E. Busch, Meine Zeit mit Karl Barth. Tagebuch 1965 – 1968, Göttingen 2011, 311.  Jüngel führt hierzu aus, dass Barth den Menschen „als paralleles Gleichnis zum Sein Gottes“ verstehe (E. Jüngel, Evangelium und Gesetz. Zugleich zum Verhältnis von Dogmatik und Ethik, in: E. Jüngel, Barth-Studien, S. 180 – 209, 206): Da Gott bei Barth jeweils in der Tat ist und sein Akt nicht von seinem Sein getrennt werden kann, so ist auch der Mensch in Analogie zu Gott per definitionem ein Handelnder, sich stetig selbst Bestimmender (ebd., 205). Entsprechend muss auch der Glaube, wie jegliches übrige menschliche Sein, als eine Tat verstanden werden. Um dies aufzuzeigen setzt sich Jüngel mit Barths Verständnis des Sakraments auseinander: In KD IV/4 haben Taufe und Abendmahl nicht mehr den „Rang eines Gnadenmittels“ (E. Jüngel, Karl Barths Lehre von der Taufe. Ein Hinweis auf ihre Probleme, 280), sondern Taufe und Abendmahl sind „menschliche Ereignisse“, die als Antwort dem göttlichen Wort entsprechen und insofern sind sie „als menschliche Tat Tatantwort“ (ebd., 281). Daher sei nach Jüngel das solo verbo bei Barth „konsequent zum Zuge gebracht worden“, indem „die durch das Wort Gottes bestimmte christliche Existenz ihrerseits ein Sein in Taten des Wortes ist“ (ebd., 282). Hierfür führt Jüngel weiter aus, dass „Tat und Wort […] nicht in einem antithetischen Verhältnis zueinander stehen“, sondern das Wort Gottes selber „Tat (Tatwort)“ ist, sodass die „Antwort auf das Heilswort (als Heilstat)“ im Glauben eben auch als Tat aufgefasst wird (vgl. ebd., 281 f. Anm. 121).  Dies entspricht der Beschreibung des Menschen als stetig Handelndem in der Geschichte, s.u. 7.1.3, vgl. IV/2, 555.  Ähnlich versteht auch Ebeling Barths Anthropologie: Barth schließe sich mit seiner Interpretation des Menschen als animal rationale oder creatura rationalis an die Lesart an, die von Aristoteles her über die Scholastik und Renaissance bis in die Neuzeit hinein prägend gewesen ist (vgl. G. Ebeling, Lutherstudien: Begriffsuntersuchungen – Textinterpretationen – Wirkungs-

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Bereich, in dem ein Mensch zuerst nur vernimmt, von Barth in der KD ausgeschlossen.⁸³ Der Mensch wird einer statischen Beschreibung entzogen und soll vielmehr in seiner stetig antwortenden, d. h. rezeptiven Spontaneität erfasst werden.⁸⁴ Dass der Glaube bei Barth fundamental eine menschliche Tat ist, findet sich auch im Spiegel von Ebelings Barthkritik aus seiner lutherischen Perspektive:⁸⁵ Bei Barth sei der Glaube nicht wie bei Luther „dasjenige Geschehen, durch das der Mensch in das Christusgeschehen hineinversetzt wird“ und das insofern ein „Werk Gottes“ ist, was den Menschen „ganz und gar als Empfänger in einer Passivität“ charakterisiert,⁸⁶ sondern das extra nos werde bei Barth in ein „an sich bestehendes Gotteswerk[ ]“ überführt, zu dem sich der Mensch anerkennend verhält und es dadurch in seinem eigenen Tun rezipiert.⁸⁷ Damit trifft Ebeling ein wichtiges Grundcharakteristikum des Barthschen Glaubensverständnisses: Der geschichtliches, 554 f.). Und in diesem Verständnis ist der Mensch nicht nur ein ‚die Wirklichkeit wahrnehmendes Subjekt‘, sondern zugleich tätig und ‚die Wirklichkeit setzend‘ (vgl. ebd., 555). Daraus zieht Ebeling die Folgerung, dass diese grundlegende Tätigkeit des Menschen dann eben auch für den Glauben gelten muss.  Hieran lässt sich auch eine Entwicklung Barths gegenüber seinem Römerbriefkommentar erkennen, denn der Glaube liegt nun nicht mehr rein passiv jenseits des menschlichen Bewusstseins (vgl. K. Hammann, Der Glaube als freie Tat des Gehorsams. Herkunft, Bedeutung und Problematik einer Denkfigur Rudolf Bultmanns, in: ZThK 109 (2012), S. 206 – 234, 213; s.u. Kap. 2.1.1).  Noch deutlicher wird dieser Akzent des Tat-Begriffs an einer Formulierung Bultmanns, der über dessen Bedeutung explizit Rechenschaft ablegt: Nach Bultmann ist die Tat „nur im Tun da, ist nie ‚vorhanden‘“, sodass der Glaube als Tat „keine Eigenschaft an mir“ ist, sondern als die menschliche Entscheidung „im Vollzuge gesehen wird“ (R. Bultmann, Theologische Enzyklopädie, hg. v. E. Jüngel, K. W. Müller, Tübingen 1984, 134). Siehe auch: K. Hammann, Der Glaube als freie Tat des Gehorsams, 210 – 216.220 – 223, der auch darauf hinweist, wie sich der Tatbegriff gerade auch im Verhältnis zwischen Barth und Bultmann im gemeinsamen Konzedieren Herrmanns akzentuierte (vgl. besonders ebd., 213). Außerdem markierte Barth mit der Wahl des Tatbegriffs für den Glauben seine Ablehnung und Unterscheidung von Schleiermachers Begriff des Gefühls, s.u. Kap. 2.2.2.  Das Verhältnis von Barths Tatverständnis des Glaubens zur Rechtfertigung ohne Werke wird unten ausführlich diskutiert: s.u. Kap. 8.2.3.  G. Ebeling, Lutherstudien: Begriffsuntersuchungen – Textinterpretationen – Wirkungsgeschichtliches, 556.  Vgl. ebd., 556 f. Ebeling kritisiert ferner, dass dieses Verständnis zu einer Ethisierung des Glaubens führen würde und das Thema der Heilsgewissheit in den Hintergrund trete. Zwar halte Barth an der Rechtfertigungslehre insofern fest, als der Glaube kein Werk ist und der Mensch keinen freien Willen zum Glauben habe, aber um das trotz Tatvorstellung umzusetzen, lege Barth „darauf Wert, den Glauben soteriologisch zu depotenzieren, um ihn anthropologisch lozieren zu können.“ (ebd., 555) Ermöglicht wird also diese nicht selbst soteriologische Tat des Glaubens in der ihr vorausgehenden „Tat Gottes in Christus“ (ebd., 556).

1.1 ‚Glaube‘ – Ein für Barth untypisches Thema?

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Glaube ist eine menschliche Tat, die ein sie begründendes Gotteswerk anerkennt. Als diese Tat ist sie vom Gegenstand begründet, aber sie bleibt – kontra Ebelings eigenes Glaubensverständnis – eine menschliche Tat und ist also solche kein göttliches Werk im Menschen.⁸⁸ Diese Bipolarität des Barthschen Glaubensbegriffs von göttlichem Werk extra me sine me und eigener, irdischer Tat des darauf antwortenden Glaubens gilt es in der vorliegenden Arbeit systematisch zu entfalten. Dabei kann einerseits gezeigt werden, dass der Glaube bei Barth in Gottes Berufung begründet und strikt auf Jesus Christus bezogen ist; Christus ist dabei das eigentliche ‚Subjekt‘ der Bundespartnerschaft mit Gott, zu dem der Mensch nur gleich einem ‚Hohlraum‘ das Christus anerkennende ‚Prädikat‘ darstellt (s.o. 1.1.1). Die Versöhnung von Gott und Mensch ist demnach extra nos für jeden Menschen – unabhängig von seinem persönlichen Glauben – in Jesus Christus vollzogen und verwirklicht. Daher ist nach Barth jeder Mensch in Jesus Christus ein Bundespartner Gottes.⁸⁹ Insofern ist die Gottesbeziehung des Gläubigen bereits außerhalb seiner und ohne seine Beteiligung allein exzentrisch in Jesus Christus begründet. Andererseits wird der Glaube durch Barths Betonung der subjektiven Tätigkeit des Menschen von einem gottmenschlichen Ereignis unterschieden und strikt auf Seiten der irdischen Entsprechung verortet.⁹⁰ In dem Bezug auf Christi Versöhnungswerk ist der

 Nach Maurer will Barth mit dem Tatbegriff darauf hinweisen, dass der Glaube nicht „in der Weise natürlicher Kausalität“ aus der Tat Jesu Christi folgt. Stattdessen ginge es Barth um „die Existenz des erwählten Subjekts“ (E. Maurer, Calvin und Barth, in: Calvin und seine Wirkungsgeschichte, hg. v. M. Basse, Berlin 2011, S. 199 – 224, 223). Demnach würde der Tatbegriff gerade die Subjekthaftigkeit des Menschen im Glauben betonen und ein Verständnis verwehren, was den Glauben als schlichte Folge des Wirkens Gottes versteht. Und auch Hirsch versucht den Tatbegriff hinsichtlich seiner theologischen Bedeutung zu interpretieren: Die Tätigkeit des Glaubens markiere die „Trennung zwischen dem Glauben und allem, was – wenn auch notwendig – ihm folgt“ (E. C. Hirsch, Glauben. Wissen und Verwirklichen, in: Parrhesia, hg. v. E. Busch 1966, S. 346 – 365, 352). Gerade weil Barth die Tat des Glaubens als ein Kennen verstehe, unterscheide er den tätigen Glauben vom christlichen Handeln, was vielmehr eine Konsequenz des Glaubens wäre (vgl. ebd., 352 f.). So versucht Hirsch den Tatbegriff von seiner Unterscheidung zum Werk her zu deuten.  Es wird u. a. in Kapitel 4.2 gezeigt werden, dass Christi Stellvertretung nicht erst im Glauben für den Menschen verwirklicht wird, sondern in Christus bereits verwirklicht ist. Hier ist also der Unterschied zu der klassischen, u. a. von Luther vertretenen Vorstellung zu betonen, wonach der ‚fröhliche Wechsel‘ im Glauben stattfinde (vgl. Luther, WA 5, 608,6 f.; Luther WA 7, 25,34; vgl. W. Härle, Der Glaube als Gottes- und/oder Menschenwerk in der Theologie Martin Luthers, in: Marburger Jahrbuch Theologie IV, hg. v. W. Härle, R. Preul, Marburg 1992, S. 37– 77, 53).  Dabei wird der Glaube deutlicher auf der irdisch-menschlichen Seite verortet als oben bei Ebeling, der den Glauben als Werk des Geistes im Menschen versteht.

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1 Problemaufriss und Thema der Arbeit

Glaube für Barth sensu strictu die menschliche Antwort, die diesem Werk Gottes anerkennend und erkennend in der Form des Abbilds, der Analogie oder Parrhesie entspricht. Im Glauben kommt es folglich zur geschichtlichen Realisierung von Gottes Werk in Christus. Hierbei ist der Glaube eine Erkenntnistat des Menschen, durch die es zu einem neuen Selbstverständnis und einer neuen Lebensgestaltung in Entsprechung zur christologischen Neuschöpfung kommt.⁹¹ Dabei würde es jedoch zu kurz greifen, die göttliche Ermöglichung des Glaubens als sein Konstitutionsmoment zu beschreiben und die menschliche Tat lediglich dem darauf folgenden Vollzug des Glaubenslebens zuzuordnen. Wenngleich die göttliche Begründung des Glaubens bei Barth separat beschrieben werden kann, kommt es erst in der Verbindung von göttlicher Ermöglichung und menschlicher Antwort zum Glauben, sodass die beiden Aspekte des Glaubens stets zusammen zu betrachten sind. Bei der Explikation dieses Zusammenhangs ist jedoch darauf zu achten, dass die ‚dialektische‘ Schärfe von Barths Unterscheidung zwischen göttlich-eschatologischem Werk und menschlich-vorletzter Tat nicht unzulässig nivelliert wird. Ferner ist nicht zu vergessen, dass der tätige Mensch als Geschöpf nie unabhängig von Gottes allgemeiner Ermöglichung seines Tätigseins zu denken ist. Die vorliegende Untersuchung wird daher die gegenläufige Bestimmtheit des menschlichen Glaubens als ‚Hohlraum‘ und ‚Tat‘ mit den Begriffen von Exzentrizität und Deutung interpretieren, in ihrer systematischen Begründung innerhalb der KD aufzeigen und ihr Verhältnis zueinander klären.⁹²

1.2 Forschungsüberblick zur Glaubensthematik in der KD Menschlicher Glaube ist bislang in der Forschung zu Barths Kirchlicher Dogmatik ein nur wenig beachtetes Thema.⁹³ Eine deutschsprachige Monographie zu dieser Thematik hat einzig Albert Walkenbach 1955 – also vor Abschluss der KD – vorgelegt, die jedoch mit ihren knapp hundert Seiten keine umfassende

 Die Barthsche Glaubensbestimmung verfällt dabei nicht der oben kritisierten Doppelpoligkeit von fides qua und fides quae, weil der Glaubensgegenstand den Gläubigen erstens schon umfasst und zweitens der Glaubensvollzug von der Tat Christi her bestimmt wird.  Eine Klärung dieser zwei Begriffe findet sich in Kap. 1.3.3.  Noch bescheidener fällt die Diagnose von Seils im Jahr 1996 aus: „Über Barths Glaubensverständnis gibt es keine spezielle Abhandlung.“ (M. Seils, Glaube, 185) Beintker resümiert allgemein den Forschungsstand, dass „[w]esentliche Einsichten seiner [Barths] Theologie – von Ausnahmen abgesehen – bisher weder angemessen rezipiert noch mit der wünschenswerten Differenziertheit weitergedacht worden“ sind. (M. Beintker, Karl Barth. Eine Einführung, 262).

1.2 Forschungsüberblick zur Glaubensthematik in der KD

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Behandlung des Themas bietet.⁹⁴ Als zweite, englischsprachige Monographie könnte Robert Voelkels Dissertation von 1962 gezählt werden, die eine Kritik an Barths Glaubenskonzept formuliert, indem sie Barth gegenüber Glaubensvorstellungen in der Bibel, bei Luther und bei Schleiermacher evaluiert.⁹⁵ Diese Arbeit leistet es jedoch nicht, die Bedeutung des Glaubens für den Gläubigen zu erhellen, sondern erörtert vielmehr verschiedene Verhältnisse des Glaubens zu Offenbarung, Wissen und Rechtfertigung.⁹⁶ Den nach Meinung der Verfasserin besten Überblick über die Glaubensthematik bei Barth bietet gegenwärtig Martin Seils, der in seinem Handbuch zum Thema Glauben auch Barth in Hinblick auf dessen Entwicklung des Glaubensbegriffs und dessen Gestalt in der KD bespricht.⁹⁷ Für die KD kommt Seils zu dem Ergebnis, dass Barth den Glauben „als Christusentsprechung“, „als Freiheitsgeschehen“, „als Offenbarungserkenntnis“ und „als Lebensgehorsam“ auffasst.⁹⁸ Diese Analyse ist einerseits – auch schon aufgrund ihres knappen Umfangs – zu vertiefen, andererseits ist gerade der Aspekt der anthropologischen Gestalt des Glaubens zu ergänzen, da Seils aufgrund des Überblickcharakters seiner Darstellung kaum auf die menschliche Wirklichkeit und den Vollzug des Glaubens bei Barth eingeht.⁹⁹ Eine frühe Analyse des Barthschen Glaubensbegriffs mit besonderem Augenmerk auf dessen Entwicklung in der KD und den Unterschied Barths zu Bultmann liefert Christian Hirsch.¹⁰⁰ Hirsch beschreibt 1966 die Lage so, dass die Theologie immer noch mit der Alternative Wilhelm Herrmanns agiere, dass der Glaube entweder als „ein annehmendes Wissen von etwas objektiv Vorgege A. Walkenbach, Der Glaube bei Karl Barth. Dargestellt im Lichte seiner Kirchlichen Dogmatik, Limburg 1955.Walkenbach vergleicht Barth darin mit Aspekten der katholischen Lehre zu Glaube und Erkenntnis.  R. T.Voelkel, The Conception of Faith in the Theology of Karl Barth. A Critique of the Barthian Theology, Ann Arbor, MI 1962. Voelkel kommt in seiner Arbeit, die sich auf das seinerzeit verfügbare Gesamtwerk Barths bezieht, zu dem kritischen Urteil: „On the one hand, the subjectobject split assumed in his [Barth’s] discussion of knowledge is not grounded metaphysically, and, on the other hand, man’s being is undercut by Barth’s Christo-monism. The ultimate consequence is that faith, which is in reality an existential category, is threatened.“ (ebd., 344).  Nach einem Überblick über „Faith“ gliedert Voelkel seine Arbeit in folgende Kapitel: „Faith and Revelation“, „Faith and Knowledge“, „Faith and Justification“, „Faith and ‚Fellowship‘ with God“ und „Faith and the Priorty of God“ (ebd.).  M. Seils, Glaube, 185 – 240.  So die Überschriften der Unterpunkte in seiner 19seitigen Analyse: ebd., 220. 224. 229. 236.  Gleiches gilt für den knappen Überblick zum Thema Glaube im Barth-Handbuch, siehe: Kooi, C. van der, Religion und Glaube, in: Barth Handbuch, hg. v. M. Beintker, Tübingen 2016, S. 282– 289.  Siehe: E. C. Hirsch, Glauben.

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1 Problemaufriss und Thema der Arbeit

benem zu verstehen“ sei, oder aber als ein „Akt, in dem sich das Geglaubte immer erst verwirklicht“.¹⁰¹ Diese Dichotomie wird von Hirsch auf die Alternative zwischen Barth und Bultmann übertragen, sodass der Glaubensbegriff Barths von Hirsch primär als Erkennen eines Vorgegebenen charakterisiert wird.¹⁰² Was dieses gläubige Erkennen der Versöhnung Gottes allerdings für den Erkennenden bedeutet, führt Hirsch nicht aus, sodass auch bei ihm Aussagen über die anthropologische Gestalt des Glaubens fehlen. Neben diesen expliziten Erörterungen gibt es diverse weitere vergleichende Untersuchungen, die Barths Glaubensverständnis jeweils mit demjenigen von Rahner, Bultmann, Tillich, Bonhoeffer oder der reformierten Tradition in Beziehung setzen.¹⁰³ Diese Arbeiten können die Perspektive auf Barths Glaubensverständnis zwar teils erweitern, ihre Analyse orientiert sich aber primär an dem Erkenntnisinteresse des Vergleichs. Schließlich findet sich die Thematik des Glaubens relativ häufig im Zusammenhang mit Untersuchungen zur theologischen Erkenntnis bei Barth.¹⁰⁴ Hierbei überwiegt aber das methodisch-funk-

 Ebd., 346.  Hirsch kommt für Barth zu dem Ergebnis, „daß der menschliche Glaube als Erkennen verstanden werden kann, da seine Bedeutung im Gegenstand liegt und das christliche Handeln seine Konsequenz bildet.“ (ebd., 353) Dieses Erkennen sei schlicht ein Annehmen der Tat Gottes, worin es aber zur Widerspiegelung der göttlichen Herrlichkeit kommt (vgl. ebd., 350 f.). Es finden sich zwar einige weitere Artikel zur Glaubensthematik bei Barth, die allerdings nicht den Glauben in seiner menschlichen Wirklichkeit thematisieren. So zum Beispiel in: „Karl Barth and Faith“, in dem Schepers Barth lediglich zwischen der katholischen Kritik und dem Erbe Schleiermachers diskutiert (M. B. Schepers, Note: Karl Barth and Faith. Recent Orientations, in: TS 24, H. 3 (1963), S. 464– 469). Oder auch Beintkers Vortrag „Glaube und Religion“, worin es Beinkter primär um eine Einordnung Barths zu den Religionen geht (M. Beintker, Glaube und Religion. Das Barthsche Erbe).  Vgl. u. a. E. Almén, Glaube und geschichtliche Verantwortlichkeit. Die Geschichtlichkeit des menschlichen Denkens als theologisches Problem von den Positionen Karl Barths und Paul Tillichs her beleuchtet, Lund 1976; U. Kappes, Durch Christus befreites Leben. Theologische Untersuchung des Glaubensverständnisses bei Karl Barth und Rudolf Bultmann, Berlin 1978; M. Fischer, Was ist Offenbarung? Analyse und Diskussion der Konzepte von Karl Barth und Karl Rahner, Marburg 2003; G. H. Thomas, Revelation, Faith, and Doctrine. A Study Based on the Theology of John Calvin, Friedrich Schleiermacher, and Karl Barth, Ann Arbor, MI 1961; A. Käfer, Glaube als Beziehungsfrage. Ein fundamentaltheologisches Gespräch mit Karl Barth und Friedrich Schleiermacher, in: Glaube. Das Verständnis des Glaubens im frühen Christenum und in seiner jüdischen und hellenistisch-römischen Umwelt, hg. v. J. Frey u. a., Tübingen, 2017, 829 – 855; E. van ’t Slot, Negativism of Revelation?; J. Dierken, Glaube und Lehre im modernen Protestantismus. Studien zum Verhältnis von religiösem Vollzug und theologischer Bestimmtheit bei Barth und Bultmann sowie Hegel und Schleiermacher, Tübingen 1996.  Zum Beispiel bei R. Prenter, Glauben und Erkennen bei Karl Barth. Bemerkungen eines lutherischen Boso zur theologischen Methode Karl Barths, in: KuD 2 (1956), S. 176 – 192; E. Wolf,

1.2 Forschungsüberblick zur Glaubensthematik in der KD

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tionale Interesse am Glauben, sodass auch dort die anthropologische Gestalt des Glaubens nicht eingehender erörtert wird. Wenngleich der Glaube bei Barth also kaum ein eigenständiges Forschungsthema darstellt, so ist der menschliche Glaube doch ein so grundlegendes Thema, dass er in diversen Arbeiten über Barth und besonders auch Arbeiten über dessen Anthropologie mit vorkommt. Diese Arbeiten können jedoch nicht alle in der Einleitung aufgeführt werden. Sie werden stattdessen, wenn erforderlich, zu dem jeweiligen thematischen Schwerpunkt mit herangezogen.¹⁰⁵ Ein wissenschaftliches Interesse am Menschen in Barths Werk zeigt sich an den Themenstellungen der jüngsten Barth-Kongresse: Die „Princeton-KampenConsultation 2005“ stand unter dem Thema „The Reality of God and the Reality of Faith“. Daraus sind aber bislang noch keine ausführlichen Ergebnisse für die Glaubensthematik hervorgegangen.¹⁰⁶ Die „Internationale Karl Barth-Tagung“ auf dem Leuenberg hat sich 2012 das Thema „Mission (Im‐)Possible“ gestellt, wobei die Missionsthematik auf die Frage nach Religion und Glaubensweckung zugespitzt wurde. 2013 lautete das Thema der Tagung „Der Heilige Geist und das christliche Leben“. Schließlich stand 2014 „Der wahre Mensch“ Jesus von Nazareth im Fokus der beiden Barth-Tagungen in den Niederlanden und in der Schweiz, was erneut den Menschen in seinem durch Jesus Christus konstituierten Gottesverhältnis zum Thema machte.¹⁰⁷ Damit scheint ein neues Interesse am Menschen und am Gläubigen in der Theologie Barths zu bestehen, das sich von der eingangs angeführten Kritik emanzipiert. Abschließend sollen anhand einiger exemplarisch ausgewählter Arbeiten die Grenzen des hier zu bearbeitenden Glaubensthemas abgesteckt werden. Zuerst sind Untersuchungen zur Glaubensgestalt beim Menschen im Frühwerk

Glaube und Erkenntnis. Über die Einheitlichkeit im Denken Karl Barths, in: EvTh 21 (1961), S. 109 – 224.  Einen allgemeinen Überblick über die Vielzahl der älteren Sekundärliteratur zu Barth bieten W. Härle, Sein und Gnade, 352– 428 oder auch M. Kwiran, Index to literature on Barth, Bonhoeffer and Bultmann, Basel 1977. Aktuellere Literatur ist über die Online-Datenbank gut erschlossen (Protestantse Theologische Universiteit Amsterdam Groningen, NL, Center for Barth Studies, Princeton Theological Seminary, USA, Karl Barth Bibliographie, 2015. http://barth.mediafiler.org/barth/cgi-bin/index.cgi?taal=Duits (abgerufen am 31.08. 2015)), sodass auf den Versuch eines umfassenden Überblicks hier zugunsten einer thematisch exemplarischen Erschließung verzichtet werden kann.  Das Thema der „Princeton-Kampen Consultation 2005“ war „The Reality of God and the Reality of Faith“ anhand von II/1 und VI/1. Vgl. The Reality of Faith in Theology. Studies on Karl Barth, hg. v. Bruce L. McCormack, Bern, Berlin, Frankfurt am Main, Wien 2007.  Vgl. hierzu die Ausgaben der Zeitschrift für dialektische Theologie: ZDTh 29, H. 58.1 (2013); ZDTh 30, 60.1 (2014); ZDTh 31, H. 61.1 (2015).

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1 Problemaufriss und Thema der Arbeit

Barths zu nennen. Hier haben u. a. Herbert Anzinger,¹⁰⁸ Folkhart Wittekind¹⁰⁹ und Georg Pfleiderer¹¹⁰ einschlägige Studien vorgelegt. Anzinger analysiert in Auseinandersetzung mit Barths Bezug zur liberalen Theologie dessen Glaubensverständnis bis 1918 als kommunikative Freiheit unter Berücksichtigung von Partizipation, Erkenntnis und Subjektivität. Auch Manfred Josuttis kommt in seiner Analyse des Anselmbuches zur eingehenden Analyse des Glaubens als Erkenntnis Gottes.¹¹¹ Chronologisch setzt die vorliegende Arbeit mit ihrer Untersuchung der KD dort ein, wo die Betrachtungen jener Arbeiten aufhören. Zweitens gibt es besonders in der englischsprachigen Forschung eine Reihe von Arbeiten, die den Menschen als Subjekt der Barthschen Ethik fokussieren. Hierbei wird jedoch auf einer Interpretation des Barthschen Glaubensverständnisses aufgebaut, ohne diese Grundlage selbst hinreichend zu klären. Hierunter fallen besonders die Arbeiten von John Webster,¹¹² Archibald Spencer,¹¹³ und Paul Nimmo.¹¹⁴ Ein Überblick über diese amerikanische Debatte und die einzelnen Schwerpunkte findet sich bei David Clough / Michael Leyden.¹¹⁵ Auch Joseph Mangina¹¹⁶ greift die Frage nach dem Menschen auf, ohne aber auf die anthropologischen Phänomene des Glaubens näher einzugehen. Mangina stellt zwar die Frage nach dem involvierten menschlichen Selbst, verweist dann aber

 H. Anzinger, Glaube und kommunikative Praxis. Eine Studie zur „vordialektischen“ Theologie Karl Barths, München 1991.  F. Wittekind, Geschichtliche Offenbarung und die Wahrheit des Glaubens. Der Zusammenhang von Offenbarungstheologie, Geschichtsphilosophie und Ethik bei Albrecht Ritschl, Julius Kaftan und Karl Barth (1909 – 1916), Tübingen 2000.  G. Pfleiderer, Karl Barths praktische Theologie. Zu Genese und Kontext eines paradigmatischen Entwurfs systematischer Theologie im 20. Jahrhundert, Tübingen 2000; Theologie im Umbruch der Moderne. Karl Barths frühe Dialektische Theologie, hg. v. Georg Pfleiderer, Harald Matern, Zürich 2014.  Vgl. M. Josuttis, Die Gegenständlichkeit der Offenbarung, bes. 116 – 142.  J. Webster, Barth’s Ethics of Reconciliation, Cambridge 1995; J. Webster, Barth’s Moral Theology. Human Action in Barth’s Thought, Edinburgh 1998.  A. J. Spencer, Clearing a Space for Human Action. Ethical Ontology in the Early Theology of Karl Barth, New York, Washington, DC u. a. 2003.  P. T. Nimmo, Being in Action. The Theological Shape of Barth’s Ethical Vision, London 2007. Ferner sind hierzu zu nennen: G. P. McKenny, The Analogy of Grace. Karl Barth’s Moral Theology, Oxford, New York 2010, M. Husbands, Barth‘s Ethics of Prayer. A study in Moral Ontology and Action, Toronto 2005.  D. Clough, M. Leyden, Claiming Barth for Ethics. The Last Two Decades, in: Ecclesiology 6 (2010), S. 166 – 182.  J. L. Mangina, Karl Barth on the Christian Life. The Practical Knowledge of God, New York 2001.

1.2 Forschungsüberblick zur Glaubensthematik in der KD

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nur auf einen Raum in Christus, ohne diesen inhaltlich weiter zu bestimmen.¹¹⁷ Diese Arbeiten zur Ethik ergänzen die vorliegende Arbeit insofern, als es in ihr nur um den Glauben und nicht um das damit beginnende christliche Leben geht. Drittens sind Arbeiten zum Anthropologiebegriff bei Barth zu nennen, die der vorliegenden Arbeit insofern nahestehen, als hier der Glaube in seiner anthropologischen Gestalt geklärt werden soll. Die meisten dieser Arbeiten versuchen, Barth mit der liberalen Theologie in Beziehung zu setzen. Hierzu sind exemplarisch die Arbeiten von Konrad Stock,¹¹⁸ Daniel Price,¹¹⁹ Thies Gundlach¹²⁰ und Michael Menke-Peitzmeyer¹²¹ zu nennen. Am nächsten steht Stock dem hier gewählten Ansatz, da er in seiner Untersuchung den Begriff der Anthropologie als „Anthropologie der Verheißung“ neu zu fassen sucht.¹²² Der Glaube wird jedoch auch von Stock nicht als eigens darzustellendes Thema behandelt. Ein durchaus kritisches Ringen mit Barths Anthropologie zeigt sich ferner bei der ‚Münchner Schule‘:¹²³ So machte Wolfhart Pannenberg Barth den Vorwurf,

 Ebd., 199 f.  K. Stock, Anthropologie der Verheißung. Karl Barths Lehre vom Menschen als dogmatisches Problem, München 1980.  D. J. Price, Karl Barth’s Anthropology in Light of Modern Thought, Grand Rapids, MI 2002. Price beginnt mit einer Analyse des Anthropologieverständnisses in der Aufklärung, welches er als subjektzentriert beschreibt, um dann zu zeigen, dass zwischen Barth und postaufklärerischen Ansätzen einige Analogien hinsichtlich relationaler Bestimmungen des Menschen zu ziehen sind.  T. Gundlach, Selbstbegrenzung Gottes und die Autonomie des Menschen. Karl Barths Kirchliche Dogmatik als Modernisierungsschritt evangelischer Theologie, Frankfurt, New York 1992. Gundlach geht es in seiner Untersuchung um die Neuzeitlichkeit der Theologie Barths (vgl. ebd., 8), wozu er die Erwählungslehre Barths in Hinblick auf die ihr impliziten Aussagen zum Wirklichkeitsverständnis und Gottesbild analysiert.  M. Menke-Peitzmeyer, Subjektivität und Selbstinterpretation des dreifaltigen Gottes. Eine Studie zur Genese und Explikation des Paradigmas „Selbstoffenbarung Gottes“ in der Theologie Karl Barths, Münster 2002. Diese Arbeit nimmt im ersten Teil die Anknüpfung zur Subjektproblematik der neuzeitlichen Theologie unter besonderer Berücksichtigung Schleiermachers auf, in der materialen Analyse des umfangreicheren zweiten Teils werden jedoch vor allem die Topoi Trinität und Erwählungslehre behandelt, aber nicht eigens die Frage nach der Anthropologie und dem menschlichen Subjekt. Auch Frey wendet sich dem Verhältnis Barths zum ‚neuzeitlichen Subjektivitätsverständnis‘ zu und unterscheidet drei verschiedene Strömungen mit dieser Verhältnisbestimmung umzugehen, siehe: C. Frey, Zur theologischen Anthropologie Karl Barths, in: NZSTh 19, H. 2 (1977), S. 199 – 224.  Vgl. K. Stock, Anthropologie der Verheißung, 235.  Der Sammelbegriff ‚Münchner Barthdeutung’ findet sich u.a bei Klappert (vgl. B. Klappert, Versöhnung und Befreiung. Versuche Karl Barth kontextuell zu verstehen, NeukirchenVluyn 1994, 338), der ihn primär auf Wagner und Graf bezieht. Auch Holtmann spricht unter Berufung auf Klappert von der Münchner Barthdeutung und schließt Rendtorff mit ein, wobei er herausarbeitet, dass sie aus der Außenperspektive zwar als homogene Gruppe wahrgenommen

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1 Problemaufriss und Thema der Arbeit

dass dieser durch „die Abweisung der Anthropologie […] erst recht in die Abhängigkeit anthropologischer Bedingtheit geraten“¹²⁴ sei. Friedrich W. Graf reiht sich mit seiner Deutung des Subjekts bei Barth in diese Kritik ein.¹²⁵ Interessant ist besonders Trutz Rendtorffs Ansatz, Barths Dogmatik als Ethik zu lesen und so den Menschen bei Barth doch wieder ins Zentrum zu rücken.¹²⁶ Diese umfassenden Arbeiten zur Anthropologie Barths begrenzen die vorliegende Arbeit gleichsam ‚zur Seite‘, insofern es in ihr primär um den Glauben und nicht Barths Anthropologie im Allgemeinen geht.¹²⁷

1.3 Aktuelle Konzeptionen menschlichen Glaubens Für die Einordnung des Barthschen Glaubensverständnisses in die gegenwärtige systematisch-theologische Diskussion beziehe ich mich auf zwei Ansätze, zwischen denen Barths Ansatz auf erhellende Weise positioniert werden kann.¹²⁸ Die ‚hermeneutische Theologie‘ begreift den Glauben als Erschließungsereignis, in dem Gott den Glaubenden neu konstituiert und dieser sich von diesem Ereignis her neu versteht (1.3.1). Demgegenüber beschreibt der ‚deutungstheoretische Ansatz‘ den Glauben als spezifische Form der religiösen Lebensdeutung (1.3.2).

werden, intern aber aufgrund ihrer unterschiedlichen Problembestimmungen neuzeitlicher Theologie Differenzen aufweisen (vgl. S. G. Holtmann, Karl Barth als Theologe der Neuzeit. Studien zur kritischen Deutung seiner Theologie, Göttingen 2007, 409).  W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, Göttingen 1983, 16.  Vgl. F. W. Graf, Die Freiheit der Entsprechung zu Gott. Bemerkungen zum theozentrischen Ansatz der Anthropologie Karl Barths, in: Die Realisierung der Freiheit, hg. v. T. Rendtorff, Gütersloh 1975, S. 76 – 118.  Vgl. T. Rendtorff, Der ethische Sinn der Dogmatik. Zur Reformulierung des Verhältnisses von Dogmatik und Ethik bei Karl Barth, in: Die Realisierung der Freiheit, hg. v. T. Rendtorff, Gütersloh 1975, S. 119 – 134.  Diese Arbeiten werden an den entsprechenden Stellen der vorliegenden Arbeit diskutiert, siehe dazu die Verweise im Personenregister.  Hierfür lehne ich mich grundsätzlich an die jüngst von Dirk Evers vorgenommene Gliederung der deutschsprachigen evangelischen Dogmatik an, wenngleich ich aufgrund der Zuspitzung auf die Thematik des Glaubens Einzelne, wie zum Beispiel Danz, anders zuordne als Evers. Vgl. D. Evers, Neuere Tendenzen in der deutschsprachigen evangelischen Dogmatik, in: ThLZ 140, H. 1 (2015), Sp. 3 – 22. Auch Tietz hat jüngst dargelegt, wie sich die deutschsprachige Theologie in zwei „Richtungen“ spalte: „eine größere, die sich an Schleiermacher anschließt, und eine kleinere, die nach wie vor Karl Barths Anliegen meint Rechnung tragen zu müssen“ (C. Tietz, Von Schleiermacher zu Dworkin, 2). Erstere kann man dem ‚deutungstheoretischen Ansatz‘ zurechnen, letzere überschneidet sich teils mit dem, was Evers als ‚hermeneutisch-theologischen Ansatz‘ rekonstruiert.

1.3 Aktuelle Konzeptionen menschlichen Glaubens

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Der Akzent liegt hierbei auf dem sich selbst deutenden Subjekt, für welches die Inhalte des Glaubens eine Funktion der eigenen Lebensdeutung und Sinnstiftung sind.¹²⁹ Wenngleich Barth in dieser Gegenüberstellung am ehesten der hermeneutischen Theologie zuzurechnen wäre, so soll im Fortgang dieser Arbeit aufgezeigt werden, dass in Barths Verständnis des Glaubens als menschliche Tat auch eine gewisse Nähe zum deutungstheoretischen Ansatz besteht (1.3.3). Im Schlusskapitel werden diese hier teils nur thetisch angeführten Bezüge zur gegenwärtigen Theologie anhand der Arbeitsergebnisse begründet und ausgebaut (s.u. Kap. 9).

1.3.1 Der ‚hermeneutische‘ Ansatz Dieser Ansatz in der gegenwärtigen Theologie wird von Dirk Evers als Weiterführung der „dialektischen oder hermeneutisch-kerygmatischen Traditionen“ beschrieben, als deren Vertreter u. a. Rudolf Bultmann, Gerhard Ebeling, Ernst Fuchs, Eberhard Jüngel und Ingolf Dalferth gelten.¹³⁰ Für diesen Ansatz kennzeichnend ist der „Bezug auf eine vom Subjekt unabhängige, ihm und der vorfindlichen Wirklichkeit durchaus gegen-ständige Wirklichkeit, für die der Begriff des Glaubens als Widerfahrnis und Offenbarung, als Ergriffenwerden und Neuwerden konstitutiv“ ist.¹³¹ Darin kommt der „Rekonstruktion des Glaubens“ eine zentrale Stellung zu.¹³² Glauben wird hierbei nach Evers, der sich selbst am ehesten diesem Ansatz zuordnen würde,¹³³ im Sinne einer „Verstehenswende“ aufgefasst, die sich

 Der Begriff ‚deutungstheoretischer Ansatz‘ wird – wie auch die folgenden beiden Charakterisierungen ‚hermeneutische Theologie‘ und ‚realistische Theologie‘ – in Anführungszeichen gesetzt, um anzuzeigen, dass die hier skizzierten Autoren keine einheitliche Schule bilden. Gleichwohl sind einige gemeinsame Tendenzen aufweisbar, wie auch Evers Aufsatz deutlich macht (vgl. D. Evers, Neuere Tendenzen in der deutschsprachigen evangelischen Dogmatik).  Ebd., 11.Vgl. auch I. U. Dalferth, Radikale Theologie, Leipzig 2010, 29. Dass dies ein in sich sehr unterschiedlich ausdifferenzierter Ansatz ist, zeigt schon Dalferths Unterscheidung zwischen einer „anthropozentrischen Wirklichkeitshermeneutik“ bei Ebeling und einer theozentische[n …] Möglichkeitshermeneutik“ bei Fuchs und Jüngel (I. U. Dalferth, P. Bühler, A. Hunziker, Einleitung: Hermeneutische Theologie – eine Spurensuche, in: Hermeneutische Theologie – heute?, hg. v. I. U. Dalferth, P. Bühler, A. Hunziker, Tübingen 2013, S. IX–XXII, XVIII, vgl. auch I. U. Dalferth, Hermeneutische Theologie – heute?, in: Hermeneutische Theologie – heute?, hg. v. I. U. Dalferth, P. Bühler, A. Hunziker, Tübingen 2013, S. 3 – 38, 4 f.).  D. Evers, Neuere Tendenzen in der deutschsprachigen evangelischen Dogmatik, 10.  I. U. Dalferth, Radikale Theologie, 151.  Vgl. D. Evers, Neuere Tendenzen in der deutschsprachigen evangelischen Dogmatik, 21.

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1 Problemaufriss und Thema der Arbeit

dem Wirken Gottes verdankt.¹³⁴ Daher gilt nach Ebeling: „Wenn vom Glauben die Rede ist, muß vom Menschen die Rede sein. Das steht nicht in Konkurrenz zu dem anderen: daß, wenn vom Glauben die Rede ist, von Gott die Rede sein muß.“¹³⁵ Gerade die wechselseitige Beziehung von Gott und Mensch entspreche dem Wesen des Glaubens, somit ist der Glaube ein Werk Gottes am Menschen und zugleich ein das Personensein und die persönliche Verantwortung betreffender Herrschaftswechsel.¹³⁶ Die Ermöglichung des Glaubens wird als Gabe Gottes verstanden.¹³⁷ Entsprechend wird Gott bei von Sass ein „ontologische[r] Ort“ zugewiesen, sodass er als „real“ gedacht wird.¹³⁸ Der Realität und Aktivität Gottes in der Konkretion des Glaubens entspricht die Passivität des Menschen im Glaubensakt:¹³⁹ Weil Gott den Menschen für den

 Ebd., 11.  G. Ebeling, Das Wesen des christlichen Glaubens, Stuttgart 1959, 134.  Vgl. ebd., 141.  Grundsätzlich ist die hermeneutische Theologie – nach Dalferth – orientiert an einem „Verständnis Gottes als sich selbst als Gott erschließendem Zeichenereignis im menschlichen Leben.“ (I. U. Dalferth, Radikale Theologie, 170).  D. Evers, Neuere Tendenzen in der deutschsprachigen evangelischen Dogmatik, 12. Beispielsweise grenzt sich von Sass zwar von der Vorstellung einer metaphysischen Gegenständlichkeit Gottes ab (vgl. H. von Sass, Gott als Ereignis des Seins. Versuch einer hermeneutischen Onto-Theologie, Tübingen 2013, 57– 60), konstruiert aber vom Ereignis ausgehend eine „OntoTheologie“ (vgl. ebd.). Um nicht doch wieder in die Versuchung zu kommen, zwischen Gottes Wirken im Ereignis und einem dahinter stehenden Gott zu unterscheiden, kann der Glaube bei von Sass nicht ‚an Gott‘ gerichtet sein, sondern sei vielmehr ‚in Gott‘.Vgl. hierzu D. Evers, Neuere Tendenzen in der deutschsprachigen evangelischen Dogmatik, 12 f. Dass von Sass dabei nicht kritischer mit Barths Begriff der Gegenständlichkeit Gottes umgeht (bes. H. von Sass, Gott als Ereignis des Seins, 92– 130), verwundert Evers (D. Evers, Neuere Tendenzen in der deutschsprachigen evangelischen Dogmatik, 13, Fn 33). Auch Dalferth setzt sich verschiedentlich mit der Realität Gottes auseinander und beschreibt die Bedeutung von real in diesem Zusammenhang wie folgt: „Reale Gegenstände sind als Gegenstände semiotische Konstrukte des menschlichen Geistes, die als reale Gegenstände etwas unabhängig von diesem Existierendes symbolisch repräsentieren.“ I. U. Dalferth, Existenz Gottes und christlicher Glaube, 33. Seine drei in diesem Zusammenhang entwickelten Thesen, mit denen er an Hilary Putnam anschließt (vgl. H. Putnam, Reason, Truth and History, Cambridge, MA 1981, 49), geben eine überblicksartige Zusammenfassung seines kritischen, theologischen Realismus (vgl. I. U. Dalferth, Theologischer Realismus und realistische Theologie bei Karl Barth, 405).  Vgl. I. U. Dalferth, Umsonst. Eine Erinnerung an die kreative Passivität des Menschen, Tübingen 2011; P. Stoellger, Passivität aus Passion. Zur Problemgeschichte einer ‚categoria non grata‘, Tübingen 2010. Dalferth entwickelt in ‚Umsonst‘ anhand des lutherischen mere passive die komplementäre Vorstellung von aktiver Kreativität und kreativer Passivität, die Dalferth versteht als ‚Gottes für uns Eröffnen von kreativen Lebensmöglichkeiten‘ (siehe I. U. Dalferth, Umsonst, 229 – 233). Stoellger versucht in einem groß angelegten Durchgang durch die Theo-

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Glauben gewinnt und ihn dabei gleichsam ‚von außen‘ neu begründet, ist der Mensch wesentlich passiv.¹⁴⁰ Die „Passivität“ ist dabei nach Evers „Ausgangspunkt und […] Grundbedingung für ein aktives Leben im Glauben“.¹⁴¹ Diesen Grundgedanken bringt Jüngel prägnant zum Ausdruck: „Glaubend erfährt sich das Ich als bereits entschieden.“¹⁴² Daher wird es von Jüngel abgelehnt, den Glauben wie bei Barth, Bultmann und Rahner als „Tat oder Entscheidung“ zu bestimmen.¹⁴³ Vielmehr versetze der Glaube in eine „höchst lebendige Passivität“, in welcher der Mensch erkennt, dass der Anfang seines Glaubens in Gott liegt und insofern in ihm schon angefangen hat.¹⁴⁴ Die Passivität wird dabei, wie jüngst von Philipp Stoellger ausgeführt, nicht notwendig als Gegenbegriff zur Aktivität gebraucht, sondern auch im Sinne der Rezeptivität als Bedingung der menschlichen Spontaneität.¹⁴⁵ Zur Bewertung ist zunächst daran zu erinnern, dass Jüngel, Dalferth und Stoellger maßgeblich von Barth geprägt sind. Sie stimmen mit Barth darin

logiegeschichte die Passivität des Menschen aus der Passion Christi zu bestimmen und so die „Prägnanz des ,mere passive iustificari‘“ herauszustellen (vgl. P. Stoellger, Passivität aus Passion, V).  Vgl. D. Evers, Neuere Tendenzen in der deutschsprachigen evangelischen Dogmatik, 11.  Vgl. ebd.  E. Jüngel, Art. „Glaube, IV. Systematisch-theologisch“, 974.  Ebd.  Ebd.  Vgl. P. Stoellger, Passivität aus Passion, 430 – 434 u. ö. Vgl. entsprechend die Darstellung bei D. Evers, Neuere Tendenzen in der deutschsprachigen evangelischen Dogmatik, 12. Barth wird von Stoellger so interpretiert, dass der Mensch in seiner Rezeptivität „Täter [ist] im Widerspruch oder in Einklang zu Gottes Handeln. So kann man den Menschen im Glauben als Täter, aber in seiner Tat als rein rezeptiv bestimmen, sofern er dem Willen Gottes entspricht.“ (P. Stoellger, Passivität aus Passion, 432) Demnach entspricht „der rein rezeptive Mensch vor allem in seiner spontanen Aktivität Gottes Handeln“ und so gilt „[d]ie reine Rezeptivität [… als] eine Maximalform der Spontaneität“ (ebd., 432 f.). Dies führt Stoellger allerdings zu der Kritik an Barth, dass erstens „die Rezeptivität ‚nur‘ als Funktion des Handelns verstanden werden kann“, die Dimension des Pathos im Sinne von Affektivität und Sinnlichkeit würden hingegen „ausgeblendet“ (ebd., 434). Zweitens würde, wenngleich Barths Rede von der ‚reinen Rezeptivität‘ (siehe III/2, 207 und IV/1, 709 – 711) als Passivität verstanden werden könne (siehe ebd., 429 – 437), der „Zusammenhang“ von Passivität und Aktivität bei Barth „weniger klar“ (ebd., 431). Drittens benennt Stoellger auch hinsichtlich des Begriffs der Passivität bei Barth den „auffälligen Ausfall des ‚mere passive‘“ (ebd.). Eine gegenteilige Bewertung findet sich nur bei von Sass, der bei Barth und Bultmann von einer „Paradoxie des Glaubens“ spricht, bei der eine „Verschränkung von höchster Aktivität und gerade darin höchster Passivität“ vorliege (H. von Sass, Gott als Ereignis des Seins, 127), denn der Mensch würde den Glauben als menschliche Entscheidung und Tat auffassen, aber im Glauben erkennen, dass sich diese Entscheidung allein Gott verdankt (vgl. ebd., 126 f.).

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überein, dass Glaube konkret als ‚Glaube an Jesus Christus‘ bestimmt wird, die Möglichkeit und Wirklichkeit des Glaubens im realen Wirken Gottes begründet ist und insofern von einer ek-zentrischen Struktur des Glaubens ausgegangen wird.¹⁴⁶ Ferner soll im Fortgang der Arbeit gezeigt werden, dass auch Barths Verständnis des Glaubens als ‚Kennen‘ im Sinne einer ‚Verstehenswende‘ zu interpretieren ist.¹⁴⁷ In der konkreten Ausführung des jeweiligen theologischen Ansatzes finden sich jedoch diverse Unterschiede. Einer davon liegt in der Einschätzung der Passivität des Menschen, wie schon in der oben genannten Abgrenzung Jüngels von Barths Verständnis des Glaubens als ‚Tat‘ und ‚Entscheidung‘ deutlich wurde.¹⁴⁸ In der vorliegenden Arbeit soll gezeigt werden, dass Barth den Glauben allein in Gottes Berufung begründet sieht und dem Menschen keine Entscheidung im Sinne einer Wahl des Glaubens zukommt.¹⁴⁹ Darin liegt eine eindeutige Nähe Barths zum ‚hermeneutischen Ansatz‘ vor. Aber zugleich bestimmt Barth den Glauben strikt als menschliche, irdische, sündige Tat. So kann im Unterschied zu dem hier skizzierten Ansatz dargelegt werden, dass der Glaube in Barths Konzeption nicht selbst den Einbruch des eschatologischen Heils bedeutet oder allein als reale, geistgewirkte Heilsgewissheit im Menschen anzusehen ist, sondern ein menschlich-irdisches Tun darstellt und innerhalb dessen Grenzen bleibt. Diese strikte Unterscheidung von Gott und Mensch wird, wie die Analyse der Glaubenstat zeigen soll (s.u. Kap. 5.4), bei Barth auch im Glauben nicht aufgehoben.

 Vgl. E. Jüngel, Art. „Glaube, IV. Systematisch-theologisch“, 973 f.  Dalferth spricht von einem „hermeneutischen Erbe“ Barths und Bultmanns (I. U. Dalferth, Radikale Theologie, 77) und verweist in seinen Ausführungen zur hermeneutischen Theologie häufig auf die beiden. Er unterscheidet sie dabei allerdings so, dass er Bultmann eine „Glaubenstheologie“, Barth hingegen eine „Offenbarungstheologie“ zuschreibt (ebd., 219). Dabei charakterisiert er Barths Dogmatik innerhalb seiner Ausführung über „gegenständlichkeitsorientierte Fragestellungen“ der „theologische[n] Hermeneutik“ auch als „sich antihermeneutisch gebärdend[ ]“ (ebd., 66). Die Nähe zwischen Barth und Bultmann benennt u. a. auch von Sass gegen frühere Unterscheidungen in eine vermeintlich objektive und eine hermeneutische Theologie (siehe H. von Sass, Gott als Ereignis des Seins, 108).  Dieser Kritik Jüngels schließt sich auch Ebeling an, der darin den fundamentalen Unterschied zwischen Luthers Verständnis des Glaubens als Werk Gottes und Barths Verständnis des Glaubens als bestätigendem Werk des Menschen sieht, wie bereits oben in Bezug auf die Tat des Glaubens ausgeführt wurde (s.o. Kap. 1.1.3, Anm. 80).  Siehe hierzu unten Kap. 5.3.2.

1.3 Aktuelle Konzeptionen menschlichen Glaubens

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1.3.2 Der ‚deutungstheoretische‘ Ansatz Der deutungstheoretische Glaubensbegriff ist in eine allgemeine Religionstheorie eingebettet, nach der Religion eine „bestimmte Form [ist], mit der Menschen ihr Leben deuten und interpretieren“.¹⁵⁰ Die Kernthese dieser Religionstheorie formuliert Ulrich Barth wie folgt: „Religion ist die Deutung von Erfahrung im Horizont der Idee des Unbedingten.“¹⁵¹ Diese „deutungstheoretische Einordnung“ ermöglicht die „anthropologische und kulturelle Anschlussfähigkeit“ der Religion als einer „Form der Wirklichkeitsinterpretation“.¹⁵² Der Deutung kommt dabei ein wesentlich „konstruktiver Charakter“ zu, der sich nach Jörg Lauster insoweit von dem Vorwurf der Projektion befreien kann, wie es dieser Konstruktion gelingt, „einen Aspekt der Wirklichkeit in symbolischer Deutung zum Ausdruck zu bringen.“¹⁵³ Die christliche Tradition wird dabei als diese Deutungsprozesse vermittelnder Symbolbestand rekonstruiert. Nach Christian Danz führt diese Auffassung auch dazu, den Gehalt von Dogmatik in seiner expressiven und nicht seiner referenziellen Funktion zu verorten: „Die Gehalte der Dogmatik […] verweisen nicht auf eine Gegenstandssphäre, sondern sie sind die Medien der Darstellung des sich verständlich gewordenen menschlichen Lebens.“¹⁵⁴ Das theologische Programm, das sich laut Notger Slenczka aus diesen Annahmen ergibt, ist eine „Entsubstantialisierung religiöser Aussagen“, worunter er eine „deutungstheoretische Reformulierung der gegenständlichen Aussagen des christlichen Glaubens“ versteht.¹⁵⁵ Religion und Glaube werden hierbei nicht explizit unterschieden: Für Danz ist die Dogmatik eine „begriffliche Selbstbeschreibung des Glaubensaktes“ und damit keine referenzielle „Reflexion über die Religion“ oder gar über Gott, sondern eine „strikt selbstbezügliche[…] Theorie“ der Selbstvergewisserung des

 J. Lauster, Religion als Lebensdeutung. Theologische Hermeneutik heute, Darmstadt 2005, 9.  U. Barth, Was ist Religion. Sinndeutung zwischen Erfahrung und Letztbegründung, in: Religion in der Moderne, hg. v. U. Barth, Tübingen 2003, S. 3 – 27, 26. Siehe dazu auch: D. Evers, Neuere Tendenzen in der deutschsprachigen evangelischen Dogmatik, 5.  J. Lauster, Religion als Lebensdeutung, 12.  Ebd., 16.  C. Danz, Einführung in die evangelische Dogmatik, Darmstadt 2010, 156.  N. Slenczka, Flucht aus den dogmatischen Loci, in: Zeitzeichen, H. 8 (2013), S. 45 – 47, 48. Dem entspricht auch Ingolf Dalferths Diagnose, dass in den letzten Jahren eine „auffällige Zurückhaltung der neueren evangelischen Theologie gegenüber dem Thema der Existenz Gottes“ zu bemerken sei, wenngleich Dalferth aus dieser Analyse zu einer anderen Schlussfolgerung kommt (I. U. Dalferth, Existenz Gottes und christlicher Glaube, 81).

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Glaubens für den Glauben.¹⁵⁶ Demnach kann der Glaube nicht nur beschrieben werden, ohne eine nähere Bestimmung Gottes als seines Bezugsgeg enstands zu erfordern, sondern seine selbstbezügliche Struktur ist dezidiert von diesem Gegenstandsbezug abzugrenzen.¹⁵⁷ So definiert Danz Glauben „als das Geschehen des Sich-Verstehens des Menschen in seiner Endlichkeit und Geschichtlichkeit“.¹⁵⁸ Diese Glaubensauffassung trägt der Grundannahme Rechnung, dass auch der Glaube ein wesentlich subjektives Geschehen und der konstruktiven Symbolisierung nicht enthoben ist. Die weitergehende Frage, ob Deutungsakten eine göttliche Substanz vorausgehen könne, wird von Slenczka als das „Revival der Antithese […], in die sich Barth zu Schleiermacher stellte“, gewertet.¹⁵⁹ Damit wird Barth als exemplarischer Vertreter einer von Slenczka als „Unredlichkeit“ kritisierten gegenstandsbezogenen Theologie angeführt, die etwas von dem Deutungsakt „Unabhängiges“ voraussetze.¹⁶⁰ Auch Danz setzt seinen deutungstheoretischen Ansatz in ein Verhältnis zu Barth; er gelangt jedoch zu dem gegenteiligen Fazit, dass auch bei Barth ein reflexiver, referenzloser Gebrauch des Gottesbegriffs vorliege.¹⁶¹ Der Gottesbegriff fungiere bei Barth „ausschließlich als Selbstbeschreibung des Geschehens von reflexiver Erkenntnis im Vollzug menschlichen Lebens.“¹⁶² Somit integriert Danz anders als Slenczka den Barthschen Ansatz in sein eigenes Verständnis des Glaubens als Selbstdeutung. Was bedeutet dieser deutungstheoretische Ansatz für die Inhalte des Glaubens? Nach Danz liegen diese nicht einfach vor, sondern sind vielmehr nur im

 C. Danz, Einführung in die evangelische Dogmatik, 156.  Vgl. N. Slenczka, Flucht aus den dogmatischen Loci, 48.  C. Danz, Einführung in die evangelische Dogmatik, 31.  N. Slenczka, Flucht aus den dogmatischen Loci, 45. Barth unternehme dabei den „Versuch einer Begründung der faktisch gegebenen Rede von Gott […] in ihrem Gegenstand“.  Ebd., 45 f. So zum Beispiel auch Dalferth, der Barth „eine in exemplarischer Weise realistische Theologie“ zuschreibt, ohne diese allerdings negativ zu bewerten: I. U. Dalferth, Theologischer Realismus und realistische Theologie bei Karl Barth, 402.  C. Danz, Christologie als Selbstbeschreibung des Glaubens. Zur Neubestimmung der Christologie bei Karl Barth und Paul Tillich, in: KuD 58.2 (2012), S. 132– 146, 134. Ähnliche Deutungen zu Karl Barth finden sich auch in C. Danz, Grundprobleme der Christologie, Tübingen 2013, 152– 157.  C. Danz, Christologie als Selbstbeschreibung des Glaubens, 138. Eine nähere Auseinandersetzung mit Danz’ Barthinterpretation wird hier ausbleiben, erstens weil deren selektive oder unspezifische Belegstellen eine hermeneutische Auseinandersetzung erschweren (vgl. ebd., 138, Anm. 18) und zweitens weil ihr Erkenntnisinteresse auf eine andere Abstraktionsebene zielt als die Kapitel in den Hauptteilen dieser Arbeit.

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Vollzug des jeweiligen Glaubensaktes zugänglich.¹⁶³ Danz entwickelt aus dieser Grundlage seine deutungstheoretische Rekonstruktion: Der Gottesbegriff fungiert z. B. als ein Symbol, mit dem „der Glaube sich selbst und die Unableitbarkeit seines Entstehens“ beschreibt und so zu einer „neuen, tragfähigen Deutung des eigenen Lebens“ gelangt.¹⁶⁴ Auch der „Glaube an Jesus Christus“ kann „unter den Erkenntnisbedingungen der Moderne nicht mehr“ im Sinne von Stellvertretung, Opfer und Gesetzerfüllung verstanden werden,¹⁶⁵ vielmehr ist der ‚eigentliche‘ Gehalt der Versöhnungslehre „[d]er Übergang von dem Bewusstwerden des eigenen Gebrochenseins zur Gewissheit und damit zu einem neuen und vertieften Selbstverständnis des Menschen“.¹⁶⁶ Ein weiteres Beispiel bietet Folkart Wittekinds deutungstheoretische Rekonstruktion der Christologie. Wittekind versteht die Christologie als eine Funktion, die „auf die Struktur religiöser Selbstdarstellung aufmerksam“ macht, insofern sie als „reflexive Theorie symbolischer Produktivität“ das Wesen des Selbstverhältnisses des Menschen verdeutlicht.¹⁶⁷ Christologie wird bei Wittekind zu einer funktionalen Beschreibung der Struktur von Selbstdeutung und hat somit eine rein operationalisierte Bedeutung. Daher liegt es nahe, hierbei nur von Glaubensinhalten oder Glaubenssymbolen zu sprechen, und die Rede vom Gegenstand des Glaubens aufzugeben. Für den Gottesbezug des Glaubens gilt also: Dieser „muß gleichsam operationalisiert und als in das Selbstdarstellungsgeschehen eingelagert verstanden werden.“¹⁶⁸ Die Stärke dieses deutungstheoretischen Ansatzes liegt darin, dass er der den unumgänglichen Konstruktions- und Symbolisierungsleistungen des menschlichen Bewusstseins Rechnung trägt und den Glauben in den allgemeinen Bereich menschlicher Vollzüge einreiht. Insofern ist es nur folgerichtig, dass der christliche Glaube in diesem Ansatz als ein allgemein anthropologisches Phänomen der

 C. Danz, Einführung in die evangelische Dogmatik, 41. Gerade in dieser Bindung der Inhalte an den Glaubensvollzug liege die Unhintergehbarkeit des Glaubens und somit ein dem reformatorischen sola gratia angebrachtes Verständnis: „Der Glaube als das Geschehen des SichVerstehens des Menschen in seiner Endlichkeit und Bedingtheit stellt sich in den inhaltlichen Bestimmungen des Glaubens nicht nur selbst dar, sondern klärt sich mit diesen Ausdrucksformen auch über sich selbst auf. Die Glaubensinhalte und der Glaube entstehen aufgrund der Individualitäts- und Vollzugsgebundenheit zugleich. Das in dem reformatorischen Glaubensverständnis angelegte Problem, die notwendige individuelle Aneignung der Wahrheit des Glaubens nicht als eine menschliche Leistung (miss) zu verstehen, ist auf diese Weise gelöst.“ (ebd., 156).  Ebd., 41.  C. Danz, Grundprobleme der Christologie, 214.  Ebd., 219.  F. Wittekind, Christologie im 20. Jahrhundert, in: Zwischen historischem Jesus und dogmatischem Christus, hg. v. C. Danz, M. Murrmann-Kahl, Tübingen 2010, S. 13 – 45, 40.  Ebd., 43.

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Lebensdeutung verstanden wird. Eine weitere Stärke des Ansatzes ist es, dass ein symbolischer Gottesbegriff den Unterschied zwischen Gott als Gegenstand des Glaubens und anderen innerweltlichen Gegenständen betont. Diesen Gott gibt es – hierbei ist der Hinweis auf die Reformatoren angebracht – nur als Gott pro me. Als problematisch erweist sich dieser Ansatz allerdings erstens hinsichtlich seines Geltungsanspruchs, denn es ist nicht klar, nach welchen Kriterien zwischen ‚besserer‘ und ‚schlechterer‘ Deutung unterschieden werden soll.¹⁶⁹ Ein nicht nur subjektives, allgemeingültiges Kriterium der Sachgemäßheit von Explikationen der Glaubensinhalte scheint wegzufallen, da ohne Gegenstandsbezug auch die Modelle von Korrespondenzwahrheit und intersubjektiver Übereinstimmung mangels eines tertium comparationis subjektiver Einstellungen fragwürdig werden. Zweitens – so lautet der womöglich gewichtigere Einspruch – bleibt unklar, wie eine selbstkonstruierte Deutung die Erfahrung erschließen kann, eine im Geist neu geschaffene Kreatur zu sein.¹⁷⁰ In Ermangelung einer realen Unterscheidbarkeit von Schöpfung und Offenbarung scheint die Dimension des Glaubens als Gabe, Widerfahrnis und Neuschöpfung nur schwer einzuholen. Drittens stellt der deutungstheoretische Ansatz die intentionale Struktur des Glaubens als Glaube an Gott derart radikal infrage, dass Glaubensphänomene wie das Gebet und das Selbstverständnis vieler Gläubiger schwer mit ihm zu vermitteln sind.¹⁷¹ Für die These der vorliegenden Arbeit ist dieser deutungstheoretische Ansatz insofern relevant, als Glauben auch nach Barth kein eschatologisches Geschehen (vgl. Kap. 5.4.1) und keine Vergegenwärtigung Christi (vgl. Kap. 8.3.3) ist, sondern ein menschlicher, der Sünde und Endlichkeit verhafteter Antwortakt. Nicht Gott

 Vgl. D. Evers, Neuere Tendenzen in der deutschsprachigen evangelischen Dogmatik, 6. Körtner konstatiert sogar, dass eine religiöse Deutung, die einseitig als Leistung des Subjektes beschrieben wird, sich „auf den Wahrheitsanspruch des christlichen Glaubens desaströs auswirken“ müsse (U. Körtner, Einführung in die theologische Hermeneutik, Darmstadt 2006, 30).  Diese Kritik äußert auch Körtner an Korschs Interpretation des Glaubens als Deutung: „Das Verstehen des Glaubens kommt einzig als menschliche Aktivität des Deutens und Aneignens in den Blick. Daß das Verstehen des Glaubens ein Verstandenwerden […] ist, bleibt hier ganz unbegriffen. […] Die Grundpassivität des Glaubens wird zur Aktivität des sich selbst und die Welt deutenden Subjekts uminterpretiert“ (ebd., 29). Selbst bei Lauster, der nach Körtner versucht das „passivische Moment des Glaubens“ zu fassen, bleibe „das extra nos des Glaubens doch unterbestimmt.“ (ebd.).  Aus letzterem Grund erklärt William Alston eine realistische Theorie Gottes als Voraussetzung für ein tragfähiges Glaubenskonzept (W. P. Alston, Realism and the Christian Faith, in: IJPR 38 (1995), S. 37– 60, 37), denn: „any form of irrealism is crashingly implausible as an account of the way in which religious beliefs and affirmations are meant (understood) by almost all believers.“ (ebd., 55).

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glaubt im Menschen, sondern Glauben ist eine freie menschliche Tat, die nicht prinzipiell von anderen menschlichen Tätigkeiten unterschieden werden kann.¹⁷² Insofern gehören Deutung und Selbstdeutung auch nach Barth zum Wesen menschlichen Glaubens dazu. Zugleich wird die Struktur des Glaubens bei Barth jedoch dezidiert vom Gegenstand des Glaubens her entwickelt, der den Glauben ermöglicht und diesen als ein ‚Entgegenstehendes‘ formt. Dabei wird Gott nicht ‚nur‘ ein sprachlich-figuratives Symbol der menschlichen Selbstreflexion, sondern wird als lebendiger Begründer des Glaubens und wirkmächtiges Gegenüber im Wortsinne substanzieller gedacht, aber ohne dass Barth einen allgemeinen ontologischen Realismus entwickeln würde (s.o. 1.1.3). Durch seine Annahme eines realen Gottes wird die Deutungsstruktur des Glaubens bei Barth dahingehend konturiert und bereichert, dass sich die menschliche Deutung in der Entsprechung zum Gegenstand als wahre Deutung erweisen soll und vom Gegenstand her die Kraft gewinnt, die Existenz des Menschen zu verändern.

1.3.3 Verhältnis beider Ansätze zu ‚Exzentrizität und Deutung‘ Zu den Zielen der vorliegenden Arbeit gehört die Konturierung des Glaubensbegriffs in Barths KD gegenüber den eben skizzierten theologischen Ansätzen. Die Begriffe „Exzentrizität“ und „Deutung“ sollen dabei als Leitbegriffe fungieren, um Unterschiede und Affinitäten zu markieren. Dies erfordert eine einleitende Exposition dieses Begriffspaars. Der Begriff der Exzentrizität schließt an die theologische Tradition an, gemäß welcher der Mensch grundsätzlich relational zu verstehen ist, sodass seine Geschöpflichkeit und Verwiesenheit auf Gott gegenüber seiner Autonomie und eigenständigen Subsistenz primär sind.¹⁷³ Der Begriff der Exzentrizität markiert grundsätzlich, dass der Vollzug des Glaubens in Relation zu Gott als zu einem ‚Anderen‘ geschieht und nicht nur ein innersubjektives Geschehen ist. Diese grundsätzliche Relationalität des Menschen wird als Exzentrizität insofern prä-

 Zu den seltenen Versuchen Barths Theologie im Kontext von deutungstheoretischen Ansätzen zu situieren, gehört auch die praktisch-theologische Arbeit von Schwarz: J. Schwarz, Ich nenn’ es einfach jetzt mal Leben. Lebensdeutung und Dogmatik im hermeneutischen Dialog, Berlin 2013.  Das Verständnis des Menschen als wesenhaft exzentrisch findet sich insbesondere bei Luther (vgl. W. Joest, Ontologie der Person bei Luther, Göttingen 1967, 233 – 274), Jüngel spricht daher vom Glauben als einer „ekstatischen Struktur“ (E. Jüngel, Gott als Geheimnis der Welt. Zur Begründung der Theologie des Gekreuzigten im Streit zwischen Theismus und Atheismus, Tübingen 1977, 246).

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1 Problemaufriss und Thema der Arbeit

zisiert, als auch das ‚Zentrum‘ des Menschen, der Bezugspunkt und die Erfüllung seines Wesens, außerhalb seiner in Jesus Christus liegt. Im Glauben kommt es dann von Gott her zur Erkenntnis dieser Exzentrizität, sodass dem Menschen offenbar wird, dass er in Christus zentriert ist.¹⁷⁴ Eine zentrale Rolle spielt hierbei Barths Grundwort für den Glauben: die „Kenntnis“. Dieses im Glauben vollzogene Anerkennen und Erkennen Gottes und darin auch Erkennen der eignen Exzentrizität wird in der vorliegenden Arbeit als ein neues Verstehen interpretiert. In den Modifikationen des ‚Kennens‘ liegt somit eine gewisse Nähe zum Glauben als ‚Verstehenswende‘ in der hermeneutischen Theologie, aber auch bedeutsame Unterschiede. Um diese Unterschiede, insbesondere zu Rudolf Bultmann, zu markieren, wird der Begriff der Deutung verwendet.¹⁷⁵ Dabei wird nicht behauptet, dass Glauben bei Barth eine Deutung im Sinne des deutungstheoretischen Ansatzes ist (s.o. 1.3.1), sondern dass das ‚Kennen‘ des Glaubens bei Barth zwischen Exzentrizität und Deutung situiert werden muss, d. h. dass es sowohl als ein neues Verstehen exzentrisch auf Gott bezogen ist als auch in Hinblick auf diesen Akt des Verstehens als menschliche, nicht-eschatologische Tat eine Deutungsform ist. Der Begriff Deutung ist allerdings in Anwendung auf Barths Theologie missverständlich,¹⁷⁶ weil es verschiedene Interpretationen des Begriffes gibt, die teils einen realen Gottesbezug ausschließen. Tom Kleffmann hat hierzu zwischen einem „paradigmatische[n] Begriff der Deutung“ und einem Begriff von Deutung als „einer untergeordneten hermeneutischen Kategorie“ unterschie-

 Der hier verwendete theologische Begriff der Exzentrizität ist daher nicht mit Helmuth Plessners philosophisch-anthropologischer Bestimmung der ‚exzentrischen Positionalität‘ zu verwechseln (vgl. H. Plessner, Die Stufen des Organischen und der Mensch. Einleitung in die philosophische Anthropologie, 1928/1975).  Allerdings wendet zum Beispiel Korsch den Begriff der Deutung auch auf Bultmanns Glaubensverständnis an. So beschreibt er das Verstehen des Glaubens als „Eintritt in die Selbstdeutung des Glaubens“ (D. Korsch, Religionsbegriff und Gottesglaube, 187) und das Kerygma sei die „Aufforderung, der hier gebotenen Selbstdeutung von Gott her zu entsprechen“ (ebd., 190). Teilweise hat der Deutungsbegriff den Verstehensbegriff beerbt und ersetzt ihn nun.  Lauster sieht zum Beispiel eher die Möglichkeit, für den Deutungsansatz an Bultmanns Erbe anzuknüpfen, Barth hingegen verorte den Glauben nicht in „auf eigener Erfahrung beruhend[r] Überzeugung“, sondern durch seine Bindung des „Wortes Gottes an die biblischen Ausdrucksformen“ werde dieses „verabsolutier[t]“ und die menschliche Religion würde auf ein „Fürwahrhalten“ reduziert. Dadurch sei aber die „Interpretationsbedürftigkeit“ und „Aufgabe hermeneutischer Übersetzung“ bei Barth nicht gegeben (J. Lauster, Das Programm ‚Religion als Lebensdeutung‘ und das Erbe Rudolf Bultmanns, in: Hermeneutische Theologie – heute?, hg. v. I. U. Dalferth, P. Bühler, A. Hunziker, Tübingen 2013, S. 101– 116, 114).

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den.¹⁷⁷ Den „paradigmatischen“ Deutungsbegriff kritisiert er scharf, da dieser jeden „Wahrheitsanspruch im Grunde unausweichlich negiert“.¹⁷⁸ Dabei richtet sich seine Kritik mitunter auf die konstruktive Leistung des Subjekts der Deutung: Die Deutung sei darin „ohne Bezug zur Wirklichkeit des zu Deutenden“, sodass kein Raum bleibe für die Vorstellung „es mit dem Anderen zu tun zu haben“.¹⁷⁹ Dadurch werde das Zusammendenken von „Konstruktion und Widerfahrnis oder Ereignis“ unmöglich.¹⁸⁰ Bereits die einleitend ausgeführte Gegenstandsbezogenheit des Barthschen Glaubensverständnisses (s. o. 1.1.3) weist darauf hin, dass es mit Kleffmanns „paradigmatischem“ Deutungsbegriff inkompatibel ist. So gilt es, den Begriff der Deutung einer subjektivitätstheoretischen Vereinseitigung zu entziehen. Wenn in dieser Arbeit der Deutungsbegriff für Barth verwendet wird, dann soll damit weder der Gegenstandsbezug des Glaubens ausgeklammert werden noch die Idee externer Kriterien für die Adäquatheit einer Deutung. Barth geht sowohl von der Offenbarung Gottes als auch von wirklicher Erkenntnis der göttlichen Wirklichkeit aus und misst diese Erkenntnis an Jesus Christus. Allerdings stellt Barth die gläubige Gotteserkenntnis auch unter den Vorbehalt, dass sie in der Gestalt menschlichen Glaubens nur als wahr erhofft werden kann, da der Glaube eine

 T. Kleffmann, Religion als menschliche Deutung. Über Sinn und Grenze eines aktuellen religionsphilosophischen Ansatzes, in: Kritik der Religion, hg. v. I. U. Dalferth, H.-P. Grosshans, Tübingen 2006, S. 285 – 300, 286, der sich bei seinen Ausführungen zum ‚paradigmatischen Begriff der Deutung auf Ulrich Barths Gebrauch des Deutungsbegriffs bezieht. Bei Lauster findet sich hingegen die Beschreibung „subjektivitätstheoretischer Deutungsbegriff“, die einer „realistische[n] Fassung des Deutungsbegriffs“ entgegengestellt wird (J. Lauster, Das Programm ‚Religion als Lebensdeutung‘ und das Erbe Rudolf Bultmanns, 115).  T. Kleffmann, Religion als menschliche Deutung, 286. Obwohl zum Beispiel Dieter Henrich den mit der „Deutung notwendig verbundenen Anspruch auf Wahrheit, Erfahrung oder Erkenntnis offen zu halten“ versuche, führe dieser Begriff der Deutung zur Negation des Wahrheitsanspruches (ebd.). Die Wahrheitsfrage werde „irrelevant“ (ebd., 285). Daher sei nach Kleffmann bezüglich der Deutung auch nicht von „Erkenntnis“ zu sprechen, sondern eben nur von „Sinndeutung“ (ebd., 289): „Zu verstehen gegeben ist hier nichts.“ (ebd., 295) Die funktionale Ebene des Deutungsansatzes „umgeht die Wahrheitsfrage völlig“ (ebd., 296).  Ebd., 295. Das „religiöse[ ] Relat“ der Religion ist nach Ulrich Barth nicht Gott, sondern nur negativ bestimmbar als „das Unbedingte“, jegliche Konkretisierung desselben müsse daher nach Kleffmann als „Produkt des deutenden menschlichen Subjekts“ und also als Konstruktion aufgefasst werden (ebd., 288). Darin liege nach Kleffmann auch der Unterschied Ulrich Barths zu der von diesem in Anspruch genommenen Formulierung Eberhard Jüngels von „Erfahrung mit der Erfahrung“ (ebd., 288, Anm. 14). Weiter kritisiert Kleffmann, dass der Deutungsbegriff zwar angeblich auch rezeptive Faktoren beinhalte, doch werde letztlich kein plausibler Ansatz für die passive Rezeptivität geboten, da alle Deutung „rein Leistung des Menschen ist“ (ebd., 290).  Ebd., 297.

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durch die Sünde auch noch verfälschte, irdische und vorletzte Erkenntnis und Tat des Menschen ist. Es eignet sich der Deutungsbegriff zur Interpretation Barths, da er, wie auch Korsch feststellt, gegenüber dem Verstehensbegriff „die unerläßliche Aktivität im Verstehen hervor[hebt]“.¹⁸¹ Deuten beschreibt demnach als Verstehen auch eine Form der Gotteserkenntnis und hat in seiner Struktur den Bezug auf seinen zu verstehenden Gegenstand. Jedoch betont der Deutungsbegriff erstens stärker als der Verstehensbegriff selbst das symbolisch-konstruktive Moment des Erkennens.¹⁸² Zwar wird nicht geleugnet, dass dem Deuten ein Widerfahrnis oder ein Ereignis zugrunde liegt, aber die Erkenntnis dessen zeigt sich nur in der Vermittlung durch menschliche Tätigkeit. Dies ist insofern für das Verständnis des Barthschen Glaubensbegriffs hilfreich, als sich daran – wie in Kap. 9 zu zeigen ist – der Unterschied zu Bultmann betonen lässt: Statt von einer Vergegenwärtigung Christi im Verstehen des Glaubens auszugehen, bestimmt Barth den Glauben als menschliche Analogie oder Spiegelung Christi. Statt den Glauben als eschatologischen Einbruch aufzufassen, weist Barth ihn den vorletzten, irdischen Dingen zu. So kann durch den Deutungsbegriff als Explikation des Kennens (Kleffmanns zweiter Deutungsbegriff) gezeigt werden, inwiefern der Glaube nach Barth Gott erkennt und diese Erkenntnis dennoch irdisch-sündige und fallible Deutung ist. Zweitens eignet dem Deutungsbegriff ein deiktisches Moment des Verweisens, das Korsch mit dem biblischen ‚Siehe‘ interpretiert.¹⁸³ Gerade die von Barth

 D. Korsch, Religionsbegriff und Gottesglaube, 226. 228, Herv. J. S. Auch Lauster vertritt die These, dass „Religion als Lebensdeutung […] das klassische Hermeneutikverständnis protestantischer Theologie im 20. Jahrhundert in einer sehr gebrochenen Weise [beerbt].“ (J. Lauster, Das Programm ‚Religion als Lebensdeutung‘ und das Erbe Rudolf Bultmanns, 101) Dabei setzt er aber am Erfahrungsbegriff an, der „weiter zu fassen ist als der Begriff der Erkenntnis“, diese dabei aber eben umfassender beschreibt und somit einschließt (ebd., 102). „Entscheidend“ ist dabei für Lauster, dass „die außerhalb des Subjektes liegende Realität einerseits und die Verarbeitungsleistung des Subjekts andererseits zueinander ins Verhältnis gesetzt werden.“ (ebd., 102 f.). So gehe es darum, von einem ‚deutungsdurchtränkten‘ Erleben auszugehen (vgl. ebd., 103). Dabei unterscheidet sich das hier gewählte Vorgehen in seinen Vergleichspunkten von Lausters Versuch, das Programm ‚Religion als Lebensdeutung‘ hinsichtlich des Erfahrungsbegriffs an Bultmanns Ereignisbegriff anzuschließen.  Damit soll nicht gesagt sein, dass die Zeichenvermitteltheit ausschließlich ein Charakteristikum der Deutung ist. Auch der Verstehensbegriff selbst enthält konstruktivistische Elemente des Interpretierens und Deutens (vgl. dazu I. U. Dalferth, Hermeneutische Theologie – heute?, 6. 18. 20. 36), gleichwohl betont der Deutungsbegriff diesen Aspekt des Verstehens.  Vgl. D. Korsch, Art. „Deutung. III. Systematisch-theologisch“, in: Lexikon der Bibelhermeneutik, hg. v. O. Wischmeyer, Berlin 2009, S. 130 – 131, 131. An anderer Stelle entfaltet Korsch drei Aspekte des Deutungsbegriffs: deiktisches Hinweisen, hermeneutisch-zeichenvermitteltes

1.4 Vorgehen und Thesen der Untersuchung

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betonte Funktion des Glaubens als Zeugnis soll durch diesen Aspekt des Deutens eingeholt werden. Der Deutungsbegriff soll also im Folgenden gerade die Verbindung von Ereignis und Konstruktion deutlich machen und den Unterschied zum ‚Verstehen des Glaubens‘ bei Bultmann hervorheben. Besonders im Schlusskapitel (s.u. Kap. 9) ist dann zu zeigen, wie Exzentrizität und Deutung beide den Glauben bei Barth charakterisieren und zusammen gehören.

1.4 Vorgehen und Thesen der Untersuchung Die vorliegende Untersuchung folgt nicht Barths eigener Ordnung der in der KD behandelten loci, wie es etwa anhand von Rechtfertigung, Heiligung, Berufung, usw. geschehen könnte. Vielmehr soll die anthropologische Gestalt des Glaubens aus zwei systematischen Fragerichtungen erschlossen werden: die Frage nach dem Subjekt des Glaubens (Teil I), die auch Jesus Christus als Grund des Glaubens in den Blick nimmt, und die Frage nach der geschichtlichen Form des Glaubensvollzugs (Teil II), die auf den Aspekt menschlicher Tätigkeit zielt. Diese Gliederung bedingt den synchronen Zugriff auf die KD, einschlägige Passagen werden unter den systematischen Gesichtspunkten versammelt. Um diese synchrone Lesart zu fundieren und vor dem Problem mangelnder Kontextualisierung zu bewahren, werden im zweiten Kapitel der Einleitung eine Einführung in die Entwicklung des Glaubensbegriffs bei Barth sowie ein Gesamtüberblick über die KD entworfen.¹⁸⁴

Teil I: Die Begründung des Glaubens und das Wesen des Menschen (Kap. 3 – 5) Der erste Hauptteil der Arbeit hat den Gläubigen als freies Subjekt seines Glaubens zum Thema. Es gilt die Frage klären, in welcher Beziehung der Glaube zum

Verstehen und symbolisches Repräsentieren von etwas im Sinne der Bedeutung (vgl. D. Korsch, Religionsbegriff und Gottesglaube, 219 f.). Für das deiktische Hinweisen wird Grünewalds Isenheimer Altar zum die Deutung veranschaulichenden Bild und Johannes der Täufer, der auf Jesus Christus zeigt, zum Symbol der Deutung (vgl. D. Korsch, Art. „Deutung. III. Systematischtheologisch“, 131). Auch Philipp Stoellger hat dieses Bild für den Deutungsgedanken aufgenommen (s.u. Kap. 9.5).  Dieser synchrone Umgang rechtfertigt sich auch dadurch, dass trotz signifikanter Veränderungen innerhalb der KD beispielsweise in Barths Erwählungslehre, der Christologie und seinem Sakramentsverständnis, dies nicht in der gleichen Weise für den Glauben und besonders dessen anthropologische Gestalt gilt.

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1 Problemaufriss und Thema der Arbeit

Wesen des Menschen steht: ist der Mensch ‚von Natur aus‘ vermögend zu glauben oder nicht? Die Analyse stellt Barth dabei als Vermittler zweier Extreme dar. Wie in Kap. 3 gezeigt werden soll, beantwortet Barth diese Frage einerseits entschieden negativ: Glauben ist dem Menschen geradezu ‚wesensfremd‘. Dies soll anhand von Barths Auseinandersetzung mit Emil Brunner über den Begriff der „menschlichen Möglichkeit“ zum Glauben nachgezeichnet werden. Andererseits ist der Glaube dem Menschen bei Barth auch zutiefst ‚wesensgemäß‘ hinsichtlich seines wahren Seins in Christus, was Kap. 4 nachzeichnen soll. Anhand von Barths Bundestheologie (KD II/2) und der damit zusammenhängenden Schöpfungstheologie (KD III/2) soll gezeigt werden, dass Barth von einer ontologischen Bestimmung des Menschen zum Bundespartner Gottes ausgeht, die in Christus als dem wahren Menschen begründet auch den Glauben einschließt. Dabei wird eine zentrale Unterscheidung aufgeworfen, welche die weitere Untersuchung begleiten wird: dem Menschen gilt diese Bestimmung zwar de iure, allerdings entspricht die geschichtliche Realität des Menschen dieser christologischen Wirklichkeit des Erwähltseins de facto (noch) nicht. Verdeutlicht wird dieser Sachverhalt an Barths Auffassung der imago Dei: Diese ist nach Barth nicht schöpfungstheologisch, sondern christologisch als analogia relationis zu verstehen. Die Kapitel 3 und 4 werden zeigen, dass der Mensch ‚ek-zentrisch‘ in Jesus Christus sein Personenzentrum und seinen Glauben findet, da Christus als wahrer Mensch für ihn den Bund mit Gott bejaht hat. Im Glauben realisiert der Mensch aber nicht eine in ihm bislang verborgene Anlage, sondern seine Bestimmung extra nos in Christus. Wie zu zeigen ist, muss Glaube dabei als Perspektivwechsel beschrieben werden: Aus der Perspektive Gottes, dem Aspekt ‚de iure‘, sind alle Menschen schon in Christus mit Gott versöhnt und Teilhaber an der imago Dei, insofern ist ihnen der Glaube wesensgemäß und sie werden von Gottes liebender Gnade erhalten. Aus der Perspektive des Sünders ist die Gottesbeziehung seiner Lebenswirklichkeit fremd und er braucht sie nicht, um seinen Lebensvollzug zu erklären. Der Glaube ist als Perspektivwechsel daher die erkennende Aneignung der Perspektive Gottes für das eigene Leben. Aus der Analyse des Glaubens als dieser Perspektivenwechsel ergibt sich die weitere Frage, ob es eine freie Entscheidung zu glauben gibt. Auch bei Barth ist der Glaube zwar hinsichtlich seiner Begründung und Verwirklichung notwendig an Jesus Christus und die Berufung im Heiligen Geist gebunden, dennoch beschreibt ihn Barth als freie Entscheidung. An dieser Spannung in Barths Position setzt Kap. 5 ein und versucht eine Form des Kompatibilismus bei Barth herauszuarbeiten, der eine Wahlfreiheit ausschließt, aber wesentliche Momente von Freiheit wie Entscheidung, Selbsttätigkeit und Übereinstimmung bzw. Bejahung integriert. Diese Konzeption hat zwei Kernelemente: Erstens wird der Mensch im

1.4 Vorgehen und Thesen der Untersuchung

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Glaubensakt von Gott befreit, dass er Gott selbsttätig bejaht und somit auch existenziell an seinem Glauben beteiligt ist; zweitens ist der Glaube dadurch eine Teilhabe an der Freiheit Christi, sodass zu glauben und frei zu sein gleichgesetzt werden können.

Teil II: Der geschichtliche Vollzug des Glaubens (Kap. 6 – 8) In Teil II wird untersucht, wie sich der Glaube nach Barth in seinem geschichtlichmenschlichen Vollzug gestaltet. Dabei geht es um die Frage, wie die in Christus verwirklichte Gottespartnerschaft Teil der menschlichen Lebenswirklichkeit wird, d. h. wie dieses in Teil I gleichsam de iure entwickelte neue Sein auch de facto für die jeweils eigene Lebensgeschichte prägend wird. Es wird gezeigt, dass Barths strikt christologischer Ansatz nicht die Möglichkeit und Substanzialität einer persönlichen, menschlichen Glaubensgeschichte ausschließt, sondern sie vielmehr positiv einzurahmen und theologisch neu zu begreifen vermag. Dazu wird in Kap. 6 an den gegenüber Barth erhobenen Vorwürfen der Geschichtslosigkeit bzw. Geschichtsvergessenheit angesetzt, wonach die kontingente, menschliche Lebensgeschichte in Barths christologisch schon vollendeter Dogmatik keinen Platz finde. Dagegen soll gezeigt werden, dass Barths Dogmatik auf die „menschliche […] Entsprechung“ zur Christusgeschichte zielt (IV/1, 822). Die ‚Zwischenzeit‘ als Zeit der irdischen Realisierung des Bundes wird von Barth dabei christologisch gerahmt und begründet, indem Jesus Christus in seinem prophetischen Amt in ihr wirkt. Im Glauben sollen die Menschen dementsprechend als das geschichtlich sichtbare Zeugnis der Wirklichkeit Christi in der Welt fungieren. Dabei wird der Glaube als kognitive Tat des Menschen von Gottes kreatorischem Wirken unterschieden, aber gerade diese hermeneutische Dimension des Glaubens führt zu geschichtlicher Veränderung, sodass in Kap. 6 gegen den gegen Barth erhobenen Vorwurf eines bloß kognitiven Glaubensverständnisses argumentiert wird. Mit Einholung der Dimension von Geschichtlichkeit in Kap. 6 kann die Zeitlichkeit der anthropologischen Gestalt des Glaubens erörtert werden. Kap. 7 widmet sich dabei der Zeitlichkeit innerhalb der Konstitution des menschlichen Glaubens, d. h. der Frage, wie der Glaube als Übergang vom homo peccator zum homo iustus zu verstehen ist. Freilich ist dieser Übergang nicht als einfache lineare zeitliche Abfolge zu verstehen, vielmehr ist die Dynamik zu untersuchen, denn ein Mensch ist nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt entweder gläubig oder nicht, sondern er lebt diesen Glauben vielmehr in verschiedensten Bestimmungen und Graden. Hierbei steht Barths Motiv des ‚Übergangs‘ im Zentrum, anhand dessen Barth die Struktur des simul iustus et peccator als in sich zeitliche entfaltet. Wie gezeigt werden soll, befindet sich dabei nicht nur der gläubige Mensch im

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1 Problemaufriss und Thema der Arbeit

Übergang von seiner Vergangenheit als Sünder (homo peccator) hin zu seiner Zukunft als Gerechter (homo iustus), auch Christus selbst wird von Barth als ‚ImÜbergang-Begriffener‘ charakterisiert. So lässt sich zeigen, dass auch das dynamisch-geschichtliche Übergehen im Glauben, wie es sich de facto im menschlichen Glauben vollzieht, zugleich de iure in der Teilnahme an Jesus Christus gründet. Diese Teilnahme wird dabei in einem zweifachen Sinn als stets anfängliches Teilnehmen bestimmt, sodass der Gläubige seinen Glauben erstens nicht als ihm verfügbare Sicherheit besitzt, sondern stets auf Jesus Christus verwiesen bleibt und zweitens sein Teilnehmen als ein anfängliches Teilnehmen noch auf die eschatologische Vollendung harrt. Von diesen Untersuchungen zur Struktur der geschichtlich realen Glaubensvollzüge geht Kap. 8 zur Bestimmung ihres Gehalts über. Ausgangspunkt bildet die Grundgestalt des Glaubens als menschliche Tat, die von Barth in KD IV/ 1, § 63.2 als Trias der Taten Anerkennen, Erkennen, Bekennen entfaltet wird. Es soll aufgezeigt werden, inwiefern diese Kenntnisse die durch den Glauben gestiftete neue Perspektive des Gläubigen auf sein Gottes-, Selbst- und Weltverhältnis darstellen. Diese drei Verhältnisse werden in eins durch die neue Perspektive des Glaubens verändert: Aus dem existenziellen Anerkennen der in Christus verwirklichten Gottesbeziehung, d. h. zugleich aus dem Erkennen der eigenen Exzentrizität, folgt im Modus des Bekennens eine neue Weltsicht und ein neues ethisches Weltverhältnis des Gläubigen, das darauf zielt, den so erkannten Jesus Christus widerzuspiegeln. Am Ende der Analyse steht das zeugnishafte Leben als anthropologische Vollzugsgestalt des Glaubens, die zugleich als eine Form der Deutung herausgestellt werden soll, welche die Beschreibung des Glaubens als ‚Perspektivwechsel‘ fortführt.

Ergebnis der Untersuchung (Kap. 9) Aus den Analysen der beiden Hauptteile ergeben sich zwei Pointen des Barthschen Glaubensverständnisses, die in Kap. 9 eine besondere Zuspitzung erfahren. Die erste Pointe betrifft die Frage de iure, ob der menschliche Glaube bei Barth gleichsam nur als ein akzidentielles Epiphänomen oder als etwas Substantielleres anzusehen ist. In dieser Begrifflichkeit gesprochen besteht Barths Pointe darin, in der Christologie sowohl die Akzidentialität als auch die Substantialität des menschlichen Glaubens zu begründen. Erstens soll nämlich gezeigt werden, dass die Gottesbeziehung des Menschen in Jesus Christus ohnehin bereits verwirklicht ist, sodass dem Glauben keine soteriologische Notwendigkeit zukommt; demnach ‚glauben‘ alle Menschen bereits de iure in Jesus Christus, denn in ihm sind sie schon Bundespartner Gottes. Insofern kann Barth den menschlichen Glauben auch einen „Hohlraum“ nennen, der allein durch Christi Tat gefüllt wird.

1.5 Ausblicke auf Barths Ekklesiologie und Pneumatologie

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Zweitens soll jedoch nachgewiesen werden, dass der Glaube für das irdisch geschichtliche Leben des Menschen konstitutiv und unabdingbar ist, denn erst in der irdischen Realisierung der Tat Christi wird der Mensch dieser neuen Wirklichkeit teilhaftig. Der menschliche Glaube ist somit de facto die Teilhabe an Christus. Der Gläubige verschmilzt dabei nicht mit Christus, aber er spiegelt in seinen Taten den Übergang Christi von der vergangenen Sünde hin zur Hoffnung auf die zukünftige Vollendung wider, der im Modus des Anerkennens die geschichtliche Gestalt der Nächstenliebe erhält. Allein durch die je eigene Tat des Glaubens erschließt sich demnach dem Menschen sein neues Sein in Christus, obgleich dieses neue Sein allein durch Christi Tat bewirkt wurde, sodass der Glaube das menschliche Gottesverhältnis nicht eigentlich ontologisch verändert. Der eingangs angeführten Kritik Bonhoeffers, dass mit Christus eigentlich nur ein ‚himmlischer Doppelgänger‘ des irdischen Menschen glaube, kann somit entgegengehalten werden, dass der Zeugnis gebende Gläubige bei Barth vielmehr als irdischer Doppelgänger Christi zu verstehen ist. Die zweite Pointe betrifft die faktische, existenzielle Gestalt des menschlichen Glaubens und hängt mit der ersten zusammen: Es soll für das Selbstverständnis des Gläubigen gemäß Barths Konzeption entfaltet werden, dass sich der Gläubige wesentlich als exzentrisch in Christus Seiender und im Modus der Deutung Handelnder und Hoffender verstehen muss. Aus der ersten, doppelten Pointe folgt die zweite doppelte Pointe, dass sich der Gläubige erstens von Christus her und allein durch ihn bedingt verstehen und sein wahres Sein außerhalb seiner selbst, d. h. exzentrisch in Jesus Christus finden muss und zweitens gerade dadurch um die Differenz zwischen der ihm unverfügbaren Wirklichkeit Christi und seiner irdischen Realität weiß und daher weiß, dass diese nur ein gebrochenes Spiegelbild jener göttlichen Wirklichkeit sein kann. So versteht der Gläubige sich selbst ‚exzentrisch‘ von jener Wirklichkeit her, aber stets im Modus des eigenen Tuns und der eigenen Deutung, die auf eine selbsttätige Entsprechung zu jener Wirklichkeit zielt. Diese zweite Pointe der Bipolarität von Exzentrizität und Deutung in Barths Glaubensverständnis wird abschließend gegenüber ihr nahestehenden Positionen konturiert. Es werden Entsprechungen und Unterschiede zu gegenwärtigen Konzeptionen des Glaubens als Deutung (s.o. 1.3.2), zu Rudolf Bultmanns Glaubensbegriff und zur hermeneutischen Theologie im weiteren Sinn aufgezeigt.

1.5 Ausblicke auf Barths Ekklesiologie und Pneumatologie Zwei Themenkomplexe werden in dieser Arbeit nicht eigens weiter verfolgt, obwohl man ihre Erörterung in einer Arbeit über Barths Glaubensverständnis mit

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1 Problemaufriss und Thema der Arbeit

Recht erwarten könnte. Der erste Themenkomplex betrifft die kirchliche Gemeinschaft als den Ort, an dem sich der Glaube durch die Zeit hindurch bildet und erneuert. Zum Beispiel wird in KD II/2, § 34 deutlich, dass Barth die Erwählung der Gemeinde der Erwählung von Einzelpersonen vorordnet: Die Kirche hat die Funktion des Mittlers zwischen der Erwählung Christi und der Erwählung Einzelner, denn „ihr Leben und ihre Funktion ist nach der heiligen Schrift der primäre Gegenstand der ‚anderen’ Erwählung“ (II/2, 216). Die Kirche vermittelt daher durch ihr Zeugnis den Glauben (IV/1, 787 f.) und ist zugleich der Sinn und Zweck der Erweckung des Einzelnen (vgl. IV/1, 768). Der kollektive Glaube des ‚Wir‘ darf als Stütze des individuellen Glaubens des ‚Ich‘ wirken, das ‚Ich‘ ermutigt wiederum die anderen im ‚Wir‘. Trotz dieser wichtigen Funktion der Kirche für den Glauben wird Barths Ekklesiologie in vorliegenden Arbeit weitgehend ausgeklammert.¹⁸⁵ Dies hat den Grund, dass der Glauben für Barth zwar durch die Kirche vermittelt ist, aber selbst wesentlich und unhintergehbar eine Entscheidung und Tat des Einzelnen ist, durch die dieser ein Teil der Gemeinde wird. Dies lässt sich am Beispiel von Barths Ablehnung der Kindertaufe belegen (vgl. IV/4, 182): „Ein wirkliches, ein lebendiges, ein ernst zu nehmendes Glied dieses Volkes wird und ist keiner schon damit, daß er in seiner Mitte existieren darf. Das wird und ist er vielmehr damit, daß er durch den Heiligen Geist, der die Macht des Werkes und Wortes Jesu Christi ist, zu einem solchen erweckt, von oben erzeugt, neu geschaffen wird. Christliches Leben ererbt sich nicht, […] überträgt sich auch von keiner noch so echt und ernsthaft christlichen Umgebung auf die von ihr Umgebenen. Christliches Leben wird und kann auch für diese nur auf Grund der ihnen selbst von Gott widerfahrenen Befreiung und so in ihrer eigenen Entscheidung beginnen.“ (IV/4, 202)

Zwar betont Barth an dieser Stelle auch die Bedeutung der Gemeinde, insofern alle Menschen auch vom zugewendeten Glauben anderer und Christi stellvertretendem Glauben leben (vgl. IV/4, 204), aber über den Beginn des christlichen Lebens heißt es: „Zu seinem Vollzug unentbehrlich ist aber auch der eigene Glaube des Täuflings selbst.“ (IV/4, 205) Der zweite Themenkomplex, der in dieser Arbeit nicht ausführlich berücksichtigt wird, ist das Verhältnis zwischen Christologie und Pneumatologie. Das hat den Grund, dass der Glaube bei Barth von Jesus Christus zwar durch den Heiligen Geist gewirkt wird, aber der Geist gegenüber Jesus Christus in den Hin-

 Die kirchliche Funktion des Glaubens wird in Kap. 6.3 und Kap. 8.4 aufgegriffen. Die Bedeutung von Barths Vorordnung der Gemeinde vor den Einzelnen erörtert näher: W. Krötke, Die Kirche als „vorläufige Darstellung“ der ganzen in Christus versöhnten Menschenwelt. Die Grundentscheidungen der Ekklesiologie Karl Barths, in: ZDTh 22.2 (2006), S. 82– 94, bes. 87.

1.5 Ausblicke auf Barths Ekklesiologie und Pneumatologie

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tergrund zu treten scheint, zumindest was die Prägung der Glaubensgestalt angeht.¹⁸⁶ Deutlich wird die dahinter stehende systematische Priorität der Christologie zum Beispiel an Barths Auseinandersetzung mit Luthers Auslegung des dritten Artikels im Kleinen Katechismus, derzufolge es der Heilige Geist ist, der „berufft, samlet, erleucht, heiliget und […] erhelt im rechten, einigen glauben“.¹⁸⁷ Barths Auslegung des dritten Artikels in KD IV/1 schließt ausdrücklich an Luthers Auslegung an (vgl. IV/1, 721) und benennt den Heiligen Geist als die „erweckende Macht, in der sich Jesus Christus seinen Leib“, d. h. die Kirche, schafft und erneuert (IV/1, 718).¹⁸⁸ Der Inhalt dieses Geistwerkes wird von Barth allerdings lediglich als die „Bezeugung des lebendigen Jesus Christus selber“ verstanden (IV/1,

 Hirsch kritisiert in dieser Hinsicht an Barths Verständnis der Wirksamkeit Gottes für den Glauben, dass „nicht nur Gott der Schöpfer hinter dem Erlöser zurück [tritt], sondern auch der Heilige Geist […] seine Selbstständigkeit [verliert].“ (E. C. Hirsch, Glauben, 355). Dadurch könne der Glaube nur kognitiv aufgefasst werden, sodass der Geist das Heil bloß offenbare, das schon auf Golgatha verwirklicht wurde (vgl. ebd., 356). Hunsinger fasst Barths Pneumatologie so zusammen, dass sowohl deren trinitarische Begründung als auch ihre christozentrische Zuspitzung zum Ausdruck kommt: „the saving work of the Spirit is trinitarian in ground, Christocentric in focus, miraculous in operation, communal in content, eschatological in form, diversified in application, and universal in scope.“ (G. Hunsinger, The Mediator of Communion. Karl Barth‘s Doctrine of the Holy Spirit, in: The Cambridge Companion to Karl Barth, hg. v. J. Webster, Cambridge 2000, S. 177– 194, 179). Christian Link weist darauf hin, dass gerade in der reformierten Tradition eine enge Verbindung zwischen Christologie und Pneumatologie besteht, allerdings ist der Geist für Calvin die Voraussetzung der Christologie, während bei Barth hingegen der Geist die Erinnerungsfigur und Wirkmacht Christi sei und insofern als eigenes trinitarisches Subjekt unterbestimmt bleibe (vgl. C. Link, Karl Barth und Calvin. Ein spannungsreiches Verhältnis, in: ZDTh 25.2, H. 51 (2009), S. 14– 37, 33 f.).Weitere Auseinandersetzungen zum Thema des Heiligen Geistes bei Barth finden sich im ZDTh Themenheft: ZDTh 30, H. 60.1 (2014). Darin resümiert Etzelmüller, dass Barths „Pneumatologie als Implikat der Christologie“ anzusehen sei (G. Etzelmüller, Der Geist Jesu Christi. Pneumatologische Grundentscheidungen in der Kirchlichen Dogmatik, in: ZDTh 30.1, H. 60 (2014), S. 7– 32, 15). Barth selbst hat am Ende seines Lebens 1968 Reflexionen angestellt, wie er die KD als Theologie des Heiligen Geistes hätte gestalten können, was darauf hinweist, dass die Pneumatologie auch nach seiner Selbsteinschätzung weiter ausbaufähig gewesen ist (vgl. K. Barth, An Prof. D. Ernst Wolf, Göttingen. 10.08.1968, in: K. Barth, Briefe 1961– 1968, S. 493 – 495, 494). Eine Darstellung dieser späten Überlegungen Barths und ihrer möglichen Konsequenzen bietet D. Boer, Noch einmal ganz anders. Barths Traum einer besseren KD, in: ZDTh 23, H. 1 (2007), S. 74– 84.  Luther, WA 30,I, 368, 2– 3.  Entsprechendes findet sich bereits in KD II/1. Der Glaube wird auch dort „als Werk des Heiligen Geistes“ beschrieben (II/1, 177), aber gerade darin ist der Glaube die „zeitliche Gestalt seines ewigen Seins in Jesus Christus“, sodass auch dort die Gestalt des Glaubens durch Jesus Christus geprägt wird (II/1, 177). In IV/2 führt Barth dies weiter aus: indem der Heilige Geist die christliche Subjektivität begründet, ist er „Gegenwart und Aktion Jesu Christi selber“ (IV/2, 361).

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1 Problemaufriss und Thema der Arbeit

723). Damit geht für Barth die Wirkung des Geistes gleichsam in der Zueignung des Christuszeugnisses auf:¹⁸⁹ „Es ist merkwürdig, aber es ist so: man kann vom Heiligen Geist und seinem Werk grundsätzlich und allgemein tatsächlich nicht mehr als dies sagen, daß er die Macht ist, in der Jesus Christus – sich selbst bezeugt, und zwar wirksam bezeugt […]. Alles, was über die Bezeichnung dieses Faktums hinausgeht, ist ja entweder immer noch Bericht über seine Geschichte als solche: seinen Weg, seine Tat und seine Erfahrung, sein Leben als das Subjekt der Aktion, in der Gott die Welt mit sich selber versöhnte – oder aber schon Bericht über deren Bedeutsamkeit, Tragweite und Wirkung im Leben der ihn als ihren Herrn erkennenden und bekennenden Gemeinde“ (IV/1, 724).

In Barths Ausführungen über den Glauben findet sich dementsprechend nur sehr wenig zum Wirken des Heiligen Geistes, denn alles, was Barth sich darüber theologisch zu sagen zugesteht, ist entweder noch Teil der Geschichte Jesu Christi oder schon Teil der Geschichte der Gläubigen. Der Geist ist zwar auch nach Barth derjenige, der die Vermittlung von Gott und Mensch bewirkt (vgl. IV/4, 28.30), aber nicht als ein zweites Werk neben der Geschichte Jesu und deren Offenbarwerdung in der Auferstehung, sondern dies ist ein Versöhnungs- und Bundeshandeln Gottes. Der Geist in diesem einen Ereignis ist die „Zuspitzung“ auf den konkreten Menschen und der „Zugang und Eingang in das Herz und Gewissen“ und somit die Vollendung des christologischen Versöhnungsgeschehens (IV/ 4, 32).¹⁹⁰ Schließlich lässt sich die Ausklammerung der Pneumatologie durch die allgemeine systematische Annahme Barths rechtfertigen, dass Jesus Christus das eine Wort Gottes ist, durch das der trinitarische Gott sich zeigt und wirkt. Demzufolge ist Christus der eigentliche Gegenstand des Glaubens und nicht Gott in einem abstrakteren Sinne oder Gottes promissio, sondern „es ist das Wort, es ist Christus, auf den sich der Glaube bezieht“ und „der den Glauben zum Glauben“ macht (I/1, 242); der Glaube lässt sich somit mit Rekurs auf Christus hinreichend bestimmen. Daher wird weder von Barth noch in der vorliegenden Arbeit

 Barth wendet sich in diesem Zusammenhang gegen Rudolf Ottos Begriff des Heiligen als des Numinosen: der Geist habe nichts gemein mit „mächtigsten, grauslich-süßen Überrumpelungen aus dem Bereich irgend eines Numinosen“, sondern sei schlicht die Vergegenwärtigung Jesu Christi bzw. „Jesu Christi Selbstoffenbarung“ (IV/2, 144).  Dem entspricht auch, dass die Lehre der Appropriationen bei Barth in den Hintergrund tritt. So sieht Barth bereits in der Schöpfung einen ontischen Zusammenhang zwischen Schöpfung und Christus, statt die Schöpfung wie traditionell üblich dem Vater zuzuschreiben (vgl. III/1, 54).

1.5 Ausblicke auf Barths Ekklesiologie und Pneumatologie

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explizit zwischen dem Wirken der zweiten und dritten Person der Trinität unterschieden.¹⁹¹

 Jüngel resümiert dies treffend: „Barth versteht gemäß dem Filioque das Werk des Heiligen Geistes als die das ‚Urteil des Vaters‘ zum Zuge bringende ‚Weisung des Sohnes‘.“ (E. Jüngel, Karl Barths Lehre von der Taufe. Ein Hinweis auf ihre Probleme, 272, Anm. 69).

2 Einführung in die Textgrundlage In dieser Arbeit soll die Frage nach der anthropologischen Gestalt des Glaubens am Gegenstand von Barths Kirchlicher Dogmatik (KD) untersucht werden. Für die Wahl der KD spricht nicht nur, dass sie das für die heutige Theologie wirkungsstärkste wie systematisch ausdifferenzierteste Werk Barths ist, sondern auch, dass es keine andere Schrift Barths gibt, die den menschlichen Glauben zu einem Gegenstand geschlossener Abhandlung und systematisch-theologischer Erörterung hat. Der hier gewählte selektive und synchrone Zugang zur KD verlangt eine Rechenschaft über die ihm zugrunde liegenden interpretatorischen Annahmen sowie den Umgang mit den historischen und diskursiven Entstehungskontexten der KD. Ein knapper Überblick über die Genese des Barthschen Glaubensbegriffs soll das besondere Thema der vorliegenden Arbeit kontextualisieren (2.1). Es wird sowohl skizziert, wie Barth den Glauben bis zum Beginn seiner Arbeit an der KD verstanden hat, als auch die Frage nach Entwicklungen innerhalb der KD gestellt. Zweitens ist Barths Ansatz hinsichtlich der Glaubensthematik in der reformierten Tradition zu verorten und seine teils impliziten, teils expliziten Antipoden Friedrich Schleiermacher und Rudolf Bultmann sind knapp darzustellen (2.2). Nach diesen grundsätzlichen Klärungen wird die Kirchliche Dogmatik als Quelle für die Frage nach der anthropologischen Gestalt des Glaubens in den Blick genommen (2.3). Ein chronologischer Durchgang durch die KD gibt einen Überblick über ihre Struktur, an dem sich zeigen lässt, wie die Frage nach dem menschlichen Glauben im Ganzen der KD zu verorten ist (2.3.1 – 2.3.5).

2.1 Die Entwicklung von Barths Glaubensbegriff – eine Skizze Barths Schaffensphase von nahezu sechzig Jahren und die Erarbeitung der KD im Zeitraum von über dreißig Jahren gehen mit nicht unerheblichen Entwicklungen und Veränderungen seiner Theologie einher. Neben der klassisch gewordenen Gliederung der Barthschen Theologie in eine liberale, eine dialektische und eine an der Analogie orientierte Phase¹ werden gerade in der jüngeren Forschung die Entwicklungen und der Wandel der Barthschen Theologie in immer detaillierten Schritten untersucht. So zeigt zum Beispiel Bruce McCormack gegen die klassische Unterteilung in drei Phasen, dass Barth dialektische Denkfi-

 Dazu s.u. Kap. 3, Anm. 11. https://doi.org/10.1515/9783110574876-003

2.1 Die Entwicklung von Barths Glaubensbegriff – eine Skizze

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guren auch später nicht völlig aufgegeben hat.² Doch lässt sich trotz gewisser Fortentwicklungen zeigen, dass Barths Grundauffassung des Glaubens durch die gesamte KD hindurch konstant bleibt. Im Fortgang dieser Arbeit wird die KD daher als ein im Wesentlichen in sich geschlossenes Werk behandelt werden.

2.1.1 Barths Glaubensbegriff bis zur KD Noch 1910 bekannte sich Barth zu Schleiermachers Definition der Frömmigkeit als Bestimmtheit des Gefühls und führte diese Bestimmtheit auf das innere Leben Jesu zurück.³ Doch in seiner ersten Auslegung des Römerbriefs 1919 orientiert er

 Siehe zur durchgehenden Dialektik bei Barth: B. L. McCormack, Theologische Dialektik und kritischer Realismus. Entstehung und Entwicklung von Karl Barths Theologie 1909 – 1936, Zürich 2006 und B. L. McCormack, A Scholastic of a Higher Order. The Development of Karl Barth’s Theology 1921– 1931, Princeton Theological Seminary 1989. Damit übt McCormack explizit an von Balthasars Deutung Kritik, siehe B. L. McCormack, Der theologiegeschichtliche Ort Karl Barths, 17, Anm. 5.Vgl. hierzu auch die prägnante Zusammenfassung Hunsingers: G. Hunsinger, Karl Barth lesen. Eine Einführung in sein theologisches Denken, Neukirchen-Vluyn 2009, 18 Anm. 12. Die Endgestalt von Barths Theologie ist McCormack zufolge nicht einfach mit der ganzen KD gleichzusetzen, sondern sie sei erst in Barths Erwählungslehre (II/2) zu finden: B. L. McCormack, Der theologiegeschichtliche Ort Karl Barths, 16. Allerdings wurde auch schon von von Balthasar konstatiert, dass II/2 der „Schlüssel zu Barths ganzer Theologie“ sei (H. U. von Balthasar, Karl Barth. Darstellung und Deutung seiner Theologie, Köln 1951, 186). Kreck spricht dem zustimmend von einer „immer präziser heraustretenden dogmatischen Grundentscheidung“ ab KD II/2 (W. Kreck, Grundentscheidungen in Karl Barths Dogmatik, 75 – 95, bes. 75). Auch van ’t Slot beschreibt die Entwicklung Barths als einen längeren Wandel, der mit KD II/2 abgeschlossen wurde (vgl. E. van ’t Slot, Die christologische Konzentration. Anfang und Durchführung, in: ZDTh 31.1, H. 61 (2015), S. 12– 31, 25 – 28). Eine jüngere Auseinandersetzung mit der Bedeutung der Erwählungslehre bietet W. Krötke, Die Summe des Evangeliums. Karl Barths Erwählungslehre im Kontext der Kirchlichen Dogmatik, in: Karl Barth im europäischen Zeitgeschehen (1935 – 1950), hg. v. M. Beintker, C. Link, M. Trowitzsch, Zürich 2010, S. 67– 82. Die hervorgehobene Rolle der Erwählungslehre für Barths Theologie kommt auch in der vorliegenden Arbeit zum Tragen, s.u. Kap. 4.  Vgl. K. Barth, Der christliche Glaube und die Geschichte (1910), in: K. Barth, Vorträge und kleinere Arbeiten 1909 – 1914, S. 149 – 212, 181. In diesen Ausführungen zur Entwicklung des Glaubensverständnisses Barths bis zur KD schließe ich mich im Wesentlichen den Analysen von Seils und Hirsch an: Die Entwicklung Barths wird von Seils in vier Phasen beschrieben, die er mit 1910, den Römerbriefkommentaren, der christlichen Dogmatik im Entwurf und dem Anselmbuch markiert (siehe M. Seils, Glaube, 187– 196). Hirsch beschreibt ebenfalls vier Phasen, die er auf den ersten Römerbriefkommentar, die Christliche Dogmatik im Entwurf, Barths Fassung des Mensch-Gott Verhältnisses als Urbild-Abbild Beziehung und schließlich auch in Bezug auf das Anselmbuch datiert (siehe E. C. Hirsch, Glauben, 346 f.). Ergänzend finden sich Ausführungen zu dem frühen Glaubensverständnis Barths bei H. Anzinger, Glaube und kommunikative Praxis;

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2 Einführung in die Textgrundlage

sich am biblischen Begriff der „πίστις“ und beschreibt den Glauben als „Gegentreue“ zur „Treue Gottes“.⁴ In der zweiten Auflage radikalisiert Barth dieses Verständnis des Glaubens als Verhältnis der Treue:⁵ Gott und Welt berührten sich nur in Jesus Christus und selbst an dieser Schnittstelle komme es allein zu „Einschlagstrichter[n] und Hohlräume[n]“.⁶ D. h. der Glaube ist seinem Gehalt nach die „göttliche Treue“, als menschlicher Glaubensvollzug jedoch ein „Hohlraum“ und „menschliches Verstummen“.⁷ Gott erfüllt den Menschen mit Glauben wie einen Hohlraum, der Mensch ist dabei passiv und daher ‚stumm‘. War der Glaube also 1910 noch durch den Eindruck Christi auf das menschliche Gefühl zu beschreiben, so wendet sich Barth 1922 strikt dagegen, ihn „als menschliche Möglichkeit“ aufzufassen.⁸ Stattdessen sei der Glaube ein „Wagnis, zu wissen, was Gott weiß, und darum – nicht zu wissen, was Gott nicht mehr weiß.“⁹ Damit vollzieht sich im Glauben ein Bruch zum ‚alten Menschen‘, denn der Gläubige weiß nur noch um sein ‚neues Sein‘, wie Gott es weiß. Das alte, sündige Sein wird nicht mehr gewusst und auch das Gefühl bietet keine Brücke mehr zu ihm, da es nicht mehr als anknüpfbare Möglichkeit gedacht wird. Diesen Gedanken führt Barth in seiner Göttinger Dogmatikvorlesung von 1925/26 fort, in der er den Glauben mitunter als „Sprung ins Dunkle“ bezeichnet.¹⁰

P. Fischer-Appelt, Zum Verständnis des Glaubens in der liberalen und dialketischen Theologie, in: Freispruch und Freiheit, hg. v. H.-G. Geyer, München 1973, S. 68 – 84; D. Korsch, Fraglichkeit des Lebens und Evidenz des Glaubens. Karl Barth und Wilhelm Herrmann im Gespräch über Offenbarung und menschliche Subjektivität, in: ZDTh 4 (1988), S. 241– 259.  K. Barth, Der Römerbrief. Erste Fassung 1919, KBG II 16, hg. v. H. Schmidt, Zürich 1985, 21; vgl. M. Seils, Glaube, 189 – 193.  Die „Treue Gottes“ nennt Barth u. a. in: K. Barth, Der Römerbrief. Zweite Fassung 1922, KBG II 47, hg. v. C. v. d. Kooi, K. Tolstaja, Zürich 2010, 56, die menschliche „Gegentreue“ in: ebd., 53. Seils analysiert diese Radikalisierung Barths dahingehend, dass es Barth 1922 „schwer [fällt; J. S.], den Glauben […] in irgendeiner Weise inhaltlich zu fassen“ M. Seils, Glaube, 192.  K. Barth, Der Römerbrief, 49.  Ebd., 278 f. Zeitgenössische Kritik äußerte 1922 Bultmann: R. Bultmann, Karl Barths „Römerbrief“ in zweiter Auflage (1922).  K. Barth, Der Römerbrief, 280.  Ebd., 279. Zur Analyse der Dialektik vgl. auch M. Beintker, Die Dialektik in der „dialektischen Theologie“ Karl Barths. Studien zur Entwicklung der Barthschen Theologie und zur Vorgeschichte der „Kirchlichen Dogmatik“, München 1987, 46 – 49. Siehe auch K. Barth, Das Wagnis des Glaubens (1928), in: K. Barth, Vorträge und kleinere Arbeiten 1925 – 1930, S. 296 – 302.  K. Barth, Unterricht in der christlichen Religion. Prolegomena 1924. Erster Band, KBG II 17, hg. v. H. Reiffen, Zürich 1985, 243. Siehe hierzu auch Seils Vergleich der Göttinger DogmatikVorlesung mit der Christlichen Dogmatik im Entwurf, der hierzu vermerkt: „Barth ist spürbar unterwegs von der Dialektik zur Analogie“ (M. Seils, Glaube, 196 f., Anm. 71).

2.1 Die Entwicklung von Barths Glaubensbegriff – eine Skizze

59

In der Christlichen Dogmatik im Entwurf von 1927 kristallisiert sich stärker noch als vorher Barths Ansatzpunkt beim Wort Gottes heraus, worin sich sein methodischer Weg „von oben nach unten, von Gott zum Menschen“ begründet.¹¹ Entsprechend wird auch festgestellt, dass der Heilige Geist den Glauben im Menschen erschaffe. Ein dem Menschen eigenes Vermögen zu glauben wird – wie auch schon eine menschliche Möglichkeit für den Glauben – erneut ausgeschlossen.¹² Dieser geschenkte Glaube wird von Barth als „Tat des Menschen“ im Sinne von „Wissen und Tun“ charakterisiert, womit sich Barth gegen Schleiermachers Verortung des Glaubens im Wissen wie Tun entgegengesetzten Gefühl und die damit einhergehende Charakterisierung des Glaubens „als reine Passivität“ abgrenzt.¹³ Diese Zuspitzung des Glaubens auf Wissen und Tun soll allerdings das Herz des Menschen nicht ausschließen, sondern gerade eine Beschreibung sein, die den Menschen „im Akt seiner Existenz“ erfasst, sodass Barth sowohl von „Affekt[en]“ des Glaubens als auch vom Glauben als „Wagen des Herzens“ sprechen kann.¹⁴ Als letzte Etappe vor der Kirchlichen Dogmatik ist schließlich Barths detaillierte Auseinandersetzung mit Anselm von Canterbury von 1931 zu nennen. Darin wendet sich Barth dem Glaubensthema mit Blick auf die Möglichkeit von Theologie zu und charakterisiert den Glauben mit Anselm als „Willenstat“ der „Kenntnis und Bejahung des Wortes Christi“.¹⁵ Dabei wird gemeinhin von einer

 K. Barth, Die christliche Dogmatik im Entwurf. Prolegomena zur christlichen Dogmatik 1927, KBG II 14, hg. v. G. Sauter, Zürich 1982, 136. Vgl. hierzu auch M. Seils, Glaube, 193 – 196.  Vgl. K. Barth, Die christliche Dogmatik im Entwurf, 382– 385.  Ebd., 421. Barth fährt an dieser Stelle fort: „Der wirkliche Mensch ist der erkennende und wollende Mensch. Der im Gefühl angeblich bloß gewirkte ist gerade nicht der wirkliche, sondern der betrachtete Mensch. Sind wir einig darüber, daß der Ernst des Offenbarungsgedankens es verlangt, daß wir Offenbarung nicht auf den betrachteten, sondern auf den wirklichen Menschen sich beziehend denken, dann kann ein anderer als eben der erkennende und handelnde Mensch hier nicht in Frage kommen. Erkennend und handelnd vollziehe ich den Akt meiner wirklichen Existenz, nicht anders“ und so ist der Glaube, „daß wir den Entschluß fassen und ausführen, zu dem uns begegnenden Wort mit Erkenntnis und Tat Ja zu sagen“ (ebd., 421– 423).  Ebd., 432. Diese Taten sind aber keine Möglichkeit für den Glauben, sondern vielmehr der tätige Vollzug des Glaubens in der gottgewirkten Wirklichkeit des Glaubens.  K. Barth, Fides quaerens intellectum. Anselms Beweis der Existenz Gottes im Zusammenhang seines theologischen Programms 1931, KBG II 13, hg. v. E. Jüngel, I. Dalferth, Zürich 1981, 21. Die methodologische Beziehung von Glauben und Theologie hat Barth schon 1930 hergestellt, wenn er die Theologie als „Glaubenswissenschaft“ bezeichnet, die aber nicht zum Habitus werden kann, sondern in ihrer Verwiesenheit auf das Wort Gottes gerade in „Ungesichertheit“ sein muss (K. Barth, Die Theologie und der heutige Mensch (1930), in: K. Barth, Vorträge und kleinere Arbeiten 1930 – 1933, S. 8 – 43, 42). Hierzu hat Manfred Josuttis herausgearbeitet, dass

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2 Einführung in die Textgrundlage

„Abkehr Barths von den Spitzenaussagen des zweiten ‚Römerbriefs‘ im Sinne einer Unanschaulichkeit und Nicht-Gegebenheit des Glaubens und der Offenbarung“ ausgegangen.¹⁶

2.1.2 Entwicklungen in der KD und ihrem Umfeld Klassischerweise wird mit der Anselm-Schrift Barths eine ‚Wende‘ in Barths Theologie von der Dialektik zur Analogie markiert.¹⁷ Sowohl Hirsch als auch Seils sehen in ihren Analysen der Entwicklung von Barths Glaubensverständnis darin seine Wende zur Analogie belegt, dass er 1931 den „Hiatus […] zwischen dem, was im Glauben geglaubt wird, und der Unmöglichkeit, daß dies etwas ‚dem Menschen als »Objektgehalt« seines Glaubens Gegebenes‘ sein könnte“, christologisch überwunden habe.¹⁸ Dementsprechend könne ab 1931 und für die KD von der dritten Phase der Barthschen Entwicklung – der Phase der Analogie – gesprochen werden. Rückblickend beschreibt Barth selbst seine theologische Entwicklung im Jahr 1956 als eine Hinwendung zur Betonung der Menschlichkeit Gottes:¹⁹ Durch diese ‚Menschlichkeit Gottes‘ wurde die Begegnung mit Gott „in den von ihm [Gott] bestimmten Grenzen des Menschlichen“ ermöglicht.²⁰ Statt wie in der Auslegung zum Römerbrief den unendlichen qualitativen Unterschied zwischen Gott und Mensch zu betonen, geht es Barth in der KD darum, das Zusammensein

der Glaube „vor allem als Erkennen verstanden“ wird (M. Josuttis, Die Gegenständlichkeit der Offenbarung, 117). Siehe auch R. Prenter, Glauben und Erkennen bei Karl Barth.  J. Friedrich Lohmann, Karl Barth und der Neukantianismus, 398.  Diese ‚Wende‘ wurde erstmalig von von Balthasar auf den Begriff der Analogie gebracht (H. U. von Balthasar, Karl Barth, bes. 101). Barth nimmt die Begriffe der Diastase und Analogie dann selbst als komplementäre Begriffe seiner Theologie auf (K. Barth, Die Menschlichkeit Gottes. Vortrag, gehalten an der Tagung des Schweiz. Ref. Pfarrvereins in Aarau am 25. September 1956, in: ThSt(B) 48 (1956), S. 1– 27, 9). Diese Wende wurde vielfach diskutiert. Siehe dazu u. a.: E. Jüngel,Von der Dialektik zur Analogie. Die Schule Kierkegaards und der Einspruch Petersons, in: E. Jüngel, Barth-Studien, S. 127– 179; M. Beintker, Die Dialektik in der „dialektischen Theologie“ Karl Barths. Grundlegende Kritik an dieser These der Wende äußerte zuerst McCormack (B. L. McCormack, Theologische Dialektik und kritischer Realismus). Siehe auch die knappe, summarische Darstellung der „Anselmwende“ bei O. Bayer, Theologie, Gütersloh 1994, 319 – 335 oder M. Beintker, … alles Andere als ein Parergon. Fides quaerens intellectum, in: Karl Barth in Deutschland (1921– 1935), hg. v. M. Beintker, Zürich 2005, S. 99 – 120.  M. Seils, Glaube, 198, vgl. E. C. Hirsch, Glauben, 347.  Vgl. K. Barth, Die Menschlichkeit Gottes, 10.  Ebd., 17.

2.1 Die Entwicklung von Barths Glaubensbegriff – eine Skizze

61

von Gott und Mensch zu erschließen.²¹ Den Neuanfang mit der KD – statt der Fortführung seiner Christlichen Dogmatik – begründet er im Vorwort zu KD I/1 im Wesentlichen damit, dass es ihm um kirchliche statt christliche Dogmatik geht (I/1, VIII), dass er sich durch das Anselmbuch theologisch weiterentwickelt hätte (I/1, VI) und dass er sich nun jeglicher existentialphilosophischer Stütze entledigen möchte (I/1, VIII).²² Auch im Vorwort zu KD IV/2 nimmt Barth zu seiner eigenen Entwicklung Stellung: Allerdings warnt er dort davor, seine jetzige Position allzu weit vom zweiten Römerbriefkommentar entfernt zu verstehen, denn dieser stünde immer noch im Hintergrund (vgl. IV/2, VII). Der Fokus auf den Menschen in IV/2 sei lediglich eine „folgerichtige Wendung“ in der Entfaltung seiner Theologie, wie auch seine gesamte KD „in … Wandlung begriffen“ (IV/2, VIII) sei. So bestätigt Barth selbst die Entwicklung seiner Gedanken im Verlauf der KD, verneint aber radikale Veränderungen oder Brüche.²³ Dass Barths Theologie eine gewisse Entwicklung vollzieht, gerade auch was seine Anthropologie und Christologie angeht, steht außer Frage.²⁴ Innerhalb der

 Vgl. W. Krötke, Karl Barth als theologischer Gesprächspartner. Persönlich akzentuierte Erfahrungen zwischen Ost und West mit einer herausfordernden Theologie, in: „Ich glaube, darum rede ich“ 2. Kor. 4,13, hg. v. G. Plasger, Bünde 2013, S. 9 – 23, 14.  Auch in seinem Vorwort zu III/4 grenzt sich Barth von seinem früheren Vorgehen bedingt ab, denn zwei falsche Wege gelte es zu vermeiden: den Existenzialismus und eine Schulbildung wie den Neocalvinismus. Zum Existenzialismus führt Barth aus, dass er selbst zwar viel von Kierkegaard gelernt habe und sowohl im Römerbriefkommentar wie auch in der Christlichen Dogmatik noch selbst so arbeitete. Diese Arbeitsweise sei aber ein „Fehlstart“ gewesen (III/4, VIII). Beachtenswert erscheint hier auch der Hinweis, dass Barth noch 1922 davon ausging, dass vielleicht nur Prolegomena möglich seien (in: K. Barth, Das Wort Gottes als Aufgabe der Theologie. 1922, in: K. Barth,Vorträge und kleinere Arbeiten 1922– 1925, S. 144– 175). Mit der KD stellt er sich nun der Aufgabe, eine ganze Dogmatik zu schreiben.  Allerdings muss hinsichtlich seiner Tauftheologie von einem klaren Bruch mit seiner früheren Position gesprochen werden, denn Barth wechselt von einem sakramentalen Taufverständnis in KD I zu der Kritik an demselben als Messopfer und dem damit einhergehenden Plädoyer für die Bekenntnistaufe in KD IV/4. Die Taufschrift von 1943 kann als Marker dafür angesehen werden, dass Barth sich über dieses Thema neu klar geworden ist und es teils zu Veränderungen kam: K. Barth, Die kirchliche Lehre von der Taufe, Zollikon-Zürich 1947. Jüngel hat diese Schrift im Verhältnis zu IV/4 betrachtet, siehe E. Jüngel, Karl Barths Lehre von der Taufe. Ein Hinweis auf ihre Probleme.  Hierbei sind vielfältig Akzentverschiebungen zu beobachten, wie beispielsweise an Barths Bestimmung der Offenbarung Gottes, die KD I dreifach in Wort, Schrift und Verkündigung aufgliederte, hingegen scheint in KD IV eine duale Vorstellung des Wortes Gottes und seiner Zeugen zu überwiegen. Diese vielfältigen Entwicklungen und Akzentverschiebungen besprechen aufschlussreich: C. Gestrich, Neuzeitliches Denken und die Spaltung der dialektischen Theologie. Zur Frage der natürlichen Theologie, Tübingen 1977; E. Jüngel, Einführung in Leben und Werk

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2 Einführung in die Textgrundlage

KD zeigt sich diese Entwicklung zum Beispiel daran, dass er sich mit manchen Themen erst zu bestimmten Zeiten ausführlich auseinandersetzt. So schreibt er im Vorwort zu III/1, dass er sich mit der Schöpfungslehre „weniger vertraut und sicher fühle“ und sie nur deshalb behandle, weil er sich „im Zug der Gesamtdarstellung der Kirchlichen Dogmatik dazu verpflichtet“ sieht (III/1, I). Gleichwohl sind die darin gemachten Aussagen über das Verhältnis von Bund und Schöpfung unabdingbar für die den Glauben betreffenden anthropologischen Grundannahmen Barths. Ähnliches gilt für die Klärung der Weise, wie Christus ‚in nobis‘ wirkt, die sich erst in IV/3 findet.²⁵ Anhand von IV/2 wird Barths zunehmende Orientierung am Menschen und dessen Teilnahme an der Versöhnung deutlich, wenn er sich von der Dichotomie zwischen Aufstieg des Menschen und Abstieg Gottes distanziert (vgl. IV/2,VI) und stattdessen das erneuernde Werk des Heiligen Geistes und den menschlichen „Anteil am Geschehen der Versöhnung“ fokussiert (IV/2, VI). Nichtsdestoweniger sollte die Entwicklungsthese nicht überstrapaziert werden, denn es zeigen sich auch grundlegende Kontinuitäten. Im Fall des Glaubens überwiegen diese Kontinuitäten in konzeptioneller Hinsicht womöglich, was im Rückgriff auf obige Stationen der Barthschen Entwicklung nun skizziert werden soll. Gegen Seils, der in der dialektischen Phase den Glauben allgemein als ‚Hohlraum‘ bestimmt und ihn in der Phase der Analogie demgegenüber als ‚Antwortakt‘ charakterisiert,²⁶ sollte gesehen werden, dass Barth den Glauben

Karl Barths, in: E. Jüngel, Barth-Studien, S. 22– 60; I. Spieckermann, Gotteserkenntnis. Ein Beitrag zur Grundfrage der neuen Theologie Karl Barths, München 1985; M. Beintker, Die Dialektik in der „dialektischen Theologie“ Karl Barths; C. v. d. Kooi, Anfängliche Theologie. Der Denkweg des jungen Karl Barth (1909 – 1927), München 1987.  Wie Jüngel nachzeichnet, spricht Barth erst spät vom Wirken Christi „in nobis“ (E. Jüngel, Karl Barths Lehre von der Taufe. Ein Hinweis auf ihre Probleme, 270 – 273):Vorher betonte Barth in KD IV/1 und IV/2 besonders das extra nos und das pro nobis. In IV/3 findet sich dann die Rede von der unio cum Christo (IV/3, 620) und dem Hineingehen Christi in uns (VI/3, 618). Der Titel eines Festschriftbeitrags von Barth im Jahr 1962 verdeutlicht diese neue Pointe: K. Barth, Extra nos – pro nobis – in nobis, in: Hören und Handeln, hg. v. H. Gollwitzer, H. Traub, München 1962, S. 15 – 27. Dieser Beitrag ist als eine Vorabveröffentlichung von KD IV/4, 15 – 25 anzusehen (vgl. E. Jüngel, Karl Barths Lehre von der Taufe. Ein Hinweis auf ihre Probleme, 271). Auch Lohmann weist darauf hin, dass hier eine Entwicklung Barths vorliegt, nämlich von einer rein äußerlich bestimmten Erkenntnis zu einem innerlichen Vollzug derselben, doch zugleich dürfe diese nicht „überbewertet werden“, denn durch Barths Unterscheidung zwischen der sakramentalen Geisttaufe und der bekenntnishaften Wassertaufe in IV/4 bleiben der Grund der Erkenntnis und dessen Ermöglichung dem Menschen äußerlich (J. Friedrich Lohmann, Karl Barth und der Neukantianismus, 381– 384, bes. 383).  Vgl. M. Seils, Glaube, 199 – 201. Bei Barth sei der Glaube „zunächst“ als Hohlraum bestimmt und „später“ mache Barth den Charakter der Entsprechung stark (ebd., 240). Und auch innerhalb

2.1 Die Entwicklung von Barths Glaubensbegriff – eine Skizze

63

auch in der KD als einen „Hohlraum“ bezeichnet.²⁷ Auch die angeblich ‚frühe‘ Beschreibung des Glaubens als Treue findet sich noch in KD IV/4, 46, wo der „Gehorsam“ als Werk des Glaubens, genauer als Werk „der Treue gegen Gott“ bezeichnet wird. Hirsch urteilt daher zu Recht, dass trotz einer Entwicklung von Barths Glaubensbegriff, durch den der Mensch als Akteur und in willentlicher Entsprechung zu Christus mehr in den Blick komme, dennoch bezüglich der „Bedeutung des Glaubens innerhalb des Heilsgeschehens […] die fundamentale Differenz von Gott und Mensch“ erhalten bleibe, die Barth schon 1919 markierte.²⁸ Auch die Beschreibung des Glaubens als ‚menschlicher Tat‘, wie Barth sie in der christlichen Dogmatik bereits ausgeführt hatte, sowie die ‚Verneinung einer menschlichen Möglichkeit zum Glauben‘ werden in der KD aufgenommen und weiter entfaltet.²⁹ Die vorliegende Arbeit wird angesichts der fließenden Übergänge zwischen Kontinuität und Diskontinuität darauf verzichten, den Glaubensbegriff innerhalb der KD in verschiedene Phasen abzugrenzen oder einen Strang der früheren Entwicklung Barths bei seiner Deutung den Vorzug geben. Vielmehr sollen begriffliche Spannungen, die auf eine Entwicklung hindeuten könnten – wie der scheinbare Widerspruch zwischen passivem Hohlraum und tätiger Entscheidung – auf ihren theologischen Gehalt hin analysiert werden, sodass Unterschiede nicht nivelliert, aber auch nicht durch vermeintliche Entwicklungsstufen voneinander isoliert werden.

der KD gebe es eine Entwicklung, denn KD I erinnere noch an die Hohlraummetapher, insofern es Barth primär um den göttlichen Herrschaftsakt und die Wirkung Christi gehe (ebd., 204 f.).Wie die Offenbarung zur subjektiven Überführung des Menschen wird, sei nach Barth nicht weiter auszuführen, sondern ein „silentium altissimum‘“ (so Seils in Bezug auf I/2, 256). In KD II/1 sei das jedoch „etwas anders“, denn Barth beschreibe in II/1, 11 den Glauben als Erkenntnis, Liebe, Vertrauen und Gehorsam (ebd., 205).  In IV/1, 701– 705 nimmt Barth die Rede vom Hohlraum explizit mit Bezug auf seine Römerbriefauslegung auf und bezeichnet den Glauben erneut als „dasjenige menschliche Tun, das der Treue Gottes treue, authentische, sachgemäße Antwort gibt“ (IV/1, 689), sowie bereits in II/1, 256. Zur Verwendung des Hohlraumbegriffs in I/1, 256 bemerkt Lohmann: diesem kommt eine andere Aussagekraft zu als im Römerbriefkommentar, da hierbei nichtmehr die „Nicht-Vorhandenheit des Glaubens“ ausgesagt werde (J. Friedrich Lohmann, Karl Barth und der Neukantianismus, 397, Anm. 96).  E. C. Hirsch, Glauben, 349. Durch die „christologische Interpretation des Menschen, in der Jesus Christus als der wahre Mensch verstanden“ wird, komme es allerdings dazu, dass die Erkenntnis Christi auch dessen „Wiederspiegelung [!]“ im menschlichen Leben beinhaltet, sodass mit dem Glauben doch „weit über das Wort vom ‚Hohlraum‘ Hinausgehendes gesagt“ werde (ebd., 351 f.).  Vgl. K. Barth, Der Römerbrief, 279 f.

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2 Einführung in die Textgrundlage

2.2 Traditionsbezug und Gesprächspartner 2.2.1 Einordnung in die reformatorisch-reformierte Tradition Bei Barth finden sich vielfach Bezüge auf Calvin und Luther. Die Orthodoxie der auf diese Gründergestalten zurückgehenden Konfessionen erweist sich immer wieder als Barths theologische Fundgrube und beständiger Referenzpunkt.³⁰ Gerade die Opposition der Kirche gegen den Nationalsozialismus musste konfessionsübergreifend sein, sodass Barth besonders in den dreißiger Jahren eher das konfessionell Einende betonte.³¹ Entsprechend finden sich auch in KD I Ansätze, die lutherische und die reformierte Tradition aufzunehmen und produktiv zu vereinen.³² Später tritt, womöglich durch den Eindruck der Lutherrezeption bei den Deutschen Christen, bei Barth der Calvinbezug stärker hervor. Dies zeigt sich zum Beispiel an der Struktur der Versöhnungslehre, die Barth dem calvinischen munus triplex entsprechend gliedert.³³ Insgesamt lässt sich bei Barths Rezeption Calvins jedoch meist eine Weiterentwicklung der calvinischen Theologie erkennen.³⁴

 Dies gilt allerdings nicht für den ordo salutis, den Barth mehrfach ablehnt, so auch in IV/3, 581 ff. Sein Zugriff auf diese Tradition erfolgt neben den Primärtexten häufig anhand der Darstellung der lutherischen und reformierten Dogmatik bei Schmid (H. Schmid, Die Dogmatik der evangelisch-lutherischen Kirche. Dargestellt und aus den Quellen belegt, hg. v. H. G. Pöhlmann, Gütersloh 1979) und Heppe (H. Heppe, Die Dogmatik der evangelisch-reformierten Kirche, hg. v. E. Bizer, Neukirchen 1958); vgl. K. Barth, Unterricht in der christlichen Religion, 28.  Siehe M. Beintker, M. Hüttenhoff, P. Zocher, Vorwort, in: K. Barth, Vorträge und kleinere Arbeiten 1930 – 1933, S. VII – XIII, X.  Deutlich wird dies zum Beispiel an Barths Besprechung des ‚Extra Calvinisticum‘, wobei er eine sowohl der lutherischen wie auch der reformierten Position ihr Recht einräumende Interpretation vorstellt (vgl. I/1, 187). Vgl. E. Maurer, Calvin und Barth, 203.  Vgl. ebd., 221. Auch Seils konstatiert, dass sich Barth „bewußt in die reformierte, von Calvin her bestimmte Verständnistradition“ einreihe, zugleich aber in Bezug auf sein Taufverständnis in KD IV/4 auch die Tradition Zwinglis zu bemerken sei (M. Seils, Glaube, 240). Zur reformierten Tradition und ihrer Rekonzeptualisierung können auch Ryan Glomsruds Arbeiten herangezogen werden: R. Glomsrud, Karl Barth Between Pietism and Orthodoxy. A Post-Enlightenment Ressourcement of Classical Protestantism, Oxford 2009; R. Glomsrud, Karl Barth as Historical Theologian. The Recovery of Reformed Theology in Barth‘s Early Dogmatics, in: Engaging with Barth, hg. v. D. Gibson, D. Strange, Nottingham 2008, S. 84– 112. Desweiteren auch M. Freudenberg, Karl Barth und die reformierte Theologie. Die Auseinandersetzung mit Calvin Zwingli und den reformierten Bekenntnisschriften während seiner Göttinger Lehrtätigkeit, NeukirchenVluyn 1997.  Vgl. die Verhältnisbestimmung Barths zu Calvin bei Maurer: E. Maurer, Calvin und Barth. Besonders deutlich wird diese Weiterentwicklung Calvins zum Beispiel in der Erwählungslehre Barths. Vgl. ebd., 205 – 216. Außerdem siehe C. Link, Karl Barth und Calvin.

2.2 Traditionsbezug und Gesprächspartner

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Innerhalb der Glaubensthematik ist die reformierte Prägung Barths insofern präsent, als Barth den Glauben eng mit der Erkenntnis verknüpft.³⁵ Zwar ist der explizite Bezug Barths auf Calvin in IV/1, § 63 zahlenmäßig nicht häufiger als der auf Luther, doch tritt die an letzteren anschließende Bestimmung des Glaubens als fiducia deutlich hinter dessen Bestimmung als Erkenntnis zurück und die Auseinandersetzung mit der lutherischen Verbindung von Glauben und promissio sucht man bei Barth vergebens.³⁶ In der Institutio, die nach der Grundformel cognitio Dei et hominis aufgebaut ist (vgl. Inst. I, 1,1), fordert Calvin, dass der Glaube als fides explicita die Erkenntnis Gottes und des göttlichen Willens einschließe (vgl. Inst. III, 2,2), daher ist der Glaube notwendig mit der Einsicht verbunden (vgl. Inst. III, 2,3). Konkret wird der Glaube dann als Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes, Jesus Christus, verstanden (vgl. Inst. III, 2,6). Wenn Barth nun in IV/1, § 63.2 die Tat des Glaubens als dreifache Kenntnis in Form von Anerkennen, Erkennen und Bekennen bestimmt, dann liegt es nahe, eine Übernahme der calvinischen Begriffe von Gehorsam und Erkenntnis zu konstatieren.³⁷ Auch die Zusammenordnung von Rechtfertigung und Heiligung bezeichnet Barth als „spezifisch calvinisch“, wenn auch nicht „unlutherisch“ (IV/2, 573), denn wie schon bei Calvin (vgl. Inst. III, 2,8) sei auch bei ihm die fides formata keine später hinzukommende Gestaltung des Glaubens. Der gläubige assensus besteht vielmehr selbst schon in der frommen Regung der Liebe, sodass die Heiligung enger an die Rechtfertigung herangerückt wird (vgl. IV/2, 573). Zugleich zeigt sich an diesem Sachverhalt erneut Barths differenzierte Art des Traditionsbezugs, denn in der konkreten Ausführung der participatio Christi grenzt er sich von  Eine ausführliche Analyse des Glaubensverständnisses von Luther und Calvin findet sich zum Beispiel bei M. Seils, Glaube, 21– 90. 149 – 181. Siehe auch C. v. d. Kooi, As in a mirror. John Calvin and Karl Barth on knowing God : a diptych, Leiden, Boston, Mass. 2005.  Calvin und Luther werden je acht Mal genannt. Calvin: IV/1, 848, 851– 853; Luther: IV/1, 844, 850, 852 f., 856, 858. Fiducia spricht Barth nur noch dreimal an: IV/1, 848, 855, 865. Eine Untersuchung zu Barths Aufnahme lutherischer Motive findet sich in G. Ebeling, Lutherstudien: Begriffsuntersuchungen – Textinterpretationen – Wirkungsgeschichtliches, 428 – 573, wenngleich Ebeling seinerseits Barth von Luther her bewertet. Für weitere Literatur zum Thema, siehe ebenfalls ebd., 431 f., Anm. 13. Kritik an Ebelings Darstellung übt Maurer in E. Maurer, Barth-Rezeption bei lutherischen Theologen in Deutschland, in: Karl Barths Theologie als europäisches Ereignis, hg. v. M. Leiner, Göttingen 2008, S. 367– 386, 367. Siehe ebenso C. Gestrich, Die hermeneutische Differenz zwischen Barth und Luther angesichts der neuzeitlichen Situation, in: Theologie als Christologie, hg. v. H. Köckert, W. Krötke, Berlin 1988, S. 38 – 55.  Schon in der Anthropologie in KD III bezieht sich Barth auf Selbsterkenntnis und Gotteserkenntnis in Calvins Inst. I, 1,1 (vgl. III/2, 84). Allerdings nimmt Barth dort eine „christologische Zuspitzung“ Calvins vor, indem er seine Lehre des Menschen grundsätzlich von der Erwählung in Jesus Christus her entwickelt (E. Maurer, Calvin und Barth, 217 f.).

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2 Einführung in die Textgrundlage

Calvin ab und betont seine eigene Neujustierung, insofern bei Calvin die Voraussetzung der objektiv und stellvertretend schon geschehenen Heiligung in Christus zu kurz komme (vgl. IV/2, 589).³⁸

2.2.2 Barths implizite Gesprächspartner Ebenso präsent wie die positive Aufnahme der Reformatoren ist Barths Kritik an bestimmten theologischen Positionen. Zu Beginn der dreißiger Jahre war Emil Brunner häufig der implizite Gegner, gegen den Barth in KD I anschrieb.³⁹ Ab den fünfziger Jahren wurde Rudolf Bultmann zum „in der Hauptsache stille[n]“ Gegenüber Barths (IV/1, IX). Die Auseinandersetzung mit Friedrich Schleiermacher prägte durchweg Barths Denken. Im weiteren Hintergrund stehen Barths Abgrenzung gegen die liberale Theologie,⁴⁰ seine Auseinandersetzung mit der römisch-katholischen Lehre von der analogia entis ⁴¹ sowie seine Kritik am Pietismus und subjektzentrierten Frömmigkeitsbewegungen.⁴² Zu Barths Verhältnis zu diesen Gesprächspartnern gibt es bereits umfangreiche Studien,⁴³ daher sollen hier nur ein paar für die Glaubensthematik zentrale Aspekte genannt werden. Sofern die Gesprächspartner an besonderen Stellen zur

 Vgl. ebd., 219.  Zum Barth-Brunner Verhältnis siehe die explizite und ausführliche Auseinandersetzung in Kap. 3. Darum wird an dieser Stelle nicht weiter auf Brunner eingegangen.  Siehe dazu u. a. J. Rohls, Barth und der theologische Liberalismus, in: Karl Barth in Deutschland (1921– 1935), hg. v. M. Beintker, Zürich 2005, S. 285 – 312.  Exemplarisch und grundlegend für eine katholische Rezeption und Kritik an Barth können hier Erich Przywara, Gottlieb Söhngen und Hans Urs von Balthasar, aber auch Hans Küng und Karl Rahner genannt werden. Zur Aufnahme Barths in der katholischen Theologie siehe B. Dahlke, Die katholische Rezeption Karl Barths. Theologische Erneuerung im Vorfeld des Zweiten Vatikanischen Konzils, Tübingen 2010.  Im ersten Römerbriefkommentar kritisierte Barth den starken Individualismus des Pietismus (vgl. dazu E. Busch, Karl Barth und die Pietisten. Die Pietismuskritik des jungen Karl Barth und ihre Erwiderung, München 1978, 50 – 54). Schon im zweiten Römerbriefkommentar verschiebt sich allerdings Barths Kritik, wie Busch herausgearbeitet hat. Dort nimmt Barths Kritik des ‚Habens‘ eine zentrale Stellung ein, derzufolge suche der Pietismus im Glauben einen klar zu befolgenden „Weg“, dessen man „habhaft“ werden könnte, weshalb Barth den Pietismus auch als „neuen Pharisäismus“ bezeichnet (Rö II 299 auch I/2, 282 und IV/1, 688).Vgl. ebd., 105 f. Auch die vom Pietismus zu treffende Unterscheidung der Menschen in zwei Gruppen, der Bekehrten und Unbekehrten, hält Barth für falsch (vgl. ebd., 113). Sowohl die Kritik am ‚Haben‘ des Glaubens als auch an einer Unterscheidung in Gläubige und Ungläubige zieht sich bei Barth in der KD durch, wie sich bes. in Kap. 7 zeigen wird.  Siehe hierzu die exemplarischen Literaturangaben im Forschungsüberblick in Kap 1.2.

2.2 Traditionsbezug und Gesprächspartner

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Konturierung der Barthschen Gedankenführung dienen, wird im Gang der Untersuchung auf sie vertiefend eingegangen. Das Verhältnis zwischen Barth und Schleiermacher wird gerade in der jüngeren Forschung differenziert betrachtet, die keineswegs von einer grundsätzlichen Ablehnung Schleiermachers seitens Barth ausgeht.⁴⁴ Teilweise fällt Barths eigenes Urteil über Schleiermacher sehr positiv aus: Barth würdigt Schleiermacher in seiner Vorlesung über die Geschichte der protestantischen Theologie von 1933 (publiziert 1947) als den für die Gegenwart wirkmächtigsten Theologen⁴⁵ und bezeichnet ihn zu Beginn der KD als „de[n] große[n] reife[n] Klassiker des Modernismus“ (I/1, 35). Bezüglich der Tauftheologie stellt Barth fest, dass Schleiermacher „recht“ hatte auf die ergänzende Konfirmation zu drängen (IV/4, 207). Auch in Hinblick auf die der Dogmatik zugrunde liegenden methodischen Entscheidungen äußert Barth, dass man Schleiermachers Umkehrung der Zuordnung von Wort Gottes und Glaube „ihm nicht zum [!] vornherein übel nehmen [darf. …] Noch einmal: echte, rechte Theologie konnte auch von da aus aufgebaut werden.“⁴⁶ Und so differenziert Barth in I/2, 682 zwischen Schleier-

 Sowohl in der Barth-Forschung wird wiederholt auf das Verbindende hingewiesen (vgl. B. L. McCormack, What Has Basel to Do With Berlin? Continuities in the Theologies of Barth and Schleiermacher, in: B. L. McCormack, Orthodox and Modern, S. 63 – 88) als auch in der Forschung zu Schleiermacher (vgl. E. Herms, Karl Barths Entdeckung der Ekklesiologie als Rahmentheorie der Dogmatik und seine Kritik am neuzeitlichen Protestantismus, in: Karl Barth in Deutschland (1921– 1935), hg. v. M. Beintker, Zürich 2005, S. 141– 186). So kommt Herms zu dem Ergebnis, dass Barths theologisches Programm eine „Strukturidentität“ mit dem Schleiermachers aufweise und die Rolle der Kirche hierbei „funktionsäquivalent“ sei (ebd., 184); unterschiedlich sei aber „die inhaltliche Bestimmung dieser funktionsäquivalenten Konzepte“ (ebd., 185). Auch Christine Axt-Piscalar hat auf wesentliche Übereinstimmungen hingewiesen (siehe C. Axt-Piscalar, Kontinuität oder Abbruch. Karls Barths Prolegomena zur Dogmatik im Lichte der Theologie des 19. Jahrhunderts – eine Skizze, in: ThZ 62, H. 3 (2006), S. 433 – 451). Siehe auch die Aufsatzsammlung Karl Barth und Friedrich Schleiermacher. Zur Neubestimmung ihres Verhältnisses, hg. v. Matthias Gockel, Martin Leiner, Göttingen 2015. Demgegenüber zeigt Christiane Tietz mit Blick auf die Funktion Gottes für den Glauben die fundamentalen Differenzen beider Ansätze auf (siehe: C. Tietz, Von Schleiermacher zu Dworkin). Auch Anne Käfer konstatiert in Hinblick auf das Gottesverständnis nur Barths „Gegenüber zu Schleiermacher“ (841), kann allerdings bezüglich der Bestimmtheit durch Christus im Glauben gemeinsame reformierte Positionen feststellen (vgl. A. Käfer, Glaube als Beziehungsfrage. Ein fundamentaltheologisches Gespräch mit Karl Barth und Friedrich Schleiermacher, in: Glaube, hg. v. J. Frey u.a, 829 – 855, 848). Zur allgemeinen Kritik an dieser auf Verwandtschaften abzielenden Interpretationsrichtung siehe G. Sauter, Theologisch miteinander streiten. Karl Barths Auseinandersetzung mit Emil Brunner, in: Karl Barth in Deutschland (1921– 1935), hg. v. M. Beintker, Zürich 2005, S. 267– 284, 280.  Vgl. K. Barth, Geschichte der protestantischen Theologie, 380 f.  Ebd., 411.

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2 Einführung in die Textgrundlage

macher und dem von ihm kritisierten Neuprotestantismus in der Folge Schleiermachers. Gleichwohl finden sich diverse Belege für Barths scharfe Kritik an Schleiermacher: So ordnet er in I/2, 928 Schleiermachers Glaubenslehre in die neuprotestantische Denktradition ein und zieht wieder an anderer Stelle die Verbindung von „Schleiermacher“ über die „von ihm ausgehenden Schulen“ bis „hin zu der Häresie der ‚Deutschen Christen‘“ (III/2, 8). Zentraler Kritikpunkt Barths ist dabei, dass Schleiermacher die Offenbarung Gottes zu stark von ihrer menschlichen Vermittlung her versteht. So kommt Barth erstens zu der Diagnose, dass das „objektive Moment“ der Offenbarung im „subjektiven“ Glauben verschwinde und die Theologie so von einer „Auflösung des Wortes […] bedroht“ sei.⁴⁷ Und zweitens folge daraus eine Anthropozentrik bzw. Christianozentrik, die das christliche Individuum zulasten seines geschichtlichen Auftrags in der Welt in den Blick nehme.⁴⁸ Diesen kritischen Pointen entsprechend werden im Folgenden sowohl Barths Nachordnung des Glaubens gegenüber der Offenbarung Gottes (s.u. Kap. 4.3) als auch die Funktionalisierung des Glaubens für den Dienst Gottes (s.u. Kap. 6.3) bei Barth rekonstruiert werden. Bultmann scheint mit seiner existentialen Interpretation des Glaubens als durch Gottes Gnade gewährtes neues Selbstverständnis⁴⁹ dem Barthschen Glaubensverständnis zunächst recht nahe zu stehen. Ebenso wie Barth charakterisiert Bultmann den Glauben als menschliche Tat und Entscheidung.⁵⁰ Dabei wird der Glaube auch von Bultmann unmittelbar auf Gott bezogen, als er „ein sich Bestimmenlassen durch das Erkannte“ und zugleich „ein Sein im Erkannten“ ist.⁵¹ In den konkreten Ausführungen zeigen sich allerdings auch zwischen Barth und Bultmann diverse Unterschiede, denn sowohl die Tat als auch die Entscheidung

 Ebd., 422. Vgl. dazu auch I/1, 200 und s.o. Kap. 1.1.1.  „Individuelle und soziale Christlichkeit war es ja, die sich selbst als solche immer ernster nehmen, sich selbst wohl schließlich absolut setzen, zu einer in sich ruhenden und bewegten Hypostase werden wollte. Man pflegt heute die in dieser Richtung sich formende Theologie als ‚anthropozentrisch‘ zu bezeichnen (das Wort ‚christianozentrisch‘ würde die Sache wohl genauer treffen), pflegt den Namen Schleiermacher mit Recht als ihren Klassiker zu nennen, aber auch auf ihre Ursprünge im Pietismus und Rationalismus des 18. Jahrhunderts und weiter zurück bei den Spiritualisten schon der Reformationszeit und in der großen Mystik des Mittelalters hinzuweisen – und nach vorwärts auf ihre kaum zu verkennende Erneuerung in dem an Kierkegaard anknüpfenden theologischen Existentialismus unserer Tage.“ (IV/3, 572).  E. Jüngel, Art. „Glaube, IV. Systematisch-theologisch“, 970.  Vgl. ebd., 971.  R. Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, Berlin 1970, 431, vgl. auch E. Jüngel, Art. „Glaube, IV. Systematisch-theologisch“, 970.

2.3 Glaube in der KD – ein Überblick

69

des Glaubens werden von Barth in wesentlichen Punkten anders gedacht.⁵² Ebenso zeigt sich in der Methodik ein bedeutender Unterschied: während Bultmann das menschliche Vorverständnis mit einbezieht, betont Barth Jesus Christus als den alleinigen Ausgangspunkt der Erkenntnis, von dem her sich die Erkenntnis zu formen habe.⁵³

2.3 Glaube in der KD – ein Überblick Das Thema ‚Glaube‘ hat in Barths KD eine scheinbar untergeordnete Stellung. Anhand des Inhaltsverzeichnisses oder des Registers können nur wenige explizit vom Glauben handelnde Textstellen gefunden werden. Ein eigenes Kapitel über den menschlichen Glauben sucht man vergebens. Nur an zwei Stellen wird der Glaube in einer Überschrift genannt: Im 1. Kapitel von KD I, „Das Wort Gottes als Kriterium der Dogmatik“, hat § 6 den vierten Unterpunkt „Das Wort Gottes und der Glaube“ (I/1, 239 – 261) und im 14. Kapitel von KD IV, „Jesus Christus, der Herr als Knecht“, widmet Barth § 63 dem Thema „Der Heilige Geist und der christliche Glaube“ (IV/1, 826 – 872). Dort bespricht Barth ferner die „Rechtfertigung allein durch den Glauben“ (IV/1, § 61.4, 679 – 718). Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass dogmatische Entwürfe seit Schleiermachers Glaubenslehre meist explizit ihre Methodik auf dem menschlichen Glauben aufbauen, wie er sich in der christlichen Religion manifestiert,⁵⁴

 Siehe dazu unten die Ausführungen zu Barths Tatbegriff in Kap. 5.4.  Deutlich wird dieser methodische Unterschied zum Beispiel an Barths Vortrag „Christus und Adam nach Röm. 5“, mit dem Barth bewusst auf Bultmanns Ausführung zu „Adam und Christus“ Bezug nimmt und die Reihenfolge von Gott und Mensch umkehrt: K. Barth, Christus und Adam nach Röm. 5. Ein Beitrag zu der Frage nach dem Menschen und der Menschheit (1952), in: K. Barth, Rudolf Bultmann. Ein Versuch, ihn zu verstehen / Christus und Adam nach Röm. 5, S. 67– 122. Dieser Text war ursprünglich als Exkurs in KD III/2, §44.2 vorgesehen, siehe K. Barth, § 44,2 Der Mensch und die Menschheit, in: K. Barth, Unveröffentlichte Texte zur Kirchlichen Dogmatik, S. 412– 558, 429 – 470, bes. 429, Anm. 16.  Zum Beispiel beginnt Isaak August Dorner seine Dogmatik mit der „Lehre vom Glauben als der Vorbedingung der Erkenntnis vom Christenthum als der Wahrheit oder Pisteologie“ (I. A. Dorner, System der christlichen Glaubenslehre. Grundlegung oder Apologetik, Berlin 1886, 16 – 172). Julius Kaftan erörtert in seinen Prolegomena zuerst die christliche Religion und den christlichen Glauben, bevor er sich ihm im dritten Hauptteil seiner Dogmatik dann erneut widmet (vgl. J. Kaftan, Dogmatik, Tübingen 1920, 9 – 40. 651– 661). Reinhold Seeberg erörtert auf den ersten 300 Seiten seiner Dogmatik das Christentum im Kontext der Religionen und dessen Erkenntnisprinzip (vgl. R. Seeberg, Christliche Dogmatik. Bd. 1, Erlangen 1924). Barths Lehrer Wilhelm Herrmann gliedert seine kurze Dogmatik in drei Teile um darin zuerst die Religion zu

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2 Einführung in die Textgrundlage

verwundert diese scheinbare Zurückhaltung Barths gegenüber dem Thema des menschlichen Glaubens.⁵⁵ Bei genauerer Betrachtung lässt sich allerdings feststellen, dass die Glaubensthematik fast jedes Kapitel der KD durchzieht und der Glaube für die KD auch methodische Relevanz hat, wenngleich sie keine Glaubenslehre darstellt. Entsprechend des jeweiligen Themas treten dabei unterschiedliche Aspekte des Glaubens in den Abschnitten hervor. Daher soll folgend anhand eines knappen, linearen Durchgangs durch die KD gezeigt werden, in welchen Bezügen und unter welchen Fragestellungen menschlicher Glaube von Barth implizit thematisiert wird.⁵⁶ Die damit vorgeführten Leitlinien der Interpretation sollen den späteren Kapiteln als Grundlage dienen und ihren selektiven Zugriff auf die KD rechtfertigen.

