Geschäftsleiteruntreue vor dem Hintergrund von subprime-Investments im Vorfeld der Finanzmarktkrise: Zugleich ein Beitrag zur Bedeutung des Aufsichtsrechts für die Konkretisierung gesellschaftsrechtlicher Sorgfaltsmaßstäbe [1 ed.] 9783428542451, 9783428142453

Die Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, inwiefern sich Geschäftsleiter durch den Ankauf sogenannter Subprime-Papiere

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Geschäftsleiteruntreue vor dem Hintergrund von subprime-Investments im Vorfeld der Finanzmarktkrise: Zugleich ein Beitrag zur Bedeutung des Aufsichtsrechts für die Konkretisierung gesellschaftsrechtlicher Sorgfaltsmaßstäbe [1 ed.]
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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 78

Geschäftsleiteruntreue vor dem Hintergrund von subprime-Investments im Vorfeld der Finanzmarktkrise Zugleich ein Beitrag zur Bedeutung des Aufsichtsrechts für die Konkretisierung gesellschaftsrechtlicher Sorgfaltsmaßstäbe

Von

Tobias Chowdhury

Duncker & Humblot · Berlin

TOBIAS CHOWDHURY

Geschäftsleiteruntreue vor dem Hintergrund von subprime-Investments im Vorfeld der Finanzmarktkrise

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 78

Geschäftsleiteruntreue vor dem Hintergrund von subprime-Investments im Vorfeld der Finanzmarktkrise Zugleich ein Beitrag zur Bedeutung des Aufsichtsrechts für die Konkretisierung gesellschaftsrechtlicher Sorgfaltsmaßstäbe

Von

Tobias Chowdhury

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen hat diese Arbeit im Wintersemester 2012/2013 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2014 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-14245-3 (Print) ISBN 978-3-428-54245-1 (E-Book) ISBN 978-3-428-84245-2 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist besonders von der Gefahr schneller Überholung betroffen. Einerseits befasst sie sich mit verschiedenen Rechtsgebieten und ist deshalb auch in mehreren Gebieten der Fortentwicklung von Literatur und Rechtsprechung ausgesetzt. Auch ist das Thema der Untreuestrafbarkeit von Geschäftsleitern nach wie vor im besonderen Fokus der wissenschaftlichen Diskussion. Schließlich nimmt die Arbeit an einigen Stellen Bezug auf aufsichtsrechtliche Vorgaben, welche in besonderem Maße Veränderung und Anpassung unterliegen. Es sollen hier nur einige relevante Entwicklungen seit Einreichung der Arbeit genannt werden: Die Arbeit wird an einigen Stellen berührt von den anstehenden Veränderungen im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (sogenannte Capital Requirements Directive IV) durch das sogenannte CRD-IV-Umsetzungsgesetz vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3395), (welches zugleich die Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in nationales Recht umsetzt). Das CRD-IV-Umsetzungsgesetz, welches zu Beginn des Jahres 2014 in Kraft tritt, fasst den in seiner Bedeutung für die gesellschaftsrechtliche und strafrechtliche Haftung betrachteten § 25a KWG in mehreren Vorschriften vollständig neu. Die in der Arbeit angesprochenen §§ 18a und 18b KWG werden durch das CRD-IV-Umsetzungsgesetz aufgehoben. Das KWG in seiner neuen Fassung befasst sich mit Risikoselbstbehalt und Risikotransfer bei Verbriefungen bspw. in §§ 6b und 10 Abs. 3 Nr. 7 n. F., die diese Fragen explizit zum Prüfungsgegenstand für die BaFin machen bzw. Eingriffsbefugnisse der BaFin in dieser Hinsicht regeln. Auch hat die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Geschäftsleitern für die „Bestandsgefährdung“ in der Zwischenzeit durch das am 7. August 2013 verabschiedete Gesetz zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen (sogenanntes Trennbankengesetz), welches ebenfalls zu Beginn des Jahres 2014 in Kraft treten wird, in einem neuen § 54a KWG Eingang gefunden. Schließlich erwähnt sei die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urt. vom 15. Januar 2013 – Az. II ZR 90/11, Frankfurt am Main) im in der Arbeit behandelten Fall der Corealkredit Bank AG, in der das Gericht die Entscheidung des OLG Frankfurt aufhebt und an dieses zurückverweist, wobei der Senat ein

6

Vorwort

Schreiben der Aufsicht für die Frage der Haftung nach § 93 Abs. 2 AktG abweichend von den Vorinstanzen unbeachtet lässt. Die Arbeit wurde im Wintersemester 2012/2013 von der Juristischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen als Dissertation angenommen. Sie ist hinsichtlich Gesetzeslage, Literatur und Rechtsprechung auf dem Stand der Einreichung. Meinem Doktorvater Prof. Dr. Gerald Spindler danke ich herzlich für die jederzeit gezielte und hilfreiche Anleitung während der Betreuung und insbesondere für die geduldige Zustimmung zur und Anleitung bei der zwischenzeitlichen thematischen Neuausrichung. Für die zügige Erstellung des Erstgutachtens bin ich vor diesem Hintergrund umso dankbarer. Prof. Dr. Uwe Murmann bin ich zu Dank für die Bereitschaft verpflichtet, sich den strafrechtlichen Ausführungen der Arbeit besonders anzunehmen. Für die zudem zügige Erstellung des aufgrund der Einbettung der Arbeit in einen strafrechtlichen Gesamtzusammenhang nur formal als solches zu bezeichnenden Zweitgutachtens bin ich sehr dankbar. Prof. Dr. Holger Fleischer und Prof. Dr. Hanno Merkt danke ich für die Aufnahme in die vorliegende Reihe. Besonders zu danken habe ich schließlich Moni, die insbesondere die Endphase der Erstellung der Arbeit mit viel Geduld und einem Lächeln ertragen hat. Gewidmet ist die Arbeit außerdem meinen Eltern, die mich immer zu eigenständigem Denken angehalten haben. Frankfurt, im Dezember 2013

Tobias Chowdhury

Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

Erster Teil Die unternehmerische Entscheidung des Geschäftsleiters A. Das unternehmerische Handeln als unabdingbares Element der Betriebsund Volkswirtschaft und seine Anerkennung in der Rechtswissenschaft . . . B. Die unternehmerische Entscheidung im Rechtssinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die unternehmerische Entscheidung im Gesellschaftsrecht – Typisierung schützenswerten Geschäftsleiterhandelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zukunftsbezogenheit und Risiko als konstitutive Elemente der unternehmerischen Entscheidung im Rechtssinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt der Zukunftsbezogenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unsicherheit und das Risiko negativen Ausgangs . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tatsächliche versus normative Unsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Externer Gesetzesverstoß als Risikoverwirklichung . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Notwendigkeit des Zulassens einer Abwägung mit dem Legalitätsprinzip bei unklarer Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Inhalt der Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Insbesondere: unternehmerische Entscheidung und unbestimmter Rechtsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Unklare Rechtsnormen ohne gesetzlich intendierten Beurteilungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Existieren rechtsökonomische oder teleologische Gründe für eine Nichtanwendbarkeit des safe harbour bei Beurteilungsspielräumen mit verbindlichem Pflichtenrahmen? – insbesondere: Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Problem: Abgrenzung zwischen klaren Pflichten und solchen, welche die Anwendung des safe harbour rechtfertigen . . . . . . . . . . . . 3. Der Begriff der unternehmerischen Entscheidung in der Diskussion um die Finanzmarktkrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Investment in strukturierte Wertpapiere als klassischer Anwendungsfall des safe harbour . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Safe harbour und Unternehmensgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

27 28 29 30 32 34 35 35 36 38 40 40

41 45 45 45 45

8

Inhaltsverzeichnis aa) Der Fall IKB Deutsche Industriebank AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der Beschluss des OLG Düsseldorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Satzungsinhalt und öffentlicher Zweck – Wertpapiereigenhandel und Gewinnerzielung in staatlich kontrollierten Banken . . . . . . . cc) Wertpapiereigenhandel in Sparkassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unternehmerische Entscheidung und Risikomanagement . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die unternehmerische Entscheidung im Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das strafrechtliche Risikogeschäft und strafrechtliche Ansätze zur Bestimmung der Grenze erlaubten Geschäftsleiterhandelns . . . . . . . . . . . 2. Die potenzielle Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Begriffsbestimmung für das Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46 46 48 50 52 54 56 57 57 59 60

Zweiter Teil Geschäftsleiterhandeln im akzessorischen Untreuetatbestand

62

A. Geschäftsleiterhandeln und untreuestrafrechtliche Vermögensverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 B. Akzessorietät – das Verhältnis gesellschaftsrechtlicher Sorgfaltsanforderungen zum Pflichtverletzungsmerkmal im Untreuetatbestand . . . . . . . . . . . . I. Das Verhältnis des Strafrechts zu anderen Rechtsgebieten, ultima-ratioGrundsatz und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausfüllung des Untreuetatbestandes – die Pflichtverletzung als akzessorische Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung als Mindestvoraussetzung der Untreuestrafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Sorgfaltsgeneralklauseln des Gesellschaftsrechts als Untergrenze der Strafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Raum für selbständiges Strafrecht im Bereich des Geschäftsleiterhandelns? – die rechtsgebietsübergreifende Bedeutung von Anwendungsbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Sorgfaltsgeneralklauseln als besonderes Problem akzessorischer Rechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unternehmerisches Handeln, Unterregulierung und das Verhältnis von Bestimmtheitsgebot zum ultima-ratio-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Bestimmtheitsgebot in der Anwendung der Sorgfaltsgeneralklauseln durch das Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Sorgfaltsgeneralklausel als abschließender Pflichtenmaßstab gegenüber dem objektiven Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . .

64 64 65 66 67

67 68 68 70 72

Inhaltsverzeichnis

9

a) Untreuetatbestand und Sorgfaltsgeneralklausel vor dem Hintergrund von Spezialität und Subsidiarität infolge erschöpfender Regelung . .

72

b) Ausgleichs- versus Verhaltenssteuerungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . .

75

c) Zur Schutzzweckkonformität von Sorgfaltsgeneralklausel und Untreuetatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

aa) Konformität persönlicher Schutzbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

bb) Zusammenhang zwischen Organstellung und pflichtverletzender Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

cc) Schutzzweckrelevanz der verletzten Pflichtennorm . . . . . . . . . . .

79

(1) Im Allgemeinen: Zur Erforderlichkeit eines Fremdvermögensbezugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

(2) Im Allgemeinen: Zur Erforderlichkeit einer Ergebnisrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

d) Analyse der Bedeutung der Sorgfaltsgeneralklauseln für den Untreuetatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

aa) Fremdvermögensbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

bb) Bestimmtheit und Legalitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

cc) Insbesondere: unternehmerisches Handeln und Ergebnisrelevanz

85

dd) Konsequenz: Abschaffung des Risikogeschäftes als eigenständiger strafrechtlicher Kategorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

ee) Gemeinsamkeit Evidenzkontrolle? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

Vollständige Kongruenz gesellschaftsrechtlicher und untreuestrafrechtlicher Sorgfaltsmaßstäbe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

1. Limitierte Akzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

2. Limitierte Akzessorietät und der Begriff der gravierenden Pflichtverletzung im Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

a) „Strafrechtliche Höhenstufe“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

b) Gravierende Pflichtverletzung als Lösung für Unbestimmtheit und mangelnde Schutzzweckrelevanz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

3. Geschäftsleiterhandeln und strenge Akzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

C. Akzessorietät in der strafgerichtlichen Rechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . . .

98

V.

I.

Die abweichende Rechtsauffassung – das Beispiel des Mannesmann-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98 Die Bedeutung des Bestimmtheitsgebots in der Rechtsanwendung durch die Strafgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 III. Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 II.

1. Die Bedeutung des § 262 Abs. 1 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2. Die strafgerichtliche Interpretation unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

10

Inhaltsverzeichnis Dritter Teil Anknüpfungspunkte pflichtverletzenden Verhaltens beim Investment in subprime-Papiere

104

A. Problemaufriss: Die Bedeutung des Aufsichtsrechts bei der gesellschaftsrechtlichen und strafrechtlichen Aufarbeitung der Finanzmarktkrise . . . . . . 104 B. Das Verhältnis der Generalklauseln zu konkretisierenden Pflichtennormen im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 C. Die Ursachen des Zusammenbruchs des Finanzmarktes im Jahre 2008 und Geschäftsleiteruntreue – Überblick über tatsächliche Vorgänge und rechtliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Tatsächlicher Hintergrund – das Investment in mit Hypotheken- und anderen Verbraucherkrediten unterlegte strukturierte Wertpapiere . . . . . . . . . . . . II. Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen vor der Krise . . . . . . . 1. Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anforderungen an die Liquidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorschriften über die Vergabe von Großkrediten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsrahmen für externe Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Konsequenz: Risikomanagement als Fokus der Diskussion um Geschäftsleiterverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Veränderte Blickrichtung: Entlastung von Geschäftsleitern durch Einhaltung aufsichtsrechtlicher Vorgaben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Risikomanagement im Finanz- und Bankensektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Value at risk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die einzelne Investmententscheidung in Abgrenzung zum Verlustrisikomanagement auf Unternehmensgesamtebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kategorischer Ausschluss einer abschließenden Determination gesellschaftsrechtlicher Sorgfaltsmaßstäbe durch öffentlich-rechtliche Standards? 1. Relevanz öffentlich-rechtlicher Sorgfaltsbeschreibungen für privatrechtliche Sorgfaltsmaßstäbe im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beispielsweise: DIN-Vorschriften und DCGK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Juristische Rezeption betriebswirtschaftlicher Grundsätze im Bereich des Risikomanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Aufsichtliche Billigung und die vernünftige Annahme, auf angemessener Informationsgrundlage zu handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Modernes Bankaufsichtsrecht und seine Bedeutung für das Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zur abschließenden Funktion bankaufsichtsrechtlicher Risikomanagementvorschriften gegenüber den Sorgfaltsgeneralklauseln des Gesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

107 109 111 112 115 116 118 120 121 123 123 126 127 128 130 132 132 134 135

137

Inhaltsverzeichnis

11

1. Das Verhältnis von § 91 Abs. 2 zu § 93 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . 137 2. Das Verhältnis von § 25a KWG zu den gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 a) Überblick über den Regelungsinhalt von § 25a KWG . . . . . . . . . . . . 138 b) § 25a KWG im System der Generalklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 c) § 25a KWG und limitierte Akzessorietät gegenüber der Generalklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 aa) Schutzzweckgesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 (1) Bezug zum Vermögen des Treugebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 (2) Insbesondere: Ergebnisrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 bb) Intention der umfassenden Regelung des Risikomanagements . 147 (1) Gesetzgeberischer Wille nach der Gesetzesbegründung . . . . 147 (2) § 25a KWG zwischen anlassorientierter Detailliertheit und gesamtkonzeptioneller Prägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 (3) Die Bedeutung der MaRisk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 (a) Eigenschaft als normenkonkretisierende Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (b) MaRisk als Mindestvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 3. Weitere relevante Normen des Kreditwesengesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 a) Die Haftungsrelevanz des § 18 KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 b) Die Haftungsrelevanz der §§ 10 ff., 11 und 13 ff. KWG . . . . . . . . . . 155 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 5. Entlastungswirkung regelbasierter aufsichtsrechtsrechtlicher Vorgaben? 156 a) LG Köln – Die STRABAG-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 b) Der Fall Corealcredit Bank AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 E. Konsequenzen: die Reichweite aufsichtsrechtlicher und aufsichtlicher Vorgaben zum Risikomanagement vor dem Hintergrund einer Haftung wegen des Investments in subprime-Wertpapiere im Vorfeld der Finanzmarktkrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 I. Standort in der Generalklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 II.

Die Verwendung von value-at-risk-Modellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 III. Szenariobetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 IV. V.

Konzentrationsrisiken („Klumpenrisiken“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Risikomanagement auf Gruppenebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

VI. Heranziehen externer Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 VII. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 VIII. Insbesondere: die Pflichtgemäßheit des Eingehens „existenzieller Risiken“ 169

12

Inhaltsverzeichnis 1. Das Verbot des Eingehens existenzieller Risiken in gesellschaftsrechtlicher Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Insbesondere: das Eingehen von Klumpenrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Erlaubtheit existenzgefährdenden Handelns vor dem Hintergrund von Risikobereitschaft und Risikoeinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Risikoeinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Risikobereitschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Klumpenrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Value at risk und Konfidenzniveau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Relevanz der Dogmatik zum existenzvernichtenden Eingriff . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. „Too big to fail“ – Systemrelevanz als Anknüpfungspunkt für erhöhte Sorgfaltspflichten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Die Bedeutung der Branchenüblichkeit für den Sorgfaltsmaßstab für Geschäftsleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Branchenüblichkeit und Geschäftsleitersorgfalt in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der safe harbour als Einfallstor für das Faktische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Insbesondere: die branchenweite Verwendung externer Ratings . . . . . . . a) Externe Ratings als ausschließliche und unabhängige Informationsquelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verständnis der Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

170 171 172 172 174 174 176 177 178 179 180 181 182 183 184 184 186

F. Ausblick: Die Vorschriften der §§ 18a, 18b KWG als Reaktion auf die Krise und ihre Bedeutung für die Geschäftsleiterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 G. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190

Vierter Teil Weitere Aspekte der Untreuestrafbarkeit aufgrund des Erwerbs von subprime-Wertpapieren A. Risikomanagement und Untreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Bedeutung des Risikomanagements als Prüfungsgegenstand einer untreuestrafrechtlichen Aufarbeitung der Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Risikomanagement als strafrechtliche Bewertungseinheit . . . . . . . . . . . . . . . III. § 91 Abs. 2 AktG – Verpflichtung zur Einrichtung eines Risikomanagements als untreuerelevante Grundpflicht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bedeutung aufsichtsrechtlicher Risikomanagementvorschriften im Strafrecht – insbesondere: Kreditwesengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Fremdvermögensbezug des Kreditwesengesetzes in Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

192 193 193 195 197 199 199

Inhaltsverzeichnis 2. Verlagerung auf die Unternehmensebene: strafrechtliche Probleme einer Gesamtbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Existenzgefährdung als untreuerelevantes Schadensereignis? . . . . . . b) Insbesondere: die Bedeutung des § 25a KWG für die Untreue . . . . . c) Bedeutung der MaRisk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Risikomanagement und Risikoerhöhungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Risikoerhöhungsansätze im strafrechtlichen Umgang mit dem KWG . . 2. Betriebswirtschaftliche Risikobewertungsverfahren, Risikobegriff und Untreue – Strafrechtsrelevanz des value at risk? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kreditwesengesetz, Risikoerhöhung und gravierende Pflichtverletzung VI. Risikomanagement als Paradigma prozeduralisierten Strafrechts . . . . . . . . 1. Strafbarkeitsbeschränkende Prozeduralisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Strafbarkeitserweiternde Prozeduralisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Risikomanagement, Vermögensnachteil und die „Verschleifung“ von Pflichtverletzung und Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

201 201 202 204 205 205 207 207 209 211 213 214 215 218 220

B. Inhalt und Grenzen risikopolitischer Disposition aus strafrechtlicher Sicht 222 I. Relevanz der strafrechtlichen Dogmatik zum existenzvernichtenden Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 II. Innenverhältnis und Risikopolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 C. Risikopolitik in Sparkassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 D. Subjektive Aspekte der Untreuestrafbarkeit bei unternehmerischem Handeln im Allgemeinen und hinsichtlich subprime-Investments im Besonderen I. Untreuevorsatz und unternehmerisches Handeln im Allgemeinen . . . . . . . . 1. Die Entwicklung des Untreuevorsatzes beim Risikogeschäft . . . . . . . . . 2. Duty of loyalty versus duty of care – Beschränkung der Geschäftsleiteruntreue auf Verletzung organschaftlicher Treuepflichten? . . . . . . . . . . . . II. Vorsatzfragen hinsichtlich der Vorgänge um subprime-Investments . . . . . . 1. Anknüpfungspunkte subjektiver Vorwerfbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Existenzgefährdende Schäden als tatbestandlicher Erfolg und die Feststellung des dolus eventualis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Existenzgefahr und Vorsatz in der Rechtspraxis und die Gefahr des hindsight bias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Versuch einer Subsumtion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Überlegungen zum kognitiven Element . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Überlegungen zum voluntativen Element . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Insbesondere: Boni als Indiz für eine „Billigung im Rechtssinne“? . . . . a) Anreizstrukturen variabler Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

228 229 229 231 234 234 235 235 237 238 239 241 242

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Inhaltsverzeichnis b) Vergütungsvereinbarungen als Einverständnis in einen erleichterten Sorgfaltsmaßstab? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fälschliche Annahme der Übereinstimmung hinsichtlich des Ziels langfristiger Wertsteigerung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Irrtum und unternehmerisches Handeln im Untreuetatbestand . . . . . . . . . . . 1. Der Irrtum über die Pflichtwidrigkeit und seine Rechtsfolgen in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Relevanz des strafrechtlichen Umgangs mit Fehlvorstellungen für Geschäftsleitertätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abgrenzung von § 16 zu § 17 StGB vor dem Hintergrund des Leitbilds geschäftsleitender Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

244 246 248 248 248 251 253 256

Fünfter Teil Subprime-Investments und Untreuestrafbarkeit vor kriminalpolitischem Hintergrund

257

A. Aufarbeitung mit einem Zerrbild der Untreue? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 B. Komplexität und Systemverantwortung als Ausflucht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Komplexität, objektive und subjektive Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Rolle von behavioural finance – natürlicher Feind des Schuldstrafrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

259 260

C. Strafrecht als primäres Mittel der Steuerung von Geschäftsleiterverhalten? I. Gewinn durch untreuestrafrechtliche Steuerung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Strafrechtliche Steuerung de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestandsgefährdung systemrelevanter Kreditinstitute als eigener Straftatbestand? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lösung durch Prozeduralisierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kurze Betrachtung der Untreue zum Nachteil von Gesellschaften im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Shareholder value versus stakeholder value – der Begriff des Unternehmensinteresses als Anwendungsfall für die gravierende Pflichtverletzung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gesetzesvorschlag: Koppelung der Organuntreue an die unternehmerische Entscheidung im Rechtssinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

264 264 267

262 263

267 269 270

272 274

D. Faktische Auslegung im Wirtschafts(straf-)recht als Einfallstor und helfende Hand der „Unsitte“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 E. § 266 StGB als „generelle Umgehungsklausel“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278

Inhaltsverzeichnis

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Sechster Teil Zusammenfassung der wichtigsten Thesen

282

A. Thesen des Ersten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 B. Thesen des Zweiten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 C. Thesen des Dritten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 D. Thesen des Vierten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 E. Thesen des Fünften Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. ABCP ABS Abs. a. E. a. F. AG AktG allg. Anm. Art. AT Bay. SpkO BB Bd. BGB BGBl. BGH BGHSt BGHZ BKR bspw. BT BT-Drs. BVerfG bzw. CDO DB DCGK ders. d.h. dies. Diss. Jur. DStR

anderer Ansicht am angegebenen Ort asset backed commercial papers asset backed securities Absatz am Ende alte Fassung Aktiengesellschaft Aktiengesetz allgemeine Anmerkung Artikel Allgemeiner Teil Verordnung über die Organisation und den Geschäftsbetrieb der Sparkassen (Bayern) Bertriebsberater Band Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht beispielsweise Besonderer Teil Bundestag-Drucksache Bundesverfassungsgericht beziehungsweise collateralized debt obligation(s) Der Betrieb Deutscher Corporate Governance Kodex derselbe das heißt dieselbe Dissertation Juris Deutsches Steuerrecht

Abkürzungsverzeichnis DZWIR e. V. f. ff. Fn. FS GA GG ggf. GmbH GmbH & Co. KG GmbHG GmbHR GroßKomm GWB Hdb. HGB h. M. HRRS Hrsg. IAS IASB IFRS insb. IRZ JA Jr. Jura JuS JZ KG KonTraG KritV KWG LG LiqV LK MaRisk

17

Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht eingetragener Verein folgende fortfolgende Fußnote Festschrift Goltdammers Archiv für Strafrecht Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Compagnie Kommanditgesellschaft Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH Rundschau Großkommentar Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Handbuch Handelsgesetzbuch herrschende Meinung HRRS, Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht, http://www.hrr-strafrecht.de Herausgeber International Accounting Standards International Accounting Standards Board International Financial Reporting Standards insbesondere Zeitschrift für internationale Rechnungslegung Juristische Arbeitsblätter Junior Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung Kommanditgesellschaft Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Gesetz über das Kreditwesen Landgericht Liquiditätsverordnung Leipziger Kommentar Mindestanforderungen an das Risikomanagement

18 MDR Mio. MünchKomm m.w. N. NJW NJW-RR No. Nr. NStZ NStZ-RR NZG OHG OLG OWiG PartG plc RGSt Rn. S. SIC s. o. sog. SolvV SpkG SPV StGB StPO StR StraFo StV u. a. UMAG v. VAG vgl. Vol. wistra WM WpHG z. B. zfbf

Abkürzungsverzeichnis Monatsschrift des Deutschen Rechts Million/Millionen Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungs-Report Number Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Strafrecht – Rechtsprechungs-Report Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Parteiengesetz private limited company Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Randnummer Seite standards interpretation committee siehe oben sogenannte/sogenanntes/sogenannter Solvabilitätsverordnung Sparkassengesetz special purpose vehicle Strafgesetzbuch Strafprozeßordnung Geschäftszeichen des BGH für Entscheidungen in Strafsachen Strafverteidiger Forum Strafverteidiger und andere/unter anderem Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts von/vom Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen vergleiche Volume Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht Wertpapier-Mitteilungen, Zeitschrift für das Bankrecht, Kapitalmarktrecht und Gesellschaftsrecht Wertpapierhandelsgesetz zum Beispiel Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung

Abkürzungsverzeichnis ZGR ZHR ZIP ZIS ZR ZRP ZStW

Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik Geschäftszeichen des BGH für Entscheidungen in Zivilsachen Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

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Einführung Zu kaum einem anderen Tatbestand des StGB wurde so viel Monographisches veröffentlicht wie zum Untreuetatbestand. Der Grund dafür liegt in den allseits bekannten Problemen bei seiner Konturierung. Wenngleich in der juristischen Literatur stetig diskutiert, ist die Untreue spätestens seit dem Mannesmann-Verfahren1 wieder besonders ins Licht der Aufmerksamkeit gerückt. Hier kam erneut die Frage der Untreuestrafbarkeit von Geschäftsleitern2 für unternehmerisches Handeln in den Fokus. Das Problem war freilich als solches nicht neu. Die strafgerichtliche Rechtsprechung hatte bereits einige Zeit zuvor zum Eingehen wirtschaftlicher Risiken und dem Umgang hiermit im Untreuetatbestand Stellung genommen3. Das „Risikogeschäft“ war im Bewusstsein der strafrechtlichen Fachwelt in Deutschland schließlich spätestens seit den Urteilen des Bundesgerichtshofs zur Kreditvergabe4 und der Entscheidung zur Spendenvergabe an den SSVReutlingen5 angekommen. Im Zuge dieser Entscheidungen erhielt die Diskussion eine neue Intensität, nicht zuletzt, weil der Untreuetatbestand zwischenzeitlich den Status als zentrale Norm des unternehmensbezogenen Strafrechts erhalten hatte6. Der Begriff der auch im Mannesmann-Verfahren diskutierten gravierenden Pflichtverletzung hat in diesen Entscheidungen seinen Ursprung. Er wurde in ihrem Nachgang viel diskutiert7, ist jedoch bis heute kontrovers. Nachdem der 3. Strafsenat ihm eine originär strafrechtliche Bedeutung abgesprochen hatte8, hat niemand Geringeres als das Bundesverfassungsgericht den Begriff wieder aufleben lassen9. Obgleich im Grundsatz Einigkeit darüber besteht, dass der Untreuetatbestand besonders im unternehmerischen Bereich einer Eingrenzung

1

BGHSt 50, 331. Die alleinige Verwendung der maskulinen Form des Begriffs wird im weiteren Verlauf aus Gründen der besseren Lesbarkeit beibehalten. Gemeint sind zugleich immer auch Geschäftsleiterinnen. 3 BGH NJW 1975, 1234. 4 BGHSt 46, 30; 47, 148. 5 BGHSt 47, 187. 6 Siehe nur Krause, in: Managerhaftung, § 35, Rn. 25 („die strafrechtrechtliche Zentralnorm des Wirtschaftslebens“); vgl. auch Seibt/Schwarz, AG 2010, 301. 7 Siehe zusammenfassend z. B. Dittrich, Die Untreuestrafbarkeit, S. 201 ff. 8 BGHSt 50, 331 und erneut in der Entscheidung zur Kreditvergabe in der West LB, BGH ZIP 2009, 1854 (1857). 9 BVerfG NJW 2010, 3209 (3215). 2

22

Einführung

bedarf, ist nach diesem Urteil weiter überaus umstritten und in weiten Teilen unklar, wie dies zu erfolgen hat10. Die Diskussion um die gravierende Pflichtverletzung hat zugleich eine Auseinandersetzung mit der Rolle von Verfahrensregeln bei der Beurteilung unternehmerischen Handelns angestoßen11. Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht rückte die Einhaltung von Verfahrensvorgaben bei der Entscheidungsfindung mit der Einführung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG durch das UMAG12 in den Vordergrund. Die Bedeutung dieser Vorschrift für Geschäftsleiterhandeln und das Verhältnis des Gesellschaftsrechts zum Strafrecht ist deshalb besonders beachtenswert. Seit der Finanzmarkt im Jahre 2008 zusammengebrochen ist, hat die Diskussion um das unternehmerische Handeln speziell der Geschäftsleiter von Kreditinstituten13 schließlich ihren Höhepunkt erreicht14. Der Geschäftsleiter befand sich nunmehr inmitten der Auseinandersetzung über die Ursachen der Krise. Es dürfte keine übertriebene Feststellung sein, dass er zwischen die Fronten eines in der wirtschaftlichen und der juristischen Literatur geführten Glaubenskrieges darüber geraten ist, ob die Krise ein dem System geschuldetes „Naturphänomen“ 15 war oder ob individuelle (Un-)Verantwortlichkeit die Krise hervorgerufen hat. Die einen scheinen bereits zu meinen, dass die Finanzkrise ihren Namen nicht verdient hat, weil er individuelle Verantwortlichkeit als Ursache verdeckt16, andere stellen bei ihrer Aufarbeitung die Handlungsfreiheit des Unternehmers in der Vordergrund17. Die Frage der Moral hat in der Debatte in jedem Fall ihren Platz18. In der Diskussion scheinen insbesondere Teile des strafrechtlichen Schrifttums eher der Ansicht zuzuneigen, dass individuelle Verantwortung sich zumindest teilweise ausmachen lässt19, wobei sodann das Strafrecht gleichzeitig

10 Vgl. Deiters, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 132 (137); Seibt/Schwarz, AG 2010, 301 (302). 11 Dazu jetzt umfassend Adick, Organuntreue. 12 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts vom 22. September 2005 (BGBl. I 2005, S. 2802). 13 Siehe die Definition in § 1 Abs. 1 KWG. 14 Siehe bspw. die Nachweise zur öffentlichen Diskussion bei Rieder/Holzmann, AG 2011, 265. 15 In diese Richtung Sinn, Kasino-Kapitalismus, S. 97; auch Vaubel, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 19 ff. 16 Schünemann (Hrsg.), Die sogenannte Finanzkrise – Systemversagen oder global organisierte Kriminalität? – Internationales Symposium 2009. 17 Kempf/Lüderssen/Volk (Hrsg.), Die Handlungsfreiheit des Unternehmers – wirtschaftliche Perspektiven, strafrechtliche und ethische Schranken – Symposion Frankfurt am Main 2008. 18 Kempf/Lüderssen/Volk (Hrsg.), Die Finanzkrise, das Wirtschaftsstrafrecht und die Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, Symposion Frankfurt am Main 2010. 19 Bspw. Strate, HRRS, 2009, 441 f.; siehe aus dem gesellschaftsrechtlichen Schrifttum z. B. Lutter, ZIP 2009, 197 ff.

Einführung

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an die vorderste Front der Aufarbeitung des Vergangenen und der Verhinderung vergleichbarer zukünftiger Entwicklungen geschoben wird20. Die rechtliche Aufarbeitung der Krise ist ein hochkomplexes Thema. Natürlich kann sich sich diese Arbeit nicht allen Facetten, geschweige denn abschließend, widmen. Neben der offensichtlichen Frage nach den aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen lenkt die Finanzmarktkrise den Blick auf viele bekannte Themen. Betroffen ist bspw. die Frage der Übernahme technischer Standards bzw. wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse in das Recht. Eine Aufarbeitung der Krise aus haftungsrechtlicher Sicht kommt außerdem unweigerlich mit dem öffentlichen Recht im Allgemeinen sowie dem Aufsichtsrecht im Besonderen und der jeweiligen Bedeutung für die Legalverfassung bzw. das strafrechtliche Treueverhältnis in Berührung – ein Thema, das zwar ebenfalls nicht ganz neu ist, dessen Ungeklärtheit im Zuge der Finanzmarktkrise jedoch wieder besonders hervortritt21. Mit Blick auf den hier gleichzeitig angesprochenen Schutz von Allgemeininteressen ist auch die altbekannte Frage nach einer Konturierung des Begriffs des Unternehmensinteresses, ggf. unter Zuhilfenahme von stakeholderund shareholder-value-Konzepten, aufgeworfen. Auch wenn sie das Thema dieser Arbeit berühren, können nicht all diese Fragen hier geklärt werden. Die Arbeit versteht sich vielmehr als Versuch, einen konkretisierenden Beitrag zur „zivil- und strafrechtlichen Zukunftsaufgabe, die Grenze zwischen erlaubtem und verbotenem Risikogeschäft, unternehmerischem Wagnis und hazardeurhaftem Spekulantentum trennschärfer zu ziehen“ 22, zu leisten. Zu diesem Zweck will die Arbeit sich mit den Aspekten strafrechtlicher Geschäftsleiterhaftung für unternehmerisches Handeln im Vorfeld der Finanzmarktkrise auseinandersetzen. Auch nach diesem Zuschnitt bleibt das Thema facettenreich23. In tatsächlicher Hinsicht wird sich die Arbeit deswegen auf die „BuySide“ diesseits des Atlantik konzentrieren, mit dem Leitbild von insbesondere in subprime-Papiere investierenden Kreditinstituten. Die Verantwortlichkeit derjenigen, die Wertpapiere – in Kooperation – strukturiert und auf den Markt gebracht haben werden ebenso wenig erörtert, wie diejenige der Personen und Verbände, die an der Strukturierung nicht beteiligt waren, die Risiken aber unter Umständen richtig einschätzten und die Papiere trotzdem gewinnbringend weiter veräußerten. Hier ist im Grundsatz betrugsrelevantes Verhalten angesprochen, ein Vorwurf, dem sich die Betroffenen mit dem Hinweis auf den Wettbewerb um das beste know-how erwehren und der das uralte Problem betrifft, in welchen Situa20 Siehe Schünemann, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 80 ff.; aus dem gesellschaftsrechtlichen Schrifttum bspw. Bachmann, AG 2011, 181 (188). 21 Vgl. nur Böttcher, NZG 2009, 1047 (1051). 22 Fleischer, NJW 2010, 1504 (1505). 23 Vgl. Schröder, Hdb. Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1146; siehe zu den in Frage kommenden Tatbeständen Rönnau, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 43 ff. sowie Ransiek, WM 2010, 869 ff.

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Einführung

tionen der in der Informationsasymmetrie im Vorteil Befindliche seinen Wissensvorsprung offenlegen muss. Aus der vermeintlichen „Zweiklassengesellschaft“ bestehend aus versierten „Herstellern“ und unbedarften „Abnehmern“ 24, widmet sich diese Arbeit der Untreueverantwortlichkeit der leitenden Personen auf der Abnehmerseite. Es ist dabei nicht das Ziel, einzelne Vorgänge vollständig tatsächlich und rechtlich aufzuarbeiten. Aus der Presse bekannte Fälle25 wie die der HSH Nordbank AG, Hypo Real Estate, Sachsen LB, Landesbank Baden-Württemberg, der Bayerischen Landesbank, West LB AG sowie der IKB Deutsche Industriebank AG dienen deshalb lediglich als Leitbilder dieser Arbeit; nur vereinzelt wird auf die betreffenden Sachverhalte eingegangen. Die genaue Dokumentation der Strukturierung einzelner Programme deutscher Banken zum Investment in sogenannte subprime-Papiere26 ist, ebenso wie Einzelheiten zu im Vorfeld der Krise installierten Risikomanagementsystemen, nur vereinzelt öffentlich zugänglich. Und dass die Frage der Untreuestrafbarkeit auch im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise letztlich einzelfallabhängig ist, dürfte trotz der Tatsache, dass sich Sachverhalte ähneln, letztlich außer Zweifel stehen. Insofern ist ohne eine weitere Entledigung der Auseinandersetzung mit Details hier nicht auszukommen, obwohl dies einer juristisch sauberen Vorgehensweise grundsätzlich widerspricht, die grundsätzlich dazu zwingt, komplexe Sachverhalte vor dem Ziehen von Schlussfolgerungen detailliert aufzuarbeiten27. Diese einleitenden Worte deuten insgesamt an, dass Versuche, die Strafbarkeit von Geschäftsleitern bei unternehmerischem Handeln zu konkretisieren bzw. zu begrenzen, weiterhin in erster Linie auf der Ebene des objektiven Tatbestandes unternommen werden. Insbesondere das Hineinwirken von außerstrafrechtlichen Pflichten- und Sorgfaltsmaßstäben, hier besonders des branchenspezifischen Aufsichtsrechts, in (zunächst) das Gesellschaftsrecht und insbesondere in dessen Sorgfaltsgeneralklauseln ist nach wie vor nicht abschließend geklärt. Hierzu möchte die vorliegende Arbeit auch abstrakt, d.h. losgelöst von den Vorgängen im Vorfeld der Finanzmarktkrise, einen Beitrag leisten. 24 Vgl. Florstedt, AG 2010, 315 (321); Nestler, in: Die sogenannte Finanzkrise – Diskussion, S. 66. 25 Ermittlungsverfahren sind seinerzeit eingeleitet worden gegen Vorstände der IKB Deutsche Industriebank AG, der West LB AG, der HSH Nordbank AG und der damaligen Sachsen LB; vgl. DER SPIEGEL Nr. 5/2010, S. 64 ff.; auch zivilrechtlich ist man gegen Vorstände vorgegangen, siehe für die Sachsen LB (dann bereits Sachsen Bank) Spiegel Online vom 21. Dezember 2010, http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/ 0,1518,736004,00.html (abgerufen am 29. Dezember 2011)); siehe zu den einzelnen Verfahren auch Jahn, JZ 2011, 340 (343 ff.). 26 Zu der Struktur im Allgemeinen siehe Arlt, True Sale Securitisation, S. 124 ff. sowie S. 261 ff. 27 Dass die Sachverhalte anschließend – ggf. durch mehr oder weniger radikale Vereinfachungen – auf justizielle Sachverhalte heruntergebrochen werden müssen, vgl. Jahn, JZ 2011, 340 (345), entbindet nicht von der vorangehenden Pflicht, sie in ihrer Komplexität aufzunehmen und abzuarbeiten.

Gang der Untersuchung Die Arbeit widmet sich als Ausgangspunkt im Ersten Teil der Darstellung und Präzisierung des Begriffs der unternehmerischen Entscheidung als entscheidender Weichenstellung für die Beurteilung von Geschäftsleiterverhalten in Gesellschafts- und Strafrecht. Besonderes Augenmerk wird auf die Frage gelenkt, inwieweit dem Geschäftsleiter bei rechtlichen Unsicherheiten Spielräume zu gewähren sind. Der Zweite Teil befasst sich mit dem Verhältnis des Strafrechts zum Gesellschaftsrecht im Untreuetatbestand für den Bereich des unternehmerischen Handelns. Angesprochen werden hier insbesondere Fragestellungen, die sich aus der gesellschaftsrechtlichen Legalitätspflicht der Geschäftsleiter für den Untreuetatbestand unter Schutzzweckgesichtspunkten ergeben. Im Dritten Teil wird detailliert auf die Konkretisierung von Geschäftsleiterpflichten im Untreuetatbestand durch das Gesellschaftsrecht eingegangen. Gegenstand dieses Teils ist aufbauend auf den vorangegangenen Teilen der Einfluss aufsichtsrechtlicher Vorgaben auf die gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsmaßstäbe. Hier liegt zugleich im Hinblick auf die Vorgänge um das Investment in subprimePapiere im Vorfeld der Krise einer der Schwerpunkte der Arbeit. Nach einer Darstellung der Umstände, die in tatsächlicher Hinsicht zur subprime-Krise geführt haben und den Investments in rechtlicher Hinsicht zugrunde lagen, werden Ansatzpunkte haftungsrelevanten Verhaltens aufgegriffen und aufsichts- bzw. haftungsrechtlich untersucht. Der Vierte Teil nimmt sodann eine generische strafrechtliche Subsumtion des Sachverhalts des Investments in subprime-Papiere vor. Die spezifisch aufsichtsrechtlichen Fragestellungen des vorangegangenen Teils werden dabei im Weiteren ausgespart. In objektiver Hinsicht wird stattdessen die Rolle des Risikomanagements für das Untreuestrafrecht abstrakt betrachtet. Erwägungen zur subjektiven Seite der Untreuestrafbarkeit bezogen auf den genannten Sachverhalt machen sodann die überwiegenden Ausführungen des restlichen Abschnitts dieses Teils aus. Im Fünften Teil befasst sich die Arbeit mit dem Sachverhalt des Investments in subprime-Papiere in kriminalpolitischer Hinsicht, wobei auch allgemeinere Fragen zum Untreuetatbestand als Norm des Wirtschaftsstrafrechts aufgegriffen werden. Die Untersuchung der Frage, inwiefern das Strafrecht ein geeignetes Mittel zur Steuerung von Geschäftsleiterverhalten im Allgemeinen und hinsichtlich des in Rede stehenden Sachverhalts im Besonderen sein kann, bildet hier

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Gang der Untersuchung

einen Schwerpunkt. In diesem Zusammenhang wird ein in der Literatur vorfindlicher Gesetzesvorschlag als Reaktion auf die Vorgänge in deutschen Kreditinstituten im Vorfeld der Krise untersucht und ein eigener unterbreitet. Die Ergebnisse dieser Arbeit fasst der Sechste Teil thesenartig zusammen.