2.3.1 KD I – Die Lehre vom Wort Gottes Die zwei Bände von KD I (1932, 1937) gliedern sich in eine „Einleitung“ mit ersten Festlegungen zur dogmatischen Methode, woran sich Kap. 1 „Das Wort Gottes als Kriterium der Dogmatik“ (§§ 3 – 7) anschließt. Das Wort Gottes wird von Barth kapitelweise hinsichtlich seiner drei Gestalten besprochen:⁵⁷ „Die Offenbarung

behandeln und dann die „Glaubensgedanken des evangelischen Christentums“ zu besprechen (vgl. W. Herrmann, Dogmatik, Gotha 1925).  Vgl. C. Gestrich, Neuzeitliches Denken und die Spaltung der dialektischen Theologie, 223 f., Anm. 72 und M. Seils, Glaube, 210. Auch die explizite Thematisierung des Glaubens in § 63 hat nicht alle überzeugt, so spricht Lührmann von „einer lustlosen, vergleichsweise knappen Pflichtübung“ Barths (D. Lührmann, Glaube, Bekenntnis, Erfahrung, in: Marburger Jahrbuch Theologie IV, hg. v. W. Härle, R. Preul, Marburg 1992, S. 13 – 36, 18). Und auch Ebeling kritisiert, dass Barth die „explizite Erörterung des Glaubensbegriffs ganz an die Peripherie“ rücke und diesem „einen an den Dimensionen der KD gemessen, ungewöhnlich bescheidenen Umfang“ gebe (G. Ebeling, Jesus und Glaube, 204 f., Anm. 2).  Ein allgemeiner Überblick über die KD ohne Schwerpunkt auf die Glaubensthematik findet sich auch bei C. Frey, Die Theologie Karl Barths. Eine Einführung, Frankfurt am Main 1988, 276 – 297, M. Beintker, Karl Barth. Eine Einführung, 255 – 261 und O. Weber, Karl Barths kirchliche Dogmatik. Ein einführender Bericht zu den Bänden I,1 bis IV,3,2, Neukirchen-Vluyn 2002. Seils nimmt in seinem Überblick den Glauben im „Gesamtsystem der Dogmatik“, d. h. der KD in den Blick (M. Seils, Glaube, 203), vernachlässigt dabei aber die Stellen, die das Glaubensverständnis Barths implizit prägen (vgl. ebd., 203 – 217). Jüngel stellt besonders die Architektur von KD IV dar (vgl. E. Jüngel, Einführung in Leben und Werk Karl Barths, 47– 58).  Die drei Gestalten des Wortes Gottes setzt Barth in Analogie zur Trinität Gottes (vgl. I/1, § 4.4). Zu dem Zusammenhang von Barths hermeneutischer Methode und seiner Trinitätskonzeption siehe M. Weinrich, Theologischer Ansatz und Perspektive der Kirchlichen Dogmatik Karl Barths. Trinitarische Hermeneutik und die Bestimmung der Reichweite der Theologie, in: Karl Barth im

2.3 Glaube in der KD – ein Überblick

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Gottes“ (Kap. 2, §§ 8 – 18), „Die Heilige Schrift“ als Zeugnis dieser Offenbarung (Kap. 3, §§ 19 – 21) und „Die Verkündigung der Kirche“ (Kap. 4, §§ 22– 24).⁵⁸ Die Aufgabe der Dogmatik ist nach Barth die kirchliche Selbstprüfung hinsichtlich des Inhalts der ihr eigentümlichen Rede von Gott (vgl. I/1, 10).⁵⁹ Die Voraussetzung für diese gleichsam ‚interne‘ Selbstprüfung ist der Glaube. Damit steht die Dogmatik selbst in einer eigentümlichen Spannung zum unverfügbaren ‚je und je‘ Gegebensein des Glaubens und dessen Artikulation in der Kirche (I/1, § 1). Die Möglichkeit des Glaubens und der Erkenntnis Gottes ist demnach nicht Aufgabe der Prolegomena, stattdessen wird die Dogmatik dem Faktum des Glaubens nachgeordnet und stellt – ganz im Sinne des Anselmschen fides quaerens intellectum – schlicht die Frage nach dem ‚Inwiefern‘ (I/1, § 2). Der Glaube ist demnach für Barth eine Voraussetzung der Dogmatik, wird aber nicht methodisch begründet oder mit ihm äußerlichen Begriffen beschrieben. Ausgangpunkt der Dogmatik ist das Wort Gottes (I/1, §§ 3 – 7), das grundlegend als Tat Gottes in der Geschichte verstanden wird (I/1, § 5.3) und den Menschen im Ereignis seines Offenbarwerdens in die Entscheidung zum Glauben stellt. Dieser Charakterisierung des Wortes Gottes als Tat entsprechend wird auch die menschliche Antwort des Glaubens als Tat charakterisiert. In § 6 widmet sich Barth dem anthropologischen Problem der „Erkennbarkeit des Wortes Gottes“, wozu er auf den Menschen (§ 6.2), dessen Erfahrung (§ 6.3) und den Glauben (§ 6.4) eingeht. Begründet wird die Erkenntnis Gottes allein von Gott selbst als Gegenstand der Erkenntnis. Allerdings kommt es durch dieses Wirken Gottes zu wirklicher, eigenpersönlicher, menschlicher Erfahrung, die Barth als „Selbstbestimmung, Tat und Entscheidung“ (I/1, 209) beschreibt. Diese Erfahrung des europäischen Zeitgeschehen (1935 – 1950), hg. v. M. Beintker, C. Link, M. Trowitzsch, Zürich 2010, S. 15 – 45.  Ob Barth mit dieser methodischen Grundlegung vom Worte Gottes aus als reaktionär, modern oder postmodern einzuordnen ist, wird in diversen jüngeren Publikationen diskutiert. In dieser Arbeit kann auf Barths Methode nicht eigens eingegangen werden, daher ist auf folgende Schriften als Auswahl zu verweisen: P. Stoellger, Barth und die Postmoderne. Perspektiven auf eine prekäre Konstellation, in: Karl Barths Theologie als europäisches Ereignis, hg. v. M. Leiner, Göttingen 2008, S. 397– 432; S. G. Holtmann, Karl Barth als Theologe der Neuzeit; A. M. Reijnen, Barth und die Moderne. Überlegungen aus der bildenden Kunst, in: Karl Barths Theologie als europäisches Ereignis, hg. v. M. Leiner, Göttingen 2008, S. 387– 396; B. L. McCormack, Orthodox and Modern. Studies in the Theology of Karl Barth, Grand Rapids, Mich 2008; J. Webster, Barth and Postmodern Theology. A Fruitful Conversation?, in: Karl Barth, hg. v. C. Mostert, G. Thompson, Adelaide, S. Aust. 2000, S. 1– 69; D. Korsch, Postmoderne Theologie? Ein aktueller Blick auf die Kirchliche Dogmatik Karl Barths, in: ZDTh 4 (1988), S. 241– 258.  Dieser Ansatz an der kirchlichen Verkündigung begründet Korschs Interpretation der KD als einer „kritische[n] Hermeneutik der christlichen Religion“ (D. Korsch, Religionsbegriff und Gottesglaube, 203).

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2 Einführung in die Textgrundlage

Wortes Gottes will Barth aber nicht als eine verfügbare Sicherheit des Menschen verstehen, sondern sie bleibt stets von Gottes ereignishaftem Wirken abhängig. Die gewisse Erfahrung der göttlichen Offenbarung gibt es demnach nur im jeweiligen Akt ihrer Erschließung. Für den Glauben stellt § 6 somit klar, dass dieser jeweils ein durch Gott ermöglichtes, aktuelles Geschehen ist. Im zweiten Kapitel behandelt Barth die „Offenbarung Gottes“ in ihren drei Seinsweisen, die er in die Dreieinigkeit Gottes, die Fleischwerdung des Wortes und die Ausgießung des Heiligen Geistes untergliedert (§§ 8 – 18). Aus der biblisch dokumentierten Relation der Selbstenthüllung Gottes in der humanitas Christi entwickelt Barth die Trinitätslehre (vgl. I/1, § 8). Sie wird somit in die Lehre vom Worte Gottes integriert und an den Anfang der Dogmatik gestellt. Für die Glaubensthematik ist an diesem Paragraphen entscheidend, dass Barth die Offenbarung Gottes strikt von Gott als ihrem Subjekt her entfaltet. So werden die Paragraphen § 13 und § 16 parallel konstruiert als die objektive und die subjektive Seite der Offenbarung: In § 13 erläutert Barth, dass die Offenbarung objektiv in Christi Fleischwerdung gründet, d. h. darin, dass Gott sich in seiner Freiheit dazu entschieden hat, ein Gott ‚für uns‘ zu sein. Dem entspricht in § 16 auf der subjektiven Seite die „Freiheit des Menschen für Gott“. Diese Freiheit wird vom Heiligen Geist geschenkt, indem er den Menschen erleuchtet zu Erkenntnis, Liebe und Lob Gottes (vgl. I/2, 222). Dabei ist die menschliche Freiheit in Gottes christologischem wie pneumatologischem Handeln begründet – es handelt sich also um eine geschaffene, gegebene Freiheit des Menschen aus Gottes Werk und Gabe (vgl. I/2, 224).⁶⁰ Der Ort für dieses Handeln Gottes ist die Kirche: Analog zur Offenbarung Gottes im geschichtlichen Raum ‚Israel‘ wird die Kirche als gegenwärtiger Ort der Offenbarung verstanden (vgl. I/2, 239). Aufgrund der Leibhaftigkeit der Kirche wird die Offenbarung dort zur sichtbaren und erfahrbaren Begegnung (vgl. I/2, 240). Wie der Mensch dort allerdings zum Glauben kommt, sei Gottes Werk, das nicht weiter beschrieben werden könne, sodass Barth in seinen Ausführungen abbricht und schlicht vom „Sprung“ spricht (I/2, 254). Dieser Sprung beinhaltet, soweit Barth diesen Vorgang der Geistausgießung beschreiben kann, erstens, dass dem Menschen das Wort Gottes zu Gehör gebracht wird, zweitens wird ihm ausgeredet, dass er eine eigene Möglichkeit zum Glauben hätte, und drittens wird ihm das Wort Gottes zum Meister, sodass er es allein anerkennen kann (vgl. § 16.2). Im Ereignis des Zum-Glauben-Kommens durch den Geist ist die Wirklichkeit Gottes für den Menschen so bestimmend, dass er in seiner Selbstbestimmung nur mit dem ihm offenbarten Wort Gottes übereinstimmen kann. Der Glaube ist

 Zur Freiheitsthematik, s.u. Kap. 5.

2.3 Glaube in der KD – ein Überblick

73

demnach ein nicht weiter zu begründender Vorgang – daher ein „Sprung“ –, in dem es zur absoluten Anerkennung Gottes kommt. In diesem Zusammenhang kontrastiert Barth den Glauben mit der Religion (I/2, § 17).⁶¹ Die Religion ist ein vom Menschen ausgehender Versuch, Gott zu erkennen (vgl. I/2, 328); der Glaube hingegen – so wurde in dem vorausgegangenen Paragraphen deutlich – verdankt sich schlicht dem Wirken Gottes. Barth kritisiert daher die Religion als menschliche Selbsttätigkeit, die durch Gottes Offenbarung zur wahren Religion aufgehoben werden muss. Zwar sieht auch die Bestimmung der menschlichen Existenz durch die Offenbarung äußerlich und phänomenal so aus wie Religion (vgl. I/2, 305), aber ihrem inneren Wesen nach ist die Offenbarung vielmehr die Tat Gottes und darum keine Religion (vgl. I/2, 335). Gottgewirkter Glaube wird hier also erneut gegen ein verfügbares, menschliches Vermögen abgegrenzt.⁶² Barth beschließt das zweite Kapitel über die Offenbarung Gottes mit § 18 „Das Leben der Kinder Gottes“, worin er die Gestalt des „die Offenbarung empfangenden, d. h. glaubenden und erkennenden Mensch als solchen“ behandelt (I/2, 398). Das christliche Leben schlüsselt er dabei auf als „Liebe Gottes“ (§ 18.2) und „Lob Gottes“ (§ 18.3), wobei er sich an dem neutestamentlichen Doppelgebot der Liebe orientiert: Liebe heißt, dass der Mensch nicht mehr sein kann, ohne Gott in Jesus Christus zu suchen. Das Lob Gottes deutet Barth dahingehend, dass der Mensch es nicht lassen kann, es seinen Mitmenschen zu bezeugen, dass die Offenbarung ihn gefunden hat. Dieses Lob Gottes findet dementsprechend seinen adäquaten Ausdruck in der Nächstenliebe. Der Glaube bekommt somit die zweifache Gestalt der Ausrichtung auf und Bestimmung durch Gott, die sich zugleich im Bezug des Menschen zu Umwelt und Mitwelt äußert.⁶³ Ferner zeigt § 18, dass Barth erst am Ende seiner Ausführungen zur Offenbarung und somit in der Tat im Nebensatz und nicht im Hauptsatz (s.o. Kap. 1.1.3) den Menschen als Empfänger der Offenbarung thematisiert. Allerdings wird der Mensch dort nicht in seiner weltlichen Lebenswirklichkeit betrachtet, sondern kommt schlicht in seiner Bestimmtheit durch die Offenbarung in den Fokus.

 Barths Kontrastierung von wahrem Glauben und ungläubiger Religion ist vielfach in der Literatur diskutiert worden, siehe z. B. C. v. d. Kooi, Religion als Unglaube. Bemerkungen zu einer Kampfparole, in: Karl Barth im europäischen Zeitgeschehen (1935 – 1950), hg. v. M. Beintker, C. Link, M. Trowitzsch, Zürich 2010, S. 447– 456.  Das Verhältnis von Barths Glaubensverständnis zu seinem Religionsbegriff wird unten in Kap. 9.4.3 erörtert.  Diese beiden Aspekte werden in § 63 wieder aufgenommen als Anerkennen und Bekennen (s.u. Kap. 8.2, 8.4).

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2 Einführung in die Textgrundlage

Im weiteren Fortgang von KD I/2 folgt auf diese trinitarischen Ausführungen zur Offenbarung die Behandlung der Heiligen Schrift als Zeugnis derselben (Kapitel 3).⁶⁴ Der Glaube kommt hierbei nur insofern vor, als die Erkenntnis der „Schrift als Gottes Wort“ (§ 19.2) ein Glaubensakt ist, wozu es erneut Gottes Zuwendung im heiligen Geist bedarf (vgl. I/2, 596). Zuletzt bespricht Barth in KD I/2 das Wort Gottes in der „Verkündigung der Kirche“ (Kapitel 4). Dabei zeigt sich, dass der Christ nicht nur ein bloßer Zuschauer der göttlichen Offenbarung ist, sondern selbst Schauplatz des göttlichen Werkes und Diener des Zeugnisses Gottes (§ 22). Dieser Dienst hat nach Barth eine klare Ordnung: zuerst kommt das Hören (§ 23) und erst dann das Lehren (§ 24). Die Norm für alles menschliche Tun ist demnach allein das ‚Deus dixit‘ in der Schrift (§ 23.3). Die Spannung zwischen der Verheißung, dass die Verkündigung Wort Gottes ist, und der menschlichen Fehlbarkeit in der Verkündigung wird dabei nicht aufgelöst. Barth verweist nur wiederholt auf Gottes Verheißung, dass Gottes Wort je neu Ereignis wird, trotz allen menschlichen Misslingens. Gerade so kann Barth auch die Freiheit der Gnade Gottes erhalten, da Gott sich immer wieder frei wählend an Menschenwort binden kann, aber nicht muss. Abschließend lässt sich zu KD I festhalten, dass der Glaube als Zielpunkt der Offenbarung Gottes bestimmt wurde, denn die Offenbarung bedingt ihre geistgewirkte Erkenntnis, durch die die erkennenden Menschen Kinder Gottes werden. Grundsätzlich geht Barth dabei von der Reihenfolge aus, dass es Gott ist, der primär handelt: Nicht nur hat Gott die objektive Möglichkeit der Erkenntnis in Jesus Christus geschaffen, sondern er allein verbürgt auch die subjektive Erkenntnis der Offenbarung durch den heiligen Geist. Allein in diesem und durch dieses Handeln Gottes wird dem Menschen die Freiheit zuteil, dass er Gott erkennen kann, selbst darauf antwortet und Verantwortung übernimmt. Aufgenommen werden diese Gedanken aus KD I in der folgenden Untersuchung insbesondere in Kap. 3 und Kap. 5, welche die menschliche Möglichkeit und Freiheit zur Gotteserkenntnis bei Barth ausloten sollen. Ferner rekurriert Kap. 7 auf den aktualistischen Gedanken der Unverfügbarkeit des Wortes Gottes, wie es eben beschrieben wurde.

 Eine Untersuchung zur Schriftlehre Barths, die nicht nur dessen dogmatische Aussagen über die Schrift in KD I/2 nachzeichnet, sondern auch Barths Schriftauslegung anhand seiner exegetischen Exkurse in der KD untersucht, hat jüngst Gerhard Bergner vorgelegt: G. Bergner, Um der Sache willen. Karl Barths Schriftauslegung in der Kirchlichen Dogmatik, Göttingen 2015.

2.3 Glaube in der KD – ein Überblick

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2.3.2 KD II – Die Lehre von Gott Die „Lehre von Gott“ hat Barth in zwei Bänden 1940 und 1942 publiziert, die insgesamt in vier Kapitel gegliedert sind: Zuerst erörtert Barth die „Erkenntnis Gottes“ (Kap. 5, §§ 25 – 27), dann unter der Überschrift „Die Wirklichkeit Gottes“ die Eigenschaften Gottes (Kap. 6, §§ 28 – 31). Im zweiten Band wird Gottes Tun als „Gottes Gnadenwahl“ erläutert (Kap. 7, §§ 32– 35) und unter der Überschrift „Gottes Gebot“ eine Ethik entwickelt, die dem in Gottes Gnadenwahl begründeten Bund entspricht (Kap. 8, §§ 36 – 39). Für die hier behandelte Frage nach dem Glauben ist in KD II/1 besonders das fünfte Kapitel zur Gotteserkenntnis relevant, da laut Barth die Gotteserkenntnis ein den Glauben als Ganzen umfassendes Charakteristikum darstellt (vgl. II/1, 11). Indem Barth vom Vollzug der Erkenntnis ausgeht, bestimmt er so zuerst die Wirklichkeit der menschlichen Erkenntnis Gottes, deren Voraussetzung, Bestimmung und Begrenzung in Gott liegen (§ 25), um von der Wirklichkeit her die Möglichkeit derselben zu eruieren (§ 26). Diese schon in KD I sichtbare Reihenfolge von der Wirklichkeit hin zur Möglichkeit gründet auch an dieser Stelle darin, dass Gott sich in Jesus Christus unhintergehbar faktisch zu erkennen gegeben hat. Die menschliche Bereitschaft und Fähigkeit zur Gotteserkenntnis ist somit – in Anknüpfung an die analogia fidei – eine „mitgeteilte Fähigkeit und Willigkeit“ (II/1, 71). Diese Beschreibung der Konstitution menschlicher Gotteserkenntnis gilt ebenso für die Konstitution des menschlichen Glaubens überhaupt, der auch allein durch Gott begründet wird (vgl. II/1, 27).⁶⁵ Zuletzt klärt Barth in diesem Kapitel die Grenzen der Erkenntnis (§ 27): Der terminus a quo der Erkenntnis ist seine anfängliche Grenze: die „Verborgenheit Gottes“ (§ 27.1). Zielpunkt und Verheißung der Erkenntnis ist „die Wahrhaftigkeit menschlicher Gotteserkenntnis“ (§ 27.2) als terminus ad quem. Die beiden termini sind dabei nicht gleichberechtigt, denn gerade mit dem Motiv des Weges zwischen diesen zwei Grenzpunkten will Barth ausdrücken, dass die Enthüllung im terminus ad quem Sinn und Ziel der anfänglichen Verborgenheit ist. Barth zeichnet in § 27 daher kein unauflöslich dialektisches Verhältnis von Verborgenheit und Klarheit, sondern löst es christologisch mit einem Telos hin zur Klarheit auf. Diese teleologische Figur wird Barth wieder aufnehmen, wenn er in KD IV das Zugleich des homo iustus et peccator erläutert. Auch für den Glaubensweg wird dann gelten, dass Glaube und Unglaube zwar gegenwärtig als Gegensätze auftreten und im Menschen miteinander verknüpft sind, der Christ aber auf Gottes teleologische Vollendung und seine Zukunft als reiner homo iustus hoffen darf.

 Diese Thematik wird in der vorliegenden Arbeit besonders in Kap. 3.3 aufgegriffen werden.

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2 Einführung in die Textgrundlage

Von der Erkenntnis Gottes gelangt Barth in KD II/1 zu der Frage nach Gott als ihrem Subjekt (Kap. 6), den Barth als „in der Tat“ (§ 28.1) seiend bestimmt: In der Tat seiner Offenbarung wird er erkannt als der Liebende, d. h. als der Gemeinschaft mit den Menschen Schaffende (§ 28.2), und als der Freie, d. h. als der, der auch ohne uns er selbst wäre (§ 28.3). Diese zwei göttlichen Eigenschaften der Liebe und der Freiheit setzt Barth dann jeweils in Bezug zu den klassischen Vollkommenheitsprädikaten Gottes (§§ 29 – 31).⁶⁶ Für diese Arbeit ist zu den göttlichen Eigenschaften die grundsätzliche Bestimmung Gottes als ein ‚in der Tat‘ Seiender und als absolut Freier hervorzuheben. Denn indem der Glaube von Barth ebenfalls als Tat des Menschen bestimmt wird, entspricht der Mensch damit dem tätigen göttlichen Sein (s.o. Kap. 1.1.3) und indem Gott absolut frei ist, wird auch der Glaube zu einer bedingt freien Tat (s.u. Kap. 5). KD II/2 eröffnet Barth mit der Erwählungslehre (Kap. 7), die die Summe des Evangeliums darstelle, weil sie die uneingeschränkt heilvolle Botschaft verkündigt, dass Gott sich von Ewigkeit her für die Zuwendung zum Menschen entschieden hat (vgl. II/2, 1, § 32). Die Erwählungslehre hat ihren Ort in der Gotteslehre, weil Gott sich in der Erwählung in seinem Wesen selbst bestimmt als ein Gott der Menschen:⁶⁷ Jesus Christus ist als Gottmensch zugleich der erwählende Gott und der erwählte Mensch (§ 33). In ihm ist die ganze Menschheit „komprehensiv[ ]“ erwählt (II/2, 125). Daher bildet Christi Erwählung bei Barth den „Hintergrund aller Geschichte“ (II/2, 124), da in ihm Ereignis wird, dass Gott ein von sich selbst unterschiedenes Geschöpf aus Gnade will und erschafft (vgl. II/2, 130). Jeder Mensch ist in der Erwählung Christi ungeachtet seiner eigenen Taten zur Teilnahme an Gottes Herrlichkeit und zum Zeugnisgeben bestimmt. Er wird in  Als die drei Eigenschaften der Liebe benennt Barth: Gnade, Barmherzigkeit und Geduld, denen er je ein Attribut der Freiheit zuordnet, da Liebe und Freiheit sich gegenseitig begrenzen (vgl. II/1, 403). So behandelt er Gnade und Heiligkeit (§ 30.1), Barmherzigkeit und Gerechtigkeit (§ 30.2) und Geduld und Weisheit Gottes (§ 30.3). Analog erörtert Barth in § 31 die drei Vollkommenheiten der Freiheit jeweils gepaart mit korrelierenden Liebesattributen: Einheit und Allgegenwart (§ 31.1), Beständigkeit und Allmacht (§ 31.2) und Ewigkeit und Herrlichkeit Gottes (§ 31.3). Siehe hierzu auch Osthöveners Ausführungen zur Eigenschaftslehre Gottes bei Barth: C.‐D. Osthövener, Die Lehre von Gottes Eigenschaften bei Friedrich Schleiermacher und Karl Barth, 159 – 180.  In § 32.2 erläutert Barth, dass der Erkenntnisgrund der christlichen Erwählungslehre in Jesus Christus liege, der sowohl Erkenntnisgrund als auch Realgrund der Erwählung sei, insofern er zugleich erwählender Gott und erwählter Mensch ist. Schließlich bedenkt Barth in § 32.3 die Stellung dieser Lehre im Aufbau der Dogmatik. Er führt als Neuerung die Zuordnung zur Gotteslehre ein und setzt die Prädestination somit an die Spitze vor alle anderen Ausführungen über das Werk Gottes. Hiermit betont Barth, dass alle „Wege und Werke Gottes ihren Anfang in seiner Gnade haben“ (II/2, 98), denn Gottes Selbstbestimmung wird von ihm als einem gnädigen Gott ausgeübt. Gnade wird somit zum „Generalnenner“ (II/2, 100) für alles Weitere.

2.3 Glaube in der KD – ein Überblick

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seiner Eigenständigkeit bejaht und aufgerufen, im Gegenzug Gott zu erwählen und zu bejahen und so das Ebenbild Gottes in Form der analogia relationis zu sein (s.u. Kap. 4.4). Der Glaube entspricht in dieser analogen Form als menschliche Entscheidung für Gott der göttlichen Wahl des Menschen (vgl. II/2, 194). Die Autonomie des Geschöpfes wird hierbei in die Theonomie Gottes eingezeichnet (s.u. Kap. 5.1). Diese Erwählung Christi führt Barth in den folgenden Paragraphen für die Gemeinde (§ 34) und für den Einzelnen (§ 35) aus. Die Gemeinde umfasst die Kirche und das Volk Israel, die Gericht und Erbarmen Gottes für die Welt verkündigen und so Gott in der Welt bezeugen. Dabei fungiert die erwählte Gemeinschaft als ein Mittler zwischen der Erwählung Christi und den vielen Privatpersonen: „Ihr Leben und ihre Funktion ist nach der heiligen Schrift der primäre Gegenstand der ‚anderenʻ Erwählung.“ (II/2, 216) Das Volk Israel und die Kirche dienen jeweils Gott, indem sie verschiedene Aspekte des einen Bundes Gottes mit den Menschen sichtbar machen. In § 35 bespricht Barth dann die „Erwählung des Einzelnen“, die nicht deshalb erst am Schluss erörtert werde, weil der Einzelne „bloß uneigentlich und beiläufig“ mit dabei ist (II/2, 341), sondern weil er nicht unabhängig von seinem Gegenüber zu Gott und dessen Vermittlung in der Kirche zu fassen ist.⁶⁸ Nachdem Barth in § 33 bereits zu dem Ergebnis gekommen ist, dass in Jesus Christus alle Menschen erwählt sind, zieht er in § 35 für die einzelnen Menschen eine Unterscheidung ein zwischen dem Erwähltsein und dem Leben als Erwählte (s.u. Kap. 4.3.1): Das Erwähltsein ist in Christus entschieden, aber das ihm entsprechende Leben als Erwählte geschieht erst im Glauben. Das Ziel der Berufung ist es, dass der erwählte Mensch Gott auch in und mit seinem Leben bezeugt, indem er Gottes Abbild auf Erden wird, und dadurch das versöhnende Handeln Gottes weiter fortgesetzt wird. Aber auch die verworfen Lebenden fallen bei Barth nicht aus Gottes Plan heraus. Sie bestehen fort im Nicht-Willen Gottes mit dem Zweck, die Bedürftigkeit der Welt zu bezeugen. Über beide sei aber in Christus bereits entschieden, beide sind Bestandteil von Gottes Plan und verworfen wie erwählt Lebende sind in Christus bereits erwählt. Auf die Tat Gottes in der Erwählung folgt schließlich Gottes Inanspruchnahme des Menschen in seinem Bund, was Barth unter der Überschrift „Gottes Gebot“ fasst (Kapitel 8, §§ 36 – 39). In diesem Kapitel entwickelt Barth die Ethik der Gotteslehre, gemäß seinem Ansatz, jedem dogmatischen Teil eine ethische Explikation beizuordnen. Es geht dabei um die Frage der menschlichen Selbstbestimmung innerhalb der Bundesbestimmung (§ 36). Für Barth liegt der Grund

 Zum Umgang mit dem Verhältnis des Einzelnen zur Kirche in dieser Arbeit s. o. Kap. 1.5.

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2 Einführung in die Textgrundlage

des göttlichen Anspruchs im Evangelium (§ 37.1). Das Glauben-Dürfen aufgrund des Evangeliums führt nach Barth auch zum Gehorchen-Müssen. Inhaltlich bedeutet dieser Anspruch Gottes, dass der Mensch sich die Gnade recht sein lässt, das heißt, dass er glauben soll und darin zum Bilde Gottes wird (§ 37.2). Konkretisiert wird dies in der Befreiung zum Gehorsam (§ 37.3), wobei Barth die Freiheit des Menschen mit dem Gehorsam gegenüber Gott gleichsetzt. Zum Schluss erörtert Barth, dass das Gebot Gottes gut ist (§ 38), wenngleich es die Menschen in der Form des „Gerichts“ trifft (§ 39), denn aufgrund der stellvertretenden Verurteilung Christi könne auch dem Gericht mit Freude entgegen gesehen werden. Die Absicht des Gerichts sei nicht die Strafe, sondern die Veränderung des Menschen (§ 39.3). Das Gericht zielt somit auf den Glauben und die Heiligung. Für die Fragestellung dieser Arbeit ist die Erwählungslehre insofern grundlegend, als Barth dort erstens seine anthropologischen Annahmen artikuliert: Der Mensch ist in Jesus Christus schon vor der Schöpfung bestimmt zum Bund mit Gott und damit geht eine Bestimmung des Menschen zur Freiheit für Gott einher, die der Theonomie Gottes entspricht. Diese Annahmen werden schwerpunktmäßig in Kap. 4 und 5 untersucht werden. Zweitens wird in Barths Erwählungslehre deutlich, dass der Glaube das Leben und das Zeugnis des Menschen betrifft, nicht jedoch die grundsätzliche Erwählung und Teilnahme am Bund Gottes, die schon im Voraus in Christus entschieden sind, wie es in der Unterscheidung zwischen dem Erwähltsein aller Menschen und dem Erwählt-Leben der Gläubigen zum Ausdruck kommt. Diese geschichtliche Dimension des Glaubens wird besonders in Kap. 6 – 8, erörtert werden.

2.3.3 KD III – Die Lehre von der Schöpfung Die „Lehre von der Schöpfung“ hat Barth in vier Teilen abgefasst, die er 1945, 1948, 1950 und 1951 publizierte.⁶⁹ Jeder Teil enthält ein Kapitel: In III/1 beginnt Barth mit Kap. 9 „Das Werk der Schöpfung“, worin er das Verhältnis der Schöpfung zur vorangegangenen Lehre vom Bund klärt. Darauf folgt in III/2 Kap. 10 „Das Geschöpf“, in dem Barth anhand des wahren Menschen Jesus Christus seine Anthropologie skizziert. In III/3 behandelt er auf dieser Grundlage das Verhältnis von Schöpfer und Geschöpf (Kap. 11). Schließlich folgt in III/4 mit Kap. 12 „Das Gebot

 Einen Überblick über die Besonderheiten der Barthschen Schöpfungslehre gibt C. Link, Die theologischen Entscheidungen der Schöpfungslehre Karl Barths, in: Karl Barth im europäischen Zeitgeschehen (1935 – 1950), hg. v. M. Beintker, C. Link, M. Trowitzsch, Zürich 2010, S. 137– 159.

2.3 Glaube in der KD – ein Überblick

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Gottes des Schöpfers“ die schöpfungsgemäße Ethik, die Barth als Freiheit vor Gott, der Gemeinschaft und dem Leben entfaltet. Entsprechend seinen Prolegomena stellt Barth in III/1 § 40 fest, dass auch die Einsicht in das Wesen der Welt als Schöpfung nur eine Einsicht des Glaubens ist, die durch Christus noetisch und ontisch vermittelt sein muss. Auf dieser Grundlage erörtert er dann das Verhältnis von Schöpfung, Bund und Geschichte (§ 41): Die Schöpfung bilde den ‚äußeren Rahmen‘ für den Bund, der Bund Gottes sei wiederum der innere Grund und das Ziel der Schöpfung. Anhand seiner Exegese der ersten Schöpfungsgeschichte in Gen 1,1– 2,4a, die in der Sabbatruhe endet, entwickelt Barth eine Teleologie, in der die Schöpfung auf den Bund und das völlige Genügen an der Gnade Gottes ausgerichtet ist (§ 41.2). Mit dem zweiten Schöpfungsbericht in Gen 2,4b – 2,25 geht Barth der Frage nach, wie der Mensch sich gegenüber Gottes Bund bewähren soll und dafür zur Freiheit befähigt ist (§ 41.3). Abschließend charakterisiert Barth die Schöpfung als reine Wohltat Gottes (§ 42), denn Gott verwirkliche (§ 42.2) und bejahe (§ 42.3) mit ihr etwas außer seiner selbst. Gottes Annahme der Welt in seiner eigenen Person Jesus Christus interpretiert Barth als Gottes ‚Ja‘, das in einem teleologischen Sinn das ‚Nein‘ Gottes gegenüber der Welt überwindet. Im Glauben erkennt der Mensch schon jetzt Gottes ‚Ja‘ und nimmt somit daran teil, dass die Welt der Schauplatz der göttlichen Überwindung des ‚Neins‘ durch das ‚Ja‘ ist. Damit hat Barth in III/1 die Schöpfung grundsätzlich vom Bundesgedanken her gedeutet und ihr eine teleologische Ausrichtung hin auf die Bundesgemeinschaft mit Gott eingeschrieben. Der Mensch ist also auf das Ziel hin geschaffen, dass er im Bund mit Gott lebt, und in eschatologischer Perspektive wird er dies auch tun. Dem Glauben kommt dabei die Funktion zu, dass der Mensch auch schon jetzt diese Güte und Absicht Gottes mit der Schöpfung einsieht und durch diese Einsicht an ihr teilnimmt. Nach dieser grundlegenden Klärung dessen, was die Schöpfung ist und wie sie erkannt wird, wendet sich Barth in III/2 dem Geschöpf zu; eine Erörterung, die Barth auf den Menschen fokussiert (§ 43).⁷⁰ Es besteht hierbei allerdings das epistemische Problem, dass die menschliche Natur durch die Sünde verborgen ist. Allein Jesus Christus in seiner Gleichheit und Andersheit zu den Sündern offenbare die wahre Natur des Menschen. Daher entwickelt Barth methodisch seine Anthropologie aus der Christologie (§ 43.2). In § 44 verdeutlicht er seine Methode, indem er zuerst auf die äußerliche Gestalt des Menschen, d. h. den Menschen im Kosmos, eingeht und dabei zu dem Ergebnis kommt, dass der wahre Mensch ‚von

 Zwar sei der Mensch ein Geschöpf und Teil des Kosmos (§ 43.1), aber Gottes Wort beschreibe die spezifische Ontologie des Menschen und nicht eine allgemeine Ontologie der Lebewesen.

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2 Einführung in die Textgrundlage

außen‘ nicht treffend beschrieben werden könne. Daraufhin entwickelt Barth das Wesen des Menschen aus der Grundbestimmung seines Zusammenseins mit Gott, die allen Menschen durch die Erwählung zukommt (§ 44.3). Hieraus leitet er folgende weitere Grundbestimmungen des Menschlichen ab: Geschichte, Dank, Verantwortung und Freiheit. Diese Wesensbestimmungen markieren die Eckpunkte dessen, was im Rahmen dieser Arbeit als ‚anthropologische Gestalt des Glaubens‘ zu entwickeln ist: Verantwortung und Freiheit werden in Kap. 5, Geschichtlichkeit in Kap. 6 und Dank als menschliche Tat des Glaubens in Kap. 8.1 behandelt. In § 45 nimmt Barth die aus dem Bisherigen folgende Frage auf, wie der Zusammenhang zwischen Christus als dem wahren Menschen und den übrigen Menschen zu bestimmen ist. Christus sei als Gottmensch wesentlich ein Mensch ‚für den Menschen‘, was für die übrigen Menschen bedeute, dass sie immer schon auf Mitmenschlichkeit hin geschaffen sind. Diese Wesensbestimmung der menschlichen Natur konnte durch die Sünde nicht verloren gehen, sondern ist unter ihr nur verborgen. Nach Barth wird diese Mitmenschlichkeit im Glauben gleichsam freigelegt und eingesehen als Freiheit und Bejahung des Anderen, die ein Gleichnis für die Bundesbeziehung mit Gott darstelle. Auch hier tritt der Glaube zunächst als Erkenntnis auf, die dann zu einer veränderten Beziehung des Menschen zu seinen Mitmenschen führt. Auf dieser Grundlage nimmt Barth den Menschen als „Seele und Leib“ in den Blick (§ 46). Die Einheit von Seele und Leib begreift er dabei als eine Analogie der Gott-Mensch-Einheit in Jesus Christus. Diese Ausführung über die innere Struktur der Geschöpflichkeit wird in § 47 ergänzt durch die Überlegungen zur Zeitlichkeit der menschlichen Existenz.⁷¹ Die folgenden Bände III/3 und III/4 sind für die Glaubensthematik kaum relevant. Die Vorsehungslehre in III/3 verdeutlicht, wie Barth das Verhältnis von Schöpfer und Geschöpf versteht: Gott habe nicht nur am Anfang die Welt geschaffen, sondern erhalte die Schöpfung auch in fortwährender „Zuwendung“ (III/3, § 48, 7). Um das Verhältnis genauer zu beschreiben, nimmt Barth in modifizierter Weise die klassischen Kennzeichnungen conservatio, concursus, gubernatio auf (§ 49). Dabei wird an den Ausführungen zum concursus Gottes deutlich, dass sich geschöpfliche Freiheit und göttliche Bestimmung des Menschen für Barth nicht ausschließen (§ 49.2; siehe dazu Kap. 5 unten). In § 50 be Es ist auffällig, dass trotz der Bedeutung des Glaubens für den Menschen konkrete, explizite Aussagen Barths zum Glauben in III/2 fehlen. Auf diesen „merkwürdige[n]“ Befund weist auch Seils hin: M. Seils, Glaube, 207. Dies lässt sich m. E. nur damit erklären, dass Barth den Glauben so deutlich an Christi Versöhnungshandeln anbindet, dass er die expliziten Bezüge in der Schöpfungslehre unterlässt.

2.3 Glaube in der KD – ein Überblick

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stimmt Barth das Böse durch den Begriff des Nichtigen, das er als opus alienum Dei charakterisiert, welches am Kreuz besiegt wurde. § 51 beinhaltet Barths Angelologie, sein Verständnis vom Himmelreich und die Dämonologie. Der Glaube kommt dort nur insofern vor, als die Einsicht der göttlichen Regierung einem Menschen nur im Glauben zuteilwird (vgl. § 49.4). So ist der Glaube hier die Annahme der göttlichen Vorsehung, wodurch Vertrauen und Gehorsam entstehen.⁷² In III/4 stellt Barth die Frage, wie sich der Mensch in seiner geschaffenen Freiheit zu bewähren habe, und erläutert die ethischen Konsequenzen der Schöpfungslehre. Barth schlüsselt dabei die Themen des Mit-Gott-Seins, des MitmenschSeins, der Leib-Seele-Einheit und der Beschränkung des Menschen je daraufhin auf, was dem Menschen unter diesen Aspekten geboten ist (§ 52). So entfaltet er in III/4 eine themenspezifische, angewandte Ethik. Für die vorliegende Arbeit ist KD III vor allem aufgrund der darin enthaltenen anthropologischen Festlegungen interessant, die die Aussagen über die Bestimmung des Menschen zum Bund mit Gott in II/2 ergänzen und weitere Einblicke in Barths Verständnis der menschlichen Freiheit bieten. Dies wird folgend besonders in Kap. 4 und 5 der Arbeit aufgenommen. Explizite Bezüge Barths zum Glauben finden sich ansonsten in KD III kaum. Der Glaube spielt hier vor allem eine methodische Rolle, da die Schöpfungserkenntnis zugleich Glaubenserkenntnis ist. Die Erkenntnis der Schöpfung hat insofern eine Rückwirkung auf den Glauben, als der Gläubige so Gottes Weltregierung erkennt und durch diese Erkenntnis an der Überwindung des Nichtigen teilhat, insoweit er dem Gebot Gottes gehorcht.

2.3.4 KD IV – Die Lehre von der Versöhnung Die Lehre von der Versöhnung (KD IV) ist laut Barth die „Mitte“ aller christlichen Erkenntnis (IV/1, 1), die er im stillen Gespräch mit Rudolf Bultmann verfasst hat (vgl. IV/1, I). Band IV/1 erschien 1953, 1955 folgte IV/2 und 1959 schließlich IV/3 in zwei Teilbänden.Von dem geplanten letzten Band zur Ethik der Versöhnungslehre hat Barth 1967 nur ein Fragment zur Taufe veröffentlicht. Zwar finden sich in seinem Nachlass Fragmente zu Kap. 17 „Das Gebot Gottes des Versöhners“ aus seinen Vorlesungen von 1959 – 1961, doch wurden diese von Barth nicht zur Publikationsreife gebracht, sind streng genommen nicht Bestandteil der KD und werden für diese Arbeit nicht als primäre Quelle herangezogen.⁷³

 Vgl. dazu III/3, 279. 281 sowie M. Seils, Glaube, 208.  Siehe K. Barth, Das christliche Leben.

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2 Einführung in die Textgrundlage

Zuerst ist auf den sorgfältig konstruierten Aufbau von KD IV hinzuweisen: Einem ersten Kapitel zum Gegenstand und den Problemen der Versöhnungslehre (Kap. 13, §§ 57– 58) folgt in den Bänden IV/1– IV/3 eine nach den drei Ämtern Christi strukturierte Christologie. Jedem Amt werden jeweils eine Gestalt der Sünde, eine Gestalt der Erlösung, deren Bedeutung für die Gemeinde und schließlich deren Bedeutung für den Einzelnen zugeordnet:⁷⁴ In IV/1 beginnt Barth in Kap. 14, „Jesus Christus, der Herr als Knecht“ (§§ 59 – 63), mit dem priesterlichen Amt Christi. Dem in diesem Amt bezeugten Gehorsam des Sohnes (§ 59) widerspricht die menschliche Sünde des „Hochmuts“ (§ 60). Im Amt des Priesters rechtfertigt Christus den Menschen (§ 61), wodurch es zu der „Versammlung der christlichen Gemeinde“ (§ 62) und zum „Glauben“ des Einzelnen (§ 63) kommt. In IV/2 Kap. 15, „Jesus Christus, der Knecht als Herr“ (§§ 64– 68), stellt Barth das königliche Amt Christi in der „Erhöhung des Menschensohnes“ dar (§ 64). Diesem Amt korrespondieren die Sünde der „Trägheit“ (§ 65) und Christi „Heiligung“ des Menschen (§ 66), welche zur „Erbauung der christlichen Gemeinde“ (§ 67) und der „christlichen Liebe“ (§ 68) führt. Barth beschließt die Christologie mit Kap. 16, „Jesus Christus, der wahrhaftige Zeuge“ (§§ 69 – 73), worin er Christi prophetisches Amt auslegt. Die „Herrlichkeit des Mittlers“ (§ 69) wird hier von der menschlichen „Lüge“ (§ 70) geleugnet. Die „Berufung“ des Menschen durch Christus (§ 71) führt zur „Sendung der christlichen Gemeinde“ (§ 72) und zur „Hoffnung“ des Einzelnen (§ 73). In IV/1 beginnt Barth mit einem Überblick seiner Versöhnungslehre (§§ 57– 58). Zentral ist dabei, dass Barth von Gott als dem alleinigen Subjekt der Versöhnung ausgeht (§ 57). Mit Rückgriff auf die Erwählungslehre wird die Versöhnung als die „Erfüllung des Bundes zwischen Gott und Mensch“ bestimmt (IV/1, 22, § 57.1), in der Gott als Subjekt der Versöhnung sowohl sich als Gott des Bundes offenbart als auch den Menschen zu seinem faktischen Bundespartner macht (§ 57.2). Damit setzt Gott einen neuen Anfang allein aus Gnade (§ 58.1). Für die Glaubensthematik ist diese ‚anfängliche‘ Skizze der Versöhnungslehre insofern wichtig, als an ihr deutlich wird, dass Gott das alleinige Subjekt der Beziehung zwischen Mensch und Gott ist und der Mensch daher nur durch Jesus Christus befähigt glauben kann. Unter diesem Gesichtspunkt wird dieser Abschnitt im folgenden Kap. 3 der Arbeit aufgenommen, das die Frage nach einer menschlichen Möglichkeit zum Glauben behandelt.⁷⁵

 Diese Struktur der Versöhnungslehre wird von Barth in I/1, § 58.4 selbst aufgeschlüsselt.  Konkret wird der Glaube zu Beginn von IV/1 als „Erkenntnis, Anerkennung und Annahme“ besonders der Rechtfertigung zugeordnet (IV/1, 99, dazu s.u. Kap. 6 und 8).

2.3 Glaube in der KD – ein Überblick

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In IV/1 geht es Barth darum, das priesterliche Amt Christi als Christi ‚Exinantion‘ zu schildern, d. h. der Weg des Sohnes in die Fremde, im Gehorsam und in der Demut des Fleisches (§ 59.1). Barth fragt, wozu dieser Weg gegangen wird, und entwickelt daraus die Figur der Stellvertretung (§ 59.2). An diese strikt christologisch entwickelten Bedingungen der Versöhnungslehre schließt die Frage an, wie sie auch ‚für uns‘ als Menschen gelten können (§ 59.3). Barths Antwort besteht in einer bereits in sich die Menschheit inkludierenden, komprehensiven Christologie: weil Jesus Christus als Gottmensch gestorben und auferstanden ist, habe er den Raum für eine neue menschliche Existenz eröffnet. Demnach muss alles, was Barth über Jesus Christus ausgeführt hat, auch für jeden Menschen gelten. Für den Glauben ist diese komprehensive Christologie folgenreich: Christus eröffnet nicht einfach bloße Möglichkeiten, die erst im Glauben subjektiv verwirklicht werden müssten, sondern in Christus gilt bereits eine neue Wirklichkeit, die in Christus bereits alle Menschen umfasst. Was Sünde ist, wird nach Barth erst aus dem Evangelium erkennbar, sodass er die Abschnitte zur Sünde direkt an die Versöhnungslehre anschließt (§ 60.1). Dem Gehorsam und der Demut Christi steht dort als Sünde „des Menschen Hochmut“ (§ 60.2) entgegen. Sünde heißt demnach, dass sich der Mensch als Herr und Richter aufspielt, statt gehorsam Gott als alleinigen Herren anzuerkennen.⁷⁶ Auf die Sündenlehre folgt in § 61 „Des Menschen Rechtfertigung“.⁷⁷ In seinem Überblick über die Dogmatik in IV/1, § 58 beschreibt Barth das Verhältnis von

 Dieser Charakteristik der Sünde entspricht Barths konträre Kennzeichnung des Glaubens als Anerkennung und Gehorsam sowie die implizite Definition der Sünde als Unglaube: „Des Menschen Sünde ist sein Unglaube“ (IV/1, 460). Krötke zufolge meint Sünde bei Barth „die Existenz des Menschen im Unglauben“ (W. Krötke, Sünde und Nichtiges bei Karl Barth, Neukirchen-Vluyn 1983, 56). Auch Wüthrich verknüpft dementsprechend Sünde und Unglaube: „Darum ist die Sünde andererseits der hochmütige, träge und lügnerische Ungehorsam und Unglaube gegenüber der Tatsache, dass wir als Menschen der Sünde, in unserem Hochmut, unserer Trägheit und Lüge, in Jesus Christus schon versöhnt sind.“ (M. D. Wüthrich, Gott und das Nichtige. Eine Untersuchung zur Rede vom Nichtigen ausgehend von § 50 der Kirchlichen Dogmatik Karl Barths, Zürich 2006, 255).  Barth wendet sich in § 61.1 gegen evangelische Ansätze, die in der Rechtfertigungslehre die Mitte der christlichen Lehre überhaupt sehen. Statt der Rechtfertigung des Menschen steht bei Barth Jesus Christus im Mittelpunkt und die menschliche Rechtfertigung ‚für uns‘ sei nur eines der damit zusammenhängenden Theologoumena. Allerdings wendet Jüngel gegen diese abgrenzende Selbstinterpretation Barths ein, dass die Funktion der Rechtfertigungslehre darin liegt, das Sein Jesu Christi ‚für uns‘ auszusagen, was auch bei Barth die gesamte Christologie durchzieht, sodass sich Barth faktisch in diesem Punkt nicht von den Reformatoren unterscheide (vgl. E. Jüngel, Das Evangelium von der Rechtfertigung des Gottlosen als Zentrum des christlichen Glaubens. Eine theologische Studie in ökumenischer Absicht, Tübingen 1998, 15 – 26, bes. 23). Siehe auch Kap. 6.3.2.

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2 Einführung in die Textgrundlage

Glauben und Rechtfertigung als direkten Bezug, da der Mensch im Glauben Gottes Urteil annimmt (vgl. IV/1, 99 – 102). In Jesus hat der Mensch einen „für ihn atmenden, redenden und handelnden Hohepriester“ (IV/1, 104), sodass ‚glauben‘ bedeute, sich von sich selbst abzukehren und ‚an ihn‘ zu glauben. Die Umkehrung des Menschen in der Rechtfertigung hat dann auch die Gestalt der Heiligung (IV/2) und Hoffnung (IV/3), doch diese beiden ergeben sich ihrerseits aus dem Glauben und der Annahme des göttlichen Urteils, sodass der Glaube im strikten Sinn der Rechtfertigung zuzuordnen ist. Der Rechtfertigungsparagraph (§ 61) behandelt das Problem, dass ein Mensch im gleichen göttlichen Urteil homo peccator und homo iustus ist. Diese beiden Bestimmungen setzt Barth in ein Verhältnis des Übergangs, sodass der Mensch insofern simul iustus et peccator ist, als er im Übergang begriffen ist, nämlich vom vergangenen, ‚alten Menschen‘ des Gerichts (§ 61.2) hin zum neuen, zukünftigen Menschen des Freispruchs (§ 61.3). Von dieser Teleologie des Übergangs könne man aber nur im Glauben wissen, weshalb Barth die Rechtfertigung in § 61.4 allein an den Glauben bindet: Nur im Glauben erkennt ein Mensch, dass auch er selbst sich in diesem Übergang befindet.⁷⁸ Diese teleologische Auflösung der simul-Struktur wird in Kap. 7.1 analysiert werden. Die letzten zwei Paragraphen von IV/1 behandeln das Werk des Geistes für die Gemeinde (§ 62) und den Einzelnen (§ 63). Über die Art, wie der Geist zwischen Christus und der Gemeinde wirkt, könne dabei nur geschwiegen werden, da das Wort Gottes nicht mehr sage, als dass der Geist diese Mitte zwischen beiden sei (§ 62.1). Was also in KD I als „Sprung“ beschrieben wurde, wird auch an dieser Stelle nicht näher ausgeführt. Inhaltlich wird die Gemeinde (§ 62.2) als Christi irdisch-geschichtliche Existenzform charakterisiert, sodass sie eine vorläufige Darstellung dessen ist, was Christus für die ganze Menschheit verwirklicht hat. Die „Zeit der Gemeinde“ (§ 62.3) zwischen der ersten und der zweiten Parusie Christi sei dabei zwar für Gott nicht notwendig, aber von Gott gewollt als eine Zeit der menschlichen Entsprechung zu Gottes Bundesschluss. An dieser „Zeit der Gemeinde“ zeigt sich, dass Barth dem Glauben auch in seiner irdischen Form einen Eigenwert beimisst, da die Rolle der „Zwischenzeit“ schlicht darin besteht,

 Hierbei muss Barth klären, wie die Rechtfertigung einerseits allein Gottes Werk ist und zugleich dem Menschen allein durch den Glauben zuteilwerden kann, den Barth dezidiert als menschliche Tat begreift (s.u. Kap. 8.2.3). Glauben wird hierbei erneut als „treue […] Antwort“ auf die „Treue Gottes“ verstanden (IV/1, 689). Gerade bezüglich der Annahme der Rechtfertigung nimmt Barth somit die Kennzeichnung des Glaubens als ‚Treue‘ wieder auf, die er schon im Römerbriefkommentar 1921 vorgenommen hatte. Dem entspricht ferner Barths Wiederaufnahme der Hohlraummetapher für den Glauben in IV/1, § 61, bei der sich Barth von einem falschen Verständnis seiner Position von 1921 abgrenzt (IV/1, 701 f.).

2.3 Glaube in der KD – ein Überblick

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dass Gott den Menschen Zeit gibt, zu glauben. Die Bedeutung der Zwischenzeit für die anthropologische Gestalt des Glaubens wird besonders in Kap. 6 der vorliegenden Arbeit wieder aufgegriffen werden. Mit § 63 „Der Heilige Geist und der christliche Glaube“ folgt schließlich die einzige explizite Thematisierung des individuellen menschlichen Glaubens. Barth entwickelt zuerst (§ 63.1) die Abhängigkeit des Glaubens von seinem ihm vorausgehenden Gegenstand Jesus Christus und entfaltet so, welche Formen der Glaube in Ausrichtung auf Christus annimmt. Als in Christus geschehene Neugründung des Menschen versteht Barth den Glauben dann elementar als menschliche „Tat“ (§ 63.2). Als Tat ist der Glaube ein freies Geschehen, das auf Gottes kreatorisches Wirken antwortet und von Barth durch die Trias von Anerkennen, Erkennen und Bekennen bestimmt wird. In der Erkenntnis Christi kommt es dabei zu einem veränderten Selbstverständnis des Christen in Analogie zu Jesus Christus, beschreibbar mit den Begriffen mortificatio und vivificatio. Damit wird dem Glauben sein dogmatischer Ort zugewiesen: als menschliche Entsprechung zur Rechtfertigung Christi. Die Versöhnung ist zwar allein Gottes Tat, der den Bund mit den Menschen wirksam vollzieht. Die Konstitution der Gottesbeziehung in der Versöhnung übergeht dabei die einzelnen Menschen zunächst, da Jesus Christus sie für alle Menschen bereits vollzogen hat. Allerdings soll es, wie in Kap. 6 aufzuzeigen ist, in der Zwischenzeit zur geschichtlichen Teilhabe der Menschen an Gottes Bund kommen; diese Teilhabe geschieht im Glauben als Erkenntnis der neuen Versöhnungswirklichkeit. Im Glauben kommt es damit zur gebrochenen, irdischen Realisierung dessen, was in Jesus Christus vollzogen worden ist, daher ist die Gestalt des Glaubens ein – wenngleich gebrochenes – Spiegelbild Christi. Diese Interpretation des Glaubens als Entsprechung wird im zweiten Hauptteil der vorliegenden Arbeit (Kap. 6 – 8) belegt. In IV/2 nähert sich Barth der Christologie über die Frage nach dem Menschen in der Versöhnungslehre (§ 64.1). Auch hier müsse der Ausgangspunkt im Sein Christi liegen, der nun als der erhöhte Menschensohn in den Blick genommen wird. Es geht in IV/2 somit um das vere homo (§ 64.2): Der „königliche Mensch“ (§ 64.3) existierte in Entsprechung zu Gott und wurde in seinem Gehorsam am Kreuz gekrönt. Am Ende dieses Paragraphen fragt sich Barth erneut (wie auch in § 59.3), was dieses Theologumenon der Versöhnungslehre ‚für uns‘ bedeute (§ 64.4): Christi Menschsein gibt uns „Weisung“, sodass wir an seinem wahren Menschsein Anteil haben können. Für den Glauben lässt sich daraus ableiten, dass der Gläubige Christus als dem wahrem Menschen entsprechen soll, denn Jesus Christus hat in seinem Menschsein Gottes Bund entsprochen. Der Glaube ist insofern die „anthropologische Entsprechung“ zur freien Gnade Gottes (IV/2, 268). Das in den Evangelien bezeugte Leben Christi gibt dazu durch den Heiligen Geist die konkrete Weisung.

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2 Einführung in die Textgrundlage

Die dem wahren Menschsein Christi widersprechende Sünde ist die Trägheit des Menschen (§ 65.2), in welcher der Mensch hinter seiner Heiligung durch Gott zurückbleibt.⁷⁹ Dadurch verharrt der Mensch in seinem Elend und bedarf je neu der von Gott geschenkten Freiheit (§ 65.3).⁸⁰ Demgegenüber ist die Heiligung des Menschen (§ 66) die dem wahren Menschsein Christi entsprechende Gestalt. Die Heiligung ist im Verhältnis zur Rechtfertigungslehre von KD IV/1 kein Zweites, das auf diese nur folge, sondern nur ein zweiter Aspekt des einen Versöhnungshandelns Christi, bei dem der Fokus nun auf der Indienstnahme des Menschen in der Liebe liegt (§ 66.1). Die Heiligung als Teil des göttlichen Versöhnungshandelns darf also nicht als menschliche Gegenbewegung verstanden werden, sondern ist ebenso wie die Rechtfertigung die Teilhabe an Jesus Christus, der die Heiligung schon vollzogen hat (§ 66.2). Damit bedeutet die Heiligung letztlich nur, dass die Menschen in der participatio Christi zu dessen Abbild werden. Der befreiende Aufruf dazu ist „[d]er Ruf in die Nachfolge“ (§ 66.3), der den Menschen zur „Umkehr“ erweckt (§ 66.4). Dieser Ruf führt zu realer Veränderung im Leben des Menschen, sodass die Umkehr des Glaubens als wirkliches, geschichtliches Ereignis zu verstehen ist. Die konkreteste Form dieser Christusgemeinschaft findet sich – ganz im Sinne der reformatorischen theologia crucis – in Verfolgung und Anfechtung (§ 66.6). Als Gestalten der Heiligung erörtert Barth die „Erbauung der christlichen Gemeinde“ durch den Geist (§ 67) und die „christliche Liebe“ (§ 68). Mit der Kirche baut sich Christus in der Macht des Heiligen Geistes seine irdisch-geschichtliche Daseinsform in der Welt (§ 67). Durch den Geist wird der Einzelne in die Gemeinde versetzt und erhält die Freiheit, dieser Liebe Gottes zu entsprechen (§ 68). Diese Liebe äußert sich in der Hingabe an Gott und im Zeugnis der Nächstenliebe für den Mitmenschen (§ 68.3). Die von Barth vorgenommene Verschränkung von Heiligung und Rechtfertigung führt dazu, dass die (tätige) Liebe dem Glauben nicht folgt, sondern schlicht einen zweiten Aspekt des Glaubens

 Entsprechend der vierfachen Struktur in KD III/4 charakterisiert Barth die Sünde der Trägheit als ein vierfaches Versagen, das je die drei anderen Arten mitbedingt bzw. -beinhaltet: gegenüber Gott als Atheismus in der Dummheit, seinen Mitmenschen gegenüber als Gewalt in der Heuchelei, gegenüber seiner geschöpflichen Struktur in der Verlotterung, gegenüber seiner zeitlichen Begrenzung in hoffnungsloser Sorge. Die Versöhnung zielt auf diesen sich sorgenden, ängstigenden Menschen.  Der Zusammenhang von Erbsünde und Sünde wird hierbei als Kreislauf beschrieben: Aus dem trägen Subjekt (peccatum originale) folgen notwendigerweise träge Taten (peccata actualia), die wiederum das Subjekt zum Sünder machen, der nicht anders als sündigen kann.

2.3 Glaube in der KD – ein Überblick

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darstellt.⁸¹ Der Glaube, der Gottes Versöhnung anerkennt und erkennt, erhält somit die Gestalt der tätigen Liebe (s.u. Kap. 8.4). In IV/3 geht es schließlich primär um die Frage, wie die Christologie im geschichtlichen Raum menschlichen Lebens ankommt. So wie Barth schon in § 59.3 und § 64.4 jeweils die Brücke von der Christologie zur Anthropologie in der ‚uns umfassenden‘ Christologie geschlagen hat, gelangt er auch hier dazu, auch die Erkenntnis der Versöhnung noch als Teil des Versöhnungshandelns Christi aufzufassen (§ 69.1). Unter dem Leitsatz der ersten These der Barmer Theologischen Erklärung, dass Jesus das eine Wort Gottes ist, entfaltet Barth dementsprechend das munus propheticum Christi so, dass die Versöhnung auch ihre Offenbarung mit einschließt, denn Jesus Christus ist sein eigener, authentischer Zeuge (vgl. IV/3, 40). Barth setzt dabei – in der sogenannten Lichterlehre – Jesus Christus als das „Licht des Lebens“ (§ 69.2) ins Verhältnis zu den Lichtern der Kirche und der Welt, die das Licht Christi bezeugen. Die Welt dient dabei als theatrum Dei gloriae der Selbstbezeugung Gottes. Das dynamische, ambivalente Weltgeschehen wird dadurch in die Perspektive einer heilvollen Richtung gestellt (§ 69.3), denn die Versöhnung illic et tunc bewirke auch hic et nunc ihr geschichtliches Gegenbild.⁸² Daher ist die Zwischenzeit die Zeit der Herrlichkeit Gottes, denn Gott bringe täglich in Christus seine Geschichte weiter voran (§ 69.4). Mit diesen Ausführungen weist Barth – wenn auch nicht explizit – dem Glauben seinen Platz in der Geschichte zu: Die Offenbarung der Versöhnung, die den Glauben des Menschen weckt, ist selbst noch Teil des Versöhnungshandelns Christi. Glaube ist eine Wirkung des prophetischen Amtes Christi, der sein Licht in der Welt bezeugt. Damit zeigt Barth hier erneut, wie der Glaube eine ‚Erkenntnis‘ Christi ist, aber als solche den Erkennenden in seinem zeitlichen Dasein zum Zeugen und Zeugnis Gottes umbildet.⁸³ Diese Bedeutung des munus propheticum für den Glauben wird in Kap. 6 dieser Arbeit aufgegriffen werden.

 Gegen dieses integrative Verständnis des Glaubens betont Seils bei Barth den Aspekt der Abgrenzung des Glaubens zu Liebe und Hoffnung, weil Barth den Glauben zu diesen in Beziehung setze, aber dadurch auch von diesen unterscheide (vgl. M. Seils, Glaube, 219). Die dreifache Struktur der Christologie in IV/1– IV/3 zeigt jedoch, dass die drei Aspekte Glaube, Liebe und Hoffnung, die drei sich ergänzenden Charakterisierungen des christlichen Lebens sind, deren „Grundtat“ (IV/1, 847) jedoch der Glaube ist, sodass Liebe und Hoffnung diese Grundtat nur weiter explizieren.  Damit erweitert Barth den früher schon artikulierten Gegensatz von ontisch und noetisch (IV/1, 392 u.ö.) bzw. von de iure und de facto (IV/2, 826 u. ö.) um das Begriffspaar dort und hier (IV/3, 319).  Seils bemerkt hierzu, dass „ohne gedanklichen Rückgriff“ auf „Anerkennen, Erkennen und Bekennen […] nicht ganz deutlich [wird], ob es im Sinne Barths sein würde, wenn man das, was er nun über ‚Erkenntnis‘ sagt, als inhaltliche Ergänzung seines Glaubensverständnisses aufzunehmen hat.“ (ebd., 215) Seils begründet seine Skepsis darin, dass Barth selbst keinen expliziten

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2 Einführung in die Textgrundlage

Die dem prophetischen Selbstzeugnis Christi korrespondierende und durch das Evangelium aufgedeckte Sünde ist die Lüge (§ 70). Die Lüge ist die spezifisch christliche Gestalt der Sünde, da sie die menschliche Reaktion auf die Offenbarung der Wahrheit darstellt, mit der ein Mensch dem Wort Gottes ausweicht. Zwar ändere die Lüge nicht die von ihr verstellte Wirklichkeit Gottes, aber für sich selbst bewirkt der Mensch mit seiner Lüge die Verdammnis (§ 70.3). Allein Christi Wirken als sein eigener Zeuge kann diese Sünde durchbrechen. Dies geschieht in der Berufung, durch die ein Mensch zum Christen wird (§ 71). Barth unterscheidet dabei die Prädisposition aller Menschen zur Berufung in der vorzeitlichen Erwählung Gottes (§ 71.1) vom „Ereignis der Berufung“ (§ 71.2) in der eigenen Lebensgeschichte des Berufenen. Die Berufung des Einzelnen hat wiederum zwei Seiten: einerseits ist sie das einmalige Geschehen des Christ-Werdens, andererseits ereignet sie sich fortdauernd, sodass die Berufung jedem Christen auch immer wieder bevorsteht und er darin weiter auf Jesu Wirken angewiesen ist. Wie in Kap. 7 für den Glauben gezeigt werden soll, ist diese fortdauernde Seite der Berufung Ausdruck eines wesentlichen Aktualismus, demzufolge der Gläubige zwar Christ ist, dies aber zugleich je wieder werden muss. Das „Ziel der Berufung“ (§ 71.3) ist die unio cum Christo. Diese sei aber kein Selbstzweck, sondern hat ihrerseits das Ziel des Zeugendienstes (§ 71.4). Damit funktionalisiert Barth den Glauben, insofern dieser nicht primär dem Erreichen persönlicher Heilsgewissheit dient, sondern ein Mittel für den Dienst darstellt. Zwar werden die beneficia Christi dem Christen mit seiner Berufung auch zuteil, da sie ihn für den Zeugendienst vorbereiten (§ 71.6), aber Ziel und nicht Mittel der Berufung ist es, dass der Christ als Teil des Heilsplans Gottes diesen verkündigt und in seinem Leben bezeugt. Das erklärt auch, warum der Glaube hier nicht explizit im Zentrum von Barths Erörterungen steht, da Barth primär Gottes Wirken in der Welt bespricht, für das der Glaube jedoch ein konstitutives Mittel ist (dazu s.u. Kap. 6.4). Die Gemeinde ist dementsprechend als communio vocatorum zu begreifen, als Schar der berufenen Zeugen in der Welt (§ 72). Sie soll dem Kosmos in Wort und Tat die Wirklichkeit Christi verkündigen, die noch verborgen ist und die sie selbst nur im Glauben erkennt. Demnach unterscheide die Gemeinde von der

Bezug auf seine Aussagen in IV/1 § 63 herstellt. In der Sache nimmt Barth jedoch bei seinen Beschreibungen der Erkenntnis in IV/3 wieder die Aspekte des Glaubens als kognitive Tat auf, sodass Glaube als Erkenntnis hier nicht mit Seils als Ergänzung des einen Aspekts von Glauben neben Anerkennen und Bekennen anzusehen ist, sondern vielmehr nur die dieser Trias zugrunde liegende Fassung des Glaubens als kognitive Tat weiter expliziert. Diese Deutung erklärt auch – contra Seils –, warum Barth in IV/3 die Beschreibung des Glaubens als Anerkennen, Erkennen und Bekennen nicht explizit wieder aufnehmen muss.

2.3 Glaube in der KD – ein Überblick

89

Welt, dass sie selbst schon erkennen darf, was der sündigen Welt noch verborgen ist. Vor diesem Hintergrund erscheint der Glaube als neue Sichtweise auf die Welt, nämlich so, wie sie von der Wirklichkeit Christi her gesehen wird. Diese neue Perspektive ist aber auch dem Christen nicht frei verfügbar, sondern nur im Glauben als „Hoffnung“ geschenkt (§ 73). Allein diese Hoffnung hilft dem Gläubigen, dass er angesichts des in der Sünde stets ambivalenten Weltgeschehens nicht verzweifelt, sondern auf das Ziel der Vollendung hin leben kann (§ 73.2).Wie Kap. 7 ausführen wird, ist die Hoffnung auf Christi Vollendung dabei das Einzige, wodurch der Gläubige Gewissheit ‚hat‘, und dabei muss selbst diese Hoffnung ihm immer wieder neu geschenkt werden. Demnach bleibt der Gläubige in seinem Glauben stets völlig auf Jesus Christus als Begründer seines Glaubens angewiesen. Indem KD IV/3 den Glauben in erster Linie vom Zeugendienst her erläutert, wird erstens deutlich, dass die irdisch-geschichtliche Verkündigung für Barth von zentraler Bedeutung ist. Zweitens geht es Barth dabei nicht primär um den Einzelnen, sondern um Gottes Heilsplan für alle Menschen, innerhalb dessen der Einzelne seinen Platz findet. Drittens bleibt die geschichtliche Umsetzung je und je von Gottes Gabe abhängig, womit Barth auch in KD IV/3 den Aktualismus erneut bekräftigt. Von der entsprechenden Ethik der Versöhnungslehre ist von Barth selbst nur noch das Fragment IV/4 „Die Begründung des christlichen Lebens“ 1967 veröffentlicht worden. Diese Tauflehre weist nach Barths Vorwort den Weg, wie das christlich-menschliche Werk grundsätzlich in seinem korrespondierenden Charakter zum göttlichen Versöhnungswerk verstanden werden soll (vgl. IV/4, IX f.).⁸⁴ Dazu gliedert Barth sie in zwei Abschnitte: erstens die „Taufe mit dem Heiligen Geist“ (IV/4, 1) und zweitens die „Taufe mit Wasser“ (IV/4, 45). Die Geisttaufe sei die Wendung des Menschen durch Gott, die Wassertaufe dann der erste Schritt

 Die Tauflehre dient somit primär der Anzeige, welchen Weg Barth in der Versöhnungsethik wählen will. Zugleich bezieht Barth in ihr gegen die Kindertaufe Stellung, wie u. a. an seinen polemischen Äußerungen deutlich wird, dass ein „respektlos verschwenderischer“ Umgang mit dem Taufwasser herrsche (IV/4, XII). Einen Überblick über die Gliederung von IV/4 bietet E. Jüngel, Karl Barths Lehre von der Taufe. Ein Hinweis auf ihre Probleme, 11– 13. In der Forschung ist die systematische wie entwicklungsgeschichtliche Stellung von IV/4 umstritten. Oblaus überzeugende Analyse der Kontinuitäten zwischen IV/4 und den übrigen Bänden der KD zeigt jedoch: „Es gibt in Barths Werk keine späte anthropologische Wende[. …] In der Tauflehre zeigen sich lediglich deutlicher als anderswo die Konsequenzen jener christologischen Doppelstruktur [wahrer Gott und wahrer Mensch, Anm. J. S.], von der her nicht nur die gesamte Versöhnungslehre konzipiert ist, sondern die sich auch bereits in der Schöpfungslehre kräftig andeutet.“ (G. Oblau, Gotteszeit und Menschenzeit. Eschatologie in der kirchlichen Dogmatik von Karl Barth, Neukirchen-Vluyn 1988, 274).

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2 Einführung in die Textgrundlage

des Christen aus eigener Entscheidung (IV/4, 1). Mit dieser schon im Aufbau getrennten Erörterung von Mensch und Gott zeigt Barth, dass es sich in dem einen Ereignis um zwei verschiedene, doch jeweils aktive Subjekte handelt (siehe dazu unten Kap. 4.4). Das Christusereignis extra nos pro nobis widerfährt dem Menschen objektiv von außen und öffnet ihn im Geist für seine geschichtliche Aneignung. Die Wassertaufe steht demgegenüber für die antwortende, menschliche Tat und Begründung des jeweiligen christlichen Lebens; sie ist ein menschliches Werk, markiert die menschliche Umkehr und gilt als erster Schritt auf dem lebenslangen Übergangsweg vom alten zum neuen Leben. Dieser Weg des Christen wird dabei als Wagnis, Zeugnis und Hoffnung charakterisiert, womit Barth erneut die konstitutive Bezogenheit des Glaubens auf seinen Glaubensgegenstand deutlich macht. In der Tauflehre geht es somit der Sache nach um den Glauben nach seinen zwei Seiten göttlicher Begründung und menschlicher Tat. Explizit kommen die Vokabeln ‚Glaube‘ oder ‚glauben‘ jedoch in dem ersten Teil „Die Taufe mit dem Heiligen Geist“ (IV/4, 1– 44) kaum vor, obwohl ausdrückliches Thema die menschliche Treue im Verhältnis zur Treue Gottes ist (vgl. IV/4, 3).⁸⁵ Glauben wird stattdessen primär auf die menschliche Antwort bezogen, in dem zweiten Teil zur Wassertaufe kommt der Begriff entsprechend häufig vor (vgl. IV/4, 45 – 234). Daran zeigt sich sowohl die doppelte Bedeutung von Glaube als auch Barths Zuspitzung auf den Aspekt der menschlichen Tat: Beides bildet aber insofern ein Ganzes, als beide Hinsichten eine in sich geschlossene Figur der Entsprechung darstellen. Dies wird in Kap. 5.4 weiter ausgeführt.

 Barths Rede vom Glauben findet sich dort lediglich in Barths Bibelexkursen: Dabei setzt er „glauben“ mit Gott „treu sein“ gleich (vgl. IV/4, 4) oder spricht mit Paulus vom Gehorsam des Glaubens und der neuen Geburt als Bedingung des Glaubens (vgl. IV/4, 9). So zeigt sich in den Exkursen vor allem der Topos des Glaubensgehorsams (vgl. IV/4, 18). Ferner stellt Barth in den Schriftexkursen den Zusammenhang von Glauben und neuem Herz sowie ewigem Leben her (IV/4, 16). Schließlich findet sich dieser Sprachgebrauch in eher unbedeutender Stellung als Aussage, dass sich der Christ in der Einheit von Glaube, Liebe und Hoffnung zur Gemeinde bekennt (vgl. IV/4, 41). Neben diesen Schriftbezügen verwendet Barth die Vokabel „glauben“, um abzugrenzen, woran man nicht glauben kann (vgl. IV/4, 14), und um sich gegen ein anthropomonistisches Verständnis eines menschlich eigenmächtigen „Entschlu[sses …] zum Glauben“ (IV/4, 21 f.) zu wenden. Im positiven Sprachgebrauch seiner dogmatischen Rede verwendet Barth den Terminus „Glauben“ nur anfänglich in seiner Frage, „wie dieser Mensch selbst Subjekt dieses Geschehens, des Glaubens an Gott, der Liebe zu Ihm, der Hoffnung auf Ihn, ein Wollender und Handelnder […] wird“ (IV/4, 4, Hv. JK), sowie in seinen Ausführungen über die Geistestaufe, indem er Jesus als den alleinigen Anfänger und Vollender des Glaubens bezeichnet (vgl. IV/4, 35).

2.4 Auswertung des KD-Überblicks im Hinblick auf die Thesen der Arbeit

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2.4 Auswertung des KD-Überblicks im Hinblick auf die Thesen der Arbeit Im überblickhaften Durchgang der KD konnten bereits die grundlegenden Strukturen der Barthschen Konzeption menschlichen Glaubens sowie die zentrale, wenngleich oft unausdrückliche Rolle des Glaubens innerhalb der KD aufgezeigt werden. Letztere wurde bereits in methodischer Hinsicht deutlich, da die Dogmatik für Barth ein Glaubensakt ist (I/1, §§ 1– 2) und theologische Erkenntnisse wie die Schöpfungslehre nur als Glaubenserkenntnis möglich sind (III/1, § 40). Dennoch wird der Glaube von Barth nicht zum Ausgangspunkt oder Kriterium der Dogmatik erklärt. So geben die Prolegomena keine eigentliche Einführung in die Glaubensthematik, sondern zeigen nur an, dass der menschliche Glaube Gott nachgeordnet ist und dementsprechend seine Erörterung der Lehre von Gott. Dieser grundlegenden Entscheidung Barths, den Glauben vom Glaubensgegenstand her zu verstehen (§ 63), entspricht auch die die ganze KD durchziehende Reihenfolge vom Wort Gottes zur Erkenntnis Gottes (KD I), von der göttlichen Wirklichkeit des Bundes zur von Gott geschenkten Möglichkeit des Glaubens (§§ 25 – 27), von der Christologie zur Anthropologie (§ 43) und von der Geisttaufe zur Wassertaufe (IV/4). Gott ist demnach für Barth nicht nur ein notwendiger, sondern in gewissem Sinn allein hinreichender Grund des Glaubens wie dessen menschlicher Gestalt, wenn er den Menschen zur Erkenntnis seines Wortes erweckt (§§ 13. 16. 21). Denn er ist in Jesus Christus sowohl der den Bund stiftende Gott als auch der Gott bejahende Mensch (§ 57). Selbst die Erkenntnis dieser Versöhnung im Glauben ist gemäß dem munus propheticum Christi noch Teil des göttlichen Versöhnungshandelns (§ 69.1). Von dieser christologischen Begründungsfigur her gesehen ist Gott selbst das erste ‚Subjekt des Glaubens‘, im Sinne des dem Glauben und seiner menschlichen Vollzugsform Zugrundeliegenden. Gemäß der oben ausgewiesenen Struktur der Entsprechung ist der Mensch gleichsam das ‚zweite Subjekt‘ des Glaubens, er ist Subjekt im Sinne eines Akteurs, aber nur im antwortenden Akt der Anerkennung Gottes. Erst in dieser nachgeordneten Stellung ist der Mensch überhaupt in der Position, sich selbsttätig für den Glauben an Gott zu entscheiden (§ 6). Gottes theonomes Wirken ermöglicht hierbei die menschliche Autonomie, in der Gott als Herr bejaht wird (§ 33). Der Glaube ist demnach die Tat des Anerkennens, Erkennens und Bekennens (§ 63.2). Dabei gilt grundsätzlich, dass der menschliche Glaube keinen ‚substanziellen‘ Beitrag leistet, sondern streng genommen nur Gott erkennt und darin dem göttlichen Sprechen ‚entspricht‘ (§ 26). Zusammenfassend und mit anderen Worten ausgedrückt: Mit dieser von Gott ermöglichten menschlichen Tat des Glaubens wird der Schritt vom prinzipiell allen Menschen geltenden Erwähltsein zum Leben als Erwählte vollzogen (§ 35).

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2 Einführung in die Textgrundlage

In Christus gilt also schon allen Menschen das neue Menschsein Christi, aber nur durch den Perspektivwechsel im Glauben können die Menschen auch in ihrer eigenen Geschichte daran teilnehmen (vgl. §§ 45. 71). So ist die neue Wirklichkeit, das wahre Menschsein Christi (§ 64), schon für alle Menschen verwirklicht, aber erst im Glauben realisiert sich diese Wirklichkeit für den Einzelnen (§ 59). Durch den Glauben wird somit aus der Versöhnung de iure die de facto Teilnahme an dieser Versöhnung, weil diese Wirklichkeit de iure erkannt wird. Diese menschliche Entsprechung zur göttlichen Offenbarung ist für Barth so zentral, dass sie für ihn erklärt, warum es die Gegenwart als eine Zwischenzeit zwischen Christi Werk und seiner zukünftigen Parusie gibt (§ 62.3). Der Glaube wird von Barth dabei in einem zweifachen Sinn teleologisch gedacht: Erstens sind in Christus alle Menschen zur Teilnahme an Gottes Herrlichkeit erwählt, sodass die gläubige Existenz als Bundespartner Gottes die Zielbestimmung aller Menschen darstellt (§§ 33. 41. 44). Zweitens erhält auch der menschliche Glaube selbst durch diese Zielbestimmung eine teleologische Struktur. Im Blick auf den Glauben als Erkenntnis zeigt sich diese Teleologie als Weg von der Verborgenheit hin zur Gotteserkenntnis (§ 27) sowie an der zeitlichen Ausrichtung des homo peccator als Vergangenheit und des homo iustus als Zukunft des Menschen (§ 61). Der Glaube ist demnach immer ein dynamisch-aktualistisches Geschehen, genauer: ein Weg hin zum Sieg Christi, der als jener Weg zugleich diesen Sieg bezeugt. Deshalb wird das Glaubensleben von Barth auch als stetiger Übergang beschrieben (s.u. Kap. 7). Die konkrete Gestalt des Glaubens ist dabei die Gottes- und Nächstenliebe (§§ 18. 68), durch welche der Gläubige in Analogie zum wahren Menschen Christus lebt. Wie die Kapitel 6 und 7 ausführen werden, wird die teleologisch-zeitliche Struktur des Glaubens in der KD unmittelbar in Jesus Christus begründet, sodass die Existenz des Gläubigen im Wesentlichen ein Spiegel der Geschichte Jesu Christi ist und in ihr ihren noetischen und ontologischen Grund hat. Doch führt dieser christozentrische Ansatz Barths nicht gerade zu der eingangs erörterten Kritik zurück, dass letztlich nicht der Mensch glaube, sondern nur sein „himmlischer Doppelgänger“, sodass die irdisch-geschichtliche Realität des Glaubens unterbestimmt bliebe (s.o. Kap. 1)? Die folgenden Ausführungen sollen zeigen, inwieweit dieser Vorwurf nicht zutrifft, indem sie die in diesem Kapitel skizzierte Interpretation der KD weiterverfolgen und vertiefen. Dazu soll erstens gezeigt werden, wie Barth die Vermittlung von Jesu Sein und dem Sein aller übrigen Menschen denkt und letzteres in seinem Eigenwert und Gehalt einzuholen vermag (Kap. 3 – 5). Dabei ist im Rahmen der KD zu untersuchen, welche Verfasstheit der Mensch an sich betrachtet hat und wie sich die Teilnahme der Menschen an Christi Menschsein und Gottespartnerschaft verstehen lässt. Zweitens ist zu untersuchen, wie Barth das geschichtliche Leben-als-Erwählte im

2.4 Auswertung des KD-Überblicks im Hinblick auf die Thesen der Arbeit

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Glauben genauer versteht (Kap. 6 – 8). Dabei muss geklärt werden, wie sich der Glaube als menschliche Tat geschichtlich äußert, wie sich Menschen als Spiegelbilder Christi deuten und inwiefern ein Mensch schon auf Erden als homo iustus leben kann. Die Doppelpoligkeit des barthschen Glaubensverständnisses wird durch die Begriffe Exzentrizität und Deutung expliziert (bes. s.u. Kap. 9). Im Ganzen ist das Anliegen der vorliegenden Arbeit also weder die christologische Ausrichtung Barths einzuschränken noch die anthropologische Gestalt des Glaubens zu nivellieren, vielmehr soll gezeigt werden, dass gerade die strikt christologische Ausrichtung in Barths KD das menschliche Glaubensleben als solches zu explizieren und theologisch darzustellen vermag.

Teil I: Die Begründung des Glaubens und das Wesen des Menschen

3 Die Unmöglichkeit und Fremdheit des Glaubens In welcher Beziehung steht der Glaube zum Wesen den Menschen? In diesem Kapitel soll geklärt werden, aus welchen Gründen und in welcher Weise es für Barth keine menschliche Anlage zum Glauben gibt und der Glaube dem Menschen an sich ‚wesensfremd‘ ist, sodass der Glaube nur als göttliches Wunder ermöglicht werden kann. Um den weiteren Kontext dieser Problematik zu verstehen, müssen wir mindestens ins 19. Jahrhundert zurückblicken: Schleiermacher versuchte gegen die Behauptung, dass der aufklärerisch gebildete Mensch den religiösen Glauben nicht mehr brauche, aufzuzeigen, dass jeder Mensch religiös ist. Religion sei eine anthropologische Konstante: Das „fromme Selbstbewußtsein“ ist ein „wesentliche[s] Element der menschlichen Natur“.¹ Damit erklärt Schleiermacher die Religion einerseits zu einem Grundzug der menschlichen Natur, die jedem Menschen eigen ist und nur in unterschiedlichen Graden gelebt wird, und andererseits entkoppelt er die Religion als menschliche Frömmigkeit von einem Bekenntnis.² So ist zwar nicht jeder Mensch ein gläubiger Christ, aber alle Menschen haben die natürliche Anlage zur Religion und damit zum Glauben. Ein solches Religionsverständnis, wie es u. a. auch bei Troeltsch und Wobbermin zu finden ist, wird von Barth früh kritisiert (vgl. I/2, 316). Schon vor Abfassung der KD verstand Barth ‚Religion‘ und ‚Offenbarung‘ als gegensätzliche Begriffe.³ In der KD kontrastiert er den Glauben mit der Religion (I/2, § 17.2) und bestimmt den Glauben als ‚Verhältnis des Christen zu Christus’, Religion hingegen als „Unglauben“, da in ihr der Mensch versuche selbst Herr zu sein (vgl. I/2, 330 f.). So können Menschen nach Barth zwar religiös sein, dadurch glauben sie aber noch nicht. Barth entscheidet sich somit, keinem angeblich religiöseren Zeitalter nachzutrauern und einen anthropologischen Anhaltspunkt für implizite Religiosität zu

 F. D. E. Schleiermacher, Der christliche Glaube. Nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt. Zweite Auflage (1830/31), KGA I 13.1, hg. v. R. Schäfer, Berlin, New York 2003, 53.  Nach Schleiermacher ist die „Anschauung des Universums“ (F. D. E. Schleiermacher, Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern. 1799, in: F. D. E. Schleiermacher, Schriften aus der Berliner Zeit, S. 185 – 326, 211) eine spezifische Erschließungsfunktion, die zu der angeborenen „religiösen Anlage“ (ebd., 252) des Menschen gehört. In seiner ‚Glaubenslehre‘ ordnet Schleiermacher den religiösen Glauben dem Gefühl zu, sodass er von Wissen und Tun unterschieden wird (vgl. F. D. E. Schleiermacher, Der christliche Glaube, 26).  Vgl. K. Barth, Die christliche Dogmatik im Entwurf, 315. Vgl. auch C. v. d. Kooi, Anfängliche Theologie, 208 f. https://doi.org/10.1515/9783110574876-004

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3 Die Unmöglichkeit und Fremdheit des Glaubens

suchen, sondern befreit den Glauben von der Bedingung der Religion.⁴ So unterlässt er es, an religiöse Intuitionen zu appellieren, mit der natürlichen Theologie oder dem Anknüpfen an gemeinsame sittliche Gebote zu einem säkular‐atheistischen Standpunkt Brücken zu schlagen. Sollten die Menschen auch mehr und mehr religiös ‚unmusikalisch‘ sein,⁵ so kann Barth doch unabhängig vom Religionsgefühl seiner Zeit von Gott, der Offenbarung und dem Glauben sprechen, da er das eine vom anderen entkoppelt. Gerade durch diese Entkopplung drängen sich jedoch die Fragen auf, inwiefern der Glaube für Barth überhaupt zum Menschen und seinem Wesen gehört und in welchem Verhältnis er zur menschlichen Lebenswelt steht. Diese Fragen sollen in den Kapiteln 3 und 4 erörtert und beantwortet werden. Den Einstieg hierzu bildet in Kap. 3.1 Barths Ablehnung eines menschlichen Anknüpfungspunktes für die göttliche Offenbarung. In KD I/1, §6, „Das Wort Gottes und der Glaube“, äußert sich Barth dazu wie folgt: Die Erkenntnis Gottes entstehe nicht etwa, weil der Mensch sich ernsthaft auf Gott besinnt; denn sie ist weder eine „Möglichkeit, die der Mensch zur wirklichen Erkenntnis von seiner Seite hinzubrächte“, noch ist sie eine „Möglichkeit, die dem Menschen in der wirklichen Erkenntnis als eine Bereicherung seiner Existenz von irgendwoher zuwachsen würde“ etwa wie eine neue Tugend, die er dann besäße (I/1, 249). Die Fähigkeiten und Anlagen des Menschen bilden insgesamt keinen „positiven oder wenigstens einen negativen Anknüpfungspunkt für das Wort Gottes“ (I/1, 249). Auf diese Weise will Barth gegen jegliche Überlegung vorbauen, dass der Mensch „seinem Retter nun offenbar doch mit einigen gar nicht üblen Schwimmbewegungen zuhilfe“ kommen könnte.⁶ Somit wendet sich Barth nicht nur gegen einen Pelagianismus und Semi-Pelagianismus,⁷ sondern er schließt jegliche menschliche ‚Eignung‘ für den christlichen Glauben aus. Dazu kann im Folgenden gezeigt werden, dass dieses Unvermögen des Menschen nicht nur auf seine Sündhaftig-

 Wingren analysiert hierzu treffend, dass Barths Ablehnung aller natürlicher Theologie und allen Anknüpfens am Gesetz zeige, dass Barth den Menschen als „Mensch ohne Organ für Gott“ versteht, womit er eben jenen „moderne[n] atheistische[n] Mensch[en]“ vor Augen habe (G. Wingren, Die Methodenfrage der Theologie, Göttingen 1957, 114).  Max Weber an Ferdinand Tönnies, 19. Februar 1909, in: M. Weber, Briefe 1909 – 1910, S. 63 – 66, 65.  K. Barth, Nein! Antwort an Emil Brunner, München 1934, 24; Vgl. hierzu auch C. Gestrich, Neuzeitliches Denken und die Spaltung der dialektischen Theologie, 175 f.  Berkouwer ist darin zuzustimmen, dass Barth „Bedenken gegen jegliche Art der Kooperation und des Synergismus, kurzum gegen jede Gleichgewichtskonstruktion zwischen Gnade und Freiheit“ hegt (G. C. Berkouwer, Der Triumph der Gnade in der Theologie Karl Barths, Neukirchen 1957, 247).

3 Die Unmöglichkeit und Fremdheit des Glaubens

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keit zurückzuführen ist, wie es auch Luther vertreten würde,⁸ sondern gerade darüber hinaus wird auch der menschlichen Natur als solcher eine ihr intrinsische Möglichkeit zur Gottesbeziehung abgesprochen. An dieser Frage nach der menschlichen Natur und ihrem Gottesverhältnis entzündete sich schon zu Lebzeiten Barths die Debatte um die Analogiebeziehung zwischen Gott und Mensch. Für diese Debatte ist das Verhältnis von Natur und Gnade zentral, d. h. die Frage nach einer geschöpflichen Entsprechung gegenüber der Gnade Gottes, ob es in der geschaffenen und auf Gottes Gnade begründeten Welt praeambula fidei, einen Anknüpfungspunkt und eine gewisse Möglichkeit zur natürlichen Theologie gibt. Besonders in der katholischen Theologie stieß Barths polemische Bemerkung, dass die analogia entis eine Erfindung des Antichristen sei (vgl. I/1, VIII), auf vehemente Kritik, zum Beispiel von Erich Przywara, Gottlieb Söhngen und anderen.⁹ Die im Zusammenhang der Analogiedebatte stehende Diskussion um Barths Begriffe von analogia fidei und analogia relationis wurde ebenso kontrovers auf protestantischer Seite geführt, da Barth sich auch gegen den Neuprotestantismus abzugrenzen suchte.¹⁰ Eine weitere, begleitende Ebene dieser Auseinandersetzung bildet die bis heute geführte Diskussion der internen Entwicklung von Barths Theologie, da Barth selbst später von einer neuen „christologischen Konzentration“ in seiner Gotteslehre spricht, woraus einige Interpreten folgern, dass Barth sich später doch zugunsten der analogia entis ausspreche.¹¹ Diese in der Forschung schon umfänglich diskutier-

 Vgl. die Darstellung der Position Luthers in W. Härle, Der Glaube als Gottes- und/oder Menschenwerk in der Theologie Martin Luthers, 65.  S.u. Kap. 4.4.2.  Unter anderem sind Emil Brunner als Kritiker und Horst Pöhlmann als Anwalt Barths zu nennen.  K. Barth, Parergon. Karl Barth über sich selbst, in: EvTh 8 (1948/49), S. 268 – 282, 272. Balthasar spricht daher von einer „Christozentrik“ bei Barth: H. U. von Balthasar, Karl Barth, 40 u.ö. und vertritt die These, dass Barth sich im Sinne der Hegelschen ‚Aufhebung‘ von der Dialektik zur Analogie weiterentwickelt hätte, ein Prozess, der erst 1940 zum Abschluss komme (vgl. ebd., 116 f.).Vgl. dazu auch die Analyse Balthasars in B. Dahlke, Die katholische Rezeption Karl Barths, 202– 207. Hans W. Frei hat Barths Werkgeschichte wie folgt periodisiert: in eine liberale Phase der Immanenz Gottes, eine dialektische Phase der Transzendenz Gottes und schließlich die Phase der Analogie (vgl. H. W. Frei, The Doctrine of Revelation in the Thought of Karl Barth, 1909 to 1932. The Nature of Barth‘s Break with Liberalism, New Haven 1956, 1– 6). Gegen Balthasar, Hans W. Frei sowie Thomas F. Torrance argumentiert McCormack, dass Barth stets ein dialektischer Theologie geblieben sei (vgl. B. L. McCormack, Theologische Dialektik und kritischer Realismus, 29. 40). Die Debatte zur Entwicklung Barths ist dabei mit dem ideologischen Streit um Barths ‚Neoorthodoxie‘ bzw. seine gegenwärtige Anschlussfähigkeit als dialektischer Theologe verquickt und hat somit ein doppeltes theologisches Erkenntnisinteresse (vgl. B. Dahlke, Die katholische Rezeption Karl Barths, 208 – 211).

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3 Die Unmöglichkeit und Fremdheit des Glaubens

ten Fragen zur Analogie bei Barth bilden den Hintergrund der Kapitel 3 und 4 und sollen exemplarisch aufgegriffen werden. Im Folgenden soll zuerst anhand von Barths Kontroverse mit Brunner geklärt werden, worin der historische Hintergrund für die Debatte um den „Anknüpfungspunkt“ besteht (3.1). Dem folgt eine systematische Differenzierung von Barths These, dass es für den Glauben keinen Anküpfungspunkt im Menschen gibt (3.2). Es wird anschließend gezeigt, dass der Glaube in der Folge auf einer dem Menschen zugesprochenen Möglichkeit beruhen muss, d. h. einem christologischen Anknüpfungspunkt (3.3).¹² Diese christologische Ermöglichung des Glaubens beschreibt Barth als „Neuschöpfung“, die als Abgrenzung gegen Brunners auf den ‚Urstand‘ rekurrierende Interpretation gelesen wird, dass Gott gleichsam den alten Menschen in seiner Gottebenbildlichkeit repariere (3.4– 3.5). Demnach geht Barth, wie die Argumentation in diesem Kapitel zeigt, die scheinbar paradoxe Verpflichtung ein, dass die Möglichkeit zum Glauben erst in der Wirklichkeit des Glaubens entsteht und der Glaube somit zu einem radikal neuen Anfangspunkt in der menschlichen Existenz wird.

3.1 Die Kritik am anthropologischen Anknüpfungspunkt 3.1.1 Der Kontext der Debatte um den Anknüpfungspunkt Die Diskussion um den „Anknüpfungspunkt“ innerhalb der dialektischen Theologie steht geschichtlich in der Nachfolge dessen, was Calvin als sensus divinitatis beschrieb, Schleiermacher eine „Anlage“ zur Religion nannte und Troeltsch als das „religiöse Apriori“ bezeichnete.¹³ Allerdings liegt der gravierende Unter-

 Insofern kann von einer dem Menschen ‚zukommenden‘ Möglichkeit gesprochen werden, ‚zukommend‘ in dem Sinne, dass sie je nur von Gott kommt und dem Menschen gerade nicht statisch zugeeignet wird.  J. Calvin, Unterricht in der christlichen Religion, Neukirchen-Vluyn 2012, II,5,19; F. D. E. Schleiermacher, Schriften aus der Berliner Zeit. 1796– 1799, KGA I 2, hg. v. G. Meckenstock, Berlin 1984, 122 u. 242; vgl. E. Troeltsch, Zur Frage des religiösen Apriori. Eine Erwiderung auf die Bemerkungen von Paul Spieß, in: E. Troeltsch, Zur religiösen Lage, Religionsphilosophie und Ethik, S. 754– 768 und E. Troeltsch, Psychologie und Erkenntnistheorie in der Religionswissenschaft. Eine Untersuchung über die Bedeutung der Kantischen Religionslehre für die heutige Religionswissenschaft. Vortrag gehalten auf dem International Congress of Arts and Sciences in St. Louis, Tübingen 1905. Ferner findet sich der Begriff des ‚religiösen Apriori‘ auch bei Rudolf Otto, siehe K. Bornhausen, Das religiöse Apriori bei Ernst Troeltsch und Rudolf Otto, in: Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, H. 139 (1910), S. 193 – 206; P. Schüz, Mysterium tremendum. Zum Verhältnis von Angst und Religion nach Rudolf Otto, Tübingen 2016. Zur Re-

3.1 Die Kritik am anthropologischen Anknüpfungspunkt

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schied zwischen dem religiösen Apriori der Theologie des 19. Jahrhunderts und der Diskussion um den Anknüpfungspunkt in der dialektischen Theologie in dem argumentativen Kontext, in dem diese Überlegungen entwickelt wurden. Troeltsch zum Beispiel kommt erst von der Religionsphilosophie und dem dort entwickelten Religionsbegriff zur spezifisch christlichen Dogmatik.¹⁴ Brunner hingegen entwickelt schon die Idee des Anknüpfungspunktes unter der notwendigen Vorgabe der Offenbarung Gottes in Christus und schließt somit bereits konzeptionell materialdogmatische Annahmen mit ein, wie die Bestimmung des Menschen als Sünder und die Angewiesenheit auf Gottes Gnade. Brunner sucht also kein menschliches Apriori der Religiosität zuerst gleichsam philosophischneutral zu beschreiben, um es erst nachträglich in einer konfessionell spezifischen Weise zu deuten.¹⁵ Dennoch stehen für Barth die genannten Ansätze des ‚Neuprotestantismus‘ im Hintergrund seiner Auseinandersetzung mit Brunner, dem er in seiner Schrift „Nein!“ vorwirft, dass er ihn von einem „Thomisten oder Neuprotestanten nicht mehr grundsätzlich zu unterscheiden weiß“.¹⁶ Eine differenzierte Unterscheidung zwischen Brunner und dem Neuprotestantismus bleibt seitens Barth aus und verstärkt noch seinen Bruch mit Brunner.¹⁷ So bezichtigt er Bultmann, Brunner und Gogarten schlicht einer „Rückkehr zu den Fleischtöpfen Ägyptens“:

zeption von Troeltsch und Schleiermacher in der dialektischen Theologie, siehe C. Gestrich, Neuzeitliches Denken und die Spaltung der dialektischen Theologie, 347. Eine Analyse der Entwicklung des Begriffs des religiösen Apriori bei Troeltsch in Bezug auf Schleiermacher entwickelt Korsch: D. Korsch, Religionsbegriff und Gottesglaube, 137– 153. Korsch stellt dabei heraus, dass die systematisch innovative Leistung des religiösen Apriori darin lag, die Religion als konstitutiv für das individuelle Personsein auszuweisen (vgl. ebd., 141).  Vgl. ebd., 141– 147.  Hierauf weist Gestrich m. E. zu Recht hin: C. Gestrich, Neuzeitliches Denken und die Spaltung der dialektischen Theologie, 347. Es wäre daher falsch, die Debatte zwischen Barth und Brunner als eine Kontroverse um die allgemeine Rolle der natürlichen Theologie zu verstehen. Beide positionierten sich als dialektische Theologen gegen neuprotestantische Entwürfe. Hierbei muss Brunner auch als Herausgeber der Zeitschrift „Zwischen den Zeiten“ betrachtet werden, der sich gegen einen „psychologisch-anthropologischen Ansatz“ in der Religionstheorie wendet und eine menschliche Gottesmächtigkeit verneint (vgl. E. Brunner, Die Grenzen der Humanität, in: Anfänge der dialektischen Theologie I, hg. v. J. Moltmann, München 1977, S. 259 – 279, 275). Gleichwohl können gewisse Merkmale der natürlichen Theologie auch bei Brunner nachgewiesen werden, siehe M. Hüttenhoff, Im Kampf gegen die Einheitsfront der natürlichen Theologie. Karl Barth und seine Gegner 1932 bis 1935, in: ZDTh 26.1, H. 53 (2010), S. 12– 44, bes. 27– 32.  K. Barth, Nein!, 27. Siehe auch Kap. 1.1.1 zu Barths Ablehnung des Neuprotestantismus.  Siehe auch G. Sauter, Theologisch miteinander streiten, 280 – 283.

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3 Die Unmöglichkeit und Fremdheit des Glaubens

„Ich meine damit: Sie sind, wenn mich nicht Alles täuscht, Alle miteinander dabei, den Glauben aufs neue – gewiss in einer sehr neuen und von der Theologie des 19. Jahrhunderts sehr verschiedenen Weise – als eine menschliche Möglichkeit oder, wenn Sie wollen als begründet in einer menschlichen Möglichkeit verstehen zu wollen“.¹⁸

Barth will den Glauben weder als „eine menschliche Möglichkeit“ verstehen noch ihn als eine Gabe Gottes beschreiben, die an einem menschlichen Vermögen anknüpfte und insofern „in einer menschlichen Möglichkeit [begründet]“ wäre. Jede Annäherung von Bultmann, Brunner oder Gogarten an diese Gedanken sei somit – entsprechend des sich nach Ägypten zurücksehnenden, murrenden Volkes Israels in der Wüste – eine Rückkehr zu den alten Wegen der Theologie des Neuprotestantismus, denen zu entsagen Barths dialektisch-theologisches Anliegen war.¹⁹ Das Auseinanderbrechen der anfänglichen Weggefährten der dialektischen Theologie im Jahre 1933 deutet sich hier 1930 schon an. Neben der genannten Abgrenzung gegen den Neuprotestantismus des 19. Jahrhunderts steht spätestens 1933/34 auch noch Barths politische Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Ideologie und ihrer theoretischen Rechtfertigung durch eine natürliche Theologie im Hintergrund seiner scharfen Kritik an Brunner.²⁰ Einen solchen, der Ideologie zuträglichen Gebrauch der natürlichen Theologie diagnostiziert Barth insbesondere bei Emanuel Hirsch,²¹ der bewusst gegen Barth den „Offenbarungs- und Gnadenbegriff aus bloßer christologischer Verengtheit“ befreien und die Offenbarung auf die „geschichtli-

 K. Barth, Barth an Bultmann. 5. Feb. 1930, 100 f. Siehe hierzu auch die Darstellung von van’t Slot, der Barth gemeinsam mit Bonhoeffer als Vertreter eines Aktualismus gegen Brunner und Bultmann als Vertreter eines Potentialitätsdenkens kontrastiert: E. van ’t Slot, Negativism of Revelation?, 7.  Vgl. K. Barth, Barth an Bultmann. 5. Feb. 1930, 101.  Sein scharfes „Nein“ gegenüber Brunner erklärt Barth retrospektiv so, dass die Schärfe im Kontext des Kirchenkampfes begründet lag. Inhaltlich distanziert er sich dadurch aber nicht von seiner damaligen Position: „Wie sollte ich übrigens bestreiten, dass ich selber im Alter auch viel komprehensiver geworden bin, als ich es früher war? Ein so scharfes ‚Nein‘ wie das, das ich – es ist nachträglich nur aus dem Kontext des deutschen Kirchenkampfs zu verstehen – 1934 Emil Brunner entgegengeschleudert habe, entsprach (von Allem anderen abgesehen) gewiss nicht der guten helvetischen Gepflogenheit.“ (K. Barth, Reformierte Theologie in der Schweiz, in: Ex auditu verbi, hg. v. R. Schippers, Kampen 1965, S. 27– 36, 33 f.).  Barth sah in Emanuel Hirsch „den maßgeblichen Gegner“ auf Seiten der Deutschen Christen (vgl. C. Gestrich, Neuzeitliches Denken und die Spaltung der dialektischen Theologie, 156). „Das Volkstum“ galt Hirsch „als die ursprüngliche Macht der Geschichte, als der echte Träger von Geist und Zucht und Leben, ja als die Bereitung zur Begegnung mit Gott“ (E. Hirsch, Die gegenwärtige geistige Lage im Spiegel philosophischer und theologischer Besinnung. Akademische Vorlesungen zum Verständnis des deutschen Jahrs 1933, Göttingen 1934, 117).

3.1 Die Kritik am anthropologischen Anknüpfungspunkt

103

che Stunde des deutschen Volkes“ ausweiten wollte.²² Aufgrund dieser Auseinandersetzung mit den Deutschen Christen wurde Barths harsche Kritik an der natürlichen Theologie und insbesondere an Brunner bisweilen so gedeutet, dass sie dem historischen Kontext geschuldet sei und später an Brisanz verloren habe.²³ In dieser Untersuchung wird dagegen argumentiert, dass trotz dieser kontextuellen Bezüge die Position Barths nicht allein auf ihre kirchenpolitische Motivation in den dreißiger Jahren reduziert werden sollte. Denn erstens zeigt sich sowohl in früheren²⁴ als auch in späteren²⁵ Schriften Barths seine Kontinuität in dieser Position. Zweitens geht es Barth zugleich um die unabhängige Sachfrage, wer das die Gotteserkenntnis begründende und ermöglichende Subjekt ist. Das zentrale Argument für die Ablehnung natürlicher Theologie folgt für Barth – wie dieses Kapitel zeigen soll – aus seiner Art der Bestimmung des Glaubensgegenstandes, den Barth konsequent jeglicher eigenmächtigen, menschlichen Ermächtigung und Möglichkeit entgegensetzt. So lässt sich Barths Kritik am Anknüpfungspunkt sachlich auch in den späten Bänden der KD nachweisen.²⁶

 Vgl. C. Gestrich, Neuzeitliches Denken und die Spaltung der dialektischen Theologie, 153. Gestrichs Diagnose lautet: „Hirsch wollte ihn [den Nazionalsozialismus] zum Träger einer geistig-religiösen Wiedergeburt des Deutschtums bestimmen.“ (ebd., 155).  Nach Marquardt war „Barths Total-Negation der natürlichen Theologie“ eine rein „polemische Aktion“, die als ein „Mittel der politischen Auseinandersetzung mit dem Narzismus“ diente, sodass Barth dem „Wahrheitsgehalt dieser Theologie“ später wieder zustimmen konnte (F.-W. Marquardt, Theologie und Sozialismus. Das Beispiel Karl Barths, München, Mainz 1972, 263 f.).  Hart arbeitet contra Marquardt heraus, dass Barths Abgrenzung gegen die natürliche Theologie Kontinuitäten bis zurück ins Jahr 1925 aufweist und somit nicht als allein politisch motiviert gedeutet und theologisch reduziert werden sollte (vgl. J. W. Hart, The Barth-Brunner Correspondence, in: For the Sake of the World, hg. v. G. Hunsinger, Grand Rapids, Mich 2004, S. 19 – 43, 41). Kreck widerspricht der Interpretation Marquardts als zu kurzschlüssig argumentierend, siehe W. Kreck, Grundentscheidungen in Karl Barths Dogmatik, 35 f.  Vgl. dazu Barths Ablehnung der analogia entis in KD III/2, wie unten dargestellt in Kap. 4.4.2.  Beispielsweise schreibt Barth in KD IV/1, dass Gott in der Versöhnung einen „völlig neuen Anfang“ (IV/1, 83) mit den Menschen aus seiner freien Gnade setzt. Die Versöhnung, als Gottes Entscheidung, den Bundesbrecher nicht mit dem Ausfall des Bundes zu bestrafen, ist „Gottes Grenzüberschreitung zum Menschen hin“ (IV/1, 86), die allein in dem Geheimnis seiner Gnade gründe. Einen ‚natürlichen‘ Grund für die Versöhnung oder einen Anknüpfungspunkt beim Menschen schließt Barth hier explizit aus (vgl. IV/1, 85.87).

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3 Die Unmöglichkeit und Fremdheit des Glaubens

3.1.2 Brunners Position zum Anknüpfungspunkt Brunner nennt dasjenige einen Anknüpfungspunkt, wodurch Gottes Wort bei den Menschen Eingang findet, also dasjenige, was Gläubigen und Nicht-Gläubigen gemeinsam ist, genauer: die menschliche Grundverfassung der „Wortmächtigkeit und Verantwortlichkeit[, …] die rein formale Ansprechbarkeit“.²⁷ Mit Blick auf Brunners Diskussion mit Barth sind folgende Aspekte der Hypothese eines Anknüpfungspunkts relevant:²⁸ 1. die Religion als ursprüngliches Gottesbewusstsein, 2. die natürliche, jedem Menschen zugängliche Gesetzeserkenntnis, 3. die darauf aufbauende eristische Theologie: 1) Ein positiver Anknüpfungspunkt ist nach Brunner in der Religion zu finden: „Die Religion ist – auch wenn sie wüstestes Heidentum ist – unverkennbares Merkmal der Gottbezogenheit des Menschen und zugleich notwendiger Anknüpfungspunkt für die wahre Gotteserkenntnis“.²⁹ Ein menschliches Suchen nach Gott, wie es sich in der Religion ausdrückt, sei das Vorverständnis, worauf die geistgewirkte Verkündigung aufbauen müsse. So konstatiert Brunner: „Einen Menschen, der nichts mehr von Gottesbewußtsein hätte, könnte das Wort Gottes nicht mehr erreichen.“³⁰ Somit gibt es bei jedem Menschen ein natürliches Gottesbewusstsein und dies ist für Gottes Offenbarungswirken auch notwendig. 2) Brunner betont bereits 1924 in einem Brief an Barth, dass zur Erkenntnis des Gesetzes keine Offenbarung erforderlich sei. Das Gesetz sei vielmehr „innata, rational“.³¹ Diese sich an Luthers usus elenchticus legis anschließende Auffassung Brunners ordnet die Sündenerkenntnis und Krisenerfahrung als Scheitern  E. Brunner, Natur und Gnade. Zum Gespräch mit Karl Barth, Zürich 1934, 18. Für eine Zusammenfassung des Motivs des Anknüpfungspunktes bei Brunner vgl. C. Gestrich, Neuzeitliches Denken und die Spaltung der dialektischen Theologie, 343 – 350.  Diese drei aufgezeigten Grundunterschiede zu Barth treten auch in Brunners Schrift „Natur und Gnade“ deutlich hervor, in der er sechs Vorwürfe gegen Barth formuliert: Barths Lehre führe (1) zu dem restlosen Verlust der imago Dei, während Brunner weiterhin von einer formalen imago Dei ausgeht, (2) zu der Ablehnung einer allgemeinen Offenbarung im Gesetz und somit (3) zu der Ablehnung von Schöpfungsgnade, (4) Erhaltungsordnungen, (5) der Ablehnung eines Anknüpfungspunktes und (6) zur Auffassung des Übergangs des alten zum neuen Menschen als Vernichtung und Ersetzung, statt als Vollendung, auf die Brunners Eristik zielt. Siehe E. Brunner, Natur und Gnade, 8 – 21; vgl. dazu auch F. Jehle, Emil Brunner. Theologe im 20. Jahrhundert, Zürich 2006, 304 f.  E. Brunner, Die Frage nach dem Anknüpfungspunkt als Problem der Theologie, in: ZZ 10 (1932), S. 505 – 532, 522.  E. Brunner, Natur und Gnade, 19.  E. Brunner, Emil Brunner an Karl Barth. vermutl. Aug. 1924, in: K. Barth; E. Brunner, Karl Barth – Emil Brunner Briefwechsel 1916 – 1966, S. 101– 105, 105. Vgl. auch B. L. McCormack, Theologische Dialektik und kritischer Realismus, 334 f.

3.1 Die Kritik am anthropologischen Anknüpfungspunkt

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am Gesetz dem Evangelium und der Christuserkenntnis vor. Daraus wird die folgende Heilsordnung abgeleitet, dass der Mensch erst an sich selbst verzweifeln müsse, um dann bereit zu sein, dass ihn das gute Wort der Gnade als Zuspruch treffe. Entsprechend schreibt Brunner: „Der Mensch muß an sich verzweifeln, um wirklich glauben zu können.“³² Diese von der Offenbarung Gottes unabhängige Gotteserkenntnis im Gesetz sieht Brunner nicht nur als rechte lutherische Lehre an, sondern meint, sie auch in Calvins Institutio wiederzufinden. Darum widerspricht er auch Barths Beschränkung des ‚Deus dixit‘ auf Jesus Christus als eine fatale Fehlentwicklung der reformierten Theologie.³³ Nach Brunner kommt jedem Menschen auch unter der Sünde schon die Erkenntnis des Gesetzes Gottes zu. Diese Gesetzeserkenntnis impliziert, dass ein Mensch, indem er den Anspruch des Gesetzes erkennt, auch von seiner Beziehung zu Gott erfährt.³⁴ Einzig die heilsame Beziehung mit Gott kommt erst durch die Offenbarung zustande. Die natürliche Erkenntnis der Gottesbezogenheit durch das Gesetz bereitet aber das Hören des Evangeliums vor und fungiert somit als Anknüpfungspunkt.³⁵ 3) Schließlich entwickelt Brunner in seinem Aufsatz „Die andere Aufgabe der Theologie“ (1929) den auf obigen Prämissen aufbauenden Ansatz, dass der Theologe neben der Dogmatik auch die Aufgabe der „Eristik“ zu erfüllen habe. Die Eristik könne den sündigen Menschen zu der Einsicht bringen, dass sein ganzes Leben in sich widersprüchlich ist und er selbst keine Fähigkeit hat, sich aus dieser Widersprüchlichkeit zu lösen. Daher sei es der Eristik möglich, den Menschen in eine Krise zu bringen und damit die „menschliche Frage nach Gott“ in ihm hervorzurufen.³⁶ Dieses Vorgehen sei möglich, da das Wissen des Glaubens

 E. Brunner, Die Frage nach dem Anknüpfungspunkt als Problem der Theologie, 518.  E. Brunner, Emil Brunner an Karl Barth. vermutl. Aug. 1924, 104. Vgl. B. L. McCormack, Theologische Dialektik und kritischer Realismus, 335.  Brunner kann hier eine gewisse Nähe zu Schleiermacher unterstellt werden: Seine Dissertation befasste sich mit Schleiermacher (E. Brunner, Das Symbolische in der religioesen Erkenntnis. Beiträge zu einer Theorie des religiösen Erkennens, 1914) und auch 1924 widmete er diesem ein weiteres Buch (E. Brunner, Die Mystik und das Wort. Der Gegensatz zwischen moderner Religionsauffassung und christlichem Glauben dargestellt an der Theologie Schleiermachers, Tübingen 1924). Gerade bezüglich von Brunners Glaubensverständnis identifiziert Gestrich eine gewisse Nähe zu Schleiermacher, denn auch Brunner betone ein natürliches Wissen um Gott im Selbstbewusstsein sowie die Kontinuität zwischen altem und neuem Menschen (C. Gestrich, Neuzeitliches Denken und die Spaltung der dialektischen Theologie, 350 f.).  Vgl. E. Brunner, Die Mystik und das Wort, 298.Vgl. B. L. McCormack, Theologische Dialektik und kritischer Realismus, 334.  E. Brunner, Die andere Aufgabe der Theologie, in: ZZ 7 (1929), S. 255 – 276, 262. Vgl. B. L. McCormack, Theologische Dialektik und kritischer Realismus, 339. Zur ausführlicheren Analyse

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um den Menschen zwar ‚mehr‘ weiß als die Vernunft, der menschlichen Erfahrung aber nicht prinzipiell widerspricht, sondern diese gerade anders zu deuten vermag.³⁷ Auch wenn Brunner ebenso versichert, dass der Glaube allein durch den Heiligen Geist gewirkt werde, liegt doch in dieser Betonung der ‚natürlichen Ansprechbarkeit‘ des Menschen als einer „Brück[e] zum Glauben“ ein gravierender Unterschied zu Barth.³⁸ Im Hintergrund dieser drei Aspekte des Anknüpfungspunktes steht Brunners Interesse an der missionarischen Verkündigung. Mitunter durch seine Kontakte mit der missionarisch-evangelistischen Oxford-Gruppenbewegung verbanden sich bei Brunner stets dogmatische und praktisch-theologische Überlegungen.³⁹ Die menschliche Verantwortlichkeit für den Glauben formulierte er daher als Paradoxie: „Wer nicht glaubt, der ist selbst schuld.Wer glaubt, der weiß: es ist reine Gnade.“⁴⁰ So könnte man urteilen, dass es Brunner vornehmlich um die Herangehensweise missionarischer Verkündigung ging, d. h. um die Frage, wie die Mission beim ungläubigen Menschen ansetzen kam.⁴¹ Barths Frage hingegen war weniger darauf gerichtet, wie das Wort Gottes den Menschen erreicht, als darauf, was es bedeutet, von Gott als freiem Herrn der Gnade zu sprechen. Auch wenn dieser Hinweis auf das unterschiedliche Erkenntnisinteresse Brunners und Barths einige Missverständnisse in der Kontroverse entschärfen kann, bleiben doch sachliche Differenzen. Die Interpretation des sola gratia als Gegenpart zu der von Brunner eingeforderten Verantwortlichkeit des Menschen stellt bei der Kontroverse zwischen Barth und Brunner einen der wesentlichen Streitpunkte dar, wenn es um die Rolle des menschlichen Subjekts im Erkenntnisvorgang und Glaubensakt geht. Barth schreibt Brunner trotz dessen Bekenntnis zum reformatorischen Gnadenverständnis ein gleichsam neutrales Bild vom Menschen zu, der sich frei für oder gegen Gott entscheiden könne (vgl. III/2, 156). Gegen diesen Vorwurf Barths muss eingewendet werden, dass auch

des apologetischen Konzepts Brunners siehe M. Roth, Gott im Widerspruch? Möglichkeiten und Grenzen der theologischen Apologetik, Berlin, New York 2002, 463 – 547.  Vgl. ebd., 508 f.  E. Brunner, Die andere Aufgabe der Theologie, 275. Vgl. B. L. McCormack, Theologische Dialektik und kritischer Realismus, 341.  Vgl. F. Jehle, Emil Brunner, 296. Dass Brunner den Anknüpfungspunkt im Kontext seiner praktisch-theologischen Überlegungen lokalisiert, wird daran deutlich, dass er sagt: „darum vollzieht sich der Akt der Anknüpfung des Predigers oder Seelsorgers im Aufsuchen des Punktes, wo der Hörer im Sinn der Verantwortlichkeit oder gewissenmäßig ‚anzutreffen’ ist“ (E. Brunner, Der Mensch im Widerspruch. Die christliche Lehre vom wahren und vom wirklichen Menschen, Berlin 1937, 551). Siehe auch: M. Roth, Gott im Widerspruch?, 509 – 515.  E. Brunner, Natur und Gnade, 184.  Dieser Unterschied wird u. a. von Jehle betont, vgl. F. Jehle, Emil Brunner, 306.

3.1 Die Kritik am anthropologischen Anknüpfungspunkt

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Brunner für einen theologischen Ansatz steht, der essenziell auf Gottes Wirken des menschlichen Glaubens und seiner Selbstoffenbarung aufbaut,⁴² doch nur für Barth folgt aus diesem Ansatz weiter, dass kein Mensch durch einen positiven oder negativen Anknüpfungspunkt irgendwie dafür ‚geeigneter‘ sei, dass ihn das Wort Gottes trifft.⁴³ Im Folgenden soll es aber nicht um eine Bewertung der Position Brunners oder seiner Kontroverse mit Barth gehen,⁴⁴ sondern vielmehr darum, vor dem  Zur Bedeutung der Offenbarung in Brunners Theologie siehe M. Roth, Gott im Widerspruch?, 464 f.  Die Forschung scheidet sich an der Bewertung dieser Kontroverse. Nach John Hart werde die Rettung bei Barth allein durch Gottes Gnade herbeigeführt, während bei Brunner die zur Rettung führende Krise durch die menschliche Sünde verursacht sei und der Mensch somit mitverantwortlich dafür wäre, diese Krise zu erkennen (vgl. J.W. Hart, The Barth-Brunner Correspondence, 41). Somit würde Barth sich von Brunner und fast allen anderen Theologen darin unterscheiden, dass er „a dialectical, actualist, and christocentric radicalizing of the Reformation solas“ betreibe (ebd., 43). Damit spricht Hart zwar nicht direkt von Werkgerechtigkeit bei Brunner, doch scheint er allein Barth dieses radikale Verständnis des sola gratia zuzubilligen. Demgegenüber zeigt Gestrich, dass es auch für Brunner nicht strittig war, ob, sondern nur wie das sola gratia gelten müsse. Das gesamte Ringen um die natürliche Theologie zwischen Barth und Brunner könne vielmehr „als ein Streit darüber verstanden werden, wie in der Gegenwart reformatorisches Gnadenverständnis stringent zu explizieren sei“ (C. Gestrich, Neuzeitliches Denken und die Spaltung der dialektischen Theologie, 176). Zwar stelle Barth Brunner unter den Verdacht des Pelagianismus, doch hatte Brunner, zusammen mit Bultmann und Gogarten, die Absicht, die durch Entfremdung von den Begriffen der Sünde und Gnade geprägte neuzeitliche Gegenwart „für die evangelische Gnadenlehre wiederzugewinnen“ (ebd., 177). Nach Gestrich versuchte Brunner schlicht, von der Offenbarung ausgehend Sünde und Gnade als menschliche Grundbestimmungen zu entwickeln (vgl. ebd., 179). In der eingehenderen Analyse zeige sich daher, dass Brunner nie ein Vertreter der natürlichen Theologie war, die Barth zurückwies und ihm vorwarf. Vielmehr wendeten sich beide gegen eine natürliche Theologie als menschliche Selbstbehauptung und selbstmächtiges Eindringen in die Offenbarung (vgl. ebd., 179. 181). Gestrich kommt so zu dem Urteil, dass die beiden zwei unterschiedliche Wege gewählt haben, die Theologie dem säkularen Menschen zu verkündigen (vgl. ebd., 173 – 181). Die Betonung des sola gratia bei Barth darf, darin schließe ich mich Gestrich an, nicht zu dem Umkehrschluss führen, dass Brunner eine Werkgerechtigkeit oder traditionelle natürliche Theologie vertrete. Brunners Insistieren, dass es „keine losgelöst von der Gottesbeziehung zu verstehende Menschennatur“ gibt, ist ernst zu nehmen (E. Brunner, Der Mensch im Widerspruch, 113). Sein Vermittlungsansatz basiert daher auf der Annahme der ermöglichenden Gnade Gottes. Es kann aber auch festgehalten werden, dass Barth das sola gratia in einer Weise expliziert, bei der er auch die Mittel der theologischen Verkündigung und der Aneignung des Glaubens strikt gnadentheologisch entfaltet und – wie in der analogia fidei zum Ausdruck kommt – stets an Gottes Wirken zurückbindet (s.u. 3.3.1).  Eine ausführlichere Erläuterung und Bewertung der Barth-Brunner-Kontroverse findet sich u. a. bei: C. Gestrich, Neuzeitliches Denken und die Spaltung der dialektischen Theologie; J. W. Hart, The Barth-Brunner Correspondence; F. Jehle, Emil Brunner.

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eben skizzierten Hintergrund Barths theologische Position zu profilieren. Besonders deutlich treten die Abgrenzungen Barths in seinem Abschiedsartikel von „Zwischen den Zeiten“ (1933) und seiner polemischen Schrift „Nein! Antwort an Emil Brunner“ (1934) zutage.⁴⁵ Doch auch schon in Barths Verneinung eines menschlichen Anknüpfungspunktes in KD I/1 (1932) zeichnet sich seine Position deutlich ab.⁴⁶ In den nächsten beiden Abschnitten wird primär anhand der Stellen in der KD geklärt werden, was es für Barth heißt, dass die menschliche Natur keinen „positiven oder wenigstens einen negativen Anknüpfungspunkt für das Wort Gottes“ bilden kann (I/1, 249). Zuerst wird auf Barths Verneinung eines positiven Anknüpfungspunktes eingegangen (3.2.1), wobei sich Barth gegen eine Vorbereitung des Glaubens im religiösen Streben des Menschen und die Eristik Brunners wendet. Anschließend (3.2.2) ist Barths Verneinung eines negativen Anknüpfungspunktes darzustellen, womit er sich gegen die Möglichkeit einer natürlichen Gesetzeserkenntnis abgrenzt.

 Diese zwei Artikel spiegeln die Position Barths in den frühen dreißiger Jahren wieder (siehe M. Beintker, Barths Abschied von ‚Zwischen den Zeiten‘. Recherchen und Beobachtungen zum Ende einer Zeitschrift, in: M. Beintker, Krisis und Gnade, S. 86 – 107). Es wird in der Forschung diskutiert, inwiefern Barth seine Meinung später ab KD III geändert hat. Die Entwicklungen der Anthropologie Barths vom Römerbriefkommentar bis zur KD skizziert Ebneter (siehe A. Ebneter, Der Mensch in der Theologie Karl Barths, Zürich 1952, 5 – 10). Wingren vertritt dagegen die These, dass Barths Ablehung jeglicher menschlicher Möglichkeit zur Gotteserkenntnis „eine außerordentlich wichtige anthropologische Voraussetzung“ bleibt und sich nicht wesentlich verändert (G. Wingren, Die Methodenfrage der Theologie, 55).  Barth widmet sich dem Thema des Anknüpfungspunktes auch in KD I/2 (1937) und dem Thema der menschlichen Fähigkeit zur Gotteserkenntnis ausführlich in KD II/1 (1940), wo er sowohl die Bereitschaft Gottes als auch die Bereitschaft des Menschen zur Gotteserkenntnis behandelt und die menschliche Bereitschaft als eine in der göttlichen Bereitschaft eingeschlossene und somit geschenkte skizziert. Ferner gebraucht Barth den Begriff des Anknüpfungspunkts in der Bestimmung des Geschöpfes in KD III/2 (siehe III/1 § 40 Exkurs zur Areopagrede; III/2 § 44, 160; III/2 § 46, 446) und schließlich auch in der Christologie in KD IV/1– 3 (siehe IV/1 § 58, 87; IV/2 § 64, 48; IV/3 § 71, 567). Barths späterer und seltener Gebrauch des Begriffs „Anknüpfungspunkt“ in KD III und IV steht in einem anderen Fragehorizont und ist nicht mehr explizit von der Brunner-Abgrenzung geprägt, sodass diese Stellen hier nicht berücksichtigt werden.

3.2 Barths Stellungnahme gegen eine ‚menschliche Möglichkeit‘

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3.2 Barths Stellungnahme gegen eine ‚menschliche Möglichkeit‘ 3.2.1 Kritik des positiven Anknüpfungspunkts Für Barth können weder die menschliche Religiosität, die Sinnsuche des Menschen noch sein Gottesbewusstsein als Grundlage und Anknüpfungspunkt für Gottes Wirken dienen. Alles, was Barth dem Menschen an Suche und Sehnsucht nach Gnade zugesteht, bleibt, solange der Mensch dabei selbst Akteur ist, innerhalb des Bereichs menschlicher Selbsttätigkeit und damit Teil der Sünde (vgl. II/1, 146 – 149). Auch unter größter Anstrengung komme der Mensch selbst höchstens zu einer Projektion Gottes im eigenen Bewusstsein, d. h. zu einem „Götzen“ (vgl. II/1, 160).⁴⁷ Damit kreist die menschliche Gottesfrage je nur innerhalb menschlicher Möglichkeiten und Vorstellungen und taugt nicht als Mittel, um Gott zu begegnen. Dabei nimmt Barth Feuerbachs Projektionsthese auf, um diesen Vorbehalt mit der Selbstoffenbarung Gottes zu überwinden. Die Frage nach dem wahren Gott ist also niemals eine bloße Regung der menschlichen Existenz – als solche ist sie für Barth nur eine Projektion, sondern sie wird erst durch die göttliche Ansprache geweckt.⁴⁸ Die Theologie setzt demzufolge nicht streitend an dem Suchen und Fragen des Ungläubigen an, sondern sieht den Menschen so, wie Gott ihn in Christus schon sieht.⁴⁹ Damit erklärt Barth auch Brunners Eristik für undurchführbar, da diese dem Menschen eine „natürliche ‚Frage nach Gott‘“ zuschreibt, an der die Theologie anknüpfen und so das natürliche Suchen des Menschen erfüllen soll (I/1, 26).⁵⁰ Die Brunnersche Aufteilung in separate Zuständigkeiten des Geistes und der menschlichen Theologie ist somit nach Barth nicht durchführbar. Zwar scheint es für die Missionsbemühungen der Theologie attraktiv, eine präludierende natürliche Theologie und Anknüpfung an menschliche, existenzielle Fragen zu nutzen,

 Er kommt also auch nicht von der Frage nach Gott zum wahren Gott als der Antwort auf diese Frage. Dieses Modell der Korrelation von Frage und Antwort, wie Tillich es 1951 weiterentwickelt hat (vgl. P. Tillich, Systematische Theologie, Stuttgart 1956, 74 f.), muss nach Barth scheitern, da Gott auch die rechte Frage nach ihm begründen muss.  Vgl. B. L. McCormack, Theologische Dialektik und kritischer Realismus, 341.  Dem entspricht auch Barths Kritik an theologischen Ansätzen, die ihre „Verkündigung auf die religiösen Bedürfnisse der Hörerschaft“ ausrichten (M. Beintker, Karl Barth. Eine Einführung, 251).  Vgl. dazu auch E. Brunner, Die andere Aufgabe der Theologie. Mit Brunners „Der Mensch im Widerspruch“ hat sich Barth auch in einem unveröffentlichten Abschnitt zu § 43 über den Humor auseinandergesetzt (siehe K. Barth, Humor, in: K. Barth, Unveröffentlichte Texte zur Kirchlichen Dogmatik, S. 631– 640).

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um den Weg zum Glauben vorzubereiten, aber der Glaube entsteht nach Barth nicht aus vernünftiger Vorbereitung, sondern vielmehr, weil Gott zum Menschen gekommen ist (vgl. II/1, 100). Dementsprechend müssen der ‚Glaube durch Gottes Wirken‘ und ‚selbstzentriertes, ungläubiges Fragen‘ als zwei sich gegenseitig ausschließende Standpunkte gedacht werden. Der ungläubige, fragende Mensch wird vielmehr dann als solcher ernst genommen, wenn man ihn in seiner Selbstständigkeit nicht bestätigt (II/1, 186), und eine solidarische Verkündigung besteht dann nicht im sich Einlassen auf den menschlichen Unglauben und die natürliche Theologie, sondern gerade in einer Gott bezeugenden Verkündigung, die die natürliche Theologie ignoriert (vgl. II/1, 193). Daher fordert Barth weiter, dass die Verkündigung den Menschen schon als neuen Menschen in Christus anspricht und keine Mühe darauf verwendet, eine Brücke zum Unglauben zu schlagen.⁵¹ Barth betont dabei – noch ganz im Sinne Brunners –, dass die Theologie „apologetisch-polemisch zu reden hat“, da sie „im Gegensatz des Glaubens zum Unglauben“ (I/1, 28 f.) steht, aber ihr Mittel ist ein anderes, denn wirksame Apologetik findet dann statt, „wenn Gott selbst sich zum Zeugnis des Glaubens“ bekennt (I/1, 29). Damit soll der Christ also mit dem Nicht-Christen nicht auf dessen Ebene reden, sondern vielmehr von Gott Zeugnis geben und hoffen, dass Gott sich dem Nicht-Christen zeigt und das Ereignis des Glaubens begründet.

3.2.2 Kritik des negativen Anknüpfungspunkts Barth schließt auch „einen negativen Anknüpfungspunkt“ (I/1, 249) für Gottes Gnade aus und wendet sich damit insofern wieder gegen Brunner, indem er dessen Annahme zurückweist, dass sich ein Mensch zumindest seiner ausweglosen Lage als Sünder bewusst werden könne. Barth kritisiert an dieser Vorstellung eines negativen Anknüpfungspunktes, dass dann „wenigstens die Möglichkeit, ein böses Gewissen zu haben“ vorausgesetzt wäre (I/2, 287), sodass dem Menschen doch wieder ein gewisses Vermögen gegenüber Gott eingeräumt würde: „Es trete also die Offenbarung, wenigstens sofern sie Zornes- und Gerichtsoffenbarung ist (aber indirekt dann auch als Offenbarung der Gnade und des Heils) unter Inanspruchnahme einer uns schon zuvor eigenen Möglichkeit, unter Inanspruchnahme dessen, was der Mensch von sich aus über sich selbst wissen kann, in dessen Leben hinein. Durch Gottes Wort würde

 An „dieser seiner wahren Existenz“ in Jesus Christus soll die Verkündigung ansetzen (II/1, 188). In Kap. 4.2 wird gezeigt, dass diese „wahre Existenz“ des Menschen auch schon dem NichtGläubigen gilt.

3.2 Barths Stellungnahme gegen eine ‚menschliche Möglichkeit‘

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dann dem Menschen nur das ausgeredet, daß er zum Empfang der Offenbarung irgendwelche positive Möglichkeiten habe, während er sich gleichzeitig sehr wohl den Besitz einer großen negativen Möglichkeit einreden dürfte und sogar müßte.“ (I/2, 287)

Der negative Anknüpfungspunkt wäre demnach die Möglichkeit, sich selbst in seiner Erlösungsbedürftigkeit zu erkennen. Der Mensch könnte dann ebenfalls feststellen, dass er unter Gottes Zorn steht. Das Gesetz wäre einem Menschen somit aus der geschöpflichen Ordnung und im Gewissen zugänglich. Nach Barth folgt die Gesetzeserkenntnis jedoch erst aus der Offenbarungserkenntnis und auch die Buße als menschliche Tat ist gottgegeben: „Gerade die echte Buße wird nicht anders reden, wird sich selber und also die subjektive Möglichkeit der Offenbarung auch von dieser, der negativen Seite, als göttliche und nicht als menschliche Möglichkeit verstehen.“ (I/2, 285)

Damit ist die Gesetzeserkenntnis und die daraus resultierende Buße bei Barth nicht der Vorläufer des Glaubens, sondern selbst schon Teil dessen, was dem Menschen unter Gottes Offenbarung widerfährt. So ist es „Gottes und nicht des Menschen Werk […], wenn der Mensch in die christliche Buße und Demut geführt wird“ (I/2, 285). Zwar bedarf es in der Buße auch der Selbsterkenntnis, aber diese ist kein Vorläufer der Gotteserkenntnis, sondern wird „vor dem Angesichte Gottes“ erlangt (I/2, 286):⁵² „Mag also unsere Gotteserkenntnis noch so bedingt sein durch eine entsprechende Selbsterkenntnis, so gebührt doch in diesem gegenseitigen Bedingungsverhältnis der Gotteserkenntnis entschieden der Vorrang.“ (I/2, 287) Damit gesteht Barth dem Menschen zwar die Erkenntnis der eigenen Erlösungsbedürftigkeit durchaus zu, aber nur in ihrer Nachordnung gegenüber Gottes Offenbarung. Gesetzeserkenntnis und Buße sind Folgen des von Gott „neu gesetzte[n], nicht in der Natur des Menschen schon vorhandene[n] ‚Anknüpfungspunkte[s]‘“ (I/2, 289). Dem Glauben kann gerade die Einsicht in die Sünde nicht als negativer Anknüpfungspunkt vorgeordnet werden, sondern auch diese Einsicht wird erst durch den Glauben ermöglicht.⁵³

 Hierbei setzt sich Barth auch mit Calvins cognitio-Begriff in der Institutio auseinander. Barth zufolge bedarf es zwar bei Calvin der cognitio sui als Anlass und Anleitung zum Finden Gottes, aber es komme auch bei Calvin erst in der Gottesbegegnung, der cognitio Dei, zur vollständigen Selbsterkenntnis. Die Buße, so Barth, komme daher auch bei Calvin erst aus dem Glauben (I/2, 287 in Bezug auf J. Calvin, Unterricht in der christlichen Religion, III, 3,1).  Die Bibelstelle Rö 1,18 ff. wird in diesem Zusammenhang häufig herangezogen, um eine vom Evangelium unabhängige Gesetzeserkenntnis aller Menschen zu belegen. Diese Perikope stützt bei vielen Auslegern zudem eine natürliche Theologie, insofern Gott allen, d. h. auch den Heiden, aus der Schöpfung offenbar sei und somit eine grundsätzliche menschliche Fähigkeit zur Er-

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Damit lockert Barth nicht den „Zusammenhang zwischen Gottes Offenbarung und der Aufdeckung der radikalen Erlösungsbedürftigkeit des Menschen“ (I/2, 287), er unterscheidet vielmehr zwischen einer Krise der menschlichen Existenz und der Erkenntnis der eigenen Erlösungsbedürftigkeit, sodass eine menschlich zugängliche „negative Bestimmung unserer Existenz“, d. h. die Erfahrung einer Lebenskrise und des Existenzwiderspruchs im eigenen Leben, nicht gleichzusetzen ist mit „der heilsamen Aufdeckung unserer radikalen Erlösungsbedürftigkeit“ (I/2, 288). Weder geht für Barth das allgemein zugängliche Phänomen existenzieller Verzweiflung immer mit der Erkenntnis der Erlösungsbedürftigkeit einher, noch bedarf jede Einsicht in die Erlösungsbedürftigkeit eine vorausgehende „Katastrophe unserer Existenz“ (I/2, 288). Zwar führt die Erkenntnis Christi zur Einsicht der eigenen Erlösungsbedürftigkeit, aber Barth verneint, dass nur derjenige zum Glauben kommen kann, der durch Krise und Bußkampf dazu vorbereitet wurde. Christliche Verkündigung richtet sich daher weder nur an die existenziell Geplagten noch appelliert sie an die menschlichen Defizite, um den Menschen für die Erlösung vorzubereiten. Gottes Offenbarung braucht auch keinen solchen negativen Anknüpfungspunkt.

3.2.3 Gotteserkenntnis ist allein von Gott her möglich Die Konzentration auf Gottes wirkmächtige Offenbarung und die entsprechende Zurückweisung der menschlichen Möglichkeit zum Glauben begründet Barth nicht nur ausgehend von seiner Kritik an einem menschlichen Anknüpfungspunkt. Barths Gotteslehre zufolge begründet auch die göttliche Eigenschaft der incomprehensibilitas, dass Gott für uns nicht zu erfassen und der Mensch nicht mächtig ist, ihn zu erkennen (vgl. II/1, 208 – 212). Die menschliche Gotteserkenntnis speist sich allein aus Gottes Offenbarung (vgl. II/1, 220), weil Gott nur erkennbar ist, wenn er sich – seiner prinzipiellen und wesenseigenen Verbor-

kenntnis Gottes angenommen wird. Barth, der seine Dogmatik anhand des Schriftzeugnisses entwickelt und sich somit an der Schrift messen lassen will, setzt sich in der KD mehrfach mit dieser Passage auseinander (vgl. KD I/2, 332 f.; KD II/1, 131– 133 u.ö.). In Auseinandersetzung mit dem Kontext des Abschnitts kommt er dabei zu dem Ergebnis, dass zwar alle Menschen Sünder sind, diese Erkenntnis sei jedoch selbst schon eine durch Jesus Christus vermittelte Erkenntnis. Damit zeigt Barth in seiner Auslegung von Rö 1,18 ff., dass seine Ablehung eines negativen Anknüpfungspunktes nicht die universale Schuld der Menschen verneint, aber das Ansprechen der Menschen auf ihre Schuld geschehe schon im Rahmen der Offenbarung Christi und nicht außerhalb ihrer und ihr vorgeordnet (vgl. II/1, 133).

3.2 Barths Stellungnahme gegen eine ‚menschliche Möglichkeit‘

113

genheit zum Trotz – zeigt. Daher wird Gott allein dann erkannt, wenn er sich dem Menschen von selbst zeigt.⁵⁴ Dieses Sichzeigen Gottes geschieht aus Gnade: „Es ist der Stand der Gnade. Erkenntnis Gottes als Erkenntnis des Glaubens geschieht in diesem Stande oder sie geschieht gar nicht. […] Nur indem Gott sich selbst setzt als Gegenstand, ist der Mensch gesetzt als Erkennender Gottes.“ (II/1, 21 f.) Urheber jedes Gottesverhältnisses ist somit allein Gott.⁵⁵ Barth verdeutlicht diesen Grundgedanken am Begriff der Gnade, denn er „schließt in sich, daß wir es nicht von uns aus schaffen können, geschafft haben und schaffen werden […], daß wir es nicht verdient haben […], daß wir keine Verfügung und kein Anrecht auf ihn [Gott] haben, daß er aber in ungeschuldeter Güte, in der Freiheit seiner Majestät von sich aus des Menschen Gott, unser Gott sein wollte.“⁵⁶

Aus dem Gedanken der freien Gnade Gottes folgt für Barth: Würde der Mensch die Gnade des göttlichen Übergriffs wollen müssen, wäre sie ihm Gesetz. Doch würde

 Inhaltlich entsprechen dieser frühen Position Barths auch seine Aussagen in KD IV/1, in denen Barth die Ermöglichung des Glaubens allein durch den Glaubensgegenstand näher ausführt: „Aber gerade selbstfabrizierter Glaube ist doch nur die letzte Spitze des Unglaubens. Mit all dem, was der Mensch auf dieser Linie tun wollen könnte, käme er dem Glauben nicht nur nicht näher, würde er ihm vielmehr erst recht den Rücken kehren, […] weil es sich in der Beziehung zu dieser Person nicht darum handelt, sich selbst etwas vorzusagen und vorzumachen, sondern darum, ihr Folge zu leisten, ihre Entscheidung nachzuvollziehen.“ (IV/1, 832 f.) Indem Barth den Glauben als einzigartige Beziehung zu der Person Jesus Christus charakterisiert, setzt er ihn aller außerhalb dieser Beziehung stehender Selbstätigkeit entgegen. Vgl. zu diesem Abschnitt auch mein Artikel veröffentlicht als J. Klein, Offenbarung, Erkenntnis und Glaube. Eine Analyse in Rekurs auf Karl Barth, in: Ichthys 30, H. 1 (2014), S. 15 – 22, 18 – 21.  Damit folgt Barth nach Heppe dem klassischen reformierten Gedanken, dass „die Wirksamkeit, welche der heil. Geist in derselben [Bekehrung] ausübt, keine eigentlich natürliche, keine bloß moralische oder mittelbare [ist …], sondern zugleich und vor allem eine unmittelbare, übernatürliche, in welcher der heil. Geist sich zwar des Wortes als seines Mittels bedient, aber in einer von der natürlichen Wirksamkeit des Wortes durchaus unabhängigen Weise auf das Denken, Wollen und Leben des Menschen wesentlich und (finaliter) unwiderstehlich einwirkt.“ (H. Heppe, Die Dogmatik der evangelisch-reformierten Kirche, 408). Die hier in den Vordergrund tretende „Souveränität Gottes als Hintergrund der gesamten theologischen Arbeit Karl Barths“ wird auch von Lohmann herausgearbeitet (J. Friedrich Lohmann, Karl Barth und der Neukantianismus, 369), der darin den „Realgrund“ für Barths Rekurs und Nutzbarmachung des Marburger Neukantianismus sieht (ebd., 367). Dabei übernehme Barth die neukantianische Unterscheidung zwischen subjekt- und objektgegründeter Erkenntnis u. a. von Cohen, Natorp und Heinrich Barth und gründet die Gotteserkenntnis allein in Gott (vgl. ebd., 377).  K. Barth, Dogmatik im Grundriß, 19.

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3 Die Unmöglichkeit und Fremdheit des Glaubens

er sie (frei) wollen können, wäre sie sein Besitz. Beides, Gesetz und Besitz, widersprechen dem Begriff der Gnade (vgl. II/1, 145).⁵⁷ Durchgängig bleibt die Erkenntnis Gottes also Gnade, da sie dem Menschen unverfügbar ist. Im nächsten Abschnitt ist zu analysieren, wie Barth zufolge die Gnade Gottes einen Menschen zur Gotteserkenntnis bereit macht, wenn sie nicht an seinen bereits vorhandenen, geschaffenen Anlagen anknüpft.

3.3 Barths Begründung der Glaubensmöglichkeit Wie kommt der Mensch zu seinem Glauben, wenn es in seiner Natur keinen Anknüpfungspunkt für den Glauben und auch bei dessen Verleihung aus Gnade keine ihm eigene Möglichkeit gibt, das Verliehene von sich aus anzunehmen? Nach Barth erscheint der Glaube wie ein geschlossener Kreis, zu dem der Mensch keinen Zugang hat.Wenn Barth aber fragt, „wie es wirklich und wie es möglich ist, daß Gott in seiner Offenbarung zum Menschen komme“ (I/2, 305), gibt er folgende Antwort: „daß beides: die Wirklichkeit und die Möglichkeit dieses Geschehens, Gottes, im besonderen des Heiligen Geistes, eigenes und alleiniges Sein und Handeln ist. Die Wirklichkeit und die Möglichkeit!“ (I/2, 305)

Damit schreibt Barth dem Menschen durchaus die Möglichkeit und Fähigkeit zu, Gott zu erkennen und an ihn zu glauben, aber eben nicht als eigene Möglichkeit, sondern als eine dem Menschen erst in der Gottesbegegnung zukommende Möglichkeit: „In seiner [des Wortes Gottes; J. S.] Wirklichkeit haben wir auch unsere  Neben den Begriffen von Gesetz und Gnade stützt sich Barths Argumentation auch auf den Sündenbegriff: Der Mensch müsste, wenn er selbst an der Weckung zum Glauben tätig beteiligt wäre, die ihn treffende Gnade wegen seiner sündigen Eigenmächtigkeit ablehnen, da sie ihn in seiner Selbstheit aufheben und verneinen würde (vgl. II/1, 162). Eine Bereitschaft zur Gnade käme für den selbstverkrümmten Sünder einem Suizid gleich, denn im Gegensatz zu Brunner behauptet Barth, dass der Sünder nicht unter dem Widerspruch seiner Existenz zu Gott leidet, der Sünder erträgt „diese [seine] Wirklichkeit viel lieber und viel leichter als die Gnade Gottes“ (II/1, 148), die ihn vor die Nichtigkeit und Sündhaftigkeit seiner gegenwärtigen Existenz bringen würde. Ergänzend zu dem Gedanken, dass der sündige Mensch die Gnade nicht annehmen kann, führt Barth aus, dass die Offenbarung nicht absolut gedacht würde, wenn sie an eine Möglichkeit des Menschen geknüpft wäre und damit auch der „Kompetenz seines Selbstbewusstseins“ (II/1, 154) unterläge, nämlich der menschlichen Wahl. Aus diesem Grund bewertet Barth erneut die ‚christliche natürliche Theologie‘ als Zeichen des Widerstandes des Menschen gegen Gott (vgl. II/1, 153); da sie die Offenbarung „domestiziert“ (II/1, 156).

3.3 Barths Begründung der Glaubensmöglichkeit

115

Möglichkeit“ (I/1, 249). Das heißt, dass Gott sich dem Menschen in seiner Offenbarung nicht einfach nur zeigt, er verleiht dem Menschen in eins damit auch die Fähigkeit und den Willen, ihn zu erkennen. Im Paragraphen zum Glauben, IV/1, § 63, beschreibt Barth diesen Sachverhalt folgendermaßen: Der Glaube ist nach Barth nicht nur auf Christus „bezogen“, sondern „auch in ihm begründet“ (IV/1, 832): „Er ist auch das Werk Jesu Christi, der sein Gegenstand ist.“ (IV/1, 832) Das Vermögen, an Gott zu glauben, wird damit nicht im Menschen lokalisiert, sondern im Glaubensgegenstand: „Nicht er [der Mensch] ist mächtig, indem er glaubt, sondern es ist der, an den er glaubt, der sich indem der Mensch das tut, als mächtig über ihn erweist: mächtig“ (IV/1, 836).⁵⁸ Damit gründet der menschliche Glaube in der freien, gnädigen Zuwendung Gottes. Glaube wird erst durch die Begegnung mit seinem Gegenstand ermöglicht: „Es ist darum so wichtig, das ausdrücklich und aller üblen Orthodoxie gegenüber in aller Schärfe festzustellen, weil es sich an diesem Punkt entscheidet, ob der Glaube dahin recht verstanden wird: daß er wohl das Werk menschlicher Einsicht, menschlichen Entschlusses und menschlicher Tat, als solches menschliches Werk aber nur unmittelbar in der Begegnung mit seinem Gegenstand, nur als Gabe des Heiligen Geistes Jesu Christi selbst, nur als das Werk des Ihm verpflichteten Gehorsams und der von Ihm dazu geschenkten Freiheit der wirkliche christliche Glaube ist.“ (IV/1, 850, Herv. J. S.)

Demnach ist der Glaube zwar menschlicher Glaube, besteht aber nur als Gabe des Geistes und Geschenk der Freiheit, d. h. in der ‚unmittelbaren Gegenstandsbegegnung‘. So kommt es im Glauben zur „Konstituierung des christlichen Subjektes“, denn der Glaube ist ein Tun, in dem ein „neues, besonderes Sein des Menschen anhebt und Ereignis wird“ (IV/1, 837). Das Glaubenssubjekt wird also in Beziehung mit dem Glaubensgegenstand so neu geschaffen, dass es ein durch den Gegenstand auf ihn bezogenes und an ihn glaubendes Subjekt ist. Barth unterscheidet demnach zwei Bedeutungen für den Möglichkeitsbegriff: Einerseits gibt es die „Möglichkeit auf seiten des Menschen“ (I/1, 201), die ihm von Natur aus gehört, und andererseits gibt es die Möglichkeit, die Gott im Ereignis „verleiht“ (I/1, 201) und die nur als faktisch ermöglichte Möglichkeit, d. h. erst innerhalb der Wirklichkeit des Wortes Gottes, besteht (vgl. I/1, 202) – als eine solche Möglichkeit denkt Barth den Glauben. So sind die Modalitäten Möglichkeit und Wirklichkeit bei Barth unhintergehbar theologisch qualifizierte Begriffe. Dies erlaubt es ihm, die logische Vorordnung der Potenz vor den Akt umzukehren,  Barth führt an dieser Stelle weiter aus, dass die Möglichkeit und Notwendigkeit zum Glauben weder im Menschen noch im Glauben selbst liegt. „Es ist der Gegenstand des Glaubens, der sie in sich hat. Und es ist dieser Gegenstand, der sich dem Menschen in seiner Notwendigkeit aufdrängt und eben damit seinen Glauben begründet.“ (IV/1, 834 f.).

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3 Die Unmöglichkeit und Fremdheit des Glaubens

um stattdessen erst aus der Wirklichkeit der göttlichen Offenbarung die Möglichkeit ihrer Erkenntnis zu erschließen. Eine ‚Möglichkeit‘ zum Glauben ist bei Barth daher nicht als ein zur Aktualisierung bereites Vermögen, als Wahlmöglichkeit oder menschlicherseits gegebene Ermöglichungsbedingung zu verstehen, sondern allein im Sinne der Ermöglichung durch Gott in der ereignishaften Verwirklichung des Glaubens. Die Beschreibung der Glaubensmöglichkeit als einer ‚verliehenen Gabe‘ Gottes darf demnach nicht die paradoxe Zirkularität verbergen, dass der Glaube durch Begegnung mit dem Glaubensgegenstand begründet wird, obwohl dieser Gegenstand erst im und für den Glauben zugänglich ist. „Die Möglichkeit des Glaubens, wie sie dem Menschen in der Wirklichkeit des Glaubens gegeben ist, kann eben nur als eine dem Menschen von Gott geliehene […] verstanden werden.“ (I/1, 250).

Nach Barth muss man also glauben, um zum Glauben zu kommen. Dieser Zirkel ‚lockert‘ sich erst, wenn man Barths Ineinssetzung von Möglichkeit und Wirklichkeit hinzunimmt, woraus folgt, dass der Glaube als „Sprung“ erfahren wird (s.u. Kap. 1.5).

3.3.1 Barths christologischer Anknüpfungspunkt in der analogia fidei Für diese zukommende Möglichkeit des Glaubens und der Gotteserkenntnis bedarf es aber auch bei Barth eines Anknüpfungspunkts, nämlich einer Entsprechung zwischen Gott und Mensch: Zum „Vernehmen des Wortes Gottes“ ist es nötig, dass es „ein Gemeinsames zwischen dem redenden Gott und dem hörenden Menschen, eine Analogie, eine Ähnlichkeit bei aller […] Unähnlichkeit“ gibt, das heißt einen – „jetzt können wir diesen Begriff auch aufnehmen – ‚Anknüpfungspunkt‘ zwischen Gott und Mensch“ (I/1, 251). Im Unterschied zu Bultmann oder Brunner greift Barth hierfür aber nicht auf eine existenzielle bzw. in natürlicher Religiosität angelegte Kapazität menschlichen Verstehens zurück, sondern die Glaubensinhalte selbst ermöglichen ihr Verstehen.⁵⁹ Diese Umkehr der Reihenfolge von Wirklichkeit und Mög-

 Nach Pöhlmann hat die analogia fidei als eine „theologische[] Neuschöpfung“ Barths zu gelten, die in bewusster Ablehnung der natürlichen Theologie formuliert wurde (H. G. Pöhlmann, Analogia entis oder Analogia fidei? Die Frage der Analogie bei Karl Barth, Göttingen 1965, 112). Siehe auch W. Härle, Sein und Gnade, 183 – 205, der die analogia fidei in die Momente von analogia revelationis, analogia attributionis und analogia nominum entfaltet.

3.3 Barths Begründung der Glaubensmöglichkeit

117

lichkeit findet in Barths Denkfigur der analogia fidei ihren Ausdruck.⁶⁰ Mit ihr beschreibt Barth eine „Gottförmigkeit des Menschen“ (I/1, 251), aufgrund der es dem Menschen erst möglich wird, Gottes Offenbarung zu erkennen; dementsprechend bedeutet analogia fidei „die Entsprechung des Erkannten im Erkennen, des Gegenstandes im Denken, des Wortes Gottes im gedachten und gesprochenen Menschenwort“ (I/1, 257). Dabei ist entscheidend, dass der Mensch durch Gottes Wort geformt wird zur Erkenntnis dieses Wortes. So wird bei der analogia fidei deutlich, dass sie nicht ein Entsprechungsverhältnis aufgrund der Beschaffenheit des Menschen darstellt, sondern eine Entsprechung, die durch Gottes Wirken erst herbeigeführt wird und nur darin ihren Bestand hat.⁶¹ Die reale Begründung dieser Analogie liegt in Jesus Christus: Allein Jesus Christus ist „die in der Bereitschaft Gottes eingeschlossene Bereitschaft des Menschen“ (II/1, 167). Die menschliche Fähigkeit zur Gotteserkenntnis ist somit eine „mitgeteilte Fähigkeit und Willigkeit“ (II/1, 71; Herv. J. S.).⁶² Die Bereitschaft, die Offenbarung zu empfangen, ist den sündigen Menschen somit in Christus geschenkt und realisiert sich in der aktualen Form des Glaubens als Anteilhabe an Christus (vgl. II/1, 172). Diese Bereitschaft Christi gilt stellvertretend und inklusiv für alle Menschen. So nimmt der Glaube letztlich Teil an Christi Gottesverhältnis, „an dessen Glauben er glaubt.“ (II/2, 620 f.) Die oben angemerkte, scheinbar paradoxe Zirkularität eines Glaubens, der erst durch seinen Glaubensgegenstand

 Mit der analogia fidei überwindet Barth das von ihm in seinem Aufsatz „Das Wort Gottes als Aufgabe der Theologie“ eröffnete dialektische Problem insofern, als menschliche Worte Gott dann angemessen zur Sprache bringen können, wenn sie sich ihm analog verhalten, d. h. ihm entsprechen (vgl. M. Beintker, Karl Barth. Eine Einführung, 252 in Bezug auf K. Barth, Das Wort Gottes als Aufgabe der Theologie. 1922).  Barth konstatiert, dass die analogia fidei ein „positives Verhältnis, […] eine reale Gemeinschaft“ (II/1, 252) sein muss, da sie sonst keine wirkliche Teilhabe wäre, gleichzeitig sei jedoch der Unterschied zwischen kreatürlichem und göttlichem Sein unüberbrückbar (vgl. II/1, 253). Um trotzdem von wirklicher Teilhabe zu sprechen, führt Barth die „Analogie“ (II/1, 254) ein, als eine „Ähnlichkeit d. h. teilweise und darum die Gleichheit wie die Ungleichheit begrenzende Entsprechung und Übereinstimmung zwischen zwei oder mehreren verschiedenen Größen.“ (II/1, 254) Die Analogie besteht dabei aber nicht in dem menschlichen Analogon, sondern darin, dass Gott das menschliche Wort „an sich zieht“ und somit zur Analogie erwählt (II/1, 255).Verkürzt könnte man auch sagen, dass das Seinige, d. h. Gott, zwar das Unsrige umfasst, nicht aber das Unsrige das Seinige (vgl. II/1, 260). Das Gefälle in diesem Verhältnis wird von Barth als „Parrhesie“ bezeichnet (II/1, 261).  Der Glauben, d. h. „das Stehen des Menschen vor Gott“, kann dabei „durchwegs nur als ein zweiter Akt verstanden werden […], dem ein erster überlegen, als seine Voraussetzung, Bestimmung und Begrenzung vorangeht, daß jener zweite Akt sich nur in Bestätigung und Anerkennung dieses ersten Aktes vollziehen kann.“ (II/1, 33).

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3 Die Unmöglichkeit und Fremdheit des Glaubens

konstituiert werden kann, entpuppt sich somit als Vermittlung des menschlichen Glaubens im und durch den Glauben Christi: „Daß ich lebe im Glauben des Sohnes Gottes, in meinem Glauben an ihn, das hat seinen Grund darin, daß er selbst, der Sohn Gottes, zuvor für mich glaubte, so glaubte, daß mir nur das Aufsehen zu ihm und also wirklich nur das Nachsehen übrig bleibt. Dieses Nachsehen ist mein Glaube. Es ist aber durch den, dem ich in meinem Glauben nachsehe, das große Werk des Glaubens schon geschehen: immer schon bevor ich glaube, immer auch, wenn ich nicht mehr glauben sollte, immer so, […] daß alles Anfangen und Wiederanfangen unseres Glaubens in ihm seinen einzigen Anknüpfungspunkt, mehr als das: den einzigen Grund seiner Auferweckung hat.“ (II/2, 620)

Es gibt für Barth also in der Tat einen Anknüpfungspunkt: im einzigartigen gottmenschlichen Wesen Christi, sodass der Glaube weder eine Fähigkeit des Sünders noch im natürlichen Wesen des Menschen begründet ist. Somit ist Barths Ausgestaltung der analogia fidei letztlich eine christologische Begründung der anthropologischen Gestalt des Glaubens: In Christi Wirklichkeit wird den Menschen die Möglichkeit zu glauben gegeben, indem sie an seinem Sein und Glauben teilnehmen.⁶³

3.3.2 Aktualistische Anknüpfung Die dem Menschen zukommende christologische Bereitschaft zum Glauben wird nach Barth nicht Teil der geschöpflichen Verfassung des Menschen, sondern sie ist allein in der aktualen Teilhabe an Christus wirklich und verfügbar: „Dieser Anknüpfungspunkt ist also nicht außerhalb des Glaubens, sondern nur im Glauben wirklich. Im Glauben ist der Mensch durch das Wort Gottes für das Wort Gottes geschaffen, im Worte Gottes existierend, nicht an sich, nicht kraft seiner Humanität und Personalität, auch nicht von der Schöpfung her“. (I/1, 251 f.)

Allein im Glauben hat der Mensch teil an der Neuschöpfung Christi und teil am durch Christus vermittelten Anknüpfungspunkt. Dessen Möglichkeit ist aktualiter zwar des Menschen Möglichkeit, aber nie so, dass sie im Menschen jenseits dieses Aktes als Vermögen oder Eigenschaft lokalisiert wäre: Die analogia fidei ist eine analogia attributionis extrinsecae. ⁶⁴ Sie ist dabei zugleich analogia revelationis:

 Diese strikt christologische Vermittlung des Gottesverhältnisses wird in Kap. 4 näher erörtert.  Barth setzt sich in diesem Zusammenhang mit Quenstedts Analogiebegriff auseinander und stellt sein „extrinsece“ dessen „intrinsece“ entgegen (II/1, 270).

3.3 Barths Begründung der Glaubensmöglichkeit

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die Bereitschaft zum Glauben wird erst im Offenbarungsereignis Wirklichkeit.⁶⁵ In diesem Sinne betont Barth: Nur „am Gegenstand der wirklichen Erkenntnis entsteht und besteht“ die Möglichkeit ihn zu erkennen (I/1, 250).⁶⁶ Die Möglichkeit ist dem Menschen daher allein „zum Gebrauch“ (I/1, 250) gegeben und nur in diesem Gebrauch, d. h. in der Gottesbeziehung, auch wirklich: „[…] aber nicht um sie anzuschauen, sondern nur um sie zu gebrauchen. Indem wir sie anschauen würden, würden wir ja nicht mehr hören, würden wir also seine Wirklichkeit und mit ihr unsre Möglichkeit, die wir anschauen wollten, verlieren. Als in seiner, des Wortes Wirklichkeit zu uns kommende, ist sie unsere Möglichkeit, wie auch der Glaube als zu uns kommender unsere Möglichkeit ist. Wirklich unsere: des ganzen geschöpflichen sündigen Menschen Möglichkeit. Aber nicht so, daß man sie, diesen Menschen betrachtend, irgendwo in oder an ihm entdecken oder ablesen könnte.“ (I/1, 249)

Aus diesem Grund ist es auch unmöglich, eine theologische Reflexion über den Glauben auf eine bloße Introspektion zu gründen, weil sie von dem für den Glauben notwendigen Akt der Offenbarung Gottes abstrahieren würde. Eine Analyse des Glaubens, die nicht von Anfang an auf das Verhältnis von Gott und Mensch, sondern allein auf den Menschen aufbaut, muss demnach für Barth scheitern. Damit wird von Barth jedoch nicht ausgeschlossen, dass der Mensch Gewissheit über dieses Verhältnis gewinnen kann, sondern nur festgehalten, dass der Grund dieser Gewissheit wesentlich extrinsischer und niemals intrinsischer Natur ist. Gegen Brunner gerichtet wendet Barth dementsprechend ein, dass es nicht so sei, als ob man die Offenbarungserkenntnis „in der Tasche, als ob man ihre Erkenntnis unter sich […] hätte“.⁶⁷ Auch derjenige, der einmal Gottes Offenbarung erkannt hat, könne sie nicht einfach von sich aus einsehen, sondern brauche je und je den Geist Gottes, der die christologische Bereitschaft zur Empfängnis der

 Vgl. III/3, 59. Härle stellt heraus, dass das tertium comparationis der analogia revelationis die menschliche Bereitschaft zur Gotteserkenntnis sei, die erst im Offenbarungsereignis wirklich wird (vgl. W. Härle, Sein und Gnade, 192).  Auch in IV/2 hält Barth erneut fest, dass der Glaube nicht anders besteht, als in der Selbstmitteilung Gottes. Daher solle sich der Mensch nicht selbst als wissend ausgeben, sondern vielmehr die Erkenntnis „faktisch vollzieh[en]“ (IV/2, 135): „Der wäre aber ein Tor – wirklich ein Tor im biblischen Sinn des Begriffs – der sich (sich selbst oder Anderen gegenüber) als Offenbarungskundiger, als Offenbarungsträger aufspielen, der sich zu seiner Legitimation sich selbst und Anderen gegenüber auf ein ihm institutionell übereignetes oder ihm persönlich eingegossenes Offenbarungswissen in der Weise berufen wollte […]. Er kann und soll sich als Wissender betätigen. Er soll es aber unterlassen, sich selbst als einen Wissenden auszugeben.“ (IV/2, 139).  K. Barth, Nein!, 14. Vgl. hierzu C. Gestrich, Neuzeitliches Denken und die Spaltung der dialektischen Theologie, 176.

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Offenbarung zueignet. Glaube, als von Gott ermöglichtes Verhältnis des Menschen zu Gott, kann stets nur im aktualen Verhältnis zu Gott, nämlich in der Anteilhabe an Christus, bestehen. Der christologische Anknüpfungspunkt kommt dem Menschen daher nur aktual zu.⁶⁸

3.4 Barths Ablehnung einer restitutio ad integrum Barths bisher besprochene Ablehnung eines Anknüpfungspunktes beinhaltet implizit auch fundamentale, positive Aussagen über das Verhältnis des Glaubens zum menschlichen Wesen. Diese gilt es nun herauszustellen. Wie aufgezeigt werden soll, lässt sich Barths Position aus seinen Lehren der imago Dei und des ‚Urstands‘ des Menschen entnehmen, in denen sich seine weichenstellenden Abgrenzungen gegen eine schöpfungstheologisch begründete Bereitschaft zum Glauben niederschlagen. Klassischerweise diente die Lehre von der imago Dei als eine Art ‚Brücke‘ zwischen der göttlichen Bestimmung des Menschen im Urstand und seiner gegenwärtigen Bestimmung zum Glauben. So beschreibt zum Beispiel Calvin die imago Dei: sie ist „die ursprüngliche Reinheit, die Adam besaß“ (Inst. I 15,3), sei aber im Sündenfall so „verderbt“ worden, dass sie nur durch Christus wiedergewonnen werden könne, wenn sie auch „nicht ganz erloschen oder zerstört“ wurde (Inst. I 15,4). Der verbliebene Rest der imago Dei erinnere in der sündigen Gegenwart an die eigentliche Bestimmung des Menschen zum Partner und Ebenbild Gottes.⁶⁹ In der Theologie des 19. Jahrhunderts zeigt sich ein anderer Akzent in der Beschreibung der Gottebenbildlichkeit. In Schleiermachers „Glaubenslehre“ gilt die Gottebenbildlichkeit eher als eschatologische Zielbestimmung des Menschen denn als verlorener Ursprung, insofern Christus als die „vollendete Schöpfung der menschlichen Natur“ ⁷⁰ gedacht wird.⁷¹ Dieser Aspekt der Ziel Zu Barths Aktualismus, s.u. Kap. 7.  Vgl. J. Calvin, Unterricht in der christlichen Religion, II 2,12. II 5,19.  F. D. E. Schleiermacher, Der christliche Glaube. Nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt. Zweite Auflage (1830/31), KGA I 13.2, hg. v. R. Schäfer, Berlin, New York 2003, 28. Vgl. C. Markschies, Art. „Gottebenbildlichkeit“, in: RGG4 3 (2000), Sp. 1160 – 1163, 1162.  Pannenberg weist darauf hin, dass der Gedanke der Ebenbildlichkeit als ‚Bestimmung des Menschen‘ seit Herder und Fichte die Theologie geprägt hat (vgl. W. Pannenberg, Gottebenbildlichkeit als Bestimmung des Menschen in der neueren Theologiegeschichte, München 1979, 13). Dieser Gedanke wird nach Pannenberg auch von Barth aufgenommen, allerdings als dem Menschen in seinem „tatsächlichen Lebensvollzug gegenüber äußerlich“, sodass Barth gerade im

3.4 Barths Ablehnung einer restitutio ad integrum

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bestimmung vermengte sich jedoch mit dem schöpfungstheologischen Aspekt der natürlichen Anlage, sodass der Mensch aufgrund seiner Bestimmung zur Gottebenbildlichkeit auch schon eine ihn von den übrigen Kreaturen auszeichnende Anlage zu diesem Telos hat, wie sie z. B. in seiner Vernünftigkeit und Sprachfähigkeit sichtbar wird.⁷² In diesem Sinn bestimmte Brunner die Vernünftigkeit und Sprachfähigkeit des Menschen als dessen formale imago Dei, die er protologisch begründet. Durch den Sündenfall ging lediglich die materiale imago Dei verloren, die formale imago Dei blieb auch dem Sünder erhalten.⁷³ An dieser im menschlichen Wesen angelegten Bezogenheit auf Gott kann nach Brunner das Wort Gottes anknüpfen. Diese Unterscheidung erlaubt Brunner einerseits, die Notwendigkeit der Offenbarung in Christus festzuhalten, indem erst dort offenbar wird, wer und was der Mensch eigentlich ist, denn materialiter ist der Mensch nach dem Sündenfall Sünder und hat keine positive Beziehung mehr zu Gott. Andererseits kann Brunner durch die formale imago Dei sichern, wie der Mensch als Sünder die Botschaft Gottes überhaupt aufnehmen kann, nämlich indem er die formalen Bestimmungen der Gottebenbildlichkeit weiterhin besitzt und es somit „die objektive Möglichkeit für die göttliche Offenbarung“ noch gibt.⁷⁴ In dieser formalen

„Gegensatz […] zu der ganzen Entwicklung der Interpretation der Gottebenbildlichkeit durch den Gedanken der Bestimmung des Menschen in der neueren Theologiegeschichte“ stehe (ebd.). Zum Verhältnis von Barths imago-Lehre zu anderen theologischen Ansätzen konstatiert Ebneter: „Theologiegeschichtlich betrachtet steht Barth mit seiner Erklärung der Imago, vor allem mit deren dogmatischen Ausdeutung unter Exegeten und Dogmatikern sozusagen allein da.“ (A. Ebneter, Der Mensch in der Theologie Karl Barths, 42 f.).  So zum Beispiel bei A. Ritschl, Die positive Entwickelung der Lehre, Bonn 1874, 127; vgl. auch Markschies, Art. „Gottebenbildlichkeit“, 1162.  Grundlegend für Brunners Verständnis des Anknüpfungspunktes ist seine Unterscheidung der imago Dei in eine materiale imago Dei, die im Sündenfall verloren gegangen ist, und eine erhalten gebliebene formale imago Dei (vgl. E. Brunner, Natur und Gnade, 9 – 11). Hierbei knüpft Brunner an eine aus dem Mittelalter tradierte Unterscheidung an, die von Irenaeus von Lyon übernommen wurde: Irenaeus unterschied entsprechend zu Gen 1,26 und den hebräischen Begriffen zelem und demut bzw. ad imaginem et similitudinem der Vulgata zwischen einer imago als Abbild und einer similitudo als Ebenbild. Für Irenaeus blieb nach dem Sündenfall nur die imago erhalten, d. h. Vernunft und Wille, die similitudo aber ging verloren und könne erst im heilsgeschichtlichen Prozess zurück erlangt werden (vgl. Markschies, Art. „Gottebenbildlichkeit“, 1161). Brunners Unterscheidung in formale und materiale Gottebenbildlichkeit greift diese Unterscheidung von imago und similitudo auf.  E. Brunner, Natur und Gnade, 41. Zwar hat der Mensch seine gottgewollte Seinsart, d. h. die similitudo bzw. materiale imago Dei, verloren, dennoch gesteht Brunner dem Menschen eine Sonderstellung in der Welt zu, die er als „das Humanum“ beschreibt (ebd., 175 f.), welches das „Vernehmenkönnen“ der Botschaft Christi sichere (E. Brunner, Die Frage nach dem Anknüp-

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imago Dei liegt der Anknüpfungspunkt als menschliche Fähigkeit des „Vernehmenkönnen[s]“⁷⁵ der göttlichen Botschaft. Aufgrund dieser Kontinuität durch die formale imago Dei benutzt Brunner den Begriff der ‚Reparatur‘ und nicht Barths Rede von der ‚Neuschöpfung‘, an der er gerade den Mangel an Kontinuität kritisiert.⁷⁶ So wendet Brunner gegen Barth ein: „man kann nichts reparieren, was überhaupt nicht mehr da ist. Aber man kann allerdings etwas so reparieren, daß man sagen muß: das ist ja ganz neu geworden.“⁷⁷ Brunner will also gerade mit der Berufung auf die formale imago Dei sichern, dass der alte Mensch zu einem völlig neuen Menschen wird, indem er am alten Menschen anknüpfend diesen repariert und er so zu einem durchaus neuen Menschen wird. Barth wendet sich nun gegen beide in der formalen imago Dei aufgehobenen Momente eines fortbestehenden ‚Rests‘ und einer ‚Anlage‘.⁷⁸ Zu Barths Position ist in erster Linie festzuhalten, dass er Gottebenbildlichkeit nicht eigentlich als Eigenschaft des Menschen bestimmt, die im Menschen wie ein accidens per se lokalisiert wäre. Stattdessen wird die imago Dei von Barth wesentlich relational als „Gottes Absicht bei des Menschen Erschaffung“ und insofern als „Verheißung und Zusage“ Gottes verstanden (III/1, 225; dazu ausführlich Kap. 4.4). Dement-

fungspunkt als Problem der Theologie, 514). Diese formale imago Dei fungiert bei Brunner als der Anknüpfungspunkt und wird durch das Wort Gottes zum Glauben „verdichtet“ (ebd., 518).  Ebd., 514. Strittig ist jedoch, inwiefern Brunner zu diesem zunächst inhaltslosen Vernehmenkönnen zusätzliche materiale Annahmen und eine inhaltlich gefüllte Kenntnis Gottes für den von ihm gedachten Anknüpfungspunkt voraussetzt. Diese Kritik erhebt schon Barth: K. Barth, Nein!, 18. Siehe auch M. Roth, Gott im Widerspruch?, 529.  Brunner meinte dabei im Wesentlichen mit Barth übereinstimmen zu können: Die Auseinandersetzung mit Barth sei nur ein „Wortstreit“ (E. Brunner, Natur und Gnade, 175). Diese versöhnliche Einschätzung Brunners zeigt sich insbesondere in seiner Reaktion auf KD III/2 (vgl. E. Brunner, Der neue Barth. Bemerkungen zu Karl Barths Lehre vom Menschen, in: ZThK, H. 48 (1951), 90).  E. Brunner, Natur und Gnade, 21.  Zur Analyse der Barth-Brunner Kontroverse in Hinblick auf die Frage der Ebenbildlichkeit siehe C. Gestrich, Neuzeitliches Denken und die Spaltung der dialektischen Theologie, 173 – 181. Ein Überblick zur Entwicklung der imago Dei bei Barth findet sich bei: H. G. Pöhlmann, Analogia entis oder Analogia fidei?, 51– 62. Pöhlmann legt ferner ausführlich dar, inwiefern sich Barth von den in der Tradition vorherrschenden Ansätzen unterscheidet (siehe ebd., 57). Auch Stock widmet dem Thema ein Kapitel, wobei er den Fokus auf die Frage nach der menschlichen Subjektivität legt (siehe K. Stock, Anthropologie der Verheißung, 113 – 153). Unterschiedliche Bewertungen zeigen sich in den Beiträgen in Der Mensch als Bild Gottes, hg. v. Leo Scheffczyk, Darmstadt 1969. Härle behandelt Barths Begriff der imago Dei im Rahmen seiner Frage nach der Ontologie (vgl. W. Härle, Sein und Gnade, 154– 171) und weist auch auf den Wandel des Barthschen Gottebenbildlichkeitsverständnisses bis KD III/1 hin (ebd., 156, Anm. 297). Siehe jüngst auch T. Waap, Gottebenbildlichkeit und Identität. Zum Verhältnis von theologischer Anthropologie und Humanwissenschaft bei Karl Barth und Wolfhart Pannenberg, Göttingen 2008.

3.4 Barths Ablehnung einer restitutio ad integrum

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sprechend folgert Barth contra Brunner: „[w]as der Mensch nicht besitzt, das kann er wie nicht vererben, so auch nicht verlieren.“ (III/1, 225) Damit übernimmt Barth den traditionellen Gedanken der imago Dei als teleologische Bestimmung des Menschen, ohne jedoch diese Bestimmung gleichsam zu reifizieren und als Anlage im Wesen des Menschen zu verorten.⁷⁹ Im Hintergrund dieser Diskussion um das geeignete Verständnis der Vermittlung von Schöpfungsbestimmung, Sündenwirklichkeit und der Veränderung durch den Glauben, wie sie sich in den kontroversen Begriffen ‚Reparatur‘ oder ‚Neuschöpfung‘ ausdrückt, steht die Urstandslehre. Sie ist der klassische locus, um die zwei menschlichen Bestimmungen von Gottespartnerschaft im Glauben und Gottesfeindschaft in der Sünde zu systematisieren, indem sie zwischen einem fähigen, sündlosen Menschen vor dem Fall (im status integritatis) und dem gefallenen Sünder (im status corruptionis) unterscheidet.⁸⁰ Die altprotestantische Orthodoxie entwickelte daraus eine heilsgeschichtliche Reihenfolge, bei der es durch Gottes Reaktion auf die Sünde in der Versöhnung zur Wiederherstellung des status integritatis im Glauben als eines status gloriae kommt.⁸¹ Brunner lehrte ebenso eine heilsgeschichtliche Reihenfolge, sodass der Glaube auf der Protologie aufbaut: Der Mensch erhält die Bestimmung zum  Das Motiv der Ebenbildlichkeit wandelt sich deutlich in den verschiedenen Stadien von Barths theologischer Entwicklung: Im „Römerbrief“ etwa, d. h. in seiner kritisch-dialektischen Phase, hatte Barth noch jegliche Gottähnlichkeit des Menschen verworfen (vgl. K. Barth, Der Römerbrief, 122. 266). Für den Untersuchungsrahmen der vorliegenden Arbeit ist jedoch allein die KD maßgeblich.  Eine Lehre vom ‚ursprünglichen Zustand‘ gewinnt ab dem Ende des 18. Jahrhunderts an Bedeutung, welche aber die zuvor dominierende Thematik der Gottebenbildlichkeit aufgreift. Zur Entwicklung der Vorstellung einer ursprünglichen Gerechtigkeit, deren Verlust im Sündenfall und der Ausformulierung einer Urstandslehre gipfelt, siehe R. Hauke, Art. „Urstand“, in: HWPh 11 (2001), Sp. 424– 428. Zur ausführlicheren Beschreibung des heilsgeschichtlichen Denkens ab dem 18. Jahrhundert und dessen Funktion für die theologische Anthropologie siehe C. Gestrich, Neuzeitliches Denken und die Spaltung der dialektischen Theologie, 186 – 200.  Die Lehre von den fünf Ständen (integritatis, corruptionis, gratiae, gloriae, aeternae/damnationis) findet sich zum Beispiel bei J. A. Quenstedt, Theologia Didactico-Polemica. Sive Systema Theologicum. In Duas Sectiones. Didacticam Et Polemicam. Divisum,Wittenberg 1685, 1, Thesis 2. Seine Definition des status integritatis lautet: „Status integritatis […] est prima hominis ad imaginem Dei in bonitate et rectitudine creati conditio.“ (ebd., 2, Thesis 3) Schon bei Reimarus wird der Urstand allerdings umgedeutet, in seiner Geschichtlichkeit angezweifelt und auf die Zukunftsoffenheit des Menschen bezogen (vgl. W. R. Dietz, Art. „Urstand III. Dogmatisch“, in: RGG4 8 (2005), Sp. 843 – 848, 844). Für die Dogmatik wirkmächtig wird die Urstandslehre Schleiermachers, der sie auf die ursprüngliche Vollkommenheit der Natur und auf Jesus Christus bezieht, indem sie die Möglichkeit eines ungetrübten Gottesbewusstseins verkünde (siehe F. D. E. Schleiermacher, Der christliche Glaube, §60 f.; vgl. auch Hauke, Art. „Urstand“, 426 und Dietz, Art. „Urstand III. Dogmatisch“, 844 f).

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Glauben von seiner ursprünglich intakten Gottesbeziehung. Gegenwärtig lebe er in der Sünde im Widerspruch zu seiner Bestimmung, aber im „Kontinuum von der göttlichen Schöpfung her“.⁸² Im Glauben wird dieser Bruch wieder rückgängig gemacht und der Mensch komme vom formalen Kontinuum zur materialen imago Dei. ⁸³ Falls sich nun eine ähnliche Unterscheidung zwischen status integritatis und status corruptionis bei Barth finden ließe, dann könnte Barths Zurückweisung einer menschlichen Möglichkeit zum Glauben mit der Radikalität des Sündenfalls begründet werden, der bei Barth nicht nur wie bei Brunner zum Verlust der materialen imago Dei führt, sondern zum vollständigen Verlust jeglichen Gottesbezugs inklusive der formalen imago Dei. Im Folgenden ist dagegen zu zeigen, dass der Glaube nach Barth gerade keine restitutio ad integrum ist.⁸⁴ Barth hat jedoch in seinem Gegenentwurf zu Brunner nicht den Schritt zurück zu Schleiermacher intendiert, sondern versucht einen Weg zwischen Protologie und Eschatologie zu finden, bei dem er die Vorstellung eines paradiesischen Urstands und des Glaubens als Wiederherstellung ablehnt.⁸⁵ Wie aufgezeigt werden soll, treibt Barth die Fremdheit des Glaubens gegenüber dem Wesen des Menschen dabei aufs Äußerste: Der Glaube ist dem Menschen dann nicht nur in seinem gegenwärtigen status corruptionis als Sünder fremd, sondern es gab noch nicht einmal konzeptionell die vormals intakte Gottesbeziehung im status integritatis. Insofern hat und hatte der Mensch nach Barth sowohl bezüglich seiner eigenen Geschichte als auch bezüglich der Geschichte der gesamten Menschheit einschließlich Adams nie eine intakte Gottesbeziehung, auf der nun der Glaube wieder aufbauen könnte. In Hinblick auf den Menschen ist der Glaube daher ein schlechthinniger Neuanfang ohne Rückbezüge auf Vorheriges und insofern auch als Bruch mit allem Vorherigen zu beschreiben. Durch die

 E. Brunner, Der neue Barth. Bemerkungen zu Karl Barths Lehre vom Menschen, 97.  Vgl. E. Brunner, Dogmatik. Bd. 3: Die christliche Lehre von der Kirche, vom Glauben und von der Vollendung, Zürich 1960, 21. Siehe auch M. Roth, Gott im Widerspruch?, 502 f. Zwar ging auch Brunner nicht davon aus, dass der Urstand eine historische Größe ist, aber er erachtete die Protologie insofern als eine reale Notwendigkeit des Seins (vgl. E. Brunner, Dogmatik Bd. 2: Die christliche Lehre von der Schöpfung und Erlösung, Zürich, Stuttgart 1950, 58 f.; C. Gestrich, Neuzeitliches Denken und die Spaltung der dialektischen Theologie, 196 f.), als dies zur Abgrenzung gegen ein rein teleologisch-eschatologisches Verständnis der Urstandslehre nötig war, wie zum Beispiel bei Schleiermacher (vgl. ebd., 201).  Brunner beschrieb den Glauben als „reparatio imaginis“ und „restitutio imaginis“ (E. Brunner, Der Mensch im Widerspruch, 476).  Vgl. II/1, 718 f. Diese Einschätzung teilt auch Gestrich, der daraufhin folgert, dass sich Barth selbst in KD III/1 nicht wieder Brunner annähert (vgl. C. Gestrich, Neuzeitliches Denken und die Spaltung der dialektischen Theologie, 201).

3.4 Barths Ablehnung einer restitutio ad integrum

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Verneinung eines adamitischen Urstands können somit die notwendige Vermittlung des Glaubens allein durch Christus sowie die Bestimmung des Glaubens als eines ‚neuen’ Widerfahrnisses noch unterstrichen werden. Die nächsten Abschnitte sollen diese Radikalisierung der Wesensfremdheit und Wesenzugehörigkeit des Glaubens nachzeichnen, derzufolge die ‚Bündnisfähigkeit des Menschen’ bei Barth niemals eine der menschlichen Natur inhärierende Fähigkeit war, sondern eine Fähigkeit, die dem Menschen je nur aus Gnade zukommt.

3.4.1 Barths Ablehnung einer klassischen Urstandsvorstellung Um die oben formulierte These zu belegen, muss gezeigt werden, dass Barth sich von der Vorstellung eines status integritatis distanziert. Dieser Befund ist jedoch nicht ganz eindeutig und in der Forschung bislang kaum bearbeitet.⁸⁶ Einerseits finden sich gerade in der Schöpfungslehre Passagen, die den Sündenfall geradezu klassisch als Ursache der Störung einer vorher intakten Gottesbeziehung beschreiben. So wird der Sündenfall etwa als „ein Zwischenfall auf der mit dem Segen Gottes begonnenen Linie“ bezeichnet (III/1, 212). In seiner Auseinandersetzung mit der theologischen Anthropologie betont Barth gegen Gogarten sogar explizit, dass Christus den ursprünglichen status integritatis und den nunmehr in Kraft stehenden status corruptionis aufdecken würde (vgl. I/1, 135). Auch Barths spätere Rede von der Versöhnung als Erfüllung des gebrochenen Bundes (vgl. IV/1, 22) und dessen „Wiederherstellung“ (ebd.) legen eine traditionelle heilsgeschichtliche Reihenfolge nahe, die auch ein ‚Vorher‘ zum gebrochenen Bund und insofern einen Urstand annimmt.⁸⁷

 Untersuchungen hierzu finden sich bei M. D.Wüthrich, Gott und das Nichtige, 249 – 258. Auf Barths Kritik an einem Urstandsmodell weist bereits Krötke hin: W. Krötke, Sünde und Nichtiges bei Karl Barth, 66. Auch Thomas konstatiert „Spuren einer Überwindung der traditionellen Urstandslehre“, ohne dies jedoch auszuführen (G. Thomas, Der für uns „gerichtete Richter“. Kritische Erwägungen zu Karl Barths Versöhnungslehre, in: ZDTh 18.2 (2002), S. 211– 225, 215). Eine Benennung der Abgrenzungen Barths zu „traditionellen Urstandsprämissen“ findet sich bei Janowski, jedoch auch hier ohne weitere Ausführungen (J. C. Janowski, Allerlösung. Annäherungen an eine entdualisierte Eschatologie, Neukirchen-Vluyn 2000, 371). Die allgemeine Kritik Barths an einer heilsgeschichtlichen Reihenfolge von ‚Vorher‘ und ‚Nachher‘ wurde in der Barthforschung schon mehrfach herausgestellt, so zum Beispiel in B. Krause, Leiden Gottes, Leiden des Menschen. Eine Untersuchung zur kirchlichen Dogmatik Karl Barths, Stuttgart 1980, 148.  Tendenzen zur Annahme eines heilgeschichtlichen ‚Vorhers‘ benennt auch Wüthrich, indem er fragt, ob hier nicht Linien gelegt werden, „auf denen ein traditioneller Sündenfall gedacht

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Argumentativ gewichtiger scheinen aber andererseits diejenigen Passagen, in denen Barth eine klassische Urstandslehre und einen vorgeordneten status integritatis ablehnt.⁸⁸ Drei im Folgenden darzulegende Hauptargumente sprechen für die These, dass Barth die Urstandslehre im Kern ablehnt. Erstens ordnet Barth die Erwählungs- und Versöhnungslehre der Schöpfungslehre vor und lehnt damit einen dem Gnadenbund vorangehenden Naturbund ab (3.4.3). Zweitens spricht Barths explizite Auseinandersetzung mit dem Thema in der Schöpfungslehre für die Zurückweisung der Urstandslehre (3.4.4). Drittens denkt Barth das Geschöpf immer schon in Abhängigkeit von Gott und somit für sich genommen als Unvollkommenes, sodass auch hier immer schon eine Vermittlung durch Christus gedacht wird (3.4.5). Christi Versöhnungstat ist demnach nicht erst eine Reaktion, gleichsam ein zweiter Plan Gottes als Antwort auf den Sündenfall, sondern von Anfang an das Ziel der Schöpfung. Was für oder gegen eine Urstandslehre bei Barth spricht, ist nach dem Kriterium zu beurteilen, ob Barth von einem Zustand ausgeht, in dem der Mensch als Geschöpf und als solches selbstständig die Gebote Gottes halten kann. Gemäß diesem Kriterium kann auch bei der Zurückweisung einer Urständlichkeit ein unschuldiges Sein des Menschen angenommen werden, nur wäre dieses unschuldige Sein nicht in ihm und seinem geschaffenen Wesen begründet, sondern in Gott.

3.4.2 Der Primat des ‚Gnadenbundes‘ – Barth gegen Coccejus Barth argumentiert vornehmlich gegen Johannes Coccejus als prominentem Vertreter der Föderaltheologen, dass es keine Vorordnung eines Naturbundes vor den Gnadenbund Gottes in Jesus Christus geben kann (auch nicht als antithetische Negativvorlage), da sich ein Naturbund an den Menschen „in seinem Ur-

werden kann“, wenngleich Wüthrich diese anschließend widerlegt (M. D. Wüthrich, Gott und das Nichtige, 254). Wenn Barth den traditionellen Gedanken der Wiederherstellung selbst aufnimmt (vgl. II/2, 622), dann liegt der Vergleichspunkt jedoch darin, dass sowohl die ursprünglich angenommene Unschuldigkeit des Menschen im Urstand Christi als auch der Glaube durch die Angewiesenheit auf Gott ausgezeichnet sind, wohingegen die Sünde gerade durch die emanzipierte Autonomie des Menschen von Gott beschrieben werden kann.  Mit diesem Votum schließe ich mich grundsätzlich Wüthrichs Interpretation des Sündenfalls bei Barth an (vgl. ebd., 249 – 258).

3.4 Barths Ablehnung einer restitutio ad integrum

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stand vor dem Fall“ richten würde (IV/1, 65):⁸⁹ Zwar wählt Barth selbst das Motiv des Bundes als eine Grundfigur seines theologischen Denkens, womit er sich bewusst in die reformierte Tradition stellt (vgl. IV/1, 58), aber dem Gnadenbund als einem ewigen opus Dei internam ad extra dürfe eben kein foedus naturae vorangestellt werden (vgl. IV/1, 67). In der Versöhnungslehre setzt sich Barth daher mit der Föderaltheologie der reformierten Orthodoxie auseinander, um sein eigenes Bundesverständnis gegenüber dieser Tradition zu konturieren (vgl. IV/1, 57– 70). Dort zeigt sich Barth sichtlich verwundert, dass die Föderaltheologen (nach seinem Verständnis ihrer Theologie) trotz ihrer Betonung der Gnade diesen falschen Weg eingeschlagen haben: „Wie konnte man nur? Wie konnte man um jene ewige Begründung des Gnadenbundes wissen, und es dann doch unterlassen, von Anfang an entschlossen von ihm her zu denken, ihn als den einen Bund Gottes zu verstehen und darzustellen: als ob es in Gott oder anderswo doch noch eine andere Ewigkeit gäbe – eine Ewigkeit der menschlichen Natur, ihrer Beziehung zu Gott, ihres Gesetzes und der Werke dieses Gesetzes?“ (IV/1, 68)

Eine eigene ‚Ewigkeit der menschlichen Natur‘ und somit eine ursprünglichere, direkte Beziehung Gottes zu den Menschen ohne christologische Vermittlung ist demnach auszuschließen. Stattdessen ist alle von Gott geschaffene Wirklichkeit bereits im christologischen Gnadenbund und aus ihm heraus geschaffen: „Im Prädestinationsakt präexistiert also Jesus Christus, der als der Sohn des ewigen Vaters und als Sohn der Jungfrau Maria der Mittler des Bundes zwischen Gott und dem Menschen, der Vollstrecker des Versöhnungsgeschehens werden und sein sollte.“ (IV/1, 70)

Da Gott den wahren Menschen Jesus Christus bereits vor der Schöpfung zu seinem Bundespartner gewählt hat, war nach Barth auch schon vor aller Schöpfung der „in der Geschichte erfüllte und offenbarte Gnadenbund“ beschlossen und nicht erst ein Naturbund, dem dann aufgrund des Sündenfalls erst der Gnadenbund als „sekundäre, nachträgliche göttliche Veranstaltung“ beigeordnet wurde (IV/1, 70).⁹⁰ Die Versöhnungslehre wird bei Barth also schon in der Erwählungslehre mitgesetzt (vgl. II/2, 95). Die Erwählung Christi geschah nicht erst in Reaktion

 Vgl. hierzu E. Busch, Der theologische Ort der Christologie. Karl Barths Versöhnungslehre im Rahmen des Bundes, in: ZDTh 18.2 (2002), S. 121– 137, 125, der darauf hinweist, dass Barth sich eigentlich stärker gegen seine eigene frühere Position wendet als gegen die Föderaltheologen.  So lehnte Barth auch die Vorstellung einer „Uroffenbarung“ ab (IV/1, 47), wie es sie in der natürlichen Theologie gab oder wie sie von Paul Althaus vertreten wurde (vgl. W. Härle, Sein und Gnade, 76; 20, Anm. 50).

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auf den menschlichen Bundesbruch und insofern nicht erst als Reparatur der ausbleibenden Antwort Adams. Vielmehr betont Barth, dass Jesus Christus schon vorzeitlich erwählt und in diesem Erwählungsakt zum Leidensgehorsam bestimmt war: Schon vorzeitlich war in der Erwählung Christi dessen Selbsthingabe beschlossen, um „die Ehre seiner [Gottes] Schöpfung, die Ehre des für ihn geschaffenen und bestimmten Menschen und so seine eigene Ehre [zu] verteidigen gegen den Übergriff […] der Schattenwelt des Satans.“ (II/2, 133)⁹¹ Somit war Christus schon vor Zeiten bestimmt, die „notwendige Unheilsfolge“ (II/2, 182) für den menschlichen Bundesbruch zu tragen, indem Gott das Böse überwindet, sich aber gleichwohl mit dem Menschen als Täter solidarisiert (vgl. II/2, 182). Eine der Schöpfung erst nachträglich zugeordnete Versöhnungslehre würde hingegen dazu führen, dass die Sünde „den Charakter eines unvorhergesehenen Zwischenfalls“ bekommt (II/2, 97). Gott wäre dann „in Verlegenheit gebracht“ und müsste reagieren (II/2, 97). Barth verneint aber eine solche Reaktion Gottes, denn „es geht […] im Ganzen des göttlichen Werkes um einen einzigen, in sich freilich sehr differenzierten […] göttlichen Regierungsakt.“ (II/2, 97; Herv. J. S.). Barths Spezifikum, in dem auch seine Kritik an Coccejus gründet, ist die vorzeitliche Erwählung Jesu zur Erlösung der Menschen und die Erwählung der Menschheit nur in ihm. ⁹² Die Schöpfung der übrigen Menschen gründet dann in Christi Erwählung und zielt immer schon auf seine stellvertretende, menschliche Bejahung des Bundes. Barths Bundesverständnis zeigt hier also gerade in Abgrenzung zur Tradition eine noch stärker christologische Zuspitzung des Gna-

 So auch III/1, 53, wo Barth beschreibt, dass Jesus Christus schon in der vorzeitlichen Erwählung als Träger der Sünde erwählt wurde. Hierbei muss also kein qualitativer Unterschied hinsichtlich der Menschheit Christi zwischen II/2 und IV/1 angenommen werden, vielmehr scheint Barth schon in II/2 die vorzeitliche Bestimmung des Menschen anzunehmen, was er dann in IV/1 und IV/2 ausführen wird.  Barth schreibt: „Daß eben er [Jesus Christus], in welchem der Gnadenbund in der Geschichte vollstreckt und offenbart ist, auch dessen ewiger Grund, daß er, der als wahrer Gott und wahrer Mensch in der Schrift Bezeugte als solcher auch das ewige testamentum, […] zwischen Gott und Mensch ist – das ist die Linie, die Coccejus und die Föderaltheologen vor ihm und nach ihm so nicht ausgezogen haben. Und indem sie sie nicht auszogen, […] blieben sie bei aller Schrifttreue anfällig für die Vorstellung, es könnte der in Jesus Christus in der Geschichte erfüllte und offenbarte Gnadenbund vielleicht doch nur eine sekundäre, nachträgliche göttliche Veranstaltung […] und gerade nicht der Anfang aller Wege Gottes sein. Der Dualismus ihrer Anschauung vom Bund, die Belastung ihrer Anschauung vom Gnadenbund durch die Vorstellung eines ihm eigentlich zugrunde liegenden und ihn von daher dauernd mitbestimmenden und mit ihm konkurrierenden Natur- und Werkbundes, wäre […] zu vermeiden gewesen, wenn sie sich dazu hätten entschließen können, […] den ewigen göttlichen Logos also gerade in seiner Fleischwerdung zu erkennen.“ (IV/1, 70).

3.4 Barths Ablehnung einer restitutio ad integrum

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denbundes, die eine Urstandsvorstellung des Menschen in Abstraktion dieser christologischen Vermittlung unmöglich macht.

3.4.3 Barths christologische Deutung des Urstands Mit der Urstandsvorstellung setzt sich Barth am ausführlichsten in seiner Schöpfungslehre auseinander. Nicht zu leugnen sei dabei, dass in der Genesiserzählung „das Bild des von Gott geschaffenen Menschen abgehoben [wird] von dem Bild, in welchem er sich selbst nachher […] darstellen wird.“ (III/1, 351) Allerdings ist diese unschuldige Form des Geschöpfes nicht ihr eigener Stand und keine Eigenschaft des geschaffenen Menschen an sich, sondern noch Teil der Schöpfungstat Gottes. Barth differenziert dies folgendermaßen: „Ihre spätere Schuld gehörte ihnen […]. Ihre frühere Unschuld aber war gerade darin wirkliche, echte, reine Unschuld, daß sie nicht ihnen gehörte, weil sie sich nicht selbst damit ausgestattet und geschmückt hatten“ (III/1, 351 f). Daher ist die Güte und Unschuld des Menschen „kein Moment seiner eigenen Geschichte, sondern der Schluß- und Höhepunkt seiner Schöpfungsgeschichte.“ (III/1, 352; Herv. J. S.)⁹³ Was aber heißt es, dass die unschuldige Gestalt (status integritatis) des Menschen nie Teil seiner eigenen Geschichte war, sondern nur der Schlusspunkt seiner Schöpfungsgeschichte? Dies kann durch eine andere Stelle aufgeklärt werden, in der Barth die klassische Vorstellung eines „zeitlosen Urstand[es]“ ablehnt und stattdessen „von einer wirklichen Urzeit“ redet (III/1, 98). Diese Urzeit vor aller Geschichte ist die göttliche Erwählung von Jesus Christus: „Hier [in der Urzeit] genügt Gott der Schöpfer auf der einen und das wirkliche Geschöpf, wie es immer war und sein wird, auf der anderen Seite. Und hier genügt als Inhalt der Erzählung,

 Obwohl Barth also einen Unterschied zwischen dem „von Gott geschaffenen Menschen“ und dem ‚Menschen in Übertretung‘ annimmt, wendet er sich gegen die Urstandsvorstellung in Hinblick auf den Begriff des status. Ein solcher ‚Ur-Stand‘ würde ein eigenständiges Stehen des Menschen implizieren, das aber vielmehr kennzeichnend für die Sündhaftigkeit des Menschen sei, da ein eigenes ‚Stehen‘ schon die Loslösung von Gott impliziert. Die vorherige unschuldige Form des Geschöpfes sei dann kein ‚Urstandʻ, sondern dadurch charakterisiert, dass allein Gott für die Menschen ‚einstand‘ (vgl. III/1, 351): „Will man das ihren ‚Urstandʻ nennen, so darf man diesen jedenfalls in keiner Weise von Gottes Schöpfungstat als solcher trennen, so darf man ihn also dem Urstand Gottes selbst gerade nicht als ursprünglichen guten Eigenstand des Menschen, als dessen Leistung und Tugendbeweis gegenüberstellen. Der eigene Stand des Menschen, seine Leistung und sein Tugendbeweis im Unterschied von Gottes Urstand war faktisch sofort sein Stand in der Schuld.“ (III/1, 352; Herv. J. S.). Ein Urstand im klassischen Verständnis als eigene Unschuld des Menschen wird damit also ausgeschlossen.

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als das zwischen den beiden Partnern sich abspielende Ereignis das schöpferische Reden und Handeln Gottes hier – und dort das Werden des Geschöpfes ganz allein.“ (III/1, 98)

Barth ersetzt damit die Vorstellung des Urstandes durch die der „Urgeschichte“ (III/1, 98).⁹⁴ Diese Urgeschichte des wirklichen Menschen liegt vor der historischen Geschichte der Menschen. Die menschlich-historische Geschichte hebt dann in „Kontinuität zwischen Urzeit und Folgezeit, zwischen der Urgeschichte und der sie fortsetzenden historischen Geschichte“ an (III/1, 98). Allerdings ist ihr ‚Vorher‘ der Urzeit eben nicht ihre eigene Geschichte, sondern die Urzeit ist die Geschichte der Wahl Jesu Christi.⁹⁵ So kann Barth in der Versöhnungslehre davon ausgehen, dass es für die menschliche Geschichte „kein Vorher gibt, in welchem die Menschen noch nicht Übertreter und also noch unschuldig“ waren (IV/1, 551). Ein ihrer eigenen Geschichte vorausgehender unschuldiger Urstand wird damit eindeutig zurückgewiesen, stattdessen werden die Attribute des Urstands auf Jesus Christus übertragen. Barth entwickelt damit etwas, was man als eine ‚Urständlichkeit Christi‘ bezeichnen könnte. Christus ist der Mensch, der in der Urzeit erwählt wurde und dem integeres Sein zukommt. Für die übrigen Menschen bedeutet diese christologische Wendung Barths, dass selbst Adam kein sündloser Idealmensch war, sondern ein „Ursünder“ wie wir: „Es gab kein goldenes Zeitalter. […] Der Urmensch war sofort der Ursünder.“ (IV/1, 567) Das Paradies als geschichtlicher Raum der Menschheit war dementsprechend nie ein paradiesisches Schlaraffenland,⁹⁶ sondern von vornherein ein „Ort […] nicht ohne ernste Problematik“

 ‚Urgeschichte‘ meint bei Barth nicht einfach die Genesisgeschichte, sondern die alle weitere Geschichte begründende Geschichte Jesu, wie im Folgenden erklärt wird. Diese Geschichte vollzieht sich selbst noch nicht in Raum und Zeit, begründet aber als Geschichte die ihr folgende, raum-zeitliche Geschichte der Menschen.  Insofern sind die biblischen Beschreibungen des Paradieses, wie ‚sie waren nackt und schämten sich nicht‘, nicht als Beschreibungen von Adam und Eva zu verstehen, sondern als präfigurierende Beschreibungen für den Bund zwischen Christus und seiner Gemeinde (vgl. R. Prenter, Die Einheit von Schöpfung und Erlösung. Zur Schöpfungslehre Karl Barths, in: ThZ 2, H. 3 (1946), S. 161– 182, 169).  „Daß er in der griechischen Übersetzung das ‚Paradies‘ genannt wird, darf hier nicht irre leiten. Denn gerade aus dem ‚Paradies‘ ist erst viel später und wohl unter griechischem Einfluß eine Art Elysium geworden, während es im Persischen, aus dem der Begriff stammt und dann auch im Hebräischen einfach einen umwallten und so eingeschlossenen und abgegrenzten Raum, z. B. einen königlichen Park bezeichnet. Was diesen Garten als wonnig auszeichnet, ist zunächst und entscheidend schlicht dies, daß er von Gott besonders gepflanzt ist und darum im besonderen Gott gehört.“ (III/1, 284).

3.4 Barths Ablehnung einer restitutio ad integrum

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(III/1, 284).⁹⁷ Damit ist auch geklärt, dass dem Menschen in seinem geschöpflichen Sein keine eigene Güte zukam, die er losgelöst vom Urmenschen Jesus Christus gehabt hätte. Barth lässt weder einen dem Gnadenbund vorausgehenden Naturbund gelten (s. o. 3.4.3), noch kann ein ‚ungefallener Adam‘ der erste Mensch neben Christus als dem menschlichen Urbild gewesen sein.

3.4.4 Die radikalisierte Fremdheit des Glaubens Adam wird bei Barth nicht als Vater der Erbsünde gedacht, wie zum Beispiel in CA II, der für alle Menschen die Sünde brachte und diese dann vererbt hat, sondern Adam ist schlicht der erste sündigende Mensch in der Geschichte und somit ein primus inter pares (vgl. IV/1, 568).⁹⁸ Statt den Sündenfall als ein folgenreiches Ereignis der Urzeit zu deuten, ist er vielmehr Ereignis eines jeden Menschen. Das peccatum originale wird von Barth nicht als Erbsünde, sondern als Ursünde bestimmt und beschreibt die „umfassende, radikale und also totale Tat des Menschen“ (IV/1, 557).⁹⁹ So kommt es nicht aufgrund einer Tat Adams, son-

 Diese Bestimmung der Schöpfung lässt sich schon in einem früheren Briefwechsel (1925/26) zwischen Barth und Brunner erahnen, in dem Brunner gegenüber Barth den Vorwurf erhebt, „daß es scheint, als müßte die Schöpfung als solche erlöst werden, nicht die gefallene Schöpfung“ (E. Brunner, Emil Brunner an Karl Barth. Zürich, 24.6.1926, in: K. Barth; E. Brunner, Karl Barth – Emil Brunner Briefwechsel 1916 – 1966, S. 135– 138, 136; vgl. M. D.Wüthrich, Gott und das Nichtige, 256). Diesen Vorwurf weist Barth in seiner Antwort nicht explizit zurück, sondern schreibt nur, dass „der homo paradisiacus der Offenbarung so bedürftig ist wie der Mensch nach dem Fall“ (K. Barth, Karl Barth an Emil Brunner. Münster, 27.6.1926, in: K. Barth; E. Brunner, Karl Barth – Emil Brunner Briefwechsel 1916 – 1966, S. 138 – 141, 140; vgl. M. D. Wüthrich, Gott und das Nichtige, 256). Eine Stellungnahme zu der von Brunner in diesem Briefwechsel thematisierten Nähe zwischen Barth und Schleiermacher, der in seiner Glaubenslehre eher eine Entwicklung statt die Vorstellung einer Wiederherstellung lehrt, unterschlägt Barth in seiner Antwort (siehe E. Brunner, Emil Brunner an Karl Barth. Zürich, 24.6.1926, 137).  Zu dieser Passage siehe W. Krötke, Sünde und Nichtiges bei Karl Barth, 65. 74– 76.  Das peccatum originale ist nach Barth kein „peccatum hereditarium“ (IV/1, 557). Zwar geht es in der Ursünde „um die ursprüngliche und daher umfassende, radikale und also totale Tat des Menschen, um die Gefangenschaft seiner Existenz in jenem Kreislauf von bösem Sein und bösem Tun. […] Sie ist aber sein peccatum: die Tat, in der er sich selber zum Gefangenen macht, um es dann auch sein zu müssen. Das ist es, was durch den Begriff der ‚Erbsünde’ verdunkelt wird.“ (IV/ 1, 557 f.) Barth spricht, um die Tätigkeit eines jeden zu betonen, von der Ursünde statt von der Erbsünde, die nur im „uneigentlichen Sinn als meine Tat verstanden werden“ kann (IV/1, 558). Die Ursünde beschreibt die „sich ereignende höchst willentliche, höchst verantwortliche Lebenstat eines jeden Menschen, die laut des in und mit seiner Versöhnung mit Gott über ihn ergehenden richterlichen Urteils seine Lebenssünde ist: die Verkehrung, die er selbst vollbringt, um als ihr Vollbringer – wieder in jenem Zusammenhang – ganz verkehrt sein zu müssen.“ (IV/1, 558).

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dern aufgrund der Tat jedes einzelnen Menschen zum – so könnte man sagen – ‚persönlichen Sündenfall‘.¹⁰⁰ Dieser ‚persönliche Sündenfall‘ ist ein unabwendbares Faktum geschöpflicher Wirklichkeit; das heißt, dass zwar auch bei Barth die Sünde als Abfall vom Guten beschrieben wird, sie aber faktisch unvermeidlich ist. Das erste Argument hierfür findet sich bereit in der Gotteslehre: Das Geschöpf unterscheidet sich dadurch vom Schöpfer, dass allein Gott die Vollkommenheiten zukommen und das Geschöpf ihrer dementsprechend ermangelt. Am Beispiel der ‚Beständigkeit‘ – „Gott bleibt[,] der er ist“ (II/1, 552) – zeigt Barth, dass das Geschöpf notwendig unbeständig sein muss, weil vollkommene Beständigkeit ein Gottesprädikat ist und allein Gott zukommt: „Ohne die so verstandene Möglichkeit des Abfalls oder des Bösen würde die Schöpfung von Gott nicht verschieden und also als seine Schöpfung nicht wirklich sein.“ (II/1, 566) Der Schöpfung als Schöpfung kommt so die Möglichkeit zum Abfall zu. Diese notwendige Unbeständigkeit und Gefährdetheit des Geschöpfes wird in der Schöpfungslehre von Barth weiter erklärt: Der Mensch war von Anfang an auf den Segen Gottes angewiesen. Der geschaffene Mensch ist zwar „Abbild und Nachbild“ Gottes (III/1, 212), aber diese „Gottebenbildlichkeit des Menschen ändert nichts an der Geschöpflichkeit, […] in der er mit allen anderen Wesen auf Gottes Beistand angewiesen ist. Sie [die Gottebenbildlichkeit] allein würde seine Taten weder vom Frevel noch vor der Ohnmacht bewahren“ (III/1, 212). Der Mensch ist als Geschöpf aus sich heraus gerade nicht mächtig und befähigt zum guten Handeln, da er nur Abbild und Nachbild ist und eben nicht Urbild und Vorbild (vgl. III/1, 212). Befähigt wird der Mensch nur durch „Gottes Segen“ (III/ 1, 212). Die Menschen sind also nicht von Natur aus bündnisfähig und beständig, sondern nur wenn Gott sie im Segen dazu befähigt. Ein eigener, integerer und insofern auch ‚beständiger‘ Stand kam dem Geschöpf nie zu. Aus diesen Passagen wird deutlich, dass der Mensch nie eine eigene Unschuld oder natürliche Anlage zur Gottesbeziehung hatte. Zwar wurde von Barth

 Ein solch individualisiertes Sündenverständnis ist keine Innovation Barths, sondern wurde schon in der Theologie des 19. Jahrhunderts diskutiert und zum Beispiel auch von seinem früheren Weggefährten Gogarten vertreten (vgl. F. Gogarten, Die Verkündigung Jesu Christi. Grundlagen und Aufgabe, Tübingen 1965, 476 – 478). Doch auch ohne Vererbung der Sünde wird ihre Universalität von Barth nicht aufgehoben, sondern alle Menschen sündigen und erweisen sich stets in ihren Taten als Sünder. Von daher kann Barth sagen, dass „‚alle‘ Menschen unter die Überschrift des Namens ‚Adam‘“ fallen (IV/1, 566) und „sein Name die Angabe der Summe dieser Geschichte“ ist (IV/1, 567). Nur bedeutet Adam dann nicht ein den Menschen zugeeignetes ErbSchicksal, sondern benennt vielmehr die antropologische Wahrheit, die von den Menschen gilt (vgl. IV/1, 568 f).

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aufgrund der Schöpfungsgeschichte von einem vorausgehenden Zustand der Unschuld gesprochen, dieser bestand aber nicht im Menschen, sondern in der ungestörten Beziehung zwischen Gott und Mensch, wie sie in der Urgeschichte zwischen Gott dem Vater und Jesus Christus dem Sohn ewig besteht.¹⁰¹ Mit Beginn der eigenen Geschichte der Menschen haben diese gesündigt und sich somit erst einen eigenen Stand gewählt. Da der Mensch nie eine eigene Fähigkeit der Gottesbeziehung in sich trug, konnte der Sündenfall auch nicht zu einem Verlust dieses vermeintlichen status integritatis führen. Glaube kann dementsprechend nicht als eine restitutio ad integrum und insofern als Wiederherstellung dessen verstanden werden, was der Mensch aufgrund seiner Sünde verloren haben müsste. Barth lehrt also nicht nur, dass der Glaube dem Menschen aufgrund seiner Sünde wesentlich fremd ist und er als Sünder keine ihm eigene Möglichkeit und Freiheit hat, an Gott zu glauben; vielmehr radikalisiert Barth hier den Gedanken der Fremdheit, indem er das Modell Urstand-Sündenfall explizit ausschließt. Der Mensch hat und hatte als Geschöpf nie eine Möglichkeit und Fähigkeit zur Gottesbeziehung, insofern er auch nie in einem status integritatis stand. Der Mensch ist somit in seiner Geschichte grundsätzlich durch die Gottesferne und die Sünde bestimmt, sodass im Blick auf den faktischen Menschen nie von dieser Sündhaftigkeit abstrahiert werden kann.¹⁰²

 Dass der Mensch bei Barth in Bestimmung zum und Verpflichtung auf den Gnadenbund geschaffen ist, interpretiert Härle so, dass der Mensch in „Gnadenbedürftigkeit“ geschaffen wurde und immer auf die unverdiente Gnade Gottes angewiesen sei (W. Härle, Sein und Gnade, 80), diese Gnadenbedürftigkeit jedoch „im Sinne Barths der Gnadenteilhaftigkeit sachlich nachgeordnet“ ist (ebd., 306). Daher ist für Barth – wie unten in Kap. 4 weiter zu zeigen ist – schon der Mensch als Geschöpf „der Wohltat der Mitmenschlichkeit jenes Einen [Jesus Christus] teilhaftig – bestimmt dazu, durch ihn errettet zu werden. Sie in ihrer Geschöpflichkeit bedürfen dessen, und ihnen in ihrer Geschöpflichkeit ist es zugesagt“ (III/2, 269). Kriterium für die notwendige Teilhabe an Christi Mitmenschlichkeit ist schon die menschliche Geschöpflichkeit und nicht erst ihre faktische Sünde. Die Güte der Schöpfung ist dann keine Qualität (vgl. III/1, 423), sondern vielmehr eine Qualifikation im göttlichen Rechtfertigungsurteil (vgl. W. Härle, Sein und Gnade, 91). Härle führt hierzu aus, dass „gut“ dann nicht bedeute, dass die Schöpfung an sich gut wäre, sondern vielmehr sei sie gut, weil sie „geeignet zum Bund“ sei (ebd., 92). Diese gleichsam instrumentelle Eignung und Güte der Schöpfung sei eben kein Seinsbestand, sondern läge im Urteil Gottes (ebd.).Weil aber die Bedürftigkeit gerade die menschliche Eignung zum Bund beschreibt, müsse auch diese Bedürftigkeit nach Berkouwer als ‚gut‘ gelten (vgl. G. C. Berkouwer, Der Triumph der Gnade in der Theologie Karl Barths, 239 f.).  Die Bedeutung der Restitutionsvorstellung ist dabei nicht nur für die Glaubensweckung interessant, sie wird z. B. von Günther Thomas im Zusammenhang der Neuschöpfung wieder diskutiert. Nach Thomas führe die Bundeskonzentration Barths dazu, dass bezüglich der Neuschöpfung der „Aspekt der Restitution gegenüber dem der Verwandlung“ betont würde (G. Tho-

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3 Die Unmöglichkeit und Fremdheit des Glaubens

Für die menschliche Lebenswirklichkeit des Glaubens akzentuiert Barth somit die Anknüpfungslosigkeit und radikale Neuheit des Glaubens. Der ‚Anknüpfungspunkt‘ – wie auch die imago Dei – kann nicht im Wesen des Menschen liegen, sondern kommt ihm nur christologisch vermittelt zu:¹⁰³ „Das Ebenbild Gottes im Menschen, von dem hier zu reden ist, und das den wirklichen Anknüpfungspunkt für das Wort Gottes bildet, ist das durch Christus vom wirklichen Tode zum Leben erweckte und so ‚wiederhergestellte‘, die neugeschaffene rectitudo“ (I/1, 251).

Der Glaube als Möglichkeit der Ebenbildlichkeit bildet nach Barth einen neuen, durch Christus geschaffenen Anknüpfungspunkt. Damit bricht Barth gleichsam jegliche Brücke zwischen dem alten und neuen Menschen ab und spricht statt von einer ‚Reparatur‘ des alten Menschen vielmehr von einem „Neuanfang“, „Sprung“, „Bruch“ und „Wunder“, wie im nächsten Abschnitt auszuführen ist.¹⁰⁴

3.5 Der Glaube als Wunder, Sprung und schöpferischer Neuanfang Der Weckung des Glaubens schreibt Barth den Status eines göttlichen Wunders zu:¹⁰⁵ Dass wir Christen sind, entspricht dem Wunder, einen Stein vor einem Grab wegzurollen, dieser Stein ist „mindestens so groß und schwer – nicht vielleicht mas, Neue Schöpfung. Systematisch-theologische Untersuchungen zur Hoffnung auf das „Leben in der zukünftigen Welt“, Neukirchen-Vluyn 2009, 201). Es sei dabei nicht einsichtig, warum der Versöhnung bei Barth mehr als eine restitutio ad integrum folgen soll, da der Bund doch der Schöpfung vorgeordnet sei (vgl. ebd., 208). Dabei erscheint Thomas das Modell der Restitution als mangelhaft gegenüber einem alternativen Transformationsmodell, zu dem er Anhaltspunkte in Barths Schöpfungslehre sieht (vgl. ebd., 207). Diese von Thomas benannte Problematik lässt sich jedoch lösen, insofern anhand der hier dargestellten Argumentation deutlich wird, dass die Restitution des Bundes faktisch eine Transformation ist, da es kein integeres ‚Vorher‘ gibt, zu dem zurückgekehrt werden kann.  Auch zu Bultmann lässt sich hier ein Unterschied feststellen: Zwar wollte Bultmann nicht wie Brunner gewisse Fähigkeiten des Menschen als Anknüpfungspunkt ausweisen, aber aufgrund seiner existentialen Interpretation schreibt er: „der Mensch in seiner Existenz, als ganzer, ist der Anknüpfungspunkt.“ (R. Bultmann, Anknüpfung und Widerspruch (1946), in: R. Bultmann, Glauben und Verstehen, S. 117– 132, 120 f. im Original hervorgehoben).  Siehe zu den Bildern des Neuanfangs: III/1, 34; des Sprungs: I/2, 254– 256; des Durchbruchs gleich einer Geburt: IV/1, 556; des Wunders: I/1, 253.  Der Begriff ‚Wunder‘ gilt nach Korsch, ebenso wie ‚Wort Gottes‘ und ‚Heiliger Geist‘, als Ausdruck von Barths Dialektik, denn der Begriff soll einen „sachlich und gedanklich unvermittelbaren Unterschied vermittelnd umgreifen“ (D. Korsch, Religionsbegriff und Gottesglaube, 200).

3.5 Der Glaube als Wunder, Sprung und schöpferischer Neuanfang

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noch größer und schwerer? – als der vor der Grabestüre im Garten des Joseph von Arimathia“ (IV/2, 343).¹⁰⁶ An anderer Stelle spricht Barth von einer „wunderbar[en]“ Erweckung Gottes, der aus „Steinen“ Zeugen und Kinder Gottes machen könne (IV/3, 131), wobei Barth erneut auf das Wunder anspielt, aus toter Materie Leben zu erwecken. Gott allein hat die Fähigkeit, „Menschen ohne, ja gegen ihr eigenes Wissen und Wollen zu dem zu machen, was sie aus sich selbst auf keinen Fall werden könnten: zu seinen Zeugen.“ (IV/3, 132). Entsprechend der Klassifikation als Wunder erklärt Barth die Verursachung des Glaubens im göttlichen Wirken nicht näher, er beschreibt aber dessen Wirkung auf den Menschen: Die Offenbarung Christi fällt dabei „gewissermaßen senkrecht von oben in das Leben derer hinein, denen er sie gibt“ (IV/2, 592). Wie Gott das konkret anstellt, das ist nicht Teil unserer Erkenntnis, denn „Gott – konkret: das Werk und Wort des lebendigen Jesus Christus – ist in dieser Mitte, sein freies Schenken und Schaffen, und wenn irgendwo, so wird es hier […] heißen müssen: ‚Alles in uns schweige!‘“ (IV/1, 726). Auf die für Brunner entscheidende Frage, wie der Mensch als Sünder das Wort Gottes verstehen kann, d. h. „wie denn die Offenbarung in den Menschen hineingehe“ (I/2, 253), antwortet Barth mit dem Bild eines „gedanklichen Sprunges“ (I/2, 255): wie der Mensch zum Glauben geführt wird, ist Gottes Werk selbst und damit auch ein notwendiger ‚Sprung‘ in jeder Erklärung dieses Vorgangs. Von diesem in den Glauben ‚überführten‘ Menschen sei als Faktum auszugehen (I/2, 254), wie analog auch vom Weihnachtswunder auszugehen sei. Die Frage, die Brunner mit dem Anknüpfungspunkt zu beantworten versuchte, wird von Barth also nicht bloß anders beantwortet, sondern als „tollkühn“ und nicht erklärbar abgetan, weil sie nach dem Wirken der Offenbarung selbst fragt (I/2, 255). Barth bezeichnet diesen wundersamen, sprunghaften Übergang zum Glauben daher schlicht als „Geheimnis“ (I/2, 255) und „silentium altissimum“ (I/2, 256).¹⁰⁷ Somit stellt sich für Barth nur die Frage, ob diese Anknüpfung

 Entsprechend führt Barth auch weiter aus: Die „Neuheit“ des Glauben findet „zwar innerhalb der göttlichen und der ihr entsprechenden, durch sie begründeten kosmischen Ordnung stat[t], ohne sich doch aus dieser zu ergeben, wie er wohl in der Reihe aller anderen Ereignisse geschieht und nun doch nicht ein Glied ihres Gefüges ist“ (IV/2, 133).  Die Verkündigung soll dementsprechend in Barths Verständnis allein Gottes gnädiges Wirken bezeugen und nicht versuchen, irgendwelche Brücken von der göttlichen Botschaft zum nichtgläubigen Hörer zu bauen. In der Anrede der Welt durch die Gemeinde, wird die Welt aus der Sicht des Glaubens angesprochen und somit ihr Unglaube gerade nicht ernst genommen (vgl. IV/3, 922). Die Gemeinde sieht den Menschen als den an, der er in Gott schon ist und zugleich als Bedürftigen, da er noch in seinem Selbstwiderspruch gefangen ist, weil er des Evangeliums noch entbehrt (vgl. IV/3, 923; vgl. auch K. Barth, Fides quaerens intellectum, 67 f.).

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3 Die Unmöglichkeit und Fremdheit des Glaubens

durch Gottes Wirken Ereignis wird und wie dieses Ereignis in seiner Wirkung richtig zu beschreiben ist. Die Frage nach dem, woran Gott konkret anknüpft, überlässt Barth dem Wirken Gottes und bezeichnet es als Sprung, Wunder oder christologische Neuschöpfung.¹⁰⁸ Für die im Glauben gestiftete neue Wirklichkeit verwendet Barth verschiedene, weitere Bilder, welche die Radikalität des Neuen unterstreichen. In KD I/1 nimmt Barth das Bild des Hohlraums wieder auf, das er in seinem Römerbriefkommentar schon eingeführt hatte.¹⁰⁹ Die Anknüpfungslosigkeit der Begegnung mit Gott auf Seiten des Menschen führt dazu, dass Barth von dem Menschen mitsamt seiner Erfahrung, seiner Tat und seinem Glaubensbewusstsein als einem „Hohlraum“ spricht (I/1, 256), der an der Weckung gänzlich unbeteiligt ist und allein durch Gottes Wort ‚gefüllt‘ wird. Weil Gottes Gnadenwirken die Wirklichkeit des Glaubens und erst in dieser Wirklichkeit auch die Möglichkeit dazu begründet, spricht Barth in KD I/2, wie oben schon ausgeführt (s.o. 3.3), von diesem Geschehen als einem „in sich geschlossenen Kreis“ (I/2, 305), zu dem vom alten Menschen keine Brücke führe. Barth verwendet daher in KD I/2 auch das Bild des Sprunges. Allerdings beschreibt Barth damit nicht in Anlehnung an Kierkegaard den Sprung des Menschen, den dieser von sich aus ins Ungewisse, d. h. aktiv hinein in den Glauben unternimmt, wobei eine gewisse Brücke im Wollen des springenden Menschen vorläge (vgl. I/2, 256). Nach Barth ‚springt‘ vielmehr Gott den Menschen, d. h. er schafft ihn neu als „Menschen jenseits jenes notwendigen Sprunges“ (I/2, 255). So ist es ein Übergang, den Gott für den Menschen vollzieht und der sich aus menschlicher Perspektive retrospektiv als Sprung darstellt: „wir haben hier einen Sprung gemacht“ (I/2, 254).¹¹⁰ Der Sprung selbst ist als ein Werk des Geistes dem Menschen nicht weiter verfügbar und somit ein Geheimnis (vgl. I/2, 255). Gerade weil der Glaube für den Menschen unverfügbar ist und erst von Gott herbeigeführt wird, erscheint dem Menschen sein Glaube als etwas Plötzliches, das er nicht kommen sieht, noch aus seinen eigenen Lebensvollzügen herleiten könnte. In der retrospektiven Position des ‚Nachher‘, nämlich bereits im Glauben, erscheint dem Gläubigen dann sein ‚Weg‘ in den Glauben als Sprung.

 Vgl. zu der Unterscheidung von ‚ob‘, ‚wie‘ und ‚woran‘: C. Gestrich, Neuzeitliches Denken und die Spaltung der dialektischen Theologie, 348.  Vgl. K. Barth, Der Römerbrief, 86. 153 u. ö.  Diese rückblickende Erkenntnis weist Ohly bei Barth als die Grundstruktur der menschlichen Erfahrung im göttlichen Offenbarungsereignis aus. Siehe L. Ohly, Die zeitliche Paradoxie des Ereignisses bei Karl Barth, in: ZThK 112, H. 3 (2015), S. 337– 357, 338 f.

3.5 Der Glaube als Wunder, Sprung und schöpferischer Neuanfang

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Auch in KD IV/3 wird der Glaube als „Entscheidung“ und „Sprung“ beschrieben (IV/3, 625). Dort springt der Mensch ebenso nicht „auf eigene Faust und in eigener Initiative“, sondern durch den Geist Christi wird der Christ dazu berufen und ist damit „zu solchem Tun nicht nur aufgefordert, sondern ermächtigt.“ (IV/3, 625) Der Glaube ist dann ein Neuanfang ohne ‚Vorher‘. Das Bild vom Sprung durchbricht radikal die Kontinuität zum Leben des alten Menschen.¹¹¹ Das Subjekt des Glaubens wird in der Begegnung mit Gott selbst erst geschaffen. Nur bei diesem durch Gott neu geschaffenen Menschen kann Barth von einem Anknüpfungspunkt, d. h. einer menschlichen Bereitschaft für Gott sprechen. Damit schafft der Glaubensakt nach Barth erst den Gläubigen: Gott tritt nicht in den Bereich eines vorher bereiten Erkenntnissubjekts, „sondern, indem dieses Objekt [Gott] auf den Plan tritt, schafft es selber allererst das Subjekt seiner Erkenntnis.“ (II/1, 22) Damit setzt Gott einen schlechthin neuen Anfang der menschlichen Existenz im Verhältnis zu Gott. Und in diesem Gottesverhältnis kann sich der Gläubige nur als dort Hineinversetzter vorfinden, sodass ihm auch im Glauben kein Verfügen über den Weg zum Glauben zukommt. So wird in dieser Aufschließung des Subjekts für die Objektivität Gottes die Subjektivität des Menschen neu begründet: „Glaube heißt in der Bibel: die Öffnung der menschlichen Subjektivität durch die Objektivität des göttlichen Er und für diese Objektivität und in dieser ihrer Öffnung die Neubegründung und Neubestimmung der menschlichen Subjektivität.“ (II/1, 13)

Der Glaube ist demnach die Neubegründung des Menschen. Auch in KD III, der Schöpfungslehre, beschreibt Barth den Glauben als neuen Anfang, dem er eine schöpferische Qualität zuschreibt, denn in Christus sei dem Glaubenden der Schöpfer begegnet, der seine gläubige Existenz schafft: „[F]ür den an ihn Glaubenden: für ihn ist in Jesus Christus jedenfalls auch der Schöpfer da – ein schlechthin neuer Anfang von Gott her gesetzt, ein schlechthin neuer Anfang seiner Existenz, […] eine Macht, die seine ganze Wirklichkeit nicht nur neu beleuchtet und auch nicht nur verändert und verbessert, sondern eben umgewandelt, erneuert hat.“ (III/1, 34)

 Der göttliche Freispruch ist nach Barth ein einfürallemal und alle scheidendes Urteil in der Zeit, durch das ein Abgrund zwischen altem und neuem Menschen aufgerissen wird (vgl. IV/1, 635).

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3 Die Unmöglichkeit und Fremdheit des Glaubens

Das Ereignis, in welchem dem Menschen die Möglichkeit zum Glauben geschenkt wird, ist für ihn „schlechthin revolutionär“ (III/1, 34) und für Barth somit nur als Neuschöpfung angemessen beschreibbar.¹¹² Diesen Gedanken führt Barth auch in seiner Christologie in KD IV fort, indem dort Christi Versöhnung „einen Anfang alles Erkennens“ setzt, wo es für den „Menschen keinen Anfang gibt“ (IV/1, 85). Der Abgrund zwischen Gott und Mensch wird somit allein von Gott überschritten: „Und nun wird dieser Abgrund überschritten: nicht vom Menschen und auch nicht von Gott und vom Menschen, sondern exklusiv von Gott her […, der] sich dem Menschen schenkt und zu erkennen gibt: ihm, der doch, um ihn zu empfangen und zu erkennen […] keine Willigkeit und Fähigkeit hat – ihm als sein Gott: der nie aufhörte und auch nicht aufhören will, sein Gott, der Gott auch des sündigen, des ganz und gar fleischlichen Menschen zu sein. Und nun wird auch das wirklich, daß kraft jener Grenzüberschreitung Gottes eben dieser Mensch, nicht wissend, wie er dazu kommt und wie ihm geschieht […], auch nachträglich durchaus nicht in der Lage, sich das an ihm Geschehene von sich aus, im Blick auf irgend einen Anknüpfungspunkt, den Gott bei ihm gefunden haben möchte, zu erklären“. (IV/1, 87)

Damit beschreibt Barth auch in KD IV/1, dass erstens das Christusereignis (wie vorher die Offenbarung Gottes in Christus) notwendig ist, um den Abgrund zwischen Gott und Mensch zu überbrücken, und dass zweitens diese Überschreitung und Glaubensermöglichung ohne menschlichen Anknüpfungspunkt geschieht. Sowohl die objektive Ermöglichung der Versöhnung als auch die subjektive Aneignung der Versöhnung sind Tat Gottes und werden dem Menschen nur aus freier Gnade geschenkt.¹¹³ In KD IV begründet Barth die Diskontinuität zwischen Sünder und Gläubigem theologisch, indem er das Kreuzesgeschehen als radikale Verneinung des gottlosen Menschen und finalen Tod des Sünders auslegt (vgl. IV/1, 323 f.). Die Auferstehung Jesu hingegen offenbart Gottes immer schon sein ‚Nein‘ umschließendes ‚Ja‘ (vgl. IV/2, 157 f.). Die gleichzeitige Totalität von ‚Nein‘ und ‚Ja‘ wird aber nicht von Seiten des Menschen überbrückt. Ihr Zusammenhang besteht nach Barth vielmehr einzig in der Geschichte der Person Jesu Christi. Daher ist der

 Der Begriff der Umwandlung deutet hierbei schon auf eine gewisse Kontinuität des Menschen hin, die unten in Kap. 4 und Kap. 7.4 weiter besprochen wird.  Diesen Gedanken entfaltet Barth dann explizit in KD IV/3 weiter, indem er das dritte, prophetische Amt Christi so entwickelt, dass Christus nicht nur objektiv als Erlöser die Versöhnung gewirkt hat, sondern auch subjektiv für das Wirklichwerden dieser Versöhnung bei dem Menschen verantwortlich ist (s.u. Kap. 6.2.3). Zugleich wendet sich Barth kritisch gegen eine Aufspaltung von objektiver und subjektiver Versöhnung (s.u. Kap. 6.4.1).

3.6 Systematische Auswertung: Konstitution des Glaubens im Werk Gottes

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Glaube für Barth zwar ein menschlicher Akt, aber keiner, dem eine menschliche Potenzialität vorausginge (vgl. IV/2, 345). Mit den Bildern des ‚Hohlraums‘, ‚Zirkels‘ und ‚Sprungs‘ in KD I über die Gedanken des radikal neuen Anfangs ohne Vorher und der christologischen Neuschöpfung bis zu seinen Ausführungen in KD IV verneint Barth einen intelligiblen Übergang vom alten zum neuen Menschen. Dem Nicht-Gläubigen ist der Glaube demnach völlig fremd und erst der Gläubige kann retrospektiv feststellen, dass er von etwas Altem zu etwas Neuem geworden ist und diesen Sprung als göttliches Wirken beschreiben, das durch Christus ermöglicht wurde. Der Glaube ist selbst dieser neue Anfangspunkt der menschlichen Existenz.

3.6 Systematische Auswertung: Konstitution des Glaubens im Werk Gottes Ausgehend von Barths Diskussionspartner Brunner haben wir die Frage nach der Ansprechbarkeit der Menschen für die kirchliche Verkündigung untersucht (3.1). Dabei wurde der Mensch auf das hin in den Blick genommen, was ihm für Möglichkeiten und Fähigkeiten zur Gottesbeziehung und Gotteserkenntnis zukommen. Anhand von Barths Gnadenverständnis konnte herausgearbeitet werden, dass jegliche menschliche Mitwirkung bei der Entstehung des eigenen Glaubens ausgeschlossen wird (3.2). Die Gnade darf dem Menschen weder Besitz noch Gesetz sein, sodass Gott nicht nur objektiv in Jesus Christus die Möglichkeit zum Glauben schuf, sondern er auch die subjektive Aneignung des Glaubens bewirkt. Hierbei wurde die Wirklichkeit des Glaubens dessen Möglichkeit vorgeordnet, insofern sich erst im von Gott gestifteten Gottesverhältnis entscheidet, dass der Mensch mit Gott in einer Beziehung stehen kann. Ferner konnte festgestellt werden, dass Barth für sein Verständnis des geschenkten Glaubens die Terminologie des Anknüpfungspunktes affirmativ aufgreift, sie allerdings christologisch interpretiert und als analogia fidei deutet (3.3). Diejenige Bereitschaft für Gott, an der angeknüpft wird, ist hier die Bereitschaft des wahren Menschen Jesus Christus, der stellvertretend für alle Menschen das ‚Ja‘ des Glaubens gesprochen hat. Dieser christologischen Umformung des Anknüpfungspunkts entspricht Barths Ablehnung einer klassischen Urstandslehre und dem aus ihr abgeleiteten Begriff des Glaubens als restitutio ad integrum (3.4). Stattdessen wurden verschiedene Bilder Barths analaysiert, welche die Anknüpfungslosigkeit des Neuen im geschöpflichen Menschen betonen (3.5). Barths Selbstauskunft, dass es für ihn keinerlei Anknüpfungspunkt gebe, hat sich jedoch als unzutreffend herausgestellt, denn die kirchliche Verkündigung

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3 Die Unmöglichkeit und Fremdheit des Glaubens

knüpft durchaus an der Lebenswelt des Menschen an.¹¹⁴ Allerdings wurde in diesem Kapitel nach der konstitutiven Funktion dieses Anknüpfungspunktes gefragt. In dieser Hinsicht gibt es im geschöpflichen Menschen keinen konstitutiven Anknüpfungspunkt und dementsprechend ist für Barth der Mensch auch nicht auf eine verborgene Art bereits religiös bzw. gläubig, vielmehr das Gegenteil. Der christliche Glaube trifft den Menschen von außen als etwas Neues. Im Ergebnis scheint der Glaube dem nicht-gläubigen Menschen radikal fremd zu sein. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird allerdings gezeigt werden (s.u. Kap. 4), dass Barth zwar von einer Fremdheit des Glaubens für den sündigen Menschen spricht, er den Glauben jedoch nicht als dem Menschen schlechthin wesensfremd bestimmt. Vielmehr ist der Glaube dem Menschen zwar fremd in Hinblick auf seine eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten, aber er ist dem menschlichen Wesen nicht im eigentlichen Sinne fremd, sondern das Telos und die eigentliche Vollendung seines Wesens.

 Barths Begründung für die Zuwendung zum Nächsten liegt darin, dass Gott sich diesem schon längst zugewendet hat. Gegen die verschiedentlich vorgebrachte Kritik an Barths Verkündigungsverständnis ist einzuwenden, dass er nicht von einer „Friss oder Stirb“-Verkündigung ausgeht, sondern ein solches Zeugnis meint, das in „Solidarität“ (IV/3, 886) mit dem Nächsten „verständnisvolle Argumentationen, Schritte der Einsicht und Stufen der Erkenntnis“ zulässt (W. Krötke, Gott und Mensch als ‚Partner‘, 119).

4 Die exzentrisch-christologische Bestimmung zum Glauben Barth zufolge ist es für den Menschen „natürlicher […] zu glauben, als Atem zu holen“ (KD IV/1, 832). Gleichwohl hat die Diskussion um die menschliche Möglichkeit des Glaubens gezeigt (s.o. Kap. 3), dass der Glaube dem Menschen fremd ist und ihm nur wundersam und durch Christus ermöglicht zukommen kann. Das vorliegende Kapitel soll dementsprechend klären, wie sich die Bestimmung des Glaubens als etwas dem Menschen ‚natürliches‘, d. h. zutiefst wesensgemäßes einerseits und die faktische Unmöglichkeit des Glaubens andererseits vereinbaren lassen. Zwei Ebenen werden hierzu im Folgenden unterschieden: Erstens muss der Glaube in Hinsicht auf den Menschen, wie er an sich ist, als Unmöglichkeit angesehen werden (entsprechend der Untersuchung in Kap. 3). Diese Beschreibung bezieht sich auf die ontische Ebene, d. h. die geschichtlich-irdische Gestalt des Menschen de facto. Zweitens kann Barth aber, wie folgend zu zeigen ist, feststellen, dass die Bundespartnerschaft zwischen Gott und Mensch Grund und Ziel der Schöpfung ist. Sie ist daher die ontologische Bestimmung des menschlichen Wesens und gilt – wie die imago Dei – jedem Menschen in Christus de iure. Im Glauben wird diese Bundespartnerschaft vom Menschen selbst bejaht und die Anteilnahme an ihr wird geschichtlich realisiert, sodass weiter zu folgern sein wird, dass der Glaube gerade der ontologischen Bestimmung des menschlichen Wesens entspricht und dem Menschen insofern zutiefst wesensgemäß ist. Demnach ist in diesem Kapitel zwischen der ontologischen Bestimmung des Menschen in Jesus Christus und seiner ontischen Gestalt als Sünder zu unterscheiden.¹ Wie genau Barth diese christologische Bestimmung des Menschseins durchführt und was die Wesensbestimmung des Menschen als Teilhabe an Jesus Christus hinsichtlich des Glaubens bedeutet, soll erörtert werden. Ziel ist es dabei aufzuzei-

 Hierbei kann an Krötke und Jüngel angeknüpft werden: Krötke unterscheidet zwischen der „ontologischen“ Bestimmung des Menschen als gutem Geschöpf Gottes und seinem ontischen Status als Sünder (vgl. W. Krötke, Sünde und Nichtiges bei Karl Barth, 69): „Das Sein des Menschen als Sünder bleibt durch die Gnade Gottes ontologisch konstituiert. Das Sein des Menschen als Sünder konstituiert der Mensch, indem er sündigt.“ (ebd., 70) Jüngel unterscheidet zwischen der „ontologischen Verbundenheit Gottes mit allen Menschen“ und dem „im Verhalten des Menschen begründeten ontisch-existenziellen Gottesverhältnis“ (E. Jüngel, Gelegentliche Thesen zum Problem der natürlichen Theologie, in: E. Jüngel, Entsprechungen, S. 198 – 201, 200; vgl. dazu auch M. Roth, Der Mensch als Gewißheitswesen. Franz Hermann Reinhold von Franks theologische Anthropologie und ihre systematische Bedeutung, Aachen 1997, 11). https://doi.org/10.1515/9783110574876-005

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4 Die exzentrisch-christologische Bestimmung zum Glauben

gen, wie die ontologische Bestimmung (de iure) das geschichtlich-ontische Sein des Menschen (de facto) schon prägt und was die Unterscheidung der beiden für den Glauben bedeutet. Damit kann die These belegt werden, dass der Glaube dem Menschen nur ontisch fremd, ontologisch jedoch wesensgemäß ist. Die Schwierigkeit dieses Kapitels besteht darin, dass Barth verschiedenste Begriffe gebraucht, um diese ontisch-ontologische Differenz zu beschreiben, und diese Begriffe teils auch ihre Bedeutung ändern. Beispielsweise unterscheidet Barth in seiner Rede vom Menschen zwischen dem einen „wahre[n] Mensch[en]“ Jesus, der das menschliche Urbild ist (III/2, 248 u. ö.), und den übrigen Menschen, die an Jesu Menschheit teilhaben. Barths Rede vom ‚wirklichen Menschen‘ changiert dabei zwischen der Bezugnahme auf den wahren Menschen Jesus und auf die übrigen Menschen.² Wirklich im Barthschen Sinn ist nicht die irdische Realität wie sie uns dem Phänomen nach erscheint, sondern vielmehr die göttliche Perspektive auf die Welt, die in Jesus Christus mit Gott versöhnt ist.³ In Bezug auf Jesus Christus und die übrigen Menschen wird von Barth häufig der Begriff der „Natur“ oder des „menschlichen Wesens“ verwendet.⁴ Der somit

 Einerseits bezeichnet Barth als ‚wirklichen Menschen‘ denjenigen, der geschöpflich als Mensch lebt und insofern real, d. h. ‚wirklich‘ ist. So sei auch Jesus Christus – im Gegensatz zum Doketismus – ein „wirklicher Mensch“, weil er „in der wirklichen Geschöpfwelt gestorben[ ] und auferstanden[ ]“ ist (III/1, 418). Andererseits benutzt Barth den Ausdruck ‚wirklicher Mensch‘ auch synonym für den wahren Menschen Jesus Christus: „Nicht daß er als Mensch geboren […], macht ihn für sie zum wirklichen Menschen, sondern dies: daß er als Heiland geboren wird, […] wirklicher Mensch zu sein.“ (III/2, 68). In einem Gespräch mit Zürcher Promovenden wird 1962 die Frage des theologischen Wirklichkeitsbegriffs diskutiert. Ein Promovend stellt unter Zustimmung Barths die These auf: „Es handelt sich darum, vom Evangelium her zu behaupten, was die Wirklichkeit des Menschen ist.“ (K. Barth, Gespräch mit Zürcher Promovenden (1962), in: K. Barth, Gespräche 1959 – 1962, S. 399 – 404, 399). In der vorliegenden Arbeit wird daher vom wirklichen Menschen als dem Menschen in Christus, d. h. dem Menschen gemäß seiner ontologischen Bestimmung gesprochen. Wenn die ‚wirklich lebenden‘ Menschen bezeichnet werden sollen, spreche ich von den ‚übrigen Menschen‘, d. h. allen Menschen außer Christus.  Jüngst hat auch Käfer auf diese ontisch-ontologische-Differenz hingewiesen (vgl. A. Käfer, Inkarnation und Schöpfung. Schöpfungstheologische Voraussetzungen und Implikationen der Christologie bei Luther, Schleiermacher und Karl Barth, Berlin, New York 2010, 218 – 227). Dabei kritisiert sie, dass Barth die „eine Wirklichkeit“ bestreite, da er letztlich nicht nur von einer Differenz zwischen der ontologischen Bestimmung und ontischen Verkehrung, sondern „von zwei einander entgegengesetzten und sich widersprechenden Ontologien“ ausgehe (ebd., 227). Dagegen zeigt Gundlach jedoch treffend, dass zwar zwischen der „erwählte[n] Wirklichkeit“ und der „empirisch-vorfindlichen Wirklichkeit“ zu unterscheiden sei (T. Gundlach, Selbstbegrenzung Gottes und die Autonomie des Menschen, 226), doch werde ihr Zusammenhalt darin gesichert, dass die Erwählung der „wirksame Seinsgrund“ der empirischen Wirklichkeit ist (ebd., 228).  Der Begriff der „menschlichen Natur“ (III/2, 247 u. ö.) findet sich allein in KD III schon 81-mal, der Begriff des „menschliche[n] Wesen[s]“ (III/2, 69 u. ö.) oder „Wesen des Menschen“ (III/1, 65

4 Die exzentrisch-christologische Bestimmung zum Glauben

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auch in diesem Kapitel aufgegriffene Wesensbegriff darf dabei jedoch nicht im Sinne einer statischen Essenz verstanden werden, denn er beschreibt vielmehr die Relationen, durch die und in denen der Mensch von Gott zum Bundespartner und Mitmenschen konstituiert wird, denn „eben der Inbegriff dieser Verhältnisse ist das, was wir hier unter dem geschöpflichen Wesen des Menschen verstehen.“ (III/2, 46) Ein weiterer zentraler Begriff für die folgende Untersuchung des menschlichen Wesens ist die ‚menschliche Bestimmung‘. Hierbei ist zwischen einer fundamentalen ontologischen Bestimmung des Menschen, die sein geschichtliches Wesen teleologisch formt, und „Bestimmungen“ (III/2, 333) seines geschichtlichen Lebensvollzugs zu unterscheiden.⁵ Im Fortgang dieser Arbeit geht es nur um die fundamentale Bestimmung des Menschen zum Bund und wie diese die geschichtliche Existenz des Menschen prägt. Folgend soll zuerst Barths Methode skizziert werden, wie er die Anthropologie sowohl noetisch als auch ontologisch aus der Christologie entwickelt (4.1). Daraufhin kann die Bestimmung des menschlichen Wesens materialiter entfaltet werden (4.2): Der Methode Barths folgend, wird am ‚einzig wahren Menschen’ Jesus Christus nachvollzogen, inwiefern der Mensch zum Bundespartner geschaffen wurde und somit in seinem Wesen bereits zur Gottesbeziehung bestimmt ist. Anhand von Barths Unterscheidungen zwischen dem Erwählt-Sein und Erwählt-Leben (4.3.1) sowie zwischen de iure und de facto (4.3.2) wird dann die Unterscheidung und Bezogenheit der ontologischen Bestimmung und ontischen Wirklichkeit insofern geklärt, als gezeigt werden kann, dass die ontologische Bestimmung im Glauben schon ansatzweise ontisch realisiert wird. Für den Glauben bedeutet diese Verwiesenheit auf die Wirklichkeit de iure in Christus, dass er die Anteilhabe an dieser christologischen Wirklichkeit darstellt und somit strukturell ‚ek-zentrisch‘ ist (4.3.2). In einem letzten Schritt ist der Zusammenhang zwischen dieser Analyse und der Zurückweisung einer menschlichen Möglichkeit in Kap. 3 zu explizieren. u.ö.) weit über 100-mal. In dieser Arbeit wird primär der Wesensbegriff aufgenommen, weil durch ihn die naheliegende Opposition von Natur und Gnade umgangen wird, die hier bei Barth insofern nicht vorliegt, als die Natur des Menschen schon in der Gnade Gottes gründet.  Bestimmungen wie Sünde und Gnade verändern die Art der menschlichen Lebensverhältnisse, ohne aber das Bestehen der Verhältnisse an sich zu verändern (vgl. III/2, 46): „Es ereignen sich in der Geschichte des Bundes zwischen Gott und Mensch zwei Bestimmungen des Menschen, die in keiner Weise zu seiner Geschöpflichkeit und also zu seiner Natur gehören: die eine ist seine Bestimmung durch die unbegreifliche Tat seiner eigenen Sünde, die andere ist seine Bestimmung durch die noch unbegreiflichere Tat der göttlichen Barmherzigkeit.“ (III/2, 333) Das Wesen des Menschen ist somit nicht mit den Bestimmungen gleichzusetzen, wenngleich es fundamental durch sie bestimmt wird.

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4 Die exzentrisch-christologische Bestimmung zum Glauben

Anhand von Barths Konzeption der imago Dei als einer christologisch begründeten analogia relationis kann dabei gezeigt werden, dass die fundamentale ontologische Bestimmung des Menschen zum Bundespartner Gottes schon Abbilder in der Schöpfung hat (4.4). Aber ungleich Brunners Analyse ist dies nicht als Widerspruch zu der früheren Position Barths zu bewerten, da Barth eine schöpfungstheologische Begründung ausschließt. Vielmehr kann abschließend die Wesensgemäßheit des Glaubens festgestellt werden, ohne seinen wundersamen Charakter für den Menschen zu leugnen (4.5): Indem der Glaube als ein Perspektivwechsel des Gläubigen beschrieben wird, erkennt der Mensch im Glauben de facto die für ihn neue Gottesbeziehung, die ihm aber durch Christi Stellvertretung de iure schon wesentlich war.

4.1 Barths Methode: Anthropologie aus der Christologie Barths KD soll die gesamte christliche Lehre „ausschließlich und folgerichtig[, …] direkt oder indirekt […] von Jesus Christus als von dem uns gesagten lebendigen Wort Gottes“ her entwickeln, und insofern auch die Anthropologie.⁶ Bei dieser  K. Barth, Parergon, 272. Diese Methode Barths wurde vielfach in der Sekundärliteratur besprochen. Exemplarisch ist hier auf die ausführliche Arbeit des katholischen Theologen Friedmann zu verweisen, der sowohl die Entwicklung Barths hin zu der christologischen Begründung der Anthropologie aufzeigt, als auch deren Durchführung in der KD erörtert: E. H. Friedmann, Christologie und Anthropologie. Methode und Bedeutung der Lehre vom Menschen in der Theologie Karl Barths, Münsterschwarzach 1972, bes. 39 – 190. Eine der frühesten Darstellungen der Anthropologie anhand von KD III/2 findet sich in: H. Vogel, Ecce Homo. Die Anthropologie Karl Barths. Referat und Gegenfrage, in: VF. Theologischer Jahresbericht 1949/50 (1951/52), S. 102– 128, 102– 121. Vogel bezeichnet sie als „fröhliche Anthropologie“, weil sie den Menschen gänzlich vom Bund her zu verstehen sucht (ebd., 122). Gestrich bewertet die Barthsche Anthropologie äußert positiv in Hinblick auf ihre aktuelle Relevanz und Anschlussfähigkeit: Denn „Barths Anthropologie auf dem Boden der Christusanalogie [ist] allerdings frei, sich auf das gegenwärtige Erfahrungsbewußtsein in seinem faktischen Bestand und in seiner ganzen Widersprüchlichkeit ohne ‚theologische Vorfixierung‘ einzulassen. Die Analogie nimmt das Menschliche, wie es als Phänomen erfahren und erkannt wird. Und so ist es eigentlich merkwürdig, daß sich in der evangelischen Theologie nicht bereits die Meinung durchsetzte, heute biete keine andere Dogmatik von ihrem Ansatz her so gute Möglichkeiten für das interdisziplinäre Gespräch wie gerade die Barthsche.“ (C. Gestrich, Neuzeitliches Denken und die Spaltung der dialektischen Theologie, 229). Kritik wird hingegen besonders von Härle geübt, der sowohl die Vorordnung des Bundes vor die Schöpfung kritisiert (vgl. W. Härle, Sein und Gnade, 88) als auch eine Missachtung des a priori des erkennenden Menschen in Barths Umordnung von Anthropologie und Christologie moniert (vgl. ebd., 314 f.). Dabei zeigt Härle durchaus treffend, dass es für Barth eine Möglichkeit der wahren Erkenntnis über den Menschen gibt, die nicht die Christusoffenbarung zur Quelle hat,

4.1 Barths Methode: Anthropologie aus der Christologie

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christologisch fundierten Anthropologie geht es Barth im Besonderen um das Gottesverhältnis des Menschen: „Was sie selbst in ihrem Verhältnis zu Gott sind, das hängt also an dieser ihrer Bestimmung, das hat seine Wirklichkeit nicht in ihnen selbst, sondern in Ihm, jenem Einen.“ (III/2, 269) Demnach wird uns das Wesen des Menschen allein in dem einen Menschen Jesus Christus sichtbar: „Indem der Mensch Jesus das offenbarende Wort Gottes ist, ist er die Quelle unserer Erkenntnis des von Gott geschaffenen menschlichen Wesens.“ (III/2, 47) Barth gründet somit die „Anthropologie auf die Christologie“ (III/2, 50). Das Besondere an Barths christologischer Methode ist, dass Christus nicht nur noetisch der Erkenntnisgrund der Anthropologie (ratio cognoscendi) ist, sondern er ist vielmehr deshalb der Erkenntnisgrund, weil er als der eine wahre Mensch auch der ontische Grund des menschlichen Wesens ist (ratio essendi) und es somit ontologisch bestimmt:⁷ „Wo nun ein solcher echter noetischer Zusammenhang besteht, da kann man immer damit rechnen, daß er ontischen Grund hat. […] Jesus Christus ist darum das Wort, durch das uns die Erkenntnis der Schöpfung vermittelt wird, weil er das Wort ist, durch das Gott die Schöpfung vollzogen hat und durch das er sie fort und fort erhält und regiert.“ (III/1, 29)

Jesus Christus ist für Barth der eine wahre Mensch, in dem die für das menschliche Wesen konstitutiven Verhältnisse zu Gott und zum Mitmenschen verwirklicht sind, sodass er der ontische Grund des menschlichen Wesens ist. Demnach kann das, was über den Menschen vor Gott zu sagen ist, „aus ihm [Christus] selbst“

aber es zugleich keinerlei Möglichkeit wahrer anthropologischer Erkenntnis gebe, die nicht die Christusoffenbarung zur Voraussetzung habe (vgl. ebd., 278). Waap kritisiert Barths Entfaltung der Anthropologie aus der Christologie, weil sie dazu führe, dass der historische Jesus in den Hintergrund trete und Barth die Christologie „ontologisiert“ um den Bundesgedanken auf die Schöpfung anzuwenden (T. Waap, Gottebenbildlichkeit und Identität, 312). Weiter kritisiert Stock an Barths Methode, dass sie als christologische Anthropologie auf einer nicht entfalteten theologischen Anthropologie sekundär aufbaue (vgl. K. Stock, Anthropologie der Verheißung, 92. 109) und ihr eine pneumatologische Vermittlung fehle, da Jesus bei Barth einfach offenbar sei (vgl. ebd., 94. 111).  Anders sieht dagegen Stock die „methodische Neuerung“ Barths hauptsächlich darin, dass er die Anthropologie nicht auf der Reflexion über die menschliche Erfahrung begründet, sondern den „Umweg über die biblischen Zeugnisse wählt“ (ebd., 15). Über Stock hinaus muss jedoch gerade die ontologische Begründung in Christus betont werden, wie sie z. B. auch Jüngel in seinem Aufsatz hervorhebt: vgl. E. Jüngel, Die Möglichkeit theologischer Anthropologie auf dem Grunde der Analogie. Eine Untersuchung zum Analogieverständnis Karl Barths, in: E. Jüngel, Barth-Studien, S. 210 – 232, bes. 216 f. Eine ausführlichere Darstellung der Anthropologie Barths in der KD findet sich zum Beispiel bei M. So, Die christologische Anthropologie Karl Barths, 1973.

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4 Die exzentrisch-christologische Bestimmung zum Glauben

abgelesen werden, weil er das „Urbild“ aller Menschen ist (IV/2, 298). Somit ist und offenbart Christi Menschsein das Wesen der Menschen „in ihrer urbildlichen und ursprünglichen Gestalt“ (III/2, 60). In Christus zeigt sich das wirkliche Wesen des Menschen: „Dieser Mensch ist der Mensch.“ (III/2, 49) Dieses Wesen gilt es zunächst zu explizieren (4.2), bevor dann gefragt werden kann, wie die übrigen Menschen daran teilhaben (4.3).

4.2 Der Mensch als Bundespartner Gottes 4.2.1 Die Vorordnung des Bundes vor die Schöpfung Barth entwickelt anhand des Menschen Jesus Christus und somit aus der Christologie, dass das menschliche Wesen konstitutiv durch seine Gottesbeziehung geprägt wird. Das bedeutet weiter, dass die Erwählungslehre der dogmatische Locus für die Anthropologie ist, denn der Mensch existiere nur, weil er von Gott erwählt und dazu bestimmt ist, Partner im Bund mit Gott zu sein.⁸ Daher bildet die Erwählung, das ist in concreto die Erwählung Jesu Christi (s.u. 4.2.2), die Grundlage dafür, wie der Mensch geschaffen und beschaffen ist.⁹ So wird die Erwählungslehre der Schöpfungslehre vorangestellt. Das Thema der göttlichen Erwählung, d. h. die Prädestinationslehre, behandelt Barth in der Gotteslehre (KD II/2; s.o. Kap. 2.3.2). Diese untypische Platzie-

 Eine ausführliche Darstellung der Erwählungslehre Barths im Vergleich mit den klassischen Entwürfen Augustins, Thomas’, Luthers und Calvins bietet der katholische Theologie Kraus, der besonders den ekklesiologischen Universalismus Barths hervorhebt: G. Kraus, Vorherbestimmung. Traditionelle Prädestinationslehre im Licht gegenwärtiger Theologie, Freiburg 1977. Auch Kreck setzt sich ausführlich mit der Erwählungslehre Barths auseinander: W. Kreck, Grundentscheidungen in Karl Barths Dogmatik, bes. 188 – 244.Vielfach wird die Erwählungslehre als das Kernstück der KD angesehen, vgl. McCormack (s.o. Kap. 2.1, Anm. 2); H. T. Goebel, Vom freien Wählen Gottes und des Menschen. Interpretationsübungen zur „Analogie“ nach Karl Barths Lehre von der Erwählung und Bedenken ihrer Folgen für die kirchliche Dogmatik, Frankfurt am Main 1990, 312– 328.  Eine ausführliche Darstellung der Erwählung Christi als Grundgeschichte des Bundes Gottes in der KD findet sich bei ebd., 23 – 102. Trotz der Besonderheit Barths, die Anthropologie in der logisch der Schöpfung vorgeordneten Erwählung zu begründen, zeigen sich strukturelle Ähnlichkeiten mit der Anthropologie Luthers, wie sie von Joest und Härle rekonstruiert werden. So ist bei Barth wie Luther der Mensch konstitutiv von seiner Gottesbeziehung her zu verstehen, sein Wesen wird entsprechend nur in der Ausrichtung auf Gott verwirklicht und die Verkehrung seiner Wesensstruktur ist gleichbedeutend mit dem Unglauben. Siehe hierzu: W. Härle, Der Glaube als Gottes- und/oder Menschenwerk in der Theologie Martin Luthers, 45 – 51; W. Joest, Ontologie der Person bei Luther, 233 – 353.

4.2 Der Mensch als Bundespartner Gottes

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rung dieses Locus begründet Barth damit, dass Gott falsch gedacht würde, käme er nur als Subjekt „für sich und als solches“ (II/2, 3) in Betracht. Vielmehr ist Gott der Liebende und damit auf Gemeinschaft aus. Liebe als „ein inneres Sein und Sichverhalten Gottes selber“ (II/1, 397) wird dabei inhaltlich so bestimmt, dass sie ein „Suchen und Schaffen von Gemeinschaft um ihrer selbst willen“ ist, „ohne Rücksicht auf eine schon vorhandene Eignung und Würdigkeit des Geliebten.“ (II/1, 310 – 312) Dementsprechend ist Gott nicht für sich, sondern als Liebender immer schon in Beziehung, nämlich „in einem bestimmten Verhältnis zu [… einem] Anderen“ (II/2, 4). Die Erwählung eines anderen ist somit für Gott essentiell,¹⁰ „weil Gott selber nicht anders Gott sein will und also auch nicht anders Gott ist, denn als dieser Wählende.“ (II/2, 83) So schreibt Barth auch in IV/2: „Gott war immer Partner: der Vater dem Sohn, der Sohn dem Vater.“ (IV/2, 384).¹¹  Die Partnerschaft zwischen Gott und Mensch bildet auch für Wolf Krötke eine ‚zentrale Kategorie‘ innerhalb der KD, vgl. W. Krötke, Gott und Mensch als ‚Partner‘. Gundlach setzt sich ausführlich mit Barths Erwählungsverständnis und dessen Implikationen für die menschliche Wirklichkeit auseinander (siehe T. Gundlach, Selbstbegrenzung Gottes und die Autonomie des Menschen). Die historische Entwicklung des Barthschen Erwählungsverständnis zeichnet Gockel nach, der außerdem das diesbezügliche Verhältnis zwischen Barth und Schleiermacher erörtert: M. Gockel, Barth and Schleiermacher on the Doctrine of Election. A Systematic-Theological Comparison, Oxford 2006.  An dieser grundsätzlichen Wahl Gottes, die für sein Wesen konstitutiv ist, entzündete sich in der Forschung die Diskussion, ob es ein ‚Vorher‘ Gottes zu seiner eigenen Wahl gibt. Barth selbst spricht von einer freien „Entscheidung Gottes“ (II/2, 5) und einem göttlichen „Souveränitätsakt“ (II/2, 8), in dem Gott sich „selbst bejaht und bestätigt“ (II/2, 169). Im Rahmen dieser Arbeit kann auf diese Frage der Gotteslehre nur hingewiesen werden, denn die Frage, wie die Selbstbestimmung Gottes als seine sich selbst bestimmende Wahl gedacht werden kann, führt zu weiteren Problemen, die auf die Trinitätslehre und die Frage nach einem möglichen logos asarkos übergreifen. Besonders intensiv wurde diese Debatte v. a. zwischen Robert Jenson, Bruce McCormack, George Hunsinger, Paul Molnar geführt. Jenson schreibt zum Beispiel: „God is the free event, independent even of his own nature“ (R. W. Jenson, God after God. The God of the Past and the God of the Future Seen in the Work of Karl Barth, Indianapolis 1969, 127). Molnar kritisiert, dass die Wahl Gottes als Notwendigkeit verstanden werden müsste, was allerdings Barths eigenem Anspruch zuwider laufen würde (vgl. P. D. Molnar, Divine Freedom and the Doctrine of the Immanent Trinity. In Dialogue with Karl Barth and Contemporary Theology, London 2002, 62) und setzt sich dabei intensiv mit McCormack und Jenson auseinander (vgl. ebd., 61– 64. 68 – 81). McCormack hingegen meint diese vermeintliche Aporie Barths durch das Konzept einer ewigen göttlichen Entscheidung umgehen zu können (vgl. B. L. McCormack, Grace and Being. The Role of God’s Gracious Election in Karl Barth’s Theological Ontology, in: The Cambridge Companion to Karl Barth, hg. v. J. Webster, Cambridge 2000, S. 92– 110, 101). Siehe dazu auch M. Gockel, Barth and Schleiermacher on the Doctrine of Election, 179 f., Anm. 81. 85 und B. L. McCormack, Seek Got Where He May Be Found. A Response to Edwin Chr. van Driel, in: SJTh 60 (2007), S. 62– 79. In seinem jüngstem Buch unterscheidet Hunsinger zwischen den Revisionisten und den Traditio-

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4 Die exzentrisch-christologische Bestimmung zum Glauben

Diese Wahl Gottes verortet Barth zunächst in der innergöttlichen Trinitätsbeziehung.¹² Aber auch alle Wirklichkeit entsteht nur in diesem „Bereich der ewigen göttlichen Entscheidung“ (II/2, 97). Daher steht am Anfang allen Geschehens der von Gott „in vorbehaltloser Treue beschworene Gnadenbund […,] das Erste [ist die …] grundlegende Entscheidung zwischen Gott und der von ihm verschiedenen Wirklichkeit.“ (II/2, 171) Entsprechend beschreibt Barth die erwählende Gnade als den „Ausgangspunkt“ und „Generalnenner“ (II/2, 100) aller geschaffenen Natur. Folglich bestimmt Barths Erwählungslehre seine Schöpfungslehre. Er entwickelt, dass Gott die Welt erschafft, um seinem innertrinitarischen Bund eine äußere Gestalt zu geben, sodass die Welt von der Bundespartnerschaft her und auf die Bundespartnerschaft hin strukturiert ist. Der Bundesschluss ist somit die Voraussetzung und das Ziel der Schöpfung: Barth bezeichnet daher den Bund als den „innerem Grund der Schöpfung“ (III/1, § 41.3) und die Schöpfung als den „äußere[n] Grund des Bundes“ (III/1, § 41.2).¹³ Die Schöpfung ist dabei der äußere Grund des Bundes und die Bereitstellung des Raumes, um dem ewigen Bund auch außerhalb des innergöttlichen Bereichs Gestalt zu geben (vgl. III/1, 107). Als dieser äußere Grund ist die Schöpfung die „Ermöglichung der Geschichte des Bundes Gottes mit den Menschen“ (III/1, 44), indem sie dem Gnadenbund Raum und Zeit bietet (vgl. III/1, 46). Die „Schöpfung zielt auf die Geschichte“ (III/1, 63), in der sich der Bundesschluss Gottes mit den Menschen verwirklicht, denn die Beziehung zwischen Gott und Mensch ist eine „wesentlich geschichtliche Beziehung“ (III/1, 71).¹⁴

nalisten, zu denen er sich selbst rechnet und zeichnet den Verlauf der Debatte nach: Siehe G. Hunsinger, Reading Barth with Charity. A Hermeneutical Proposal, Grand Rapids 2015. Explizit als Revisionisten werden Bruce McCormack als Begründer der Debatte (vgl. ebd., 1– 72), Paul Nimmo (vgl. ebd., 75 – 136) und Paul Dafydd Jones (ebd., 137– 156) besprochen. Hunsinger selbst votiert für ein Barthverständnis, wonach die göttliche Trinität die Voraussetzung der göttlichen Erwählung ist (vgl. ebd., 159). Im deutschsprachigen Raum setzt sich Sparns Aufsatz teils mit diesem Thema auseinander: W. Sparn, „Extra Internum“. Die christologische Revision der Prädestinationslehre in Karl Barths Erwählungslehre, in: Die Realisierung der Freiheit, hg. v. T. Rendtorff, Gütersloh 1975, S. 44– 75.  Gott handelt in seiner immanenten Trinität als der Erwählende und von daher ist sein opus ad extra ein „Überströmen“ oder eine „Kundgebung“ dieser inneren Entscheidung (II/2, 192).  Die Besonderheit von Barths Ausführungen zur Schöpfung ist, dass er in KD III/1, um das „Werk der Schöpfung“ (III/1, Überschrift zu Kapitel 9) zu entfalten, eine biblisch-systematische Exegese von Gen. 1 und 2 zugrunde legt (vgl. III/1,Vortwort I) und keine systematische Gliederung der Schöpfungslehre bietet.  Was diese Betonung der Geschichtlichkeit für den Glauben bei Barth bedeutet, ist unten in Kap. 6 weiter zu entfalten.

4.2 Der Mensch als Bundespartner Gottes

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Für die Schöpfung muss somit festgehalten werden, dass ihr Grund allein in der Absicht der Zuwendung Gottes liegt (vgl. III/1, 104). Die Bestimmung der Geschöpfe ist es daher „Partner dieses Bundes zu sein“ (III/1, 106). Damit ist ex negativo zugleich gesagt, „daß Gottes Schöpfung selbst und als solche nicht um ihrer selbst willen geschah und noch geschieht“ (III/1, 104), sondern nur vom Bund des Vaters mit dem Sohn her und hin auf den Bund aller mit Gott. Das Geschöpf ist also nicht durch sich selbst und auch nicht für sich selbst geschaffen. Ihm kommt keine zusätzliche eigene Bestimmung außerhalb des Bundes zu: „Es gibt keine dem Dasein und Sosein des Geschöpfes immanente Bestimmung, keine mit seiner Erschaffung aufgerichtete und ihm zu eigen gemachte selbstständige Teleologie des Geschöpfes.“ (III/1, 103) Das menschliche Erwähltsein ist daher die erste und grundlegende Charakteristik, die dem menschlichen Wesen zukommt. So kann Barth folgern, dass der Mensch nicht nur in die Gemeinschaft mit Gott versetzt ist, sondern in der Gemeinschaft mit Gott geschaffen wurde (vgl. III/1, 207).

4.2.2 Gottes Wahl Gottes die Schöpfung begründende Wahl ist nicht nur eine allgemeine oder gleichsam abstrakte Wahl des Menschen als Bundespartner, sondern ist ein „decretum concretum“ (II/2, 108): Aus der innertrinitarischen Partnerschaft von Vater und Sohn folgt „ein konkreter Beschluß. Sein Inhalt hat einen Namen und ist eine Person.“ (II/2, 172)¹⁵ Der Grund und Ausgangspunkt der Erwählung ist für Barth somit allein Jesus Christus,¹⁶ denn „[z]uerst in ihm [Jesus Christus] wird und ist es Ereignis, daß Gott ein von ihm unterschiedenes Anderes als sein Geschöpf will und setzt.“ (II/2, 130) Allein in Jesus Christus gründet somit die „Wirklichkeit dieses ewigen Zusammenseins von Gott und Mensch“ (II/2, 172), denn ihn hat Gott zu seinem Bundespartner erhoben.

 Hierbei ersetzt Barth die übliche Bestimmung der Prädestination als decretum absolutum mit der des decretum concretum. Weitere Ausführungen zur Interpretation der Erwählung als Selbstbestimmung Gottes finden sich in: W. Sparn, „Extra Internum“, 53 – 58. Historisch wurde Barth zu dieser Neuinterpretation der Erwählungslehre 1936 durch einen Vortrag von Maury im Rahmen der Genfer Reformationsfeiern inspiriert, wie McCormack nachweist (siehe B. L. McCormack, Theologische Dialektik und kritischer Realismus, 378 – 384).  Barths Abgrenzung gegen ein ‚klassisches Vorgehen‘ der Erwählungslehre mit der Annahme von erwählten und nicht-erwählten Menschen in ihren privaten Verhältnissen zu Gott findet sich in II/2, 40 – 46.

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4 Die exzentrisch-christologische Bestimmung zum Glauben

Insofern ist die Erwählung Christi die „Urgeschichte“ vor aller anderen Geschichte (II/2, 6).¹⁷ Allerdings ist diese primäre Erwählung der Person Jesu Christi in ihrer Essenz schon ein „ursprüngliches [und] komprehensives Erwähltsein“ aller Menschen (II/2, 130): In Christus sind alle Menschen „inklusiv“ miterwählt (III/2, 269).¹⁸ Das heißt, dass Christus als der erwählte Mensch immer auch der stellvertretend für die anderen Menschen Erwählte ist.Wenn Barth daher von dem erwählten Menschen spricht, dann spricht er zwar allein von Jesus Christus, aber in ihm auch von der Erwählung der übrigen Menschen, weil sie in Christi Erwählung mit eingeschlossen sind.¹⁹ Die Erwählung ist somit in Jesus Christus verwirklicht.²⁰ Damit beschreibt die Erwählung Jesu Christi gerade „Gott in seiner Zuwendung zum Menschen“ und damit auch zum „Volk der Menschen“ (II/2, 5), das in dem einen Menschen Jesus repräsentiert wird.²¹  Christi Erwählung bildet den „ewige[n] Hintergrund aller Geschichte“ (II/2, 124).  Hierbei interpretiert Barth die doppelte Prädestination neu, denn sie beschreibt nun nicht – wie in der klassischen Bedeutung – die Trennung der Menschen in zwei Gruppen: Erwählte und Verworfene (vgl. G. Kraus, Vorherbestimmung, 238 – 242). Der ‚doppelte Ausgang‘ wird bei Barth stattdessen in originärer Weise auf Jesus Christus angewandt, weil Barth „die Erwählung Jesu Christi [als] die Klammer“ der gesamten Prädestination begreift (II/2, 191). Christus ist nach Barth „der erwählende Gott und der erwählte Mensch in Einem“ (II/2, 1, siehe auch die ausführliche Besprechung hierzu bei B. L. McCormack, Grace and Being. The Role of God’s Gracious Election in Karl Barth’s Theological Ontology, in: B. L. McCormack, Orthodox and Modern, S. 183 – 200, 184– 186). In Christus „hat Gott dem Menschen das Erste, die Erwählung, die Seligkeit und das Leben, sich selber aber das Zweite, die Verwerfung, die Verdammnis und den Tod zugedacht.“ (II/2, 177) D. h. in Christus ‚erniedrigt‘ sich Gott, indem er sich zur Gemeinschaft mit dem Menschen erwählt. Die Menschen werden in Christus ‚erhöht‘, indem sie für die Gemeinschaft mit Gott erwählt werden. Christus zeichnet aus, „daß er als erwählter Mensch der in seiner eigenen Menschheit sie alle erwählende Gott selber ist“ (II/2, 125). Dabei bezieht sich Barth sowohl auf Athanasius als auch auf Coccejus, die ebenso Jesus Christus als den wählenden Gott charakterisiert haben (vgl. II/2, 116 – 123). Daraus folgt letztlich, dass der „Glaube an Gottes Prädestination an sich und per se“ heißt, „an die Nicht-Verwerfung des Menschen“ zu glauben (II/2, 182). Ein Dualismus von erwählten und verworfenen Menschen wird somit von Barth abgelehnt (vgl. auch G. Kraus, Vorherbestimmung, 279 – 282). Stattdessen sind in Christus alle Menschen schon miterwählt. Und so kann Barth schließlich weiter sagen, dass der Mensch tatsächlich in der Erwählung „mitaufgenommen [ist; J. S.] in die souveräne Voraussetzung seiner [Gottes] selbst“ (II/2, 193), weil Gott sich daran bindet, des Menschen Gott zu sein.  Barth beschreibt entsprechend in seiner Christologie, dass das in Christus gefallene Urteil allen Menschen, d. h. Gläubigen wie Nicht-Gläubigen, gilt (vgl. IV/1, 835) und somit Christus die Situation aller Menschen für alle Zeit verändert hat (vgl. IV/1, 349).  Dieses Zusammenspiel von ontisch und noetisch beschreibt Barth in II/2, 55. 63, wo er zuerst den „erkenntnistheoretischen“ Aspekt (II/2, 157– 167) und dann die ontologische Bestimmung der Wirklichkeit in Christus ausführt (II/2, 167– 214).  „In der Zuwendung zu diesem Menschen [Jesus Christus] und in ihm und durch ihn zu den als sein Volk vereinigten anderen Menschen!“ (II/2, 6) So schreibt Barth weiter über das Verhältnis

4.2 Der Mensch als Bundespartner Gottes

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Das Verhältnis Gottes zu den übrigen Menschen ist somit keine distinkte, zweite Beziehung (vgl. II/2, 6), sondern die Fortsetzung der Urgeschichte des Bundes von Gott und Jesus Christus (II/2, 7). Daher kommt das persönliche Gottesverhältnis der übrigen Menschen auch „nicht etwa bloß uneigentlich und beiläufig“ hinzu (II/2, 340), sondern um der konkreten Erwählung Christi willen geht es in Christus auch um die Erwählung aller Menschen (vgl. II/2, 6):²² „Was von Ewigkeit her in Jesus Christus beschlossen ist, das ist insofern über jeden einzelnen Menschen beschlossen […] als der erwählende Gott in seinem Wort gerade mit ihm in die Beziehung des Erwählenden zum Erwählten tritt.“ (II/2, 340)

Die übrigen Menschen sind in Christus immer schon mitbestimmt zum Bundespartner Gottes, aber sie sind nicht wie Christus der anfängliche Bundespartner Gottes. Dies kann man sich auch anhand der Unterscheidung im altkirchlichen Bekenntnis verdeutlichen: Der Sohn ist gezeugt, die Menschen sind geschaffen.

4.2.3 Christi Antwort Mit der göttlichen Erwählung des Menschen zur Gemeinschaft mit Gott ist erst die eine Seite des Bundes beschrieben, denn „Gott wählt den Menschen, und es wird das Erwähltsein dieses Menschen darin wirklich, daß er seinerseits Gott wählt, um in diesem Willen Gottes frei zu sein, seine eigene Eigenheit und Selbständigkeit vor Gott zu bekommen und zu haben“ (II/2, 197). Der Bund beinhaltet somit auch die zweite Seite, dass der Mensch auf Gottes Erwählung antwortet, indem er „ihn [Gott; J. S.] erwähl[t]“ und „als der erwählte Mensch sich bewähr[t]“ (II/2, 194).²³ Somit folgt aus der göttlichen Erwählung, dass der Mensch „in seiner Gottes zur Welt: „Es gibt auch eine Beziehung Gottes zu dieser Welt, ein göttliches Handeln an und mit ihr, eine Geschichte zwischen Gott und dieser Welt. Aber diese Geschichte hat keine selbständige Bedeutung. Sie geschieht um jener Urgeschichte willen, die sich zwischen Gott und jenem einen Menschen und seinem Volk abspielt. Sie ist der Raum, in welchem sich diese Urgeschichte abspielt. Sie kommt zu ihrem Ziel, indem diese Urgeschichte zu ihrem Ziele kommt.“ (II/2, 6).  Dieses Verhältnis der Miterwählung der Menschen in Christus analysiert Goebel anhand der Analogiefigur (vgl. H. T. Goebel, Vom freien Wählen Gottes und des Menschen, bes. 169 – 229). Auch in der vorliegenden Arbeit wird der Analogiegedanke zur Vermittlung dieser Struktur entfaltet, s.u. 4.4.  Barth wendet sich mit dem Begriff der „Bewährung“ (III/1, 301) dagegen, von einer Prüfung oder Versuchung des Menschen zu sprechen, denn er fragt sich, was hätte geprüft werden sollen, wenn Gott es doch geschaffen hat. Die Bewährung meint daher schlicht, dass der Mensch das ausführen soll, wozu er schon geschaffen ist.

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4 Die exzentrisch-christologische Bestimmung zum Glauben

ganzen Andersheit bestimmt [ist] für die Teilnahme an seiner [Gottes] Herrlichkeit“ (II/1, 185). Die Erwählung beinhaltet daher auch die „Begabung des Menschen [konkret Jesus Christus; J. S.] zur Existenz im Bunde mit ihm“ (II/2, 184). Insofern bezeichnet Barth diesen Menschen als „bündnisfähig“ (III/2, 267). Diese zweite Seite, die – wie folgend zu zeigen ist – von Jesus Christus vollzogen wird, stellt die Grundlage für den menschlichen Glauben dar. Der Erwählungslehre kommt hierbei ein doppelter Charakter zu: ein ewiger Charakter des göttlichen Willens (der „ewige Wille Gottes“ – II/2, 192) und ein „aktuelle[r] Charakter[ ]“ der geschichtlichen Verwirklichung in der menschlichen Antwort (II/2, 205). Die Bundespartnerschaft ist demnach ewig beschlossen in der innertrinitarischen Wahl des Sohnes und dieser Wille wird in der menschlichen Geschichte als Antwort vollzogen. Die menschliche Geschichte ist dann nicht nur ein entsprechendes ‚Anhängsel‘ dessen, was von Ewigkeit her in Gott geschehen ist, sondern vielmehr der Raum, in dem Gottes ewiger Beschluss zur Gemeinschaft mit dem Menschen auch geschichtlich realisiert wird. Die menschliche Antwort bedingt dabei, dass die Erwählung bei Barth die dynamische Gestalt „einer zwischen Gott und dem Menschen stattfindenden Geschichte, Begegnung und Entscheidung“ bekommt (II/2, 192). In der menschlichen Antwort wird somit die „ewige[ ] göttliche[ ] Erwählung […] legitime Wirklichkeit“ (II/2, 194), d. h. es kommt ontisch zur Partnerschaft von Gott und Mensch. In der Schöpfungslehre beschreibt Barth den gleichen Sachverhalt mit anderen Begriffen: Auf die Rezeptivität des Erwähltwerdens folge unmittelbar und notwendig die Spontaneität der freien menschlichen Antwort: So ist der Mensch für Barth als Erwählter „Objekt in reiner Rezeptivität“ und darin zugleich befähigt, antwortendes „Subjekt in reiner Spontaneität“ zu sein (III/2, 207).²⁴ Die geschichtliche Antwort des Menschen, in concreto die Antwort Jesu Christi, geschehe somit in der „Autonomie des Geschöpfs“ (II/2, 194).²⁵ So kommt ihm hier eine „Fähigkeit zur Bewährung und Betätigung seines Gehorsams, zu eigener Gehorsamsentscheidung“ zu (III/1, 301).²⁶

 Für weitere Analysen von Rezeptivität und Spontaneität siehe K. Stock, Anthropologie der Verheißung, 95 – 102 und W. Härle, Sein und Gnade, 108.  Diese Freiheit zur Antwort sei nach Barth dasjenige, was den Menschen von den Tieren abhebt: Der Mensch soll nicht nur (wie die Tiere) Gemeinschaft mit Gott haben, sondern er ist geschaffen, um „Gemeinschaft mit ihm [Gott] zu halten.“ (III/1, 303).  Diese menschliche Fähigkeit zum Gehorsam gegenüber Gott scheint in Widerspruch zu dem zu stehen, was in Kap. 3 als menschliche Unfähigkeit gegenüber Gott herausgestellt wurde. Diesem Bedenken soll im Verlauf dieses Abschnitts begegnet werden, indem gezeigt wird, dass allein Jesus als wahrem Menschen diese Fähigkeit und Autonomie zukommt. Die Frage, inwiefern die übrigen Menschen fähig und frei zur Antwort sind, wird dann in Kap. 5 weiter besprochen.

4.2 Der Mensch als Bundespartner Gottes

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Interessant ist hierbei Barths Begründung des menschlichen Gestaltungsraumes, denn dieser folgt aus der vorgängigen Gottesbeziehung.²⁷ Barth verbindet hierbei strukturell die Theonomie mit der menschlichen Autonomie: Gott begründet durch die Erwählung die Partnerschaft mit dem Menschen so, dass Barth von „Theonomie, Gottesherrschaft auf ganzer Linie“ (II/2, 195) spricht. Aber indem Gott theonom handelt und damit auch „die von ihm verschiedene Wirklichkeit seines Geschöpfes als solche will und anerkennt“, gibt er dem Geschöpf zugleich „Eigenheit und Selbstständigkeit […]: nicht damit es sie ohne ihn, geschweige denn, damit es sie gegen ihn, sondern damit es sie für ihn habe, nicht außer, sondern in seinem Reiche, nicht zur Konkurrenz mit seiner Souveränität, sondern zu deren Bestätigung und Verherrlichung“ (II/2, 195).²⁸ Somit ist es gerade „die Theonomie Gottes, die als solche die Autonomie des Menschen will“ (III/1, 198). Die menschliche Autonomie ist bei Barth dann per definitionem nur eine solche, die ihre Gottesbeziehung und damit auch den göttlichen Willen bejaht.²⁹

 Barth verbindet somit die scheinbar widersprüchlichen Paare „Wählen Gottes“ und „Erwähltsein des Menschen“, „Theonomie und Autonomie“, und „göttliche[…] Souveränität und menschliche[n] Glauben“. Er betont dabei, dass diesen Paaren „kein systematischer Zusammenhang“ eignet, sondern vielmehr bilden sie das lebendige „Gesetz, das allem geschöpflichen Leben vorangeht“. Nur in der „konkrete[n] Geschichte“ und im „Ereignis“ werden sie wirklich (II/ 2, 202). Eine Zuordnung dieser paradoxen Vorstellungen wird unten mit dem Konzept des Kompatibilismus versucht, s.u. Kap. 5.  Das Verständnis dieses allumfassenden Erwählungshandelns Gottes schließt somit ein, dass Gott keine „Marionetten oder Sklaven“, sondern vielmehr „Knechte[…] und Freunde[…]“ erschafft (II/2, 195). Die Freiheit des Geschöpfes ist dabei als eine relationale Freiheit von der absoluten Freiheit, die in Barths Verständnis nur Gott selbst zukommt, zu unterscheiden (vgl. III/1, 302).Wie in Kap. 5 ausgeführt werden soll besteht relationale Freiheit gerade darin, dass der Mensch in Übereinstimmung mit Gott handelt. Die Subjektivität des Menschen ist daher nicht nur allgemein relational zu bestimmen, sondern vielmehr konkret in der asymmetrischen Relation zu Gott. Die fundamentale Differenz zwischen der Freiheit des Geschöpfes und der göttlichen Freiheit beschreibt Barth in der Gotteslehre in II/1 so, dass allein Gott „durch sich selbst und in sich selbst begründet, durch sich selbst bestimmt und bewegt“ (II/1, 339) ist, und somit frei herrschen kann.  Ein Autonomieverständnis, das die prinzipielle Unabhängigkeit des Menschen betont, wird damit gerade nicht begründet, sondern vielmehr durch die Rückbindung der Autonomie an die Theonomie verneint. Autonomie, die so durch die Theonomie ermöglicht und durch die Erwählung Gottes bedingt ist, bedeutet zugleich nach Barth nur, dass „der Mensch sich selbst wählen, bestätigen und betätigen darf und soll“ (198). Die Richtung seiner freien Handlung ist damit vorgegeben, nämlich als Bestätigung seiner Bestimmung: „Der ewige Wille Gottes ist der Mensch, der ganz und gar Zeuge von Gottes Reich und der eben als solcher königlich frei ist [, …] der Mensch in der Tat schlichtester, demütigster, hingebendster Verantwortung Gott gegenüber, der eben in dieser Verantwortung, eben in der Anerkennung des schlechthinnigen Vorranges Gottes ein eigenes selbständiges, ja im Raume der Schöpfung das souveräne Wesen und so das Bild

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4 Die exzentrisch-christologische Bestimmung zum Glauben

Ein solches Verständnis der menschlichen Freiheit führt allerdings zu dem Problem, dass ein Mensch einzig dann ein wirklich freier Mensch ist, wenn er auf Gottes Bund bejahend antwortet. Genau an diesem Aspekt wird die bisher schlicht konstatierte Differenz zwischen Jesus Christus als dem Bundespartner Gottes und den übrigen Menschen deutlich. Insofern die übrigen Menschen sündigen und Gott nicht umfassend bejahen, sind sie nach Barth gerade nicht frei und bewähren sich nicht als Bundespartner. Jesus Christus hingegen, der selbst ohne Sünde war, erwählt Gott in seiner ganzen geschichtlichen Existenz. Deshalb ist Jesus Christus der einzige Mensch, der den Bund bewahrt hat und damit in Einheit von Autonomie und Theonomie lebte. Daher gilt: Allein in ihm „koinzidiert das gnädige Ja Gottes zum Menschen […] mit dem dankbaren Ja des Menschen zu Gott“ (II/2, 871). Und weil sich nur in Jesus Christus die göttliche Wahl und die menschliche Antwort verbinden, kommt Barth zu dem Ergebnis, dass der Bund Gottes nur in Jesus von Nazareth seine Erfüllung findet (vgl. III/1, 271).³⁰ Was bedeutet aber diese Engführung, dass der Bund nur in Jesus Christus ontisch wirklich geschlossen wurde? Barth zufolge war Jesus Christus von Anfang an der Einheitspunkt, in dem der Bund Gottes mit den Menschen erfüllt und die Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch vollzogen wurde (vgl. III/1, 315).³¹ Somit bringt Gott in der geschichtlichen Antwort Jesu Christi die Erwählung des Menschen zu Ende und verschafft dem Menschen endgültig und objektiv das Recht des Bundespartners (vgl. II/2, 34 f.). Die Stellvertretung Christi geht dabei so weit, dass Barth an einer Stelle sogar von Jesus Christus als dem wahrhaft und stell-

Gottes ist und wird.“ (II/2, 197). Hieran äußert zum Beispiel Graf die Kritik, dass diese Art von göttlicher Freiheit gerade nicht zu einer freien menschlichen Selbstbestimmung führen würde, sondern stattdessen zu einem „Zwang“ der Entsprechung und somit zur „Gleichschaltung“ (F. W. Graf, Die Freiheit der Entsprechung zu Gott, 108). Diese Kritik wird unten in Kap. 5.1.3 zur Frage nach der menschlichen Freiheit wieder aufgenommen.  Nur in Jesus Christus kann von „verwirklichter Vereinigung“ (IV/2, 66) gesprochen werden, denn in ihm als Gottmensch wählt Gott die menschliche Natur, bei der die menschliche Natur Anteil an der göttlichen Natur geschenkt bekommt, und bejaht die menschliche Natur die göttliche Wahl (vgl. IV/2, 67). Damit hängt die ganze Rede von der Erhöhung des Menschen an der Existenz und Wirklichkeit Christi (IV/2, 71). Das ganze Sein Christi wird darum auch als die Bewegung der Erniedrigung (IV/1) und der Erhöhung (IV/2) charakterisiert (vgl. auch W. Krötke, Sünde und Nichtiges bei Karl Barth, 54 f.).  Nach Barth zielte schon die zweite Schöpfungsgeschichte darauf, dass der Mensch das Paradies wieder verlässt. So zeigte sie bereits das Problem des Bundes auf, wie es dann in der Geschichte Israels entfaltet wurde (vgl. III/1, 312– 314). Jesus war demnach immer schon das Ziel des Bundes, der Einheitspunkt, in dem der Bund Gottes mit dem Menschen vollzogen und erfüllt werden sollte (vgl. III/1, 315).

4.2 Der Mensch als Bundespartner Gottes

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vertretend für uns Glaubenden spricht (vgl. II/2, 620 f.), da er für uns den Bund mit Gott gehalten hat.³² An dieser Stelle lässt sich klären, warum Jesus Christus nicht nur noetisch das wahre Wesen des Menschen aufzeigt, sondern nach Barth auch der ontologische Grund des menschlichen Wesens ist (s.o. 4.1). Jesus Christus ist insofern der wahre Mensch bzw. das Urbild und somit der Grund des Menschseins, weil er der Bundespartner Gottes ist, der für alle Menschen den Bund mit Gott bejaht hat.³³ Die übrigen Menschen sind somit nicht immer schon selbst Bundespartner Gottes, sondern sie sind dies nur in Christus. Damit weitet Barth den Gedanken der Stellvertretung aus der Rechtfertigungslehre auf die Anthropologie aus.³⁴ Jesus Christus hat nicht nur stellvertretend für alle Menschen am Kreuz gelitten, sondern er hat auch als einziger den Gott gebührenden Gehorsam geleistet und sich als Bundespartner bewährt. So ist Jesus Christus derjenige, „der an unsere Stelle trat, an unserer Stelle für uns handelte“ (IV/1, 282). Daher kann Barth schließlich sagen, dass der Aufruf zur Antwort auf den Bund Gottes eigentlich nur in „dem letzten, dem objektiven, dem christologischen Sinn“ gilt (III/1, 311). Das bedeutet aber für die übrigen Menschen, dass ihre „Bestimmung […] darin begründet [ist], daß in der Mitte aller übrigen Menschen Einer der Mensch Jesus ist.“ (III/2, 158)³⁵  Siehe auch E. C. Hirsch, Glauben, 348.  Barth kommt hierbei so zu der Beschreibung des wahren Menschen, dass er in IV/2 eine Christologie der Evangelien entwickelt. Damit zeigt sich in Ergänzung zu den bereits zitierten Passagen in II/2 und III/2 Barths Ausgangspunkt der universalen Menschlichkeit Jesu genauer, nämlich als eine christologische Lesart des historischen Jesus. Barth betreibt also keine Spekulation über Jesus Christus, sondern bindet seine christologischen Aussagen an die in der Bibel bezeugte Geschichte Jesu zurück. Die Engführung der Ebenbildlichkeit des Menschen auf das Urbild Jesus Christus kommt aus der paulinischen Theologie, wie Jüngel in einer Barth in diesem Punkt ähnlichen Ausführung aufzeigt (vgl. E. Jüngel, Der Gott entsprechende Mensch. Bemerkungen zur Gottebenbildlichkeit des Menschen als Grundfigur theologischer Anthropologie, in: E. Jüngel, Entsprechungen, S. 290 – 317, 305).  Gestrich analysiert bezüglich Barths Verhältnis zur natürlichen Theologie, dass „[d]ie entscheidende Innovation […] im Begriff der Stellvertretung Jesu“ liegt, indem Jesus der stellvertretende wirkliche Mensch sei (C. Gestrich, Neuzeitliches Denken und die Spaltung der dialektischen Theologie, 212).  Den Primat der Person Jesu in der Bestimmung dessen, was das menschliche Wesens ist, erläutert Barth wie folgt: „Nicht er steht hier also unter den Bestimmungen und Merkmalen dieses Wesens, nicht er ist durch sie bedingt und begrenzt, sondern indem es sein Wesen ist, ist er es, der diese Bestimmungen und Merkmale bedingt und begrenzt als der, der über ihnen ist. Menschliches Wesen mit allen seinen Möglichkeiten ist als das menschliche Wesen Jesu gerade keine auch für ihn gültige, auch ihn beherrschende und also auch ihn erklärende Voraussetzung, sondern sein Sein als Mensch ist als solches die Setzung und darum auch die Offenbarung, die Erklärung des menschlichen Wesens in allen seinen Möglichkeiten.“ (III/2, 69).

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4 Die exzentrisch-christologische Bestimmung zum Glauben

Sie sind demnach nicht direkt zum Bund mit Gott bestimmt, sondern durch Jesu Christi Vermittlung (s.u. 4.2.4).

4.2.4 Die übrigen Menschen in Christi stellvertretender Antwort Die vorausgehend beschriebene Erwählung und Bundesbejahung Jesu Christi ist eine „notwendige und konstante Bestimmung“ des menschlichen Wesens (III/ 2, 84), sodass Barth von einer „ontologische[n] Bestimmung“ (III/2, 158) aller Menschen zum Bundespartner Gottes spricht, die in Christi Menschsein schon „objektiv wirklich“, d. h. ontisch vollzogen ist (IV/2, 299).³⁶ Um zu verstehen, inwiefern Barth das menschliche Wesen ontologisch als in einer ‚Beziehung zu Gott‘ Stehendes bestimmt, müssen wir das Verhältnis zwischen Jesus Christus und den übrigen Menschen genauer analysieren. Die Erkenntnis über den Menschen Jesus Christus, der Gottes erwählter Bundespartner ist, und die Erkenntnis über das Wesen der übrigen Menschen können nicht direkt gleichgesetzt werden. Nach Barth ist ein „direktes Ablesen der Anthropologie aus der Christologie“ unmöglich (III/2, 54), da es zwei sich gegenseitig bedingende Unterschiede zwischen den übrigen Menschen und Christus gibt: die menschliche Sünde und Christi Identität mit Gott (vgl. III/2, 82). Nichtsdestoweniger ist die Menschlichkeit Christi nicht doketisch zu verstehen (vgl. III/2, 67), denn Christus „ist Mensch unter Menschen und Mensch in der Menschheit“ (III/2, 69). Die Benennung der Unterschiede führt somit nicht dazu, Jesu Menschlichkeit zu leugnen oder in ihr nur ein „Drittes zwischen Gott und Mensch“ (III/2, 62) zu sehen. Vielmehr betont Barth, „daß er so ist, wie wir alle es sind […] ohne übernatürliche Ausstattung, die ihn für uns zu einem andersartigen Wesen machen müßte“ (III/2, 62). Diese Gleichheit ist die Bedingung, dass wir „von seiner menschlichen Natur auf die unsere […] schließen, uns selbst in ihm – in ihm aber auch wirklich uns selbst“ erkennen können (III/2, 63). Daher muss trotz aller Unterschiede gelten, dass es eine einzige menschliche Natur ist, „derer wie Jesus, so auch wir teilhaftig

 Vgl. W. Härle, Sein und Gnade, 105. Härle kommt in seiner Untersuchung der Ontologie Barths zu dem Schluss, dass die ontologische Bestimmung des Menschen (nicht nur seine soteriologische) darin besteht „mit Jesus und so mit Gott zusammenzusein“ (ebd., 121). In einer der frühesten Untersuchungen zum Menschen in Barths KD kommt Ebneter zu dem Ergebnis, dass das „menschliche Sein als Sein in der Begegnung“ zu charakterisieren ist (A. Ebneter, Der Mensch in der Theologie Karl Barths, 28). Ebenso analysiert Kreck, dass die Erwählung Christi die Erwählung der Gemeinde und des Einzelnen umschließt (vgl. W. Kreck, Grundentscheidungen in Karl Barths Dogmatik, 201– 214).

4.2 Der Mensch als Bundespartner Gottes

157

sind.“ (III/2, 61 f.)³⁷ Aus diesem Grund schließt eine Aussage über Christi Sein „notwendig eine Aussage über alles menschliche Sein in sich“ (IV/2, 311). Der bleibende Unterschied zwischen Jesus Christus und den übrigen Menschen liegt allerdings darin, dass allein Jesus Christus das menschliche Sein als Bundespartner geschichtlich realisiert hat, weil er allein den Willen des Vaters durchweg bejaht.³⁸ Dementsprechend ist allein Jesus Christus ontisch der Bundespartner Gottes. Alle anderen Menschen haben zwar die gleiche Wesensbestimmung zum Gegenüber Gottes, indem sie in Christi Erwählung miterwählt sind, aber ermangeln noch der bejahenden Antwort in ihrem Leben.³⁹ Ihnen gilt die Bundespartnerschaft daher als ontologische Bestimmung. Diese von Barth vorgenommene ontologische Bestimmung des menschlichen Wesens in Jesus Christus war und ist jedoch umstritten. Einer der Hauptkritikpunkte ist, dass zwischen einem schöpferischen und einem erlösenden Wirken Gottes nicht mehr klar unterschieden werden könne:⁴⁰ Wenn Barths Schöpfungslehre schon in der Erwählung des Menschen Jesus Christus gründet und in ihm die übrigen Menschen miterwählt sind, dann breche in der Versöhnungsgeschichte keine zur Schöpfungsgeschichte neue Gnade Gottes mit den Menschen

 Das Verhältnis von Unterschiedenheit und Gleichheit löst Barth nicht gänzlich auf, sondern er verweist auf das Geheimnis der Person Jesu, dass Jesus den übrigen Menschen „als Gott ganz ungleich, als Mensch ganz gleich“ (III/2, 62) sei. Somit bindet er das Problem zurück an die ZweiNaturen-Lehre.  Christus ist der Grund des Bundes, „weil der Bund in Ihm, in der in Ihm vollzogenen Einheit von Gott und Mensch, von Verheißung und Gebot ewig begründet ist.“ (IV/1, 51) Vgl. auch F. W. Graf, Die Freiheit der Entsprechung zu Gott, 87.  Vgl. W. Sparn, „Extra Internum“, 55 f., der betont, dass diese Differenz zwischen Bestimmung und Realisierung den Unterschied zwischen den Menschen und Christus markiert. Sparn stellt als Bestimmung die allumfassende göttliche Erwählung dar, die er als „Theorie einer abgeschlossenen Ordnung der Wirklichkeit“ beschreibt (ebd., 62) und andererseits stellt er dem die Autonomie des Subjekts entgegen, wodurch es eben zu dieser Differenz zwischen Bestimmung und Realisierung sowie zur Differenz zwischen den Menschen und Christus komme (ebd., 63). Hierbei verwendet Sparn den Autonomiebegriff nicht wie Barth als Gottesgehorsam, sondern im Sinne der Selbstbestimmung des Subjekts.  So zum Beispiel Roths Kritik an den Ansätzen Barths, Jüngels und Dalferths: Siehe M. Roth, Der Mensch als Gewißheitswesen, 13. 17. Auch Prenter wirft Barth vor, hier eine Einheit formuliert zu haben (vgl. R. Prenter, Die Einheit von Schöpfung und Erlösung sowie auch U. Hedinger, Der Freiheitsbegriff in der kirchlichen Dogmatik Karl Barths, Zürich 1962, 141 ff.). Zur problematischen Präexistenz des Menschgewordenen siehe auch C. H. Ratschow, Jesus Christus, Gütersloh 1982, 151– 162, bes. 158, der den Zusammenhang zwischen Faktizität und Notwendigkeit in Hinblick auf Gottes Freiheit, Sünde und Versöhnung bespricht. Eine ähnliche Kritik äußert bereits von Balthasar (H. U. von Balthasar, Karl Barth, 282). Siehe dazu die Darstellung bei W. Kreck, Grundentscheidungen in Karl Barths Dogmatik, 150 – 159.

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4 Die exzentrisch-christologische Bestimmung zum Glauben

an.⁴¹ Grundlegend äußerte Brunner diese Kritik: Wenn der Mensch „an der Gnade Jesu Christi teilhat“ schon allein „dadurch, daß er geschaffen ist, dadurch, daß er als Mensch geboren ist“, setze Barth den Schöpfungsbund mit dem Heilsbund gleich.⁴² Damit scheine es aber, als würde Barth behaupten, dass „jeder Mensch als solcher an der Gnade Jesu Christi teilhat – nicht etwa durch den Glauben, sondern dadurch, daß er geschaffen ist“.⁴³ Doch nach Brunner können diese Dinge „einzig und allein von der Erkenntnis der Versöhnung her“ gelten, da der Sünder „aus dem Bunde herausgefallen“ sei und erst „wieder zur Teilhabe am Bund ‚restituiert‘ werden“ müsse.⁴⁴ Würde Barth den Schöpfungsbund mit dem Versöhnungsbund gleichsetzen, dann hätte wohl jeder – auch der unbußfertige Sünder – am Heilsplan Gottes teil.⁴⁵ Damit jedoch liege Barth grundlegend falsch, da „durch die Sünde die Teilnahme am Bunde Gottes verloren und verwirkt sei und nur durch das zweite Wort Gottes, das Wort der Versöhnung, wiederhergestellt werde, sofern er glaubt.“⁴⁶ Demnach wären sowohl das „Werk der Versöhnung“

 Diese Kritik, die sich auch bei Althaus, Bayer, Härle und anderen in ähnlicher Weise findet, mündet in den Vorwurf der Geschichtslosigkeit gegenüber Barths Theologie, der in Kap. 6 weiter diskutiert wird: Vgl. P. Althaus, Gesetz und Gebot, in: Gesetz und Evangelium, hg. v. E. Kinder, K. Haendler, Darmstadt 1968, S. 201– 238, 222; O. Bayer, Theologie, 363 f.; W. Härle, Sein und Gnade, 327. 297. Vgl. dazu auch M. Roth, Der Mensch als Gewißheitswesen, 14, Anm. 89.  E. Brunner, Der neue Barth. Bemerkungen zu Karl Barths Lehre vom Menschen, 98. Gleichwohl räumt Brunner ein, dass Barth hier keine Identität zwischen Schöpfungsgnade und Versöhnungsgnade behaupten wollte (vgl. ebd., 100). Er verstehe nicht, was Barth mit der Betonung meint, dass Jesus Christus der ontologische Grund jedes Menschen sei (vgl. ebd., 98). Vgl. dazu auch C. Gestrich, Neuzeitliches Denken und die Spaltung der dialektischen Theologie, 222 f.: „Daß Barth, dem sich die persönliche Heilsfrage in der Geschichte Jesu Christi schon entschieden hat, die Dialektik und den Kampf zwischen nichtgläubiger und gläubiger Existenz anscheinend gar nicht mehr als einen individuellen Lebensvorgang auffaßt, dies ist es, was Brunner nicht versteht.“  E. Brunner, Der neue Barth. Bemerkungen zu Karl Barths Lehre vom Menschen, 98.  Ebd., 94 f. Brunner selbst unterschied stattdessen zwischen Gottes schöpferischem Handeln, der menschlichen Sünde und Gottes geschichtlich kontingentem Versöhnungshandeln in Jesus Christus (vgl. M. Roth, Gott im Widerspruch?, 526 f.). Wenn aber – so Roth – die Christusbegegnung bei Brunner weder den Menschen schafft noch sein Menschsein negiert, dann muss „die formal-ontologische Struktur des Menschen als eine solche aufgefaßt werden, die offen ist für die Begegnung des Menschen mit Gott in Christus, es muß mithin unterschieden werden zwischen der in Gottes schöpferischem Handeln begründeten existential-ontologischen Struktur und der in seinem erlösenden Handeln geschenkten Bestimmung des Menschen.“ (ebd., 543) So weist Roth auch kritisch darauf hin, „daß Gottes Heilswirken das Menschsein des Menschen nicht außer Kraft setzt und Gottes Heilswirken keinesfalls den Menschen allererst schöpferisch ins Dasein ruft.“ (ebd., 544).  Vgl. E. Brunner, Der neue Barth. Bemerkungen zu Karl Barths Lehre vom Menschen, 98 f.  Ebd., 99.

4.2 Der Mensch als Bundespartner Gottes

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als auch „die Forderung der Buße“ und „die Entscheidung des Glaubens“ verloren.⁴⁷ Somit kritisiert Brunner, dass Barth 1934 „die Schöpfungsgnade ignorierte“ und 1948 nun „die rettende Gnade mit der Schöpfungsgnade [identifiziere]“.⁴⁸ Der bleibende Unterschied zwischen Brunner und Barth zeigt sich hierbei deutlich: Brunner versteht den Menschen als aus dem Bund mit Gott herausgefallen, sodass er seine materiale imago Dei verloren hat und nur durch Gottes Versöhnungswerk, die Buße und den Glauben wieder dem Bund mit Gott zugeführt werden kann (s.o. Kap. 3.4). Barth hingegen betont den Zusammenhang von Schöpfung und Bund, sodass der Mensch in der Sünde zwar im Widerspruch zu seiner Bestimmung lebt, jedoch ist Jesus Christus der ontisch wahre Mensch, der qua seines Stellvertretungshandelns das menschliche Wesen so bestimmt, dass kein Mensch jemals ontologisch, d. h. von Gott her, gottlos sein. Dieser Zusammenhang von Sünde und Gnade stellt Barths Ansatz allerdings auch vor bleibende Schwierigkeiten, die zum Beispiel Härle in seiner Bewertung der Ontologie Barths benannt hat: „Als Konsequenz dessen“, dass bei Barth die „Soteriologie ontologischen Charakter“ bekomme, „rücken Sünde und Versöhnung unter den Aspekt eines notwendigen, ontologischen Prozesses, und der Entscheidungscharakter menschlichen Existierens und Sichverhaltens wird nahezu bedeutungslos. Die Geschichtslosigkeit ist hier unmittelbar drohende Gefahr“.⁴⁹ Das Problem, das dadurch bei Barth entsteht, ist allgemeiner Art: Sofern

 Ebd., 100.  Ebd., 95. Auch Prenter kritisierte Barth, allerdings aus anderen Gründen: Er kritisiert, dass die Schöpfung zu einer „Significatio Redemptionis“ (R. Prenter, Die Einheit von Schöpfung und Erlösung, 171) wird, „daß das ohne oder vor dem Glauben an Jesus Christus dem Verstehen des Menschen als sinnlos erscheinende Schöpfungswerk durch den Glauben und durch die im Glauben vollzogene typologische Auslegung der Einzelheiten der Schöpfungsgeschichte sinnvoll wird, eine signifikative Bedeutung bekommt, nämlich eine Bedeutung als eine für die Erlösungsgeschichte präparierte Zeichensprache.“ (ebd., 170). Der Glaube begründet bei Barth die gewisse Einsicht in die Schöpfung als Wohltat, weil er die Einheit von Schöpfung und Bund schaut. Eine solche unanfechtbare Gewissheit kann der Glaube nach Prenters lutherischem Verständnis aber erst im lumen gloriae leisten, davor bleibt diese Einheit ein Glaubenssatz, weshalb der Schöpfung eine gewisse Selbstständigkeit zuzubilligen ist (vgl. ebd., 174 f.). Damit will Prenter die Einheit von Schöpfung und Erlösung nicht verneinen, aber diese Einheit ist „nur eine in der Tat Gottes, nicht in unserer Erkenntnis einzusehende, zu vollziehende Einheit“ (ebd., 181).  W. Härle, Sein und Gnade, 327. Härle stellt an Barth die Frage, ob der Gnadenbund mit der Versöhnung gleichzusetzen ist, und kommt zu dem Fazit, dass eine „Kontinuität zwischen Bund und Versöhnung“ besteht, weil die Schöpfung nur um der Versöhnung willen besteht (ebd., 76 – 78, bes. 77). Die Schöpfung werde dann aber nicht zur Voraussetzung des Bundes, sondern zur „Voraussetzung der Realisierung der göttlichen Liebesabsicht“ (ebd., 218). Dabei kommt Härle zu dem Gesamturteil, dass Gnade nicht als Prinzip der Ontologie tauge (vgl. ebd., 328).

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4 Die exzentrisch-christologische Bestimmung zum Glauben

die Christologie nicht responsorisch verstanden wird, ist die Kontingenz der Sünde gefährdet. Der darin eingeschlossene Teilaspekt, wie Barth dann Geschichte versteht, wird unten in Kap. 6 in Hinblick auf die Geschichtlichkeit des Glaubens besprochen.⁵⁰ Ein zweiter Kritikpunkt an Barths Verhältnisbestimmung von Christi menschlichem Wesen und dem Wesen der übrigen Menschen ist, dass die Frage, wie „wir uns mit dem wahren Menschen identifizieren“ dürfen, ungeklärt bleibe.⁵¹ Brunner kritisierte diese Identifikation dahingehend, dass nicht klar sei, wie das Verhältnis zwischen dem Sein des Menschen in Christus und seinem faktischen Sein als Sünder beschrieben werden könne: „Hier muß ich den Bankrott meines Verstehenkönnens anmelden. Entweder ist mit dem ‚wirklichen Menschen’ der Mensch gemeint, den Jesus Christus errettet, also der Mensch, der den Willen Gottes nicht tut – oder aber dieser ‚wirkliche Mensch’ ist nicht der Mensch, der wir sind.“ ⁵²

Dabei nimmt Brunner an, dass das Wesen des Menschen immer auch in dessen Geschichte sichtbar wird. Daher kann der Mensch entweder wirklich Sünder sein und somit von Jesus Christus errettet werden oder in Jesus Christus Bundespartner Gottes sein, der dann aber nicht mit den Sündern identisch ist.⁵³

 Die weitere Frage nach der Kontingenz der Sünde kann im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht besprochen werden. Siehe dazu u. a. M. D. Wüthrich, Gott und das Nichtige.  E. C. Hirsch, Glauben, 353.  E. Brunner, Der neue Barth. Bemerkungen zu Karl Barths Lehre vom Menschen, 96. Dadurch, dass Barth aber nur den Menschen Jesus Christus erkennen wolle, entgehe ihm die menschliche Situation und er treibe auch in seiner Anthropologie nur Christologie (vgl. E. Brunner, Dogmatik, 62). Ähnliche Kritik wurde auch durch von Balthasar erhoben: Es scheine, „als wäre alles übrige Menschsein nur ein Epiphänomen Christi. Und doch ist man unfähig, da nun einmal der Mensch nicht Christus ist, von der Theologie her das Maß des Abstandes zwischen Christus und dem Menschen festzulegen.“ (H. U. von Balthasar, Karl Barth, 254). Auch Okayama urteilt – ganz auf der Linie Brunners –, dass Barth „nicht unsere reale, widerspruchsvolle menschliche Existenz“, sondern nur unsere christologische Existenz fassen kann (K. Okayama, Zur Grundlegung christlicher Ethik. Theologische Konzeptionen der Gegenwart im Lichte des Analogie-Problems, Berlin 1977, 120).  Auch nach Waap ist es problematisch, dass Barth zwischen dem Phänomen und dem Wesen des Menschen unterscheidet (vgl. T. Waap, Gottebenbildlichkeit und Identität, 304), denn dabei würde „nicht deutlich genug, wie der wirkliche Mensch mit dem Sünder zusammenhängt“ (ebd., 310). Vielmehr erscheine der wahre Mensch als „ein abgehobenes Idealbild“ (ebd., 478). Wie der Zusammenhang von wahrem und faktischem Menschen zu bestimmen ist, darauf „gibt es keine schlüssige Antwort“ (ebd.). Daher folgert Waap: Wenn Barth das Leben des alten Adam nicht adäquat zur Sprache bringe, werde die Gnade des neuen Adam auch keine Überzeugungskraft entfalten (vgl. ebd., 312).

4.3 Der Glaube als entsprechende Antwort und Anteilhabe des Menschen

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Um Barths Identifikation der sündigen Menschen mit dem erwählten menschlichen Wesen in Christus zu verstehen, müssen zwei Hinsichten unterschieden werden: Ontologisch sind alle Menschen in Christi stellvertretender Bundesbejahung im Bund mit Gott, sodass in Christus jeder Mensch wirklicher Mensch und somit Partner Gottes ist. Dies ist die ontologische Bestimmung des menschlichen Wesens. Allerdings handeln die Menschen faktisch in der Sünde gegen ihre Bundeswirklichkeit. Die geschichtlich-ontische Realität zeigt daher nur ein Schattendasein ihres wirklich-ontologischen Seins, denn die Sünder leben in Perversion ihrer Bundeswirklichkeit. Daher ist die göttliche Bestimmung des menschlichen Wesens zugleich noch das Telos der menschlichen Existenz. Drittens wird Barths umfassendender Stellvertretungsgedanke auch in Hinblick auf die menschliche Freiheit kritisiert, wie zum Beispiel Sölles Kritik der „Entmündigung des Menschen“ zeigt: „Derjenige, der meine Stelle besetzt, statt sie mir frei zu halten, der mich verdrängt, statt auf mich zu warten, der total und radikal ohne mich für mich handelt, braucht in der Tat weder meine Einwilligung noch auch nur meinen unausgesprochenen, vielleicht im Zustand meiner Unmündigkeit gar nicht aussprechbaren Wunsch.“⁵⁴ Ein radikaler Stellvertretungsgedanke, wie er bei Luther und Barth zu finden sei, untergrabe nach Sölle autoritär die Subjektivität des Menschen.⁵⁵ Diese Kritik wird sowohl in Kap. 5.1.3 als auch in Kap. 9.3.2 wieder aufgenommen.

4.3 Der Glaube als entsprechende Antwort und Anteilhabe des Menschen Jeder Mensch ist, so das bisherige Ergebnis der christologischen Anthropologie, geschaffen zum Bund mit Gott. In diesem Sinne ist es dem Menschen wesentlich, im bejahenden Verhältnis mit Gott zu leben.⁵⁶ Barth spricht daher vom Menschen als „ein[em] von Haus aus in irgendeiner Beziehung zu Gott stehend[en] Wesen“ (III/2, 83), sodass „von einem Begriff des Menschen, in welchem der Begriff Gottes nicht mitgesetzt wäre, […] keine Rede sein [kann]“ (III/2, 84). Allerdings zeigte der

 D. Sölle, Stellvertretung. Ein Kapitel Theologie nach dem ‚Tode Gottes‘, Stuttgart 1965, 90 f. Der inklusive Stellvertretungsgedanke bei Barth führte zu der Kritik von Sölle, dass der Mensch nur noch ein „zu Ersetzende[r]“ sei, „unbrauchbar, unfähig oder tot“ (ebd., 91). Dieser Kritik scheint die Annahme zugrunde zu liegen, dass die Subjektivität des Menschen nur in einem libertär-autonomen Freiheitsverständnis gewahrt werden kann. Damit widerspricht sie allerdings – wie Sölle selbst anmerkt – nicht nur Barth, sondern auch den Reformatoren.  Vgl. ebd., 90 f.  Vgl. auch K. Stock, Anthropologie der Verheißung, 58.

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4 Die exzentrisch-christologische Bestimmung zum Glauben

vorige Abschnitt auch, dass dieses Wesen zwar jedem Menschen in Christus ontologisch ist, bisher aber geschichtlich-ontisch nur in Jesus Christus selbst verwirklicht wurde. Ohne die je eigene Realisierung der Gottesgemeinschaft leben die Menschen gegenwärtig im „Widerspruch“ (IV/1, 549) zu ihrem ontologischen Wesen, d. h. in der Perversion der Sünde. Ihre ontologische Bestimmung ist demnach für ihr irdisches Leben noch eine Verheißung.⁵⁷ Im vorliegenden Abschnitt soll geklärt werden, wie Barth die Teilhabe der Menschen am Menschsein Christi denkt, welche die gekennzeichnete Kluft zwischen ihrer geschöpflich-ontologischen Bestimmung und irdisch-ontischen Wirklichkeit gleichsam überbrücken soll. Dabei kann es nun nicht darum gehen, dass die Menschen selbstständige Partner in Gottes Bund werden: Sie sollen weder Gott frei und autonom antworten noch an der Überwindung des sündigen Neins durch das Ja zu Gott mitarbeiten. Diese vom Menschen geforderten Taten hat der urbildliche Mensch Jesus Christus bereits stellvertretend für alle erfüllt und damit bereits faktisch jede menschliche Existenz verändert (vgl. III/2, 159).Aus dieser in Christus geleisteten Tat der Bejahung folgt für Barth vielmehr nur die sekundäre Frage, wie sich dies in der persönlichen Geschichte eines jeden Menschen auswirkt. Die Erwählungsgeschichte Christi, die jeden Menschen umfasst, stelle auch jedes menschliche „Sein in d[ie; J. S.] Verantwortung vor Gott“ (III/2, 209) und daher solle jeder Mensch als Abbild des Urbildes Christi auch in seiner irdischen Realität auf seine Erwählung in Christus antworten. ⁵⁸ Daher konstatiert Barth, dass „hinsichtlich derer, die ‚in ihm‘ erwählt sind, […] ihr Erwähltsein konkret in ihrem Glauben an ihn besteht“ (II/2, 135): „Indem sie ‚in ihm‘ erwählt sind, sind sie dazu und nur dazu erwählt: an ihn zu glauben“ (II/2, 136). Im Glauben erkennen die Menschen, dass sie bereits durch Christi Wahl als Bundespartner vor Gott stehen (vgl. III/1, 442). Daher heißt Teilnahme an Christi Antwort, „der gehörten Verheißung dadurch Nachachtung zu verschaffen, daß […] ihr Glauben“ geschenkt wird (II/2, 261). So kommt es im Glauben zu der geschichtlichen Teilnahme am bereits in Christus geschlossenen Bund mit Gott (vgl. II/2, 261), welche

 Dieser Verheißungscharakter des menschlichen Wesens, das dem Menschen ontologisch, aber noch nicht ontisch gilt, zeigt sich auch deutlich im Titel von Stocks Monographie: „Anthropologie der Verheißung“ (vgl. ebd., 35). Stock spricht dementsprechend von der „eschatologische[n] Bestimmung“ und „dynamische[n] Teleologie“ des Menschen (ebd., 43).  Mit dieser Thematik setzt sich auch Kreck auseinander, wenn er im Anschluss an seine Analyse zur Erwählungslehre das Verhältnis von „Erwählung und Glaube“ bespricht (W. Kreck, Grundentscheidungen in Karl Barths Dogmatik, 263 – 273). Er kommt dabei ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der Unterschied zwischen Glaubenden und Nichtglaubenden ein relativer ist, der im Entsprechen zu der Erwählung bzw. Streiten gegen die Erwählung besteht.

4.3 Der Glaube als entsprechende Antwort und Anteilhabe des Menschen

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die eigentliche Bestimmung des Menschen realisiert. Damit gilt für den Glauben, dass er „nicht etwa etwas Besonderes [ist], sondern das uns im Tiefsten angemessene und natürliche Leben“ (II/2, 862). Glaube ist somit die menschliche Tat, in welcher der Mensch seiner Wesensbestimmung entspricht. Für die Ausgangsfrage dieses Kapitels nach dem Verhältnis von Glaube und menschlichem Wesen lässt sich daher festhalten, dass der Mensch, obwohl er keine eigene Fähigkeit zum Bund hat, in seinem Wesen zum Glauben an Jesus Christus bestimmt ist. Der Glaube ist daher eine „natürliche Bestimmung seiner Geschöpflichkeit“ und keine gleichsam magische neue Qualität oder ein aus sich selbst hervorgebrachtes Vermögen (vgl. III/3, 280).⁵⁹ Der Glaube wird von Barth dementsprechend durch die Begriffe der Entsprechung ⁶⁰, Anteilnahme ⁶¹ und der Anteilhabe ⁶² charakterisiert, er ist zusammengefasst die „Teilnahme an Jesus Christus und seinem Gnaden- und Heilswerk“ (III/3, 281). Diese Momente des Glaubens werden von Barth jeweils als geschichtliche Vollzüge verstanden: „Der Glaube realisiert nichts Neues, er erfindet nichts, er findet nur eben, was für den glaubenden wie für den nichtglaubenden Menschen schon ist. Er ist nur des Menschen tätige Erschließung dafür, nur seine tätige Entgegennahme, nur seine tätige Anteilnahme daran. [… Der] Glaube [ist] die Normalisierung des Verhältnisses zwischen dem Menschen und diesem Gegenstand: der Akt, in welchem der Mensch das tut, was dieser Gegenstand fordert,

 In seiner späteren Auseinandersetzung mit Bultmann schreibt Barth hierzu: Der Mensch ist im Glauben „aufgerufen zur ‚eschatologischen‘ Existenz der neuen Kreatur, die als solche die eigentliche, die wahrhaft natürliche Existenz des Menschen ist: natürlich […] auch sie ist dem Menschen schon zuvor nicht unbekannt, nur eben durch die Botschaft ans Licht gestellt und dem Menschen als seine eigene Bestimmung zugesagt als das Eschaton gerade seiner Existenz vorgehalten.“ (K. Barth, Rudolf Bultmann. Ein Versuch, ihn zu verstehen (1952), in: K. Barth, Rudolf Bultmann. Ein Versuch, ihn zu verstehen / Christus und Adam nach Röm. 5, S. 7– 65, 21).  „Der Glaube ist des Menschen Entsprechung zu diesem geschichtlichen Sein und Wesen und Handeln Gottes. […] Christlicher Glaube, der nicht selber Geschichte wäre, wäre nicht christlicher Glaube, nicht Glaube an…“ (K. Barth, Dogmatik im Grundriß, 35, Herv. J. S.). Siehe hierzu auch T. Gundlach, Selbstbegrenzung Gottes und die Autonomie des Menschen, 228 f. Auch Seils kommt in seiner Analyse des Glaubens zu dem Ergebnis, dass der Glaube bei Barth grundsätzlich als „Entsprechung“ zu charakterisieren sei (vgl. M. Seils, Glaube, 220).  Die Beschreibung, dass der Mensch „Anteil“ hat, findet sich mehrfach bei Barth. Siehe u. a. III/1, 378; III/2, 269; III/2, 390.  „Und nun kann Alles, was über unsere Anteilhabe an Jesu Christi Sein und Werk hier in der Tiefe als solcher zu sagen ist, eigentlich nur darin bestehen: Es liegt in dem Wesen dessen, was dort, in Gott geschieht in ewiger Fortsetzung der in der Zeit vollbrachten Versöhnung und Offenbarung, daß es in voller Realität auch hier, auch an und in uns geschieht: angesichts und trotz dessen, was wir, solange Dort und Hier noch ein Zweierlei bedeuten, an und in uns selber sind.“ (II/1, 176, Herv. J. S.).

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4 Die exzentrisch-christologische Bestimmung zum Glauben

was ihm diesem Gegenstand gegenüber zukommt: der Vollzug der Entsprechung zu dem, was dieser Gegenstand an sich für jeden Menschen ist und bedeutet.“ (IV/1, 829; Herv. J. S.)