Erster Teil

Die unternehmerische Entscheidung des Geschäftsleiters A. Das unternehmerische Handeln als unabdingbares Element der Betriebs- und Volkswirtschaft und seine Anerkennung in der Rechtswissenschaft Jedem kaufmännischen Geschäft ist mehr oder weniger ein Risikomoment eigen. Unternehmerisches Handeln ohne Risiko ist schlechterdings nicht möglich. Ein Management, das bei jeder Fehlentscheidung eine Haftung zu befürchten hat, wird tendenziell nur Entscheidungen treffen, die gar kein oder nur ein geringes Risiko und damit auch eine ggf. zu geringe Profitchance enthalten, um dem Unternehmen in einer dynamischen Wirtschaft dauerhaft Bestand und Rentabilität zu sichern. Ein solches Verhalten liefe dem Interesse des Unternehmens zuwider1. Es muss deshalb nicht nur erlaubt sein, gewisse Risiken einzugehen, sondern es ist für den Erfolg des Unternehmens auch erforderlich2. Im Gesellschaftsrecht ist dies seit langem anerkannt3. Ein Blick über das Einzelunternehmen hinaus erinnert zudem daran, dass eine flächendeckende unternehmerische Risikoscheu auch volkswirtschaftlich schädlich ist4. Aus der Gesamtbedeutung des Risikoverhaltens für die Wirtschaft wird zugleich ersichtlich, wie fundamental eine wohldosierte Verhaltenssteuerung im Gesellschaftsrecht bezogen auf die Geschäftsleitung ist, wenn man einerseits Unternehmensleitungen nicht verschrecken und andererseits schädliches Fehlverhalten verhindern will. Das Strafrecht als einschneidenstes Mittel der Verhaltenssteuerung erlegt sich vor dem Hintergrund des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Allgemeinen die Pflicht zu besonderer Zurückhaltung auf. Für den Bereich der Geschäftsleiteruntreue wäre es deshalb aus strafrechtlicher 1 Fleischer, in: FS Wiedemann (2002), S. 827 (830); Paefgen, AG 2004, 245 (247); Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 30 f.; wie immer man das Unternehmensinteresse letztlich genau umschreibt, siehe dazu Fünfter Teil: C.II.4. 2 Hopt, in: GroßKommAktG § 93, Rn. 82; Großmann, Unternehmensziele im Aktienrecht, S. 44 ff.; so auch schon BGH AG 1978, 79 (81). 3 Plakativ Lutter, NZG 2010, 601 (602): „Das Zivilrecht weiß seit eh und je, dass kaufmännisches und unternehmerisches Handeln ohne Risiko nicht möglich ist.“ 4 Vgl. BGHZ 134, 392 (398); Fleischer, in: FS Wiedemann (2002), S. 827 (830).

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1. Teil: Die unternehmerische Entscheidung des Geschäftsleiters

Sicht ein besonderes Problem, wenn das für jedes Unternehmen typische wirtschaftliche Verhalten für die handelnden Organe bei Strafe des § 266 StGB verboten wäre, weil bereits jedes riskante Verhalten pflichtwidrig ist und jede konkrete Vermögensgefährdung einen Nachteil i. S. v. § 266 StGB darstellt5. Die strafrechtliche Literatur zur Untreue hat das Problem des „kaufmännischen Risikogeschäftes“ im Zusammenhang mit dem Untreuetatbestand jedoch im Grundsatz ebenfalls früh erkannt und die wirtschaftliche Notwendigkeit des Eingehens von Risiken im unternehmerischen Bereich akzeptiert6. Auch im Strafrecht ist anerkannt, dass das Wirtschaftsleben nicht durch die Abschreckungswirkung zu strenger Haftungs- bzw. Strafbarkeitsmaßstäbe beeinträchtigt werden darf 7. Gesellschaftsrechtlich ist das Problem des „Risikogeschäftes“ durch die Neufassung des § 93 AktG mit dem UMAG vom Gesetzgeber aufgegriffen worden, nachdem bereits die Zivilrechtsprechung8 für diese Fälle Leitlinien zum Haftungsmaßstab entwickelt hatte. Durch die Einpassung des US-amerikanischen Instituts der business judgment rule9 in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG wurde der Nützlichkeit zum Eingehen von Risiken sowie der verhaltenspsychologischen experimentellen Forschung Rechnung getragen, die die menschliche Neigung festgestellt hat, in Kenntnis des späteren Verlaufs überzogene Anforderungen an die Verhaltenspflichten ex ante zu stellen, weil diese Kenntnis andere vorhersehbare Geschehensabläufe bei der Beurteilung des Verhaltens in der Hintergrund rücken lässt10.

B. Die unternehmerische Entscheidung im Rechtssinne Der Begriff der unternehmerischen Entscheidung als haftungsrechtlich besonders zu behandelnder Maßnahme ist allerdings weder im Gesellschaftsrecht noch im Strafrecht völlig konturenscharf. Er ist jedoch für die Anwendbarkeit einer business judgment rule, sei es in einer gesellschaftsrechtlichen oder strafrechtlichen Ausgestaltung, von grundlegender Bedeutung, steckt er doch den Anwen5 Vgl. schon Nelles, Untreue zum Nachteil, S. 564; siehe aus jüngerer Zeit bspw. Seibt/Schwarz, AG 2010, 301. 6 Zuerst Prieß, Die aktienrechtliche Untreue, S. 36 f.; siehe weiter Bringewat, JZ 1977, 669; Kohlmann, Verantwortlichkeit, S. 166; Schreiber/Beulke, JuS 1977, 658; Hillenkamp, NStZ 1981, 161 (162); aus jüngerer Zeit Martin, Bankuntreue, S. 98; LKSchünemann, § 266, Rn. 95. 7 Kohlmann, Verantwortlichkeit, S. 166; Martin, Bankuntreue, S. 98; vgl. auch Schönke/Schröder/Perron, § 266, Rn. 20. 8 BGHZ 135, 244 ff. („ARAG/Garmenbeck“). 9 Vgl. Hüffer, § 93, Rn. 4a: die business judgment rule ist nicht übernommen, sondern abgewandelt in die Haftungskonzeption des § 93 eingepasst worden. 10 Sogenannter Rückschaufehler (hindsight bias). In die deutsche Diskussion eingeführt von Fleischer, in: FS Wiedemann (2002), S. 827 (830); vgl. auch Langenbucher, DStR 2005, 2083 (2085).

B. Die unternehmerische Entscheidung im Rechtssinne

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dungsbereich der gesamten safe-harbour-Regelung ab11. Die Interpretation des Rechtsbegriffs der unternehmerischen Entscheidung ist der entscheidende Punkt für den Umfang gerichtlicher Nachprüfbarkeit von Geschäftsleiterhandeln. Die möglichst genaue rechtliche Einordnung der unternehmerischen Entscheidung in Gesellschafts- und Strafrecht ist deshalb von großer Bedeutung für den jeweiligen Umgang beider Rechtsgebiete mit wirtschaftlichem Handeln, aber auch für das Verhältnis beider Rechtsgebiete zueinander. Für die Aufarbeitung der Finanzmarktkrise scheint eine Konturierung des Begriffs weniger von Bedeutung zu sein, da das allseits in Rede stehende Investment in strukturierte Wertpapiere eindeutig eine unternehmerische Entscheidung darzustellen scheint. Gleichwohl sind auch in diesem Zusammenhang besondere Fragen zu dem Begriff aufgetaucht, auf die einzugehen sein wird.

I. Die unternehmerische Entscheidung im Gesellschaftsrecht – Typisierung schützenswerten Geschäftsleiterhandelns Im Aktiengesetz ist der Haftungsfreiraum im Rahmen des durch § 76 AktG gewährten Leitungsermessens in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG auf die unternehmerische Entscheidung beschränkt12. Obgleich im Zuge des UMAG allein im Aktienrecht normiert, stellt die Gewährung des Haftungsfreiraums bei unternehmerischen Entscheidungen einen allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundsatz dar, der auch bei anderen Rechtsformen zur Anwendung kommt13. Die Vorschrift ist 11 Ausdrücklich jüngst Holle, AG 2011, 778; siehe auch bereits Schneider, DB 2005, 707; ihm zustimmend Spindler, in: FS Canaris II (2007), S. 403 (414). 12 Kritisch zum juristischen Verständnis des Begriffs der Entscheidung aus betriebswirtschaftlicher Sicht zuletzt Graumann, ZGR 2011, 293 ff., der ihn entsprechend der betriebswirtschaftlichen Entscheidungslehre als einen dem Optimierungsgedanken verpflichteten Prozess verstanden wissen möchte. Danach ist die Entscheidung selbst ein Prozess, der viele Subentscheidungen voraussetzt. Die juristische Unterscheidung in Entscheidung und Entscheidungsvorbereitung sei künstlich. Angesichts der Tatsache, dass der safe harbour mit der angemessenen Informationsgrundlage ebenfalls einen prozeduralen Aspekt aufweist, innerhalb dessen im juristischen Schrifttum anerkanntermaßen eigene (unternehmerische) Entscheidungen getroffen werden, ist der Unterschied allerdings insgesamt eher als gering einzuschätzen. Angesichts dieser Tatsache ist auch die Gefahr des Entstehens eines falschen Leitbildes, jedenfalls der unternehmerischen Entscheidung als Gesamtbegriffs, akzeptabel (siehe a. a. O. (299)). Dass Sinn und Zweck der Einführung des safe harbour auch in der Sicherstellung der objektiven Rationalität liegt (darauf hinweisend Graumann, a. a. O. (297)), bedeutet zudem nicht, dass diese schon innerhalb des Entscheidungsprozesses selbst hergestellt werden muss (darauf letztlich selbst hinweisend Graumann, a. a. O. (298 f. m.w. N.). Zu Sinn und Zweck des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG siehe im Weiteren. 13 Lutter, ZIP 2007, 841 (847). Sofern sich aus dem Akzessorietätsgrundsatz eine entsprechend breite Anwendbarkeit auch für das Strafrecht ergibt, scheint deshalb die Herausarbeitung eines eigenständigen strafrechtlichen safe harbour nicht zwingend erforderlich zu sein; anders Adick, Organuntreue, S. 79 ff. Siehe dazu insbesondere Zweiter Teil: B.IV.3.d)dd).

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1. Teil: Die unternehmerische Entscheidung des Geschäftsleiters

insbesondere nach ganz h. M. auch im GmbH-Recht anwendbar und begrenzt die Haftung des Geschäftsführers nach § 43 Abs. 2 GmbHG, soweit ihm nach § 37 GmbHG ein Weisungsfreiraum gegeben ist14. Auch ist die Vorlagepflicht nach § 49 Abs. 2 GmbHG zu beachten, die gegenüber § 119 Abs. 2 AktG eine engere Bindung an den konkreten Willen der Gesellschafter zum Ausdruck bringt. Denn besonders nicht diversifizierte Gesellschafter sind im Zweifel weniger an unternehmerischen Risiken, als an der Bestandserhaltung und Überlebensfähigkeit der Gesellschaft interessiert15. 1. Zukunftsbezogenheit und Risiko als konstitutive Elemente der unternehmerischen Entscheidung im Rechtssinne Der Begriff der unternehmerischen Entscheidung wird auch nach Einführung von § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG zunächst allgemein negativ gegenüber Pflichten aus Gesetz, Satzung oder Anstellungsvertrag abgegrenzt16. Dort soll es verschiedene Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten nur soweit geben können, als sie rechtlich zulässig sind17. Die positive Umschreibung des Begriffs bereitet dagegen Schwierigkeiten und wird in der gesellschaftsrechtlichen Literatur nicht einheitlich vorgenommen. In der Regierungsbegründung zum UMAG18 finden sich als Anhaltspunkte für eine positive Umschreibung, dass es sich um eine bewusste Handlung oder Unterlassung handeln muss und dass unternehmerische Entscheidungen „infolge ihrer Zukunftsbezogenheit durch Prognosen und nicht justiziable Einschätzungen geprägt“ sind. Diese Prägung soll die unternehmerische Entscheidung nach der Regierungsbegründung von gesetzlichen, satzungsmäßigen und anstellungsvertraglichen Pflichten ohne Beurteilungsspielraum unterscheiden. Es muss sich außerdem um eine konfliktfreie Entscheidung handeln.

14 Vgl. BGH NZG 2008, 751 (752); BGH NJW 2003, 358 (359); OLG Stuttgart, GmbHR 2003, 835 (836); siehe aus der Literatur nur Lutter, NZG 2010, 601 sowie Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43, Rn. 16 jeweils m.w. N. Das Ermessen wird aufgrund der Organisationsverfassung der GmbH freilich nicht selten erheblich durch die Gesellschafter eingeschränkt, vgl. Kleindiek, a. a. O., und ausführlich Kuntz, GmbHR 2008, 121 ff. Zudem ist die entsprechende Anwendung aufgrund Interessenkonflikts dann ausgeschlossen, wenn der Geschäftsführer zugleich Gesellschafter ist, siehe Lutter, ZIP 2007, 841 (847 f.); ausführlich zu den Besonderheiten für den GmbHGeschäftsführer Fleischer, NZG 2011, 521 ff. 15 Fleischer, NZG 2011, 521 (525). 16 Bosch/Lange, JZ 2009, 225 (230); Lutter, ZIP 2007, 841 (843); Paefgen, AG 2004, 245 (251); Weiß/Buchner, WM 2005, 162 (163); Langenbucher, DStR 2005, 2083 (2085); für die GmbH siehe Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43, Rn. 16; kritisch zu einer primär negativen Abgrenzung Dauner-Lieb, in: FS Röhricht 2005, S. 83 (94). 17 Lutter, ZIP 2007, 841 (843); Bosch/Lange, JZ 2009, 225 (230); siehe unten Erster Teil: B.I.3.b) zum Problem der unklaren Satzungsvorgabe. 18 Begründung RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11.

B. Die unternehmerische Entscheidung im Rechtssinne

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Von diesen gesetzgeberischen Vorgaben wird insbesondere das Merkmal der Zukunftsbezogenheit entweder in Zweifel gezogen19 oder bei der Definition des Begriffs schlicht ausgelassen20. Entscheidend soll für das Vorliegen einer unternehmerischen Entscheidung danach nur sein, dass die Geschäftsleitung im Rahmen ihrer Leitungsmacht bewusst aus mehreren tatsächlich möglichen und rechtlich zulässigen Verhaltensweisen nach unternehmerischen Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten auswählt21. Namentlich Langenbucher hat sich ausdrücklich gegen das Erfordernis der Zukunftsbezogenheit gewandt22. Zwar seien die Zukunftsbezogenheit von Handlungsentscheidungen und daraus folgende Unsicherheitsmomente für das Verhalten von Geschäftsleitern prägend, es sei aber deshalb nicht angezeigt, diese zur Anwendungsvoraussetzung einer die Geschäftsleitung betreffenden Rechtsnorm zu machen23. Es handele sich bei der Beschreibung der unternehmerischen Entscheidung als zukunftsbezogene und von unsicherem Ausgang geprägte Handlung um eine zutreffende Beschreibung der Wirklichkeit. Normative Kraft besäßen diese Beobachtungen jedoch nicht24. Über die pauschale Forderung nach Zukunftsbezogenheit und prognostischem Charakter25 hinaus wird insofern andererseits teilweise ausdrücklich ergänzt, es müsse sich um eine Entscheidung unter Ungewissheit (Risiko oder/und Chance) handeln26, wobei die Art der für die Anwendbarkeit des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG für konstitutiv befundenen Zukunftsbezogenheit bzw. Unsicherheit unterschiedliche Ausprägungen erfährt. Insbesondere findet sich teilweise die ausdrückliche Forderung nach Unsicherheiten im weiteren Geschehensablauf 27. Richtigerweise wird man, ausgehend von Langenbucher bei einer Begriffsbestimmung vor dem Hintergrund des Gesetzeszwecks darauf zu achten haben, dass jedenfalls solche Tätigkeiten, die der Geschäftsleiter typischerweise vorzu19 Langenbucher, DStR 2005, 2083 (2086); Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, § 93 Abs. 1 Satz 2, 4 n. F., Rn. 18; zustimmend Seibt/Schwarz, AG 2010, 301 (305): „nicht zwingend zukunftsbezogen“. 20 Lutter, ZIP 2007, 841 (843); ebenso im Anschluss daran Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 93, Rn. 12. 21 Lutter, ZIP 2007, 841 (843); Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 93, Rn. 12; zustimmend Bosch/Lange, JZ 2009, 225 (230); ähnlich Langenbucher, DStR 2005, 2083 (2086). 22 Langenbucher, DStR 2005, 2083 (2086). 23 Langenbucher, a. a. O.; in diesem Sinne auch Müller, in: FS Happ (2006), S. 179 (181 und 193): Zukunftsbezogenheit sei kaum ein ausschließliches Kriterium unternehmerischer Entscheidungen. 24 Langenbucher, a. a. O. 25 Z. B. Weiß/Bucher, WM 2005, 162 (164); offen Fleischer, NJW 2005, 3525 (3528) m.w. N. 26 Vgl. nur Müller, in: FS Happ (2006), S. 179 (191) m.w. N. 27 Siehe dazu sogleich; ausdrücklich Schneider, DB 2005, 707 (708 und 711), in diesem Sinne auch Dauner-Lieb, in: FS Röhricht (2005), S. 83 (94 f. und 96) sowie Schäfer, ZIP 2005, 1253 (1256).

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1. Teil: Die unternehmerische Entscheidung des Geschäftsleiters

nehmen hat und bei denen verschiedene Handlungsmöglichkeiten eröffnet sind, dem Anwendungsbereich des safe harbour unterfallen. Denn, auch wenn die Typizität von Geschäftsleiterhandeln keine notwendige Bedingung für einen Rechtsbegriff sein mag, muss sie gleichwohl eine hinreichende Bedingung sein, wenn man dem Zweck der Einführung des safe harbour durch das UMAG, die unternehmerische Entscheidung als notwendiges Element wirtschaftlichen Handelns besonders zu schützen28, gerecht werden will. Dies muss sich im Zweifel zugunsten einer erweiterten Auslegung auswirken29. a) Inhalt der Zukunftsbezogenheit Hiervon ausgehend ist zunächst klarzustellen, dass der Prognosecharakter einer Entscheidung jedenfalls kein konstitutives Element darstellen kann, sofern damit die Einschätzung hinsichtlich selbständiger zukünftiger Entwicklungen gemeint ist. In der Finanzwirtschaft wird unter Risiko im engeren Sinne zwar die Möglichkeit ungünstiger zukünftiger Entwicklungen bzw. die Gefahr der Ziel- oder Strategieverfehlung aufgrund von hindernden Ereignissen oder Handlungen verstanden30. Entsprechend wird auch im juristischen Schrifttum eine Prognoseentscheidung teilweise als Entscheidung verstanden, deren ökonomischer Sinn von künftigen Entwicklungen und ihrer Beurteilung abhängt31. Aber wenngleich die so verstandene Prognoseentscheidung zweifellos fundamentaler Bestandteil unternehmerischen Handelns ist32, würde, sie zum konstitutiven Element der unternehmerischen Entscheidung im Rechtssinne zu machen, bedeuten, eine unternehmerische Tätigkeit immer nur dann besonders zu schützen, wenn der Geschäftsleiter eine Einschätzung über von der Entscheidung unabhängige Entwicklungen vorzunehmen hätte33. In einer so verstandenen Zukunftsbezogenheit kann keine Anwendungsvoraussetzung für den safe harbour liegen. Abgesehen davon, dass auch die Regierungsbegründung dieses Verständnis nicht stützt, weil sie Prognosen und nicht justiziable Entscheidungen nebeneinander stellt, stellt diese Art der Entscheidung auch nicht das allein typische und damit schützenswerte Geschäftsleiterhandeln dar. 28

Vgl. BT-Drucks. 15/5092, S. 12. Vgl. Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, § 93 Abs. 1 Satz 2, 4 n. F., Rn. 17. 30 Vgl. Pampel/Krolak, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 15, Rn. 36; ebenso für die Rechtswissenschaft Bosch/Lange, JZ 2009, 225 (228). Unter dem Begriff Risiko im weiteren Sinne wird sowohl die positive als auch die negative Abweichung von einem Erwartungswert verstanden, siehe Pampel/Krolak a. a. O. 31 Siehe bereits Fn. 27 (Erster Teil) sowie Hüffer, § 93, Rn. 4 f. 32 Spindler, AG 2006, 677 (678). 33 So ist es zu verstehen, wenn für das Vorliegen einer unternehmerischen Entscheidung eine „unvorhersehbare Sachverhaltsentwicklung“ gefordert wird, so Schneider, DB 2005, 707 (711); ähnlich Schäfer, ZIP 2005, 1253 (1256): „In tatsächlicher Hinsicht ungewiss, wie sich die Dinge entwickeln.“ 29

B. Die unternehmerische Entscheidung im Rechtssinne

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In der Literatur wird zutreffend darauf hingewiesen, dass dem Geschäftsleiter auch ein Ermessen bei Zweckmäßigkeitsentscheidungen zustehen muss, die sich kaum durch einen so verstandenen prognostischen Charakter auszeichnen, wie z. B. bei Bilanzentscheidungen34. Bei der Aufstellung bspw. des Jahresabschlusses gewährt das HGB der Geschäftsleitung Ermessensspielräume; gleichzeitig handelt es sich um eine retrospektive Beurteilung35. Zwar beinhaltet die Ausübung von Bewertungswahlrechten und auch von Ansatzwahlrechten auch eine subjektive Zukunftseinschätzung im Sinne einer echten Prognose36; trotzdem stützen sich gerade Bewertungsentscheidungen auf die Einschätzung der gegenwärtigen Marktlage bzw. auf die Einschätzung darüber, ob sich der aktuell gewählte Wertansatz als für das Unternehmen nützlich erweist37. Eine Haftungsprivilegierung für Geschäftsleiter muss das Leitungsermessen auch soweit erfassen38. Die bilanzielle Außendarstellung hat vielfache Auswirkungen auf ein Unternehmen, wie z. B. auf den Unternehmenswert (am Kapitalmarkt), Refinanzierungskonditionen und die Kreditwürdigkeit im Allgemeinen39. An diesen Beispielen wird deutlich, dass die Anwendbarkeit des safe harbour nicht eine Prognose über zukünftige Entwicklungen zur Voraussetzung haben kann, sondern es grundsätzlich ausreichen muss, dass die Ungewissheit darauf beruht, dass – sei es aus Gründen der Komplexität und/oder des Zeitdrucks40 – nicht vorhersehbar, genauer: erkennbar ist, welcher Weg sich für das Unternehmen als der vorteilhaftere herausstellt – und zwar allein auf der Grundlage gegenwärtiger Umstände41. Denn diese Art Entscheidung ist für das Handeln des Geschäftsleiters ebenfalls derart prägend, dass sie vom Rechtsbegriff der unternehmerischen Entscheidung erfasst sein muss. Es muss im Grundsatz daher die Ungewissheit ausreichen, die sich aus dem Leitungsermessen bzw. daraus ergibt, dass der Geschäftsleiter aus mehreren tatsächlich möglichen und rechtlich zulässigen Verhaltensvarianten wählt42. Zwar hat der Bundesgerichtshof sich in seiner Leitentscheidung ARAG/ 34 Ausführlich Müller, in: FS Happ (2006), S. 179 (193); Spindler, NZG 2005, 865 (871); Bosch/Lange, JZ 2009, 225 (230). 35 Müller, a. a. O., S. 179 (187 und 192). 36 Vgl. Hennrichs, AG 2006, 698 (699 f.), der darauf hinweist, dass, obwohl die Bilanz insgesamt eine rückwärtsgerichtete Stichtagsaufnahme ist, keine Bilanz ohne prognostische Elemente auskommt. Beispiele für Prognosen, die in der Bilanz nach HGB enthalten sind, sind die Bildung von Rückstellungen und die zu schätzende Nutzungsdauer von Aktivgegenständen bei Abschreibungen, vgl. § 266 Abs. 2 und 3 HGB. 37 Spindler, in: FS Canaris II (2007); S. 403 (411). 38 Müller, a. a. O., S. 193. 39 Vgl. Müller, a. a. O., S. 190. 40 Siehe aber sogleich. 41 Vgl. auch Müller, a. a. O., S. 193: „Ausreichend muss . . . auch eine gegenwartsbezogene Entscheidung sein.“ 42 Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, § 93 Abs. 1 Satz 2, 4 n. F., Rn. 18; so auch Langenbucher, a. a. O. (2086); vgl. auch die Definition von Lutter, ZIP 2007, 841 (843), der auch darauf hinweist, dass Größe und Bedeutung der Maßnahme keine Rolle spielen

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1. Teil: Die unternehmerische Entscheidung des Geschäftsleiters

Garmenbeck zum Ermessen bei unternehmerischem Handeln des Vorstands hinsichtlich des Einräumens von Spielräumen im Erkenntnisbereich zurückhaltend gezeigt43, er hat dies aber auch nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Es darf zudem nicht außer Acht gelassen werden, dass die Entscheidung am Anfang einer Entwicklung der verstärkten Beschäftigung mit der Ausgestaltung des Haftungsfreiraums stand. b) Unsicherheit und das Risiko negativen Ausgangs Das Beispiel der Bilanzierung erhellt also, dass es nur um die Frage gehen kann, ob eine Entscheidung, um als unternehmerisch zu qualifizieren, zukünftige Auswirkungen haben können muss. Das Risiko bzw. die Unsicherheit muss, wenn überhaupt, nur darin liegen, dass sich eine Entscheidung zu einem späteren Zeitpunkt als nachteilig herausstellt. Dies betrifft insbesondere Entscheidungen, die in rechtlicher Hinsicht mit Unsicherheit behaftet sind44. Wiederum Langenbucher hat formuliert, dass auch die Nichtbestimmbarkeit der Auswirkungen einer Entscheidung ex ante und damit die Ungewissheit darüber, ob „das Richtige“ getan wird, für den Begriff der unternehmerischen Entscheidung nicht wesentlich sein darf 45. Auch insofern handelt es sich nach ihrer Auffassung um eine Beschreibung der Wirklichkeit ohne normative Kraft. Zuzustimmen dürfte dem vor dem Hintergrund der ratio des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG sein, soweit damit hinsichtlich des Begriffs der Ungewissheit die Forderung eines gewissen Grades an Wahrscheinlichkeit des negativen Ausgangs als problematisch angesehen wird. Denn dieser Grad ist kaum bestimmbar und ihn einzuschätzen ist gerade Teil des schützenswerten unternehmerischen Handelns. Dasselbe Problem besteht bei der Bewertung des Umfangs der Komplexität des der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts oder der Bestimmung des Grades des im Einzelfall vorliegenden Zeitdrucks46. Ein solches Verständnis der unternehmerischen Entscheidung beinhaltete allerdings einen Zukunftsbezug ohne inhaltliche Anforderungen – jedes gegenwärtige Verhalten zeichnet potenziell Auswirkungen in der Zukunft und umfasst damit auch Handeln, dass, weil im Einzelfall die Gefahr des negativen Ausgangs nicht bestand, eigentlich keines besonderen Schutzes bedarf. Es entspräche zugleich einem Verständnis, nach dem die Unterscheidung zwischen strikten Pflichtenbindungen und solchen, die können; damit ist nicht der Grad an Ungewissheit, sondern das Ausmaß des drohenden Schadens angesprochen. Aber auch in dieser Aussage liegt eine die Anwendbarkeit des safe harbours begünstigende Begriffsbestimmung. 43 BGHZ 135, 244 (254); hierauf beruft sich Schäfer, ZIP 2005, 1253 (1256). 44 Dazu sogleich unter Erster Teil: B.I.2. 45 Langenbucher, DStR 2005, 2083 (2086). 46 A. A. wohl Ihrig, WM 2004, 2098 (2104). Der Zeitfaktor kann jedoch bei der Beurteilung, ob der Umfang der eingeholten Informationen angemessen war, eine Rolle spielen, vgl. nur Spindler, in: FS Canaris II (2007), S. 403 (411 und 420).

B. Die unternehmerische Entscheidung im Rechtssinne

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unter Leitungsermessen getroffen werden, ausreicht. Da Entscheidungen, die keine negativen Auswirkungen haben können, nicht Gegenstand von Haftungsoder Untreueverfahren werden, erscheint es vor dem Hintergrund des Schutzzwecks der Norm sachgerecht, dieser Tatsache normative Kraft zu verleihen und die Anwendbarkeit des safe harbour entsprechend einzugrenzen. Hierbei handelt es sich freilich allein um ein theoretisches Problem. Man möchte gleichwohl in dogmatischer Hinsicht der Aussage zustimmen, dass (gänzlich) risikofreie Entscheidungen per definitionem keine unternehmerischen Entscheidungen im Rechtssinne sein können47. 2. Tatsächliche versus normative Unsicherheit Ein besonders wichtiger Aspekt des Problems des Inhalts der Zukunftsbezogenheit bzw. der Prognose ist die Frage, welcher Art das Risiko bzw. die Unsicherheit sein muss, d.h. ob auch Unsicherheiten in der Rechtsanwendung den safe harbour zur Anwendung bringen können. Vielfach ist es bereits schwierig zu bestimmen, ob es sich bei der betreffenden Entscheidung um eine unter tatsächlicher oder rechtlicher Unsicherheit oder um beides handelt48. So besteht schon keine Einigkeit, ob etwa Kartellabsprachen die Anwendbarkeit begründende, zukunftsbezogene, durch „Prognosen geprägte“ Maßnahmen sind49. Schwierigkeiten ergeben sich hier zusätzlich daraus, dass dort, wo es um die Einhaltung von Gesetzen geht, vom Geschäftsleiter das Legalitätsprinzip zu beachten ist und ggf. entsprechende Abgrenzungen vorgenommen werden müssen. Im „ungeregelten Bereich“, also bspw. bei von tatsächlichen Unsicherheiten geprägten Investitionsentscheidungen, spielt das Legalitätsprinzip keine Rolle50. a) Externer Gesetzesverstoß als Risikoverwirklichung Im Grundsatz unstreitig ist, dass Unternehmen, respektive die handelnden Organe, die Vorgaben der Rechtsordnung einzuhalten haben und dass bei einer Verletzung externer Vorschriften stets eine Pflichtverletzung vorliegt, die nicht vom safe harbour erfasst wird51. Klare Rechtsverstöße sind vor allem auch dann nicht vom Leitungsermessen erfasst, wenn die Gesellschaft hierdurch in der Summe 47 Semler, in: FS Ulmer (2003), S. 627; zustimmend Dauner-Lieb, in: FS Röhricht (2005), S. 83 (96). 48 Vgl. Schäfer, ZIP 2005, 1253 (1256): „Einordnung eines Entscheidungstyps (bleibt) heikel; gekennzeichnet durch schwer zu systematisierendes mixtum compositum aus tatsächlicher und rechtlicher Ungewissheit.“ 49 Siehe Thümmel, DB 2004, 471 (472) einerseits und Schäfer, ZIP 2005, 1253 (1256) andererseits. 50 Vgl. Paefgen, AG 2004, 245 (251 f.). 51 Vgl. zuletzt Brand/Sperling, AG 2011, 233 (234) m.w. N.; siehe zudem Fleischer, ZIP 2005, 141 (144); Spindler, in: FS Canaris II (2007), S. 403 (412); kritisch im Hin-

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einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt (sogenannter efficient breach)52. Die Auseinandersetzung mit dem Zusammenspiel der Legalitätspflichten des Geschäftsleiters mit dem Leitungsermessen ist nicht neu53. Das Problem wurde im Zuge der Einführung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG in der Wissenschaft aber wieder verstärkt diskutiert54. Dabei ist die Behandlung unklarer Rechtslagen nach wie vor Gegenstand streitiger Auseinandersetzung55. aa) Die Notwendigkeit des Zulassens einer Abwägung mit dem Legalitätsprinzip bei unklarer Rechtslage Insbesondere diejenigen, die die Zukunftsbezogenheit enger verstehen, möchten dem Geschäftsleiter bei Unsicherheiten in Bezug auf die Rechtslage nicht entgegenkommen, weil der Gesetzesverstoß schon im Entscheidungszeitpunkt feststehe, ohne dass die tatsächliche spätere Entwicklung diese Beurteilung noch in irgendeiner Weise beeinflussen könne56. Die Anwendbarkeit des safe harbour wird als Konsequenz dieser Grundannahme auch dann abgelehnt, wenn es um reines Privatrecht geht, also z. B. um die Entscheidung zum Vertragsbruch. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass es sich bei der unternehmerischen Entscheidung nicht um einen naturalistischen Begriff, sondern um einen Rechtsbegriff handelt, der durch die Teleologie geprägt wird. Der telos gebe aber vor, dass der safe harbour nicht vor der fahrlässigen Verkennung der Rechtslage bewahre57. Zudem dürfe eine Unterscheidung zwischen strikten Pflichtenbindungen und anderen nicht getroffen werden, weil die Regierungsbegründung die unternehmerische Entscheidung ausdrücklich gegen die rechtlich gebundene Entscheidung abgrenze58. Der Geschäftsleiter wird stattdessen auf den sog. entire fairness test verwiesen, in dessen Rahmen eine Pflichtverletzung nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG im Einzelfall abgelehnt werden könne59.

blick auf die Sanktionswirkung für das Unternehmen allerdings Ransiek/Hüls, ZGR 2009, 157 (159 f.). 52 Fleischer, ZIP 2005, 141 (145 und 148); Spindler, in: FS Canaris II (2007), S. 403 (425); Ihrig, WM 2004, 2098 (2104); Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, § 93, Rn. 99; Brand/Sperling, AG 2011, 233 (234). 53 Siehe schon Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 17 ff. 54 Vgl. Paefgen, AG 2004, 245 (251 f.); Fleischer, ZIP 2005, 141 ff.; Ihrig, WM 2004, 2098 (2104 f.); Spindler, NZG 2005, 865 (872); Schäfer, ZIP 2005, 1253 (1256); Thümmel, DB 2004, 471 (472). 55 Siehe insbesondere jüngst Holle; AG 2011, 778 ff.; umfassend jetzt Kaulich, Die Haftung für Rechtsanwendungsfehler. 56 Schäfer, a. a. O. (1256), ebenso Ihrig, a. a. O. (2104 f.). 57 Schäfer, a. a. O. (1256). 58 So Ihrig, a. a. O., S. 2104 f. unter Hinweis auf Begründung RegE UMAG, BTDrucks. 15/5092, S. 11. 59 Ihrig, a. a. O. (2105); Schäfer, a. a. O. (1256).

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Diesen Ansichten liegt, entsprechend den zuvor gemachten Ausführungen zunächst die falsche Einschätzung zugrunde, unternehmerische Entscheidungen müssten einen zukunftsbezogenen Charakter im Sinne einer echten Prognose aufweisen. Entscheidend ist jedoch der typischerweise unsichere Charakter einer Tätigkeit. Die ratio gebietet es folglich, grundsätzlich auch solche Entscheidungen in den Schutzbereich aufzunehmen, die im Angesicht unklarer Rechtslagen getroffen werden und bei denen sich im Nachhinein herausstellt, dass sich über die Vereinbarkeit mit dem Recht geirrt wurde. Es wäre mit der Wirtschaftspraxis und damit mit der Typologie geschäftsleitender Tätigkeit unvereinbar, derartige Entscheidungen vom Schutzbereich auszunehmen. Zu denken ist hier bspw. an den Umfang europarechtlicher Einflüsse auf das Wirtschaftsrecht und die anfänglichen Unsicherheiten, die in der Rechtsanwendung in den einzelnen Jurisdiktionen immer wieder entstehen, weil es an konsistenten Interpretationen durch Literatur und Rechtsprechung fehlt60. Nicht stichhaltig ist auch das Argument, weil die Regierungsbegründung die unternehmerische Entscheidung ausdrücklich gegen die rechtlich gebundene Entscheidung abgrenze, könne keine Unterscheidung zwischen strikten (externen) Pflichtenbindungen und anderen getroffen werden61. Eine solche Sichtweise lässt zum einen außer Acht, dass im Gegensatz zur Situation bei klarer Rechtslage das Innenverhältnis zwischen Geschäftsleiter und Gesellschaft entscheidend in den Vordergrund rückt, weil die Pflichten des Geschäftsleiters im Innenverhältnis in einem solchen Fall erst durch eine Abwägung der für die Bestimmung des Unternehmensinteresses im Einzelfall maßgeblichen Gesichtspunkte deutlich werden62. Und auch hier kann sich für den Geschäftsleiter nach Sinn und Zweck des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG das Bedürfnis nach Haftungserleichterungen ergeben. Besagte Sichtweise vernachlässigt darüber hinaus, dass der Gesetzgeber Unsicherheiten im rechtlichen Bereich durchaus als für das Vorliegen einer unternehmerischen Entscheidung relevant erachtet, wenn er sich mit Beurteilungsspielräumen befasst63. Dass der Geschäftsleiter sich bei Zweifeln ggf. rechtlich beraten lassen muss, ist eine Frage des Handelns aufgrund angemessener Informationen, nicht des Begriffs der unternehmerischen Entscheidung64. Die Fokussierung auf tatsächliche Unsicherheiten wie den möglichen Tod eines wichtigen Zeugen oder mögliche Rechtsanwendungsfehler des Ge60 Den europarechtlichen Einfluss ebenfalls ausdrücklich erwähnend Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen, S. 187 f.; zur Typizität der Anwendung unbestimmter Normen durch Geschäftsleiter sogleich unter Erster Teil: B.I.2.a)cc). 61 So aber Ihrig, WM 2004, 2098 (2104); vgl. dazu auch Spindler, in: FS Canaris II (2007), S. 403 (415), der sich angesichts der Gesetzesbegründung für eine analoge Anwendung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG ausspricht. 62 Zur hier notwendigen Untscheidung zwischen Außenverhältnis und Verbandsinnenverhältnis ausführlich Kaulich, Die Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 161 ff. sowie S. 169. 63 Vgl. BT-Drucks. 15/5092, S. 11; dazu sogleich näher unter cc). 64 Ebenso Spindler, in: FS Canaris II (2007), S. 403 (420).