Der Glaube ist demnach nicht die Realisierung von etwas Neuem, sondern die Entsprechung und Anteilnahme an dem christologisch bereits verwirklichten Bundesschluss zwischen Mensch und Gott.⁶³ Im Folgenden ist auszuführen, wie Barth diesen Übergang vom ontologischen Bund in Christus zu dessen irdischer Realisierung beschreibt. Denn, wie auch Seils konstatiert, wirft Barths Rede „von einem in der Erwählung begründeten und vollzogenen und in der christlichen Erfahrung und Erkenntnis angeeigneten Sein […] gewisse Probleme auf“, da Barth einerseits zwischen der Erwählung zum Glauben und dem Glauben selbst unterscheidet, andererseits das neue Sein aber ontologisch in Christus bereits besteht.⁶⁴ Seils benennt dies als ein „Problem der Beziehung von Erwählung, Freiheit und Glaube in Barths Theologie“,⁶⁵ das dazu führt, dass der Glaube „[i]m Raum dieser Distanz“ zwischen de iure und de facto angesiedelt werden müsse.⁶⁶ Die Klärung der verschiedenen Barthschen Begriffe und Bilder für dieses Distanzproblem in den folgenden Abschnitten (4.3.1– 4.3.2) kann zeigen, dass der Mensch im Glauben geschichtlich realisiert, was ihm in Christus bereits gilt. In Hauptteil II dieser Arbeit ist dann die geschichtliche Dimension des Glaubens als menschliche Entsprechung ausführlicher zu untersuchen.

 Hieran wird einige Kritik laut, die ausführlich in Kap. 6.2.1 zu Wort kommen soll. Exemplarisch sei an dieser Stelle nur Hirsch genannt: Dadurch, dass dem Glauben in Jesus Christus „alles schon vorgegeben“ ist (E. C. Hirsch, Glauben, 353), könne Barth sich zwar absichern, dass der Glaube sicherlich kein Verdienst des Menschen darstellt, aber er nehme damit die „Aporie“ in Kauf, dass im Glauben letztlich nichts Neues mehr entsteht (ebd., 354). Letztlich glaubt schon Jesus Christus für uns, sodass Hirsch in seiner Analyse Barths von einer „Einheit von Objekt und Subjekt des Glaubens“ spricht, weil Jesus nicht nur der Glaubensgegenstand ist, sondern zugleich der wahrhaft gläubige Mensch (vgl. ebd., 348). Das Gleiche analysert auch Seils, der festhält: „Barths Glaubensverständnis enthält in sich die wohl unausgeglichene Spannung, daß sie den Glauben einerseits nur vollziehen sieht, was schon ist, andererseits dem vollziehenden ‚Antwort‘Akt nun doch eine immer noch auch konstitutive Bedeutung beilegen möchte.“ (M. Seils, Glaube, 240).  Ebd., 221 f. unter Bezug auf IV/2, 305.  Ebd., 221 f., Anm. 250.  Ebd., 224.

4.3 Der Glaube als entsprechende Antwort und Anteilhabe des Menschen

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4.3.1 Die Unterscheidung zwischen Erwählt-Sein und Erwählt-Leben Wenn Barth die „Erwählung des Einzelnen“ (II/2, § 35) thematisiert, so geht es ihm nicht um die Unterscheidung der Erwählten von den Verworfenen, denn ihm zufolge sind in Jesus Christus alle Menschen bereits erwählt.⁶⁷ Dass es faktisch Christen und Nichtchristen gibt, liegt folglich nicht daran, dass die Christen erwählt und die Nichtchristen verworfen sind (vgl. II/2, 40 – 44), denn das „Erwähltsein ist der ewige Grund“ (II/2, 353), der jedem Menschen ontologisch gilt und der vom Menschen nicht annulliert werden kann (vgl. II/2, 535).⁶⁸ Um aber diesen sichtbaren, ontischen Unterschied zwischen Christen und Nichtchristen zu erklären, wozu die klassische Erwählungslehre auf die Unterscheidung zwischen Erwählung und Nicht-Erwählung zurückgriff, beschreibt Barth ein unterschiedliches Verhältnis der Menschen zu ihrer Erwählung: „[D]ie Gottlosen, die […] die Verheißung ihrer Erwählung hören und glauben, diese leben als Gottes Erwählte.“ (II/2, 352)⁶⁹ Hierbei unterscheidet Barth also zwischen dem Erwähltsein aller gottlosen Menschen und ihrem Leben als Erwählte, d. h. zwischen den Erwählten, die ihre Erwählung im Glauben annehmen und entsprechend leben, und denjenigen, die ihrer Erwählung zum Trotz verworfen leben.⁷⁰ Damit liegt der Un Die Botschaft lautet für jeden Menschen, „daß auch er ein Erwählter ist“ (II/2, 350). Barth folgt der traditionellen Vorstellung des Zusammenhangs von Sünde und Verwerfung insoweit, als die Sünde der Gottlosigkeit bei ihm die Drohung der Verwerfung mit sich bringt, jedoch Christus der Garant ist, dass die Sünder diese Verwerfung nie erleiden werden, weil von Ewigkeit allein Gottes Sohn zum Erleiden dieser Verwerfung bestimmt war (vgl. II/2, 350 f.). Eine ausführliche, textimmanente Darstellung Barths zur Erwählung des Einzelnen und dessen Leben als Erwähltem oder Verworfenem findet sich bei H. T. Goebel,Vom freien Wählen Gottes und des Menschen, 169 – 177. 202– 229.  Krötke beschreibt den insofern nur „relative[n] Unterschied“ zwischen Christen und Nichtchristen als einen „ontische[n] Unterschied“, denn ontologisch stehen beide im Bund mit Gott (W. Krötke, Sünde und Nichtiges bei Karl Barth, 89).  Dies darf allerdings nicht dazu verleiten, von zwei festen Gruppen, den Gläubigen und NichtGläubigen, auszugehen (s.u. Kap. 7).  Barth ist nicht konsistent in seiner Wortwahl und bezeichnet im weiteren Verlauf von II/2 immer wieder die Erwählt-Lebenden schlicht als Erwählte. Gegen Barths Wortwahl bleibt diese Arbeit auch bezüglich der späteren Stellen bei der differenzierteren Beschreibung des Erwähltseins als Lebensvollzug und als davon unabhängig in Christus gültiger Status. McCormack analysiert diesen Sachverhalt wie folgt: „Aber über Erwählung oder Verwerfung eines Individuums wird nicht mehr von Moment zu Moment (in der Offenbarung ‚hier und jetzt‘) entschieden, sondern seine Erwählung ist bereits in Jesus Christus beschlossen. ‚Hier und jetzt‘ wird nicht darüber entschieden, ob jemand erwählt ist, sondern ob er auf seine Erwählung mit Glauben und Gehorsam antwortet, das heißt, ob er wie jemand lebt, der erwählt ist (und daher auf dem Grund der Wahrheit seiner Existenz), oder wie jemand, der verworfen ist (und daher auf dem Grund einer Lüge)“ (B. L. McCormack, Theologische Dialektik und kritischer Realismus, 381).

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terschied bei Barth nicht auf der Ebene des Erwähltseins, sondern nur auf der Ebene des entsprechenden oder widersprechenden Lebensvollzugs: „Zwischen dem Sein des Erwählten und seinem Leben als solcher liegt das Ereignis und die Entscheidung des Empfanges der Verheißung. Nicht zum Sein wohl aber zu seinem Leben als Erwählter bedarf er des Hörens und Glaubens der Verheißung. Nicht jeder, der erwählt ist, lebt als Erwählter. Er tut es vielleicht noch nicht. Er tut es vielleicht nicht mehr. Er tut es vielleicht nur teilweise. Er tut es vielleicht gar nie.“ (II/2, 353; Herv. J. S.)

Der Glaube markiert somit den Übergang vom Erwählt-Sein ins Erwählt-Leben: „Indem [… der Mensch] hört und glaubt, verwirklicht er jenen Übergang.“ (II/2, 354) Der Übergang im Glauben leitet „von einem irrtümlich gewählten und in sich unmöglichen Leben als Verworfener in sein eigentliches, das ihm durch Gottes Vorentscheidung bestimmte Leben: sein Leben als Erwählter.“ (II/2, 353 f.) Dieser Übergang besteht in der Annahme der durch Christus herbeigeführten ontologischen Wirklichkeit, dass jeder Mensch ein Bundespartner Gottes ist (vgl. II/2, 354). Indem der Mensch dieses Leben als Erwählter führt, wird er dabei sich selbst und anderen zum Zeugnis seiner Erwählung (vgl. II/2, 374 f.). Im Hintergrund dieser Anwendung der Erwählungslehre auf die Unterscheidung zwischen Erwählt- und Nichterwählt-Lebenden steht Barths Verhältnisbestimmung von Bund und Schöpfung: Die Schöpfung ist die „Ermöglichung der Geschichte des Bundes Gottes mit den Menschen“ (III/1, 44) und bildet somit den Raum für die Geschichte des Gnadenbundes (vgl. III/1, 46). Daher zielt die Schöpfung auf die Geschichte, in der sich der Bundesschluss Gottes mit den Menschen realisiert, denn die Beziehung zwischen Gott und Mensch ist eine „wesentlich geschichtliche Beziehung“ (III/1, 71). So wie Jesus Christus nicht nur das präexistente Urbild des Menschen ist, sondern auch geschichtlich in der Inkarnation Mensch wurde und dort den Bundesschluss Gottes mit den Menschen vollzog, so geht es auch in der Erwählungslehre nicht nur um die Erwählung aller Menschen in Christus, sondern auch um ihre eigene geschichtliche Entsprechung zu dieser Bundespartnerschaft durch den Glauben, indem die Gläubigen als Erwählte leben und ihre Erwählung in ihrem Leben sichtbar wird.

4.3.2 Die Unterscheidung zwischen dem Sein ‚de iure‘ und der Entsprechung ‚de facto‘ Die Unterscheidung zwischen Erwählt-Sein und Erwählt-Leben (s.o. 4.3.1), die Barth in seiner Erwählungslehre eingeführt hat, wird in anderen Kapiteln der KD sachlich wieder aufgenommen, allerdings durch andere Begriffe ausgedrückt. Diese sachlichen Bezüge sollen im Folgenden ausgewiesen und als Weiterbe-

4.3 Der Glaube als entsprechende Antwort und Anteilhabe des Menschen

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stimmungen des Glaubens erläutert werden. Dabei zeigt sich, dass Barths grundsätzliche Unterscheidung zwischen dem ewigen, neuen Sein in Christus und dessen zeitlicher Gestalt ‚hier‘ im realen Leben der Gläubigen die gesamte KD durchzieht. Sie bildet eine wesentliche Achse, auf welcher der menschliche Glaube verortet werden muss: „Der Glaube besteht nicht in einer inneren, einer immanenten Veränderung des Menschen, obwohl er nicht ohne solche Veränderung sein kann. Der Glaube ist grundsätzlich mehr als alle ihm folgende Veränderung: er ist als Werk des Heiligen Geistes des Menschen neue Geburt aus Gott, auf Grund derer der Mensch noch hier schon von dem leben darf, was er dort in Jesus Christus und also in Wahrheit ist. Der Glaube ist die zeitliche Gestalt seines ewigen Seins in Jesus Christus“ (II/1, 177).

Grundlage dieser Unterscheidungen zwischen der Neugeburt und der auf sie folgenden Veränderungen, dem Hier und Dort oder auch der zeitlichen und der ewigen Gestalt, ist, dass das neue Sein des Menschen in Christus bereits verwirklicht ist. Daher geht es im Glauben nur um die irdische Entsprechung zu diesem neuen Sein als Bundespartner Gottes, das dem Menschen in Christus schon gilt. In IV/4 drückt Barth dies mit dem Bild der Geburt wie folgt aus: „die nativitas Christi ist die nativitas hominis christiani: der Geburtstag eines jeden Christen ist der Weihnachtstag“ (IV/4, 16); „[a]lso: in der Geschichte Jesu Christi ist der Ursprung und Anfang des christlichen Lebens, ist die göttliche Wendung, in der das Unmögliche nicht nur möglich, sondern wirklich wird“ (IV/4, 18). Doch wie Barth selbstkritisch zugibt, liegt dabei die Vermutung nahe, dass „diese Wendung den Menschen selbst – der ja nicht Jesus Christus, dessen Geschichte ja nicht seine Geschichte ist! – gar nicht berührte“ (IV/4, 19). Damit diese Geschichte Jesu Christi für die Menschen in ihrem Leben real wird, müsse sie irgendwie zur eigenen Geschichte des Menschen werden. Dementsprechend unterscheidet Barth in IV/4 zwischen einem „nur potentiellen“ und einem „aktuellen Anteil“ an Christus (IV/4, 15).⁷¹ Dadurch würde das, „was er [Christus] extra nos war und tat, in nobis Ereignis“ (IV/4, 20), sodass es um das „hic et nunc“ des obigen „illic et tunc“ gehen würde (IV/4, 29). Diese Beschreibung der Verwirklichung der Anteilnahme mittels einer räumlichen Metaphorik findet sich noch häufiger in der KD: So unterscheidet  An anderer Stelle verwehrt sich Barth jedoch explizit einem rein potentiellen Verständnis dessen, was in Christus für den Menschen geschehen ist (s.u. Kap. 5.3.1 und 6.4.1). Will man dies nicht als internen Widerspruch Barths werten, so muss die Potentialität auf die menschliche Perspektive bezogen werden, da dieser für den Menschen potentielle Bundesschluss in Christus ja bereits verwirklicht ist.

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4 Die exzentrisch-christologische Bestimmung zum Glauben

Barth zum Beispiel in II/1 das „Zweierlei“ von der „Wahrheit“ in Christus und unserer „Lüge“ gegen dieses Sein als „daheim“ und „in der Fremde“ sein (II/ 1, 176 f.). Durch den Geist wird „in voller Realität auch hier, auch an und in uns“ das vollbracht, was dort schon vollbracht ist (II/1, 176, Herv. J. S.). Neben diesen räumlichen Metaphern verwendet Barth gerade in KD IV zweitens eine erkenntniskritische Begrifflichkeit, indem er zwischen ontisch und noetisch (IV/1, 392 u. ö.) oder de iure und de facto (IV/2, 826 u. ö.) unterscheidet.⁷² Demnach ändert sich durch den Glauben nicht das, was in Christus dem menschlichen Wesen de iure immer schon gilt (vgl. IV/2, 842), aber im Glauben ändert sich, wie dieses Wesen de facto im Leben Gestalt gewinnt oder verdeckt wird, denn im Glauben wird die ontologische Bestimmung des Menschen „von ihm selbst in einem je ganz verschiedenen Gebrauch und Charakter ins Werk gesetzt“ (IV/2, 842). So geht es im Glauben schlicht um eine „uns widerfahrende neue Bestimmung unserer Diesseitigkeit“ (IV/2, 356). Glaube bedeutet demnach für den Einzelnen, „daß das, was in Jesus Christus für alle Menschen geschehen ist, zur konkreten Bestimmung seiner eigenen Existenz, zum beherrschenden Faktor seiner eigenen Lebensgeschichte wird“ (IV/3, 759).⁷³ So kommt es im Glauben zu der das Leben prägenden Erkenntnis und Entsprechung zu Christi Bundespartnerschaft. Diesen Übergang der Wirklichkeit de iure in die Wirklichkeit de facto umschreibt Barth drittens durch die Unterscheidung von objektiver res und subjektiver Realisierung der Bundespartnerschaft. Demnach hat Jesus Christus als Gegenstand des Glaubens objektiv längst schon „das Alles [gehabt]: Existenz, Wesen, Würde, Bedeutung und Tragweite auch für dieses Subjekt, auch ohne dessen Tätigkeit, auch ohne dessen Glauben und Respekt“ (IV/1, 829). Durch den Glauben kommt es aber dazu, „daß diese objektive res auch in einer bestimmten Tätigkeit dieses Subjekts, auf die sie in diesem Sinn gewissermaßen gewartet hat, Existenz, Wesen, Würde, Bedeutung, Tragweite gewinnt, in dessen Dasein sich Respekt verschafft und tatsächlich respektiert wird.“ (ebd.) Daher bezeichnet

 Die Unterscheidung einer ontischen Wirklichkeit in Christus und deren noetischer Erkenntnis liegt auch Barths späterer Begrifflichkeit zugrunde, wonach Christus den Glauben kreatorisch wirkt, dem die kognitive Kenntnis des Menschen entspricht (vgl. IV/1, 841, s.u. Kap. 6.4.3). Barths Unterscheidung von de iure und de facto wird von Oblau bezüglich des Christusverhältnisses interpretiert, indem er einmal von Christus als dem „Einziggeborenen“ spricht, der dann im geschichtlichen Prozess auch zum „Erstgeborenen“ der anderen wird (G. Oblau, Gotteszeit und Menschenzeit, 273).  „Indem der christliche Glaube dieses göttliche Handeln nachahmt, an seiner Bewegung teilnimmt, [und] Jesus Christus nachfolgt, vollzieht er seinerseits die Entscheidung, erkennt er die Rechtfertigung und also die Gerechtigkeit des geschöpflichen Seins an.“ (III/1, 443).

4.3 Der Glaube als entsprechende Antwort und Anteilhabe des Menschen

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Barth dies als „subjektive Realisierung“ (IV/1, 828).⁷⁴ Die subjektive Realisierung setzt dabei Christi Sein für uns nicht erst in Geltung, denn wie aus dem Vorausgegangenen ersichtlich ist, hat Christus schon ‚Existenz, Wesen, Würde, Bedeutung, Tragweite‘. Daher kann Realisierung nicht meinen, dass eine Potentialität zur Aktualität wird. Gleichwohl bringt der Begriff der Realisierung zum Ausdruck, dass allein durch den Glauben der in Christus geschlossene Bund zwischen Gott und Mensch auch für den einzelnen Menschen in seinem geschichtlichen Lebensvollzug bedeutsam wird.⁷⁵

4.3.3 Die wesentliche Exzentrizität des Glaubens Der Glaube ist dadurch „charakterisiert, […] daß er in des Menschen Ausrichtung auf Jesus Christus hin besteht.“ (IV/1, 830)⁷⁶ Die Bundesbestimmung ab extra bedeutete, dass der Mensch als Geschöpf auf eine Beziehung ad extra angelegt ist und daher sein Wesen und seine Subjektivität außerhalb seiner selbst in Jesus Christus finden muss.⁷⁷ Diese wesentliche Exzentrizität gilt es im Folgenden noch strukturell und inhaltlich zu erläutern. In dieser Ausrichtung auf Jesus Christus entsagt der Mensch nach Barth „seiner Selbstbestimmung“ und seiner Verschlossenheit in sich: „der geschlossene Kreis des menschlichen Daseins“ öffnet sich im Glauben (IV/1, 830) und wird auf Christus hin ausgerichtet:

 Vgl. dazu auch IV/1, 719.  Auch Bonhoeffer hatte bezüglich der Versöhnung zwischen dem Werk in Christus und der Aneignung durch den Geist unterschieden. Dabei verwendet er den Begriff der Realisierung jedoch gerade anders als Barth, denn Bonhoeffer drückt den Aspekt, dass die Versöhnung in Christus verwirklicht ist, durch die Realisierung aus, durch die Zueignung des Geistes wird sie dann aktualisiert (vgl. D. Bonhoeffer, Sanctorium Communio, DBW 1, hg. v. J. von Soosten, München 1986, 89 f.).  Diese Charakterisierung steht in § 63.1 im Zusammenhang mit den zwei anderen Bestimmungen des Glaubens als begründet durch den Gegenstand und darin als Neukonstitution des Gläubigen (vgl. IV/1, 830 – 837).  Vgl. hierzu auch K. Stock, Anthropologie der Verheißung, 88 f.; W. Härle, Sein und Gnade, 124. 129. Stock spricht hier passim von der „Verwirklichung der ontologischen Möglichkeit“, dem „subjektiven Sinn“ oder auch dem „Seinscharakter“. Insofern unterscheidet Stock die ontologische Bestimmung als ontologische Möglichkeit von der ontischen Verwirklichung durch den geschichtlichen Vollzug. Der Möglichkeitsbegriff impliziert dabei allerdings keine menschliche Möglichkeit, sondern vielmehr die Möglichkeit der Zuwendung Gottes (vgl. K. Stock, Anthropologie der Verheißung, 90).

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4 Die exzentrisch-christologische Bestimmung zum Glauben

„Im Glauben hört der Mensch auf, einfach bei sich zu sein: er kann es nur noch so sein, daß er es in der Richtung auf Jesus Christus auch nicht, und zwar gerade entscheidend, gerade in der Mitte seines Daseins, gerade mit dem, was die Bibel sein ‚Herz‘ nennt, auch nicht ist.“ (IV/1, 830)

Im Zentrum seiner Existenz ist der Mensch dann einerseits „ganz und gar nicht“ bei sich in seiner sündigen Selbstverkrümmung, sondern vielmehr bei Jesus Christus, aber durch Christus ist er zugleich in einem eigentlicheren Sinne „ganz und gar bei sich“ (IV/1, 831). Diesen Sachverhalt beschreibt Barth durch den „Begriff des ‚Ekzentrischen‘“ (IV/1, 830), der in der vorliegenden Arbeit als Schlüsselbegriff für die Struktur des menschlichen Glaubens herausgestellt werden soll. Exzentrizität soll grundlegend den Sachverhalt ausdrücken, „daß er [der Mensch] nur außerhalb seiner selbst in seinem Zentrum und also bei sich selbst ist.“ (IV/1, 830) Gerade in der gläubigen „Ausrichtung auf Jesus Christus“ findet sich der Mensch „in der Mitte seines Daseins“, wenngleich er „außerhalb seiner selbst“ ist (IV/1, 830). Christen existieren „nicht nur für sich und insofern konzentrisch, sondern ohne daß ihrer Menschlichkeit Eintrag geschähe, vielmehr eben darin zu echter Menschlichkeit erweckt, auch ekzentrisch“ (IV/3, 630). Dabei ist „[d]er Christ […] ein Mensch, in dessen Leben Jesus Christus als das Subjekt jener seiner Geschichte hineingetreten“ ist (IV/4, 15). In der Exzentrizität wird demnach Christus zum Subjekt des Menschen, der wiederum seine Mitte gerade in Jesus Christus findet, weil dieser für ihn der Bundespartner Gottes ist, sodass er in Christus auch selbst ein solcher Bundespartner sein kann. Was aber heißt es, dass Christus das Subjekt des Menschen wird? Dieses ‚exzentrische‘ Verhältnis des Christen zu Christus darf nicht als eine „Identifikation“ von Christus und Christ missverstanden werden (IV/3, 619). Der Christ geht nicht einfach in Christus auf und dabei als eigenständige Person verloren. Stattdessen charakterisiert Barth dieses Verhältnis zwischen den beiden als „eine in der Vollkommenheit der gegenseitigen Zuwendung der beiden Partner einzigartig nahe, ja unmittelbare und so mit keiner anderen zu verwechselnde Gemeinschaft“ (IV/3, 619). Barth entfaltet dieses Verhältnis als eine solche unio, in der weder „Christus im Christen“ noch „der Christ in Christus aufgeht“ (IV/3, 619). Durch diese Fassung der unio cum Christo ohne Identifikation versucht Barth die Personalität des Menschen zu sichern und dennoch die vollständige Bestimmtheit des Christen durch Christi Wirken herauszuarbeiten. Die „unio cum Christo“ (IV/3, 620) ist demnach ein solches Verhältnis, bei dem „ihre Verbindung in ihrer beiderseitigen Selbständigkeit, Eigenart und Eigentätigkeit“ besteht (IV/3, 621). So werde die Freiheit der beiden Personen und ihr jeweiliges Personensein gewahrt (vgl. IV/3, 620). Doch zugleich darf auch die „Vereinigung“ der beiden in

4.3 Der Glaube als entsprechende Antwort und Anteilhabe des Menschen

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dieser Begegnung nicht aufgehoben werden (IV/3, 620), ist doch Christus derjenige, der wahrhaftig den Bund mit Gott bejaht und so die Wesensbestimmung des Menschen erfüllt. Daher findet der Mensch wirklich in Christus sein Zentrum und doch ist er es, der dort sein Zentrum findet. Wie ein solches Verhältnis gedacht werden kann, verdeutlicht Barth durch eine Analogie zur Zweinaturenlehre. Die Einheit von Gläubigem und Christus vergleicht Barth mit der Einheit der zwei Naturen Christi (vgl. IV/3, 625):⁷⁸ Christus vereinigt sich mit den Christen (vgl. IV/3, 622– 624), die Christen geben sich ihm hin und suchen ihr Leben in ihm, denn sie erkennen sich in Christus als Glied der versöhnten Welt (vgl. IV/3, 625). So besteht der Glaube des Menschen darin, „daß er sich selbst als den, der er in Jesus Christus ist und als den er sich in Jesus Christus erkennt […] ernst nimmt und sich von dort, […] in Bewegung setzt.“ (IV/3, 625 f.) Dementsprechend findet der Gläubige sich selbst neu in Jesus Christus und versteht sich von diesem Sein in Christus her. Das gläubige Selbst ist hierbei exzentrisch, nämlich von der Christusgeschichte her bestimmt. Trotzdem ist der Mensch nicht einfach mit Christus identisch, sondern ihr Verhältnis bleibt eine Begegnung von zwei Partnern (vgl. IV/3, 629), ein unvermischtes Beieinander zweier Subjekte. Dieses unvermischte Beieinander lässt sich mit Barths Konzeption der Anund Enhypostasie erklären:⁷⁹ Die vom Logos angenommene menschliche Natur hat keine eigene Hypostase, d. h. sie ist anhypostatisch und existiert nur enhypostatisch im Logos (vgl. IV/2, 51– 53. 100).⁸⁰ Die Enhypostasie der menschlichen

 Das Besondere an Barths Beschreibung der Union Christi ist, dass er dabei nicht statisch die Union der zwei Stände Christi beschreibt, sondern die Geschichte der Union (vgl. IV/2, 106), die dann auf die dynamische Geschichte zwischen den Gläubigen und Christus übertragen werden kann.  So zum Beispiel auch bei H. T. Goebel,Vom freien Wählen Gottes und des Menschen, 179 – 201; H. Stickelberger, Ipsa assumptione creatur. Karl Barth im Rückgriff auf die klassische Christologie und die Frage nach der Selbständigkeit des Menschen, Bern, Frankfurt am Main, Las Vegas 1979, bes. 171– 181; E. Jüngel, Jesu Wort und Jesus als Wort Gottes. Ein hermeneutischer Beitrag zum christologischen Problem, in: E. Jüngel, Unterwegs zur Sache, S. 126 – 144, bes. 134– 140.  Eine knappe Darstellung der Entwicklung von Barths Christologie mit ihrer Aufnahme der Lehre von der An- und Enhypostasie geben E. van ’t Slot, Die christologische Konzentration, 20 f. und J. Nierop, Von der An- und Enhypostasie der Predigt. Christologische Motive in Karl Barths Homiletik, in: ZDTh 26.1, H. 53 (2010), S. 113 – 127, 121– 127. Van’t Slot zieht den Vergleich zur Gemeinde, wenn er die Gemeinde als „das einzig richtige Analogon der An- und Enhypostasielehre“ bezeichnet, da auch die Gemeinde durch die Erwählung zur Gemeinschaft dazu genommen worden ist (E. van ’t Slot, Die christologische Konzentration, 30). Nierop weist die Bedeutung dieser Figur für die materiale Homiletik aus (vgl. J. Nierop, Von der An- und Enhypostasie der Predigt, 127).

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4 Die exzentrisch-christologische Bestimmung zum Glauben

Natur ist eine Form ihrer exzentrischen Bezogenheit auf die göttliche Natur. Daher gilt für Barth auch, dass Jesus Christus in der völligen und freien „Übereinstimmung“ mit dem göttlichen Willen, d. h. exzentrisch gelebt hat (IV/2, 31). Analog dazu kann nun in Bezug auf die Exzentrizität der Gläubigen ebenso angenommen werden, dass die Entsprechung zu Christus darin besteht, dass sie nicht mehr ihrer Sünde anhangen und insofern anhypostatisch leben. Stattdessen richten sie sich auf Jesus Christus aus und diese Ekzentritizität wäre ihre Enhypostasie.⁸¹ Das enhypostatische Sein in Christus charakterisiert die Vereinigung somit zweifach: Erstens finden die Christen ihr „regierendes, bestimmendes Prinzip im Sprechen, Handeln, Herrschen Christi“ (IV/3, 629). Auf diese Weise verstehen sich die Gläubigen mit ihrer Lebensgeschichte als „ein integrierendes Element des eigenen Lebens Christi, seiner eigenen Geschichte“ (IV/3, 630). Zweitens existiert Christus dabei auch „ekzentrisch“ in den Christen „als das beherrschende Prinzip der von ihnen in eigener Freiheit gelebten Geschichte“ (IV/3, 629). Für die in diesem Kapitel leitende Frage nach dem Verhältnis des Glaubens zum menschlichen Wesen zeigt sich somit auch an der Zuspitzung des Themas auf den Begriff der Exzentrizität, dass die Menschen erst im Glauben zu ihrem eigentlichen Wesen kommen, da sie gerade außerhalb ihrer selbst in Christus am Bund mit Gott teilhaben, der ihre geschöpfliche Wesensbestimmung ist. Die Offenbarung macht den Menschen somit „nachträglich darauf aufmerksam […,] daß es tatsächlich kein Fremdes, kein Unnatürliches für ihn sein kann, in den Bund mit Gott berufen und versetzt, zum Volke Gottes versammelt zu werden.“ (III/2, 388) Daher ist dem Menschen die Erkenntnis seines Wesens zwar faktisch neu, aber sie ist ihm nicht fremd, da der Mensch im Glauben erkennt, dass er schon vor

 Diese These formuliert auch Jüngel, wenn er schreibt: „Hier wiederholt sich die christologische Differenz in soteriologischen Bezügen. Die Enhypostasie der Glaubenden im Sein Jesu Christi ist schon jetzt der Seinsgrund für das Geschehen, in dem der Christ die Anhypostasie seines In-der-Welt-Seins existiert.“ (E. Jüngel, Jesu Wort und Jesus als Wort Gottes. Ein hermeneutischer Beitrag zum christologischen Problem, 142, Anm. 45). Gegen diese Analogie zwischen der „enhypostatischen Existenz“ der Christen zur „an- und enhypostatischen Existenz des Menschen Jesus im Logos“ wendet Goebel jedoch ein, dass Jesus Christus keine „selbständige[] Existenzwirklichkeit“ hatte, wogegen die übrigen Menschen „unter der faktischen Voraussetzung der selbständigen Existenzwirklichkeit“ lebten und insofern gerade nicht anhypostatisch seien (H. T. Goebel, Vom freien Wählen Gottes und des Menschen, 187). Daher gelte diese Analogie in Hinblick auf die Welt de facto nur bedingt (vgl. ebd., 198). Gleichwohl kommt auch Goebel zu dem Ergebnis, dass die Gemeinde „enhypostatisch“ als „Leib“ an Christi Geschichte der Entsprechung teilnimmt (ebd., 201).

4.4 Die analogia relationis als Konkretion der ontologischen Bestimmung

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seiner Schöpfung zu dieser Existenz bestimmt war.⁸² Die Exzentrizitiät des Menschen in Jesus Christus entspricht so dem im eigentlichen Sinne wesensgemäßem Verhältnis des abbildlichen Menschen zu seinem Urbild.⁸³

4.4 Die analogia relationis als Konkretion der ontologischen Bestimmung In einem letzten Schritt soll nun erörtert werden, ob die ontologische Bestimmung jedes Menschen in Jesus Christus auch schon geschöpflich greifbar ist oder inwiefern diese Bestimmung als reine Verheißung noch keine geschichtliche Realität hat. Diese Frage entsteht aufgrund von Barths Vorordnung des Bundes vor die Schöpfung, welche die Vermutung nahe legt, dass die Schöpfung durch den Bund geprägt sein müsste.⁸⁴ Das hieße aber, dass der Schöpfung doch eine gewisse ‚Anlage‘ bzw. ein Anknüpfungspunkt für den Bund zukommen müsste. Dies widerspräche jedoch Barths Zurückweisung eines Anknüpfungspunktes und einer menschlicherseits verfügbaren Möglichkeit zum Glauben (s.o. Kap. 3). Um diese Frage nach der geschöpflichen Sichtbarkeit der ontologischen Bestimmung der Menschen zum Bundespartner zu klären, sind wir an Barths Interpretation der imago Dei verwiesen, denn an ihr kann gezeigt werden, inwiefern

 Dementsprechend behauptet auch Sparn, dass das Ereignis des Glaubens für Gott selbstverständlich ist, für den Einzelnen aber Inhalt seiner Geschichte ist, indem der Mensch zuvor gerade den gegensätzlichen Weg eingeschlagen hatte (vgl. W. Sparn, „Extra Internum“, 64).  Vgl. K. Stock, Anthropologie der Verheißung, 42 f., Anm. 17. Stock unterscheidet zwischen dem eschatologischen „Sein“ und der eschatologischen „Existenz“ eines Menschen, wobei jenes die Wesensbestimmung, diese ihre Realisierung bezeichnet (vgl. ebd., 50). Härle und Prenter kritisieren bei Barth einen tendenziell doketischen Humanitätsbegriff, da die Humanität, d. h. Mitmenschlichkeit, nur in der Zusage und nicht im Sein des Menschen bestehe. Vgl. W. Härle, Sein und Gnade, 154– 171; R. Prenter, Die Lehre vom Menschen bei Karl Barth, in: ThZ 6 (1950), 171. Dass bei Barth die Zusage schon Auswirkung auf das Sein hat, muss aber m. E. hier stärker berücksichtigt werden.  Auch Jüngel kommt zu dem Schluss, dass das Verhältnis von Bund und Schöpfung den interpretatorischen Schlüssel dafür darstellt, wie die Analogie bei Barth zu verstehen sei. Daraus folgert er: „Das Phänomen der Analogie hat also ontologische Relevanz.“ (E. Jüngel, Die Möglichkeit theologischer Anthropologie auf dem Grunde der Analogie. Eine Untersuchung zum Analogieverständnis Karl Barths, 217) Gerade weil Gott den Menschen konstituiert, gibt es Entsprechungen des Menschen zu dem ihn konstituierenden Gott (vgl. ebd., 225). Auch Härle kommt zu dem Schluss, dass die Natur des Menschen seiner Bestimmung nachgeordnet sei und insofern weder der Bestimmung entgegenstehe noch schlicht mit ihr identisch sei (vgl.W. Härle, Sein und Gnade, 132 f.).

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4 Die exzentrisch-christologische Bestimmung zum Glauben

die Bundesbestimmung schon jeden Menschen auch faktisch geschichtlich prägt und inwiefern sie noch nicht Teil seiner geschöpflichen Wirklichkeit ist. Wie schon in Kap. 3.4 angedeutet, verortet Barth die imago Dei nicht in der Natur des Menschen, sondern versteht sie gerade als die göttliche Bestimmung zum Bundesgenossen. Damit beschreibt die imago Dei genau das, was oben die ontologische Bestimmung des Menschen genannt wurde. Als diese Bestimmung prägt die imago Dei, darin geht sie über die Erwählungslehre hinaus, schon die geschichtliche Wirklichkeit des Menschen. Denn wie im Folgenden zu zeigen ist, hat die dem Menschen in Christus anbestimmte Gottebenbildlichkeit in der Schöpfung bereits ihr Abbild in der Mitmenschlichkeit (4.4.1). Um diese Abbildlichkeit des Bundes in der Schöpfung genauer zu verstehen, ist sowohl auf Barths Begriff der analogia relationis ⁸⁵ in Abgrenzung zur analogia entis einzugehen als auch auf Brunners Anfrage, ob Barth mit seinen Ausführungen zur Schöpfung in III/2 nicht doch noch einen menschlichen Anknüpfungspunkt für den Glauben entwickelt (4.4.2).⁸⁶

4.4.1 Die imago Dei als analogia relationis in der Beziehung von Mann und Frau Barth zufolge besteht die Gottebenbildlichkeit des Menschen darin, dass die menschliche Beziehung von Mann und Frau ein Abbild der innertrinitarischen Relationalität Gottes ist: Das „Abbildliche und Nachbildliche“ des Menschen zu Gott ist seine „Existenz in einem und zwar in diesem Gegenüber“ von Mann und Frau (III/1, 219).⁸⁷ Das „Urbildliche und Vorbildliche“ dazu ist Gottes innertrinitarische „Unterscheidung und Beziehung“ (III/1, 219). Die hierbei von Barth beschriebene Entsprechung⁸⁸ zwischen Gott und Mensch liegt in der wesenskon-

 Nach Rüters Analyse hat Barth den Begriff der analogia relationis von Bonhoeffer übernommen (D. Bonhoeffer, Schöpfung und Fall, DBW 3, hg. v. M. Rüter, I. Tödt, München 1989, 61, Anm. 20). Vgl. dazu W. Härle, Sein und Gnade, 206, Anm. 156.  Vgl. E. Brunner, Der neue Barth. Bemerkungen zu Karl Barths Lehre vom Menschen, 96 f.  „Was aber ist das Urbild, in dem oder das Vorbild, nach dem der Mensch geschaffen wurde? Nach unseren vorangehenden Überlegungen die Beziehung und Unterscheidung von Ich und Du in Gott selber. In Entsprechung zu dieser Beziehung und Unterscheidung in Gott selber ist der Mensch von Gott geschaffen: als von Gott anzuredendes Du, aber auch als Gott verantwortliches Ich, im Verhältnis von Mann und Frau, in welchem der Mensch des anderen Menschen Du und eben damit und in Verantwortung diesem Anspruch gegenüber selber Ich ist.“ (III/1, 222) Vgl. auch III/1, 208 f.  Der Begriff der ‚Entsprechung‘ wird (s.o. 4.3) von Barth selbst gebraucht, wenngleich er die Analogie primär thomistisch als „Ähnlichkeit in der Unähnlichkeit oder Unähnlichkeit in der

4.4 Die analogia relationis als Konkretion der ontologischen Bestimmung

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stitutiven Beziehung zum Anderen.⁸⁹ Sie ist daher „eine Analogie der Beziehung. Gott ist in Beziehung; in Beziehung ist auch der von ihm geschaffene Mensch. Das ist des Menschen Gottebenbildlichkeit.“ (III/2, 391)⁹⁰ Demnach ist die Gottebenbildlichkeit „keine vorfindliche Qualität, […] keine dem Menschen eigene Fähigkeit, Möglichkeit oder Struktur seines Seins“ (III/1, 219). Die imago Dei ist vielmehr eine Analogie zur Relationalität Gottes. Die Beziehung zum Anderen bestimmt Barth dabei als frei und liebend: „Man kann es auch so sagen: die Entsprechung und Ähnlichkeit der beiden Beziehungen besteht darin, daß dieselbe ewige Liebe, in der Gott als Vater den Sohn, als Sohn den Vater liebt und in der er als Vater vom Sohne, als Sohn vom Vater, wieder geliebt wird, auch die von Gott dem Menschen zugewendete Liebe ist.“ (III/2, 262)

Ähnlichkeit“ beschreibt (K. Barth, Gespräch mit Tübinger „Stiftlern“ (2. 3.1964), in: K. Barth, Gespräche 1964– 1968, S. 31– 129, 91). Der Entsprechungsbegriff im Kontext der imago Dei Diskussion wurde von Jüngel für die Interpretation Barths stark gemacht (bes. in E. Jüngel, Die Möglichkeit theologischer Anthropologie auf dem Grunde der Analogie. Eine Untersuchung zum Analogieverständnis Karl Barths).  Dieser Gedankengang war schon in der sogenannten Ich-Du-Philosophie verbreitet. Siehe dazu Barths Verweis auf Martin Buber in III/2, 333 und Bubers Hinweis auf Barth in: M. Buber, Das dialogische Prinzip, Heidelberg 1984, 317– 319. Ebneter analyisert, dass Barth von Ebner, Buber und Brunner die dialogische Konzeption der menschlichen Existenz übernehme (A. Ebneter, Der Mensch in der Theologie Karl Barths, 31), diese jedoch „ausschließlich und auf überzeugende Weise von Christus her begründet und aufbaut.“ (ebd., 32) Auch Askani zeichnet nach, wie Barth in KD III/2 sich in Hinblick auf den Gedanken der Mitmenschlichkeit auf Buber bezieht (vgl. H.-C. Askani, Karl Barth und Martin Buber, in: Karl Barths Theologie als europäisches Ereignis, hg. v. M. Leiner, Göttingen 2008, S. 239 – 259, 248 – 259). Ausführlicher wird das Verhältnis von Barth und Buber von Becker besprochen, der Einflüsse und Differenzen herausarbeitet (siehe D. Becker, Karl Barth und Martin Buber – Diener in dialogischer Nachbarschaft? Zur Bedeutung Martin Bubers für die Anthropologie Karl Barths, Göttingen 1986). Hierbei erinnert Barths Verständnis der imago Dei daran, wie Bonhoeffer, von dem Barth den Ich-Du-Gedanken übernommen hat, die Konstitution einer Person in der Ich-Du-Beziehung charakterisiert hat. Bonhoeffer schreibt: „Der andere Mensch ist ‚Du’ nur, sofern Gott ihn dazu macht.“ (D. Bonhoeffer, Schöpfung und Fall, 33) Nach Bonhoeffer muss der Heilige Geist bewirken, dass mir der andere zum Du wird (vgl. ebd.).  Zwei Stellen in Barths Schöpfungslehre sind für seine Bestimmung der imago Dei zentral: III/1, § 41 (219 – 222) und III/2, § 45 (261 – 264). Interessanterweise verweist Barth im Register zu KD III/1 und III/2 nicht auf diese Stellen. Im Register zu KD III/1 wird das Thema der imago Dei überhaupt nicht angegeben. In III/2 werden hingegen vier andere Stellen genannt, die sich aber nicht so ausführlich mit dem Thema beschäftigen.

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Das tertium comparationis der Gottebenbildlichkeit ist demnach die freiheitlich liebende Beziehung zum Anderen.⁹¹ Ähnlich wie Barth das menschliche Wesen in Gleichheit und Ungleichheit mit dem wahren Menschen Jesus Christus bestimmt, benennt er auch bezüglich der imago Dei neben Ähnlichkeiten Differenzen:⁹² Denn so wie Christus in seiner Mitmenschlichkeit das Bild Gottes ist, kann es kein anderer Mensch sein (vgl. III/ 2, 264 f.); nur Jesus Christus „allein ist Gottes Sohn“ und nur er kann „ganz vom mitmenschlichen Du her, ganz zu ihm hin“ sein (III/2, 265).⁹³ Bei den anderen Menschen korrumpiert nicht nur die Sünde die imago Dei, sondern schon der geschöpfliche Unterschied, dass nur Jesus ganz für den Mitmenschen ist:⁹⁴

 Dabei sind Freiheit und Verantwortung Konkretionen der Zuwendung zum Anderen. Sie werden hierbei also nicht im Sinne des freiheitstheoretischen Diskurses gebraucht, sondern beschreiben schlicht das menschliche Miteinander. Allerdings sind diese zwei Charakteristika letztlich doch wieder an die weitere Freiheitsdebatte rückgebunden, insofern der Mensch als unbeständiger Sünder nicht frei und verantwortlich gegenüber seinem Mitmenschen ist. Daher wird die imago Dei (wie im Folgenden noch gezeigt wird) von Barth auch primär Jesus Christus zugeschrieben. Jüngel hat dementsprechend die analogia relationis als „eine Entsprechung von Beziehungen, die durch ein Ja konstituiert sind“, beschrieben (E. Jüngel, Die Möglichkeit theologischer Anthropologie auf dem Grunde der Analogie. Eine Untersuchung zum Analogieverständnis Karl Barths, 221). Hieran lehnt sich auch Graf in seiner kurzen Beschreibung der analogia relationis an: F.W. Graf, Die Freiheit der Entsprechung zu Gott, 82– 84. Pöhlmann war einer der Ersten, der herausgestellt hat, dass die Relationsanalogie bei Barth das Verhältnis der ‚innertrinitarischen Sozialität‘ zur ‚Sozialität von Gott und Mensch‘ und dieser zur ‚Sozialität von Mensch und Mensch‘ beschreiben soll. Dann werde die ‚Sozialität von Gott und Mensch’ zur ‚Sozialität von Mann und Frau‘ in der Ehe in Relation gesetzt; dies ist insofern bedeutsam, als der Mensch ähnlich wie Gott frei ist für den anderen Menschen. Zuletzt erweitert Pöhlmann die analogia relationis zu einer Korrelationsanalogie, da die ‚Freiheit Gottes für den Menschen‘ bei Barth der ‚Freiheit des Menschen für Gott‘ analog sei (vgl. H. G. Pöhlmann, Analogia entis oder Analogia fidei?, 61).  Auf diese Gleichheit und Ungleichheit hat jüngst Waap hingewiesen, indem er die Gottebenbildlichkeit als ein Verhältnis „mit Gefälle“ und „Entsprechung“ beschreibt (T. Waap, Gottebenbildlichkeit und Identität, 222).  „Deutlicher als so kann von der analogia relationis und also von der imago Dei im zentralsten, nämlich im christologischen Sinn dieses Begriffes, nicht geredet werden.“ (III/2, 264).  Christus wird als der ‚Mensch für den Menschenʻ bestimmt (III/2, 248). Für die Menschen, für die im Glauben ihre Analogie zu Christus real ist und die so auch an seiner Gottebenbildlichkeit teilhaben, kann diese Mitmenschlichkeit nur in einer abgewandelten Form gelten, da sie nicht in dem Sinne, wie Gottes Sohn ‚für die Menschen‘ ist, füreinander da sein können. Ihre Mitmenschlichkeit charakterisiert Barth dann „als Zusammensein mit dem anderen Menschen“ (III/2, 290, Herv. J. S.; vgl. auch III/2, 382).

4.4 Die analogia relationis als Konkretion der ontologischen Bestimmung

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„Der Unterschied zwischen Jesus und uns bliebe doch unaufhebbar. Er ist grundsätzlich. Denn das ist sicher, daß kein anderer Mensch von Haus aus und kraft seiner Existenz für den Mitmenschen ist.“ (III/2, 265)

Damit wird nur in Jesus Christus wirklich das Abbild der Bundesbeziehung sichtbar. Die übrigen Menschen sind zwar als Genossen ihrer Mitmenschen geschaffen, pervertieren aber die Art, wie sie für ihre Mitmenschen da sind, in der Sünde. So kommt Barth dazu, die imago Dei als „Zusage und Verheißung“ Gottes gegenüber den Menschen zu beschreiben, die sich „nur in einer direkten Entschließung und Aktion Gottes“ offenbart (III/1, 224; vgl. III/2, 388).⁹⁵ Die imago Dei sei daher keine in der Natur des Menschen angelegte Entsprechung, sondern bestehe vielmehr im Akt der Entsprechung und sei nur in Christus völlig offenbar.⁹⁶ Damit wird die imago Dei ebenso wie oben die ontologische Bestimmung des menschlichen Wesens nicht im Menschen selbst verortet, sondern in Gott und nur durch dessen Gnadenwirken erkennt ein Mensch auch schon hier seine Abbildlichkeit zum göttlichen Bund im menschlichen Miteinander. Allerdings birgt schon das geschöpfliche Sein des Menschen als Mann und Frau einen Ausblick auf das Sein als göttlicher Bundesgenosse: Barth titelt in § 45.3, dass die Menschlichkeit „Gleichnis und Hoffnung“ sei (III/2, 344). Damit ist gemeint, dass „das gottebenbildliche Wesen des Menschen […] in seiner Existenz als Mann und Frau“ besteht (III/1, 219). An dieser „schlechthin geschenkten und gesetzten Beziehung“ zwischen Mann und Frau (III/1, 219) werde die imago Dei offenbar.⁹⁷ Schon durch seine geschöpfliche Beschaffenheit als Mann oder Frau

 Diese Deutung der imago Dei bei Barth steht damit gegen Analysen, die Barth eine „bewußte Reduzierung des theologischen Gewichts der Gottebenbildlichkeit“ vorwerfen (Markschies, Art. „Gottebenbildlichkeit“, 1163). So schreibt Markschies, dass Barth ab KD III die Gottebenbildlichkeit „zugunsten der Rede von einer ‚die physische Geschlechterfolge‘ nur begleitenden ‚Verheißung und Zusage‘ auf[ ]gebe[ ]“ (ebd.). Hierbei bezieht er sich auf KD III/1, 255 und übersieht bei seinem Urteil die folgend erörterten Stellen in III/2. Zwar wird auch hier gezeigt, dass die imago Dei bei Barth als eine Zusage beschrieben wird, sie jedoch als „bloße“ Zusage zu beschreiben ist nicht sachgemäß, wie die Analyse von Barths ontologischer Bestimmung des Menschen in Christus zeigt.  Dies beschreibt u. a. auch Krötke, indem er vom Ereignis der Entsprechung von Gott und Mensch spricht (vgl. W. Krötke, Sünde und Nichtiges bei Karl Barth, 66). Pöhlmann redet daher von einer dynamischen Analogie bei Barth (vgl. H. G. Pöhlmann, Analogia entis oder Analogia fidei?, 119).  Barth gibt hierzu an, dass Bonhoeffers Analyse der Genesis für ihn im Hintergrund stehe, desweiteren Vischer (vgl. III/1, 219). Siehe: D. Bonhoeffer, Schöpfung und Fall; W.Vischer, Das Christuszeugnis des Alten Testaments, München 1934. Aufgrund der Genesisgeschichte und ihres Geschlechterverständnisses bleibt Barth hier bei der konservativen Auffassung, das menschliche

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4 Die exzentrisch-christologische Bestimmung zum Glauben

ist der Mensch nach Barth der Genosse für den anderen Menschen (vgl. III/2, 385 f.). Damit besteht in der geschaffenen Geschlechtlichkeit von Mann und Frau in der Tat eine wirkliche Entsprechung zum göttlichen Bund (als analogia relationis). In demselben Sinne ist für Barth die geschaffene Zweiheit von Mann und Frau ein wirkliches Abbild für die Beziehung Gottes zu Israel und für die Beziehung zwischen Christus und seiner Gemeinde (vgl. III/2, 383 f.). Dennoch schränkt Barth diese geschöpfliche Relationsanalogie zugleich auch ein: Sie bedeutet freilich nicht, dass von der Natur des Menschen als Mann und Frau auf die Gnadenbeziehung zu Gott zurückgeschlossen werden könnte. Erst durch den Glauben erkennt der Mensch das Geheimnis, dass er zum Bund geschaffen ist, und erst von dort her wird ihm die Beziehung zum Anderen ein Abbild des göttlichen Bundes (vgl. III/2, 387 f.). In diesem Zusammenhang setzt sich Barth auch mit dem griechischen Humanismus auseinander, den er als Inbegriff eines nichtchristlichen Seins für den Mitmenschen positiv würdigt (vgl. III/2, 342). Am Beispiel des Humanismus lasse sich sehen, dass Menschen auch schon ohne die Christuserkenntnis und somit ohne die Erkenntnis der Bundesdimension in Mitmenschlichkeit leben (vgl. III/2, 332).⁹⁸ Zwar lebe der griechische Humanismus diese Freiheit für den Anderen „nur in einem gewissen Grade“ (III/2, 342), aber man könne bereits in ihm die Analogie zur göttlichen Bundespartnerschaft sehen. Allerdings fehle ihm selbst die Erkenntnis des göttlichen Erwählungsbundes als Grund seiner liebenden Relationalität. Außerdem sei auch die Mitmenschlichkeit des Humanismus noch unvollkommen und würde ihre Vollkommenheit erst in Christi Erfüllung finden. Die durch Christus ermöglichte Liebe sei daher die „Erweckung und Erfüllung der Humanität“, die vorher verderbt, aber eben nicht verloren gewesen ist (III/2, 342). Demnach habe jeder Mensch als Geschöpf Gottes eine natürliche, wenn auch von der Sünde verderbte Mitmenschlichkeit (vgl. III/2, 332 f.). Der Unterschied zwischen einer humanistischen Nächstenliebe und der christlichen NächstenGegenübersein in dem Bild von Mann und Frau zu beschreiben. Auch erklärt sich Barths Wahl, das Verhältnis zum Anderen als Beziehung zwischen Mann und Frau zu beschreiben durch die Analogie der Ehe zu der Beziehung von Christus und seiner Gemeinde. Sachlich ist es jedoch gut möglich das beschriebene Verhältnis von Mann und Frau als allgemein-menschliche Mitmenschlichkeit mit dem Anderen als Ausführungen über das Gegenüber im Verhältnis von Ich-Du zu deuten und dabei Barths spezifischer Deutung des Geschlechterverhältnisses mitsamt dessen Konkretionen nicht zuzustimmen.  Hedinger setzt diesen Gedankengang in Verbindung zur Lichterlehre Barths (vgl. IV/3, 153), die ebenfalls ersichtlich mache, wie es auch außerhalb der Christusverkündigung zu wahrer Menschlichkeit kommen könne (vgl. U. Hedinger, Der Freiheitsbegriff in der kirchlichen Dogmatik Karl Barths, 135).

4.4 Die analogia relationis als Konkretion der ontologischen Bestimmung

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liebe ist, dass die christliche Nächstenliebe wissentlich aus und in der Gottesliebe besteht und inhaltlich eine wechselseitige Bezeugung der Liebe Gottes zwischen den Menschen beschreibt.⁹⁹ Wenn nun der Humanist Christ würde, dann könnte auch er seine humanistische Mitmenschlichkeit in dem ihm durch die Offenbarung eröffneten größeren Gesamtzusammenhang als Abbild des göttlichen Bundes „wiedererkennen“ (III/2, 343). Die menschliche Nächstenliebe ist daher nach Barth wirklich schon ein Abbild der göttlichen Liebe, sodass der Bund Gottes die Struktur der Schöpfung prägt. Folgend gilt es die Art dieser Prägung noch genauer zu untersuchen.

4.4.2 Der Streit analogia relationis – analogia entis und Brunners ‚neuer Barth‘ Barths Begriff der imago Dei in seiner Spannung zwischen einer Bestimmung in Christus und einer jetzt schon realen Abbildlichkeit in der Mitmenschlichkeit wurde in der Forschung in Auseinandersetzung mit der analogia entis diskutiert:¹⁰⁰ Barth selbst hatte die analogia entis wiederholt scharf kritisiert und seinen, für die KD leitenden Analogiebegriff davon abgegrenzt: „Wie Gott für den Menschen ist, so der Mensch für den Menschen: indem nämlich Gott für ihn ist, so daß die analogia relationis als Sinn der Gottebenbildlichkeit mit irgend einer analogia entis nicht verwechselt werden kann.“ (III/1, 219) Barth begründet diese Abgrenzung damit, dass diese analogia relationis erstens keine Partizipation am göttlichen Sein beschreibt, sondern nur eine Entsprechung der Verhältnisse darstellt. Diese Entsprechung besteht aber nur im „Akt“, weshalb die „Klammer“ der beiden im Verhältnis zueinander ein „Ereignis“ ist.¹⁰¹ Zweitens wird damit kein ontisch-natürliches, von der Gnade Gottes losgelöstes Gottesverhältnis gedacht. Die Mitmenschlichkeit ist somit als relationale Analogie ein „Abglanz des Gnadenlichtes“ (III/2, 389). Drittens unterscheidet sich das Begründungsgefüge von

 Härle bewertet diese Barthsche Deutung von christlicher Nächstenliebe als problematisch, da das neutestamentliche Zeugnis keine Begründung eines so eingeschränkten Liebesbegriffs biete (vgl. W. Härle, Sein und Gnade, 140 – 142).  Schon 1975 schreibt Härle, dass die Literatur zu Barths Analogieverständnis „kaum noch zu überblicken“ sei, trotzdem findet sich eine kurze Zusammenfassung der relevanten Literatur bis 1975 bei ihm: ebd., 172, Anm. 1.  K. Barth, Gespräch mit Tübinger „Stiftlern“ (2. 3.1964), 90. Da es Barth hierbei um „das Sein, welches überhaupt nur als Akt verstanden werden kann“ geht, bestätigt Barth selbst seinen „kräftige[n] Aktualismus“, der aber einen solchen Akt beschreibt, „der zugleich das höchste Sein ist“ (ebd.).

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demjenigen der analogia entis, indem keine ihrem Verhältnis vorausgehenden Relate gedacht werden.¹⁰² Dabei begründet aber nicht die Mitmenschlichkeit die Beziehung zu Gott, sondern aufgrund der Bundesbestimmung des Menschen wird der Mensch in Mitmenschlichkeit geschaffen und zum Abbild der göttlichen Gemeinschaft.¹⁰³ Trotz dieser expliziten Abgrenzungen Barths meinten einige seiner Weggefährten, dass Barth mit seinen Ausführungen zur imago Dei dennoch die analogia entis vertreten habe.¹⁰⁴ So wurde zum Beispiel auf katholischer Seite darauf hingewiesen, dass die analogia entis zugleich auch eine analogia relationis darstelle.¹⁰⁵

 Diesen Aspekt stellt auch Jüngel als den entscheidenden heraus, wenn er von Balthasars Analyse, Barths analogia relationis sei eine analogia entis, als falsch abweist (vgl. E. Jüngel, Die Möglichkeit theologischer Anthropologie auf dem Grunde der Analogie. Eine Untersuchung zum Analogieverständnis Karl Barths, 220). Weiterhin begegnet Jüngel mit diesem Argument auch Söhngens Analyse kritisch, dass Barth damit eine analogia proportionalitatis im Anschluss an Thomas von Aquin vertrete (vgl. ebd., 221 f.). Jüngel konstatiert demgegenüber: „Indem Gott Ja zu etwas sagt, schafft er eine Beziehung zu dem Bejahten und damit dieses selbst.“ (ebd., 226) Auch Waap formulierte jüngst diese zwei Aspekte (vgl. T. Waap, Gottebenbildlichkeit und Identität, 225 f.), womit er sich Jüngel anschließt (vgl. ebd., 221, Anm. 128).  Weiter dürfe der Analogiebegriff nicht implizieren, dass Gott und Mensch an einem ihnen gemeinsamen dritten Genus partizipieren würden: „Es wäre ein Unfug, […] daraus, daß sowohl der Schöpfer als das Geschöpf ist und also Sein hat, zu schließen: ihr Sein sei zwar ungleich, in gewisser Beziehung aber auch gleich und also ähnlich; es gäbe also zwischen Schöpfer und Geschöpf eine analogia entis und insofern einen Oberbegriff, einen Generalnenner, ein genus[!] ‚Sein‘, das beide, Gott und sein Geschöpf, umfaßt.“ (III/3, 116) Stattdessen beschreibt Barth die Entsprechung von Gott und Mensch in den Bänden KD I und KD II als analogia fidei, in den späteren Bänden (ab KD III/1) als analogia relationis. Für beide lässt sich festhalten, dass sie keine vererbbaren Qualitäten des Menschen beinhalten, sondern je der Konstitution durch Gott bedürfen. Pöhlmann folgert aus der Begründung der analogia relationis in der Gnade, dass sie eine analogia revelationis sei und stellt so die Nähe zur früheren analogia fidei her (siehe H. G. Pöhlmann, Analogia entis oder Analogia fidei?, 58).  Zum Beispiel kam Brunner zu der Diagnose, dass die Natur des Menschen mit der ‚verderbten aber nicht verlorenen‘ Mitmenschlichkeit eine Analogie aufweist zur innergöttlichen Relationalität. Vgl. E. Brunner, Der neue Barth. Bemerkungen zu Karl Barths Lehre vom Menschen.  Thematisiert wird dies u. a. in den Arbeiten von Przywara, von Balthasar und Söhngen. Balthasar kritisiert an Barth, dass in der analogi entis Natur und Gnade zusammen gesehen werden müssten, sodass die Natur eine von der Gnade gegründete Natur sei, der dann eine relative Eigenständigkeit zukommt (vgl. H. U. von Balthasar, Karl Barth). Söhngen versucht zu zeigen, dass es eine analogia fidei nur begründet in der analogia entis geben könne: vgl. G. Söhngen, Wesen und Akt in der scholastischen Lehre von der participatio und analogia entis, in: StGen 8 (1955), S. 649 – 662, 650. Dies zeigt sich auch daran, dass Söhngen eine analogia entis beschrieb, die allein in Gottes gnädigem Wirken in Christus gründet, und Barth dieser nach Härle

4.4 Die analogia relationis als Konkretion der ontologischen Bestimmung

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Auch von einigen evangelischen Theologen, u. a. Emil Brunner und Regin Prenter, wurde Barths Frontstellung gegen die analogia entis als Scheinkonflikt betrachtet.¹⁰⁶ Brunner kam zu dem Ergebnis, dass Barths Entwicklung ab 1948 „der neue Barth“ sei und nicht mehr dem gleiche, was Barth am Anfang der dreißiger Jahre geschrieben hatte.¹⁰⁷ Eine solche Wende müsse man konstatieren, wenn Barth sagt, dass eine „Ähnlichkeit zwischen des Menschen (göttlicher) Bestimmung und seiner menschlichen Natur“ (III/2, 245) besteht, man „ein dem Christen und dem Nichtchristen gemeinsames Menschliches voraussetzen“ muss (III/2, 336) und es etwas „Verbindendes“ (III/2, 341) gibt zwischen der christlichen Nächstenliebe und der Nächstenliebe im griechischen Humanismus.¹⁰⁸ Die Bezogenheit des Menschen auf sein Du war nach Brunner „das Sein des gottgeschaffenen Menschen“, das durch die Sünde als „Widerspruch […] verkehrt“ wurde, sodass Brunner mit dem ‚Barth von 1948‘ darin übereinzustimmen meint, die „‚bleibende‘ menschliche Natur“ als ein „Kontinuum“ zu bestimmen.¹⁰⁹ Wäre Brunners Analyse zuzustimmen, dann müsste auch die in Kapitel 3 konstatierte ‚Wesensfremdheit‘ des Glaubens relativiert werden. Barth geht auf Brunners Rede von einem ‚neuen Barth‘ in der Weise ein, dass er Brunner den KD-Band III/4 zukommen lässt und darin in der Widmung von sich als dem „alten Barth“ spricht.¹¹⁰ In seiner Selbsteinschätzung steht er wei-

auch zustimmen könnte (vgl. W. Härle, Sein und Gnade, 225). Vielbeachtet ist das Verhältnis zwischen Przywara und Barth, wozu Eberhard Mechels einen detaillierten Vergleich anstellt: E. L. Mechels, Analogie bei Erich Przywara und Karl Barth. Das Verhältnis von Offenbarungstheologie und Metaphysik, Neukirchen-Vluyn 1974. Weiter ist das Przywara-Barth-Verhältnis aufgearbeitet bei C. Chalamet, Est Deus in Nobis? Die frühen Jahre der Barth-Przywara Debatte, in: Karl Barths Theologie als europäisches Ereignis, hg. v. M. Leiner, Göttingen 2008, S. 271– 290. Zum Überblick über die katholische Rezeption siehe B. Dahlke, Die katholische Rezeption Karl Barths, 93 – 99.  Vgl. E. Brunner, Der neue Barth. Bemerkungen zu Karl Barths Lehre vom Menschen, 93; R. Prenter, Die Lehre vom Menschen bei Karl Barth, 220 f. Pöhlmann kommt gegen diese Interpreten zu dem Schluss, dass Barth nichts an seiner alten Frontstellung gegen die analogia entis ändere: H. G. Pöhlmann, Analogia entis oder Analogia fidei?, 59. Wolfhart Pannenberg hat versucht, diese Kritik auf einer theoretische Ebene zu verallgemeinern, der zufolge „alle Analogie in ihrer ontologischen Struktur Seinsanalogie ist“ (W. Pannenberg, Zur Bedeutung des Analogiegedankens bei Karl Barth. Eine Auseinandersetzung mit Urs von Balthasar, in: ThLZ 78, H. 1 (1953), S. 17– 24, 24).  E. Brunner, Der neue Barth. Bemerkungen zu Karl Barths Lehre vom Menschen, 90.  Vgl. ebd.  Ebd., 91.  E. Brunner, Emil Brunner an Karl Barth. Zürich 9.7.1951, in: K. Barth; E. Brunner, Karl Barth – Emil Brunner Briefwechsel 1916 – 1966, S. 377– 378, 377, Anm. 1. Auch bezieht Barth in KD III/2 explizit zur Frage des Anknüpfungspunktes Stellung, wobei er erneut Brunners Deutung

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4 Die exzentrisch-christologische Bestimmung zum Glauben

terhin in Kontinuität zu dem, was er in Abgrenzung gegen Brunner als ‚christologischen Anknüpfungspunkt‘ beschrieben hatte.¹¹¹ Barths Selbsteinschätzung lässt sich wie folgt nachvollziehen: Zwar wird der Mensch geschaffen, weil er zum Bund bestimmt ist, und so ist seine geschöpfliche Natur auf diese Bundesbestimmung hin relational angelegt. Ferner gilt auch, dass der Mensch gegenüber der „Gnade Gottes nicht einfach fremd und widerstrebend sein kann, sondern [ihr] in einer bestimmten Vertraulichkeit gegenüberstehen muß“ (III/2, 267). Aber eines Anknüpfungspunktes als Verantwortlichkeit und Humanität verneint und seinen eigenen Ansatz dagegen als einen strikt christologischen Anknüpfungspunkt beschreibt: „An seine Vernunft oder Verantwortlichkeit oder Menschenwürde, an seine Humanität an sich und als solche wird da nicht appelliert. Eine andere entscheidende Voraussetzung wird da nicht gemacht als die, daß ein Jeder, der Mensch ist, als solcher auch in dem Namen Jesu anzusprechen sei und also als Mensch mit diesem einen Menschen in einem undiskutierbaren, als Anknüpfungspunkt völlig zureichenden Zusammenhang stehe.“ (III/2, 160).  Auch Gestrich analysiert zu III/2, dass dies „keine nachträgliche Anerkennung der für Brunner grundlegenden Unterscheidung einer unverlierbaren formalen und einer zerstörten materialen imago Dei“ bedeute, denn Barth „lehrte einen einheitlichen, christologisch begründeten Begriff der Gottesebenbildlichkeit“ (vgl. C. Gestrich, Neuzeitliches Denken und die Spaltung der dialektischen Theologie, 225). Härle analysiert, dass bei der früheren Form der analogia fidei das tertium comparationis die Bereitschaft für die Offenbarung war, die dem Menschen in der Offenbarung zukam. Die analogia relationis würde diese christologische Begründungslogik der früheren Bände nicht abändern, sondern sie auf die Schöpfung ausweiten. Dies würde auch der von Barth selbst bezeugten Überraschung über die Neuerungen im Vorwort zu III/1 entsprechen. Insofern sei die analogia relationis keine Rückbesinnung auf die natürliche Theologie, sondern komme „aus einem neuen, christologischen Verständnis der Schöpfung“ (W. Härle, Sein und Gnade, 214). Auch Wingren stellte 1957 die Frage, ob Barth mit der Entwicklung des Analogiegedankens die frühere „negative Fixierung auf der anthropologischen Ebene“, dass es dem Menschen an Gotteserkenntnis fehlt, wieder aufhebt. Wingren antwortet: „Es ist die eigentliche Feinheit dieser späteren positiven Anthropologie, daß sie nicht eine Rückkehr zu den Positionen bedeutet, die vor dem Streit mit Emil Brunner eingenommen wurden, und daß die Frage nach der Gotteskenntnis des Menschen nicht davon berührt wird. Die negative Fixierung in der Erkenntnisfrage bleibt also bestehen.“ (G. Wingren, Die Methodenfrage der Theologie, 50) Barth grenzt sich demnach auch in KD III/2 erneut explizit gegen einen ‚natürlichen’ Anknüpfungspunkt ab und stellt sich damit implizit wieder gegen Brunner. So ist die Analogie zwar in und mit der Schöpfung gesetzt, aber nicht durch die Schöpfung, sondern durch den vorzeitlichen Gnadenbund begründet (vgl. W. Härle, Sein und Gnade, 213 f. 225). Krötke kommt daher zu dem Urteil, dass Barth in II/2 und der folgenden Schöpfungslehre bei seinem Verständnis „per analogiam fidei“ bleibe und somit jedem Urteil, das beim späten Barth eine analogia entis vermutet, widerspricht (W. Krötke, Die Summe des Evangeliums, 79). Auch Kreck weist ebenso darauf hin, dass ein gewisser Friede zwischen Barth und Brunner hergestellt wird, gleichwohl gewisse Differenzen bleiben (vgl. W. Kreck, Grundentscheidungen in Karl Barths Dogmatik, 119 – 126). Und auch wenn die geschaffene Mitmenschlichkeit des Menschen ihm qua Natur vom Gnadenbund her zukommt, ist doch die Bundespartnerschaft mit Gott, die im Glauben realisiert wird, ein Neues, was allein durch Gottes Gnade zustande kommt.

4.4 Die analogia relationis als Konkretion der ontologischen Bestimmung

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es gilt ebenso, dass der Glaube nicht von einer menschlicherseits verfügbaren Möglichkeit abhängt oder der Mensch einen Anspruch auf seine Gottesbeziehung erheben kann. Eine gewisse Vorbereitung des Geschöpfes zum Bund, wie sie in der geschaffenen Mitmenschlichkeit zu finden ist, darf daher nicht als eine solche Anlage verstanden werden, aus der die Möglichkeit zur Gottesbeziehung folgt.¹¹² Stattdessen scheint Barth hier eher eine teleologische Denkfigur zu nutzen: Weil Gott jeden Menschen in Christus wirklich zum Bundespartner erwählt hat und sich diese Erwählung auch in der Welt aufgrund des Geistwirkens Christi realisieren wird, darum leben die Menschen auch schon jetzt und unabhängig vom Glauben in der analogia relationis; diese kommt ihnen aber nicht unabhängig von der göttlichen Gnade zu.¹¹³ Barth vertritt also keine ‚formale imago‘ wie Brunner,¹¹⁴ sondern stellt sich vielmehr auf den Boden dessen, was Brunner als ‚materiale imago‘ bezeichnet hatte, denn die Menschen sind in Gottes Perspektive immer schon erwählte Bundespartner.¹¹⁵ Kontrastierend kann man sagen, dass Brunner anknüpfend an der formalen imago Dei die heilsame Gottesbeziehung (materiale imago Dei) erst wieder herstellen will. Bei Barth hingegen ist schon in Christus für alle Menschen angeknüpft worden und sie sind allein dazu bestimmt, dies zu erkennen. Die

 Die ontologischen Auswirkungen der Bundesbestimmung, die Barth als imago Dei in dem Verhältnis von Mann und Frau beschreibt, bilden keinen Anknüpfungspunkt im Sinne der natürlichen Theologie, denn nicht das menschliche Sein als Mann und Frau verleiht dem Menschen eine Erkenntnismöglichkeit, Fähigkeit dafür oder Verlangen dazu, Gottes Bundespartner zu werden, sondern allein Gottes Gnade beruft den Menschen zum Leben als Gottes Bundespartner: „Und daraus ergibt sich, daß ihm aus dieser Entsprechung seiner Natur [imago Dei; J. S.] kein Recht und kein Anspruch erwächst, keine Verfügung darüber, Gottes Bundesgenosse zu sein oder nicht zu sein […]. Er wird nur Gottes Gnade preisen können, wenn er das tun darf. Denn es wird nur Gottes Gnade sein, wenn er dazu berufen und eingesetzt wird. Daraus ergibt sich ferner, daß hier für keine ‚natürliche Theologie’ so etwas wie ein Anknüpfungspunkt für die Verkündigung von Gottes Gnade und Offenbarung zu entdecken ist.“ (III/2, 387).  Vgl. hierzu auch McCormacks Analyse, dass Barths Analogieverständnis in seiner „covenant ontology“ begründet ist und nicht in einer „essentialist ontology“: B. L. McCormack, Grace and Being. The Role of God’s Gracious Election in Karl Barth’s Theological Ontology, 200.  Was Barth als analogia relationis entwickelt, wirkte auf den ersten Blick der formalen imago Dei ähnlich, denn auch Brunner betonte bezüglich der formalen imago Dei, dass der Mensch in seiner „Ichheit“ so geschaffen sein muss, dass er als Partner dem ‚Du‘ antworten kann (E. Brunner, Dogmatik, 67). Siehe dazu auch M. Roth, Gott im Widerspruch?, 494– 498.  Vgl. C. Gestrich, Neuzeitliches Denken und die Spaltung der dialektischen Theologie, 225. Bezüglich Brunners Unverständnis urteilt Gestrich dementsprechend: „Daß nach Barth alles das, was nach Brunner nur von der im Glauben wieder geschenkten materialen imago Dei ausgesagt werden könnte, schon für den natürlichen Menschen Geltung hat, dies nötigte Brunner, den ‚Bankrott’ seines ‚Verstehenkönnens’ anzumelden“ (ebd., 226).

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4 Die exzentrisch-christologische Bestimmung zum Glauben

Kontinuität des Seins im Glauben liegt dann nicht in der formalen imago Dei, sondern darin, dass die Menschen in Christus bereits Gottes Bundesgenossen sind, obgleich ihr Leben dazu im Widerspruch steht. Das faktische, sündige Leben erhält bei Barth dann keine eigene, positive Beschreibung, sondern wird nur ex negativo als Widerspruch zu ihrem wirklichen Menschsein in Christo beschrieben. Es gibt somit auch bei Barth eine Art ‚Brücke‘ zwischen altem und neuem Menschen, aber diese Brücke reicht nicht von der formalen imago Dei des alten Menschen hinüber zum neuen Menschen, sondern die teleologische Verheißung des neuen Menschen in Christus formt die Realität des Nicht-Gläubigen als Mitmensch in eine ihr analoge Gestalt. Im Hinblick auf die Begrifflichkeit der analogia entis hat daher Berkouwer herausgearbeitet, dass der wesentliche Unterschied zwischen der analogia entis und der von Barth formulierten Version einer analogia relationis nicht darin liege, dass die analogia relationis ohne ontische Fundierung wäre, sondern vielmehr darin, dass die analogia relationis allein in der göttlichen Gnade der Erwählung wurzelt.¹¹⁶ Pöhlmann analysiert entsprechend, dass der Ausschluss der analogia entis keine ontische Analogie verwirft, nur sei eine substantielle Analogie im insich-seienden Menschen ausgeschlossen.¹¹⁷ Die den Abschnitt leitende Frage nach den Auswirkungen des Bundes auf das geschöpfliche Wesen des Menschen kann nun so beantwortet werden, dass der Gottesbund die Mitmenschlichkeit als dessen geschöpfliche Analogie bedingt, aber die Mitmenschlichkeit keine unabhängig bestehende Anlage für den Gottesbund ist, sondern in der Bundespartnerschaft Christi als analogia relationis mitkonstituiert wird. Der Glaube kann insofern an dieser Relationalität der Mitmenschlichkeit anknüpfen, ohne aber in ihr eine Voraussetzung für die Gottes-

 Vgl. G. C. Berkouwer, Der Triumph der Gnade in der Theologie Karl Barths, 162 f. Berkouwer setzt dabei die analogia fidei aus KD I/1 mit der analogia relationis in KD III gleich.  Vgl. H. G. Pöhlmann, Analogia entis oder Analogia fidei?, 115. Hierbei positioniert er sich explizit gegen von Balthasar, Söhngen, Brunner und Prenter. Damit folgert Pöhlmann dann auch weiter, dass die Kritiker, die von Barth notwendig ontologische Implikationen fordern, Recht haben, diese zu fordern. Nur liegen sie in ihrer Analyse, dass Barth, sofern er ontologische Implikationen lehre, dann doch eine analogia entis lehre, falsch (vgl. ebd., 116). Auch Jüngel zufolge ist das Verhältnis zwischen Gott und Mensch ein ontologisches, das aber aufgrund des Begründungsverhältnisses von Bund und Schöpfung nicht Gefahr laufe, eine analogia entis zu ergeben (vgl. E. Jüngel, Die Möglichkeit theologischer Anthropologie auf dem Grunde der Analogie. Eine Untersuchung zum Analogieverständnis Karl Barths, 217– 219). Eine ausführliche Analyse zum Verständnis der Analogie bei Jüngel und Barth bietet H. T. Goebel, Vom freien Wählen Gottes und des Menschen, 230 – 255. Härle schließt sich in seinem Urteil zur Analogie Barths weitestgehend an Jüngel und Pöhlmann an (vgl. W. Härle, Sein und Gnade, 172– 226, bes. 225 f.).

4.5 Systematische Auswertung: Die Wesensgemäßheit des Glaubens

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beziehung zu sehen, da diese Relationalität vielmehr immer schon in der Gottesbeziehung des Menschen gründet, was im Glauben schlicht erkannt wird. Dem Nicht-Gläubigen ist diese Begründung seiner Mitmenschlichkeit in der Analogie zur innertrinitarischen Relationalität freilich noch nicht bekannt, sodass hier kein Anknüpfungspunkt im Sinne Brunners vorliegt. Erst der Christ kann retrospektiv im Glauben einsehen, dass er immer schon zum Bund geschaffen war.

4.5 Systematische Auswertung: Die Wesensgemäßheit des Glaubens Die das vorliegende Kapitel umgreifende Frage nach dem Verhältnis von Glauben und menschlichem Wesen kann nun beantwortet werden. Zunächst wurde anhand von Barths Christologie (4.1) gezeigt, dass Jesus Christus als Urbild aller Menschen zum Bundespartner Gottes erwählt wurde und stellvertretend für alle Menschen diesen Bund mit Gott bejaht hat (4.2). Das Wesen des Menschen ist daher relational in der Gottesbeziehung begründet und ontologisch zum Bund mit Gott bestimmt (4.2.3). Die darin liegende Spannung zwischen dem bereits in Christus verwirklichten und dem im Leben der Einzelnen zu realisierenden Bund konnte durch Barths Unterscheidung zwischen Erwählt-Sein und Erwählt-Leben aufgelöst werden, als Unterscheidung einer Wirklichkeit de iure und de facto (4.3). Der Glaube ist dabei der Übergang zwischen beidem: im Glauben erkennt ein Mensch sein ontologisch-wirkliches Sein de iure in Christus und durch dieses Erkennen im Glauben gewinnt es auch in seinem ontisch-geschichtlichen Leben de facto Gestalt. Der Glaube zeigt sich damit als Anteilhabe an und Entsprechung zu Jesus Christus, in dem das ontologische Wesen des Menschen ontisch realisiert wird. Da im Glauben das eigene Zentrum extra me in Christo erkannt wird, hat er eine ‚exzentrische‘ Struktur, welche die relationale Bestimmtheit des menschlichen Wesens zum Bund realisiert. So kommt es im Glauben zu einer ‚exzentrischen‘ Subjektivität, die der ontologischen Exzentrizität aller Menschen in Christus entspricht. Inwiefern diese ontologische Bestimmung des menschlichen Wesens in Christus dessen irdische Realität bestimmt, konnte an der imago Dei illustiert werden (4.4). Demnach sind alle Menschen in ihrer freiheitlich-liebenden Beziehung zum Nächsten bereits Abbilder des göttlichen Bundes. Diese Abbildlichkeit ist allerdings verborgen, d. h., dass sie erstens noch eine gebrochene Abbildlichkeit ist, die erst eschatologisch vollkommen wird, und zweitens wird sie erst im Glauben erkannt. Im Glauben erkennt der Mensch daher, dass der in Christus vollzogene Bund ihm wesensgemäß ist. Das Entscheidende für Barths Verhältnisbestimmung von Glaube und menschlichem Wesen ist somit, dass das

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4 Die exzentrisch-christologische Bestimmung zum Glauben

Verhältnis nicht primär schöpfungstheologisch, sondern christologisch zu explizieren ist. Der Glaube ist dem Menschen zwar im Horizont seiner Lebensgeschichte neu, insofern es nicht einmal in einer vorgeordneten Protologie schon einen Zustand gab, in welchem der Mensch eine Gottesbeziehung ‚inne hatte‘. Aber zugleich ist der Glaube dem Menschen wesensgemäß, weil der Mensch im Bundesschluss Gottes geschaffen wurde und diese ontologische Bestimmung nicht durch seine Sünde verändert werden konnte. Aufgrund ihrer christologischen und nicht schöpfungstheologischen Fundierung stellt diese Wesensgemäßheit zudem keine analogia entis dar, die auch als eine Art natürlicher Anküpfungspunkt angesehen werden könnte, sondern gründet in einer analogia relationis. Daher ist der Glaube dem Menschen in einem noch stärkeren Sinne wesensgemäß, insofern er als analoge Entsprechung zu Christus den Menschen erst in das ‚ek-zentrische‘ Gottesverhältnis bringt, das seine Wesenbestimmung als Bundespartner ontisch realisiert. In der Scharnierfunktion der analogia relationis liegt daher der Hinweis auf einen durchgängig relationalen Wirklichkeitsbegriff. Der Unterschied zwischen der Wirklichkeit des menschlichen Wesens de iure und seiner Realisierung de facto ergibt sich aus der Hierarchie im Gott-Mensch Verhältnis. Im Hinblick auf Christi stellvertretendes Menschsein sind jedem Menschen der Glaube und die Bundespartnerschaft schon zugeeignet und wirklich – auch unabhängig vom persönlichen Glauben an Jesus Christus. In der menschlichen Perspektive auf die Realität ist die Gottesbeziehung dem Menschen jedoch fremd. Allerdings werden mit dieser Doppelperspektive von ‚fremd‘ und ‚eigen‘ keine zwei Wirklichkeiten beschrieben, sodass es die Wirklichkeit der Bundesbestimmung und die Wirklichkeit der Sünde gäbe. Vielmehr ist nach Barth allein der Bundesschluss Gottes in Christus wirklich. Der Mensch tritt in einen Widerspruch zu dieser Wirklichkeit und lebt auch gerade darin in impliziter Bezogenheit auf diese Bundeswirklichkeit. Im Glauben erkennt er dann seinen Widerspruch gegen Gott als Sünde. Damit erhält der Mensch im Glauben eine neue Perspektive auf sich selbst, die an der göttlichen Perspektiven auf ihn teilhat, wodurch sich auch seine geschichtliche Realität verändert, weil er sie mit der Verheißung der göttlichen Wirklichkeit neu deutet.

5 Glaube als freie Tat des Menschen In diesem Kapitel soll entwickelt werden, wie das Verhältnis zwischen der göttlichen Berufung und einer freien menschlichen Glaubensentscheidung zu bestimmen ist. Denn obzwar der Glaube durch seinen Gegenstand konstituiert wird, ist er dennoch für Barth eine „Entscheidung“ des Menschen (IV/4, 46), ein „freies“ und „tätiges Geschehen“ (IV/1, 847): „– es handelt sich ja nicht um eine automatisch sich ereignende Wiederspiegelung [sic], nicht um einen von der Sonne beschienenen Stein, nicht um ein vom Feuer erfaßtes Holz, nicht um ein vom Winde getriebenes Blatt, sondern um den Menschen – ein spontanes, ein freies, ein tätiges Geschehen“ (IV/1, 847).¹

Für die Aufklärung des Verhältnisses zwischen menschlicher Glaubenstat und Gottes Gnadentat müssen die Ergebnisse von Kapitel 3 berücksichtigt werden, denen zufolge es für Barth keine ‚menschliche Möglichkeit‘ zum Glauben gibt. Dabei ist erstens die Frage zu stellen, inwiefern der Mensch an dieser Realisierung des Glaubens aktiv beteiligt ist, und zweitens, inwiefern er dabei frei ist. Barth scheint sich umso tiefer in eine Paradoxie zu verstricken, wenn er dazu schreibt, dass die freie, menschliche Tat des Glaubens nur aufgrund der Befreiung durch Christus stattfindet: So sei der Glaube sowohl „unvermeidlich“ als auch „in ursprünglicher Freiheit“ getan (IV/1, 831). ‚Unvermeidlichkeit‘, die gemeinhin als Zwang und Alternativlosigkeit verstanden wird, deutet Barth mit Blick auf den Glauben demnach als ursprüngliche Freiheit. Das hierbei zugrunde liegende theologische Sachproblem betrifft die Unterscheidung zwischen göttlichem und menschlichem Werk im Ereignis des Glaubens,² wie es paradigmatisch in der Debatte um die Willensfreiheit zwischen

 Damit nimmt Barth einen wesentlichen Gedanken der reformierten Theologie auf, in der das Wirken des Geistes traditionell als mit der Spontaneität des Menschen verbunden gedacht wird (vgl. Heppes Zusammenfassung dieses Gedankens in: H. Heppe, Die Dogmatik der evangelischreformierten Kirche, 408).  Diese Problematik hat ihren dogmengeschichtlichen Ort im sog. Synergismusstreit, ist aber spätestens seit Augustins Kritik an Pelagius ein Gegenstand besonderer theologischer Auseinandersetzung. Ein prominentes Beispiel aus der reformierten Tradition ist Schleiermachers Erwählungsschrift (F. D. E. Schleiermacher, Über die Lehre von der Erwählung. Besonders in Beziehung auf Herrn Dr. Bretschneiders Aphorismen, in: F. D. E. Schleiermacher, Theologischedogmatische Abhandlungen und Gelegenheitsschriften, S. 145 – 222), in welcher er über diese Frage mit Bretschneider streitet, der gegen Schleiermacher und die reformierte Prädestinationslehre die Befähigung des Menschen zur Annahme oder Ablehnung, dessen Verantwortung zu dieser Wahl und die Notwendigkeit einer solchen Wahl als Motivation für die Heiligung betont. https://doi.org/10.1515/9783110574876-006

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5 Glaube als freie Tat des Menschen

Martin Luther und Erasmus von Rotterdam zum Ausdruck kam. Für Luther stand dabei unumstößlich fest: Der Glaube ist „göttlich werck in uns, das uns wandelt und new gebirt in Gott“.³ Gleichwohl brauche es menschliches und göttliches Werk im Glauben, wie Härle in seiner Untersuchung zu Luther herausgearbeitet hat: Der Glaube als göttliches Werk sichere das sola gratia. Der Glaube als menschliches Werk erst mache den Menschen zum Subjekt des Glaubens.⁴ Eine solche konstitutive Verbindung von göttlichem Willen und menschlichem Wollen ist auch ein Kerngedanke der reformierten Orthodoxie,⁵ dem Barth der Sache nach folgt. Die Herausforderung für Barth, Bultmann, Herrmann und andere Theologen ihrer Zeit lag darin, die Gnade Gottes und die geschenkte menschliche Freiheit im Glaubensbegriff als Einheit zu denken.⁶ Barth verbindet dabei – wie folgend zu zeigen ist – den Impuls der dialektischen Theologie gegen solche theologischen Ansätze, die Freiheit auch jenseits eines christologischen Grundes zu finden meinten,⁷ mit der Annahme einer konstitutiven Selbsttätigkeit des Menschen, wie sie im Entscheidungsbegriff zum Ausdruck kommt. Diese Kennzeichnung des Glaubens als Entscheidung findet sich prominent nicht nur bei Barth, sondern auch bei Bultmann. Barth ist hierbei jedoch insofern von Bultmann abzugrenzen, als die menschliche Tat und Entscheidung des Glaubens keine menschliche Möglichkeit zu glauben implizieren (s.o. Kap. 2.2.2). In der Forschung gibt es keinen Konsens über die Ausrichtung von Barths Freiheitsverständnis: Zwar scheint er als reformierter Theologe die Alleinwirksamkeit Gottes zu betonen, doch zugleich finden sich diverse Stellen, die den Aufschluss über die spezifisch reformierte Debatte zur Willensfreiheit in der Orthodoxie bietet: Reformed Thought on Freedom. The Concept of Free Choice in Early Modern Reformed Theology, hg. v. W. J. van Asselt, M. J. Bac, R. T. te Velde, Grand Rapids 2010.  Luther, WA.DB 7, 11,6 f. Vgl. dazu E. Jüngel, Art. „Glaube, IV. Systematisch-theologisch“, 961. Um die Radikalität von Barths Bezeichnung des Glaubens als menschliche Entscheidung und Tat zu verdeutlichen, muss man sich die für das evangelische Glaubensverständnis prägende Formulierung Luthers vergegenwärtigen: Er grenzt den Glauben in De captivitate babylonica von anderen Werken ab, die Gott mit uns und durch uns wirkt, und beschreibt ihn als Gottes Werk in uns und ohne uns: „in nobis, et sine nobis operantur“ (WA 6, 530,16 – 18).  Vgl. W. Härle, Der Glaube als Gottes- und/oder Menschenwerk in der Theologie Martin Luthers, 37.  „[F]or them [reformed scholastics] this insistence on divine will precisely established a realm for human willing.“ (W. J. van Asselt, M. J. Bac, R. T. te Velde, Introduction, in: Reformed Thought on Freedom, hg. v. W. J. van Asselt, M. J. Bac, R. T. te Velde, Grand Rapids 2010, S. 15 – 49, 15).  Vgl. K. Hammann, Der Glaube als freie Tat des Gehorsams, 233. Siehe R. Bultmann, Gnade und Freiheit (1948), in: R. Bultmann, Glauben und Verstehen, S. 149 – 161, 160.  Vgl. C. Gestrich, Neuzeitliches Denken und die Spaltung der dialektischen Theologie, 387.

5 Glaube als freie Tat des Menschen

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Glauben als freie menschliche Tat beschreiben. Daher scheint unklar, ob Barth in Übereinstimmung mit Luther von einem servum arbitrium ausgeht, oder ob der Mensch selbst in Christus befreit ist und nur diese ihm schon geschenkte Freiheit durch seine Sünde pervertiert. So ist nach Seils auch das „Freiheits- bzw. Autonomieproblem […] gegenwärtig eines der umstrittensten Probleme der Barth-Interpretation“.⁸ Deutlich werden diese Spannungen beispielsweise an den unterschiedlichen Positionen Gollwitzers, Jüngels und Krötkes: Gollwitzer versteht den Glauben bei Barth allein als Gabe Gottes und nutzt Barth für eine Abgrenzung von einem lutherischen Verständnis, das den Menschen noch zu sehr mitberücksichtige.⁹ Jüngel hingegen kritisiert Barths Betonung des Glaubens als einer Entscheidung, denn dadurch werde der Mensch im Glauben als zu aktiv charakterisiert.¹⁰ Krötke hingegen verteidigt an der Theologie Barths, dass der Mensch „in seiner eigenen Entscheidung und in seinem verantwortlichen Tun eminent ernst genommen wird.“¹¹ Im Folgenden wird dafür argumentiert, dass Barths theologisch qualifizierter Freiheitsbegriff dazu führt, dass er den Glauben als freie und verantwortliche Tat denken muss, ohne dabei jedoch eine Willensfreiheit als Möglichkeit, auch anders wollen zu können, einzuräumen. Menschliche Freiheit ist demnach ein Mitvollzug des göttlichen Willens und ist insofern von einem libertarischen Freiheitsbegriff klar zu unterscheiden. Die hierbei für Barth zu belegende These ist: Der Mensch wirkt in einem von Gott ermöglichten Raum, in welchem er sich auch für den Glauben entscheidet. Insofern ist er ein tätig-wirkendes Subjekt seines Glaubens. Eine menschliche Bewirkung seines Glaubens bleibt bei Barth trotz

 M. Seils, Glaube, 226, Anm. 285. Eine ausführlichere Analyse zu Barths Freiheitsverständnis in der KD findet sich bei: U. Hedinger, Der Freiheitsbegriff in der kirchlichen Dogmatik Karl Barths. Krötke kritisiert jedoch an Hedinger, dass er den Freiheitsbegriff Barths verfehle, insofern Hedinger ihn nicht in der analogia fidei seu relationis begründe (vgl. W. Krötke, Sünde und Nichtiges bei Karl Barth, 66). Stock stellt insbesondere infrage, ob Barths inhaltlich bestimmter, aktualistischer Freiheitsbegriff den philosophisch-formalen Freiheitsbegriff so überwinden kann, dass er auf die menschliche Freiheit anwendbar ist (vgl. K. Stock, Anthropologie der Verheißung, 103. 105. 108).  Gollwitzer hält es für einen „Schaden“ der Theologie Luthers, vom Glauben anders zu reden als allein im Sinne einer Gabe Gottes, und beruft sich in diesem Argumentationsgang auf Barth (H. Gollwitzer, Vom Glauben und Unglauben bei Martin Luther (1983), in: H. Gollwitzer, Auch das Denken darf dienen, S. 261– 288, 273).  S.o. Kap. 1.3.1, Anm. 141– 143.  W. Krötke, Gott und Mensch als ‚Partner‘, 108. Anders urteilt hingegen Härle, wonach die „menschliche Freiheit“ bei Barth „faktisch auf der Strecke geblieben“ sei (W. Härle, Sein und Gnade, 121).

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5 Glaube als freie Tat des Menschen

aller menschlichen Tätigkeitsaspekte ausgeschlossen, bewirkendes Subjekt des Glaubens ist allein Gott. Um diese Interpretation des Verhältnisses von göttlichem Wirken und menschlichem Willen bei Barth zu untermauern und dabei sowohl den Entscheidungsbegriff zu konturieren als auch explizit den menschlich-tätigen Aspekt des Glaubens herauszustellen, soll im Folgenden zuerst Barths Freiheitsbegriff untersucht werden (5.1). Dabei ist zu zeigen, dass Barth Gottes Souveränität und Allmacht nicht einschränkt und insofern bei Gott von absoluter Freiheit spricht (5.1.1). Die menschliche Freiheit bestehe nicht in Konkurrenz, sondern vielmehr nur in Anteilnahme an der göttlichen Freiheit und ist daher eine wesentlich relative bzw. relationale Freiheit (5.1.2). Dieses Konzept menschlicher Freiheit soll von modernen philosophischen Freiheitskonzepten abgegrenzt werden und ist stattdessen theologisch zu qualifizieren (5.2). Was dieser theologisch qualifizierte Freiheitsbegriff für den Glauben austrägt, ist im dritten Abschnitt zu klären. Dabei wird besonders auf die göttliche Berufung und die ihr entsprechende menschliche Entscheidung des Glaubens eingangen (5.3). Abschließend kann so Barths Beschreibung der zwei Subjekte des Glaubens, nämlich Gott und Mensch, anhand des Freiheitsbegriffs analysiert werden (5.4). Daraus ergeben sich zwei Pointen für Barths Verständnis des Glaubens als freie, menschliche Tat: Erstens ist der Glaube als menschliche Tat ein ‚vorletztes‘, nicht-eschatologisches Geschehen (5.4.1), zweitens ist der Mensch aufgrund des Tatcharakters des Glaubens notwendig existenziell am Glauben beteiligt (5.4.2). Aufgrund dieser Analysen soll Barths Verständnis des Glaubens als freie Tat näherungsweise als ‚theologischer Kompatibilismus‘ charakterisiert werden (5.5). Dadurch kann für den Glauben ein Zweifaches eingeholt werden: Erstens hängt er allein vom göttlichen Wirken ab, das eine Partizipation an der Gott bejahenden Freiheit ermögtlicht, und zweitens vollzieht der Mensch selbst den Glauben als seine freie, eigene Tat, sodass der Gaube trotz seiner göttlichen Ermöglichung im Bereich der menschlichen Taten zu lokalisieren ist.

5.1 Barths theologisch qualifiziertes Freiheitsverständnis Dieses Kapitel nahm seinen Ausgang bei der Aussage Barths, dass der Glaube ein „spontanes, ein freies, ein tätiges Geschehen“ ist (IV/1, 847). Bisher wurde bereits festgehalten, dass Barth den Tatbegriff für den Glauben verwendet und damit den Menschen am Glaubensgeschehen aktiv beteiligt. Dabei wurde aber noch nicht erläutert, inwiefern diese Tat des Glaubens eine spontane und freie Tat ist. Um dies im Folgenden zu klären, muss zunächst analysiert werden, in welchen verschiedenen Bedeutungen Barth von Freiheit spricht.

5.1 Barths theologisch qualifiziertes Freiheitsverständnis

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Freiheit im Sinne von völliger Selbstbestimmung kommt bei Barth allein Gott zu, denn Gott ist „durch sich selbst und in sich selbst begründet, durch sich selbst bestimmt und bewegt“ (II/1, 339).¹² Gott allein ist demnach die „ontische Absolutheit“ (II/1, 350), womit Barth Gott als causa sui beschreibt.¹³ Als dieser macht sich Gott zum Schöpfer und damit zum Grund alles Geschaffenen (vgl. II/1, 298 f.). Daraus folgt für Barth erstens, dass die Selbstbestimmung Gottes die Selbstbestimmung in der Welt zwar nicht gänzlich aufhebt, für sie aber eine „schlechterdings vorangehende souveräne Vorherbestimmung“ darstellt (II/1, 351), und zweitens, dass keine Selbstbestimmung seitens des Geschaffenen eine Bestimmung Gottes bedeuten kann.¹⁴ Die göttliche Freiheit muss somit als absolute und

 Rendtorff hat durch seinen Aufsatz mit dem sprechenden Titel „Radikale Autonomie Gottes“ diesen Gedanken für Barth hervorgehoben: T. Rendtorff, Radikale Autonomie Gottes, in: Theorie des Christentums, hg. v. T. Rendtorff, Gütersloh 1972, S. 161– 181. Bei Härle findet sich eine ausführliche Analyse der göttlichen Autonomie bei Barth: W. Härle, Sein und Gnade, 60 – 69.  An dieser anfänglichen Selbstsetzung Gottes entzündet sich die Debatte, ob Gott in seiner Freiheit auch völlig anders sein könnte, als er sich in Christus gezeigt hat, denn Barth spricht von der „Freiheit, in der Gott sich selber setzt“ als Vater, Sohn und Heiliger Geist (III/2, 262). Es entsteht das Problem eines infiniten Regresses, sofern es einen ‚Gott vor dem Gott‘ zu geben scheint, der sich erst als der in Freiheit Liebende setzt. Andererseits könnte Barth ohne die Selbstsetzung Gottes nicht mehr von der absoluten Autonomie Gottes sprechen und Gott wäre immer schon der freiheitlich Liebende. Ferner wird in der philosophischen Freiheitsdebatte der Einwand erhoben, dass eine absolute Freiheit nur voluntaristisch gedacht werden könne, da der absolut Freie auch nicht an das Gute als Norm gebunden sein dürfte. Mit Barth können solche Probleme dadurch umgangen werden, dass die Freiheit Gottes zwar vollkommen sei, aber zugleich durch sein eigenes Wesen bestimmt als eine „Freiheit zur Liebe“ (II/1, 723). Barths Doppelbestimmung der liebenden Freiheit und freiheitlichen Liebe schließt eine solche Möglichkeit, dass Gott auch ganz anders sein könnte, aus. Barth begreift Gott zudem als einen sein Wesen offenbarenden deus revelatus ohne einen ‚dahinter‘ versteckten deus absconditus. Hedinger weist daher darauf hin, dass die Autonomie Gottes bei Barth keine absolute Wahlfreiheit im Sinne der Indifferenz bedeutet, sondern immer schon als Liebe bestimmt ist (U. Hedinger, Der Freiheitsbegriff in der kirchlichen Dogmatik Karl Barths, 22– 32). Diese Frage steht im Kontext der in den letzten Jahren geführten Debatte über die trinitarische Selbstsetzung Gottes, s.u. Kap. 4.2.1, Anm. 11. Die Aporie der göttlichen Selbstsetzung, die Barth selbst offen lässt, soll hier nicht weiter besprochen werden, da hier die Freiheit Gottes im Verhältnis zur Welt untersucht werden soll. Im Verhältnis zur Welt offenbart Gott in Jesus Christus sein Wesen als der in Freiheit Liebende, sodass Gottes Freiheit für die Welt keine Indifferenz bedeutet, sondern in Bezug auf die Menschen sich als Liebe ‚festgelegt‘ hat.  Hiermit wendet sich Barth sowohl gegen einen Dualismus als auch gegen einen Pantheismus, da Gott und Welt weder dualistisch getrennt noch pantheistisch ineinsgesetzt werden dürften (vgl. II/1, 498 – 502). Das Verhältnis von Gott und Welt müsse vielmehr als eine asymmetrische Korrelation beschrieben werden: „Die ewige Korrelation zwischen Gott und uns, wie sie in Gottes Offenbarung sichtbar ist, ist in Gott allein und nicht etwa in Gott und in uns begründet. Sie bedeutet unsere Bindung an Gott, aber nicht Gottes Bindung an uns.“ (II/1, 315 f.).

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5 Glaube als freie Tat des Menschen

schlechthinnige Selbstbestimmung beschrieben werden, sie ist eine Freiheit a se. Jegliche andere Freiheit neben Gott ist demnach nur innerhalb der von Gott vorherbestimmten Grenzen möglich. Daher kann es menschliche Freiheit nur in Relation zu dieser absoluten Selbstbestimmung Gottes geben; sie ist, sofern Gott sie überhaupt ermöglicht, eine Freiheit ab alio. Geschöpfliche Freiheit ist bei Barth daher prinzipiell keine absolute Autonomie und insofern von dem libertarischen Freiheitsbegriff zu unterscheiden, der die philosophische Freiheitsdebatte streckenweise dominiert.¹⁵ Denn wie der Begriff ‚Geschöpf‘ bereits anzeigt, ist geschöpfliche Freiheit für Barth immer schon relational bestimmt im Verhältnis zu dem sie ermöglichenden Schöpfer. Die Schöpfung existiert dementsprechend nur unter dem „unmittelbar wirksamen Erhaltungswillen“ Gottes (III/1, 12), d. h. in der von Gott ermöglichten Freiheit. Frei ist der Mensch also gerade in seiner Relationalität zu Gott.¹⁶ Den äußeren Rahmen für Barths Verständnis menschlicher Freiheit bildet demnach die Schöpfungslehre.

5.1.1 Barths Aufnahme der klassischen causa- und concursus-Lehre Das Verhältnis von Gott und Welt bestimmt Barth mittels der scholastischen Begriffe causa prima und causa secunda (vgl. III/3, 107 u. ö.), obgleich er einen rein formalen Gebrauch dieser Begriffe ablehnt, weil dies zur irrigen Vorstellung einer Konkurrenz zwischen göttlichem und menschlichem Willen führen könnte (vgl. III/3, 127 f.).¹⁷ Damit wendet sich Barth auch gegen die Vorstellung, dass die

 Von Descartes über Kant zu Fichte vollzieht sich eine Entwicklung, bei der nicht mehr Gott die Welt setzt und Freiheit dann auch nicht mehr in diesem Gottesbezug begründet wird, sondern ein neues Verständnis von Freiheit als Autonomie Einzug hält. Diese ideengeschichtliche Entwicklung gipfelte in Fichtes Bestimmung des Subjekts als Tathandlung: „Das Ich sezt ursprünglich schlechthin sein eignes Seyn.“ (J. G. Fichte, Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre. Als Handschrift für seine Zuhörer (1794), PhB 246, hg. v.W. G. Jacobs, Hamburg 1988, 261). Das Verhältnis von göttlicher und menschlicher Freiheit wird dann in der Folge kompetitiv und heteronom bestimmt, da Freiheit gerade als Freiheit von Abhängigkeiten im Sinne absoluter Autonomie verstanden wird (vgl. F. W. Graf, Art. „Freiheit IV. Kirchengeschichtlich“, in: RGG4 (2000), Sp. 309 – 313, 312). Eine solche Auffassung scheint auch zumindest teilweise der Münchner Kritik an Barth zugrunde zu liegen (s.u. 5.1.3).  Auch Stock kommt in seiner Untersuchung von Barths Freiheitsverständnis zu einem solchen Ergebnis: „Autnomie des Geschöps ist der Akt des Subjekts, das sich als Ich verläßt, um sich als Selbst allein im Urteil Gottes zu gewinnen.“ (K. Stock, Anthropologie der Verheißung, 101 f.).  Hierzu vgl. Kathryn Tanners Arbeiten, die sich ausführlich mit dem Verhältnis von göttlichem und menschlichem Werk, auch bei Barth und Thomas von Aquin, befassen und das

5.1 Barths theologisch qualifiziertes Freiheitsverständnis

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göttliche Vorsehung (als causa prima) die menschliche Freiheit (als causa secunda) bereits aufheben würde, wenn sie in Übereinstimmung mit der göttlichen Vorsehung stehe. Hiergegen sei jedoch keine argumentative Widerlegung nötig, sondern „die Durchbrechung und Beseitigung des Angstkomplexes, als sei Gott seinem Geschöpf ein Fremder, ein Gegner, womöglich ein Feind“ (III/3, 166).¹⁸ Freiheit zeichnet sich bei Barth also nicht dadurch aus, dass der Mensch frei von Gott wirken kann und sich gleichsam von Gottes Einfluss schadlos hielte. Statt als Konkurrenz zwischen göttlicher Autonomie und geschöpflicher Selbstbestimmung beschreibt Barth das Verhältnis Gottes zum Menschen als das eines liebenden Vaters. Nimmt man dieses Bild als Leitfaden, dann ist „das Geschöpf […] um so besser dran, je vollständiger es unter Gottes Herrschaft stehe, und um so schlechter, je mehr Vorbehalte und Einschränkungen hier in Kraft stehen könnten, […] es sei also für die causa secunda das allein Heilsame, ganz und gar causa secunda sein zu dürfen“ (III/3, 166). Menschliche Freiheit kommt demnach erst in der göttlichen Freiheit zu sich selbst, d. h. in Entsprechung zu Gottes Freiheit. Folglich geht es nicht um ein Austarieren von göttlichem und menschlichem Willen, sondern um die Harmonie zweier intrinsisch verbundener Größen, indem die Freheit des Menschen exzentrisch auf die göttliche Freiheit bezogen wird, sodass sie de facto in dieser gründet (vgl. III/3, 134). Dieses Verhältnis erläutert Barth näher unter Rückgriff auf die Lehre vom concursus divinus (vgl. III/3, 102– 175), womit er bewusst auf die altprotestantische, insbesondere reformierte Orthodoxie zurückgreift und von ihr die formalen Gliederungselemente praecurrit, concurrit und sucurrit übernimmt.¹⁹ Inhaltlich

Konzept eines konstruktiven Miteinanders entwickeln: K. Tanner, God and Creation in Christian Theology. Tyranny or empowerment?, Minneapolis, MN 2005, bes. 81– 119; K. Tanner, Creation and Providence, in: The Cambridge Companion to Karl Barth, hg. v. J. Webster, Cambridge 2000, S. 111– 126, 123 – 126.  Barth schreibt in demselben Sinn gegen die falsche Vorstellung an, dass „es mit der Freiheit und dem Recht, der Ehre und Würde des Geschöpfes um so besser [stünde], je mehr es einen Gott gegenüber abgegrenzten und gesicherten Raum sein eigen nennen könne, und um so schlimmer, je mehr dieser Raum eingeengt und ganz schlimm, wenn er ihm etwa ganz genommen sein könnte, als könne und müsse es also ein legitimes Anliegen sein, den Anspruch des Geschöpfes einem unberechtigten und gefährlichen Anspruch Gottes gegenüber in Schutz zu nehmen.“ (III/3, 166).  Vgl. III/3, 103. 108. Vgl. auch M. Plathow, Das Problem des concursus divinus. Das Zusammenwirken von göttlichem Schöpferwirken und geschöpflichem Eigenwirken in K. Barths „Kirchlicher Dogmatik“, Göttingen 1976, 133 f. Die knappe Skizze der reformierten Dogmatik, die Gottes Vorherbestimmung als concursus im Sinne einer cooperatio cum causis secundis beschreibt, findet sich bei H. Heppe, Die Dogmatik der evangelisch-reformierten Kirche, 199 – 202. Ebenso stellt Schmid für die lutherische Dogmatik den klassischen Dreischritt von conservatio,

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grenzt er sich mit der concursus-Lehre von pantheistischen und deistischen Strömungen seiner Zeit ab.²⁰ Die göttliche Begleitung beschreibt Barth dabei als Gottes „Verhältnis zur freien Eigenwirksamkeit des Geschöpfes“ (III/1, 102). Als Moment des praecurrit bestimmt Barth Gottes Vorausgehen vor allem geschöpflichen Wirken als causa prima: „Er wirkte schon die Bedingungen, Vorbedingung und Vorvorbedingungen jedes geschöpflichen Wirkens“ (III/3, 135). Dadurch wirkt Gott auch das menschliche Wollen und Vollbringen (vgl. III/3, 136). Allerdings sei diese Art der göttlichen Vorbestimmung nicht mit der kausalen Determination mittels Naturgesetzen gleichzusetzen. Auch ein Determinismus im philosophischen Sinne, der etwa auf dem Satz vom zureichenden Grund aufbaut, sei zurückzuweisen, da Barth kein kausales Bedingungsverhältnis denkt, sondern die Beziehung der causa secunda auf die causa prima als Form der Teilhabe am liebenden Willen des Vaters versteht. Diese Art göttlicher Vorherbestimmung umfasst nach Barth alle Formen der Determination und Selbstbestimmung (vgl. III/3, 137– 141). Mit seinen Ausführungen über das göttliche concurrit weist Barth zugleich die Vorstellung eines gleichberechtigten Zusammenwirkens von Gott und Mensch zurück. Gott handelt in eins mit den Geschöpfen, sodass „die geschöpflichen Ereignisse“ geschehen, „[i]ndem Gott handelt“ (III/3, 150). In den geschöpflichen Taten geschieht „unmittelbar sein Wille“ und es vollziehen „sich seine [Gottes] Entscheidungen“ (III/3, 150). Ein Synergismus wird also insofern ausgeschlossen, als die Überlegenheit Gottes, der Wollen und Vollbringen bewirkt, das geschöpfliche Handeln erst ermöglicht. So spricht Barth in Hinblick auf die konstatierte „Selbstständigkeit“, „Freiheit“, und „Verantwortlichkeit“ des Geschöpfes davon, dass diese durch das göttliche Herrschen im concursus „geradezu begründet“ werden (III/3, 163): „Gottes unbedingte und unwiderstehliche Herrschaft bedeutet nicht nur keine Bedrohung oder Unterdrückung des Geschöpfs, sondern vielmehr gerade die Begründung der Freiheit des geschöpflichen Wirkens in seiner Eigenart und Mannigfaltigkeit.“ (III/3, 165)

Im concurrit sichere die göttliche „Regierung“, dass der Mensch sich in seiner eigenen Wirklichkeit entfalten „darf und kann“ (III/3, 168). Dabei ermöglicht Gott die menschliche Freiheit und befähigt den Menschen zugleich zu dieser. Aller-

concursus und gubernatio Gottes dar (vgl. H. Schmid, Die Dogmatik der evangelisch-lutherischen Kirche, 121 f.).  Vgl. K. Barth, Karl Barth an Eduard Thurneysen. 15. Februar 1925 (Rundbrief), in: K. Barth; E. Thurneysen, Briefwechsel 1921– 1930, S. 301– 310, 302. Vgl. auch M. Plathow, Das Problem des concursus divinus, 134.

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dings unterstehen sowohl das menschliche Tun als auch die Wirkungen des menschlichen Tuns der Herrschaft Gottes, wie Barth schließlich durch die Lehre von Gottes nachfolgendem Wirken (sucurrit) ausführt.²¹ Insgesamt ermögliche gerade der concursus divinus die koexistierende Selbständigkeit des Geschöpfes (vgl. III/1, 96).²² Dass und warum die so explizierte göttliche ‚Begleitung‘ tatsächlich die menschliche Selbstständigkeit und Freiheit ermöglicht, ist damit noch nicht bewiesen. Doch wenn angenommen wird, dass diese Freiheit so begründet werden kann, so gilt, dass Gott gerade auch in der menschlichen Selbstbestimmung herrscht und in den freien geschöpflichen Taten Gottes Wille geschieht (vgl. III/ 1, 104– 106). Das menschliche, freie und selbstbestimmte Tun des Geschöpfes ist dann nur eine Bestätigung des göttlichen Willens: „Daß Gott sein Geschöpf so gewaltig begleitet, daß alles Wirken des Geschöpfes auf dem Weg, den Gott mit ihm geht, den es mit Gott gehen darf, in seinem Ergebnis nur eine Bestätigung des göttlichen Wirkens sein kann, das ist hier in seiner Urgestalt wirklich, das kann und muß von hier aus als das Gesetz allen Zusammenseins Gottes mit seinem Geschöpf, als das Gesetz des Handelns der göttlichen Vorsehung verstanden werden“. (III/1, 107)

Gott wird somit von Barth „die schlechthinige Hoheit [… in] der Geschichte“ zugeschrieben. Gott „selber [ist] das Ziel […], dem er die kreatürliche Geschichte entgegenführt“ (III/3, 180). Zwar wird auch Gottes ‚Nein‘ nach Barth in der Geschichte wirklich, sodass nicht gefolgert werden kann, dass sich dort nur Gottes guter Wille vollzieht, aber letztlich führt Gott seinen Willen vollmächtig aus: „Die Wahrheit ist, daß das menschliche Wählen in seiner ganzen Selbstständigkeit und Verantwortlichkeit im Raum und Rahmen des göttlichen Wählens, Planens und Bestimmens stattfindet, daß seine Entscheidungen als solche in den Beschluß und in das Geschehen des Willens Gottes einbezogen sind.“ (III/4, 727)

Wenn Barth also von einer menschlichen ‚Wahl‘ spricht, so kann damit kein zweiter Freiheitsbereich neben der göttlichen Bestimmung gemeint sein. Durch den Begriff der ‚Wahl‘ betont Barth vielmehr eine selbsttätige, willentliche

 Das nachfolgende Wirken (sucurrit) bedeutet, dass auch die Auswirkungen des geschöpflichen Tuns Gott unterstehen und nicht nur dieses selbst, sodass Gott alles geschöpfliche Wirken gut und sinnvoll wenden kann (vgl. III/3, 171– 174).  So auch schon in KD III/1: „[E]r ist immer und überall gegenwärtig, aktiv, verantwortlich, allmächtig dabei […] und so koexistiert ihm das Geschöpf als die von ihm verschiedene Wirklichkeit und in der ihm zukommenden eigenen Gesetzlichkeit und Freiheit, indem er [Gott …] vorangeht.“ (III/1, 13).

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Handlung des Menschen,²³ die aber von Gott begleitet wird und auch nur innerhalb der göttlichen Bestimmung stattfindet. Dementsprechend vertritt Barth einen solchen Determinismus, nach dem alles durch den göttlichen Willen und Regierungsakt getragen ist.²⁴ Das Wie des göttlichen Wirkens ist jedoch im Unterschied zu einem mechanisch-kausalen Determinismusverständnis das geschichtlich-personale Wirken eines – um in Barths Bild zu bleiben – liebenden Vaters.

5.1.2 Freiheit als Entsprechung Bisher wurde festgestellt, dass die geschöpfliche Freiheit nicht zur Theonomie des Schöpfers in Konkurrenz steht und auch nicht umgekehrt, letztere ist als concursus vielmehr die ermöglichende Begleitung menschlicher Eigenwirksamkeit. Nun ist zu zeigen, wie für Barth die geschöpfliche Freiheit durch die göttliche Freiheit begründet wird und ihre Eigenwirksamkeit empfängt, indem sie an der göttlichen Freiheit partizipiert. Dieses theologische Freiheitsverständnis Barths ist dabei als eine relationale Freiheit zu qualifizieren. Der Begriff der relationalen Freiheit ist von dem philosophischen Begriff der bedingten Freiheit zu unterscheiden, da jener kein kausales Bedingungsverhältnis von causa prima und causa secunda beschreibt, sondern – wie folgend zu entfalten ist – die menschliche Teilhabe an der Freiheit Gottes.

 Barth betont den Aspekt der eigenen, freien Tat des Menschen: „So wählt der Mensch denn auch an jener gewiß wichtigen, gewiß bedeutsamen Stelle seines Lebensweges, wo es um die Entscheidung über seinen Wirkungskreis geht. Ja, er entscheidet: er in seiner Klugheit oder Torheit, er in seiner Überlegung oder in seiner Träumerei, er in verbindlichem Entschluß oder nach seiner Laune – und in dem allem in seiner Verantwortlichkeit.“ (III/4, 727 f.) Aber mit dieser freien Entscheidung steht der Mensch trotzdem je im Bereich des göttlichen Willens, denn: „Eines ist unmöglich: daß er mit seinem Entschluß in dieser oder jener Richtung aus dem Bereich des Willens und Planes Gottes heraustreten könnte. Sein Entschluß wird, wie er auch ausfalle, dem Willen und Plan Gottes gegenüber keine neue, keine fremde Tatsache schaffen. Er wird ihm vielmehr so oder so dienen, er wird ihn ausführen: auch mit allem, was ihm an Irrtum, Unbesonnenheit und Willkür anhaften mag. […] Kurzum: der Mensch befindet sich […] in den Grenzen, die ihm von Gott nun eben so und nicht anders abgesteckt sind.“ (III/4, 728) Die Selbstbestimmung des Menschen kann darum nach Barth nur eine durch Gott bestimmte Selbstbestimmung des Menschen sein, in der „zwar sein [des Menschen] Wille, aber über und in seinem Willen der gute Wille Gottes selber“ geschieht (III/4, 728).  Siehe auch Härles Abhandlung zur menschlichen Freiheit (vgl. W. Härle, Sein und Gnade, 111– 121), der zu dem Ergebnis kommt: „Die menschliche Freiheit ist de facto auf der Strecke geblieben.“ (ebd., 121).

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Die in der philosophischen Freiheitsdebatte zentrale Frage, wie Freiheit als Möglichkeit, auch anders wollen und handeln zu können, gedacht werden könne, spielt für Barths theologische Bestimmung des Freiheitsbegriffs vorerst keine Rolle, denn mit der von Barth behandelten Freiheit „handelt [es] sich nicht um irgendeine Freiheit, um irgendein So- oder auch Anderskönnen.“ (I/1, 479) Die Kernfrage der Freiheit des Menschen im theologischen Sinn betrifft vielmehr die Ermöglichung menschlicher Freiheit in Entsprechung und Teilhabe an der göttlichen Freiheit – und nicht das hypothetische Vermögen, anders wollen und handeln zu können, als vorhergesehen war. Für Barths theologisch qualifiziertes Freiheitsverständnis ist abermals die Figur der Analogie leitend. So wird die geschöpfliche Freiheit dadurch ermöglicht, dass das Geschöpf der göttlichen Freiheit auf analoge Weise entspricht und aufgrund dieser Entsprechung an der göttlichen Freiheit teilhat: „Es handelt sich – entsprechend jener Freiheit Gottes selbst: seiner Freiheit, sich selbst, Gott zu sein – um die Freiheit des Menschen für Gott, um […] die analogia fidei jener göttlichen Freiheit, die allein wirklich Freiheit zu heißen verdient […, die] Freiheit, einen Herrn, diesen Herrn, Gott, zum Herrn zu haben.“ (I/1, 479 f.)

Die hier beschriebene Analogie der menschlichen zur göttlichen Freiheit besteht darin, dass der Mensch Gottes Willen anerkennt und ebenso will, wie Gott selbst als Gott diesen Willen will. Diese Freiheit in Analogie zur göttlichen Freiheit sei eine „Wirkung des Geistes“ (I/1, 480), sodass sie genau und nur dann besteht, wenn der Mensch Gott als seinen Herrn anerkennt, d. h. im Glauben. Daraus folgt, dass freies Handeln und damit der Glaube als Gott gehorsames Handeln beschrieben werden müssen und der Nichtgebrauch dieser Freiheit Ungehorsam, d. h. Sünde ist (vgl. IV/2, 560).²⁵ Daher ist der Glaube die höchste und eigentliche  Die Beschreibung von Freiheit als Gottesgehorsam findet sich bereits bei Anselm, der Freiheit als Rechtheit des Willens definiert, d. h. als Übereinstimmung mit dem Willen Gottes: „Iam ergo clarum est liberum arbitrium non esse aliud quam arbitrium potens servare rectitudinem voluntatis propter ipsam rectitudinem.“ (Anselmus, De libertate arbitrii, in: Anselmus, Freiheitsschriften, S. 61– 119, 78 [cap. III, 212]) Auch Kants Gleichsetzung von freiem Handeln mit dem Sittengesetz entsprechendem Handeln kann man so deuten, denn eine freie Handlung ist zwar „unabhängig von fremden sie bestimmenden Ursachen“ und wird nicht heteronom bestimmt. Aber Freiheit als diese Autonomie ist „doch nicht gar gesetzlos“, sondern sie steht unter dem „Prinzip der Sittlichkeit: also ist ein freier Wille und ein Wille unter sittlichen Gesetzen einerlei.“ (I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, PhB 41, hg. v. K.Vorländer, Hamburg 1965, 81 f; BA 97 f., 98 f.) Eine Unterwerfung unter den göttlichen Willen, wie Barth Freiheit bestimmt, statt unter das vernünftige Sittengesetz, wäre bei Kant jedoch unfrei, da die menschliche Handlung heteronom bestimmt würde, sofern Gottes Wille bei Barth nicht wie für Kant mit dem Sittengesetz identisch ist.

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Gestalt der menschlichen Freiheit, nämlich als die Entsprechung zur freien Gnade Gottes (vgl. IV/2, 268). Diese Identität von Freiheit und Gehorsam scheint kontraintuitiv. Auch Barth stellt sich der Frage, ob dieser Gehorsam gegenüber Gott und seinem Gebot Freiheit im eigentlichen Sinne oder nicht vielmehr eine passive Unterordnung darstellt. Doch Barth kommt zu dem Ergebnis, dass der Unterschied zwischen einem Gehorsam, der durch Unterordnung charakterisiert wird, und einem Gehorsam, der Freiheit bedeutet, in der Person liegt, die den Gehorsam fordert (vgl. III/4, 745). Beim Gebot Christi gehe es bei der Unterordnung unter sein Gebot um die Erhebung und nicht die Verknechtung des Menschen, denn durch den Gehorsam gegen das Gesetz des Geistes werde der Mensch nicht unter das unterjochende Gesetz gestellt, sondern gerade in die Freiheit gerufen.²⁶ Diese strikt theologische Interpretation von Freiheit enthält folglich zwei Kerngedanken: Erstens wird menschliche Freiheit nur als Teilnahme an der göttlichen Freiheit bestimmt und nicht als Möglichkeit, anders wollen und handeln zu können, als bloße Abwesenheit von Zwang oder als Selbstbestimmtheit. Zweitens wird der Weg zur Teilnahme an der göttlichen Freiheit als analoge Entsprechung im Glauben, d. h. als Gehorsam gegenüber Gott, bestimmt.²⁷ In diesem Sinn ist der Glaube als eine freie, menschliche Tat zu verstehen.

5.1.3 Die Totalitarismus-Kritik gegenüber Barths Freiheitsverständnis Seitens der ‚Münchner Schule‘ wurde gegenüber Barth der Vorwurf des Totalitarismus erhoben.²⁸ Falk Wagner formuliert diesen Einwand wie folgt: Barth habe nicht die systematischen Ressourcen, um eine dynamisch sich selbst entwickelnde Geschichte zu denken, sondern bewege sich nur in einer Theorie des Absoluten, in welcher die menschliche Subjektivität „gleichschaltet“ werden müsse.²⁹ Zwar räumt Wagner selbst exegetische Defizite seiner Interpretation ein,

 Die Zuordnung von Freiheit als Gehorsam zeigt sich auch deutlich in IV/4, 170. 178 – 180.  Die Frage, wie Gott Gehorsam geleistet werden soll, erscheint Barth nicht problematisch, da Gottes Gebot kein unklarer, nebulöser Inhalt sei und keiner Interpretation bedürfe (vgl. II/2, 741): „das Wort Gottes [ist] gegeben, und zwar konkret gefüllt, inhaltlich bestimmt gegeben“ (II/2, 737). Das Problem liegt für Barth nur auf Seiten des menschlichen Hörens und Gehorchens und besteht nicht in einer möglichen Unklarheit des Gebots.  Zum Begriff ‚Münchner Schule‘ s.o. Kap. 1.2, Anm. 123.  Vgl. F. Wagner, Theologische Gleichschaltung. Zur Christologie bei Karl Barth, in: Die Realisierung der Freiheit, hg. v. T. Rendtorff, Gütersloh 1975, S. 10 – 43, 39. Vgl. dazu auch die Darstellung bei S. G. Holtmann, Karl Barth als Theologe der Neuzeit, 219.

5.1 Barths theologisch qualifiziertes Freiheitsverständnis

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doch könne er Barths Theologie nicht anders denn als „totalitäre Gleichschaltung“ beschreiben, weil sein Konzept „jede Eigenständigkeit des gegenüber dem göttlichen Subjekt anderen leugnen muß. […] Das Verhältnis der Barthschen Theologie zum deutschen Faschismus läßt sich so auch als ein Konkurrenzverhältnis auffassen.“³⁰ Trotz Wagners Bemühen um Differenzierung schließt seine scharfe Kritik an diejenige von Walter Nigg im Jahre 1937 an, der eine „gemeinsame Struktur“ zwischen der dialektischen Theologie und „den fascistischen [sic!] Staatsideen“ auszumachen glaubte.³¹ Weniger scharf, aber sachlich verwandt ist Sparns Kritik einer fehlenden Relevanz der eigenständigen, menschlichen Geschichte im Rahmen von Barths Modell göttlicher Theonomie.³² Krötke setzt sich mit dem Vorwurf einer ‚totalitären‘ Theologie Barths auseinander und weist ihn mit der Begründung zurück, dass diese Kritik auf einem Missverständnis der Partnerbeziehung zwischen Gott und Mensch als einer Konkurrenzbeziehung beruhe.³³ Mit seiner fundamentaltheologischen Unterscheidung kann Krötke allerdings nicht die Probleme beantworten, die für Wagner bestehen: Denn der Übergang zur Freiheit wird vom faktischen Sünder nicht gewollt, sondern verneint, sodass der Übergang zum Glauben aus der subjektivitätstheoretischen Perspektive Wagners weiterhin als Gleichschaltung beschrieben werden müsste.³⁴ An den unterschiedlichen Bewertungen Barths zeigt sich die Abhängigkeit der Bewertung von der je eigenen freiheitstheoretischen Perspektive und den damit einhergehenden Ansprüchen.³⁵ Auch hängt die Bewertung mit der damit verbundenen Frage zusammen, ob der Mensch zuerst als Subjekt oder zuerst als Geschöpf verstanden wird. So können beispielsweise auch Graf und Jüngel

 F. Wagner, Was ist Religion? Studien zu ihrem Begriff und Thema in Geschichte und Gegenwart, Gütersloh 1986, 161, Anm. 727.  W. Nigg, Geschichte des religioesen Liberalismus. Entstehung Blütezeit Ausklang, Zürich 1937, 399. Gegen diese Vorwürfe von Nigg und Wagner entgegnet Holtmann zu Recht, dass diese Deutung der Christologie Barths diametral entgegensteht, sofern man Barths materiale Ausarbeitung der Menschlichkeit Gottes beachtet (vgl. S. G. Holtmann, Karl Barth als Theologe der Neuzeit, 220).  Vgl. W. Sparn, „Extra Internum“, 69 – 75. Und auch Graf wirft Barth vor, das Allgemeine und das Individuelle nicht vermitteln zu können, worin Barth unter anderem mit dem „deutschen Faschismus identisch“ sei (F. W. Graf, Die Freiheit der Entsprechung zu Gott, 116).  Vgl. W. Krötke, Gott und Mensch als ‚Partner‘.  Vgl. auch Holtmanns Replik auf Krötkes Kritik an Wagner: S. G. Holtmann, Karl Barth als Theologe der Neuzeit, 232 f.  Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch Goebel, der den Münchnern vorwirft, mit einem für Barth inkompatiblen Freiheitsbegriff zu operieren (vgl. H. T. Goebel,Vom freien Wählen Gottes und des Menschen, 281– 286, bes. 284).

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beide analysieren, dass bei Barth die menschliche Freiheit in Entsprechung zur göttlichen Freiheit gedacht wird. Allerdings interpretiert Jüngel diesen Sachverhalt so, dass „die Freiheit Gottes zugunsten der Freiheit des Menschen zur Sprache“ gebracht wird,³⁶ Graf hingegen sieht darin einen Gedanken „zuungunsten der Freiheit des Menschen“, weil der Mensch Gott nicht „zu widerstehen vermöchte“.³⁷ Für die Bewertung ausschlaggebend ist demnach die Entscheidung, ob Freiheit neuzeitlich als Autonomie aufgefasst wird (s. o. Anm. 15) oder, wie in dieser Arbeit mit Barth ausgeführt, als relationale Entsprechung und Teilhabe an der göttlichen Freiheit. Bei ersterem Verständnis besteht das Problem der Gleichschaltung des Sünders, bei dem zweitem ist der Glaube die Befreiung aus dem sündigen Widerspruch zu Gott.

5.2 Die Begründung menschlicher Freiheit und das Problem der Wahlfreiheit Bisher wurde gezeigt, dass Freiheit für Barth in einem theologisch qualifizierten Sinn die Entsprechung zu Gott ist. Allerdings gibt es faktisch nicht nur Entsprechungen, sondern auch den menschlichen Widerspruch gegen Gott in der Sünde, die als solche gerade nicht im Willen Gottes gründen kann. Wie aber geht Barth mit diesem Problem um und integriert es in seine Deutung des Freiheitsbegriffs? Stock etwa konstatiert, dass Barths Interpretation von Freiheit schlicht nicht mehr auf diese Dimension menschlicher Freiheit anwendbar sei.³⁸ Gegen Stock soll im Folgenden gezeigt werden, inwiefern Barth auch die Wahlfreiheit als Dimension von Freiheit integriert, die zu den bisher erörterten Dimensionen der absoluten Selbstbestimmung Gottes und der durch Gott gewährten, relationalen Freiheit hinzukommt. In Abgrenzung zu der oben beschriebenen theologisch qualifizierten Freiheit nenne ich diesen alltäglicheren Sinn von Freiheit als Möglichkeit der Wahl zwischen Handlungsalternativen respektive den zugrundeliegenden alternativen Willensbestimmungen im Folgenden ‚formale Wahlfreiheit‘. Dieser Begriff soll ausdrücken, dass Barth für sein Verständnis des Menschen als Bundespartner die Idee einer Wahl zwischen Alternativen präsupponiert, dem Menschen jedoch nicht die Freiheit zukommt, dass er auch anders hätte wollen können.

 E. Jüngel, Einführung in Leben und Werk Karl Barths, 59.  F. W. Graf, Die Freiheit der Entsprechung zu Gott, 113, vgl. auch M. Seils, Glaube, 226, Anm. 285.  Vgl. K. Stock, Anthropologie der Verheißung, 103.

5.2 Die Begründung menschlicher Freiheit und das Problem der Wahlfreiheit

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5.2.1 Die formale Wahlfreiheit als Grundlage der ‚Bewährung‘ des Menschen In seinen Ausführungen zur Erwählungslehre nimmt Barth selbst eine Form der Wahlfreiheit in Anspruch, um von einer zwanglosen Antwort des Menschen als Bundespartner sprechen zu können. Barth spricht von der „Autonomie des Geschöpfes“ (II/2, 194), die gerade im Erwählen Gottes Wirklichkeit wird. Gottes Wahl des Menschen bezeugt, dass er die „von ihm verschiedene Wirklichkeit seines Geschöpfes will und anerkennt, indem er ihr neben sich selbst ihren eigenen selbstständigen Raum gibt und läßt“ (II/2, 195).³⁹ An der Betonung der menschlichen Selbstbestimmung zeigt sich Barths reformiertes Gesetzesverständnis, indem Gottes Gebot die „Erlaubnis ist: Gewährung einer ganz bestimmten Freiheit.“ (II/2, 650) Gerade das Evangelium der Gnadenwahl stellt den Menschen in den Raum der Selbstbestimmung und somit unter das Gebot und unter den Anspruch der Entsprechung zum Gebot (vgl. II/2, 567). Und so wird Gott gerade als Bundespartner auch zum Richter des Menschen, insofern er den Menschen in die Verantwortung der Bewährung und Antwort stellt (vgl. II/2, 11). Die Gnadenwahl „will, erwartet und fordert […] etwas von dem Partner seines Bundes“ (II/2, 10). Deutlich wird dies an Barths Interpretation der biblischen Sündenfallgeschichte:⁴⁰ Einerseits ist der Mensch für die symmetrische Beziehung der Bundespartnerschaft mit Gott geschaffen und daher auch mit Freiheit – im theologisch qualifizierten Sinn – ausgestattet. Andererseits gibt Gott dem Menschen das Gebot, nicht vom Baum der Erkenntnis zu essen, im Sinne einer Bewährung: Gott hat den Menschen „vielmehr mit der Fähigkeit zur Bewährung und Betätigung seines Gehorsams, zu eigener Gehorsamsentscheidung geschaffen“ (III/1, 301). Der Mensch sollte den ihm nahegelegten Gehorsam wählen, weil er eben nicht zwanghaft und nicht „physisch notwendig“ (III/1, 301) gehorsam und frei sein musste. Insofern scheint Barth die Dimension der formalen Wahlfreiheit anzu-

 Aber wie oben ausgeführt, ist diese Autonomie von Gottes Theonomie bestimmt und auf sie ausgerichtet (vgl. II/2, 198). Die Autonomie wird also nicht gegeben, „damit es [das Geschöpf] sie ohne ihn [… gar] gegen ihn, sondern damit es sie für ihn habe, nicht außer, sondern in seinem Reiche, nicht zur Konkurrenz mit seiner Souveränität, sondern zu deren Bestätigung und Verherrlichung.“ (II/2, 195) Es geht nicht darum, dass der Mensch selbst neue Wege ausfindig macht, sondern allein darum, dass er in seiner ihm gegebenen Freiheit wiederum Gott erwählt (vgl. II/2, 198). Damit entspricht die von Gott gegebene Autonomie des Menschen der göttlichen Theonomie und göttlichen Souveränität und ist nicht als gegen sie konkurrierendes Prinzip zu denken. Die Erwählung des Menschen beinhaltet also seine Autonomie für Gott: zum Gehorsam gegenüber Gott und zum Zeugendienst.  Barths Einbindung der Sündenfallgeschichte in seine anthropologischen Überlegungen verpflichtet ihn nicht auf eine Urstandslehre, die er ablehnt (s.o. Kap. 3.4), wie die weiteren Ausführungen zeigen werden (s.u. Kap. 5.2.2).

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erkennen, denn mit dem Baum der Erkenntnis wurde formal eine Alternative zum Gehorsam eröffnet. Genau dieses Vorhandensein einer Alternative ist für Barth eine notwendige Bedingung für die freie Bundespartnerschaft. In der faktischen Bewährung sind dem Menschen jedoch nicht zwei gleichberechtigte Möglichkeiten gegeben, sondern „dem Menschen [ist] die Möglichkeit des Gehorsams als die Möglichkeit, nicht zur Wahl in Konkurrenz mit einer anderen, entgegengesetzten, wohl aber zur freien Entscheidung dafür [Herv. J. S.] vorgelegt“ (III/1, 301) worden. Eine vollumfängliche Wahlfreiheit im Sinne der Wahl gleichberechtigter Alternativen schließt Barth für das Szenario der Bewährung aus: „Daß er ihm als einem Herkules am Scheidewege den Gehorsam und den Ungehorsam zur Wahl vorgelegt habe, steht nicht da.“ (III/1, 301) Das paradiesische Verbot, vom Baum der Erkenntnis zu essen, gebiete dem Menschen daher nur, diesem Verbot Folge zu leisten. Hierbei hat der Mensch nur die eine menschliche Freiheit zu dieser einen Tat im Sinne der oben erläuterten theologisch qualifizierten Freiheit.Wenn der Mensch dem Gebot Gottes nicht folgt, dann beweist er nicht seine Wahlfreiheit, sondern stellt sich für Barth vielmehr in die Unfreiheit. Es gibt somit immer nur die eine Möglichkeit der gehorsamen Entsprechung und eine nichtige Möglichkeit des sündigen Widerspruchs. Barth weist damit eine vollumfängliche Wahlfreiheit des Herkules am Scheideweg zwar zurück, denkt aber eine andere, ebenfalls theologisch qualifizierte Form formaler Wahlfreiheit: In der Bewährung fällt der Mensch eine Wahl des Gehorsams, zu der es die formale Alternative des Ungehorsams gibt, doch die Freiheit dieser Wahl erweist sich inhaltlich durch die Bewährung als Teilnahme an der göttlichen Freiheit und nicht allein durch die faktische Wahl einer der beiden ungleichen Alternativen.⁴¹

5.2.2 Die Begründung menschlicher Freiheit im Bundesgedanken Es zeigte sich, dass die Freiheit zur Bewährung dem Menschen deshalb gegeben ist, weil er nur so ein echter Bundespartner Gottes sein kann, der entsprechend der göttlichen Wahl seinerseits selbst Gott erwählt. Aus der Bundespartnerschaft folgt daher eine Analogie zwischen göttlicher und menschlicher Freiheit: der Mensch soll Gott frei wählen, so wie Gott den Menschen zu seinem Bundespartner frei erwählt hat. Die oben in 5.1 noch offen gebliebene Frage, warum der Mensch

 In dieser Variante, wie Barth Freiheit als Gehorsam gegenüber Gott denkt, findet sich eine Entsprechung zu Kants Identifikation von Autonomie mit der Selbstunterwerfung unter das Sittengesetz.

5.2 Die Begründung menschlicher Freiheit und das Problem der Wahlfreiheit

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überhaupt Freiheit brauche, ist damit geklärt. Gott hätte zwar in seiner Allmacht auch über den Kopf des Menschen hinweg entscheiden können, aber Gott hat sich dafür entschieden, dass der Mensch beteiligt sein soll an dieser Gemeinschaft: „Gott könnte ja auch hoch über dem Menschen thronend Gott sein und in der Menschenwelt wie in allen anderen Bereichen seiner Schöpfung kraft seiner Allmacht Alles nach seinem Willen zum Besten lenken […]. Gott hält es aber nicht so. Er hält den Menschen für würdig, [sich], als Partner mit einem Partner, mit ihm abzugeben. […] Er gilt jetzt nämlich als Einer, von dem Gott etwas, und zwar gleich das Höchste, erwartet: dies nämlich, daß er in Übereinstimmung und Gemeinschaft mit ihm existiere.“ (III/4, 746 – 747)

Mit der Ermöglichung dieser freien, antwortenden Wahl des Menschen zeichnet Gott den Menschen als Bundespartner aus. Freiheit im theologisch qualifizierten Sinn, die im Rahmen der formalen Wahlfreiheit stattfindet, ist somit die doppelt komplementäre Voraussetzung für eine wirkliche Bundespartnerschaft, in der sich der Mensch ohne Zwang als Gottes Partner bewähren kann. Dieses Partnerschaftsverhältnis beschreibt Barth mit unterschiedlichen Begriffspaaren: Im Kontext der Erwählungslehre charakterisiert er es als Zusammenhang von Theonomie und Autonomie sowie von Erwählungsbestimmung und menschlicher Selbstbestimmung.⁴² Die menschliche Bejahung Gottes hat daher die Form der „bestimmte[n] Selbstbestimmung“ (I/1, 241). In III/2 verwendet er das Begriffspaar von Rezeptivität und Spontaneität.⁴³ Mit der Einheit von Rezeptivität und Spontaneität schließt Barth an die transzendentalphilosophische Konzeption an, die sich in verschiedenen Ausprägungen bei Kant, Fichte und Schleiermacher findet.⁴⁴ Bei Barth wird das rezeptive Moment auf das Wort der Gnade bezogen statt auf sinnliche Objekte; die Spontaneität ist das Hören dieses Gnadenwortes, das kein bloß passiv-affiziertes Hören ist, sondern eine menschliche Tätigkeit.⁴⁵ Die Spontaneität kann dabei so verstanden werden, dass sie die menschliche Antwort vom Zwang abgenzt, da die Antwort als spontane Antwort

 Die göttliche Bundesbestimmung fordert somit gerade die Selbstbestimmung und stellt den Menschen unter die Frage „wie er sich dazu stelle, wie er unter dieser Bestimmung existieren, wer er als der so Bestimmte sein und was er als solcher tun wird.“ (II/2, 566).  Das menschliche Subjekt wird dabei so als ein Antwortendes bestimmt, dass es, „[b]egründet durch Gottes Gnadenwort“, sich selbst Gott zuwendet und so gerade in seiner Rezeptivität auch ein „Subjekt in reiner Spontaneität“ ist (III/2, 207). Fraglich erscheint hierbei BERKOUWER, inwiefern nicht Barths „Bedenken gegen jegliche Art der Kooperation und des Synergismus, kurzum gegen jede Gleichgewichtskonstruktion zwischen Gnade und Freiheit“ eine Einheit von Rezeptivität und Spontaneität ausschließen (G. C. Berkouwer, Der Triumph der Gnade in der Theologie Karl Barths, 247).  Vgl. K. Stock, Anthropologie der Verheißung, 95, Anm. 244.  Vgl. ebd., 95 f.

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vom Antwortenden selbst gewollt ist, wenngleich sie allein durch das Wort begründet ist, dem sie antwortet.⁴⁶ Die Begründung der Freiheit liegt somit in der Art der göttlichen Zuwendung, die einen freien Partner will. Angesichts von Barths hamartiologischen und christologischen Voraussetzungen ist diese Freiheit allerdings weiter einzuschränken bzw. zu differenzieren, denn faktisch sind alle Menschen, ausgenommen Jesus von Nazareth, Sünder und ermangeln aufgrund ihrer Sünde der Fähigkeit, sich gegenüber Gott zu bewähren und ihn als Bundespartner zu erwählen. Darum wurde oben (s.o. Kap. 4.2.3) das Wesen des Menschen zwar als frei und bündnisfähig beschrieben, aber zugleich ist nur Jesus als wahrer Mensch auch de facto bündnisfähig (vgl. auch III/2, 267 f.). Die menschliche Freiheit zur Bewährung ist demnach faktisch nur in Jesus Christus realisiert, der durch seine perfekte Übereinstimmung mit dem Willen Gottes charakterisiert ist und insofern gar nicht anders will, als in Übereinstimmung mit Gott zu leben (vgl. IV/1, 180). Dem Leben des vorösterlichen Jesus eignete eine „in diese Richtung [Kreuz] weisende Willigkeit und Bereitschaft Jesu selbst“ (IV/2, 286), sodass Barth folgert, dass in Jesus „seine Selbstbestimmung“ mit der „über seinem Leben und dessen Verlauf waltend[en] göttlich[en] Verordnung“ übereinstimmte (IV/2, 287).⁴⁷ Jesu Krönung am Kreuz gründe in dem absoluten und „vollendete[n] Gehorsam“ und gerade darin sei er der wahre und freie Mensch gewesen (IV/2, 283). Uns übrigen Menschen komme allein in christologischer Vermittlung Freiheit zur Bewährung zu: „in ihm [Christus] leben als Menschen desselben freien Willens auch wir […] als freie Menschen“ und „außer ihm [sind die Menschen] nicht  Das Verhältnis von exzentrischem Personenbegriff und Spontaneität erörtert auch Joest in seiner Untersuchung von Luthers Theologie. Er beginnt dabei mit dem scheinbaren Widerspruch, dass Spontaneität Selbstbesitz zu fordern scheint (vgl. W. Joest, Ontologie der Person bei Luther, 274), um dann aber zu zeigen, dass Spontaneität im Sinne des ‚von selbst Gewollten‘ zu verstehen ist und damit nicht im Gegensatz zur Exzentrizität zu verstehen ist, sondern als Gegensatz zum Zwang (vgl. ebd., 278). Anders hingegen kritisiert Graf die Komplementarität von Gnade und Freiheit (vgl. F. W. Graf, Die Freiheit der Entsprechung zu Gott, 112): Damit diese Asymmetrie zwischen Gott und Mensch in der Vermittlung menschlicher Freiheit nicht die menschliche Subjektivität negiere, müsste die menschliche Freiheit als eine sich in der göttlichen Bestimmung selbst Setzende verstanden werden. Dies ist nach Grafs Urteil bei Barth aber nicht denkbar. So kritisiert er, dass Barth die „Vermittlung von Absolutem und Besonderem, Allgemeinem und Individuellem nicht denken“ könne, sodass auch „keine wahre, konkrete, aus sich selbst begründete Freiheit gedacht werden“ könne (ebd., 116). Hierzu siehe die Auseinandersetzung oben in 5.1.3.  „Er vollstreckt freiwillig, was über ihn beschossen ist, wie umgekehrt die Göttlichkeit dieses Beschlusses darin sichtbar wird, daß seine Ausführung von ihm nicht als ein leidiger, schicksalsmäßiger Zwang oder als ein zufälliges Unglück, sondern eben, in jener Bereitschaft und Willigkeit erlitten, auch Inhalt seiner Selbstbestimmung wird.“ (IV/2, 287).

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frei“ (IV/2, 558). Damit ist nur Christus im theologisch qualifizierten Sinn frei, indem er dem Willen Gottes entsprechend den Bund mit ihm bejaht hat. Den übrigen Menschen hingegen gilt das Gebot, sich als Bundespartner zu bewähren, und insofern kann auch für sie von einer formalen Wahlfreiheit gesprochen werden, denn das Gebot Gottes zeigt ihnen eine Alternative zur Sünde auf. Aber durch ihre Sünde sind sie im theologisch qualifizierten Sinne unfrei, indem sie sich als Sünder je gegen die gehorsame Bewährung entscheiden. Insofern verfügen sie in ihrem Wollen über keine reale Alternative, da ihnen die Fähigkeit zum Gehorsam im Status der Sünde fehlt.⁴⁸

5.3 Die freie und zugleich notwendige Entscheidung des Glaubens 5.3.1 Glaube zwischen Möglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit Der Ausschluss einer realen Wahlfreiheit bedeutet hinsichtlich des Glaubens, dass es dem Menschen unmöglich ist, zum Glauben zu kommen oder sich für den Glauben zu entscheiden: Würde dem natürlichen, sündigen und insofern unfreien Menschen die Möglichkeit des Glaubens „noch so verlockend“ angeboten, so hätte sich der Mensch doch schon dagegen entschieden (IV/1, 834). Bei aller Verschiedenheit der menschlichen Situationen handelt jeder Mensch immer ganz im Ungehorsam gegenüber Gott und ist stets ein Sünder,⁴⁹ denn „er wählt so oder so auf der von ihm betretenen Linie, auf der er – er wähle so oder so – […] immer (denn der Verkehrtheit hat er sich ja verschrieben) verkehrt handeln wird.“ (IV/2, 561)⁵⁰ Dem Sünder kommt somit trotz seines je stattfindenden Wählens keine Möglichkeit zu, auch frei, d. h. im Gehorsam zu Gott zu handeln.

 Für die Frage nach der Schuldfähigkeit des Sünders spielt es jedoch für Barth keine Rolle, ob die Menschen auch wirklich hätten anders wollen und handeln können, denn insofern sie ihren Widerspruch gegenüber Gottes Gebot selbsttätig und ohne äußeren Zwang vollziehen, sind sie Gott ihre Bejahung schuldig geblieben (vgl. III/1, 303 f.). So folgt für Barth aus der faktischen Täterschaft auch die Schuldigkeit des Täters.  Gott hat alle Menschen unter dem Ungehorsam verschlossen, um sich aller in Christus zu erbarmen (vgl. IV/1, 558 f.). Die Frage, ob ein Mensch theoretisch auch immer entsprechend des Willens Gottes hätte handeln können, beantwortet Barth nicht direkt, sondern stellt nur fest, dass faktisch alle Menschen den Ungehorsam gewählt haben und damit faktisch alle Menschen Sünder sind.  So schreibt Barth: „Mit der alten Dogmatik zu reden: aus dem peccatum originale folgen mit Notwendigkeit die peccata actualia. […] Das charakterisiert des Menschen Elend, daß er gerade nicht nur ein Sünder ist. Das ist er, dazu macht er sich freilich, indem er die Sünde tut. Aber daß er

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Seine Begründung, wie sich ein Mensch doch für den Glauben entscheiden kann, entwickelt Barth anhand der Unterscheidung zwischen Möglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit: Die Wirklichkeit der eigenen Sünde wiegt dabei schwerer als die Möglichkeit, an Gott zu glauben.⁵¹ Das menschliche Wesen ist demnach so stark durch die Wirklichkeit der Sünde bestimmt, dass die formale Alternative des Glaubens faktisch durch den Sünder stets verneint wird. Insofern ist es im Wesen des Menschen vorbestimmt, dass er, obwohl er zum Gehorsam gegen Gott aufgerufen ist, als Sünder je wieder die nichtige Möglichkeit der Sünde wählen wird. Der Sünder ist damit in zwangloser Weise frei, da er seinem Wesen entsprechend wählt, aber er bleibt auf der Linie sündigen Handelns gefangen und kann nur zwischen sündigen Handlungsmöglichkeiten auswählen. Barth weist das Bild des Herkules am Scheideweg also nicht deshalb zurück, weil es keine zwei Alternativen zwischen gläubigem Gehorsam und sündigem Ungehorsam gäbe, sondern aus dem Grund, dass dieser Herkules, immer schon durch sein eigenes Sein bestimmt, stets die eine Möglichkeit vor der anderen bevorzugen wird. Das bedeutet aber, dass der Sünder keine reale Möglichkeit hat, sich für den Glauben an Gott zu entscheiden.⁵² Im klassischen Streit zwischen Luther und Erasmus über die Willensfreiheit würde Barth klar auf Seiten Luthers Position beziehen.⁵³ Auch Barth attestiert den Menschen einen gebundenen Willen, ein servum arbitrium (vgl. IV/2, 558).⁵⁴ Neben der Unterscheidung zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit führt Barth zweitens die Unterscheidung zwischen Wirklichkeit und Notwendigkeit ein. Wenn ein wirklicher Sünder zum Glauben kommt, dann trifft den Menschen der Glaube als Notwendigkeit: das ist, daran könnte man sich gewöhnen, damit könnte man sich abfinden. […] Daß er (er selbst!) sich in diesem Kreislauf bewegt, das ist sein Elend.“ (IV/1, 555).  „Was soll ihm die Möglichkeit des Glaubens, und wenn diese noch so wunderbar wäre und wenn sie ihm noch so verlockend hingehalten würde? In der Konkurrenz zwischen einem ihm möglichen Glauben und seiner wirklichen Sünde wird der Glaube unter allen Umständen den Kürzeren ziehen: ihre Konkurrenz wird sogar zugunsten der Sünde beendigt sein, noch bevor er angefangen hat.“ (IV/1, 834).  Vgl. dazu Krötkes Analyse: „Die Tragweite der Schuld des Menschen spiegelt sich in der Existenz seines Seins: Der Mensch der Sünde kann sich von sich aus nicht mehr zu Gott hinwenden.“ (W. Krötke, Sünde und Nichtiges bei Karl Barth, 71).  Vgl. hierzu auch U. Hedinger, Der Freiheitsbegriff in der kirchlichen Dogmatik Karl Barths, 9 f. und H. T. Goebel, Vom freien Wählen Gottes und des Menschen, 286 – 289.  Hedinger spricht diesbezüglich von einer zweideutigen Freiheit bei Barth, da sie in der Spannung steht zwischen der unmöglichen Möglichkeit und der faktischen Sünde (vgl. U. Hedinger, Der Freiheitsbegriff in der kirchlichen Dogmatik Karl Barths, 97– 100). Rodin beschreibt diese Spannung als „‚impossibility-inevitability‘ tension“ (R. S. Rodin, Evil and Theodicy in the Theology of Karl Barth, New York 1997, 134. 278).

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„Es gibt aber […] eine Notwendigkeit des Glaubens. […] Er ist in dieser seiner Überlegenheit dem Unglauben gegenüber keine bloße Alternative, keine bloße Chance, kein bloßes Angebot. Es steht also dem Menschen nicht erst zur Wahl, ob er sich wohl (o Illusion!) für den Glauben oder für den Unglauben entscheiden wolle. Der Glaube macht die kompakte Wirklichkeit des Unglaubens zur Unmöglichkeit.“ (IV/1, 834)

Kommt der Mensch zum Glauben, dann liegt dessen Notwendigkeit nicht im Menschen (vgl. IV/1, 834), sondern darin, dass Jesus Christus, der Gegenstand des Glaubens, „sich dem Menschen in seiner Notwendigkeit aufdrängt und eben damit seinen Glauben begründet.“ (IV/1, 835)⁵⁵ Das Entstehen des Glaubens ist nur als gottgewirktes Ereignis möglich und darin zugleich notwendig.⁵⁶ Die bis dato rein formale Möglichkeit des Glaubens, die aufgrund der Sünde des Menschen eine faktische Unmöglichkeit war, wird durch Gottes Wirken real möglich und sogar notwendig. Somit kann Barth dann zugleich von menschlich-natürlicher Unmöglichkeit und geistgewirkter Notwendigkeit des Glaubens sprechen. Mit einer solchen Notwendigkeit des Glaubens scheint aber ein Zwang statt einer freien Entscheidung vorzuliegen. Dieser Anschein ist zum Teil richtig, zum Teil falsch. Barth versteht an dieser Stelle seiner Argumentation Zwang und Freiheit nicht mehr als kontradiktorischen Gegensatz. Vielmehr rechtfertigt Barth das in der Notwendigkeit liegende Moment des Zwangs als eine höchst spezifische Form des Zwangs, nämlich der ‚Zwang‘ durch die göttlichen Liebe (vgl. III/1, 444). Ferner argumentiert Barth, dass zwischen der Notwendigkeit des Glaubens und der Freiheit zum Glauben kein Widerspruch besteht (vgl. IV/1, 832 f.), insofern der Mensch nach Barths theologisch qualifiziertem Freiheitsbegriff als Sünder ohnehin nicht frei war, sodass erst die göttliche Berufung diese Freiheit für Gott bringt. Die Notwendigkeit des Glaubens trifft somit einen Unfreien und befreit ihn dabei zugleich notwendigerweise. Okayama kritisiert an dieser Stelle, dass „der Mensch in diesem monistischen Schöpfungs- und Versöhnungsprozeß Gottes nur passiv seinen Platz [hat]. Wo bleibt aber die verantwortliche Tat und die subjektive Entscheidung des Menschen überhaupt?“⁵⁷ Hierbei wird Barths Konzeption einer Spontaneität, die gänzlich durch die Tat Gottes bestimmt ist und insofern keine Wahlfreiheit darstellt, ähnlich dem Vorwurf der Gleichschaltung (s.o. 1.1.3) als ‚zu passiv‘ aufgefasst. Trotz des servum arbitrium verbindet Barth jedoch die göttliche Begründung

 Auch schon in II/2, 873 spricht Barth davon, dass der Unglaube durch den Ruf Christi zur „schlechterdings ausgeschlossene[n] Möglichkeit“ wird.  Darum spricht Barth auch vom Glauben als einer „Wundergabe des Heiligen Geistes“ (II/2, 859).  K. Okayama, Zur Grundlegung christlicher Ethik, 92 f.

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des Glaubens mit der unhintergehbaren Tätigkeit und Akteursposition des Menschen, indem er sagt: „Der Mensch handelt, indem er glaubt, aber daß er glaubt, das ist Gottes Handeln.“ (I/1, 258)⁵⁸ Damit unterscheidet Barth zwischen zwei Ebenen: Auf der Begründungsebene ist allein Gott der Akteur. Auf der Vollzugsebene ist der Mensch jedoch tätig und verantwortlich für sein Tun. Das Ineinandergreifen dieser beiden Ebenen wird im Folgenden anhand der göttlichen Berufung (5.4.2) und der ihr entsprechenden menschlichen Entscheidung (5.4.3) nachgezeichnet.

5.3.2 Die göttliche Berufung zum Glauben Die Berufung ist nach Barth die Handlung Gottes, die dazu führt, dass aus einem Erwählten auch ein Erwählt-Lebender wird (s.o. Kap. 4.3.1): „Die Absicht bei des Menschen Berufung ist die, daß er ein Christenmensch, ein homo christianus werde.“ (IV/3, 599) Die Berufung führt dazu, dass es innerhalb der Weltgeschichte bereits zur Gemeinschaft mit Gott kommt: Die Existenz der Christen ist ein „kleines Novum, in welchem sich [… das] vollkommene Novum der in Jesus Christus […] geschehenen Erfüllung des Bundes […] spiegelt.“ (IV/3, 639 f.) Die Berufung umfasst dabei Rechtfertigung und Heiligung ebenso wie die Erweckung zum Glauben.⁵⁹ Allerdings ist hier zu differenzieren, dass die Berufung laut Barth nicht nur in der ihr „vorangehende[n]“ Erwählung aller Menschen begründet ist (IV/3, 556), sondern sie selbst auch „geschah […], bevor sie in [eines Menschen; J. S.] Leben Ereignis wurde“ (IV/3, 559). Somit unterscheidet Barth zwischen der vorzeitlichen Erwählung und der ihr entsprechenden vorzeitlichen Berufung einerseits und dem innerzeitlichen Ereignis der Berufung andererseits, indem ein Mensch seine Berufung erfährt und als je neues Ereignis erfahren kann (vgl. IV/3, 555). In der Erwählungslehre führt Barth dazu weiter aus, dass es durch die innerzeitliche Berufung zur „Vollstreckung“ der Erwählung kommt, denn es geschieht „die objektiv notwendige Entsprechung ihrer Erwählung“ (II/2, 380) sei-

 Gott ist dabei „das erste Subjekt dieser Geschichte und so, mit dem Wissen und Wollen handelnd, ist das menschliche Sein als Verantwortung vor Gott ihr zweites Subjekt“ (III/2, 217).  Dies wird auch daran deutlich, wo Barth die Berufung im Aufbau seiner KD verortet: Er gliedert die Bände IV/1 – IV/3 mit den drei Ämtern Christi, denen er die Themen Glaube und Rechtfertigung (IV/1), Liebe und Heiligung (IV/2), Hoffnung und Berufung (IV/3) zuordnet. Hoffnung und Berufung sind dann aber kein Drittes neben den beiden Erstgenannten, sondern beschreiben nach Barth das Formalproblem der beiden vorigen, sodass es bei der Berufung um das ‚Wie‘ von Rechtfertigung und Heiligung, d. h. auch von Glaube und Liebe geht (vgl. IV/3, 1– 10).

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tens des Menschen. Dass es aber zu diesem Ereignis kommt, ist allein Gottes Entscheidung (vgl. II/2, 462), die dem „ewigen freien Willen Gottes entspricht“ und nur „zu seiner [Gottes] Stunde Ereignis“ wird (II/2, 463). Demnach sind Erwählung, Berufung und Berufungsereignis alle Momente der freien Gnade Gottes (vgl. IV/3, 566). Das innerzeitliche Berufungsereignis, das den Glauben im Menschen weckt, ist ein „persönliche[s] Handeln“ Christi (IV/3, 607). Dabei bindet Barth die Berufung weder an die Gemeinde, bzw. an Predigt und Sakrament, noch unmittelbar an den Heiligen Geist, sondern Jesus Christus selbst beruft durch den Geist „mit oder ohne ‚Predigt und Sakrament‘“ (IV/3, 593).⁶⁰ So könne die Berufung zwar vermittelt durch die Kirche geschehen, genauso aber auch unmittelbar, so „wie ein Blitz einen Baum“ trifft (IV/3, 580). Die Berufung ist demnach ein völlig unverfügbares Ereignis, das den berufenen Menschen „senkrecht von oben“ (IV/3, 574) trifft.⁶¹ Ansätze, die die Berufung an kirchliche Bildung, Lehre und Unterricht zurückbinden, werden damit insofern ausgeschlossen, als diese menschliche Vermittlung nicht hinreichend ist für die Berufung, sondern zusätzlich des Wirkens Christi bedarf, das sich in diesen Tätigkeiten aber genauso auch außerhalb ereignen könnte. Diesen ‚vertikalen‘ und ‚unverfügbaren‘ Einfall Christi in die Wirklichkeit des Menschen ergänzt Barth allerdings durch eine „Horizontale“ der geschöpflichen Existenz (IV/3, 574). So wird das Ereignis der Berufung selbst auch „ein zeitliches Ereignis“ (IV/3, 572), weil dieses Ereignis den Menschen in seiner geschöpflichen Existenz trifft. Es müsse in einem „doppelten Sinn [als] real“ verstanden werden: Erstens ist es als sich ereignendes „Gotteswerk“ real, wenngleich es als ein solches dem Menschen unverfügbar ist. Zweitens prägt es als dieses unverfügbare Gotteswerk die menschliche „Zeit und doch auch die ihrer Umwelt“ (IV/3, 574), sodass die Berufung in dieser Realität erfahrbar wird.⁶² So wird die Berufung von Barth als „geistliche[r]“ und als „zeitlich-geschichtliche[r]“ Vorgang verstanden, sodass „des Menschen Sein nicht nur berührt, sondern angegriffen und umgestaltet, sein

 Vgl. Käfers Betonung des Unterschieds zu CA V (A. Käfer, Inkarnation und Schöpfung, 314). Nach Käfer versucht Barth durch seine Beschreibung der Berufung gegen den Vergleich mit anderen Ansätzen insofern vorzubauen, als er betont, dass der Mensch erstens nicht schon von Natur aus für die Gnade empfänglich sei, er wird es erst. Zweitens brauche Christus nicht notwendigerweise die Kirche zur Vermittlung. Drittens baue die Berufung nicht auf der persönlichen Entwicklung eines Menschen auf, sondern schaffe ihn sich neu. Vgl. ebd., 315.  Vgl. die parallele Schilderung der Weisung Christi als im menschlichen Leben effektiv wirksames Wunder in IV/2, 592– 599.  Das Ereignis der Berufung bleibe nicht unzeitlich, sondern mitten in der Zeit hebt eine neue Geschichte an (vgl. IV/3, 575). Zur Geschichtlichkeit des Glaubens s.u. Kap. 6.

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neues Sein wird.“ (IV/3, 597). Dabei versucht Barth ein zu transzendentes Verständnis des Ereignisses abzuwehren, denn seine Opposition gegen Schleiermachers Anthropozentrismus dürfe nicht dazu führen, „daß nun etwa umgekehrt die geschichtliche und übergeschichtliche Voraussetzung der Berufung von dieser als ihrer Konsequenz abstrahiert“ wird (IV/3, 573). Barth bestimmt demnach die Berufung als „Begegnung und Gemeinschaft, Gottes Verkehr mit dem Christen, des Christen Verkehr mit Gott.“ (IV/3, 573) Daher dürfe sie ihrer „konkreten Geschichtlichkeit nicht entkleidet“ werden (IV/3, 573). Im Ereignis der Berufung komme es vielmehr zu einer „neue[n] Schöpfung“ (IV/3, 586). Diese neue „Existenzform“ (IV/3, 609) des Glaubens wird Thema des zweiten Hauptteil dieser Arbeit. Im Folgenden ist vorerst zu klären, wo Barth in diesem Vorgang die menschliche Entscheidung platziert und wie er diese versteht.

5.3.3 Die freie Entscheidung des Glaubens in der göttlichen Berufung Das Ereignis der göttlichen Berufung führt notwendigerweise dazu, dass ein Mensch glaubt. Allerdings „erweckt“ der göttliche Geist den Menschen in der Berufung „zur Freiheit.“ (IV/3, 1081) Das heißt für Barth, dass der Geist den Menschen in der Berufung nicht „überrennt, überwältigt, niederwalzt“, sondern dass der Mensch „selber glaube, liebe und auch hoffe“ (IV/3, 1081 f.), d. h. dass er selbst tätiger Akteur seines Glaubens ist. Damit wird, wie in diesem Abschnitt auszuführen ist, der Glaube als freie Tat, d. h. als „Entscheidung des Gehorsams“ charakterisiert (IV/1, 855). Barths Wortwahl, von einer „Entscheidung“ zum Glauben zu sprechen, ergibt sich erstens als menschliche Analogie zur göttlichen Entscheidung der Erwählung (vgl. IV/1, 836). Zweitens lässt sich hier ein Einfluss von Barths zeitgenössischem Umfeld ausmachen:⁶³ Schlatter und Bultmann operieren in ihren exegetischen Auseinandersetzungen mit Paulus und dem Neuen Testament auf prominente Weise mit dem Entscheidungsbegriff.⁶⁴ Schlatter beschreibt den Glauben als

 Hintergrund dieser Entscheidungssprache ist die theologische Existenzialphilosophie bei Bultmann, Gogarten, Fuchs u. a., die sich auch als Theologie der Entscheidung beschreiben lässt (vgl. U. Hedinger, Der Freiheitsbegriff in der kirchlichen Dogmatik Karl Barths, 233 f.).  Gerhard Marcel Martin hat daher Bultmanns Theologie als „Theologie der Entscheidung“ bezeichnet (G. M. Martin, Vom Unglauben zum Glauben. Zur Theologie der Entscheidung bei Rudolf Bultmann, Zürich 1976) und gegen Schlatter wurde von Kindt der Begriff der „Willensmetaphysik“ verwendet (I. Kindt, Der Gedanke der Einheit. Adolf Schlatters Theologie und ihre historischen Voraussetzungen, Stuttgart 1978, 127). Vgl. dazu auch B. Schliesser, Was ist Glaube?, 71– 73.

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eine „feste Entschließung“⁶⁵ und verknüpft ihn dadurch mit „der innersten Bewegung des Willens“.⁶⁶ Bultmann bestimmt den Glauben als Entscheidung, die eine „paradoxe Tat des Verzichtes auf jedes Werk“ sei, sodass der Wille des Menschen sich tätig gleichsam selbst verneint.⁶⁷ Bei den beiden Exegeten fällt auf, dass sie, wie viele andere Paulusexegeten auch, eine direkte Korrelation von Glauben und Gehorsam annehmen.⁶⁸ Es verwundert daher nicht, dass auch Barth, dessen dogmatischer Ansatz nicht zuletzt auf seinen Römerbriefkommentar zurückgeht, die Begriffe ‚Gehorsam‘ und ‚Entscheidung‘ für den Glauben gebraucht.⁶⁹ Für Barth ist die „freie Entscheidung“ (IV/3, 277) des Glaubens keine Entscheidung, die nur zwischen verschiedenen, gleichberechtigten Handlungsoptionen auswählte, sondern eine gehorsame Antwort: Gott erweckt den Menschen mit seiner „von innen gewinnenden Macht“ in der Berufung „zum lebendigen“, d. h. hierbei freien Menschen (IV/3, 1082).⁷⁰ So geschieht „in seiner [Gottes] Macht […] natürlich auch das freie Wählen“ des Menschen (IV/2, 883). Als ein freies Wählen ist es im theologisch qualifizierten Sinn frei, das heißt, es ist keine Entscheidung zum Glauben, sondern als freie Entscheidung die erste Tat des Glaubens. So kann Barth den Glauben gerade als „die Tat rechter Freiheit“ beschreiben, „nicht obwohl, sondern gerade weil und indem er das Werk des Sohnes ist“ (IV/1, 831).⁷¹ Dieses freie und zugleich notwendige ‚Ja‘ gegenüber Gott bedeutet

 A. Schlatter, Der Glaube im Neuen Testament. Eine Untersuchung zur neutestamentlichen Theologie, Leiden 1885, 336, Anm. 1.  Ebd., 346.  R. Bultmann, Gnade und Freiheit (1948), 156.  Vgl. B. Schliesser, Was ist Glaube?, 74 f.  Allerdings wird in der Forschungsliteratur diskutiert, inwieweit sich Barths Verständnis der ‚Entscheidung‘ von dem bei Bultmann unterscheidet, das dezisionistischer verstanden werden kann (vgl. U. Hedinger, Der Freiheitsbegriff in der kirchlichen Dogmatik Karl Barths, 233 f.). Nach Bultmann steht der Christ ständig „vor dem Entweder-Oder“ (R. Bultmann, Glauben und Verstehen. Gesammelte Aufsätze, Tübingen 1964– 1965, 54), wobei das ‚Ziehen des Vaters‘ aber nicht hinter, sondern vielmehr in der menschlichen Entscheidung geschehe (vgl. R. Bultmann, Das Evangelium des Johannes, Göttingen 1953, 172). Auch Hirsch analysiert, dass die Entscheidung des Glaubens bei Bultmann „im dezisionistischen Sinne eines menschlichen Entschlusses“ gedeutet werden müsse (E. C. Hirsch, Glauben, 363). Das führe bei Bultmann dazu, dass das menschliche Heil nicht auf Golgatha, sondern im Verwirklichen des Glaubens lokalisiert wird (vgl. ebd., 364). Barth hingegen beschreibt die menschliche Entscheidung für den Glauben gerade als eine, die jeglichem „blöden Wählen und Sichentscheiden“ enthoben sei (IV/2, 654).  Vgl. zur erweckenden Macht des Geistes bei Barth IV/1, 834– 836.  Dabei ist „[d]ie menschliche Entscheidung im Glauben […] in aller Unähnlichkeit ähnlich der Entscheidung der Gnade Gottes“ (I/1, 252), denn so wie sich Gott für den Menschen entschieden hat, so entscheidet sich nun auch der befreite Mensch für Gott.

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daher „kein Erlöschen unserer Menschlichkeit, sondern ihre Begründung, ist […] für uns kein passives Dabeisein und Zuschauen, sondern unsere eigentliche und höchste Aktivierung“ (IV/1, 14). Gerade die den Glauben notwendig machende göttliche Berufung ermöglicht und befähigt den Menschen zum Glauben als seiner eigenen, freien Tat. Die Entscheidung des Glaubens muss somit zugleich als alternativlos und im theologisch qualifizierten Sinn als frei bezeichnet werden.⁷² Sichtbar wird diese Entscheidung in der Taufe, bei der sie nicht ein „kontemplatives, spekulatives, meditatives und auch kein bloß verbales“ Ja bleibt, sondern gerade ein „Ja seines menschlichen Werkes“ wird (IV/4, 46). In der Taufe legt sich der Mensch fest und bekennt sich zu Gott, obwohl er „von allen möglichen Bedenken, Zweifeln und Vorbehalten im Blick auf dieses sein Unternehmen“ bedroht ist (IV/4, 47). Die Taufe beschreibt damit die greifbare Entscheidung für den Glauben, der dem Gläubigen selbst auch immer wieder entzogen ist. „[E]r wird dann dessen bedürfen und danach verlangen, sich auf seine Entscheidung, auf das Ja seines noch so kleinen, aber ehrlichen Glaubens vor Gott, vor den Menschen und vor sich selbst festzulegen. Er wird dann ein Faktum schaffen wollen, das […] als solches nicht rückgängig zu machen [ist].“ (IV/4, 46 f.)

Die Taufe schafft somit für den Gläubigen und die Gemeinde eine geschichtliche Situation, in der sich der Mensch entscheidet und festlegt. Wie ist aber die Binnenperspektive des Christen in dieser Entscheidung zu beschreiben? Barth hat das Wesen des Menschen so charakterisiert, dass er stetig handelt und entscheidet, denn er „tut, was er ist“ (IV/1, 548).⁷³ Wenn der Mensch

 Pannenberg hat Barths gesamten Ansatz als „Entscheidungstheologie“ bezeichnet (W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland. Von Schleiermacher bis zu Barth und Tillich, Göttingen 1997, 204) und damit den als ‚Dezisionismusvorwurf’ bekannten Einwand artikuliert, dass „die Entscheidung für eine präskriptive Norm oder eine Handlungsweise […] ein hinreichender Grund für die Legitimität dieser Norm oder Handlungsweise sein könne, während die betreffende Entscheidung selbst nicht mehr sinnvoll im Hinblick auf ihr vorausliegende Gründe zu kritisieren sei.“ (M. H. Werner, Dezisionismus, in: Lexikon der Ethik, hg. v. J.-P. Wils, C. Hübenthal, Paderborn München Wien, Zürich 2006, S. 52– 59, 52) Gegen den Dezisionismusvorwurf ist mit der oben dargestellten Argumentation jedoch einzuwenden, dass der Mensch bei Barth keine Entscheidung trifft, mit Gott als Wirklichkeit anzufangen, sondern vom Einleuchten der Wirklichkeit Gottes her bereits durch etwas seiner Entscheidungsgewalt Entzogenes bestimmt wird (vgl. auch II/1, 8). Das gottgewirkte Einleuchten dieser göttlichen Wirklichkeit ist dabei keine unbegründbare und arbiträre Entscheidung, diese anzuerkennen (vgl. I. U. Dalferth, Theologischer Realismus und realistische Theologie bei Karl Barth, 412).  Vgl. auch II/1, 434. Das Subjekt ist bei Barth je tätig (vgl. III/2, 232). So hat das ganze Leben des Menschen immer Entscheidungscharakter. Vgl. auch Hedingers Analyse zum Entscheidungs-

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also durch das Ereignis der Berufung erneuert und erweckt wird, dann entscheidet er wesensgemäß auch dieser Erneuerung entsprechend. Barth erläutert dies so, „daß der Wollende schon ist in seiner Entscheidung und also sich selber schon nicht mehr kennt und besitzt in irgendeiner Neutralität, die noch vor der Entscheidung wäre“ (III/2, 217). Insofern ist die bejahende Antwort des Christen aus seiner eigenen Perspektive seine eigene, spontane Tat, wie jedes andere Handeln auch, da er selbst ja schon der Erweckte ist, der Gott bejaht. Auf der Ebene der menschlichen Erfahrung ist somit auch jede Tat des Gläubigen eine eigene Tat, und der Mensch erfährt sich in seiner Erweckung nicht schlechthin rezeptiv, sondern handelt als von Gott Berufener spontan, d. h. er entscheidet sich für den Glauben und will ihn. Somit erfährt sich der Gläubige in seinem Glauben als selbsttätiges Subjekt.⁷⁴

verständnis bei Barth: U. Hedinger, Der Freiheitsbegriff in der kirchlichen Dogmatik Karl Barths, 76 – 80. Hedingers Hinweis auf die Nähe zwischen Barths Begriffen ‚Entscheidung‘ und ‚Wendung‘ ist dabei hilfreich, da so die Entscheidung des Menschen mit der Wendung des Menschen durch Gott verbunden wird (vgl. ebd., 77, Anm. 32).  Jüngel kritisiert an der von Barth hervorgehobenen menschlichen Entscheidung des Glaubens, dass dabei die Rezeptivität des Menschen unterbestimmt sei, weil der Mensch immer schon als Handelnder charakterisiert wird und somit kein Raum bleibe für einen rein empfänglichen Menschen (vgl. E. Jüngel, Evangelium und Gesetz. Zugleich zum Verhältnis von Dogmatik und Ethik, 205 f.). Dagegen stellt Jüngel mit Bezug auf Luther heraus, dass das Evangelium den Menschen in höchster Passivität als Zuspruch treffe und erst aus dieser reinen Rezeptivität die menschlichen Taten ermögliche. Die Grundstruktur des Hörens sei das von Luther herausgearbeitete „ponit nos extra nos“ (WA 40/I, 589, 8). Bei Barth hingegen gebe es keinen solchen Ort der reinen Annahme durch Gott. Ähnlich kritisiert auch Bonhoeffer an Barth, dass dieser den reflexionslosen Glaubensakt (actus directus) nicht theologisch fruchtbar mache und stattdessen die menschliche Tätigkeit (actus reflexus) in den Glauben hinein verlege (vgl. D. Bonhoeffer, Akt und Sein, 153 f., dazu vgl. M. Beintker, Kontingenz und Gegenständlichkeit. Zu Bonhoeffers Barth-Kritik in ‚Akt und Sein‘, 17 f.; C. Tietz, Bonhoeffers Kritik der verkrümmten Vernunft, 279 – 283). Wenngleich diskutiert werden kann, ob Jüngel einen solchen Ort reinen Hörens zu Recht vermisst, ist doch seiner Analyse zuzustimmen, dass der Mensch bei Barth als Handelnder schon in seiner Rezeptivität immer zugleich auch in der antwortenden Spontaneität verstanden wird. Der Glaube ist daher bei Barth nicht der Ort, wo der Mensch aller Selbsttätigkeit enthoben wird, sondern vielmehr der Ort, wo die Gott widersprechende Selbsttätigkeit des Menschen zu einer Gott annehmenden, dankenden Tätigkeit wird (vgl. E. Jüngel, Evangelium und Gesetz. Zugleich zum Verhältnis von Dogmatik und Ethik, 205 f.).

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5.3.4 Das christliche Leben im je und je der Entscheidung Bisher wurde die Entscheidung zum Glauben als einmaliges Ereignis der Bekehrung erörtert. Doch Barth zufolge ist der Glaube nicht nur eine einmalige Weckung und Entscheidung, sondern das ganze Leben vollzieht sich für Barth in Akten der Entscheidung.⁷⁵ Das bisher Dargestellte muss daher um die Dimension des christlichen Lebens in der libertas christiana ergänzt werden. Der erste Aspekt der Freiheit des christlichen Lebens besteht in der Verantwortlichkeit des Gläubigen: Barth formuliert dies so, dass der Gläubige darum weiß, dass er stets im Verhältnis zu Gottes Regierung steht und mit jeder seiner Taten Stellung für oder gegen Gott bezieht. Daher stellt gerade die Berufung den Menschen in die Verantwortung und entlässt ihn nicht aus ihr (vgl. II/2, 566).⁷⁶ Allerdings kann auch dieses freie Handeln des Christen in der Nachfolge nicht dessen eigene Leistung sein, denn sonst könnte sich der Christ rückwirkend als der Gnade Gottes würdig erweisen. Vielmehr gründet auch die spontane und eigenverantwortliche Tätigkeiten des Christen in der im Geist zugeeigneten Kraft Christi, sie ist „göttliche Gabe“ (IV/2, 598). So steht auch der nachfolgende Christ nicht am Scheideweg (vgl. II/1, 707), denn sein Gehorsam ist in Christus bejaht, der Ungehorsam in Christus verneint, sodass der Mensch vom Ungehorsam befreit ist für den Gehorsam (vgl. II/1, 708) und dementsprechend in Heiligung leben müsste. Das kontinuierliche Leben des Christen gründet somit auf bestimmte Weise darauf, dass die Berufung Gottes und die menschliche Entscheidung des Glaubens ein endgültiges Geschehen sind, dessen Nicht-Revidierbarkeit es gerade von allen anderen menschlichen Entscheidungen unterscheidet, da es nicht aus menschlicher Kraft, sondern in der Kraft Jesu geschah (vgl. I/2, 386). In diesem Sinn beschreibt Barth die Wassertaufe als einmaliges Bekenntnis, das der Weckung zum Glauben folgt (vgl. IV/4, 34). So erklärt sich, dass Barth für die Freiheit des Gläubigen das Bild eines Gebirgspasses dem des Scheideweges vorzieht: Der  Diese Thematik wird in Kap. 7.2– 7.4 ausführlich entwickelt und soll in dem vorliegenden Abschnitt nur in ihrer Bedeutung für das Freiheitsverständnis kurz angesprochen werden.  „In und mit seiner Bestimmung durch Gott, wie sie in der Prädestination Ereignis ist, erhebt sich die Frage nach des Menschen Selbstbestimmung, nach seiner Verantwortung und Entscheidung, nach seinem Gehorchen und Tun.“ (II/2, 566). Weil das Evangelium bei Barth selbst auch die Form und Gestalt des Gesetzes hat, stellt das Evangelium der Gnadenwahl mit seiner Bestimmung des Menschen diesen gerade in den Raum der Selbstbestimmung unter das Gebot und den Anspruch des Gesetzes (vgl. II/2, 567). Barth kann allerdings fast performativ davon reden, indem das Gnadenwort so über den Menschen verfüge und ihm so zum Anstoß werde, dass es ihn in eine entsprechende Zukunft weist. Somit folgert Barth: „Indem der evangelische Imperativ gilt […] wird er selbst zum Imperativ.“ (II/2, 567).

5.3 Die freie und zugleich notwendige Entscheidung des Glaubens

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Mensch steht auf der „Passhöhe zwischen dem, was er war und dem, was er sein wird, auf der es für ihn also kein Zurück, sondern nur ein ganz bestimmtes Vorwärts gibt“ (IV/3, 295). Im Bild des Gebirgspasses gibt es nicht die Wahl, welcher Weg zu gehen ist; wer den Pass erklimmt, will auf die andere Seite der Bergkette gelangen und dafür gibt es nur diesen einen Weg. Der Mensch hat in diesem Bild also die Vergangenheit seines ungläubigen Seins hinter sich und blickt über den Pass auf die Zukunft seines Seins als Partner Gottes. Ungläubiges und gläubiges Sein sind dann keine zwei von unabhängiger Warte aus wählbaren Alternativen, sondern sie sind teleologisch klar geordnet als Vergangenheit und Zukunft.⁷⁷ Wie geht Barth aber mit der Tatsache um, dass die Christen offenbar nicht ausnahmslos und durchgängig als Geheiligte leben? Innerhalb seiner Freiheitskonzeption kann Barth nicht auf die Wahlfreiheit der Gläubigen rekurrieren und ihnen die freie Wahl des Rückfalls in die Sünde attestieren. Barth begründet diesen faktischen Ungehorsam der Christen mit der noch herrschenden Macht der Sünde, die im geschichtlichen Prozess der Überwindung durch Christus begriffen ist.⁷⁸ So findet nicht nur in der Teleologie der Geschichte, sondern auch im einzelnen Gläubigen der Streit zwischen der Gottesherrschaft und der Herrschaft der Sünde statt. Der Gläubige, der auf dem oben geschilderten Passweg geht, kann diesen Pass gleichsam nicht ungehindert und frei überqueren, sondern wird immer wieder von der Sünde zurückgehalten. Dabei ist der Gläubige nicht in dem Sinne frei, dass er sich für sein altes Sein in der Sünde oder für sein neues Sein in Christus entscheidet, sondern seine geschichtliche Teilhabe an der Freiheit Christi ist nur noch nicht vollendet. Bis zum letzten Tag muss die christliche Freiheit daher immer wieder neu anfangen (vgl. IV/4, 42).⁷⁹

 Dieser Gedankengang wird auch unten in Kap. 7.1.2 bezüglich Barths Verständnis des simul iustus et peccator wieder aufgenommen.  Dieses Verhältnis wird in Kap. 6.2 und Kap. 7 weiter geklärt.  Zu dieser radikalen Anfänglichkeit des Glaubens s.u. Kap. 7.3. Daher muss diese gegenwärtige Freiheit der Christen von der eschatologischen Freiheit in der Vollendung der Zeit unterschieden werden. Erst eschatologisch werden die vollkommene Teilhabe der Menschen an Christus und insofern auch der vollkommene Gehorsam erreicht werden. Vgl. Hedingers Unterscheidung von drei Arten der Gnade bei Barth: Schöpfungsgnade, Versöhnungsgnade zur libertas christiana und Vollendungsgnade zur eschatologischen Freiheit (U. Hedinger, Der Freiheitsbegriff in der kirchlichen Dogmatik Karl Barths, 147).

216

5 Glaube als freie Tat des Menschen

5.4 Gott und Mensch: Zwei tätige Subjekte in differenzierter Einheit In den vorigen Abschnitten wurde entfaltet, in welchem Sinn der Mensch im Ereignis des Glaubens frei ist und wie diese Freiheit einerseits im Handeln Gottes gründet und andererseits wesentlich ein menschliches Handeln sein muss. Aus diesem Ineinander von göttlichem und menschlichem Handeln verschärft sich jedoch die Frage, wer das eigentliche Subjekt der Freiheit und Entscheidung des Glaubens ist? Als Frage nach dem Subjekt der Freiheit lässt sich Bonhoeffers 1931 formulierte Kritik an Barth lesen: „Wie aber religiöser Akt des Menschen und Glaubensakt Gottes gedacht werden können, ohne in zwei wesensverschiedene Spähren auseinanderzubrechen oder ohne entweder die Subjektivität Gottes oder die Existenzbetroffenheit des Menschen aufzuheben, bleibt […] ungeklärt.“⁸⁰ In diesem Abschnitt soll die von Bonhoeffer geforderte Klärung zumindest teilweise erbracht werden, indem die Rollen Gottes und des Menschen als Subjekte der Begründungs- und Vollzugsebene des Glaubens untersucht werden. Barth benennt Jesus Christus als das „primär handelnde Subjekt“, der Mensch sei der entsprechend „sekundär [H]andelnde“ (IV/3, 246). Die Unterscheidung zwischen diesen zwei Subjekten wird in KD IV/4 deutlich, wenn sich Barth am Beispiel der Taufe damit auseinandersetzt, wie sich der Glaube als Tätigkeit des Menschen zu der ihn begründenden Tätigkeit Gottes verhält. Dort unterscheidet Barth zwischen der göttlichen Geisttaufe und der ihr analogen Wassertaufe, durch die der Mensch Gott antworte und die Barth daher nicht als Sakrament, sondern als Bekenntnistaufe versteht. Göttlicher und menschlicher Akt gehören dabei zusammen und sind doch zu unterscheiden und getrennt beschreibbar:⁸¹ „Die beiden Momente der Begründung des christlichen Lebens – das ‚objektive‘ und das ‚subjektive‘ – sind ebenso genau zusammen zu sehen wie zu unterscheiden. Nur indem (1) die göttliche Wendung die menschliche Entscheidung als die Umkehr aus der Untreue zur Treue gegen Gott möglich macht und erfordert – und nur indem (2) diese menschliche Entscheidung ganz und gar in jener göttlichen Wendung ihren Ursprung hat, kommt es zur Begründung christlichen Lebens, zur Existenz eines Gott treuen Menschen. Und nur indem man Beides in dieser differenzierten Einheit sieht, kann man es verstehen. Die Tat Gottes in

 D. Bonhoeffer, Akt und Sein, 79 f.  DeVries beschreibt dieses Anliegen Barths, göttliches und menschliches Wirken nicht zu vermischen, als einen generellen Grundimpuls seiner Theologie: „most important among these is his concern not to confuse the subject and the object“ (D. DeVries, Does Faith Save? Calvin, Schleiermacher and Barth on the Nature of Faith, in: The Reality of Faith in Theology, hg. v. B. L. McCormack, Bern, Berlin, Frankfurt am Main, Wien 2007, S. 163 – 190, 171).

5.4 Gott und Mensch: Zwei tätige Subjekte in differenzierter Einheit

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diesem Ereignis will also streng als solche – und die Tat des Menschen in demselben Ereignis will ebenso streng als solche verstanden sein.“ (IV/4, 45)

Menschliche und göttliche Tat sind als „differenziert[e] Einheit“ wie zwei Seiten derselben Medaille anzusehen, die sowohl distinkt als auch notwendig zusammengehörig sind.⁸² Im Fall der Taufe des Menschen mit dem Heiligen Geist wird die menschliche Glaubenstat demnach nicht überflüssig oder ist in jener bereits enthalten, sondern jene „fordert sie vielmehr“ (IV/4, 45). Daher kann Barth sagen, dass der Glaube keine „automatisch sich ereignende Wiederspiegelung [sic!]“ ist (IV/1, 847), sondern der Ort für das Handeln „zweier unaufhebbar verschiedener Subjekte“ (IV/4, 45). In diesem Abschnitt soll daher die Menschlichkeit des Glaubens in Hinblick auf ihren nichteschatologischen (5.4.1) und existenziell-tätigen (5.4.2) Charakter konkretisiert werden. Anhand seiner Ausführungen zur Taufe lässt sich Barths Distinktion von göttlicher und menschlicher Tat in dem einen Ereignis darstellen: Die göttliche Tat, die Barth als Taufe mit dem Heiligen Geist beschreibt, steht umfassend für die Geschichte Jesu Christi und beinhaltet sowohl deren allgemeine Erschließung in der Auferstehung als auch deren Erschließung für einen bestimmten Menschen durch den Geist.⁸³ Die Geisttaufe ist daher „ausschließlich und konsequent von der göttlichen Wendung“ her zu verstehen (IV/4, 45). Sie ist somit exklusive göttliche Tat und das kreatorische Geschehen des Glaubens (vgl. IV/4, 37, s.u. Kap. 6.4.3). Zwar ist dieses Tun Jesu auf den Menschen gerichtet, aber es bleibt ‚sein‘ Tun am Menschen, im Gegenüber zu der menschlichen Tat des Glauben.⁸⁴ Die menschliche Glaubenstat der Wassertaufe ist ebenso unmittelbar auf Gottes Gnadentat bezogen, aber auch sie bleibt als menschliche Entscheidung von der göttlichen Wendung in der Berufung unterschieden, „in strenger Korre-

 Im Bezug auf Barths Tauftheologie kommt Jüngel zu einem ähnlichen Ergebnis: „Deshalb kann es für diese Dogmatik keine Mischgestalt von göttlichem und menschlichem Sein oder Tun geben. So wie Gott sich in Akten seines Gottseins als er selbst erweist, so soll sich auch der Mensch in Akten seines Menschseins als er selbst erweisen. Daß er es kann, verdankt er Gott selbst. Daß er es soll, fordert Gott selbst. Indem er es tut, entspricht er Gott selbst.“ (E. Jüngel, Karl Barths Lehre von der Taufe. Ein Hinweis auf ihre Probleme, 55). Allerdings weisen Krötke und Küng darauf hin, dass Barths strikte Trennung von göttlichem und menschlichem Werk in seiner materialen Entfaltung der Rechtfertigungslehre doch nicht durchgehalten werde (vgl. W. Krötke, Sünde und Nichtiges bei Karl Barth, 81).  Vgl. auch E. Jüngel, Karl Barths Lehre von der Taufe. Ein Hinweis auf ihre Probleme, 19.  „Er bleibt Er und sein Tun bleibt sein Tun: auch dem ganzen christlichen Tun, auch dem christlichen Glauben und der christlichen Taufe gegenüber. In der von ihm geschenkten Freiheit glaubt man an ihn, und tauft man in derselben Freiheit auf ihn, auf seinen Tod, auf seinen Namen, in der Bewegung zu ihm hin.“ (IV/4, 97).

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5 Glaube als freie Tat des Menschen

lation … aber … zweierlei“ (IV/4, 96 f.). Somit soll die Taufe weder als menschliche Fortsetzung der göttlichen Heilstat noch als „antizipierende Immanenz“ (IV/4, 97) verstanden werden. Daher wird Christus nicht „ganz oder teilweise das Subjekt des Glaubens“ und der Glaube ist nicht „sein Werk oder doch ein Teil seines Werkes als Vollstrecker der göttlichen Gnade“ (IV/4, 97). Gerade als menschliche Tat, menschliche Antwort, menschliches Anerkennen und Bezeugen (vgl. IV/4, 79 f.) sei sie menschliche Antwort und menschliches Bekenntnis zu Gottes Gnadentat, die „Ursprung, Gegenstand und Inhalt“ des Glaubens ist (IV/4, 81). Für das Verhältnis der beiden zueinander gilt daher ein Doppeltes: Einerseits stellt Barth die menschliche Entscheidung in eine zu Christus nachgeordnete Position: Der Gläubige „glaubt, er gehorcht, er bekennt, indem er sich, nachdem [Herv. J. S.] Christus sich mit ihm vereinigt hat, seinerseits mit ihm vereinigt, sich dem hingibt, der sich zuerst ihm hingegeben hat“ (IV/3, 626). Dies entspricht der in den vorigen Abschnitten nachgezeichneten Begründung menschlicher Spontaneität in der Teilhabe an Christus bzw. Gottes Gnadentat. Andererseits spricht Barth in IV/4 von den zwei Subjekten Gott und Mensch als in „demselben Ereignis“ stehend (IV/4, 45). Damit drückt Barth aus, dass es in der Erfahrung dieses Ereignisses keine zeitliche Vor- und Nachordnung gibt: Der Mensch wird „in seiner menschlichen Entscheidung […] ein Christ“ (IV/4, 36). Dennoch folgt daraus, dass der Mensch zwar in der Entscheidung ein Christ wird, nicht, dass er durch sie ein Christ wird.⁸⁵ Der Glaube ist daher wesentlich die Tat eines menschlichen Subjekts und Christus wird nicht bereits dadurch zum Subjekt dieser Tat, dass er sie begründet und ermöglicht, denn der Mensch antwortet selbst auf Christus (vgl. auch IV/4, 214).⁸⁶ Als freie Antwort ist sie aber eine Form der Exzentrizität, da sie als menschliches Tun ihre Mitte in Christus und der göttlichen Gnadentat hat.

5.4.1 Der nicht-eschatologische Status des Glaubens als Tat Die Bestimmung des Glaubens als Tat des Menschen lässt Barth den Glauben den „vorletzten, aber nicht […] letzten Dingen“ zuordnen (IV/1, 857). Als ‚vorletztes‘ Ding ist der Glaube von der eschatologischen Vollendung der letzten Dinge zu

 Vgl. E. Jüngel, Karl Barths Lehre von der Taufe. Ein Hinweis auf ihre Probleme, 20.  Das Paradigma für diese doppelte Täterschaft liegt Hunsinger zufolge in der Zwei-NaturenLehre. Vgl. G. Hunsinger, Karl Barth lesen, 197– 241, der dies als „Muster nach Chalcedon“ bezeichnet (ebd., 197).

5.4 Gott und Mensch: Zwei tätige Subjekte in differenzierter Einheit

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unterscheiden: Zwar sei der menschliche Glaube durch die Tat Gottes begründet, aber er sei eben keine eschatologische „Tat Gottes selbst“ (IV/1, 857).⁸⁷ Der Glaube als vorletztes Ding kann somit weder die Vergegenwärtigung und der Nachvollzug des Heilsereignisses sein noch die Wiederholung der Tat Christi. Der Glaube ist nicht Teil von Gottes Heilstat, sondern vielmehr die Antwort seitens des Menschen (vgl. IV/1, 859). Daraus folgt umgekehrt, dass der Mensch im Glauben nicht ‘gotthaft‘ oder mit Christus vereinigt seines irdischen Lebens enthoben wird. Vielmehr bleibt der Mensch auch „im Tun seines Glaubens der sündige Mensch“, auch wenn er seine Sünde im Glauben notwendig als Vergangenes betrachtet (IV/1, 687): „Er wird also, wenn er von dem, was im Glauben geschieht, redet, gerade nicht von einer absoluten Erschütterung, gerade nicht von einer eschatologischen Entscheidung, gerade nicht von der Heilstat Gottes reden.“ (IV/1, 858) Der Glaube als menschliches Ergreifen ist eine menschliche „Tätigkeit in diesem Verhältnis des Christen zu Christus“ (IV/1, 830). Diese Unterscheidung zwischen ‚vorletzten‘ und ‚letzten‘ Dingen lässt sich an Barths Erläuterung nachvollziehen, worin die Heiligkeit der Wassertaufe liegt, wenn sie selbst kein göttliches Werk darstellt. Barth zufolge ist die Wassertaufe eben nicht wegen eines „ihr angeblich immanenten göttlichen Wirken[s]“ heilig (IV/4, 111); weder gewinne sie ihre Bedeutung durch ein verstecktes Gotteswerk noch dürfe das menschliche Wirken als Vollbringung des Gotteswerkes verstanden werden (vgl. IV/4, 112).⁸⁸ Da die Erneuerung des Menschen schon in Jesus Christus geschehen ist, brauche es kein überflüssiges Duplikat dieser Erneuerung (vgl. IV/4, 140). Von dieser Last befreit kann der Glaube schlicht eine „antwortende, echt und recht menschliche Handlung“ sein (IV/4, 140). Die Unterscheidung zwischen göttlicher und menschlicher Tat im Glauben ermöglicht somit, dass der Glaube als menschliche Tat eine solche irdische Tat ist, die zu den

 Krötke urteilt anhand von IV/1 § 61 entsprechend: „Dadurch scheint der Glaube bei ihm (wenigstens in der Rechtfertigungslehre) zu einem primär anthropologischen, uneschatologischen Phänomen zu werden“ (W. Krötke, Sünde und Nichtiges bei Karl Barth, 81). Auch Thomas weist darauf hin, dass die Gemeinde als Zeugin Gottes eben nicht Gottes Gegenwart auf der Erde darstelle, sodass die Christen vielmehr nur Abbilder und Gleichnisse Gottes seien (vgl. G. Thomas, Missionstheologische Grundentscheidungen in der Kirchlichen Dogmatik Karl Barths, in: ZDTh 29.1, H. 58 (2013), S. 11– 34, 26).  Sie selbst ist daher kein Träger der Gnade und kein göttliches Geheimnis, sondern Antwort auf jene: „Die Taufe antwortet [Herv. J. S.] auf das eine ‚Mysteriumʻ, das eine ‚Sakramentʻ der Geschichte Jesu Christi, seiner Auferstehung, der Ausgießung des Heiligen Geistes: sie selbst ist aber kein Mysterium, kein Sakrament.“ (IV/4, 112).

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5 Glaube als freie Tat des Menschen

übrigen nicht-eschatologischen Vorgängen gehört und vom Sünder ausgeführt wird.⁸⁹

5.4.2 Die existenzielle Beteiligung des Menschen im Tatcharakter des Glaubens Weil der Glaube eine irdische, nicht-eschatologische Tat ist, kommt es wirklich zu einer subjektiven Beteiligung des Menschen als solchem. Barth spricht daher vom Glauben in differenzierter Einheit als einem solchen göttlichen Werk, das den Menschen als Partner einbindet,⁹⁰ sodass es zu dem Ereignis „echten Verkehrs zwischen Gott und Mensch“ kommt (IV/1, 30 f.). Im Folgenden ist diese existenzielle Beteiligung des Gläubigen noch genauer zu konturieren. Schon in III/3 stellt Barth fest, dass der Glaube einerseits Gottes Werk sein müsse, sonst könnte er den Menschen nicht erheben, und zugleich Werk des Menschen sein müsse, sonst wäre der Mensch nur wie ein passiver Zuschauer (vgl. III/3, 284). Dieser Gedanke wird von Barth in IV/4 weiter entfaltet, wenn er betont, dass die „Allwirksamkeit“ Gottes nicht in eine „Alleinwirksamkeit“ uminterpretiert werden dürfe (IV/4, 25).⁹¹ Für den Menschen heißt es, dass ihm die Geisttaufe zwar „ganz von Gott her widerfährt […] – aber als seine Befreiung.“

 Michael Beintker arbeitet in einem Aufsatz über die menschlichen Grenzen in der Theologie Barths vornehmlich anhand dessen Schriften aus den zwanziger Jahren heraus, wie Barth den „Ethos der Selbstbegrenzung“ von Kant übernahm (M. Beintker, Grenzbewußtsein. Eine Erinnerung an Karl Barths Kant-Deutung. Ehrenpromotion Bruce Lindley McCormack, in: ZDTh 22, Sonderausgabe (2006), S. 19 – 30, 22). Auch wenn Beintker hierbei auf die Grenzen der Gotteserkenntnis im Kontext von Kants Vernunftkritik zielt, so kann doch angenommen werden, dass auch die Begrenzung des menschlichen Glaubens als einer menschlichen, nicht-eschatologischen Tat ein Erbe dieser ‚Selbstbegrenzung‘ ist.  In Bezug auf I/2, 226, wo Barth verneint, dass das Verhältnis von Gott und Mensch ein solches wäre, „in welchem der Mensch nun doch so etwas wie der Partner und Werkgenosse Gottes wäre“, ist hierbei klar, dass die Partnerschaft nur in einer asymmetrischen Beziehung verstanden werden darf. Aber gerade auf der Grundlage der Erwählung des Menschen durch Gott zum Partner, kann Barth dann ausführen, dass der Mensch nicht „überr[a]nnt“, sondern „auf seine eigenen Füße gestellt“ werde (IV/3, 1081 f.). Vgl. hierzu W. Krötke, Gott und Mensch als ‚Partner‘, 111.  „[A]uf ihn selbst in Person (in den Grenzen, aber auch in einem neuen Gebrauch der ihm in seinen Grenzen eigenen menschlichen Möglichkeiten), auf sein Herz und Gewissen, aber auch auf seine Hände und Füße – ganz nüchtern: auf seinen, von ihm als Mensch menschlich zu leistenden Gehorsam war es doch in der Geschichte Jesu Christi, in deren Offenbarung und ist es doch in dem ihm widerfahrenden Werk des Heiligen Geistes abgesehen.“ (IV/4, 46).

5.4 Gott und Mensch: Zwei tätige Subjekte in differenzierter Einheit

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(IV/4, 25)⁹² Im Blick auf die Frage nach dem Subjekt des Glaubens muss daher festgehalten werden, dass die existenzielle, akteursmäßige Beteiligung des Menschen als Subjekt seiner persönlichen Lebensführung für Barth unhintergehbar ist. Zwar nimmt der Gläubige, insofern er Gott gehorsam ist, an dessen Freiheit teil, doch ist dieser Gottesgehorsam sein eigenes Tun, das er selbst verantwortet: „Und so gewiß dieser in Gottes Initiative seinen Ursprung hat, so gewiß wird der Mensch in ihm nicht ignoriert und übergangen, sondern als eigenständiges Geschöpf Gottes ernst genommen – nicht überrannt und überwältigt, sondern auf seine Füße gestellt – nicht entmündigt, sondern mündig gesprochen und auch als mündig behandelt. Es löscht also die Geschichte Jesu Christi des Menschen Lebensgeschichte nicht aus, sondern von jener her wird diese seine neue – aber seine eigene neue Lebensgeschichte.“ (IV/4, 25)

In der Berufung zum Glauben tritt Jesus Christus daher nicht als ‚himmlischer Doppelgänger‘ an die Stelle des Menschen, sondern fungiert als Grund und Ziel der eigenständigen menschlichen Umkehr. Die Verwechslung von Mensch und Christus als Subjekte des Glaubens wird durch die Struktur analoger Entsprechung und Antwort ausgeschlossen. Dementsprechend weist Barth auch entschieden die Konzeption eines „Christomonismus“ zurück: „Es wird also die Treue gegen Gott, zu der er aufgerufen wird, nicht nur so etwas wie eine Emanation der Treue Gottes, sondern wirklich seine eigene Treue, seine Entscheidung und Tat sein. Er täte sie nicht, wenn er nicht dazu befreit würde. Indem er aber dazu befreit wird, tut er sie als seine eigene Tat: als seine Antwort auf das in der Geschichte Jesu Christi zu ihm gesprochene Wort Gottes. Wie es in dieser Sache keinen ‚Subjektivismus von unten‘ geben darf, so auch keinen ‚Subjektivismus von oben‘ – wie keinen Anthropomonismus, so tatsächlich auch keinen Christomonismus.“ (IV/4, 25)

Im Gegensatz zu einem Christomonismus wird der Mensch somit als Subjekt in seiner Selbstbestimmung gefordert, der göttlichen Begründung seiner neuen Existenz zu folgen. Sein subjektiv freier und freudiger Entschluss sei dafür nötig (vgl. IV/4, 46). Der Mensch soll damit wirklich selbst und in seiner Subjekthaftigkeit freier Bundespartner Gottes sein.⁹³ Somit ist die Exzentrizität des Gläubigen gerade in seiner eigenen Tätigkeit zu beschreiben.

 Jüngel interpretiert hier zu Recht, dass gerade die Unterscheidung zwischen Gottes Tat und menschlicher Tat es ermögliche, dass es zu einer Beziehung und Entsprechung zwischen Gott und Mensch kommt. Vgl. E. Jüngel, Karl Barths Lehre von der Taufe. Ein Hinweis auf ihre Probleme, 15 – 17.  Einen sachlich diesem entsprechenden Gedanken hat Barth auch schon bezüglich der Gotteserkenntnis in KD II/1 entfaltet. Dort weist er darauf hin, dass es erstens „nur in Gott“ zur Er-

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5 Glaube als freie Tat des Menschen

Diese Beschreibung der eigenen Tätigkeit des Menschen im Glauben, wie sie sich exemplarisch in der Wassertaufe äußert, fasst Jüngel treffend als eine „‚Entmythologisierung‘ der christlichen Taufe“ auf, da die menschliche Tat des Glaubens „existential interpretiert“ werde.⁹⁴ Zwar betont Jüngel, dass Barth den Begriff der existentialen Interpretation bewusst nicht gebrauche, weil er ihn als terminus technicus eines Programms verstehe, das auf der potentia oboedientialis fuße,⁹⁵ gleichwohl entwickle Barth der Sache nach eine eigene Form der existentialen Interpretation. Damit bezeichnet er die „Interpretation der Geschichte Jesu Christi als einer die christliche Existenz begründenden Geschichte und insofern dann Interpretation der christlichen Existenz im Horizont der sie begründenden Geschichte Jesu Christi.“⁹⁶ Ebenso hebt Krötke diesen Aspekt der Tätigkeit des Gläubigen in seiner Barthinterpretation hervor, denn eine zu passive Bestimmung des Gläubigen würde die Gefahr bergen, „daß der Glaube dann gewissermaßen nur im Menschen wirkt und gar nicht sein eigener Vollzug ist.“⁹⁷ Barth interpretiert den Glauben jedoch in reformierter Tradition als die vom Geist ermöglichte eigene Tat des Menschen, die die in Christus vollzogene Veränderung bejaht.⁹⁸ Durch diese Hervorhebung der eigenen Tat des Menschen in der differenzierten Einheit gelingt es Barth, dass der Glaube nicht auf ein fremdgewirktes Geschehen im Menschen reduziert wird, sondern als menschlich-tätiges Antworten und Entsprechen charakterisiert werden kann. Dabei ist unzweifelhaft, dass der Glaube nicht nur eine menschliche Entscheidung ist, sondern allein in dem gründet, was Barth in IV/4 die Geisttaufe nennt, also Christi und des Geistes Werk pro nobis und in nobis. Doch so wie Christus sich in der Kirche darstellt, so stellt der Mensch selbst Christus dar als analogatum zum analogans,⁹⁹ indem er selbst in der Taufe tätig seine Entscheidung zum Glauben bezeugt, was nicht im göttlichen Ermöglichen desselben in der Geisttaufe aufgeht.

kenntnis Gottes kommt und zweitens ist es „nur als der Versuch anschaulich-begrifflichen Erkennens […] unser Erkennen.“ (II/1, 226).  E. Jünger, Karl Barths Lehre von der Taufe. Ein Hinweis auf ihre Probleme, 23 f.  Vgl. ebd., 37. bes. Anm. 47. Barth leiste nach Jüngel vielleicht die erste existentiale Interpretation des Glaubens, die nicht auf der menschlichen Möglichkeit zur Glaubensempfängnis (potentia oboedientialis) aufbaut, sondern ontologisch in der Christologie fußt (siehe ebd., 38).  Ebd., 37, Anm. 47.  W. Krötke, Art. „Glaube und Werke“, in: RGG4 (2000), Sp. 983 – 985, 984. Dabei begründe die Öffnung des Menschen durch Gott so die subjektiven Akte des Menschen, dass die menschliche Aktivität keine Selbstrechtfertigung sei, sondern nur die Beteiligung des Menschen sichere (vgl. ebd.).  Zum Bezug zur reformierten Tradition s.o. Kap. 5, Anm. 1.  Vgl. E. Jüngel, Karl Barths Lehre von der Taufe. Ein Hinweis auf ihre Probleme, 37.

5.5 Systematische Auswertung: Barths theologischer Kompatibilismus

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5.5 Systematische Auswertung: Barths theologischer Kompatibilismus Die Untersuchung von Barths zugrunde liegendem Freiheitsverständnis förderte zutage, dass menschliche Freiheit bei Barth weder die Freiheit von jeglicher Bedingtheit, absolute Spontaneität noch vollumfängliche Wahlfreiheit bedeutet, sondern nur in der durch Christus vermittelten Teilhabe an Gottes Berufung als relationale Freiheit möglich ist (s.o. 5.1). Die Art dieser befreienden Bindung an Gott wurde als Gehorsam gegenüber Gott beschrieben und es wurde gefolgert, dass allein Jesus Christus ein freier Mensch war, da er allein im Gehorsam zu Gott lebte (s.o. 5.2). Alle übrigen Menschen werden im Glauben nur dadurch frei, weil sie an der Freiheit des wahren Menschen Christus teilhaben. So konnte gezeigt werden, dass der Glaube bei Barth schon per definitionem ein ‚freies‘ Geschehen sein muss. Für den Sünder ist der Glaube an Gott aber keine Möglichkeit, wie in Übereinstimmung mit Luthers Begriff des servum arbitrium auch für Barth gezeigt werden konnte (s.o. 5.3.1). Mit dieser Freiheitskonzeption unterscheidet sich Barth von zwei geläufigen Freiheitsmodellen des Kompatibilismus und Libertarismus. Der Libertarismus versteht unter Freiheit die Möglichkeit, anders handeln und wollen zu können. ¹⁰⁰ Ist die reale Möglichkeit zwischen Alternativen zu wählen nicht gegeben, kann diesem Modell zufolge weder von Freiheit noch von Verantwortlichkeit und Schuld gesprochen werden. Der Kompatibilismus hingegen vertritt die Kompatibilität von Freiheit und der Abwesenheit der realen Möglichkeit, auch anders wollen zu können, z. B. indem Freiheit als Handlung in Übereinstimmung mit den eigenen Wünschen definiert wird.¹⁰¹ Damit eine Tat frei und zurechenbar ist, muss sie nur den Wünschen des Handelnden entsprechen und kann dabei durchaus ohne reale Alternative sein. Barth stimmt mit dieser kompatibilistischen Definition bezüglich der Frage nach Verantwortlichkeit und Schuld überein: Verantwortlich ist der Mensch, weil er von Gott zur gehorsamen Antwort aufgefordert ist, auch wenn er als Sünder unweigerlich wieder sündigen wird und somit nur formal eine Möglichkeit zur

 Diesen libertarischen Freiheitsbegriff vertreten zum Beispiel van Inwagen und Chisholm: vgl. P. van Inwagen, An Essay on Free Will, Oxford, New York 1983; R. M. Chisholm, Human Freedom and the Self, Lawrence 1964.  Diesen Kompatibilismus vertreten zum Beispiel Moore, Frankfurt, Bieri und Hermanni. Siehe dazu: G. E. Moore, Ethics, London 1912, 170 – 195; H. Frankfurt, Alternate Possibilities and Moral Responsibility, in: JPh 66 (1969), S. 829 – 839; P. Bieri, Das Handwerk der Freiheit. Über die Entdeckung des eigenen Willens, Frankfurt am Main 2005; F. Hermanni, Metaphysik.

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5 Glaube als freie Tat des Menschen

alternativen Handlung hat.¹⁰² Im Gegensatz zum angeführten Kompatibilismus ist der Mensch nach Barth aber noch nicht allein dadurch frei, dass er in Übereinstimmung mit seinen Wünschen handelt. Denn frei ist für Barth nur das gottgemäße Handeln und Freiheit ist damit wesentlich theologisch qualifiziert: es ist nur derjenige frei, der als Bundespartner Gottes, d. h. in Übereinstimmung mit seiner ontologischen Wesensbestimmung zum Bundespartner, gottgehorsam handelt. Der Sünder hingegen, der in Übereinstimmung mit seiner Sünde aber im Widerspruch zu seiner Bestimmung sündigt, ist in seinem Handeln unfrei. ¹⁰³ Trotz dieser theologischen Qualifikationen Barths lässt sich seine Freiheitskonzeption formal als theologisch-relationaler Kompatibilismus am besten beschreiben: Der Mensch handelt innerhalb des von Gott gesetzten Rahmens wesensgemäß und insofern frei und verantwortlich, ohne dass er dabei etwas bewirken kann, das außerhalb des göttlichen Planes läge. Er partizipiert dabei an der theologisch qualifizierten Freiheit Christi.¹⁰⁴ Eine weitere begriffliche Ressource Barths, diesen theologisch-relationalen Kompatibilismus zu plausibilisieren, wurde in Barths Begriff des Gehorsams ausgemacht (s.o. 5.1.2). Die Tat des Glaubens ist als Gehorsam frei, insofern sie sich selbst unter das Gesetz des göttlichen Versöhnungswillens stellt; diese Selbstunterwerfung unter das Gesetz wurde – nicht ohne Einschränkungen – mit Kants Begriff der Autonomie als Selbstgesetzge-

 Couenhoven hat jüngst Barth ebenfalls dem Kompatibilismus zugerechnet (vgl. J. Couenhoven, Karl Barth‘s Conception(s) of Human and Divine Freedom(s), in: Commanding Grace, hg. v. D. L. Migliore, Grand Rapids, MI 2010, S. 239 – 255). Auch McCormack analysierte im Zusammenhang mit der Erwählungslehre Barths, „that divine sovereignty and human freedom are compatible realities“ und verallgemeinert dies weiter: „[t]he demonstration of the truth of ‚compatibilismʻ is strictly theological.“ (B. L. McCormack, Grace and Being. The Role of God’s Gracious Election in Karl Barth’s Theological Ontology, 197).  Dem entspricht auch, dass sich Barth selbst jenseits seiner zeitgenössischen Debatte über Determinismus und Indeterminismus verortet (vgl. IV/2, 559). Hedinger schließt sich in seinem Urteil über Barths Freiheitsverständnis an diese Selbsteinschätzung Barths an (vgl. U. Hedinger, Der Freiheitsbegriff in der kirchlichen Dogmatik Karl Barths, 17– 21).  Inwiefern dieser Kompatibilismus auch auf die wesensgemäße Wahl innerhalb der Sünde zutrifft, bei der der Mensch zwischen verschiedenen sündigen Alternativen wählt, sprengt den Rahmen dieser Untersuchung: Jenseits dieser theologischen Freiheitsfragen, um die es hier ging, kann eventuell eine Wahlfreiheitsvorstellung bei Barth darin ausgemacht werden, dass er in IV/3, 162– 170 die Welt in relativer Freiheit beschreibt (vgl. auch: U. Hedinger, Der Freiheitsbegriff in der kirchlichen Dogmatik Karl Barths, 116 – 118). Siehe auch Balthasar, der von einer immanenten Freiheit des Menschen bei Barth spricht (H. U. von Balthasar, Karl Barth, 250); allerdings ist diese relative Freiheit nur innerhalb der göttlichen Regierung der Welt möglich und insofern der göttlichen Autonomie und Herrschaft untergeordnet. Auch diese Form der Wahlfreiheit lässt sich somit wahrscheinlich dem Kompatibilismus zuordnen.

5.5 Systematische Auswertung: Barths theologischer Kompatibilismus

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bung parallelisiert und später als Form der ‚Ek-zentrizität‘ menschlicher Freiheit ausgewiesen (s.o. 5.2.2). Der Glaube ist in diesem Freiheitskonzept Barths insofern eine menschliche Tätigkeit und Entscheidung, als der Mensch selbst tätig ist und sich entscheidet. Jedoch bewirkt allein Jesus Christus den Glauben, der im Geist den Menschen zum Glauben beruft (s.o. 5.3.2). Die göttliche Tat der Berufung und die menschliche Tat der Entscheidung verhalten sich dabei auf zwei unterschiedlichen Ebenen zueinander: Auf der Begründungsebene ist die göttliche Tat vorgeordnet, auf der Vollzugsebene hingegen ist das Verhältnis zwischen Gott und Mensch laut Barth ein Zugleich. Dieses ‚Zugleich‘ von Gott und Mensch auf der Vollzugsebene des Glaubens kann anhand von Barths Appropriation der Lehre vom concursus divinus sowie seiner Analogiebildung zwischen den Gläubigen und Christus expliziert werden. Auf der Grundlage dieses ‚Zugleich‘ vollzieht sich im göttlichen Berufen die menschliche Entsprechung durch eine freie Entscheidung. Das kompatibilistisch verstandene Ineinander göttlicher und menschlicher Tat wurde schließlich mit Barth als ‚in sich differenzierte Einheit‘ gedacht, um das Subjekt des Glaubens gemäß der Begründungs- und Vollzugsebene zu spezifizieren (s.o. 5.4). Barths Idee einer ‚in sich differenzierten Einheit‘ entpuppte sich als Gestalt von Exzentrizität: der Mensch kommt erst in der Entsprechung zu Gott zu sich selbst und damit zur Freiheit des Gehorsams, vollzieht diese Entsprechung aber als seine freie und spontante Entscheidung und nicht als passives Widerfahrnis oder aus verborgener Identität mit dem göttlichen Berufungsakt. Die menschliche Seite der Entscheidung wurde näherhin als eine nicht-eschatologische, weltliche und existenziell mitvollzogene Handlung charakterisiert, die demnach einen dezidiert und unhintergehbar menschlichen Vollzug darstellt (s.o. 5.4.1– 5.4.2). Aus diesem Grund wurde auch der Verdacht eines ‚Christomonismus‘ Barths abgewiesen. Die Bestimmung des Glaubens als ‚frei‘ gründete in der Teilnahme an der göttlichen Freiheit, insofern der Mensch durch den Gehorsam der freien, göttlichen Wahl analog wird. Freiheit ist somit bei Barth wesentlich ‚ek-zentrisch‘ als Partizipation an Jesus Christus zu verstehen. Die Ermöglichung des Glaubens liegt in Übereinstimmung mit den Ergebnissen von Kap. 3 gänzlich in Gott. Andererseits wird der Glaube darin des Menschen eigener, freier Glaube, dass er selbst sich für den Gehorsam gegenüber Gott entscheidet. Zur göttlichen Begründung gehört – das wurde oben am Beispiel von Wassertaufe und Geisttaufe gezeigt (s.o. 5.4) – ebenso zentral die menschliche Tat. So ist der Glaube als Glaube eines Menschen dessen eigene Tat, die er in seinen eigenen Grenzen vollzieht. Dem Glauben eignet daher kein isolierbares Moment reiner Rezeptivität, sondern er ist immer zugleich eine spontane Tat des Gläubigen. Daher wurde der menschliche

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5 Glaube als freie Tat des Menschen

Glaube als ein ‚vorletzter‘, sündiger Glaube bestimmt, dessen Status in dieser Arbeit unter dem Begriff des menschlichen Deutens gefasst wird.

Teil II: Der geschichtliche Vollzug des Glaubens

6 Die geschichtliche Realisierung des Bundes im Glauben Der menschliche Glaube wurde bisher in der Spannung zwischen Gott als dem den Glauben begründenden Gegenstand und dem menschlich-tätigen Antwortakt beschrieben. Diese Spannung zeigte sich im vorausgehenden Teil I darin, dass einerseits Christus der wahre Gläubige ist, der stellvertretend für die Menschen der wahre Mensch ist, und in dem bereits für alle Menschen der Bund zwischen Gott und Mensch de iure verwirklicht ist. Andererseits muss der Glaube als die menschliche Bejahung des Bundes, mit der an dem wahren Menschsein Christi teilgenommen wird, noch im Leben des Gläubigen realisiert werden und in seinen Taten de facto Gestalt gewinnen. Denn Glaube bedeutet, dass „die von Gott zwischen sich und seinem Volk auf Erden begründete besondere Beziehung und Verbindung auf der menschlichen Seite zu ihrem Ziele kommt.“ (III/3, 280) Die Aufgabe für den vorliegenden zweiten Hauptteil dieser Arbeit ist es, das ereignishafte Glaubensverständnis Barths, dem zufolge ein Mensch antwortend auf das Ereignis der göttlichen Berufung glaubt, innerhalb der Lebensgeschichte des Gläubigen zu konturieren. Der Problemhintergrund zum geschichtlichen Vollzug des Glaubens liegt dabei in der Spannung zwischen Geschichtlichkeit und Aktualismus.¹ In diesem Kapitel soll herausgearbeitet werden, inwiefern dem menschlichen Glauben für Barth eine geschichtliche Dimension zukommen muss, indem er ein Moment der göttlichen Offenbarungs- und Versöhnungstat darstellt. Dafür soll zunächst der Begriff der ‚Geschichtlichkeit‘ und seine Bedeutung im Kontext von Barths KD umrissen werden (6.1). Die konstitutive Geschichtlichkeit des Glaubens wird in drei Schritten herausgearbeitet. Erstens wird gezeigt, dass Barths Christologie auf die geschichtliche Realisierung des Glaubens angelegt ist (6.2). Zweitens wird die Funktion des Glaubens für das göttliche Offenbarungshandeln als geschichtliches Zeugnis und vorläufige Darstellung Gottes rekonstruiert und als Teil des göttlichen Versöhnungswerks ausgewiesen (6.3). Schließlich wird drittens die Rolle der Geschichtlichkeit in der Form des Glaubensvollzugs erörtert (6.4). Hier stehen zwei Anfragen an Barth im Fokus: ob und wie der Glaube bei Barth zur Rechtfertigung dazugehört (6.4.1) und ob Barth den Glaubensvollzug nicht auf ein eindimensionales, rein kognitives Erkennen verengt (6.4.2– 6.4.3).

 Hierbei ist eine Entwicklung vom Aktualismus hin zur geschichtlichen Entsprechung in den Aussagen Barths festzustellen (s.o. Kap. 2.1). Jedoch bleibt eine gewisse Spannung zwischen den Zweien bestehen. https://doi.org/10.1515/9783110574876-007

230

6 Die geschichtliche Realisierung des Bundes im Glauben

Damit erhebt Kap. 6 insgesamt den Anspruch zu zeigen, dass und wie der menschlich-geschichtliche Glaube de facto in Barths dogmatischer Konzeption bedeutsam ist und dass und wie er in der menschlichen cognitio eine geschichtliche Gestalt hat. Diese geschichtliche Gestalt des Glaubens ist dann in Kap. 7 in ihrer Ambivalenz des simul iustus et peccator näher zu bestimmen, wodurch ein lineares Verständnis der Glaubensgeschichte ausgeschlossen wird.

6.1 Geschichtlichkeit bei Barth – eine Begriffsklärung Im Folgenden soll Barths Begriff der Geschichtlichkeit entfaltet werden, insoweit er für Barths Konzeption des menschlichen Glaubens relevant ist.² Barths Geschichtlichkeitsbegriff in der KD wird zunächst gegenüber den Geschichtlichkeitskonzeptionen innerhalb der dialektischen Theologie konturiert (6.1.1). Dabei soll gezeigt werden, dass Barth der Dialektischen Theologie einerseits verpflichtet bleibt, indem er die Geschichte nicht mit der göttlichen Offenbarung gleichsetzt und sie voneinander abgrenzt, andererseits aber die Geschichtlichkeit Gottes in der KD nicht einfach leugnet, sondern die Geschichte als Prädikat der Offenbarung versteht und sie als Ort des göttlichen Handelns bestimmt. Zweitens werden KD-immanent zwei unterschiedliche Geschichtsbegriffe identifiziert (6.1.2): der geläufige Sinn des menschlichen Lebens in Raum und Zeit und der spezifisch theologischer Sinn der ‚wirklichen‘ Geschichte.

 Zur allgemeinen Thematik bei Barth siehe: D. Noordveld, Der Mensch in seiner Zeit. Karl Barth und die Menschlichkeit als Zeitlichkeit, Neukirchen-Vluyn 2014, der einen knappen aktuellen Literaturüberblick bietet; T. Freyer, Zeit – Kontinuität und Unterbrechung. Studien zu Karl Barth, Wolfhart Pannenberg und Karl Rahner, Würzburg 1993, 126 – 181, der eine zusammenfassende Untersuchung dessen, was Barth in der KD unter Zeit versteht, bietet; G. Oblau, Gotteszeit und Menschenzeit, bes. 12– 33 arbeitet Barths christologisches Zeitverständnis in der KD heraus; K. Hafstad, Wort und Geschichte. Das Geschichtsverständnis Karl Barths, München 1985 legt eine umfangreiche Untersuchung zu Barths Geschichtsverständnis in der KD vor, die allerdings so weit in Barths Theologie ausgreift, dass der Fokus auf Barths Geschichtsverständnis oder ein darauf fokussiertes Problemverständnis teils verloren zu gehen scheint; I. Dalferth, Der Mensch in seiner Zeit, in: ZDTh 16.2 (2000), S. 152– 180, bes. 154 f. erörtert die Zeit als Vollzugsform menschlichen Lebens bei Barth.

6.1 Geschichtlichkeit bei Barth – eine Begriffsklärung

231

6.1.1 Kontext: Geschichte und Offenbarung als Thema der Dialektischen Theologie Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts lassen sich vornehmlich zwei Ansätze zur Geschichtlichkeit in der deutschsprachigen Theologie ausmachen:³ Erstens der Historismus im Anschluss an Ernst Troeltsch und zweitens die Entgegensetzung von Geschichte und Historie, wie sie unter anderem Martin Kähler und Wilhelm Herrmann vornehmen. Die Vertreter der Dialektischen Theologie schließen auf ihre Weise an die zweite Strömung an. Sie eint die Opposition gegen den „Historismus“ und die „Geschichtsphilosophie seiner Theologen“, die wesentlich vom deutschen Idealismus beeinflust sind.⁴ Statt die christliche Religion in einer allgemeinen Religionsgeschichte einzuordnen, dachte die Dialektische Theologie die göttliche Offenbarung im Gegenüber zu Religion und Religionsgeschichte.⁵ Auch hier war die Abgrenzung gegen die idealistische Vorstellung eines sich in der Geschichte stufenweise entwickelnden absoluten Geistes leitend. So wandte sich zum Beispiel Gogarten in seinem Aufsatz Historismus (1924) gegen Troeltsch und kritisierte die Vorstellung einer historisch vermittelten Partizipation des individuellen menschlichen Geistes am unendlichen Geist Gottes.⁶ Der Gedanke einer

 Vgl. W. Pannenberg, Heilsgeschehen und Geschichte, in: W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, S. 22– 78, 60. Pannenberg zufolge enwickelt die Dialektische Theologie gegenüber Kähler und Herrmann nichts wesentlich Neues, da auch sie Gottes Geschichte jenseits der Historie verorteten. Auch Barth berufe sich nur auf den Glauben und könne keinen nachprüfbaren Grund für den Glauben geben (W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, Frankfurt am Main 1973, 274). Vgl. zu diesem Verhältnis von Pannenberg und Barth auch K. Hafstad, Wort und Geschichte, 30 – 32. Für eine ausführlichere Konturierung Barths siehe Wüthrichs Abgrenzung von Barths Geschichtsbegriff gegenüber dem der Historie, einem existenziellen Geschichtsverständnis, dem traditionellen Begriff der Heilsgeschichte und einem statischen Geschichtsverständnis: M. D. Wüthrich, Gott und das Nichtige, 280. Für ein ähnliches Vorhaben mit Bezug auf Barths Zeitverständnis, siehe G. Oblau, Gotteszeit und Menschenzeit, 33. 51. 73. 96. 119.  E. Thurneysen, Abschied, in: ZZ 11, H. 6 (1933), S. 544– 551, 545. Hierbei scheint die Kritik der von Hegel maßgeblich formulierten idealistischen Geschichtsteleologie im Fokus zu stehen sowie die Kritik der verwandten Hegelschen Auffassung, dass die immanente Weltgeschichte die Selbstdarstellung des absoluten Geistes sei.  Vgl. W. Pannenberg, Art. „Geschichte X. Systematisch-theologisch“, in: TRE 12 (1984), S. 658 – 674, 664– 666. Flückiger analysiert, dass die dialektische Theologie gerade aufgrund ihrer Kritik am Zeit-, Geschichts- und Fortschrittsbewusstsein zu ihrer Bezeichnung als ‚Theologie der Krisis‘ kam (vgl. F. Flückiger, Das Verständnis der Geschichte in der Dialektischen Theologie, in: Glaube und Geschichte, hg. v. H. Stadelmann, Gießen 1986, S. 285 – 318, 290 f.).  Vgl. F. Gogarten, Historismus, in: ZZ 2, H. 8 (1924), S. 7– 25, bes. 21– 23.

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6 Die geschichtliche Realisierung des Bundes im Glauben

solchen Partizipation kommt nach Gogarten nicht umhin, sich am Geist der gegenwärtigen Zeit und Kultur zu orientieren. Gegen die vorschnelle Identifikation von Gott und Geschichte betonte Gogarten, dass erst im Gegenüber Gottes zur Welt und der realen Begegnung der beiden die eigentliche Frage nach der Geschichte liege.⁷ Diese dialektisch-theologische Stoßrichtung lässt sich für den frühen Barth an seinem Vortrag Der Christ in der Gesellschaft (1919) nachzeichnen, in dem er sich gegen die Identifikation christlicher Projekte mit der Sache Gottes wendet:⁸ Das Verhältnis von Gott und Welt könne nach dem Ersten Weltkrieg nur noch in Verneinungen beschrieben werden. Als Gegenmodell zur Parallelisierung beider wählt Barth das Bild von Gott als einer senkrechten Linie im Verhältnis zur ‚Horizontalen‘ der menschlichen Geschichte. In Unerledigte Anfragen an die heutige Theologie (1920) nimmt Barth Overbecks polemische These auf, dass gerade die Kirchengeschichte eine göttliche Lenkung der Geschichte bezweifeln lasse,⁹ und verpflichtet sich auf ein säkularisiertes Geschichtsverständnis, das den Weltlauf allein unter den natürlichen, sündigen Voraussetzungen menschlichen Seins zu beschreiben vermag. Im zweiten Römerbrief-Kommentar (1922) finden sich die Kulminationspunkte der Barthschen Polemik gegen die Verquickung von göttlicher und menschlicher Geschichte, wenn Barth „das Gericht Gottes“ als das „Ende der Geschichte“ bezeichnet oder sagt, dass es im göttlichen Ja nicht zu „einer neuen zweiten Geschichte“ komme, da sie im Nein „erledigt [ist], sie wird nicht fortgesetzt“.¹⁰ Doch schon im zweiten Römerbrief-Kommentar kann Barth das Verhältnis von Offenbarung und Geschichte auch positiv fassen, wenn er von einem „ewige[n] Sinn“ der Geschichte spricht.¹¹ Dieser Gedanke wird in der Christlichen Dogmatik im Entwurf (1927) ausgebaut, wenn Barth das Eingehen des göttlichen Logos in die

 Vgl. ebd., 25. Eine Darstellung von Gogartens Verständnis von Offenbarung und Geschichte unter Berücksichtigung der Abgrenzung von Barth findet sich bei W. Kreck, Grundentscheidungen in Karl Barths Dogmatik, 47– 52.  Vgl. K. Barth, Der Christ in der Gesellschaft (1919), 592 f. Freyer hat herausgearbeitet, dass Barth den Intentionen Hermanns folgte, indem er die Geschichte von Historie abgrenzte und die Unmittelbarkeit der göttlichen Wirklichkeit in der Kultur gegen ihre Ableitbarkeit befestigte (vgl. T. Freyer, Zeit – Kontinuität und Unterbrechung, 93). Dagegen noch K. Barth, Der christliche Glaube und die Geschichte (1910), wozu sich eine Analyse bei T. Freyer, Zeit – Kontinuität und Unterbrechung, 75 – 94 findet.  K. Barth, Unerledigte Anfragen an die heutige Theologie. 1920, in: K. Barth, Vorträge und kleinere Arbeiten 1914– 1921, S. 634– 661, 642– 644.  K. Barth, Der Römerbrief, 111.  Ebd., 125

6.1 Geschichtlichkeit bei Barth – eine Begriffsklärung

233

Zeit als Fleischwerdung des Wortes beschreibt.¹² Eine direkte Identifikation von Offenbarung und Geschichte wird jedoch eindeutig ausgeschlossen.¹³ Damit nimmt Barth eine Gegenposition zu Ritschl ein und entwickelt seinen eigenen christologischen Geschichtsbegriff, der Raum- und Zeitkategorien einschließt:¹⁴ Weder sei der Glaube eine besondere Art der Geschichtsbetrachtung oder Geschichtsdeutung und könne nicht aus dieser entwickelt werden.¹⁵ Noch sei der wahre Sinn der Geschichte dem natürlichen Menschen einsichtig, aber der Sinn der Geschichte könne vielmehr von Gottes Offenbarung her erschlossen werden.¹⁶ Somit gibt es zwar einen Sinn der Geschichte, aber der liegt allein bei Gott und ist der Geschichte gerade nicht immanent. Dieses Geschichtsverständnis findet dann in KD I/2 § 14 seine Vollendung, wo Barth die Geschichte als Prädikat der Offenbarung bestimmt: „Offenbarung ist nicht ein Prädikat der Geschichte, sondern Geschichte ist ein Prädikat der Offenbarung.“ (I/2, 64)¹⁷ Demnach muss die Geschichte gleichsam exzentrisch von der Offenbarung her erschlossen werden.¹⁸ Den Fehler, dass die Offenbarung zum Prädikat der Geschichte wird, diagnostiziert Barth zum Beispiel bei Kählers Begriff der „Heilsgeschichte“, bei Althaus’ Begriff der „Übergeschichte“ sowie

 Vgl. K. Barth, Die christliche Dogmatik im Entwurf, 310 – 321.  Für diesen Ausschluss argumentiert Barth unter Zuhilfenahme des Begriffs der „Urgeschichte“ ebd., wie er ihn auch schon im zweiten Römerbrief-Kommentar gebraucht (vgl. K. Barth, Der Römerbrief, 326). Zur Transformation dieses Begriffs siehe T. Freyer, Zeit – Kontinuität und Unterbrechung, 119.  Vgl. K. Barth, Die christliche Dogmatik im Entwurf, 310 – 321. Ausführliche Überlegungen dazu bietet: K. Hafstad, Wort und Geschichte. Grundsätzlich wird Geschichte dabei als Selbstkundgabe Gottes interpretiert (vgl. ebd., 39).  K. Barth, Die christliche Dogmatik im Entwurf, 317.  Vgl. ebd., 310 – 321.  Schon in seiner Christlichen Dogmatik hatte sich Barth gegen die Vorstellung ausgesprochen, dass die Offenbarung ein Prädikat der Geschichte sei (vgl. ebd., 311). Hierbei wendet sich Barth auch gegen seinen Lehrer Herrmann: Die Geschichte des irdischen Jesus sei nicht schon an sich Teil der Offenbarung, sondern erst indem Jesus der Logos ist (vgl. C. v. d. Kooi, Anfängliche Theologie, 207 f.). In den Ausführungen von KD I/2, die Barth bezeichnenderweise 1940 während des zweiten Weltkriegs verfasst, wendet er sich exemplarisch sowohl gegen Augustins als auch Heideggers Zeitverständnis, um damit grundsätzlich ein neuzeitliches Verständnis der Zeit als verfügbar und bestimmbar zu kritisieren (vgl. T. Freyer, Zeit – Kontinuität und Unterbrechung, 129).  Dementsprechend unterscheidet Barth auch wie schon Kähler zwischen ‚historisch‘ und ‚geschichtlich‘: Eine „kritisch-historische Konstruktion oder Rekonstruktion“ (IV/2, 274) der Christuserzählung führe nicht zur Offenbarung, aber vom Standpunkt der biblischen Zeugen aus erschließe sich die Geschichte Gottes in der weltlichen Geschichte (vgl. ebd.). Siehe zum Verhältnis von Geschichte und allgemeiner Historie bei Barth D. Noordveld, Der Mensch in seiner Zeit, 64– 74.

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6 Die geschichtliche Realisierung des Bundes im Glauben

Overbecks und seiner eigenen, früheren Formulierung von „Ur‐Geschichte“ und „qualifizierter Geschichte“ (vgl. I/2, 64). Stattdessen soll die Geschichte als Prädikat nur „nachher erklärend“ zur Rede von der Offenbarung stehen (I/2, 64). Damit weist Barth ganz in dialektischer Tradition jegliche Gottesmächtigkeit des Menschen zurück, indem der Mensch nicht von der Geschichte auf die Offenbarung schließen kann (vgl. I/2, 62– 64). Barth konstatiert, dass man die Offenbarung „nur dann finden kann, wenn man es [das Ereignis Jesus Christus; J. S.] als solches schon gesucht, wenn man also sucht, was man schon gefunden hat.“ (I/2, 63) Von der Offenbarung her sei jedoch ein gewisser retrospektiver Rückschluss auf die Geschichte möglich (vgl. I/2, 63): Von der Offenbarung her gelangt der Gläubige zur Deutung der Geschichte. Und darüber hinaus sei die Offenbarung auf die Geschichte als ihr Prädikat angewiesen, weil sie nur dann wirkliche Offenbarung an uns sein kann, wenn sie „in ‚unserer‘ Zeit stattfand“ (I/2, 54). Der Offenbarungsbegriff, den Barth in KD I entwickelt, wird in KD IV/3 in seiner geschichtlichen Dimension entfaltet. So wie Barth in KD I Gottes Wort in der dreifachen Gestalt von Jesus, der Schrift und der Gemeindeverkündigung beschrieben hat, so wird in KD IV/3 Gottes Wort in der Gestalt der Gemeinde als Leib Christi hic et nunc bestimmt. Der Ort der Offenbarung Gottes ist dabei die Geschichte, denn Gottes Wort gewinne heute in der geschichtlichen Gestalt der Gemeinde Gestalt. Dabei bleibt Barth seiner früheren Position insofern treu, als er eine anderweitige, natürliche Erkenntnis des Wortes Gottes auch in der ‚Lichterlehre‘ von KD IV/3, § 69.2 zurückweist – einzig Christus gilt als das eine Licht, das von anderen Lichtern reflektiert wird.¹⁹ Für die KD gilt somit beides: Die Offenbarung transzendiert die Geschichte einerseits und andererseits entäußert sie sich gleichsam in die Geschichte.²⁰ Diese Ambivalenz deutet auf zwei Bedeutungen von Geschichte bei Barth hin, die in 6.1.2 weiter zu entwickeln sind: Erstens Geschichte als die irdisch-sündige Weltgeschichte, deren Sünde Barth am Kreuz für beendet erachtet und die insofern unter dem Verdikt der Vergänglichkeit steht, und zweitens Geschichte als die Bundesgeschichte Jesu Christi. Diese zweite offenbart sich in der ersten und verändert diese, sodass die sündige Weltgeschichte zugleich das theatrum Dei ist,

 Mit dieser christologischen Zuspitzung stand Barth schon 1933 in der Zeitschrift Zwischen den Zeiten in klarer Opposition zu seinem ehemaligen Mitstreiter Gogarten, der neben der Offenbarung Gottes in Christus auch noch die Erkenntnis Gottes im Gesetz vertrat (vgl. F. Gogarten, Ist Volksgesetz Gottesgesetz? Eine Auseinandersetzung mit meinen Kritikern, Hamburg 1934, 11).  Zum allgemeinen Verhältnis von Offenbarung und Geschichte bei Barth siehe W. Kreck, Grundentscheidungen in Karl Barths Dogmatik, 18 – 26.

6.1 Geschichtlichkeit bei Barth – eine Begriffsklärung

235

in dem schon jetzt die göttliche Geschichte anhebt.²¹ Die Kontinuität zu Barths früherer, dialektisch-theologischer Position liegt darin, dass Gott auch hier das Subjekt der Offenbarung in der Geschichte ist. Gegenüber dem Römerbrief-Kommentar ist in der KD hingegen neu, die Geschichte positiv als Prädikat der Offenbarung zu denken.²²

6.1.2 Geschichtlichkeit im anthropologischen und christologischen Sinn Geschichtlichkeit und Zeitlichkeit sind bei Barth in Hinblick auf den ersten Sinn von Geschichte anthropologische Grundbestimmungen. Zeit und Geschichte können formal als korrelative Begriffe gesehen werden, da sich Geschichte in der Zeit vollzieht.²³ Alles, was der Mensch ist und hat, ist sein zeitliches Leben: „Der Mensch ist in der ihm gegebenen Zeit.“ (III/2, 632).²⁴ Das „Wesen des Menschen“ lässt sich dementsprechend „in der durch ihn bestimmten Geschichte […] sehen und fest[ ]stellen“ (III/2, 64). Diese Geschichte ist des Menschen „kontinuierliche[s] Hindurchgehen durch eine Reihe von Zuständen, Aktionen und Widerfahrnissen, in der Wiederholung und Bestätigung seiner Identität in einer Reihe von aktiven Modifikationen seines Seins.“ (III/2, 65)

Diese Definition Barths enthält einerseits die geläufige Vorstellung der Geschichte als ein Kontinuum von Ereignissen, die das Tun und Leiden in ihnen durchgängig identischer Akteure beinhalten. Andererseits gibt Barth der geläufigen Vorstellung eine aktualistische Zuspitzung, da die durchgängige Identität des Menschen als geschichtlicher Akteur in kontinuierlichen, „aktiven Modifikationen seines Seins“ besteht, d. h. in jeweiligen Akten, welche seine Identität in „Wiederholung und Bestätigung“ begründen und nicht einfach Akzidentien eines an sich festen Substrats sind.²⁵ Dieser aktualistische Akzent findet sich in Barths

 Hafstad beschreibt das „Wesen der Geschichte“ bei Barth entsprechend als „Gottes Ja und Nein“, worin sich Barths dialektische Denkweise spiegele (K. Hafstad, Wort und Geschichte, 44).  Siehe hierzu auch Barths eigene Einschätzung des Wandels gegenüber einem früheren, der Zeit transzendenten Offenbarungsbegriff in I/2, 55 f.  Vgl. G. Oblau, Gotteszeit und Menschenzeit, 23.  Barth führt aus, dass die Zeit ein grundsätzliches Faktum unserer Existenz ist: „Das Alles spricht dafür, daß wir es in der Zeit als unserer Existenzform nicht weniger als in unserer Existenz selbst und als solcher mit einer überlegenen Setzung zu tun haben.“ (III/2, 633).  Härle bezieht den Aktualismus in Barths Verständnis der menschlichen Geschichte, dass Menschen nicht Geschichte haben, sondern Geschichte tätig sind, zurück auf den grundsätzlichen Aktualismus Gottes in Barths Theologie (vgl. W. Härle, Sein und Gnade, 111).

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6 Die geschichtliche Realisierung des Bundes im Glauben

Erläuterung menschlicher Personalität in der Geschichte wieder, so ist der Mensch eine „Reihe von Akten eigener Bewegung, eigenen Vernehmens, eigener Tätigkeit“ (III/2, 524). Die Zeit bietet dem Menschen dabei die Möglichkeit zu einer solchen tätigen Veränderung in seinem Seinsvollzug, bei der er trotzdem mit sich identisch bleibt (vgl. III/2, 524 f.). Barth gründet seine Definition menschlicher Geschichtlichkeit, ebenso wie seine Auffassung des Wesens des Menschen, auf die Christologie (s.o. Kap. 4.1). An Barths Verhältnisbestimmung der zwei Naturen Christi wird deutlich, dass die zwei Naturen keine Status oder Zustände sind (vgl. III/2, 188), sondern zwei sich gegenseitig bestimmende Grundmomente der Geschichte Christi (vgl. IV/2, 116 – 118). Barth trennt somit nicht Christi Sein von seinen geschichtlichen Akten, vielmehr ist Christus die aktuale „Verwirklichung“ der beiden Naturen (IV/1, 126): Jesu Christi Wesen als Gottmensch ist in seiner Geschichte von Erniedrigung und Erhöhung seiner zwei Naturen konstituiert. Das bedeutet, dass Jesu Wesen nicht ohne sein Handeln in seinem Amt verstanden werden kann, wie es traditionell durch die Trennung von persona und officium Christi bedingt war (vgl. III/2, 71).²⁶ So findet Barth das Wesen Jesu strikt in dessen Geschichte. Jesus ist, „was er in der Kontinuität dieser Geschichte ist“ (III/2, 65). Damit wird nicht nur die notwendige Geschichtlichkeit Jesu begründet, sondern es wird durch die spezielle Geschichtlichkeit Jesu Christi auch eine neue, theologisch-qualifizierte Interpretation von Geschichtlichkeit eingeführt: Zwar ist jedes menschliche Leben „zeitlich“ (III/2, 524), aber diese allgemeine Zeitlichkeit wird durch Christus inhaltlich qualifiziert, indem Jesus Christus in der allgemeinen Weltgeschichte den eigentlichen Sinn von Geschichte und Zeit als Geschichte mit Gott offenbart und verwirklicht. Weil die Zeit als notwendige Bestimmung der Schöpfung die äußere Form des Bundes ist, qualifiziert der Bund Gottes in Jesus Christus auch die Zeit.²⁷ Und weil einzig Jesus Christus den Bund mit Gott bejahte, kommt auch ihm allein in diesem zweiten, qualifizierten Sinn Geschichtlichkeit und Zeitlichkeit zu, sodass Barth die Geschichte der Inkarnation als den Inbegriff der Geschichte oder die „Urgeschichte“ (III/2, 188) bezeichnet.²⁸ In ihm „geschieht Geschichte“, denn „hier ist auf beiden Seiten kein Sein, das

 Vgl. H. T. Goebel, Vom freien Wählen Gottes und des Menschen, 329 f. Entsprechend seiner aktualistischen Definition menschlicher Geschichte betont Barth, dass das Wesen Christi nicht als eine hinter der Geschichte liegende Idee zu verstehen sei, sondern vielmehr „nur in dem Geschehen dieses Hervorgangs“ bestehe (III/2, 65). Eine „neutrale Menschlichkeit Jesu“ hinter dem, was er in der Kontinuität seines Handelns in der Geschichte ist, gibt es nicht (vgl. III/2, 66).  Vgl. G. Oblau, Gotteszeit und Menschenzeit, 20.  Zum Wandel der Verwendung von ‚Urgeschichte‘ bei Barth: W. Härle, Sein und Gnade, 110, Anm. 75.

6.1 Geschichtlichkeit bei Barth – eine Begriffsklärung

237

nicht als solches Akt wäre: Akt zum Menschen hin von Gottes Seite, Akt von Gott her und gerade darum auch wieder zurück zu Gott hin auf des Menschen Seite.“ (III/2, 194) Die übrigen Menschen sind begründet in und bezogen auf diese Geschichte des Einen (vgl. III/2, 193). Auch Stock spricht deshalb von einem „doppelten Geschichtsbegriff“ bei Barth, wobei er beide Bedeutungen auf die Bundesgeschichte bezieht und insofern nur den christologischen Sinn von Geschichte näher bestimmt:²⁹ Primär sei Geschichte die Antwort Jesu in Kreuz und Auferstehung, d. h. „diejenige Bewegung und Veränderung, die dieser Mensch, in seiner eigenen Selbstbestimmung sich mit der Selbstbestimmung Gottes einigend, zu Gott hin vollzieht.“³⁰ In einem sekundären Sinn sei Geschichte dann die analoge Bewegung zu Gott hin, an welcher den übrigen Menschen Anteil gegeben wird, und zu deren Teilhabe jeder bestimmt sei.³¹ Die menschliche Geschichte werde somit von Barth christologisch als ein ‚Sein in freier Bewegung zu Gott hin‘ qualifiziert. Für die Gläubingen, die zwischen erster und zweiter Parusie Christi leben, ist die Geschichte demnach die teleologisch bestimmte Zeit bis zur Erfüllung des Bundes.³² In diesem christologischen Sinn qualifiziert Barth Geschichte als eine Bewegung des „Überschrittensein[s] und Überschreiten[s]“, bei dem „der Schöpfer zu ihm, indem es [das Geschöpf] zum Schöpfer hin ist“ (III/2, 190).³³ Damit wird

 K. Stock, Anthropologie der Verheißung, 86. Geschichte ist einerseits die „Wende der Welt“ (III/1, 63), zugleich beschreibt Barth aber auch die sündige Trägheit des Menschen als Geschichte (vgl. ebd.). Den Zusammenhang zwischen der ‚primären‘ Geschichte Jesu und der Geschichtlichkeit als anthropologische Grundbestimmung interpretiert Stock so, dass „die Geschichtlichkeit der Existenz von Anfang an ein pneumatologischer Begriff“ ist (K. Stock, Anthropologie der Verheißung, 87). So bezeichne er „die wirksame göttliche Bestimmung menschlicher Selbstbestimmung zur Teilnahme an Gottes Offenbarung“ (ebd.). Barth beziehe also „die menschliche Antwort in den ontologischen Charakter des Wortes Gottes ein. Gottes Geschichte erschafft menschliche Geschichtlichkeit.“ (ebd.).  Ebd., 84.  Vgl. ebd.  Das Verhältnis der Zeit Christi zu der menschlichen Zeit, die in der Sünde als ‚unwirkliche Zeit‘ charakterisiert wird, untersucht ausführlich: D. Noordveld, Der Mensch in seiner Zeit, 115 – 145. Siehe hierzu auch Oblaus Abgrenzung Barths vom chronistischen Zeitbegriff: G. Oblau, Gotteszeit und Menschenzeit, 51– 73. Eine kritische Untersuchung zu Barths Zeitbegriff findet sich bei R. H. Roberts, Karl Barth’s Doctrine of Time. Its Nature and Implications, in: Karl Barth, hg. v. S. W. Sykes, Oxford 1979, S. 88 – 146. Noordveld untersucht den Zusammenhang der göttlichen „Zeitwerdung“ in der Inkarnation mit der „Menschlichkeit als Zeitlichkeit“ näher: D. Noordveld, Der Mensch in seiner Zeit, 11.  Hafstad benennt Zeit und Raum als die zwei Konstituenten der Geschichte. Die Kategorie des Raumes würde bei Barth durch die Rede vom ‚Gegenüber‘ ersetzt (vgl. K. Hafstad, Wort und Geschichte, 363). Gott als Gegenüber sei der Raum für Geschichte. Das Überschreiten innerhalb

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6 Die geschichtliche Realisierung des Bundes im Glauben

Geschichte als Bewegung und Begegnung charakterisiert und gegenüber einem bloßen „Zustand“ kontrastiert (III/2, 190).³⁴ In dieser inhaltlichen Qualifikation ist die eigentliche Geschichte die „in und mit dem Schöpfungsakt selbst inauguriert[e] Bundes- und Heils- und Offenbarungsgeschichte.“ (III/2, 191) Diese Geschichte geschieht dort, wo einem Menschen „etwas über seine Natur hinaus Anderes, ein Neues widerfährt“ (III/2, 189). Nach Barth hat ein Mensch dann nicht einfach Geschichte, sondern er ist vielmehr ein Element der Geschichte Gottes, die das Wesen des Menschen dadurch verändert, dass er überschritten wird zur wirklichen, eigenen Geschichte mit Gott. Jedem Menschen komme diese christologisch charakterisierte Geschichte des Überschreitens „in einem sekundären, abgeleiteten, mittelbaren Sinn des Begriffs“ (III/2, 193) zu, indem er aufgrund der Christusgeschichte auch in die Bundesgeschichte gestellt ist. Der Mensch ist demnach geschichtlich, weil er in Jesus Christus faktisch durch Gott angesprochen und von außen her überschritten ist. Barths Konzeption der Geschichtlichkeit des Menschen rekurriert somit auf die konstitutive Relationalität, genauer die Exzentrizität des Menschen.³⁵ Denn die Christusgeschichte ist einerseits nicht die Geschichte der übrigen Menschen, andererseits ist gerade sie deren eigentliche Geschichte, in der ihre Bundesbestimmung verwirklicht wird: sie erweist sich laut Barth „als übergreifende, uns Menschen […] einbegreifende Geschichte“, d. h. sie ist „Geschichte, an der wir selbst, ob wir es wissen und wollen oder nicht, beteiligt werden und sind: Geschichte, in der unsere eigene Geschichte geschieht.“ (IV/3, 209)³⁶

der Gottesbegegnung ergebe dann als zeitliche Interaktion die wirkliche Geschichte. Auf den Aspekt der geschichtlichen Bewegung als Begegnung macht auch Noordveld mit Bezug auf Becker aufmerksam (vgl.: D. Noordveld, Der Mensch in seiner Zeit, 122; D. Becker, Karl Barth und Martin Buber – Diener in dialogischer Nachbarschaft?, 175 – 187).  Diese Unterscheidung von bewegter Geschichte und Zustand kritisiert Stock als „leer und hypothetisch“; es gelänge Barth nicht, „die mit ihr bekräftigte Negation einer dem Menschen eigenen Möglichkeit für Gott mit der ja gerade im dialogischen Geschichtsbegriff intendierten These, die Humanität sei die für die Gnade vorbereitete Natur des Menschen, wirklich zu vermittlen.“ (K. Stock, Anthropologie der Verheißung, 85 f.) Gegen Stocks Kritik sprechen die Ausführungen in Kap. 4.4 zu Barths Verständnis der imago Dei als Weise der Vermittlung von ‚Dialogizität‘, negierter ‚menschlicher Möglichkeit‘ und Bundesbestimmung.  Zur Deutung des Geschichtsbegriffs in Hinblick auf die menschliche Subjektivität, wenngleich ohne Ausführungen zur Exzentrizität, siehe ebd., 87 f.  „Inwiefern zeichnet sich die Geschichtlichkeit der Versöhnung im Besonderen in ihrem Charakter als Offenbarung ab? Wir sagen: insofern als sie sich gerade in diesem Charakter als übergreifende, uns Menschen, wer wir auch seien und wie wir uns auch dazu stellen, einbegreifende Geschichte erweist – nicht nur als eine Geschichte (historischer oder mythischer Art), sondern als Geschichte im eminenten Sinn: Geschichte, an der wir selbst, ob wir es wissen und

6.2 Der Zweck der ‚Zwischenzeit‘

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Damit unterscheidet Barth aber zwischen einem allgemeinen Verständnis von Geschichtlichkeit als eines bloßen ‚Hindurchgehens‘ durch wechselnde Zustände und einem theologisch qualifizierten Verständnis von Geschichte als Bewegung und Überschreiten von Gott her und zu ihm hin. Für den Glauben bedeutet diese zweifache Klassifizierung von Geschichte erstens, dass sich der Glaube innerhalb der allgemeinen Weltgeschichte vollzieht: Da Geschichte die Daseinsform des Menschen ist, muss auch der Glaube geschichtlich sein und ist nicht nur ein unzeitliches Ereignis der Berufung.³⁷ Jeder Mensch wird als stetig Handelnder in der Zeit charakterisiert. Zweitens ist Geschichte im christologisch qualifizierten Sinn Bundesgeschichte, weil ihr Sinn und Ziel in der Begegnung des Menschen mit Gott besteht.

6.2 Der Zweck der ‚Zwischenzeit‘ Die Verbindung von weltlicher Geschichtlichkeit de facto und göttlicher Bundesgeschichte de iure artikuliert Barth prägnant in seiner Christologie: „Der von Gott in Jesus vollzogene Bruch muß eben – Geschichte werden.“ (IV/2, 616) Im Folgenden soll dargestellt werden, dass Barth in der KD das Offenbarungsgeschehen auf die geschichtliche Realisierung de facto im Glauben hin konzipiert, wenngleich der Bundesschluss in Christus de iure schon wirklich ist. Im Glauben, der diese christologische Dimension erkennt, nimmt der Gläubige an der wirklichen Geschichte Gottes mit den Menschen teil. Diese These richtet sich gegen den in der Forschung verschiedentlich gegenüber Barth erhobenen Vorwurf der Geschichtslosigkeit seiner Theologie (6.2.1). Die zwei zentralen Argumente dieses Vorwurfs sollen anhand von Barths Ausführungen zur ‚inklusiven Christologie‘ (6.2.2) und zum munus propheticum Christi (6.2.3) entkräftet werden. Der Kerngedanke der folgenden Ausführungen besteht in der Pointe, dass in Barths Christologie die menschliche Geschichte

wollen oder nicht, beteiligt werden und sind: Geschichte, in der unsere eigene Geschichte geschieht.“ (IV/3, 209).  Hierin entspricht Barths Verständnis des Glaubens als Tat der Charakterisierung der Glaubenstat bei Bultmann, der festhält: „Als Tat des Menschen ist sein Tun ins Auge gefaßt, wenn es im Vollzuge gesehen wird, d. h. in seiner Geschichtlichkeit, als sein Verhalten in der Entscheidung, als die konkrete Möglichkeit seines Seinkönnens, die er selbst wählt.“ (R. Bultmann, Theologische Enzyklopädie, 134). Vgl. weiter zu Bultmanns Verständnis der Geschichtlichkeit: K. W. Müller, Rudolf Bultmann und die Heilsgeschichte, in: Heil und Geschichte, hg. v. J. Frey, S. Krauter, H. Lichtenberger, Tübingen 2009, S. 693 – 723, bes. 694– 703.

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durch das christologische Perfekt einer ‚gegenwärtigen Vergangenheit‘ bestimmt wird und nicht auf äußerliche Weise durch ein christologisches Präteritum.

6.2.1 Der Geschichtslosigkeitsvorwurf gegenüber Barths Theologie Barths in der KD entwickelten Theologie werden verschiedentlich Defizite in der Einholung einer genuin geschichtlichen Dimension vorgeworfen, die bisweilen in einem allgemeinen Vorwurf der Geschichtslosigkeit kulminieren.³⁸ So konstatiert etwa Zahrnt „die Geschichtslosigkeit als de[n] Grundschaden der ganzen barthschen Theologie“.³⁹ Barth habe seine Theologie so konstruiert, dass in Gott die Bundesgeschichte Gottes mit den Menschen schon vollkommen vollbracht sei, wodurch der Wert der Geschichte verloren gehe. Daher spricht Zahrnt von einem alles überschattenden „urzeitliche[n] Perfektum“ bei Barth.⁴⁰ Mit Käfer kann dieser Verdacht dergestalt formuliert werden, dass Barth den geschöpflichen Menschen als geschichtlichen Akteur nivelliere und dieser nur ein Zuschauer für Christi einmalige Versöhnungstat sei.⁴¹ Das Bedenken gegenüber einem solchen ‚urzeitlichen Perfektum‘ schwingt ebenfalls in von Balthasars kritischen Anfragen mit, ob das Kreuz Christi bei Barth nicht „ein Monolog Gottes mit sich selber“⁴² und ob die Sünde nicht ein „gespenstischer Spuk ohne Wirklichkeit“ sei.⁴³ Berkouwer schließt sich diesen Bedenken an, bezieht sie aber auf Barths

 Der Sammelbegriff „Geschichtslosigkeitsvorwurf“ stammt von Wüthrich (vgl. M. D. Wüthrich, Gott und das Nichtige, 274– 281).  H. Zahrnt, Die Sache mit Gott. Die protestantische Theologie im 20. Jahrhundert, München 1966, 134.  Ebd., 142.  „So wie Barth den Vorgang der Berufung und Neuschöpfung insgesamt beschreibt, muß angenommen werden, er geschehe am Menschen, aber ganz ohne den Menschen, am Menschen vorbei und abgesehen vom Geschaffensein des Menschen durch Gott den Schöpfer allein als besondere Tat Jesu Christi, des Schöpferwortes.“ (A. Käfer, Inkarnation und Schöpfung, 316).  H. U. von Balthasar, Karl Barth, 380; vgl. H. Zahrnt, Die Sache mit Gott, 146, Anm. 70. Diese Parallele zieht auch Wüthrich in seiner knappen Rekonstruktion des Geschichtslosigkeitsvorwurfs, vgl. M. D. Wüthrich, Gott und das Nichtige, 274. Im Unterschied zu Zahrnt und Käfer erheben von Balthasar und Berkouwer ihre Einwände zeitlich vor Abschluss der KD. Aber selbst wenn man mit Wessel ten Boom Barth in vier Phasen unterteilte und die vierte Phase, in der es um die Auswirkungen des wahren Menschseins Jesu für die Menschen in ihrer Geschichte geht, erst mit KD IV beginnen lässt (vgl. W. ten Boom, Ecce homo agens. Der königliche Mensch bei Karl Barth, in: ZDTh 31.1, H. 61 (2015), S. 85 – 101, 87 f. 95 – 97), zeigt sich an Zahrnt und Käfer, dass die Kritik auch über den Abschluss der KD hinaus fortwährte.  H. U. von Balthasar, Karl Barth, 380. Vgl. M. D. Wüthrich, Gott und das Nichtige, 274.

6.2 Der Zweck der ‚Zwischenzeit‘

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Annahme einer vorzeitlichen Erwählung: In der ewigen Selbstunterscheidung Gottes sei der finale Triumph des Lichts über den Schatten und die Finsternis bereits geschehen, sodass die Sünde letztlich zu einer geschichtslosen Illustration einer nicht eigentlichen Wirklichkeit degradiert werde.⁴⁴ Diese hier nur exemplarisch angeführten Vorwürfe fasst Wüthrich wie folgt zusammen:⁴⁵ Barth verharmlose die Sünde durch den schon sicheren Sieg des Lichts und damit einhergehend weise seine Theologie geschichtslose Züge auf, indem eine robuste Differenz von Versöhnung und Erlösung fehle, denn aufgrund des ‚urzeitlichen Perfektums‘ der göttlichen Gnade geschehe hinsichtlich der Bundespartnerschaft nichts Neues mehr. Diese fehlende Differenz könne ferner auch auf das Verhältnis von Schöpfung und Versöhnung bezogen werden, denn aufgrund Gottes vorzeitlicher Erwählung bewirke selbst das geschichtliche Ereignis der Inkarnation für die Erwählung nichts Neues. Eine verwandte, jedoch etwas anders gelagerte Kritik formuliert Pannenberg, der den Schulen Barths und Bultmanns vorwirft, dass sie das „Wort Gottes als nicht hinterfragbare[s] Prinzip“ annähmen und so das Verhältnis von „Gotteswirklichkeit und Welt“ in Hinblick auf die „Konzeption einer Geschichte“ nicht artikulieren könnten und wollten.⁴⁶ Es fehle damit so etwas wie die Geschichte Israels mit Gott im Alten Testament, nämlich „die geschichtliche Erfahrung als Erfahrung göttlichen Handelns“.⁴⁷ Axt-Piscalar fasst die Kritik Pannenbergs wie folgt zusammen: „Wenn Barth betont, dass in Jesus Christus die Versöhnung der Welt ein für allemal bereits vollzogen sei, dann ergibt sich daraus die Frage, wie die von diesem Geschehen ausgehende und weiterwirkende Geschichte Gottes in und mit der Welt so gedacht werden kann, dass sie nicht als eine dem Wesen Gottes bloß äußerliche zu stehen kommt.“⁴⁸

 Vgl. G. C. Berkouwer, Der Triumph der Gnade in der Theologie Karl Barths, 201. 364.Vgl. dazu auch M. D. Wüthrich, Gott und das Nichtige, 277. Wüthrich beschäftigt sich ausführlich mit Berkouwers Kritik und Barths eigener Replik auf ihn (explizit in IV/3, 198 – 206), siehe dazu: ebd., 313.  Vgl. ebd., 274 f.  W. Pannenberg, Vorwort zur 5. Auflage, in: Offenbarung als Geschichte, hg. v. W. Pannenberg, Göttingen 1982, S. V–XV, V.  Ebd., VII.  C. Axt-Piscalar, Offenbarung als Geschichte. Die Neubegründung der Geschichtstheologie in der Theologie Wolfhart Pannenbergs, in: Heil und Geschichte, hg. v. J. Frey, S. Krauter, H. Lichtenberger, Tübingen 2009, S. 725 – 743, 736 f. Pannenberg selbst versteht dagegen den Geschichtsprozess als „Selbstverwirklichung“ Gottes (W. Pannenberg, Systematische Theologie, 418), sodass die Religionsgeschichte kein subjektiver Deutungsvollzug der Menschen ist, sondern vielmehr die Erscheinungsgeschichte Gottes (vgl. C. Axt-Piscalar, Offenbarung als Geschichte, 741 f.). Denn nach Pannenberg ereignet sich Gottes Selbstoffenbarung „nicht direkt […], sondern

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Demzufolge sei Barths Christologie derart konzipiert, dass die Geschichte der sündigen und sich bekehrenden Menschheit Gott selbst und seiner Bundesgeschichte äußerlich bleibe.

6.2.2 Barths inklusive Christologie als Raum für die menschliche Geschichte in der ‚Zwischenzeit‘ In IV/1 wirft Barth selbst die Frage nach der Funktion menschlicher Geschichte auf, indem er fragt, warum Gott nicht einfach die erste und die zweite Parusie Christi zusammenfallen lässt, wenn doch in Christi Tod am Kreuz die Versöhnung vollumfänglich bereits entschieden ist (vgl. auch IV/1, 367): „Was ist der Sinn des der Menschheit nach ihrer in Jesus Christus schon geschehenen und schon proklamierten Versöhnung mit Gott noch einmal gegebenen Raumes, ihrer tatsächlichen Existenz in dieser weiteren neuen Zeit?“ (IV/1, 824)

Den „Sinn“ der Geschichte nach der ersten Parusie erschließt Barth mit einem Gedankenexperiment: wenn es die Zwischenzeit zwischen der ersten und zweiten Parusie Christi nicht gäbe (vgl. IV/1, 820), dann gäbe es erstens keine „weiteren Menschengenerationen“, zweitens „keine menschliche Antwort“ auf Gottes Handeln und drittens würde Gott seine Macht einseitig, überwältigend ausüben, ohne den menschlichen Dank zu begehren (IV/1, 822). Da die Zwischenzeit aber faktisch bereits eingetreten ist, folgert Barth, dass Gott „noch ein Ziel“ habe und etwas erwarte; er gesteht den Generationen post Christum natum noch eine Geschichte zu.⁴⁹ Das Faktum der Zwischenzeit belegt somit, dass Gottes Gnade den Gläubigen nicht „brutal“ verändert, sondern ihm die Gelegenheit zur Entspre-

indirekt, durch Gottes Geschichtstaten“ (W. Pannenberg, Dogmatische Thesen zur Lehre von der Offenbarung, in: Offenbarung als Geschichte, hg. v. W. Pannenberg, Göttingen 1982, S. 91– 114, 91). Doch erst „am Ende der offenbarenden Geschichte“ offenbart sich der „Sinn auch der gegenwärtigen Zeit“: „Es wird sich dann zeigen, daß das gesamte Geschick der Menschheit von der Schöpfung an nach einem Plan Gottes abgelaufen ist.“ (ebd., 95. 96) Jesus Christus wird von Pannenberg proleptisch verstanden, insofern in seiner Offenbarung „das Ende alles Geschehens vorweg ereignet ist.“ (ebd., 103) Zu Pannenbergs Verschränkung von Offenbarung und Geschichte siehe auch: C. Axt-Piscalar, Offenbarung als Geschichte, 727.  Vgl. die korrespondierende Passage in IV/1, 391, wo Barth antwortet: „Daß es Gott nicht zu gering ist, dieses Ja des Menschen zu erwarten und in Gnaden entgegenzunehmen, daß er ihm Gelegenheit dazu gibt und ihn dazu aufruft, es auszusprechen, das ist der Sinn der Zwischenzeit nach der ersten und vor der zweiten Parusie Jesu Christi.“ Siehe auch K. Hafstad, Wort und Geschichte, 241– 275, bes. 265.

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chung gibt (IV/1, 824). Einen ähnlichen Gedanken entwickelte Barth schon in seiner Gotteslehre bezüglich der göttlichen Geduld: Gott warte weder auf eine menschliche Umkehr, die für Gott etwas Neues wäre (II/1, 469), noch sei das göttliche Warten auf die menschliche Antwort in seiner Indifferenz gegenüber der Kreatur begründet (vgl. II/1, 471), sondern Gott wartet, um dem Menschen in dessen Zeit zu begegnen und ihn so zum Partner zu machen.⁵⁰ In IV/3 ergänzt Barth, dass die bloße Beschreibung des Anfangs und des Ziels in Christus fälschlicherweise so wirken könnte, als ob die Zwischenzeit ein bloßes „Vakuum“ oder ein „Stillstand“ sei (IV/3, 400 f.). Stattdessen müsse die Zwischenzeit aber – wie auch die Parusie – als Ort und Zeit des Kommens und Wirkens Christi verstanden werden. In der Zwischenzeit ist Christus selbst „handelndes Subjekt“ und die Menschen dürfen ihn „begleiten, Jesus Christus selbst von seinem Anfang her seinem Ziel entgegen folgen.“ (IV/3, 403) Das Ziel, das Gott mit der Zwischenzeit verfolgt und das ohne sie nicht erreichbar wäre, ist also die menschliche Antwort, das menschliche ‚Ja‘ zu Gottes Gnade und Bundesschluss: „[I]hr Sinn [= der Zwischenzeit] ist offenbar der, daß Gott sein letztes Wort nicht zu Ende sprechen und die von ihm beschlossene, vollzogene und proklamierte Vollendung in ihrer letzten Gestalt nicht Ereignis werden lassen will, ohne zuvor eine menschliche Antwort darauf, ein menschliches Ja dazu gehört zu haben[. …] Er will nicht einfach ohne den Menschen, nicht über seinen Kopf weg sein Versöhner geworden sein und sein Erlöser werden.“ (IV/1, 824)

Nicht nur warte Gott mit der Zwischenzeit auf eine menschliche Antwort, sondern Gott erwarte auch eine besondere geschichtliche Form dieser Antwort, nämlich den Glauben: „Er will keine Einsamkeit seines Sohnes, keine Blindheit und Taubheit, keine Unbeteiligtheit der Anderen, für die er gestorben ist. Er will einen Leib, eine irdisch-geschichtliche Exis-

 „Gott macht die Sache der Kreatur, der von ihm verschiedenen Wirklichkeit in der Weise zu seiner eigenen Sache, daß er die Kreatur als Wirklichkeit gelten läßt, daß er sich für sie in Anerkennung und nicht in Aufhebung ihrer Wirklichkeit einsetzt. […] Gottes Barmherzigkeit waltet nicht in der Weise, daß sie ihren Gegenstand überrennt, überwältigt, aufhebt. Gott tritt nicht in der Weise an die Stelle der Kreatur, daß er diese auslöscht und zunichte macht. Daß er sich ihre Not zu Herzen gehen läßt, bedeutet […] die Begegnung seiner ewigen Liebe mit der im Raum und in der Zeit existierenden Kreatur nicht die Zerstörung und Hinwegnahme ihres Raumes und ihrer Zeit und also ihrer Existenz als solcher. Daß Gott für sie eintritt in seiner Barmherzigkeit, das darf und muß in beiden Worten ‚für‘ und ‚sie‘ ganz real verstanden werden: so also, daß dieses Eintreten Gottes für die Kreatur ihr Leben, was immer jene Begegnung mit Gott für dieses ihr Leben bedeuten und mit sich bringen mag, nicht aus-, sondern in sich schließt“. (II/1, 462 f.).

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tenzform dieses Hauptes. […] Er will menschliche Herzen, die diese Wendung erkennen, und menschliche Zungen, die sich zu ihr bekennen. Er will, daß die in Jesus Christus geschehene Rechtfertigung nicht nur geschehen sei, sondern daß die Kunde von ihr laut werde und Glauben finde. Eben dazu, daß das geschehe, gibt er der Welt noch einmal Raum, Zeit und Existenz, läßt er die Endzeit anbrechen und andauern. Sie ist die Stätte, in der es zu dieser Entsprechung kommen soll.“ (IV/1, 824)

Gottes Wille zielt demnach auf die Entsprechung der Menschen zu Christi Versöhnung in ihrer „irdisch-geschichtliche[n] Existenzform“. Der ‚Mehrwert‘ und die Funktion der Geschichte gründen also darin, dass das Ziel der Bundespartnerschaft nur geschichtlich erreicht wird, indem der Mensch in seiner Lebensgeschichte Gott selbsttätig bejaht und ihm dankt. So kommt es in der Gemeinde zur vorläufigen Darstellung Gottes (vgl. IV/1, 718. 825 f.).⁵¹ Barths Interpretation der Zwischenzeit macht deutlich, dass der eingangs erläuterte Geschichtslosigkeitsvorwurf nicht haltbar ist. Vielmehr eröffnet die in Christus geschehene Versöhnung de iure selbst den Raum für eine menschliche Geschichte, diese Versöhnung de facto im Glaubensvollzug anzueigen; in diesem Sinne fordert die Offenbarung Christi von sich aus die menschliche Geschichte als ihr ‚Prädikat‘: „Weil und indem Jesus Christus, der Gekreuzigte, auferstanden ist und lebt, darum ist Raum für uns … Raum auch für die Probleme der Versöhnungslehre in unserem, im anthropologischen Bereich.“ (IV/1, 388)⁵²

Passagen wie diese deuten darauf hin, dass die Geschichtlichkeit des Menschen und seines Glaubens tief in Barths Christologie verwurzelt sind. Diese Verwurzelung tritt zutage, wenn bedacht wird, dass Barths Christologie auf dem Grundsatz „Gott mit uns“ (IV/1, 1) fußt und als eine „inklusive Christologie“ (IV/1, 338 u. ö.) entfaltet wird. Mit dem Begriff ‚inklusive Christologie‘ verdeutlicht Barth, dass seine Aussagen über den wahren Menschen Jesus Christus immer

 Für Barths Begriff der ‚vorläufigen Darstellung Gottes‘ hat Krötke überzeugend herausgearbeitet, dass Barth sich hiermit nicht an den Gebrauch bei Schleiermacher anschließt, sondern den Begriff aus dem Kontext des Theaters heraus versteht und ihn damit dramatisch deutet. Der Unterschied zu Schleiermacher liegt demnach besonders im aktiv-tätigen Verständnis des Darstellens bei Barth (vgl. W. Krötke, Die Kirche als „vorläufige Darstellung“ der ganzen in Christus versöhnten Menschenwelt, 83 f.). Siehe auch: M. Hofheinz, „Er ist unser Friede“. Karl Barths christologische Grundlegung der Friedensethik im Gespräch mit John Howard Yoder, Göttingen 2014, 207– 210. Auch s.u. Kap. 7.2.1, Anm. 31.  Barth stellt diese Frage, inwiefern es zu Auswirkungen, Entsprechungen und Folgen der Offenbarung der Versöhnung/Christologie im anthropologischen Bereich kommt, in jedem der drei Bände von KD IV: IV/1, § 59.3; IV/2, § 64.4; IV/3, § 69.4.

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auch als Aussagen über die übrigen Menschen verstanden werden können. Die übrigen Menschen werden inklusiv bzw. komprehensiv umfasst, weil Jesus Christus als wahrer Mensch für sie gehandelt hat und somit sein Handeln ihre Existenz faktisch verändert hat.⁵³ Der Grundsatz „Gott mit uns“ ist erstens als eine Aussage über Gott zu verstehen. Das „mit uns“ Jesu Christi sei einzig im „für uns“ begründet (IV/1, 251): Christi „stellvertretendes Handeln für uns“ (IV/1, 253) fand statt, ohne dass wir schon ‚mit ihm‘ gewesen wären. Das heißt, dass Christi Passion die objektive Veränderung der Geschichte, nämlich die Umkehrung der ganzen Welt zu Gott hin, bereits bewirkt hat (vgl. IV/1, 263 – 267). Die Tat Gottes hat „in ihrer ganzen geschichtlichen Einmaligkeit nicht nur eine allgemeine ‚Bedeutsamkeit’ für alle Menschen aller Zeiten und Räume“, sondern durch sie ist „deren Situation, ob sie es wissen oder nicht, objektiv entscheidend verändert“ (IV/1, 270).⁵⁴ Inhalt der Versöhnung ist dementsprechend diese Kunde von der schon verwirklichten und geschehenen Umkehr der Welt in Christus (IV/1, 273). Damit bedeutet das ‚mit uns‘ Gottes grundlegend, dass eine menschliche Beteiligung an der Versöhnungstat ausgeschlossen ist. Zweitens ist im Grundsatz „Gott mit uns“ auch etwas ausgesagt über ‚uns‘, die Menschen, genauer: unsere „eigene Existenz in [unserer] Zeit und Situation“ (IV/1, 3). Der Mensch ist demnach ‚mit Gott‘. Das bedeutet, dass die Zusage „Gott mit uns“ auch das „Wir mit Gott“ beinhaltet (vgl. IV/1, 13). Dieses „Wir mit Gott“ ist der Glauben, ihn gilt es in der Zwischenzeit zu realisieren. In diesen beiden Momenten des „Gott mit uns“ kann fast eine Art umgekehrte Exzentrizität festgestellt werden, indem Gott erst ‚mit uns‘ zu dem wird, der er andererseits immer schon ist. Barth spitzt diesen Zusammenhang jedenfalls insoweit zu, als nach ihm die objektive Wahrheit dahin dränge, eine subjektive Gestalt in den Gläubigen zu erhalten: „Beides – das Erste im Übergang zum Zweiten, das Zweite im Übergang vom Ersten her – [wird] im Neuen Testament bezeugt […]: daß die objektive Wirklichkeit des Seins Jesu Christi und unseres eigenen Seins auch den Charakter objektiver Wahrheit, daß sich aber eben diese Wahrheit an einer bloß objektiven, nicht auch subjektiven Gestalt nicht genügen läßt, sondern zu uns hin drängt: hinein in unser Sehen, Verstehen und Erkennen mit dem Ziel der

 Es brauche also keine Begründung, ob ein Mensch durch Jesus Christus auch verändert wurde, sondern nur eine „Entfaltung“ dieser für ihn geschehenen Veränderung (IV/2, 294). Die Frage nach dem Übergang der Versöhnung von Jesus Christus zu uns wird so ad absurdum geführt, da es essentiell zum Wesen Christi als Mittler gehört, dass er nicht ohne die Seinigen ist (vgl. IV/3, 321).  Vgl. auch IV/3, 7, wo Barth erneut betont, dass Christi Geben dem menschlichen Nehmen vorausgeht und unabhängig vom menschlichen Glauben und der menschlichen Liebe wahr und wirklich ist.

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Ausrichtung und Bestimmung unserer Existenz von dorther, mit dem Zweck, uns zu erwecken und aufzurufen, den wieder zu lieben, der uns zuerst geliebt hat.“ (IV/2, 337).

Somit zielt gerade die Wirklichkeit Christi auf das „Mitgehen oder Nachgehen“ der Gläubigen (IV/2, 337). Durch die Mitteilung der Geschichte Christi im Zeugnis des Neuen Testaments greife dieses Zeugnis auf die Menschen über und führe zu dem „geschichtliche[n] Ereignis“ (IV/2, 338), dass Menschen dieser objektiven Wahrheit begegnen. Dass der menschliche Glaube an Jesus Christus zu Gottes Heilsplan dazugehört, wird anhand von Barths Interpretation von Kreuz und Auferstehung deutlich: Die Erniedrigung und Erhöhung des Menschen sei am Kreuz einerseits vollendet, sodass die Auferstehung nichts Neues mehr hinzufüge (vgl. IV/2, 280). Andererseits liege die Besonderheit und Notwendigkeit der Auferstehung darin, dass erst sie das Kreuzesgeschehen für die Menschen verständlich und offenbar mache, indem sie das Geheimnis des Kreuzes aufschließt: „Das ist das allerdings entscheidend Neue, das in seiner Auferstehung und Himmelfahrt – nicht zu seinem Sein hinzugekommen, vielmehr als Charakter seines Seins in diesem Ereignis aktuell und sichtbar geworden ist: es ist auch Offenbarung, es enthüllt und erschließt sich auch und es umschließt auch, es greift auch aus, und es umgreift auch.“ (IV/2, 150)

Die Bedeutung der Auferstehung liegt nach Barth somit in der wirkmächtigen Bekanntmachung des Bundes ‚für‘ die Menschen. Auch hier müssen Vollzugs- und die Begründungsebene voneinander unterschieden werden.⁵⁵ Auf der Begründungsebene ist der Glaube allein von Gott gewirkt, irrespektive ob dies nun geschichtlich vermittelt oder in eschatologischer consummatio geschieht. Auf der Vollzugsebene ist der Glaube jedoch als Teil der menschlichen Lebensgeschichte eine Tat des Menschen. Bei einer ungeschichtlichen consummatio hingegen wäre der Mensch nicht mehr Handelnder und insofern auch auf der Vollzugsebene nicht beteiligt. Wie die obigen Ausführungen zeigen sollten, fordert die christologische Explikation des ‚Gott mit uns‘ die Beteiligung des Menschen auf der Vollzugsebene. Die Vollzugsebene des Glaubens kann somit als ‚Zwischenzeit‘ konkretisiert werden: der faktische geschichtliche Vollzug des menschlichen ‚Ja‘ zu Gottes Bundeswahl im Glauben. Christi Geschichte am Kreuz schließt somit die menschliche Geschichte nicht aus oder macht sie überflüssig, vielmehr umgreift sie die menschliche Geschichte und wird in ihr als Heilsgeschichte ‚für uns‘ erkannt und ‚mit uns‘ mitvollzogen. Diese aktive Beteiligung des Menschen im geschichtlichen Vollzug seiner Glaubenstat entkräftet daher den ersten Vorwurf, dass es nach Barth keine genuin  Für die Erläuterung dieser Unterscheidung, siehe Kap. 5.4.

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geschichtliche Dimension gebe und insbesondere keine reale Differenz zwischen Erlösung und Versöhnung. Inwiefern die Zwischenzeit Gott selbst nicht äußerlich ist und zum Wesen Christi selbst dazugehört, soll gegen den zweiten Vorwurf Pannenbergs im nächsten Abschnitt gezeigt werden.

6.2.3 Das munus propheticum Christi: der Glaube als Teil der Versöhnungsgeschichte Die Zugehörigkeit der Zwischenzeit zum Wesen Gottes als „Gott mit uns“ wurde im Allgemeinen bereits im vorigen Abschnitt aufgezeigt, indem die Grundannahmen von Barths Christologie dahingehend expliziert wurden. Diese Zugehörigkeit soll nun weiter entfaltet werden, um nicht beim Faktum der Zwischenzeit stehen zu bleiben, sondern sie als Geschichte Gottes mit den Menschen herauszustellen.Wie nun auszuführen ist, gründet diese Geschichte nach Barth im prophetischen Amt Christi, das gemäß seiner Ämterlehre auch ein Moment des Wesens Christi ist.⁵⁶ In IV/3 führt Barth die Begründung der Zwischenzeit fort, indem er ausführt, wie die menschliche Beteiligung am göttlichen Bundesschluss zu Gottes Heilsplan gehört: Es gebe zwar nur eine Wiederkunft Christi, aber sie ist eine als ein kontinuierliches Geschehen, das verschiedene Zeiten und Äußerungen umfasst, sodass die Auferstehung als erste Parusie, die Geistausgießung und Christi zweite Wiederkunft allesamt als ein ungeteiltes eschatologisches Geschehen zu betrachten seien (vgl. IV/3, 337– 341). Diesen Gedanken führt Barth mit der Interpretation des munus propheticum weiter aus, in welcher er die menschliche Erkenntnis der Versöhnung als integralen Bestandteil des Versöhnungshandelns Christi denkt. Die Christologie in der reformierten Tradition kennt drei Ämter Christi: das priesterliche, das königliche und das prophetische Amt.⁵⁷ Barth strukturiert seine Christologie anhand dieser Trias und behandelt in IV/1 die Stellvertretung des Gottessohnes als priesterliches Amt, in IV/2 den königlichen Menschen Jesus Christus und in IV/3 das prophetische Amt als das „Formalproblem“ der Versöhnungslehre (IV/3, 7). Das dritte Amt bedeutet keine inhaltliche Ergänzung der beiden anderen, sondern enthält nur deren Kundgabe und Offenbarung, sodass durch das dritte Amt die Versöhnung zum „Ereignis“ für den Menschen wird (IV/3,

 Zur Identität von Amt und Sein Christi s.o. 6.1.2.  Siehe u. a. J. Calvin, Unterricht in der christlichen Religion, II, 15,1.

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7).⁵⁸ Jesus Christus wird in diesem Amt selbst als „Mittler“ beschrieben, durch den die Versöhnung offenbares Ereignis wird (IV/3, 40). Grundlage des munus propheticum ist für Barth der Gedanke, dass Jesus Christus als Auferstandener lebt und somit selbst die Verwirklichung seiner Versöhnung in der Geschichte vollzieht (vgl. IV/3, 41 f.): er selbst ist „sein eigener authentischer Zeuge“ (IV/3, 49), der seinen Namen bekannt macht. Daher begründet das dritte Amt Christi, wie es „zur realen Veränderung der Welt und des Menschen, zu seiner Erweckung zum Glauben und zur Liebe“ kommt (IV/3, 8).⁵⁹ Anhand des prophetischen Amtes stellt Barth die Verknüpfung her, dass auch die Kundgabe der Versöhnung selbst noch Werk des Versöhners ist: „Wie die Versöhnung selbst sein Werk ist, so auch ihre Offenbarung.“ (IV/3, 40) Die Versöhnungstätigkeit Christi ist somit ein in der Zwischenzeit andauernder, selbst geschichtlicher Prozess. Das bedeutet mithin, dass die Erweckung zum Glauben durch den Heiligen Geist zugleich auch ein Akt des prophetischen Amtes Christi ist.⁶⁰ Der menschliche Glaube ist daher – contra Pannenberg – kein Zweites, dem Werk Christi Äußerliches, sondern sein geschichtliches Zustandekommen ist noch Teil des Versöhnungshandelns Christi. Die Vermittlung des Glaubens durch Christus erläutert Barth mit dem oben eingeführten doppelten Geschichtsbegriff (s.o. 6.1.2): Jesus Christus ist die „bestimmende[ ] Geschichte“ (IV/3, 41), die sich in der Weltgeschichte abbildhafte Geschichten schafft, indem Christus „sein eigener authentischer Zeuge“ ist (IV/3, 49). Die ‚Geschichte Christi‘ meint daher nicht nur die Lebensgeschichte Jesu, sondern die gesamte auf Christi Leben und Sterben folgende Bundesgeschichte. Doch diese Geschichte beinhaltet nichts anderes als ihre Aneignung in den in Siehe hierzu auch Reichels Beschreibung des munus triplex in der KD: H. Reichel, Theologie als Bekenntnis. Karl Barths kontextuelle Lektüre des Heidelberger Katechismus, Göttingen 2015, 203 – 239. Der Inhalt von IV/1 und IV/2 war das munus duplex, die Zuwendung Gottes als erwählender Gott und die Zuwendung des Menschen als erwählter Mensch in Christus (vgl. IV/3, 2– 5). Nun kommt noch eine dritte Dimension hinzu, denn die Versöhnung macht sich selbst vernehmbar (vgl. IV/3, 7). Damit gehört die Kundgabe als Werk des Geistes selbst noch zur Offenbarung, nämlich als kommunikative und transeunte Offenbarung (vgl. IV/3, 9). Barths frühere Unterscheidung zwischen objektiver und subjektiver Wirklichkeit und Möglichkeit der Offenbarung in I/2 verschwindet somit in IV zugunsten der dreifachen Parusie Christi (vgl. C. Heinz Ratschow, Jesus Christus, 163 f.).  Oblau weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass Barth in einem späten Interview sagte: „Offenbarung heißt nicht, daß irgendeine steinerne Tafel vom Himmel herunterfällt, worauf die Wahrheit geschrieben steht. Vielmehr, Offenbarung ist eine Geschichte zwischen diesem Jemand und uns Anderen, uns Menschen.“ (K. Barth, Letzte Zeugnisse, Zürich 1969, 37) Demnach geht es Barth nicht nur darum, dass die Offenbarung hörbar wird, sondern dass sie wirklich gehört wird (vgl. G. Oblau, Gotteszeit und Menschenzeit, 243 f.).  Zum Verhältnis von Christi Wirken und dem Heiligen Geist, siehe Kap. 1.5.

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dividuellen Lebensgeschichten der Gläubigen bzw. ihre Fortschreibung in der Geschichte der Kirche. Weil die Offenbarung der Geschichte Jesu so weitere ‚Geschichten‘ hervorbringt, spricht Barth hierbei von einer „sich selbst potenzierende[n] Geschichte“ (IV/3, 242), die in der Welt ihr eigenes Gegenbild hervorruft und so sichtbar wird.⁶¹ Ihre Kraft der ‚Selbstpotenzierung‘ liegt darin, dass Jesu Geschichte nur „scheinbar[ ]“ beschränkt ist auf das Leben Jesu als damals „geschehene Geschichte“ (IV/3, 241). Ihr eignet eine solche transzendierende Kraft, dass sie „hinaus und hineintritt in das Weltgeschehen, […] um sich selbst […] als den Ursprung, den Sinn und das Ziel alles Geschehens zu erweisen, um also alles Geschehen zu übergreifen, es umzugestalten zur Teilnahme an ihrem eigenen Geschehen“ (IV/3, 421). Weil sie die Versöhnung aller Menschen ist, „will sie nun auch von der ganzen Welt, von allen Menschen begriffen und ergriffen werden. Daß das geschehe, dafür sorgt sie selber in dieser ihrer dritten Gestalt“ (IV/3, 241). Hier finden sich sowohl Barths christologischer Grundsatz des „Gott mit uns“ als auch seine Idee der Bundesgeschichte als Ziel der Weltgeschichte wieder. Das von Christus selbst ausgehende Wirken seiner Geschichte, das die christliche Erkenntnis begründet, bezeichnet Barth als „Realpräsenz“ Christi (IV/3, 242). In seinem prophetischen Wirken tritt Jesus aus der geschichtlichen Ferne in die Nähe der menschlichen Gegenwart und offenbart, dass es „ein Geschehen für uns und an uns ist: ein Geschehen, an dem wir so beteiligt sind, daß wir anders als in der Beteiligung an ihm gar nicht existieren können.“ (IV/3, 207) Damit ist die eingangs aufgeworfene Frage, wie die ‚wahrhaftige Geschichte‘ Jesu und die menschliche Geschichte zusammengehören (s.o. 6.1), geklärt: Im Glauben versteht ein Mensch die Bedeutung der Geschichte Jesu für sein eigenes Leben und wird durch dieses Erkennen des Einbezogenseins in Christi Geschichte ver-

 In folgender Passage verdichtet Barth die Momente der Transzendenz, Selbstpotenzierung und Vergegenwärtigung der Geschichte Christi in einer „dritten Dimension“: „Darin potenziert sie sich ja selbst, daß sie nicht nur in ihrer grundlegenden ersten und zweiten Dimension: als des Menschen Rechtfertigung vor Gott und Heiligung für Gott geschieht, sondern, indem sie so geschieht, sich selbst – in dritter, von der ersten und zweiten her begründeter Dimension – transzendiert, in der Welt und unter den Menschen in Gestalt der christlichen Erkenntnis des in Jesus Christus Geschehenen ihr eigenes Gegenbild hervorruft, in welchem es sichtbar und greifbar wird […]. Nicht weniger und nichts Anderes als die Versöhnung selbst vergegenwärtigt sich ja, geschieht ja immer und überall, wo und wann immer sie Erkenntnis ihrer selbst und also christliche Erkenntnis begründet, erweckt und gestaltet. Eben das tut sie in dieser ihrer dritten Dimension. Sie selbst, das Gotteswerk der Rechtfertigung und Heiligung, macht sich darin, daß es sich in der Ganzheit seines Geschehens auch offenbart und christliche Erkenntnis begründet, in der Welt, unter den Menschen realpräsent.“ (IV/3, 242).

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ändert. Glaube wird somit von Barth als Teilnahme an der Geschichte Jesu Christi in der eigenen Lebensgeschichte bestimmt: „Es [Christi Werk für die Welt] schlägt da draußen Wurzel, es gewinnt da eigenes Dasein, eigene Gestalt. Es wird da zum Anfang einer ihr [Christi Versöhnung] entsprechenden weiteren, neuen Geschichte: einer weiteren Geschichte, sofern sie da draußen in der Welt, unter und in den Menschen geschieht – einer neuen Geschichte, sofern ihr Geschehen sich im Verhältnis zu dem, was da draußen sonst geschieht, als ein Anderes, Fremdes, Neues darstellt.“ (IV/3, 241)

Der Glaube ist diese ‚andere, fremde, neue‘ Geschichte inmitten der Weltgeschichte und der vorherigen Lebensgeschichte des Individuums, in welcher die Aneignung und Entsprechung zur ‚Geschichte Christi‘ noch nicht vollzogen wurde. Somit entpuppt sich das Verhältnis der ‚Geschichte Christi‘ zur menschlichen Geschichte als doppelte Gestalt von Exzentrizität: Im Glauben erkennt der Mensch, dass Christi Geschichte auch seine ist, indem sie eine Geschichte ‚für uns‘ ist, sodass „wir anders als in der Beteiligung an ihm gar nicht existieren können“ (ebd.) und Christi Geschichte wirkt fort in der Geschichte, wie der folgende Abschnitt (6.2.4) entfaltet.

6.2.4 Christi prophetisches Wirken als heilsgeschichtliches Drama Das prophetische Wirken Christi in der Geschichte beschreibt Barth als heilsgeschichtliches Drama (IV/3, 188 u. ö.).⁶² An der Form des Dramas soll im Folgenden

 Den Begriff des Dramas wählt Barth, weil damit die Dynamik des Sich-Ereignens zum Ausdruck gebracht werde (vgl. IV/3, 188 f.). Für dieses dynamisch geschichtliche Verständnis der Versöhnung führt Barth zwei Gründe an: Formal gründet es darin, dass die Beziehung zwischen Gott und Mensch keine Notwendigkeit ist, der Bund besteht nur, indem er geschaffen wird und also geschichtlich geschieht (vgl. IV/3, 189 f.). Diesen Charakter des Neuen gibt es nur im Ereignis dieser geschehenden Neuschöpfung. Material – darauf ist im Folgenden noch weiter einzugehen – führt Barth an, dass die Versöhnung sich in feindseliger Umgebung ereignet, daher hat sie den Charakter der Überwindung, welche wirklich geschehen muss (vgl. IV/3, 190 f.). Kern des Dramas ist nach Pietz die „Darstellung und Kundgabe“ der Geschichte Jesu Christi, bei der Jesus als Sieger hervorgeht (vgl. H.-W. Pietz, Das Drama des Bundes. Aufweis und Untersuchung der dramatischen Denkform in Karl Barths Kirchlicher Dogmatik, Naumburg, 1986, 56. 15). Pietz macht den Vorschlag von einer dramatischen Denkform bei Barth zu sprechen (ebd., 56. 102), solch ein Vorschlag findet sich auch schon bei Schellong (D. Schellong, Barth lesen, in: Karl Barth, hg. v. D. Schellong, F.-W. Marquardt, München 1986, S. 5 – 92, 28). Wüthrich geht über die inhaltliche Beschreibung noch hinaus, insofern auch von einer „dramatischen Darstellungsform“ Barths spricht (vgl. M. D. Wüthrich, Gott und das Nichtige, 297). Zur Wirkung

6.2 Der Zweck der ‚Zwischenzeit‘

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gezeigt werden, dass für Barth das Versöhnungshandeln Christi selbst ein bewegtes, dynamisches Geschehen ist, dass in der Zwischenzeit stattfindet und den Menschen als Akteur einbezieht. Ausgangspunkt für das heilsgeschichtliche Drama ist nach Barth die Konkurrenz zwischen der Geschichte der Versöhnung mitsamt ihrer Überlieferung und den übrigen ‚Geschichten‘ der Welt. Denn die bloße Verkündigung führe nicht dazu, dass alle, die sie hören, in ihrem Leben weitere Geschichten der Versöhnung fortschreiben. Versöhnung und Offenbarung würden vielmehr „durch eine ihnen begegnende Opposition in Frage gestellt“ (IV/3, 190). Daher hat das prophetische Amt Christi den Charakter der „Überwindung dieser Opposition“ und „Beantwortung dieser Frage“ (IV/3, 190). Es entspinnt sich somit das Drama eines Kampfes: „Eine Geschichte geschieht da, ein Drama spielt sich da ab; ein Kampf wird da durch- und ausgefochten. Kann über den Ausgang der Aktion von ihrem Eingang her kein Zweifel sein, so doch auch darüber nicht, daß sie Aktion und als solche im Gange ist und als solche nur erzählend beschrieben werden kann.“ (IV/3, 192)

Mit Christi Versöhnungstat am Kreuz sind das erste und das letzte Wort des Dramas bereits geschrieben. Das Drama selbst spielt in der ‚Zwischenzeit‘ von erster und zweiter Parusie und hat somit einen eindeutigen Zielpunkt (vgl. IV/3, 192. 196). Die Geschichte der Zwischenzeit ist aber nichts Statisches, weder steht sie bereits ‚christomonistisch‘ in der Vollendung noch muss Jesus Christus sich erst in einem dualistischen Machtgefüge behaupten. Der Sieg Christi ist vielmehr das Vorzeichen eines teleologischen Prozesses, der sich aber nicht mit kontinuierlicher Gleichgültigkeit und in der statischen Ruhe des Unabänderlichen entwickelt, sondern einen dynamischen Kampf darstellt, der in der Geschichte der Welt von Jesus Christus ausgefochten wird und der daher in der Form des Dramas erzählt werden muss. In der Metaphorik des Kampfes gesprochen, ist jedes Glaubensereignis ein Etappensieg Christi auf dem Weg der Durchsetzung seiner Versöhnungsgeschichte.⁶³ Wie erzählt Barth dieses Drama? Die geschöpfliche Welt sei der Schauplatz dieses Dramas, das Barth im Anschluss an Calvin als „theatrum gloriae Dei“

des Dramas ist auch G. Pfleiderer, Das „prophetische Amt“ der Theologie. Zur systematischen Rekonstruktion der Theologie Karl Barths und ihres Entwicklungsgangs, in: ZDTh 17.2 (2001), S. 112– 138 interessant, der Barth im Kontext des Dramenverständnisses der 20er Jahre liest und bezüglich der Wirkung auf den Leser beschreibt. Desweiteren siehe H. M. Dober, Vermittlung – Korrelation – Dialektik – Analogie. Wie ist das „Drama des Bundes“ zu denken?, in: ZDTh 28.2, H. 57 (2012), S. 86 – 111, der Barth dazu u. a. mit Cohen und Rosenzweig in Beziehung setzt.  Vgl. M. D. Wüthrich, Gott und das Nichtige, 309.

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6 Die geschichtliche Realisierung des Bundes im Glauben

bezeichnet (IV/3, 155). Die Schöpfung wird zum Schauplatz des dynamischen Handelns Gottes (vgl. IV/3, 189), das ein zielgerichtetes Handeln ist, sodass genauer gesagt werden kann, dass die Schöpfung der Schauplatz der Überwindung der Unvollkommenheit ist (vgl. III/1, 439 – 441). Nach Barth setzt Gott in Jesus Christus zuerst das Faktum des Bundes (vgl. IV/3, 253). Dann folge die Kampfgeschichte, in der Jesus als Licht die Finsternis angreift, indem er die Menschen damit konfrontiert, dass sie sich unter seiner Herrschaft und Liebe befinden (vgl. IV/3, 271– 275).⁶⁴ Dieser Angriff Jesu mit dem göttlichen ‚Nein‘ und ‚Ja‘ bedinge den menschlichen Gegenangriff der Infragestellung und des Zweifels (vgl. IV/3, 286), bei dem der alte Mensch um seinen Selbsterhalt kämpfe. Am Ende steht der Sieg Christi, mit dem die Christen zwar fest rechnen können, der aber noch nicht erzählt werden kann, da die Geschichte noch nicht abgeschlossen ist (vgl. IV/3, 301). Die Form des Dramas hat in der Forschung eine Reihe von Fragen hervorgerufen, zunächst das Problem, ob Barth es mit der Geschichtlichkeit nicht sogar etwas übertreibe und auf eine Prozesstheologie festgelegt sei.⁶⁵ Doch bereits Barths Ausgangspunkt, dass der letzte Satz des Dramas schon geschrieben sei, auch wenn er noch nicht ‚aufgeführt‘ wurde, spricht gegen die prozesstheologische Idee eines ‚offenen Ausgangs‘. Wenn der Ausgang allerdings festgelegt ist, entsteht das gegenteilige Problem, dass Barth ein harter Determinist zu sein scheint. Dagegen spricht die Form des Dramas als dynamische Erzählung von genuinen Konflikten zwischen Akteuren. Für die Entkräftung des Geschichtslo-

 Die ‚Welt‘, die hierbei als Opposition beschrieben wird, steht unter der providentia Dei. Sie ist also kein selbstständiges Prinzip gegen Gott (vgl. IV/3, 785 f.). Das heißt, dass die Geschichte der Welt keine reine Profangeschichte sein kann, die der Geschichte Jesu entgegensteht. Der Widerspruch der ‚Welt‘ gegen Gott bestehe vielmehr darin, dass ihr Grund und Ziel noch verborgen ist (vgl. IV/3, 797). Die vermeintlich profane Geschichte der Welt beschreibt Barth daher als hominum confusione (vgl. IV/3, 793 – 796). Zugleich spricht Barth aber auch von der Welt als der ‚guten Schöpfung‘, sodass es schon rein innerweltlich zwei widersprüchliche Geschichten gibt: die gute Schöpfung und die Verwirrung der Sünde (vgl. IV/3, 799). Christus entstamme hingegen nicht diesem Gegensatz der zwei Weltgeschichten, sondern komme als neue, ‚dritte‘ Geschichte in die Welt und bringe in seinem Kampf der gegensätzlichen Welt eine versöhnte, neue Wirklichkeit zutage (vgl. 813 – 817).  Welker hat Barth in diesem Kontext mit der Prozesstheologie Whiteheads verglichen (vgl. M. Welker, Dogmatische Theologie und postmoderne Metaphysik. Karl Barths Theologie, Prozeßtheologie und die Religionstheorie Whiteheads, in: NZSTh 28 (1986), S. 311– 326). Cootsonas umfangreiche Vergleichsstudie zu Whitehead und Barth kommt zu dem Schluss, dass beide Ansätze in die gleiche Richtung weisen (siehe G. S. Cootsona, God and the World. A Study in the Thought of Alfred North Whitehead and Karl Barth, Frankfurt am Main 2001, bes. 190). Gunton vergleicht Barth mit Whitehead-Schüler Hartshorne in Hinblick auf beider Opposition gegen ein statisches Gottesverständnis (siehe C. E. Gunton, Becoming and Being. The Doctrine of God in Charles Hartshorne and Karl Barth, Oxford 1978).

6.2 Der Zweck der ‚Zwischenzeit‘

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sigkeitsvorwurfs gegenüber Barth ist daher entscheidend, ob in diesem Drama wirklich etwas ‚auf dem Spiel‘ steht und es in ihm echte Gegenspieler Gottes gibt. Auf diese Frage antwortet von Balthasar negativ, da ihm zufolge „Dramatik in der Theologie die katholische Sicht der menschlichen Freiheit“ voraussetze.⁶⁶ Im Anschluss an von Balthasar bestünde demnach die Spannung des Dramas darin, dass seine Akteure eine Wahlfreiheit besitzen, ihre Handlungen daher zu einem gewisen Grad unvorhersehbar sind und jeder Akteur für seine eigenen Taten verantwortlich ist. Barth selbst hält diese Vorstellung für einen „Semipelagianismus“, der nicht notwendig zur Form des Dramas dazugehöre, wie aus seinem Vorwort zu einem von ihm übersetzen Drama deutlich wird.⁶⁷ Barth bleibt vielmehr auch in KD IV/3 sachlich bei der analogia fidei: Dass es zur „Reziprozität“ zwischen Jesu Reden und dem menschlichen Glauben komme (IV/3, 483), sei ein „Werk des Heiligen Geistes“ (IV/3, 485).Wenn Barth also von der menschlichen „Bewährung“ (IV/3, 400 u. ö.) spricht, so beinhaltet dies keine Wahlfreiheit, aufgrund deren der Mensch zu einem gleichberechtigten Gegenspieler Gottes werden könnte (s.o. Kap.5). Die Pointe der Barthschen Rede vom Drama liegt m. E. jedoch gar nicht in der Frage, ob es eine zweite Macht als Gegenspieler Gottes gibt. Sofern der finale Sieg Christi gewiss ist, gibt es, wenngleich der Kampf gegen die Sünde mit einem entsprechenden Gegenspieler geführt wird, kein ‚mitfiebern‘, wer denn gewinne. Die eigentliche Dramaturgie liegt vielmehr darin, dass Barth die Zwischenzeit als eine nur narrativ adäquat beschreibbare Zeit der Durchsetzung der Versöhnung denkt, die von Gott selbst gewählt wurde. Gemäß der klassischen Definition eines Narrativs hat sie einen Anfang, eine Mitte und ein klares Ende. Die Zwischenzeit

 Von Balthasar in einem Brief an Pietz vom 22. Nov. 1985 zitiert nach H.-W. Pietz, Das Drama des Bundes, 56, Anm. 59 (vgl. M. D. Wüthrich, Gott und das Nichtige, 315).  D. L. Sayers, Das größte Drama aller Zeiten. Drei Essays und ein Briefwechsel zwischen Karl Barth und der Verfasserin, Zürich 1982, 14. 78. Wüthrich hat in Aufnahme der Kritik von Balthasars herausgearbeitet, dass bei Barth nicht die menschliche Freiheit als Gegenspieler Gottes notwendig sei, sondern ‚das Nichtige‘ dem Drama seine Dramatik verleihe: „Es ist die Rede vom Nichtigen, die der barthschen Theologie den Charakter eines Dramas und einer Geschichte verleiht!“ (M. D. Wüthrich, Gott und das Nichtige, 315) Zwar behauptet Barth, dass das Nichtige objektiv vernichtet sei und nur noch subjektive Scheingeltung habe (vgl. III/3, 333), doch Wüthrich argumentiert, dass Barth diese Differenz nicht durchhalte, sodass das Nichtige auch eine eigene Wirklichkeit besitze (vgl. M. D. Wüthrich, Gott und das Nichtige, 319), nämlich eine „gebrochene wirksame Wirklichkeit des Nichtigen“ (321). Das Nichtige lässt sich Wüthrich zufolge nicht nur auf eine „noetische Illusion“ reduzieren, sondern hat „geschichtswirksame Wirklichkeit“ (333). Damit widerspricht Wüthrich explizit Pietz (vgl. H.-W. Pietz, Das Drama des Bundes, 56. 100), dem er eine mangelhafte Berücksichtigung des Nichtigen in dessen die menschliche Sünde transzendierender Dimension attestiert.

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6 Die geschichtliche Realisierung des Bundes im Glauben

ist ein Drama, indem sie ein dynamisch zu einem Ziel fortschreitender Prozess ist, in welchem die Menschen aktiv beteiligt sind. Sie ist also die Zeit der Überzeugung der Menschen und Überwindung der Gegensätze und kein Kampf von Gegenspielern um die Macht Gottes.⁶⁸ Geschichte im Sinn des Barthschen Dramas ist also auch dann möglich, wenn erstens die Wirklichkeit des Nichtigen schon im Kreuz zerstört ist und nur noch als Schatten auf der Welt wirkt, und wenn zweitens die Menschen nur in von Gott bedingter Freiheit als asymmetrische Bundespartner Gottes agieren. Die Geschichte hat ihr Fortdauern nicht deshalb, weil es noch keiner der Akteure zu einer Übermacht über den anderen gebracht hat, sondern weil Gott als mächtigster Akteur dem Menschen seine eigene Geschichte zubilligt. Aus der Form des Dramas wird daher deutlich, dass Barth die Zwischenzeit nicht als bloßen Nachklang des ‚christologischen Perfekts‘ denkt, sondern Christi Versöhnung als ein aktual sich vollziehendes Geschehen darstellt. Auch in diesem Kontext zeigt sich dabei, dass die menschliche Geschichte in der Zwischenzeit einen integralen Bestandteil des Versöhnungswerkes bildet: „In ihr [der Zwischenzeit] geschieht der Übergang und Eingang der Prophetie Jesu Christi zu uns, in unseren Bereich, in ihr werden wir alle, die in diesem Bereich existierenden Christen und Nicht-Christen, in die Heilsgeschichte einbezogen, an ihr beteiligt.“ (IV/3, 405)

Die menschliche Beteiligung an der Versöhnung durch den Glauben gehört somit essentiell zur Versöhnung dazu. Dementsprechend kann Barth feststellen, dass die Zwischenzeit nicht weniger eigentliche ‚Versöhnungszeit‘ sei als das Osterereignis (vgl. IV/3, 412 f.). Barth geht sogar noch einen Schritt weiter: Er betont die „besondere Herrlichkeit“ der Zwischenzeit (IV/3, 416), da sie der Entfaltung der Göttlichkeit und Menschlichkeit Gottes diene. Die Zwischenzeit gründet demnach nicht nur in der Güte Gottes, die den Menschen „Raum, Zeit und Gelegenheit zur Betätigung ihrer Freiheit lassen“ wollte, sondern Barth kann „die bessere und tiefere Antwort geben: daß die Wiederkunft Jesu Christi gerade in dieser ihrer mittleren Gestalt, daß seine Prophetie gerade in ihrer Ausdehnung als noch fortgehende Geschichte, daß die Versöhnung der Welt mit Gott, gerade indem sie als Offenbarung noch nicht abgeschlossen, sondern ihrem Ziel entgegen in vollem Geschehen ist, ihre besondere Herrlichkeit hat.“ (IV/3, 416) Damit gilt für den Glauben ein Zweifaches, dass er wesentlich in diese Zeit des geschichtlichen

 Ähnlich wird die dramatische Kampfmetaphorik auch von Thomas interpretiert, der feststellt, dass die Dramatik nicht als „offen kontingent“ zu verstehen ist (G. Thomas, Neue Schöpfung, 171). Er legt ferner dar, dass der Kampf nicht defizitär zu verstehen sei, sondern der Ehre Gottes und der menschlichen Teilhabe dient (vgl. ebd., 194 f.).

6.3 Die Rolle des Glaubens in Gottes geschichtlicher Selbstoffenbarung

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‚Kampfes‘ als die neue Geschichte der Gläubigen gehört und dass er ein Bestandteil der sich potenzierenden Geschichte Christi selbst ist.

6.3 Die Rolle des Glaubens in Gottes geschichtlicher Selbstoffenbarung Nachdem im Vorangegangenen gezeigt werden konnte, dass die geschichtliche Realisierung des Glaubens wesentlich zum geschichtlichen Handeln Christi in seinem prophetischen Amt gehört, soll in diesem Abschnitt nach der Rolle des Glaubens in der göttlichen Geschichte gefragt werden. Es soll erstens gezeigt werden, dass Gott den Menschen im Glauben zum Diener und Zeugen beruft (6.3.1). Der menschliche Glaube erhält dadurch eine Funktion für Gottes Selbstoffenbarung, indem der Gläubige seine Rechtfertigung erfährt, um diese Güte Gottes auch anderen Menschen zu bezeugen und so zur Durchsetzung der ‚Geschichte Christi‘ beizutragen. Aus dieser Funktion des Glaubens wird zweitens gefolgert, dass die beneficia salutis, die dem Gläubigen im Glauben zukommen, für Barth nicht den zentralen Grund und Zweck der Berufung darstellen (6.3.2). So lässt sich zeigen, dass Barth die Zeugnisfunktion des Glaubens der individuellen Erfahrung der göttlichen Wohltaten überordnet.

6.3.1 Glaube als Dienst an Gottes Selbstkundgabe Im Anschluss an seine Ausführungen zur Berufung fragt Barth nach dem ‚Wert‘ bzw. erreichten Zweck der Berufung zum Glauben: „Was hat die Welt und was haben sie [die Gläubigen; J. S.] selbst – zuletzt und zuhöchst: was hat der in Jesus Christus handelnde und sich selbst offenbarende Gott davon, daß sie da sind und nun eben als solche [berufene; J. S.] Menschen da sind?“ (IV/3, 640) Das unmittelbare Resultat der Berufung, dass es in der Welt zu Glauben kommt, reicht Barth jedoch als Antwort nicht aus (vgl. IV/3, 640). Die biblischen Berufungsgeschichten des Alten und Neuen Testaments zeigen nach Barth, dass Berufung jeweils die Ausrüstung zu einem Werk und die Sendung für einen Auftrag sei, und es nur im Rahmen dieses Auftrags auch zur persönlichen Begnadigung des Berufenen komme (IV/3, 657– 660). Die in der Berufung ergehende Verheißung und anfangende Erfüllung der Begnadigung gelte dem Berufenen nur in seiner Funktion als Diener:

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6 Die geschichtliche Realisierung des Bundes im Glauben

„Gott hat sie nicht umsonst an seine Seite gerufen. Er selbst engagiert sich, indem er sie beauftragt. Indem sie seine Sache zur ihrigen zu machen haben, wird ihre Sache die seinige.“ (IV/3, 659)

Bereits diese Grundform enthält eine Andeutung der menschlichen Exzentrizität, indem die von Gott Berufenen „seine Sache zur ihrigen zu machen haben“ (ebd.). Von diesem biblischen Berufungsverständnis her kommt Barth dazu, die Berufung des Menschen zum Glauben als Berufung zum Zeugendienst zu bestimmen und ihr den ‚privaten‘ Gewinn der Rechtfertigung unterzuordnen.⁶⁹ Die „Klammer […] der christlichen Existenz“ (IV/3, 642) sei allein in der Funktion des Christen als Zeuge zu sehen: „Eben damit ist der Christ nämlich frei gemacht, aber auch aufgerufen, was zu ihm gesagt und von ihm vernommen ist, als das nicht nur an ihn, sondern an die ganze Welt, an alle Menschen gerichtete Wort von ihrer Aller Versöhnung sichtbar zu machen, anzuzeigen, zu bezeugen. Daß er das tue, ist das konkrete Ziel seiner Berufung, der Sinn des Lebens Christi in ihm und seines Lebens in Christus, die ratio seiner christlichen Existenz.“ (IV/3, 698; Herv. J. S.)

Die Botschaft Gottes, die der Mensch im Glauben erkennen darf, verkündet das Heil für alle Menschen. Daher wird, wer diese Botschaft anerkennt, zugleich dazu aufgerufen, sie auch den anderen Menschen zu verkündigen. Dieses Zeugnisgeben ist nach Barth nicht nur eine Folge der Berufung, sondern deren „konkrete[s] Ziel“ (ebd.). Dieser Grundgedanke findet sich an verschiedenen Stellen in der KD wieder. In IV/3 schreibt Barth vom Menschen: „Er darf Hörer des Wortes sein, um sein Täter zu werden.“ (IV/3, 698) Die vom Gläubigen dabei geforderte Tat besteht darin, das Wort Gottes, „was er hören durfte, bekannt zu machen“ (IV/3, 698). Der Gläubige wird so zum „Mithelfer“ der Versöhnung (IV/3, 689). In IV/2 schreibt Barth entsprechend, dass die besondere Daseinsform des Gläubigen kein „Selbstzweck“ ist (IV/2, 578), sondern ihr Ziel vielmehr darin bestehe, die „vorläufige[ ] Darbringung der Dankbarkeit, zu welcher die ganze Welt […] bestimmt ist“ (IV/2, 578), zu erbringen. Danken bedeutet nach II/2, dass es „zu einer Repräsentierung und Abbildung der Herrlichkeit Gottes selbst und ihres Werkes  „Wir konnten uns der weit verbreiteten Auffassung nicht anschließen, daß es sich in des Menschen Berufung vor allem, entscheidend und beherrschend, vielleicht wohl gar allein um dieses Persönliche, um des Christen privates Christentum handle. Die christliche Existenz ist nicht Selbstzweck. Sie ist in ihrem Prinzip und Wesen als Gemeinschaft mit Christus Dienst. Sie ist Zeugnis.“ (IV/3, 742). Entsprechend analysiert auch Thomas, dass „Sendung, nicht Sammlung“ die ekklesiologische Pointe Barths sei (G. Thomas, Missionstheologische Grundentscheidungen in der Kirchlichen Dogmatik Karl Barths, 27).

6.3 Die Rolle des Glaubens in Gottes geschichtlicher Selbstoffenbarung

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kommt.“ (II/2, 457)⁷⁰ Demnach ist im Dank des Gläubigen „der Fortgang des versöhnenden Handelns des lebendigen Gottes in der Welt beschlossen […] und [wird] Ereignis.“ (II/2, 461) Diesem Abbildungsgedanken entsprechend schreibt Barth auch in IV/1, dass es in der Gemeinde zur „vorläufigen Darstellung“ der Rechtfertigung komme (IV/1, 718). Bereits in seinen Ausführungen zur „Bestimmung des Erwählten“ (II/2, § 35.3) beschreibt Barth das „Ziel“ der Berufung (II/2, 453) damit, dass der Gläubige an Gottes Wirken teilnehmen soll, d. h. „daß er sich von Gott brauchen lassen darf im Dienst von dessen Selbstverherrlichung“ (II/2, 457).⁷¹ Das ihm widerfahrene Heil dient dabei seinem Auftrag, Gott zu bezeugen (vgl. II/2, 456), sodass Barth zugleich von einer persönlichen wie einer „amtliche[n] Berufung“ spricht (II/2, 458).⁷² Die Rolle des Zeugens kommt allerdings nicht erst dem Gläubigen zu, denn der Mensch ist nach Barth immer ein Zeuge, weil die Daseinsformen des ErwähltLebens und des bloßen Erwählt-Seins beide Weisen des Gotteszeugnisses sind.⁷³ Denn auch der als Verworfener Lebende gibt ex negativo ein Zeugnis von der Erwählung (vgl. II/2, 499).⁷⁴ Nach Barth leben beide in einer Beziehung zu ihrer Erwählung, der eine in der ‚eigentlichen‘, darauf antwortenden Existenz, der andere „uneigentlich“ (II/2, 500), indem er den Zuspruch Gottes faktisch verneint. Dabei werde an der ‚uneigentlichen‘ Existenz als solcher gerade das sichtbar, was im Evangelium überwunden und negiert wird (vgl. II/2, 504– 506). Beide Gruppen unterscheiden sich somit nicht grundsätzlich, wie es die traditionelle Unterscheidung von Erwählten und Verworfenen nahelegt, sondern nur in der Art ihres Lebensvollzuges und Zeugnisweges in Bezug auf die Wahrheit ihrer Erwählung (vgl. II/2, 386). Das Spezifikum des Zeugendienstes im Glauben muss demnach im  Siehe auch H. Gollwitzer, Der Glaube als Dank. Christliche Existenz als Leben in der Dankbarkeit bei Karl Barth, in: H. Gollwitzer, Auch das Denken darf dienen, S. 387– 408. M. Trowitzsch, Karl Barth heute, Göttingen 2012, 421– 459 entfaltet den Dank als Grundbestimmung des menschlichen Daseins.  Auch in III/3 formuliert Barth entsprechend, dass der Sinn der Rettung in der Mitwirkung am Reich Gottes liege: „Daß er gerettet und selig werde, ist nicht der Endsinn der ihm in Jesus Christus zugewendeten Gnade, nicht der Endzweck seiner christlichen Existenz. Er wird gerettet und selig, indem er einen Herrn und indem er etwas zu tun bekommt. Er wird es zur Ehre Gottes und zur Mitwirkung bei der Ausführung von dessen Reichsgedanken.“ (III/3, 290).  Ausführlicher wird dies unten in Kap. 8.4 besprochen, wo der Glaube als Bekennen erörtert wird.  Zu Barths Konzept des Zeugendienstes der Kirche siehe die ausführliche Untersuchung bei H. Theißen, Die berufene Zeugin des Kreuzes Christi. Studien zur Grundlegung der evangelischen Theorie der Kirche, Leipzig 2013, 338 – 527, zur KD bes. 416 – 463.  Dieses Zeugnis funktioniert jedoch nicht im Sinne Brunners eristischer Theologie eines ‘negativen Anknüpfungspunktes’ (s.o. Kap. 3.1.2; 3.2.2), sondern wird erst im Glauben als ein solches erkannt.

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6 Die geschichtliche Realisierung des Bundes im Glauben

bejahenden Vollzug als der besonderen Art der Antwort auf Gottes Erwählung gesucht werden.

6.3.2 Die Vorordnung des Dienstes vor die Heilsgewissheit Barths Analyse, dass der Glaube dem Zeugnis Gottes in der Welt dient, hat zur Folge, dass er die persönliche Heilsgewissheit des Gläubigen nur als gleichsam ‚sekundäres Beiwerk‘ betrachtet (vgl. IV/3, 744). Nach Barth können die beneficia Christi, d. h. die Erfahrungen der Wohltaten Gottes, wie die Zuwendung der göttlichen Liebe, die Heilsgewissheit, etc., nicht das Ziel der Berufung darstellen, weil dies einen ‚Heilsegoismus‘ bedeuten würden. Denn die Berufenen wären „vor anderen durch die Zuwendung, den Empfang, Besitz, Gebrauch und Genuß des der Welt von Gott in Jesus Christus geschenkten und offenbarten Heils ausgezeichnet“ (IV/3, 644 f.). Diese Weise der Auszeichnung würde jedoch einen „sacr[um] egoism[um]“ (IV/3, 652) befördern, d. h. eine „heiligen Abart“ des sündigen Egoismus (IV/3, 651).⁷⁵ Mit diesem Vorwurf des Heilsegoismus distanziert sich Barth erstens von missionarischen Ansätzen im Pietismus und in der Gemeinschaftsbewegung, welche die Erlangung der eigenen Rettung zum Ziel und Zweck der Bekehrung machen (IV/3, 651– 654), und zweitens von der reformierten Tradition, denn auch Calvins Bestimmung der Kirche als medium salutis rücke das Heil des Einzelnen in das Zentrum (vgl. IV/3, 651). Bei Barth hingegen erhalten die beneficia Christi nur mittelbar, d. h. „beiläufig, aber unvermeidlich“, ihren Platz zugewiesen (IV/3, 744). Die Erfahrung der beneficia sei gleichsam eine „Begleiterscheinung des Zeugendienstes“, weil ihre Erfahrung für die persönliche Begabung und Ausrüstung zum Dienst nötig sind (IV/3, 742). In diesem Sinn ist die Berufung durchaus eine reale, heilvolle Veränderung der Menschen, die durch Gottes Wort „anders geworden [sind], als sie zuvor waren“, und darin eine reale „Erfahrung der beneficia Christi“ haben (IV/ 3, 744 f.).⁷⁶ Insofern sei der Glaube für den Menschen auch eine „Bestimmung seiner ‚privaten‘ Existenz“ (IV/3, 742), die aber nur eine Folge seiner Funktion als dienstbarer Zeuge ist:

 Für eine allgemeine Formulierung der Heilsegoismus-Kritik siehe: M. Trowitzsch, Gott als „Gott für dich“. Eine Verabschiedung des Heilsegoismus, München 1983.  Diesen Sachverhalt formuliert Barth analog auch für die Gemeinde: Nur weil und indem sie Gott diene komme ihr der Friede Gottes zu. Damit widerspricht Barth auch der Auffassung von der Gemeinde ausschließlich als Heilsgemeinschaft, stattdessen beschreibt er die Gemeinde als Missionskirche (vgl. IV/3, 872– 874).