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richts65 geht an der Sache vorbei. Es muss eine Abwägung zugelassen werden, bei der das Legalitätsprinzip in Fällen der zweifelhaften oder unklaren Rechtslage sachgerecht eingeschränkt werden kann66. bb) Inhalt der Abwägung Die Diskussion um die Abwägung des Legalitätsprinzips mit der Zulässigkeit gesetzeswidrigen Verhaltens betrifft traditionell vor allem die Frage der Erlaubtheit des Verstoßes gegen eindeutige Pflichten zum Nutzen der Gesellschaft. Die Ausführungen unter aa) deuten jedoch bereits an, dass in Zukunft eine andere Akzentuierung an Gewicht zunehmen dürfte, nämlich die Frage nach der Gewährung von Ermessen bei unklarer Rechtslage. Im Zuge der Abwägung nimmt die herrschende Meinung auch bereits jetzt eine Abgrenzung zur strikten Pflichtenbindung vor, indem sie im Rahmen der Abwägung fragt, ob der Pflichteninhalt sich erst unter Einbeziehung und Abwägung der für die Bestimmung des Unternehmensinteresses im Einzelfall maßgeblichen Gesichtspunkte genauer bestimmen lässt67. Wie eng hier die Grenze zu ziehen ist bzw. wie „illegal“ ein Verhalten sodann sein muss68, um aus dem Anwendungsbereich des safe harbour zu fallen, ist abstrakt kaum eindeutig bestimmbar69. Abzulehnen ist aber die Ansicht, ein unternehmerisches Ermessen entfalle nur bei der vorsätzlichen Verletzung von Strafvorschriften70. Eine solche Sichtweise muss sich in rechtspolitischer Hinsicht fragen lassen, ob sie jemanden, der nach dem Muster „Law-asPrice“ 71 Ordnungswidrigkeiten veranlasst, in den Stand des gesetzestypischen Geschäftsleiters erheben möchte. Ein sachlicher Grund für eine solche Sichtweise ist schlicht nicht ersichtlich72. Kein besonderes Problem bezüglich der Abwägung mit dem Legalitätsprinzip bereitet auch die Verletzung von Vertragspflichten73, wenn und weil das öffentliche Interesse nicht betroffen ist und die zivilrechtlichen Haftungsnormen zugunsten der anderen Vertragspartei einen entsprechenden Ausgleich vornehmen. Ist allerdings das öffentliche Interesse, bspw. im Rahmen von § 826 oder § 823 BGB i.V. m. einer öffentlich-rechtlichen Vorschrift betroffen, kann auch hier eine unternehmerische Entscheidung ausschei65

So Schäfer, a. a. O. (1256). Vgl. Fleischer, ZIP 2005, 141 (149). 67 Vgl. Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 25 f.; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, § 93 Abs. 1 Satz 2, 4 n. F., Rn. 18; Fleischer, ZIP 2005, 141 (144 ff.); kritisch zu dieser Formulierung Spindler, in: FS Canaris II (2007), S. 403 (412, Fn. 57), der aber das Vorliegen einer unternehmerischen Entscheidung bejaht (414 f.). 68 Vgl. Paefgen, AG 2004, 245 (251). 69 Zusammenfassend Fleischer, ZIP 2005, 141 (144 ff.). 70 So Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 132. 71 Vgl. Fleischer, a. a. O. (149). 72 Kaulich, Die Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 101. 73 Vgl. Fleischer a. a. O. (150); Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, § 93, Rn. 109. 66

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den74. Eindeutig nicht schutzwürdig sind Verstöße gegen Normen, die offensichtlich im öffentlichen Interesse bestehen, wie bspw. Umweltnormen75, bei denen während der Zeit des Verstoßes auf Kosten der Allgemeinheit eigene Kosten gespart werden76 und bei denen außerdem die Gefahr des Versuchs besteht, den Verstoß mit Blick auf den good will dauerhaft zu verbergen. Die Verletzung solcher aus „allgemeinen Gesetzen“ stammenden Pflichten soll nach h. A. entsprechend regelmäßig einen Pflichtverstoß begründen77. Hier sind des Weiteren die Vorschriften des Zivil- und Wirtschaftsrechts, namentlich des Bilanz-, Kartellund Wettbewerbsrechts, sowie die weiteren Vorschriften des öffentlichen Rechts angesprochen78. Auch in diesen Bereichen soll sich der Geschäftsleiter bei zweifelhafter Rechtslage aber für die für das Unternehmen günstige Version entscheiden können, sofern sie vertretbar ist79. Bedingt durch jüngere Entwicklungen im öffentlichen Recht hat sich in diesem Bereich zudem ein zusätzliches Verständnis für die Situation des Geschäftsleiters entwickelt und zwar insbesondere mit Blick auf die vielfache Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe. Die grundsätzliche Berechtigung, den Geschäftsleiter auch bei der Anwendung interpretationsbedürftiger Rechtsnormen zu schützen, wird verstärkt deutlich, wenn man sich die Entwicklung vor Augen führt, Geschäftsleitungen für das Unternehmen ganz erhebliche Rechtseinschätzungen eigenverantwortlich vorzunehmen zu lassen, ohne ihnen hierbei die Möglichkeit zu eröffnen, ihr Verhalten verwaltungsrechtlich abzusichern80. Diese öffentlichrechtlichen Verfahrensvereinfachungen gehen Hand in Hand mit der Einführung unbestimmter Rechtsbegriffe, was im Einzelfall zu erheblicher Rechtsunsicherheit für den Geschäftsleiter führen kann, wobei die ihm drohenden Sanktionen nicht weniger scharf geworden sind – sei es direkt gegen den Geschäftsleiter als Organ oder als Inanspruchnahme durch die primär herangezogene Gesellschaft81. Die Anwendung des safe harbour auf die Auslegung unbestimmter Rechtsvorschriften ist zudem auch für das Bankaufsichtsrecht und damit für haftungs- und strafrechtliche Anknüpfungen bei der Aufarbeitung von Geschäftsleiterhandeln im Vorfeld der Finanzmarktkrise von Bedeutung.

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Vgl. Spindler, in: FS Canaris II (2007), S. 403 (424 f.). Vgl. das Beispiel bei Ihrig, WM 2004, 2098 (2104). 76 Vgl. Spindler, in: FS Canaris II (2007), S. 403 (425) m.w. N. 77 Fleischer, a. a. O.; vgl. auch Brand/Sperling, AG 2011, 233 (234) m.w. N. 78 Fleischer, a. a. O. 79 Hopt, in: GroßKommAktG, § 93, Rn. 99 m.w. N.; Fleischer, a. a. O. (149 f.); vgl. auch die Stellungnahme des Bundesrates zum UMAG, in der Kartellabsprachen trotz Gesetzeswidrigkeit als unternehmerische Entscheidungen bezeichnet werden, BTDrucks. 15/5092, 33 f. 80 Ausführlich Spindler, in: FS Canaris II (2007), S. 403 ff., ähnlich Thole, ZHR 173 (2009), 504 (521). 81 Vgl. Spindler, a. a. O., mit Beispielen aus dem Kapitalmarkt- und Kartellrecht. 75

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1. Teil: Die unternehmerische Entscheidung des Geschäftsleiters

cc) Insbesondere: unternehmerische Entscheidung und unbestimmter Rechtsbegriff Wie erörtert, spielt aus praktischer bzw. typologischer Sicht zunehmend die Frage eine Rolle, ob und wie Unsicherheiten, die sich aus der Interpretationsbedürftigkeit unbestimmter Rechtsbegriffe ergeben, vom Schutzzweck der Norm erfasst sind. Hier finden sich zum einen Rechtsbegriffe, für die ein Beurteilungsspielraum anerkannt ist. Diesbezüglich wurde vor Inkrafttreten des UMAG teilweise unterschieden zwischen einem tatbestandlichen Beurteilungsspielraum und der Anwendbarkeit des safe harbour82. Bestehe ein Beurteilungsspielraum, bedürfe der Geschäftsleiter keines darüber hinausgehenden Schutzes bzw. keiner „doppelten Absicherung“ 83. Ausgehend von der Prämisse, dass jedes Verhalten des Geschäftsleiters, für das keine strikte Pflichtenbindung besteht, unternehmerisches Handeln darstellt, umfasst nach anderem Verständnis der unternehmerische Handlungsspielraum den Beurteilungsspielraum, wobei auf die Regierungsbegründung zum UMAG verwiesen wird, die eben die Anwendung von einen Beurteilungsspielraum gewährendem Recht zu den unternehmerischen Entscheidungen zählt84. Nach beiden Ansätzen soll der Schutz aber nur einfach gewährt werden. Das überzeugt und entspricht dem Meinungsbild zu § 87 Abs. 1 AktG vor Inkrafttreten des UMAG. Die Entscheidung des Aufsichtsrates zur angemessenen Vergütung wurde einhellig als vor gerichtlicher Beurteilung besonders geschützt angesehen85. Dabei wurde jedoch nicht davon ausgegangen, dass zusätzlich zum Spielraum bei der Auslegung des Begriffs der Angemessenheit mit der business judgment rule ein weiterer, zusätzlicher Spielraum bestand86. Bereits Hoffmann-Becking87 hatte darauf hingewiesen, dass in der Verwendung der Begriffe „Handlungs-, Ermessens- und Beurteilungsspielraum“ lediglich „terminologische Unsicherheiten“ bei der Bestimmung der Entscheidungsfreiheit im Rahmen des § 87 Abs. 1 AktG lagen. (1) Unklare Rechtsnormen ohne gesetzlich intendierten Beurteilungsspielraum Die unter aa) behandelte und abgelehnte Ansicht bedingt, dass dann, wenn das Gesetz dem Geschäftsleiter keinen Beurteilungsspielraum gewährt, die Anwen82

Schwark, in: FS Raiser (2005), S. 381 (388). Schwark, a. a. O. (391 f.) zur Vergütungsentscheidung nach § 87 Abs. 1 AktG. 84 Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, § 93 Abs. 1 Satz 2, 4 n. F., Rn. 18. 85 Siehe nur die Nachweise bei Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155 (157, Fn. 9). 86 Vgl. auch BGHZ 111, 224 (227) zu den Bezügen eines GmbH-Geschäftsführers: eine Vergütung könne nicht deswegen als unangemessen beurteilt werden, weil eine anderer Betrag sich besser vertreten ließe. 87 ZHR (169) 2005, 155 (157 f.); vgl. auch Holle, AG 2011, 778 (779). 83

B. Die unternehmerische Entscheidung im Rechtssinne

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dung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG kategorisch ausgeschlossen ist88. Dem kann in seiner Absolutheit aus den genannten Gründen nicht gefolgt werden. Die Gesetzesbegründung äußert sich allerdings nicht zu unternehmerischem Ermessen bei Vorschriften ohne gesetzlich intendierten Ermessensspielraum89. Zutreffenderweise wird man die Lösung daran zu orientieren haben, ob die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe derart typisch für die Geschäftsleitertätigkeit ist, dass sie den Schutz des safe harbour verdient90. Hierbei könnte die Erarbeitung einer Gruppe von Vorschriften und Rechtsbereichen, die entsprechend interpretationsbedürftig sind und die Geschäftsleiter besonders häufig anwenden müssen, einen Mindeststandard an Rechtssicherheit gewährleisten. Denn auch hier muss die Typizität jedenfalls eine hinreichende Bedingung für die Anwendbarkeit des safe harbour sein. Und insofern wird von der h. M.91 bereits zu Recht angenommen, dass der Geschäftsleiter bei zweifelhafter Rechtslage grundsätzlich einen Handlungsspielraum hat, bei dessen Ausübung er Risiken und Chancen für die Gesellschaft gegeneinander abwägen muss. (2) Existieren rechtsökonomische oder teleologische Gründe für eine Nichtanwendbarkeit des safe harbour bei Beurteilungsspielräumen mit verbindlichem Pflichtenrahmen? – insbesondere: Risikomanagement Dass die Anwendung von bspw. § 87 AktG eine unternehmerische Entscheidung im Sinne von § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG darstellt – mit der konsequenten Anwendung des safe harbour – wird indes teilweise angezweifelt. Die wohl h. M. wendet nach Inkrafttreten des UMAG entsprechend den obigen Ausführungen den safe harbour zu Recht ohne Modifikationen auch auf rechtliche Unsicherheiten an. Dabei sind vor allem auch die Konstellationen umfasst, in denen innerhalb eines vorgegebenen festen Pflichtenrahmens ein Spielraum bei der Ausgestaltung der Pflichtenerfüllung gewährt wird. Eine prominentes Beispiel ist hier die Ausgestaltung des Risikomanagements nach § 91 Abs. 2 AktG – bei zwingender Pflicht zur Einrichtung desselben92. In der Literatur sind gegen die h. M. jüngst verschiedene Einwände vorgetragen worden. Namentlich Habersack ist einer Anwendung von § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG für diese Fälle entgegengetreten. Die Vorschrift sei auch dann nicht auf Pflichtaufga88

So ausdrücklich auch Holle, AG 2011, 778 (779). Insofern zutreffend Holle, AG 2011, 778 (780). 90 In diesem Sinne auch Spindler, NZG 2005, 865 (872); ausführliche Untersuchung bei Kaulich, Die Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 189 ff. mit dem Ergebnis, dass die Einschlägigkeit der ratio des safe harbour für den Einzelfall anhand der Maßgabe zu untersuchen ist, inwiefern die verbandsinterne Verteilung des Rechtsirrtumsrisikos beim Geschäftsleiter oder der Gesellschaft liegen soll, a. a. O., insbesondere S. 210 und 215. 91 Siehe Fn. 79 (Erster Teil). 92 Siehe nur MünchKommAktG/Spindler, § 93, Rn. 65. 89

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1. Teil: Die unternehmerische Entscheidung des Geschäftsleiters

ben anzuwenden, wenn den Organen hinsichtlich der Art und Weise der Pflichterfüllung ein Handlungsspielraum eingeräumt wird, denn sie habe mit diesen Fällen „nichts zu tun“ 93. In den besagten Fällen folge das unternehmerische Ermessen nicht aus der „Natur der Entscheidung“. Bei Pflichtenaufgaben könne § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG deshalb nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen. Dem hat sich Holle mit vor allem rechtsökonomischen Erwägungen angeschlossen94. Trotzdem er die Tatsache, dass Gesetze Beurteilungs- und Ermessensspielräume für Geschäftsleiter gewähren können anerkennt, betrachtet er die unveränderte Anwendung des safe harbour als unangemessen. „Pflichtaufgaben“ unterfielen nicht dessen Anwendungsbereich und sollten auch nicht als unternehmerische Entscheidungen bezeichnet werden. Sie sollten stets einer vollen inhaltlichen Kontrolle unterliegen95. Bezweifelt wird konkret, dass die ratio es gebietet, dem Geschäftsleiter die „komfortable Position, allein durch lückenlose Dokumentation des Entscheidungsvorgangs und den Nachweis loyalen Handelns“ eine inhaltliche Kontrolle zu ersparen96. Die Verwehrung einer verfahrensmäßigen Absicherung wird außerdem mit einer im Vergleich zu sonstigen Geschäftsführungsmaßnahmen fehlenden Gefahr einer Risikoaversion begründet. Weil § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG der Austarierung des Prinzipal-Agent-Konflikts diene, sei seine Anwendung bei der Beachtung von Rechtsvorschriften nicht angebracht, denn diese verfolge der Geschäftsleiter nicht primär zugunsten des Prinzipals97. Von seiner „Funktionsweise“ sei außerdem der safe harbour nur für Fälle gedacht, in denen Marktchancen gegen Marktrisiken abzuwägen sind98. Schließlich sei die drohende unterschiedliche Behandlung von Rechtspflichten im Innen- und Außenverhältnis als „denklogische Verwerfung“ zu verhindern99. Derartige Versuche, den Anwendungsbereich des safe harbour kategorisch zu verengen, sind abzulehnen. Sie lassen außer Acht, dass die Frage auch eine empirische ist insofern, als eine (strenge) Legalitätspflicht sich mit dem Sinn des unternehmerischen Ermessens nur soweit vereinen lässt, wie das Gesetz hinreichende und zwingende Vorschriften enthält100. Es ist an dieser Stelle wichtig, 93

Habersack, in: Karlsruher Forum, S. 5 (17 f.). Holle, AG 2011, 778 ff. mit ausdrücklichem Bezug auf §§ 87, 91 AktG. 95 Holle, a. a. O. (785 f.); ähnlich auch OLG Düsseldorf, AG 2010, 126 (128): Dem Vorstand stehe bei der Begehung von Gesetzes- und Satzungsverstößen kein Ermessensspielraum zu. Zwingende Gesetzes- und Satzungsvorschriften hätten die Funktion, Handlungsgrenzen zu setzen, die nicht relativiert oder modifiziert werden dürfen. Einen Beurteilungsspielraum hätten Vorstandsmitglieder nur bei der Frage, wie sie innerhalb des gesetzlichen bzw. satzungsmäßigen Handlungsspielraums agieren. Siehe zu diesem Beschluss sogleich. 96 Holle, a. a. O. (783). 97 Holle, a. a. O. (782). 98 Holle, a. a. O. (784). 99 Holle, a. a. O. (784 f.). 100 In diesem Sinne auch bereits Fleischer, in: FS Wiedemann (2002), S. 827 (845). 94

B. Die unternehmerische Entscheidung im Rechtssinne

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geschäftsleitende Tätigkeit in der modernen Wirtschaft hinreichend genau zu typisieren101. Übersehen wird auch grundsätzlich, dass die Auslegung von Rechtsvorschriften von dem Eingehen tatsächlicher Risiken sich nicht immer deutlich unterscheiden lässt102. Das gilt besonders für die Einrichtung eines Risikomanagementsystems103. Der Annahme, bei der Anwendung von Rechtsvorschriften sei der Geschäftsleiter weniger schutzwürdig kann deshalb nicht gefolgt werden. Die Abwägung mit der Legalitätspflicht ist im Grundsatz ja gerade deswegen zuzulassen, weil die Pflichten des Geschäftsleiters im Innenverhältnis teilweise erst durch eine Abwägung der für die Bestimmung des Unternehmensinteresses im Einzelfall maßgeblichen Gesichtspunkte deutlich werden. Die strikte Trennung zwischen der Einhaltung von Rechtspflichten und „Geschäftsführungsmaßnahmen“ 104 funktioniert zudem keinesfalls durchgehend, und zwar insbesondere auch dann nicht, wenn, wie bei § 91 Abs. 2 AktG, ein verbindlicher äußerer Pflichtenrahmen existiert. Darüber hinaus sind gerade die Entscheidungen, die bei der Einrichtung des Risikomanagements zu treffen sind, zweifellos „ihrer Natur nach“ unternehmerische Entscheidungen105. Diese Erwägungen begründen, entgegen der dargestellten Ansicht, die Angemessenheit des Zulassens einer Abwägung mit der Legalitätspflicht teleologisch ganz allgemein und nicht nur bezogen auf Normen, die bei Gewährung eines Beurteilungsspielraums einen festen Pflichtenrahmen vorsehen. Sie dürften in letzterer Hinsicht auch Bedenken hinsichtlich der Anreizstruktur standhalten. Zweifellos spielt § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG gewissermaßen als Korrektiv des Korrektivs im Verhältnis zwischen Prinzipal und Agent eine wichtige verhaltenssteuernde Rolle, indem er die Anreize, die durch die gesteigerten Sorgfaltsanforderungen und die damit einhergehende erhöhte Haftungsgefahr geschaffen werden, wieder begrenzt106. Die Norm wird aber nicht abweichend von diesem Zweck für die Verletzung von Rechtsnormen gleichsam missbraucht, weil der Geschäftsleiter bei deren Anwendung auschließlich seine eigenen Interessen verfolgt107. Das ist mit Blick bspw. auf § 91 Abs. 2 AktG und § 87108 AktG unzutreffend, weil die

101 Siehe soeben unter bb); die Missachtung der dort genannten Schwierigkeiten bei Holle dürfte vor allem einer zu starren Orientierung an § 87 AktG geschuldet sein, dazu sogleich. 102 Siehe oben eingangs 2. 103 Die Einrichtung eines Compliance-Systems als „Grenzfall zwischen Business Judgment Rule und Legalitätspflicht“ bezeichnend Thole, ZHR 173 (2009), 504 (523), siehe auch unten Erster Teil: B.I.3.c). 104 Vgl. Holle, a. a. O. (782): „Jenseits gesetzlicher Bindungen . . .“. 105 Siehe unten Erster Teil: B.I.3.c). Auch die konkretisierenden Vorschriften des Bankaufsichtsrechts gewähren teilweise ganz erhebliche Spielräume der Ausgestaltung des Risikomanagements. Dazu im Einzelnen Dritter Teil: D.VI.2. 106 Siehe nur Fleischer, NZG 2011, 521 (522). 107 So ausdrücklich Holle, a. a. O. (784).

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1. Teil: Die unternehmerische Entscheidung des Geschäftsleiters

Spielräume, die der Gesetzgeber geschaffen hat, maßgeblich die Unternehmensorganisation betreffen. Darüber hinaus ist es auch bei externen Vorschriften nicht so, dass deren Einhaltung im Allgemeinen primär dem Interesse des Geschäftsleiters dient. Und selbst, wenn dies im Einzelfall zutrifft, besteht bei Verletzungen, die allein den Geschäftsleiter sanktionieren, gerade nicht die Gefahr, dass das Risiko der Gesetzesverletzung bei der Unternehmensführung auf den Prinzipal abgewälzt wird109. Die Annahme, die Risikoaversion könne in den besagten Fällen keine negative Auswirkung auch für den Prinzipal haben110, ist demnach unzutreffend. Die Sichtweise auf das Verhältnis zwischen Prinzipal und Agent kann sich zudem im Ausgang ändern, wenn es der Prinzipal selbst ist, der den Agenten im Innenverhältnis der rechtlichen Unsicherheit aussetzt111. Auch ist in Bezug auf externe Pflichten keine denklogische Verwerfung dadurch zu befürchten, dass Pflichten im Binnen- und Außenverhältnis inhaltlich unterschiedliche Maßstäbe erhalten. Zum einen geht es konstruktiv nicht darum, den safe harbour im Außenverhältnis anzuwenden112. Zum anderen ist es gerade Sinn und Zweck der Norm, dass die ins Binnenverhältnis übertragenen Legalitätspflichten im Einzelfall bezüglich der Haftungsfrage im Innenverhältnis eine andere Bewertung erfahren113. Zuzugeben ist allerdings, dass § 87 AktG in gewisser Weise einen Sonderfall darstellt, als der Aufsichtsrat sich hier tatsächlich nicht in einer typischen Geschäftsleitersituation befindet114. Daraus zu schließen, dass bei gesetzlich gewährten Spielräumen die mit der Anwendung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG einhergehende verfahrensmäßige Absicherung nicht angezeigt ist115, ist jedoch aus den genannten Gründen abzulehnen.

108 Zumal die Entscheidung nach § 87 AktG dem Aufsichtsrat obliegt, der hier grundsätzlich keine eigene Interessen hat; siehe aber unten Fn. 255 (Vierter Teil). 109 So aber Holle, a. a. O. (782). Dies geschieht ggf. – außerhalb der durch das Gesetz geschaffenen Anreizstrukturen – durch eine D&O-Versicherung, die allerdings in der Tat regelmäßig auch die Außenhaftung umfasst, vgl. nur Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 230. 110 Holle, a. a. O. (782). 111 Siehe unten Erster Teil: B.I.3.b). 112 So aber Holle, a. a. O. (784). 113 Siehe bereits unter Erster Teil: B.I.2.a)aa). In dogmatischer Hinsicht ist dieser Einwand zudem dann ohne Halt, wenn man den safe harbour wie hier mit der h. M. als Tatbestandsausschlussgrund, siehe Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 60 f.; Lutter in: FS Canaris II (2007), S. 245 (247) oder als Rechtsvermutung versteht, siehe Hüffer, § 93 Rn. 4c. 114 Vgl. Dauner-Lieb, in: FS Röhricht (2005), S. 83 (94 f.) zum MannesmannVerfahren: „Die Vergabe von Anerkennungsprämien oder Spenden verlangt Augenmaß, beinhaltet aber im Regelfall weder Unsicherheiten noch Risiken“. 115 Zumal das Korrektiv innerhalb des safe harbour, es müsse vernünftigerweise angenommen werden dürfen, zum Wohle der Gesellschaft gehandelt zu haben, durchaus in § 87 Abs. 1 AktG relevant ist.

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b) Problem: Abgrenzung zwischen klaren Pflichten und solchen, welche die Anwendung des safe harbour rechtfertigen Neben dem Problem der Abwägung zwischen der Legalitätspflicht und der ratio des safe harbour ergibt sich aus dem Gesagten insbesondere das theoretische und praktische Problem, im Einzelfall zwischen strikten Pflichtenbindungen und solchen, die die Anwendung des safe harbour rechtfertigen, zu unterscheiden116. Wie noch zu zeigen sein wird, wird dieses Problem nicht immer als solches wahrgenommen oder aber übergangen117. 3. Der Begriff der unternehmerischen Entscheidung in der Diskussion um die Finanzmarktkrise a) Das Investment in strukturierte Wertpapiere als klassischer Anwendungsfall des safe harbour Obige Differenzierungen zur Frage der Zukunftsbezogenheit spielen bei einer haftungs- und strafrechtlichen Aufarbeitung der Finanzmarktkrise prinzipiell weniger eine Rolle, denn soweit Gesetz, Satzung und Anstellungsvertrag ein Leitungsermessen gewähren, sind die Entscheidungen, die vor allem Geschäftsleiter von Banken treffen und die im Zuge der Finanzmarktkrise in die Diskussion gekommen sind, zweifellos unternehmerische Entscheidungen im Sinne von § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG, und zwar solche, die im Sinne der hier vorgenommenen Unterscheidung echten Prognosecharakter aufweisen. Denn der Erfolg des Investments bspw. in ABS118 ist selbstverständlich von einer ganzen Reihe von Entwicklungen abhängig, die nach der Kaufentscheidung beginnen oder sich fortsetzen119. Eine andere Frage ist, inwiefern die Voraussetzungen des safe harbour hier durch weitere Vorschriften konkretisiert werden120. b) Safe harbour und Unternehmensgegenstand Hinsichtlich der im Rahmen der Finanzmarktkrise in Deutschland besonders in den Fokus geratenen staatlichen und staatlich kontrollierten Kreditinstitute121 sind die Grenzen der Satzung, genauer: die Frage der Einhaltung des Unternehmensgegenstandes, im Verhältnis zum Begriff der unternehmerischen Entschei116

Vgl. Kaulich, Die Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 320. Sogleich unter Erster Teil: B.I.3.b). 118 Dazu unter Dritter Teil: C.I. 119 Vgl. auch Fleischer, NJW 2009, 2337 (2338): Investitionsentscheidungen mit hohem prognostischen Einschlag sind unternehmerische Entscheidungen „par excellence“. 120 Siehe Dritter Teil: D.VI.2.b). 121 Siehe Einleitung. 117

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dung von besonderer Bedeutung. Fraglich ist konkret, ob das Investitionsverhalten staatlich kontrollierter Kreditinstitute bzw. deren Engagement im Verbriefungsbereich vom Unternehmensgegenstand gedeckt war. Betroffen ist scheinbar zunächst nur die Frage, ob sich das Geschäftsverhalten innerhalb oder außerhalb der satzungsmäßigen Vorgaben hielt122 – mit dem vermutet klaren Ergebnis entweder des Satzungsverstoßes oder der Satzungskonformität, wobei ersterenfalls das Vorliegen einer unternehmerischen Entscheidung nach allgemeinen Grundsätzen ausscheidet123 und eine Pflichtwidrigkeit vorliegt. Erst auf den zweiten Blick in den Vordergrund rückt die Frage, ob die Anwendung von Rechtsvorschriften eine unternehmerische Entscheidung darstellen kann. Diese Frage ist im Zusammenhang mit einer Satzungsvorgabe im Fall der IKB Deutsche Industriebank AG (IKB), soweit ersichtlich, zum ersten Mal in einer Gerichtsentscheidung etwas deutlicher hervorgetreten. Sie betrifft auch andere Landes- und staatlich kontrollierte Banken. Abweichend von der prominenteren Diskussion um externe Gesetzesverstöße ist also die Legalverfassung der Gesellschaft betroffen und mit dem Unternehmensgegenstand zudem ein Aspekt, bei dessen Gestaltung jedenfalls die Anteilseigner privatrechtlich organisierter Banken124 trotz der Existenz von § 23 Abs. 5 AktG weitgehend frei sind125. aa) Der Fall IKB Deutsche Industriebank AG (1) Der Beschluss des OLG Düsseldorf Das OLG Düsseldorf 126 hat bezogen auf Geschäftsgebaren in der IKB, deren Anteile zum maßgeblichen Zeitpunkt zu 90 % von der KfW Bankengruppe gehalten wurden127, in einem Beschluss über die Anfechtungsklage betreffend den Widerruf der Bestellung eines Sonderprüfers die Auffassung vertreten, die Geschäftsleitung habe durch den Umfang ihres Engagements im Verbriefungsbereich ihre Sorgfaltspflicht nach § 93 Abs. 1 AktG aufgrund Satzungsverstoßes verletzt. Die Satzung sah als Unternehmensgegenstand „die Förderung der gewerblichen Wirtschaft“ vor. „Den Finanzierungsbedürfnissen des Mittelstandes“ war „bevorzugt Rechnung zu tragen“. Die betreffende Klausel enthielt den Zusatz, dass die Gesellschaft Bankgeschäfte aller Art betreiben und Finanzierungsleistungen aller Art erbringen kann und zu allen Geschäften und Maßnahmen berechtigt ist, die geeignet erscheinen, dem Gegenstand des Unternehmens zu 122

Siehe Freund, GmbHR 2011, 238 (241). Erster Teil: B.I.1. 124 Vgl. zu den verschiedenen rechtlichen Ausgestaltungen staatlicher Kreditinstitute Cahn/Müchler, in: FS Schneider (2011), S. 197 (199). 125 Siehe Hüffer, § 23, Rn. 23 ff. 126 OLG Düsseldorf AG 2010, 126 ff. 127 Die Bank wurde später von der privaten Investmentgesellschaft Lone Star übernommen, vgl. OLG Düsseldorf a. a. O. (126). 123

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dienen. Das Gericht sah es nach diesen Satzungsvorgaben als Pflichtverletzung an, dass in einem Geschäftsjahr das geschäftliche Gesamtvolumen zu 46 % aus Investments in Kreditverbriefungen und Liquiditätszusagen an in diesem Zusammenhang operierende Zweckgesellschaften bestand. Gegenstand der Investments waren insbesondere ABS sowie strukturierte Wertpapiere in Form sogenannter CDOs. Das Investment konzentrierte sich auf US-konsumentenkreditbezogene Portfolien, denen Kreditkartenforderungen, Hypothekenkreditforderungen und andere Verbraucherkreditforderungen zugrunde lagen128. Die Versagung des Schutzes von § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG begründet das Gericht damit, dass die Geschäftsleitung die Grenzen einer zwingenden Satzungsvorgabe überschritten habe. Bei Gesetzes- und Satzungsverstößen komme die Vorschrift nicht zur Anwendung129. Ob das Gericht damit tatsächlich sagen will, dass bei der Interpretation von Rechtsbegriffen ein Spielraum grundsätzlich ausgeschlossen ist, ist zweifelhaft130 und wäre aus bereits genannten Gründen abzulehnen. Festzustellen ist in jedem Fall, dass der Beschluss wenig Neigung zu einer Gewährung von Spielräumen aufgrund von Unwägbarkeiten bei der Rechtsanwendung erkennen lässt. Er macht aber angesprochene Problem131 evident, wie sehr es bei Rechtsnormen, die keinen Beurteilungsspielraum gewähren sollen, im Einzelfall darauf ankommt, ob die Norm als eine betrachtet wird, die einen für die Anwendung des safe harbour ausreichenden Grad an Interpretationsbedürftigkeit erreicht bzw., ob man den Geschäftsleiter für die Art der Entscheidung nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift besonders schützen möchte132. Das OLG Düsseldorf verneint beide Fragen, indem es erstens die Satzung für eindeutig dahingehend hält, dass die IKB in den besagten Geschäftsbereichen gar nicht oder nur in geringem Umfang hätte tätig werden dürfen133 und zweitens die Ansicht zu vertreten scheint, bei Fehlern in der Interpretation des Unternehmensgegenstandes seien Geschäftsleiter prinzipiell nicht schützenswert. Dies hat Kritik hervorrufen134. Die Geschäftsleitung bedürfe eines gewissen Spielraums bei der Einschätzung des Unternehmensgegenstandes. 128

Vgl. OLG Düsseldorf a. a. O. (128). OLG Düsseldorf a. a. O. (127). Der Beschluss ist hier allerdings nicht völlig klar. Ob für das Gericht nicht doch eine Form der Erheblichkeit (Anteil am Gesamtgeschäft, Volumen der Transaktionen) ausschlaggebend für die Ablehnung von § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG war und nicht bereits die Tatsache, dass eine Rechtsnorm ohne Beurteilungsspielraum betroffen ist, erscheint fraglich, wenn es im Beschluss heißt, dass „die gesetzten Handlungsgrenzen in erheblichem Maße“ überschritten wurden, s. a. a. O. (128) (Hervorhebungen in Haupttext und Fußnote durch Verfasser). 130 Den Beschluss in diesem Sinne interpretierend Spindler, NZG 2010, 281 (283). 131 Erster Teil: B.I.2.b). 132 Die Satzung der IKB hinsichtlich des Investments in subprime-Papiere für ambivalent haltend Florstedt, AG 2010, 315 (317). 133 OLG Düsseldorf a. a. O. (128). 134 Siehe Spindler, NZG 2010, 281 (283). 129

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1. Teil: Die unternehmerische Entscheidung des Geschäftsleiters

Zu klären ist, wie die Leitlinien des OLG Düsseldorf zu der Frage, ob die Einschätzung der Einhaltung des Unternehmensgegenstandes eine unternehmerische Entscheidung darstellen kann, zu bewerten sind. (2) Analyse Der im Beschluss ausgesprochene kategorische Ausschluss des Vorliegens einer unternehmerischen Entscheidung ist abzulehnen. Dass die Satzungsvorgaben zum Unternehmensgegenstand als Gesamtheit zwingend sind, kann allein die Ablehnung gerade nicht begründen135. Es stellt sich demnach konkret die Frage, wie der Fall der Auslegung einer Satzungsvorgabe zu handhaben ist, d.h., ob der safe harbour auch hier zur Anwendung kommen kann. Im Falle des positiven Ergebnisses wäre sodann fraglich, ob auch gerade die in Rede stehende Satzungsvorgabe dazu anhält, den Geschäftsleiter zu schützen. Insofern kann zunächst für Satzungen grundsätzlich nichts anderes gelten als für andere Rechtsnormen auch136. Bezogen auf den konkreten Fall wird dies daran deutlich, dass die hier verwendete Formulierung „. . . zu allen Geschäften und Maßnahmen berechtigt, die geeignet erscheinen, dem Gegenstand des Unternehmens zu dienen“, ebenso wie die in Satzungen vieler anderer Banken enthaltenen derart weit ist, dass sie aus aktienrechtlicher Sicht hinsichtlich des vorgeschriebenen Individualisierungsgrades zum Teil als an der Grenze des Erlaubten liegend betracht wird137. Dies hat für Banken in Form von Aktiengesellschaften gar zu der Einschätzung geführt, in Deutschland könnten die Gesellschaften aufgrund des Universalbankenprinzips dem Management hinsichtlich der Risikopolitik keine Vorgaben machen138. Anders, als im Falle externer Vorschriften zunehmend häufig, ist zwar der Geschäftsleiter grundsätzlich nicht zwingend der Gefahr ausgesetzt, ohne vorherigen „Persilschein“ eine Anwendungsentscheidung treffen zu müssen139, da er theoretisch die Anteilseigner befragen und ggf. eine Satzungsänderung herbeiführen kann. Nicht übersehen werden darf andererseits, dass die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft den Vorstand von einer Rücksprache bis 135

Erster Teil: B.I.2.a)cc)(2). Den Anwendungsbereich grundsätzlich für Bestimmungen in Satzung, Geschäftsordnung und Anstellungsvertrag öffnend auch Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen, S. 188; a. A. Ulmer, DB 2004, 859 (860): teleologische Interpretation schließt Gesetzesund Satzungsverstöße als unternehmerische Entscheidung aus; offen Spindler, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 71 (98) bezogen auf die Interpretation des Unternehmensinteresses. 137 Siehe OLG Köln, OLGZ 1981, 428 (430 f.); Hüffer, § 23, Rn. 24a; vgl. auch Florstedt, AG 2010, 315 (317) m.w. N.: „Allgemein lässt man den Universalbanken die – scheinbar gebotswidrig – leeren Wendungen wie ,Bankgeschäfte aller Art‘ zwar durchgehen . . .“. Eine derartige Formulierung als unproblematisch bzw. üblich betrachtend dagegen OLG Frankfurt, AG 2011, 173 f. 138 So Becker/Walla/Endert, WM 2010, 875 (877 und Fn. 36). 139 Vgl. oben Erster Teil: B.I.2.a)cc). 136

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auf die in § 119 AktG genannten Fälle gerade freistellt. Freilich ist dem Vorstand in Satzungsfragen und, nach der Holzmüller-Rechtsprechung, auch in anderen bedeutsamen Fragen die alleinige Leitungsmacht entzogen140. Jedoch bleibt im Aktienrecht gerade die Festlegung des strategischen Rahmens in der Leitungsverantwortung des Vorstandes141. Es sind deswegen insbesondere in Publikumsgesellschaften Konstellationen denkbar, in denen die Anwendung des safe harbour hier angemessen ist142. Dies mag bspw. der Fall sein, wenn der Vorstand sich angesichts der Wettbewerbslage schnell entscheiden muss, ob er in strukturierte Wertpapiere investiert143. Ihn bei der Einschätzung dieser Grenzen schutzlos zu stellen, erscheint zumindest dann nicht angemessen, wenn die Anteilseigner die Grenzen möglichst weit zu ziehen versuchen144. Dabei ist der Umstand, dass auch Gerichte korporative Satzungsklauseln ggf. mit Hilfe satzungsferner, aber bekannter Umstände interpretieren145, gerade ein Argument für die potenzielle Anwendung des safe harbour146. Insgesamt dürfte, bezogen auf die Rechtsfrage der Satzungsauslegung, die Bildung einer angemessenen Informationsgrundlage gegenüber der Situation bei der Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen im öffentlichen Recht gleichwohl weniger praktische Bedeutung haben. Die Bejahung eines Ermessensspielraums wird sich diesbezüglich deswegen auf eine Evidenzkontrolle reduzieren147. Die quantitativen Grenzen sollten in diesem Fall in entsprechender Anwendung der Holzmüller-Grundsätze148 weit gezogen werden149, zumal zu berücksichtigen ist, dass der Vorwurf nicht die Finanzierung anderer Bereiche als des Mittelstandes ist, sondern die Beschaffung von Mitteln 140 Siehe § 119 Abs. 1 Nr. 5 AktG und BGHZ 83, 122; auf die Relevanz der Holzmüller-Rechtsprechung in diesem Zusammenhang hinweisend Spindler, a. a. O. (283). 141 MünchKommAktG/Spindler, § 76, Rn. 17 und 19; Cahn/Müchler, in: FS Schneider (2011), S. 197 (202); die Kompetenzverteilung hinsichtlich der Leitungsverantwortung des Vorstandes streng betonend jüngst OLG Frankfurt, ZIP 2011, 2008 ff. 142 Im Ergebnis ebenso Spindler, NZG 2010, 281 (283); völlig unproblematisch vom Unternehmensgegenstand umfasst waren die Investments offenbar für Lutter, BB 2009, 786: „. . . kein IKB-Aktionär kann sich über das ,Ob‘ solcher Geschäfte beschweren, allenfalls über das ,Wie‘.“. 143 Im Fall der IKB war zudem dem Aufsichtsrat der Umfang der Betätigung im Verbriefungsbereich bekannt, vgl. OLG Düsseldorf a. a. O. (128). 144 Zur Erheblichkeit des Konkretisierungsgrades der Formulierung des Unternehmensgegenstandes für den Umfang des vorstandsautonomen Bereichs beispielhaft MünchKommAktG/Kubis, § 119, Rn. 66 (zum Beteiligungserwerb). 145 Vgl. Florstedt, AG 2010, 315 (317) m.N. 146 Anders Florstedt, a. a. O. 147 Vgl. auch Fn. 129 (Erster Teil). 148 BGHZ 83, 122, ergänzt durch BGHZ 159, 30 („Gelatine I“). 149 Vgl. Spindler, a. a. O. (283). In qualitativer Hinsicht betreffen diese Grundsätze prinzipiell Maßnahmen, die sich formal innerhalb des Unternehmensgegenstandes bewegen, vgl. BGHZ 159, 30 (38); MünchKommAktG/Kubis, § 119, Rn. 66. Das OLG Frankfurt AG 2010, 173 f. hat jedoch jüngst – unabhängig vom Erfordernis eines vorliegend jedenfalls zu verneinenden Mediatisierungseffektes – auch hinsichtlich der Frage, ob der Unternehmensgegenstand formal eingehalten ist, die Tendenz erkennen

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1. Teil: Die unternehmerische Entscheidung des Geschäftsleiters

durch Investments, die im Erfolgsfall potenziell dem Mittelstand zur Verfügung gestellt werden können150. Dass eine Haftung unter Umständen deshalb in Betracht kommt, weil die Investments in tatsächlicher Hinsicht auf nicht ausreichender Informationsgrundlage getätigt wurden, ist eine eigenständige, nachgelagerte Frage, die sich im Fall der Satzungsauslegung – anders als bei der Einrichtung des Risikomanagements als festem Pflichtenrahmen – trennen lässt. Zu konstatieren ist, dass im Zuge der Aufarbeitung der Finanzmarktkrise auch mit Blick auf die staatlich kontrollierten Banken die Bejahung einer unternehmerischen Entscheidung nicht vorschnell mit der Begründung verneint werden sollte, die Geschäftspraktiken hätten gegen den Unternehmensgegenstand bzw. die Satzung verstoßen. Der Beschluss des OLG Düsseldorf in der Sache IKB dürfte insofern weder im Ansatz noch im Ergebnis die richtigen Vorgaben machen. bb) Satzungsinhalt und öffentlicher Zweck – Wertpapiereigenhandel und Gewinnerzielung in staatlich kontrollierten Banken Das soeben für den Fall der IKB festgestellte Ergebnis, dass nämlich Satzungen im Einzelfall durchaus einen Grad an Interpretationsbedürftigkeit erreichen können, der ihre Auslegung zu einer unternehmerischen Entscheidung werden lässt, erscheint mit Blick auf die ratio besonders bei Publikumsgesellschaften plausibel, weil hier das Erlangen einer Zustimmung zum Tätigen bestimmter Geschäfte langwierig und schwierig sein kann. Vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise bedürfen aber gerade auch diejenigen Institute einer etwas ausführlicheren Analyse, bei denen der Staat oder eine staatlich kontrollierte juristische Person 100 % der Anteile hält bzw. hielt151. Die juristische Literatur hat sich insbesondere in der Person Lutters dreier Banken, die sich US-Wertpapiere mit einem Aufwand jeweils im zweistelligen Milliardenbereich beschafft hatten152, besonders gewidmet153. Die Bayern LB ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts, die West LB AG ist zu 100 % im Besitz der öffentlichen Hand und der öffentlichrechtlichen Sparkassen. Die Sachsen LB war eine Anstalt öffentlichen Rechts und wurde im Oktober 2007 in eine zu 100 % staatlich kontrollierte Aktiengesellschaft umgewandelt154. Die Satzungen aller Institute sahen zum maßgeblichen lassen, eine Maßnahme im Zweifel dem vorstandsautonomen Bereich zuzuordnen („. . . wenn eine satzungsmäßige Zulassung genereller Art existiert“). 150 Abweichend Lutter, BB 2009, 786 (789 f.): „. . . isolierbarer Geschäftszweig rein spekulativer Art“. 151 Auch die IKB war zum maßgeblichen Zeitpunkt keine Publikumsgesellschaft und unter staatlicher Kontrolle, s. o. 152 Über Zweckgesellschaften, vgl. Lutter, BB 2009, 786 (790). Vgl. zur Investitionsstruktur ausführlich unter Dritter Teil: C.I. 153 Lutter, BB 2009, 786 ff. 154 Vgl. Lutter, a. a. O. (786). Im Jahre 2009 wurde die Sachsen LB auf die Landesbank Baden-Württemberg verschmolzen.