6.3 Die Rolle des Glaubens in Gottes geschichtlicher Selbstoffenbarung

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„Indem sie als die so Befreiten, so Qualifizierten zu ihrem Dienst anzutreten haben, sind sie Menschen, die auch selbst von dem Wort, das sich ihnen eröffnet hat und für das sie selbst eröffnet wurden, von ihrer Erfahrung seines Inhalts leben dürfen.“ (IV/3, 744)

Der Gläubige muss demnach, um Zeuge sein zu können, selbst in einem existenziellen Verhältnis zu Christus stehen. Denn, so könnte hier ergänzt werden, das „Wort“ des Heils kann nur derjenige bezeugen, der seinen Inhalt versteht, und dieser Inhalt geht ihn unmittelbar selbst an: „[s]eine [Christi] Gegenwart ist das Geheimnis ihrer Existenz“ und der „tragende Grund“ (IV/3, 659). Daher soll die Nachordnung des persönlichen Heils „nicht heißen, daß er [= der status salutis] eine unwichtige, wohl gar entbehrliche Bestimmung der christlichen Existenz sei“ (IV/3, 750). Dennoch untersteht diese persönliche Erfahrung des Heils konsequent der „weitergreifend[en] Absicht“ des Zeugendienstes für die Welt (IV/3, 745), bleibt an ihn als „an das Primäre und Eigentliche“ gebunden und hat nur in „Bezogenheit darauf Kraft und Bestand“ (IV/3, 659). Das Motiv hinter der Kritik des Heilsegoismus bleibt hier erhalten: der Glaube ist den Menschen somit nicht „zu ihrem eigenen Besitz, Gebrauch und Genuß“ gegeben, sondern „im Zusammenhang der göttlichen Teleologie“ (IV/4, 219). Aus dieser Nachordnung des Heils zieht Barth für die Binnenperspektive des Gläubigen die Konsequenz, dass das eigene Heil nicht zum Ziel der Bestrebungen des Christen werden darf. Würde sich der Christ auf sein eigenes Heil konzentrieren, würde er sich gerade von Christus und seinem Dienst abwenden: „Er blickt nicht in sein Inneres, sondern im prägnantesten Sinn nach außen […]. In dem Maß, als er sich selbst interessant würde, um sich selbst rotieren, sich selbst behaupten und entfalten wollte, würde er sich von dem entfernen, was ihn zum Christen macht. Und in eben dem Maß würde er merkwürdigerweise gerade das aufs Spiel setzen, gerade dessen verlustig gehen, was ihm als Christen, als einem auf Gott und seinen Nächsten ausgerichteten Zeugen tatsächlich auch persönlich zukommt.“ (IV/3, 747)

Wie Barth in dieser Passage deutlich macht, ist das Verhältnis von Zeugendienst und Heil ein ‚ek-zentrisches‘: der Gläubige muss aus der egoistischen Zentriertheit auf sein „Inneres“ als Zeuge hinaus „nach außen“ blicken, findet aber außer sich „merkwürdigerweise gerade das […] was ihm als Christen […] tatsächlich auch persönlich zukommt“ (ebd.). Die Unterordnung des persönlichen Heils unter den Zeugendienst spiegelt daher die allgemeine Bestimmung des menschlichen Glaubens als ‚exzentrisches‘ Dasein auch in Hinblick auf die Welt wieder. Wenn der Christ seine eigene Heilsgewissheit fokussierte, würde er gerade die Analogie zu Christus aufgeben, denn Christus kam als Diener Gottes und nicht als Bedürfnisbefriediger der Menschen. Vielmehr widerfährt dem Menschen im Christus

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analogen Dienst auch sein eigenes, persönliches Heil: Das pro nobis des Zeugendienstes schließt das pro me des eigenen Heils somit ganz „beiläufig“ ein.⁷⁷ Für den Zeugendienst selbst gilt Entsprechendes: das Ziel des Zeugendienstes ist nicht, „Seelen zu retten“ (IV/3, 646).⁷⁸ Das missionarische Zeugnis von der Güte Gottes dürfe daher auch nicht auf das Heil und die Bekehrung seiner Hörer zielen (s.o. 6.3.1).Vielmehr ist das Ziel der Zeugnisgabe wiederum die Ausrüstung der Hörer zum Zeugendienst, indem Gott und sein Bundesschluss für alle Menschen verkündet wird (vgl. IV/3, 1004). Daher solle die Verkündigung auch nicht die Wohltaten Christi für den Einzelnen anpreisen und den Glauben damit ‚schmackhaft‘ machen, dass der Mensch dann seines Heils gewiss sein könne. Barths so expliziertes Berufungsverständnis kann dazu genutzt werden, das Problem einer scheinbaren Willkürlichkeit und Ungerechtigkeit des göttlichen Berufens abzuschwächen. Zwar bietet Barth keine Begründung der göttlichen Wahlentscheidung, die über den Verweis auf den freien göttlichen Willen hinausgeht, aber man kann ihr die Spitze nehmen, dass sie über eschatologisches Heil oder eschatologische Verwerfung entscheide. Denn der Glauben betrifft erstens ‚nur‘ die Wirklichkeit im diesseitigen Leben. Zweitens kann, teilweise über Barths eigene Formulierungen hinausgehend, aufgrund der gültigen Erwählung aller in Christus eine eschatologische Realisierung der Gottesgemeinschaft für alle Menschen angenommen werden.⁷⁹ Die Erwählung aller in Christus wäre demnach nicht eingeschränkt auf diejenigen, die auch zum Erwählt-Leben berufen sind.⁸⁰

 „[G]erade indem er zunächst ganz ohne Rücksicht auf seine Person schlicht für Gott und für seinen Nächsten in Anspruch genommen wird, gerade indem es ihm selbst nur eben um den ihm befohlenen Dienst zu tun sein kann – gerade so wird ganz beiläufig, ohne sein Wünschen, Begehren und Streben, unfehlbar aufs Beste auch für ihn selbst gesorgt werden und sein.“ (IV/3, 748).  So wie Barth die beneficia Christi als sekundäres Beiwerk beiordnet, so bekommt auch das ‚Seelenretten’ im Zeugnis nur einen beiläufigen Charakter (vgl. IV/3, 646).  Barth selbst hat sich nicht ausdrücklich auf eine Allversöhnungslehre festgelegt, obgleich die KD die Versöhnung Aller nahelegt, Barth in IV/3, 550 sogar selbst auf die Allversöhnung hofft und um sie betet. Als Barths Selbstauskunft ist dokumentiert, dass er sich nur auf die Hoffnung einer Allversöhnung, aber nicht auf die feste Lehre derselben festlegen wolle, da letzteres der Freiheit der göttlichen Gnade widerspreche (siehe K. Barth, Gespräch in Princeton I (2.5.1962), in: K. Barth, Gespräche 1959 – 1962, S. 290 – 306, 299 f.). Rosenau hat knapp dargelegt, inwiefern bei Barth von Allversöhnung auszugehen ist (H. Rosenau, Allversöhnung. Ein transzendentaltheologischer Grundlegungsversuch, Berlin, New York 1993, 191– 222). Hierbei unterscheidet er zu Recht zwischen der Sache, wonach bei Barth eine Versöhnung aller nicht bestritten werden kann, und der Modalität, denn dies müsse nicht mit Notwendigkeit geschehen (vgl. ebd., 194).  Eine solche, der obigen Darstellung zufolge irrtümliche Einschränkung konstatiert jedoch Hedinger: U. Hedinger, Der Freiheitsbegriff in der kirchlichen Dogmatik Karl Barths, 180 f.

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Drittens entscheidet die Berufung zum Glauben eigentlich nur darüber, wer in den Zeugnisdienst gestellt wird, sie hat also nicht den Zweck auszuwählen, wem die beneficia Christi zuteil werden, denn dies ist nur das ‚Beiwerk‘. Abschließend kann festgehalten werden, dass die wesentliche Pointe der funktionalen Bestimmtheit des Glaubens als Zeugnisdienst darin liegt, dass der geschichtliche Vollzug des Glaubens selbst noch Bestandteil des göttlichen Versöhnungshandelns ist. Oben wurde anhand des munus propheticum Christi ausgeführt (s.o. 6.2.3), dass die Erweckung zum Glauben durch Jesus Christus selbst noch zu dessen Handeln gehört. Da nun gezeigt wurde, dass der Glaube nur deshalb entsteht, damit der Gläubige Gott bezeugt, so folgt daraus, dass auch das menschlich-fehlbare Glaubensleben einen Teil des göttlichen ‚Dramas‘ bildet. Indem die Versöhnung durch Gottes Berufung ihr weltliches Gegenbild bekommt, wird sie sichtbar und greifbar und so wird der Gläubige selbst von Gott als Mittel seiner Selbstkundgabe gebraucht. Die Geschichte Christi potenziert sich so in der Geschichte der Gläubigen und die Gläubigen werden dadurch ein Bild für die Geschichte Christi.

6.4 Die geschichtliche Wirklichkeit des Glaubens als Erkenntnis Analog zm Vorwurf der Geschichtslosigkeit (s.o. 6.2.1) wird Barth im Blick auf den Glauben der Vorwurf gemacht, dass der menschliche Glaube und sein Vollzug keine hinreichend substantielle geschichtliche Wirklichkeit hätten. Dieser Kritik soll in den folgenden Schritten begegnet werden. Erstens wird die an den obigen Abschnitt anschließende Kritik erörtert, dass Barth dem Glauben keine eigene Funktion im Versöhnungsgeschehen zuerkenne (6.4.1). Dieser Vorwurf wird anhand der Auseinandersetzung Barths mit Thomasius auf die Frage zugespitzt, ob der Glaube rette (sola fide) oder vielmehr Christus unabhängig vom menschlichen Glauben (solus Christus). Dem Glauben kommt, wie gezeigt wird, eine hermeneutische Funktion zu, dass er die Rettung durch Christus schlicht anerkennt. Doch gerade die Identifikation des Glaubens mit einer Erkenntnis gibt den Anlass für die zweite Kritik an dessen mangelnder geschichtlicher Wirklichkeit, dass Barth den Glauben auf seine kognitive Dimension reduziere (6.4.2). Dieser Kritik antwortet eine Darstellung von Barths Erkenntnisbegriff, die zeigen soll, wie dieser die Totalität menschlichen Lebens und die Erfahrung der Rechtfertigung umgreift (6.4.3).

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6.4.1 Rechtfertigender Christus oder rechtfertigender Glaube? De Vries kritisiert an Barths Rechtfertigungslehre, dass sie nur das solus Christus berücksichtige und die menschliche Aneignung im sola fide höchstens eingeschränkt gelten könnte oder sogar aufgegeben werden müsste: „Now comes Barth with the claim that salvation has happened already completely outside of the human being, and this in such a way that there is no difference with regard to salvation between those who have faith and those who do not.“⁸¹

Da die Versöhnung in Christus bereits vollkommen wirklich sei, kommt DeVries zu dem Schluss, dass es bei Barth keinesfalls der Glaube sein könne, der den Menschen rettet.⁸² Der Glaube als die geschichtliche Aneignung dessen, was in Christus geschehen ist, hat demnach keinerlei salvatorische Relevanz. So fehle der Zusammenhang von Glaube und Rettung, weil die Rettung des Menschen bei Barth auch schon ohne dessen Glauben in Christus wirklich sei.⁸³ De Vries’ Auffassung von der Notwendigkeit des Glaubens für die Rettung des Menschen hat in Gottfried Thomasius einen Vorläufer, mit dem sich Barth selbst auseinandergesetzt hat. Thomasius unterscheidet zwischen einer objektiven Möglichkeit der Versöhnung in Jesus Christus und deren subjektiver Aneignung im Glauben. Die objektive Versöhnung denkt Thomasius als die „reale Möglichkeit […] mit Gott versöhnt zu werden“, die im Glauben auf die Menschen „herüberkommen“ soll, sodass „diese Möglichkeit […] zur Wirklichkeit wird“.⁸⁴ An dieser Konzeption kritisiert Barth erstens, dass die subjektive Versöhnung nicht derart von der objektiven Versöhnung getrennt werden könne, da nur eine Gnade versöhne (vgl. IV/ 1, 313). Zweitens sei Christus nicht ein statisch ‚Vorhandendes‘, das nun zum Menschen ‚herüberkommen‘ könne (vgl. IV/1, 313). Drittens seien die Kategorien von Möglichkeit und Wirklichkeit unangemessen, weil dem Christusgeschehen als

 D. DeVries, Does Faith Save?, 189. Hierbei könnte sich De Vries auf folgende Aussagen Barths bezogen haben, dass die Rettung des Menschen des Menschen selbst nicht bedürfe, da die Absicht Gottes „immer schon erfüllt, schon verwirklicht“ sei (II/2, 865) und die „Liebe Gottes wartet […] nicht auf deine oder meine Gegenliebe, um etwa erst in ihr die […] rettende Liebe zu werden.“ (IV/3, 752).  Siehe D. DeVries, Does Faith Save?, 187.  Hirsch gelangt zu einem ähnlichen Ergebnis: „gemessen jedenfalls an der traditionellen Lehre, [sind] Funktion und Wirklichkeit des Glaubens zum guten Teil auf den Gegenstand übergegangen“, sodass der Mensch selbst eher in den Hintergrund tritt (E. C. Hirsch, Glauben, 349 f.).  G. Thomasius, Christi Person und Werk. Darstellung der evangelisch-lutherischen Dogmatik vom Mittelpunkte der Christologie aus, Erlangen 1888, 206.

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Möglichkeit nur der Status einer Absicht zukäme, die durch ein ergänzendes Geschehen erst in die Wirklichkeit überführt werden müsste (vgl. IV/1, 313).⁸⁵ Im Gegensatz zu Thomasius entwickelt Barth mit dem munus propheticum Christi (wie in 6.2.3 gezeigt) ein Konzept, in dem erstens der Übergang der Versöhnung von Christus zu uns ein ungeteiltes Gnadengeschehen ist, das zweitens einen dynamischen Prozess bildet, der drittens ein aktual wirkliches Geschehen ist (vgl. IV/3, 209 f.). Das in der Geschichte Hinzukommende ist nach Barth keine subjektive Verwirklichung einer bloßen Möglichkeit, sondern allein die menschliche Erkenntnis, „daß wir uns selbst in Wahrheit für die halten, für die er [Jesus Christus] ist und gehandelt hat.“(IV/1, 314) Diese Erkenntnis sei das dem sola fide entsprechende, „schwache aber notwendige Echo des solus Christus“ (IV/1, 706). Dieses ‚Echo‘ bewirke nicht das Recht des Menschen auf die Gemeinschaft mit Gott, sondern sei als Glaube die „Anerkennung, Besitzergreifung und Betätigung“ dieses Rechts, das Christus stellvertretend für jeden Menschen erworben und verwirklicht hat (IV/1, 573). Für den Gläubigen als Vollzugssubjekt sei dieses ‚Echo‘ aber „kein Selbstverständliches“, sondern „für uns, in unserem Nachvollzug seiner Wahrheit, die Sache eines besonderen, zweiten Schrittes.“ (IV/1, 314) Das begriffliche Verhältnis dieser zwei ‚Schritte‘ wurde bereits als Verhältnis der Verwirklichung der Versöhnung de iure und ihrer geschichtlichen Aneignung de facto beschrieben.⁸⁶ Auf diesen besonderen zweiten Schritt, die geschichtliche Wirklichkeit des Glaubens, muss daher die Frage nach der Rechtfertigung bezogen werden. Da allein der Glaube die Realisierung und Aneignung der Rechtfertigung ist, wird die Rechtfertigung auch bei Barth sola fide, d. h. nur im Glauben

 Hierzu ist anzumerken, dass sich auch bei Barth eine ähnliche Unterscheidung zwischen objektiver und subjektiver Versöhnung findet: Es gebe dort – illic et tunc – eine ontisch-objektive Wirklichkeit der Versöhnung in Christus; hier – hic et nunc – eine noetisch-subjektive Bewahrheitung in den Christenmenschen (vgl. IV/3, 243). Doch geht es bei Barth im hic et nunc nicht um einen subjektiven Teil der Rechtfertigung, sondern lediglich um die „Bewahrheitung“ dessen, was schon de iure illic et tunc für den Gläubigen gilt und wirklich ist (s.o. Kap. 4.3.2).  Siehe Kap. 4.3.2 für eine ausführliche Erläuterung dieser Terminologie Barths. Vgl. auch die Aufstellung bei M. Seils, Glaube, 224. Da Barth auch vom erkennenden „Realisieren“ der Rechtfertigung im Glauben spricht (vgl. IV/1, 690), wird in dieser Arbeit zwischen wirklich und geschichtlich real unterschieden. Damit unterscheidet sich Barth von einer Aufgliederung in ein forensisches und ein effektives Rechtfertigungsverständnis, da sich nicht der Grad und die Art der Rechtfertigung verändern, sondern schlicht die menschliche Erkenntnis derselben. Ebenso urteilt auch Käfer, dass bei Barth zwischen der „in Jesus Christus geschehene[n] Rechtfertigung und Heiligung des Gottlosen“ und „dem Glauben und der Liebe des de facto gerechtfertigten und geheiligten Menschen unterschieden werden müsse.“ (A. Käfer, Inkarnation und Schöpfung, 311).

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empfangen. Insofern kann – contra De Vries und Hirsch – nicht von Barths Aufgabe dieses reformatorischen Prinzips als einer Gerechtigkeit allein im Glauben gesprochen werden. Allerdings wird von Barth – wie von De Vries kritisiert – ein funktionaler Zusammenhang von Glaube und Heil im Sinne einer Gerechtigkeit durch den Glauben abgelehnt. Denn wie in Kap. 4.2 dargelegt, ist Christus der ontologische Grund des menschlichen Wesens und daher ist auch seine Rettungstat eine „ontologische Aussage […] über jeden Menschen als solchen“ (IV/2, 305). Daher bedingt der Glaube nicht erst die Rettung und das Heil des jeweiligen Menschen. Die Entscheidung über das Heil eines Menschen ist daher seitens des Glaubens „keiner Ergänzung bedürftig“ (IV/1, 315). Barth selbst widmet § 61.4 der „Rechtfertigung durch den Glauben“ (IV/1, 686). Dort stellt Barth einerseits klar, dass der Glaube als Werk des Menschen nicht die Rechtfertigung bewirken kann (vgl. IV/1, 688). Andererseits ist der Glaube die Antwort, „in welche[r] also die Erkenntnis der Rechtfertigung ein echt und konkret menschliches Ereignis wird“ (IV/1, 689). Die Konzeption, die Barth in diesem Abschnitt entfaltet, kann somit eher als Rechtfertigung im Glauben beschrieben werden, mit der Barth sich gegen ein funktionales ‚durch den Glauben‘ abgrenzt. Als anerkennendes „Echo“ der Rechtfertigung durch Christus ist der Glauben somit ‚nur‘ ein Erkennen.⁸⁷ Doch dieses Erkennen ist zugleich tätig als anerkennendes „Ja“ zur Gnade Gottes: „Glauben […] heißt ja nur praktisch Ja sagen dazu, daß Gottes Absicht mit uns schon erfüllt, schon verwirklicht ist, so gewiß wir die von ihm Gerichteten sind. Der Morgen ist schon da: es kommt nur darauf an, so zu leben, wie man an diesem angebrochenen Morgen leben darf.“ (II/2, 865)

Barth nutzt hier die Unabhängigkeit der göttlichen Gnade vom Menschen, um seine Auffassung des Glaubens als Erkennen zu plausibilisieren: Denn der Glaube erkennt und begreift das, was auch schon vor und unabhängig von seinem Erkennen und Begreifen wirklich und wahr war. Das Erkennen des Glaubens ist aber nichts rein kognitives, denn allein in der gläubigen Erkenntnis der Rechtfertigung in Christus kommt es zur Aneignung und Realisierung der Rechtfertigung in der

 Zur Rechtfertigung als Erkennen vgl. IV/1, 172. Dieser ‚kognitive‘ Ansatz Barths wird auch schon früher deutlich, wenn er vom ‚Begreifen‘ des Glaubens schreibt: Es ist „unsere Rechtfertigung aus dem Glauben, allein aus dem Glauben, sofern allein der Glaube, dieser aber wirklich, ihre Wahrheit begreift, weil der Glaube an Jesus Christus selber das Leben in ihrer Wahrheit ist.“ (II/2, 854).

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Existenz des Einzelnen. ⁸⁸ Für Barth geschieht die Versöhnung dadurch im Erkennen (vgl. IV/3, 210.249), sodass Erkenntnis und Versöhnung in der Binnenperspektive des Gläubigen zusammenfallen. Weil Jesus Christus selbst diese Erkenntnis bewirkt, geschehe das „Heilsgeschehen nicht nur primär dort, damals, in Ihm, sondern sekundär, aber ebenso real in der durch ihn geschaffenen Heilserkenntnis. Es geschieht also so, daß der, der seiner Erkenntnis teilhaftig wird, eben in ihr auch seiner, des Heilsgeschehens teilhaftig wird“. (IV/3, 248, vgl. 252) Barth hebt die Dignitität der Erkenntnis dabei größtmöglich hervor, indem er Heilsgeschehen und Heilserkenntnis miteinander identifiziert und die Erkenntnis als dasjenige beschreibt, was die vorausgegangene Heilstat Christi gegenwärtig macht: „Geringeres als das darf man von dem Ereignis wirklicher christlicher Erkenntnis nicht denken und sagen. Was in ihr geschieht, ist dies, daß der Mensch durch Christus – durch die Macht seines prophetischen Wortes – (man verstehe das Wort jetzt nicht konventionell, sondern in seinem vollen Gehalt!) zum Christen wird.“ (IV/3, 252)

Daher ist die Aneignung der Rechtfertigung für den Menschen ein notwendiger und eigenständig vollzogener Akt, wenngleich er der Wirklichkeit der Rechtfertigung nichts hinzufügt. Die Besonderheit von Barths Versöhnungskonzeption versucht Hunsinger in der Unterscheidung zwischen „objektivistische[r] Soteriologie“ und „existenzialistischer Soteriologie“ einzufangen, indem er Barths Konzeption der ‚objektivistischen‘ Variante zuordnet, da sie nicht wie die ‚existenzialistische‘ die Wirklichkeit des Heils von der individuellen Verwirklichung abhängig mache.⁸⁹ Übereinstimmend stellt Seils den ‚objektiven‘ Charakter der Versöhnung bei Barth fest und verlagert deshalb den Glauben in den Kontext der Erkenntnis bzw.  Aufgrund dieser realisierenden Funktion des Glaubens konstatiert Barth, dass es der Glaube sei, „in welchem der Mensch zur Rechtfertigung kommt“ (IV/1, 690). Auch Seils weist darauf hin, dass die Versöhnung bei Barth noch des Glaubens als des entsprechenden Nachvollzugs bedarf: „Auch Barth hält innerhalb dessen, was er als ‚ontologisch‘ bezeichnet, eine Distanz offen.“ (M. Seils, Glaube, 224). Hierin besteht eine Ähnlichkeit Barths mit CALVIN, der betont, dass Christi Versöhnung für uns solange nutzlos sei, wie Christus nicht in uns eingegangen ist zur Einheit (vgl. J. Calvin, Unterricht in der christlichen Religion, III.1.1). Hans Küngs Auseinandersetzung mit Barths Rechtfertigungslehre setzt hier an und gelangt zu dem Schluss, dass die Rechtfertigungslehre seit Barth keinen kirchentrennenden Charakter mehr habe (vgl. H. Küng, Rechtfertigung. Die Lehre Karl Barths und eine katholische Besinnung, Einsiedeln 1957, 274). Gegen diese Interpretation Küngs wurden jedoch vielfältig Einwände erhoben (vgl. B. Dahlke, Die katholische Rezeption Karl Barths, 213 und A. McGrath, Justification. Barth, Trent, and Küng, in: SJTh 34 (1981), S. 517– 529).  G. Hunsinger, Karl Barth lesen, 145.

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Offenbarung der Versöhnung: „‚Glaube‘ ist also nicht wesentlich soteriologisch, sondern wesentlich revelatorisch bezogen.“⁹⁰ Härle ergänzt diese Charakterisierungen um die geschichtliche Dimension, „daß Versöhnung bei Barth strenggenommen ein ewiges, vorzeitliches Geschehen ist, das in der Zeit nur durchgeführt wird.“⁹¹ Barths Rechtfertigungsverständnis zielt also nicht darauf, dass die Nichtgläubigen auch ohne den Glauben ein gerettetes Leben haben, weil sie in Christus bereits wirklich gerechtfertigt sind. Der Zielpunkt von Barths Überlegungen ist vielmehr der Gläubige, der erkennt, dass die Rechtfertigung in Christus für ihn wirklich ist. Diese Erkenntnis beinhaltet erstens, dass der Gläubige versteht, dass er auch schon vor seinem eigenen Glauben an Gott in Christus dessen geliebter und gerechtfertigter Mensch war. Zweitens erkennt der Gläubige, dass er dieser Gottesbeziehung nichts hinzufügen kann und damit jeglicher Verdienst des Glaubens ausgeschlossen ist. Drittens erkennt der Gläubige, dass alle seine Mitmenschen ebenso von Gott gerechtfertigt sind wie er selbst, was ihn zum Zeugendienst bewegt.⁹²

6.4.2 Der Vorwurf der kognitivistischen Verengung des Glaubens Barths Charakterisierung des Glaubens als Erkennen im Kontext seines christologischen Universalismus ist nicht ohne Kritik geblieben, die im Folgenden nachzuzeichnen und auszuwerten ist. Für Berkouwer folgt aus Barths christologischem Universalismus, dass der Mensch im Glauben nur noch subjektiv verstehen muss, was Gott objektiv in Christus schon vollzogen hat. Damit reduziere Barth den Glaubensbegriff auf ein „Wissen“ und die Verkündigung auf eine bloße „Mitteilung“ und „Bekanntmachung“.⁹³ Die für Berkouwer wichtigen Aspekte

 M. Seils, Glaube, 202.  W. Härle, Sein und Gnade, 298, Anm. 106. Seils kritisiert jedoch an Härles Urteil, dass es den ontologischen Charakter der Soteriologie bei Barth zwar konstatiere, es jedoch unterlasse, nach der „Ermöglichung und Relevanz“ ihrer Bestätigung zu fragen (vgl. M. Seils, Glaube, 222 f., Anm. 257).  Der Einschluss der Mitmenschen wird in folgender Passage deutlich: „Es schaut der glaubende Mensch ihn [Christus] an und in ihm sich selber, in ihm auch seinen Mitmenschen aller Zeiten und Zonen, die Nahen und die Fernen, um in ihm seine und ihre Gerechtigkeit vor Gott zu finden: sein und ihr Gestern und Morgen sein und ihr Ende, seinen und ihren Anfang, seinen und ihren Freispruch, seinen und ihren Frieden mit Gott […] und so des Menschen Rechtfertigung.“ (IV/1, 704 f.).  G. C. Berkouwer, Der Triumph der Gnade in der Theologie Karl Barths, 255 f. Auch Wüthrich rezipiert Berkouwers Kritik an Barth (siehe M. D. Wüthrich, Gott und das Nichtige, 279).

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Appell, Buße, Bekehrung und Entscheidung des Glaubens würden dabei nivelliert, denn es scheine, als ob die Verkündigung bei Barth nur „ein leeres Wort“ sei.⁹⁴ Dieser Kritik des Glaubens als ‚bloßer‘ Erkenntnis im Sinne eines Wissens sind auch die Interpretationen von Prenter, von Balthasar, Zahrnt und Käfer zuzuordnen.⁹⁵ Wingren zieht aus der auf das Wissen reduzierten Interpretation von Barths Glaubensbegriff weiterführende Konsequenzen. Für die Sünde bedeute es, „daß die Grundsünde in einem falschen Denken besteht und daß – umgekehrt – der Glaube zu einem richtigen Denken wird: das Verb ‚denken’ ergreift die Herrschaft über die Darstellung“.⁹⁶ Der göttlichen Offenbarung bei Barth bestreitet Wingren ferner ihren „Tatcharakter“, stattdessen sei sie nur „Enthüllung“ und rücke damit die „Frage nach dem Wissen des Menschen unvermeidlich in den Mittelpunkt“.⁹⁷ Schließlich stellt Wingren einen Zusammenhang mit dem Geschichtslosigkeitsvorwurf her: Im Glauben würde nichts Neues mehr geschehen, das Böse sei nur ein Schein und ein eschatologischer Sieg Gottes sei nicht mehr nötig.⁹⁸ Wingrens Fazit für den geschichtslosen, bloß kognitiven Glauben lautet daher: „Alles ist geschehen. Was uns fehlt, ist nur die Einsicht.“⁹⁹ Der Einwand kognitiver Vereinseitigung lässt sich positiv als die Forderung formulieren, dass in der irdisch-leidvollen Erfahrung der Sünde der Glaube ‚mehr‘ sein müsse als eine Erkenntnis, indem er eine Macht, Befreiung und Veränderung darstelle. Dann – dies scheint die Hintergrundannahme – könnte der Glaube als Buße und Entscheidung wirklich zu etwas geschichtlich Neuem führen. Allgemeiner und etwas schwächer lässt sich die Kritik dahingehend zusammenfassen,  G. C. Berkouwer, Der Triumph der Gnade in der Theologie Karl Barths, 257.  Vgl. R. Prenter, Die Einheit von Schöpfung und Erlösung, bes. 163 f.; H. U. von Balthasar, Karl Barth, 45. 251; H. Zahrnt, Die Sache mit Gott, 117. 146; A. Käfer, Glaube als Beziehungsfrage, 840 f. Siehe auch die zusammenfassende Darstellung der Genannten in M. D.Wüthrich, Gott und das Nichtige, 282 f.  G. Wingren, Die Methodenfrage der Theologie, 48, der Barths Ausführungen von 1959, mit denen im folgenden Abschnitt 6.4.3 auf diese Kritik geantwortet werden soll, freilich noch nicht kennen konnte. Mit Wingrens Kritik setzt sich auch Josuttis kritisch auseinander (vgl. M. Josuttis, Die Gegenständlichkeit der Offenbarung, 117– 121).  G. Wingren, Die Methodenfrage der Theologie, 50.  Vgl. ebd., 49 f.  Ebd., 49. Vgl. auch Roman Roesslers Analyse, dass der Glaube bei Barth nur eine neue noetische Ebene erschließen könne: „Wenn das neue Sein des Menschen in so exklusivem Sinne außerhalb seiner selbst in Christus konstituiert ist, dann wird die Frage laut, was im Glaubensakt faktisch noch geschieht? Hat das Glaubensgeschehen dann nicht einzig noch kognitiven Charakter? Bleibt die Existenzwirklichkeit des Glaubens im Unterschied zum Unglauben dann nur auf jene Ebene des Noetischen beschränkt?“ (R. Roessler, Person und Glaube. Der Personalismus in der Gottesbeziehung bei Emil Brunner, München 1965, 165, Anm. 38).

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dass Barths Aufnahme der cognitio als Grundcharakter des Glaubens den Glaubensbegriff hinsichtlich seiner Erfahrungsdimension verenge. Gegen diese Kritik soll im Folgenden herausgearbeitet werden, dass es in der Gotteserkenntnis des Menschen zur Wiederholung und Abbildung der Christusgeschichte im Leben kommt. Damit soll herausgestellt werden, dass Barths Erkenntnisbegriff eine umfassende Lebensänderung beinhaltet und nicht ein bloßes Wissen darstellt.

6.4.3 Glaube als existenzielle, tätige Erkenntnis Für Barth bildet das ‚Kennen‘ als die ‚Erkenntnis‘ einschließende Kategorie den Grundbegriff zur Beschreibung des Glaubens,¹⁰⁰ so wie schon Calvin den Glauben als gewisse Erkenntnis der Güte Gottes bestimmt hat.¹⁰¹ Barth begründet diese Entscheidung allerdings nicht mit seiner Beziehung zur reformierten Tradition, sondern in der Sache: Im „tätige[n] Kennen“ sei ausgedrückt, dass die Tat des Glaubens auf ein anderes, ihr vorausgehendes Ereignis antwortet: „Warum gerade ein Kennen? Wir sahen: ihm liegt ein kreatorisches Geschehen als seine Voraussetzung zugrunde: das Sein und Tun Jesu Christi in der den Menschen zum Glauben erweckenden Macht seines Heiligen Geistes. Als das so begründete Geschehen einer menschlichen Tat aber ist der Glaube ein kognitives Geschehen, die schlichte Kenntnisnahme von dem ihm vorangehenden Sein und Werk Jesu Christi. Aber nun eben – es handelt sich ja nicht um eine automatisch sich ereignende Wiederspiegelung […,] sondern um den Menschen – ein spontanes, ein freies, ein tätiges Geschehen.“ (IV/1, 847)

Im Kennen ist für Barth somit ein Zweifaches ausgedrückt: Erstens ist der Glaube als menschliches Kennen ein „kognitives Geschehen“, das im Unterschied zu einem kreatorischen Geschehen etwas Nachträgliches ist: der Glaube erkennt das Faktum, dass Christus sich zuvor für den Menschen zum Retter gemacht hat. Das  Seils kritisiert hierzu, dass Barth „diese Vorrangstellung des ‚kognitiven‘ Charakters des Glaubens – soweit wir sehen – nirgends in ihrer grundsätzlichen Bedeutung gewürdigt und begründet“ hat (M. Seils, Glaube, 229). Siehe die ausführliche Besprechung des Kennens als Anerkennen, Erkennen, Bekennen in Kap. 8. In diesem Abschnitt wird das Kennen nur in der bestimmten Hinsicht der Tätigkeit erläutert.  Vgl. J. Calvin, Unterricht in der christlichen Religion, III.2.7. Der Unterschied zwischen Calvin und Barth liegt darin, dass Barth die Erkenntnis eindeutig auf Christus bezieht, während Calvin etwas allgemeiner die benevolentiae Dei zum Erkenntnisgegenstand erklärt. Vgl. auch Calvins Diktum „Nicht in der Unwissenheit, sondern in der Erkenntnis liegt der Glaube“ (ebd., III.2.2), auf das sich Barth ausdrücklich bezieht (siehe I/1, 241. IV/1, 851).

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kreatorische Moment des Glaubens entstammt daher einzig „von des Glaubens Gegenstand und also von Jesus Christus her“ (IV/1, 841). Zweitens ist das Kennen ein „tätiges Geschehen“, also ein vom Menschen vollzogenes Tun.¹⁰² Im Kennen ist der Mensch daher kein passives, totes Objekt, vielmehr nimmt er selbsttätig auf Gottes Tat Bezug.¹⁰³ Damit ist die Erkenntnis Christi keine rein kognitive Tätigkeit, sondern besteht zugleich in einem gewandelten Lebensvollzug des Gläubigen. Für diesen weiten Begriff von Erkenntnis beruft sich Barth darauf, wie biblisch vom Erkennen gesprochen werde – nämlich weder als passiv noch als Wissenserwerb, sondern als existenzieller Vollzug.¹⁰⁴ In der Tat sei die Bekehrung zum Glauben vordergründig ein Übergang davon, „eine Behauptung zu hören“, dazu sie in der eigenen Existenz „für wahr zu halten“ (IV/1, 314). Der Übergang bestehe kognitiv gesehen nur in der „simpl[en] Konklusion“, dass ich „einer von denen [bin], für die Jesus Christus ist und handelt“ (IV/1, 315). Bereits hier ist der Erkennende jedoch in das von ihm Erkannte mit einbezogen:¹⁰⁵ Es geht ihn unmittelbar an und ist in diesem Sinne auch eine neue Selbsterkenntnis. Und darum beinhaltet diese Erkenntnis noch mehr als diese im engeren Sinn kognitive Dimension, denn sie ist eine Erfahrung, bei welcher der Mensch: „einer anderen, einer ihm zunächst von außen und fremd begegnenden Geschichte in verbindlicher, d. h. in solcher Weise gewahr wird, daß seine Neutralität ihr gegenüber aufgehoben wird, daß er sich aufgerufen findet, sich ihr seinerseits zu erschließen und hinzugeben, sich nach dem ihm in ihr begegnenden Gesetz zu richten, sich ihrem Gang anzuschließen, kurz: die ihm widerfahrende Bekanntschaft mit dieser anderen Geschichte in einer ihr entsprechenden Veränderung seines eigenen Seins, Tuns und Verhaltens zu bewähren.“ (IV/3, 210)

 Zu Barths These des wesentlichen Tätigseins des Menschen s. o. 5.4.  Schon in KD II/1 §25, wo Barth sich mit der Erkenntnis Gottes als Glaubenserkenntnis auseinandersetzt, entwickelt Barth eine vergleichbare Beschreibung des Glaubens als tätig-erkennender Beziehung des Menschen zu Gott: „In diesem Ereignis des Glaubens vollzieht sich auch die Erkenntnis Gottes. Nicht nur die Erkenntnis Gottes, auch die Liebe, auch das Vertrauen zu ihm, auch der Gehorsam gegen ihn.“ (II/1, 11).  „Man wird sich nicht scharf genug einprägen können, daß Erkennen (jada, γιγνώσκειν) in der biblischen Sprache nicht bedeutet: die Erwerbung einer neutralen, in Sätzen, Prinzipien, Systemen zu dokumentierenden Kunde und Wissenschaft von einem dem Menschen begegnenden Seienden – auch nicht bedeutet: den Eintritt in die passive Schau eines jenseits der phänomenalen Welt wesenden Seins“ (IV/3, 210 f.).  Siehe hierzu auch Johannes Fischers Ausführungen zur praktischen Erkenntnis des Glaubens, der das besondere Wirklichkeitsverständnis der christlichen Erkenntnis u. a. aus der Fleischwerdung des Wortes Gottes herleitet: J. Fischer, Glaube als Erkenntnis. Zum Wahrnehmungscharakter des christlichen Glaubens, München 1989, bes. S. 31– 34.

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Die Erkenntnis des Glaubens besteht demnach in der exzentrischen Transformation der eigenen Lebensgeschichte durch die Teilhabe an der Geschichte Christi, in der eine zunächst andere Geschichte zur eigenen wird. Daher kann die Erkenntnis des Glaubens niemals ein neutrales, unaffiziertes Wissen sein, wenn sie ihren Gegenstand recht erfasst: „Erkenntnis im Sinn der biblischen Sprache ist der Vorgang, in welchem das distante ‚Objekt‘ gewissermaßen aufbricht, sowohl seine Distanz wie seine bloße Objektivität aufhebt, um als handelndes ‚Subjekt‘ auf den Menschen zuzukommen, ja in den erkennenden Menschen hineinzugehen und ihn eben damit jener Veränderung zu unterwerfen.“ (IV/3, 210) ¹⁰⁶

Dieses involvierende, verändernde Erkennen hat damit im Gegensatz zum Wissen von Lehrsätzen eine notwendig affektive Dimension. ¹⁰⁷ Entsprechend analysiert auch Oblau unter Bezugnahme auf obiges Zitat (IV/3, 210), dass Barths Verständnis von Erkenntnis als aktive Begegnung verstanden werden muss, womit Barth gerade der „übliche[n] Devaluierung des Begriffs“ entgegentritt.¹⁰⁸ Er kommt zu dem Schluss, „daß die Erkenntnis, die einen Menschen zum Christen macht, nicht nur eine intellektuelle Veränderung und keine bloß noetische Formalität ist.“¹⁰⁹ Wüthrich urteilt in Bezugnahme auf Berkouwers Kritik, dass Glaube bloßes Wissen sei: „Prüft man diesen Vorwurf [Berkouwers] an der Vollzugspraxis und Pragmatik von Barths Theologie, so erweist er sich als falsch.“¹¹⁰ Das Wissen beziehe sich auf das heilsgeschichtliche Drama, was eine „subjektive Involviertheit ins Gewusste“ voraussetzt, sodass die

 Hiemit beschreibt Barth dieselbe Figur der göttlichen Zueignung, die er in I/1, § 6.4 als analogia fidei bezeichnet (vgl. M. Seils, Glaube, 231). Siehe auch Wüthrichs Rekonstruktion, dass Erkenntnis eine Begegnung ist, „in der Jesus Christus als Subjekt am Menschen als erkennendem Subjekt handelt“ (M. D. Wüthrich, Gott und das Nichtige, 308).  Hier entspricht Barths Glaubensbegriff ganz demjenigen Luthers, wie Pannenberg ihn analysiert: die fiducia promissionis enthalte die „Betonung des affektiven, nicht nur intellektuellen Charakters des Glaubens“, weil sich das Vertrauen nicht auf eine Lehre, sondern auf die Verheißung beziehe (W. Pannenberg, Wahrheit, Gewissheit und Glaube, in: W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, S. 226 – 264, 242). Vgl. dazu auch B. Schliesser, Was ist Glaube?, 91.  G. Oblau, Gotteszeit und Menschenzeit, 249 f. Oblau kennzeichnet Barths Glaubensbegriff anhand dreier Aspekte: Erstens sei Erkennen nicht passive Schau, sondern eine aktive Tat. Zweitens vollziehe sich Erkennen in einer Ich-Du-Relation und nicht im objekthaften Ich-EsVerhältnis. Drittens sei die menschliche Erkenntnis Gottes die Begegnung zweier Geschichten, wodurch die Distanz zwischen den beiden überwunden werde (vgl. ebd.).  Ebd., 253.  M. D. Wüthrich, Gott und das Nichtige, 313.

6.4 Die geschichtliche Wirklichkeit des Glaubens als Erkenntnis

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perspektivische Wendung zu einer „(Neu‐) Konstitution des Glaubenssubjektes“ führt.¹¹¹ Das bisher Gesagte zeigt, dass der Glaube für Barth ein hermeneutisches Geschehen ist, in welchem die Erkenntnis Christi zu einem veränderten existenziellen Selbstverständnis des Gläubigen führt. Diese ‚Rückkopplung‘ der Glaubenserkenntnis an die eigene Selbstdeutung führt zu einem radikalen ontischen Existenzwandel des Gläubigen.¹¹² Denn im auf Gott neu ausgerichteten Leben findet „die Wende, die Wandlung, de[r] Übergang“ statt von „der Existenz des gottlosen und also toten, in die Existenz des für Gott, vor ihm, mit und für ihn lebenden Menschen.“ (IV/1, 580, Herv. J. S.) Als existenzielle Wandlung betrifft die Erkenntnis des Glaubens die gesamte „menschliche Daseinsform, Tat und Erfahrung“ (IV/1, 707). Damit beinhaltet die Erkenntnis Christi unmittelbar ein neues Leben: „Glauben ist also realisieren, daß er für uns lebt, heißt […] mit ihm leben.“ (IV/1, 711)¹¹³ Insofern ist der Glaube ein neues Leben, eine reale Befreiung, eine „imitatio Christi […] eine Analogie zu seinem Tun und Verhalten“ (IV/1, 709), er ist „eine konkrete Entsprechung zu dem […], an den er glaubt“ (IV/1, 711). Für Barth leistet auch das in der Erkenntnis eines Vorgegebenen enthaltene rezeptive Moment einen Beitrag zur aktiven Nachbildung Christi, indem es gleich einem Anstoß dazu auffordere und bewege (vgl. IV/1, 709 f.). Die Bedeutung, die Barth der Erkenntnis des Glaubens beimisst, lässt sich auch durch das Gegenteil verdeutlichen. Ein Nichtchrist kann nach Barth zwar die objektive Wahrheit in Christus nicht verändern, auch er ist in Jesus Christus Gottes Bundespartner (vgl. IV/3, 546). Allerdings verändert dieser Mensch dadurch, dass er seine Existenz ohne Gottesbeziehung deutet, seinen Lebensvollzug (vgl. IV/3, 546): Barth expliziert diesen Zusammenhang von Selbstdeutung und ontischer Lebenswirklichkeit am Beispiel der „Lüge“ des Sünders: „Eben mit diesem durch seine Lüge provozierten, ihr entsprechenden verkehrten Bild muß der Mensch nun aber leben.Wie er die Dinge sieht, so sind sie: gewiß nicht an sich, wohl aber

 Ebd., 313 f.  Ebd. Auch Seils kommt zu diesem Ergebnis: „Es ist nicht zu übersehen, daß in Barths Definition des Glaubens als Anerkennen, Erkennen und Bekennen Jesu Christi bei aller Hervorhebung des ‚kognitiven‘ Charakters des Glaubens ebendieser Charakter in erheblicher Weite immer auch unter Einschluß und Berücksichtigung seines kreatorischen Grundes, seines existenziellen Vollzuges und seines dynamischen Dranges verstanden wird.“ (M. Seils, Glaube, 235) Ebenso analysiert Küng, dass das ‚kognitive‘ Geschehen des Glaubens gerade zu einer ontischen Veränderung des Gläubigen führe (siehe H. Küng, Rechtfertigung, 253 f.).  Dabei kommt es „unvermeidlich“ zu einer „Entsprechung dieses seines Seins in Christus im Bereich seines eigenen, von jenem noch zu unterscheidenden Seins, seines Seins im Fleische“ (IV/1, 711).

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6 Die geschichtliche Realisierung des Bundes im Glauben

für ihn, so muß er sie haben und erfahren, so wirken sie auf ihn. Das verkehrte Bild hat als solches Realität und Gewalt über den, der es durch seine Lüge provoziert. […] Er existiert nun in einer seiner objektiven Wirklichkeit fremden, ihr widersprechenden subjektiven Wirklichkeit“. (IV/3, 540)

Für seine ontische Lebenswirklichkeit und Lebensgeschichte ist die mangelnde Kenntnis Gottes demnach ebenso konstitutiv wie für den Gläubigen die positive Kenntnis Gottes. Schließlich kann die Argumentationslast auch umgekehrt und zurückgefragt werden, wie denn anders von einer neuen Wirklichkeit gesprochen werden sollte, wenn nicht in Relation zur Erkenntnis? Die menschliche Wirklichkeit ist unhintergehbar eine subjektiv erfahrene und gedeutete Wirklichkeit.¹¹⁴ Was für den Menschen wirklich sein soll, muss daher in Beziehung auf eine zumindest mögliche Erfahrung stehen. Dies gilt insbesondere für die existenzielle Wirklichkeit des Menschen, die ebenso unhintergehbar ein deutendes Selbstverhältnis darstellt. Barth sagt über die Erkenntnis, dass sie „die echte und ernsthafte menschliche Erfahrungs- und Verhaltungsweise [!]“ ist (IV/3, 251). Was sollte Glaube also mehr sein als ein Erkennen, das die gesamte Erfahrungswirklichkeit des Menschen, sein Verhalten und seine Geschichte grundlegend verändert?¹¹⁵

6.5 Systematische Auswertung: Glaube als geschichtliche Realität In diesem Kapitel wurde untersucht und systematisch nachvollzogen, wie Barth die Verbindung herstellt zwischen der geschichtlichen Realität des Glaubens und der Geschichte Christi. Den ersten Schritt bildete dazu die Rekonstruktion von Barths Geschichtsverständnis in Abschnitt 6.1. Es konnte gezeigt werden, inwiefern Barth sich in der KD gegenüber seiner ‚dialektischen Phase‘ entwickelt hat, indem er nicht mehr von einer Entgegensetzung von Gott und Geschichte ausgeht, sondern die Geschichte als den Ort bestimmt, an dem sich die Offenbarung dem Menschen zeigt (6.1.1). Ferner wurde gezeigt, dass Barth den Menschen als wesentlich ge-

 Siehe zum Beispiel D. Korsch, Dogmatik im Grundriß. Eine Einführung in die christliche Deutung menschlichen Lebens mit Gott, Tübingen 2000, 14– 19.  Vgl. Guntons rhetorische Frage zur Verteidigung Barths: „what else is salvation but the acknowledgment of that which has been done for us already? […] What else do Barth’s critics want?“ (C. E. Gunton, Salvation, in: The Cambridge Companion to Karl Barth, hg. v. J. Webster, Cambridge 2000, S. 143 – 158, 155 f.).

6.5 Systematische Auswertung: Glaube als geschichtliche Realität

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schichtliches Wesen denkt, für das nur dasjenige Realität hat, was ihm in seiner Lebensgeschichte widerfährt und wozu er sich selbsttätig verhält. Daraus folgte für den Glauben, dass er die ‚Geschichte Christi‘ mit der je eigenen Lebensgeschichte tätig vermitteln muss (6.1.2). Es wurde festgestellt, dass Barth einen doppelten Geschichtsbegriff verwendet: Einerseits Geschichte als innerzeitliche, anthropologisch-existenzielle Kategorie und andererseits Geschichte als überzeitliche (aber nicht unzeitliche) Bundesgeschichte. Für das Verhältnis beider Begriffe wurde gezeigt, dass die mit ihnen begriffenen ‚Geschichten‘ Christi und des Menschen aufeinander verweisen. So hat die Versöhnung des Menschen de iure in der Geschichte Christi das immanente Ziel, de facto für den Menschen geschichtliche Realität zu werden. Für die Geschichtlichkeit des Menschen gilt umgekehrt, dass sie teleologisch auf die Bundesgeschichte ausgerichtet ist. Darin wurde ein Moment der Exzentrizität des Glaubens festgestellt: Die zunächst ‚äußerliche‘ Heilsgeschichte Christi wird im Glauben angeeignet als Fluchtpunkt der ‚eigenen‘ Lebensgeschichte. In 6.2 wurde die eine Seite dieses Verhältnisses nachgezeichnet: wie die bereits verwirklichte Versöhnung in Christus auf die geschichtliche Dimension des menschlichen Glaubens verweist. Diese Erörterung wurde als Zurückweisung des Geschichtslosigkeitsvorwurfs gegenüber Barths Theologie kontextualisiert (6.2.1). Es konnte erstens aufgezeigt werden, dass Barths inklusive Christologie und ihr Grundsatz „Gott mit uns“ einen Raum für die reale Beteiligung der Gläubigen an der Versöhnung begründen; dieser Raum wurde als die ‚Zwischenzeit‘ zwischen erster und zweiter Parusie identifiziert (6.2.2). Zweitens wurde anhand von Barths Ämterlehre am munus propheticum Christi gezeigt, dass die geschichtliche Realisierung des Glaubens zum Wesen Christi und seiner eigenen Geschichte gehört (6.2.3). Drittens wurde anhand von Barths Konzeption des heilsgeschichtlichen „Dramas“ gezeigt, dass die Geschichtlichkeit der Zwischenzeit keine fingierte ist, sondern ein dynamischer Prozess, in welchem die Menschen real beteiligte Akteure sind (6.2.4). In 6.3 wurde die andere Seite des Verhältnisses erörtert: die Einbindung des menschlichen Glaubens in die Geschichte Christi und der Versöhnung. Dazu wurde gezeigt, dass Barth die Berufung zum Glauben mit dem Auftrag zum Zeugendienst begründet (6.3.1): Menschen sollen in ihrer Lebensgeschichte zum Glauben an Jesus Christus kommen, um Jesu Geschichte weiterzuerzählen und somit Teil des ‚Dramas‘ der Selbstkundgabe Gottes zu werden. Daraus wurde gefolgert, dass die beneficia salutis den Gläubigen nur deshalb zuteil werden, weil sie diese Gewissheit und Freude für ihren Zeugnisdienst brauchen (6.3.2). Barths Vorordnung des Zeugendiensts vor das persönliche Heil wurde als weitere Form der Exzentrizität des Glaubens interpretiert: Als Zeuge kommt der Gläubige in der

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6 Die geschichtliche Realisierung des Bundes im Glauben

Ausrichtung auf Christus und seinen Dienst an allen Menschen zu sich selbst und nicht in der Selbstbezüglichkeit persönlicher Rettung. Schließlich wurde in 6.4 danach gefragt, worin die geschichtliche Wirklichkeit des menschlichen Glaubens für sich genommen besteht. Die zentrale Bestimmung des Glaubens ist hierbei die Erkenntnis Gottes: Glaube verwirklicht die Versöhnung nicht, da diese neue Wirklichkeit in Christus de iure bereits besteht, aber der Glaube erkennt diese neue Wirklichkeit. Es wurde aufgezeigt, dass Erkenntnis von Barth so umfassend gedacht wird, dass sie keine verengende Reduktion des Glaubensbegriffs darstellt, sondern die existenzielle, tätige Veränderung des Gläubigen durch das von ihm Erkannte beinhaltet. Dem Glauben als Erkenntnis entspricht erstens, dass der Glaube nicht die Rechtfertigung bewirkt, diese aber nur im Glauben für den Christen wirklich wird, weil er sie erst im Glauben erkennt und für seine existenzielle Selbstdeutung aneignet (6.4.1). Dabei wurde erläutert, inwiefern Barth das reformatorische sola fide respektiert und es als ‚Rechtfertigung im Glauben‘ auslegen kann. Zweitens konnte durch das rekonstruierte umfassende Verständnis von Erkennen den gegenüber Barth geäußerten Vorwürfen einer ‚kognitiven Engführung‘ des Glaubens (6.4.2) begegnet werden: Der erkennende Glaube ist kein Wissen von Lehrsätzen, sondern beinhaltet eine grundlegend veränderte Selbstdeutung, die als existenzielle Veränderung den Menschen auch auf ontischer und affektiver Ebene betrifft (6.4.3). Der Glaube wurde in diesem Kapitel somit zweifach charakterisiert: Erstens ist er ein Teil der Selbstdurchsetzung Christi und somit selbst ein Bestandteil des Versöhnungswerkes Christi. Zweitens ist der Glaube kein ungeschichtliches Ereignis, sondern vollzieht sich innerhalb der Lebensgeschichte des Gläubigen als eine Weiterführung und Spiegelung der Geschichte Christi. Im folgenden Kapitel ist diese Geschichte des Glaubens näher zu analysieren. Dafür haben die in diesem Kapitel entwickelten Grundbestimmungen des Glaubens als Erkenntnis und Zeugendienst die Voraussetzungen geschaffen. Doch die bis jetzt entwickelten Bestimmungen verraten noch nicht, dass die Geschichte des menschlichen Glaubens keineswegs linear ist. Wie eine mikrokosmische Analogie zum ‚heilsgeschichtlichen Drama‘ vollzieht sie sich in der Ambivalenz von altem und neuem Sein, die Barth als tägliche Umkehr beschreibt. Daher ist in Kap. 7 zu eruieren, wie Barths Entwurf die Kontinuität der menschlichen Glaubensgeschichte mit der Unverfügbarkeit des neuen Seins in Christus vermitteln kann.

7 Das Sein des Glaubens im Werden Im ersten Hauptteil dieser Arbeit wurde vornehmlich anhand von Barths Bundesund Schöpfungslehre gezeigt, dass das ‚wahre‘ Sein und Wesen des Menschen nach Barth in Christus liegt, d. h. ‚ek-zentrisch‘ verfasst ist. In Kap. 6 konnte daran anschließend der Glaube als die geschichtliche Realisierung dieses Seins in Christus expliziert werden, durch welche die ‚Geschichte‘ Christi in der ‚Zwischenzeit‘ ihre irdische Entsprechung findet. Das vorliegende Kapitel setzt gleichsam am Schnittpunkt der Geschichte Christi und des Gläubigen an und untersucht die Art und Weise, wie Barth die aneignende Entsprechung des Gläubigen im Vollzug seiner Lebensgeschichte denkt. Dabei ist die bisher erfolgte prinzipielle Klärung des Glaubens als ein geschichtlicher Vollzug nun durch die ihm eignende Dynamik zu ergänzen: Der Gläubige habe auch als Gläubiger „[k]ein abstraktes Sein“ und „kein habituelles Haben“ seiner Gottesbeziehung, das vom „Ereignis seiner Begegnung“ mit Gott losgelöst wäre (III/4, 763).¹ Der Glaube ist somit zwar die sich potenzierende Geschichte Christi in den Gläubigen (siehe Kap. 6), aber dabei zugleich – wie in diesem Kapitel zu untersuchen ist – ein dem Gläubigen selbst nicht verfügbares Geschehen. Darin leuchtet eine Spannung zwischen dem Aktualismus und der Geschichtlichkeit des Glaubens auf, die Mangina analog in Bezug auf Barths Ethik kritisiert hat: dort bestehe eine Spannung zwischen der „moral transformation“ des Gläubigen und einem „ethical occasionalism“.² Im Bezug auf den Glauben ist unklar, wie Barth einerseits von der realen Veränderung und Heiligung des Gläubigen ausgehen und andererseits den Glauben ‚aktualistisch‘ verstehen kann, sodass kein kontinuierliches Wachstum im Glauben oder die Ausbildung religiöser Tugenden möglich scheint, sondern bloß ein täglich neues Suchen nach dem Willen Gottes.

 An diesen 1951 publizierten Sätzen zeigt sich paradigmatisch die Kontinuität zu Barths früheren Aussagen zur Unverfügbarkeit Gottes, wie zum Beispiel in einem Zeitungsbeitrag von 1928: „Wir sind nur durch Gott selbst Christen und haben keine Macht darüber, es zu sein, keine Mittel, es zu werden und zu bleiben.“ (K. Barth, Das Wagnis des Glaubens (1928), 297).  J. L. Mangina, Karl Barth on the Christian Life, 166 – 168 in Bezug auf S. Hauerwas, Character and the Christian Life. A study in Theological Ethics, San Antonio, TX 1985, 156 – 176 und N. Biggar, The Hastening that Waits. Karl Barth‘s Ethics, Oxford 1993, 129. Mangina entwickelt hierzu mit Rekurs auf Barths späte Vorlesung zum Christlichen Leben (siehe K. Barth, Das christliche Leben) das Gebet als diejenige Form, in der ein Christ täglich neu Gott suche (vgl. J. L. Mangina, Karl Barth on the Christian Life, 177). Über die das ‚Suchen‘ des Gläubigen ermöglichende theologische Begründung oder eine weitere Explikation dieses je neuen Suchens, die für die vorliegende Arbeit von Interesse sind, schweigt Mangina allerdings. https://doi.org/10.1515/9783110574876-008

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7 Das Sein des Glaubens im Werden

Die Diagnose einer Spannung zwischen Barths Aktualismus und der Geschichtlichkeit der menschlichen Existenz formuliert Bonhoeffer auf pointierte Weise in Akt und Sein. ³ Ihm zufolge treffe bei Barth die Offenbarung den Menschen nur in einem überzeitlichen ‚Akt‘ und daher entfalle ein kontinuierlichgeschichtliches ‚Sein‘ in der Offenbarung.⁴ Zwar versuche Barth, den Akt der Gottesbegegnung geschichtlich zu denken, doch nach Bonhoeffers Kritik von 1929 scheitert dieser Versuch: Glaube könne bei Barth nur einen Hinweis auf Gottes Tun darstellen, denn in der Geschichte zeige sich nie das Ereignis der Gottesbegegnung.⁵ Bonhoeffers Kritik bezieht sich wesentlich auf Barths Rede von einem „immer wieder ‚mit dem Anfang anfangenden‘ Akt“.⁶ Solche Formulierungen werden von Barth nicht nur während seiner ‚dialektischen Phase‘ verwendet, sondern auch in KD IV finden sich verschiedene Stellen, in denen Barth den Glauben als „täglich neu anfangenden“ beschreibt (vgl. IV/4, 42).⁷ Dies sind erste Indizien dafür, dass die genannten kritischen Punkte aus der dialektischen Phase Barths in der KD erhalten bleiben, dort jedoch mit Barths neuem Geschichtsverständnis und geschichtlicher Konzeption des Glaubens verbunden werden müssen.⁸ In dem vorliegenden Kapitel soll daher der aktualistisch-ereignishafte Aspekt des Glaubens anhand des in Barths Versöhnungslehre entwickelten dynamischen Übergangs vom ‚alten‘ zum ‚neuen‘ Menschen untersucht und in die anthropologische Gestalt des Glaubens eingezeichnet werden. Wie wird dieser Übergang

 Siehe dazu die Analyse bei C. Tietz, Bonhoeffers Kritik der verkrümmten Vernunft, 163 – 167.  D. Bonhoeffer, Akt und Sein, 49. 77– 81. Dieser Thematik nimmt sich van’t Slot an, der Bonhoeffers Kritik an Barth hinsichtlich des Glaubensverständnisses analysiert. Siehe E. van ’t Slot, Negativism of Revelation?, zu dem Anliegen seiner Arbeit bes. S. 10 – 12; siehe zu dem gegenwärtigen Stand der Literatur, die sich bereits diesem Thema gewidmet hat, S. 12– 30. Slot fasst Bonhoeffers Kritik folgendermaßen zusammen: „can Barth, and can those who join him in his basic theological decisions, while they account for intentional faith as the true focus on the living God, also account for faith as a human, conscious state of being that as such has continuity and impact in the life and the world of the believer?“ (ebd., 62).  Vgl. D. Bonhoeffer, Akt und Sein, 78. Siehe auch van’t Slots Ausführungen über Bonhoeffers Vorwurf der ‚transcendentalist theology‘ bei Barth: E. van ’t Slot, Negativism of Revelation?, 96.  D. Bonhoeffer, Akt und Sein, 78 in Bezug auf K. Barth, Die christliche Dogmatik im Entwurf, 390.  Zu Barths Aktualismusverständnis in seiner dialektischen Phase siehe E. van ’t Slot, Negativism of Revelation?, 140 – 148. Auch mit Blick auf Barths spätere Entwicklung diagnostiziert van’t Slot „a continuous critical proviso in all theological discourse.“ (ebd., 172, Anm. 320).  Zu den Veränderungen in Barths Geschichtsverständnis gegenüber der dialektischen Phase, siehe Kap. 6.1.1.

7 Das Sein des Glaubens im Werden

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des Gläubigen vom homo peccator zum homo iustus in der Welt geschichtlich? Dazu sind in einem ersten Schritt (7.1) die dogmatischen Grundlagen für Barths Verständnis des alten und des neuen Menschen und ihr Verhältnis im simul iustus et peccator zu klären. Es soll gezeigt werden, dass der Übergang vom alten zum neuen Menschen für Barth erstens in Christus selbst vollzogen worden ist und zweitens von Christus auch gegenwärtig vollzogen wird, sodass der Übergang im geschichtlichen Werden des Gläubigen selbst ein Moment seiner participatio Christi darstellt. In Abschnitt 7.2 ist aus dieser Figur des Übergangs bzw. der „Umkehr“ zu entwickeln, weshalb Barth den Übergang zum neuen Menschen als unvollendete Anfänglichkeit des menschlichen Glaubens beschreibt. Demnach geschehen im Glauben zwar reale Veränderungen im Leben des Gläubigen, diese warten aber noch auf ihre eschatologische Vollendung, sodass der Gläubige stets auf unvollkommene Weise glaubt und in Anfechtung leben muss. In 7.3 wird der damit verknüpfte Aspekt der Unverfügbarkeit des Glaubens analysiert und erläutert, inwiefern der Gläubige auf die täglich neue Ermöglichung seines Glaubens durch Christus angewiesen ist. Dabei kann ein Bezug zu Barths Aktualismus in KD I hergestellt werden. Zuletzt muss in 7.4 die Frage beantwortet werden, wie sich diese Unverfügbarkeit des Glaubens auf die Glaubensgewissheit des Gläubigen und die Kontinuität seines Christseins auswirkt: Ist dem Gläubigen sein eigener Glaube derart unverfügbar, dass er sensu strictu keine Gewissheit in ihm haben kann? Wie gezeigt werden soll, liegt nach Barth die wirkliche Glaubensgewissheit in der Tat nur in Jesus Christus, zugleich aber kann Barth von einer inneren Gewissheit des Gläubigen sprechen, die sich aus seinen bisher erlebten Ereignissen des Glaubens speist. Ferner ist zu erläutern, wie das täglich neue Anfangen im Glauben mit der Kontinuität und personalen Identität in der Existenz des Gläubigen kompatibel ist. Es kann analog zur Gewissheit gezeigt werden, dass die Kontinuität des Glaubens für Barth zwar allein in Jesus Christus gründet, der Christ aber in dem Modus der Erinnerung seines bisherigen Glaubens auch seine zukünftigen Glaubensereignisse erwarten kann. Für die Bestimmung der anthropologischen Gestalt des Glaubens wird dieses Kapitel zeigen, dass der Glaube aufgrund seines ihm unverfügbaren Gegenstandes nur in Gestalt einer Deutung vollzogen werden kann, die als solche eine menschliche Tat ist und auf ihre je neue, ereignishafte Validierung durch Gott hofft. Das Problem der Spannung von Aktualismus und Geschichtlichkeit bei Barth wird somit gelöst, die in ihm diagnostizierte Spannung jedoch nicht nivelliert, sondern im Glauben als Deuten wiedererkannt. Demnach gewinnt der aktualistisch ermöglichte Glaube nur als deutendes Zeugnis Gottes, welches die Spannung des eschatologischen ‚Vorbehalts‘ behält, seine geschichtliche Gestalt.

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7 Das Sein des Glaubens im Werden

7.1 Der neue Mensch im Werden: participatio Christi In diesem Abschnitt soll die Art der Teilhabe des Gläubigen an Christi Wirklichkeit geklärt werden. Dabei ist besonders auf die Zeitstruktur dieser Teilhabe zu achten, weil sie den Schlüssel zur näheren Bestimmung der Relation zwischen Jesus Christus und dem Gläubigen darstellt, denn für Barth ist die neue Wirklichkeit de iure in Christus schon geworden, de facto ist sie jedoch noch im Werden begriffen: „Ein Christ steht in Jesus Christus wohl im Gewordensein, für sich und in seiner Zeit aber im Werden.“ (IV/2, 342)

In Christus ist jeder Mensch bereits neu geworden, in seinem eigenen Leben muss dieses Gewordene aber erst noch werden. Diese fast widersprüchliche Spannung zwischen Gewordensein und Werden ist für Barths Ansatz leitend. Sie trägt der menschliche Glaube aus: Im Glauben kann der Mensch de facto daran teilnehmen, was ihm de iure in Christus schon gilt. Dabei ist das christliche Leben grundsätzlich von der Spannung eines ‚schon jetzt‘ und ‚noch nicht‘ durchzogen: obwohl die Wirklichkeit Christi das Leben des Gläubigen schon jetzt verändert, entspricht sein Leben dieser neuen Wirklichkeit noch nicht völlig. Im Folgenden wird dementsprechend untersucht, wie dieses Verhältnis zwischen Christi einmaligem Versöhnungsgeschehen und den verschiedenen, vielfältigen, irdischen Glaubensakten im Werden zu verstehen ist. Dabei wird Barths Gedanke, dass auch Christus selbst ein im Werden Begriffener ist, eine Schlüsselfunktion einnehmen. Dadurch muss der Gläubige nicht gleichsam alleine das werden, was Christus schon geworden ist, sondern sein eigenes Werden gewinnt seine werdende Gestalt im Werden Christi. Der Übergang vom alten zum neuen Menschen ist also nicht etwas, das allein die Gläubigen als Sünder betrifft, sondern Christus selbst ist ein ‚im Übergang Begriffener‘. Der im Folgenden zu explizierende Kerngedanke Barths ist demnach, dass das Werden des Glaubens in einer Analogie zum Werden Christi steht. Daher ist der Glaube nicht das eigentliche ‚Werden‘ des Neuen, sondern im menschlichen Glauben kommt es zu Spiegelungen des Werdens Christi. Der eben skizzierte Zusammenhang von Gewordensein und Werden wird in vier Schritten entfaltet. Erstens (7.1.1) soll nachgezeichnet werden, wie für Barth in Christus der ‚neue Mensch‘ geschaffen und damit die für alle Menschen gültige Heiligung verwirklicht wurde. De facto sind die Menschen jedoch ebenso von der Sünde betroffen, was die Frage aufwirft, in welchem Verhältnis Heiligung und Sünde zueinander stehen. Diese Frage soll zweitens (7.1.2) anhand von Barths Interpretation des simul iustus et peccator beantwortet werden. Die bei Barth zeitlich qualifizierte Struktur des simul wird dabei als Bewegung der ‚Umkehr‘ und

7.1 Der neue Mensch im Werden: participatio Christi

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des ‚Übergangs‘ charakterisiert. Anhand der Figur der Umkehr soll drittens (7.1.3) gezeigt werden, dass sie in erster Linie ein Werden Christi bezeichnet, in welcher das menschliche Werden auf ‚ek-zentrische‘ Weise gründet. Schließlich (7.1.4) wird gezeigt, wie der Glaube sich dieses Werden Christi als analoge Spiegelung aneignet und in eine menschliche Vollzugsform überführt.

7.1.1 Der neue Mensch und die Heiligung als Geheimnis in Christus Worin besteht für Barth das Ereignis der Versöhnung, d. h. was ist durch Jesus Christus de iure neu geworden? In Jesus Christus ist der homo peccator gestorben und in ihm hat Gott einen neuen homo iustus et sanctus geschaffen. Barth beschreibt diese beiden status wie folgt: Das Urteil am Kreuz „erklärt[, …] daß der Mensch der Übertreter, der Sünder, der Bundbrüchige, als den Gott ihn vorfindet […], nicht mehr [ist], daß er als solcher gestorben und also erledigt, aus der Welt geschafft ist, daß mit ihm als solchem nicht mehr zu rechnen ist, daß er als solcher keine Zukunft mehr hat. An seine Stelle als Übeltäter ist ja Jesus Christus getreten. Und an seiner Stelle hat Jesus Christus den den Übeltätern zukommenden Tod erlitten.“ (IV/1, 99 f.)

Damit wird am Kreuz der alte Mensch offenbar und seiner Existenz als homo peccator zugleich ein Ende bereitet. An die Stelle des Übertreters tritt in Jesus Christus der „Gottes Willen erfüllende[ ] Mensch“ (IV/1, 101): „Die Auferstehung Jesu Christi von den Toten ist zugleich der Vollzug und die Proklamation dieses positiven Urteils Gottes: der dem göttlichen Partner adäquate menschliche Partner, der Mensch des göttlichen Wohlgefallens, der Mensch als treuer Knecht und Freund Gottes, als sein liebes Kinde – dieser Mensch ist in der Auferstehung Jesu Christi aus dem Grab von Gott auf den Plan geführt“. (IV/1, 101)

Dieses neue Sein des Menschen, das mit der Auferstehung Jesus Christi beginnt, ist das Sein des „Gerechten“ (IV/1, 102). Das Geschehen von Kreuz und Auferstehung bedeutet somit, „daß er [der Mensch] als alter Mensch in Jesus Christus gestorben und als neuer Mensch in Jesus Christus geschaffen und lebendig ist“ (IV/1, 105).⁹ Christi Versöhnungstat beinhaltet somit nach Barth sowohl den Tod

 Vgl. auch Barths Ausführungen in IV/2, 554: „daß in dem gekreuzigten Menschen Jesus, in dem unser alter Mensch in ihm starb, ein neuer Mensch, der Heilige Gottes an unsere Stelle getreten ist: ein neuer Mensch als das Subjekt neuer, anderer, Gott gehorsamer und Gott wohlgefälliger Taten“.

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7 Das Sein des Glaubens im Werden

des alten Menschen als auch die Schaffung des neuen Menschen. In seinem Kreuz und seiner Auferstehung ist dies de iure Wirklichkeit geworden. Das Verhältnis von altem und neuem Menschen beschreibt Barth dabei als ‚Ersatz‘ des alten durch den neuen Menschen.¹⁰ Ihr Verhältnis sei das eines „unüberbrückbaren Abgrund[es]“ (IV/1, 634), dem neuen Menschen wird jegliche „Identifikation“ mit dem alten und seinem Unrecht abgesprochen (IV/1, 635). Diese scharfe Abgrenzung besteht, weil sie Gottes Urteil über den Menschen darstellt: Gott scheidet zwischen den beiden, indem er tötet und lebendig macht. Die neue Wirklichkeit Christi gilt de iure für alle Menschen, weil Christus für uns alle gelebt hat und sein Handeln uns alle stellvertretend umfasst (auch s.o. Kap. 4.2). Deutlich wird diese Geltung Christi für alle Menschen in Barths Versöhnungslehre daran, wie Barth Heiligung versteht: In Christus ist nicht nur die Rechtfertigung der Menschen, sondern auch ihre Heiligung bereits geschehen (vgl. IV/2, 582), sodass Barth von der Heiligung als „Erschaffung einer neuen Existenzform des Menschen“ durch Jesus Christus spricht (IV/2, 581). Die Heiligung als Existenzform ist „in dem einen Jesus Christus tatsächlich mächtig und verbindlich für alle – für alle Menschen also, nicht nur für das Volk Gottes, nicht nur für die Heiligen, sondern für jeden Menschen – verwirklicht“ (IV/2, 586 f.).¹¹ In Christus ist demnach für alle Menschen (unabhängig von ihrem Glauben) ein neues Sein erschaffen worden. Man beachte, dass Barth hier durchgehend die Zeitbestimmung des Gewordenseins, den Perfekt verwendet, während er später den konträren Aspekt des Werdens, das Futur betonen wird. Als Gewordensein geht das neue Sein des Menschen seinem faktischen geschichtlichen Vollzug voraus, denn dieses neue, heilige Sein ist in Christus „wahr“, vor und „unabhängig“ von seinem geschichtlichen Vollzug (IV/3, 7). In Christus ist demnach de iure jeder Mensch neu geworden. Dieses Gewordensein in Christus wird zunächst dadurch auf die übrigen Menschen und ihre geschichtliche Wirklichkeit übertragen, dass der alte Mensch von Gott nicht mehr „ernst genommen“ wird, sondern Gott jeden Menschen schon als neuen Menschen betrachtet (IV/2, 648). Vor Gott kann ein Mensch „gar nicht mehr sein […], der er war, nur noch sein […], der er [als neuer Mensch in Christus, J. S.] sein wird.“ (IV/2, 649)¹²

 An die Stelle der Vorstellung von Christi Stellvertretung als eines ‚fröhlichen Wechsels‘ tritt bei Barth die Vorstellung des „Ersatz[es]“ (IV/1, 102). Siehe zu dieser Verschiebung im Stellvertretungsgedanken G. C. Berkouwer, Der Triumph der Gnade in der Theologie Karl Barths, 296 f.  Barth schließt sich hierbei Calvins Lehre von der participatio Christi an, kritisiert jedoch, dass Calvin deren universale Tragweite nicht verstanden habe (vgl. IV/2, 588).  Daher analysiert Wingren, dass Barth eigentlich gar nicht berechtigt sei, das Begriffspaar ‚alter Mensch – neuer Mensch‘ zu verwenden, da der alte Mensch sensu strictu vernichtet sei und somit nicht mehr im Gegensatz zum neuen Menschen stehen könne (vgl. G. Wingren, Die Me-

7.1 Der neue Mensch im Werden: participatio Christi

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7.1.2 simul iustus et peccator – eine Geschichte im Werden Die gegenwärtige geschichtliche Realität der Menschen entspricht jedoch faktisch nicht der neuen Wirklichkeit in Christus. Vielmehr zeigt sie, dass die Menschen de facto an ihrem Zustand ante Christum festhalten und leben, als ob es sie in ihrer Sünde noch gäbe (vgl. IV/1, 320 f.). In der Weltsituation lebt der Mensch also paradoxerweise noch wie der alte Mensch, obwohl es diesen de iure nicht mehr gibt. Daher ist folgend zu klären, wie die Christen zumindest teilweise von dieser neuen Wirklichkeit geprägt werden, und warum ihre Gegenwart zugleich nicht völlig durch sie bestimmt wird. In der Binnenperspektive des Nicht-Christen wird diese Spannung zwischen ihrem Leben in der Sünde und ihrem heiligen Sein in Christus nicht als Problem wahrgenommen, schließlich wissen sie nicht um ihr neues Sein in Christus. Den Christen hingegen wird im Glauben diese Wirklichkeit Christi erschlossen und sie werden zur Teilnahme an Christi Heiligkeit berufen (vgl. IV/2, 590). Doch auch sie leben faktisch ebenfalls in der Sünde. Denn faktisch ist auch für Barth jeder Mensch ein „homo peccator, und er hört auch in jener Geschichte [des Glaubens; J. S.] durchaus nicht auf, der homo peccator zu sein.“ (IV/1, 576) Dadurch stehen jedoch die Christen als Gläubige in besonderer Weise in der Spannung zwischen dem, was ihnen in Christus gilt, und ihrer faktisch sündigen Gegenwart. Im Glauben erkennt der Mensch seine eigene Gottlosigkeit als seinen Lebensvollzug durchgängig Begleitendes, nämlich „wie sie hinter ihm liegt, gegenwärtig und doch immer auch zukünftig ist“ (II/2, 501). Diese im Glauben erlebte Spannung beschreibt Barth mit Rekurs auf Luther¹³ als „simul (totus) iustus, simul (totus) peccator“ (IV/2, 646):¹⁴ Beide Bestimmungen stoßen faktisch „[i]n einem und demselben Menschen […] aufeinander: seine ihm geschenkte Freiheit als neuer Mensch in Jesus, im Heiligen Geist und seine

thodenfrage der Theologie, 116). Entsprechend analysiert Oblau, dass das Kreuz den peccator „kurzerhand ausstreicht“ (G. Oblau, Gotteszeit und Menschenzeit, 258).  Vgl. G. Ebeling, Lutherstudien: Begriffsuntersuchungen – Textinterpretationen – Wirkungsgeschichtliches, 479 f. Ebelings Interpretation Barths ist jedoch teilweise kritisch zu bewerten (siehe E. Maurer, Barth-Rezeption bei lutherischen Theologen in Deutschland). Plasger weist zurecht darauf hin, dass Barth das simul dezidiert anders versteht als Luther oder eine ‚lutherische‘ Theologie, da er es nicht als existenzielles Zugleich verstehe, sondern als christologisch interpretiertes Nacheinander (vgl. G. Plasger, Wort und Geist bei Iwand. Eine systematischtheologische Perspektive, in: ZDTh 30.1, H. 60 (2014), S. 101– 117, 112– 115, bes. 114).  Dieses Thema behandelt Barth sowohl im Kontext der Rechtfertigungslehre in IV/1 als auch im Kontext der Heiligung in IV/2. Im Folgenden werden Barths Ausführungen aus beiden Texten zusammengeführt.

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7 Das Sein des Glaubens im Werden

Unfreiheit als alter Mensch, außer Jesus, in seinem Fürsichsein, im Fleisch, in seiner noch präsenten Vergangenheit, beide total“. (IV/2, 652)

Der totus iustus wird dabei mit der Freiheit ‚in Christus‘ identifiziert, der totus peccator hingegen sei der unfreie Mensch ‚außer Christus‘. Zwischen den beiden gebe es „keine Brücke, keine Vermittlung, keine Synthese“ (IV/2, 652), gleichwohl bestimmen beide den Menschen zugleich und vollständig. Es geht dabei also nicht um eine Quantität der neuen Bestimmung, um Reste der alten Bestimmung (vgl. IV/2, 645), oder um ein „partim-partim“ (IV/2, 647).¹⁵ Beide Bestimmungen müssen vielmehr als „Totalität“ aufgefasst werden. Indem beide Bestimmungen totaliter gelten, widersprechen sie sich, da es zwei „sich gegenseitig ausschließende Bestimmungen“ sind (IV/2, 646). So wie Barth das Verhältnis zwischen altem und neuem Menschen als „Ersatz“ oder „Abgrund“ beschrieben hat (s.o. 7.1.1), so gibt es auch zwischen iustus und peccator allein Ausschluss oder Widerspruch. Barth spezifiziert ihr Verhältnis jedoch auf eine besondere Weise, denn sie bilden kein ‚dialektisches‘ Nebeneinander gleichberechtigter Bestimmungen noch führen sie zu einer „Doppelexistenz“ (IV/1, 606). Vielmehr versucht Barth das „koinzidieren“ dieser Gegensätze in Jesus Christus zu denken (IV/2, 647) und in der Geschichte Christi die zeitliche Ordnung dieser Bestimmungen zu begründen: Christus vollzieht sie im Übergang vom Kreuz zur Auferstehung, er lebt als der Gekreuzigte und Auferstandene (vgl. IV/1, 612). Daher ist Christus nicht eigentlich der Beginn des neuen Menschen, sondern vielmehr als der Übergang vom alten Menschen zum neuen Menschen anzusehen. In Christus wurde nicht einfach der peccator vernichtet und der iustus geschaffen, sondern Christi Wirken bilde vielmehr eine Bewegung, einen „Kampf“, eine „Auseinandersetzung“ (IV/2, 644). So setzt Gottes totale „Scheidung“ zwischen dem alten und dem neuen Menschen zugleich in Christus eine „Geschichte“ in Gang, „in welcher der Mensch zur Linken das Woher, der Mensch zur Rechten das Wohin des einen Menschen ist, jener er selbst als der, der er war und nur insofern immer noch ist – dieser wieder er selbst als der, der er sein wird, eben insofern doch schon ist.“ (IV/1, 606)

 Das Verhältnis dürfe nicht quantitativ verstanden werden: „Wie er also von der in seine Gegenwart hineinragenden Vergangenheit her noch ganz im Unrecht und im Tode ist, so nun auch von seiner mit der Verheißung in seine Gegenwart hineinragenden Zukunft her schon ganz im Recht und ganz lebendig. Nur daß er es eben, solange er in der Zeit lebt und auf seine eigene Person gesehen, in der Spannung dieses Zugleich ist: simul peccator et iustus – aber kein halber peccator und so auch kein halber iustus, sondern Beides ganz!“ (IV/1, 664).

7.1 Der neue Mensch im Werden: participatio Christi

283

Ohne den radikalen Bruch und Widerspruch zwischen Altem und Neuen zu nivellieren, versucht Barth also im Christusgeschehen die beiden Bestimmungen in eine zeitliche bzw. teleologische Ordnung zu bringen: Der alte Mensch wird als das ‚Woher‘ und der neue Mensch als das ‚Wohin‘ charakterisiert. Das simulVerhältnis beider wird von Barth gemäß der Bewegungsrichtung des Übergangs als Vergangenheit und Zukunft geordnet: Das ‚Immer-Noch‘ des alten Menschen ist der „terminus a quo“, das „Schon-Jetzt“ des neuen Menschen sein „terminus ad quem“ (IV/2, 647).¹⁶ So ist ein Mensch in Christus „von gestern her noch der alte, für morgen schon der neue Mensch, von gestern her noch unfrei, für morgen schon frei, von gestern her noch träge darniederliegend, für morgen schon sich aufrichtend!“ (IV/2, 647)

Die Pointe dieser Ordnung von Vergangenheit und Zukunft besteht darin, dass alter und neuer Mensch trotz ihrer beider Totalität im simul iustus et peccator doch als Vergangenes und Zukünftiges „ganz und gar ungleich“ sind.¹⁷ Dementsprechend darf auch das simul nicht so verstanden werden, als ob beide Bestimmungen aufgrund ihrer jeweiligen Totalität gleichberechtigt wären.¹⁸ Zwar bestimmen beide den Menschen de facto total, durch die Ordnung der beiden Bestimmungen als Vergangenheit und Zukunft kann aber auch für den Gläubigen als simul iustus et peccator die Asymmetrie gelten, die oben für Gottes Urteil de

 Die besondere Rolle der Ordnung von ‚Woher‘ und ‚Wohin‘ macht Barth anhand der „iustificatio impii“ deutlich (IV/1, 640): Rückblickend (a quo) sei die Rechtfertigung der Freispruch des Sünders und somit handele es sich um die Rechtfertigung des impii. Die Selbstidentifikation des Gläubigen mit der Sünde ist insofern noch nicht gebrochen, als der Gläubige noch weiß, wo er herkommt (vgl. IV/1, 641). Somit nennt Barth diesen Zustand die „anhebende Rechtfertigung“ (IV/ 1, 642), in welcher der Mensch schon am Ziel und noch am Anfang ist, d. h. in der Geschichte des „in dieser Umkehr begriffene[n] Mensch[en]“ (IV/1, 643).Vorwärtsblickend (ad quem) zeigt sich die Geschichte als iustificatio des impii (vgl. IV/1, 659 f.). Im Empfang der Verheißung ist der Mensch nämlich ebenso schon der, der er sein wird (vgl. IV/1, 664).  Beide sind „zugleich“ (IV/1, 639), „unterschieden“ und „miteinander verbunden“ (IV/1, 640). Damit steht ihr Verhältnis in proportionaler Analogie zum Verhältnis der zwei Naturen Christi.  Barth nennt diese Asymmetrie auch eine Zugehörigkeit zu verschiedenen „Aeonen“: „Nur unter dieser Bestimmung, nur in diesem Übergewicht, nur in dieser Entscheidung sind wir beides zugleich: Gerechte und Sünder. Es hat dieser simul iustus et peccator mit einem Herkules, der immer wieder am Scheidewege steht, gerade nichts zu tun. Und dasselbe gilt von allen anderen Bestimmungen, unter denen man von einer Gleichzeitigkeit des alten und des neuen Aeon reden kann. Diese Gleichzeitigkeit bedeutet in keiner Hinsicht, daß wir in gleicher Weise beiden Aeonen angehören.“ (II/1, 707).

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7 Das Sein des Glaubens im Werden

iure ausgeführt wurde: Der peccator wird von Gott „gar nicht“, der iustus „ohne Vorbehalt ernst genommen“ (IV/2, 648).¹⁹ In Kreuz und Auferstehung ist das Ergebnis dieses Kampfes zwischen Altem und Neuem bereits abzusehen, sodass er keinen „Dauerzustand“ darstellen kann (IV/2, 648), sondern es müssen ein Verlierer und ein Sieger aus ihm hervorgehen: Der Tod des alten Menschen und das Leben des neuen Menschen. Das Ergebnis des Kampfes liegt im „Ende und Verschwinden des Einen zugunsten des Werdens, des Lebens, der ausschließlichen, unproblematischen, unangreifbaren Existenz des Anderen“ (IV/2, 649). Die Zukunft steht also unter der Parole „totus iustus!“ (IV/1, 665). Barths teleologische Ordnung des simul iustus et peccator kann als Erläuterung genutzt werden, wie das Gewordensein des neuen Menschen in Christus das faktische Werden im Leben der Christen prägt. Erstens begründet die Geschichte Christi als Geschehen von Kreuz und Auferstehung die Spannung und Dynamik zwischen den beiden Bestimmungen des iustus und peccator. Zweitens ist dieser Spannung dadurch auf der Vollzugsebene eine klare Richtung hin auf die Zukunft gegeben: Weil die Umkehr vom alten zum neuen Menschen und der zukünftige Sieg des neuen Menschen in Christus de iure vollzogen ist, erhält dieses Geschehen, das de facto für uns noch im Vollzug ist, durch das Christusgeschehen seine Richtung.²⁰ Die Ebenen der de iure allein gültigen Wirklichkeit Christi und des weltlichen Seins de facto verlaufen also für Barth nicht parallel nebeneinander, wie es zunächst vielleicht den Anschein hatte, sondern schneiden sich in der Bewegung der Umkehr.

 Eine ähnliche Struktur anhand einer Richtungsordnung hat Barth schon in II/1 bezüglich des Weges zur Gotteserkenntnis eingeführt. Erkenntnis vollziehe sich als Weg, der zwischen dem Anfang als terminus a quo und dem Endpunkt als terminus ad quem liege (vgl. II/1, 201). Der terminus a quo, als die Grenze, an der der Weg einsetzt, sei „die Verborgenheit Gottes“ (II/1, § 27.1). Zielpunkt und Verheißung des Weges sei „die Wahrhaftigkeit menschlicher Gotteserkenntnis“ (II/1, § 27.2). Die beiden termini sind dabei nicht gleichberechtigt, sondern mit dem Bild des Weges wird ausgedrückt, dass die Enthüllung ad quem Sinn und Ziel des Modus der Verborgenheit ist (vgl. II/1, 242). Barth zeichnet somit keine ‚Dialektik‘ von Verborgenheit und Klarheit, sondern löst diese christologisch mit einer Teleologie zur Klarheit hin auf.  Diese teleologische Ausrichtung ist jedoch nicht im Sinne eines stetigen Fortschritts zu verstehen, wie Oblaus Interpretation des simul zeigt: Barth wendet sich sowohl gegen einen statischen Dualismus als auch gegen einen kontinuierlichen Progress des iustus (vgl. G. Oblau, Gotteszeit und Menschenzeit, 291). Daher denke Barth eine „nicht-progressive[ ] teleologische[ ] Existenz des Christen“ (ebd.). Das Telos sei dem Menschen in tempore, aber nicht qua tempore vor Augen (vgl. ebd., 292). Oblaus Interpretation wird gestützt durch das Fazit in Kap. 6.2.4 zur Dynamik des heilsgeschichtlichen „Dramas“ bei Barth.

7.1 Der neue Mensch im Werden: participatio Christi

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7.1.3 Die Umkehr als Akt Christi: Christus selbst ist im Werden Die Christen vollziehen als simul iusti et peccatores eine Bewegung hin zu ihrem neuen Menschensein, sie sind wesentlich im Werden. Als Erweckte sind sie nach Barth „Menschen, die in der Umkehr […] begriffen sind“ (IV/2, 634). Das Sein der Gläubigen wird somit wesentlich als ein dynamisches Werden, d. h. als tätiger Vollzug charakterisiert: Die Christen stehen in der „Umkehr“ (IV/2, 631 f.) oder „Wendung“ (IV/2, 648) der Verneinung des alten und Bejahung des neuen Menschen, womit Barth an die traditionelle conversio-Konzeption anschließt (vgl. IV/2, 634). Die Umkehr beschreibt Barth mit dem Bild des Richtungswechsels: Die Bewegung des alten Menschen verlaufe strikt „dem Tod entgegen“ (IV/2, 634); die Bewegung der Umkehr hingegen habe eine andere Richtung, da sie „eine Bewegung um eine Achse“ ist, sodass der Mensch in der Umkehr nicht mehr linear auf den Tod zusteuere (IV/2, 634). Die Achse, die diese neue Bewegung ausrichtet, ist Jesus Christus, die den Christen, „indem sie ihn an ihrer Eigenbewegung teilnehmen läßt, zum neuen Menschen macht.“ (IV/2, 634) Damit unterscheiden sich die Christen dadurch von den Nicht-Christen, dass ihr Lebensvollzug an der Bewegung der ‚Achse‘ Christus ausgerichtet ist. Die Ausrichtung der menschlichen Umkehrbewegung auf Jesus Christus geht jedoch nicht vom Menschen aus und nutzt Jesus Christus gleichsam nur als Kompass, sondern sie besteht in der Teilhabe an der Eigenbewegung der Achse, d. h. Jesus Christus bewegt den Menschen in eine neue Richtung, indem er als Achse des Lebensvollzugs fungiert. Daher ist Jesus Christus der „Grund und Ursprung“ der Umkehr, insofern der Mensch erst durch ihn „in Bewegung kommt“ (IV/2, 655). Die eigene Umkehr des Gläubigen ist daher wesentlich ‚ek-zentrisch‘ zu begreifen, denn sie ist zugleich „seine [Christi] Umkehr, in der wir begriffen sind.“ (IV/2, 659 f.) Damit wird die Bestimmung der Umkehr von Barth weiter ergänzt, denn Christus hat nicht nur die Umkehr begründet und in Bewegung gesetzt, sondern er ist auch derjenige, der gegenwärtig mit uns und für uns die Umkehr vollzieht und selbst in ihr begriffen ist. Dementsprechend beantwortet Barth die Frage, „[w]er […] der Mensch [ist], von dem wir jetzt dauernd als von dem in der Umkehr Begriffenen geredet haben“ (IV/2, 658), am Ende seiner Argumentation wie folgt: „[E]igentlich nur Er [Jesus Christus] – Er nicht ohne die, denen er als solcher in der Macht des Heiligen Geistes offenbar wird, Er als ihr Haupt an ihrer Spitze […], Er und nur Er.“ (IV/2, 658)

Anders als zunächst zu erwarten wäre, bricht Barth mit der Beschreibung Christi als dem ‚in der Umkehr Begriffenen‘ die eingangs erläuterte Gegensätzlichkeit von

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7 Das Sein des Glaubens im Werden

Gewordensein in Christus und menschlichem Werden auf. Vielmehr sind nun die Gläubigen auf dem Weg und in der Umkehr begriffen, weil Christus selbst in der Umkehr begriffen ist. Gemäß Barths Fundierung der Anthropologie in der Christologie ist im eigentlichen Sinne auch nur Jesus Christus der gegenwärtig Umkehrende:²¹ Die Umkehr sei in ihm „geschehen […], geschieht und [wird] geschehen“ (IV/2, 658). Damit ist Christus neu geworden und zugleich im Werden. ²² Das Werden der Gläubigen bezieht sich dann nicht auf das Gewordensein Christi, sondern nimmt vielmehr per analogiam an seinem gegenwärtigen Werden teil. Dabei kehrt Barth das traditionelle Verständnis von Umkehr als Umkehr des Sünders um: Würde die Umkehr traditionell als Abkehr von Sünde und Tod und Hinwendung zu Gott verstanden, so möchte man einwenden, dass Christus als sündloser Mensch wohl nicht selbst umkehren kann. Somit wäre eigentlich zu erwarten gewesen, dass Christus die Umkehr des Sünders bewirkt, aber allein der Sünder in der Umkehr begriffen ist. Bei Barth hingegen kann die Umkehr als Umkehr Christi keine Buße oder Umkehr des Sünders sein, gerade weil Christus ohne Sünde war und zugleich der eigentlich ‚Umkehrende‘ ist. Angesichts dieser nicht gangbaren traditionellen Alternative scheint es m.E. nur die Möglichkeit zu geben, Barths Gedanken der Umkehr Christi als eine Umkehr des Gehorsams zu verstehen: Obwohl Christus als Mensch in der Welt vielfältige Möglichkeiten der Sünde hätte wählen können, war er allein Gott gehorsam. Seine Umkehr besteht demnach nicht in einer Abkehr, sondern in einer ‚Hinkehr‘, seiner stetigen Hinwendung zu Gott. Die Umkehr setzt dabei nicht die reale Sünde des Umkehrenden voraus, sondern beschreibt vielmehr die Bewegung Jesu hin zur Partnerschaft mit Gott. Der Kulminationspunkt dieser Umkehr liegt dann in Gottes entsprechendem ‚Umkehren‘ des Todes Jesu Christi zum neuen Leben in der Auferstehung. Somit beschriebe die Umkehr die Bewegung von mortificatio und vivificatio, als Abkehr vom Tod und belebender Zuwendung zu Gott, durch die das neue Sein des Menschen als Bundespartner Gottes ermöglicht wird (vgl. IV/2, 654).²³ Christus agiert demnach als in der Umkehr Begriffener gemäß seines prophetischen Amts, indem er gegenwärtig in seiner

 Zur näheren Erörterung von Barths Fundierung der Anthropologie in der Christologie, siehe Kap. 4.1.1.  Zur Einbettung dieses Werdens Christi in den größeren Rahmen der Barthschen Gotteslehre siehe: E. Jüngel, Gottes Sein ist im Werden. Verantwortliche Rede vom Sein Gottes bei Karl Barth, Tübingen 1986, 74– 81.  Die Rede von mortificatio und vivificatio übernimmt Barth von Calvin (siehe J. Calvin, Unterricht in der christlichen Religion, III, 3,9). Allerdings will Barth gegen Calvin die mortificatio von der vivificatio her verstehen und so vermeiden, dass die mortificatio zu „düster“ wird (vgl. IV/ 2, 651; siehe auch E. Maurer, Calvin und Barth, 220).

7.1 Der neue Mensch im Werden: participatio Christi

287

Selbstvergegenwärtigung die vivificatio bewirkt.²⁴ Er ist derjenige, der auch gegenwärtig die Sünde der Welt überwindet und zu Gott hin umkehrt (vgl. IV/3, 191). Für die Gläubigen hat das Primat der Umkehr Christi zur Konsequenz, dass nicht sie zu Christus hin umkehren, sondern dass sie an seiner Umkehr teilhaben; entsprechend beschreibt Barth die „Teilnahme an seiner Gegenwart“ als ein Leben mit ihm „in diesem Übergang (transitus)“ (III/1, 80). Die Umkehr fungiert also nicht als ein Vermittlungsschritt der Hinwendung zum neuen Sein in Christus, sondern sie ist selbst „participatio Christi“ (IV/2, 586). Um das obige Bild der Achse erneut aufzugreifen, ist folglich die Eigenbewegung der Achse die primäre und aktuelle Umkehr Christi, durch welche vermittelt die Christen mit in der Umkehr begriffen sind.²⁵ Daraus erklärt sich, weshalb Barth nicht nur den homo iustus als ‚neuen Menschen‘ bezeichnet, sondern auch der mit Christus „in der Umkehr begriffene“ Mensch schon „der neue […] Mensch“ ist (IV/2, 637; Herv. J. S.): Der Mensch ist neu, wenn er in der Umkehr begriffen ist, denn das „ist das ihm zugewendete Werk der Gnade“, und zugleich ist der neue Mensch „seine Zukunft […], die ihm durch das Wort der Gnade eröffnet wird“ (IV/3, 285). In der participatio der Umkehr ist also nicht nur der alleinige totus iustus gemeint, sondern Teilhabe an Christi Umkehr heißt gerade Teilhabe an seiner Auseinandersetzung und Überwindung des homo peccator zur Erschaffung des homo iustus. Die Sünde des alten Menschen steht dann nicht außerhalb des Christusgeschehens, sondern ist als Überwundene noch ein Bestandteil der Christusgeschichte. Participatio Christi bedeutet dann, die Sünde als Vergangenes zu erkennen. Die anfänglich gestellte Frage, wie Christi Gewordensein mit dem andauernden Kampf und Werden des Gläubigen in der Welt zu verbinden ist, lässt sich nun beantworten: Die Verbindung zwischen Christi einmaliger Heilstat und dem gegenwärtigen Werden der Gläubigen muss nicht vom Menschen selbst oder vermittels eines weiteren Bindeglieds hergestellt werden, sondern diese Verbindung besteht schon in Christi eigenem Werden und Umkehren. So ist es nicht primär der Heilige Geist, der Christi Tat für die Gläubigen aktualisiert, sondern Christus selbst wirkt gegenwärtig und ist kraft seines prophetischen Amtes selbst noch im Werden begriffen.

 Zum prophetischen Amt Christi und seiner hier angesprochenen geschichtlichen Wirklichkeit, siehe Kap. 6.2.3; 6.2.4.  Das Bild hat hierbei lediglich die Funktion, die Teilhabe des Menschen an Christus zu verdeutlichen, wie ein Rad sich um seine Achse dreht. Das Bild sollte daher nicht überstrapaziert werden mit Spekulationen über die Art der Bewegung, ob diese dann lediglich eine Bewegung im Kreis wäre und nicht linear auf die Zukunft ausgerichtet sein könnte, etc.

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7 Das Sein des Glaubens im Werden

7.1.4 Die Umkehr in der Geschichte der Gläubigen Was bedeutet das bisher Analysierte für die geschichtliche Realität der Christen? Grundsätzlich führt die Verortung des primären Werdens und Umkehrens in Christus dazu, dass die Gläubigen nicht primär in sich selbst ‚neu werden‘, sondern an Christi Werden teilnehmen und darin selbst neu werden. Ihre geschichtliche Wirklichkeit im Werden ergänzt daher nicht das einmalige Gewordensein in Christus, sondern spiegelt vielmehr das gegenwärtige Werden Christi wider. Dieses ‚Spiegeln‘ gilt es nun näher zu erörtern.²⁶ Barth unterscheidet – gemäß der Unterscheidung zwischen dem Werden Christi und dem Werden der Gläubigen – zwischen dem Grundakt der Umkehr eines Menschen in Christus und verschiedenen, darauf folgenden sichtbaren Umkehrakten im Lebensvollzug dieses Menschen. Als Grundakt des menschlichen Lebens ist die Umkehr nicht punktuell „als die Sache bloß einer Zeit [d]es Daseins zu verstehen“, sondern sie ist die „durchgehende Bewegung [d]es ganzen Lebens.“ (IV/2, 640) Damit verwehrt sich Barth der Auffassung, dass die Umkehr ein begrenztes Geschehen in der Zeit ist, auf das ein anderes folgen könnte, auf das man zurückblicken könnte oder das sich nach dem Rückfall in die Sünde wiederholen könnte (vgl. IV/2, 640). Vielmehr umgreift die Umkehr die existenzielle Wirklichkeit des Gläubigen als Ganze, daher „wird und ist [sie] Inhalt und Charakter [d]es Lebensaktes“ (IV/2, 641). Diese Beschreibung leuchtet dann ein, wenn die Umkehr primär als die Bewegung Christi verstanden wird:²⁷ Die Menschen werden von dieser Umkehrbewegung Christi – wie die Räder von einer Achse – grundsätzlich ‚bewegt‘. Hinsichtlich dieses ‚Grundakts‘ der Umkehr geht Barth zwar von einer Wirkung auf das geschichtliche Leben der Gläubigen aus, jedoch ist diese Wirkung nicht direkt sichtbar oder erfahrbar, denn die Charakterisierung als ein Grundakt würde einer Zergliederung in verschiedene Akte widersprechen. Im geschichtlich-

 Dieser Gedanke der Teilhabe an einer Umkehr, die eigentlich – wie auch die Rechtfertigung – extra nos vollzogen wird, ist m. E. im gegenwärtigen theologischen Diskurs zur Umkehr nicht präsent. Vgl. dazu die Beiträge zum Thema „Conversion“ in Conversion. Claremont studies in the philosophy of religion conference 2011, hg. v. Ingolf U. Dalferth, Michael Ch. Rodgers, Tübingen 2013. Auch in Abrahams expliziter Auseinandersetzung mit dem Thema der göttlichen und menschlichen Tätigkeit in der Umkehr wird eine mögliche Begründung menschlichen Umkehrens im christologischen Umkehren nicht erwogen (vgl. W. J. Abraham, Divine and Human Action in Conversion, in: Conversion, hg. v. I. U. Dalferth, M. Ch. Rodgers, Tübingen 2013, S. 239 – 253).  Barth selbst schreibt dazu: „Es wird aber Alles einfach, wahr und klar, wenn jene Aussagen direkt auf Jesus Christus und dann, als in Ihm für uns erfüllt und für uns mächtig wahr gemacht, indirekt auf unsereins zu beziehen sind.“ (IV/2, 659).

7.1 Der neue Mensch im Werden: participatio Christi

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irdischen Leben kann sich dieses Umkehrgeschehen Christi daher nur „spiegeln“ und „bezeugen“ (IV/2, 660): „Bestimmte Momente im Ganzen des Vollzugs dieses Aktes, bestimmte einzelne Anregungen und Erleuchtungen, Erschütterungen und Wendungen, bestimmte Erlebnisse und Erfahrungen, zu dieser oder jener Zeit gemacht, können gerade nur den Sinn und Charakter besonderer Erinnerungen an seinen Gehalt in seiner Ganzheit haben.“ (IV/2, 641)

Die verschiedenen Vollzüge des christlichen Lebens sind demnach nie direkt Teil des Umkehrgeschehens Christi, gleichwohl erinnern verschiedene geschichtliche Ereignisse an dieses Geschehen. So bestimmt und bewegt Christus mit seiner Umkehr den Gläubigen, geht aber nicht in ihn ein, sondern bleibt ihm gegenüber. Es bleibt also eine stete Unterschiedenheit zwischen dem einen Grundakt des Werdens in Christus und unseren menschlichen, diesen einen Akt widerspiegelnden Umkehrakten.²⁸ Der Christ vollzieht so einerseits selbst die Umkehr in seinem Leben durch seine Taten, und zugleich weiß er, dass sein Umkehren nur ein Spiegeln dessen ist, was extra nos und pro me in Christus geschieht. Und doch ist dieses menschliche Spiegeln, in aller seiner Parikularität, Relativität und Fehlbarkeit im Vergleich zu dem einen Umkehrakt in Christus, der faktische, menschlich-geschichtliche Vollzug der Umkehr. Die Bedeutung dieser menschlichen Akte wird bei Barth daran deutlich, dass die „vita christiana in der Umkehr […] Ereignis, […] Akt, […] Geschichte“ ist und diese Akte den Menschen real „nach vorwärts“, d. h. auf seine Zukunft als homo iustus, ausrichten (IV/2, 647). Im Spiegeln der Umkehr Christi kommt es somit geschichtlich zur Ausrichtung des Gläubigen auf Gott. Und so gibt es nach Barth zwar ein „Gefälle[ ]“ (IV/2, 589) zwischen der Heiligung de iure in Christus und der de facto geschichtlichen Teilhabe an ihr, aber durch die participatio Christi gibt es auch in der sündigen Welt „schon […] in aller Relativität wirklich[e]“ Veränderungen (IV/2, 600).²⁹ Diese Veränderungen im Gläubigen spiegeln zwar die Ver-

 Ein Rückschluss von den einzelnen, menschlichen Akten der Umkehr auf den diese begründenden und vollkommenen Grundakt in Christus wird damit von Barth ausgeschlossen. Es ist zu vermuten, dass Barth sich hierbei gegen eine verbreitete Rezeption der reformierten Ethik stellt, nach der aus den Werken des Menschen abzulesen war, ob dieser erwählt ist oder nicht.  Krötke bestätigt diese Lesart der participatio Christi: „Gottes Tat in Jesus Christus zielt nicht nur auf die Begründung des neuen Seins des Menschen, sondern ebenso darauf, daß das neue Verhalten und Tun des Christen in der Umkehr Wirklichkeit werde.“ (W. Krötke, Der Mensch und die Religion nach Karl Barth, 31) Problematisch ist jedoch an Krötkes Darstellung, dass sie nicht ausreichend zwischen den Ebenen der wahren Umkehr in Christus und ihrer Spiegelung in der

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7 Das Sein des Glaubens im Werden

änderung Christi nur, ohne mit dieser vermischt zu werden, aber ihre Spiegelung gelingt: die Gläubingen sind Abbilder der neuen Schöpfung.

7.2 Das neue Sein des Glaubens als prinzipiell anfangendes Sein Der Mensch spiegelt in seinem Leben das Neu-Werden, das sich primär in Jesus Christus vollzieht. In diesem und dem folgenden Abschnitt (7.2 und 7.3) ist nun weiter zu untersuchen, wie dieses Spiegeln sich im Leben der Gläubigen vollzieht. Das Spiegelbild ist als Abbild vom originären Umkehren in Christus insofern unterschieden, als es je auf sein Urbild angewiesen ist und immer nur ein Abbild desselben sein kann. Beide Aspekte finden sich in Barths Begriff des ‚Anfangens‘ wieder. Barth charakterisiert die Kraft Jesu Christi, die den Übergang von dem Gewordensein und Werden Christi zum realen Werden der Gläubigen bewirkt, als eine Kraft des Anfangs: „Die Kraft, von der wir reden, ist nicht nur die Kraft jenes Anfangs, sondern auch die Kraft dieser jeden Tag ganz neu zu ziehenden Folgerungen.“ (IV/2, 342).

Demnach geschieht das Werden des Glaubens erstens nur in der Kraft dieses „Anfangs“ und zweitens ist dieser Anfang des Glaubens „jeden Tag ganz neu“ zu vollziehen. Diese Figur des zweifachen Anfangs verdeutlichen Barths Ausführungen in KD IV/4: Das christliche Leben „ist und bleibt […] tatsächlich ein Anfang.“ (IV/4, 42) Das Anfang-Sein und -Bleiben benennt zwei Hinsichten des Anfangens (vgl. IV/4, 42– 44): Erstens beschreibt Barth den Glauben damit als ein anfängliches, weil unvollendetes Sein. Zweitens bleibt der Glaube ein täglich neues Anfangen, insofern er dem Menschen unverfügbar ist und dauerhaft auf die ‚Achse‘ Christus und ihre Kraft angewiesen bleibt. Die zwei Aspekte des anfänglichen Glaubens als Unvollendetheit und Unverfügbarkeit sollen im Folgenden in ihrer Bedeutung für den menschlichen Glaubensvollzug untersucht werden. Zunächst soll in 7.2 die prinzipiell anfängliche und insofern unvollendete Gestalt des Glaubens untersucht und ihre Bedeutung für Barths Verständnis der Heiligung des Gläubigen herausgestellt werden. Im folgenden Abschnitt 7.3 wird sodann die unverfügbare Gestalt des Glaubens als einem täglich neuen Anfangen erörtert. geschichtlichen Realität unterscheidet, sodass die hier entwickelte Denkfigur des gebrochenen Spiegelbildes nicht ausreichend zur Geltung kommt.

7.2 Das neue Sein des Glaubens als prinzipiell anfangendes Sein

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In 7.2.1 ist zunächst zu klären, wie Barth den Glauben als Anfang der eschatologischen Vollendung beschreibt. Daraufhin ist zu untersuchen, wie Barth die Aspekte von ‚schon jetzt‘ und ‚noch nicht‘ im irdischen Leben der Gläubigen bestimmt, indem sowohl die Heiligung als reale Veränderung als auch die prinzipielle Angefochtenheit des neuen Seins beschrieben wird. Die Spannung des simul iustus et peccator ist dafür in zwei verschiedenen Hinsichten zu entwickeln: Erstens wird in 7.2.2 gezeigt, wie Barth trotz der simul-Struktur von einer realen Heiligung ausgeht, indem er die Heiligung als ein ‚vorletztes Werk‘ begreift. Zweitens wird in 7.2.3 herausgestellt, wie Barth auch die Anfechtung des Glaubens als strukturell notwendig begreift: Gerade weil der Glaube noch auf seine eschatologische Vollendung wartet, gehören auch Anfechtung, Unglaube und Kampf zur anthropologischen Gestalt des Glaubens dazu.

7.2.1 Glaube als unvollendeter Anfang in eschatologischer Erwartung Die Anfänglichkeit des Glaubens gründet nach Barth im Wesen des christlichen Lebens: Das christliche Leben hat selbst die Gestalt des Anfangs, weil es „einem jenseits seiner Grenzen auf ihn wartenden, vielmehr auf ihn zukommenden Ziel entgegeneilt.“ (IV/4, 44) Damit verbindet Barth das einmalige „Gewordensein einer neuen Kreatur“, welches der Gläubige in Christus erkennt, mit der noch ausstehenden Vollendung der Neuschöpfung, die selbst noch „im Kommen ist“ (IV/4, 42).³⁰ So ist der Glaube „ein in die Zukunft weisendes Anheben“ (IV/4, 42), eine „Adventszeit“ (IV/4, 44). Der Unterschied zwischen dem menschlichen Glaubensleben und der vollendeten Erlösung besteht darin, dass es sich in der Welt nur um ein Leben in der „stückweisen“ Erkenntnis Gottes handelt, das zum „Rätsel des Spiegelbildes“ erweckt ist (IV/4, 44). Das Ziel dieses Anfangs ist allerdings die vollkommene Erkenntnis Gottes, die Schau von Angesicht zu Angesicht (vgl. IV/4, 44). Auch der vollkommenste Moment irdischen Glaubens ist im Unterschied zu der von ihm erwarteten Zukunft dann nur ein „vorletzte[s]“, irdisches Ding, also ein Anfang oder eine „Wegmarke[ ]“ in Bezug auf das von ihm erwartete letzte, himmlische „Ziel[ ]“ (IV/4, 44). Diesen Unterschied verdeutlicht Barth anhand der Gegenüberstellung von Glauben und Schauen (vgl. IV/3, 621): Die unio cum Christo ist das „vollkommene[ ] Sein des Christen“ (IV/3, 636), auf deren eschatologische Offenbarung der Gläu Den hier angesprochenen Themenkomplex von Eschatologie und neuer Schöpfung bei Barth hat Thomas ausführlich untersucht: G. Thomas, Neue Schöpfung, 124– 212. Dabei charakterisiert er die Auferstehung Christi als „unabgeschlossenes Geschehen“ der Neuschöpfung des Menschen (ebd., 162).

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7 Das Sein des Glaubens im Werden

bige noch „wartet“ (IV/3, 621). Sie ist zwar nicht erst ein zu erstrebendes Ziel des Glaubens, sondern das, „was jeden Christen, stehe es mit seiner Entwicklung und Erfahrung, wie es wolle, zum Christen macht“ (IV/3, 630), aber diese unio kann zunächst nur geglaubt und gespiegelt werden (vgl. IV/3, 636). Der irdische Glaube ist eben noch keine Schau. Die zukünftige Vollkommenheit wird in der irdischen Gegenwart „nur in der tiefen Gebrochenheit zeitlichen Lebens“ (II/2, 865) und als das „reale Geheimnis schon dieses unseres zeitlichen Lebens“ (II/2, 866) erkannt. Barth überträgt diese Gestalt des Glaubens in entsprechender Weise auf die Gestalt der Kirche: Die Kirche sieht ihre Verherrlichung nur in ihrem Haupt Jesus Christus und noch nicht in sich selbst als seinem Leib. Denn die „Verschiedenheit von dort und hier“ (II/1, 762) bedeutet auch für die Kirche, dass sie nur eine vorläufige, „zeitliche“ Gestalt des Leibes Christi ist (II/1, 762). Daher nimmt die Kirche einerseits schon an Christi Werden teil und erkennt ihn innerhalb ihrer Grenzen, aber andererseits unterscheidet sie sich klar von der eschatologischen Vollkommenheit. So beschreibt Barth in KD IV/1 die Gemeinde als „vorläufige Darstellung der ganzen in ihm [Christus] gerechtfertigten Menschenwelt“ (IV/1, 718; Herv. J. S.). Die Wendung „vorläufige Darstellung“ artikuliert ein Zweifaches: Einerseits stellt die Kirche in der Welt das Zeugnis von Christi Übergang dar, andererseits ist sie vorläufig, nicht nur in Hinblick auf das kommende Reich Gottes und in Hinblick auf die noch hinzukommenden Menschen, sondern auch in Hinblick auf ihre eigene ambivalente Gestalt.³¹ Entsprechend der hier vorgelegten Analyse urteilt auch Hafstad hinsichtlich der in der Barthinterpretation strittigen Frage nach seinem Eschatologieverständnis, dass es sich bei Barth um keine ‚präsentische Eschatologie‘ handeln könne, da für Barth nicht der tatsächliche Einbruch des Zukünftigen in die Gegenwart, sondern dessen Erwartung im Fokus stehe.³² Käfer bestätigt diesbe-

 Die Darstellung Christi durch die Gemeinde ist ambivalent, da sie „in der jenem Ziel entgegenlaufenden Geschichtszeit vorläufig und in gründlichster Unvollkommenheit [ist], [sie wird] aber real da schon verwirklicht, wo es vermöge des Machtwerkes des Heiligen Geistes zur Erkenntnis ihres Anbruchs und so zur Gemeinschaft der Heiligen kommt.“ (IV/2, 742). So kann Barth davon sprechen, dass es eine reale Identität von Christus und Gemeinde gibt, aber eben nie als „vorhandene“, sondern nur als eine „sich ereignende“ Identität (IV/2, 743). Siehe hierzu auch Krötkes Auseinandersetzung mit der „vorläufigen Darstellung“, der diese allerdings nicht mit der Figur des täglich neuen Anfangs zusammenführt: W. Krötke, Gott und Mensch als ‚Partner‘, 115 f. und W. Krötke, Die Kirche als „vorläufige Darstellung“ der ganzen in Christus versöhnten Menschenwelt, 84 f.  Vgl. K. Hafstad, Wort und Geschichte, 275 – 282, der eine Kombination der perfektischen, präsentischen und futurischen Elemente vorschlägt und so über Kraus hinaus (vgl. H.-J. Kraus, Das Problem der Heilsgeschichte in der „Kirchlichen Dogmatik“, in: Antwort, hg. v. E. Wolf, C.

7.2 Das neue Sein des Glaubens als prinzipiell anfangendes Sein

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züglich zwar ebenfalls, dass Barth zwischen einem irdisch-relativen neuen Sein und dem absolut neuen Menschen in der Erlösung unterscheidet, sie kritisiert daran jedoch, dass ein Unterschied zwischen Versöhnung und Erlösung „das durch den Heiligen Geist offenbarte Werk des Inkarnierten bezogen auf Gottes Heilsverwirklichung als sachlich unzureichend“ beschreiben müsste.³³ Dabei beruft sich Käfer darauf, dass Barth der zweiten, erlösenden Offenbarung Christi keinen anderen Inhalt einräume als der ersten, versöhnenden Offenbarung. Wenn es aber keinen gehaltlichen Unterschied der beiden Offenbarung gäbe, dürfe auch kein Unterschied zwischen dem irdischen und dem eschatologischen neuen Sein angenommen werden.³⁴ Käfers Beobachtung, dass die eschatologische Vollendung kein ganz anderes neues Sein darstellen kann, ist zuzustimmen; Barth schreibt selbst, dass das eschatologische „Angekommensein doch nichts Anderes sein [kann], als die Offenbarung des Geheimnisses seines Unterwegsseins, seiner Geschichte in der Zeit.“ (IV/1, 673) Gleichwohl unterschlägt Käfer mit ihrer Kritik an der Differenz zwischen Gegenwart und Vollendung, dass Barth selbst eine Unterscheidung zwischen dem neu Gewordensein und neu Werden Christi eingezogen hat: Erst die Aufhebung der Welt mit ihrer noch gewährten Sünde ermöglicht den Übergang von der relativ verwirklichten Versöhnung im Werden in ihre vollkommene Gestalt. Der Unterschied zwischen Gegenwart und Vollendung liegt somit darin, dass Gott noch Zeit gibt zwischen Versöhnung und Erlösung und die Versöhnungswirklichkeit entsprechend noch gebrochen ist. Gerade Barths Bestimmung des Glaubens als ‚Anfang‘ sichert, dass das gegenwärtige Werden nicht kategorisch von seiner eschatologischen Gestalt unterschieden ist. Der Anfang zielt auf seine Vollendung und muss ihr gerade als deren Anfang qualitativ entsprechen.³⁵ Was als Unterschied zwischen der anfänglichen Gegenwart und der eschatologischen Vollendung bleibt, ist das endgültige Verschwinden der Sünde aus der Gegenwart oder wie es Barth angemessener als futurum perfectum ausdrückt: dass die Sünde „zurückgeblieben sein wird“ (IV/1, 673). Der Glaube als unvollendeter

von Kirschbaum, R. Frey, Zollikon-Zürich 1956, S. 69 – 83) zu einem dynamischen Parusiebegriff gelangt.  A. Käfer, Inkarnation und Schöpfung, 313.  Vgl. ebd.  Damit kann hier ergänzend Oblaus Charakterisierung von Barths Glaubensverständnis aufgenommen werden, der dieses als ein „prototypisch eschatologisches Geschehen“ bezeichnet: Es geschieht im Glauben zwar „in vorläufiger Gestalt, aber der Sache nach nichts anderes als das, was allen für das Ende der Tage verheißen ist: Auferstehung der Toten zum ewigen Leben.“ (G. Oblau, Gotteszeit und Menschenzeit, 253) Die Teilnahme an Jesus Christus sei bereits „Eschatologie“ (ebd., 267).

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7 Das Sein des Glaubens im Werden

Anfang umfasst daher sowohl den Aspekt der eschatologischen Erwartung, was die Gegenwart als unvollendet kennzeichnet, als auch die Kontinuität zu dieser eschatologischen Vollendung, insofern der Glauben schon mit diesem neuen Sein anfängt und Christi Geschichte in der Welt spiegelt und fortführt.

7.2.2 Heiligung und reale Veränderung im unvollendeten Anfang Anders als vielleicht zu erwarten wäre, schließt die Bestimmung des Glaubens als unvollendeter Anfang die menschliche Heiligung im Glauben nicht aus. Im Folgenden soll geklärt werden, wie Barth die Heiligung des Christen einerseits einschränkt, insofern der Mensch als simul iustus et peccator „nur relativ verändert“ wird, und andererseits daran festhält, dass das irdische Leben im Glauben auch „verändert“ und de facto geheiligt wird (IV/2, 600). Hieran knüpft die in der Forschung diskutierte Frage an, ob Barth den Menschen dabei noch als Sünder versteht oder ob bereits im Ereignis des Glaubens vom Gläubigen als homo sanctus auszugehen sei. Adam Neder hat gegen Barth argumentiert, dass Barths Auffassung der participatio Christi seine kategorische Bestimmung allen menschlichen Tuns als Sünde entschärfe, sodass in der Teilhabe an Christus der Mensch bei Barth ein homo sanctus sei.³⁶ Dann sei Barth aber inkonsequent, wenn er zugleich vom homo sanctus und vom Sünder spreche. Stattdessen wäre es folgerichtiger, dass der Gläubige in manchen Momenten schon wirklich ein homo sanctus sei. Wie zu zeigen sein wird, berücksichtigt Neder jedoch Barths Auffassung des simul iustus et peccator nicht hinreichend. Neders Problemstellung lässt sich sachlich sogar noch verschärfen, da Barth den homo iustus nicht nur – wie die traditionelle Imputationslehre – im göttlichen Urteil vorfindet, sondern von einer realen Veränderung des Gläubigen ausgeht. Deutlich wird dies an der dreifachen Abgrenzung Barths gegen eine vermeintlich katholische Sicht der Heiligung als Einflößung übernatürlicher Kräfte, gegen eine im Neuprotestantismus vertretene Aktualisierung der moralischen Anlagen und gegen die Interpretation der Heiligung als einer neuen Beurteilung des in sich

 Vgl. die Erläuterung von Neder: „In the act of obedience, the human being is – really is – herself who she is in Jesus Christ, i. e., sanctus, just because in this event she really is joined to Jesus Christ. This fact should have led Barth to draw the conclusion that where and when this event takes place, and indeed exclusively in the context of this event, there is nothing left to say about this person than that she is holy.“ (A. Neder, A Differentiated Fellowship of Action. Participation in Christ in Karl Barth’s Church Dogmatics 2005, 302) Neder gelangt dementsprechend zu folgendem Fazit: „For the truth of the matter is that by the mircale of God’s grace human action (and therefore being) really does correspond to divine action (and therefore being)“ (ebd., 304).

7.2 Das neue Sein des Glaubens als prinzipiell anfangendes Sein

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jedoch unveränderten Menschen, wie sie in der lutherischen Orthodoxie vertreten werde (vgl. IV/4, 6). Stattdessen ist die Heiligung eine „Wendung, in der wirklich er, der Mensch selbst frei wird, zu werden, was er zuvor nicht war noch sein konnte, und so zu tun, was er zuvor nicht tat und zu tun unvermögend war: Gott treu zu sein“ (IV/4, 6). Die im Glauben sich ereignende Heiligung ist demnach eine wirkliche Veränderung des Menschen, die bedeutet, „daß er [der Mensch] als Derselbe, der er war, ist und sein wird, auch gar nicht mehr Derselbe sein kann, sondern ein Anderer geworden ist.“ (IV/4, 3). Der Mensch ist dann „ein bei aller Identität mit sich selbst von sich selbst auch verschiedener Mensch“, ein „Träger eines neuen Namens“ (IV/4, 3).³⁷ Für Barth folgt allerdings aus dieser Beschreibung der realen Veränderung keine Einschränkung des simul peccator, wie Neder es für erforderlich hält, denn Barth beschreibt die reale Veränderung der Heiligung als ein irdisches Geschehen innerhalb des simul iustus et peccator: Die Heiligung ist „kein letztes, sondern ein vorletztes Wort“ und insofern Teil des irdischen Glaubens (IV/2, 600). Sie harrt – wie auch der Glaube selbst – der eschatologischen „Verherrlichung“ des homo sanctus (IV/2, 600):³⁸ „Ihre Heiligung ereignet sich da drunten, wo es kein Tun gibt, das nicht auch alle Merkmale der Trägheit an sich trüge, in deren Betätigung der Mensch Gott nicht gefallen, sondern nur mißfallen kann.“ (IV/2, 597)

Heiligung und Sünde schließen einander demnach nicht gegenseitig aus, wenngleich die Heiligung die Sünde verneint. Deutlich wird dies an dem von Barth hierzu eingeführten Bild des Christen als „gestörte[r] Sünder“ (IV/2, 593). Damit beschreibt Barth, dass es ein Gläubiger in seinem Sündersein aushalten müsse, dass das Reich Gottes gegen seine Sünde protestiert, nur könne ihm „bei [seiner sündigen] Sache nicht mehr wohl sein“ (IV/2, 594). Seinem Sein als Sünder wird also durch Christi Heiligung eine Grenze gesetzt (vgl. IV/2, 594 f.). Positiv beschreibt Barth dieses ‚gestörte Sündersein‘ als neue „Bestimmung“ und Heiligung (IV/2, 595). Die Verbindung zwischen dem die Sünde begrenzenden Charakter der Heiligung und der Heiligung als realer Veränderung des Gläubigen zur Konformität mit Christus liegt darin, dass Jesus Christus „gewissermaßen quer hindurch durch des Menschen Existenz diesen Schnitt vollzieht, diese Grenze zieht.“ (IV/2,

 Das hiermit ebenfalls erföffnete Problem der personalen Identität des Gläubigen wird in Abschnitt 7.4 wieder aufgegriffen.  Diese Platzierung der Heiligung auf der Seite der vorletzten Dinge nimmt Barth schon in II/2 vor, wo er sie als des Menschen „Zurichtung, Vorbereitung und Einübung für das ihm bestimmte und verheißene ewige Leben“ beschreibt (II/2, 865).

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7 Das Sein des Glaubens im Werden

600) So wird mit der Einschränkung der Sünde zugleich ein „Raum“ geschaffen „zum Sein für Gott und für die Brüder“ (IV/2, 600). So ist der Mensch in der Störung seiner Sünde zugleich dazu erweckt „auf Jesus zu sehen und darin geheiligt“ (IV/2, 600). In dieser Beschreibung der Heiligung verbindet Barth die zwei Seiten des simul iustus et peccator, dass es erstens wahr ist, „[d]aß sie Sünder sind und bleiben“ (IV/2, 598 f.), und zweitens „noch wahrer, daß sie sich aufrichten, eine Bewegung vollziehen, in der ihr Dasein, wie anfechtbar sie sie auch vollziehen mögen, seinem Dasein, dem Dasein ihres Herrn konform wird und ist.“ (IV/2, 599) So wird die Heiligung des Menschen in aller Gebrochenheit und Unterschiedenheit von Christus selbst ein geschichtlich-reales Ereignis. Damit befreit die Heiligung den Menschen nicht von seinem Sündersein, aber zugleich bleibt seine „menschliche Situation […] nicht, die sie war“ (IV/2, 599). Der Glaube als unvollendeter Anfang beinhaltet somit beides: Der Gläubige wird in der Heiligung verändert und doch ist diese eine vorletzte und unvollendete Veränderung, die ihn auf ihre noch ausstehende, eschatologische Verherrlichung verweist.

7.2.3 Anfänglichkeit in Anfechtung und Kampf Die Beschreibung des Glaubens als ein anfängliches Sein, das erst auf die Vollendung wartet, beinhaltet auch, dass in der Gegenwart noch der Kampf mit der Sünde ausgetragen wird. Die diesen Kampf spiegelnde Anfechtung des Gläubigen bezieht sich zwar auf die Sünde, wird aber von Barth in erster Linie durch die Teilhabe des Gläubigen an Jesus Christus erklärt: denn die participatio Christi nimmt neben der Umkehrbewegung Christi auch an dessen Überwindungskampf teil.³⁹ Das christliche Leben ist daher gerade in der Teilhabe an Christus stets von der Auseinandersetzung von ‚altem‘ und ‚neuem‘ Menschsein geprägt.⁴⁰ Diesen zunächst kontraintuitiven Gedanken gilt es folgend zu explizieren.  Anders dagegen wird die Anfechtung in ihrem wirkmächtigen Verständnis nach Luther nicht primär in der Teilhabe an Christus begründet, sondern in der Differenz zwischen Glaube und Welterfahrung, die dann zur sich aufdrängenden Theodizeefrage führt, wodurch die Validität des Evangeliums allgemein und pro me in Frage gestellt wird. Siehe zum Verständnis bei Luther: C. Schwöbel, Der denkende Glaube in der Anfechtung. Zur Topographie der Rede von Anfechtung in der christlichen Dogmatik, in: Anfechtung, hg. v. P. Bühler, u. a., Tübingen 2016, S. 35 – 62, bes. 52 f.  Entsprechend beschreibt Barth auch in II/1, 280 – 282, dass die Anfechtung einen Menschen gerade im Glauben treffe. So kommt auch Michael Moxter zu seinem Ergebnis: „Anfechtung und Gewissheit sind die beiden Seiten des Glaubens, deren abrupten Übergang ineinander man nicht vermeiden kann.“

7.2 Das neue Sein des Glaubens als prinzipiell anfangendes Sein

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Grundsätzlich gilt nach Barth für jeden Menschen die simul-Struktur, die er in diesem Zusammenhang so beschreibt, dass im Menschen zugleich Annahme und Ablehnung des Zeugnisses Christi gegenwärtig sind: „Es gibt unter und in uns Menschen kein engelhaftes und also exklusives Erkennen und kein teuflisches und also exklusives Nicht-Erkennen. Wir existieren vielmehr als Erkennende angesichts der abnormalen, der finsteren Möglichkeit des Nicht-Erkennens – und als NichtErkennende angesichts der normalen, der hellen, uns auch als solchen nicht einfach fehlenden, sondern präsenten Möglichkeit des Erkennens.“ (IV/3, 220)

Das gläubige Erkennen Gottes und das Gott ablehnende Nicht-Erkennen sind demnach keine binären Zustände, sondern sie bilden faktisch zwei konkurrierende Momente innerhalb einer jeden Person. Der Unterschied zwischen Christen und Nichtchristen besteht erstens darin, dass die Christen um diese Spannung wissen und sie daher als solche in der Anfechtung erfahren. Zweitens dominiert bei den Christen das Moment des Erkennens bzw. bei den Nichtchristen dominiert das Nicht-Erkennen Gottes.⁴¹ Der Kampf zwischen Gott und Sünde, wie er sich in Erkennen und Nicht-Erkennen zeigt, wird von Barth aus der Geschichtlichkeit des prophetischen Amtes Christi erklärt: Das prophetische Amt bezieht jeden Menschen mitsamt seiner Sünde in die Geschichte Jesu ein, die Opposition gegen Jesus Christus wird dabei im Widerspruch des Menschen laut (vgl. IV/3, 214):⁴²

(M. Moxter, Gewisse Anfechtung. Barth und Tillich über den Anfang der Theologie, in: Anfechtung, hg. v. P. Bühler, u. a., Tübingen 2016, S. 142– 159, bes. 159). Dementsprechend beschreibt Philipp Stoellger im gleichen Aufsatzband die Anfechtung gar als das „opus alienum des Glaubens“ als „Anfechtung seiner selbst durch sich selbst“ und somit als „das Risiko des Glaubens ‚zur Linken‘“. (P. Stoellger, Glaube als Anfechtung? Zur Hermeneutik der Differenz von Anfechtung und Versuchung, in: Anfechtung, hg. v. P. Bühler, u. a., Tübingen 2016, S. 63 – 100, bes. 100).  Als ‚gestörten Sündern‘ sei gerade den Christen die Spannung des simul bewusst (vgl. IV/3, 396 f.). Die Nicht-Christen würden nicht unter dieser Spannung leiden, da sie sich selbst nicht als im Versöhnungsgeschehen Inbegriffene verstehen (vgl. IV/3, 389 f.).  Wüthrich analysiert dazu: Das „Widersetzliche im Menschen“ (IV/3, 299) scheint eine menschliche Größe zu sein und die menschliche Sünde zu bezeichnen, aber dieses „Widersetzliche“ weise bei Barth „transanthropologische Züge“ auf (M. D. Wüthrich, Gott und das Nichtige, 307), sodass der Widerspruch „aus dem Abgrund des Nichtigen“ (IV/3, 219) entstehe. An Wüthrichs Analyse anküpfend kann geschlossen werden: die menschliche Geschichte ereignet sich in Christi Überwindung dieses Widersetzlichen. Sie ist daher nicht nur ein linearer Weg von der Nicht-Erkenntnis zu Erkenntnis (vgl. IV/3, 226), sondern wirklich ein „Kampf“ (IV/3, 196) und „Drama“ (IV/3, 188). Zur Dynamik des „Dramas“, siehe Kap. 6.2.4.

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7 Das Sein des Glaubens im Werden

„Wir existieren in diesem Gegensatz [von Erkennen und Nicht-Erkennen, Herv. J. S.]. Und wir existieren darum in diesem Gegensatz, weil die Prophetie Jesu Christi die Geschichte ist, in der unsere Geschichte eingeschlossen, durch die sie bestimmt und geprägt ist. […] Indem die Prophetie Jesu Christi in diesem konkreten Sinn geschichtlich ist, wird und ist es im selben konkreten Sinn auch die menschliche Existenz. Die Prophetie Jesu Christi beteiligt uns an dem Gegensatz, in welchem sie selbst geschieht, und eben darin bewährt sie handgreiflich ihre eigene konkrete Geschichtlichkeit.“ (IV/3, 220 f.)

Indem die Geschichte Jesu alle menschliche Geschichte umgreift,⁴³ beteiligt sie jeden Menschen an dem Gegensatz von Erkennen und Nicht-Erkennen (vgl. IV/3, 218), von Einwilligung und Widerspruch. Die Überwindung dieses Gegensatzes von Erkenntnis und Nicht-Erkenntnis ist das eschatologische Ziel der Geschichte (vgl. IV/3, 224). In der Zwischenzeit gibt es daher nur das zeitliche ‚Noch‘ der NichtErkenntnis und das ‚Schon-Jetzt‘ der Erkenntnis. Der Gläubige ist daher mit seiner anfänglichen Erkenntnis je auch der NichtErkenntnis ausgesetzt und hat mit ihr als seinem Unglauben zu kämpfen. Dieser Begrenzung der eigenen Gotteserkenntnis kann voreschatologisch kein Mensch entfliehen. Wie gezeigt, bedingt die Christusgemeinschaft als Kreuzes- und Kampfgemeinschaft gerade, dass der Gläubige auch Glaubensanfechtungen ertragen muss (vgl. IV/2, 689 – 692). Dabei gilt ihm aber der Trost, dass Jesus selbst die Gottverlassenheit am Kreuz erlitten hat (vgl. IV/2, 692 f.). Selbst in der Gottverlassenheit eignet dem Christen somit noch die participatio Christi (vgl. IV/3, 225); in der Anfechtung nimmt er am Werden Christi teil.⁴⁴ Die Anfechtung ist demnach weder etwas, was außerhalb der Glaubenswirklichkeit steht, noch etwas, was die Plausibilität des Glaubens infrage stellen muss. Sie darf nach Barth erst recht nicht so verstanden werden, dass der Mensch im Moment der Anfechtung von Christi Geist verlassen sei. Vielmehr ist der Mensch mit Christus in dessen Kampf einbegriffen. Der Unglaube ist demnach ein Moment des Glaubens, das erst in eschatologischer Vollendung aufgehoben wird. Diese durchgängige Fraglichkeit des Glaubens, die aus der Teilnahme des Gläubigen an Christi Durchsetzungskampf abgeleitet wurde, ist ein Ausdruck des Deutungscharakters des Glaubens, denn im Begriff der Deutung wird das Zugleichsein von Erkennen und Nicht-Erkennen mit dem Primat des Erkennens erfasst. Bei diesem Aspekt des Glaubens als Deutung ist jedoch die argumentative Herleitung des Begriffs besonders: Er ergibt sich aus der Teilnahme an Christus als

 Dieses Umgreifende der Geschichte Christi wurde in Kap. 4.2 bereits näher erläutert.  Dementsprechend sagt Barth von einem gläubigen Prediger, dass er „allem eigenen Unglauben zum Trotz“ predigen könne (III/4, VII).

7.3 Glauben als ein täglich neues Anfangen

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Kampf zwischen Erkenntnis und Nicht-Erkenntnis und nicht aus der Eigenmacht des menschlichen Subjekts, das sein eigenes Gottesbild konstruiert.⁴⁵

7.3 Glauben als ein täglich neues Anfangen Das christliche Leben im Werden wurde in zweierlei Hinsicht als Anfang charakterisiert: als grundsätzlich unvollendetes Sein im Anfang (s.o. 7.2) und als ein unverfügbares, täglich neues Anfangen. Diese zweite Gestalt des Anfangs ist Thema des vorliegenden Abschnitts. Das täglich neue Anfangen muss als sowohl kontinuierliches Geschehen als auch distinktes Ereignis gedacht werden, als steter „Übergang“ von falscher in wahre Bindung, vom alten zum neuen Menschen (IV/3, 760).⁴⁶ Diesen Übergang beschreibt Barth als ein jeweils neu anhebendes Geschehen, ein je neuer status nascendi (vgl. IV/3, 772 f.), denn: „Man ist ja auch nie ein Christ, man kann es nur immer wieder werden.“⁴⁷ In 7.3.1 ist zuerst zu untersuchen, warum Barth den Glauben in dieser aktualistischen Konzeption denkt. Dabei kann an Barths bereits erläuterten Gedanken der Gottesbegegnung als je und je neuem Ereignis angeknüpft werden. Es wird sich zeigen, dass Barth mit dem täglich neuen Anfangen die wesentliche Unverfügbarkeit des Glaubens für den Gläubigen beschreibt. Daneben finden sich jedoch diverse Stellen, an denen Barth die Gläubigen dazu auffordert, sich täglich neu auf Christus auszurichten, und ihnen somit ein Vermögen des Anfangens zuzuschreiben scheint. Daher muss in 7.3.2 die Frage geklärt werden, aufgrund welcher Kraft der täglich neue Anfang zustande kommt. Dazu wird gezeigt, dass Barth einerseits keinen Fatalismus vertritt, denn der Mensch habe sich täglich für Gott zu entscheiden, andererseits ist es allein die Kraft Jesu Christi, die das tägliche Anfangen ermöglicht.⁴⁸ Wird der Glaube jedoch als dem Gläubigen selbst unverfügbar verstanden, muss schließlich die Frage gestellt werden (7.3.3), ob mit Barth überhaupt die durchgängige personale Identität eines Gläubigen gedacht werden kann oder nur

 Zur ausführlichen Erörterung des Deutungsbegriffs siehe Kap. 1.3.2, 1.3.3 und 9.4.  Zur Beschreibung dieser Übergangsgeschichte siehe IV/3, 761– 771.  K. Barth, Der Standpunkt. Zeitungsartikel (1947), Schweizer Illustrierte Zeitung Nr. 51, Karl Barth Archiv 530, S. 14.  Barths Opposition gegen ein statisches Gottesverständnis, das Gott als einen ‚Gegebenen‘ und den Christen als ‚Seienden‘ versteht, wurde schon eingangs in Kap. 1.1.3 deutlich, wo Barths Verständnis des Glaubensgegenstands diskutiert wurde. Dort wurde gezeigt, dass Gott zwar von Barth als ein reales Gegenüber verstanden wird, nicht jedoch als ein verfügbarer Gegenstand (vgl. auch J. Friedrich Lohmann, Karl Barth und der Neukantianismus, 392– 394).

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7 Das Sein des Glaubens im Werden

jeweils disjunkte, neu anfangende Akte des Glaubens? Es wird nachgezeichnet, wie Barth das ‚Sein‘ des Gläubigen nicht statisch als Christenstand auffasst, sondern dynamisch als Christ-Werden. So soll gezeigt werden, wie das unverfügbare, täglich neue Anfangen des Glaubens mit der Einmaligkeit des Christ-Seins kompatibel ist.

7.3.1 Der Glaube als je neuer und unverfügbarer Anfang Mit der Charakterisierung des Glaubens als Anfang unterstreicht Barth die menschliche Unverfügbarkeit des Glaubens (vgl. IV/4, 42): Mit dem Anfang des christlichen Lebens wurde dieses dem Gläubigen nicht einmalig übergeben, um dann von ihm gleichsam besessen und verwaltet zu werden. Der Glaube als Anfang „impliziert“ nicht notwendig seinen Fortgang, sodass ein Wachstum des Glaubens „einfach ein seinem Ursprung entsprechender Fortschritt“ wäre (IV/ 4, 42). Barth nennt den Vollzug des Glaubens stattdessen eine „tägliche Buße“, ein „dauernde[s] Sichausstrecken“, ein „nie zum Stillstand kommend[es] Schreiten im Lichte des ihm immer neu begegnenden göttlichen Einladens und Gebietens“ (IV/4, 43). Die Liebe des Gläubigen zu Gott kann somit nicht vorausgesetzt werden, sondern muss „immer wieder geschehen, Ereignis werden“ (IV/2, 922).⁴⁹ Diesen Gedanken führt Barth in Hinblick auf die Früchte des Glaubens weiter aus: Das Wachstum des Glaubens ist nicht als ein linear fortschreitender Prozess zu verstehen, sondern geschieht in verschiedensten „Einzelgeschichten“ (IV/4, 43). Diese sind „im Ganzen wie im Einzelnen […] jedesmal und in jeder Hinsicht radikale[ ] Anfänge[ ]“, sodass das „angefangene gute Werk“ jedes Mal „noch einmal mit dem Anfang anfange“ (IV/4, 43). Gerade in diesem stetigen Anfangen wird der Glaube allerdings „fortgesetzt“ (IV/4, 43).⁵⁰ Hierbei ist zu beachten, dass Barth nicht nur den Glauben als einen jeweils neuen Akt versteht, sondern den Menschen grundsätzlich als eine „Reihe von Akten“ (III/2, 524) charakterisiert und seine Geschichte als „kontinuierliche[s] Hindurchgehen durch eine Reihe von Zuständen, Aktionen und Widerfahrnissen“ (III/2, 64). Dabei wird der Mensch grundlegend als ein solcher verstanden, der je

 Siehe E. van ’t Slot, Negativism of Revelation?, 177– 181, der den Aktualismus Barths mit dessen Verständnis der Freiheit Gottes begründet.  Diesen Gedanken führt Barth in K. Barth, Das christliche Geheimnis und das menschliche Leben, in: JK 17, 9/10 (1956), S. 2014– 2211 weiter aus, wobei er das christliche Leben als dem Christen unverfügbares Geheimnis beschreibt, von dem man nur herkommen und auf das man nur je wieder zugehen kann.

7.3 Glauben als ein täglich neues Anfangen

301

und je in Aktivität und in Veränderung begriffen ist, sodass es je zur „Wiederholung und Bestätigung seiner Identität“ kommt (III/2, 64, vgl. auch III/2, 524 f.).⁵¹ Das jeweils neue Anfangen des Glaubens wird nicht auf der Ebene eines wiederholten Ankämpfens gegen Anfechtung und Sünde begründet,⁵² sondern auf der fundamentaleren Ebene der Unverfügbarkeit des Glaubens. Auf dieser Ebene ist ausgeschlossen, dass der Glaubensvollzug zu einem ‚Selbstläufer‘ wird (vgl. IV/4, 42). Denn weder hat der Gläubige von sich aus eine Macht, in Entsprechung zu Christus zu treten, noch folgt aus einer früheren Entsprechung zwangsläufig die nächste oder gar ein Wachstum an Entsprechung. Dadurch wird Barths Grundgedanke fortgeführt, dass es keine dem Menschen eigene Möglichkeit zum Glauben gibt (s.o. Kap. 3). Die Erhaltung im Glauben ist ebenso auf Gott angewiesen wie die initiale Bekehrung. Somit kommt auch dem berufenen Christen keine ihm eigene Möglichkeit des Glaubens zu. Das tägliche Anfangen bezeichnet somit das ‚ek-zentrische‘ Verhältnis des Glaubens zu Christus, indem das Sein des Gläubigen stets erneut mit und durch Christus ‚anfangen‘ muss und nie als in sich Zentriertes vollendet vorliegt. Dementsprechend beschreibt Krötke das stetig neue Anfangen bei Barth als ein „immer aufs Neue auf ein Ereignis [H]inweis[en]“.⁵³ Der Anfang, auf den der Gläubige täglich neu zurück verwiesen wird, sei „der Selbstvollzug der Wirklichkeit Gottes“, dem je neu „nach-gedacht“ werden muss, so sei mit dem „Ereignis des Kommens Gottes […] immer wieder aufs Neue anzufangen“.⁵⁴ Mit seiner Rede vom jeweils neuen Anfang nimmt Barth Aspekte auf, die er früher durch den Begriff des göttlichen Ereignisses der Offenbarung im Akt ausgedrückt hatte.⁵⁵ Besonders sticht hierbei eine Parallele zu seinen Erörterungen

 So auch oben in Kap. 6.1.2.  Ein je und je neues Entstehen des Glaubens innerhalb der Anfechtung hat Ebeling entwickelt (siehe G. Ebeling, Das Wesen des christlichen Glaubens, 212– 226).  W. Krötke, Karl Barth als theologischer Gesprächspartner, 11. Analog zu der Angewiesenheit des Christen beschreibt auch Grosshans für die Kirche die ‚ek-zentrische‘ Unverfügbarkeit ihres Seins in Christus: „sie verfügt nicht über sich selbst. Das Sein der Kirche liegt außerhalb ihrer selbst.“ (H.-P. Grosshans, Universale Versöhnung im geschichtlichen Vollzug. Zur Ekklesiologie in Karl Barths Versöhnungslehre, in: ZDTh 22.1 (2006), S. 95 – 119, 113). Daher müsse sich die Kirche stets „offen halten für das sie realisierende, erneuernde und erhaltende Wirken Gottes, des Heiligen Geistes.“ (ebd., 114).  W. Krötke, Karl Barth als theologischer Gesprächspartner, 11.  Barth schrieb zum Beispiel in II/1, 22: „[W]ie wäre er der lebendige Herr, wenn es anders wäre, wenn sein Sein für uns je zu lösen wäre von seinem Akt, wenn es also eine Richtung des Menschen auf Gottes Sein gäbe, die in etwas Anderem begründet wäre als in dem Gerichtetwerden des Menschen durch Gottes Akt?“ Dieser Aktualismus Barths wurde prominent von Bonhoeffer kritisiert (siehe D. Bonhoeffer, Akt und Sein, 77– 80). Zu Bonhoeffers Auseinandersetzung mit

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7 Das Sein des Glaubens im Werden

über die Religion in I/2, § 17 hervor: Die Religion wird dort als menschliche Selbsttätigkeit und Eigenmächtigkeit der Sünde zugerechnet. Wahre Religion sei dagegen dasjenige, was als „Ereignis im Akt der Gnade Gottes“ geschehe (I/2, 377). Allein durch Gottes Gnadenakt konnte es „in der Welt menschlicher Religion“ auch „wahre Religion“ geben (I/2, 377). Wie der Glaube in genere ist die Religion demnach nur dann wahre Religion in specie, als sie jeweils neu im Ereignis der göttlichen Gnade gründet. Im Unterschied zu KD I, wo der Glaubensbegriff von Barth noch nicht explizit eingeführt war, muss Barth in KD IV das Glaubensereignis mit der von ihm dort bereits eingeführten Bestimmung des Glaubens als menschliche Tat verbinden. Dann stellt sich die Frage, wie der Gläubige als Akteur seines Glaubensvollzuges fungieren kann, ohne dadurch bereits über seinen Glauben aktiv zu verfügen. Denn auch in KD IV gilt, dass der „selbstfabrizierte[ ] Glaube“ der Religion ein „Unglaube“ ist (IV/1, 832 f.). Barths Beschreibung des Glaubens als stetiges Anfangen lässt sich vor dem Hintergrund dieses für KD IV aufgeworfenen Problems verstehen. Sie scheint Barths Weg darzustellen, das unverfügbare göttliche Ereignis und die eigenverantworliche menschliche Tat zu verbinden: Die Tat des Glaubens wird evoziert – angefangen – durch Gottes kreatorisches Wirken und ist insofern dem Menschen unverfügbar, aber gleichwohl seine von ihm vollzogene Tat.⁵⁶ Im stetigen Neuanfangen kommen diese beiden Momente des menschlichen Glaubensvollzugs und seiner auf Gott zurückgehenden Evokation zum Ausdruck. Daher ist der Glaube ein „Vertrauen auf das Unsichtbare, Unbekannte, Unverfügbare“, ein „Haben[ ] als hätte man nicht“.⁵⁷ Im Begriff des täglich neuen Anfangens stellt Barth also heraus, dass jede menschliche Glaubenstat auf Gottes kreatorisches Ereignis angewiesen ist und nicht einfach aus den vorherigen menschlichen Glaubenstaten folgt. Die Unverfügbarkeit des Glaubens gründet somit in der Unverfügbarkeit Gottes, ohne aber den Menschen als den ‚Anfangenden‘, d. h. als Vollzugssubjekt des Glaubens, zu nivellieren.

Barth siehe E. Feil, Karl Barth und Dietrich Bonhoeffer, in: Karl Barth im europäischen Zeitgeschehen (1935 – 1950), hg. v. M. Beintker, C. Link, M. Trowitzsch, Zürich 2010, S. 309 – 331, 320 f. und C. Tietz, Bonhoeffers Kritik der verkrümmten Vernunft, 167– 180.  Siehe die Ausführungen zu Barths Freiheitskonzeption in Kap. 5.3, welche die Möglichkeit dieses Ineinanders göttlicher und menschlicher Tat erläutern. Desweiteren siehe die Bestimmung des Glaubens als kreatorische und kognitive Tat in Kap. 6.4.3.  K. Barth, Rudolf Bultmann. Ein Versuch, ihn zu verstehen (1952), 21.

7.3 Glauben als ein täglich neues Anfangen

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7.3.2 Der täglich neue Anfang in der Kraft Christi Bisher wurde der Glauben als menschliche Tat in der Kraft Jesu Christi beschrieben (vgl. IV/2, 342). Gegen diese ‚Urheberschaft Gottes‘ sprechen allerdings diejenigen Aussagen Barths, die einen Imperativ enthalten, dass der Gläubige neu mit seinem Glauben anfangen soll. Da ein ‚Sollen‘ nicht ohne ein entsprechendes ‚Können‘ denkbar scheint, muss in diesem Abschnitt geklärt werden, wie diese scheinbar widersprüchlichen Aspekte zu verbinden sind. Einerseits scheint Barth den täglich neu anfangenden Glauben als Aufgabe zu beschreiben, indem er den Gläubigen auffordert sich täglich neu „auszustrecken“: Täglich neu solle der Christ seine Entscheidung der Taufe wiederholen, Gott antworten und in Umkehr leben (vgl. IV/4, 222– 224). Gerade weil der Mensch seinen Glauben nicht besitzt, stehe er in der Verantwortung, täglich neu gläubig zu werden.⁵⁸ Dieser Verantwortung könne ein Mensch als Sünder zwar nicht nachkommen, doch als Christ sei der Gläubige ein „Befreite[r]“ (IV/2, 603), sodass er von seiner Freiheit zum Glauben „Gebrauch machen könnte[ ]“ (IV/2, 602). Bei dieser von Barth stipulierten Freiheit stelle sich nicht die Frage, ob der Mensch zu Gott umkehren kann, sondern schlicht, „[o]b er von dieser Erlaubnis Gebrauch macht“ (IV/2, 601). Für den Glauben widerspricht Barth hier explizit dem Determinismus: „Zusammen mit dem Übermut der Indeterministen ist es für sie [die Christen; J. S.] auch mit dem Kleinmut, mit der Wehmut und mit den faulen Ausreden der Deterministen vorbei.“ (IV/2, 602) Andererseits liegt die Kraft zum Glauben allein in Jesus Christus. Insofern ist der Glaube ein täglich neues Anfangen, weil der Gläubige gleichsam unselbstständig und täglich neu auf Christus angewiesen ist. Demnach bliebe vielmehr eine Form des Determismus im Übergewicht. Dies scheint auch für Passagen zu gelten, in denen Barth die Befreiung des Menschen zu seiner eigenen Freiheit bespricht: Christi Kraft der Auferstehung „ist die Kraft, uns wirksam in die positive Entscheidung gegenüber dem uns Gesagten, in die Freiheit jenes Mitgehens und Nachgehens, in die Freiheit der Umkehr zu rufen und in ihr als der Entsprechung unserer in Jesus Christus schon geschehenen Umkehr festzuhalten, täglich neu im freien Vollzug dieser Entsprechung zu leben.

 Dieses Verständnis des täglichen Anfangs als täglichen Anspruchs und täglicher Aufforderung zeigt sich besonders in Barths situativer Ethik, insofern die jeweilige Gegenwart der Ort ist, wo es dem zu entsprechen gilt, „was Gott gerade jetzt für uns vor hat, uns zu sagen, zu erlauben, zu gebieten, zu geben hat“ (III/2, 641). Eine Gelegenheit komme „nur einmal […], um dann, ob erkannt oder nicht erkannt, ob benützt oder unbenützt, wieder zu gehen und so bestimmt nicht wiederzukehren.“ (III/2, 641) Der Mensch steht somit in jedem Moment in aktualer Verantwortung.

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7 Das Sein des Glaubens im Werden

Sie ist die Kraft, uns dazu wach, lustig, willig und bereit zu machen, diese Entsprechung in immer neuen Anläufen, in immer neuen Formen und Dimensionen wahr werden zu lassen. […] Es ist die Kraft, in der wir eben dazu die Freiheit [Herv. J. S.] bekommen, haben und gebrauchen.“ (IV/2, 340)

Christi Kraft ruft hier in die Umkehr, hält den Menschen darin fest und bewirkt, dass der Mensch täglich neu in dieser Umkehr lebt. Die neue Freiheit des Glaubens wird somit nicht aus eigener Kraft gebraucht, sondern allein in der Kraft Christi. Seine Kraft macht einen Gläubigen „willig und bereit“, wieder neu zu glauben anzufangen.⁵⁹ Daher steht der Gläubige zwar unter dem Gebot, täglich neu umzukehren, die Kraft dazu hat er aber nicht in sich selbst, sondern sie kommt ihm als Christi Kraft zu. Christus wirkt „von innen“, sodass der Gläubige „veranlaßt und in Bewegung gesetzt“ ist, die Freiheit Christi als seine eigene zu gebrauchen (IV/2, 340). Diese Spannung zwischen Barths Verneinung des Determinismus und seiner Betonung der Kraft Christi kann nur kompatibilistisch aufgelöst werden und in der Tat finden sich bei Barth Elemente eines solchen Kompatibilismus (siehe Kap. 5.5): Jesus Christus ist das „primär handelnde Subjekt“, der Mensch ist der entsprechend „sekundär [H]andelnde“ (IV/3, 246). Die Christen stehen demnach als Subjekte ihres Glaubensvollzugs täglich in der Entscheidung, Gott als ihren Herrn anzuerkennen oder sich ihm zu verschließen. Sie sind Subjekte des Vollzugs dieser Entscheidung, können diese aber nicht eigenständig begründen oder nach Belieben ändern. Der Ermöglichungsgrund ihres Glaubensvollzugs bleibt somit Gott. Der Glaube als täglich neues Anfangen beinhaltet diese Doppelseitigkeit: Der Mensch ist Subjekt des Glaubens, insofern er der Anfangende und Angefangene ist, Gott ist Subjekt des Glaubens, insofern er täglich neu ermöglicht, dass mit und durch ihn angefangen wird.

 In IV/1 formuliert Barth diesen Sachverhalt als in der freien Tat des Glaubens wirksame und ‚freimachende‘ Macht des Heiligen Geistes: „Der Heilige Geist ist die Macht, in der Jesus Christus, der Sohn Gottes, einen Menschen zu dieser Wahl und also zum Glauben an ihn frei- und also recht freimacht. Er ist also die Macht, in der gerade der Gegenstand des Glaubens auch sein Ursprung, auch seine Begründung ist, so daß der Glaube sich selbst nur als sein Werk, als seine Gabe erkennen und bekennen kann: als des Menschen Erschließung für diesen Gegenstand, als menschliche Anteilnahme an ihm, die der Mensch, indem er sie in seiner freien Tat vollzieht, doch nur empfangen, als ein Empfangenes verstehen kann, der er immer wieder als einem neu zu Empfangenden und eben so in neuer Tat zu Bewährenden entgegensehen wird. Nicht er ist mächtig, indem er glaubt, sondern es ist der, an den er glaubt, der sich, indem der Mensch das tut, als mächtig über ihn erweist: mächtig, wie er von den Toten auferstanden ist, auch ihn als Erstes zunächst aus dem Tod des Unglaubens zum Leben des Glaubens zu erwecken.“ (IV/1, 836).

7.3 Glauben als ein täglich neues Anfangen

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7.3.3 Die Einmaligkeit des je neu anfangenden Glaubens am Beispiel der Berufung Die Charakterisierung des Glaubens als je neuer, unverfügbarer Anfang lässt die Kontinuität des christlichen Lebens, bzw. die personale Identität des Gläubigen problematisch erscheinen. Würde man Barth in einem absoluten Sinn aktualistisch lesen, läge die Folgerung nahe, dass er nicht von dauerhaft Glaubenden sprechen kann, sondern nur von Menschen, bei denen es immer wieder zu verschiedenen Anfängen des Glaubens kommt.⁶⁰ Wie nun auszuführen ist, zeigt Barths Verständnis der Berufung jedoch, dass und wie Barth das täglich neue Anfangen mit der Vorstellung eines dauerhaften, einmalig gewordenen ChristSeins verbindet. Die Berufung ist nach Barth das Ereignis, in dem ein Mensch zum Glauben kommt (s.o. Kap 5.3.2). Sie ist die conditio sine qua non der christlichen Existenz (vgl. IV/3, 600), indem der Mensch durch das Wort Christi zum Christen werde, was er an sich und zuvor nicht war. Dabei ist sie „ein einziges, ein totales Geschehen am Menschen“ (IV/3, 580). Das menschliche Stückwerk des Glaubens dürfe also nicht mit einer nur mangelhaften, bruchstückhaften Berufung durch Gott erklärt werden, als ob die Berufung nur ein erster Schritt sei auf dem Wege zum Glauben (vgl. IV/3, 584). Die hier relevante Besonderheit von Barths Berufungsverständnis liegt darin, dass die Menschen durch die Berufung nicht einfach Gläubige sind, sondern ihr Sein als Gläubige besteht darin, dass sie es werden: „[D]ie, die einmal von Jesus Christus Berufene sind, sind es in ihrer besonderen Geschichte, in der sie immer neu zu werden haben, was sie sind, indem sie es einmal wurden“. (IV/3, 555 f.)⁶¹

Hierbei bezieht Barth das einmalige Berufensein auf die Rechtfertigung und Heiligung de iure, die ein für alle Mal in Jesus Christus für die Menschen geschehen ist, und begründet somit, dass es zu dem „einmalige[n] Ereignis“ (IV/3, 555) der Berufung kommen kann (vgl. IV/3, 556). Daher sind die Menschen in Christus sowohl wirklich gerechtfertigt und geheiligt als auch aufgrund ihrer Berufung mit Christus im Übergang begriffen. In der menschlichen Existenz

 Diese Frage richtet im Wesentlichen auch schon Bonhoeffer an Barth (siehe D. Bonhoeffer, Akt und Sein, 93. 96 f.; vgl. E. van ’t Slot, Negativism of Revelation?, 97).  Wenn Barth zwischen Christen und Nicht-Christen unterscheidet, beschreibt er die Christen als diejenigen, die ihre Berufung vor und hinter sich haben. Die Nicht-Christen hingegen sind diejenigen, die ihre Berufung nur vor sich haben (vgl. IV/3, 570 f.).

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7 Das Sein des Glaubens im Werden

spiegelt sich die Berufung aber nur „in der mannigfaltigsten Brechung, Aufspaltung, Differenzierung und Relativierung“ (IV/3, 583). Insofern wird nicht das vollkommene Gotteswerk der Berufung am Christen sichtbar, sondern es kommt nur zu einer relativen Veränderung seiner Existenz. Um diesem Im-Übergang-Sein in ihrer Lebensgeschichte Gestalt zu geben, müssen die Berufenen immer wieder neu werden, was sie sind. Die Verbindung von Sein und Werden liegt dabei in der Beschreibung des Christseins als Übergang vom alten zum neuen Menschen (vgl. IV/3, 589): Die Berufung schafft einen neuen Menschen, der ein für alle Mal in den Übergang gestellt ist, um dort täglich neu die Abkehr vom alten und den Anfang mit dem neuen Menschen zu vollziehen.⁶² Wie bereits anhand der ‚Umkehr‘ gezeigt, ist es entscheidend, dass die Vermittlung zwischen der Einmaligkeit und dem stetigen Neuwerden der Berufung im Wesen des Berufenden, Jesus Christus, liegt. Die drei Ämter Christi machen das Zugleich von einmaligem Gewordensein und je neuem Werden verständlich: Sein Dienst am Kreuz und in der Auferstehung hat ein für alle Mal eine neue Wirklichkeit hergestellt. Doch seinem fortwährenden Werk im prophetischen Amt entspricht es, dass seine Berufung „in ihrer Einmaligkeit eine fortgehende [ist] – und fortgehend [bleibt], ohne ihre Einmaligkeit zu verleugnen“ (IV/3, 598). Der Gläubige wird daher durch die participatio Christi in diese Struktur des fortgehend-jeweiligen Übergangs mitaufgenommen. Damit verknüpft Barth die dogmengeschichtlich häufig als Gegensatz auftretenden Motive der vocatio unica und continua (vgl. IV/3, 594– 596): Es ist „das eine Ereignis der Berufung zugleich als einmalig (unica) und als eine von seinem einmaligen Anheben her fortgehende Folge weiterer, neuer Berufungen (continua)“ zu verstehen (IV/3, 594). In ihrer Einmaligkeit kann die Berufung als ein „Ereignis im Lauf der menschlichen Lebensgeschichte“ aufgefasst werden, dessen sich manche Menschen sogar mit Angabe eines Datums erinnern können (IV/ 3, 594) und das für andere einen „Abschnitt in des Menschen Lebensgeschichte“ markiert (IV/3, 595).⁶³ Die einmalige Berufung beschreibt die „Wendung im Leben des Menschen, in der dieser anfängt, ein Christ zu sein […] um dann fortzufahren, es zu werden.“ (IV/3, 595) Diese Wendung hat der Gläubige also nicht „als ge-

 So bestimmt Barth nicht nur das „Geschehen der Versöhnung“ und das „Geschehen der Offenbarung dieser geschichtlichen Wirklichkeit“, sondern auch die „durch das Wort Gottes begründete[] Erkenntnis“ in der Berufung als dynamischen „Übergang, Wendung, Entscheidung in einer ganz bestimmten Richtung, nämlich in der auf die Vollendung, die von Anfang an der Sinn ihres Vollzuges ist.“ (IV/3, 224).  Mit der Betonung der vocatio unica wendet Barth sich gegen die Kindertaufe als einer „SchlafChristlichkeit“ und „Schlaf-Taufe“, denn dabei würde davon ausgegangen, dass es den bewussten „Anfang der christlichen Existenz überhaupt nicht“ geben müsste (IV/3, 595).

7.4 Aktualismus und Kontinuität der Glaubensgewissheit

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schehen und erledigt hinter sich“, sondern der Christ hat sie „auch immer aufs neue vor sich“ (IV/3, 596). So verneint Barths Beschreibung des Glaubens als eines dynamischen, unverfügbaren Übergangs nicht, dass die Gläubigen in einem dauerhaften Sinn Christen sind. Als Symbol dieses einmalig gültigen Seins versteht Barth die Wassertaufe (vgl. IV/4, 43), ordnet ihr aber bezeichnenderweise keine einmalige Geisttaufe als „Gottes Werk in und mit dem Getauften“ bei (IV/4, 43). Vielmehr ist die den Glauben begründende Geisttaufe analog zum täglich neuen Werden des Gläubigen ein „in mehreren Malen sich ereignendes Geschehen“ (IV/4, 43).⁶⁴ Diese Geistereignisse oder „Wiederholungen des Anfangs“ verbürgen den dauerhaften Fortgang des Glaubens (IV/4, 43), dessen Werden mit der Berufung einmalig angefangen hat.

7.4 Aktualismus und Kontinuität der Glaubensgewissheit Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Unverfügbarkeit des anfänglichen Glaubens für die Binnenperspektive des Glaubensvollzugs? Diese Frage wird im vorliegenden Abschnitt erstens im Hinblick auf die Gewissheit des Glaubens gestellt (7.4.1): Kann ein unverfügbarer und unvollendeter Glaube eine Grundlage für Heilsgewissheit darstellen? Und hat der Christ diese Gewissheit kontinuierlich durch die täglich neuen Anfänge hindurch? Um diese Fragen zu beantworten, soll Barths in der KD nur verstreut angedeutetes Verständnis einer ‚ek-zentrischen‘ Glaubensgewissheit rekonstruiert werden. Wie näher auszuführen ist, muss auch die Gewissheit des Glaubens etwas Unverfügbares sein, das jedoch in der participatio Christi je neu zugeeignet wird. Sofern aber die Glaubensgewissheit keine menschlicherseits verfügbare Konstante im christlichen Leben darstellt, muss in 7.4.2 geklärt werden, wie Barth dann das kontinuierliche Leben des Christen beschreiben kann. Wie zu zeigen ist, denkt Barth die Kontinuität des Glaubenslebens nicht auf Gewissheit, sondern auf Hoffnung gegründet. Mit der Hoffnung drückt Barth sowohl den Aspekt der Beständigkeit als auch den der Unverfügbarkeit des Glaubens aus: Der Gläubige kann sich nicht absichern, dass er auch morgen noch in der Beziehung zu Christus stehen wird, aber aufgrund seiner bisherigen Glaubenserfahrung darf er begründete Hoffnung haben, dass es auch morgen so sein wird. Allerdings ist diese

 Jüngel unterscheidet in seiner Interpretation Barths hierbei zwischen dem schon gekommenen Geist und dem erneuten Kommen des Geistes (vgl. E. Jüngel, Karl Barths Lehre von der Taufe. Ein Hinweis auf ihre Probleme, 50).

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Hoffnung selbst wieder eine Frucht des Glaubens, sodass auch sie von Christus abhängt. Nach Barth gibt es somit nur im Glauben die Hoffnung für den zukünftigen Glauben. Eine Kontinuität des Glaubens jenseits seines Vollzuges gibt es somit nicht. Allerdings kann in 7.4.3 unter Rückgriff auf Barths Begriffe der Erinnerung und Erwartung in KD I und II gezeigt werden, dass die jeweils neuen Anfänge des Glaubens trotzdem aufeinander aufbauen. Insofern wird der Christ auch gleichsam ‚zwischen‘ den bewussten Anfängen des Glaubens von diesen bestimmt. Die realen, geschichtlichen Veränderungen der Heiligung im Leben des Gläubigen sind daher dauerhafter Natur und spiegeln auch über die jeweils neuen ‚Anfänge‘ des Glaubens hinaus das Neu-Werden Christi.

7.4.1 Glaubensgewissheit in Jesus Christus Nach Barth gründet die Heilsgewissheit allein in Christi Rechtfertigung und Heiligung, sodass alle Menschen, Christen wie Nichtchristen, ihres Heils „vorbehaltlos gewiß sein“ dürften (IV/2, 589). Gleichwohl bedarf es, um von persönlicher Gewissheit zu sprechen, auch auf der Vollzugsebene der persönlichen Überzeugung des Einzelnen. Es ist also zu unterscheiden zwischen dem für alle gewisslich gelegten Grund der Gewissheit in Christus und der Aneignung dieser Gewissheit durch den einzelnen Menschen.⁶⁵ Von der menschlichen Gewissheit zeichnet Barth das Bild einer begrenzten, dem prinzipiellen Zweifel stetig ausgesetzten Gewissheit. So kann ein Christ zwar eine ihm verfügbare, „innere Gewißheit des Glaubens an Jesus Christus“ haben (IV/3, 305), diese ist aber ein „begrenztes Werk wie irgendein anderes“ auch (IV/3, 305) und insofern „eine schwankende, allzu leicht bis in [ihre] tiefsten Grundlagen hinein zu erschütternde Sache“ (IV/3, 305). Die dem Gläubigen eigene, innere

 Hierzu wird bisweilen zwischen Glaubens- und Heilsgewissheit unterschieden: während Heilsgewissheit auf einer absoluten externen Zusage beruht, setzt gleichsam ‚intern‘ die Glaubensgewissheit konstitutiv ein persönliches Vertrauensurteil des Menschen voraus und ist darin unübertragbar und prinzipiell nicht objektivierbar. Dabei sind die certitudo gratiae, also die durch Tradition und Kirche vermittelte göttliche Zusage, und die certitudo veritatis, als existenzielle Bewahrung der objektiven Zusage, vermischt. Vgl. G. Müller, Art. „Glaubensgewißheit“, in: HWPh 3 (1974), Sp. 662– 664, 662 f. Dass auch Barth zwischen zwei Arten von Gewissheit unterscheidet, zeigt sich daran, dass der Glaube für ihn einerseits „im Blick auf seinen Gegenstand gesehen, […] ein endgültiges Ding“ ist, ein „character indelebilis“ (K. Barth, Dogmatik im Grundriß, 25). Allerdings „schließt [das] nicht aus, daß es Schwankungen des Glaubens gibt.“ (ebd.) Im Folgenden wird daher zwischen der absoluten Siegesgewissheit Christi und der inneren menschlichen Gewissheit des Gläubigen unterschieden.

7.4 Aktualismus und Kontinuität der Glaubensgewissheit

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Gewissheit ist also gerade nicht unerschütterlich ‚gewiss‘: Wenn sich ein Christ zweifelnd die Frage stellt, ob das, was er meint von Christus erkannt zu haben, „wirklich so ist“ und ob das gerade ihm persönlich gilt (IV/2, 313), dann könne er aus dieser inneren Gewissheit gerade keine tragfähige, schlechthinnige Gewissheit erlangen. Hierin zeigt sich eindeutig, dass der Glauben in seiner menschlichen Gestalt für Barth nicht nur ein Erkennen, sondern zugleich auch ein fallibles Deuten darstellt.⁶⁶ Barth begründet diese Fallibilität der eigenen, inneren Gewissheit darin, dass sie nicht auf den ihr unverfügbaren Gott rekurrieren kann, sondern sich entweder auf Introspektion oder die Früchte menschlicher Taten gründen müsste: „In ihrem Dransein und Wirken, in ihren Erlebnissen und Erfahrungen, in ihren Taten und Unterlassungen wird das, was wir in Christus sind, bestimmt nicht festzustellen sein.“ (IV/2, 314)⁶⁷

Würde der Christ introspektiv auf sich selbst blicken, fände er keinen Beweis seiner Neuschöpfung, mit dem er seinen Zweifel beruhigen könnte, denn in sich kann er keine Gewissheit seines neuen Seins als Freund Gottes finden.⁶⁸ Der Gläubige könne auch nicht auf sein christliches Leben schauen und daraus begründen, dass er zu Christus gehört, denn in seinem christlichen Lebenswandel kommt es nur zur „tief unvollkommen[en] Entsprechung“ (IV/1, 710). Die Erfahrungen und Erlebnisse des Glaubens seien nur kleine Erfahrungen einer „zeitliche[n] Befreiung“, die gerade aufgrund ihrer Begrenztheit keine Gewissheit der vollkommenen Befreiung verbürgen können (II/2, 867). Man kann Barths Pointe hier wie folgt lesen: eine ‚ek-zentrisch‘ verfasste Heilsgewissheit kann unmöglich im egozentrischen Selbstbezug des Gläubigen validiert werden. Allerdings gibt es für Barth auch eine „unbedingte Siegesgewissheit“ des Glaubens, das heißt eine unbedingte und beständige Gewissheit, dass Jesus

 Zum Deuten s.u. Kap. 9.4.  So schreibt Barth auch in II/2: Die Menschen sollen nicht ihr „Vertrauen auf Dinge – nämlich auf unsere Erfahrungen oder Taten – […] setz[en]“ (II/2, 875). Und auch der Verweis auf die Entwicklung der Menschheit oder die Entwicklung der Kirche könne nicht belegen, dass Christus Sieger ist und die Welt im Werden hin auf seinen Sieg begriffen ist (vgl. IV/3, 304 f.).  Entsprechend urteilt Gestrich bezüglich Barths Lehre vom Menschen im Erwählungshandeln Gottes, dass der positive Erfahrungsbezug Barths gerade in dem Gedanken der umfassenden Stellvertretung Christi liege, denn es gehe in Barths Erwählungslehre nicht darum, aus den „Erfahrungstatsachen“ (II/2, 43 – 46) auf die Erwählung oder Nicht-Erwählung zu schließen.Vielmehr werde an der Christologie deutlich, dass Gott nicht ohne die Menschen ist – dort aber mit völliger Klarheit und Gewissheit (vgl. IV/3, 81– 84). Siehe C. Gestrich, Neuzeitliches Denken und die Spaltung der dialektischen Theologie, 211– 214.

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Christus die Sünde überwunden hat und eschatologisch auch alle Kreatur daran teilhaben wird (IV/3, 305). Diese unbedingte Gewissheit des Glaubens unterscheidet Barth jedoch von der ‚inneren‘ Gewissheit insofern, als jene nicht „eine dem Menschen eigene, durch seine Selbstgewißheit zu bestätigende“ Gewissheit ist, sondern eine solche, die der Mensch nur je im Akt des Glaubens „empfangen“ kann (IV/3, 305). Diese Gewissheit ist dem Christen also gerade nicht frei und dauerhaft verfügbar. Diese unbedingte Gewissheit gründet in der alle Menschen umfassenden Stellvertretung Christi, die keinen Unterschied zulässt zwischen dem prinzipiellen Neu-Gewordensein Christi und der Frage, ob auch ich persönlich zu der Gruppe der Erwählten gehöre. Somit bedarf es nicht zusätzlich zur Christuserkenntnis auch noch der Gewissheit, persönlich erwählt oder zum Glauben berufen zu sein. Das gewiss machende „sola fide“ sei allein „Echo des solus Christus“ (IV/1, 706).⁶⁹ Deshalb brauche der Gläubige nicht „außer auf diesen [Christus] auch noch anderswohin“ zu schauen (IV/1, 706). Für die „Gewissheit der Sündenvergebung, der Gotteskindschaft und der Hoffnung des ewigen Lebens“ müsse der Glaube „allein bleiben“, das heißt, er darf auf nichts anderes verweisen als auf Jesus Christus allein (IV/1, 707).⁷⁰ Der Erkenntnis Christi, die den Gläubigen immer schon mit einschließt, eignet „absolute, schlechthinnige, undiskutierbare Gewissheit“, nämlich die Gewissheit Gottes selber (II/1, 202). Die Erkenntnis Christi, in der ein Gläubiger Christus und darin auch sich selbst als gerechtfertigt erkennt, ist von dieser Siegesgewissheit Christi begründet und auf diese bezogen. Als solche ist sie demnach absolut gewiss. Allerdings wird sie nur je im Ereignis des Glaubens erfahren. Davon unterschieden ist die Erkenntnis Christi als eine menschliche Tat des Erkennens, die nur zu einer inneren Gewissheit des Erkennenden führt, die der Anfechtung ausgesetzt ist.⁷¹ So kann ein Christ im Akt des Glaubens wahrhaft

 Zu Barths Deutung des sola fide, siehe Kap. 4.2 und 6.4.1.  Zur Exklusivität Christi als Gegenstand und Grund der Gewissheit gibt es eine Reihe von Parallelstellen. So heißt es auch in KD II/1, dass der Christ seinen Glauben allein in Christus wiederfinde: „In ihm [Christus] findet der Glaube sich selber, den Glauben wieder. In ihm findet der glaubende Mensch jenseits und trotz der Finsternis, die in ihm selber ist, sich selber im Licht, sich selber bereit für Gott, findet er Gott erkennbar und das mit der ganzen ewigen Bestimmtheit, Gewißheit und Seligkeit, die dem Glauben, sofern er Glaube an ihn ist, als zeitliche Gestalt der ewigen Wahrheit Jesu Christi, die die unsrige ist, eigen ist.“ (II/1, 178 f.) Vgl. Barths Kommentar, dass das Wagnis des Glaubens, das die Reformation mit ihrer Berufung auf das sola scriptura einging, darin bestünde, „an einen anderweitig als durch sich selbst nicht garantierten Gott“ zu glauben (K. Barth, Das Wagnis des Glaubens (1928), 300).  Entsprechend stellt Barth diesen Sachverhalt auch in seinem Gespräch mit Methodistenpredigern 1961 dar: Zwar sei das Heil erfahrbar und es komme zur freudigen Gewissheit, aber wir

7.4 Aktualismus und Kontinuität der Glaubensgewissheit

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gewiss sein, in seinem kontinuierlichen Leben besitzt er jedoch nur die Deutung seines Glaubens als innere Gewissheit, die sich aus dieser absoluten Gewissheit speist und je wieder auf Gott verweist.

7.4.2 Die Kontinuität im Stand der Hoffnung Da die schlechthinnige Glaubensgewissheit dem Gläubigen unverfügbar ist, besteht das Problem der Kontinuität des Glaubens, das Barth selbst folgendermaßen beschreibt: Im Moment seines Glaubens kann sich der Christ auf Gottes vergebende Gnade verlassen (vgl. IV/3, 1038), aber aus der Gegenwart in seine Zukunft blickend, stellt sich ihm die bedrängende Frage, ob er auch späterhin Christ bleiben wird, ob es wieder zum Ereignis des Glaubens kommt. Den Ausweg aus dieser Unsicherheit bietet nach Barth allein die in Christus begründete Hoffnung: In dieser Hoffnung darf der Christ Zuversicht fassen, dass er auch in der Zukunft wieder an Christus glauben wird, weil dieser ihm wieder neu die Kraft zum Glauben schenken wird (vgl. IV/3, 1039 – 1042).⁷² Auf der Vollzugsebene besteht die Gestalt der Glaubensgewissheit demnach im täglich neuen Anfangen in der Hoffnung. Als Hoffnung vollzieht sich das „täglich und stündlich neu zu vollziehende Ausblicken“ auf Jesus Christus (IV/1, 672). Das Gegenstück der Hoffnung, die Anfechtung, die einen Christen täglich wieder in Zweifel stürzt und an seiner Gewissheit nagt, ist der „täglich“ sich „erneuernde[ ] Widerspruch[ ]“ zwischen iustus und peccator (IV/3, 1055). In der erhofften Vollendung wird die Anfänglichkeit des Glaubens, die einen Christen täglich belastet, aufgelöst. Dann wird klar, dass diese täglichen Anfänge weder „unnütze[s] Hin und Her“, eine „fruchtlose[ ] Kreisbewegung“ (IV/1, 672), die „Doppelheit einer gefährlichen Dialektik“ (IV/3, 1040) oder ein „progressus in infinitum“ sind (IV/1, 673). Somit lebt die gegenwärtige Hoffnung des Christen ultimativ davon, dass eschatologisch das „totus iustus! das letzte, das einzige und unwidersprochene Wort sein wird.“ (IV/1, 673) Ziel und Grund der Hoffnung sind

haben diesen Schatz nur in irdenen Gefäßen; ferner zähle letztlich der Gegenstand der Gewissheit und nicht der eigene Akt des Gewiss-Seins, denn „[i]ch bin nicht meiner Gewißheit gewiß, ich glaube nicht an meinen Glauben, sondern ich glaube an das, was Gott in Christus getan hat.“ (K. Barth, Gespräch mit Methodistenpredigern (1961), in: K. Barth, Gespräche 1959 – 1962, S. 169 – 205, 175).  Hierbei kann Barth ein Echo Calvins unterstellt werden, der Glaube und Hoffnung auf ähnliche Weise unzertrennlich verbunden hat: „Der Glaube ist das Fundament, auf dem die Hoffnung ruht, die Hoffnung nährt und stützt den Glauben.“ (J. Calvin, Unterricht in der christlichen Religion, III, 2,42).

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somit die eschatologische „Beseitigung jenes Widerspruchs“ des homo peccator (IV/1, 672; vgl. IV/3, 1065 f.).⁷³ Dem entspricht die Doppelgesichtigkeit des menschlichen Glaubenslebens, einerseits ein „freudig[es] [D]urchlaufen“ hin zum eschatologischen Ziel zu sein (IV/1, 674), und andererseits ein Kampf mit Anfechtung. Dennoch erhält das Leben des Gläubigen durch die in Christus gegründete Hoffnung eine eindeutige Richtung, denn die Zukunft ist schon „die Tiefe jeder Gegenwart“, insofern die Gegenwart eben der Anfang dieser gewissen Zukunft ist (IV/1, 674). Barth beschreibt daher die menschliche Situation im simul iustus et peccator als zwar „oft betrübt[ ], aber nie verzweifelnd[ ]“, als zwar „suchend[ ], aber auch findend[ ]“ (IV/1, 674). Die Hoffnung übergreift seine je täglich neuen Anfänge, indem sie diese täglichen Übergänge als Anfang der neuen Existenz des totus iustus erkennt. Die Hoffnung auf Gottes zukünftiges Wirken und die Vollendung seiner Versöhnung ist demnach die einzige Kontinuität, die einem Christsein im Werden gegeben ist. Allerdings bleibt festzuhalten, dass auch diese Hoffnung keine rein menschliche Tat darstellt, sodass nun die Kontinuität des Glaubens im menschlichen Hoffen gesichert wäre. Auch hier ist der Mensch auf der Vollzugsebene der Hoffende (vgl. IV/3, 1048), aber die Kraft der Hoffnung liegt – wie auch die Kraft des täglichen Anfangens – bei Gott (vgl. IV/3, 1079 f.).⁷⁴ Die Hoffnung ist somit nicht etwas, was den Glauben ergänzt und dadurch die Kontinuität des Glaubens sichert, sondern sie ist vielmehr ein Moment des Glaubens, das sich aus der Zusage Gottes fortschreibt. Eine Kontinuität des Glaubens außerhalb seines Vollzuges gibt es demnach nicht. Im Akt des Glaubens kann jedoch auch die Kontinuität des eigenen Glaubens erhofft werden.

7.4.3 Die Kontinuität in Erinnerung und Erwartung In den beiden vorangegangenen Abschnitten wurde die Unverfügbarkeit des Glaubens expliziert. Gleichwohl zeigte sich an den Phänomenen der inneren Gewissheit und Hoffnung, dass dem Glaubensvollzug trotz Barths Aktualismus Kontinuität zukommt. Es gibt somit eine die einzelnen Akte des Glaubens übergreifende Geschichtlichkeit des Glaubens. Sie kann anhand von Barths Verwen-

 Siehe auch E. van ’t Slot, Negativism of Revelation?, 179 – 181, der analysiert, dass es je an Gottes Willen liegt, dass es erneut zur Entsprechung und somit zum wahren Glauben kommt, dass dieses aktualistische Verständnis aber von der ewiggültigen Erwählung Christi getragen ist.  Grundsätzlich ist die Hoffnung keine spezielle menschliche Tat des Glaubens, sondern vielmehr der von Gott geschenkte Modus des Glaubens (vgl. IV/3, 1049). Folglich soll nach Barth die Hoffnung, wie die Gnade Gottes auch, im Gebet erbeten werden (IV/4, 230 f.).

7.4 Aktualismus und Kontinuität der Glaubensgewissheit

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dung der Begriffe „Begegnung“ sowie des „Vorher und Nachher“ näher erläutert werden. Erstens bezeichnet Barth die Gotteserkenntnis als „Begegnung“ (II/1, 24), womit zum Ausdruck gebracht werden soll, dass das Ereignis, in dem Gott aktual erkannt wird, – wie andere ‚Begegnungen’ auch – sowohl etwas unvorhergesehenes Neues ist, auf das sich der Mensch anfänglich einlassen muss, als auch die Fortsetzung einer früheren Begegnung, auf der diese neue Begegnung aufbaut (vgl. II/1, 24). In der neuen Begegnung wird die frühere Begegnung, an die sich der Mensch noch erinnert, also sowohl in Teilen infrage gestellt als auch in Teilen validiert. So drückt das Bild der ‚Begegnung‘ gerade die Duplexität von Kontinuität und neuem Anfang aus. Zweitens zeigt sich diese Kontinuität auch in Barths Ausführungen zum Gericht: Einerseits stehe ein Mensch täglich neu unter dem Gericht Gottes und andererseits ziele das Gericht auf die Veränderung des Menschen und müsse insofern auch eine dauerhafte Wirkung im menschlichen Leben hinterlassen (vgl. II/2, 855). Die Verbindung zwischen dem täglich Neuen und dem dauerhaft Verändernden knüpft Barth durch die Parallele zweier Zeitmodi: der Mensch lebt sowohl im „Nachher“ zum schon geschehenen Gericht als auch im „Vorher“, da er zugleich das nächste Ereignis des Gerichts vor sich hat. Doch im ‚Vorher‘ vor dem nächsten Gericht lebt er nicht als der frühere Mensch, sondern bereits aus dem ‚Nachher‘ des vorigen Gerichts herkommend; in ihm wurde ein Anfang gemacht und eine neue Ordnung aufgerichtet (vgl. II/2, 855). Diese Beschreibungen der Gotteserkenntnis als ‚aufeinander aufbauende Begegnung‘ und als im ‚Vorher und Nachher‘ zeigen, dass eine dauerhafte Prägung des menschlichen Lebens stattfindet, insofern das schon geschehene Glaubensereignis die Gegenwart des Menschen noch bestimmt. In beiden Fällen erinnert sich der Gläubige an das geschehene Ereignis und wird davon geprägt, und in Erinnerung an das bereits geschehene Ereignis trifft ihn das wieder neue Ereignis der Gottesbegegnung. Der Gläubige hat also nicht kontinuierlich die absolute Gewissheit, er erinnert sich jedoch, dass er in Christus diese Gewissheit gefunden hat und erwartet diese auch wieder in der Begegnung mit ihm zu finden. Dieser Gedanke der Erinnerung an die Ereignisse der Gotteserkenntnis lässt sich mit Barth noch weiter verfolgen, denn die Erinnerung wird von ihm als Modus beschrieben, in dem es auch zur erneuten Vergegenwärtigung Christi kommt. In seinen Ausführungen zum Wort Gottes in der Bibel beschreibt Barth die Erwartung (I/2 § 14.2) und die Erinnerung (I/2 § 14.3) als zwei Arten der Vergegenwärtigung der Offenbarung vor und nach der „erfüllte[n] Zeit“ in Christi Gegenwart (I/2, 64). Das Alte Testament wird dabei als „Zeugnis[ ] der Erwartung der Offenbarung“ interpretiert (I/2, 77), das Neue Testament als „Zeugnis[ ] der Erinnerung der Offenbarung“ (I/2, 112). Für die Erinnerung und Erwartung der Offenbarung gilt, dass sie

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zwar nicht selbst mit der erfüllten Zeit der Offenbarung zu verwechseln sind, aber „[e]chte Erwartung der Offenbarung ist ja selber nicht ohne diese: als erwartete ist ihr die Offenbarung auch gegenwärtig“ (I/2, 77). Für die Schrift bedeutet das, dass sie nicht selbst das Ereignis der Gegenwart Christi ersetzt, sondern nur dessen Erwartung und Erinnerung beschreibt; doch gerade darin ist sie Gottes Wort. Für den Gläubigen folgert Barth entsprechend, dass er ebenso Christus erwarten und erinnern könne (vgl. I/2, 132) und so „teil an der erfüllten Zeit“ nehme (I/2, 131). Zwischen den Polen von erinnerter Inkarnation Christi und eschatologisch erwarteter Parusie verläuft die persönliche Erinnerung und Erwartung des Christen. Zwar kann der Gläubige durch seine Erinnerung und Erwartung Christus nicht – gleichsam kausal – vergegenwärtigen, aber die Erwartung ist der „Modus des Glaubens“, in dem Christus dem Menschen begegnet (I/2, 131). In KD III/2 führt Barth dazu weiter aus, dass die Verkündigung selbst die Form von Erinnerung und Erwartung hat, sodass Christus in ihr gegenwärtig werde (vgl. III/2, 561– 563). Daher ist Christus selbst das „handelnde Subjekt“ in der Verkündigung (vgl. III/2, 564). So entspricht die Erwartung der „Hoffnung“ (I/2, 131). Der menschliche Vollzug von Erinnerung und Erwartung hebt demnach nicht die Unverfügbarkeit des Glaubens oder die Angewiesenheit auf die Kraft Christi auf, denn ohne deren Zueignung hätte der Gläubige für Barth nichts zu erinnern und zu erwarten. Ist der Gläubige mit Unglaube, Zweifel und Sünde konfrontiert, kann er diese nicht allein aus seiner Erinnerung an die vergangene Christuserkenntnis überwinden, sondern bedarf stets neu der Kraft Christi, die seinem Glauben einen neuen Anfang schenkt und ihn auf seine Zukunft als homo iustus ausrichtet. Allerdings prägen diese unverfügbaren Ereignisse der Gottesbegegnung die kontinuierliche Lebensgeschichte und innere Gewissheit eines Christen so, dass er sich an sie erinnert, in dieser Erinnerung von ihnen geprägt ist und sie wieder neu erwartet. So kommt es in diesem Modus der Erinnerung und Erwartung als Präzisierung der christlichen Hoffnung tatsächlich zum Leben als Spiegelbild des wahren Menschen Jesus Christus.

7.5 Systematische Auswertung: Glaube als gedeutete Ereignisgeschichte Dieses Kapitel sollte die Vollzugsdimension der anthropologischen Gestalt des Glaubens explizieren und nachzeichnen, wie Barth ihre Struktur begründet. Dafür wurde in 7.1 geklärt, wie Barth die Beziehung zwischen der Neuschöpfung in Jesus Christus und der irdisch-menschlichen Realität des Gläubigen als simul iustus et peccator beschreibt: 7.1.1 zeigte, dass de iure der Sünder in Christus mitgestorben und der neue, geheiligte Mensch in Christus mitauferstanden ist. In der irdischen

7.5 Systematische Auswertung: Glaube als gedeutete Ereignisgeschichte

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Realität lebt jedoch jeder Mensch noch unter der Bestimmung der Sünde. Diese Spannung findet in der Beschreibung des simul iustus et peccator ihren Ausdruck, die mit Barth christologisch als der Übergang von der Vergangenheit des peccator hin zu der Zukunft des iustus interpretiert wurde (7.1.2). Demnach gründet die Koinzidenz der Gegensätze des homo peccator und des homo iustus in der Umkehrbewegung Christi. Für diese wurde weiter gezeigt, dass Jesus Christus nicht nur derjenige ist, durch den de iure die Umkehr vollzogen wurde, sondern zugleich auch derjenige, der aktuell ‚in der Umkehr begriffen‘ ist und in dem die menschliche Umkehr des Glaubens wirklich wird (7.1.3). Das Werden der Gläubigen wurde somit im Werden Christi begründet und durch die participatio Christi vermittelt. Die einzelnen Umkehrakte des Menschen im Glauben bezeugen dabei nicht, ob ein Mensch in der Umkehr steht, sondern spiegeln vielmehr das Geschehen, an dem er in Christus beteiligt ist (7.1.4). Die Wahrhaftigkeit der menschlichen Umkehr liegt somit nicht in der Kontinuität von Umkehrakten im Leben des Gläubigen, sondern in dem einen Umkehrereignis Christi. Die verschiedenen Akte und Grade von Umkehr im menschlichen Leben sind unterschiedliche Arten der Spiegelung dieses einen dynamischen Ereignisses des Neuwerdens. In den Abschnitten 7.2 und 7.3 wurden die systematischen Konsequenzen von Barths Begründung des Werdens des Glaubens im Werden Christi als Anfänglichkeit des Glaubens expliziert. In 7.2 wurde die daraus folgende prinzipiell anfängliche, d. h. unvollendete Gestalt des werdenden Glaubens herausgestellt. Einerseits bedeutet der Glauben eine schon jetzt reale Veränderung des Gläubigen, die Barth als Heiligung beschreibt (7.2.2). Andererseits wurde die Heiligung als ein ‚vorletztes Ding‘ von den letzten Dingen unterschieden, sodass der Gläubige auch in der Heiligung noch ein ‚gestörter Sünder‘ ist. Die Gegenwart des Gläubigen besteht daher stets auch im Kampf gegen Anfechtungen, in welchem die Erkenntnis Gottes mit der Nicht-Erkenntnis Gottes streitet (7.2.3). Der menschliche Glaube ist nicht nur notwendig unvollendet und angefochten, sondern dem Gläubigen auch unverfügbar (7.3). Daher hat der Christ mit seinem Glauben täglich neu anzufangen (7.3.1), denn es entspricht der freien, göttlichen Gnade, dass der Mensch jeweils neu auf diese angewiesen ist und sie gerade nicht besitzt. Es wurde im Anschluss an Barths allgemeinen Kompatibilismus gezeigt,⁷⁵ dass der Mensch dadurch täglich neu auf die Kraft Christi angewiesen ist, um willig und bereit für den Glauben zu sein, er aber weiterhin das freie Subjekt seines Glaubensvollzugs bleibt (7.3.2). Ferner wurde gezeigt, dass täglich neues Anfangen des Glaubens und die Einmaligkeit seines Anfangs in der

 Siehe Kap. 5.5.

316

7 Das Sein des Glaubens im Werden

Berufung kompatibel sind, indem Barth die vocatio unica mit der vocatio continua verbindet (7.3.3). Aus der Unverfügbarkeit des Glaubens entstand schließlich die Frage (7.4), worin die Kontinuität des Christ-Seins besteht, wenn der Christ auf dessen aktualistische Zueignung im Geist Gottes angewiesen ist? In 7.4.1 wurde gezeigt, dass Barth auch die Heilsgewissheit des Glaubens streng aktualistisch versteht, insofern sie einem Christen nur im Akt seiner Ausrichtung auf Christus zukommt und nicht etwa in der introspektiven Suche nach privater Gewissheit. Allein die Hoffnung, die der Christ in diesem Akt des Glaubens hat, lässt ihn auch im Hinblick auf seine Zukunft zuversichtlich werden, dass Gott ihn wieder neu auf sich ausrichten wird (7.4.2). Beides, Hoffnung und Gewissheit, sind jedoch Früchte des Glaubens. In seinen Anfechtungen kann sich ein Christ nur innerhalb seiner menschlichen Fähigkeiten an diese Hoffnung und diese Gewissheit erinnern und ein neues Wirken Christi erwarten (7.4.3). Der Glaube bleibt dem Christen somit unverfügbar. Allerdings prägen die Glaubensakte das menschliche Leben, sodass es auch dauerhaft zu realen Veränderungen des Gläubigen und seiner Lebensführung kommt. Diese bleiben jedoch ein gebrochener Spiegel dessen, was dem Gläubigen in Christus gilt. In diesem Kapitel wurde somit die menschliche Realität des Glaubens klar von dem neuen Sein des Menschen in Christus unterschieden und zugleich wurden beide in einen engen, internen Zusammenhang gebracht. Der Mensch ist in seinem Glauben durchgängig ‚ek-zentrisch‘ auf Christus bezogen und findet in Christus Gewissheit, bleibt dabei aber im Stand der Hoffnung und wird nicht zum Besitzer dieses Neuen, sein Glaube ist zugleich nur hoffende, erinnernd-erwartende Deutung der persönlichen participatio Christi. In der menschlichen Realität des Gläubigen als simul iustus et peccator gibt es dabei zwar auch schon reale Veränderungen seines Lebensvollzuges, aber die Wirklichkeit des homo peccator bleibt. Der Glaube ist somit als dynamisches Geschehen eines zwischen Vergangenheit und Zukunft orientierten Werdens zu verstehen, das in seiner Ausrichtung auf Jesus Christus an dessen Werden teilnimmt. Die hierin beschriebene Bezogenheit und Differenz zwischen dem Gläubigen in seiner menschlichen Realität und seinem wirklichen, ihm unverfügbaren Sein in Christus wird im Begriff der Deutung erfasst: sie beschreibt die Erkenntnis Gottes im irdischen Stand der Hoffnung, der zugleich von der Sünde als Hang zur Religion und Bemächtigung des eigenen Gottesverhältnisses betroffen ist. Das Ereignis der Gotteserkenntnis ist dem Menschen in der Vermittlung seines eigenen, konstruktiven Deutens zugänglich. So kann der Christ, sich selbst von Christus her deutend, sein Leben gestalten und darin schon Spiegelbild Christi sein. Zugleich hofft er aufgrund von Erinnerung und eschatologischer Erwartung

7.5 Systematische Auswertung: Glaube als gedeutete Ereignisgeschichte

317

je neu, dass seine Deutungen Jesus Christus gemäß sind, sodass er täglich neu auf Jesus Christus verwiesen ist.

8 Die menschliche Glaubenstat Wie bereits in mehreren Hinsichten herausgestellt werden konnte, ist der menschliche Glaube nach Barth ein freies menschliches Tun. Er ist menschliche „Tätigkeit in diesem Verhältnis des Christen zu Christus“ (IV/1, 830) und wird von Barth als „die christliche Lebenstat“ (IV/1, 846) bezeichnet, womit Barth den Glauben als eine „Grundtat“ des Menschen beschreibt, die „die alle seine anderen und einzelnen Taten und Tätigkeiten umfassende und regierende, […] durchdringende und bestimmende christliche Tat“ ist (IV/1, 847). Im Folgenden soll die Binnenstruktur dieser menschlichen Grundtat eigens analysiert und systematisiert werden. In IV/1, § 63 bestimmt Barth die Grundtat des Glaubens als eine dreifältige Form von „Kenntnisnahme“, als „Anerkennen, Erkennen, Bekennen“ (IV/1, 847). Anhand dieser Trias soll ein Raster gewonnen werden, in dem die übrigen Modi des Glaubens als Tat innerhalb der KD eingeordnet werden können (8.1). Dabei wird Barths Trias von Anerkennen, Erkennen und Bekennen als Einheit irreduzibler, aber einander gegenseitig einschließender Grundtaten interpretiert, die alle weiteren Tatvollzüge des Glaubens, wie Gehorsam, Dank, Nachfolge, etc. als Spezifikationen beinhalten (8.2– 8.4). Ansatzpunkt dieses Versuchs bildet die Entfaltung der Barthschen Trias als perspektivische Einheit des Gottes-, Selbstund Weltverhältnisses.¹ Das systematische Hauptziel dieses Kapitels besteht darin, diese innere Einheit der Grundtat des Glaubens und ihre Mehrfältigkeit einsichtig zu machen. Die perspektivische Deutung von Anerkennen, Erkennen und Bekennen als Gottes-, Selbst- und Weltverhältnis des Gläubigen geht mit Barth über seine ausdrücklich formulierte Position hinaus. Das Moment des Anerkennens wird dementsprechend in 8.2 als Veränderung der menschlichen Perspektive auf Gott beschrieben. In der Anerkennung Gottes tritt der Gläubige überhaupt in ein antwortendes Gottesverhältnis ein. Das Moment des Erkennens wird als eine Veränderung der Selbstdeutung des Menschen interpretiert, in welcher die Erkenntnis des wahren Menschen Jesus Christus auch die Perspektive auf das eigene Menschsein grundlegend verändert (8.3). Das Bekennen schließlich wird als verändertes Weltverhältnis des Gläubigen expliziert (8.4). Bei dem Versuch dieser Systematisierung wird es darauf ankommen, den

 Die dem Moment der Anerkennung ähnelnde Figur von Selbstannahme und Annahme des anderen hat Tietz in einer ähnlichen Weise analysiert, indem sie die grundlegende Bedeutung der Rechtfertigung für das Selbst- und Weltverhältnis bei Kierkegaard entfaltet (siehe C. Tietz, Freiheit zu sich selbst. Entfaltung eines christlichen Begriffs von Selbstannahme, Göttingen 2005, bes. 156 – 205). https://doi.org/10.1515/9783110574876-009

8.1 Die Vielfalt und Einheit der Glaubensvollzüge

319

inneren Zusammenhang der drei Momente herzustellen: Das Anerkennen Gottes verändert als Erkennen Gottes auch die eigene Selbstdeutung, die wiederum im Leben des Gläubigen als Bekennen sichtbar wird. Im Folgenden ist daher jeweils ein besonderer Aspekt der Glaubenstat hervorzuheben und zugleich der Bezug auf die übrigen herzustellen. In der Summe wird somit gezeigt, wie der Glauben zu einem neuen Lebensvollzug des Menschen im Ganzen führt (8.5).

8.1 Die Vielfalt und Einheit der Glaubensvollzüge In der Forschung wurde es bis jetzt versäumt, Barths Anwendung des Tatbegriffs auf den Glauben in concreto zu untersuchen und zu hinterfragen. Barths Unterscheidung von kreatorischer Tat Gottes und kongnitiver Kenntnistat des Menschen (vgl. IV/1, 847) führte bisweilen dazu, dass einige Interpreten den Glauben bei Barth als kognitiven Akt missverstanden und eine Verengung des Glaubensbegriffs auf die Erkenntnis kritisierten.² Eine umfassendere Analyse der Glaubenstat des Menschen steht noch aus.³ Das Folgende versucht eine solche Analyse der Glaubenstat; in diesem Abschnitt ist dabei zu begründen, warum sich die Trias des Kennens als grundlegendes Analyseraster der Glaubenstat eignet. In IV/1, § 63 gibt Barth an, die Glaubenstat mit der Trias von Anerkennen, Erkennen und Bekennen erschöpfend beschrieben zu haben.⁴ An anderen Stellen

 So kritisiert Härle in diesem Zusammenhang, dass gerade durch Barths Akzentsetzung der ‚Kenntnis‘, die Charakterisierung des Glaubens als fiduziales Vertrauen zu kurz komme: Wegen Barths „Hervorhebung des Glaubens als Ermöglichungsgrund wahrer Erkenntnis“ (W. Härle, Sein und Gnade, 317) werde der Glaube nicht als Vertrauen oder Gewissheit verstanden, „die aus einer persönlichen Begegnung resultieren, in der sich das Gegenüber als überzeugend und vertrauenerweckend erweist, sondern als die Anerkennung einer vorgegebenen Autorität und als der Gehorsam ihrer Weisung gegenüber.“ (ebd., 318) Demgegenüber müsste mit Barth erwidert werden, dass gerade im Einleuchten Jesu Christi, welches die Anerkennung bewirkt, Jesus Christus dem Menschen als vertrauenswürdig einleuchtet und der Mensch gerade daher ihm auch gewisslich vertrauen kann (s.u. 8.2). Zu den weiteren Vorwürfen einer kognitiven Verengung s. o. Kap. 6.4.2.  Obwohl Verweise auf die Barthsche Trias des Kennens nicht unüblich sind, bleibt es bei kurzen Referaten dieser Trias ohne eingehende Analyse. So zum Beispiel Seils, der die Barthsche Trias zwar anspricht (vgl. M. Seils, Glaube, 210 – 212. 233 – 235), aber den Glauben bei Barth in einem exklusiven Sinn als Erkenntnis und Gehorsam charakterisiert (ebd., 229). Ähnlich M. Josuttis, Die Gegenständlichkeit der Offenbarung, 124 f. und E. C. Hirsch, Glauben, 352.  In seiner Dogmatik im Grundriss spricht Barth 1946 vom Glauben als der Trias „Vertrauen“, „Erkennen“, „Bekennen“ (K. Barth, Dogmatik im Grundriß, 16. 25. 31). In KD IV/1 wird 1953 offenbar aus dem „Vertrauen“ das Moment „Anerkennen“. Dabei scheint die Anerkennung inhaltlich jedoch kaum anders begriffen zu sein als das Vertrauen, denn Barth schreibt: „Vertrauen

320

8 Die menschliche Glaubenstat

der KD tauchen diese Begriffe aber nur vereinzelt auf oder werden inhaltlich anders bestimmt, zum Beispiel beschreibt Barth den Glauben im Kontext der Schöpfungslehre grundsätzlich als „Anerkennung“ des Schöpfers (III/1, 33 – 42). Neben dem dreifachen Kennen aus § 63 finden sich in der KD jedoch diverse andere Beschreibungen des Glaubens, die ihrem jeweiligen Kontext entsprechend Akzente der Glaubenstat hervorheben. Eine zentrale Beschreibungen des Glaubens findet sich etwa in Barths Ausführungen über den „wirklichen Menschen“: Der Mensch könne sich den Zuspruch Gottes in Jesus Christus nur gefallen lassen und entsprechend nur ein „Sein im Danken“ führen (III/2, 198).⁵ Neben dem Dank gibt es nach Barths Ausführungen in III/2 kein anderes Verhältnis des Menschen zu Gott, in dem der Mensch Gott Gott sein lassen würde, sodass das Danken die eine Grundtat des Glaubens darstellt.⁶ Auch in II/2 übernimmt der Dank die zentrale Funktion des ‚Anerkennens‘ und ‚Antwortens‘, die in der vorliegenden Arbeit wesentlich dem Glauben zugeschrieben werden.⁷ Hierbei scheint den Dank vornehmlich das zu charakterisieren, was Barth in IV/1, § 63 als ‚kognitive‘ Antwort auf Gottes kreatorisches Wort beschreibt, sodass sich die strukturelle Unterscheidung zwischen einem göttlichen ersten Akt und einem darauf antwortenden menschlichen Akt auch im Danken wiederfindet. In II/1, § 25, wo Barth das Verhältnis von Gotteserkenntnis und Glaube beschreibt, benennt Barth die Erkenntnis, die Liebe, das Vertrauen und den Gehorsam jeweils als „Bestimmungen des Glaubens in seiner Ganzheit“ (II/1, 11). Jede einzelne dieser Beschreibungen könne umfassend ausdrücken, was der ist der Akt, in dem ein Mensch sich verlassen darf auf die Treue eines anderen, dass dessen Zusage gilt und dass das, was er fordert, notwendig gefordert wird.“ (ebd., 20; vgl. auch M. Seils, Glaube, 210 f., Anm. 158). Desweiteren spricht Barth auch in IV/1, 865 wieder vom „Vertrauen“, dass in der Erkenntnis Christi gründe. Barths Wahl des ‚Kennens‘ als gemeinsamer Wurzelbegriff in IV/1, 847 folgt wahrscheinlich daraus, dass er zuvor die menschliche Tat – in Folge und Entsprechung zu dem kreatorischen Werk Gottes – kognitiv bestimmt hat (s.o. Kap. 6.4.3).  Auch in KD IV/1 setzt Barth den Glauben mit dem Dank gleich, wenn er vom Glauben als der Stimme des Dankes spricht, d. h. dem menschlichen ‚Ja‘, das der göttlichen Bejahung des Menschen entspricht (vgl. IV/1, 824). Siehe hierzu E. Jüngel, Die Möglichkeit theologischer Anthropologie auf dem Grunde der Analogie. Eine Untersuchung zum Analogieverständnis Karl Barths, 229 f.  Dank gilt hierbei als das „geschöpfliche Komplement zu Gottes Gnade“ (III/2, 199). Denn der Dank ermögliche es „Gott Gott sein zu lassen, so wie er sich ihm in diesem seinem Wort offenbart und darbietet. Es gibt neben der Dankbarkeit keinen anderen Weg, auf dem der Mensch über sich selbst hinauskäme. Gott kann vom Menschen wirklich nur gedankt werden.“ (III/2, 203).  Zum Beispiel in folgender Passage: „Dank ist die Reaktion auf eine Wohltat, die nicht als solche wiederholt und zurückgegeben, die also nur mit einer ihr entsprechenden, sie widerspiegelnden Antwort als solche anerkannt und bestätigt werden kann.“ (II/2, 457).

8.1 Die Vielfalt und Einheit der Glaubensvollzüge

321

Glaube an Gott in seiner Totalität sei. Dementsprechend schreibt Barth über die Erkenntnis Gottes: „alles, was vom Wesen des Glaubens überhaupt zu sagen ist, wird auch von der Erkenntnis Gottes als der Erkenntnis des Glaubens zu sagen sein.“ (II/1, 12) Das „Wesen des Glaubens“ könne somit aus der Analyse der Erkenntnis Gottes gewonnen werden (II/1, 12). Diese Analyse zeige, dass das menschliche Erkennen ein logisch „zweite[r] Akt“ ist, denn das menschliche Erkennen sei die „Bestätigung und Anerkennung“ dessen, dass „Gott vor dem Menschen steht“ (II/1, 33, Herv. J. S.). Die Voraussetzung des menschlichen Erkennens liege in einem „ersten Akt“ Gottes (II/1, 33). Damit beschreibt Barth auch in II/1, § 25 eine analoge Struktur zu dem Begriffspaar von Gottes kreatorischer und des Menschen kognitiver Tat in IV/1, § 63. Die Beschreibung in II/1 stimmt dabei insofern mit der Trias von IV/1 überein, als der menschliche Vollzug in Gottes vorausgehendem Tun begründet ist und sich – in erkennend-anerkennender Weise – auf dieses bezieht. In II/2 bleibt der menschliche Akt jedoch unterbestimmt, da er allein als Erkennen näher beschrieben wird, wohingegen Barth die Bestimmungen als Liebe, Vertrauen und Gehorsam nicht näher expliziert. In III/3, § 49.4, wo Barth den Zusammenhang von Erkennen und Tun des Gläubigen beschreibt (vgl. III/3, 278), zeigt sich ebenfalls eine ähnliche Struktur: Die Erkenntnis Gottes bestimme den Menschen derart in seinem Inneren, dass sie ihn zur tätigen Antwort seinerseits bewege (vgl. III/3, 277). Dieses Verhalten wird mit der Trias Glaube, Gehorsam und Gebet beschrieben, die laut Barth innerlich zusammenhängen wie die drei trinitarischen Seinsweisen Gottes (vgl. III/ 3, 279). Der Glaube als „das Annehmen des Wortes Gottes“ (III/3, 279, Herv. J. S.) wird von Barth zuerst genannt, weil er der Ursprung christlichen Verhaltens sei. Er beinhaltet den Gehorsam, weil die Befreiung des Glaubens gerade in der Unterwerfung bestehe (vgl. III/3, 286), sowie das Gebet, das den Akt des Glaubens in seiner Bewegung beschreibe (vgl. III/3, 287). Dennoch stellt Barth den Glauben hier als ein Verhalten neben Gehorsam und Gebet, sodass er nur eine dieser drei Äußerungen „christlichen Verhaltens“ darstellt (III/3, 278). Es zeigt sich an diesen exemplarisch ausgewählten Stellen, dass Barth den Glauben durchgängig erstens als tätige, erkennende Antwort auf ein vorausgehendes Werk Gottes versteht. Zweitens versteht Barth diese Antwort stets als ein anerkennendes oder annehmendes Verhalten. Drittens geht Barth stets von der inneren Einheit der Momente des Glaubensaktes aus, auch wenn er diese Momente bisweilen unterschiedlich akzentuiert. Die im Folgenden versuchte Systematisierung der menschlichen Tat des Glaubens wird daher die Trias des Kennens aus IV/1, § 63 zugrunde legen, weil sie die vorigen Bestimmungen umfasst und am deutlichsten differenziert. Die Integration der anderen Beschreibungen

322

8 Die menschliche Glaubenstat

des Glaubens in diese Trias wird exemplarisch anhand der Bestimmung der folgsamen Demut vorgeführt (s.u. 8.2.3).

8.2 Anerkennen – die Bestimmung des Gottesverhältnisses Das für Barth „grundlegende Moment“ des Glaubens (IV/1, 849) bildet die Tat der Anerkennung Jesu Christi: „Der christliche Glaube ist ein Anerkennen.“ (IV/1, 847) Dieser Fundamentalcharakter des Anerkennens ist in einem ersten Schritt herauszustellen (8.2.1). In einem zweiten Schritt ist das Verhältnis des Anerkennens zur bisherigen Fundamentalbestimmung des Erkennens Gottes zu klären, insbesondere als Frage nach dem Verhältnis von notitia, assensus und fiducia (8.2.2). Dabei gilt es zu zeigen, dass die anerkennende Gotteserkenntnis eine existenzielle Erkenntnis ist, die nicht in allgemeinen Kenntnissen vorbereitet wurde: Weil Barth die Anerkennung als Gottesbegegnung versteht, kann er sie der notitia vorordnen. Schließlich sind die in der Anerkennung mitgesetzte Bestimmung des Gottesverhältnisses sowie ihre zentralen Momente der ‚Demut‘ und des ‚Gehorsams‘ zu analysieren (8.2.3). Weil ihr Grundcharakteristikum die Folgsamkeit ist, kann dabei gezeigt werden, dass die Tat der Anerkennung nicht ein Werk des Glaubens ist, was der Rechtfertigungslehre widerspräche.

8.2.1 Anerkennen als erste und grundlegende Glaubenstat Das Anerkennen ist für Barth das konstituierende Moment des Glaubens, welches das aktive Verhältnis des Christen zu Christus eröffnet, innerhalb dessen das Erkennen und Bekennen stattfinden können. Daher gehört das Anerkennen bei der Trias des Kennens „in der Beschreibung dieser Kenntnisnahme an die Spitze.“ (IV/1, 847) Um die Konstitution des Gottesverhältnisses in der Anerkennung nachzuvollziehen, ist es zunächst hilfreich, Barths Konzeption mit der Struktur des Hegelschen Anerkennungsbegriffs zu vergleichen. Für Barth wie für Hegel beschreibt die Anerkennung die Konstitution eines interpersonalen Verhältnisses zwischen zwei Subjekten. Wie Hegel prägnant herausstellt, ist das Anerkanntsein eines Subjekts nicht anders möglich denn als tätiges Anerkanntwerden durch den Anderen, d. h. die Anerkennung ist wesentlich ein „Thun“⁸. Daher ist es immer wieder neu erforderlich, Anerkennungsver-

 Hegel, Georg W. F., Phänomenologie des Geistes, Gesammelte Werke 9, hg. v. W. Bonsiepen, R. Heede, Hamburg 1980, 110.

8.2 Anerkennen – die Bestimmung des Gottesverhältnisses

323

hältnisse zu aktualisieren und im eigenen Tun zu bestätigen. Das Entscheidende an diesem Tun ist seine irreduzible Reziprozität, das heißt, dass sie „ebensowohl das Thun des Einen als des Andern ist“.⁹ Der Andere erkennt mich an, weil ich ihn anerkenne, und umgekehrt erkenne ich ihn nur an, weil er mich anerkennt; für beide Subjekte in einem Anerkennungsverhältnis gilt demnach: „Sie anerkennen sich als gegenseitig sich anerkennend.“¹⁰ In der symmetrischen Beziehung der Anerkennung sind ihre Relate gleichursprünglich. Aus dieser Symmetrie entwickelt Hegel dann die wesentliche Gleichheit der Anerkennenden, eine Gleichheit, die zugleich der wesentliche Gegenstand ihres Anerkennens ist. Dieser wirkmächtige Anerkennungsbegriff Hegels wird von Barth in der Sache insofern aufgenommen, als Barth die Anerkennung erstens ebenso als stets zu aktualisierende Tat auffasst und zweitens auch feststellt, dass es erst in der gegenseitigen Anerkennung, d. h. bei Barth im göttlichen Zuspruch und der menschlichen Antwort, zu einem realen Gottesverhältnis kommt. Denn die Teilnahme am Bund Jesu Christi wird erst dann geschichtlich realisiert, wenn es sowohl die Anerkennung des Menschen durch Gott als auch die Anerkennung Gottes durch den Gläubigen gibt.¹¹ Zugleich liegt hierin der wesentliche Unterschied zu Hegels Anerkennungsbegriff: Für Barth ist die gläubige Anerkennung gerade eine zutiefst asymmetrische Beziehung und keine gleichursprünglichsymmetrische. Denn erstens wird Gott nicht durch den Eintritt in ein Anerkennungsverhältnis mit dem Menschen verändert, der Mensch aber schon. Gott hat sich nämlich bereits in seinem Bundesschluss in eine innertrinitarische Anerkennung versetzt und wird dadurch bei Barth von der menschlichen Anerkennung nicht verändert. Zweitens hat Gott jeden Menschen in Christus als wahren Menschen bereits anerkannt, bevor er von diesem antwortend als Herr anerkannt werden könnte. Insofern muss bei Barth zwischen der in Christus verwirklichten Gottesbeziehung des Menschen de iure und der realisierten Gottesbeziehung de facto als Teilnahme an dieser Beziehung im Glauben unterschieden werden. Aufgrund der Anerkennung Gottes durch den wahren Menschen Jesus Christus ist die Beziehung zwischen Gott und Mensch verwirklicht – völlig unabhängig von der gläubigen Anerkennung des Einzelnen. Der Bund besteht somit schon in der stellvertretenden Anerkennung Christi. Für den einzelnen gläubigen Menschen

 Ebd.  Ebd. Den Zusammenhang von Intersubjektivität und Reziprozität in der Anerkennung expliziert Honneth im Anschluss an Hegels Entwurf: vgl. A. Honneth, Kampf um Anerkennung. Zur moralischen Grammatik sozialer Konflikte, Frankfurt am Main 1992, 64 f.  Siehe zu den Bedingungen der geschichtlichen Realisierung und den Begriffspaaren wirklich–realisiert und de iure–de facto, Kap. 4.3 und 6.2.3.

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8 Die menschliche Glaubenstat

realisiert sich ein bewusstes Gottesverhältnis jedoch erst in seiner eigenen tätigen Anerkennung Gottes. Daher kann im Hinblick auf die menschlich-geschichtliche Realität des Gläubigen gefolgert werden, dass erst seine Anerkennung das Verhältnis auch für ihn herstellt. Die Konstitution des Gottesverhältnisses des Gläubigen in der Anerkennung zeigt sich auch an Barths Ausführungen in II/1, wo er darlegt, dass der Gläubige in einem „unaufhebbar […] bestimmten Nachher“ (II/1, 21) zu Gott steht. Dieses ‚Nachher‘ könne „in keiner Weise in ein Vorher des Menschen verwandelt oder umgedeutet werden“ (II/1, 21). Das im Glauben nachvollzogene Eintreten des Menschen in die Gottesbeziehung ist daher ein unaufhebbares ‚Nachherʻ, das auch auf kein ‚Vorherʻ eines unabhängig vorhandenen menschlichen Subjekts und Anknüpfungspunkts verwandelt werden kann, in dessen Bereich Gott mit seiner Offenbarung erst eintreten müsste. Vielmehr konstituiert sich das menschliche Glaubenssubjekt erst in der Gottesbegegnung und kann somit als ‚Nachher‘ ohne ihm eigenes ‚Vorher‘ beschrieben werden, dessen einziges ‚Vorher‘ Gott ist.¹² Somit findet im Akt der menschlichen Anerkennung eine „Neubegründung und Neubestimmung der menschlichen Subjektivität“ als Teilnehmerin an ihrem Gottesverhältnis statt (II/1, 13). Dementsprechend kommt es in der menschlichen Anerkennung Gottes nicht nur zur geschichtlichen Gottesrelation, sondern im angezeigten Sinn auch zur Erschaffung des gläubigen Subjekts. Sachlich beschreibt die Anerkennung also das Wunder des Glaubens, da es in ihr zur Neuschöpfung des Gläubigen kommt, der im tätigen Anerkennungsverhältnis neu konstitutiert wird.¹³ Diese Konstitution des Glaubens in der Anerkennung stellt nach Barth eine Umkehr des traditionellen Dreischritts von notitia, assensus und fiducia dar, indem sie die Anerkennung der notita vorordnet. Denn es sei sachdienlicher, „zuerst vom assensus und dann erst von der notitia“ zu reden, wenn die Anerkennung die erste Tat des Glaubens ist (IV/1, 848).¹⁴ Auf den Einwand, dass im Anerkennen bereits ein Erkennen enthalten und also vorausgesetzt sei, antwortet Barth, dass

 Für Barth tritt Gott nicht in den Bereich eines ‚vorher‘ vorhandenen Menschen, „sondern, indem dieses Objekt [Gott] auf den Plan tritt, schafft es selber allererst das Subjekt seiner Erkenntnis.“ (II/1, 22) Damit wird zwar der Mensch nicht im absoluten Sinn erschaffen, aber er wird als Gott Erkennender neu geschaffen.  Vgl. zu diesem kreatorischen Akt auch die Ausführungen zur analogia fidei in Kap. 3.3.1.  Barth macht keine Angabe, wen er als Vertreter dieser ‚klassischen Definition‘ vor Augen hat. Die Tradierung dieser Trias einschließlich der Vorordnung der notitia in der reformierten Lehre, zeigt Heppe, der sich in seiner Darstellung auf Wolleb bezieht. Wolleb betone sogar, dass der Glaube „also vor allem notitia sei“ (H. Heppe, Die Dogmatik der evangelisch-reformierten Kirche, 410).

8.2 Anerkennen – die Bestimmung des Gottesverhältnisses

325

es sich „in der Kenntnisnahme des christlichen Glaubens […] gerade umgekehrt“ verhält (IV/1, 847). Denn das Erkennen, „indem es in dem Anerkennen allerdings schon enthalten ist, [geht] nur als Konsequenz aus diesem hervor[].“ (IV/1, 847)¹⁵ In alledem ist die Anerkennung eine Tat, vermittels der der Mensch selbsttägig an seiner Gottesbeziehung partizipiert. Allerdings darf dieser Tatcharakter nicht dahingehend missverstanden werden, dass der Geist „den Menschen in die Situation der Wahl stellt, […] Gottes [Offenbarung] zu entsprechen und sie anzuerkennen oder ihr nicht zu entsprechen und sie abzulehnen“.¹⁶ Dies setzte nämlich voraus, dass die Anerkennungstat eine Wahl Gottes wäre, die nach der Erkenntnis von zwei Möglichkeiten eine auswählte. Vielmehr konstituiert sie die Gotteserkenntnis. Wie das möglich ist, soll im nächsten Abschnitt geklärt werden.

8.2.2 Die existenzielle Erkenntnis Christi in der Anerkennung (IV/1, § 63) Wie soll jedoch eine Anerkennung möglich sein, die nicht zureichend in einer vorausgehenden Kenntnis dessen, was anerkannt wird, begründet ist?¹⁷ Wie soll also die von Barth versuchte Vorordnung des assensus vor die notitia möglich sein? Für den Begriff der notitia ist zu beachten, dass Barth zwischen der ‚neutralen‘ Kenntnis eines Sachverhalts und einer existenziellen Erkenntnis unterscheidet. Die Erkenntnis, die der Anerkennung folgt, ist eine solche existenzielle Erkenntnis; hierbei schließt Barth auch an bestehende Traditionen an.¹⁸ Barths primäres Abgrenzungsinteresse zielt auf die Annahme einer neutralen Kenntnis im Sinne einer fides historica. ¹⁹  Barths explizite Vorordnung der Anerkennung vor die Erkenntnis findet sich nur an dieser Stelle. Zwar nimmt Barth den gleichen Aspekt auch in II/1 im Kontext der Gotteserkenntnis auf, dort systematisiert er jedoch anders, indem er mit der Erkenntnis beginnt und diese als Erkenntnis des Glaubens entfaltet. Auch in I/1, § 6.4 operiert Barth bereits mit den Begriffen der Anerkennung und des Erkennens, jedoch ohne spezifische Vorordnung des Anerkennens.  R. Goltz, Das Werden der Gewissheit, 118.  Diese Frage stellen in unterschiedlicher Art und Weise auch Bultmann und Weber, wie Pannenberg zeigt: W. Pannenberg, Systematische Theologie. Band 3, Göttingen 1993, 172– 174.  In den reformierten Bekenntnissen finden sich verschiedene Hinweise auf diesen Erkenntnisbegriff. So wird zum Beispiel im Genfer Katechismus gefragt: „Welches ist die wahre und rechte Erkenntnis Gottes? Diejenige, bei welcher ihm die angemessene und geschuldete Ehre erwiesen wird.“ (J. Calvin, Genfer Katechismus von 1545, in: Reformierte Bekenntnisschriften, hg. v. G. Plasger, M. Freudenberg, Göttingen 2005, S. 59 – 106, 60, I, 1.6).  Auch Bultmann hat die Reihenfolge von notitia, assensus und fiducia in der Orthodoxie kritisiert, allerdings um die fiducia als den eigentlichen Zugang zum Gegenstand zu beschreiben. Eine Vorordnung des assensus – wie Barth es propagiert – würde nach Bultmann dazu führen, dass Glaube nur die Annahme einer Lehre wäre (vgl. R. Bultmann, Theologische Enzyklopädie,

326

8 Die menschliche Glaubenstat

Die Frage nach der logischen Möglichkeit einer solchen Vorordnung der Anerkennung drängt sich Barth im Kontext seiner Auseinandersetzung mit der reformierten Orthodoxie auf. Dort schreibt er, dass die Vorordnung des assensus vor die notitia „in den Ohren ihrer auf formale Logik bedachten Urheber“ wohl „befremdlich“ geklungen haben müsse (vgl. IV/1, 848). Entsprechende Überlegungen führen Pannenberg dazu, eine „logische Vorordnung“ des „Erkennens vor den Glaubensakt“ anzunehmen, da sonst der Mensch die „Christusbotschaft blind als Autorität“ hinnehmen müsste.²⁰ Daher sei nach Pannenberg von einer „theoretischen Erkenntnis“ vor der „persönlichen Teilhabe“ im Glauben auszugehen.²¹ Barth begründet seinen gegenteiligen Ansatz damit, dass sich die Anerkennung im Akt der Gottesbegegnung ereignet und dabei auf eine vorausgehende Erkenntnis verzichten muss.²² Der Mensch kann darauf verzichten, weil er „in der Begegnung mit der Gemeinde Jesu Christi diesem selbst begegnet“ (IV/1, 849)²³ und sich so in der Anerkennung nicht blind irgendwelchen Kirchenlehren beugt – die schon vorher bekannt sein müssten –, sondern Jesus Christus selbst.²⁴ Diese

33. 103). Siehe dazu auch: E. Jüngel, Glauben und Verstehen. Zum Theologiebegriff Rudolf Bultmanns, in: Wertlose Wahrheit, hg. v. E. Jüngel, München 1990, S. 16 – 77, 47 f. und H. von Sass, assensus fiduciae. Glaube als Vertrauen bei Rudolf Bultmann, in: KuD 57 (2001), S. 243 – 268, 253 f.  W. Pannenberg, Nachwort zur zweiten Auflage, in: Offenbarung als Geschichte, hg. v. W. Pannenberg, Göttingen 1982, S. 132– 148, 145. Pannenberg setzt sich in diesem Kontext mit Günther Klein und Paul Althaus über das Verständnis des Glaubens als Entscheidung auseinander. Vgl. auch W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 275, wo die Anerkennung als „Akt subjektiver Willkür“ bezeichnet wird. Hingegen analysiert Härle, dass Erkenntnis bei Barth zwar insofern ein Akt blinden Gehorsams sei, als die Anerkennung der Einsicht in die ratio vorangeht, allerdings sei es insofern ein sehender Gehorsam als die Einsicht in die ratio des Gegenstandes der Anerkennung notwendig folgt (vgl. W. Härle, Sein und Gnade, 271 f.).  W. Pannenberg, Nachwort zur zweiten Auflage, 145.  Mit dem Begriff der Anerkennung versucht Barth nach Osthövener schon in I/1 „das Problem der nicht gegebenen Voraussetzung“ zu lösen, indem die Anerkennung der „Selbstevidenz“ der göttlichen Offenbarung Raum gebe (C.-D. Osthövener, Die Lehre von Gottes Eigenschaften bei Friedrich Schleiermacher und Karl Barth, 137). Denn gerade in der Anerkennung könne die Teilhabe des Menschen an der „absoluten Selbsterkenntnis Gottes“ expliziert werden, wodurch Barth über Wilhelm Herrmanns Problem der Selbsterkenntnis hinaus komme (ebd., 139).  Barth schreibt an anderer Stelle: Die Gotteserkenntnis „erleuchtet […] sie von innen“, der Glaube sei also weder eine blinde Unterwerfung des Verstandes noch eine angeeignete Überzeugung von Richtigkeit (III/3, 280).  Die Funktion der Anerkennung als einer besonderen Form der Erkenntnis von Personen benennt auch Bonhoeffer: „Die Person kann die andere Person nicht erkennen, sondern nur anerkennen“ (D. Bonhoeffer, Sanctorium Communio, 32). Beim Erkennen einer Person im Anerkennen werde das Erkennen von einem theoretischen Erkennen abgegrenzt, insofern das Anerkennen die konkrete Begegnung beschreibt, in der der andere nicht zum Objekt wird, sondern

8.2 Anerkennen – die Bestimmung des Gottesverhältnisses

327

Erkenntnis Christi als Herrn ist dabei untrennbar mit seiner Anerkennung als Herr verbunden.²⁵ Folglich kann Barth sagen: „Wer glaubt, der weiß auch (in welchem Umfang, in welcher Form, in welcher besonderen Richtung auch immer), an wen er glaubt.“ (IV/1, 854)²⁶ Dieses Fürwahrhalten Christi als Herrn ist also kein Glaube de dicto, der etwa den Satz „Christus ist Herr“ erst versteht und dann für wahr halten kann. Vielmehr stiftet die Begegnung mit der Person Jesus Christus einen anerkennenden Glauben de re. ²⁷ Barths Vorordnung der Anerkennung wird somit möglich, weil sie selbst ein Erkennen enthält, das unmittelbar aus Gottes Selbstkundgebung folgt und keine weitere, distinkte Erkenntnis als ‚Vorbereitung‘ braucht.²⁸ Bei näherer Analyse Barths drängt sich somit ein gleichursprüngliches Verhältnis von Anerkennung und Erkenntnis auf. Diese innere Einheit von Anerkennen und Erkennen legen auch Barths Ausführungen über die Gestalt Christi nahe: „Ein Erkennen findet aber schon in dem Grundakt jenes Gehorsams, jenes Anerkennens – so müssen wir jetzt fortfahren – statt, weil ja der lebendige Jesus Christus, der das Objekt dieses Anerkennens ist, […] selbst nicht gestaltlos, sondern der von der Heiligen Schrift bezeugte und von der Gemeinde verkündigte Jesus Christus ist.“ (IV/1, 851)

als anderer und somit als ein mir gegenübertretendes Subjekt wahrgenommen wird. Die Anerkennung des Anderen soll damit bei Bonhoeffer vor einer objektivierenden Erkenntnis schützen.  Siehe zu dem den Erkennenden wesentlich involvierenden Gegenstand oben Kap. 1.1.3.  Nach Barth ist für den Gläubigen nur das Wissen, an wen er glaubt, Inhalt seines Glaubens: „Daß ‚Jesus Christus sei mein Herr‘ (Luther), das hält der christliche Glaube, indem er mit einem Anerkennen anhebt, für wahr: […] aber, sofern es um die in seiner Tat grundlegende Anerkennung geht, das und nur das – ein ‚das‘, das eben kein ‚das‘, sondern, allem ‚das‘ überlegen, alles ‚das‘ begründend und erfüllend, er selber, der lebendige Jesus Christus ist, er das Haupt der Kirche, er der Herr auch der Schrift!“ (IV/1, 850).  Dass unter der Bedingung einer personalen Erkenntnis eine Vorordnung des assensus vor die notitia theoretisch möglich ist, zeigt Thacker: Er argumentiert, dass die Vorordnung des assensus nur dann problematisch wäre, wenn der assensus als Zustimmung zu einer Proposition verstanden wird. Dann nämlich müsste die Proposition vorher gekannt werden. Wird aber der Glaube als Begegnung („encounter“) mit der Offenbarung verstanden, dann würde Verstehen und Akzeptieren zusammenfallen (vgl. J. Thacker, Postmodernism and the Ethics of Theological Knowledge, Aldershot, Burlington, VT 2007, 76).  Dieser Aspekt wird deutlich, wenn Barth ausführt, dass die göttliche Selbstkundgebung eine dem menschlichen Bewusstsein widerfahrende Entgegensetzung darstellt, welche die menschliche Erkenntnis in der Anerkenntnis begründet (vgl. III/1, 399). Entsprechend begründet Barth die „Anerkennung“ (I/2, 255) im wundersamen Sprung (s.o. Kap. 3.5), bei dem die objektive Wahrheit dem Menschen als subjektive Offenbarung so einleuchtet, dass er sie anerkennt (vgl. I/2, 261). Dass es zur Anerkennung kommt, gleicht daher dem Wunder der Weihnacht (vgl. I/2, 188).

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Die Gestalt Christi wird demnach in der Anerkennung so erkannt, wie Christus in der Bibel und der kirchlichen Verkündigung bezeugt ist. In der Christusbegegnung fallen somit Anerkennen und Erkennen zusammen. Worin besteht aber dann die Pointe der Vorordnung des Anerkennens? Bei der tradierten Ordnung, die den assensus erst als Zweites nennt, bestünde nach Barth die Gefahr, dass die vorangestellte notitia als ein neutrales, abstraktes Wissens aufgefasst wird, zu dem sich der Mensch frei in Zustimmung oder Ablehnung verhalten könnte: „Es steht zu befürchten, daß unsere alten Dogmatiker mit ihrer notitia, in der sie den Glauben anfangen ließen, an ein solches abstraktes Wissen um allerlei biblisch oder dogmatisch formulierte Glaubenswahrheiten gedacht haben – ein Wissen, das der Mensch sich erwerben und dann haben könne, ohne daß es ihn zunächst weiter etwas angehe. Eben von da aus meinten sie dann weitergehen zu sollen zu jenem assensus, in welchem sich der Mensch entschließe, jene Wahrheiten seinerseits für wahr zu halten, sie gewissermaßen zu nostrifizieren“ (IV/1, 855).

Barth hingegen schließt ein solches abstraktes Wissen über Gott, das dem Glauben vorausginge und die Anerkennung vorbereiten würde, aus.²⁹ Damit unterscheidet Barth zwischen dem anerkennenden Hören, d. h. Erkennen, der kirchlichen Verkündigung und einem abstrakten oder äußerlichen Hören, d. h. einer Kenntnis, des Zeugnisses. Anders als die bloße Kenntnis betrifft die gläubige Erkenntnis den erkennenden Menschen wesentlich mit: „Das Wissen des Glaubens ist wohl ein echtes, rechtes, einer Gestalt und also einem Gegenstand zugewandtes, sagen wir ruhig: ein objektives und als solches theoretisches Wissen. Es ist aber als solches […] darin sofort auch praktisch, darin ein nicht nur kennendes, sondern eben erkennendes Wissen, daß es gerade als Wissen um Jesus Christus ein bestimmtes Wissen um den glaubenden Menschen selbst zum vornherein in sich schließt.“ (IV/1, 856)

Gleichwohl sind Kenntnis und Erkenntnis hier beide ein Wissen um einen Gegenstand. Die Erkenntnis des Glaubens ist hiernach auch ein „objektives“ und „theoretisches“ Wissen über Christus, kein defizitäres Wissen oder gar nur ein subjektives Meinen ohne Wahrheitsgehalt. Der Unterschied zwischen Erkenntnis und Kenntnis liegt vielmehr darin, dass das Erkennen „auch praktisch“ ist und dabei ein „Wissen um den glaubenden Menschen selbst“ einschließt. Die Erkenntnis Gottes beinhaltet damit also zweierlei: die Kenntnis über Gott als Ge-

 „Ein abstraktes Wissen kann das Wissen des Glaubens und seines Erkennens nun allerdings nicht sein.“ (IV/1, 855). Siehe dazu mein Artikel veröffentlicht als J. Klein, Offenbarung, Erkenntnis und Glaube, 16 – 18.

8.2 Anerkennen – die Bestimmung des Gottesverhältnisses

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genstand und zugleich über den ihn erkennenden Menschen.³⁰ Daher kann Barth weiter folgern, dass Gotteserkenntnis immer ein „existenzielles Wissen“ (IV/1, 856) ist.³¹ Christus erkennen heißt daher, „daß der, an den ich glaube und um den ich, indem ich an ihn glaube, auch wissen darf und soll, daß eben Dieser […] für mich, pro me, ist, was er ist, und tut, was er tut, daß er ‚mein Herr’ ist“ (IV/1, 856). Wenn Christus also in seiner Grundeigenschaft ein Gott pro me ist, ist die neutrale Kenntnis über ihn ausgeschlossen, denn er ist wirklich der Herr über alle Menschen (einschließlich des Erkennenden). Gott wäre falsch erkannt, würde man Christus nur als Herrn über jemand anderen und somit als partikularen Herrn vermeinen. Daraus folgt für Barth: Weiß ein Mensch um Christus, so weiß dieser Mensch um ihn als Herrn und darin auch um ihn als seinen Herrn. Als Wissen um sich selbst kann dieses Wissen nur ein existenzielles Erkennen sein, das von der Anerkennung Christi als ‚Herrn pro me‘ nicht zu trennen ist.³² Gott ist somit ein

 Dieses doppelte Verständnis von Erkenntnis führt dazu, dass die Gotteserkenntnis als Folge der Anerkennung in 8.2.2 behandelt wird, die daraus ebenfalls folgende neue Selbsterkenntnis jedoch in 8.3 eigens thematisiert wird.  Das Problem abstrakter Kenntnis über Gott liegt für Barth darin, dass eine gültige Aussage über Gott ohne existenzielle Bedeutung für den Erkennenden ein „Begriffsgespenst“ wäre (IV/1, 855): Entweder würde die Aussage verfälscht, indem sie aus ihrem vom Glauben festgelegten inferenziellen System gelöst wird. Dann wäre sie zum Beispiel eine Spekulation über die Herrschaft Gottes, ohne diese Herrschaft näher als gute Herrschaft Christi ‚an uns‘, d. h. über die Welt inklusive des Aussagenden zu bestimmen. Die Beziehung zwischen der Aussage über Gott ‚an sich‘ und dem Handeln Gottes ‚an uns‘ wäre weggefallen und Gott damit zu einem ‚Gespenst‘ verkommen. Oder die Aussage wäre zwar inhaltlich korrekt, aber ihr würde keine Gültigkeit zugesprochen, weil der Aussagende eben nicht an einen solchen „lebendigen“ Gott, der sein eigener Herr ist, glaubt. Dann wäre die wahre Aussage über Gott zwar wahr, aber nur im Modus begrifflicher Spekulation ergriffen, sie beschriebe dann eine ‚gespenstische’ Scheinwirklichkeit. Beide ‚Begriffsgespenster‘ beschreiben nicht den wirklichen Gott pro nobis, der – so die Konklusion – nur in dem anerkennenden Verhältnis zu ihm erkannt werden kann (zum gesamten Abschnitt vgl. IV/1, 855).  Diese Notwendigkeit existenzieller Erkenntnis erläutert folgende prägnante Passage: „Das weiß doch der christliche Glaube von ihm – und eben damit weiß der an ihn glaubende Mensch das von sich selber: daß er im innersten Grund seines Wesens, in seinem Herzen, davon her existiert, daß er selbst dieser Mensch ist, für den Jesus Christus ist, für den, an Stelle dessen er einsteht, handelt, regiert, kurz: zu dem er sich so verhält, wie sich ein schlechthin mächtiger und gütiger menschlicher Herr […] zu einem anderen, ihm schlechterdings angehörigen und untergebenen Menschen verhalten müßte. Er weiß, daß er selbst der Mensch ist, der dieses Herrn Eigentum ist. Weiß ein Mensch um Jesus Christus und damit von sich selbst das, dann ist das das nicht abstrakte, sondern konkrete, nicht tote, sondern lebendige, nicht neutrale, sondern – braucht es noch gesagt zu werden? – aufs höchste und tiefste beteiligte, sagen wir also für einmal: sein existenzielles Wissen, sein Wissen im tätigen Erkennen seines Glaubens.“ (IV/1, 856).

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ausgezeichneter Erkenntnigsgegenstand, insofern er jedes Subjekt der Erkenntnis unmittelbar angeht und den Gegensatz von Erkennendem und Erkanntem übersteigend involviert.³³ Somit wird Christus, wenn er als Herr anerkannt und bejaht wird, auch erkannt. Aber er wird nicht erkannt, bevor er anerkannt wird, weil er nur aufgrund der Anerkennung wirklich als Herr erkannt werden kann. Sachlogisch bleibt die Anerkennung also der Erkenntnis vorgeordnet, weil sie die existenzielle Erkenntnis ermöglicht und nicht umgekehrt. Die Entscheidung zur Tat der Anerkennung gründet ferner allein in Gottes kreatorischem Tun und nicht in einer abwägenden Entscheidung des Menschen, die wieder eine vorausgehende Erkenntnis fordern würde.³⁴ Eine zweite Pointe von Barths Vorordnung der Anerkennung ist, dass eine Erkenntnis, welche die Anerkennung ihres Gegenstandes beinhaltet und voraussetzt, sich ihres Erkenntnisgegenstandes nicht bemächtigen kann.³⁵ Die Gläubigen erkennen einen Gott, „den sie gerade nur erfassen, aber nicht begreifen, nicht erschöpfen können.“ (IV/1, 2) Damit ist auch bei der Erkenntnis des Glaubens davon auszugehen, dass sie auf Gott, „auf jenes freie, überlegene Gegenüber rekurrier[t], in welchem sie ihren Grund ha[t].“ (IV/1, 2) Der Erkennende kann Gott gerade nicht ein-für-allemal ‚richtig‘ erkannt haben, sondern ist je auf das personale Erkennen in der anerkennenden Begegnung verwiesen. Damit bedingt die Vorordnung der Anerkennung, dass das Erkannte kein vom Erkennenden ‚beherrschtes‘ Objekt ist, sondern allein als Anerkanntes, d. h. als lebendiges Gegenüber, erkannt wird.³⁶ In diesem Sinne weitergedacht, besteht im

 „Sie sind als Erkennende von dem erkannten Gegenstand angegangen. Sie existieren nicht mehr ohne ihn sondern mit ihm. […] Sie können sich diesem seinem Wahrsein gegenüber nicht mehr auf sich selbst zurückziehen, um es von da aus zu bejahen, in Frage zu stellen oder zu verneinen.“ (I/1, 195). Zur Besonderheit Gottes als Erkenntnisgegenstand des Glaubens, siehe Kap. 1.1.3.  Zum Aspekt der gottgewirkten Entscheidung, siehe Kap. 5.3.3.  Siehe hierzu auch Bonhoeffers Auseinandersetzung mit dem dialektischen Barth zu der Notwendigkeit einer kritischen Philosophie, da die Offenbarung gerade nicht zum bloßen Gegenstand werden könne, sondern selbst einen Raum für sich schaffe: D. Bonhoeffer, Seminarreferat: The Theology of Crisis and its Attitude towards Philosophy and Science, in: D. Bonhoeffer, Barcelona, Berlin, Amerika 1928 – 1931, S. 434– 449, 447 f.  Dieses dem Begreifen und gegenständlichen Erkennen immanente Problem entfalten Horkheimer und Adorno in höchster Zuspitzung: „Macht und Erkenntnis sind synonym.“ (T. W. Adorno, M. Horkheimer, Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, Theodor W. Adornos Gesammelte Schriften 3, hg. v. R. Tiedemann, Frankfurt am Main 1997, 20) Sie erklären diesen Zusammenhang genetisch: „Der zum festen Bild vergegenständlichte Schauder wird zum Zeichen der verfestigten Herrschaft von Privilegierten. Das aber bleiben die allgemeinen Begriffe

8.2 Anerkennen – die Bestimmung des Gottesverhältnisses

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Erkennen immer die Gefahr, dass der Gläubige seinen Glaubensgegenstand verobjektiviert. Der Glaube würde sich dann nicht auf die Person Jesus Christus richten, sondern auf ein selbst konstruiertes Bild Christi. Dieses Problem wird von Barth thematisiert, wenn er sich gegen ein Domestizieren Gottes ausspricht.³⁷ Im selben Sinn wirft Barth der Religion vor, dass diese ihren eigenen Götzen schaffe, wenn sie Herr ihres Erkenntnisobjekts würde (vgl. I/2, § 17). Wenngleich sich Barth im Kontext seiner Ausführungen über die Anerkennung in § 63 nicht explizit mit dieser Problematik auseinandersetzt, so zeigt die grundsätzliche Verfasstheit des Gottesverhältnisses in der Anerkennung einen Weg auf, die Domestizierung Gottes zu vermeiden, denn die Anerkennung schreibt den Deutungsakten des Glaubens ein, dass sie uneinholbar auf die aktuale Begegnung mit Christus als Gegenüber rückverwiesen sind. Die Anerkennung bricht somit eine einseitig mißverstandene Subjekt-Objekt-Struktur auf zugunsten einer Subjekt-Subjekt-Struktur.

8.2.3 Die Anerkennungstat im Hinblick auf die ‚passive‘ Rechtfertigung im Glauben Barth nennt die Anerkennung eine kognitive Tat, die auf Gottes kreatorisches Geschehen folgt (vgl. IV/1, 847, s.o. Kap. 6.4.3). Die Anerkennung ist daher bei Barth wesentlich durch ihre folgende, gehorsame Haltung gegenüber dem, den sie anerkennt, charakterisiert:³⁸ „Anerkennung ist eine folg- und fügsame, eine sich beugende, sich unterordnende Kenntnisnahme. Gerade diese Folg- und Fügsamkeit ist aber nicht nur ein beiläufiges und nicht nur ein nachträglich auch hervorzuhebendes sondern das erste, grundlegende und entscheidende Merkmal der Tat des Glaubens.“ (IV/1, 848)

[Herv. J. S.], auch wenn sie alles Bildlichen sich entäußert haben. Noch die deduktive Form der Wissenschaft spiegelt Hierarchie und Zwang.“ (ebd., 38).  Vgl. II/1, 157, wo Barth sich gegen die „Absorbierung und Domestizierung der Offenbarung“ als „Prozeß der Verbürgerlichung“ ausspricht, welche aus Gott als Glaubensgegenstand einen „Gegenstand der Gläubigkeit“ gemacht habe.  Vgl. Seils, der den Glauben bei Barth als „Lebensgehorsam“ versteht (M. Seils, Glaube, 236 – 239) und sogleich anmerkt: „Leider hat Barth selber die Bezüge von Glaube und Gehorsam in seiner ‚Dogmatik‘ keiner näheren Analyse unterzogen.“ (ebd., 236). Vgl. auch IV/2, 607, wo Barth den Zusammenfall von „Gebot der Nachfolge“ und „Gebot des Glaubens“ beschreibt, sodass die Nachfolge des Glaubens im Gehorsam besteht. Der Gehorsam ist insofern für Barth eine treffende Beschreibung des Glaubens, da er die praktische Konsequenz der Entsprechung zu Christus darstellt (vgl. M. Seils, Glaube, 236).

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8 Die menschliche Glaubenstat

Die „Folg- und Fügsamkeit“ als „erstes, grundlegendes und entscheidendes Merkmal“ charakterisiert den Glauben als eine „Tat [d]es Gehorsams“ (IV/1, 848).³⁹ Wie sich bereits im vorigen Abschnitt andeutete, sind Form und Inhalt der Anerkennung identisch: der Glauben hat nicht nur die Form des Anerkennens, sondern beinhaltet wesentlich den Gehorsam gegenüber Gott. Dies jedoch nicht im Sinne eines ‚blinden‘ Gehorsams, sondern insofern die menschliche Anerkennung keinen eigenen kreativen Beitrag zum menschlichen Gottesverhältnis leistet: Sie bestätigt, was Gott in Christus getan hat. Der Glaube stellt insofern keine neue Wirklichkeit her, sondern nimmt aktiv antwortend an dem teil, was in Jesus Christus schon gilt. Der Glaube ist als Gehorsam daher ebenso das „Ereignis der Zuwendung, des Sichaufschließens, der Hingabe des Menschen an diesen Gott“, d. h. das innere ‚Ja‘ des Menschen gegenüber Gott (II/1, 11).⁴⁰ In II/2 wird das Anerkennen Gottes von Barth daher auch als ein Zulassen gedeutet. Gott anzuerkennen bedeutet, dass der Mensch „sich von Gott lieb haben“ lässt (II/2, 455). Das menschliche Sein als Bundespartner Gottes verwirklicht sich darin, dass der Mensch schlicht anerkennt, dass Gott ihn in Treue gewollt hat und er als Mensch nicht mehr zu sein braucht als ein Geliebter Gottes (vgl. II/2, 455). Darin erfüllt sich seine „Bestimmung zur Seligkeit“, denn im Zulassen darf der Mensch an der Vollkommenheit und Freude Gottes teilnehmen (vgl. II/2, 455). Somit folgert Barth, dass der Mensch „schlechterdings dazu erwählt [ist], um als Gottes Geliebter und Bundesgenosse für seinen Teil fröhlich zu sein in Zeit und Ewigkeit.“ (II/2, 456) Trotz Barths Charakterisierung der Anerkennung als einer zulassenden und folgsamen Tat stellt sich die Frage, ob die Rechtfertigung sola gratia durch eine menschliche Tat des Anerkennens bewahrt werden kann.⁴¹ Überhaupt ist es im

 Osthövener weist zu recht darauf hin, dass Barths Rede vom anerkennenden Gehorsam seine frühere Bestimmung des Glaubens als eines „aktualistisch-ungesicherten Wagnisses“ ablöst, indem die Idee des Wagnisses zwar im Gehorsam aufgenommen werde, sich aber eine gewisse Aktzentverschiebung hin zum kontinuierlichen Leben im Glaubensgehorsam feststellen lässt, wenngleich sich der Gehorsam je neu auf Gott auszurichten hat (C.-D. Osthövener, Die Lehre von Gottes Eigenschaften bei Friedrich Schleiermacher und Karl Barth, 138, Anm. 31).  Gott ruft diese Anerkennung hervor, denn jene „positive Beziehung des Menschen zu Gott kommt insofern von Gott selber“, als Gott dem Menschen begegnet und dieses Ja fordert (II/1, 11). Dieses Begegnen und Fordern bedeutet aber, „daß er […] durch den Heiligen Geist das Licht jener Klarheit: daß er Gott und daß er sein Gott ist, ihm geschenkt und so jene Zuwendung, jenes Ja, jene Verpflichtung des Menschen hervorgerufen hat.“ (II/1, 11).  Das Verhältnis von Glaube und Rechtfertigung wird dabei von Barth so bestimmt, dass der Glaube zwar eine rein menschliche Tat, nämlich die „treue, authentische, sachgemäße Antwort“ (IV/1, 689) ist, „in welchem also die Erkenntnis der Rechtfertigung ein echt und konkret menschliches Ereignis wird“ (IV/1, 689). Aber die Rechtfertigung ereignet sich nicht durch diese

8.2 Anerkennen – die Bestimmung des Gottesverhältnisses

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Kontext der Rechtfertigungslehre problematisch, von einer Tat des Glaubens zu sprechen, wenn die Rechtfertigung gerade auf dem Zuspruch basieren soll, dass der Mensch ohne Werke von Gott gerecht gesprochen wird. Barth weicht bei der Darstellung der Rechtfertigung jedoch nicht von seiner Grundannahme des Glaubens als Tat ab. Barth wählt den Begriff der Demut, um die Tat des rechtfertigenden Glaubens zu beschreiben (vgl. IV/1, 692).⁴² Der ‚Demutsgehorsam‘ wird – wie folgend zu zeigen ist – von Barth als ein Ergreifen der Rechtfertigung mit „leere[r] Hand“ beschrieben, das der Rechtfertigung ohne Werke nicht widerspreche (IV/1, 710).⁴³ Im Paragraphen zur Rechtfertigung argumentiert Barth, dass der Glaube als „des selbstherrlichen Menschen Resignation“ bestimmt werden müsse (IV/1, 690). Denn der sündige Gläubige sei „genötigt“, zu „seinem Hochmut, damit zu seinem ganzen Sein und Tun und damit zu sich selbst Nein zu sagen.“ (IV/1, 691) Demnach könne das lutherische sola fide nur dann richtig verstanden werden, wenn „der Glaube des von Gott gerechtfertigten Menschen seinen sämtlichen Werken (auch dem Werk, das er damit tut, daß er glaubt!) entgegengesetzt, und zwar so entgegengesetzt ist, daß es auf die Vorstellung, daß sie des Menschen Rechtfertigung sein oder in sich schließen möchten, kein Zurückkommen gibt.“ (IV/1, 693)

Barth scheint somit die äußere Gestalt des Glaubens als Tat und „Werk“ von der inneren Konstitution des Glaubens durch die Gnade zu unterscheiden. Dies gilt auch für „das Ergreifen der Rechtfertigung“, für das Barth „alle Mitwirkung menschlichen Tuns in der Frage nach des Menschen Rechtfertigung ausschließen“ möchte (IV/1, 700). Der rechtfertigende Glaube ist demnach eine Tat des Menschen, die streng genommen kein Werk ist, bzw. die Rechtfertigung nicht konstituiert. menschliche Tat des Glaubens, sondern wird in dieser vielmehr nur ‚erkannt‘: Im Zusammenhang seiner Bestimmung des sola fide als „Rechtfertigung durch den Glauben“ (IV/1, 687) versucht Barth zwischen den Werken des Menschen und der Tat des Glaubens zu unterscheiden: Der Glaube ist kein Werk, das der Mensch wählt, vollbringt und mit dem er sich selbst rechtfertigen würde (vgl. IV/1, 687), denn in seiner Tat des Glaubens ist der Mensch „so wenig gerechtfertigt wie in seinen sonstigen bösen und guten Werken“ (IV/1, 688). „Denn es gibt eine Rechtfertigung des Menschen ‚durch‘ – nämlich durch das von ihm auf den Plan geführte Mittel des von ihm aufgebrachten Glaubens, durch sein Begehen des Glaubensweges, durch seinen Vollzug von Glaubensempfindungen, Glaubensgedanken, Glaubenstaten“ (VI/1, 688).  Der Demutsbegriff wurde von Barth in der Gotteslehre expliziert: Die Demut ist zusammen mit dem Vertrauen die menschliche Entsprechung zu den göttlichen Wesenseigenschaften Liebe und Freiheit, wie sie in seiner Enthüllung und Verhüllung dem Menschen begegnen (II/1, 387).  Zwischen Tat und Werk unterscheidet in ähnlicher Weise auch Bultmann: R. Bultmann, Gnade und Freiheit (1948), 157; R. Bultmann, Theologische Enzyklopädie, 134 f.

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8 Die menschliche Glaubenstat

Damit schließt Barth auch alle vermeintlich ‚negativen‘ Taten einer aktiven „Entleerung“ des Menschen von seiner Sünde aus (IV/1, 702). Auch das ‚Lassen‘ des Menschen bzw. das Werk des Unterlassens konstituieren nicht die Rechtfertigung. Stattdessen habe der Glaube „jene negative, entsagende Gestalt darum, weil er positiv die sachgemäße Antwort auf das ist“, was Gott in Christus geoffenbart hat (IV/1, 702). Die Antwort des Menschen im Glauben könne nur bedeuten, dass der Mensch Gottes Werk für „exklusiv genügend hält“ (IV/1, 703). Die sich dem Menschen zeigende Rechtfertigung Christi muss diesem dabei so einleuchten, dass all sein Tun nur noch darin besteht, gegenüber Christi Tun zu resignieren. Als Tat der Resignation ist die folgsame Anerkennung auch keine Entscheidung, Christus anerkennen zu wollen. Sie ist nur die notwendige Folge, dass der Mensch, dem Christi Rechtfertigung persönlich einleuchtet, vor seinem eigenmächtigen Tun resigniert und sich gegenüber Gott offen sein lässt. So ist der rechtfertigende Glaube die menschlich-tätige Entsprechung zu dem, was Jesus Christus für diesen Menschen erworben hat. Die Anerkennung ist demnach ein demütiges Gelten-Lassen. Barth drückt diesen Sachverhalt bildhaft so aus, dass das sola fide das „Echo“ des solus Christus sei (IV/1, 706), das heißt, dass sich in der menschlichen Anerkennung das solus Christus spiegelt wie die akustische Spiegelung eines Rufes im Echo. Insofern ist der Gläubige passiv, was seinen Glauben angeht, nur dass diese Passivität eine ihm gemäße und insofern tätige ist.⁴⁴ Durch die Form des lassenden Ergreifens sichert Barth sowohl die Passivität des Menschen, weil sie kein Werk darstellt, als auch die Aktivität im dennoch tätigen Ergreifen (vgl. IV/1, 11). Somit gilt zugleich, dass die Tat des Glaubens nicht rechtfertigt und man vom tätigen Glauben als der „Rechtfertigung des sündigen Menschen[s]“ sprechen kann (IV/1, 690). Das hier erreichte Ergebnis steht im Einklang mit der Analyse Jüngels, der hinsichtlich eines möglichen Synergismus in Barths Rechtfertigungslehre urteilt, dass sich das Problem der menschlichen Aktivität in der Rechtfertigung relativ einfach aus dem Weg räumen lasse: Der Mensch erkenne in seiner Tat nur die Tat Gottes an, daher bewirke seine Tat nicht die Rettung, sondern entspreche ihr nur.⁴⁵ Zu demselben Schluss gelangt die Analyse von DeVries, der die Differenz zwischen der menschlichen Tat des Glaubens und der Rettung durch Gott hervorhebt.⁴⁶ Nach DeVries gilt für den Glauben, was oben als Anerkennen eines  Siehe auch Jüngels Kritik an Barths Passivitätsverständnis – s. o. Kap. 1.3.1; zur Rechtfertigungsthematik s. o. Kap. 6.4.1.  Vgl. auch E. Jüngel, Karl Barths Lehre von der Taufe. Ein Hinweis auf ihre Probleme, 31 f.  DeVries analysiert: „faith is the human response to God’s saving act in Jesus Christ“ (D. DeVries, Does Faith Save?, 164).

8.3 Erkennen – die Konstitution eines neuen Selbstverständnisses

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Vorgegebenen charaktersiert wurde: „[Faith is] responding to a situation that is given [… it is an] acknowledgment of the prior reality“.⁴⁷ Mit Blick auf das Gottesverhältnis des Gläubigen im Ganzen ist schließlich zu fragen, ob Barth dieses Gottesverhältnis neben dem „leeren Ergreifen“ auch durch positive Taten, wie etwa die Liebe zu Gott, zu beschreiben vermag. Dazu ist ein Zweifaches festzustellen: Barth beschreibt in der KD die Liebe des Menschen zu Gott als positive Tat des Menschen in Formen wie Hingabe, Dank und Gehorsam.⁴⁸ Doch diese Liebe zu Gott besteht nicht in der Ausrichtung auf Gott in der Weise einer kontemplativen Anbetung. Stattdessen gewinnt diese Liebe zu Gott nach Barth im tätigen Leben der Gläubigen Gestalt, das von der Erkenntnis und der Bejahung Gottes geprägt wird.⁴⁹ Insofern muss neben dem Demutsgehorsam nicht eine zweite, positive Gestalt der Anerkennung beschrieben werden, sondern diese positive Gestalt gewinnt sie in den beiden anderen Momenten der Glaubenstat, dem Erkennen und Bekennen.

8.3 Erkennen – die Konstitution eines neuen Selbstverständnisses Die Grundthese dieses Abschnitts ist, dass die Gotteserkenntnis nicht nur das Wissen beinhaltet, wer Gott ist, sondern – als existenzielle Erkenntnis – auch die Selbsterkenntnis des Gläubigen einschließt und verändert.⁵⁰ In dieser Selbster-

 Ebd., 166. Siehe auch Kap. 6.4.  So zum Beispiel in I/2, § 18, wo Barth die Gottesliebe und die menschliche Liebe in einen fundamentalen systematischen Zusammenhang stellt.  Exemplarisch kann hier erneut der Bezug zu I/2, § 18 hergestellt werden: Die antwortende menschliche Liebe beschreibt Barth anhand des markinischen Doppelgebots: Gott zu lieben heißt, ihn zu suchen und sich von ihm her zu verstehen (vgl. I/2, 429 – 431). Damit beschreibt Barth die Aspekte, die im vorliegenden Kapitel als Anerkennung und Erkennen erörtert werden. Die Nächstenliebe ist dort keine zur Gottesliebe hinzukommende, zweite Liebe, sondern wird als eine Form der Gottesliebe und des Lobes Gottes beschrieben (vgl. I/2, 443 – 450), sodass die Gottesliebe in der Nächstenliebe ihre sichtbare Gestalt gewinnt, wie unten in Kap. 8.4 als Bekennen ausgeführt wird.  Hierin liegt ein Unterschied zu dem von Barth kritisierten Glaubensverständnis Bultmanns als „Akt meines menschlichen Selbstverständnisses“ vor, als es Barth zufolge aus dem Verstehen Gottes zu einem neuen Verständnis meiner selbst kommt, dieses Verstehen aber nicht aus dem Akt meines Selbstverständnisses kommen kann, da es gerade im „Widerspruch zu allem, was ich von meiner Existenz als solcher zu wissen meine,“ steht (K. Barth, Rudolf Bultmann. Ein Versuch, ihn zu verstehen (1952), 12).

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8 Die menschliche Glaubenstat

kenntnis geht es darum, sich so zu erkennen, wie Gott einen erkennt. Wie die Anerkennung und darin stattfindende Erkenntnis Gottes unmittelbar auch das eigene Selbstverständnis verändert, soll in 8.3.1 gezeigt werden. Dann ist auszuführen, was diese neue Selbsterkenntnis beinhaltet, nämlich dass sich der Mensch in Analogie zu Jesu Tod und Auferstehung versteht (8.3.2). Schließlich ist herauszuarbeiten, welche Pointe Barth mit der Beschreibung der Christusteilnahme als Analogie setzt (8.3.3): Die Analogie beschreibt keine Einwohnung Christi, sondern die tätige Bezugnahme des Menschen auf Christus und ist insofern als menschliche, zeitliche Tat charakterisiert. So kann insgesamt gezeigt werden, dass und wie der Glaube das Selbstverständnis des Gläubigen verändert.

8.3.1 Gotteserkenntnis als Selbsterkenntnis (IV/1, § 63) Die Anerkennung Gottes beinhaltet, dass Gott als ‚mein Herr‘ erkannt wird (s.o. 8.2.1). Diese anerkennende Erkenntnis Gottes wurde als existenzielle bestimmt, insofern der Gläubige in der Erkenntnis Gottes zugleich erkennen muss, dass dieser Herr sein Herr ist.⁵¹ Barth formuliert dies so, dass diese Erkenntnis Gottes „übergreift auf das Dransein, d. h. auf das Selbstverständnis und auf die Selbsterfassung des ganzen Menschen“ (IV/1, 857). Dieses ‚Übergreifen‘ auf das menschliche Selbstverständnis gilt es im Folgenden zu untersuchen. Ein Christ ist nach Barth „ein Mensch, dem es gegeben ist, Ihn [Jesus Christus] zu sehen als den, der er ist, und sich selber als den, der er in Ihm ist. Ihm ist es gegeben, zu verstehen, daß Jener für ihn einsteht und also sich selbst als Einen, dessen Leben durch den, der für ihn einsteht, bestimmt ist.“ (IV/2, 340)⁵² Dieses existenzielle Erkennen nennt Barth ein „tätiges Erkennen“, weil es „zu einer Aktion und Entscheidung des ganzen Menschen wird.“ (IV/1, 857) Das tätige Erkennen ist nach Barth ein „Erkennen im tiefsten Sinn des Wortes“, das heißt, dass es „ohne aufzuhören, Erkennen zu sein“, zu einer „Tat meines Herzens“ wird (IV/1, 857). Die Erkenntnis ist demnach nicht nur etwas bloß Rezeptives, sondern indem sie dieses rezeptive Moment hat, greift sie sofort auch auf das aktive Selbstverständnis des Menschen über, sodass sie auch zu einem produktiven Moment wird. Als so verfasste menschliche Tat hat der Glaube existenzielle Bedeutung und ist wirklich ein Bestandteil der persönlichen Geschichte des Gläu Ein der Sache nach entsprechender Gedankengang findet sich auch bei Bultmann, der 1926 entfaltet, dass die „Anerkennung“ der Botschaft von Christi Sündenvergebung wesentlich auch „etwas über mich“ sage: R. Bultmann, Theologische Enzyklopädie, 131– 133, bes. 131.  Schon Calvin hat diesen unmittelbaren Zusammenhang von Gottes- und Selbsterkenntnis hergestellt: J. Calvin, Unterricht in der christlichen Religion, I, 1,1.

8.3 Erkennen – die Konstitution eines neuen Selbstverständnisses

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bigen. Darum bedeutet die Erkenntnis Christi die „totale Veränderung des ganzen menschlichen Dranseins“ (IV/1, 859). Sie führt dazu, dass der erkennende Mensch auch „seine Einstellung sich selbst und der Welt gegenüber“ ändert, also die grundsätzliche Ausrichtung seines Selbstverhältnisses wie seines Weltverhältnisses (IV/1, 860).⁵³ Die neue Selbsterkenntnis wird gleichsam von Außen – in der Gottesbegegnung – vollzogen, weil sie aus der dem Menschen zukommenden Christuserkenntnis folgt. Darin unterscheidet sie sich von allen anderen Formen menschlicher Selbsterkenntnis, indem sie über die selbstständig erwerbbare Lebenserfahrung hinausgeht. Die Christuserkenntnis spricht dem Menschen somit eine neue Perspektive zu, die ihn erkennen lässt: „auch ich“ bin in diesen Bund eingeschlossen (IV/2, 300). Die Selbsterkenntnis des Glaubens ad meum ist demnach eine, „in der der Mensch gerade sich selbst in diesem Einen suchen und finden darf“ (IV/2, 300), denn nur in Christus existiert er ja als ein solcher Gott zugewandter Mensch: „Es zieht aber dieser Glaube an ihn, es zieht dieses Erkennen Jesu Christi allerdings unweigerlich ein solches Erkennen meiner selbst – und in und mit diesem Erkennen ein solches reales Dransein mit mir selber, ein solches Verstehen und Erfassen meiner selbst – nach sich, in welchem ich mich, ohne ihm auch nur von ferne gleich zu sein oder zu werden, als der, der ich bin, unwiderstehlich von ihm bestimmt, abbildlich unmißverständlich durch ihn geprägt, auf der tiefen, ja tiefsten Stufe, auf der ich mich ihm gegenüber befinde, eindeutig in sein Licht gestellt sehe.“ (IV/1, 860 f.)

Die Erkenntnis ‚bestimmt‘ und ‚prägt abbildlich‘ den Gläubigen, denn im Glauben wird Jesus Christus als Urbild erkannt und so formt diese Erkenntnis den Menschen zu seinem Abbild. In anderen Worten ausgedrückt: Der Mensch erkennt im Glauben, was de iure von ihm gilt, und entspricht dem aufgrund dieser Erkenntnis auch de facto. ⁵⁴

 Ähnlich beschreibt Barth die neue Selbsterkenntnis in KD II/1 mit dem Begriffspaar von ‚Gottesliebe‘ und ‚Gottesfurcht‘: ‚Liebe‘ heiße dabei, „sich selbst nicht mehr sein und haben wollen ohne den geliebten Gegenstand“ (II/1, 35), weil der Gegenstand mich neu gemacht hat. Aus dieser Liebe folgt zugleich auch die ‚Furcht‘, denn würde Gott sich von mir lösen, müsste ich „die Aufhebung [m]einer Existenz erwarten“ (II/1, 36). Damit beschreibt Barth, dass die Gotteserkenntnis den Gläubigen als neues Subjekt konstituiert. Die neue Deutung der eigenen Existenz ist dabei so mit dem Erkenntnisgegenstand verbunden, dass sie zu Liebe und Furcht im oben definierten Sinn führt.  Diesen Zusammenhang von de iure und de facto beschreibt Barth in IV/3 näher: Der Mensch werde in der Berufung zum Glauben de facto Christus übereignet, dem er de iure schon gehört, und de facto sich selbst enteignet, dem er de iure nicht gehörte (vgl. IV/3, 617). Zur Klärung dieses Begriffspaars, siehe auch Kap. 4.3.2.

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Das neue Selbstverständnis entsteht also dadurch, dass der Gläubige gleichsam sich selbst aus der Perspektive Gottes betrachtet, dieser Perspektive glaubt und sich dann ihr entsprechend selbst von Christus her versteht. Folglich kommt die neue Selbsterkenntnis einem Perspektivwechsel gleich, bei dem das eigene Sein von Christus her neu gedeutet wird: Unsere Selbstperspektive als autonome Wesen wird aufgehoben, stattdessen erkennen wir uns als relationale Wesen im Bund mit Gott; „unsere Feindschaft gegen Gott“ wird dadurch ausgelöscht, dass der Gläubige sie „zur […] durch Jesus Christus gesühnten und überwundenen […] Lüge gemacht sieht.“ (II/1, 177) Damit wird erkannt, dass das bisherige Leben in der Sünde gerade gegen die göttliche Wirklichkeit ‚gelogen‘ hat, indem der Mensch sich als schlechthin autonom und von Gott unabhängig begriff. Im Blick auf sich selbst wird der Gläubige zwar immer wieder Autonomie und Feindschaft gegen Gott finden, aber sein neues Selbstverständnis in Christus – als in Christus lebender Mensch – lehrt ihn, dass er ein „Freund[ ] Gottes“ ist (II/1, 177). Dieser Perspektivwechsel des Glaubens wird von Barth auch mit dem Bild des ‚Hängens‘ erläutert: „Glauben ist also kein Stehen, sondern ein Aufgehobensein und Hängen ohne Boden unter den Füßen. […] Im Glauben ist das, was wir sonst für unser Stehen halten, nämlich unser Stehen auf uns selbst […] preisgegeben, weil es im Glauben durchschaut ist als ein lügnerisches, nicht wirkliches Stehen, als ein bloßes haltloses Hängen und Schwanken und Fallen: preiszugeben zugunsten des wirklichen Stehens, […] auf dem Boden der in Jesus Christus geschehenen und durch ihn in alle Ewigkeit bestätigten Versöhnung“ (II/1, 177).

Im Glauben wird also die Perspektive umgedreht: Das vorige Selbstverständnis des ‚Stehens‘ entpuppt sich als Lüge. Mit seiner neuen Perspektive auf sein eigenes Dasein ‚hängt‘ der Gläubige an Jesus Christus. Als Gegenteil einer Lüge ist diese neue Perspektive des ‚Hängens‘ keine wesensfremde Deutungsweise, sondern „das Menschlichste – das Humanste!“, weil bei dieser Umkehr zu Gott alle vorherigen „pseudomenschlichen … Masken fallen“ (IV/4, 157): Die lügnerische Maske der Sünde, d. h. die Illusion unabhängig von Gott zu existieren, wird in der Gotteserkenntnis destruiert, und der Mensch erkennt sein eigentliches – ‚exzentrisches‘ – Menschsein im Bund mit Gott. Diese neue Perspektive ist dem Erkennenden demnach zwar neu, aber nicht fremd (s.o. Kap. 4.5), denn der Mensch erkennt sich dabei als derjenige, der er in Gottes Bundesschluss und Christi Stellvertretung wirklich ist. Mit dieser existenziellen Deutung des Glaubens als neuem „Selbstverständnis“ und neuer „Selbsterfassung“ (IV/1, 857) bewegt sich Barth scheinbar in der Nähe von Bultmanns ‚existenzialer Interpretation‘. Barth selbst thematisiert diese vermeintliche Nähe zu Bultmann und gesteht sie insofern zu, als sie beide

8.3 Erkennen – die Konstitution eines neuen Selbstverständnisses

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ein neues Selbstverständnis des gläubigen Menschen erläutern. Der Unterschied zwischen Barth und Bultmann bleibt aber auf der Begründungsebene bestehen: Gottes Offenbarung stelle nicht nur eine Möglichkeit der Lebensdeutung dar – so Barths Interpretation Bultmanns ⁵⁵ –, sondern breche als neue Wirklichkeit in das Leben des Gläubigen ein und offenbare sich daher als wirkmächtig (vgl. IV/3, 8). Trotz dieser Differenz gilt aber auch für Barth, dass die Erkenntnis der göttlichen Offenbarung im Glauben „[z]ur Erhellung der menschlichen Existenz in Form eines neuen Selbstverständnisses“ führt (IV/3, 8). Nur bedinge Gottes Offenbarungswirken eben nicht nur ein neues Selbstverständnis, sondern auch die substantielle „Veränderung der Welt und des Menschen“ (IV/3, 8). Der Glaubende erkenne nämlich in Christus diese wirkliche Veränderung und müsse daraufhin auch zu einem neuen Selbstverständnis entsprechend dieser neuen Realität kommen.

8.3.2 Das Selbstverständnis in Analogie zu Kreuz und Auferstehung Inhaltlich bedeutet die Erkenntnis Christi als Urbild aller Menschen, dass der Gläubige ein „Gleichnis“ (IV/1, 860) und eine „Analogie“ Christi sein will, was bedeutet, dass er „in einer höchst direkten und intimen Beziehung“ zu Christi Werk stehen will (IV/1, 859).⁵⁶ Damit beschreibt Barth, „daß der Mensch seine Existenz, genauer gesagt: sein Verständnis und Erfassen seiner Existenz, seine Einstellung sich selbst und der Welt gegenüber, dem der für ihn, der als sein Herr an seine Stelle getreten ist, gewissermaßen parallel schalten, sich in Entsprechung zu ihm, an den er glaubt, gestalten muß, daß er nur noch im Gleichnis Jesu Christi als des für ihn Gestorbenen und Auferstandenen Mensch sein kann und will.“ (IV/1, 860)⁵⁷

Die menschliche Entsprechung und Analogie zu Jesus Christus wird durch dessen Kreuz und Auferstehung bestimmt. Diesen beiden entsprechen jeweils die Überwindung der Sünde und die Herstellung des neuen Lebens: So wie Christus am Kreuz die Sünde besiegt hat und von den Toten auferweckt wurde, so überwindet

 Bultmann beschreibt die Offenbarung zwar als „Möglichkeit“, aber diese ist nach Bultmann contra Barth zugleich die einzig wahre und eigentliche Möglichkeit der Lebensdeutung, denn sie ist zugleich der „Imperativ“ des neuen Menschen und somit die einzige Möglichkeit zur Bestimmtheit durch Gnade und Freiheit (R. Bultmann, Gnade und Freiheit (1948), 161). Zum BarthBultmann-Verhältnis siehe unten Kap. 9.2.2.  Der Begriff ‚Analogie‘ wird an dieser Stelle synonym mit den Beschreibungen des Gläubigen als ‚Spiegelung‘ und ‚Gleichnis‘ Christi verwendet.  Zur Kritik am Begriff der Gleichschaltung s.u. Kap. 9.3.2.

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der Mensch sein altes Sein und wird zu einem neuen Sein hergestellt. Der Unterschied der zwei Relate in dieser Analogie – dem zufolge das analogans die Analogie aktiv herstellt, das analogatum dieser gleichsam passiv entspricht – besteht dabei für Barth insofern fort, als Jesus Christus die Analogie begründet und ermöglicht. Daraufhin wird der Mensch zu seiner analogen Tat ermächtigt und kann selbst aktiv in Analogie zu Christus leben: „Er betätigt sich darin als Christ, daß er gerade nur noch im Gleichnis Jesu Christi, seines Todes und seiner Auferstehung – beides: in herzlicher mortificatio und in herzlicher vivificatio da sein kann und will.“ (IV/1, 859 f.)

Die mortificatio des Kreuzes (1) und vivificatio der Auferstehung (2) bilden demnach die Grundcharakteristika und den Rahmen für das neue christliche Selbstverständnis. Sie markieren „den Anfangs- und Zielpunkt des Weges“ eines Christenlebens (IV/1, 861). Im Folgenden soll untersucht werden, wie diese zwei traditionellen Bestimmungen von Barth in der Erkenntnis des Gläubigen verankert werden und inwiefern aus dieser Erkenntnis eine zu Christus gleichnishafte Gestalt des gläubigen Lebens folgt. (1) Die Überwindung der Sünde wird von Barth mit dem Kreuz Christi als analoge mortificatio korreliert: In Christus findet der Mensch seinen eigenen Hochmut und seinen eigenen Fall überwunden (vgl. IV/1, 861). Damit sei auch die „Not der Gefangenschaft“ in der Sünde, die dem Menschen selbst unüberwindlich war, aufgehoben (IV/1, 861). Der Mensch erkennt in Christi Hingabe am Kreuz, dass auch er selbst nicht mehr zwanghaft sündigen muss. Dabei betont Barth, dass die Überwindung dem Gläubigen im Blick auf sein neues Sein in Jesus Christus de iure unwiderruflich gilt, mit Blick auf sich selbst die Sünde de facto jedoch noch nicht ganz überwunden ist (vgl. IV/1, 862).⁵⁸ Schaut der Christ auf seine eigene Vergangenheit, bleibt ihm nur der daraus unausweichlich folgende Weg der Sünde. Schaut er allerdings auf Christus, zeigt ihm dessen Geschichte die Überwindung der Macht des Bösen. Diese doppelte Perspektive auf die sündige Vergangenheit im eigenen Leben dürfe nicht zu einem Beharren in der eigenen Schuld führen, wie es eine „[b]öse Theologie des Beharrens in der Ungleichheit“ zu Christus lehren würde (IV/1, 862). Die Analogie zu Christi Überwindung der Sünde am Kreuz beinhaltet vielmehr, dass der Gläubige über sich selbst erschrickt und sich seiner eigenen Taten schämt. Demnach führt die Erkenntnis der stellvertretenden Tat Christi am Kreuz zu einer „gänzliche[n] Erschütterung“ des Christen (I/1, 863), das heißt zur Reue über die eigene Sünde. Diese Reue und  Vgl. die Ausführungen zum simul iustus et peccator in Kap. 7.1.2.

8.3 Erkennen – die Konstitution eines neuen Selbstverständnisses

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Buße sei – hier stimmt Barth mit der theologischen Tradition überein – die mortificatio. ⁵⁹ So kommt es im Leben des Menschen als simul iustus et peccator zu der Ausrichtung auf seine Zukunft als homo iustus und zu dem Erschrecken über den homo peccator (s.o. Kap. 7.1). Das Gleichnis, das der Gläubige dabei von Christi Überwindung abgibt, beschreibt Barth in Rekurs auf die biblischen Geschichten vom verlorenen Sohn und dem Zöllner. Es besteht darin, dass sich der Gläubige „in aller Bescheidenheit“ neben den verlorenen Sohn und den Zöllner einreiht (IV/1, 863). Statt gleich der hochmütigen Schriftgelehrten die eigene Sünde zu verleugnen und damit weiter im sündigen Hochmut zu leben, bricht der Christ mit seiner Sünde, weil er sie in Christi Kreuz als Sünde erkannt hat und bekennt. Der Gläubige ist darin ein Gleichnis des Kreuzes Christi, dass er nicht mehr nur die Sünde verkörpert, sondern – gleich dem verlorenen Sohn – auch Christi Überwindung der Sünde darstellt.⁶⁰ Daher kann Barth folgern, dass der Christ „in der Erkenntnis des Glaubens ein neues Subjekt“ (IV/1, 863) wird. (2) Aus derselben Erkenntnis der Stellvertretung Christi folgt auch der zweite Aspekt der Analogie: die Herstellung des Lebens in der vivificatio. Diese gründet darin, dass Christus das Recht der Menschen auf die Bundespartnerschaft Gottes, das der Mensch in der Sünde verleugnete und verlor, stellvertretend für den Gläubigen wiederhergestellt hat: „Erkenne ich ihn und in ihm mich selbst […,] dann heißt das, daß ich mich als den vorfinde, dem in ihm Recht und Leben geschenkt ist, mich als den, dem er sich selbst als den für ihn Gerechten und Lebendigen geschenkt hat.“ (IV/1, 864)

Der Gläubige darf aus der Christuserkenntnis für sich selbst schließen, dass er sich sein neues Leben nicht erst erarbeiten muss, sondern dass Jesus Christus stellvertretend für ihn das Leben des wahren Menschen gelebt hat; er muss somit nicht mehr um sein eigenes Recht kämpfen, rechtfertigende Werke vollbringen oder seines Heils ungewiss sein (vgl. IV/1, 865). Die rechte Analogie zu dieser Erkenntnis der vivificatio ist nach Barth die Zuversicht: Im Glauben darf ich vorwärts blicken auf mein in Christus zugesagtes, neues Sein. Auf diese Weise gelangt Barth an dieser Stelle zur Bestimmung des Glaubens als Vertrauen (fiducia):

 Schon in II/2 bestimmte Barth den Glauben als entsprechende Antwort auf Gericht und Gnade Gottes: Im Glauben wird anerkannt, „daß wir Gerichtete sind oder eben: daß wir darauf angewiesen sind, von Gottes Gnade zu leben.“ (II/2, 857) Der Glaube ist damit die „praktische[…], in unserem Sein und Tun zu vollziehende[…] Bejahung des Gerichtes“ (II/2, 858).  Dass der Gläubige ein neues Subjekt wird, bedeutet dabei nicht eine „Entweltlichung“ des Christen, als ob der Gläubige sein sündiges Sein überwinden könnte (IV/1, 863).

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8 Die menschliche Glaubenstat

„Daß ich Zuversicht fasse, das ist die radikale Entscheidung, der ich, indem ich Jesus Christus und in ihm mich selbst erkenne, nicht ausweichen kann, die ich vollziehen muß.“ (IV/1, 866)

Diese Erkenntnis der Überwindung sagt dem Menschen, dass er frei ist von seinem sündigen Hochmut und in Frieden mit sich, Gott und den Menschen als Bundespartner leben darf. Damit ist die vivificatio die Botschaft der Hoffnung, dass auch dem Gläubigen ein neuer Anfang möglich ist (vgl. IV/1, 866 f). In Analogie zur Auferstehung Christi sieht der Mensch ein, dass Christi Auferstehung auch ihm gilt und er insofern befreit leben darf.⁶¹ Der Überwindung der bindenden Macht der Sünde im Kreuz (mortificatio) wird somit in der Auferstehung die Herstellung einer neuen Lebensmöglichkeit (vivificatio) beigeordnet. Wie bereits bezüglich der mortificatio verneint Barth erneut, dass diese neue Erkenntnis zum verfügbaren Besitz des Gläubigen werden könnte. Sie gilt ihm nur in Christus. In dem Verhalten des Gläubigen ist von dieser neuen Herrlichkeit noch nichts zu finden und so grenzt sich Barth – spiegelbildlich zur oben genannten ‚bösen Theologie‘ der Ungleichheit – auch gegen eine „[b]öse Theologie einer angemaßten Gleichheit mit Jesus Christus“ und eine falsche Heilsgewissheit ab (IV/1, 864). Das neue Sein gelte zwar dem Gläubigen, aber eben nur in Christus. Obwohl es in der Glaubenserkenntnis nicht zum Anbruch des neuen Himmels kommt, bedeutet diese menschliche Zuversicht „auf der alten Erde“ allerdings sehr wohl, dass „kleine Erneuerungen, vorläufige Heilungen, Befestigungen und Klärungen […] von da aus notwendig durch den ganzen Menschen hindurchgehen, der ja in der Erkenntnis des Glaubens zweifellos ein neues Subjekt geworden ist.“ (IV/1, 866).⁶² Das neue Sein des Gläubigen in Christus ist demnach weder für den Gläubigen verfügbar, wie es eine ‚Theologie der Gleichheit‘ lehren würde, noch darf aber die Wirklichkeit dieses neuen Seins für die gegenwärtige Welt geleugnet werden, wie es eine ‚Theologie der Ungleichheit‘ lehren würde. In der Erkenntnis des neuen Seins kommt es somit auf der ‚alten‘ Welt zu ‚vorläufigen‘ Zeichen dieses neuen Seins, die jedoch nichts Statisches oder ein Besitzgut sind, sondern sich jeweils im Vollzug dieser Erkenntnis ereignen.⁶³

 Dabei wird der Gläubige einerseits von der Auferstehungserkenntnis zu diesem Schluss hin gedrängt und zugleich ergreift er aktiv diese Zuversicht im tätigen Erkennen, was Barth darum als ‚Entscheidung‘ charakterisiert (s.o. Kap. 5.3.3).  Dieses neue Subjekt des Glaubens beschreibt Barth wie folgt: Weil der Gläubige seinem sündigen Hochmut nicht mehr verpflichtet ist, könne er nun ein „fröhlicher Mensch“ und „friedlicher Mensch“ sein (IV/1, 867). Zur Möglichkeit des ‚Anfangs‘ realer Veränderungen des Gläubigen, siehe Kap. 7.2.2.  S.o. Kap. 7.3.

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Aufgrund der Unverfügbarkeit der Erkenntnis über das neue Sein in Christus bei gleichzeitiger realer Veränderung des eigenen Selbstverständnisses ist es treffender als Selbstdeutung zu beschreiben (s.u. Kap 9.4). In der Kombination der Modelle von Exzentrizität und Deutung wird die dialektische Spannung ausgedrückt, dass dem Menschen von außen, nämlich in der Christuserkenntnis, eine neue Perspektive eröffnet wird, ihm diese neue Perspektive jedoch nur als überformbare Deutung verfügbar ist.

8.3.3 Die Analogie zu Christus als Form der Teilnahme am Gotteswerk Das Verhältnis zwischen dem Gläubigen und Christus beschreibt Barth als eine „Analogie“, d. h. als eine reale Entsprechung, bei der es zu „realer Gleichheit bei aller Ungleichheit“ (IV/3, 612) kommt: Der Gläubige ist dabei in „seinem positiven Dransein Abbild, Parallele, Gleichnis seines [Jesu] Seins und Tuns für ihn: in tiefster Unvollkommenheit Reflex seiner Vollkommenheit, kleines Licht in seinem großen Lichte. Er existiert dann eben in geringer Dankbarkeit für den Erweis seiner allmächtigen Gnade.“ (IV/1 867)

In der mortificatio ist der Christ ein Gleichnis dafür, dass Jesus Christus die Sünde der Welt getragen hat, in der vivificatio ist er ein Gleichnis der Zuversicht auf sein neues Sein (s.o. 8.3.2). So wird der Christ schon in der Zwischenzeit zu einem ‚kleinen Licht‘, das anzeigt, dass der Mensch im Bund mit Gott und seinen Mitmenschen leben darf.⁶⁴ Mit dem Begriff der Analogie bzw. des Gleichnisses grenzt sich Barth von der Vorstellung eines Zusammenfalls der Geschichten Jesu und des Gläubigen ab (vgl. IV/1, 858). Durch die Analogie soll demgegenüber die Unterscheidung zwischen Jesus Christus als analogans und den Christen als analogatum gewahrt bleiben,

 Zentral ist hierbei die Bestimmung der Gläubigen als „Gottes Kinder“ (IV/3, 612). Diese haben die Funktion, „nur in Analogie zur Existenz Jesu Christi, aber in Analogie zu der seinigen real, […] in Wiederholung, Bestätigung und Offenbarung“ des Willens Gottes zu existieren (IV/3, 613). So wie Jesus Christus als Sohn Gottes den Vater offenbart, so dürfen die Kinder Gottes auch Gottes Gnade für die Welt anzeigen. Entsprechend zu den Ausführungen zur Erkenntnis in IV/1, § 63.2 konstatiert Barth auch an dieser Stelle, dass dieses christliche „Selbstverständnis“ aus der Glaubenserkenntnis erwächst und dadurch zur entsprechenden Lebensgestaltung in Analogie zu Christus führt (IV/3, 617).

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denn obwohl der Gläubige zu einem Gleichnis der Gnade Christi wird, bleibt dies nur ein Werk ihrer menschlichen Erkenntnis und Entsprechung.⁶⁵ Mit dem Analogiebegriff wendet sich Barth ferner explizit gegen Bultmanns Verständnis des Glaubens als einer, nach Barths Auffassung, „Vergegenwärtigung (repraesentatio)“ Christi (IV/1, 858). Zwar vergegenwärtige sich Christus als Ursprung und Gegenstand des Glaubens, der tätige Glaube sei aber als menschliche Antwort von Christi Gegenwart selbst zu unterscheiden und mache Christus nicht erst gegenwärtig.⁶⁶ Der Glaube richtet sich nach Barth auf den gegenwärtigen Christus, „ohne daß die Heilstat Gottes mit dem Glauben als der freien Tat des Menschen identisch würde.“ (IV/1, 858) Die gläubige Erkenntnis ist also keine Bedingung der Wirksamkeit oder Gegenwart Christi. Ebenso grenzt sich Barth gegenüber von Balthasars Beschreibung des Glaubens ab, die ihn als „Repräsentationen der Geschichte Jesu Christi, […] Wiederholungen, bzw. Nachvollzüge seines Seins und Tuns“ bestimmt (IV/1, 858).⁶⁷ Denn hierbei bestehe die Gefahr die Rechtfertigungslehre zu verfälschen, insoweit die aus dem Glauben folgenden Repräsentationen Christi im Gläubigen als Werkgerechtigkeit missverstanden werden könnten. An dieser Kritik Barths exemplifiziert sich erneut sein Insistieren, dass das göttliche und das menschliche Werk nicht zu vermischen sind (vgl. IV/1, 859; s.o. Kap. 5.4).⁶⁸ Weder muss Gott ‚geholfen‘ werden, dass er sich durch die Gläubigen vergegenwärtigen kann, noch darf anhand der menschlichen Repräsentation Gottes auf einen Zusammenfall von göttlichem und menschlichem Tun geschlossen werden. Bei Barth ist die gläubige Entsprechung nur eine Folge der  Darüber hinaus macht die Analogiefigur deutlich, dass der Gläubige als Abbild – Barth verwendet hier die Bilder des Schattens und des Spiegelbildes – nie mehr sein kann als sein Urbild. Eine über diese Analogie hinausgehende „eigene Subsistenz und Kraft“ wird dem Glauben dadurch abgesprochen (IV/1, 710). Siehe dazu auch Barths Gebrauch des Analogiebegriffs für die imago Dei (Kap. 4.4) und seine Unterscheidung zwischen Christi Werden und dem menschlichen Werden in Analogie zu ihm (Kap. 7.1.4).  Der Glaube muss demnach Christi Tat nicht wiederholen, denn das Sein und Tun Jesu Christi „ist gegenwärtig und wirksam in seiner eigenen Wahrheit und Kraft“ (IV/1, 859). Nach Barth würde Bultmanns gegenteilige Auffassung auf die katholische Messopfertheorie hinauslaufen, wonach noch eine Wiederholung notwendig wäre (vgl. IV/1, 859).  Von Balthasar könne zwar Barth den Vorwurf einer gewissen christologischen Engführung machen, müsse sich aber nach Barth dafür rechtfertigen, ob nicht Jesus Christus als Gegenstand und Ursprung des Glaubens bei ihm hinter der menschlichen Repräsentation verblasse (vgl. IV/1, 859).  Siehe dazu W. S. Johnson, The „Reality“ of Faith. Critical Remarks on Section 63 of Die Kirchliche Dogmatik, in: The Reality of Faith in Theology, hg. v. B. L. McCormack, Bern, Berlin, Frankfurt am Main,Wien 2007, S. 205 – 220, 213, der dafür argumentiert, dass die Vermischung von letzten und vorletzten Dingen die Rechtfertigungsbotschaft verfehlen würde.

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Erkenntnis Christi und wird nicht mit Christi Heilswerk vermengt. Entsprechend kann auch aus dem menschlichen Werk nicht auf Christi Werk rückgeschlossen werden. Die menschliche Analogie bezieht sich zwar auf Jesus Christus als ihren Gegenstand und Ursprung, ist aber selbst ausschließlich ein menschliches Werk: irdisch, ‚vorletzt‘, nicht-eschatologisch. Damit nimmt Barths Kritik an Bultmann und von Balthasar den Faden seiner früheren Kritik an der analogia entis wieder auf.⁶⁹ Dieser Gedanke der irdischen und somit ‚vorletzten‘ Entsprechung lässt sich mit einer früheren Aussage Barths in KD II/1 erhellen, dass der Glaube „nicht in einer inneren, einer immanenten Veränderung des Menschen“ bestehe, da er gar nicht im Menschen gründe, sondern im „Werk des Heiligen Geistes“ (II/1, 177). Aber der Neugeburt aus dem Geist folge die Veränderung des Menschen, der „noch hier schon von dem leben darf, was er dort in Jesus Christus und also in Wahrheit ist.“ (II/1, 177). Daher sei der Glaube „die zeitliche Gestalt seines ewigen Seins in Jesus Christus“ (II/1, 177, Herv. J. S.). Barth unterscheidet demnach zwischen dem, was der Mensch in Jesus Christus wirklich ist, und dem, was der Mensch im Glauben irdisch sein kann. Der Gläubige erkennt, was er dort (de iure) wirklich ist, und gestaltet sich hier (de facto) schon entsprechend.⁷⁰ In seinem zeitlichen Sein entspricht der Gläubige Gottes Werk, indem er sich analog dazu als überwunden und hergestellt versteht und in tätiger Erkenntnis dessen Gestalt bildet. Der Glaube ist daher ‚nur‘ die zeitliche Gestalt und ein Abbild dessen, was dem Gläubigen in Christus gilt. In dieser zeitlichen Gestalt ist der Glaube aber das größte unter irdischen Bedingungen Mögliche.⁷¹ Die Pointe von Barths Verwendung des Analogiebegriffs liegt hier darin, die eigenständige Tätigkeit des menschlichen Subjekts im Glauben und dessen Un-

 Das hier skizzierte Verständnis des ‚Deus in nobis‘ markiert nicht nur den Unterschied Barths zu Bultmann und von Balthasar, sondern ist nach Chalamets Analyse ein allgemeiner Unterschied zur Position der analogia entis (vgl. C. Chalamet, Est Deus in Nobis?, 289).  Zum Verhältnis der Wirklichkeiten de iure und de facto bei Barth, siehe Kap. 4.3.2.  Für den Glauben bedeutet diese Unterscheidung der Werke Gottes und des Menschen in der Konsequenz, dass der Glaube zwar „[n]icht [ein] Letztes“ ist, aber die Analogie zu Christus ist das „Größte[ ]“, was eben hier von ihm gesagt werden kann (IV/1, 860), denn in der Analogie „geschieht“ die Überwindung der Sünde und die Herstellung des Rechts (IV/1, 867): „Wem das zu wenig gesagt scheint, der sehe zu, daß er nicht im Versuch, Besseres zu sagen, Schlechteres sage! Ist damit nicht vom Menschen, von dem, was er im Glauben wollen, tun und sein kann, Größtes gesagt? Nicht Letztes, gewiß nicht! Was vom Menschen als Letztes zu sagen ist, das kann jetzt und hier, diesseits des Endes der Wege Gottes, nur im Blick auf den Menschen Jesus gesagt werden. Aber Größtes als Vorletztes, Größtes von dem Menschen, der mit Gott auf dem Weg zu jenem Ende ist, Größtes und auch Wunderbarstes von dem Menschen, der als der sündige Weltmensch, der er ist, nun eben glauben, ein Christ sein darf!“ (IV/1, 859 f.).

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gleichheit zu Jesus Christus zu wahren, wenngleich sich der Mensch mit Christus „parallel schaltet“ (IV/1, 860, s.o. 8.3.2). Zwar wird sein Selbstverständnis von der Christuserkenntnis bestimmt, es ist und bleibt aber der irdische Mensch, der sich zu Christus ins Verhältnis setzt. So „löscht also die Geschichte Jesu Christi des Menschen Lebensgeschichte nicht aus, sondern von jener her wird diese seine neue – aber seine eigene neue Lebensgeschichte.“ (IV/4, 25) Eine Verschmelzung von Christus und dem Gläubigen und dadurch Reduktion oder Annihilation des Gläubigen findet – das markieren die Begriffe Gleichnis und Analogie – nicht statt. Positiv gewendet bedeutet das: Der Glaube führt den Menschen zu einer neuen Geschichte, d. h. zu einer neuen Existenzform. Diese neue Existenz ist sein eigenes, altes Sein, aber in der christologischen Perspektive auf sein Leben neu gedeutet. Aufgrund dieser neuen Selbstdeutung führt der Gläubige ein Christus analoges Leben, welches der Mensch nicht mehr als sein ‚altes‘, selbstbezogenes Leben erlebt, sondern als Teil der Geschichte Jesu Christi. Damit beinhaltet die in der Gotteserkenntnis gestiftete Analogie die ‚exzentrische‘ Teilnahme des Menschen am Sein Christi in der Form einer neuen Lebensdeutung.

8.4 Bekennen – das neue Weltverhältnis Die dritte Charakterisierung des Glaubens als tätiger Kenntnis in IV/1, § 63.2 ist das Bekennen.⁷² Das Bekennen ist der Aspekt der Glaubenstrias, „in welchem der Glaubende zu seinem Glauben, vielmehr: zu dem, an den er glaubt, zu dem von ihm Anerkannten und Erkannten, […] steht, und zwar jetzt nach außen […] den Menschen gegenüber steht.“ (IV/1, 869)⁷³ Mit dem Begriff des Bekennens führt Barth aus, was in der praktischen Erkenntnis schon angelegt ist: dass der Gläubige für andere sichtbar zum Gleichnis Christi wird. Damit expliziert das Bekennen den oben aufgezeigten Aspekt des Glaubens als neues Sein, insofern es darum geht, sichtbar dieser „veränderte Mensch [zu] sein“ (IV/1, 869). Zunächst ist darzustellen, wie das Bekennen als Zeugnis des Glaubens unmittelbar aus der Erkenntnis Gottes folgt (8.4.1). Dabei kann geklärt werden, wie

 Die enge Verbindung von Glauben und Bekennen liegt auch schon bei Calvin vor. Siehe dazu, wenngleich in anderem Kontext, Opitz Analyse „[g]lauben heißt bekennen“: P. Opitz, Leben und Werk Johannes Calvins, Göttingen 2009, 54.  Eine Auseinandersetzung mit Barths Bekenntnisbegriff hat jüngst Hanna Reichel vorgelegt, in der sie anhand von Barth Auslegung des Heidelberger Katechismus das Bekennen als Vollzugsmodus des christlichen Lebens herausarbeitet: H. Reichel, Theologie als Bekenntnis, bes. 203 – 239.

8.4 Bekennen – das neue Weltverhältnis

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Barth den unmittelbaren Zusammenhang von Rechtfertigung und Heiligung auf die Momente von Kenntnisnahme und Kenntnisgabe im Glauben überträgt. Daraufhin ist herauszuarbeiten, welche Bestimmungen des Glaubens im Bekennen ausgedrückt werden (8.4.2), denn die drei traditionellen Beschreibungen des Glaubens als notitia, assensus und fiducia hat Barth bereits mittels Anerkennung und Erkenntnis beschrieben. Im Bekennen wird – wie zu zeigen ist – an der ‚Dienstordnung Christi‘ teilgenommen (8.4.3). Schließlich soll in 8.4.4 geklärt werden, welche Gestalt das Bekennen dem Glaubensvollzug aufprägt, indem es das Glaubensleben als Zeugnisgabe bestimmt. Dabei kann entwickelt werden, dass das Bekennen in seinen zwei Lebenskontexten (Gemeinde und Welt) die neue Gotteserkenntnis als Mitmenschlichkeit sichtbar macht. Das Zeugnis hat dabei nicht nur für die Adressaten sondern auch für den Bekennenden selbst eine verkündigende Funktion.

8.4.1 Kenntnisnahme und Kenntnisgabe Die Beziehung des Bekennens zu Anerkennen und Erkennen beschreibt Barth so, dass die in letzteren geschehene „Kenntnisnahme […] als solche vielmehr auch Kenntnisgabe“ ist (IV/1, 868). Dieser interne Zusammenhang besteht für Barth so unmittelbar, dass ein „bloß anerkennender und erkennender, aber nicht bekennender Christ […] überhaupt kein Christ“ wäre (IV/1, 868). Weil das Bekennen die sichtbare Veränderung des in Anerkennen und Erkennen neuen Seins des Christen beschreibt, gehört es notwendig zu der einen Glaubenstat dazu. Glaube kann demnach bei Barth nicht auf das Verhältnis des Christen zu Gott und das daraus resultierende, veränderte Selbstverständnis reduziert werden, sondern hat als notwendiges „Ziel die Tat seines Zeugnisses und also eben seines Bekennens.“ (IV/1, 868) Die Grundlage dieses Zusammenhangs von Kenntnisnahme und Kenntnisgabe liegt in Barths Bestimmung des Verhältnisses der Heiligung zur Rechtfertigung.⁷⁴ Der Rechtfertigung im Glauben wird die Heiligung unmittelbar beige-

 Bei Barth zeigt sich zwar ein hervorgehobener Zusammenhang der Rechtfertigungslehre mit dem Glauben, da er im Aufbau seiner Dogmatik den Glauben (§ 63) im Kontext der Rechtfertigungslehre platziert und betont, dass einzig der Glaube rechtfertige, wohingegen Liebe und Hoffnung den Menschen nicht rechtfertigen könnten (vgl. IV/1, 103). Aber an dieser Platzierung in der KD fällt auch auf, dass der Glaube nur eine partielle Bedeutung für das christliche Leben hat, insofern ihm Liebe und Hoffnung in IV/2 und IV/3 gleichwertig beigeordnet werden. Dabei werden die Heiligung (IV/2) und Sendung des Gläubigen (IV/3) unmittelbar mit der Rechtfertigung im

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ordnet: „Wo Rechtfertigung ist, da ist auch Heiligung. Wo Glaube ist, da ist auch Liebe, da sind auch Werke“ (IV/1, 701). Gott wird dabei als Subjekt von beiden bestimmt: im iustificare wie im sanctificare wirkt allein Gottes facere (vgl. IV/2, 566). Die Heiligung darf demnach nicht als eine menschliche Gegenbewegung zur Rechtfertigung verstanden werden, denn sie ist keine Selbstrechtfertigung oder Selbstheiligung, sondern die Teilnahme an Christus, der auch die Heiligung bereits vollzogen hat (vgl. IV/2, 585.587). So sind Rechtfertigung und Heiligung für Barth „unzertrennlich verbunden“ (IV/2, 563).⁷⁵ An dieser unmittelbaren Verbindung des Glaubens mit dessen sichtbaren Taten lässt sich erneut Barths Anknüpfung an die reformierte Tradition erkennen:⁷⁶ Die Werke werden nicht als ein sekundäres Folgemoment des Glaubens beschrieben, sondern sind die unmittelbare Äußerung des Glaubens in den Lebensvollzügen des Gläubigen. Demnach darf auch das Bekennen und das Zeugnis des Glaubens bei Barth nicht als ein sekundäres Werk des Glaubens verstanden werden, das der Gläubige aufgrund seines Glaubens zu leisten hätte. Der Gläubige erkennt nicht seine Rechtfertigung in Christus und muss dann in der Folge zur Heiligung streben und Zeugnis geben, sondern der Gläubige erkennt im Glauben

Glauben verknüpft, sodass Glaube, Liebe und Hoffnung nahezu synonym gelten und jeweils nicht ohne die anderen ausgedrückt werden können (vgl. IV/2, 853).  Barth betont dabei sowohl die Einheit als auch die Verschiedenheit beider, indem er als Vergleichspunkt für ihr Verhältnis die unvermischten und ungetrennten zwei Naturen Christi anführt (vgl. IV/2, 567– 574). Auch wenn damit eine zeitliche Nachordnung eines von beiden unmöglich ist (hier findet sich auch eine erneute Kritik Barths am ordo salutis, welcher das Heilsgeschehen in eine zeitliche Abfolge bringe und damit einhergehend psychologisiere), beschreibt Barth doch eine „Sachordnung“ der beiden (IV/2, 574): Einerseits – dem „inneren Gang“ zufolge (IV/2, 575) – begründet die Rechtfertigung die Heiligung, indem sie diese erst ermöglicht, und insofern kommt der Rechtfertigung die „Priorität“ zu (IV/2, 574). Andererseits ist die Heiligung „Sinn“, „Absicht“ und „Zweck“ der Rechtfertigung, sodass „teleologisch die Heiligung der Rechtfertigung übergeordnet ist“ (IV/2, 575). Daher kann Barth variierend von Rechtfertigung und Heiligung sowohl als Grund und Folge als auch von ihnen als Voraussetzung und Ziel sprechen (vgl. IV/2, 575). Für den Glauben bedeutet das, dass die Rechtfertigung in Christus erkannt wird, um zugleich und damit das Leben des Gläubigen zu verändern zur Liebe, die sich im Zeugnisdienst für die ebenso gerechtfertigte und geheiligte Welt ausdrückt.  Mit dieser Verhältnisbestimmung von Rechtfertigung und Heiligung reiht sich Barth explizit in die reformierte Tradition von Calvins Institutio ein (vgl. IV/1, 585), der die sanctificatio der iustificatio beiordnet, und grenzt sich damit gegen Positionen ab, die in der Rechtfertigungslehre „die ganze Mitte“ oder „die einzige Spitze der christlichen Botschaft und Lehre“ sehen (IV/1, 584). Hierbei wendet sich Barth jedoch nicht gegen Luther, sondern eher gegen eine einseitige Zuspitzung auf die Rechtfertigungslehre im Luthertum (vgl. IV/1, 580 – 587). Siehe hierzu Jüngels Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Rechtfertigungslehre und Christologie bei Barth in: E. Jüngel, Das Evangelium von der Rechtfertigung des Gottlosen als Zentrum des christlichen Glaubens, 15 – 26.

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seine Rechtfertigung und Heiligung in Jesus Christus. Die Erkenntnis von beidem verändert seine Existenz, weil er versteht, dass er in Jesus Christus schon geheiligt ist (s.o. 8.3). Diese befreiende Erkenntnis beinhaltet, dass der Gläubige befreit leben kann, d. h. dass sein Leben von dieser guten Botschaft zeugt. Gleichwohl schließt Barth einen Rückschluss von den Werken auf den Stand des Gläubigen aus, wie er in der Entwicklung der reformierten Prädestinationslehre üblich geworden war.⁷⁷ Die Werke können nach Barth den Gläubigen nicht seines Glaubens versichern, denn sie sind jeweils nur Spiegelungen und Analogien zu seinem neuen Sein in Christus und eben nicht das neue Sein selbst (s.o. 8.3.3), sodass ihnen die Kraft fehlt, den Gläubigen seines Glaubens zu versichern. Ausdruck findet dieser unmittelbare Zusammenhang von Erkennen und Bekennen bei Barth dann zum Beispiel darin, dass die Ethik innerhalb der Dogmatik verortet wird (s.o. Kap. 2.3).⁷⁸ Den unmittelbaren Zusammenhang von Gotteserkenntnis und sichtbarem Bekennen erläutert Barths Metapher eines durch den Menschen hindurch strahlenden Lichts: „Dieser Lichtglanz Gottes kann sich aber in dem und durch den, der ihn anerkennt und erkennt, nicht aufhalten lassen. Er bricht gewissermaßen durch ihn hindurch, indem er ihn selbst hell macht. Es bleibt dem, auf den er fällt, schon gar nichts Anderes übrig, als in ihm selber hell zu werden.“ (IV/1, 868)

Der Glaube an Gott als das helle Licht bedingt dementsprechend „sofort“ auch (IV/1, 868), dass der Gläubige von Gott erleuchtet selbst ‚zum Scheinen kommt‘ und diesen Gott bezeugt. In diesem ‚Scheinen‘ wird der Glaube zur „Herzensgeschichte“ des Einzelnen, „die als solche hörbar und sichtbar wird in der Weltgeschichte“ (IV/1, 868). Daher gilt: „Wo einer christlich glaubt, da ereignet sich Geschichte“ (IV/1, 868). Zwar ist diese Herzensgeschichte nur die „unscheinbare Geschichte“ eines Einzelnen, aber trotzdem eine „Geschichte von ganz unabsehbarer Dynamik“, weil sie sich „im Lichte jener großen Gottesgeschichte“ er-

 Zwar ist ein solcher Rückschluss bei Calvin noch nicht ausgebildet, doch ab Beza hat der syllogismus practicus für die reformierte Dogmatik teils eine die Erwählung vergewissernde Funktion bekommen (vgl. W. Kreck, Grundentscheidungen in Karl Barths Dogmatik, 307).  Exemplarisch zeigt Nimmo die Begründung der Ethik in der Dogmatik und bestimmt den Gehorsam als menschliche Entsprechung zur göttlichen Bestimmung des Menschen in Christus (vgl. P. T. Nimmo, Barth and the Christian as Ethical Agent. An Ontological Study of the Shape of Christian Ethics, in: Commanding Grace, hg. v. D. L. Migliore, Grand Rapids, MI 2010, S. 216 – 238, bes. 238).

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eignet (IV/1, 868). Der Glaube wird somit selbst zur sichtbaren, sich potenzierenden Geschichte Jesu Christi (s.o. Kap. 6.3).⁷⁹ Der Grund für das ‚Hindurchscheinen des Lichts‘ liegt dabei in der Botschaft selbst, die sowohl eine Botschaft pro me als auch propter nos homines ist. Auf die Frage, „[w]as anerkenne, erkenne und bekenne ich als dieses Subjekt?“ (IV/1, 843), antwortet Barth, dass der Ruf des Glaubens zwar an einen einzelnen Menschen ergeht, aber dieses pro me schließt zugleich das pro nobis und das propter nos homines ein (vgl. IV/1, 843). Der Gläubige erkennt somit, dass Jesus Christus gerade nicht nur für ihn, sondern für alle Menschen gestorben und auferstanden ist. Demnach ist der Glaube zwar ein „existenziell[es]“ Geschehen, aber zugleich zielt er auf das ‚Wir‘ aller Menschen, weshalb Barth ihn auch als „Entmythologisierung des ‚Ich‘“ (IV/1, 846) bezeichnet.⁸⁰ Ein Mensch kann daher nach Barth nicht rein privat glauben und davon ausgehen, dass diese Glaubenserkenntnis für sein Umfeld keine Bedeutung hat. Stattdessen erkennt der Gläubige, gerade indem er glaubt, dass diese neue Existenz auch allen übrigen Menschen gilt, und steht somit in der Verpflichtung, ihnen diese frohe Botschaft mitzuteilen.

8.4.2 Charakterisierung des Bekennens als menschliche Tat Der innere Zusammenhang zwischen der Kenntnisnahme des Glaubens in Anerkennen und Erkennen und der Kenntnisgabe im Bekennen führt zu der weiteren Frage, wie das Bekennen als Tat zu charakterisieren ist. Die besondere Bestimmtheit des Bekennens führt nach Barth jedoch nicht dazu, dass das Bekennen eine spezielle Handlung und also „keine besondere Aktion des Christen“ (IV/1, 869) wäre. Vielmehr bestimmt das Bekennen das tätige Sein des Gläubigen in seinem Verhältnis zu Christus, wenn er diesem in seinem Lebensvollzug entspricht, d. h., „daß er sei, der er ist“ (869). Das Zeugnis darf dementsprechend nicht auf ein spezifisches Werk des Gläubigen wie die Verkündigung reduziert werden, sondern umfasst das ganze sichtbare Sein eines Menschen, das aus dessen Herzensgeschichte entsteht.

 Damit muss eindeutig einer Auslegung Barths widersprochen werden, welche göttliche Zueignung und menschliche Tat des Glaubens in eine zeitliche Reihenfolge bringt, wie zum Beispiel bei Krötke, der ohne diese Reihenfolge weiter zu begründen dennoch aussagt: „Der Partner Gottes ist in seinem Leben also zuerst ein Empfänger und daraufhin ein Täter“ (W. Krötke, Gott und Mensch als ‚Partner‘, 112).  Damit wendet sich Barth implizit gegen Bultmann, indem er dessen Begriff der Entmythologisierung gegen ihn gebraucht und ihm und „der protestantischen Neuzeit“ vorwirft, dass ihr Anliegen des „christlichen Individualismus“ zu kurz greife (IV/1, 846).

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Da das Bekennen nur ein Moment der einen Glaubenstat darstellt, ist es im Glaubensakt als Anerkennen und Erkennen mit enthalten, denn es macht nur sichtbar, was der Mensch erkannt und anerkannt hat.⁸¹ Im obigen Bild gesprochen, scheint Gottes Licht durch den Gläubigen hindurch und es bleibt ihm gar nichts anderes übrig, als im Zeugnis ‚hell‘ zu werden. Dementsprechend will der Mensch mit seinem Bekennen auch keine bestimmte Reaktion oder Wirkung erzielen. Barth geht so weit, das intentionale Wollen des Gläubigen hier völlig auszuklammern, indem dieser in seinem Tun unmittelbar Zeuge ist und insofern mit seinem kleinen Licht dem großen Licht entspricht (IV/1, 870). Die sichtbare menschliche Entsprechung zum Erkannten ist dabei fast ein Automatismus, in dem es nach Barth zum Bekennen des Gläubigen kommt, „ob er es wolle oder nicht wolle“ (IV/1, 869). Zwar ist das Bekennen die „freie Tat dieses seines Glaubens“ (IV/1, 869), aber die Freiheit besteht nicht darin, bekennen zu wollen oder nicht, sondern darin als Bekennender frei zu sein, insofern die wahre Freiheit erst in der Christusentsprechung erreicht wird (vgl. IV/1, 872; s.o. Kap. 5.1.2). Das Bekennen ist daher keine im Glauben freiwillig gewählte Tat, sondern dessen sichtbarer Bestandteil. Somit ist der frei bekennende Christ „nicht nach seinen Wünschen und Abneigungen gefragt. Er steht jener Dynamik, indem er an Jesus Christus glaubt, schon zur Verfügung.“ (IV/1, 869) Was der Christ dabei allerdings – nicht zu wollen, wohl aber – zu unterlassen hat, ist „das kleine Licht unter einen Scheffel zu stellen.“ (IV/1, 870) Bereits indem er dies unterlässt, „tut er faktisch die von ihm verlangte Tat des Bekennens“ (IV/1, 870). Demnach gilt: Sofern der Gläubige sich nicht aktiv dazu entschließt, sein Licht unter den Scheffel zu stellen, gibt er mit seinem Leben Zeugnis davon, was er erkannt hat. Insoweit ist das Bekennen ein menschliches Tun wie alles übrige Tun auch und ist dabei auch von der Sünde mitbetroffen. Seine Besonderheit erlangt dieses Tun allein aus der neuen Existenz in Christus (vgl. IV/1, 869). Nicht Gott wirkt dabei im Gläubigen, sondern der Gläubige bezeugt selbst in seiner Existenz das, was er im Glauben erkannt hat. Den Dienst, den er damit verrichtet, tut er daher als Mensch, sodass er „[m]ehr und etwas Anderes als seine menschliche, seine sündige Existenz und ihre Möglichkeiten […] zu diesem Tun nicht einzusetzen [hat].“ (IV/3, 698) Dadurch geht Barth trotz seiner Rede vom ‚Automatismus‘ des Bekennens nicht von einer Fremdbestimmung des Gläubigen aus: Zwar hat der Geist Gottes den Menschen zu dieser Erkenntnis und zur Freiheit gebracht, aber das entsprechende menschliche Tun hat faktisch nur den Menschen als Voll Hierbei ist zu berücksichtigen, dass nach Barth alle Menschen mit ihrem Leben Zeugnis geben: Die ‚erwählt Lebenden‘ repräsentieren Gottes Herrlichkeit (vgl. II/2, 457), während die ‚verworfen Lebenden‘ sichtbar machen, wer der Adressat des Evangeliums ist, was durch das Evangelium überwunden wird und was die Absicht des Evangeliums ist (vgl. II/2, 504– 508).

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zugssubjekt und ist insofern keine „Prolongatur“ des Wirkens Gottes (IV/2, 891). Der bekennende Mensch ist also weiterhin ein „sich als sein [Gottes] Partner vor ihm verantwortendes selbstständiges Subjekt“ (IV/2, 891). Diesen Zusammenhang von Kenntnisnahme und Kenntnisgabe beschreibt Barth an verschiedenen Stellen der KD.⁸² So führt Barth zum Beispiel über den christlichen Gehorsam aus, dass dieser weder ein Verdienst des Gläubigen noch fakultativ sei, sondern die „unmittelbare Lebensäußerung und Lebenskundgebung“ des Geschöpfs (III/3, 288). Barth unterscheidet daher nur begrifflich zwischen dem Glauben und dem daraus folgenden Werk des Gehorsams, faktisch ist der Gehorsam jedoch die unmittelbare Äußerung des Glaubens. In der hier entwickelten Systematik ist der Gehorsam somit ein Modus des Bekennens.⁸³ Als menschliche Tat hat auch das Bekennen wesentlich den Charakter einer Deutung. Die Fehlbarkeit jeglicher menschlicher Deutung des Willens Gottes führt Barth daher zur Unterscheidung zwischen der Grundhaltung des absoluten Gehorsams gegenüber Gott und ihrer ethischen Konkretion in einer gehorsamen Lebensführung. Für den Gläubigen gilt gegenüber Gott grundsätzlich der Gehorsam. Wie jedoch die konkreten Taten aussehen, die aus diesem Gehorsam folgen, beschreibt Barth gerade nicht. Diese Konkretion ist vielmehr von jedem  Beispielsweise korreliert Barth in seiner Erwählungslehre der passiven Zueignung der Herrlichkeit Christi die aktive Tat des Menschen, denn Gottes Fülle sei keine „immanente, sondern […] transeunte Seligkeit“ und so werde die Seligkeit nicht nur vom Gläubigen empfangen, sondern sie müsse in der menschlichen Tat weiterwirken (II/2, 456): „Des Erwählten Bestimmung besteht darin, das Licht, das ihm selber angezündet worden ist, seinerseits leuchten zu lassen, die gute Nachricht von Gottes Menschliebe […] weiterzugeben“ (II/2, 459). So stellt Barth dem Erkennen der guten Nachricht zugleich den Auftrag an die Seite, das „[B]ekennen“ dessen nicht zu „unterlassen“ (II/2, 459). Die Erwählung zum Glauben wird somit direkt mit der „Bestimmung zu diesem Botendienst“ verknüpft (II/2, 459). Ferner beschreibt Barth auch in seinen Ausführungen zur Liebe, dass aus der Erkenntnis der Liebe Gottes die Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe folgt: Die Erkenntnis der göttlichen Liebe für die Welt führt gerade zu der Einsicht, „daß die auf die Liebe Gottes antwortende menschliche Liebe […] außer und neben Gott noch einen ganz anderen, von Gott durchaus verschiedenen Gegenstand hat[: …] der ihm in einem bestimmten geschichtlichen Zusammenhang zugeordnete Mitmensch.“ (IV/2, 910) So ergibt sich aus der Erkenntnis des Miteinanders der Menschen vor Gott auch die Erkenntnis des menschlichen Miteinanders in der Welt (vgl. IV/2, 918). Das Bekennen des Glaubens zeigt sich darin, dass der Mensch zum Mitmensch wird und dem Nächsten in seinem Tun bezeugt, dass auch dieser sein Bruder ist, weil auch dieser von Gott geliebt ist so wie er selbst (vgl. IV/2, 929).  Nach Neder kann Gehorsam bei Barth sogar als das Grundcharakteristikum für das menschliche Verhalten gegenüber Gott gelten: „obedience (Gehorsam) […] is Barth’s comprehensive term designating the whole life-action, in all its various aspects, which appropriately corresponds to God’s gracious action towards humanity in Jesus Christ.“ (A. Neder, A Differentiated Fellowship of Action, 297 f.).

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selbst und in jeder Situation neu eigenverantwortlich herzustellen. Damit zeigt Barth einen Mittelweg auf, die bedingungslose Anerkennung Gottes von einem blinden Untertanengehorsam zu unterscheiden. Was es heißt, im absoluten Gehorsam in der Nachfolge Christi zu leben, muss daher jeweils neu vom Gläubigen als dem verantwortlichen Akteur bestimmt werden. „Er täte sie [die Treue gegen Gott] nicht, wenn er nicht dazu befreit würde. Indem er aber dazu befreit wird, tut er sie als seine eigene Tat: als seine Antwort auf das in der Geschichte Jesu Christi zu ihm gesprochene Wort Gottes. Wie es in dieser Sache keinen ‚Subjektivismus von unten‘ geben darf, so auch keinen ‚Subjektivismus von oben‘ – wie keinen Anthropomonismus, so tatsächlich auch keinen Christomonismus.“ (IV/4, 25)

Damit bedingt die Korrelation von Glaube und Gehorsam, bzw. von Kenntnisnahme und Kenntnisgabe nur, dass der Gläubige notwendigerweise in ein grundlegend verändertes Weltverhältnis eintritt. Doch wie er dieses Weltverhältnis konkret ausgestaltet, muss der Einzelne in seinem Glauben verantworten. Diese unmittelbare Beziehung zwischen Kenntnisnahme und Kenntnisgabe scheint allerdings problematisch, wenn sich damit faktisch eine Differenz auftut zwischen dem, was als wahr anerkannt wird, und dem, wie sich der Erkennende verhält. Doch diese Differenz lässt sich entschärfen, wenn zwischen der Tat des Glaubens und den Werken des Glaubens unterschieden wird: Der Gläubige erkennt seine Rechtfertigung, doch seine entsprechenden Werke bleiben im irdischen Leben weit dahinter zurück, dieser Erkenntnis zu entsprechen. Diesen Gegensatz bezeichnet z. B. Paulus als Kampf zwischen Fleisch und Geist.Wenn bei Barth die der Erkenntnis entsprechende Lebensführung mit der Erkenntnis unmittelbar verbunden wird, stellt sich gleichwohl die Frage, wie Barth dem Rechnung trägt, dass die Christen faktisch gerade kein heiliges Leben führen. Der ‚Reibungsverlust‘ zwischen Erkennen und Tun kann bei Barth erstens dadurch erklärt werden, dass der Mensch nur einen Teil der Gottesoffenbarung auch existenziell erkennt. So ist denkbar, dass ein Gläubiger die Geschichte Christi nicht vollumfänglich auf seine eigene Lebensgeschichte überträgt, indem er seine Lebensdeutung nicht explizit in allen Vollzügen auf diese Geschichte bezieht. Die Differenz zwischen Sein und Handeln besteht dann zwischen dem Sein des Menschen in Christus und seinem eigenen Selbst- und Weltverhältnis, das jeweils nur ein gebrochenes Spiegelbild der neuen Existenz in Christus ist. Zweitens muss unter Rückgriff auf Barths Verständnis des simul iustus et peccator gefolgert werden (s.o. Kap. 7.1.2), dass der Mensch in seinem Bekennen auch noch von der Sünde bestimmt ist und somit sein Bekennen als fallibles Deuten immer auch von seiner Sünde begrenzt wird.