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Zeitpunkt hinsichtlich des Unternehmensgegenstandes Formulierungen vor, die entweder hinsichtlich des „Ob“ oder des „Wie“ höchst unklare Vorgaben machten155. Die Sachsen LB beschrieb sich als „Geschäftsbank, die als öffentlich-rechtliches Wettbewerbsunternehmen Bankgeschäfte aller Art betreibt“. Die öffentlichen Aufgaben der Bank waren zwar deutlich bezeichnet, gleichzeitig enthielt die Satzung aber eine eindeutige Erlaubnis, „Geschäfte in Finanzinnovationen und -derivaten“ zu tätigen. Die entsprechende Klausel endet in ihrem letzten Absatz sodann mit dem Hinweis, dass die „Geschäfte der Bank unter Beachtung ihres öffentlichen Auftrags nach kaufmännischen Grundsätzen“ zu führen sei. Erblickt man in dieser letzten Anweisung eine solche, die dem Investment in bspw. CDOs nicht generell entgegensteht, jedoch hinsichtlich des „Wie“ entsprechender Geschäfte konkretisierende Vorgaben machen will156 bleibt dennoch unklar, welches Anteilsvolumen diese Art der Geschäfte einnehmen darf. Es erscheint zweifelhaft, von einem Rechtsanwender zu verlangen aus dieser Satzung herauszulesen, er dürfe bspw. ein Volumen von 30 % nicht überschreiten und ihm bei einer Überschreitung dieser Grenze den Verstoß gegen eine zwingende Satzungsnorm vorzuwerfen, wie es das OLG Düsseldorf etwa zu tun scheint. Auch den Satzungen der Bayern LB und der West LB lässt sich weder ein Verbot von Investments in ausländische Wertpapiere per se noch ein stichhaltiger Hinweis dazu entnehmen, in welchem Verhältnis Tätigkeiten nach „kaufmännischen Grundsätzen“ 157 zur Erbringung öffentlicher Aufgaben stehen158. Allerdings ist den vorgenannten Satzungen, ebenso wie der Satzung der IKB, die Intention zu entnehmen, der Geschäftsleitung bei der Beschaffung zusätzlicher Mittel zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben einen gewissen Spielraum zu verschaffen159. Diese Beispiele unterstreichen die potenzielle Angemessenheit der Bejahung eines unternehmerischen Handelns nicht nur bezüglich der Art und Weise innerhalb eines erlaubten Volumens, sondern bereits bei der Einschätzung auf der ersten Stufe, d. h. in welchem Umfang eine Tätigkeit überhaupt erlaubt ist. Es sollte hier nicht vorschnell davon ausgegangen werden, das Anteilsvolumen sei erheblich überschritten. Angesichts der Ausgestaltung insbesondere der Satzung der Sachsen LB erscheint es auch zweifelhaft, die besagten Aktivitäten am Kapitalmarkt als isolierbaren Geschäftszweig anzusehen, dem kein öffentlicher Zweck zukommen kann160. Dies bedeu-

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Vgl. zusammenfassend Lutter, a. a. O. So Lutter, a. a. O. (787). 157 Womit Tätigkeiten zur Gewinnerzielung gemeint sein dürften, vgl. Lutter, a. a. O. (787 f.). 158 Zu Ersterem ebenso Lutter, a. a. O. (jeweils 788). 159 So auch Lutter, a. a. O. (788), die Satzungen als „Chamäleons“ und „janusköpfig“ bezeichnend. 160 So aber Lutter, a. a. O. (789). 156

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1. Teil: Die unternehmerische Entscheidung des Geschäftsleiters

tete letztlich, individuelle Transaktionen, die allein der Gewinnerzielung dienen, generell als unzulässig einzuordnen161. Die Ablehnung des Vorliegens einer unternehmerischen Entscheidung lässt sich potenziell bei staatlich kontrollierten Banken allerdings auch losgelöst von entsprechenden Satzungsvorgaben aus einem Verstoß gegen den öffentlichen Zweck bzw. öffentlichen Auftrag herleiten. Dieser wird als Pflicht verstanden, die dem Handeln des Geschäftsleiters im Innenverhältnis ebenso Grenzen setzt, wie Satzung oder Anstellungsvertrag162. Die – auch wenn als korrekt unterstellte – Annahme, dass derartige Geschäfte ab einem gewissen Volumen den öffentlichen Zweck auch nicht mehr mittelbar erfüllen163, kann aber in Fällen wie vorliegend nicht zu Lasten der Geschäftsleitung gehen, weil aus dem öffentlichen Zweck pauschal eine strikte Pflichtenbindung abzuleiten sei164. Zusätzlich inkonsequent erscheint es, wenn sodann trotz der Feststellung eines klaren rechtswidrigen Verhaltens wegen Verstoßes gegen den öffentlichen Zweck davon ausgegangen wird, es habe im Grundsatz eine unternehmerische Entscheidung vorgelegen165. Mit dem Ausgeführten soll die überwiegende Tätigkeit auf dem ABS-Markt durch staatliche Banken nicht pauschal als wirtschaftspolitisch sinnvoll oder wünschenswert gutgeheißen werden. Dies kann hier nicht beurteilt werden. Aus typologischer Sicht ist aber festzuhalten, dass diese Art der Gestaltung von Satzungen hinsichtlich des Geschäftsleiterhandelns die ratio des safe harbour betreffen kann. cc) Wertpapiereigenhandel in Sparkassen Die Einschätzung, dass eine unternehmerische Entscheidung in besagten Fällen in rechtlicher Hinsicht vorliegen kann, rechtfertigt sich des Weiteren durch einen Vergleich mit der rechtlichen Innenausgestaltung in Sparkassen166. Es lässt sich nämlich erkennen, dass „janusköpfige“ Formulierungen nicht alternativlos sind bzw. umgekehrt durchaus als Aufforderung verstanden werden können, bspw. auf dem ABS-Markt mehr oder weniger umfänglich aktiv zu werden. 161 Was weder nach dem Wortlaut der in Rede stehenden Satzungen noch im Allgemeinen gewollt sein kann, vgl. Cahn/Müchler, in: FS Schneider (2011), S. 197 (213). 162 Vgl. Cahn/Müchler, a. a. O. (207). 163 So offenbar Lutter, a. a. O. (790). 164 So Lutter, a. a. O. (789 f.); ohne jede Rücksicht auf Volumina eine Pflichwidrigkeit aus dem Verstoß gegen den öffentlichen Zweck ableitend Schünemann, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 71 (89 f.). 165 Die unter Umständen wegen Uninformiertheit des Handelns nicht zur Anwendung der business judgment rule führt; Lutter, a. a. O. (790); vgl. auch oben unter (2) am Ende. 166 Siehe auch den konkreten Vergleich bei Lutter, a. a. O. (788 f.), der die Satzung der Landesbank Hessen-Thüringen gegen die vorgenannten Satzungen hält.

B. Die unternehmerische Entscheidung im Rechtssinne

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Auch auf die Tätigkeit von Sparkassenvorständen ist der safe harbour grundsätzlich anwendbar. Hinsichtlich des allgemeinen Sorgfaltsmaßstabs finden sich in einigen Sparkassengesetzen dem § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG entsprechende Vorschriften167. Soweit spezielle Sorgfaltsbeschreibungen für die Geschäftsleitung fehlen, soll der aktienrechtliche Maßstab gelten168. Dies erscheint in der Tat sachgerechter, als auf den weniger strengen Maßstab eines ordentlichen Kaufmanns nach § 347 Abs. 1 HGB abzustellen, weil der Sparkassenvorstand, ebenso wie der Vorstand einer (privaten) Aktiengesellschaft, treuhänderisch fremdes Vermögen verwaltet169. Der Sorgfaltsmaßstab ist entsprechend aktienrechtlicher Vorgaben bei unternehmerischen Entscheidungen erleichtert. Bei §§ 43 GmbHG, 34 GenG sollte dies aus einer analogen Anwendung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG folgen170, sofern das einschlägige Sparkassengesetz keine eigenen Vorgaben enthält171. Nach den Sparkassengesetzen sind die Sparkassen rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts172, die dem öffentlichen Zweck der Daseinsvorsorge dienen, der mit der Gewährleistung von geld- und kreditwirtschaftlichen Leistungen für die Bevölkerung, die Wirtschaft und die öffentliche Hand beschrieben ist173. Als Rechtsquelle für die Eingrenzung des Unternehmensgegenstandes kommen außerdem aufgrund der Sparkassengesetze erlassene Rechtsverordnungen hinzu, die, wie z. B. § 4 Abs. 3 Bay. SpkO174, zum Teil ausdrücklich sogenannte Spekulationsverbote enthalten. Auch die Sparkassengesetze erlauben indes regelmäßig das Betreiben aller „banküblichen“ Geschäfte, soweit sich nicht in der Satzung oder einer Rechtsverordnung weitere Einschränkungen finden. Diese Öffnung wurde allgemein als nötig und praktisch immer wichtiger werdend betrachtet, damit die Sparkassen den privaten Instituten als echte Wettbewerber entgegentreten können, da ihnen regelmäßig auch eine Wettbewerbssicherungsfunktion ob-

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So bspw. in § 25 Abs. 4 Satz 1 des baden-württembergischen SpkG. Kiethe, BKR 2005, 177 (180). 169 Cahn/Müchler, a. a. O. (206); siehe auch OLG Frankfurt, AG 2008, 453 (454). 170 Abweichend Cahn/Müchler, a. a. O. (208). 171 Vgl. § 10 Abs. 1 Satz 5 des niedersächsischen SpkG: „. . . wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung ohne grobe Fahrlässigkeit annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohl der Sparkasse zu handeln“. Zu beachten wäre hier, dass bei der Auslegung des Begriffs „Wohl der Sparkasse“ der Interessenpluralismus grundsätzlich eine größere Rolle spielen dürfte, als bei Privatbanken. 172 Siehe bspw. § 1 des baden-württembergischen SpkG. Die Sparkassengesetze anderer Länder enthalten meist entsprechende Vorschriften. 173 Vgl. Cahn/Müchler, in: FS Schneider (2011), S. 197 (199 f.). 174 Verordnung über die Organisation und den Geschäftsbetrieb der Sparkassen vom 21. April 2007 auf Grund von Art. 2 Abs. 1 Satz 1 und Art. 20 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die öffentlichen Sparkassen – Sparkassengesetz – SpkG – (BayRS 2025-1-I), zuletzt geändert durch § 9 des Gesetzes vom 24. Dezember 2002 (GVBl. S. 962). 168

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1. Teil: Die unternehmerische Entscheidung des Geschäftsleiters

liegt175. Insgesamt lässt sich dennoch sagen, dass bei den Sparkassen aufgrund der ergänzenden landesrechtlichen Vorschriften häufig erheblich detailliertere Vorgaben hinsichtlich Art und Umfang der Geschäfte existieren176, an denen sich ein Geschäftsleiter orientieren kann. Im Hinblick auf die Organisationsverfassung besteht darüber hinaus häufig die Besonderheit, dass im Gegensatz zur Aktiengesellschaft die Anteilseigner kein drittes Organ stellen, weil die Sparkasse nur einen – staatlichen – Träger hat, der seine Kontrolle über den dem Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft entsprechenden Verwaltungsrat ausübt177. Der Verwaltungsrat ersetzt die Anteilseigner als oberstes Organ und bestimmt auch die Richtlinien der Geschäftspolitik178. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zur Aktiengesellschaft, der die Schutzwürdigkeit des Geschäftsleiters bei Auslegung des Unternehmensgegenstandes senken dürfte. Festzuhalten bleibt, dass angesichts der rechtlichen Ausgestaltung der Sparkassen als öffentlich-rechtliche Anstalten und der regelmäßigen Organisationsverfassung bezüglich Inhalt und Umfang der erlaubten Geschäfte tendenziell engere Vorgaben bestehen, als bei freien Sparkassen und anderen Instituten unter staatlicher Kontrolle. c) Unternehmerische Entscheidung und Risikomanagement Ein im Zuge der Aufarbeitung der Finanzmarktkrise besonders in den Fokus gerückter Teilbereich des unternehmerischen Handelns ist das Risikomanagement in Kreditinstituten. Denn nach verbreiteter Ansicht wurde das Gesamtrisiko des Investments in die Papiere, die hauptsächlich mit dem Zusammenbruch des Finanzmarktes in Zusammenhang gebracht werden, vielfach falsch bewertet. Nach § 91 Abs. 2 AktG hat der Vorstand einer Aktiengesellschaft geeignete Maßnahmen zu treffen, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden. Er hat insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten. Die Vorschrift ist auf den Geschäftsführer der GmbH analog anwendbar179. Da sie ausdrücklich „nur“ auf den Fortbestand der Gesellschaft 175 Cahn/Müchler, a. a. O. (200). Die entsprechende Entwicklung in Instituten mit öffentlich-rechtlicher Beteiligung auf dem Weg in die Krise wird einem vor Augen geführt, wenn es bei Martin, Bankuntreue (2000), S. 110 noch heißt, dass die Auslegung der Satzungsvorgaben nicht deswegen aufgeweicht werden dürfe, weil öffentlich-rechtliche Institute zwischenzeitlich einem erhöhten Konkurrenzdruck ausgeliefert seien. Darauf wurde im Laufe der ersten Dekade des neuen Jahrtausends mit „janusköpfigen“ Formulierungen reagiert. 176 Vgl. Cahn/Müchler, a. a. O. (207). 177 Cahn/Müchler, a. a. O. (200). 178 Vgl. z. B. § 12 des baden-württembergischen SparkG. 179 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35, Rn. 33.

B. Die unternehmerische Entscheidung im Rechtssinne

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Bezug nimmt, ist nach h. M. im Gesellschaftsrecht die Einrichtung eines umfassenden Risikomanagements nach betriebswirtschaftlichem Verständnis, dass das Risiko eines jeden Geschäftsvorfalls unabhängig vom Schadenspotenzial kontrollierbar und kalkulierbar macht, nicht von § 91 Abs. 2 AktG erfasst180. Gemäß dem Wortlaut der Norm soll ausreichend sein, dass bezüglich bestandsgefährdender Entwicklungen – in Abgrenzung zu individuellen Vorgängen – Daten gesammelt, weitergeleitet und ausgewertet werden181. Allerdings kann gerade im Wertpapierhandel bereits ein einzelner Vorgang bestandsgefährdend sein182, weshalb das Risikomanagement bei starker Aktivität in diesem Bereich entsprechend auszugestalten ist. Welche Maßnahmen zur Erreichung dieses gesetzlich vorgegebenen Ziels konkret geeignet sind, lässt sich nach h. M. nur im Einzelfall unter Beachtung des unternehmerischen Ermessensspielraums beantworten. Dabei sind unter anderem die Lage des Unternehmens, das Risikopotenzial der Märkte, auf denen das Unternehmen tätig ist, aber auch die Größe des Unternehmens sowie die Art des Kapitalmarktzugangs zu berücksichtigen183. Für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute mit Sitz im Inland sowie für inländische Zweigstellen von Unternehmen mit Sitz in Drittstaaten nach § 53 KWG184 existiert mit § 25a KWG eine Sondervorschrift, die § 91 Abs. 2 AktG ergänzt, der nach h. M. seinerseits eine Konkretisierung von § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG darstellt185. Auf das allgemeine Verhältnis insbesondere von § 25a KWG und weiteren § 91 Abs. 2 AktG konkretisierenden Vorschriften zu den Sorgfaltsgeneralklauseln wird zurückzukommen sein, weil dieses Verhältnis potenziell die Bewertung der Untreuestrafbarkeit im Bereich des Risikomanagements zu beinflussen geeignet ist186. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich bei dem Investment in subprimePapiere um klassische unternehmerische Entscheidungen handelt und die Einhaltung von Risikosteuerungspflichten ein Handeln auf angemessener Informations-

180 Zimmer/Sonneborn, in: Risikomanagement nach dem KonTraG, § 1, Rn. 177; Fleischer, ZIP 2003, 1 (6); unter Hinweis auf europarechtliche Vorgaben zweifelnd jetzt Spindler, in: FS Hüffer (2010), S. 985 ff. 181 MünchKommAktG/Spindler, § 91, Rn. 20 f. 182 So schon die Regierungsbegründung zum Gesetz über die Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG), siehe BT-Drucks. 13/9712, S. 15; vgl. auch MünchKommAktG/Spindler, § 91, Rn. 22. 183 Begr. RegE BT-Drucks. 13/9712, S. 11, 15; MünchKommAktG/Spindler, § 91, Rn. 24; Spindler/Stilz-Fleischer, § 91, Rn. 33. 184 Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a, Rn. 42. 185 Vgl. MünchKommAktG/Spindler, § 91, Rn. 3, 17. Im Einzelnen streitig ist der Grad der Erheblichkeit, den die Vorgänge bezogen auf die Bestandsgefährdung für die Anwendbarkeit des § 91 Abs. 2 AktG erreichen müssen, vgl. Krieger/Sailer-Coceani in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 91 AktG, Rn. 9. 186 Dritter Teil: D.VI.2.

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1. Teil: Die unternehmerische Entscheidung des Geschäftsleiters

grundlage zumindest indiziert187, erscheint es geboten, die Normenbeziehungen hier klar zu bestimmen. 4. Zusammenfassung Die typische Behaftung einer Maßnahme mit Unsicherheit ist eine hinreichende Bedingung dafür, dass diese Maßnahme in den Schutzbereich des safe harbour fällt. In positiver Hinsicht setzt der Begriff der unternehmerischen Entscheidung voraus, dass es sich um eine Maßnahme handelt, die nachteilige Auswirkungen in der Zukunft haben kann, wobei die unterschiedlichen Möglichkeiten des Ausgangs sich im Grundsatz aus der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeit zu unterschiedlichen Handlungsentscheidungen, also dem Leitungsermessen selbst, ergeben. Daraus folgt, dass Entscheidungen, die mit rechtlicher Unsicherheit behaftet sind, grundsätzlich ebenfalls als unternehmerische Entscheidungen im Sinne von § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG188 zu qualifizieren sein können. Bezüglich der Einhaltung von externen Vorschriften ist das unternehmerische Ermessen mit dem Legalitätsprinzip in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Für das Vorliegen einer unternehmerischen Entscheidung ist unerheblich, dass die Gesetzmäßigkeit respektive der Gesetzesverstoß im Moment der Handlungsentscheidung theoretisch schon feststeht, weil der Geschäftsleiter typischerweise auch Entscheidungen trifft, bei denen allein oder überwiegend die Einschätzung des gegenwärtigen Sachstandes ausschlaggebend ist. Eine unternehmerische Entscheidung liegt jedenfalls in der Anwendung einer Vorschrift, die einen Beurteilungsspielraum gewährt; dies ergibt sich schon aus der Gesetzesbegründung. Bei übrigen unbestimmten Normen ist darauf zu schauen, ob die Anwendung der betreffenden Vorschrift zu den typischen Geschäftsleitertätigkeiten gehört. Die Anwendung des safe harbour ist nicht allein deswegen ausgeschlossen, weil trotz Gewährung eines Spielraums in der Ausgestaltung ein fester äußerer Pflichtenrahmen existiert, d.h., dass auch das versehentliche Überschreiten dieses Rahmens pflichtgemäß sein kann. Das gilt insbesondere für die Einrichtung eines Risikomanagements, das den Fortbestand der Gesellschaft zu sichern geeignet ist. Hinsichtlich des in den Satzungen von staatlich kontrollierten Banken umschriebenen Unternehmensgegenstandes ist nach dem Gesagten nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass der Wertpapierhandel und das Investment in subprime-Papiere bereits deswegen eine Pflichtverletzung darstellt, weil es in einem

187 Vgl. Schäfer/Zeller, BB 2009, 1706 (1708); aus strafrechtlicher Sicht Adick, Organuntreue, S. 102. 188 Seine analoge Anwendung auf die GmbH und andere Rechtsformen eingeschlossen.

B. Die unternehmerische Entscheidung im Rechtssinne

57

gewissen Umfang stattgefunden bzw. einen gewissen Anteil im Verhältnis zur gesamten Geschäftstätigkeit ausgemacht hat.

II. Die unternehmerische Entscheidung im Strafrecht 1. Das strafrechtliche Risikogeschäft und strafrechtliche Ansätze zur Bestimmung der Grenze erlaubten Geschäftsleiterhandelns Das Strafrecht hat das Problem der unternehmerischen Entscheidung als besonders zu würdigendes Verhalten unter dem Begriff des Risikogeschäftes ebenfalls früh aufgegriffen189. In der strafrechtlichen Literatur ist die Definition des Risikogeschäftes allerdings so lange umstritten, wie das Problem als solches anerkannt ist190. Anders als im Gesellschaftsrecht, wo der Begriff der unternehmerischen Entscheidung als Eingangsvoraussetzung nunmehr mitentscheidend dafür ist, ob der Geschäftsleiter in den Genuss des safe harbour kommt, wobei sich dies auf die inhaltliche Überprüfung der Entscheidung auswirkt, ist die strafrechtliche Definition im Ausgangspunkt nicht ganz so zentral, weil ein solcher Mechanismus im Strafrecht nicht installiert ist. Mit einer Begriffsdefinition des Risikogeschäftes allein ist über die Grenzen des erlaubten Verhaltens nichts gesagt191. Wenn für das Vorliegen eines Risikogeschäftes verlangt wird, dass die Ungewissheit des Ausgangs ein gewisses Maß erreicht192, so ist dies gleichsam als Grenze des erlaubten Verhaltens potenziell sowohl im Rahmen der Pflichtwidrigkeit als auch beim Schadensmerkmal von Bedeutung. Die jüngere strafrechtliche Rechtsprechung hat in ihre Bewertung der Einhaltung der Grenze des erlaubten Verhaltens die Beachtung von Verfahren bei der Entscheidungsfindung verstärkt einbezogen193. Dies wird von Teilen der Literatur als Reaktion auf die Erkenntnis der Unpraktikabilität der Feststellung inhaltlicher Grenzen des erlaubten Risikos verstanden194. Insbesondere bei der Untreue zum Nachteil von Banken hat sich eine Konzentration auf „formelle Gesichtspunkte“ herausgebildet. Insofern findet sich in der Literatur gar die Beobach-

189

Siehe schon oben Erster Teil: A. Vgl. Martin, Bankuntreue, S. 97 f. sowie Adick, Organuntreue, S. 52. 191 Vgl. Kohlmann, Verantwortlichkeit, S. 166. 192 Vgl. Schönke/Schröder/Perron, StGB, § 266, Rn. 20. 193 Vgl. Adick, a. a. O., S. 85 ff. unter Hinweis auf BGHSt 46, 30 (34) und 47, 148; Seibt/Schwarz, AG 2010, 301 (307); vgl. Dittrich, Die Untreuestrafbarkeit, S. 220 f. zum „gesellschaftsrechtlichen Merkmal“ der innerbetrieblichen Transparenz aus BGHSt 47, 187 (199). 194 Siehe auch schon BGH NJW 1975, 1234, 1236: „Die Grenzen zwischen vertretbarem und unverantwortlichem Risiko sind fließend“; siehe LK-Schünemann, § 266, Rn. 94; kritisch zur Beurteilung der Strafbarkeit nach Verlustwahrscheinlichkeiten jüngst auch Adick, a. a. O., S. 57 ff. 190

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1. Teil: Die unternehmerische Entscheidung des Geschäftsleiters

tung, dass den Entscheidungsträgern nicht justiziable Bewertungsspielräume von den Gerichten eröffnet werden, wenn sie die Verfahrensregeln einhalten und dass die eigenständige materielle strafrechtliche Bewertung durch eine prozessorientierte Sichtweise ersetzt worden ist195. Die Nähe der strafrechtlichen Grundsätze zu den gesellschaftsrechtlichen Ansätzen, die der Bundesgerichtshof in Zivilsachen in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung196 herausgearbeitet hat, hat zu der Einschätzung geführt, es handele sich um einen „strafrechtlichen ,Vorläufer‘“ zu dieser Rechtsprechung197 und bei dem Begriffs des Risikogeschäftes um ein Synonym für die unternehmerische Ermessensentscheidung198. Die Einhaltung von Verfahrensvorschriften zur Grundlage der Bestimmung der Pflichtgemäßheit von Handeln zu machen, ist als Ansatz in der Literatur aber teilweise auch auf Ablehnung gestoßen. Auf eine materielle Überprüfung der Pflichtwidrigkeit könne letztlich nicht verzichtet werden; die Einhaltung von Verfahren könne nur indizielle Bedeutung haben199. Die Heranziehung formeller Vorschriften wird dabei teilweise als zu täterfreundlich200, teilweise als zu streng empfunden201. Beide Strömungen teilen ein Unbehagen hinsichtlich des fehlenden Bezugs formeller Vorgaben zum geschützten Rechtsgut202. Auf die Vermögensrelevanz formeller Vorschriften und deren Bedeutung für den Untreuetatbestand wird zurückzukommen sein; festzuhalten ist an dieser Stelle, dass im Strafrecht nach wie vor nicht geringe Teile der Literatur beim Begriff des Risikogeschäftes ohne einen Blick auf die vom Strafrecht gezogenen materiellen Grenzen nicht auskommen wollen. Indes war auch insofern bereits nach der älteren strafrechtlichen Rechtsprechung die Einordnung einer Maßnahme als Risikogeschäft nicht gänzlich unbedeutend, sah sie doch auch Erleichterungen bei der inhaltlichen Prüfung vor, indem sie eine Strafbarkeit nur dann bejahte, wenn „nach der Art eines Spielers eine äußerst gesteigerte Verlustge-

195 Bosch/Lange, JZ 2009, 225 (234); siehe auch bereits Ransiek, ZStW 116 (2004), 634 (674 ff.). 196 BGHZ 135, 244. 197 Dittrich, Die Untreuestrafbarkeit, S. 211 (Hervorhebungen im Original). 198 Dittrich, a. a. O., S. 216. 199 Zech, Untreue durch Aufsichtsratmitglieder, S. 148; Kubiciel, NStZ 2005, 353 (356); vgl. zudem Gerkau, Untreue und objektive Zurechnung, S. 46 f., ebenfalls bezogen auf BGHSt 46, 30 und 47, 148. 200 Kubiciel, NStZ 2005, 353 (356), der sich auf die mangelnde Eignung gesellschaftsrechtlicher Kompetenzvorschriften für die Gewähr inhaltlich richtiger Entscheidungen in der Geschäftsleitung beruft. Dies scheint als Leitbild für die Art in Betracht kommender Verfahrensvorschriften nicht unbedingt korrekt – siehe dazu später in dieser Arbeit. 201 I.d.S. wohl Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, AT, S. 58; Adick, a. a. O., S. 88. 202 Kubiciel, NStZ 2005, 353 (356 f.): „Vermögenschutz wird zurückgedrängt“; Adick, a. a. O., S. 88; Tiedemann, a. a. O., weist hier auf das Schadensmerkmal im Untreuetatbestand hin.

B. Die unternehmerische Entscheidung im Rechtssinne

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fahr“ auf sich genommen wurde203. Die Literatur hat sich dem vielfach angeschlossen204. Jedes wirtschaftlich irgendwie sinnvolle oder vertretbare Ziel einer Maßnahme sei als nicht pflichtwidrig hinzunehmen und nur eindeutig unvertretbare Verhaltensweisen könnten pflichtwidrig im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB sein205. Daraus, dass der Zweck des § 266 StGB im Schutz Treugebervermögens liegt, wird – im Ergebnis wiederum wie im Gesellschaftsrecht – auch abgeleitet, dass, sofern Satzung oder Anstellungsvertrag in zulässiger Weise bestimmte risikopolitische Vorgaben enthalten, diese maßgeblich sind206. In Ermangelung einer speziellen oder generellen Beschreibung des erlaubten Risikos durch den Geschäftsherrn wird zivilrechtsakzessorisch207 an die Grundsätze des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmannes angeknüpft208. Die bewusste Auseinandersetzung mit der Unterscheidung zwischen tatsächlichen und rechtlichen Unsicherheiten findet sich im Strafrecht eher vereinzelt209. 2. Die potenzielle Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Begriffsbestimmung für das Strafrecht Wie sich aus Vorstehendem ergibt, bestanden vor der Einführung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG durch das UMAG jedenfalls bei der Bestimmung der Gren203 BGH NJW 1975, 1234 (1236) mit Nachweisen schon auf die reichsgerichtliche Rechtsprechung; BGH GA 1977, 342 (343). 204 Aus der älteren Literatur siehe Kohlmann, JA 1980, 228 (231); Ayasse, Untreue im Bankenbereich, S. 50; siehe weiter Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 73 f.; Schramm, Untreue und Konsens, S. 139 f.; Tiedemann, in: FS Weber (2004), S. 319 (324); ders., in: FS Tröndle (1989), S. 319 (328); Rönnau/Hohn, NStZ 2004, 113 (118); Schönke/Schröder/Perron, § 266, Rn. 20; Poseck, Die strafrechtliche Haftung, S. 88 f. 205 Die Einordnung des Problems als eines der Pflichtwidrigkeit war lange umstritten, siehe umfassend dazu Nelles, Untreue zum Nachteil, S. 563 ff.; Martin, Bankuntreue, S. 100 ff. Inzwischen kann jedoch die Auffassung als h. M. angesehen werden, die die Frage als eine solche des objektiven Tatbestandes einordnet, wobei zunächst die Vorgaben des Innenverhältnisses entscheidend sind, siehe LK-Schünemann, § 266, Rn. 94 und 97; Schönke/Schröder/Perron, § 266, Rn. 20; Hillenkamp, NStZ 1981, 161 (162 ff.); Martin, Bankuntreue, S. 101; Schreiber/Beulke, JuS 1977, 658. 206 Knauer, NStZ 2002, 399 (401); Nelles, Untreue zum Nachteil, S. 551; Hillenkamp NStZ 1981, 161 (165); LK-Schünemann, § 266, Rn. 97; Schönke/Schröder/Perron, § 266, Rn. 19a und 35a. 207 Dazu sogleich. 208 BGHSt 47, 148 (150); 47, 187 (197); LK-Schünemann, § 266, Rn. 94 und 97; Schönke/Schröder/Perron, § 266, Rn. 20; so auch schon RGSt 69, 203 (207). 209 Vgl. Tiedemann, in: FS Tröndle (1989), S. 319 (328) sowie in ZIP 2004, 2056, wo er sich ausdrücklich auf das Problem der auslegungsbedürftigen Rechtsbegriffe bezieht; siehe auch Rönnau, NStZ 2004, 113 (118) zur unternehmerischen Entscheidung einerseits und NStZ 2006, 218 (220) zur Frage der Auslegungskompetenz bei unklaren Rechtsbegriffen andererseits sowie Schönke/Schröder/Perron, § 266, Rn. 19b: „Die Situation bei unklaren Rechtslagen entspricht der beim Risikogeschäft.“

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1. Teil: Die unternehmerische Entscheidung des Geschäftsleiters

zen erlaubten Geschäftsleiterhandelns nach teilweiser Auffassung zumindest Ähnlichkeiten zwischen Straf- und Gesellschaftsrecht. Das gilt auch für die Weiterentwicklung der Kriterien zur Feststellung der Grenze unternehmerischen Ermessens, die durch das Urteil des Bundesgerichtshofs210 unter dem Begriff der gravierenden Pflichtverletzung bekannt und Anlass umfassender Diskussion in der Literatur geworden sind211. Der eigenständige dogmatische Gehalt der Behauptung, bei unternehmerischem Handeln müsse die gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung gravierend sein, um eine solche nach § 266 StGB darzustellen, ist früh in Zweifel gezogen worden212. In der Folge hat man versucht, die Nähe auch dieser strafrechtlichen Kriterien zu den gesellschaftsrechtlichen Maßstäben herauszuarbeiten und Unterschiede einzuebnen213. Betraf die Diskussion um die gravierende Pflichtverletzung die Frage, ob das Strafrecht zusätzliche, strengere Voraussetzungen für eine Strafbarkeit vorsehen muss, ist nach der Aufnahme des safe harbour in das AktG und der damit einhergehenden Einführung des Begriffs der unternehmerischen Entscheidung in den Blick zu nehmen, inwiefern diese neue Gesetzeskonstruktion – im Umfang ihres Anwendungsbereichs – für das Strafrecht bindend ist, wenn und weil sie gegenüber strafrechtlichen Ansätzen haftungseinschränkend ist. Denn als Konstruktion, die vorrangig das Verfahren bewertet und ggf. eine inhaltliche Bewertung nur eingeschränkt zulässt, kommt sie als Untergrenze der strafrechtlichen Bewertung unternehmerischer Entscheidungen in Betracht214. Anders, als nach früherer Rechtslage, kann hinsichtlich der Grenzen des erlaubten Verhaltens jedenfalls nach der Einführung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG nicht ohne Weiteres von einer Kongruenz der Maßstäbe beider Rechtsgebiete ausgegangen werden.

III. Zwischenergebnis Die Behandlung des strafrechtlichen Risikogeschäftes entspricht nach teilweiser Auffassung der der unternehmerischen Entscheidung im Gesellschaftsrecht. Nach anderer Auffassung ist jedoch nach wie vor in erster Linie die inhaltliche Grenze des erlaubten Verhaltens maßgeblich. Das Verhältnis der in den beiden Rechtsgebieten angelegten Maßstäbe zueinander ist nicht völlig eindeutig. Fraglich ist insbesondere, inwiefern das Verfahrenskonzept aus § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG auch im Strafrecht Berücksichtigung finden muss. Das hängt auch davon

210

BGHSt 47, 187. Zur dogmatischen Einordnung dieses Begriffs siehe unten Zweiter Teil: B.V.2. 212 Zuerst Schünemann, NStZ 2005, 473 ff. 213 Dittrich, Die Untreuestrafbarkeit, S. 218 ff. mit der Schlussfolgerung, dass ein Abstandsgebot zwischen gesellschaftsrechtlicher und strafrechtlicher Pflichtverletzung nicht besteht, vgl. a. a. O., S. 217. 214 Zur sogenannten limitierten Akzessorietät sogleich unter Zweiter Teil: B.V. 211

B. Die unternehmerische Entscheidung im Rechtssinne

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ab, ob die Vorschrift insgesamt „täterfreundlicher“ ist als die strafrechtlichen Grundsätze und vom Verhältnis des Strafrechts zu vorgelagerten Rechtsgebieten im Allgemeinen. Besondere Geltung genießt insofern die Frage, welche Rolle § 93 AktG bzw. den Sorgfaltsgeneralklauseln im Allgemeinen gegenüber § 266 StGB zukommt, d.h. konkret, ob die Tatsache, dass Vorschriften wie §§ 93 AktG, 43 GmbHG fehlerhaftes Geschäftsleiterverhalten gegenüber einem Treugeber „bestrafen“, ihnen eine abschließende Funktion bezogen auf Geschäftsleitersorgfalt zuschreibt.

Zweiter Teil

Geschäftsleiterhandeln im akzessorischen Untreuetatbestand Die im Ersten Teil zuletzt aufgeworfenen Fragen betreffen das Verhältnis des Strafrechts zu anderen Rechtsgebieten allgemein und bei unternehmerischen Entscheidungen von Geschäftsleitungen im Besonderen. Im Folgenden soll das Verhältnis des Strafrechts zum Gesellschaftsrecht deshalb als Grundlage gesellschaftsrechtlicher und aufsichtsrechtlicher Ausführungen im Dritten Teil dargestellt werden. Zugleich bilden die folgenden Ausführungen die Grundlage für die strafrechtliche Untersuchung des Sachverhalts der subprime-Investments im Vorfeld der Finanzmarktkrise im Vierten Teil der Arbeit.

A. Geschäftsleiterhandeln und untreuestrafrechtliche Vermögensverantwortung Für das Verhältnis der aktien- oder GmbH-rechtlichen Pflichtverletzung zur Verletzung strafrechtlicher Treuepflichten ist zunächst irrelevant, welche der beiden in § 266 StGB genannten Alternativen im Einzelfall einschlägig ist. Nach ganz h. M. ist die Vermögensbetreuungspflicht beim Missbrauchstatbestand inhaltsgleich zu berücksichtigen1. In der Praxis ist die Unterscheidung der Alternativen in der Folge ohne Gegenstand2. Der Begriff der Vermögensbetreuungspflicht enthält nach allgemeiner Auffassung zwei Voraussetzungen: Die Tätigkeit muss durch Eigenverantwortlichkeit geprägt und als Hauptpflicht in wirtschaftlich nicht ganz unbedeutenden Angelegenheiten ausgestaltet sein3. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Tätigkeit von Geschäftsleitern diese Voraussetzungen erfüllt4. Verpflichtet der Geschäftsleiter die Gesellschaft durch eine Handlung im

1

BGHSt 24, 386 (387 f.); Schönke/Schröder/Perron, § 266, Rn. 11. Krause, in: Managerhaftung, § 35, Rn. 28 m.w. N. 3 Vgl. Brammsen, wistra 2009, 85 (86). 4 Für Aktiengesellschaften siehe BGH NJW 1975, 1234 (1235); NJW 1988, 2483 (2485); LK-Schünemann, § 266, Rn. 126; für GmbH-Geschäftsführer siehe BGH MDR 1979, 456; Schönke/Schröder/Perron, § 266, Rn. 25; siehe außerdem Krause, in: Managerhaftung, § 35, Rn. 26 zum Geschäftsführer der OHG, KG, GmbH & Co. KG sowie der BGB-Gesellschaft. 2

A. Untreuestrafrechtliche Vermögensverantwortung

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Außenverhältnis, so ist die Missbrauchsalternative anzuwenden, anderenfalls die Treuebruchsalternative5. Auch bei dem so festgestellten „vermögensfürsorgerischen Grundcharakter“ der Geschäftsleitertätigkeit bleibt für den Einzelfall grundsätzlich die Frage zu klären, ob einem Verhalten in concreto Untreuerelevanz zukommt. Nach überwiegender Ansicht muss für die Bejahung des objektiven Tatbestandes das konkret zu bewertende Verhalten in einem gewissen Zusammenhang mit dem Schutzgut der Untreue stehen6. Der Inhalt dieses Zusammenhangs wird in Literatur und Rechtsprechung durchaus nicht immer einheitlich bestimmt7. Er wird aber überwiegend als „funktionaler Zusammenhang“ bezeichnet und inhaltlich als Zusammenhang zwischen der pflichtverletzenden Handlung und der Vermögensbetreuungspflicht des Täters beschrieben8. Die pflichtverletzende Handlung muss sich demnach qualitativ als Ausübung der eigenverantwortlichen internen Machtposition des Treunehmers darstellen und wesentlich von der dem Täter anvertrauten Machtstellung geprägt sein. Der Treunehmer muss die verletzende Handlung qua functionem vornehmen9. Tendenziell wird bei geschäftsleitender Tätigkeit an einem so beschriebenen Zusammenhang kaum jemals ein Zweifel bestehen10. Diese Anforderungen, also die Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht als Gesamtpflichtverhältnis durch eine konkrete Handlung, die mit dieser Pflicht in einem funktionalen Zusammenhang steht, machen im Grundsatz das Handlungsunrecht der Untreue aus.

5 Feddersen, in: FS Laufs (2006), S. 1170 (1189); vgl. zum Aufsichtsrat auch Dittrich, Die Untreuestrafbarkeit, S. 189 f. sowie Zech, Untreue durch Aufsichtsratmitglieder, S. 44 f. 6 Schönke/Schröder/Perron, § 266, Rn. 23. 7 Siehe die ausführliche Analyse von Rechtsprechung und Lehre bei Michaelsen, DCGK und Untreue, S. 128 ff. 8 In der Rechtsprechung ausdrücklich so bezeichnet von LG Düsseldorf, NJW 2004, 3275 (3281), als Teil der Vermögensbetreuungspflicht; siehe aus der Literatur Schönke/ Schröder/Perron, § 266 Rn. 36; SSW-StGB/Saliger, § 266, Rn. 39; Brammsen, wistra 2009, 85 (87); Kubiciel, NStZ 2005, 353 (355); Rönnau/Hohn, NStZ 2004, 113 (114). Der BGH spricht insoweit zum Teil auch von einem „inneren Zusammenhang“, vgl. BGH wistra 1986, 71 f. 9 Rönnau/Hohn, NStZ 2004, 113 (114). 10 Vgl. Brammsen, wistra 2009, 85 (87).

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2. Teil: Geschäftsleiterhandeln im akzessorischen Untreuetatbestand

B. Akzessorietät – das Verhältnis gesellschaftsrechtlicher Sorgfaltsanforderungen zum Pflichtverletzungsmerkmal im Untreuetatbestand I. Das Verhältnis des Strafrechts zu anderen Rechtsgebieten, ultima-ratio-Grundsatz und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung Ganz allgemein, d.h. unabhängig von der Akzessorietät einzelner Tatbestände, sind mit dem Verhältnis des Strafrechts zu anderen Rechtsgebieten mehrere Aspekte angesprochen. Es stellt sich einmal die Frage, ob ein nach außerstrafrechtlichen Maßstäben ordnungsgemäßes Verhalten eine Strafbarkeit auslösen kann. Des Weiteren bedarf es einer Feststellung dazu, ob eine außerstrafrechtliche Pflichtverletzung hinreichende Bedingung für eine Pflichtverletzung, bspw. im Sinne des Untreuetatbestandes, darstellt. Denkbar ist auch eine Betrachtungsweise, die Straf- und Primärrecht als zwei grundsätzlich selbständige Bereiche begreift, welche lediglich eine Teilschnittmenge aufweisen, sodass strafrechtlich verbotene Handlungsweisen im Primärrecht erlaubt sein könnten. Bildhaft lässt sich dies als Verhältnis der Rechtsgebiete als eines zwei sich schneidender Kreise beschreiben11. Für die Lösung dieser Fragen sind nach h. M. zwei Grundprinzipien zur Anwendung zu bringen: Das erste betrifft die Sonderrolle des Strafrechts im Rechtsstaat als ultima ratio staatlichen Handelns. Als „schärfste der Gesellschaft zur Verfügung stehende Waffe“ 12 gibt das ultima-ratio-Prinzip als Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vor, dass das Strafrecht nur dann Anwendung finden soll, wenn ein Verhalten „über sein Verbotensein hinaus in besonderer Weise sozialschädlich und für das geordnete Zusammenleben der Menschen unerträglich, seine Verhinderung daher besonders dringlich ist“ 13. Zugleich ist das Strafrecht der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung verpflichtet14, wobei dieser Grundsatz in seiner Ausprägung als Einheit der Rechtswidrigkeit angesprochen ist15. Die eigenständige strafrechtliche Bewertung muss dort enden, wo Wertungswidersprüche zu anderen Rechtsgebieten entstehen16. 11

Vgl. Brammsen, wistra 2009, 85 (87). BVerfGE 6, 389 (433); 39, 1 (45). 13 BVerfGE 88, 203 (258). 14 Siehe Dittrich, Die Untreuestrafbarkeit, S. 31 f.; Busch, Konzernuntreue, S. 32 f.; Dierlamm, StraFo 2005, 397 (398). 15 Vgl. Lüderssen, in: FS Eser (2005), S. 163 (171). 16 Allgemein Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 55 ff.; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 323 ff.; speziell zur Untreue Wodicka, Untreue, S. 186; Flum, Der strafrechtliche Schutz der GmbH, S. 7; Busch, Konzernuntreue, S. 32; Lutter, NZG 2010, 601 (603). 12

B. Akzessorietät

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II. Ausfüllung des Untreuetatbestandes – die Pflichtverletzung als akzessorische Anknüpfung Die Beachtung des Grundsatzes der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung erscheint als geringes Problem, wo der Straftatbestand auf außerstrafrechtliche Maßstäbe Bezug nimmt, wie dies bei der Untreue der Fall ist. Deren Tatbestand nennt mit dem Gesetz, dem behördlichen Auftrag und dem Rechtsgeschäft17 rechtliche Grundlagen für die Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen bzw. für die Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen. Diese in § 266 Abs. 1 StGB genannten Normen ordnen als Rechtsfolge eine Befugnis bzw. Pflicht an. Die Vorschrift knüpft direkt an diese Rechtsfolge an, beschreibt aber weder den Befugnis- bzw. Pflichtenumfang, noch die Verletzungshandlung selbst18. Das Pflichtwidrigkeitsmerkmal wird deshalb teilweise als „blankettartig“ 19 bezeichnet. Zwar ist die Pflichtwidrigkeit nach ganz h. M. ein normatives Tatbestandsmerkmal20 und gerade kein Blankett21. Gleichwohl wird für die Feststellung der Pflichtverletzung, ähnlich dem Vorgehen beim Ausfüllen eines Blanketts, auf außerstrafrechtliche Sorgfaltsmaßstäbe zurückgegriffen22. § 266 Abs. 1 StGB beschreibt danach „eine Art Suchprogramm“, sodass der materielle Unrechtskern stets auf außerstrafrechtlich begründete Pflichten Bezug nimmt23. Als Konsequenz entspricht es h. M., dass die Untreue bezogen auf die Strafbarkeit von Geschäftsleitern wegen unternehmerischen Handelns einen Tatbestand darstellt, der akzessorisch zu außerstrafrechtlich festgelegten Sorgfaltsmaßstäben ist24. Obwohl mit dieser Akzessorietät eine Einbuße an Bestimmtheit einhergeht, wird § 266 StGB heute überwiegend als mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar angesehen25. Daran soll 17

Das tatsächliche Treueverhältnis sei hier beiseite gelassen. Nelles, Untreue zum Nachteil, S. 505; Tiedemann, in: FS Weber (2004), S. 319 (322); Kargl, ZStW 113 (2001), 565 (589). 19 Nelles, Untreue zum Nachteil, S. 505. 20 So jetzt auch das BVerfG in NJW 2010, 3209 (3213); schon zuvor h. M., siehe BGHSt 50, 331; Rönnau, ZStW 119 (2007); 887 (905); LK-Schünemann, § 266, Rn. 153; Jakobs, NStZ 2005, 276 (277); a. A. Sax, JZ 1977, 663 (664) sowie Deiters, ZIS 2006, 152 (159): „In der Sache ein Blankett“. 21 Mit dem Begriff des Blanketts ist hier eine solche Strafnorm gemeint, die – konkludent – auf Regelungen des identischen Gesetzgebers Bezug nimmt, zur Ausfüllung also nicht der rechtsetzenden Tätigkeit anderer legislatorischer oder auch administrativer Stellen bedarf; vgl. Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, S. 56 („Blankette im weiteren Sinne“) sowie Otto, in: FS Gitter (1995), S. 715 („unechte Blankette“). 22 BGHSt 47, 187 (200 f.); LK-Schünemann, § 266, Rn. 94; vgl. auch ders., in: Organuntreue, S. 23 f.; Rönnau/Hohn, NStZ 2004, 113 (114); Busch, Konzernuntreue, S. 32 f., Tiedemann, in: Festschrift Weber 2004, S. 319 (323). 23 Seibt/Schwarz, AG 2010, 301 (304). 24 Siehe die in Fn. 20 (Zweiter Teil) Genannten. 25 Zuletzt BVerfG NJW 2010, 3209 ff., siehe dazu unten Zweiter Teil: B.IV.2.b); siehe auch Labsch, Grenzen und Möglichkeiten, S. 177 ff.; anders z. B. Kargl, ZStW 113 (2001), 565 (589 f.). 18

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2. Teil: Geschäftsleiterhandeln im akzessorischen Untreuetatbestand

hier nicht gerüttelt werden. Gleichwohl angemessen erscheint der Hinweis darauf, dass das Bundesverfassungsgericht konkret im Zusammenhang mit unternehmerischem Handeln jüngst ausdrücklich bestätigt hat, dass dem Bestimmtheitsgebot bei der Auslegung des Untreuetatbestandes (besondere) Bedeutung zukommt26.

III. Gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung als Mindestvoraussetzung der Untreuestrafbarkeit Die Akzessorietät eines Tatbestandes wird von der ganz h. A. gewissermaßen als Anwendungsfall des ultima-ratio-Grundsatzes betrachtet, wenn diese annimmt, dass ein nach primärrechtlichen Maßstäben zulässiges Verhalten keine Strafbareit auslösen kann27. Die Irritationen, die ein Urteil des 3. Strafsenats28 zur verdeckten Gewinnausschüttung in der GmbH insoweit ausgelöst hatte, hat derselbe Senat aufgrund massiver Kritik des Schrifttums29 und der entgegengesetzten Rechtsprechung des 2. Zivilsenats30 später revidiert31. Die so verstandene „Untergrenze“ 32 der Strafbarkeit gilt daher prinzipiell als gesicherte Erkenntnis33. Diese Erkenntnis ist allerdings durch Erwägungen, die im Nachgang zur Finanzmarktkrise hinsichtlich der Bestimmung des Pflichtenmaßstabs insbesondere für das Handeln von Geschäftsleitern von Banken angestellt wurden, ins Wanken geraten. Berührt ist hier zunächst auch das Verhältnis primärrechtlicher Normengefüge zueinander und sodann die Frage, ob die Konkretisierung gesellschaftsrechtlicher Pflichten durch weitere, insbesondere aufsichtsrechtliche Normen einen abschließenden Sorgfaltsmaßstab für den Untreuetatbestand beschreibt.

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Siehe Fn. 25 (Zweiter Teil). Zusammenfassend Dittrich, Die Untreuestrafbarkeit, S. 31 ff. sowie Zech, Untreue durch Aufsichtsratsmitglieder, S. 170 f.; siehe auch Lüderssen, in: FS Eser (2005), S. 163 (170); Busch, Konzernuntreue, S. 32 ff.; Dierlamm, StraFo 2005, 397 (398); Flum, Der strafrechtliche Schutz, S. 7. 28 BGHSt 34, 379; der Senat hatte den Geschäftsführer wegen Untreue bestraft, weil dieser entgegen § 41 a. F. GmbHG seinen Buchführungspflichten nicht nachgekommen war und insofern gegen die Grundsätze eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmanns verstoßen hatte. Die Ausschüttung war aber mit den Kapitalerhaltungsvorschriften vereinbar und ihr war von der Alleingesellschafterin zugestimmt worden, sodass ein letztlich gesellschaftsrechtlich zulässiges Verhalten bestraft wurde. 29 Siehe die Nachweise bei Mihm, Strafrechtliche Konsequenzen, S. 107, Fn. 31. 30 BGHZ 31, 258 (278). 31 BGHSt 35, 333 (336 f.); vgl. auch Lutter, NZG 2010, 601. 32 Dierlamm, StraFo 2005, 397 (398). 33 Vgl. Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 89. 27

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IV. Die Sorgfaltsgeneralklauseln des Gesellschaftsrechts als Untergrenze der Strafbarkeit 1. Raum für selbständiges Strafrecht im Bereich des Geschäftsleiterhandelns? – die rechtsgebietsübergreifende Bedeutung von Anwendungsbereichen Abweichend von dem soeben Ausgeführten wird vereinzelt die Vorherrschaft des Primärrechts in § 266 Abs. 1 StGB ausdrücklich in Abrede gestellt34. Weil die Vorschrift keine Blankettvorschrift in dem Sinne sei, dass sie für die Beantwortung der Frage, ob und mit welchem Inhalt eine Pflicht zur Vermögensfürsorge besteht, ausschließlich auf Rechtsnormen außerhalb des Strafrechts verweise, könne sich die strafrechtliche Treuepflicht auch aus einem nur tatsächlich begründeten Treueverhältnis innerhalb von § 266 StGB ergeben35. Diese Ansicht deutet für den Bereich des Geschäftsleiterhandelns allerdings an, dass eine Eigenständigkeit des Strafrechts ausscheiden kann, soweit das Rechtsverhältnis des Organs zur Gesellschaft rechtlich ausgestaltet ist36. Indem sie konzediert, dass, je genauer die außerstrafrechtlichen Normen ein bestimmtes Pflichtverhältnis regeln, desto weniger Raum für eine Eigenständigkeit des Strafrechts bleibt37, deutet sie zutreffend auf einen Gegenstand hin, auf den speziell für die Geschäftsleiteruntreue bei unternehmerischem Handeln einzugehen sein wird: dass nämlich auch im Verhältnis des Strafrechts zum Zivil- bzw. Gesellschaftsrecht relevant ist, was und in welchem Umfang das Außerstrafrecht regelt – und, insbesondere, regeln soll. Auch rechtsgebietsübergreifend ist von Bedeutung, ob eine (außerstrafrechtliche) Norm die Grenzen strafbarer Untreue abschließend bestimmen soll38. Wer für die Geschäftsleiteruntreue die Ansicht der möglichen Selbständigkeit des Strafrechts auf der Basis des Grundsatzes der Einheit der Rechtsordnung ablehnt, weil § 266 StGB eine Pflichtwidrigkeit voraussetzt und deshalb pflichtgemäßes Verhalten nicht erfasst sein könne39, argumentiert entweder zirkulär oder setzt eine Übereinstimmung von Anwendungsbereichen voraus – begründet durch die Vermögensbetreuungspflicht von Geschäftsleitern. Die Rechtsordnung kann und muss eine Einheit nur herstellen, wo Wertungswidersprüche drohen. Und diese drohen nur, wo normativ gleichartige Verhaltensweisen in unterschiedlichen Rechtsgebieten eine Regelung erfahren. Bei der Beurteilung, inwiefern sich Anwendungsbereiche überschneiden, ist allerdings grds. zwischen Verhaltensnormen einerseits und Sanktionsnormen an34

Gribbohm, ZGR 1990, 1 (15 f.); Schünemann, Organuntreue, S. 21. Gribbohm, a. a. O. 36 A. A. aber Gribbohm, ZGR 1990, 1 (15 f.) für den GmbH-Geschäftsführer. 37 LK-Schünemann, § 266, Rn. 94. 38 Vgl. Gribbohm, ZGR 1990, 1 (16), der insofern für den betroffenen Bereich der Kapitalerhaltung eine abweichende Subsumtion vornimmt. 39 So Brammsen, wistra 2009, 85 (87); auch bereits Schünemann, NStZ 2005, 473 (474). 35

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2. Teil: Geschäftsleiterhandeln im akzessorischen Untreuetatbestand

dererseits zu differenzieren. Wo bspw. nur das Strafrecht Sanktionsnormen für ein bestimmtes Verhalten vorsieht, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass das Primärrecht insoweit abschließend ist. Jedoch hält im Bereich des Geschäftsleiterhandelns das Zivilrecht grds. ein Sanktionssystem vor und auch Sanktionen für die Gesellschaft selbst bzw. die Bank, sind aufsichtsrechtlich vorgesehen. Auch ist diese Frage mit dem Verständnis des Grundsatzes der Spezialität bzw. Subsidiarität verknüpft (siehe dazu sogleich). Fraglich ist also, inwieweit für den Bereich des Geschäftsleiterhandelns im Sinne eines Konzeptes zwei sich schneidender Kreise Raum für einen selbständigen strafrechtlichen Bereich bleibt, weil das Gesellschaftsrecht keine ausreichenden Vorgaben macht. Von der Beantwortung dieser Frage hängt letztlich auch die Antwort auf die Frage ab, ob im Untreuetatbestand ein Schädigungsverbot als Minimalpflicht übrigbleiben kann. Denn auch die Anhänger eines Schädigungsverbotes wollen von diesem nur Gebrauch machen, wo primärrechtliche Vorgaben fehlen40. 2. Die Sorgfaltsgeneralklauseln als besonderes Problem akzessorischer Rechtsanwendung a) Unternehmerisches Handeln, Unterregulierung und das Verhältnis von Bestimmtheitsgebot zum ultima-ratio-Prinzip Wie soeben angedeutet, ist der Akzessorietätsgrundsatz in seiner Werthaltigkeit abhängig von Regelungsinhalt und -umfang des Primärrechts. Die strafrechtliche Untergrenze ist als Orientierung nur in dem Umfang hilfreich, in dem das Primärrecht konkrete Vorgaben bereithält. Umgekehrt ist der außerstrafrechtliche Anknüpfungspunkt für den Strafrechtsanwender für sich genommen wenig ergiebig, wenn das vorgelagerte Rechtsgebiet ein Verhalten weder eindeutig verbietet noch erlaubt, denn außer der Unbestimmtheit wird dann zunächst nichts in den Straftatbestand übernommen41. Die untreuestrafrechtliche Bewertung unternehmerischen Verhaltens ist deshalb vor dem Hintergrund der unspezifischen Vorgaben des Gesellschaftsrechts potenziell besonders problematisch. Die Unterregulierung ist im Bereich der Geschäftsleitertätigkeit freilich intendiert und rechtsökonomischer Ausdruck der sinnvollen Trennung von Vermögensinhaber und Vermögensverwalter in einer arbeitsteiligen Wirtschaft einerseits42 und der beabsichtigten Flexibilität von Sorgfaltsmaßstäben im Allgemeinen andererseits43. Obwohl in seiner Beschreibung dementsprechend allgemein gehalten, ist 40 LK-Schünemann, a. a. O.; vgl. auch Tiedemann, in: FS Weber (2004), S. 319 (327) sowie SSW-StGB/Saliger, § 266, Rn. 43. 41 Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 90: „Unbestimmtheitsakzessorietät“. 42 Siehe Bräunig, a. a. O., S. 132. 43 Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, AT, S. 54.

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der Sorgfaltsmaßstab des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vergleichsweise hoch, was die Existenz des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG und dessen korrigierende Funktion, allzu risikoaverses Verhalten zu verhindern, zusätzlich erklärt. Am Beispiel der Sorgfaltsgeneralklauseln wird hiernach das Spannungsverhältnis der beiden relevanten strafbarkeitsbegrenzenden Verfassungsgrundsätze bei der Ausfüllung des Untreuetatbestandes deutlich. Je schärfer die außerstrafrechtlichen Konturen, desto mehr tritt bei der Strafbarkeitsbegrenzung das ultima-ratio-Prinzip in Form der strafrechtlichen Untergrenze in den Vordergrund. Je unschärfer diese Konturen, desto eher ist das Bestimmtheitsprinzip das begrenzende Element44. Vom Blickpunkt des ultima-ratio-Prinzips gesehen verliert mit zunehmender Regelungsdichte die Frage an Bedeutung, ob eine Unterregulierung im Gesellschaftsrecht kategorisch bedeuten muss, dass ein Verhalten straflos ist45. Umgekehrt müsste auch im Bereich des unternehmerischen Handelns, in dem positive Vorgaben im Allgemeinen vermieden werden sollen, dennoch eindeutig sein, dass eine Strafbarkeit ausgeschlossen ist, wenn die Vorgaben der Sorgfaltsgeneralklausel inklusive besonderer Vorgaben für unternehmerisches Handeln eingehalten sind46. Aus Sicht der strafrechtlichen Untergrenze sinkt somit die Notwendigkeit einer Suche nach strafrechtsautonomen Kriterien mit der außerstrafrechtlichen Regelungsdichte, vorbehaltlich der Voraussetzung, dass es sich um Vorschriften handelt, die einen Bezug zum Schutzzweck des § 266 StGB, also dem Vermögen des Treugebers, haben47. Dementsprechend ist es für den Strafrechtsanwender lohnenswert, nach Normen zu suchen, die die gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsgeneralklauseln ihrerseits ausfüllen. Die strafrechtliche Rechtsprechung hat mehrfach primärrechtliche Vorschriften direkt in den Untreuetatbestand übertragen, ohne die Vorschriften, die den Sorgfaltsmaßstab für Geschäftsleiter beschreiben, zu prüfen oder zu benennen. Zu nennen sind hier insbesondere die Urteile zur Kreditvergabe48, die sich § 18 KWG für die Konkretisierung des Untreuetatbestandes bedienen, ohne darauf einzugehen, ob der Anwendungsbereich einer Sorgfaltsgeneralklausel z. B. deswegen betroffen ist, weil es sich um den Vorstand einer Aktiengesellschaft handelt49. 44 Unscharf Dierlamm, StraFo 2005, 397 (400), der die „Akzessorietät um so nachhaltiger einfordert“, je größer die Unbestimmtheit ist. 45 Vgl. Bräunig, a. a. O., S. 90 m.w. N. Zu denken ist hier vor allem an das in § 266 Abs. 1 StGB anerkannte faktische Treueverhältnis; siehe auch schon oben Zweiter Teil: B.III. sowie Gribbohm, ZGR 1990, 1 (15 f.). 46 Im Ergebnis ebenso Bräunig, a. a. O., S. 132. 47 So zumindest in der strafrechtlichen Literatur überwiegend gefordert: siehe Schünemann, NStZ 2008, 430 (433 f.); ders., in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 75 (89); Kubiciel, NStZ 2005, 353 (359 f.), ausführlich Gerkau, Untreue und objektive Zurechnung, S. 145 ff.; letztlich auch Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 132 ff. 48 Grundlegend BGHSt 46, 30 sowie 47, 148. 49 In BGHSt 47, 147 findet die einschlägige Norm des § 25 des baden-württembergischen SpkG keine Erwähnung.

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2. Teil: Geschäftsleiterhandeln im akzessorischen Untreuetatbestand

Bezug genommen wird allein auf einen zu gewährenden Spielraum bei Risikogeschäften, wobei nach dessen Einführung häufig darauf verzichtet wird, diesen Spielraum aus § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG herzuleiten50, was sich aus dogmatischer Sicht selbst dann anbietet, wenn man die Vorschrift unzutreffenderweise für rein deklaratorisch hält51. Dass dies so gehandhabt wurde und wird darin begründet sein, dass den Sorgfaltsgeneralklauseln beim Zusammenspiel von Wirtschaftsrecht und Strafrecht für das Erkennen der strafrechtlichen Untergrenze der Strafbarkeit bisher keine Relevanz zugesprochen wurde. Die Sorge im Umgang mit den Generalklauseln des Wirtschaftsrechts dreht sich traditionell um Art. 103 Abs. 2 GG52. Ein Problem sah man folglich vor allem darin, dass die Sorgfaltsgeneralklausel unterschiedliche Auslegungen in Wirtschafts- und Strafrecht erfahren könnte, mit der Folge einer der Einheit der Rechtsordnung zuwiderlaufenden Normspaltung53. Da bspw. §§ 93 AktG, 43 GmbHG die Geschäftsleitersorgfalt generalklauselartig beschreiben, kam die strafrechtliche Untergrenze allenfalls verschwommen in den Blick; problematisch war primär die mangelnde Vorhersehbarkeit der Strafbarkeit anhand dessen, was die Norm innerhalb der Grenzen ihres Wortsinns aussagt54. b) Das Bestimmtheitsgebot in der Anwendung der Sorgfaltsgeneralklauseln durch das Strafrecht Auch das Bundesverfassungsgericht hat die gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsgeneralklauseln zuletzt in erster Linie im Zusammenhang mit dem Bestimmt50

BGH ZIP 2009, 1854 (1857) („West LB“). Vgl. dazu MünchKommAktG/Spindler, § 93, Rn. 35 und Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 64. 52 Vgl. Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, AT, S. 54 f. 53 Dafür im Ergebnis BGHSt 24, 54 zur Interpretation des „Vertrages“ i. S. v. § 1 GWB a. F. im Bußgeldverfahren; zustimmend Steindorff, in: FS Larenz (1973), S. 217 (242). Eine Normspaltung wird zum Teil damit zu vermeiden versucht, dass die für die Strafrechtsnorm geltende restriktive Auslegung auf die außerstrafrechtliche Norm grundsätzlich übertragen wird. Andere wollen die außerstrafrechtliche Norm mit dem ihr in ihrem Rechtsgebiet zugrunde liegenden Verständnis bei der Beurteilung der Strafbarkeit maßgeblich sein lassen, vgl. Otto, in: FS Gitter, S. 715 ff. Beide Methoden kommen mit der strafrechtlichen Untergrenze nicht in Konflikt, letztere aber wohl mit Art. 103 Abs. 2 GG. Gleiches gilt für das Ignorieren bzw. Tolerieren der Normspaltung, vgl. Otto, in: FS Gitter 1995, S. 715 (723 ff.) sowie Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, AT, S. 54 f. Die restriktive Auslegung der außerstrafrechtlichen Norm wirkt sich jeweils zugunsten des Täters aus. 54 Entsprechendes gilt auch für das Problem der vor allem für die strafrechtliche Erfassung von Scheinhandlungen und sonstigem gesetzesumgehenden Täterverhalten entwickelten faktischen bzw. wirtschaftlichen Auslegung. Die Ablehnung einer faktischen Auslegung für das Strafrecht kann zu einer Normspaltung führen, es sind hier aber ebenfalls die Grenzen zwischen Auslegung und Analogie betroffen (vgl. BGHSt 24, 54). Es geht also letztlich auch bei der faktischen Auslegung um die Frage der Übertragung zivilrechtlicher Tatbestandserweiterungen in das Strafrecht, siehe dazu auch unten Fünfter Teil: D. 51

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heitsgebot, respektive der Vorhersehbarkeit der Strafbarkeit, betrachtet55. Seine Rechtsprechung war zwischenzeitlich nicht völlig eindeutig56. Das Gericht hat hingegen nunmehr speziell zu den gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsvorschriften deutlich gemacht, dass deren generalklauselartiger Charakter eine einschränkende Auslegung im Untreuetatbestand erfordert57. Es ist demnach nun gesichert, dass bei der Anwendung und Auslegung der gesellschaftsrechtlichen Generalklauseln und aller in diesem Zusammenhang in Betracht kommenden Primärvorschriften im Untreuetatbestand dem Bestimmtheitsgebot Rechnung zu tragen ist58. Das Bundesverfassungsgericht hat gleichzeitig zum status quo des strafgerichtlichen Umgangs mit den Sorgfaltsgeneralklauseln Stellung genommen und betont, die Vorhersehbarkeit der Strafbarkeit sei hier durch eine „fallgruppenspezifische Konkretisierung“ gesichert59. Ob dies eine in dogmatischer Hinsicht 55

BVerfG NJW 2010, 3209 (3212 und 3213). Siehe auch Dittrich, Die Untreuestrafbarkeit, S. 207. Das Gericht hatte zu sogenannten internen Blanketten (so die Terminologie von Lüderssen, in: FS Eser (2005), S. 163 (171); siehe auch Otto, in: FS Gitter (1995), S. 715 (716)) einerseits früh deutlich gemacht, dass unabhängig von der Einordnung einer Strafnorm oder eines Tatbestandsmerkmals als Blankett Verweisungen auf außerstrafrechtliche Normen hinreichend eindeutig sein müssen, BVerfGE 48, 48 (55). Es hatte insbesondere festgestellt, dass die außerstrafrechtliche Norm nach den Maßstäben zu würdigen ist, die für die Auslegung von Strafgesetzen gelten, was eine restriktive Auslegung zum Gebot mache (a. a. O. (60 f.)). In einer späteren Entscheidung die §§ 242, 246 StGB betreffend hatte es sodann geäußert, die außerstrafrechtliche Norm sei nicht an Art. 103 Abs. 2 GG zu messen, weil dieser nur für das Strafgesetz selbst gelte, BVerfGE 78, 205 ff. Dies hat in der Literatur teilweise zu der Annahme geführt, die erstgenannte Entscheidung sei revidiert (siehe Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, AT (2004), S. 59 („Einschränkung“); als Aufhebung des ersten Urteils verstanden wohl von Schmidt-Aßmann, in: Maunz-Dürig, GG, Art. 103 Abs. 2, Rn. 200; nur das zweite Urteil erwähnen auch Ransiek/Hüls, ZGR 2009, 157 (180 f.)). In letzterer Entscheidung waren jedoch – worauf das Gericht selbst hinweist (a. a. O. (213)) – Tatbestände betroffen, die das mit Strafe bedrohte Verhalten selbst beschreiben (zutreffend Dittrich, a. a. O., S. 207), was auf § 266 Abs. 1 StGB eben gerade nicht zutrifft. Hinzu kommt, dass die Geltung des Art. 103 Abs. 2 GG schwerlich davon abhängen kann, ob das Strafgesetz – wie § 246 StGB mit dem Begriff der Fremdheit – ausdrücklich auf die außerstrafrechtliche Norm Bezug nimmt oder nicht (so aber das BVerfG a. a. O. (213); dagegen zu Recht Lüderssen, in: FS Eser (2005), S. 163 (177); vgl. auch Otto, in: FS Gitter (1995), S. 715 (723)). Ohnehin war in letzterer Entscheidung aber wohl nur angesprochen, dass nicht alle Normen, die für eine Anwendung im Strafrecht in Betracht kommen, deswegen abstrakt an Art. 103 Abs. 2 GG zu messen sind, vgl. a. a. O. (213) und jetzt BVerfG NJW 2010, 3209 (3211): „. . . soweit es sich nicht um Normen zur Ausfüllung eines strafrechtliches Blanketts handelt, sind außerstrafrechtliche Normen nicht an Art. 103 II GG zu messen“. 57 Siehe auch anschließend daran BGHSt 55, 288 (302). 58 So auch schon Lüderssen, in: FS Eser (2005), S. 163 (177); ähnlich Schönke/ Schröder/Perron, StGB, § 266, Rn. 19b; siehe jetzt auch Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, AT, S. 55: „Das Kriterium der Vorhersehbarkeit der Strafbarkeit wird man inzwischen als gesichert ansehen dürfen. . . . Bereits BVerfGE 48 bekannte sich zu dieser engen Auslegung.“ 59 BVerfG a. a. O. (3215), unter Bezugnahme auf Urteile, die die Sorgfaltsgeneralklauseln betrafen; noch konkreter im Anschluss daran BGHSt 55, 266 (275) zur Fallgruppe der schwarzen Kasse: „Die Sorgfaltsgeneralklauseln des Gesellschaftsrechts 56

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2. Teil: Geschäftsleiterhandeln im akzessorischen Untreuetatbestand

ausreichende Feststellung ist, ist zweifelhaft. Denn im Hinblick auf die strafrechtliche Untergrenze erscheint es sinnvoll herauszuarbeiten, ob und wie die Strafgerichte hinsichtlich der Untreuestrafbarkeit von Geschäftsleitern, insbesondere bei unternehmerischen Entscheidungen, vor dem Hintergrund nicht nur des Bestimmtheitsgebotes, sondern auch des ultima-ratio-Grundsatzes gehalten sind, die gesellschaftsrechtlichen Generalklauseln anzuwenden, und zwar insbesondere auch mit Blick auf den safe harbour. 3. Die Sorgfaltsgeneralklausel als abschließender Pflichtenmaßstab gegenüber dem objektiven Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB Nach den bisherigen Ausführungen des Zweiten Teils sind zwei Themen angesprochen, zu deren Präzisierung das unmittelbar Folgende beitragen möchte: Erfassen die gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsgeneralklauseln den Bereich der Geschäftsleiterinnenhaftung nach Art und Umfang in einer gegenüber dem Pflichtwidrigkeitsmerkmal im Untreuetatbestand abschließenden Weise und inwiefern weisen sie, unmittelbar oder mittelbar, einen ausreichenden Regelungsgehalt auf, um das Bestimmtheitsproblem bei der Bewertung von Geschäftsleiterverhalten in den Hintergrund und die strafrechtliche Untergrenze ausreichend hervortreten zu lassen. Beide Fragen sind unweigerlich miteinander verbunden. Im Folgenden soll dieser Zusammenhang zwischen strafrechtlicher Untergrenze und der Abschlussfunktion von Primärnormen für das Verhältnis der gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsgeneralklauseln zum Untreuetatbestand dogmatisch unterfüttert werden. a) Untreuetatbestand und Sorgfaltsgeneralklausel vor dem Hintergrund von Spezialität und Subsidiarität infolge erschöpfender Regelung Auch rechtsgebietsübergreifend ist für die Determination des Verhältnisses von Normen zueinander der jeweilige Anwendungsbereich bzw. Art und Umfang einer Regelungsmaterie entscheidend60. Nach allgemeiner juristischer Methodenlehre verdrängt das spezielle Gesetz die allgemeinen Gesetze (lex specialis derogat legi generali). Dieser Grundsatz bezeichnet eine Auslegungsregel und gründet sich auf die Vermutung, dass der Gesetzgeber keinen Rechtssatz schaffen will, der über keinen praktischen Anwendungsbereich verfügt, was der Fall wäre, wenn anstatt des besonderen Rechtssatzes der allgemeine Rechtssatz angewendet würde. Er stellt zugleich klar, dass ein Gesetz nur dann speziell im Sinne des lex specialis-Grundsatzes ist, wenn sein Tatbestand über alle Merkmale der allgemeinen Norm verfügt und dieser gegenüber noch mindestens ein weiteres Merkmal (sind) als Anknüpfungspunkt zur Bestimmung einer Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB geeignet, weil durch fallgruppenspezifische Konkretisierung eine Vorhersehbarkeit der Strafbarkeit im Regelfall gesichert ist.“ 60 Oben Zweiter Teil: B.III.

B. Akzessorietät

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enthält61. Die speziellere Norm verdrängt dann für ihren engeren Anwendungsbereich die allgemeinere62. Dieses streng verstandene logische Verhältnis der Spezialität reicht jedoch für sich genommen nicht für die Verdrängungswirkung einer Norm in Bezug auf eine andere aus63. Das logische Verhältnis bedarf hierzu einer teleologischen Ergänzung auf Rechtsfolgenseite. Der Gesetzgeber muss hinsichtlich der Rechtsfolgen den Zweck verfolgen, die der spezielleren Norm an die Stelle der allgemeineren treten zu lassen64. Abzugrenzen ist der so verstandene Spezialitätsgrundsatz also von dem Fall, in dem zwei Rechtssätze lediglich über eine Schnittmenge verfügen, einige Fälle somit nur dem einen, andere Fälle nur dem anderen Tatbestand unterfallen. Hier bleibt der Normenkonflikt zunächst ungelöst bzw. muss mit Hilfe teleologischer Erwägungen gelöst werden65. Hier kann sich die Verdrängungswirkung einer Norm also daraus ergeben, dass sie einen bestimmten Sachbereich regelt, während die allgemeine Vorschrift für mehrere Bereiche gelten soll66. Entscheidende Bedeutung kommt also auch hier dem Gesetzeszweck zu. Zu untersuchen sind hier die hinter den Normen stehenden Wertungen. Diese können ergeben, dass das Gesetz bestimmte Vorgänge aus besonderen Gründen einer einheitlichen Regelung unterwerfen will, sodass für diese Fälle von einer abschließenden Wirkung der spezielleren Norm auszugehen ist. Diese Konstellation lässt sich in Abgrenzung zur logischen Spezialität als Subsidiarität infolge erschöpfender Regelung beschreiben67. Die Betrachtung des Verhältnisses von § 266 Abs. 1 StGB zu den Sorgfaltsgeneralklauseln vor dem Hintergrund des Spezialitätsgrundsatzes muss sich im Ausgang auf den objektiven Tatbestand konzentrieren, denn dieser ist Gegenstand der allseits angenommenen Akzessorietät. Mit der Feststellung, dass der Untreuetatbestand hier akzessorisch zu anderen Rechtsgebieten ist und der gleichzeitigen Geltung des ultima-ratio-Prinzips, ist die Grundlage für ein Verhältnis, das dem Außerstrafrecht abschließende Wirkung zubilligen kann, geschaffen. Die Struktur des Untreuetatbestandes verbindet beide Rechtsgebiete auf besondere Weise und macht die Beachtung des ultima-ratio-Grundsatzes in besonderem Umfang abhängig von der Umschreibung des Regelungsbereichs der außerstrafrechtlichen Vorschrift. Die Sorgfaltsgeneralklauseln beinhalten in ihrer Doppelfunktion als Pflichtenund Sorgfaltsmaßstabsbeschreibung68 die untreuestrafrechtliche Tatbestandsan61 62 63 64 65 66 67 68

Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 267. Vgl. Larenz, a. a. O., S. 267. Larenz, a. a. O., S. 267 f. Larenz, a. a. O., S. 268. Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 39. Larenz, a. a. O., S. 267. Larenz, a. a. O., S. 268, Fn. 28. Siehe nur Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 10.