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8.4.3 Der Zeugendienst entspricht dem Dienst Christi Das Bekennen ist als Moment der Grundtat des Glaubens auch ein wesentliches Moment der analogen Teilnahme des Gläubigen am Sein Christi. Dieser Aspekt wird von Barth in dem hier zugrundegelegten § 63.2 nur beiläufig genannt, doch seine zentrale Rolle lässt sich schon daran erahnen, dass das Bekennen von Barth in der Trias des Kennens als „Ziel“ und Klimax angesetzt wird (IV/1, 868). In IV/3 erklärt Barth die grundsätzliche Bestimmung des Gläubigen zum Zeugen Gottes näherhin damit, dass der Gläubige nur als Zeuge der Ordnung der Gemeinschaft mit Christus entsprechen würde (vgl. IV/3, 685). Ex negativo heißt das: Würde der Gläubige nicht sofort auch zum bekennenden Diener Gottes, sondern bliebe gleichsam selbst der Endzweck des Glaubens, dann würde Christus zum Bedürfnisbefriediger des Menschen (vgl. IV/3, 683). Der Mensch wäre in diesem Fall im Glauben dem sacro egoismo verfallen (s.o. Kap. 6.3.2) und nicht mit dem eigentlichen Anliegen Christi beschäftigt; vielmehr wäre die Ordnung zwischen dem Gläubigen und Christus verkehrt und Christus diente dem Menschen. Diesem Gedanken ist mit Barth zu widersprechen: Auch wenn Christus stellvertretend für die Menschen handelte, so tat er dies nicht als Diener der Menschen, was sie als Endzweck setzen würde, sondern als Diener seines Vaters (vgl. IV/3, 689). Dieser Ordnung entspricht der Mensch als Zeuge. Die Ordnung der unio cum Christo im Glauben beschreibt eine Vereinigung, in der es um „reale und konkrete Anteilhabe […] an der Heilsgeschichte“ geht (IV/3, 687). Dabei wird der Mensch als mitwirkendes Subjekt ‚in‘ der unio cum Christo beteiligt (vgl. IV/3, 687), weshalb sich die Ordnung der Anteilhabe zwischen Mensch und Christus an der Ordnung zwischen Christus und dem Vater orientieren muss.Weil Christi Grundbestimmung sein Dienst für Gott ist (vgl. IV/3, 689), muss die menschliche Gemeinschaft mit Christus also eine Dienstgemeinschaft sein. So wie Jesus Christus im absolut gehorsamen Dienst des Vaters stand, so stehen auch die Gläubigen im Dienste Christi. Christi Dienst gibt dementsprechend die Struktur des Dienstes der Gläubigen vor.⁸⁴ Erstens besteht Christi Dienst in seinem Dienst als Mittler. Doch weil Christus hier als Stellvertreter des Menschen agiert, kann dieser Dienst nicht für die Gläubigen gelten.⁸⁵ Zweitens besteht Christi Dienst in der Vergegenwärtigung des

 Dieser Gedanke wird auch schon in II/2 formuliert, wenn Barth sagt: „Wie wäre sie Teilnahme an seinem Leben, Vollstreckung der von ihm dem Menschen gewährten Bundesgenossenschaft, wenn sie nicht aktive Teilnahme an seiner Liebe, seiner Tat, seinem Werke wäre, wenn der Mensch nur Objekt der Herrlichkeit Gottes bliebe und nicht auch ihr Subjekt würde?“ (II/2, 455).  „An Christi vollendend in seiner Passion vollzogener Aktion für die Welt und für den Christen kann dieser gerade nur passiv, im reinen Glauben an ihn, in der reinen Liebe zu ihm, in der reinen

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Geschehens dieser Stellvertretung, d. h. in seinem prophetischen Amt (munus propheticum). Hierbei wolle Christus nicht einsam bleiben, sondern die Menschen werden aus Gottes freiem Überfluss – nicht aus Notwendigkeit – daran beteiligt: So ruft Christus sie aus Gnade „zu sich, an seine Seite, in seine Nachfolge, in seinen Dienst“ (IV/3, 696). Dieser Ruf in die Gemeinschaft mit Christus und insofern der Ruf, an Jesus Christus zu glauben, ist zugleich der Ruf in den Zeugnisdienst. Im prophetischen Amt Christi werden die Gläubigen selbst zum „prophetischen Dienst“ (IV/4 219) berufen und nehmen somit in ihrer unio cum Christo an dieser zweiten Art des Dienstes Christi teil. Die Analogie zu Christi prophetischem Dienst muss vor dem Hintergrund der Vorstellung des christlichen Lebens als „Nachfolge“ Christi gelesen werden (IV/3, 617). Die Berufung zum Glauben versetzt auf eine solche Weise in die „Gemeinschaft mit Jesus Christus“ (IV/3, 614), dass der Gläubige Jesus Christus nachfolgt und ihm insofern analog handelt, als er in seinem Leben denselben Weg einschlägt wie einst Christus (vgl. IV/3, 615). Daher folgert Barth für den Gläubigen: „So gehört er nicht nur irgendwie zu Jesus, so lebt er sein eigenes Leben in einer nicht durch ihn selbst, sondern [in der] durch jenen geordneten Gemeinschaft mit seinem [Jesu] Leben.“ (IV/3, 616) Diese analoge Teilnahme am Dienst Christ besteht grundlegend darin, dass der Gläubige in seinem Reden und Tun Gott bezeugt und den Willen des Vaters für seine Mitmenschen zur Darstellung bringt.⁸⁶ Als Zeugendienst wird von Barth auch die zukünftige Existenz des Christen beschrieben, denn der Christ hoffe, durch das Sterben hindurch gerettet zu werden, um in einer „erneuerten, dem Bilde des Sohnes Gottes gleichgestaltet[en] Form Gottes Zeuge“ zu sein (IV/3, 1065). Der Zeugendienst hört demnach nicht mit dem Ende der Welt einfach auf, sondern auch die eschatologische Gestalt des Menschen in der vollkommenen Bundespartnerschaft wird von Barth als „Dienst“, konkret als „Dienst in ewiger Gerechtigkeit“, beschrieben (IV/3, 1065). Insofern ist der Christ wesentlich dienender Zeuge, so wie Christus Zeuge im Dienst des Vaters ist. Das Bekennen als drittes Moment der einen Glaubenstat bestimmt somit die Form der Gemeinschaft mit Christus, indem der Mensch als Zeuge Gottes in der unio mit Christus lebt.

Hoffnung auf ihn, ohne auch nur das Geringste und Beiläufigste dazu beizutragen, teilnehmen.“ (IV/3, 693).  Der zur Analogie gehörende Unterschied besteht darin, dass der Mensch dabei nur Zeuge ist. Allein Jesus Christus beruft wirkmächtig und kann somit auch bewirken, dass ein Mensch durch dieses Zeugnis zum Glauben kommt (vgl. II/2, 460 – 463).

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8.4.4 Das Glaubensbekenntnis in der Mitmenschlichkeit Wenn Barth das Bekennen damit erklärt, dass der Mensch der sein solle, der er ist (vgl. IV/1, 869), so heißt das, dass er als derjenige Mensch leben soll, der er in Christus de iure ist – also so, wie es ihm in der Glaubenserkenntnis offenbar geworden ist.⁸⁷ Dieses wirkliche Sein des Menschen de iure ist seine „Mitmenschlichkeit“ (IV/1, 870). Diese wird in § 63 nur benannt und nicht weiter ausgeführt.⁸⁸ Anhand von IV/2 kann jedoch ein Ausblick gegeben werden, wie Barth das Bekennen als gelebte Mitmenschlichkeit versteht. Die Mitmenschlichkeit folgt für Barth unmittelbar aus der Christuserkenntnis, denn erstens wird durch sie erkannt, dass der Mensch in Christus „nicht nur in der Gemeinschaft mit Gott, sondern eben damit auch in der mit den anderen Menschen“ ist (IV/2, 487). Zweitens erkennt sich der Gläubige durch sie selbst „als einen zur Existenz in solcher Menschlichkeit Erwählten, Geschaffenen, Bestimmten“ (IV/2, 487). In der Christuserkenntnis wird somit das Wesen des Menschen als relationale, auf die Liebe ausgerichtete Natur offenbar, welcher der Mensch in seinem Leben jeweils entweder entsprechen oder widersprechen kann, was Barth mit eros und agape beschreibt: Die agape ist eine sich an den anderen hingebende Liebe, der eros dagegen will über den anderen verfügen (vgl. IV/2, 843): „Es entscheidet sich aber in des Menschen Geschichte und Lebenstat auch in dieser Hinsicht (in unauflöslichem Zusammenhang mit seiner Entscheidung in der Beziehung zu Gott), ob und inwiefern er seinem Wesen, der Humanität in diesem besonderen Sinn und so sich selbst treu oder untreu ist, entspricht oder widerspricht. […] In der Agapeliebe kommt die dem Menschen wesentliche Mitmenschlichkeit zu Ehren.“ (IV/2, 845)

Wenn das Bekennen bedeutet, derjenige zu sein, der ein Mensch in Jesus Christus ist, dann heißt das konkret, ein Mensch zu sein, der seinen Mitmenschen mit agape begegnet. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass sich der Mensch „von sich selbst ab[‐]“ und einem „Anderen zu[wendet]“ (IV/2, 831 f.). In der agape ist ein Mensch nicht nur „notgedrungen“ eines anderen Mitmensch oder diesem gegenüber „neutral“, sondern er wird „gerne des Anderen Kamerad, Gefährte, Genosse“ (IV/2, 847). Somit führt der Glaube für Barth immanent zur Mitmenschlichkeit und nicht in eine Innerlichkeit.

 An diesem Gedankengang setzen auch die Untersuchungen zu Barths Ethik an. Siehe beispielsweise J. L. Mangina, Karl Barth on the Christian Life, 165 – 192. Siehe auch die Literatur im Forschungsüberblick zur Schnittmenge von Glaube und Ethik: Kap. 1.2, Anm. 112– 117.  Barth weist selbst in IV/1, § 63 auf die Knappheit seiner Ausführungen hin (vgl. IV/1, 869).

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Die Begründung dieser Mitmenschlichkeit liegt darin, dass sie die göttliche Liebe abbildet: „dieses göttliche Tun ist es, was der liebende Mensch, der Christ, in seinem Tun nachbilden darf.“ (IV/2, 894) So kommt es durch die existenzielle Erkenntnis der göttlichen Liebe dazu, dass das „menschliche Tun“ des Gläubigen „zum Spiegel, zum geschöpflichen Ebenbild des göttlichen“ verändert wird (IV/2, 883).⁸⁹ Damit nimmt Barth die Bestimmung der Ebenbildlichkeit des Menschen wieder auf (s. o. Kap. 4.4): Kommt es im Glauben zu dieser Liebe des Menschen, dann wird darin die imago Dei als Analogie der Liebe Gottes sichtbar. Im Bekennen des Glaubens wird somit die Ebenbildlichkeit des Menschen sichtbar realisiert, die dem Menschen in Christus immer schon gilt. Der Bezug der Mitmenschlichkeit zum Bekennen wird daran deutlich, dass Barth die Mitmenschlichkeit als einen kommunikativen Akt charakterisiert: Der Gläubige kann gerade „nicht ohne seinen Nächsten, nicht ohne Kommunikation mit ihm“ sein (IV/1, 870). Die Kommunikation der agape ist dabei selbst als Zeugnis anzusehen. Der Gläubige bekundet demnach in seinem liebenden Verhältnis zu seinen Mitmenschen, was „seine Zugehörigkeit zu ihm [Jesus Christus] in seinem Dransein zur Folge hat“ (IV/1, 870). Da die Botschaft, die an ihn ergangen ist, grundsätzlich alle Menschen inkludiert, muss der Christ nämlich so leben, dass er in seinen Taten anzeigt, dass seine Mitmenschen von Gott geliebt, gerechtfertigt und geheiligt sind. Diese Kundgabe der Liebe Gottes gegenüber den Mitmenschen beschreibt Barth in zwei Kommunikationskontexten des Glaubens: erstens im Verhältnis zur Gemeinde und zweitens im Verhältnis zur Welt. 1) Der erste Kontext, in dem der Gläubige seinen Glauben bekennt, ist die christliche Gemeinde. Weil der Glaube durch die Vermittlung der Gemeinde entstanden ist und der Gläubige die Gemeinde als Schule seines Glaubens braucht, richtet sich sein Bekenntnis auch wieder auf die Gemeinde, die er damit in ihrem Dienst unterstützt (vgl. IV/1, 870). Damit benennt Barth erstens die Gemeinde als Ort der eigenen Glaubensvermittlung, wodurch sie dem Gläubigen zum unmittelbaren Nächsten wird. Zweitens erwidert der Gläubige ihren Dienst an seiner Person dadurch, dass er ihr nun mit seinem Bekenntnis dienen will. Drittens reiht er sich mit seinem Bekenntnis in ihren Verkündigungsdienst in der Welt ein. Viertens entsteht dabei eine Art Rückkopplung, indem diese Gemeinschaft zugleich die Schule des eigenen Glaubens ist. Dieses reziproke Verhältnis zur Gemeinde wird durch Barths Ausführungen zur „Bruderliebe“ näher erläutert (IV/2, 927): Weil Gottes Liebe für die Menschen „nicht als allgemeine Wahrheit über Gott, sondern in Gottes je neuem Tun wirk-

 Zum Gott darstellenden Handeln des Gläubigen siehe auch oben Kap. 6.2.2.

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lich ist“, bedarf jeder einzelne Gläubige ihrer „je neuen Bekundung“ (IV/2, 922). Dieses je neue Glaubensereignis braucht neben dem göttlichen Wirken auch die ‚horizontale‘ Ebene der Mitmenschlichkeit, „wo der Mensch des Menschen Gegenüber ist“ (IV/2, 922). Somit spiegelt das ‚horizontale‘ zwischenmenschliche Verhältnis das vertikale Verhältnis der Menschen zu Gott und wird so für den Einzelnen greifbar: „Es bedarf schließlich die Liebe Gottes, und es bedürfen die ihr mit ihrer Liebe zu ihm entsprechenden Menschen der Gegenseitigkeit solcher menschlicher Bekundung, weil es sich auf der horizontalen Ebene, auf die wir jetzt blicken, um ein von Gott geliebtes und Gott wiederliebendes Volk handelt, unter dessen Angehörigen und Gliedern Keiner ist, […] der nicht darauf angewiesen wäre, daß ihm das auch durch menschliches Tun bekundet wird – und wiederum Keiner, der es dem Anderen nicht schuldig wäre, ihm das durch sein Tun seinerseits zu bekunden.“ (IV/2, 921 f.)

Der Gläubige braucht somit die Gemeinde und diese ihn, denn beide brauchen das Zeugnis zu ihrer gegenseitigen Erhaltung.⁹⁰ Der Einzelne wird somit gerade mit seinem eigenen Erleben und Bekunden ein Teil des Gemeindezeugnisses, durch das er zugleich selbst erbaut wird. Der „Grundakt alles Bekennens“ in der Gemeinde ist nach § 63.2 die Taufe (IV/1, 871). In der Taufe wird dabei die Erkenntnis von mortificatio und vivificatio greifbar (s.o. 8.3.3): „In der Taufhandlung wird, indem da gehorcht wird, miteinander eine bestimmte Absage und eine ebenso bestimmte Zusage ausgesprochen.“ (IV/4, 173)

Dabei stellt sich der Ab- und Zusagende unter Christi Tat, d. h. er erkennt sich selbst in der für ihn geschehenen Geschichte, sodass er „die Gültigkeit und Kraft sowohl der in ihm vollbrachten Rechtfertigung, d. h. Reinigung als auch der in ihm vollzogenen Heiligung, d. h. Erneuerung des sündigen Menschen“ erkennt (IV/4, 174). Die Taufe, die bei Barth das gehorsame Bekenntnis des Menschen zu der Tat Christi ist, bezieht sich als Absage und Zusage „auf die von Gott selbst in Jesus Christus vollzogene Absage und Zusage“ (IV/4, 174).⁹¹ So „bezeugen“ die Men Der Grund dieses erbauenden Zeugnisses liegt darin, dass Gottes Geist vermittelt durch die Gemeinde wirkt: „Ganz allein durch den Heiligen Geist werden sie frei zu solchem Tun. Aber eben durch den Heiligen Geist werden sie frei zu diesem Tun, jeder Einzelne zum Sein in einer tätigen Beziehung zum Anderen, in der er sich wie geliebt, so auch als einen solchen findet, der wieder lieben darf.“ (IV/2, 928).  Gottes Absage und Zusage beschreibt Barth dabei folgendermaßen: „Es ist Gottes Nein und Gottes Ja zum Menschen: Gottes in Jesus Christus geschehene siegreiche Kriegführung gegen ein altes, verkehrtes, dem ewigen Tod verfallenes – und Gottes Friedensschluß mit dem in Jesus

8.4 Bekennen – das neue Weltverhältnis

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schen in der Taufe, dass ihnen ihre neue Wirklichkeit in Christi Geschichte widerfahren ist (IV/4, 175), und „bekennen“ (IV/4, 177), dass sie in der Nachfolge Christi leben wollen. Der einzelne Gläubige ist dann nach Barth nicht nur „Mitbesitzer, Mitgenießer, Mitgetrösteter“, sondern auch „persönlich Mitverantwortlicher“ für die Mission (IV/4, 220). Als Bekenntnis ist die Taufe somit auch die Konsekration und Ordination zur Sendung (vgl. IV/4, 221). Damit hat auch die Taufe als Form des Bekennens im Kontext der Gemeinde eine doppelte Funktion: Einerseits schafft sie für den Täufling eine geschichtlich greifbare Situation seiner Entscheidung und ist ihm ein sichtbares Faktum, das ihm selbst die Analogie zu Christi Kreuz und Auferstehung bezeugt. Andererseits bezeugt der Täufling damit der Gemeinde und der Welt sein neues Sein in Jesus Christus und wird somit auf seine Sendung vorbereitet. Damit wird am Beispiel der Taufe noch deutlicher, was bereits bei der Bruderliebe anklang: Das Bekennen zielt auf das Bezeugen gegenüber den Anderen, wobei gerade durch diese Wendung nach außen auch der Gläubige selbst gestärkt wird. 2) Der zweite Adressatenkreis des Bekennens ist nach Barth die den Gläubigen außerhalb der Gemeinde „umgebende Menschenwelt“, die das „ihnen zugewendete[ ] Heil“ nicht kennt (IV/1, 871). Der Gläubige gehört dieser Welt an und weiß sowohl, dass diese Welt genauso wie er in Christus mit Gott versöhnt ist, als auch, dass die Menschen nicht von sich aus zum Glauben kommen können. Daher macht der Christ den Menschen ihren Unglauben nicht zum Vorwurf, sondern bezeugt ihnen Gott in seinen Taten (IV/1, 871).⁹² Dieses Zeugnis wird dabei von Barth nicht als besondere „Großtaten“ beschrieben, sondern der Gläubige gibt Zeugnis „nur schlicht damit, daß er ist, der er ist, sagt, was er als solcher zu sagen, tut, was er als solcher zu tun hat“ (IV/1, 872). Das Bekennen ist demnach weder ein bloßes Reden von Gott oder eine besondere, den Glauben erweisende ‚Großtat‘, sondern es besteht schlicht im freimütigen Leben als Christ und Gleichnis Christi.⁹³

Christus auf den Plan getretenen neuen, ihm dienenden, zum ewigen Leben bestimmten menschlichen Wesen, die in der Taufhandlung bestätigt werden.“ (IV/4, 174).  In IV/2 charakterisiert Barth den Zeugnisdienst gegenüber den Mitmenschen entsprechend so, dass der Mensch bei seinem Nächsten dafür einsteht, dass Gott sein Volk und somit auch sie liebt und sie entsprechend Gott lieben dürfen (vgl. IV/2, 929).  Eine erste Definition dessen, was unter dem Zeugnis zu verstehen ist, hat Barth schon in KD I/2 gegeben: „Das Zeugnis im christlichen Sinn des Begriffs ist der Gruß, mit dem ich […] meinen Nächsten zu grüßen habe[. …] Ein Zeuge wird seinem Nächsten gerade nicht zu nahe treten. Er wird ihn nicht ‚behandeln‘. Er wird sich ihn nicht zum Gegenstand seiner Tätigkeit machen[. …] Zeugnis gibt es nur im höchsten Respekt vor der Freiheit der göttlichen Gnade und darum auch im höchsten Respekt vor dem Anderen, der von mir gar nichts, sondern alles von Gott zu erwarten hat.“ (I/2, 487 f.). Vgl. hierzu W. Krötke, Gott und Mensch als ‚Partner‘, 118 f.

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8 Die menschliche Glaubenstat

Die mitmenschliche Liebe gegenüber der Welt wird dabei von Barth nicht zufällig auch als Bekennen beschrieben, denn die ultimative Liebe zu jemandem bestehe im Zeugnis der göttlichen Liebe.⁹⁴ Demnach nimmt die Liebe zum Anderen die Gestalt des Bekennens nicht nur gelegentlich an, sondern ist nichts anderes als Bekenntnis. In I/2 gibt Barth ein Beispiel für die Vollzugsgestalt dieses Bekenntnisses: Erstens sei dem Anderen das Wort Gottes zu gönnen, zweitens sei ihm der Inhalt dieses Wortes des göttlichen Beistands zu bezeugen, indem ihm praktisch beigestanden werde, und drittens müsse sich der Inhalt auch in unserer tätigen Existenz ihm gegenüber bewähren (vgl. I/2, 491.493.498). Das Bekenntnis der göttlichen Liebe hat insofern sowohl die Gestalt des Zuspruchs im Wort als auch die des karitativen Tuns. Für Barth ist beides ein Bekennen Gottes und für den Bekennenden durch die Gottesliebe motiviert. Dabei erhält auch das Bekennen gegenüber der ‚Welt‘ die doppelte Funktion für den Hörer des Bekenntnisses und den Bekennenden selbst: Der Gläubige gibt dort von Gott Zeugnis, wo sein Glaube mit dem Phänomen des Unglaubens oder Aberglaubens konfrontiert wird.⁹⁵ Damit ist das Zeugnis ein positiver Einspruch des Glaubens, den der Bekenner dem Anderen wie sich selbst zuspricht im Dienste Gottes (vgl. III/4, 86 – 90). Indem der Gläubige gegen den Unglauben Einspruch erhebt, wendet er sich zugleich auch gegen seinen eigenen Unglauben.⁹⁶

 Diese Identität wird auch daran deutlich, dass Barth die „Liebespflicht“ als „Zeugnispflicht“ beschreibt (IV/2, 487).  Diese Rückwirkung des Bekennens auf den Bekennenden wird ebenso in Barths Auseinandersetzung mit dem markinischen Doppelgebot der Liebe deutlich (I/2, § 18): Die Nächstenliebe ist kein gutes Werk neben der Gottesliebe, sondern vielmehr „das Zeichen der Gottesliebe“ in der Welt, sodass die Gottesliebe in der Nächstenliebe Gestalt gewinnt (I/2, 452 f.). Der Nächste ist dabei nicht einfach nur der Empfänger der Liebe, sondern wird in diesem Geschehen auch zum „Werkzeug dieser [göttlichen] Ordnung“ (I/2, 459). So kommt Barth letztlich zu dem Ergebnis, dass dem Liebenden in seiner Nächstenliebe auch eine „Wohltat“ widerfährt, denn er wird dem Anderen im Ereignis der Liebe zum ‚Nächsten‘ und nimmt damit selbst an der Ordnung Christi teil (I/ 2, 463). Er darf einen Abglanz der göttlichen Liebe geschichtlich in der Nähe zum Nächsten erfahren. Das Bekennen enthält somit eine doppelte Wirkung für den Gläubigen selbst und sein Umfeld.  Barth spart dabei nicht aus, dass mit Widerstand gegen dieses Bekenntnis zu rechnen ist: Die Welt, die ihr Heil noch nicht begriffen hat, empfindet das Zeugnis, dass ihre eigene Wirklichkeitsdeutung Irrtum sei, als Zumutung und versteht das ‚Nein‘ Gottes nicht (vgl. IV/3, 711 f.). Das Zeugnis wird somit als peinlicher Angriff eines Menschen gewertet und darum wird der Zeuge bedrängt (vgl. IV/3, 713). Doch gerade auch als bedrängter Zeuge hat der Christ Anteil an Christi Bedrängnis (vgl. IV/3, 735 f.).

8.5 Die differenzierte Einheit von Gottes-, Selbst- und Weltbezug

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8.5 Systematische Auswertung: Die differenzierte Einheit von Gottes-, Selbst- und Weltbezug Dieses Kapitel untersuchte den menschlichen Glauben anhand der Trias des Anerkennens, Erkennens und Bekennens in IV/1, § 63.2. In 8.1 wurde darauf hingewiesen, dass Barth innerhalb der KD auch andere Begriffe und Beschreibungen für den Glauben wählt. Die Aufgabe dieses Kapitels bestand daher erstens darin, die Barthsche Trias zu rekonstruieren, und zweitens aus ihr eine Struktur zu gewinnen, in die Barths übrige Beschreibungen des Glaubens eingeordnet werden können. Dazu wurde die Trias Barths hinsichtlich des Gottes-, Selbst‐ und Weltbezugs des Menschen differenziert. Es zeigte sich, dass diese Relationen interdependent sind, wie zum Beispiel an der Voraussetzung der Anerkennung in der Erkenntnis (8.2.2) oder bei der Rückwirkung des Bekennens auf das Erkennen (8.4.4) gezeigt werden konnte. Das Anerkennen bleibt dennoch die ‚erste‘ und ‚grundlegende‘ Tat innerhalb dieser Trias, die als das Gottesverhältnis die Verhältnisse des Gläubigen zu sich und seiner Welt prägt und ihnen sachlich vorgeordnet ist. Mit dem Abschluss dieser Analyse lässt sich auch ein Blick auf die größeren Strukturzusammenhänge in KD IV werfen; dabei lassen sich weitere Entsprechungen mit der Trias des Kennens entdecken: So entspricht die Anerkennung Gottes dem Rechtfertigungsgeschehen nach IV/1, das ebenso als ‚passive Tat‘ des Folgens und Gelten-Lassens beschrieben wird. Die Erkenntnis entspricht der Heiligung in IV/2, da die Erkenntnis Gottes den Menschen existenziell verändert und zur Selbstdeutung in Analogie Christi veranlasst, ebenso wie nach IV/2 Jesu Heiligkeit im Sein der Menschen Gestalt gewinnt. Schließlich entspricht das Bekennen des Glaubens der Sendung in IV/3, insofern der Gläubige als Bekennender sein Ziel darin hat, Gottes Liebe zur Welt abzubilden und sie seinen Mitmenschen zu kommunizieren. Der Glaube wird zwar auch bei Barth in hervorgehobener Weise im Kontext der Rechtfertigung thematisiert – was schon daran deutlich wird, dass der Glaubensparagraph in IV/1 situiert ist –, aber die eine Tat des Glaubens umfasst insbesondere im Erkennen und Bekennen auch die Aspekte der Heiligung und Sendung. In 8.2 wurde gezeigt, dass die Anerkennung die Beziehung des Menschen zu Gott erst konstituiert und insofern die ‚Grundtat‘ des Glaubens darstellt. Andererseits konstituiert die menschliche Anerkennung nicht das Gottesverhältnis in dem Sinn, dass sie die vorausgehende Anerkennung des Menschen durch Gott nicht voraussetzte und nicht allein in ihr gründete – durch diese Asymmetrie unterscheidet sich Barths Anerkennungsbegriff von dem Hegels. Für den Menschen bedeutet die Anerkennung de facto die Herstellung seines Gottesverhältnisses auf der Vollzugsebene, indem Gott existenziell als persönlicher Herr an-

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8 Die menschliche Glaubenstat

erkannt wird. Dabei wird Gott als Herr ebenso erkannt wie anerkannt und somit die Gotteserkenntnis unmittelbar mit der Anerkennung verknüpft. In der Anerkennung wird Gottes stellvertretende Tat der Rechtfertigung erkannt und ergriffen. Dieses Ergreifen konnte insofern von einem Werk unterschieden werden, als es nur ein ‚Gelten-Lassen‘ darstellt. Insofern ist der Mensch zwar tätiges Subjekt in der Rechtfertigung, aber ohne sie dabei zu bewirken oder das sola gratia außer Kraft zu setzen. Als Tat steht die Anerkennung somit gerade in einem Gegensatz zur sündigen Selbsttätigkeit und Eigenmächtigkeit des Menschen. Daher spielt die menschliche Sünde in der Konstitution des Glaubensakts keine zentrale Rolle, da ihre Macht schon längst in Christus gebrochen ist und der Glaubende dies nur anerkennt und erkennt.⁹⁷ Aus der Anerkennung folgt die existenzielle Erkenntnis Gottes als mein Herr und in eins damit die Erkenntnis meiner selbst als zu diesem Herrn gehörig (8.3). Der Glaube beinhaltet somit als Gotteserkenntnis auch eine von ihr geprägte Selbsterkenntnis. Diese wurde als Selbsterkenntnis in Analogie zu Jesu Christi Tod (mortificatio) und Auferstehung (vivificatio) entwickelt. Wie gezeigt wurde, bleibt in der Analogie die Differenz zwischen Christus als analogans und dem Menschen als analogatum bestehen: Der Gläubige erkennt in Christus zwar auch seine eigene Überwindung der Sünde und Herstellung zum neuen Leben, aber entspricht ihnen nur in durch die Sünde gebrochener, ‚nicht-eschatologischer‘ Weise. Die Erkenntnis bildet bei Barth die Scharnierstelle zwischen der Anerkennung Gottes und dem Bekennen in der Gemeinde und in der Welt: Nur weil sich der Gläubige in der Anerkennung selbst als von Gott geliebt, gerechtfertigt und geheiligt erkennt, kann er Gott dafür danken, indem er diese Liebe, Rechtfertigung und Heiligung auch den übrigen Menschen kundtut. Insofern lässt sich auch das Moment der Erkenntnis, bzw. die im Anerkennen fundierte und im Bekennen sich äußernde Selbstdeutung des Gläubigen, als das Zentrum des Glaubensaktes

 Damit entwickelt Barth einen für die gegenwärtige Praktische Theologie höchst anschlussfähigen Glaubensbegriff, der nicht essenziell auf einem Sündenbewusstsein aufbaut. Das hierbei zugrundeliegende Problem der Korrelation von Sünde und Glaube wurde paradigmatisch bei der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes 1965 in Helsinki formuliert: „Der Mensch von heute fragt nicht mehr: Wie kriege ich einen gnädigen Gott? Er fragt radikaler, elementarer, er fragt nach Gott schlechthin: Wo bist Du, Gott? Er leidet nicht mehr unter dem Zorn Gottes, sondern unter dem Eindruck von Gottes Abwesenheit; er leidet nicht mehr unter seiner Sünde, sondern unter der Sinnlosigkeit seines Daseins“ (Offizieller Bericht der Vierten Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes, hg. v. Lutherischer Weltbund, Berlin, Hamburg 1965, 466 f.). Diese Diagnose ist zwar umstritten, aber sehr einflussreich (vgl. C. Markschies, Mehr als Geschichte. Was feiern wir 2017? Anmerkungen zum neuen Grundlagentext der EKD, in: Zeitzeichen 15, H. 7 (2014), S. 17– 19, 18).

8.5 Die differenzierte Einheit von Gottes-, Selbst- und Weltbezug

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ansehen. Damit lässt sich Barth mit gegenwärtigen theologischen Ansätzen vergleichen, die den Glauben als Selbstdeutung des Menschen vermittels christlicher Symbole rekonstruieren (s.u. Kap. 9). Was Barths Ansatz jedoch abhebt, ist die sachlogische Nachordnung der Erkenntnis gegenüber der Anerkennung, durch welche nicht die Selbstbeziehung, sondern die Gottesbeziehung für dieses Deutungsgeschehen konstitutiv ist und nach Barth auch vom Erkennenden selbst als konstitutiv erachtet werden muss (s.o. Kap. 1.1). Die wirklichkeitsverändernde Kraft der Gotteserkenntnis wird bei Barth somit nicht geschwächt, sondern sie wirkt vielmehr bis in das Selbstverständnis des Menschen und seine Lebensgestaltung hinein. Schließlich wurde in 8.4 das Moment des Bekennens analysiert, welches die sichtbare Gestalt des Glaubens beschreibt. Es ist mit den anderen Momenten notwendig verbunden, insofern die Kenntnisnahme Gottes in Anerkennen und existenziellem Erkennen sich notwendig auf den Lebensvollzug des Gläubigen auswirkt und in ihm sichtbar wird. So kommt es notwendigerweise und unmittelbar auch zur Kenntnisgabe des Gläubigen. Damit wurde Barths Konzeption gegen eine solche abgegrenzt, welche das Bekenntnis als ein nachfolgendes Werk des Glaubens denkt. Vielmehr wurde anhand von Barths Bild des ‚durchscheinenden Lichts‘ deutlich, dass es zum direkten Widerschein der neuen Selbsterkenntnis im Leben des Gläubigen kommt. Dieser Widerschein bedeutet, dass der Gläubige – wenn auch in höchst gebrochenem Maße – mit seinem Lebensvollzug Gott in der Welt darstellt und daher unmittelbar sein Zeuge ist. Die Gottebenbildlichkeit des Menschen, die in Kap. 4.4 als analogia relationis bestimmt wurde, wird dabei als Mitmenschlichkeit sichtbar. Nach Barth äußert sich die Mitmenschlichkeit wesentlich in Form des Dienstes gegenüber der Gemeinde (Bruderliebe) sowie des Dienstes gegenüber der Welt (Nächstenliebe). Das Bekennen bildet dabei einen reziproken Prozess, in dem der Gläubige durch sein Zeugnis sowohl die Anderen bestärkt als auch von ihnen bestärkt wird. In diesem Zeugendienst realisiert der Gläubige seine unio cum Christo, da er an dessen prophetischem Amt teilhat. Die Gottesbeziehung des Glaubens gewinnt demnach gerade als Nachfolge Christi ihre Gestalt nicht unmittelbar in der direkten Hingabe des Gläubigen an Gott, sondern in der Beziehung zum Nächsten. Mit dieser Zuspitzung des Glaubens auf die Mitmenschlichkeit setzt Barth wie schon im Moment der Anerkennung einen deutlichen Akzent gegen eine egozentrische Auffassung des Glaubens und gegen eine subjektzentrierte Theologie. Für die Binnenperspektive des Gläubigen ist nach Barth somit nicht die persönliche Heilserfahrung, die egozentrische Gottesbeziehung, der eigene Seelenfrieden oder ein Gewissheitsgefühl konstitutiv, sondern vielmehr besteht das

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8 Die menschliche Glaubenstat

persönliche Gottesverhältnis eigentlich in einem neuen ‚ek-zentrischen‘ Selbstverständnis als Zeuge und Mitmensch.

Resümee

9 Glaube als Verstehen zwischen Exzentrizität und Deutung Die Arbeit hatte sich zur Aufgabe gemacht, Karl Barths Glaubensbegriff in der KD zu untersuchen und ihn mit Blick auf die menschliche Gestalt des Glaubens zu analysieren. Im Gang der Untersuchung wurde nicht nur gezeigt, dass die menschliche Gestalt des Glaubens innerhalb der KD überhaupt vorhanden ist, sondern auch, dass sie von Barth eine facettenreiche theologische Bestimmung erfährt. Doch alle diese Facetten prägt eine grundlegende Spannung, deren gesonderte Erörterung in diesem Kapitel Barths Glaubensbegriff im Ganzen konturieren soll: Einerseits wurde der Glaube als ein dem Wirken Gottes nachgeordnetes Geschehen bestimmt, das allein von der ihm vorgeordneten Tat Jesu Christi begründet und erhalten wird. Demnach ist der Glaube für Barth durchgängig ein theonomes Geschehen. Andererseits wurde der Glaube als menschliche Antwort auf die Tat Christi aufgefasst, die sich erstens nicht in ein Wirken Gottes bzw. des Geistes auflösen lässt und zweitens wesentlich von der Sünde gezeichnet ist. Eigentliches Subjekt des Glaubens ist und bleibt der Mensch in seiner irdischen Gestalt. Die Spannung des Barthschen Glaubensbegriffs besteht somit darin, dass weder ein theandrisches Verständnis des Glaubens im Sinne eines gottmenschlichen Verschmelzens noch Gott allein oder der Mensch in Abstraktion von Gott als eigentliches Subjekt des Glaubens in Frage kommen. Ingolf Dalferth hat auf diese Ambivalenz in Barths Glaubensbegriff in hilfreicher Weise hingewiesen und sie hinsichtlich dreier Perspektiven aufgeschlüsselt: „In der Binnenperspektive wird er [der Glaube; J. S.] dogmatisch als menschliche Entsprechung (Gehorsam) zu Gottes Sich-in-Beziehung-Setzen zum Menschen expliziert, in der Außenperspektive wird er als menschliche ‚Handlungsweise‘ (I/2, 326) und Religion beschrieben, und in der theologischen Metaperspektive auf diese Außenperspektive wird er so, wie er dort in den Blick kommt, als Veranstaltung menschlichen Unglaubens beurteilt, da keine religiöse oder nichtreligiöse Handlungsweise als solche Glaube oder Ausdruck des Glaubens ist, sondern immer nur, und zwar nicht von uns aus, dazu werden kann.“¹

Damit benennt Dalferth dasselbe Spannungsfeld, dass der Glaube einerseits auf das ihm vorgeordnete Werk Christi bezogen ist, aber dieser Bezug zu den sündigen, irdischen Vollzügen des menschlichen Lebens gehört, was Dalferth in

 I. U. Dalferth, Theologischer Realismus und realistische Theologie bei Karl Barth, 419, Herv. J. S. https://doi.org/10.1515/9783110574876-010

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9 Glaube als Verstehen zwischen Exzentrizität und Deutung

Anschluss an Barth unter ‚Religion‘ zusammenfasst. Dalferths Vorschlag zur Lösung dieser Spannung besteht darin, die widersprechenden Bestimmungen der ‚Göttlichkeit‘ und ‚Menschlichkeit‘ des Glaubens auf unterschiedliche Hinsichten zu verteilen, sie gälten dann nicht in einer und derselben Weise vom Glauben. Contra Dalferth soll jedoch gezeigt werden, dass die von ihm unterschiedenen Perspektiven bei Barth selbst doppelgesichtig sind: Auch die „Binnenperspektive“ des Gläubigen beinhaltet sowohl die Gewissheit der ‚Entsprechung‘ als auch deren Unverfügbarkeit; auch die „theologische Metaperspektive“ muss wiederum sowohl die Seite menschlichen ‚Unglaubens‘ konstatieren als auch die göttliche Konstitution des Glaubens. Glauben ist demnach nicht nur in der „Außenperspektive“ eine menschliche Handlung, sondern das Verständnis des Glaubens als Tat ist ein Grundcharakteristikum, das als solches sowohl in seiner jeweiligen Binnen- als auch der theologischen Metaperspektive anerkannt werden muss. In der Einleitung der vorliegenden Arbeit wurden mit den Begriffen „Exzentrizität“ und „Deutung“ zwei Pole markiert, durch die Barths Glaubensbegriff interpretiert werden sollte. Mit diesen beiden Begriffen kann die genannte Spannung im Barthschen Glaubensbegriff erfasst werden: Denn einerseits wird die Wirklichkeit des Menschen von Barth ‚exzentrisch‘ in Jesus Christus verortet, d. h. in einer Wirklichkeit, auf die der Mensch von sich aus keinen Zugriff hat. Andererseits ist der Glaube gerade die menschlich irdische Tat, die diese neue Wirklichkeit ‚deutend‘ erkennt und den geschichtlich irdischen Menschen zu einem geänderten Lebensvollzug des deiktischen ‚Auf-Gott-Hindeutens‘ bringt. Es ist in diesem Schlusskapitel zu zeigen, wie die menschliche Gestalt des Glaubens im Ganzen durch diese Pole von Exzentrizität und endlichem Deutungscharakter bestimmt wird. So beschreiben Exzentrizität und Deutung jeweils als ein Fokalpunkt sowohl den Erkenntnisinhalt als auch den Vollzugsmodus des menschlich tätigen Glaubens: Der Gläubige erkennt im Glauben seine Exzentrizität, doch diese mündet im menschlichen Vollzug in ein Deuten, das als solches fallibel ist. Der Gläubige versucht Christus zu entsprechen und ist von ihm her und auf ihn hin bestimmt, d. h. er lebt ‚exzentrisch‘ und versteht sich in Analogie zu Christus. Zugleich weiß der Gläubige aber darum, dass diese Entsprechung als seine Tat fehlbar und mit Sünde behaftet ist und als ein Vorletztes auf die eschatologische Verifikation und Vollendung wartet. Dem Gläubigen bleibt also nichts anderes übrig, als auf Gott zu hoffen und in bestmöglicher Entsprechung zu Christus zu leben. In diesen Rahmen sollen die Ergebnisse der Untersuchung aus den beiden Hauptteilen eingezeichnet werden. 9.1 bietet hierzu einen an der Gliederung der Arbeit orientierten systematischen Überblick. Im Anschluss werden die Ergebnisse im Hinblick auf die anthropologische Gestalt des Glaubens ausgewertet. Diese thematische Zuspitzung legt eine subjektivitätstheoretische Perspektive

9.1 Systematische Zusammenfassung der Ergebnisse

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nahe, die zunächst in der Explikation des Glaubens als existenzielles Verstehen eingenommen wird (9.2). In einem nächsten Schritt soll die ‚exzentrische‘ Verfasstheit dieses Verstehens erläutert werden, durch welche der Gläubige ‚außerhalb‘ seiner in Christus erst zu sich selbst findet (9.3). Wie zu zeigen ist, geschieht die Bezugnahme des Gläubigen auf Jesus Christus als sein ‚exzentrisches‘ Zentrum in der Fom religiöser Deutung, die sich auf Gott als ihre Konstitutionsbedingung bezieht und ebenso konstitutiv eine menschliche, selbstverantwortete Tätigkeit ist (9.4). Sichtbar wird diese exzentrische Deutung bzw. gedeutete Exzentrizität des Glaubens im Leben des Gläubigen, welches in Analogie zu Christus vollzogen und darin zur zeugnishaften Darstellung Christi in der Welt wird (9.5). Damit wird die im Titel dieser Arbeit vorgenommene Situierung des menschlichen Glaubens „zwischen“ Exzentrizität und Deutung eingeholt: Die menschliche Gestalt des Glaubens besteht in einem existenziellen Deutungsvollzug, der durch die von Jesus Christus exzentrisch gewirkte Gewissheit hofft, ‚mehr‘ als eine bloße Deutung zu sein, und sich notwendig aus diesem ‚mehr‘ versteht und auf dieses über die Welt hinausweisende Telos der Versöhnung aller in Christus hin lebt.

9.1 Systematische Zusammenfassung der Ergebnisse Angesichts der eingangs angeführte Kritik, dass der Glaube in Barths Dogmatik nur eine untergeordnete Stellung einnimmt (Kap. 1), kann nun gezeigt werden, dass dieser Anschein trügt. Der Grund, warum dieser Anschein entsteht, liegt freilich in Barths systematischer Bestimmung, was Glaube ist. Erstens ist der Glaube als Antwort auf Gottes Werk nur eine Folge der Tat Gottes und nur von der göttlichen Offenbarung her verstehbar, sodass er in Barths dogmatischen Ausführungen eine sachlogisch nachgeordnete Stellung einnehmen muss. Zweitens zieht Barth den Glauben in seinen Prolegomena nicht als besondere Erkenntnisweise Gottes heran, weil sich der Glaube als menschliche Tat nicht von anderen menschlichen Taten unterscheidet. Der Unterschied der Glaubenstat zu anderen Taten liegt vielmehr in Gott als ihrem Bezugspunkt, woraus erneut deutlich wird, warum Barth mit der Charakterisierung Gottes als dem Glaubensgegenstand beginnt und den Glauben erst in der Folge behandelt. In der materialen Ausführung des Glaubens zeigte sich durchgängig Barths Aufnahme und Rekonfiguration reformierter Theologie. Seine Interpretation des Glaubens als cognitio in der dreifachen Kenntnis, seine konsequente Unterscheidung zwischen menschlichem und göttlichem Tun sowie seine unmittelbare Verbindung von Glaube und Tat, bzw. Rechtfertigung und Heiligung haben das Gepräge der reformierten Tradition. Natürlich geht Barths Theologie auch dezi-

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9 Glaube als Verstehen zwischen Exzentrizität und Deutung

diert eigene Pfade, vor allem durch seine weit über die reformierte Föderaltheologie hinausgehende Bundestheologie in der Erwählungslehre. Teil I der Arbeit „Die Begründung des Glaubens und das Wesen des Menschen“ untersuchte Barths Konzeption der göttlichen Begründung des Glaubens und ihres Bezugs zum menschlichen Wesen. Dazu wurde zuerst die Frage nach der prinzipiellen Möglichkeit des Menschen zu glauben gestellt. In Kap. 3 wurde anhand der Auseinandersetzung Barths mit Brunner gezeigt, dass dem Menschen keine Möglichkeit und auch kein Anknüpfungspunkt zum Glauben zu eigen sind. Die Möglichkeit des Glaubens wird nach Barth ausschließlich durch die Wirklichkeit Jesu Christi begründet. Somit konnte herausgestellt werden, dass für Barth die Konstitution des Glaubens allein Gottes Werk ist. So erklärte sich, warum Barth den Glauben als „Wunder“ beschreibt, der als ein radikaler Umbruch in das menschliche Leben einfällt und allein extra nos begründet ist. Diese Beschreibung des Glaubens als ‚Wunder‘ warf die Frage auf, inwiefern der Glaube dem Menschen wesensgemäß ist oder ihm vielmehr als etwas ‚Fremdes‘ wundersam zukommt. Wäre die Fremdheit des Glaubens das letzte Wort, so entstünden Probleme hinsichtlich der Kontinuität der menschlichen Existenz vor und nach der Glaubensweckung. Für diese Problematik zeigte Kap. 4 unter Rückgriff auf Barths Überlegungen zu Bund und Schöpfung und deren Ausdruck in Barths Bestimmung der imago Dei als analogia relationis, dass der Glaube dem Menschen zutiefst wesensgemäß ist, obwohl er dem Menschen in der Sünde zunächst fremd erscheint. Diese Wesensgemäßheit gründet darin, dass schon vor der Schöpfung jeder Mensch in Jesus Christus zum Bundespartner Gottes bestimmt wurde. Insofern ist jeder Mensch ‚ek-zentrisch‘ in Jesus Christus schon ein Bundespartner Gottes, weil Jesus Christus als Gottmensch den Bund zwischen Gott und Mensch wirkmächtig für alle Menschen de iure vollzogen hat. Im Glauben erkennt der Mensch in Jesus Christus die Verwirklichung auch seines eigenen Wesens, und diese Erkenntnis formt sein geschichtliches Sein so, dass seine Bundespartnerschaft mit Gott auch in seinem Leben de facto real wird. Abgeschlossen wurde der erste Hauptteil in Kap. 5 mit der Frage nach der Freiheit und Mitwirkung des Menschen in der Glaubenskonstitution; denn einerseits betont Barth, dass der Glaube eine freie Tat und Entscheidung des Menschen sei, andererseits hatte Kap. 3 gezeigt, dass die Möglichkeit des Glaubens gerade nicht dem Menschen als solchen verfügbar ist. In Kap. 5 konnte gezeigt werden, dass Barth den Glauben zwar als freie menschliche Entscheidung beschreibt, damit aber keine Wahlfreiheit meint, sondern diese Entscheidung kompatibilistisch denkt als dem Wirken Gottes entsprechendes und dadurch ermöglichtes, aber eigenständig vollzogenes Tun. Die durch Gott ermöglichte und ihm entsprechende menschliche Glaubenstat hat dabei an Gottes Freiheit Anteil und kann insofern auch zu Recht als „freie Tat“ bezeichnet werden. Dieser

9.1 Systematische Zusammenfassung der Ergebnisse

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menschliche Tatcharakter erklärte sowohl die Zuordnung des Glaubens zu den nicht-eschatologischen Vollzügen als auch die existenziale Beteiligung des Menschen. In Teil I wurde somit Barths Auffassung von der Konstitution des Glaubens deutlich: Der Glaube wird dem Menschen allein durch Jesus Christus ermöglicht, indem dieser als ‚wahrer Mensch‘ die Bundespartnerschaft aller Menschen mit Gott verwirklicht hat. Im Glauben kommt es – gewirkt durch die göttliche Berufung – zur anfänglichen Erkenntnis dieser Exzentrizität aller Menschen in Christus und der geschichtlichen Realisierung dieser von Christus de iure schon vollzogenen Bundespartnerschaft im eigenen Leben. Da die Menschen wesentlich mit ihrer Schöpfung teleologisch zu Bundespartnern Gottes bestimmt sind, muss gefolgert werden, dass der Glaube dem ‚eigentlichen‘ Wesen des Menschen entspricht und der Mensch somit erst im Glauben wahrhaft zu sich selbst kommt; dies beinhaltet auch, dass der Mensch erst im Glauben wahrhaftig frei wird.² Dieser Untersuchung der Möglichkeit, Konstitutionsbedingung und Wesensgemäßheit von Glauben in Teil I folgte die Frage nach der dadurch bedingten menschlich-geschichtlichen Gestalt des Glaubens in Teil II: „Der geschichtliche Vollzug des Glaubens“.³ Die in Christus de iure verwirklichte Bundespartnerschaft aller Menschen verlangt nach der Realisierung de facto im irdischen Leben eines Menschen. Diese geschichtliche Entsprechung zur göttlichen Wirklichkeit gründet, wie schon Teil I gezeigt hat, allein in der göttlichen Berufung durch Jesus Christus im Heiligen Geist. Das Hauptaugenmerk von Teil II richtete sich jedoch nicht auf die Frage, wie Gott den Menschen beruft, sondern das Interesse galt der menschlichen Tat und Gestalt des Glaubens in der göttlichen Berufung. Die analytische Trennung der Teile I und II in Glaubenskonstitution und Glaubensvollzug darf jedoch nicht dahingehend verstanden werden, dass die in Teil II besprochene menschliche Realisierung ein Zweites gegenüber ihrer Konstitution

 Mit dem ersten Hauptteil wurde dabei vornehmlich an folgende Forschungsdebatten angeknüpft: Die Barth-Brunner-Auseinandersetzung um den menschlichen Anknüpfungspunkt und das Verständnis des Glaubens als restitutio ad integrum wurden anhand von Barths christologischem Bundesverständnis interpretiert. Auch die Debatte um die Gottebenbildlichkeit und die analogia relationis konnten um neue Erkenntnisse ergänzt werden, insbesondere zu Barths Urstandsbegriff im Zusammenhang mit der restititio ad integrum. Grundsätzliche Klärungen wurden gewonnen durch die Einordnung Barths in den freiheitstheoretischen Kompatibilismus.  Der zweite Hauptteil nahm in Kap. 6 auf die Debatte zu den Vorwürfen der Geschichtslosigkeit und kognitiven Verengung des Barthschen Glaubensverständnisses Bezug. In Kap. 7 und 8 wurden mit der Thematik der Umkehr Christi, des doppelten Anfangens und der perspektivischen Deutung der Glaubenstrias neue Wege beschritten.

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9 Glaube als Verstehen zwischen Exzentrizität und Deutung

oder deren Folge darstellt, sondern die menschliche Tat vollzieht sich in der Glaubenskonstitution.⁴ Kap. 6 nahm seinen Ausgang bei der vielfach gegen Barth erhobenen Kritik, dass seine Annahme einer in Christus schon umfassend für alle Menschen verwirklichten Bundesbeziehung mit Gott die geschichtlich-menschliche Wirklichkeit des Glaubens nicht mehr theoretisch einbinden könne, da – so der Geschichtslosigkeitsvorwurf – in Christus schon alles geschehen sei und somit im Glauben nichts Neues mehr passiere. Hierzu wurde anhand der Auseinandersetzung Barths mit Thomasius herausarbeitet, dass dieser Vorwurf nicht haltbar ist. Erstens versteht Barth die subjektiv vollzogene Realisierung dessen, was in Christus schon wirklich ist, selbst als Teil der Versöhnungslehre, indem Barth die Berufung dem prophetischen Amt Christi zuordnet. Zweitens unterscheidet Barth zwischen dem kreatorischen Wirken Gottes und der dieses Wirken erkennenden Glaubenstat des Menschen. Glaube als menschliche cognitio dient nicht der Verwirklichung, sondern der Anerkenntnis der in Christus bereits verwirklichten neuen Wirklichkeit. Für das menschliche Leben bedeutet diese cognitio allerdings einen fundamentalen Wandel, denn sie verändert als existenzielle „Selbsterkenntnis“ den Lebensvollzug des Menschen im Ganzen, auf der kognitiven wie der affektiven Ebene. So konnte gezeigt werden, dass der Glaube auf das gesamte Leben umgreift und hier nicht von einer kognitivistischen Engführung des Glaubens zu sprechen ist. Weil sich in der neuen Erkenntnis die Gottesbeziehung für den Gläubigen radikal verändert, ist der Glaube auch als rechtfertigender Glaube zu bezeichnen. Kap. 7 knüpfte an diese grundlegende Bestimmung des Glaubens als lebensverändernder cognitio an und untersuchte die sich daraus ergebende faktische Gestalt des Glaubens und Realisierung der Wirklichkeit Christi in der Welt. Im Zentrum dieser Untersuchung stand Barths Verständnis des Gläubigen als homo iustus et peccator, in dem sich die Realisierung de facto der Geschichte Christi einerseits verbindet mit Barths ‚dialektisch-kritischem‘ Impuls gegen eine ‚reale‘ Analogie zu Jesus Christus andererseits. Zwei Hauptergebnisse wurden dabei gewonnen: Erstens wird der Gläubige von Barth durch die „Umkehr“ charakterisiert, die jedoch im eigentlichen Sinne die Umkehr Christi ist, sodass der Gläubige in ‚exzentrischem‘ Sinn umkehrt und nur ein Spiegelbild der Umkehr Christi ist. Zweitens ist dieses Spiegelbild nicht einfach statisch vorhanden, sondern der Gläubige spiegelt Christus nur im Modus eines prinzipiellen sowie

 Dies ist ebenfalls für das Verhältnis von Exzentrizität und Deutung wichtig, denn auch diese beiden beschreiben zwei Aspekte eines Geschehens.

9.1 Systematische Zusammenfassung der Ergebnisse

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täglich neuen ‚Anfangens‘. Als ‚anfängliches‘ Spiegeln der Umkehr Christi ist der Glaube noch unvollendet und je neu auf die Umkehr in Christus verwiesen. Dieses doppelte Anfangen umgreift die Hoffnung: Im Glauben kann ein Christ nur hoffen, dass sein Spiegeln Christi diesem zumindest teilweise entspricht. Diese sich durch Anfänglichkeit, Aktualismus und Hoffnung ausdrückende Entzogenheit der geglaubten Wirklichkeit des Gottesbundes motiviert in dieser Arbeit zu der Verwendung des Begriffs der ‚Deutung‘, um den erkennenden Glaubensvollzug bei Barth zu charakterisieren. Wenngleich Barth selbst nicht von ‚Deutung‘ spricht, sondern etwa von ‚Hoffnung‘ und ‚Anfangen‘, wird durch den Deutungsbegriff explizit, dass der Mensch nach Barth seinen eigenen Glauben nicht vor Sünde und Fehlbarkeit sichern kann und ihn selbst unter eschatologischen Vorbehalt stellen muss. Allerdings wird noch zu zeigen sein (s.u. 9.4), inwiefern dieser Deutungsbegriff sich von anderen Ansätzen unterscheidet, die den Glauben ebenfalls als Deutung beschreiben. In Kap. 8 wurde schließlich die vielfältige Vollzugsdimension des Glaubens als Tat in das in Kap. 6 und Kap. 7 entwickelte Raster von cognitio Dei und ‚anfänglicher‘ participatio Christi eingezeichnet. Die verschiedenen Beschreibungen der Glaubenstat innerhalb der KD wurden anhand der in § 63 von Barth eingeführten Trias Anerkennen, Erkennen, Bekennen in einen systematischen Zusammenhang gebracht und hinsichtlich ihrer Bedeutung für das Gottes-, Weltund Selbstverhältnis des Gläubigen differenziert. Dabei wurde nachgezeichnet, wie sich das durch das Moment der Anerkennung zugängliche Gottesverhältnis vermittelt durch die Momente des Erkennens und Bekennens im Selbst- und Weltverhältnis des Menschen niederschlägt. Aus der Erkenntnis Gottes folgt eine neue Selbsterkenntnis des Gläubigen, in der er sich als Bundespartner Gottes in Christus neu versteht. Dieses neue Selbstverständnis führt unmittelbar zu einem davon zeugenden Leben in Gestalt der Nächstenliebe. Somit wird die reale Gestalt des Glaubens schließlich in der zeugnishaften Existenz des Gläubigen manifest. Eine wesentliche Pointe dieses Glaubensverständnisses liegt darin, dass Barth die Gottesbeziehung des Glaubens unmittelbar mit dem Dienst der Mitmenschlichkeit verbindet, so wie er auch Ethik und Dogmatik unmittelbar verbindet. So ist der Glaube gerade in seinem Gegenstandsbezug nicht primär eine introspektive spirituelle Selbstvergewisserung des eigenen Heils oder eine innere Zwiesprache mit Gott, sondern das im geschichtlichen Leben des Gläubigen realisierte Selbst- und Weltverhältnis als Zeuge der Gnade Gottes. Allerdings nimmt der Glaube dabei keine kausale Rolle ein in dem Sinne, als ob der Mensch mit seinem Glauben erst das Reich Gottes verwirklichen würde. Vielmehr ist der Gottesbund nach Barth in Christus vollkommen verwirklicht, der Glaube spiegelt dieses schlicht in gebrochener Weise in der irdischen Realität wider.

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9 Glaube als Verstehen zwischen Exzentrizität und Deutung

So unterscheidet sich Barths Glaubensverständnis von einem präsentischeschatologischen Verständnis, wie es in Barths früheren Jahren bei den religiösen Sozialisten zu finden war. Zugleich unterscheidet sich Barth mit seiner Zuspitzung auf den Dienst des Gläubigen auch von einem theologischen Ansatz, der den Glauben primär in seiner privaten Bedeutung für den Gläubigen und dessen Heilsgewissheit charakterisiert (s.o. Kap. 6.3). Nicht der Einzelne und dessen Gewissheit sind für Barth zentral, sondern sein Dienst der Verkündigung des Gottesfriedens für alle Menschen: Dass sich beides nicht kategorisch ausschließt, erklärt sich aus der exzentrischen Gestalt des Glaubens. Die persönliche Heilsgewissheit des Glaubens ist ein notwendiges Mittel für den Zeugnisauftrag. Der Gläubige ist als exzentrisches Wesen auch erst im ‚Außer sich‘ der Nachfolge eigentlich bei sich selbst. Nach diesem Überblick über die Ergebnisse der einzelnen Kapitel der Arbeit soll in den nächsten Abschnitten eine sie umschließende Charakteristik des Glaubens entwickelt werden, die auf die bisher oft impliziten und nur durchscheinenden Grundmomente Verstehen, Exzentrizität und Deutung konzentriert ist.

9.2 Glauben als neues Verstehen 9.2.1 Die cognitio des Glaubens als neues Verstehen Glaube wurde von Barth in KD IV/1, § 63 als ‚tätige Kenntnis‘ bestimmt. Diese wurde als Trias von Anerkennen, Erkennen, Bekennen entfaltet (s.o. Kap. 8). Als kognitive menschliche Tat wurde der Glaube von dem ihn begründenden kreatorischen Werk Gottes unterschieden (s.o. Kap. 6). In Jesus Christus hat Gott schon jeden Menschen mit sich versöhnt und Jesus Christus eignet diese Versöhnung den Menschen zu. Der Glaube ist dementsprechend nicht ein zweites, auf Gottes Werk folgendes und dieses erst verwirklichendes Werk des Menschen, sondern erkennt schlicht dasjenige Werk an, das in Christus bereits für ihn gültig und geschehen ist. Glaube bedeutet daher bei Barth nicht eine ontologische Veränderung des Gott-Mensch-Verhältnisses, sondern vielmehr die menschliche Realisierung dieser bereits gültigen Wirklichkeit, indem der Mensch diese Wirklichkeit Gottes anerkennend erkennt. Barths Verständnis Gottes als eines ‚Gegen-Stands‘ ermöglicht, dass der Mensch in seinem aktiv-spontanen Verstehen zugleich einsehen kann, wie er auf Gott passiv-rezeptiv bezogen ist. Der Mensch muss seine Gottesbeziehung im Verstehen also nicht etwa konstruieren oder erst herstellen, er darf sich vielmehr als bereits in Christus anerkannt sehen. Barth spricht daher von einer „Umkehrung

9.2 Glauben als neues Verstehen

375

des geläufigen Begriffs vom ‚Verstehen‘“.⁵ Die grundlegende Struktur dieses Verstehens ist folgende: Aus unserer Perspektive erkennen wir die göttliche Perspektive auf uns an. Dadurch wird unsere vorherige, ungläubige Perspektive der Gottlosigkeit zur Abstraktion und Lüge gegenüber der neuen Erkenntnis der wahren, göttlichen Wirklichkeit. Wir erkennen an, dass wir Bundespartner Gottes sind und keine Möglichkeit zur Gottlosigkeit haben. Dieses Erkennen im Glauben muss dementsprechend als ein neues Verstehen in einem umfassenden Sinne begriffen werden, weil im Erkennen Gottes die existenzielle Neukonstitution des Menschen geschieht. Barths Bestimmung des Glaubens als neues Verstehen schließt an die reformierte Tradition an, insofern der Glaube primär über den Begriff der cognitio entfaltet wird. Im Kontext des zwanzigsten Jahrhunderts ist hier vor allem Bultmann zu nennen und in der Folge die hermeneutische Theologie. Glaube hat als tätiges Erkennen auch bei Barth eine wesentlich existenziell-hermeneutische Dimension, denn er verändert das gesamte menschliche Gottes-, Welt‐ und Selbstverhältnis.⁶ Das Spezifikum des Barthschen Ansatzes liegt nicht schon darin, den Glauben als cognitio und diese wiederum als existenzielles Verstehen zu charakterisieren. Die Besonderheit von Barths Konzeption liegt vielmehr in der Spannung zwischen Exzentrizität und Deutung, in der sich dieses Verstehen bei Barth vollzieht; dies gilt es in den folgenden drei Abschnitten 9.3 – 9.5 aufzuschlüsseln. Dieses Spezifikum lässt sich umso deutlicher herausstellen, wenn die Differenz Barths zu Bultmann klar konturiert wird, was im folgenden Abschnitt geschehen soll.

9.2.2 Das Verhältnis Barths zu Bultmann Wenn Barths Glaubensverständnis als ein hermeneutisches und insofern auch in Übereinstimmung mit dem Grundanliegen der hermeneutischen Theologie dargestellt wird, so dürfen wesentliche Differenzen nicht nivelliert werden.Wie schon Claus von Bormann festhielt, lehnte Barth „die Notwendigkeit der allgemeinen

 K. Barth, Rudolf Bultmann. Ein Versuch, ihn zu verstehen (1952), 60.  Damit lässt sich Barth in Übereinstimmung mit der hermeneutischen Theologie, wie Dalferth sie charakterisiert, bringen, denn sie sei „hermeneutisch, weil in ihr zu verstehen versucht wird, wie Glaubende sich, die Welt und andere (neu) verstehen, wenn sich ihnen Gott selbst verstehbar macht.“ (I. U. Dalferth, P. Bühler, A. Hunziker, Einleitung: Hermeneutische Theologie – eine Spurensuche, X).

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9 Glaube als Verstehen zwischen Exzentrizität und Deutung

Hermeneutik für die Theologie“ ab.⁷ So stimmten Barth und Bultmann zwar in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts als dialektische Theologen darin überein, dass sie die liberale Theologie ablehnen,⁸ aber spätestens ab den vierziger Jahren entwickelte Bultmann mit seinem Programm der Entmythologisierung eine Methode, die Barth nicht mehr vertreten konnte.⁹ Dieser Scheideweg wird prägnant an Barths Schrift „Rudolf Bultmann. Ein Versuch ihn zu verstehen“ (1952) deutlich, deren Titel den Verstehensbegriff bereits ironisch einbindet.¹⁰ Barths generelle Kritik an Bultmanns hermeneutischem Ansatz zielt primär auf dessen methodisches Prinzip des Verstehens, das am „Vorverständnis“ ansetzt.¹¹ Dieses Vorverständnis sei das je eigene „Existenzverständnis“, das den „Anknüpfungspunkt“ der Verkündigung bilde.¹² So rücke bei Bultmann die Frage nach der menschlicherseits gegebenen Möglichkeit, das Kerygma zu ver-

 C. von Bormann, Art. „Hermeneutik I. Philosophisch-theologisch“, in: TRE 15 (1986), S. 108 – 137, 127.  Auch Bultmann warf der sogenannten liberalen Theologie vor, dass sie vom Menschen statt von Gott rede (vgl. R. Bultmann, Die liberale Theologie und die jüngste theologische Bewegung (1924), in: R. Bultmann, Glauben und Verstehen, S. 1– 25, 2), ferner konstatiert Bultmann 1925, dass Gott weder als Gegenstand noch als Gegenüber des Menschen für diesen fassbar sei (vgl. R. Bultmann,Welchen Sinn hat es,von Gott zu reden?, in: R. Bultmann, Glauben und Verstehen, S. 26 – 37).  Bultmanns Schrift „Neues Testament und Mythologie“ (1941) wurde von Barth als eindeutiger Bruch mit dessen früherem Ansatz verstanden (vgl. u. a. K. Barth, Rudolf Bultmann. Ein Versuch, ihn zu verstehen (1952), 31– 35). Krötke schreibt dazu: „Seine Auseinandersetzung mit Rudolf Bultmanns Programm der ‚Entmythologisierung neutestamentlicher Texte‘ bestimmte bis in die sechziger Jahre hinein die theologischen Fronten in Kirche und Theologie.“ (W. Krötke, Karl Barth als theologischer Gesprächspartner, 9 f.).  Joest weist zu Recht darauf hin, dass sich an der Klärung der folgenden Frage entscheide, ob Barth Bultmann zu Recht kritisiere: Bedeutet die existenziale Interpretation, dass der Gehalt der Glaubensaussage als Vollzug des Existenzverständnisses ausgelegt wird, oder als Bedingung für den Vollzug des Existenzverständnisses (vgl. W. Joest, Barth, Bultmann und die ‚existenziale Interpretation‘, in: Theologie zwischen gestern und morgen, hg. v. W. Dantine, K. Lüthi, München 1968, S. 69 – 87, 81). Weil Gott bei Bultmann als den Glauben begründende Wirklichkeit nicht in diesem aufgehe, sei der Glaube zwar als Existenzvollzug zu interpretieren, doch Gott als Grund des Glaubens verleihe die Möglichkeit für diesen Vollzug (vgl. ebd., 84 f.). Damit sei Bultmanns Ansatz gerade keine „religiöse Selbstverständigung des Menschen“ (ebd., 85) und „es wäre hier wirklich der Punkt einer fundamentalen Übereinstimmung mit dem Barthschen Ansatz gegeben“, von dem aus man die beiden Theologen zusammen weiterdenken könne (ebd., 86).  R. Bultmann, Das Problem der Hermeneutik (1950), in: R. Bultmann, Glauben und Verstehen, S. 211– 235, 231.  R. Bultmann, Anknüpfung und Widerspruch (1946), 121. Vgl. Barths Kritik daran: K. Barth, Rudolf Bultmann. Ein Versuch, ihn zu verstehen (1952), 42– 45.

9.2 Glauben als neues Verstehen

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stehen, ins Zentrum.¹³ Dadurch werde aber gerade die Reihenfolge von neutestamentlicher Botschaft und Selbstverstehen, die Barths zentrales Anliegen war, umgekehrt,¹⁴ denn das Vorverständnis katalysiere die Botschaft und somit deren Verständnis,¹⁵ wodurch das Selbstverständnis das Gottesverständnis erschließen würde.¹⁶ Dass Barth einen Anknüpfungspunkt am menschlichen Vorverständnis ablehnt, wurde ausführlich in Kap. 3 dieser Arbeit gezeigt. Barths zentraler Einwand gegen Bultmann ist, dass „die Begründung des menschlichen Erkennens in des Menschen Erkanntwerden und Erkanntsein vom Gegenstand seines Erkennens her“ liegt.¹⁷ Diese Begründungsordnung liegt dementsprechend dem Barthschen Verstehensbegriff zugrunde. Aus dieser Ordnung folgt zugleich, wie Barth je neu auf das Neue Testament Bezug zu nehmen gedenkt, denn er wirft Bultmanns Übersetzungsversuchen der Botschaft des Neuen Testaments vor, dass der Eindruck entsteht, „als ob auch er [Bultmann] schon wisse, was im Neuen Testament steht“, wogegen Barth festhält, dass „wir hinsichtlich der Botschaft selbst und als solcher faktisch alles Andere [!] als beati possidentes sind.“¹⁸ So kann zwar für Barth auch vom Glauben als einem neuen Verstehen und insbesondere einem neuen Selbstverständnis gesprochen werden, allerdings hat sich dieses jeweils neu am Wort Gottes auszurichten und zu bewähren. Ferner dürfe, so kann ergänzt werden, das Verstehen des Glaubens nicht auf ein reines Selbstverstehen beschränkt werden, da der Glaube exzentrisch verfasst ist.¹⁹ Ein zweiter wesentlicher Unterschied zwischen Barths und Bultmanns Glaubensverständnis liegt in ihrer Konzeption des christlichen Seins. Obwohl

 Vgl. K. Barth, Rudolf Bultmann. Ein Versuch, ihn zu verstehen (1952), 16 f. 36 f. Siehe hierzu auch die Analyse bei C. Landmesser, Christus und Adam oder Adam und Christus, 164– 167.  Vgl. K. Barth, Rudolf Bultmann. Ein Versuch, ihn zu verstehen (1952), 19 f. 22. 27. 60.  Vgl. ebd., 44 f. 56 f.  Vgl. R. Bultmann, Welchen Sinn hat es, von Gott zu reden?, 28. Gleichwohl müsste auch für Bultmann gelten, dass aus dem Gottesverständnis wiederum ein neues Selbstverständnis folgt (vgl. I. U. Dalferth, Hermeneutische Theologie – heute?, 25. 27).  K. Barth, Rudolf Bultmann. Ein Versuch, ihn zu verstehen (1952), 60. Dalferth formuliert dies so: Barth „geht es darum, wie Gott uns und sich versteht. Das heißt, vom göttlichen Selbstverstehen her ist das Verstehen Gottes und das dadurch bestimmte menschliche Selbst- und Weltverstehen zu entfalten“ (I. U. Dalferth, Hermeneutische Theologie – heute?, 27).  K. Barth, Rudolf Bultmann. Ein Versuch, ihn zu verstehen (1952), 14.  Die existentiale Interpretation richtet sich auf das gläubige Subjekt und nicht auf die Weltoder Heilsgeschichte (vgl. R. Bultmann, Geschichte und Eschatologie im Neuen Testament, in: R. Bultmann, Glauben und Verstehen, S. 91– 106, 102; B. Schliesser, Was ist Glaube?, 19). Entsprechend grenzt sich Barth auch gegen den theologischen Existenzialismus ab, womit er, wenngleich nicht explizit benannt, wohl Bultmann vor Augen hat (vgl. IV/1, 828).

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9 Glaube als Verstehen zwischen Exzentrizität und Deutung

beide vom Glauben als Tat und Entscheidung sprechen²⁰ und darin vergleichbar scheinen, dass sie in Jesus Christus eine Zäsur in der Geschichte sehen, durch welche die Sünde zur Vergangenheit und die neue Kreatur im Bund mit Gott zur Zukunft wird,²¹ charakterisiert Bultmann den Glauben als ein „eschatologisches“ Geschehen.²² Der Glaube sei eschatologisch, weil er die alte Person des Sünders verneint und zur neuen, ‚eschatologischen‘ Person gehöre.²³ Dabei sei ferner „die Geschichte […] von der Eschatologie verschlungen“, sodass jeweils in Verkündigung und Glaube ein eschatologisches Ereignis stattfinde.²⁴ Bei Bultmann kennzeichnet die „Eschatologie […] die gläubige Existenz“, worunter er die „Bestimmtheit der Existenz von ihrer Zukunft her“ versteht.²⁵ Nach Barths Analyse geschieht bei Bultmann der Übergang vom alten zum neuen Menschen „im Kerygma und durch das Kerygma“, statt extra nos in Christus am Kreuz.²⁶ Daher verkündige das Kerygma nicht nur den Übergang Christi und dessen Nachvollzug,²⁷ sondern hat diesen „in sich selbst“.²⁸ Barth versteht den Gläubigen zwar ebenso als von Christi Umkehr und somit von der göttlichen Zukunft her bestimmt (s.o. Kap. 7.1), unterscheidet aber radikaler zwischen eschatologischen und ‚irdischen‘ Dingen, wobei er den Glauben den vorletzten Dingen zuordnet (s.o. Kap. 5.4.1). Dadurch trennt Barth den Glauben in seiner anfänglichen Gestalt stärker als Bultmann von der Vollendung in Christus ab und löst die Vollendung nicht in eine präsentische Eschatologie auf. Der Glaube bleibt somit, trotz seiner Begründung in der göttlichen Berufung und seines Bezuges auf die eschatologische Gestalt des neuen Menschseins, eine sündige Tat des Menschen, in der es nicht zur realen Vergegenwärtigung Christi kommt, sondern nur zur Entsprechung in der Analogie (s.o. Kap. 8.3.3).  Die Unterschiede im Verständnis dieser Begriffe wurden bereits besprochen: s.o. Kap. 5.3.3. bes. Anm. 69.  So Bultmann zum Beispiel in R. Bultmann, Theologische Enzyklopädie, 135 f.  Bultmann bezeichnet „die konkrete Realisierung der Glaubensmöglichkeit des Einzelnen […] selbst [als, J. S.] eschatologisches Geschehen“ (R. Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, 330).  R. Bultmann, Art. „pisteuo“, in: ThWNT 6 (1959), S. 174– 182. 197– 230, 222. Allerdings ist dies auch bei Bultmann nicht als eschatologische Vollendung misszuverstehen, denn der Gläubige hofft und hat die Rettung nicht als Besitz (vgl. ebd., 217; R. Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, 321).  R. Bultmann, Geschichte und Eschatologie, Tübingen 1979, 180 f. Vgl. dazu K. W. Müller, Rudolf Bultmann und die Heilsgeschichte, 705 – 710.  Ebd., 709.  K. Barth, Rudolf Bultmann. Ein Versuch, ihn zu verstehen (1952), 23. vgl. 27.  Vgl. ebd., 28 f.  Ebd., 23. Dadurch gehe es dann nach Barth bei Bultmann im Kerygma aber doch wieder um eine Tat des Menschen, statt um die Tat Gottes (vgl. ebd., 25).

9.3 Die Exzentrizität des Glaubens

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9.3 Die Exzentrizität des Glaubens 9.3.1 Die Einsicht in die eigene Exzentrizität Zentrales Merkmal des Barthschen Glaubensbegriffs ist seine durch den Erkenntnisgegenstand geprägte Gestalt des Verstehens: In der anerkennenden Erkenntnis Jesu Christi erkennt der Gläubige auch sich selbst als in Christus lebend, d. h. als ‚exzentrisch‘ (s.o. Kap. 4.2 und Kap. 8.3). Barth charakterisiert den Gläubigen durch den „Begriff des ‚Ekzentrischen‘“, da er außerhalb seiner selbst sein Zentrum findet, nämlich in Jesus Christus (IV/1, 830). Die Exzentrizität spezifiziert damit das Verstehen als ein solches, das von außen her ermöglicht und geformt ist und sich seinerseits im Verstehensprozess beständig nach außen richtet. Barth selbst bespricht in der KD den Gedanken der Exzentrizität nur vereinzelt explizit, die Analyse dieser Arbeit zeigt jedoch, dass die Exzentrizität ein elementares Strukturmoment des Glaubens ist und wesentlich zur Stellvertretung und Analogie Christi gehört. Indem Jesus Christus von Barth nicht nur als ‚für uns Gestorbener‘, sondern auch als ‚für uns Lebender‘ bestimmt wird, der das wahre Menschsein als Bundespartner Gottes verwirklicht hat, radikalisiert Barth den Stellvertretungsgedanken dahingehend, dass Jesus Christus für uns glaubt, für uns den Bund mit Gott hält und für uns die Umkehr vom alten zum neuen Sein vollzieht (s.o. Kap. 7.1). Da es letztlich Jesus Christus ist, der stellvertretend für den Menschen glaubt, liegt das Zentrum des Glaubens in Jesus Christus und nicht im Menschen. Im Kontext der Berufung als vocatio efficax spricht Barth davon, dass Jesus Christus „dem Menschen wohl fremd und erhaben entgegentritt“, dann aber auch „in ihn selbst hineingeht“ und „Prinzip seines spontanen Daseins“ wird (IV/ 3, 618).²⁹ Wenngleich dabei auf die Formel ‚Christus in mir‘ statt ‚ich in Christus‘ angespielt wird, so bleibt doch der Vergleichspunkt der gleiche: Nicht der Mensch ist Herr seiner selbst, sondern das Zentrum des Menschen bildet Jesus Christus. Im Hinblick auf die Erkenntnis des Glaubens bedeutet dies, dass sie zwar auch eine „Selbsterkenntnis“ ist, aber als „Erkenntnis unserer selbst in Christus“ (IV/2, 313). Das heißt aber, dass der Gläubige sein neues Sein „nicht hier, nicht in uns, sondern außer uns, dort, in diesem Anderen, der mit mir nicht identisch ist und mit dem ich nicht identisch bin noch werde, in dessen Menschlichkeit mir ja auch Gott selbst ein Anderer, ein konkretes Gegenüber wird, ist und bleibt“, er Hierzu hat Jüngel treffend analysiert, dass das Wirken des Geistes in nobis bei Barth als ein „ponere nos extra nos“ zu verstehen ist, denn der Mensch werde durch das, was extra nos für ihn geschah, in seiner Existenz neu bestimmt und „von innen herausgesetzt“ (E. Jüngel, Karl Barths Lehre von der Taufe. Ein Hinweis auf ihre Probleme, 271 f.).

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9 Glaube als Verstehen zwischen Exzentrizität und Deutung

kennt (IV/2, 313).³⁰ Im Modus der Anerkennung (s.o. Kap. 8.2) lässt der Gläubige die Gottesbeziehung Christi schlicht für sich gelten. ³¹ Die menschliche Tat in dieser Exzentrizität ist die Tat der schlechthinnigen Anerkennung Christi als Herrn: Statt seinen eigenen Willen umzusetzen, nimmt der Mensch in seinem Tun an dem Willen Christi teil.³² Diese Grundfigur erläutert Johnson in Bezug auf KD IV wie folgt: „Christians live ‚outside themselves‘ because in the humanity of Jesus they have been elevated into fellowship with God“.³³ In der Entsprechung zu Christus lebt der Mensch entsprechend seiner geschöpflichen Bestimmung, denn wie in Kap. 4 gezeigt, liegt sein wirkliches Personenzentrum nicht in seiner autonomen Selbstverwirklichung, sondern in der Übereinstimmung mit Jesus Christus. Dabei erkennt der Gläubige zugleich, dass er selbst kein eigenes Vermögen zu dieser Erkenntnis hat, sondern bereits die

 Doris Hiller zeigt mit Rekurs auf Ricœurs Hermeneutik und Ebelings Glaubensverständnis, wie der Mensch im Glauben in „die Vorfindlichkeit der Gottesgeschichte“ eintritt (D. Hiller, Das Ich des Glaubens. Theologische Überlegungen zur Kategorie der Subjektivität im Anschluß an Paul Ricœur, in: Krisen der Subjektivität, hg. v. I. U. Dalferth, P. Stoellger, Tübingen 2005, S. 241– 259, 256 f.), was Hiller anhand der narrativen Identität des Glaubens-Ichs entwickelt, wobei gerade im Zusammenspiel von Gotteserkenntnis und Selbsterkenntnis ein neues Ich konstituiert werde. Hiller beschreibt, wie das Ich im Glauben als extern angesprochenes und sich aussprechendes eine Verschränkung seiner inneren mit seiner äußeren Wahrnehmung vollziehe (ebd., 242 f.).  Hierbei entsteht weiterhin die Frage nach der Einheit des Bewusstseins: Wenn der Verstehende sich als ek-zentrisch erkennt, erkennt er sich dann als etwas anderes, als was er als der Erkennende ist? Das Besondere bei Barth ist, dass diese Erkenntnis dem Menschen zwar neu ist, deren Inhalt ist aber kein ihm fremder. Der Verstehende erkennt also nicht eine zusätzliche Relation der Exzentrizität, sondern er erkennt, was ihm wirklich gilt. Seine ‚alte‘ Subjektivität wird als eine Abstraktion seines eigentlichen Seins in der Ebenbildlichkeit Gottes erkannt.  Der Gedanke der Exzentrizität ist in einigen gegenwärtigen theologischen Überlegungen zum Menschen und zum Glauben zentral. Jüngst hat David Kelsey den Gedanken der exzentrischen Existenz seinem theologischen opus magnum zugrunde gelegt, indem er in Bezug auf Schöpfung, eschatologische Vollendung und Versöhnung durchspielt, wie der Mensch in der fundamentalen Beziehung zu Gott zu verstehen ist. Das menschliche Leben wird dabei umfassend als Antwort auf den trinitarischen Gott aufgefasst und exzentrisch bestimmt. Vgl. D. H. Kelsey, Eccentric Existence. A Theological Anthropology, Louisville 2009.  W. S. Johnson, The Mystery of God. Karl Barth and the Postmodern Foundations of Theology, Louisville 1997, 177. Dies beschreibt Johnson in seinem Kapitel „Ec-centric Existence and the Centrality of Hope“ in Bezugnahme auf IV/1, 830, IV/2, 893 f. und IV/3, 629 f. (ebd., 176). Darin sieht Johnson die Figur aus III/2, 214 ff. aufgenommen, dass der Mensch aktiv an der göttlichen Bewegung beteiligt wird. Dies wird von Johnson auf das ethische Tun in der Welt hin gedeutet, gleichwohl gründet dies in der Teilnahme an der Hinwendung Christi zur Welt. Konkretisiert werde die Exzentrizität im Leben in der Trias von Glaube, Liebe und Hoffnung (vgl. ebd., 177– 183).

9.3 Die Exzentrizität des Glaubens

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Möglichkeit dieses Erkennens in Christus liegt und ihm somit ‚von außen‘ zukommt. Glaube als Anerkennung der eigenen Exzentrizität bedeutet aber aufgrund der Bestimmung des Glaubens als menschliche Tätigkeit nicht, dass vom Menschen überhaupt nicht gesagt werden kann, dass er es ist, der glaubt.Vielmehr ist sein Glaube ein exzentrischer.

9.3.2 Barth und die Kritik der ‚ausgelöschten Individualität‘ Es wäre jedoch ein Missverständnis, wenn man die exzentrische Gestalt des Glaubens dahingehend verkürzt, dass Christus als Zentrum den Menschen aus der Glaubensbeziehung zu Gott herausdrängt. Doch in diesem Duktus kritisiert Härle an Barth, dass eine theologische Anthropologie der Realität des Menschen nicht gerecht werde, wenn sie dessen „unhintergehbare Individualität“ ausklammere.³⁴ Wagner kritisiert in derselben Stoßrichtung an Barth den christologischen Entsprechungsgedanken als „Gleichschaltung“, da es nur um die Selbstdarstellung Gottes im Menschen gehe (s.o. Kap. 5.1.3).³⁵ Der Mensch werde dabei letztlich in der Gottesbeziehung ausgeschaltet, sodass „die auf dem Boden dieser Konstruktion entworfene Versöhnung von Gott und Mensch […] eine Versöhnung ohne den Menschen“ sei.³⁶ Sparn formuliert gegen Barth den spiegelbildlichen Einwand, dass die menschliche Subjektivität in ihrer ausschließlichen Ausrichtung auf Christus aufgelöst werde.³⁷ Diese Kritik weiterführend konstatiert Pöhlmann contra Barth, dass die Substanz des Menschen nicht zu einer Akzidenz Christi aufgelöst werden dürfe.³⁸ Diese exemplarisch genannten Einwände gegenüber Barth treffen insofern zu, als die Subjektivität des Menschen von Barth tatsächlich beschränkt wird, insoweit sie nicht mehr als autonom vorgestellt werden kann. ‚Exzentrisch‘ gedacht ist dies jedoch kein Verlust für den Menschen, sondern bedeutet vielmehr

 W. Härle, Art. „Mensch“, in: RGG4 5 (2002), Sp. 1066 – 1072, 1067.  F. Wagner, Theologische Gleichschaltung, 37.  Ebd., 38. Wagner generalisiert seine Kritik folgendermaßen: „das Defizit der Barthschen Theologie [besteht] in ihrem Zwang zur Gleichschaltung […]. Indem Barth die unbedingte Selbstbestimmung Gottes unter Abstraktion des anderen konstruiert, fällt diese nicht nur auf den Stand des Positionellen zurück, sondern sie wird auch […] partikular.“ (ebd., 42) Wagners eigener Gegenentwurf versucht dagegen eine Theorie des Absoluten mit dem Begriff der Entwicklung so zu verbinden, dass es zur Selbstexplikation im Anderen kommt (vgl. ebd.).  Vgl. W. Sparn, „Extra Internum“, 74 f.  Vgl. H. G. Pöhlmann, Analogia entis oder Analogia fidei?, 146.

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9 Glaube als Verstehen zwischen Exzentrizität und Deutung

den Gewinn, dass der Mensch seiner geschöpflichen Bestimmung entsprechend existieren darf. Die völlig selbstbestimmte, autonome Existenz wertet Barth hingegen als Lüge gegenüber der geschöpflichen Wirklichkeit, in der jedes Geschöpf immer schon im Bund mit seinem Schöpfer stand. Somit muss mit Barth gegen seine Kritiker eingewandt werden, dass gerade die exzentrische Subjektivität des Gläubigen die eigentliche, von Gott ermöglichte Form menschlicher Existenz darstellt. Der Mensch versteht sich als Jesus Christus entsprechend und ist gerade darin eigentlich frei und er selbst, weil er in der vollkommenen Christusentsprechung seine geschöpfliche Bestimmung erfüllt. Diese grundsätzliche Übereinstimmung von Exzentrizität und dem geschöpflichen Wesen des Menschen wird exemplarisch daran anschaulich, wie Barth in III/2 den menschlichen Vollzug des Dankes beschreibt: Weil der Mensch für die Beziehung mit seinem Schöpfer geschaffen ist und sich im Dank diese Beziehung mit Gott geschichtlich verwirklicht, schließt Barth, dass für den Menschen „nur dieses Tun sein wesentliches, sein eigentliches Tun [ist], das sein Sein ausmacht.“ (III/2, 204) Somit wird der Mensch im Danken erst wirklich Mensch. Alle anderen Existenzformen des Widerspruchs gegen seine geschöpfliche Bestimmung würden hingegen bedeuten, „nicht Mensch und also gar nichts zu sein“ (III/2, 204). Das Kriterium für diese Bestimmung von Menschsein ist dann, dass alles, was in Analogie zum Menschsein Jesu Christi geschieht, menschlich ist. Alles, was nicht in Übereinstimmung mit Christi Menschsein steht, ist auch nicht menschlich (vgl. III/ 2, 270). Die oben angeführte Kritik Härles an Barth spitzt diese Problematik auf die Frage nach der menschlichen Individualität zu: Wie soll die Figur der Exzentrizität vorgestellt werden, ohne die menschliche Individualität aufzugeben? Hierbei kann die im Zusammenhang der Zwei-Naturen-Lehre von Barth eingeführte Denkfigur des an-enhypostatischen Seins weiterhelfen (s.o. Kap. 4.3.3). Barth bestimmt die menschliche Natur Christi als anhypostatisch,³⁹ das heißt, dass die menschliche Natur sich nicht durch ein eigenständiges Prinzip bestimmt, sondern durch die göttliche Hypostase regiert wird (vgl. I/2, 178. 180). Für den Menschen Jesus führt Barth in der Schöpfungslehre dementsprechend aus, dass er „gerade so: in seinem Tun des Werkes Gottes und also in seinem Einssein mit Gott […] er selbst [ist], dieser Mensch. Gerade so existiert er als Geschöpf“ (III/2, 74). Damit begründet also gerade die gänzliche Einheit mit Gott die menschliche Subjekti-

 Vgl. hierzu auch Shults, der die verschiedenen Interpretationen von Barths An-Enhypostasie zusammenstellt: F. L. Shults, Reforming Theological Anthropology. After the Philosophical Turn to Relationality, Grand Rapids 2003, 156 – 160.

9.3 Die Exzentrizität des Glaubens

383

vität Jesu. Jesus als Mensch in dieser Einheit mit Gott ist dann kein willenloser Mensch, sondern ein Mensch mit dem Willen, den Willen Gottes zu tun. Dieser Struktur aus der Christologie entsprechend scheint auch die Vereinigung des Gläubigen mit Christus ebenfalls in einer Form der An-Enhypostasie zu bestehen, nämlich darin, dass Christus zum beherrschenden Prinzip der Gemeinde wird.⁴⁰ Für den einzelnen Christen hieße das dann: In der Anerkennung Gottes will der Christ nicht mehr selbst Herr sein, sondern erkennt Gott als seinen Herrn an; sein menschlicher Wille bestünde also nur noch darin, den Willen Gottes zu tun. Die Exzentrizität der menschlichen Subjektivität in Christus entspräche somit dem Verhältnis Jesu menschlicher Natur zu seiner göttlichen Natur in der Lehre der An-Enhypostasie.⁴¹ In dieser Entsprechung findet sich die Figur der analogia relationis wieder, wie sie in Kap. 4.4 in Bezug auf die imago Dei besprochen wurde: So wie Christus im Bund mit Gott steht und die menschliche Natur Christi auf die göttliche bezogen ist, in demselben Verhältnis steht der Gläubige zu Christus. Dabei gibt die Figur der An-Enhypostasie einen Hinweis darauf, wie menschliche Geschichte als individuelle und zugleich exzentrische Geschichte möglich ist, da auch Jesus Christus eine individuelle Person mit einer eigenen Geschichte war, obwohl er als Mensch anhypostatisch zur göttlichen Natur existierte. Allerdings würde Barth keinem Gläubigen zusprechen, dass er vollkommen exzentrisch lebt. Das reale Leben des Gläubigen vollzieht sich als simul iustus et peccator (s.o. Kap. 7.1), sodass ein Leben in ‚reiner‘ Exzentrizität ausgeschlossen ist. Was bedeutet das wiederum für die Exzentrizität des Glaubens? Der Gläubige sieht seine Exzentrizität einerseits als sein wahres Sein ein und erkennt zugleich, dass sein egozentrisches Sein ein Leben in Sünde ist. Der Gläubige kann daher nur – gemäß der Unterscheidung von Erwählt-Sein und Leben-als-Erwählter – dahin streben, ek-zentrisch zu leben. In seinem Lebensvollzug bleibt eine Differenz zwischen seinem irdischen Lebensvollzug im Glauben und seinem geglaubten, wahren Sein in Jesus Christus, das ihm in Reinform erst eschatologisch zukommen wird. Damit ist die Exzentrizität die zentrale Beschreibungskategorie für die theologische Bestimmung des Gläubigen im Verhältnis zu Jesus Christus. Die Aner-

 Vgl. IV/2, 64.  Die Figur der En- und Anhypostasie bezieht Jüngel auf die Verkündigung des Wortes Gottes (vgl. E. Jüngel, Karl Barths Lehre von der Taufe. Ein Hinweis auf ihre Probleme, 40). Kirchliche Verkündigung, die das Wort Gottes bezeugt, soll das Ereignis des Wortes Gottes sein, sodass die menschliche Rede in diesem Ereignis zwar „nicht beseitigt, wohl aber aufgehoben“ wird (IV/4, 97). Diese Beschreibung des nicht Beseitigens und zugleich radikalen Aufhebens kann auf das Ereignis des Glaubens übertragen werden.

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9 Glaube als Verstehen zwischen Exzentrizität und Deutung

kennung und Analogie zu Christus im Leben bildet die entsprechende menschliche Tat des verstehenden Glaubens. Der Unterschied zwischen der reinen Exzentrizität und dem gelebten Glauben liegt darin, dass der Glaube nur eine Form der Analogie ist und keine vollendete Exzentrizität. Verschärft wird diese Spannung zwischen erkanntem und verwirklichten Sein noch dadurch, dass Jesus Christus von dem Gläubigen zwar erkannt wird, ihm aber nicht verfügbar ist. So soll der Gläubige zwar in Christus sein Zentrum finden, aber dieses Zentrum liegt nicht im Bereich seiner Verfügung. Das Problem, das aus diesem konstitutiven Gegenstandsbezug folgt, besteht somit darin, dass Jesus Christus als Gegenstand und Zentrum des Glaubens dem Menschen weder verfügbar ist noch wird einem Menschen die Fähigkeit zu glauben dauerhaft ‚gegeben‘ bzw. ‚verliehen‘. Diese Problematik leitet über zu dem anderen Pol des Verstehens im Glauben, der in dieser Arbeit mit dem Begriff der ‚Deutung‘ gefasst wird.

9.4 Glauben als religiöse Deutung 9.4.1 Die sündig-vorletzte Tat des Glaubens als Deutung Der Deutungsbegriff fungiert, wie schon in Kap. 1.3.3 skizziert wurde, als eine Spezifikation des Verstehens, welche dessen Fallibilität, Unabgeschlossenheit und konstruktive Überformung seitens des Verstehenssubjekts hervorhebt.⁴² In Kap. 8.3.3 und 9.2.2 wurde auf den Unterschied zwischen Barth und Bultmann

 Siehe dazu die Auseinandersetzung mit Korsch und Lauster, s.o. 1.3.3 Anm. 174.175. Damit wird kein prinzipieller Unterschied zur hermeneutischen Theologie behauptet, denn auch Dalferth kann vom Verstehen als einer Deutung sprechen, wenn er z. B. schreibt, „dass das ursprüngliche Wortgeschehen, das Gott selbst ist, zugleich ursprüngliches Verstehens ist, dem geschöpflich zu entsprechen und das auf geschöpfliche Weise nachzuvollziehen die menschliche Verstehensaufgabe im deutenden Umgang mit der Welt und uns selbst ist.“ (I. U. Dalferth, Hermeneutische Theologie – heute?, 36) Außerdem weist das, was hier als Deutung charakterisiert wurde, Parallelen zu Dalferths Bestimmung radikaler Theologie auf, nach der es im „Zeichengebrauch“ zum „[V]ergegenwärtigen“ Gottes kommt (ebd., 20). Offenbarung bezeichne dabei dasjenige, „dem sich der Glaube anaphorisch verdankt, und das er responsorisch als seinen Grund, seinen Gegenstand und seinen Gehalt zur Sprache bringt. In diesem Gesamtzusammenhang theologischer Selbstauslegung deutet sich der Glaube mit dieser Kategorie einerseits im Blick auf das, dem er sich verdankt (Grund) und auf das er sich richtet (Gegenstand) […], und andererseits im Blick sowohl auf das, was Menschen dadurch werden (nämlich Glaubende), als auch auf das, was der Gott, an den sie glauben, dadurch wird (ihnen kreativ zugewandte Vaterliebe) und was der Glaube als seinen Gehalt theologisch differenziert zu entfalten hat.“ (ebd.).

9.4 Glauben als religiöse Deutung

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bezüglich des Verstehens als eschatologischem Geschehen hingewiesen. Der Glaube ist demnach trotz seiner göttlichen Begründung und Ermöglichung eine menschliche Tat, die als solche nicht ‚besser‘ ist als andere menschliche Taten. Damit gilt aber für den Glauben, wie für jede andere menschliche Kenntnis und Tat, dass er fallibel ist und in den Bereich der Sünde fällt. In seiner Auseinandersetzung mit Bultmann hält Barth bezüglich seines eigenen Verständnisses vom ‚Verstehen des Glaubens‘ fest, „daß dieses der Wahrheit von oben ‚folgende‘ Verstehen praktisch-faktisch seine sehr engen Grenzen haben, daß es immer wieder ein tief ungenügendes, ja scheiterndes Verstehen sein wird.“⁴³ Begründet sind diese ‚engen Grenzen‘ des Verstehens in seiner Exzentrizität:⁴⁴ Die Erkenntnis der eigenen ‚Exzentrizität‘ in Christus hat die Kehrseite, dass Jesus Christus, der den Menschen zu dieser Erkenntnis befähigt und der das Zentrum des Gläubigen ist, dem Gläubigen exzentrisch-unverfügbar bleibt. Die Problematik der Unverfügbarkeit Christi wurde in Kap. 7.2– 7.4 mit Barths Begriff des ‚anfänglichen Seins‘ erörtert: Der Glaube bleibt in seiner irdischen Form von der eschatologischen Vollendung unterschieden und ist insofern nur eine anfängliche Gestalt der vollendeten, eschatologischen Exzentrizität. Die absolute Siegesgewissheit Christi liegt auch allein in Christus und wird nicht zur absoluten Gewissheit des Gläubigen. Hierfür wurde Barths Bild des ‚gebrochenen Spiegels‘ angeführt, da es im irdischen Vollzug nur zu einem gebrochenen Abbild des neuen Seins in Christus kommen kann. Dies lässt sich mit der eben schon genannten Figur der Analogie denken. Der Glaube bezieht sich somit zwar unmittelbar auf den Gegenstand Jesus Christus, aber faktisch kann er diesen niemals ‚haben‘. Denn im Akt des Verstehens erkennt der Gläubige den Gegenstand als ihm so überlegen an, dass er nicht in seinen eigenen Glauben eingeht, sondern ihm immer auch ungreifbar und verborgen bleibt. So muss der Mensch täglich neu mit seinem Glauben anfangen, da er seinen eigenen Glauben nicht ‚hat‘, sondern nur in der Form von Erinnerung und Erwartung an die Akte der Erkenntnis Christi anknüpfen kann (s.o. Kap. 7.4.3). Der Akzent Barths liegt hierbei auf der stetigen Angewiesenheit des Menschen auf Gott. Die Kenntnis Christi beinhaltet somit auch das negative Moment,

 K. Barth, Rudolf Bultmann. Ein Versuch, ihn zu verstehen (1952), 56. Allerdings widerspricht Barth Bultmann darin, dass man die Grenze des Verstehens methodisch im Voraus bestimmen könnte, die Grenze selbst ergibt sich erst in der Auseinandersetzung mit seinem Gegenstand (vgl. ebd., 56 f.).  Im größeren Rahmen kann man hier feststellen, dass die Grenze in Barths Gnadenverständnis begründet ist: Weil die göttliche Offenbarung als reine Gnade erfahren wird, entzieht sich die Offenbarungserkenntnis jeglicher Verfügung und jeglichem Prinzip (vgl. W. Krötke, Der Mensch und die Religion nach Karl Barth, 12).

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9 Glaube als Verstehen zwischen Exzentrizität und Deutung

dass der Gläubige sich und seinen Glauben selbst relativiert und sein eigenes ‚Kennen‘ als bloß menschliche Deutung erfährt, die durchgängig von der Validierung durch ihren Gegenstand abhängt. Auch der ‚späte Barth‘ der Analogie bleibt insofern dem ‚frühen Barth‘ der dialektischen Theologie darin treu, dass Gott dem Menschen entzogen bleibt. Gerade dieses Bewahren der Differenz zwischen Gott und Mensch bei Barth wird durch den Begriff der ‚Deutung‘ zusammengefasst, als einem Verstehen, das seines Gegenstandes nicht mächtig ist. So ist der Glaube, obwohl er kreatorisch von Gott gewirkt wird, stets eine menschliche Tat. Damit wird ein theandrisches Verständnis des Glaubens von Barth ausgeschlossen: Der Glaube wird weder von Gott in uns gewirkt noch kommt es zu einer Verschmelzung von menschlichem und göttlichem Tun. Im Sinne des reformierten Gedankens der zwei nicht in Konkurrenz stehenden Subjekte in differenzierter Einheit (s.o. Kap. 5.4) ist der Glaube zwar ganz Gottes, aber auch ganz des Menschen Werk. Barth liest die Kirchengeschichte in Analogie zu dieser Differenzierung von menschlicher und göttlicher Tat im Glauben: Sie ist nach Barths Verständnis nicht einfach eine lineare Entfaltung der Heilsgeschichte Gottes in der Welt, sondern besteht aus fehlbaren, menschlich verantworteten Entscheidungen.⁴⁵ Zwar bindet Barth die Kirche als ganze in den göttlichen Heilsplan ein und beschreibt ein Wirken Gottes in der Geschichte, doch der einzelne Akteur ist verantwortliches Subjekt seiner Handlung, ob diese nun auf Gott oder die Welt bezogen sind. So schreibt Barth, dass die faktische Geschichte hinter dem Ziel der Geschichte Gottes „zurückbleibt“ und „genau genommen nirgends direkt sichtbar wird.“ (I/2, 369) Die „vorläufige Darstellung“ dieser Geschichte in der Kirche (IV/1, 718, s.o. Kap. 7.2.1) zeigt an, dass die Gemeinde trotz ihres Zeugnisses eine menschliche, mit der Sünde behaftete Existenz hat. Besonders deutlich wird die Menschlichkeit der Gemeinde daran, dass selbst die Sakramente Taufe und Abendmahl, welche die Kirche zusammen mit der Verkündigung verwaltet, laut Barth ausschließlich in den menschlichen Vollzugsbereich gehören.⁴⁶ Das eine wahre Sakrament hingegen sei nur Jesus Christus selbst, den sie nicht verwalten, sondern nur mit ihren menschlichen Worten bezeugen kann. Dem menschlichen

 Vgl. B. Jaspert, Karl Barth und Rudolf Bultmann. Anfragen, Nordhausen 2014, 11– 42. Schon 1920 hatte Barth in seiner Besprechung Overbecks angemerkt, dass das Christentum zwar ein Dasein in der Geschichte habe, wolle man es aber historisch betrachten, würde man nur feststellen, dass es von dieser Welt ist, und könnte somit historisch nichts von seiner göttlichen Herkunft nachweisen (vgl. K. Barth, Unerledigte Anfragen an die heutige Theologie, 644).  Barth spricht hierbei von einer „respektvoll umsichtigen ‚Entmythologisierung‘“ der Sakramente (IV/2, IX). Vgl. zu diesem Absatz W. Krötke, Gott und Mensch als ‚Partner‘, 117 f.

9.4 Glauben als religiöse Deutung

387

Tun des Christen kommt so bei Barth nicht mehr zu, als eine „Anzeige“ und ein „Zeichen“ zu sein (IV/3, 697). Anhand der Charakterisierung des Glaubens als Deutung lässt sich im Hinblick auf die theologische Entwicklung Barths diagnostizieren, dass die Phase der ‚Analogie‘ die Phase der ‚Dialektik‘ aufhebt, d. h. ihren Grundimpetus bewahrt und doch relativiert. Gleich der teleologischen Struktur des simul iustus et peccator bei Barth bleibt der Glaube nicht in der Mitte einer dialektischen Spannung zwischen de iure und de facto schweben, sondern in der menschlichen Deutung, die Christi Offenbarung auch schon erkennen darf, ereignet sich die analoge Spiegelung Christi, in der auf Gegenstandsgemäßheit hoffenden Gebrochenheit menschlicher Deutung.

9.4.2 Barth im Verhältnis zu ‚deutungstheoretischen‘ Ansätzen Auch Dietrich Korsch versucht Aspekte der Barthschen Theologie „über den Begriff der Deutung [zu] explizieren“, wobei er sich primär auf die dogmatische Methode Barths bezieht und nicht dezidiert auf das Barthsche Glaubensverständnis.⁴⁷ Für den Glauben resümiert Korsch, dass „der Deutungsprozeß in seinem Gefüge von Setzen und Umwenden, von Selbstbestimmung und SichVerfehlen aber als Vollzugsform des Glaubens erkennbar [wird] – und damit wird die Bildung des Glaubens anschlußfähig an das Phänomen der Deutung überhaupt.“⁴⁸ Für die Anwendung des Deutungsbegriffs auf Barths Glaubensverständnis bedeute das, dass ‚Deutung‘ die permanente Bewegung ausdrückt, die

 D. Korsch, Religionsbegriff und Gottesglaube, 194. In der Anlage der KD als einer Selbstverständigung über die Verkündigung der Kirche besteht nach Korsch ein „stillschweigendes Vorausgesetztsein von so etwas wie einem religiösen Deutungsinteresse, das ja die pragmatische Bedingung für den Einsatz der religiösen Kommunikation des Christentums überhaupt und in der Kirche insbesondere ist.“ (ebd., 216). Im Glauben wisse der Mensch bei Barth um die unhintergehbare „Struktur der Selbstauslegung“ (ebd., 217), deren Struktur sich „am besten klären“ lasse, „wenn man sie als Vorgang der Deutung rekonstruiert.“ (ebd.) So kommt Korsch zu dem Ergebnis, dass Barths Verknüpfung der „Gewißheit des Geltenden“ mit der „religiösen Semantik des Christentums“ einen Begriff von Deutung in sich trägt (ebd.). Dieser Deutung Korschs liegt seine generelle Annahme zugrunde, dass Barth Dogmatik als Hermeneutik betreibt: Bei Barth werde „das Entstehen des Glaubens […] – jenseits des subjektiven Ingeltungsetzens bzw. durch dieses hindurch – dem Glauben einsichtig [ge]macht. Das ist nicht weniger als die Umwandlung einer gegenstandrelativen in eine selbstverständniskonstitutive hermeneutische Dogmatik.“ (ebd., 193).  Ebd., 326.

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9 Glaube als Verstehen zwischen Exzentrizität und Deutung

den Glauben in seinem Gottes- und Selbstverhältnis charakterisiert.⁴⁹ Deutung ist daher nach Korsch immer prozesshaft: Sie ist „darum unabgeschlossen, weil sie sich immer im Gegenüber zum Gedeuteten weiß, und diesen Unterschied kann sie nie verwischen wollen.“⁵⁰ Damit steht der Deutungsbegriff für Korsch sowohl gegen Fundamentalismus als auch gegen reine Selbsttätigkeit, denn sowohl eine „bloße Externität des Gedeuteten“ als auch „das Vorgeben reiner unmittelbarer Produktivität“ des Menschen werden ausgeschlossen, indem sich die Deutung strukturell zwischen diesen beiden Polen bewegt.⁵¹ Ein „Verfügen über Gott“ wird durch die doppelte Angewiesenheit auf Gottes Offenbarung zum Menschen hin und die notwendige selbstbestimmte Offenheit auf Gott hin „verhindert“.⁵² In diesen Grundlinien stimmt Korschs Diagnose mit dem hier anhand der KD entwickelten Deutungsbegriff überein. Allerdings ist die Anwendung des Deutungsbegriffs auf Barths Glaubensverständnis durchaus problematisch, weil Barths Gegenstandscharakterisierung der prinzipiellen Offenheit der Deutung entgegenzustehen scheint, und missverständlich, weil der Deutungsbegriff verschiedentlich gebraucht wird. Schon oben konnte herausgestellt werden (s.o. 1.3.3), dass ein Deutungsverständnis, das einen Wahrheitsanspruch und Wirklichkeitsbezug gänzlich negiert, für die Barthinterpretation nicht infrage kommt. Mithin kann ein konstruktiv symbolbildendes, ausschließlich selbstbezüglich konzipiertes Verständnis von ‚Deutung‘, wie Slenczka es vertritt, bei Barth ausgeschlossen werden. Der Gläubige versteht bei Barth seinen Glauben nicht als ‚selbstgemacht‘, sondern als durch die Berufung Gottes hervorgerufen und insofern auch von Gott als Gegenstand des Glaubens geprägt. Der Glaube ist wesentlich eine Antwort auf das ihm zukommende Wort Gottes.⁵³ Ein weiterer Un-

 Vgl. ebd., 327.  D. Korsch, Dogmatik im Grundriß, 126.  D. Korsch, Religionsbegriff und Gottesglaube, 271. Bei Barth wird dieses prozesshafte Moment der Deutung eschatologisch aufgehoben, in Korschs Dogmatik im Grundriss finden sich jedoch keine Ausführungen zur Eschatologie oder Vollendungshoffnung.  Ebd., 326.  Vgl. Trowitzschs Erläuterungen, dass der Mensch nicht Gott deute, sondern vielmehr von Gott ‚gedeutet‘ werde (M. Trowitzsch, Karl Barth heute, 139). Dabei ist Trowitzsch insofern zuzustimmen, als der Glaube sich von Gottes Offenbarung und Berufung her versteht und einsieht, dass auch die Fähigkeit zum Glauben allein aus Christus geschenkt wurde. Allerdings muss gegen Trowitzsch eingewandt werden, dass der Glaube bei Barth im Gegenstandsbezug und in der göttlichen Ermöglichung dieser Tat trotzdem eine menschliche, irdische und sündige Tat bleibt, die als solche auf Gottes Berufung antwortet. Zwar ist diese menschliche Tat des Glaubens nicht unabhängig von der göttlichen Tat, aber sie bleibt eine menschliche Tat, die an sich nicht mehr sein kann, als eine Deutung, die auf ihre Wirklichkeitsgemäßheit hofft.

9.4 Glauben als religiöse Deutung

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terschied zu anderen Deutungsbegriffen liegt darin, dass die Beschreibung des Glaubens als Deutung bei Barth unmittelbar aus der Gotteslehre gewonnen werden kann: Aus der dogmatischen Erkenntnis der Unverfügbarkeit Gottes und Unterschiedenheit von Gott und Mensch entwickelt Barth die prinzipielle Anfänglichkeit des Glaubens (s.o. Kap. 7). Ein wesentlicher Unterschied Barths zur Schule des ‚deutungstheoretischen Ansatzes‘ (s.o. Kap. 1.3.2) liegt darin, dass die menschliche Deutung bei Barth in das primäre Subjektsein Gottes eingebettet ist: Gott wird von Barth weiterhin als Gegenüber zur Religion und Deutung gedacht, ein Verständnis von Deutung, das Gott mit dem menschlichen Deuten verwechselbar machen würde, wird ihm nicht gerecht. Der sich als Gottes Bundespartner deutende Mensch muss sich gegenüber Gottes Tat nachgeordnet verstehen und ist in seiner Selbsttätigkeit rein sekundär gegenüber Gott als dem primär Erwählenden. Gott wird damit als der Deutung vorgängig und unabhängig real gedacht (s.o. Kap. 1.1.3). Hierin liegt der wesentliche Unterschied zu Ansätzen wie Wittekinds, der von Barths Religionskritik ausgehend die Theologie als Vorgang der Selbstdeutung formuliert und sich dezidiert gegen eine gegenständliche Vorstellung Gottes ausspricht.⁵⁴ Daher gibt sich Barths Glaube, wenn wir ihn als Deutung beschreiben, gleichsam nicht damit zufrieden, bloße ‚Deutung‘ zu sein, sondern strebt auf seine Aufhebung durch Gott hin; er ist eine solche Deutung, die ihrer eschatologischen Aufhebung harrt. Außerdem ist der Begriff der Deutung problematisch, wenn aus ihm nicht ersichtlich wird, ob es ein Kriterium ‚richtiger Deutung‘ gibt. Barth löst die biblischen Geschichten nicht funktional in das Selbstverstehen auf, sondern betont vielmehr den entgegenstehenden Charakter des Wortes Gottes, das in der Bibel bezeugt ist. Daher entscheidet nicht die funktionale Brauchbarkeit über den Wert eines Textes, sondern der biblische Text als Zeugnis des Wortes Gottes gibt darüber Aufschluss, ob eine menschliche Deutung besser oder schlechter ist. Gottes Offenbarung in Schrift, Kirche und Verkündigung sind das Korrektiv, die Gegenstandsgemäßheit ist das Kriterium einer Deutung. Zusammengefasst ist dies in der ersten These der Barmer Theologischen Erklärung: Jesus Christus als das Wort Gottes ist das Kriterium, an dem alle menschliche Deutung zu messen ist. Auf ihn hat sich der Glaube zu richten und durch ihn wird er bestimmt. Allerdings ist Jesus Christus nicht außerhalb des Glaubens in seiner Bedeutung für den Einzelnen greifbar. Genau diese Besonderheit macht den Begriff der

 So zum Beispiel F. Wittekind, Religionskritik als Kritik der Religionswissenschaft. Karl Barths methodisches Programm der Theologie, in: Kritik der Religion, hg. v. I. U. Dalferth, H.P. Grosshans, Tübingen 2006, S. 219 – 242, 240.

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9 Glaube als Verstehen zwischen Exzentrizität und Deutung

Deutung erneut auch für Barth interessant, denn es gibt für den Glauben nach Barth kein Kriterium außerhalb des Glaubens, um ihn zu prüfen. Im Akt der Gottesbegegnung ist das Verstehen gottgewirkt und insofern ‚wahr‘. Insofern wird die Wahrhaftigkeit des Glaubens nur je im Akt der gläubigen Gottesbegegnung eingesehen und an Jesus Christus bewährt. Somit ‚hat‘ auch Barths deutender Glaube kein externes, ihm allgemein verfügbares Kriterium. Die Deutung ist jedoch an das Zeugnis von Gott gebunden, wie es in der Bibel und kirchlichen Verkündigung zu finden ist, und muss sich fortwährend als sachgemäß erweisen. Dieser Anspruch auf Sachgemäßheit wird von Vertretern des ‚deutungstheoretischen Ansatzes‘ wie Slenczka schlicht negiert (s.o. 1.3.2, Anm. 152). Neben diesen Abgrenzungen gibt es auch eine zu differenzierende inhaltliche Nähe zwischen Barth und dem ‚deutungstheoretischen Ansatz‘: Zentral scheint für die oben (1.3.2) angeführten Vertreter des deutungstheoretischen Ansatzes wie Danz und Slenczka, dass der Mensch im Glauben ein neues Selbstverständnis entwickelt. Die neue Selbstdeutung im Glauben bezieht sich bei ihnen somit nicht primär auf die Beziehung zu Gott, sondern dient der Deutung meiner selbst in meinem Weltverhältnis. Bei Barth ist der Glaube zwar in erster Linie Gotteserkenntnis, aber nicht im Sinne einer in ihr Gegenüber versenkten adoratio Dei, sondern diese Gotteserkenntnis enthält unmittelbar eine neue Selbstdeutung und ein geändertes Weltverhältnis (s.o. Kap. 8.3.1 und 8.4.1). Schließlich bestimmt der ‚deutungstheoretische Ansatz‘ das Verhältnis von Glaube und Religion wesentlich anders als Barth, weil beides zusammenzufallen scheint. Nach Lauster ist Religion „die Form menschlicher Lebensdeutung im Horizont der Erfahrung von Transzendenz, Heiligkeit und Unbedingtheit Gottes in der Welt.“⁵⁵ Damit wird allerdings die christliche Deutung in die höhere Gattung religiöser Deutung eingeordnet und ist lediglich eine „spezifische[ ] Deutungskultur“ unter vielen.⁵⁶ Barth hingegen unterscheidet gerade Glaube und Religion und ordnet den christlichen Glauben nicht einem allgemeinen Religionsverständnis unter. Allerdings muss, wie im folgenden Abschnitt zu zeigen ist, auch für Barth überlegt werden, inwiefern der Glaube – wenngleich seine Charakteristika nicht aus dem Religionsbegriff gewonnen werden, sondern aus dem spezifischen christlichen Selbstverständnis – die äußere Gestalt der Religion annimmt.

 J. Lauster, Das Programm ‚Religion als Lebensdeutung‘ und das Erbe Rudolf Bultmanns, 101.  Ebd.

9.4 Glauben als religiöse Deutung

391

9.4.3 Glauben in der Gestalt der Religion Beschreibt man mit Religion die „Antwort auf die Erfahrung der transzendenten Wirklichkeit“, wie es Danz in seiner Darstellung von John Hick tut,⁵⁷ dann muss der Religionsbegriff notwendigerweise auch für Barths Glaubensverständnis gelten. Nach Barth ist Religion jedoch eine menschliche „Handlungsweise“ (I/2, 326), „die Angelegenheit des gottlosen Menschen“ und schlicht „Unglaube“ (I/2, 327). Die Kritik der Religion gründet bei Barth darin, dass in ihr die Offenbarungswahrheit der menschlichen Selbstbezüglichkeit subordiniert wird (vgl. I/2, 309).⁵⁸ Durch die Offenbarung komme es daher zur Aufhebung der Religion gleich einer „assumptio carnis“ (I/2, 324), denn durch „die Wirklichkeit der Gnade selbst“ wird „die eine Religion vor anderen als die wahre angenommen und ausgezeichnet“ (I/2, 371). So unterscheidet Barth zwischen der „Religion als Unglaube“ (I/2, § 17.2, 324), dem die menschlichen Versuche Gott zu erkennen zugerechnet sind (vgl. I/2, 327 f.), und der „wahre[n] Religion“ (I/2, § 17.3, 356).⁵⁹ Der Religionsbegriff ist somit nicht in dem Sinne problematisch, wie Bonhoeffer Gott in der Religion als ‚Lückenbüßer‘ kritisierte,⁶⁰ oder weil die Religion dem klassischen Gottesbild des Theismus diene. Stattdessen ist nach Barth die Religion zu kritisieren, weil der religiöse Mensch Herr seiner selbst sein will und insofern selbsttätig versucht, sich ein Gottesbild zu erschaffen. Dem nicht-reli-

 C. Danz, Religionsbegriff und Religionskritik in der Theologie der Religionen, in: Kritik der Religion, hg. v. I. U. Dalferth, H.-P. Grosshans, Tübingen 2006, S. 259 – 284, 268.  Vgl. hierzu auch die Analyse bei G. Wenz, Offenbarung. Problemhorizonte moderner evangelischer Theologie, Göttingen 2005, 207– 211. Wenz sieht einen „funktionalen Beziehungszusammenhang[ ] der modernitätsspezifischen Begriffe Religion und Offenbarung“, wobei die Religion als „ein anthropologisches Universale“ dazu tendiere, den Begriff der „Offenbarung in sich aufzuheben“ (ebd., 38 f.). Anders sei dies nur bei der Annahme einer positiven Religion, die in ihrer Konstitution auf die Offenbarung als ihren Erschließungsgrund bezogen ist (vgl. ebd., 39). Auch Krötke interpretiert den Religionsbegriff so, dass Barth sich damit gegen „die religionsphänomenologische oder religionsphilosophische Betrachtung“ wendet, aus der vollzogenen Religion auf die göttliche Wirklichkeit rückzuschließen (vgl. W. Krötke, Der Mensch und die Religion nach Karl Barth, 10).  Ausführlich erörtert Krauss Barths Verständnis der wahren Religion, siehe: R. Krauss, Gottes Offenbarung und menschliche Religion. Eine Analyse des Religionsbegriffs in Karl Barths Kirchlicher Dogmatik mit besonderer Berücksichtigung F. D. E. Schleiermachers, Lewiston 1992, 193 – 325.  Siehe D. Bonhoeffer, 152. Bonhoeffer an Eberhard Bethge. 29.05.44 / 30.05.44, in: D. Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, S. 453 – 457, 454. Vgl. zu Bonhoeffers Auseinandersetzung mit Barths Religionsbegriff: C. Tietz, Unzeitgemäße Aktualität. Religionskritik in Zeiten der ‚Wiederkehr der Religion‘, in: Kritik der Religion, hg. v. I. U. Dalferth, H.-P. Grosshans, Tübingen 2006, S. 243 – 258, 250 f.

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9 Glaube als Verstehen zwischen Exzentrizität und Deutung

giösen wie dem religiösen Menschen ist der Glaube nach Barth entgegengesetzt.⁶¹ Daher beschreibt Barth die Offenbarung Gottes als die „Krisis auch und gerade der Offenbarungsreligion“ (I/2, 362), denn selbst eine solche Gnadenreligion ist „in ihrem immanenten Bestand an jenem Widerspruch gegen die Gnade durchaus beteiligt“ (I/2, 372). Allerdings „muß“ Offenbarung „auch als Religion und also auch als menschliche Wirklichkeit und Möglichkeit verstanden werden“, denn alles andere wäre eine „Leugnung der Menschlichkeit der Offenbarung“ (I/2, 308). Die Offenbarung Gottes verberge sich gerade in religiösen Phänomenen (vgl. I/2, 308). Beim Verstehen der Offenbarung dürfe weder „der Mensch […] übersehen und ausgeschaltet werden“ noch „die Religion“ (I/2, 322).⁶² Das religiöse Selbstbewusstsein wird daher im Glauben durch Gott als Gegenüber begrenzt und relativiert (vgl. I/2, 363). Das heißt aber, dass auch der Glaube in seiner kontinuierlichen Gestalt des Lebensvollzugs, wenn er als die menschliche Antwort auf die Offenbarung verstanden wird, die Form der Religion annehmen muss. Somit muss der seiner selbst einsichtig werdende Gläubige zu der Erkenntnis kommen, dass er gemeinsam mit allen Nicht-Gläubigen das in der Sünde wurzelnde Problem des ‚Herr-sein-Wollens‘ hat. Ihn unterscheidet nicht sein Glaube, sondern nur seine Einsicht in die auf Jesus Christus gegründete Hoffnung.⁶³ Entsprechend ist sich die wahre Religion nach Barth darüber selbst einsichtig, dass sie genauso fehlt und unter dem Gericht Gottes steht, wie alles andere menschliche Streben auch (vgl. I/2, 387– 389), doch aufgrund der „positiven Beziehung“ Gottes zu ihr darf sie trotzdem auch geheiligte „Trägerin seines Widerscheins“ werden (I/2, 393).⁶⁴ So steht die wahre Religion einerseits weiterhin unter der Kritik der Religion als  Dem entspricht auch, dass man Barths Sündenlehre als Religionskritik lesen kann, denn die Sünde als ‚Hochmut‘, ‚Trägheit‘ und ‚Lüge‘ wird jeweils als Gestalt des religiösen Menschen beschrieben.  Es geht Barth daher nicht um eine „‚Abschaffung‘ der Religion“, vielmehr rechne er „damit, daß ‚Religion‘ zur menschlichen Wirklichkeit gehört und daß der christliche Glaube von dort her (miß‐)verstanden und eingeordnet werden kann.“ (W. Krötke, Der Mensch und die Religion nach Karl Barth, 13).  Daher schreibt Krötke: „Er [der Glaube] ist darum der ständigen Infragestellung von dort [der Bewegung im Raum der Religion; J. S.] ausgesetzt“ (ebd., 14). Krötke unterscheidet dabei strikt zwischen Glaube und Religion, wenngleich der Glaube immer im Raum der Religion geschieht. So schreibt er weiter, „daß mitten in ihrer [der Religion] faktischen Praxis eine andere Praxis [der Glaube] Raum greift“ (ebd., 15).  Die Pointe von Barths Religionsbegriff ist nach Krötke: „daß alles menschliche Verhalten und damit vor allem das christliche Verhalten selbst unter der Kritik des Urteils Gottes steht, der selbst das noch so imposante Werk des Menschen immer wieder zur Vergangenheit macht.“ (ebd., 33). Daher teile das christliche Leben eine „bestimmte allgemeine Verhaltensweise mit der Religion“ (ebd.) und sei den Zügen der ‚Religion‘ nie ganz ledig.

9.4 Glauben als religiöse Deutung

393

menschlicher Unglaube, andererseits spiegelt sie – wenngleich gebrochen – schon die Herrlichkeit Gottes wider. Korsch und Krötke beurteilen Barths Religionsverständnis daher beide so, dass es in der Gott entsprechenden, ihm dienenden religiösen Selbstbestimmung des Menschen zur Rechtfertigung dieser menschlichen Tat durch den Glaubensgegenstand komme.⁶⁵ Das hier umrissene Religionsverständnis Barths entpuppt sich somit als Spezialfall des Deutungscharakters des Glaubens: Erstens ist die Religion ein Produkt der Selbsttätigkeit des Menschen, die auch durch die Offenbarung Gottes nicht aufgehoben wird und im Deuten zum Ausdruck kommt. Das Kriterium für wahre Religion entspricht somit dem sachgemäßer Deutung, dass nämlich diese Selbsttätigkeit der Tat Gottes entspricht, indem sie Gottes Bund anerkennt. Zweitens ist der Glaube als Deuten ein unhintergehbar menschlich-sündiges Tun, so wie die Selbstbestimmung des Menschen in seinem Gottesverhältnis auch in der Gestalt ‚ungläubiger Religion‘ verbleibt. Demnach kann an empirischen Phänomenen des Glaubens wie der Religion kein eindeutiges Merkmal festgestellt werden, das die objektive Beurteilung verschiedener Deutungen oder Religionsformen ermöglichte. In jedem Fall überformt der Mensch selbsttätig seinen Gottesbezug. Allerdings darf der Christ auf die Aufhebung und Rechtfertigung seines Deutens durch Christus hoffen. Somit wird von Barth einerseits angenommen, dass Glauben immer die äußere Gestalt der Religion hat, und zugleich wird diese Gestalt immanent kritisiert. Damit attestiert Barth dem Glaubensvollzug eine innere selbstkritische Instanz, die zu seinem Deutungscharakter dazugehört. Diese

 Nach Korsch löst Barth die Spannung zwischen der rein gehorsamen Anerkennung Christi und der Erhaltung menschlicher Urteilskompetenz so, dass Barth die „Unvermeidlichkeit dieses Gedankens in die Konstruktion der Religion selbst“ einbaue, deren Geltung er zugleich negiere (D. Korsch, Religionsbegriff und Gottesglaube, 206). Die Aufhebung zur ‚wahren Religion‘ bestehe dann darin, dass diese religiöse Selbstbestimmung als „Entsprechung zu Gott verstanden wird“ (ebd.). So kommt es nach Korsch nicht durch die Verneinung der menschlichen Selbstdeutungsleistung, sondern durch den „Wechsel der Vorstellungsgehalte“ zum „Übergang von ‚Religion als Unglaube‘ zur ‚wahren Religion‘“ (ebd., 207). Krötke hingegen betont, dass Barth anders als Tillich oder Troeltsch „das endliche, irdische Sein des Menschen viel positiver“ sehe (W. Krötke, Der Mensch und die Religion nach Karl Barth, 21). So sei der „Satz Barths: ‚Religion ist Unglaube‘ ein Satz, der wesentlich keinen zwanghaften Sachverhalt zum Ausdruck bringt.“ (ebd., 20). Dies begründet Krötke mit Barths Bestimmung der wahren Religion, denn die „menschlichen Fähigkeiten […] dürfen dem göttlichen Anliegen dienen. […] Was ohne die Begegnung mit dem offenbaren Gott Sünde und Unglaube zu heißen verdient, kann durch Gottes Beanspruchung dieses Verhaltens zu rechtem, menschlichem Verhalten werden. In diesem Sinne kann Barth von solchem menschlichen Verhaltensweisen als wahrer Religion reden“ (ebd., 22 f.). Hierbei scheint es nach Krötke aber nicht um eine Veränderung des menschlichen Werkes zu gehen, sondern schlicht um seine geänderte Beurteilung, indem es von Gott zur wahren Religion erhoben wird (vgl. ebd., 22).

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9 Glaube als Verstehen zwischen Exzentrizität und Deutung

Selbstrelativierung des Glaubens als Deuten hat bei Barth jedoch auch das positive Moment eines Hindeutens auf Gott, der den Wahrheitsbezug der Deutung verbürgt. Dieser positive Aspekt des Deutens wird im nächsten Abschnitt näher erörtert.

9.5 Glauben als zeugnishaftes Deuten auf Christus In mehreren Abschnitten der vorliegenden Arbeit wurde der direkte Bezug von Glaube und Zeugnisdienst, den Barth aus der reformierten Tradition übernimmt, bereits deutlich. Erstens wurde die Funktion des Glaubens aufgrund der Frage, warum überhaupt einige Menschen zum Glauben erweckt werden, von Barth dahingehend bestimmt, dass diese Menschen auserwählt sind, Christi Übergang vom Tod zum Leben zu bezeugen (s.o. Kap. 6.3). Zweitens wurde in Kap. 8.4 das ‚Bekennen‘ als dritte Gestalt des Kennens bestimmt und dabei sowohl gezeigt, dass das Bekennen als Kenntnisgabe notwendig aus der Erkenntnis als Kenntnisnahme folgt, als auch, dass der Gläubige im Bekennen sich selbst gegen seinen eigenen Unglauben stärkt. Der Grund des Bekennens liegt sachlich in Barths Auffassung von der Universalität der Tat Christi: Erkennt der Mensch im Glauben seine eigene Neuschöpfung in Christus, so wird dabei immer auch erkannt, dass Christus der wahre Mensch für alle Menschen ist.⁶⁶ Am Bekennen wird deutlich, dass die von den Christen nur im Modus der Deutung greifbare ‚Exzentrizität‘ in Christus nicht schwärmerisch verstanden werden darf oder etwas Ungreifbares bleibt, sondern ihre geschichtliche Realität im Zeugnisdienst der Kirche und der Analogie Christi im ihm nachfolgenden Leben findet. Dabei vereint die Gestalt des Zeugnisdienstes die beiden Momente von Exzentrizität und Deutung: Erstens kommt es in der Ausrichtung des Glaubens auf Christus zur Realisierung des gebrochenen Spiegelbilds Christi, sodass die Geschichte Christi in den Gläubigen in gebrochener Weise weitergeschrieben wird. Ihr Leben in ‚exzentrischer‘ Ausrichtung auf Christus ist daher – vor jeglichem Bekennen in Worten – ein Bekenntnis.

 Diese von Barth konsequent durchgehaltene Reihenfolge von Kenntnisnahme und Kenntnisgabe betont zwar die Notwendigkeit einer Ethik, muss aber von der vereinseitigenden Interpretation Rendtorffs abgegrenzt werden, dass also das Ziel des Glaubens bei Barth letztlich in der Ethik liege und die gesamte KD dementsprechend „religiöse Ethik“ sei (T. Rendtorff, Der ethische Sinn der Dogmatik, 132). Das Verhältnis von Dogmatik und Ethik in der KD ist nach der hier vertretenen Interpretation vielmehr das einer irreduziblen Einheit: Beide sind untrennbar und können nicht zugunsten des einen oder anderen aufgehoben werden.

9.5 Glauben als zeugnishaftes Deuten auf Christus

395

Zweitens hat auch das Bekennen den Charakter des Deutens, insofern die Selbstdeutung des Christen sich in den täglichen Situationen des Lebens als Zeuge bewähren muss. Dabei kommt dem Begriff ‚Deutung‘ nicht nur die oben skizzierte Bedeutung des Verstehens zu, sondern auch das Deuten als ‚Hindeuten auf …‘, wie es Korsch und Stoellger am Beispiel des Isenheimer Altars illustriert haben: In seinem Sich-Deuten von Gott her deutet der Gläubige auf Christus hin. ⁶⁷ Als lebendiges Zeichen hat daher auch die Selbstdeutung des Gläubigen Bekenntnischarakter, weil sie auf ihren exzentrischen Bezugspunkt hindeutet.⁶⁸ Es gibt dementsprechend Früchte des Glaubens, wie die analogia relationis in der Mitmenschlichkeit,⁶⁹ doch bleiben sie ein gebrochenes Spiegeln, das Christus eben nur in weltlicher ‚Vorläufigkeit‘ darstellt und auf ihn als Ziel hindeutet. In dieser ‚deutenden‘ Verweisungsstruktur hat der bekennende Glaube die Gestalt der Hoffnung, die teleologisch auf die verheißene Zukunft verweist, an der der Gläubige – in all seiner eigenen Diesseitigkeit – in Christus bereits wirklichen Anteil hat. Durch diesen zweiten Sinn der Deutung als ‚Deuten auf …‘ schließt sich der Kreis von Deutung und Exzentrizität: Gerade indem der Gläubige sich selbst ‚exzentrisch‘ von Christus her in seinem eigenen Menschsein deutet, ist er über sich selbst und den eigenen Lebenshorizont hinaus auf Christus verwiesen und lebt im Bekenntnis als auf Christus per analogiam ‚Hindeutender‘ auch exzentrisch zur Welt. So führt die universale Stellvertretung und aus ihr folgende Exzentrizität des Glaubens gerade nicht dazu, dass das eingangs mit Bonhoeffer gezeichnete Bild eines ‚himmlischen Doppelgängers‘ des irdischen Gläubigen auf Barths Konzeption zutrifft. Dieses Bild ist vielmehr so umzukehren, dass vom  S.o. Kap. 1.3.3, Anm. 182. Vgl. P. Stoellger, Bildmacht – Machtbild: http://www.deutungs macht.uni-rostock.de/fileadmin/Deutungsmacht/Konferenzen_PDFs/BildMacht_Tagung_22.-25._ April.pdf (abgerufen am 26.09. 2015).  Wie in Kap. 8 bereits an der Struktur der Mitmenschlichkeit gezeigt wurde, gehört zum Vollzug des Bekennens notwendig auch die Exzentrizität, insofern sie auch ‚an-enhypostatisch‘ auf Jesu Werk für und mit den Menschen bezogen ist. Denn Jesus Christus war als wahrer Mensch wesentlich dadurch bestimmt, nicht für sich, sondern für die Menschen da zu sein. Entsprechend soll auch die von ihm bestimmte Gemeinde ‚exzentrisch‘ existieren, indem sie Gemeinde für die Welt ist (vgl. IV/3, 629 f.). Siehe hierzu: H. Wrogemann, Mission und Religion in der systematischen Theologie der Gegenwart. Das Missionsverständnis deutschsprachiger protestantischer Dogmatiker im 20. Jahrhundert, Göttingen 1997, 92 f.  Welker entwirft ohne expliziten Bezug auf Barth ein vergleichbares Glaubensverständnis, das der „primären Objektivität“ des Glaubens in Gott die „sekundäre Objektivität der Personal- und Sozialgestalt“ hinzufügt, da es nur innerhalb einer wahrheitssuchenden Gemeinschaft zum Wachsen des Glaubens kommen könne (vgl. M. Welker, Subjektivistischer Glaube als religiöse Falle, in: Krisen der Subjektivität, hg. v. I. U. Dalferth, P. Stoellger, Tübingen 2005, S. 143 – 156, 155).

396

9 Glaube als Verstehen zwischen Exzentrizität und Deutung

Gläubigen als einem irdischen Doppelgänger Christi zu sprechen ist, der durch sein Leben auf Christus hindeutet.

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Personenregister Abraham, William J 288 Adorno, Theodor W. 330 Almén, Edgar 30 Alston, William P. 42 Althaus, Paul 127, 158, 233, 326 Anselm 21, 24 f., 32, 57, 59 ff., 71, 197 Anzinger, Herbert 32, 57 Askani, Hans-Christoph 175 Asselt, Willem J. van 188 Augustinus 14, 146, 187, 233 Axt-Piscalar, Christine 67, 241 f. Bac, J. Martin 188 Balthasar, Hans U. von 57, 60, 66, 99, 157, 160, 180 f., 184, 224, 240, 253, 267, 344 f. Barth, Hans-Martin 8 Barth, Ulrich 39, 45 Bayer, Oswald 60, 158 Becker, Dieter 175, 238 Beintker, Michael 3, 7, 11, 19 f., 28, 30, 58, 60, 62, 64, 70108 f., 117, 213, 220 Bergner, Gerhard 74 Berkouwer, Gerrit C 98, 133, 184, 203, 240 f., 266 f., 270, 280 Bieri, Peter 223 Biggar, Nigel 275 Boer, Dick 53 Bonhoeffer, Dietrich 3 f., 19, 21, 30 f., 51, 102, 169, 174 f., 177, 213, 216, 276, 301 f., 305, 326 f., 330, 391, 395 Boom, Wessel ten 240 Bormann, Claus von 375 f. Bornhausen, Karl 100 Brunner, Emil 4, 11, 48, 66 f., 98–110, 114, 116, 119, 121–124, 131, 134 f., 139, 144, 158–160, 174 f., 179–185, 257, 370 f. Buber, Martin 175 Bühler, Pierre 35, 44, 296 f., 375 Bultmann, Rudolf 3, 26, 29 f., 35, 37 f., 44, 46 f., 51, 56, 58, 66, 68 f., 81, 101 f., 107, 116, 134, 163, 188, 210 f., 239, 241, 325,

https://doi.org/10.1515/9783110574876-012

333, 335 f., 338 f., 344 f., 350, 375–378, 384–385 Busch, Eberhard 25, 27, 66, 127 Calvin, Johannes 25, 53, 61, 64–66, 100, 105, 111, 120, 146, 247, 251, 258, 265, 268, 280, 286, 311, 325, 336, 346, 348 f. Chalamet, Christophe 181, 345 Chisholm, Roderick M. 223 Clough, David 32 Cootsona, Gregory S. 252 Couenhoven, Jesse 224 Cramer, Konrad 18 Dahlke, Benjamin 66, 99, 181, 265 Dalferth, Ingolf U. 20, 35–40, 46, 59, 157, 212, 230, 288, 367 f., 375, 377, 384, Danz, Christian 34, 39–41, 390 f. DeVries, Daw 216, 262, 334 Dierken, Jörg 30 Dietz, Walter R. 123 Dober, Hans M. 251 Dorner, Isaak August 69 Ebeling, Gerhard 10–12, 25–27, 35 f., 38, 65, 70, 281, 301, 380 Ebneter, Albert 108, 121, 156, 175 Etzelmüller, Gregor 53 Evers, Dirk 34–37, 39, 42 Feil, Ernst 302 Fichte, Johann Gottlieb 120, 192, 203 Fischer, Johannes 269 Fischer, Matthias 30 Fischer-Appelt, Peter 58 Flückiger, Felix 231 Frankfurt, Harry 223 Frei, Hans W. 99 Freudenberg, Matthias 64 Frey, Christofer 33, 70, Freyer, Thomas 230, 232 f. Friedmann, Edgar H. 144

420

Personenregister

Gerhard, Johann 14 f. Gestrich, Christof 61, 65, 70, 98, 101–105, 107, 119, 122–124, 136, 144, 155, 158, 182 f., 188, 309 Glomsrud, Ryan 64 Gockel, Matthias 67, 147 Goebel, Hans T. 146, 151, 165, 171 f., 184, 199, 206, 236 Gogarten, Friedrich 101 f., 107, 125, 132, 210, 231 f., 234 Gollwitzer, Helmut 189, 257 Goltz, Rainer 4, 325 Graf, Friedrich W. 21, 33 f., 154, 157, 176, 192, 199 f., 204 Grosshans, Hans-Peter 20, 301, Gundlach, Thies 33, 142, 147, 163 Gunton, Colin E. 252, 272 Hafstad, Kjetil 230 f., 233, 235, 237, 242, 292 Hammann, Konrad 26, 188 Härle, Wilfried 21, 27, 31, 99, 116, 119, 122, 127, 133, 144, 146, 152, 156, 158 f., 169, 173 f., 179–182, 184, 188 f., 191, 196, 235 f., 266, 319, 326, 381 f. Harnack, Adolf von 4 f. Hart, John W. 103, 107 Hartshorne, Charles 252 Hauerwas, Stanley 275 Hauke, Rainer 123 Hedinger, Ulrich 157, 178, 189, 191, 206, 210–213, 215, 224, 260 Hegel, Georg W. F. 99, 231, 322 f., 361 Heppe, Heinrich 64, 113, 187, 193, 324 Hermanni, Friedrich 21, 223 Herms, Eilert 8, 67 Herrmann, Wilhelm 26, 29, 58, 69 f., 188, 231, 233, 326 Hiller, Doris 380 Hirsch, Eike C. 29 f., 53, 57, 60, 63, 155, 160, 164, 211, 262, 264, 319 Hirsch, Emanuel 27, 102 f. Hofheinz, Marco 244 Hollatz, David 14 f. Holtmann, Stefan G. 33 f., 71, 198 f. Honneth, Axel 323 Horkheimer, Max 330

Hunsinger, George 6, 53, 57, 147 f., 218, 265 Hunziker, Andreas 35, 375 Husbands, Mark 32 Hüttenhoff, Michael 64, 101 Inwagen, Peter van

223

Janowski, J. Christine 125 Jaspert, Bernd 386 Jehle, Frank 104, 106 f. Jenson, Robert W. 147 Joest, Wilfried 43, 146, 204, 376 Johnson, William S. 344, 380 Jones, Paul D. 148 Josuttis, Manfred 25, 32, 59 f., 267, 319 Jüngel, Eberhard 8, 14, 16, 18, 24 f., 35, 37 f., 43, 45, 55, 59–62, 68, 70, 83, 89, 141, 145, 155, 157, 171–173, 175 f., 180, 184, 188 f., 199 f., 213, 217 f., 221 f., 286, 307, 320, 326, 334, 348, 379, 383 Käfer, Anne 30, 67, 142, 209, 240, 263, 267, 292 f. Kaftan, Julius 69 Kähler, Martin 231, 233 Kant, Immanuel 192, 197, 202 f., 220, 224 Kappes, Ulrich 30 Kelsey, David H. 380 Kierkegaard, Sören 61, 68, 136, 318 Kindt, Irmgard 210 Klappert, Bertold 33 Kleffmann, Tom 44–46 Klein, Günther 326 Klein, Juliane 24, 113, 328 Kooi, Cornelis van der 29, 62, 65, 73, 97, 233 Korsch, Dietrich 8, 20, 42, 44, 46 f., 58, 71, 101, 134, 272, 384, 387 f., 393, 395 Körtner, Ulrich H. J. 42 Kraus, Georg 146, 150 Kraus, Hans-Joachim 292 Krause, Burghard 125 Krauss, Reinhard 391 Kreck, Walter 7, 57, 103, 146, 156 f., 162, 182, 232, 234, 349 Krötke, Wolf 3, 14, 52, 57, 61, 65, 83, 125, 131, 140 f., 147, 154, 165, 177, 182, 189,

Personenregister

199, 206, 217, 219 f., 222, 244, 289, 292, 301, 350, 359, 376, 385 f., 391–393 Küng, Hans 66, 217, 265, 271 Kwiran, Manfred 31 LaMontagne, D. Paul 20 Landmesser, Christof 3, 377 Lauster, Jörg 39, 42, 44–46, 384, 390 Leyden, Michael 32 Link, Christian 53, 64, 78, Lohmann, Johann Friedrich 22, 60, 62 f., 113, 299 Lührmann, Dieter 70 Luther, Martin 9 f., 14, 16, 20, 26 f., 29, 38, 43, 53, 64 f., 99, 104, 146, 161, 188 f., 204, 206, 213, 223, 270, 281, 296, 348 Mangina, Joseph L. 32, 275, 356 Markschies, Christoph 120 f., 177, 362 Marquardt, Friedrich-Wilhelm 103, 250 Martin, Gerhard M. 210 Maurer, Ernstpeter 27, 64 f., 281, 286 McCormack, Bruce L. 20, 56 f., 60, 67, 71, 99, 104–106, 109, 146–150, 165, 183, 224 McGrath, Alister 4, 265 McKenny, Gerald P. 32 Mechels, Eberhard L. 181 Melanchthon, Philipp 14 f. Menke-Peitzmeyer, Michael 33 Molnar, Paul D. 147 Moore, Andrew 20 Moore, George E. 223 Moxter, Michael 296 f. Müller, Gotthold 308 Müller, Klaus W. 26, 239, 378 Neder, Adam 294 f., 352 Nierop, Jantine 171 Nigg, Walter 199 Nimmo, Paul Thomson 6, 32, 148, 349 Noordveld, Diederik 230, 233, 237 f. Oblau, Gotthard 89, 168, 230 f., 235–237, 248, 270, 281, 284, 293 Ohly, Lukas 136 Okayama, Kotaro 160, 207

Opitz, Peter 346 Osthövener, Claus-Dieter Otto, Rudolf 54, 100

421

18, 76, 326, 332

Pannenberg, Wolfhart 20 f., 33 f., 120, 181, 212, 231, 241 f., 247 f., 270, 325 f. Petzoldt, Matthias 21 Pfleiderer, Georg 32, 251 Pietz, Hans-Wilhelm 250, 253 Plasger, Georg 281 Plathow, Michael 193 f. Plessner, Helmuth 44 Pöhlmann, Horst G. 99, 116, 122, 176 f., 180 f., 184, 381 Prenter, Regin 30, 60, 130, 157, 159, 173, 181, 184, 267 Price, Daniel J. 33 Przywara, Erich 66, 99, 180 f. Putnam, Hilary 36 Quenstedt, Johannes A.

118, 123

Rahner, Karl 30, 37, 66 Ratschow, Carl Heinz 157, 248 Reichel, Hanna 248, 346 Reijnen, Anne M. 71 Rendtorff, Trutz 33 f., 191, 394 Ricœur, Paul 380 Ritschl, Albrecht 5, 121, 233 Roberts, Richard H. 237 Rodin, R. Scott 206 Roessler, Roman 267 Rohls, Jan 66 Rosenau, Hartmut 260 Roth, Michael 106 f., 122, 124, 141, 157 f., 183 Sass, Hartmut von 36–38, 326 Sauter, Gerhard 67, 101 Sayers, Dorothy L. 253 Schellong, Dieter 250 Schepers, Maurice B. 30 Schlatter, Adolf 210 f. Schleiermacher, Friedrich D. E. 5, 9–11, 13, 16, 18, 26, 29 f., 33 f., 40, 56 f., 59, 66– 69, 97, 100 f., 105, 120, 123 f., 131, 147, 187, 203, 210, 244

422

Personenregister

Schliesser, Benjamin 24, 210 f., 270, 377 Schmid, Heinrich 64, 193 f. Schulz, Heiko 7 f., 20, 23 Schüz, Juliane (siehe Klein, Juliane) Schüz, Peter 100 Schwarz, Jonathan 43 Schwöbel, Christoph 296 Seeberg, Reinhold 21, 69 Seils, Martin 6–8, 12, 23, 28 f., 57–60, 62– 65, 70, 80 f., 87 f., 163 f., 189, 200, 263, 265 f., 268, 270 f., 319 f., 331 Shults, Fount LeRon 382 Slenczka, Notger 8, 39 f., 388, 390 Slot, Edward van ’t 4, 30, 57, 102, 171, 276, 300, 305, 312 So, Mizumasa 145 Söhngen, Gottlieb 66, 99, 180, 184 Sölle, Dorothee 161 Soskice, Janet Martin 20 Sparn, Walter 148 f., 157, 173, 199, 381 Spencer, Archibald J. 32 Spieckermann, Ingrid 62 Stickelberger, Hans 171 Stock, Konrad 4, 7, 14, 21, 33, 122, 145, 152, 161 f., 169, 173, 189, 192, 200, 203, 237 f. Stoellger, Philipp 36 f., 47, 71, 297, 395 Tanner, Kathryn 192 f. Thacker, Justin 327 Theißen, Henning 257 Thomas, George H. 30, Thomas, Günter 125, 133 f., 219, 254, 256, 291 Thomas von Aquin 21, 146, 180, 192 Thomasius, Gottfried 261–263, 372 Thurneysen, Eduard 194, 231

Tietz, Christiane 3, 7, 16, 19, 34, 67, 213, 276, 302, 318, 391 Tillich, Paul 30, 109, 393 Torrance, Thomas F. 99 Troeltsch, Ernst 97, 100 f., 231, 393 Trowitzsch, Michael 257 f., 388 Velde, Roelf T. te 188 Vischer, Wilhelm 177 Voelkel, Robert T. 29 Vogel, Heinrich 144 Vorster, Hans 6 Waap, Thorsten 122, 145, 160, 176, 180 Wagner, Falk 21, 33, 198 f., 381 Walkenbach, Albert 28 f. Wallmann, Johannes 15 Weber, Max 98 Weber, Otto 70, 325 Webster, John 32, 71, Weinrich, Michael 70 Welker, Michael 252, 395 Wenz, Gunther 391 Werner, Micha H. 212 White, Graham 20 Whitehead, Alfred North 252 Wingren, Gustaf 98, 108, 182, 267, 280 Wittekind, Folkart 32, 41, 389 Wobbermin, Georg 5, 13, 15, 97 Wolf, Ernst 30, 53, 292 Wolfes, Matthias 15 Wrogemann, Henning 395 Wüthrich, Matthias D. 83, 125 f., 131, 160, 231, 240 f., 250 f., 253, 266 f., 270, 297 Zahrnt, Heinz Zocher, Peter

240, 267 64

Sachregister Aktualismus 88 f., 102, 117–120, 179, 229, 235 f., 254, 263, 275–277, 299–301, 303, 307–314, 331, 373 Analogie 46, 80, 85, 92, 99 f., 144–146, 171–185, 197, 202, 210, 225, 274, 278, 339–346, 355, 357, 372, 379, 382, 384 f. – analogia entis 21, 66, 99, 174, 179–184, 186, 345 – analogia fidei 75, 99, 116–118, 139, 180– 184, 197, 253, 270, – analogia relationis 48, 77, 99, 144, 173– 184, 186, 363, 370 f., 383, 395 – analogia revelationis 116, 118 f., 180 – Phase der Analogie 56, 60, 62, 386 f. An-Enhypostasie 171 f., 382 f. Anerkennung 26–28, 44, 50 f., 72, 82 f., 85, 91, 197, 263 f., 318–336, 350 f., 353, 361–363, 372–374, 380 f., 383, 393 Anfang – anfänglich/anfangendes Sein 50, 118 f., 215, 276 f., 290–315, 371, 373, 378, 385 – Neuanfang siehe Glaube Anfechtung 86, 277, 291, 296–299, 301, 310–312, 315 f. Anknüpfungspunkt 98–122, 134–140, 173 f., 181–183, 185, 324, 370 f., 376 f. Anthropologie (siehe auch Mensch) 6, 11, 25, 31, 33 f., 61, 78 f., 87, 91, 125, 143– 146, 155 f., 160–162, 286, 381 Bekehrung siehe Umkehr Bekennen/Bekenntnis 50, 65, 85, 87 f., 97, 212, 214, 318 f., 322, 346–363, 373 f., 394 f. Berufung 27, 38, 47 f., 77, 82, 88, 187, 190, 207–214, 221, 223, 225, 229, 239, 255– 261, 273, 305–307, 316, 337, 355, 371 f., 378 f., 388 Bund – Bewährung im Bund 132, 177, 201–205 – Bund und Schöpfung 62, 78 f., 134, 144, 146–149, 158, 166, 173, 184, 370 – Bundespartnerschaft 27, 48, 82, 92, 141, 143 f., 148 f., 151–185, 200–205, 271, https://doi.org/10.1515/9783110574876-013

286, 332, 341 f., 355, 370 f., 373, 375, 379, 389 – Bundestheologie 48, 370 – Gnadenbund 126–129, 131, 133, 148, 159, 166 causa-Lehre 192–194, 196 Christologie – inklusive Christologie 117, 150, 239, 242– 247, 273 – komprehensive Christologie 76, 83, 150, 245 cognitio siehe Erkenntnis concursus-Lehre 80, 192–196, 225 conversio siehe Umkehr de facto 48–51, 87, 92, 141–144, 164, 166, 168, 172, 185 f., 193, 204, 229 f., 239, 244, 263, 273, 278, 281, 283 f., 289, 294, 323, 337, 340, 345, 361, 370–372, 387 de iure 48–50, 87, 92, 141–144, 164, 166, 168, 185 f., 229, 239, 244, 263, 273 f., 278–281, 284, 289, 305, 314 f., 323, 337, 340, 345, 356, 370 f., 387 Deutung 7, 28, 39–47, 50 f., 93, 241, 271, 274, 277, 298, 311, 316–319, 331, 337 f., 343, 346, 352 f., 361–363, 368–369, 373–375, 384–390, 393–395 – Deutungstheoretischer Ansatz 34 f., 39– 44, 387–390 Dialektische Theologie 28, 56, 58, 60–62, 99–104, 123, 136, 188, 199, 230–235, 276, 282, 343, 372, 376, 386 Drama (siehe auch theatrum Dei) 244, 250– 254, 261, 270, 273 f., 297 Ekklesiologie 51 f., Entscheidung 17, 21, 23 f., 26, 37 f., 48, 52, 63, 68, 71, 77, 90, 137, 147 f., 152, 159, 166, 187–190, 194–196, 201 f., 205, 207–219, 221 f., 225, 267 f., 283, 303 f., 306, 326, 330, 334, 336, 342, 356, 359, 370, 378, 386

424

Sachregister

Ereignis 7, 27, 34, 36, 45–47, 54, 71 f., 74, 76, 86, 88, 90, 110, 115 f., 119, 130 f., 136, 138, 149, 153, 166 f., 173, 179, 187, 194, 207–220, 229, 234, 239, 243, 246– 248, 250 f., 257, 264 f., 268 f., 274–277, 289, 294, 296, 299–302, 305–307, 310 f., 313–316, 332, 358, 360, 378, 383 Erinnerung und Erwartung 277, 308, 312– 314, 316, 385 Erkenntnis – cognitio 65, 111, 230, 268, 369, 372–375 – Gotteserkenntnis 45 f., 65, 74 f., 92, 103– 105, 108, 111–117, 139, 268, 284, 298, 313, 316, 320, 322, 325–329, 335–338, 346 f., 349, 362 f., 380, 390 – Kenntnis 6, 44, 59, 65, 122, 168, 272, 319, 325, 328 f., 346, 369, 374, 385 – Selbsterkenntnis 65, 111, 269, 326, 329, 335–337, 362 f., 372 f., 379 f. Erwählungslehre 47, 57, 64, 76, 78, 82, 127, 146, 148 f., 152, 162, 165 f., 174, 201, 203, 208, 224, 309, 352, 370 – Erwählt-Leben 78, 143, 165 f., 185, 257, 260 – Erwählt-Sein 143, 165 f., 185, 257, 383 Eschatologie 124 f., 291–293, 378 Exzentrizität 7, 27 f., 43 f., 47, 50 f., 93, 141, 169–172, 185, 193, 204, 218, 221, 225, 233, 238, 245, 250, 256, 259, 270, 273, 338, 343, 346, 367–369, 371 f., 374 f., 377, 379–385, 394 f. fides qua/fides quae 9 f., 13–16, 23, 28 Freiheit 32, 48 f., 72, 74, 76, 78–81, 86, 98, 113, 115, 133, 152–154, 157, 161, 164, 170, 172, 176, 178, 187–225, 253 f., 260, 281 f., 300, 303 f., 333, 339, 351, 359, 370 – Notwendigkeit 17, 115, 147, 157, 187, 205– 207, 250, 262, 355 – Spontaneität 26, 37, 152, 187, 203 f., 207, 213, 218, 223 – Totalitarismus 198–200 – Wahlfreiheit 48, 191, 200–203, 205, 207, 215, 223 f., 253, 370

Gegenständlichkeit Gottes 5, 9, 11–24, 28– 30, 36, 39–46, 90 f., 103, 113–117, 163 f., 168 f., 277, 299, 310 f., 330 f., 373, 379, 384–389, 393 Geschichte – geschichtlicher Vollzug 169, 229, 246, 275, 280 – Geschichtlichkeit 40, 49, 210, 229–231, 235–239, 244, 252, 273, 275–277, 297 f., 312 – Geschichtslosigkeit 49, 158 f., 239–242, 244, 261, 267, 273, 372 – Heilsgeschichte 231, 233, 246, 254, 273, 354, 377, 386 Glaube – Glaube als Antwort 7, 17, 23–28, 42, 62 f., 71, 84, 90, 151–157, 160–164, 201, 203 f., 211, 213, 216, 218–223, 229, 242 f., 258, 264, 268, 320–323, 332, 334, 344, 353, 367, 369, 380, 388, 391 f. – Glaube als fiducia 14–17, 65, 270, 322– 325, 341, 347 – Glaube als Neuanfang 124, 134, 137, 302 – Glaube als Sprung 58, 72 f., 84, 116, 134– 137, 139, 327 – Glaube als Vertrauen 4, 16 f., 20, 63, 81, 269 f., 302, 319–321, 333, 341 – Glaube als Verstehenswende 35, 38, 40 f., 44–47, 172, 335, 337, 369, 374–377, 379 f., 384 f., 389 – Glaube als Wunder 97, 134–136, 324, 327, 370 Glaubensgegenstand siehe Gegenständlichkeit Gottes Glaubensgewissheit (siehe auch Heilsgewissheit) 4, 89, 119, 277, 307–314, 316, 319, 363, 368 f. Glaubenskonstitution 75, 85, 139, 271, 322 f., 333, 362, 368–372, 375 Glaubenslehre 9–11, 13, 68–70, 97, 120, 131 Gotteslehre 76 f., 99, 112, 132, 146 f., 153, 243, 286, 333, 389 Heiligung 47, 65 f., 78, 82, 84, 86, 187, 208, 214, 249, 263, 275, 278–281, 289–

Sachregister

291, 294–296, 305, 308, 315, 347–349, 358, 361 f., 369 Heilsgewissheit 26, 38, 88, 258 f., 307– 309, 316, 342, 374, 385 Hermeneutische Theologie 34–38, 44, 51, 375–377, 384 Hoffnung 51, 82, 84, 87, 89 f., 177, 208, 260, 307 f., 310–316, 342, 347 f., 355, 373, 380, 392, 395 imago Dei 48, 104, 120–124, 134, 141, 144, 159, 173–185, 357, 370, 383 Individualität 13, 41, 381 f. Kampf 158, 251–255, 282, 284, 287, 291, 296–299, 312, 315, 353 Kognitivismus 261, 264, 266–269, 274 Kompatibilismus 48, 190, 223 f., 304, 315 Kontinuität 105, 122, 130, 137 f., 184, 235 f., 274 f., 277, 294 f., 299, 301, 305, 307 f., 311–316, 370, 380 logos asarkos

147

Mensch – alter Mensch 122, 252, 279–283 – menschliche Möglichkeit 3, 48, 58 f., 63, 74, 82, 102, 108 f., 111 f., 124, 141, 143, 167, 169, 187 f., 220, 222, 238 – neuer Mensch 92, 278–283, 287 – Wesen des Menschen 47 f., 80, 118, 123 f., 134, 142 f., 145 f., 155, 160, 177, 184 f., 204, 206, 212, 235 f., 238, 275, 356, 370 f., 382 Mitmenschlichkeit 80, 133, 173–185, 347, 352, 356–358, 363, 373, 395 munus propheticum Christi 82, 87, 91, 239, 247 f., 261, 263, 273, 355 Ontologie – ontische Bestimmung 141–145, 152, 154, 156 f, 161 f., 165, 168 f., 185 f., 263, 271 f. – ontologische Bestimmung 48, 51, 92, 141–145, 150, 156–162, 164–169, 173 f., 177, 185 f., 224, 264–266, 374 participatio Christi siehe Teilhabe

425

Passivität 23–26, 36–38, 42, 45, 58 f., 63, 198, 203, 207, 212 f., 220, 222, 225, 269 f., 331, 334, 340, 352, 354, 361, 374 Pneumatologie 51–54, 72, 145 Potentialität siehe menschliche Möglichkeit Prophetisches Amt siehe munus propheticum Christi Realismus 20–22, 36, 43 Rechtfertigung 5, 26, 29, 47, 65, 69, 82– 86, 102, 155, 168, 208, 219, 229, 244, 249, 255–257, 261–266, 274, 280, 283, 288, 305, 308, 331–334, 347–349, 353, 358, 361 f., 369, 393 Religion 11 f., 30 f., 39, 44–46, 69, 73, 97 f., 100 f., 104, 231, 302, 316, 331, 367 f., 389–393 restitutio ad integrum siehe Urstandslehre Reziprozität 253, 323 Schöpfungslehre 62, 78, 80 f., 89, 91, 125 f., 129, 132, 137, 146, 148, 152, 157, 175, 182, 192, 275, 320, 382 Selbstoffenbarung 54, 107, 109, 241, 255 Selbstverständnis 28, 41 f., 51, 68, 85, 271, 335–340, 343, 346 f., 363 f., 373, 377, 390 simul iustus et peccator 49, 84, 230, 277 f., 281, 283 f., 291, 294–296, 312, 314–316, 341, 353, 383, 387 sola gratia 106 f., 188, 332, 362 solus Christus 261–263, 310, 334 Soteriologie 159, 265 f. Stellvertretung 27, 41, 52, 66, 78, 83, 117, 128, 139, 144, 150, 154 f., 159, 161 f., 185 f., 229, 245, 247, 263, 280, 309 f., 323, 338–341, 354 f., 362, 379, 395 Teilhabe 48 f., 51, 85 f., 117–120, 133, 141– 143, 146, 158, 161–163, 172, 176, 185, 194, 196 f., 200, 215, 218, 223, 237, 254, 270, 278, 285, 287–289, 294, 296, 310, 326, 354 Teilnahme 50, 62, 76, 78, 92, 141, 152, 158, 162–164, 167, 190, 198, 202, 225, 237, 249 f., 281, 287, 293, 298, 304, 323, 336, 343–346, 348, 354 f., 380

426

theatrum Dei Trinitätslehre

Sachregister

87, 234, 251 72, 147

Umkehr 86, 90, 113, 116, 214, 216, 221, 243, 245, 258, 260, 267, 269, 274, 277– 279, 283–290, 296, 301, 303 f., 306, 315, 338, 371–373, 378 f. Unglaube 14, 75, 83, 97, 110, 113, 135, 146, 207, 267, 291, 298, 302, 304, 314, 359 f., 367 f., 391, 393 f. unio cum Christo 6, 24, 62, 88, 170, 291 f., 354 f., 363 Urstandslehre 100, 120, 123–126, 129 f., 133, 139, 201, 371 Versöhnungslehre 9, 41, 64, 81–90, 125– 128, 130, 157–159, 242–250, 260–262, 276, 280, 293, 372, 381

Vorletzte Dinge 24, 28, 46, 190, 218 f., 226, 291, 295 f., 315, 344 f., 368, 378, 384 Wort Gottes 5 f., 10–12, 17, 21 f., 25, 54, 59, 61, 65, 67, 69–72, 74, 84, 87 f., 91, 98, 104, 106–108, 114–118, 121 f., 134 f., 144 f., 158, 171 f., 198, 221, 234, 241, 256, 306, 313, 321, 353, 360, 377, 383, 388 f. Zeugendienst 88 f., 201, 256–261, 266, 273 f., 348, 354 f., 357, 359, 363, 394 Zeugnis 47, 49–52, 71, 74, 78, 86 f., 90, 110, 140, 166, 229, 246, 255–258, 260, 277, 292, 313, 346–351, 355, 357–360, 363, 373 f., 386, 389 f. Zwischenzeit 49, 84 f., 87, 92, 239, 242– 248, 251, 253 f., 273, 275, 298, 343