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2. Teil: Geschäftsleiterhandeln im akzessorischen Untreuetatbestand

forderung der Vermögensbetreuungspflicht69: Die verlangte Eigenverantwortlichkeit im Umgang mit dem Vermögen des Treugebers ist bei Geschäftsleitertätigkeit ausnahmslos gegeben und steht ergänzend ausdrücklich im Gesetzestext bspw. der §§ 76 AktG und 23 des baden-württembergisches SpkG und ist durch § 35 GmbHG impliziert70. Die Vermögensverantwortung ist bei Geschäftsleitern naturgemäß von erhöhter Bedeutung bzw. ihre primäre Aufgabe und ihre Zugriffsmöglichkeit auf das Gesellschaftsvermögen als Spezialisten, denen das Gesellschaftsvermögen anvertraut ist, entspricht auch im konkreten Fall regelmäßig den Maßstäben, die das Strafrecht an die Vermögensschädigung „von innen heraus“ anlegt71. Die Beschreibung des gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsmaßstabs geht zudem inhaltlich über die Beschreibung der Treuepflicht hinaus. Damit sind prinzipiell die Grundvoraussetzungen für ein logisches Spezialitätsverhältnis von bspw. § 93 Abs. 1 AktG zu § 266 Abs. 1 StGB gegeben. Indes kann nicht angenommen werden, dass die Sorgfaltsgeneralklauseln gerade dazu geschaffen wurden, den Untreuetatbestand für einen Teilbereich zu konkretisieren. Nach dem ursprünglichen Willen des Gesetzgebers bauen die Tatbestände nicht aufeinander auf. Bezogen auf den Sachbereich des Geschäftsleiterhandelns weisen der objektive Tatbestand der Untreue und die gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsgeneralklauseln aber zumindest eine große Teilschnittmenge auf72. Die Generalklauseln regeln hinsichtlich des Geschäftsleiterverhaltens einen Teilbereich aus den vielen möglichen Verhaltensweisen, die den objektiven Untreuetatbestand erfüllen können. Dies gilt insbesondere für den Fall der unternehmerischen Entscheidung im Rechtssinne. Als Vorschriften, die das Treueverhältnis für den Bereich der Geschäftsleitung konkretisieren, stehen sie folglich grundsätzlich in einem Verhältnis zum objektiven Tatbestand der Untreue, das eine Subsidiarität infolge erschöpfender Regelung ermöglicht. Nun sind die Wertungen bzw. die mit den jeweiligen Rechtsfolgen verfolgten Zwecke in Strafrecht und zivilrechtlichem Haftungsrecht bekanntermaßen eigentlich voneinander unabhängig. Die zivilrechtliche Wertung soll die strafrechtliche grundsätzlich nicht ersetzen und umgekehrt; beide verfolgen unterschiedliche Zwecke73. Für akzessorische Strafnormen kann dies jedoch nicht ohne Weiteres gelten. Das Verfassungsrecht als von beiden Bereichen zu beachtender ranghöhe69

Siehe bereits Zweiter Teil: A. Unzutreffend wohl Krause, in: Managerhaftung, § 35, Rn. 26, der die Vermögensbetreuungspflicht für die Geschäftsleitungen von Gesellschaften verschiedener Rechtsform jeweils aus den Vertretungsvorschriften herleitet, siehe auch oben bereits bei Fn. 2 (Zweiter Teil). 71 Teilweise als funktionaler Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Pflichtenstellung bezeichnet, vgl. Bräunig, a. a. O., S. 129; siehe auch BGH NJW 1992, 250 (251) („innerer Zusammenhang“). 72 Zweiter Teil: B.III. 73 Zu den Strafzwecken vgl. nur Fischer, StGB, § 46, Rn. 2 ff.; siehe auch bereits oben zur Unterscheidung von Verhaltens- und Sanktionsnormen. 70

B. Akzessorietät

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rer Normenkomplex74 gibt mit ultima-ratio-Grundsatz vor, dass die eine Rechtsfolge, nämlich die der gesellschaftsrechtlichen Pflichtgemäßheit, die strafrechtliche Rechtsfolge der Tatbestandsmäßigkeit ausschließt. Der ultima-ratio-Grundsatz beinhaltet folglich den Zweck, den Bereich des Geschäftsleiterhandelns objektiv in Straf- und Gesellschaftsrecht einer einheitlichen Regelung zu unterwerfen. Zusammen mit dem Umstand, dass die Sorgfaltsgeneralklauseln spezielle Pflichten- und Sorgfaltsmaßstäbe vorsehen, die inhaltlich über die Beschreibung der Anforderungen an die Einhaltung der Treuepflicht hinausgehen, ergibt sich daraus die Grundlage für eine gesetzgeberische Wertung, die eine Subsidiarität infolge erschöpfender Regelung vorsieht. Der Anspruch der gesellschaftsrechtlichen Generalklauseln, die Sorgfalt im Innenverhältnis der Gesellschaft umfassend zu regeln einerseits und ihre zusätzlichen Anforderungen gegenüber dem Untreuetatbestand andererseits, begründen ein Verhältnis, in dem die gesellschaftsrechtlichen Normen einen Teilsachbereich abschließend gegenüber dem objektiven Untreuetatbestand regeln75. b) Ausgleichs- versus Verhaltenssteuerungsfunktion Dass das Strafrecht, trotz im Einzellfall gegebener Akzessorietät, grundsätzlich eigenen Prinzipen folgen muss, wird, wie soeben angedeutet, insbesondere im Hinblick auf zivilrechtliches Haftungsrecht auch daraus abgeleitet, dass beide Rechtsgebiete einen grundsätzlich unterschiedlichen Charakter aufweisen. Dem Zivilrecht kommt im Unterschied zum Strafrecht insbesondere keine vorbeugende Funktion zu; es besitzt primär eine Ausgleichsfunktion76. Die ausgleichende zivilrechtliche Norm hat nicht die Verhinderung der Rechtsgutsverletzung bzw. Schädigung zum Ziel, sondern setzt sie, überspitzt formuliert, voraus77. Dem Strafrecht kommt dagegen die generalpräventive Funktion zu, rechtsgutsverletzendes Verhalten zu verhindern. Dabei soll es wegen seiner einschneidenden Wirkungen nur als letztes Mittel neben dem zivilrechtlichen Ausgleich zur Anwendung kommen78. Speziell den gesellschaftsrechtlichen Innenhaftungsnormen kommt indes traditionell keine reine Ausgleichsfunktion zu. Jedenfalls die Einführung des § 93

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Vgl. Larenz, a. a. O., S. 267. Obwohl es sich bei der Subsidiarität infolge erschöpfender Regelung streng genommen nicht um Spezialität handelt, wird dieser Begriff im Folgenden für das hier beschriebene Verhältnis verwendet. 76 Vgl. Schünemann, in: Mediating Principles, S. 23; diese Aussage ist allerdings insbesondere für das Deliktsrecht einzuschränken. 77 Vgl. Schünemann, in: Mediating Principles, S. 23; siehe aber auch Ransiek/Hüls, ZGR 2009, 157 (185) zur neuerdings angenommenen Lenkungswirkung deliktischer Haftung. 78 BVerfGE 39, 1 (46 f.). 75

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2. Teil: Geschäftsleiterhandeln im akzessorischen Untreuetatbestand

Abs. I Satz 2 n. F. hat die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften in seinem Anwendungsbereich zu Rechtsnormen gestaltet, die nicht mehr nur faktisch verhaltenssteuernd sind. Bei einem Vergleich der Zwecke straf- und gesellschaftsrechtlicher Normen, ist diese besondere Eigenschaft der Sorgfaltsgeneralklauseln als Instrumente der Verhaltenssteuerung zu berücksichtigen. Ein Zurückbleiben des Zivilrechts bei der Verhaltenssteuerung hinter dem Strafrecht ist hier nicht erkennbar. Über sonstige zivilrechtliche Haftungstatbestände hinaus haben sie neben der „klassischen Rolle“ des Schadensausgleichs79 in besonderer Weise die Steuerung des Verhaltens der Geschäftsleitung zum Zweck80. Die Steuerung von Managerverhalten ist gar das eigentliche Ziel der gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsnormen81. Während bei Treuepflichtverletzungen im gesellschaftsrechtlichen Sinne der Geschäftsleiter regelmäßig in der Lage ist, eine verursachte Vermögensminderung aus eigener Kraft zu begleichen, ist dies bei Sorgfaltspflichtverletzungen regelmäßig nicht der Fall. Aus Sicht der Gesellschaft hat der Haftungsausgleich, sofern nicht eine D&O-Versicherung den Schaden abdeckt, deshalb hauptsächlich Symbolcharakter. Entscheidend ist vielmehr die Präventivwirkung82. Die verhaltenssteuernde Wirkung wird durch den grundsätzlich hohen Sorgfaltsmaßstab des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters verstärkt83. Diese besondere Bedeutung für die Steuerung von Geschäftsleiterverhalten kommt in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht auch darin zum Ausdruck, dass nach h. M. der gesellschaftsrechtliche Sorgfaltsmaßstab aufgrund der Gefahr zu starker Risikoaversion nicht durch satzungs- oder individualvertragliche Verschärfungen verstärkt werden darf, sodass insofern eine abschließende Regelung vorliegt84. Zur grundsätzlich anerkannten und postulierten Eigenständigkeit des Strafrechts gegenüber anderen Rechtsbereichen auch bei akzessorischen Tatbeständen ist sonach zu konstatieren, dass Geschäftsleiter betreffende Sorgfaltsgeneralklauseln samt Haftungstatbeständen eine Sonderrolle einnehmen, die ihnen beim Ausfüllen des Untreueunrechts eine außerordentliche Bedeutung zuschreibt. Diese Erkenntnis berührt grundsätzlich nicht nur die Bewertung der strafrechtlichen Untergrenze bzw. abschließenden Funktion, sondern auch die Diskussion um die gravierende Pflichtverletzung85.

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Für § 93 AktG Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 2; Hüffer, § 93, Rn. 1. Siehe nur Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 2 m.w. N. 81 Arnold, Die Steuerung, S. 170. 82 Arnold, a. a. O.; Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 92. 83 Das Fehlen des Vorliegens empirischer Belege hierfür bemängelnd allerdings Arnold, Die Steuerung, S. 171. 84 Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 5 m.w. N.; MünchKommAktG/Spindler, § 93, Rn. 27. 85 Dazu sogleich Zweiter Teil: B.V.2. 80

B. Akzessorietät

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c) Zur Schutzzweckkonformität von Sorgfaltsgeneralklausel und Untreuetatbestand Mit der Vermögensbetreuungspflicht und dem funktionalen Zusammenhang wurden bereits Schutzzweckgesichtspunkte angesprochen. Gleichwohl bedarf bei einer Untersuchung des Verhältnisses der Sorgfaltsgeneralklauseln zum Untreuetatbestand im Hinblick auf eine mögliche Abschlussfunktion die Schutzzweckrelevanz der gesellschaftsrechtlichen Vorschrift einer eingehenderen Analyse. Als Teil der Zweckübereinstimmung86 muss die gesellschaftsrechtliche Sorgfaltsnorm ausreichend schutzzweckkonform zur strafrechtlichen Norm sein. aa) Konformität persönlicher Schutzbereiche Eine Schutzzweckkonformität im Sinne ausreichender Übereinstimmung des geschützten Personenkreises ist insgesamt zu bejahen. Um den Schutzzweck gegenüber § 266 Abs. 1 StGB richtig zu erfassen, darf entsprechend der soeben unter a) dargestellten Grundsätze die außerstrafrechtliche Beschreibung des Sorgfaltsmaßstabes nicht isoliert betrachtet, sondern muss zusammen mit den Haftungstatbeständen, also der Rechtsfolgenseite, gesehen werden. Zusammen mit den Haftungstatbeständen regeln die Sorgfaltsgeneralklauseln die Verantwortlichkeit gegenüber der Gesellschaft und dienen ihrem Schutz sowie dem der dahinterstehenden Aktionäre bzw. Anteilseigner87, die ihnen das Vermögen zur Verwaltung anvertrauen. Verstöße gegen Normen, die diesem Schutz nicht dienen, sind bei strenger Beachtung dogmatischer Grundsätze auch im gesellschaftsrechtlichen Haftungstatbestand grundsätzlich unerheblich88. Dieses Gebot unterliegt allerdings aufgrund des Legalitätsprinzips, wie von der h. M. verstanden, gerade im Hinblick auf aufsichtsrechtliche Vorgaben erheblichen Einschränkungen, was angesichts der starken Verrechtlichung unternehmensrelevanter Bereiche teilweise mit Sorge betrachtet wird89. Da sowohl in § 93 AktG als auch in § 43 GmbHG unter bestimmten Umständen auch der einverständliche Vermögensabfluss zugunsten der Aktionäre bzw. Gesellschafter sanktioniert wird, ergibt sich zudem aus den Vorschriften auch der Zweck des Schutzes (weiterer) Gläubi-

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Siehe oben a). Für § 93 AktG MünchKommAktg/Spindler, § 93, Rn. 1; zu § 43 GmbHG siehe Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 43, Rn. 1 f. 88 MünchKommAktg/Spindler, § 93, Rn. 130; Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 24. 89 Siehe Spindler/Stilz-Fleischer, a. a. O. sowie Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 43, Rn. 12 für den GmbH-Geschäftsführer („Fehlentwicklung“). Zur Anwendung des Aufsichtsrechts innerhalb der gesellschaftsrechtlichen Generalklauseln ausführlich im Dritten Teil. Die Probleme scheinen sich in jüngster Zeit dadurch zu verstärken, dass die zu beachtenden Vorschriften ihrerseits eine nicht unerhebliche Weite aufweisen, sodass sich die Frage stellt, ob die Interpretation von Rechtsvorschriften eine unternehmerische Entscheidung darstellen kann, siehe bereits oben Erster Teil: B.I.2.a)cc). 87

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2. Teil: Geschäftsleiterhandeln im akzessorischen Untreuetatbestand

ger der Gesellschaft90. Der Gläubigerschutz findet bei der Untreue zum Nachteil von Gesellschaften nach h. A. im Strafrecht jedoch ebenfalls Beachtung. Die Auseinandersetzung darüber, ob die Gesellschaft selbst oder allein die dahinterstehenden Eigentümer beim Handeln zum Nachteil juristischer Personen die Geschädigten sein können, setzt eben beim Gläubigerschutz an91. An dieser Stelle ist die Feststellung ausreichend, dass auch bei Verneinung einer Gläubigerschutzfunktion des § 266 StGB92 im Bereich der Kapitalgesellschaften93 eine ausreichende Schutzzweckkonformität im Verhältnis zu den Sorgfaltsgeneralklauseln anzunehmen ist, will doch die Sorgfaltsgeneralklausel samt Haftungstatbestand, ebenso wie der Untreuetatbestand, primär jedenfalls sowohl Anteilseigner als auch die Gesellschaft als Rechtsperson als wirtschaftliche Einheit schützen94. Eindeutig zu bejahen ist folglich eine Schutzzweckkonformität insofern, als beide das Vermögen eines Treugebers schützen und das Gesellschaftsrecht diesen Schutzzweck umfassend abdeckt, wobei die Sorgfaltsgeneralklauseln innerhalb ihres Anwendungsbereich den spezielleren Sorgfaltsmaßstab vorgeben. bb) Zusammenhang zwischen Organstellung und pflichtverletzender Handlung Ebenfalls bereits zur Sprache kam der Zusammenhang, der in beiden Vorschriften zwischen der pflichtverletzenden Handlung des Geschäftsleiters und seiner Pflichtentstellung bestehen muss. Dieses im Strafrecht als „funktionaler Zusammenhang“ bezeichnete Erfordernis95 findet sich auch bei den Sorgfaltsgeneralklauseln des Gesellschaftsrechts. Wo die Tätigkeit des Geschäftsleiters in keinem Sachzusammenhang mit seinen dienstlichen Tätigkeiten steht, wird die Organhaftung abgelehnt und auf allgemeine Haftungsnormen verwiesen96. Inhalt und Grenzen dieses Zusammenhangs sind im Gesellschaftsrecht allerdings weit 90 Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 2; vgl. auch MünchKommAktG/Spindler, § 93, Rn. 1; für die GmbH Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43, Rn. 1 und 55. § 43 Abs. 3 GmbHG verbietet Zahlungen aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft entgegen § 30 GmbHG. § 93 Abs. 3 AktG enthält vergleichbare Vorgaben für die Aktiengesellschaft. 91 Vgl. zusammenfassend Schönke/Schröder/Perron, StGB, § 266, Rn. 21 ff. Auf Einzelheiten wird, sofern für die vorliegende Untersuchung nötig, zu gegebenem Zeitpunkt zurückzukommen sein. 92 Ausdrücklich ablehnend zuletzt BVerfG NJW 2010, 3209 ff. 93 Zur Personengesellschaft vgl. SSW-StGB/Saliger, § 266, Rn. 88. 94 Vgl. MünchKommAktG/Spindler, a. a. O. Wenngleich Aktionäre in ihrer unmittelbaren Geltendmachung des Haftungsanspruchs teilweise nicht unerheblich eingeschränkt sind (vgl. bspw. §§ 112, 147, 148 AktG). 95 Oben Zweiter Teil: A. 96 Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, § 93, Rn. 65; Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 202; MünchKommAktG/Spindler, § 93, Rn. 128; entsprechende Überlegungen werden teilweise auch unter dem Stichwort der Kausalität angestellt, so bei Blasche, WM 2011, 343 (348 f.) und Schäfer/Zeller, BB 2009, 1706 (1710).

B. Akzessorietät

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weniger herausgearbeitet als beim Untreuetatbestand97, was damit zusammenhängen dürfte, dass tendenziell jedes Verhalten des Geschäftsleiters als im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit stehend betrachtet wird, weil – insbesondere bei börsennotierten Unternehmen – sein persönliches Verhalten für den Wert des Unternehmens eine außerordentliche Bedeutung haben kann98. Die grundsätzliche Differenzierung zwischen der Vermögensbetreuungspflicht bzw. Leitungspflicht einerseits und einer einzelnen, diese Pflicht betreffenden Handlung tritt in der gesellschaftsrechtlichen Diskussion deswegen weit weniger stark hervor. In dogmatischer Hinsicht besteht das Erfordernis eines Funktionalzusammenhangs indes inhaltsgleich zum Untreuetatbestand. cc) Schutzzweckrelevanz der verletzten Pflichtennorm Aus strafrechtlicher Sicht ist für eine Untreuerelevanz, neben dem Zusammenhang zwischen pflichtverletzender Handlung und Vermögensbetreuungspflicht, auch ein Bezug der verletzten Pflichtennorm selbst für das Schutzgut Vermögen erforderlich. Das Vorliegen eines derartigen Bezugs ist für das Verhältnis der Sorgfaltsgeneralklauseln zum Pflichtverletzungsmerkmal der Untreue entscheidend, denn sofern die Generalklauseln hier keinen ausreichenden Bezug herzustellen vermögen, ist zumindest ein Weg offen für weitere primärrechtliche Anknüpfungen oder eine strafrechtsautonome Betrachtungsweise. Darüber hinaus ist die Schutzzweckrelevanz außerstrafrechtlicher Pflichten für den Untreuetatbestand als Norm des modernen Wirtschaftsstrafrechts im Allgemeinen, d.h. unabhängig von einer angenommenen besonderen Beziehung der Sorgfaltsgeneralklauseln zur Untreue, von überragender Bedeutung. Angesprochen ist hier insbesondere die Tendenz zur Beschreibung von Verfahrenspflichten im Aufsichtsrecht und hier vor allem beim Risikomanagement als Rechtsmaterie. Hierauf wird im Fünften Teil vertieft eingegangen. Auch als Grundlage dieser Ausführungen dienen deshalb die hier anschließenden Erwägungen. (1) Im Allgemeinen: Zur Erforderlichkeit eines Fremdvermögensbezugs Fraglich ist zunächst, ob die Pflicht, wie ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter zu handeln als solche einen ausreichenden Bezug zum Schutzgut des Treugebervermögens aufweist. Die Erheblichkeit eines derartigen „Fremdvermögensbezugs“ 99 ist im Strafrecht allerdings nicht völlig unumstritten. Die wohl überwiegende Auffassung meint, dass Pflichten, die diese Voraussetzung nicht erfüllen, für die Pflichtgemäßheit eines Verhaltens im Rahmen des Untreue97

Vgl. Spindler/Stilz-Fleischer a. a. O. Vgl. Mertens/Cahn a. a. O. sowie Schünemann, NStZ 2006, 196 (199). 99 Begriff von SSW-StGB/Saliger, § 266, Rn. 32 in Abgrenzung zu einem Schutzzweckzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden. 98

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2. Teil: Geschäftsleiterhandeln im akzessorischen Untreuetatbestand

tatbestandes irrelevant sind100. Die Anforderungen an den Fremdvermögensbezug werden im Einzelnen unterschiedlich beschrieben101. Scheinbar vorherrschend ist die Auffassung, die es ausreichen lässt, dass die Primärrechtsnorm zumindest einen mittelbaren Vermögensschutz intendiert102. Untreueirrelevant sollen danach allein Vorschriften sein, die ausschließlich allgemeinen oder öffentlichen Interessen dienen103. Auch die Rechtsprechung hat das Erfordernis eines Bezugs der konkret verletzten Pflicht zum Vermögen des Treugebers jetzt ausdrücklich betont104. Nicht zuletzt die gesellschaftsrechtliche Legalitätspflicht und ihre Folgen für den Untreuetatbestand haben besondere Aufmerksamkeit auf den Gegenstand gelenkt105. Bei der Geschäftsleiterhaftung überträgt sich nämlich das Unwohlsein hinsichtlich einer Haftung für die Legalitätspflicht in das Strafrecht106, sodass die Befürworter des Fremdvermögensbezugs dessen Vorliegen für die Sorgfaltsgeneralklauseln des Gesellschaftsrechts verneinen107. Wiederum ebenfalls die Rechtsprechung hat die gesellschaftsrechtliche Legalitätspflicht konkret in Bezug genommen und vertreten, diese könne nicht zur Folge haben, dass die primär verletzte Rechtsnorm, wenn sie nicht selbst das betreute Vermögen schützt, allein dadurch aus untreuestrafrechtlicher Sicht vermögensschützend wird, dass ihre Verletzung zugleich eine Verletzung der aktienrechtlichen Vorschriften darstellt108. Allein, dass die verletzte Pflicht durch die §§ 93, 116 AktG zu einer 100 Bernsmann, GA 2009, 296 (307); Kubiciel, NStZ 2005, 353 (360); Bosch/Lange, JZ 2009, 225 (227); Brammsen, wistra 2009, S. 85 (87); Dittrich, Die Untreuestrafbarkeit, S. 192; Günther, in: FS Weber (2004), S. 311 (316); Knauer, NStZ 2002, 399 (402 f.); Schönke/Schröder/Perron, StGB, § 266 Rn. 19a; Ransiek, ZStW 116 (2004), 634 (672); Dierlamm, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 201 (204 f.); nicht immer wird dabei ausdrücklich zwischen der Vermögensbetreuungspflicht als abstrakter Pflichtenstellung und der Verletzung einzelner vermögensrelevanter Pflichten unterschieden, vgl. Fischer, StGB, § 266, Rn. 21. 101 Überblick bei Brand/Sperling, AG 2011, 233 (235 ff.). 102 Schönke/Schröder/Perron, § 266, Rn. 19a m.w. N.; SSW-StGB/Saliger, § 266, Rn. 32; Rönnau, StV 2009, 246 (247); Brammsen, ZIP 2009, 1504 (1506); jüngst auch Brand/Sperling, AG 2011, 233 (235) m.w. N. 103 SSW-StGB/Saliger, § 266, Rn. 32; Schlösser/Dörfler, wistra 2007, 326 (329); Schünemann, NStZ 2006, 196 (198). 104 BGHSt 55, 288 (301 f.) („VW“). 105 Zusammenfassend Brand/Sperling, AG 2011, 233 ff. 106 Siehe soeben aa). 107 Bernsmann a. a. O.; Schünemann, NStZ 2006, 196 (198); Bosch/Lange, JZ 2009, 225 (227). 108 BGHSt 55, 288 (301 f.); die Frage noch als streitig betrachtend LG Bonn NJW 2001, 1736 (1739): „Nicht jeder Gesetzesverstoß ist strafbar. Andererseits erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die Herbeiführung einer voraussehbaren Sanktionsgefahr zu Lasten des Treugebers eine Untreue sein kann. Soweit Normen verletzt werden, die nicht dem Schutz des Vermögens des Treugebers, sondern anderen Zwecken dienen, sind die strafrechtlichen Folgen allerdings streitig.“ Zitiert nach Krüger, NJW 2002, 1178.

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aktienrechtlichen Pflicht der Organe wird, mache den Verstoß nicht zu einer Pflichtverletzung gem. § 266 Abs. 1 StGB. Jeden Gesetzesverstoß109 zugleich als pflichtwidrige Handlung i. S. v. § 266 StGB einzuordnen, nehme dem Untreuetatbestand jegliche Kontur und sei bei weniger gewichtigen Verstößen gegen selbst nicht strafbewehrte Normen vielfach auch nicht mehr mit der ultima-ratio-Funktion des Strafrechts zu vereinbaren. Es finden sich dagegen auch Stimmen in der Literatur, die die Notwendigkeit eines Fremdvermögensbezugs verneinen bzw. einschränken, indem sie beim Schutzzweck der Untreue die Dispositionsbefugnis im Innenverhältnis betonen. Der Gesetzgeber habe dadurch, dass er den Geschäftsleiter mit der Generalklausel auf die Einhaltung von Legalitätspflichten festgelegt hat, den Willen der Gesellschaft insoweit abstrakt-generell vorgegeben110. Die Gesellschaft selbst habe die schützenswerte Erwartung, dass ihre Organe sich wie ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter verhalten. Nicht vermögensbezogene Verhaltensnormen ließen sich von dieser Erwartung nicht abkoppeln111. In der Rechtsprechung finden sich vergleichbare Tendenzen, wo es heißt, es stehe den Parteien frei, einer vertraglichen Pflicht im Wege der Vereinbarung vermögensschützende Bedeutung beizumessen112. Gemeinsam ist diesen Ansichten ein weites Verständnis des Dispositionsbegriffs bzw. die Annahme niedriger Voraussetzungen für eine Umwandlung von Außennormen zu solchen mit Untreuerelevanz bei gleichzeitiger Konzentration auf die Gesamtheit der rechtlichen Beziehungen zwischen Treugeber und Treunehmer gegenüber der im Einzelnen verletzten Pflicht113. (2) Im Allgemeinen: Zur Erforderlichkeit einer Ergebnisrelevanz Bei der Analyse der Untreue als moderner Wirtschaftsstrafnorm stößt man unter Schutzzweckgesichtspunkten unweigerlich auf einen Aspekt, der im Strafrecht im Zusammenhang mit Entscheidungsverfahren seit längerem diskutiert wird und im Anschluss an die Finanzmarktkrise weiter erheblich an Bedeutung gewonnen 109 Der Senat nennt als Beispiel die Beauftragung einer Werbeagentur mit einer i. S. v. § 3 UWG unlauteren Werbung. 110 Siehe schon Nelles, Untreue zum Nachteil, S. 552; Saliger/Gaede, HRRS 2008, 57 (68); ausführlich Michaelsen, DCGK und Untreue, S. 148 f.; vgl. auch Ransiek, StV 2009, 321 (322) sowie Kubiciel, NStZ 2005, 353 (360): „Ausgehend von dem Kooperationsverhältnis von § 266 StGB und den außerstrafrechtlichen Pflichten zum Schutz des Vermögens lässt sich eine Vorschrift wie § 93 AktG als normative Simulation dessen verstehen, was der Vermögensinhaber in der konkreten Situation als Ausübung seiner eigenen Freiheit toleriert hätte.“ 111 Michaelsen, DCGK und Untreue, S. 148 f. 112 Siehe jüngst BGHSt 56, 203 ff. (Rn. 29 – zitiert nach juris). 113 Siehe nochmals Nelles, Untreue zum Nachteil, S. 552; Michaelsen, DCGK und Untreue, S. 150; gegen eine solche Sichtweise Knauer, NStZ 2002, 399 (401); ablehnend auch Brand/Sperling, AG 2011, 233 (238).

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2. Teil: Geschäftsleiterhandeln im akzessorischen Untreuetatbestand

hat, und zwar die Rolle von Verfahrenspflichten bzw. von Pflichten, die lediglich einen abstrakten Bezug zum geschützten Rechtsgut aufweisen. Die Annahme eines ausreichenden Schutzzweckbezugs der Sorgfaltsgeneralklauseln erscheint nämlich auch deswegen problematisch, weil mit der Einführung des safe harbour nunmehr ausdrücklich ein Verfahrensansatz im Gesetz festgeschrieben ist. Im Übrigen beschreiben speziell Risikomanagementvorgaben des Aufsichtsrechts häufig die Einrichtung von Organisation und Verfahren114. In der strafrechtlichen Literatur wird das Problem allgemein unter dem ausreichenden Vermögensbezug von Formalpflichten diskutiert115. Das Thema weist Überschneidungen mit dem Problem des Fremdvermögensbezugs auf, lässt sich aber in Abgrenzung zum Gesamtzweck, Fremdvermögen zu schützen bezeichnen als Problem der Nähe zu einem materiellen Schaden oder des hinreichenden Schadenspotenzials. Es liegt in der Natur von Verfahrensvorschriften, dass diese in ihrem Anwendungsbereich zum konkreten Schaden eine gewisse Distanz aufweisen. Die Vorschriften verlieren damit prinzipiell an ihrer Eignung als den Schutzzweck des Untreuetatbestandes erfassende Normen, weil bei ihnen das Rechtsgut Vermögen in nur „mittelbarer“ Ferne liegt116. Der notwendige Zusammenhang zwischen derartigen Pflichtenbeschreibungen und dem Vermögen des Treugebers lässt sich treffend als Frage der Ergebnisrelevanz bezeichnen117. In strafrechtsdogmatischer Terminologie ist hier das das Problem angesprochen, ob die Verletzung einer Norm das Risiko der Erfolges ausreichend zu erhöhen geeignet ist. Die Risikoerhöhungslehre betrifft das Problem der Realisierung der Gefahr im Schaden. Die Risikoerhöhungslehre betrifft zwar nicht zwangsläufig die Verletzung von Verfahrensvorschriften, weil freilich auch in einem Fall der Verletzung von Verfahrensvorschriften (mit ausreichender Gewissheit) feststehen kann, dass die Einhaltung des vorgegebenen Verfahrens den Schadenseintritt verhindert hätte. Und dass Verfahrensvorschriften durchaus eine Schutzfunktion für das materielle Rechtsgut haben können, ist grundsätzlich akzeptiert118. Andererseits weisen Verfahrensvorschriften typischerweise eine gewisse Entfernung zum Rechtsgut bzw. – bezogen auf die Untreue – zum Vermögensschaden auf. Nun ist bekanntermaßen die Risikoerhöhungslehre119 im Strafrecht kein überwiegend anerkanntes Konzept120, weswegen diese Frage im Weiteren näher im Auge zu behalten ist. 114

Siehe zu § 25a KWG ausführlich Dritter Teil: D.VI.2.a). Vgl. Rönnau/Hohn, NStZ 2004, 113 (114 f.). 116 Vgl. Knauer, NStZ 2002, 396 (402 f.). 117 Schünemann, Organuntreue, S. 63 f., in der Bedeutung etwas abweichend von hiesiger Verwendung zum Schutzzweckzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden; wie hier SSW-StGB/Saliger, § 266, Rn. 32. 118 Vgl. Schünemann, Organuntreue, S. 64 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundrechtsschutz durch Verfahren. 119 Grundlegend Roxin, ZStW 74 (1962), 411 (430 ff.). 120 Zur überwiegenden Ansicht siehe nur Schönke/Schröder/Perron, § 15, Rn. 179/ 179a m.w. N. 115

B. Akzessorietät

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d) Analyse der Bedeutung der Sorgfaltsgeneralklauseln für den Untreuetatbestand aa) Fremdvermögensbezug Den Sorgfaltsgeneralklauseln selbst kann ein ausreichender Fremdvermögensbezug nicht abgesprochen werden. Die jüngsten Zweifel der Rechtsprechung an ihrer Eignung für den Untreuetatbestand dürften denn auch eher der Sorge geschuldet sein, dass das Gesellschaftsrecht eine vorgelagerte Schutzzweckbegrenzung nicht vornimmt und somit Normen einbezieht, die nicht primär die Interessen des Treugebers schützen. Damit ist jedoch, wie die Rechtsprechung selbst betont, der Bestimmtheitsgrundsatz betroffen, nicht der Schutzzweck der Norm. Es ist zumindest in praktischer Hinsicht offenbar zutreffend, dass mit dem weiten Verständnis des gesellschaftsrechtlichen Legalitätsprinzips in strafrechtlicher Hinsicht eine gewisse Entfernung vom Rechtsgut entstehen kann. Strafrechtliche Literatur und Rechtsprechung haben sich im Untreuetatbestand jedoch bereits mehrfach mit Vorschriften befasst121, die neben der Tatsache, dass sie ein Entscheidungsverfahren beschreiben, die Interessen des Treugebers eigentlich nicht schützen. Hier sind insbesondere die Vorschriftten des KWG betroffen. Die Sorgfaltsgeneralklauseln selbst weisen dagegen eindeutig einen Fremdvermögensbezug auf, zumal dann, wenn man sie, wie hier vertreten, in ihrer Eigenschaft als Spezialvorschriften unter Berücksichtigung ihres Zusammenhangs mit dem Haftungstatbestand und den Vorgaben zur Schadenszurechnung betrachtet. Insofern lässt sich bereits hier als dogmatisch gesichert festhalten, dass jedenfalls an der Eignung der Sorgfaltsgeneralklauseln als verbindlicher Untergrenze auch dann kein Zweifel bestehen kann, wenn über das gesellschaftsrechtliche Legalitätsprinzip erfasste (faktische) Haftungsgefahren einbezogen werden. Aufgrund ihrer Spezialität decken sie das Untreueunrecht innerhalb ihres Anwendungsbereiches abschließend ab. Etwas anderes ließe sich speziell mit ihrer verhaltenssteuernden Funktion nicht vereinbaren. Dies mag wie eine Selbstverständlichkeit anmuten; besonders vor dem Hintergrund einer untreuestrafrechtlichen Bewertung der Vorgänge im Vorfeld der Finanzmarktkrise ist es indes geboten, das Verhältnis der Normen nicht allein aus der Sicht einer strengen Akzessorietät zu betrachten122. Denn beachtenswert an den Ansichten, die über eine „umfassende untreuebewehrte Legalitätspflicht“ in § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG zu einer Deckungsgleichheit zwischen Sorgfaltsgeneralklausel und Untreuetatbestand gelangen123, ist vor allem auch ein (strafrechtlicher) Befund der umfassenden Ver121 Wenn auch, jedenfalls zu Beginn, durchaus mit Zurückhaltung. Siehe dazu ausführlich unten Vierter Teil: A.IV.1. im Zusammenhang mit der strafrechtlichen Relevanz von Risikomanagementvorgaben. 122 Dazu unter V. 123 Siehe Fn. 111 (Zweiter Teil). Diese Ansicht, die – aus dem Blickwinkel einer strengen Akzessorietät – in der Verletzung „allgemeiner Gesetze“ zugleich auch immer

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2. Teil: Geschäftsleiterhandeln im akzessorischen Untreuetatbestand

rechtlichung von Geschäftsleiterhandeln, ein Befund, der für die strafrechtliche Untergrenze bei der Aufarbeitung der Finanzmarktkrise eine wichtige Bedeutung erfährt. Sie deutet überdies an, dass eine strenge Akzessorietät den Geschäftsleiter dann nicht über Gebühr zu belasten scheint, wenn im außerstrafrechtlichen Bereich aufgrund von Normenklarheit und Regelungsdichte die strafrechtliche Untergrenze ausreichend klar konturiert ist und so Rechtssicherheit geschaffen wird124. Das Verständnis der Sorgfaltsgeneralklauseln als „zwingenden Intermediären“ für die Anwendung primärrechtlicher Normen im Untreuetatbestand bedeutet auch, dass eine Pflichtennorm nicht untreuerelevant sein kann, sofern sie im Gesellschaftsrecht als haftungsrechtlich irrelevante Legalitätspflicht aussortiert wird. Das ist nach gegenwärtiger Rechtslage wohl eher ein theoretisches Problem und als Prämisse zugleich abhängig von seiner Beachtung durch die Strafrechtsprechung125. Die Generalklauseln sind gleichwohl auch in ihrer Schutzfunktion für das ultima-ratio-Prinzip und nicht allein als Gefahr für dieses zu begreifen. bb) Bestimmtheit und Legalitätspflicht Wie die bisherigen Ausführungen zeigen, kann bei der Geschäftsleiteruntreue angesichts der Struktur der Generalklauseln auf der Suche nach einem dogmatisch stringenten Umgang mit dem Verhältnis des Untreuetatbestandes zum Primärrecht nicht von einer Beschreibung dieses Verhältnisses als einem starren Konzept ausgegangen werden126. Es ist vielmehr entscheidend, welche Regeeine Untreuepflichtverletzung sieht, kommt allerdings bei der klassischen unternehmerischen Entscheidung in Schwierigkeiten, bei denen keine Pflichtenkonkretisierungen existieren, d.h. insbesondere bei der auf tatsächlichen Unsicherheiten beruhenden Entscheidung. Zum anderen kann, wie gesehen, die Legalitätspflicht im Einzelfall durchaus der Abwägung unterliegen bzw. die Rechtsauslegung selbst eine unternehmerische Entscheidung darstellen, siehe Erster Teil: B.I.2.a). In beiden Fällen scheint die Annahme einer Disposition bzw. vom „Gesetzgeber in Form einer Norm gegossene Erwartung der Gesellschaft an die Rechtstreue seiner Organe“ (Michaelsen, a. a. O. S. 149) konzeptionell nicht vollständig zu passen, weil nach dem Zweck des safe harbour die unternehmerische Entscheidung grundsätzlich gerade unreguliert sein soll. Bezogen auf das Verhältnis zur Untreue kommt hier, wie gezeigt, das Zusammenspiel der Sorgfaltsgeneralklausel mit der Haftungsnorm und die verhaltenssteuernde Wirkung zur Geltung. Andererseits kann der safe harbour selbst durchaus durch vorgelagerte Normen konkretisiert werden. Michaelsen, a. a. O. weist auf den unternehmerischen Ermessensspielraum im Sinne früherer Stimmen im Hinblick auf seine Deckungsgleichheit zum strafrechtlichen Risikogeschäft und die ausreichende Restriktionswirkung aus strafrechtlicher Sicht hin (S. 127 ff., 184 f., vgl. dazu bereits oben Erster Teil: B.II.). Dazu, inwiefern der safe harbour sich auf das Verhältnis der Normen zueinander auswirkt, sogleich. 124 Ähnlich Kubiciel, NStZ 2005, 353 (358); im Zusammenhang mit der Anwendung aufsichtsrechtlicher Normen für eine Aufarbeitung der Finanzmarktkrise Schröder, Hdb. Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1160. 125 Dazu unter C. 126 Siehe oben 2.

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lungsdichte die Generalklauseln im Einzelfall durch das Legalitätsprinzip erfahren. Sie selbst sind zwar im Ausgang unterreguliert, erhalten jedoch durch das Legalitätsprinzip im Einzelfall einen hohen Grad an Konkretisierung. Die Verrechtlichung die Geschäftsleitung betreffender Bereiche hat über das Legalitätsprinzip Auswirkungen auf die Bestimmtheit von § 266 Abs. 1 StGB. Somit zeigt sich, dass die Bestimmtheit der Untreue im wirtschaftlichen Bereich keinesfalls über Fallgruppenbildungen hergestellt werden muss127, jedenfalls dann nicht, wenn keine unternehmerischen Spielräume gewährt werden. Zurückkommend auf die Sorge der Rechtsprechung hinsichtlich der Übertragung des Legalitätsprinzips in den Untreuetatbestand ist festzuhalten, dass die Bestimmtheit aus typologischer Sicht weniger ein Problem darstellen dürfte als vermutet und das Problem des Schutzzwecks das dringendere darstellt. cc) Insbesondere: unternehmerisches Handeln und Ergebnisrelevanz Die Abstraktheit im Hinblick auf einen Schaden ergibt sich – unter Außerachtlassung einer Konkretisierung durch externe Vorschriften – bei den Sorgfaltsgeneralklauseln, unabhängig von ihrem Verfahrensansatz im Falle unternehmerischer Entscheidungen, bereits aus der lediglich generischen Beschreibung der schutzzweckrelevanten Pflicht – eine Konsequenz des Bedürfnisses, jeden denkbaren Sachverhalt zu erfassen128. Ihre grundsätzliche Unterregulierung macht sie bezogen auf das Vermögen der Gesellschaft letztlich zu einer nur abstrakten Schutznorm129. Eine Auseinandersetzung mit der Eignung der Sorgfaltsgeneralklauseln als Untreuevorschriften hat bisher, soweit ersichtlich, vornehmlich mit Blick auf diese Eigenschaft der Generalklauseln stattgefunden und weniger in Anbetracht des Verfahrensaspektes. Der Verfahrensansatz des safe harbour birgt auch keine zusätzlichen Hindernisse für die abschließende Funktion der Sorgfaltsgeneralklauseln gegenüber dem Untreuetatbestand. Es kann kaum die Auffassung vertreten werden, der safe harbour sei aus dem Anwendungsbereich des Untreuetatbestandes herauszunehmen, weil seine Voraussetzungen der Generalklausel die Ergebnisrelevanz nehmen. Zum einen ist grundsätzlich akzeptiert, dass Verfahrensvorschriften eine Schutzfunktion für das materielle Rechtsgut haben können130. Überdies bezieht er über den Verfahrensansatz nicht zusätzliche Verhaltensweisen in den Tatbestand ein, sondern hält sie bei Einhaltung von Verfahren aus dem Tatbestand her127

Siehe oben Zweiter Teil: B.IV.2.b). Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, AT, S. 54. 129 Vgl. auch Lüderssen, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 211 (215), bei generalklauselartigen Beschreibungen darauf abstellend, ob durch Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht eine besondere Risikoerhöhung für den Erfolgseintritt gegeben ist. 130 Oben bei Fn. 115 (Zweiter Teil). 128

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aus. Auch bleibt im Falle der Verletzung der Verfahrensvorgaben Anknüpfungspunkt der gesellschaftsrechtlichen Pflichtverletzung der allgemeine Sorgfaltsmaßstab. Aus Sicht des ultima-ratio-Grundsatzes ist der hier betroffene strafbarkeitseinschränkende Verfahrensbezug unproblematisch. Der safe harbour macht außerdem spezielle Vorgaben zur Entscheidungsfindung, die vom Strafrecht zwingend zu beachten sind. Von dogmatisch und praktisch erheblicher Bedeutung ist vor allem die Definition der unternehmerischen Entscheidung als Eingangsvoraussetzung. Sie stellt im unterregulierten Bereich den entscheidenden „Strafbarkeitsfilter“ dar. Festzuhalten ist, dass den Generalklauseln auch im Bereich der unternehmerischen Entscheidung im Rechtssinne eine abschließende Funktion gegenüber dem Untreuetatbestand zukommt131. Dass den Generalklauseln vorgelagert ggf. Vorschriften existieren, die hinsichtlich der Entscheidungsfindung weitere Spezialvorgaben machen, steht dem nicht im Wege, denn derartige Vorgaben lassen sich als Konkretisierungen der gesellschaftsrechtlichen Vorschrift verstehen132. Wie noch zu zeigen sein wird133, haben strafrechtliche Rechtsprechung und Literatur im Gegensatz hierzu teilweise bereits die Neigung erkennen lassen, strafbarkeitsausweitend auf Verfahrensvorschriften zurückzugreifen. Von Relevanz ist insofern besonders das Risikomanagement. dd) Konsequenz: Abschaffung des Risikogeschäftes als eigenständiger strafrechtlicher Kategorie Der safe harbour erhöht das Potenzial der Sorgfaltsgeneralklauseln in ihrer Eigenschaft als „Durchlaufnorm“ also dadurch, dass er die Sorgfaltspflichten des Geschäftsleiters in strafbarkeitseinschränkender Weise schon innerhalb des Sorgfaltstatbestandes konkretisiert. Die Voraussetzungen des Handelns auf angemessener Informationsgrundlage und zum Wohle der Gesellschaft134 und die dahinter stehenden Rechtsgrundsätze stellen Konkretisierungen dar, die das unternehmerische Handeln auch für das Strafrecht ausreichend fassbar machen. In der Literatur herkömmlicherweise und auch nach Einführung des safe harbour vorzufindende mehr oder minder lose Anbindungen an zivilrechtliche Vorgaben hinsichtlich des unternehmerischen Freiraums derart, dass es „auf der Hand liegt, dass das ,ARAG-Urteil‘ für die Bewertung unternehmerischer Entscheidungen Rückwirkungen auf § 266 StGB hat und jedenfalls nicht unberück131

A. A. wohl Fleischer, DB 2006, 542 (545). Siehe unten Dritter Teil: B. 133 Vierter Teil: A. 134 Siehe dazu im Zusammenhang mit den subjektiven Aspekten der Untreuestrafbarkeit im Vierten Teil. 132

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sichtigt bleiben darf “ 135, sind deshalb abzulehnen. Sie lassen im Übrigen außer Acht, dass vorgelagerte Normen wie bspw. §§ 18, 25a KWG gerade auch die Voraussetzungen des safe harbour konkretisieren können136. Als zwingende „Durchlaufnorm“ kann die Generalklausel hier sicherstellen, dass Verfahrensvorschriften keine strafbarkeitsausweitende Eigenschaft zugeschrieben wird137. Die Diskussion um das strafrechtliche Risikogeschäft hat sich mit Inkrafttreten des UMAG nur teilweise zur Anwendungsvoraussetzung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG verlagert138, was in der vermuteten Ähnlichkeit oder gar Deckungsgleichheit der Kriterien, die das Strafrecht zur Beurteilung unternehmerischen Handels entwickelt hat, begründet sein mag139. Andererseits wird nach wie vor zum Ausdruck gebracht, dass für „bestimmte Arten unternehmerischer Entscheidungen weitere Konkretisierungen des strafrechtlichen Pflichtenprogramms“ durch die Rechtsprechung vorgenommen werden140. Die völlige Deckungsgleichheit der strafrechtlichen Grundsätze mit denen des Gesellschaftsrechts ist in der Tat zu bezweifeln, was sich gerade nicht, wie die Diskussion um die gravierende Pflichtverletzung deutlich werden lässt, stets strafbarkeitsbeschränkend auswirkt141. Konzeptionelle Veränderungen im Zuge der Kodifizierung der (deutschen) business judgment rule, möge man sie auch für gering halten142, sind für die Untreue von Bedeutung. Liegt demnach der dogmatische Unterschied in der nunmehrigen subjektiven Absicherung des unternehmerischen Freiraums143, ist es ausgeschlossen, die Angemessenheit der herangezogenen Informationen nach 135 So Ransiek/Hüls, ZGR 2009, 157 (160) (Hervorhebung im Original); ebenso Ransiek, WM 2010, 869 (874); grundsätzliche Missachtung der strafrechtlichen Anbindung an den safe harbour unter Rekurrierung auf das strafrechtliche Risikogeschäft und Fallgruppen der Rechtsprechung z. B. in: G/J/W-Waßmer, § 266 StGB, Rn. 94 ff. sowie Schröder, NJW 2010, 1169 (1171); letzterer in ausdrücklicher Anerkennung des Nebeneinanderexistierens von unternehmerischem Handeln im Gesellschaftsrecht und dem strafrechtlichen Risikogeschäft. Siehe auch unten Fn. 146 (Zweiter Teil). 136 Siehe dazu Dritter Teil: D.VI.2.b). 137 Siehe dazu Vierter Teil: A.VI. 138 Bspw. Seibt/Schwarz, AG 2010, 301 (306) sind der Ansicht, die strafrechtliche Gerichtspraxis habe sich bereits explizit auf die Norm bezogen. Die von ihnen hierzu zitierten Urteile sind jedoch entweder vor der Einführung der Norm ergangen oder, wie im Falle der Entscheidung zur Kreditvergabe bei der West LB (BGH ZIP 2009, 1854 (1857)), nehmen lediglich auf diese Urteile Bezug. 139 Vgl. oben Erster Teil: B.II.1. 140 Krause, in: Managerhaftung, § 35, Rn. 33, der insbesondere das Risikogeschäft nach wie vor als eigene Fallgruppe zu betrachten scheint, siehe a. a. O., Rn. 50 ff. und auch das Investment in ABS hier diskutiert. 141 Einen Antagonismus zwischen strafrechtlichem und gesellschaftsrechtlichen Umgang mit unternehmerischem Handeln zu Lasten des Geschäftsleiters feststellend Feddersen, in: FS Laufs (2006), S. 1169 ff. Die Rechtsprechung zu den Risikogeschäften als gegenüber § 93 AktG zu streng einschätzend bspw. auch MünchKommAktG/Spindler, § 93, Rn. 51. 142 MünchKommAktG/Spindler, § 93, Rn. 35. 143 Vgl. Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 64.

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lediglich objektiven Maßstäben zu bewerten. Die nunmehr zwingende Übernahme des Verfahrensansatzes über § 93 AktG in das Strafrecht verbietet es, ohne Weiteres auf Verletzungen der Sorgfaltsgeneralklausel vorgelagerter materieller Pflichten abzustellen144. Dass sich dem Problem des „Risikogeschäftes“ vor Inkrafttreten des UMAG nicht von der Seite der Akzessorietät bzw. des ultima-ratio-Prinzips genähert wurde, mag verständlich sein145. Seitdem sind die Umrisse der strafrechtlichen Untergrenze für den Bereich der unternehmerischen Entscheidung im gesellschaftsrechtlichen Sinne jedoch hinreichend klar umrissen. Es kann jetzt auch nicht mehr angenommen werden, dass es sich allein um nicht gleichwertige Rechtsprechungsvorgaben handelt. Der schleichende Prozess, beginnend bei der strafrechtlichen Anerkennung der Existenz des Risikogeschäftes und der Notwendigkeit seiner gesonderten Be144 A. A. Schünemann, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 92, der anschließend feststellt, § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG habe für das Strafrecht im Ergebnis keine Bedeutung, weil § 266 Vorsatz erfordere, der safe harbour aber einen Maßstab objektiver Fahrlässigkeit beschreibe. 145 Kritisch dazu Feddersen, in: FS Laufs (2006), S. 1169 (1190). Beispielhaft für die Scheu der strafrechtlichen Literatur, das gesellschaftsrechtliche Primat als materielle Untergrenze in das Strafrecht zu übernehmen bzw. das Problem an der Akzessorietät, verstanden als strafrechtliche Untergrenze, festzumachen, ist die Auseinandersetzung Lüderssens, FS Eser (2005), S. 163 (177 f.) mit der Übernahme von Unklarheiten in den Untreuetatbestand: Bei manchen gesellschaftsrechtlichen Normen komme eine Bestrafung wegen der Verletzung ihrer Vorgaben grundsätzlich nicht in Betracht. Das Bestimmheitsgebot gelte uneingeschränkt für alle außerstrafrechtlichen Normen, die für die Auslegung strafrechtlicher Blankettvorschriften heranzuziehen seien. Sei die gesellschaftsrechtliche Norm zu unbestimmt, sei eine Strafbarkeit nach § 266 StGB ausgeschlossen. Zwar will Lüderssen die Anwendbarkeit des § 266 StGB nicht in allen Fällen ausschließen, in denen die Auslegung einer Norm in dem vorgelagerten Rechtsgebiet umstritten ist. Bspw. bei § 87 AktG sei aber eine Bestrafung wegen der Unbestimmtheit des Begriffs der Angemessenheit ausgeschlossen. Im Einzelnen führt er aus, dass zwar die Ausgangspunkte der Norm, „Aufgaben des Vorstandsmitglieds“ und „Lage der Gesellschaft“ klar seien. Allerdings sei der angemessene Betrag letztlich offen, sodass die Vorschrift als Verweisungsnorm für eine Untreuepflichtverletzung nicht in Betracht komme. Für Lüderssen scheint das eigentliche Problem dabei weniger in der Unbestimmtheit des Angemessenheitsmerkmals als vielmehr in der Tatsache der Einräumung eines Ermessensspielraums bei der Beurteilung der Angemessenheit zu liegen („. . . Aber welcher Betrag schließlich angemessen ist, bleibt offen. Und diese Unbestimmtheit, diesen Ermessensspielraum darf man nicht in das Strafrecht – im Wege des internen Blanketts – übertragen.“ (Hervorhebungen im Original)). Gäbe die außerstrafrechtliche Norm insofern nichts Exaktes her, so sei das nicht, wie bei juristischen Kontroversen üblich, dadurch heilbar, dass sich irgendwann eine Meinung durchsetzt. Aufgrund der „Weite der Anwendbarkeit“ sei genuin ausgeschlossen, dass es diese eine Meinung geben kann, und eben dieses nicht aufhebbare Nebeneinander von gleichwertigen Meinungen mit verschiedenen Inhalten könne die verfassungsmäßige Bestimmtheitsanforderung nicht erfüllen. Die nach aktueller Rechtslage dogmatisch stringente Lösung wäre die Feststellung, dass dem Strafgericht eine abweichende Beurteilung verwehrt war, weil nach gesellschaftsrechtlicher Maßgabe eine unternehmerische Entscheidung vorlag und die Grenzen des Ermessens nicht verletzt wurden.

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handlung im Strafrecht, wurde überholt und muss nach der Einführung des safe harbour in das Gesetz für dessen Anwendungsbereich seinen Abschluss finden in der ausdrücklichen Anerkennung seiner Voraussetzungen und dabei insbesondere der gesellschaftsrechtlichen Interpretation des Begriffs der unternehmerischen Entscheidung146. Soweit der Anwendungsbereich reicht, ist die Herstellung der Vorhersehbarkeit der Strafbarkeit bei der Geschäftsleiteruntreue anhand einer fallgruppenspezifischen Konkretisierung allein – mit der Spendenvergabe, der Kreditvergabe und der Prämiengewährung bei Aktiengesellschaften147 ohnehin überschaubar – unangemessen. Dogmatisch darf eine solche Konkretisierung mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot nicht außerhalb der Sorgfaltsgeneralklauseln erfolgen, weil anderenfalls die Gefahr besteht, die strafrechtliche Untergrenze zu verletzen. Von praktischer Relevanz können hier insbesondere gesellschaftsrechtliche Entwicklungen im Umgang mit unbestimmten Rechtsbegriffen sein148. ee) Gemeinsamkeit Evidenzkontrolle? Neben dem Umgang mit unbestimmten Rechtsbegriffen muss hier abschließend ein weiterer, erwartungsgemäß praktisch relevanter Aspekt hinsichtlich eines eigenständigen strafrechtlichen Umgangs mit unternehmerischem Handeln genannt werden. Die zivilrechtliche Rechtsprechung hatte als Grenze des unternehmerischen Ermessens auch eine „unverantwortliche Überspannung des Risikos“ hervorgehoben149. Diese materielle Evidenzkontrolle ist gerade auch dem Strafrecht bekannt150 und wurde vom Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit der gravierenden Pflichtverletzung abermals betont151. Hierin liegt eine von der business judgment rule US-amerikanischer Prägung abweichende spezifisch deutsche Akzentuierung, denn dort ist es unerheblich, ob ein Handeln einfältig oder töricht war oder ob übernommene Risiken außer Verhältnis standen, solange es Dritten vermittelbar bleibt, d. h. einem rational business purpose test standhält152. Es 146 A.A. Bräunig, a. a. O., S. 180 ff. mit einer umfassenden Herleitung eines strafrechtlichen Begriffs des Risikogeschäftes; vorsichtig Wessing/Krawczyk, NZG 2010, 1121 (1122): ein „Ausweg liegt darin, stärker als bislang auf die zivil- bzw. gesellschaftsrechtlichen Grundsätze abzustellen“; abweichend auch Helmrich/Eidam, ZIP 2011, 257 (260): Über die nunmehr kodifizierte business judgment rule müsse eine „gewisse Konkretisierung erfolgen“. 147 Vgl. BVerfG NJW 2010, 3209 (3215). 148 An dieser Stelle lohnt es, auf das Urteil des OLG Düsseldorf zur Kreditvergabe bei der IKB zurückzukommen (oben Erster Teil: B.I.3.b)): Wäre das Gericht hier der Ansicht gewesen, die Auslegung von Satzungsvorschriften könne grundsätzlich eine unternehmerische Entscheidung darstellen, hätte ein Strafgericht dies nicht kategorisch ausschließen dürfen, so wie das OLG Düsseldorf selbst es getan hat. 149 BGHZ 135, 244 (253 f.). 150 Siehe oben Erster Teil: B.II.1. 151 BVerfG NJW 2010, 3209 (3215); die Evidenz als Ausschlussgrund eines „strafrechtlichen safe harbour“ in Ansatz bringend auch Adick, Organuntreue, S. 122. 152 Florstedt, AG 2010, 315 (319).

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bleibt abzuwarten, inwiefern sich dieser Topos der Unverantwortlichkeit im deutschen Gesellschaftsrecht hält. Bereits seit einiger Zeit wird diskutiert, die Geschäftsleiterhaftung weg von einer Haftung wegen Sorgfaltspflichtverletzungen hin zu einer Haftung allein für Treuepflichtverletzungen zu verlagern bzw. auf diese zu begrenzen, da die unsorgfältige Geschäftsführung (mismanagement) und die Aneignung fremder Vermögenswerte (misappropriation) ganz verschiedene Wesenserscheinungen seien153. Mit der Treuepflicht des Geschäftsleiters sind traditionell eher streng verstandene Loyalitätspflichten verbunden, kennzeichnend sind insofern insbesondere die Geschäftschancenlehre (corporate opportunities doctrine) und Wettbewerbsverbote154. Der deutsche safe harbour enthält jedenfalls insofern eine konzeptionelle Neuerung, als er den unternehmerischen Freiraum subjektiv absichert155. Er taucht als Grenze des Ermessens in der Darstellung der Voraussetzung der business judgment rule auch nicht mehr durchgehend ausdrücklich auf156. Die Gesetzesbegründung zum UMAG selbst nennt das angelsächsische Vorbild als Grundlage Neuregelung und weist lediglich auf vorhandene „Parallelen“ in der deutschen Rechtsprechung hin157. Es besteht nach hier vertretener Ansicht einiger Anlass dafür, an dem eigenständigen Sinn einer Evidenzkontrolle gegenüber der Umschreibung traditioneller gesellschaftsrechtlicher Treuepflichten wie dem Handeln in gutem Glauben und ohne sachfremde Einflüsse zu zweifeln158. Der Evidenzbegriff enthält, wie auch im Strafrecht teilweise anerkannt159, kein subsumtionsfähiges Inneres160 und führt tendenziell dazu, im Bereich tatsächlicher Unsicherheiten Fehler in der Risikoerkennung vorschnell als unverantwortliche Risikobereitschaft einzuordnen. In typologischer Hinsicht ist das Eingehen übergroßer Risiken auch häufig innerorganisatorisch abgesichert. Hierauf wird konkret im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise161 und aus spezifisch strafrechtlicher Sicht hinsichtlich der subjektiven Seite der Untreue zurückzukommen sein162. 153 Fleischer, in: FS Wiedemann (2002), S. 827 (844) m. N. auf entsprechende Anstöße aus der US-Literatur; Mertens, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 155 (163): „. . . könnte man zu dem Ergebnis tendieren, Aktionärsklage bei fehlerhafter Geschäftsführung und Kontrolle nein, bei eigennütziger Bereicherung und Untreue ja.“ (Hervorhebung durch Verfasser); bemerkenswert hierbei, dass fehlerhafte Geschäftsführung mit Untreue von vornherein nicht miteinander in Verbindung gebracht und die Untreue der „eigennützigen Seite“ zugeordnet wird; vgl. auch Ransiek, ZStW 116 (2004), 634 (677): „Es muss eine inhaltliche Missbrauchskontrolle geben.“ 154 Vgl. Fleischer, DStR 1999, 1249 (1252). 155 Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 64. 156 Vgl. Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 66 ff., siehe zu Spekulationsgeschäften sodann aber Rn. 80. 157 Begründung RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11. 158 Siehe auch Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen, S. 389 ff. 159 Erster Teil: B.II.1. 160 Florstedt, AG 2010, 315 (319). 161 Dritter Teil: E.VIII.

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Wie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ausweist, scheint das Strafrecht die Evidenzkontrolle aus umgekehrter Sicht in seiner strafbarkeitsbegrenzenden Funktion beibehalten zu wollen. Dem scheint eine grundsätzliche Berechtigung dort zuzukommen, wo sich das Problem der Begrenzung unternehmerischen Handelns mit einem (subjektivierten) Verfahrensansatz vermeintlich nicht lösen lässt, wie es besonders für die Auslegung von Rechtsbegriffen in Betracht zu kommen scheint163. Dies ist indes nach hier vertretener Ansicht im Ausgang ein unrichtiger Ansatz. 4. Zusammenfassung Den Sorgfaltsgeneralklauseln kommt hinsichtlich der Bestimmung der Pflichtverletzung eine abschließende Funktion gegenüber dem Untreuetatbestand zu. Dies folgt daraus, dass auch rechtsgebietsübergreifend der Umfang eines normativ abgrenzbaren Verhaltens in einem Rechtsgebiet bei der Anwendung des anderen zu beachten ist. Für den akzessorischen Untreuetatbestand bedeutet es konkret, dass je genauere und umfassendere Vorgaben das Primärrecht macht, desto weniger Platz für eigenständige strafrechtliche Bewertungen bleibt. Speziell im Hinblick auf das gesellschaftsrechtliche Legalitätsprinzip müssen zumindest aus strafbarkeitsbegrenzender Sicht zur Sicherung des ultima-ratio-Grundsatzes alle in Betracht kommenden Pflichtennormen durch den Filter der Generalklauseln geführt werden, weil dieser spezielle Vorgaben für das unternehmerische Handeln enthält. Damit ist die Möglichkeit versperrt, außerhalb der Sorgfaltsgeneralklausel liegende – aus welchem Grund auch immer für untreuerelevant befundene – Vorschriften für eine Untreuestrafbarkeit heranzuziehen. Anderenfalls würde Raum geschaffen für die Entstehung eines Verhältnisses zwei sich bloß schneidender Kreise, die dem erschöpfenden und insbesondere verhaltenssteuernden Charakter der Sorgfaltsgeneralklauseln gegenüber dem Untreuetatbestand nicht gerecht würde164. Ausgehend von einem hohen Verrechtlichungsgrad im Bereich des Geschäftsleiterhandelns gerade auch bei der Beschreibung von Verfahren und Organisation hat das Verhältnis der Sorgfaltsgeneralklausel zum Untreuetatbestand auch zur Konsequenz, dass für ein strafrechtliches Schädigungsverbot kaum Raum sein dürfte, denn anderenfalls läge ein Verstoß gegen den Spezialitätsgrundsatz vor165. 162

Vierter Teil: D.II.2.a). Siehe dazu im Zusammenhang mit dem Begriff des Unternehmensinteresses Fünfter Teil: C.II.4. 164 Andeutungsweise auch Bräuning/Samson, ZIP 2009, 1089 (1093 f.) im Zusammenhang mit der Untreuerelevanz des Kreditwesengesetzes; abweichend Bräunig a. a. O. S. 148 ff., der sich aufgrund der von ihm angenommenen prinzipiellen Unbestimmtheit der Generalklausel im Bereich des unternehmerischen Handelns auf die Suche nach einem strafrechtsautonomen Kriterium begibt, siehe a. a. O., S. 132. 165 Im Ergebnis ähnlich und noch weitergehender MünchKommStGB/Dierlamm, § 266, Rn. 166: „Der Umfang möglicher Pflichtverletzungen korrespondiert mit dem 163

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V. Vollständige Kongruenz gesellschaftsrechtlicher und untreuestrafrechtlicher Sorgfaltsmaßstäbe? 1. Limitierte Akzessorietät Anknüpfend an die Ausführungen zur Evidenzkontrolle und die zweite eingangs unter I. aufgeworfene Frage, soll im Folgenden darauf eingegangen werden, inwiefern den Sorgfaltsgeneralklauseln nicht nur eine absichernde Funktion zukommt, sondern sie innerhalb ihres Anwendungsbereiches eine vollständige Übereinstimmung mit dem Untreuetatbestand herzustellen vermögen. Für das Verhältnis des Strafrechts zu anderen Rechtsgebieten allgemein wird von der ganz h. M. angenommen, dass die Übertretung des außerstrafrechtlichen Rahmens eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für eine Strafbarkeit ist. Ausfüllungsbedürftige Straftatbestände sind demgemäß nicht streng akzessorisch. Die primärrechtliche Pflichtwidrigkeit einer Handlung soll nicht automatisch eine Strafbarkeit begründen166. Dem Prinzip der Einheit der Rechtsordnung werden Grenzen gezogen, sodass das Strafrecht eigene strafbarkeitseinschränkende Prinzipen aufstellen kann167. Diese Grenzziehung erfolgt zugunsten des als gewichtiger empfundenen ultima-ratio-Prinzips. Folglich gibt es „strenge“, d. h. zwingende Akzessorietät nur bezogen auf die Unzulässigkeit einer Handlung nach außerstrafrechtlichen Normen als Mindestvoraussetzung für eine Strafbarkeit. Ob dieses Konzept asymmetrische168, limitierte169 oder negative170 Zivilrechtsakzessorietät genannt wird, ist inhaltlich bedeutungslos. Die limitierte Akzessorietät ist speziell im Zusammenhang mit dem Untreuetatbestand von der wohl überwiegenden Auffassung anerkannt171.

qualifizierten Pflichtenkreis. Was von diesem qualifizierten Pflichtenkreis nicht umfasst ist, kann nicht in tatbestandsrelevanter Weise verletzt werden“. Weitergehender sodann: „Ein Verstoß gegen das allgemeine Schädigungsverbot begründet keinen untreuerelevanten Pflichtenverstoß, unabhängig davon, ob für den konkreten Fall anhand allgemeiner oder konkreter Standards eindeutige Pflichten festzustellen sind oder nicht. Abgesehen davon dürfte der von einem Teil der Literatur beschriebene Fall, in dem für den Einzelfall kein eindeutiges Gebot feststellbar ist, kaum einmal auftreten“. 166 Lüderssen, in: FS Eser (2005), S. 163 (171); Busch, Konzernuntreue, S. 33; Flum, Der strafrechtliche Schutz, S. 7; Dittrich, Die Untreuestrafbarkeit, S. 34 f.; Mosiek, wistra 2003, 373; Rönnau/Hohn, NStZ 2004, 114 (118); Brammsen, wistra 2009, 85 (87) m.w. N. 167 Jeschek/Weigend, AT, § 7 II 2. 168 So Lüderssen, in: FS Lampe (2003), S. 727 (729) sowie in: FS Eser (2005), S. 163 (170); Bezeichnung übernommen von Dierlamm, StraFo 2005, 397 (398). 169 Dittrich, Die Untreuestrafbarkeit, S. 35; Zech, Untreue durch Aufsichtsratsmitglieder, S. 170. 170 Busch, Konzernuntreue, S. 37. 171 Siehe die in Fn. 166 (Zweiter Teil) Genannten.

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2. Limitierte Akzessorietät und der Begriff der gravierenden Pflichtverletzung im Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB Die Limitierung der Akzessorietät ist in § 266 StGB bekanntermaßen ausnehmend schwierig zu fassen. Für den Bereich des unternehmerischen Handelns wurde sie seit den Entscheidungen zur Spendenvergabe an den SSV-Reutlingen172 und den Kreditvergabeentscheidungen173 vielfach mit dem Begriff der gravierenden Pflichtverletzung beschrieben und unter ihm diskutiert. Bereits die Anzahl der vorzufindenden Interpretationen des Begriffs nährt Zweifel an seiner Eignung als originär strafrechtlichem strafbarkeitsbegrenzenden Element174. Schünemann hatte den Begriff früh als möglichen Hinweis auf den Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden eingeordnet175. Er war es auch, der früh eine Unterscheidung zwischen schutzzweckkonnexer Hauptpflicht und einzelner, innerhalb dieser Hauptpflicht bestehender Pflichten mit dem Begriff in Verbindung brachte176. Nicht wenige begreifen den Terminus als lediglichen Verweis auf den gesellschafsrechtlich gewährten unternehmerischen Ermessensspielraum177. Insbesondere zu Beginn der Diskussion wurde der Begriff jedoch vornehmlich im Zusammenhang mit der hier in Rede stehenden limitierten Akzessorietät unter Rekurrieren auf das ultima-ratio-Prinzip als eigener, strafrechtsspezifischer Maßstab verstanden bzw. als „strafrechtliche Höhenstufe“ interpretiert178. Gegen diese letztgenannte Interpretation hat sich ausdrücklich der 3. Strafsenat gestellt. Er möchte auf dieses Kriterium ganz verzichten179. Seit das Bundesverfassungsgericht dessen tatbestandsbegrenzende Funktion mit dem einfachen Hinweis bekräftigt hat, eine gravierende Pflichtverletzung komme nur in Betracht, wenn die Pflichtverletzung evident sei180, scheint eine Entledigung des 172

BGHSt 47, 187. BGHSt, 46, 30; 47, 148. 174 Deiters, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 132 (137): „An den Begriff knüpfen sich so viele Deutungsoptionen und Missverständnisse, dass er für eine weiterführende Konkretisierung diskreditiert sein dürfte“; ähnlich Lüderssen, in: FS Volk (2009), S. 345 (346): „Manchmal scheint da einiges durcheinander zu gehen.“ 175 Schünemann, NStZ 2005, 473 (475); für die Bankuntreue ebenso Saliger, HRRS 2010, 10 (19). 176 Schünemann, NStZ 2006, 196 (198 f.), im Anschluss an BGH AG 2006, 85 ff. („Kinowelt“). 177 Bspw. Schönke/Schröder/Perron, StGB, § 266, Rn. 19b; zustimmend Michaelsen, DCGK und Untreue, S.171; vgl. auch Radtke, GmbHR 2010, 1121 (1122 f.). 178 Dierlamm, StraFo 2005, 397; Kubiciel, NStZ 2005, 355; Kutzner, NJW 2006, 3541 (3543); Jahn, ZRP 2004, 179 (182 f.); Fleischer, DB 2006, 542 (544 f.); Schmitt, BKR 2006, 127 (128); Spindler, ZIP 2006, 351 (353 f.); ausdrücklich jüngst auch wieder Krause NStZ 2011, 57 (59). 179 BGHSt 50, 331 („Mannesmann“). 180 BVerfG NJW 2010, 3209 (3215). Ob die Entscheidung zur Rückkehr zur Figur der gravierenden Pflichtverletzung zwingt, wird unterschiedlich beurteilt. Das Urteil 173

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Begriffs vorerst ausgeschlossen und die Suche nach einem eigenen strafrechtlichen Unrecht in der gesellschaftsrechtlichen Pflichtverletzung mehr denn je am Leben zu sein. In der praxisorientierten Literatur wird aufgrund des Gesamtbilds der Rechtsprechung die Frage, ob die gravierende Pflichtverletzung als strafrechtliche Höhenstufe zu verstehen ist, als nicht abschließend geklärt bzw. schwer prognostizierbar bezeichnet181. Die Diskussion um die gravierende Pflichtverletzung soll an dieser Stelle nicht vollständig aufgearbeitet und einer Lösung zugeführt werden. Im Folgenden bzw. im Verlaufe dieser Arbeit soll als Grundlage für die weiteren Untersuchungen allein die Annahme einer Höhenstufe kritisch hinterfragt und versucht werden, eine Lokalisierung der Probleme vorzunehmen. a) „Strafrechtliche Höhenstufe“? Die Erarbeitung einer Eigenständigkeit des Strafrechts am Pflichtwidrigkeitsmerkmal bzw. an der Evidenz oder dem besonderen Unrechtsgehalt der Pflichtverletzung erscheint von den diskutierten Ansätzen am zweifelhaftesten. Davon abgesehen, dass auch die die Diskussion auslösende Rechtsprechung bei einer genaueren Betrachtung diesen Ansatz kaum trägt182, bedarf es zur Begründung einer „strafrechtlichen Höhenstufe“ im Sinne eines strafrechtlichen Abstandsgebotes im Gegensatz zu der unter IV. behandelten Frage eines Blickes in die entgegengesetzte Richtung, d.h. hin zur Strafbarkeitsbegrenzung durch strafrechtseigene Anknüpfungspunkte. Dies ist, wie eingangs angedeutet, im Falle des § 266 StGB besonders problematisch, weil oberhalb der außerstrafrechtlichen Pflichtverletzung nichts vorhanden ist, an dem sich das Strafrecht festhalten könnte, um sich Luft zu verschaffen183. Das strafrechtliche Fragment hat im Untreuetatbestand bekanntermaßen schwache Konturen; dieser beschreibt die Voraussetzungen für eine Strafbarkeit nur spärlich184. Jenseits der durch das Rechtsgut gezogenen Grenzen kann das ultima-ratio-Prinzip zwar auch durch Konkretisierung der Begehungsweise strafbarkeitsbegrenzend wirken185. Die Untreue bietet bezogen auf die Pflichtverletzung hier nur eine gewisse Qualität der grundsätzlichen Verantwortung für das fremde Vermögen186. Als einschränkende derart interpretierend Wessing/Krawczyk, NZG 2010, 1121 (1124); zweifelnd Brand/ Sperling, AG 2010, 233 (234, Fn. 26), verneinend Radtke, GmbHR 2010, 1121 (1127). 181 Krause, in: Managerhaftung, § 35, Rn. 32. 182 So auch BGHSt 50, 331 ff., ausführliche Interpretation der relevanten Entscheidungen bei Michaelsen, DCGK und Untreue, S. 167 ff. 183 Kritisch auch Bosch/Lange, JZ 2009, 225 (227): „Woraus immer dieser (der strafrechtliche Maßstab) gewonnen werden soll.“ 184 Vgl. Saliger, ZStW 112 (2000), 563: „Arm an objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen . . .“. 185 Vgl. Zerbes, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 158 (162). 186 Siehe oben Zweiter Teil: A.

B. Akzessorietät

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Beschreibung der Begehungsweise ist letztlich allein der Vorsatz übrig. Hier ist allerdings der bedingte Vorsatz ausreichend187, ein Umstand, der zwar praktisch die Notwendigkeit einer weiteren Abgrenzung von der außerstrafrechtlichen Haftungsnorm notwendig erscheinen lassen mag, dogmatisch aber bereits die ultima ratio darstellt – die Haftung nach §§ 93 Abs. 2 AktG, 43 Abs. 2 GmbHG greift bereits bei Fahrlässigkeit. Was das ultima-ratio-Prinzip als subsidiären Rechtsgüterschutz angeht188, so muss die Untreue als Strafnorm, die den Vermögensschutz zum Zweck hat, einschlägig sein, wo außerstrafrechtlich pflichtwidriges Verhalten seinen Schutzbereich berührt189. Jedenfalls für eine Art Höhenstufe hat der Begriff der gravierenden Pflichtverletzung dem insgesamt nichts hinzuzufügen. Festzustellen bleibt, dass der Untreuetatbestand insgesamt, besonders aber auf Pflichtwidrigkeitsebene, wenig Substanz bietet, um einer Limitierung der Akzessorietät zu ihrem Recht zu verhelfen. Ist es leicht verständlich, dass der Gesetzgeber unter Berücksichtigung des ultima-ratio-Prinzips von vielen sozial mißbilligenswerten Verhaltensweisen nur diejenigen strafrechtlich pönalisiert, die „in besonderer Weise sozialschädlich und für das geordnete Zusammenleben der Menschen unerträglich“ sind190, wird nicht ohne Weiteres erkennbar, wie dieses Prinzip eine besondere, strafrechtsspezifische Anwendung einer erlassenen Strafnorm rechtfertigen soll, wenn diese „blankettartig“ auf andere Rechtsgebiete verweist. Dies jedenfalls dann, wenn man die Untreue als Wirtschaftsstrafnorm nicht völlig abschaffen möchte. b) Gravierende Pflichtverletzung als Lösung für Unbestimmtheit und mangelnde Schutzzweckrelevanz? Mit alledem ist nicht gesagt, dass die strafrechtliche Handhabung unternehmerischen Handelns nicht besondere Probleme bereitet. Die jüngere Rechtsprechung hat die gangbaren Lösungswege für eine strafrechtlichen Bewertung unternehmerischen Handelns nun deutlicher herausgearbeitet. Da sich dieser Rechtsprechung und den mit ihr angesprochenen Problemen bereits ausführlich gewidmet wurde191, soll hier nur kurz auf sie zurückgekommen werden. 187 Zur subjektiven Seite des § 266 StGB bei unternehmerischen Entscheidungen Vierter Teil: D.I. 188 Vgl. Wohlers, in: Mediating Principles, S. 54 ff. mit zugleich kritischen Anmerkungen zum eigentlichen Bedeutungsgehalt des ultima-ratio-Grundsatzes im modernen, insbesondere Wirtschaftsstrafrecht. Bedeutung hat insbesondere die Frage, inwiefern präventive Kontrollsysteme außerhalb des Strafrechts für den Rechtsgüterschutz ausreichen, womit die präventive Steuerungsfunktion des Strafrechts angesprochen ist. Hierzu im Zusammenhang mit Geschäftsleiterverhalten ausführlich Fünfter Teil: C. 189 Fischer, StGB, § 266, Rn. 59. 190 Vgl. oben Zweiter Teil: B. 191 Zweiter Teil: B.IV.3.

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2. Teil: Geschäftsleiterhandeln im akzessorischen Untreuetatbestand

Einerseits ist bei unternehmerischem Handeln aufgrund der Weite der Generalklauseln die Bestimmtheit besonders problematisch. Auf dieses Problem ist der Begriff graviert (im Sinne einer besonderen Schwere) bereits in semantischer Hinsicht eine unzulängliche Antwort192. Die Rechtsprechung hat sich ihm denn auch mit der Feststellung genähert, bei der Auslegung weiter Tatbestände sei durch Fallgruppenbildung Sicherheit zu schaffen. Wie jetzt außerdem auch in der Rechtsprechung betont wird, bedarf es einer einschränkenden Auslegung im Bereich der Geschäftsleiteruntreue vor allem deshalb, weil über das Legalitätsprinzip Normen für den Untreuetatbestand relevant werden, die seinen Schutzzweck nicht betreffen193. Hier ist die von Schünemann angesprochene Unterscheidung zwischen schutzzweckkonnexer Hauptpflicht und weiteren Pflichten innerhalb der Geschäftsleiterverantwortung aufgegriffen. Diese Art der Annäherung indiziert zugleich, dass die Lösung innerhalb des außerstrafrechtlichen Pflichtenkreises zu suchen ist194. Mit der Schutzzweckrelevanz ist wiederum das ultima-ratioPrinzip angesprochen, allein entfaltet dieses seine Wirkung bereits auf gesellschaftsrechtlicher Ebene, indem es bestimmte Pflichtverletzungen aus dem Tatbestand der Untreue „heraushält“ 195. Diese Lokalisierung der Frage macht den Unwert einer zusätzlichen Evidenz- oder der Kontrolle, ob eine Pflichtverletzung als gravierend einzustufen ist, augenfällig. Wie die Entscheidungen zur Kreditvergabe und die strafrechtliche Diskussion zum Risikogeschäft deutlich machen, sind außerdem Komplexität wirtschaftlicher Entscheidungen, mangelnde Prognostizierbarkeit und die daraus folgende Schwierigkeit materieller Bewertung bei unternehmerischen Entscheidungen identifizierte Probleme196. Somit ergeben sich drei wesentliche Fragestellungen hinsichtlich des strafrechtlichen Umgangs mit der Geschäftsleiteruntreue, die den Begriff der gravierenden Pflichtverletzung verdrängen oder – je nach Sichtweise – umschreiben: die „Unbestimmtheitsakzessorietät“ 197, die Verlagerung auf eine Verfahrensprüfung und die Schutzzweckrelevanz außerstrafrechtlicher Pflichten – wobei sich bezüglich der beiden letztgenannten Überschneidungen ergeben. Im Hinblick auf die Schwierigkeiten bei der materiellen Bewertung unternehmerischen Handelns erscheint fraglich, inwiefern es möglich ist, vom Gesellschaftsrecht unterschiedliche Lösungen zu entwickeln. Auch scheint eigentlich die Neigung, sich vom Schutzzweck der Untreue zu entfernen, der gravierenden Pflichtverletzung zur 192

Um etwas als gravierend einzustufen, muss es zunächst greifbar sein. BGHSt 55, 266 (275 f.) („VW“); 55, 288 (302) („Siemens/AUB“). 194 Vgl. auch Fischer, StGB, § 266, Rn. 61: „Vertretbarkeit nach pflichtenimmanenten Kriterien.“ 195 Vgl. Schünemann, NStZ 2006, 196 (198). 196 Siehe bereits oben Erster Teil: B.II. 197 Fn. 41 (Zweiter Teil). 193

B. Akzessorietät

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Geburt verholfen zu haben198. Auf die hier angesprochenen Punkte wird an verschiedenen Stellen zurückzukommen sein. Eine eigenständige strafrechtliche Wertung im Sinne einer Evidenz oder besonderen Schwere einer gesellschaftsrechtlichen Pflichtverletzung ist aber bereits an dieser Stelle abzulehnen. 3. Geschäftsleiterhandeln und strenge Akzessorietät Im Angesicht vorangegangener Ausführungen ist sich an dieser Stelle zur Frage der strengen Akzessorietät des Untreuetatbestandes (auch bei Geschäftsleiterhandeln) zu positionieren. Den gesellschaftsrechtlichen Generalklauseln kann ihr eigener Schutzzweckbezug für den Untreuetatbestand nicht aufgrund von Erweiterungen im Verhältnis des Gesellschaftsrechts zu anderen Vorschriften abgesprochen werden. Bedenken, die sich aus der Legalitätspflicht unter Schutzzweckgesichtspunkten ergeben, dürften differenziert zu betrachten sein. Wo „allgemeine Gesetze“ hinreichend klare Vorgaben machen, erhöhen sie die Bestimmtheit der Generalklausel und damit die Rechtssicherheit für den Geschäftsleiter. Im Übrigen lassen sich schutzzweckirrelevante Vorschriften aus der Gesamtheit rechtlicher Beziehungen, die sich insgesamt als Treueverhältnis darstellen, aussortieren199. Ausgehend davon, dass im Grundsatz auch innerhalb der Sorgfaltsgeneralklauseln die konkret verletzte Pflicht immer das Treugebervermögen betreffen muss, lässt sich dies dogmatisch stringent sogar bereits auf gesellschaftsrechtlicher Ebene erreichen. Es spricht viel dafür, dass die Sorgfaltsgeneralklauseln samt safe harbour im Falle dessen konsequenter Anwendung in der Lage sind, ausreichend strafbarkeitsbegrenzend zu wirken, insbesondere, wenn man anerkennt, dass auch die Interpretation von Rechtsnormen unternehmerische Entscheidungen darstellen können. Aber auch anderenfalls ist mit der Forderung nach einer Schutzzweckrelevanz keine gravierende Pflichtverletzung im Sinne einer Höhenstufe beschrieben. Nach der hier vertretenen Ansicht schrumpft damit der Begriff der gravierenden Pflichtverletzung letztlich auf das Erfordernis von Fremdvermögensbezug und hinreichender Ergebnisrelevanz zusammen. Nach alledem ist von einer strengen Akzessorietät auszugehen. Dies lässt sich nicht zuletzt darauf gründen, dass die Sorgfaltsgeneralklauseln den Untreuetatbestand für den Bereich des Geschäftsleiterhandelns abschließend und mit ausreichenden Schutzmechanismen vor einer zu großen Strafbarkeitsausdehnung beschreiben.

198 199

Dazu Vierter Teil: A. Dafür ausdrücklich bereits BGHSt 47, 295 (297).

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2. Teil: Geschäftsleiterhandeln im akzessorischen Untreuetatbestand

C. Akzessorietät in der strafgerichtlichen Rechtsanwendung Die Einhaltung der materiellen Untergrenze der Strafbarkeit bei zivilrechtsakzessorischen Tatbeständen ist maßgeblich von der Anerkennung der Untergrenze in der Strafrechtsanwendung abhängig200. Diese droht umgangen zu werden, wo Strafgerichte die gesellschaftsrechtliche Vorstufe zum Nachteil des Betroffenen abweichend von den Zivilgerichten oder dem zivil- bzw. gesellschaftsrechtlichen Schrifttum interpretieren. Zugleich ist potenziell der Bestimmtheitsgrundsatz betroffen. Die strafgerichtliche Rechtsprechung selbst hat sich zu dieser Frage zumindest nicht ausdrücklich positioniert201.

I. Die abweichende Rechtsauffassung – das Beispiel des Mannesmann-Verfahrens Die Auslegung primärrechtlicher Normen durch Strafgerichte hat im Mannesmann-Verfahren202 verstärkte Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Hier spielte auf gesellschaftsrechtlicher Ebene die Auslegung des § 87 AktG eine strafbarkeitsentscheidende Rolle. Der 3. Senat stellte sich mit seiner Auslegung der Vorschrift ausdrücklich gegen eine von ihm selbst als überwiegend bezeichnete Meinung in der gesellschaftsrechtlichen Literatur203. Schon dem LG Düsseldorf war in der Vorinstanz vorgeworfen worden, es habe sich bei seiner Urteilsfindung auf eine einzelne Stimme, mit der „völliges Neuland betreten“ werde, gestützt204. Wie an der Diskussion um § 87 AktG erkennbar, taucht das Problem unterschiedlicher Auslegung rechtsgebietsübergreifend naturgemäß dort auf, wo eine entscheidungserhebliche außerstrafrechtliche Norm unbestimmte Vorgaben macht und dementsprechend auslegungsbedürftig ist205.

200 Vgl. zuletzt Seibt/Schwarz, AG 2010, 301 (308); Samson, VGR 2004, 109 (112); Dierlamm, StraFo 2005, 397 (400); siehe auch bereits Fn. 141 (Zweiter Teil). 201 Vgl. Seibt/Schwarz a. a. O. 202 Siehe LG Düsseldorf NJW 2004, 3275 (3276 ff.); BGHSt 50, 331 („Mannesmann“), siehe aber auch schon BGHSt 34, 379 zur Untreuestrafbarkeit des GmbH-Geschäftsführers (Fn. 28 (Zweiter Teil)). 203 BGHSt 50, 331 (338); Nachweise zur überwiegenden Ansicht im Gesellschaftsrecht auch bei Hüffer, § 87, Rn. 4. 204 So die Kritik von Fonk, NZG 2005, 248 (249); ähnlich Tiedemann, ZIP 2004, 2056; grundsätzlich ablehnend gegenüber eigenständigen Interpretationen durch die Strafgerichte Dierlamm, StraFo 2005, 397 (400). 205 Vgl. Zech, Untreue durch Aufsichtsratsmitglieder, S. 173; Lüderssen, in: FS Eser (2005), S. 163 (176 f.).

C. Akzessorietät in der strafgerichtlichen Rechtsanwendung

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Nach überwiegender Ansicht handelt es sich bei der Festlegung der Vorstandsvergütung durch den Aufsichtsrat um eine unternehmerische Entscheidung206, wenngleich speziell im Zusammenhang mit dem Mannesmann-Verfahren aus strafrechtlicher Sicht selten deutlich herausgearbeitet wurde, ob das Unternehmerische der Entscheidung in einer tatsächlichen Unsicherheit oder rechtlichen Interpretationsbedürftigkeit begründet war207. Der 3. Strafsenat hat die Festlegung der Vorstandsvergütung in seiner Eigenschaft als Entscheidung unter Spielraum nicht grundsätzlich angezweifelt, jedoch den Standpunkt vertreten, dass in der zu entscheidenden Konstellation, in der im Zuge der Übernahme der Mannesmann AG eine „kompensationslose Anerkennungsprämie“ an Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft geleistet werden sollte, eine Pflichtverletzung vorlag, weil die „Voraussetzung einer risikobehafteten Entscheidung nicht vorliegt“ 208. Von der diskussionswürdigen tatsächlichen Einschätzung abgesehen, dass die Anerkennungsprämien in Folge der Übernahme keine Anreizwirkung für Dritte haben konnten209, lag in der Entscheidung eine klare Abkehr von der h. M. im Gesellschaftsrecht. Weil aus Sicht des Senats tatsächliche Ungewissheit darüber bestand, ob und in welchem Umfang die Prämien Anreizwirkung entfalten, mit anderen Worten: welche Auswirkungen sie haben würden, war nach seiner Auffassung kein Handungsspielraum gegeben210. Wenn dies von der h. M. im Gesellschaftsrecht kritisiert wird, weil es dem Aufsichtsrat erlaubt sein muss, unabhängig von Anreizwirkungen bisher nicht vorgesehene Sonderzahlungen zu gewähren211, so liegt darin eine Kontroverse über die rechtliche Unzulässigkeit bezüglich einer strikten Pflichtenbindung212. 206 Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, § 93 Abs. 1 Satz 2, 4 n. F., Rn. 18 m.w. N.; Hoffmann-Becking, NZG 2006, 127 (128), vgl. zu unternehmerischen Entscheidungen bei unbestimmten Rechtsbegriffen oben Erster Teil: B.I.2.a)cc). 207 Vielmehr wurde allgemein nach einer Grenze der „Unvertretbarkeit“ gesucht, siehe bspw. Dittrich, Die Untreuestrafbarkeit, S. 211 f., die beide Fragen ohne Unterscheidung unter der Überschrift der Unvertretbarkeit behandelt; keine eindeutige Grenzziehung auch bei Zech, Untreue durch Aufsichtsratmitglieder, S. 174 f.; siehe andererseits Dauner-Lieb, in: FS Röhricht (2005), S. 83 (94 f.): „Die Vergabe von Anerkennungsprämien oder Spenden verlangt Augenmaß, beinhaltet aber im Regelfall weder Unsicherheiten noch Risiken.“ Siehe auch schon Fn. 114 (Erster Teil). 208 BGH a. a. O. (344). 209 Vgl. Hoffmann-Becking, NZG 2006, 127 (128): Die Mannesmann AG bestand auch nach der Übernahme durch Vodafone als Unternehmen fort und beschäftigte entsprechend auch danach noch Führungskräfte. 210 BGH a. a. O. (340 ff.); ähnlich Dauner-Lieb a. a. O. 211 Hoffmann-Becking, a. a. O. (129); Hüffer, § 87, Rn. 4 mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der gesellschaftsrechtlichen Literatur. 212 Es bleibt freilich die Möglichkeit der Annahme eines Verbotsirrtums nach § 17 StGB. Geht man, wie der Bundesgerichtshof, davon aus, dass Anreizwirkungen tatsächlich ausgeschlossen waren, ist ihm nach dem unter Erster Teil: B.I.1.b) Gesagten im Übrigen darin zuzustimmen, dass keine unternehmerische Entscheidung vorlag, weil dann nur eine Handlungsweise rechtlich zulässig war, nämlich die Auszahlung der Prämien zu unterlassen.

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2. Teil: Geschäftsleiterhandeln im akzessorischen Untreuetatbestand

II. Die Bedeutung des Bestimmtheitsgebots in der Rechtsanwendung durch die Strafgerichte Üblicherweise folgt die Unvorhersehbarkeit bei der Geschäftsleiteruntreue freilich aus weniger aus einer Divergenz hervorgerufen durch konkrete Rechtsauffassungen, sondern aus der Schwierigkeit, den außerstrafrechtlichen Sorgfaltsmaßstab als Untergrenze der Strafbarkeit zu determinieren. Hierin liegt eben die besondere Herausforderung bei unternehmerischem Handeln. Von dieser Unterscheidung abgesehen, ist nach geltender Rechtsprechung nunmehr eindeutig, dass das Bestimmtheitsgebot auch bei der Anwendung von Rechtsnormen Anwendung findet213.

III. Analyse Die Literaturauffassungen zum Gegenstand der Anwendung außerstrafrechtlicher Normen durch die Strafgerichte erfassen das gesamte denkbare Spektrum214, d.h. von der Annahme einer völligen Eigenständigkeit der Strafgerichte215 bis hin zur Ansicht, jede auch noch so vereinzelte Meinung im vorgelagerten Rechtsgebiet verbiete dem Strafrichter, eine Strafbarkeit zu bejahen216. Wohl überwiegend wird unter Berufung auf den ultima-ratio-Gedanken und den Grundsatz der Vorhersehbarkeit der Strafbarkeit angenommen, dass das Strafgericht nur dann eine außerstrafrechtliche bzw. gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung annehmen darf, wenn das in Rede stehende Verhalten von der Mehrheit der Gesellschaftsrechtler als unvertretbar angesehen wird217, dass also nur ein überwiegender Konsens die eigenständige Auslegung durch die Strafgerichte verbietet. Der ultima-ratio-Grundsatz bedürfe im Hinblick auf anderenfalls zu große Einschränkungen des Untreuetatbestandes insoweit seinerseits einer Begrenzung218. Bezogen auf unternehmerisches Handeln im Rechtssinne hat die strafrechtliche Auseinandersetzung sich der Frage, soweit ersichtlich, bisher ohne ausdrücklichen Bezug zu Inhalt und Voraussetzungen der Sorgfaltsgeneralklauseln genähert. In verfassungsrechtlicher Hinsicht nimmt bei den Sorgfaltsgeneralklau-

213

Oben Zweiter Teil: B.IV.2.b). Siehe auch die Darstellung der unterschiedlichen Standpunkte bei Zech, Untreue durch Aufsichtsratmitglieder, S. 173 f. und Seibt/Schwarz, AG 2010, 301 (307 f.). 215 Samson, VGR 2004, 109 (112); Rönnau, NStZ 2006, 218 (220), ders., ZStW 119 (2007), 887 (913 ff.). 216 Zech, a. a. O., S. 216. 217 Dierlamm, StraFo 2005, 397 (400); Dittrich, Die Untreuestrafbarkeit, S. 212; vgl. auch Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, AT, S. 56; aus der gesellschaftsrechtlichen Literatur Seibt/Schwarz, AG 2010, 301 (308); Schramm, Untreue und Konsens, S. 140; Ransiek/Hüls, ZGR 2009, 157 (172); wohl auch Otto, in: FS Kohlmann (2003), 187 (202 f.). 218 Vgl. Dittrich, a. a. O., S. 212. 214

C. Akzessorietät in der strafgerichtlichen Rechtsanwendung

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seln allgemein das Bestimmtheitsgebot in der Diskussion den größten Platz ein. Ergänzend dreht sich die Diskussion um die strafprozessrechtliche Herleitung einer Problemlösung. 1. Die Bedeutung des § 262 Abs. 1 StPO Zur Untermauerung der Ansicht, die Strafgerichte seien zur eigenständigen Auslegung außerstrafrechtlicher Normen berufen, hat erstmalig Rönnau sich auf § 262 Abs. 1 StPO gestützt219, nach dem das Gericht auch über zivilrechtliche Rechtsverhältnisse entscheidet, wenn von diesen die Strafbarkeit einer Handlung abhängt. Gegen die Heranziehung der Vorschrift hat namentlich Zech vorgebracht, dass aus der Zuständigkeit zur Beurteilung zivilrechtlicher Rechtsverhältnisse nicht auf eine Kompetenz zur Auslegung unklarer Normen geschlossen werden kann220. Es bestehe ein signifikanter Unterschied zwischen dem Fall, in dem das Gericht bspw. die Eigentumslage kläre und damit ein Tatobjekt für geeignet befindet und der Entscheidung für eine bestimmte Auslegung einer unklaren Norm. Im ersten Fall seien die Verhaltensappelle geklärt, sodass es nur noch auf die Beweis- und Tatfrage ankomme, während im zweiten Fall schon das Gebot der Norm unklar sei. Aus der Zuständigkeit für die Entscheidung über das bürgerliche Rechtsverhältnis könne nicht geschlossen werden, das Gesetz gehe davon aus, dass der Strafrichter eine Verurteilung auf die Auslegung einer unklaren Zivilrechtsnorm stützen darf. Eine derartige Herleitung der Insignifikanz des § 262 StPO erscheint indes zweifelhaft. Zunächst wird der Strafrichter für die in Abs. 1 der Vorschrift genannte Vorfrage des bürgerlichen Rechtsverhältnisses zum gesetzlichen Richter221. Damit nimmt er eine dem Zivilrichter gleichwertige Position bei der Beurteilung der außerstrafrechtlichen Frage ein222, was die Auslegung unklarer Normen einschließt. Dass es nicht Sinn und Zweck der Vorschrift ist, dass das Strafgericht entscheidungserhebliche Normen auslegt, kann auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zu Art. 100 GG nicht entnommen werden. Nach dieser kann der Richter die Entscheidung, ob eine Norm mit dem Grundgesetz vereinbar ist, selbst treffen223. Dies gilt auch für den Strafrichter224. Die Auslegungshoheit bis zur hohen Grenze der Verfassungswidrigkeit einer Norm225 219

NStZ 2006, 218 (220), ders., ZStW 119 (2007), 887 (913). Zech, a. a. O., S. 217. 221 AK-StPO/Moschüring, § 262, Rn. 8; Gollwitzer, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 262, Rn. 5. 222 Vgl. Gollwitzer, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 262, Rn. 5. 223 BVerfGE 34, 320 (321); 48, 40 (45). 224 Vgl. AK-StPO/Moschüring, § 262, Rn. 11. 225 Es besteht freilich die Grenze der Überzeugung der Verfassungswidrigkeit aufgrund nicht möglicher verfassungskonformer Auslegung, vgl. BVerfG NJW 1988, 1902. 220

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2. Teil: Geschäftsleiterhandeln im akzessorischen Untreuetatbestand

impliziert, dass der Richter jedenfalls auch zur Auslegung unklarer Normen berufen ist, denn die Unklarheit einer Norm ist nur eine Vorfrage zur Frage der verfassungsmäßigen Wirksamkeit. Es lässt sich vor dem Hintergrund der Gleichstellung des Strafrichters mit dem Zivilrichter bezogen auf diese Vorfrage nicht behaupten, dem Strafrichter sei diese Auslegungskompetenz deswegen verwehrt, weil es sich nicht um eine Strafvorschrift handelt. § 262 Abs. 1 StPO weist insofern im Sinne Rönnaus eher in die umgekehrte Richtung226. Neben der Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit bleibt als Auslegungsgrenze nur, dass das auslegende Gericht nicht das gesetzgeberische Ziel der Norm selbst in einem wesentlichen Punkt verfehlen oder verfälschen, an die Stelle der Gesetzesvorschrift inhaltlich eine andere setzen oder den Regelungsinhalt erstmals schaffen darf227. § 262 Abs. 1 StPO befürwortet somit für sich genommen eine eigenständige Auslegung durch die Strafgerichte. 2. Die strafgerichtliche Interpretation unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben Von erheblichem Gewicht bleiben auch vor dem Hintergrund des § 262 Abs. 1 StPO freilich die verfassungsrechtlichen Vorgaben, namentlich das Bestimmtheitsgebot und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bzw. das ultima-ratio-Prinzip. Bei der Konkretisierung der Grenzen strafgerichtlicher Auslegungskompetenz ist allerdings auch vor dem Hintergrund dieser Verfassungsgrundsätze zu beachten, dass das Wirtschaftsstrafrecht als Teilgebiet des Strafrechts, welchem Blankettstrafgesetze und Verweisungen auf außerstrafrechtliche Normen immanent sind, in seiner Funktionsfähigkeit nicht gefährdet werden darf. Im Übrigen ist zwischen klaren rechtlichen Kontroversen und unterregulierten Anwendungsfällen bezüglich der Sorgfaltsgeneralklauseln zu differenzieren. In ersterer Hinsicht muss – in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes – dem Bestimmtheitsgebot der Vorrang gebühren. Da sich die Anwendung des auszufüllenden Tatbestandes an Art. 103 Abs. 2 GG zu messen lassen hat, muss sich das Strafgericht an der Auslegung der überwiegenden Meinung bspw. im Gesellschaftsrecht orientieren. Nur in diesem Fall sind gesicherte Maßstäbe und Wertungen, die die Strafbarkeit hinreichend vorhersehbar machen, Grundlage des strafgerichtlichen Urteils228. Etwas anderes ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes mit dem Bestimmtheitsgrundsatz unvereinbar. 226 Rönnau, ZStW 119 (2007), 887 (913) weist auch darauf hin, dass eine Bindung an die für den Beschuldigten günstigste Auslegung zivilrechtlicher Normen der Anerkennung des in-dubio-pro-reo-Grundsatzes in Rechtsfragen gleichkäme. Dazu sogleich. 227 BVerfGE 48, 40 (47); 54, 277 (299). 228 So Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, AT, S. 64; zustimmend Dittrich, Die Untreuestrafbarkeit, S. 209.

C. Akzessorietät in der strafgerichtlichen Rechtsanwendung

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Die Ablehnung dieser Ansicht mit der Begründung, auf diese Weise würde bei Streit über zivilrechtliche Vorfragen letztlich der Grundsatz in dubio pro reo bei Rechtsfragen zur Anwendung gebracht229, überzeugt gerade für den Bereich unternehmerischen Handelns nicht, wenn man berücksichtigt, dass erstens sich rechtliche und tatsächliche Fragen hier nicht immer eindeutig trennen lassen und zweitens auch für den Bereich der rechtlichen Unsicherheit ein unternehmerisches Ermessen nach dem Zweck der Norm sinnvoll sein kann. Die Befürchtung, aufgrund der zahlreichen Streitigkeiten im Wirtschaftsleben bestünde die Gefahr, dass der Untreuetatbestand weitgehend leer läuft230, berücksichtigt nach hier vertretener Auffassung zu wenig das Leitbild des Geschäftsleiters als einer in einem hochgradig verrechtlichten Umfeld agierenden Person. Das Mannesmann-Urteil stellt folglich einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot dar. Eine absolute Einstimmigkeit des Meinungsbildes zu verlangen, hieße andererseits allerdings, das Wirtschaftsstrafrecht in seiner Funktionsfähigkeit zu beeinträchtigen.

229 230

So Rönnau, ZStW 119 (2007), 877 (915). Rönnau, a. a. O.

Dritter Teil

Anknüpfungspunkte pflichtverletzenden Verhaltens beim Investment in subprime-Papiere In diesem Teil soll, ausgehend von der Annahme der Deckungsgleichheit gesellschaftsrechtlicher und strafrechtlicher Sorgfaltsmaßstäbe, das Investment in subprime-Papiere im Vorfeld der Finanzmarktkrise auf Anknüpfungspunkte für pflichtwidriges Verhalten untersucht werden. Aber auch ausgehend von einer lediglich limitierten Akzessorietät sind die Ausführungen dieses Teils für diesen Sachverhalt als Konkretisierung der strafrechtlichen Untergrenze von Bedeutung.

A. Problemaufriss: Die Bedeutung des Aufsichtsrechts bei der gesellschaftsrechtlichen und strafrechtlichen Aufarbeitung der Finanzmarktkrise Im Zuge der Finanzmarktkrise ist das Verhalten der Geschäftsleiter von Banken verstärkt in den Fokus der gesellschaftsrechtlichen und strafrechtlichen Diskussion geraten1. Gleichzeitig sind in wirtschafts(rechts)politischer Hinsicht die regulatorischen Vorgaben für das Handeln an Finanzmärkten wieder verstärkt in die allgemeine Diskussion gekommen. Abgesehen von dem Bestreben, Voraussetzungen zu schaffen, die eine Wiederholung ähnlicher Vorgänge verhindern, wird rückbetrachtend das Aufsichtsrecht nun in einem Atemzug mit der Untreuestrafbarkeit genannt2, wobei der Zusammenhang zwischen bspw. den Vorschriften des KWG und § 266 StGB eher unspezifisch durch die Annahme einer „mittelbaren Maßstabbildung“ 3 hergestellt oder, nach Feststellung, dass das KWG das Schutzgut der Untreue eigentlich nicht betrifft, dadurch zu retten versucht wird, dass die Verletzung des KWG für eine Verletzung des Untreuetatbestandes dann aber besonders gravierend sein müsse4. Die Entwicklungen im Vorfeld der Krise 1

Siehe schon Einleitung. Siehe die Bemerkung von Fischer, Richter am Bundesgerichtshof im 2. Strafsenat, in einem Interview mit dem Spiegel Anfang des Jahres 2010, siehe http://www.spie gel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,675273,00.html (abgerufen am 29. April 2012): „Und wenn Schutzvorschriften nicht eingehalten wurden, ist auch das ein Indiz für eine Pflichtverletzung.“ 3 Kasike, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 24. 4 So Bräuning/Samson, ZIP 2009, 1089 (1093); abweichend aber a. a. O. (1094), wo der Zusammenhang andeutungsweise über §§ 76, 93 AktG hergestellt wird. 2

A. Problemaufriss

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haben in der Diskussion um Geschäftsleiteruntreue insgesamt zu einer Erweiterung auf Themen geführt, die neben ihrer Relevanz für das Gesellschaftsrecht (zwangsläufig) sowohl den objektiven als auch den subjektiven Tatbestand des § 266 StGB betreffen, namentlich die Frage der externen Beratung von Geschäftsleitern durch Ratingagenturen sowie die Fragen der Erlaubtheit von Existenzgefährdungen und des Eingehens sogenannter Klumpenrisiken5. Dass das Eingehen derartiger Risiken untreuerelevantes Verhalten darstellt, wurde ebenso früh angedeutet wie, dass ein Verlassen auf externe Ratings ein mangelhaftes, respektive untreuerelevantes Risikomanagement darstellen kann6. Ausgehend davon soll in diesem Teil zunächst unabhängig vom Strafrecht das Verhältnis der für Bankengeschäftsleiter geltenden regulatorischen Vorgaben zum Gesellschaftsrecht untersucht werden. Für das Verhältnis der Sorgfaltsgeneralklauseln zu anderen Pflichtenmaßstäben besonders relevant sind vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise die bankaufsichtsrechtlichen Vorschriften des KWG. Hier sind mehrere Probleme aufgeworfen. Zunächst muss grundsätzlich geklärt werden, ob und wieweit das Aufsichtsrecht für die Legalverfassung von Aktienund anderen Gesellschaften konkretisierende Bedeutung haben kann. Bejaht man eine solche Bedeutung prinzipiell, scheint gerade im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Finanzmarktkrise die Frage nach einem abschließenden Charakter spezieller Pflichtenbeschreibungen im Hinblick auf das Aufsichtsrecht an Bedeutung zu verlieren, wenn und weil man annimmt, dass die Gefährdung der Existenz des Unternehmens immer pflichtwidrig ist. Dies wiederum ist allerdings im Ausgang fraglich, wenn man dem Aufsichtsrecht eine konkretisierende Wirkung zugesteht und die aufsichtsrechtlichen Vorschriften sich gerade mit der Verhinderung des Eingehens unangemessener Risiken (abschließend) befassen. Die Diskussion um die Pflichtwidrigkeit des Eingehens existenzgefährdender Risiken hat letztlich in der Diskussion um das allgemeine Schädigungsverbot ein strafrechtliches Pendant. Je nach Umfang der Ausdifferenziertheit außerstrafrechtlicher Vorgaben könnte ein etwaiges Verbot existenzgefährdender Handlungen im Einzelfall seine Bedeutung für die Aufarbeitung der Krise verlieren7. Aus alledem ergibt sich folglich die Notwendigkeit der Untersuchung von Inhalt und Reichweite der aufsichtsrechtlichen Vorschriften. Ausgehend von einer strengen Akzessorietät der Sorgfaltsgeneralklauseln im Verhältnis zum Untreuetatbestand ist demgegenüber nicht von Relevanz, inwieweit die aufsichtsrechtlichen Normen für § 266 StGB selbst relevant sind.

5 Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht Florstedt, AG 2010, 315 (319 ff.); Lutter, ZIP 2009, 197 (198 f.); Spindler, NZG 2010, 281 ff. 6 Fischer (Fn. 2 (Dritter Teil)); die Frage als ungeklärt bezeichnend Krause, in: Managerhaftung, § 35, Rn. 53. 7 Vgl. oben Zweiter Teil: B.IV.1.

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3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

B. Das Verhältnis der Generalklauseln zu konkretisierenden Pflichtennormen im Allgemeinen Diesen einleitenden Erwägungen folgend, ist zunächst das Verhältnis der Sorgfaltsgeneralklauseln zu diesen konkretisierenden Normen im Allgemeinen zu untersuchen. Neben der Beschreibung eines besonderen Sorgfaltsmaßstabs für Geschäftsleiter beschreiben die gesellschaftsrechtlichen Generalklauseln auch Verhaltenspflichten, sind also zugleich Pflichtenquelle8. Da die Beschreibung der Pflichten, ebenso wie der Sorgfalt, nur generalklauselartig erfolgt, handelt es sich um Grundtatbestände, die der Ausfüllung durch die Beschreibung von Einzelpflichten bedürfen9. Diese Konkretisierung der Verhaltenspflichten im Einzelfall erfolgt zum Teil durch das Innenverhältnis der die jeweilige Rechtsform betreffenden gesetzlichen Handlungsanweisungen10. Die Konkretiserung der Verhaltenspflichten erfolgt, wie bereits mehrfach erläutert, nach h. M. darüber hinaus aber auch durch externe Vorgaben; das meint solche Handlungspflichten, die außerhalb der jeweiligen Legalverfassung liegen, nicht organspezifisch sind und die verbreitet als allgemeine Gesetzespflichten bezeichnet werden11. Handelt es sich bei dem zu bewertenden Verhalten um eine unternehmerische Entscheidung, so sind die Verhaltenspflichten zunächst durch die Vorgaben des safe harbour für die betreffende Handlung besonders beschrieben bzw. konkretisiert. Das Vorliegen konkretisierender gesetzlicher Vorgaben in einem Bereich schließt das Vorliegen einer unternehmerischen Entscheidung nicht kategorisch aus; der erleicherte Prüfungsmaßstab gilt nur soweit nicht, wie die Konkretisierung verbindliche Vorgaben macht12. Dass bei Vorliegen spezieller Regelungen ein Rückgriff auf den allgemeinen Pflichtenmaßstab ausgeschlossen sein kann, wird in der Literatur nicht durchgängig positiv formuliert13. Unter Beachtung all8

Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 10. Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 10; Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 43, Rn. 1. 10 Vgl. Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 15 f. In der Aktiengesellschaft ist dies bspw. die Pflicht zur Berichterstattung gegenüber dem Aufsichtsrat nach § 90 AktG oder die Auskunftserteilungspflicht gegenüber der Hauptversammlung nach § 131 AktG. Einige dieser organspezifischen Rechtspflichten haben unmittelbaren Außenbezug, wie bspw. die Pflicht zur Offenlegung des Jahresabschlusses nach § 325 HGB; zu § 91 Abs. 2 AktG sogleich. 11 Vgl. Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 23. Siehe dazu im Zusammenhang mit dem Begriff der unternehmerischen Entscheidung bereits Erster Teil: B.I.2.a). 12 Siehe bereits oben Erster Teil: B.I.1.; ähnlich Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, § 93 Abs. 1 Satz 2 n. F., Rn. 55; sowie Schaloske, VW 2008, 1521 (1524). 13 Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, § 93 Abs. 1 Satz 2, 4 n. F., Rn. 56 betreffend das Verhältnis zu § 87 AktG im Zusammenhang mit dem Mannesmann-Verfahren; ausdrücklich Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen, S. 188 f. Die Feststellung, es handele sich bei § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG bezogen auf die Pflichten um einen Auffangtatbe9

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gemeiner Grundsätze dürfte aber die Annahme zutreffend sein, dass sich für einen abschließend geregelten Teilbereich ein Rückgriff auf die Generalklausel erübrigt und damit ein solcher auf den safe harbour14. Auf den übrigen Bereich bleibt die Generalklausel samt safe harbour anwendbar. Damit ist auch hier entscheidend, welche Rechtsfolge der Gesetzgeber für einen geregelten Teilbereich beabsichtigt. Zu prüfen ist im Einzelfall, ob trotz konkretisierender Vorgaben das Geschäftsleiterermessen erhalten bleiben soll oder nicht15. Bei der Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen wird hiervon auszugehen sein. Als Beispiel hierfür wird insbesondere § 91 Abs. 2 AktG genannt16. Es mag indes auch vorkommen, dass ein Verweis ohne spezielle Intention mit Unsicherheiten einhergeht. Auch hier muss der safe harbour anwendbar bleiben17. Ein Spezialitätsverhältnis kommt somit in zweierlei Hinsicht in Betracht, nämlich bei Handlungsanweisungen ohne Ermessensspielraum und bei solchen, die einen Spielraum gewähren. Bei letzteren muss der Spezialitätsgrundsatz ebenfalls eingreifen, und zwar soweit die vorgelagerte Norm Ermessensspielraum gewährt und hinsichtlich der Ausgestaltung des Spielraums eigene Vorgaben macht. Dies wird insbesondere bei Vorgaben zum Verfahren der Entscheidungsfindung in Betracht kommen. Gewährt die vorgelagerte Norm Ermessen und macht keine Vorgaben zur Entscheidungsfindung, bleibt insoweit § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG anwendbar18.

C. Die Ursachen des Zusammenbruchs des Finanzmarktes im Jahre 2008 und Geschäftsleiteruntreue – Überblick über tatsächliche Vorgänge und rechtliche Rahmenbedingungen Die Ursachen für die Krise, die erstmals im Frühjahr des Jahres 2007 – zunächst als subprime-Krise bezeichnet – international spürbar wurde und in der Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte, sind (allein in Deutschland) vielfach beschrieben worden, und zwar sowohl aus wirtschaftswissenschaftlicher19 wie auch rechtstand, weist in dieselbe Richtung. Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, § 93, Rn. 11; wohl auch MünchKommAktG/Spindler, § 93, Rn. 20. 14 Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen, S. 188. 15 Schlimm, a. a. O., S. 189. 16 Schlimm, a. a. O., S. 190. 17 Vgl. Schlimm, a. a. O., S. 190. 18 Im Ergebnis wohl ebenso Böttcher, NZG 2009, 1047 (1049); abweichend wohl Holle, AG 2011, 778 (781) und Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen, S. 189, die dann, wenn die vorgelagerte Norm Spielraum gewährt, immer auf § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG zugreifen wollen ohne Rücksicht darauf, ob diese Norm eigene Vorgaben zum Entscheidungsverfahren macht. 19 Umfassend Sinn, Kasino-Kapitalismus, 2009; siehe auch Schön/Cortez, IRZ 2009, 11 ff.; Rudolph, zfbf, 713 ff.

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licher Sicht, und hier sowohl von einem wirtschaftsrechtlichen20 als auch strafrechtlichen21, sowie einem staatstheoretischen22 Standpunkt aus. Für eine kontextuelle Einordnung der eingangs aufgeworfenen und nachfolgend in diesem Abschnitt untersuchten Probleme, aber auch als Grundlage später originär strafrechtlicher23 und rechtspolitischer Fragestellungen24, bedarf es hier einer kurzen Zusammenfassung des Sachverhalts, der in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht der Finanzmarktkrise zugrunde lag. Für die Krise sind zahlreiche Ursachen ausgemacht worden25. Die Beschreibung umfasst die internationalen Kapitalströme seit den 1980er Jahren unter besonderer Hervorhebung des hohen Kapitalimports der USA, die wechselnde Geldpolitik der Federal Reserve Bank im Anschluss an den 11. September 2001 sowie allgemeines politisches Versagen das Aufsichtsrecht betreffend, und zwar insbesondere auch in Europa. Die Ursachenforschung gliedert sich zudem ein in den ebenfalls weiten Kontext der Diskussionen um die Informationseffizienz von Märkten, Corporate-Governance-Probleme um die Anreizwirkung variabler Vergütung des Managements oder die Rolle bzw. das Versagen sogenannter gatekeepers. Die umfassende Darstellung, geschweige denn Analyse all dieser Aspekte, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen26. Mittelpunkt der allgemeinen Aufarbeitung (in Deutschland) und Gegenstand der hiesigen Darstellung ist ein konkreterer Ausschnitt der ausgemachten Ursachen, nämlich die Hochphase des mit Beginn des neuen Jahrtausends enorm angestiegenen27 Handels mit sogenannten strukturierten Wertpapieren, welcher die Risiken des US-Immobilienmarktes28 und Verbraucherkreditmarktes im Allgemeinen im Wortsinne bündelte und über den weltweiten Finanzmarkt verteilte, sodass letztlich diese Risiken auch das Bankenwesen erreichten29. Dieses hatte teilweise in beachtlichem Umfang in sogenannte mortgage backed securities 20

Spindler, AG 2010, 601 ff. Kasiske, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 13 (S. 14 ff.); Schünemann, ebenda, S. 71 ff. 22 Heun, JZ 2010, 53 ff. 23 Vierter Teil. 24 Fünfter Teil. 25 Umfassende Ursachendarstellung bei Sinn, a. a. O.; siehe auch Sachverständigenrat, Das Erreichte nicht verspielen, S. 92 ff. sowie den Überblick bei Heun, JZ 2010, 53 ff. 26 Siehe zu Ratingagenturen aber sogleich. Auch der Relevanz von Boni wird sich aus strafrechtlicher Sicht jedenfalls zu widmen sein: Vierter Teil: D.II.3. 27 Siehe nur Sinn, a. a. O., S. 136. 28 Mit ausgelöst durch politische Bestrebungen, einkommensschwachen Schichten ein Eigenheim zu ermöglichen und die Ausgestaltung der hierzu gewährten Kredite (adjustable rate mortgages), vgl. nur Heun, a. a. O. (55). 29 Siehe zum „Überschwappen“ der Probleme auf den deutschen Kapitalmarkt Arlt, True Sale Securitisation, S. 121 ff. 21

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(MBS) als Unterkategorie der asset backed securities (ABS) bzw. in höher strukturierte und hinsichtlich der zugrundeliegenden Vermögenswerte vielfach komplexere collateralized debt obligations (CDO) investiert30. Die Darstellung der tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen dieses Entwicklungsausschnitts soll hier in gedrängter Form erfolgen.

I. Tatsächlicher Hintergrund – das Investment in mit Hypotheken- und anderen Verbraucherkrediten unterlegte strukturierte Wertpapiere Unter Verbriefung (securitization) ist der Prozess zu verstehen, in dem zahlreiche Vermögenswerte (assets), bspw. Darlehensforderungen, in am Finanzmarkt handelbare Wertpapiere transformiert werden. Ein potenzieller Investor wird dann aus den dem Wertpapier zugrunde liegenden Vermögenswerten bedient31. Im Vorfeld der Finanzmarktkrise waren insbesondere Immobilienkreditforderungen aus den USA von den dortigen Hypothekenbanken an Zweckgesellschaften weitergereicht und dann verbrieft worden32. Die Übertragung der Vermögenswerte vom Originator der Vermögenswerte auf Zweckgesellschaften ist dem Verbriefungsprozess vor dem Hintergrund, dass der Zweck der Kreditverbriefung im Allgemeinen die Übertragung von Risiko ist, derart immanent, dass die Auslagerung auf Zweckgesellschaften in die Definition des Verbriefungsbegriffs einbezogen wird33. Der jüngere Verbriefungsbegriff steht darüber hinaus allgemein in 30 Diese Konstellation lag der Beinahepleite der IKB als auch den Schwierigkeiten diverser Landesbanken zugrunde. Hinsichtlich der Finanzierungsmodelle in der Depfa Bank plc gilt dies auch für die Hypo Real Estate, vgl. Kasiske, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 14. 31 Siehe Fabozzi/Kothari, Securitization. 32 Entweder als true-sale-ABS oder als sogenannte synthetische ABS, siehe nur Zeising, BKR 2007, 311 (312 f.). Bei einem true sale werden die Vermögenswerte so vom Originator auf eine Zweckgesellschaft übertragen, dass sie in Bilanzposten beim Originator aufzulösen sind, d.h. es handelt sich um einen Forderungskauf. Bei der Verbriefung von kurzfristigen Forderungen einigen sich die Parteien meist auf einen revolvierenden asset pool, bei dem die durch Zeitablauf ausgelaufenen Forderungen ständig durch neue ersetzt werden. Bei synthetischen ABS findet ein faktischer Vermögensübergang nicht statt, die assets bleiben beim Originator. Die Risiken werden durch sogenannte Kreditderivate auf das Vehikel übertragen. Dabei handelt es sich um einen Absicherungsvertrag gegen ein Ereignis, das den Kapitalfluss aus den assets bedroht. Das Ausfallrisiko wird meist durch einen credit default swap (CDS) übertragen, indem der Originator die Funktion des Sicherungsnehmers übernimmt und für die Absicherung des Kreditausfallrisikos eine Prämie an den CDS-Vertragspartner (Sicherungsgeber) zahlt. Subprime-Kredite wurden regelmäßig via true sale übertragen, siehe Arlt, True Sale Securitisation, S. 121 ff. 33 So bei Fabozzi/Kothari, Securitization, S. 1: „In today’s capital markets, the term has . . . a more specific meaning . . .“ (gegenüber der Verbriefung bspw. in Aktien, Unternehmensanleihen und anderen Wertpapieren); siehe auch die Definition bei Schön/Cortez, IRZ, 11 (12) und in Art. 4 Ziff. 37 der Bankenrichtlinie (2006/48/EG): dort als „traditionelle Verbriefung“ bezeichnet.

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engem Zusammenhang mit dem der Strukturierung von Wertpapieren (structured finance)34, denn die hohe Anzahl der zugrunde liegenden Vermögenswerte ermöglicht die breitere Ausnutzung des Wahrscheinlichkeitsspektrums und damit die für Investoren interessante Einteilung in Risikoklassen im Rahmen einer sogenannten Tranchierung35. Unter der Annahme, dass die Risiken bezüglich der zugrundeliegenden Vermögenswerte voneinander unabhängig sind, ist bei entsprechender Diversifiziertheit der Vermögenswerte und der Tranchierung in Risikoklassen das Risiko des Ausfalls der bspw. zugrunde liegenden Kreditforderungen für die höchsten, mit „AAA“ 36 bezeichneten Risikoklassen theoretisch äußerst gering, und zwar auch dann, wenn Forderungen der mittleren (mezzanine) Risikoklasse des Ausgangspapiers in weiteren Schritten wiederum tranchiert und in diesem Zuge wiederum jeweils eine senior tranche eingerichtet wird37. Die Annahme der Unabhängigkeit einzelner Risiken voneinander wird im Nachhinein allgemein als fehlerhaft eingeschätzt38. Das Nichterkennen des systemischen Risikos, das dem US-Immobilienmarkt insgesamt offenbar immanent war und dessentwegen die Diversifiziertheit der zugrunde liegenden Vermögenswerte an Bedeutung verlor, ist Hauptgegenstand der Diskussion um die Verantwortlichkeit von Geschäftsleitern der Banken, die die Papiere erwarben, und zwar sowohl in gesellschaftsrechtlicher als auch in strafrechtlicher Hinsicht39. Deutsche Banken hatten sich mit MBS bzw. ABS und Kreditderivaten40 unterlegte CDOs über sogenannte conduits oder special investment vehicles41 beschafft. Diese finanzierten den Kauf der Papiere ausschließlich mit Fremdkapital, das durch die Begebung von ABCP beschafft wurde. Je nach Struktur des ABSProgramms konnten sich die SPVs in Ankaufs- und Emissionsgesellschaften 34 Vgl. Fabozzi/Kothari, Securitization, S. 5: „. . . word almost used interchangeably with securitization“. 35 Dazu Sinn, a. a. O., S. 132. 36 Standard & Poor’s und Fitch Ratings nutzen die Bezeichnung „AAA“, Moody’s nennt die höchste Klasse „Aaa“. Zum rechtlichen Umfeld, in dem sich die Agenturen bewegten, sogleich. 37 Mit dann gegenüber dem Ausgangspapier gestiegenen Risiko für die ebenfalls wieder eingerichteten nachfolgenden Risikoklassen. 38 Siehe Sinn, a. a. O., S. 133 f.; Heun, a. a. O. (56); Spindler, AG 2010, 601 (602); eine mögliche Korrelation von Risiken dagegen nicht als Problem in Betracht ziehend offenbar noch Fabozzi/Kothari, Securitization, S. 5 f. 39 Lutter, ZIP 2009 (197) 199; Fischer (siehe Fn. 2 (Dritter Teil)); Kasiske, a. a. O., S. 23 f.; Rönnau, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 61 f.; Lüderssen, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 214 f. 40 Siehe zum Begriff Fn. 32 (Dritter Teil). 41 Je nach Ausgestaltung des gehaltenen/erworbenen Portfolios und der Art der zur Finanzierung begebenen Wertpapiere und im Gegensatz zu den i. d. R. als special purpose vehicles bezeichneten Zweckgesellschaften auf der Sell-Side; vgl. Sachverständigenrat, a. a. O., S. 94. Im Weiteren werden alle Zweckgesellschaften der Einfachheit halber mit SPV bezeichnet.

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unterscheiden oder nicht42. Die ABCP, deren Kreditforderungen wiederum mit den assets der angekauften Papiere besichert wurden, hatten kurze Laufzeiten, in der Regel 3 bis 6 Monate, und wurden zu niedrigen Zinsen ausgegeben. Da die Zinslasten der kurzfristigen Finanzierung deutlich niedriger waren, als die durch die CDOs generierten Zinsgewinne43, ließen sich mit der Differenz erhebliche Gewinne erwirtschaften, solange die Erwerbsvehikel weiterhin in der Lage waren, Fremdkapital zu beschaffen44. Im Ausland aufgesetzt und obwohl mit geringem Eigenkapital ausgestattet, gelang ihnen dies bis zum Ausbruch der Krise deswegen, weil allgemein von steigenden Immobilienpreisen in den USA ausgegangen wurde und die Banken als Sponsoren Liquiditätsgarantien für die Vehikel übernahmen, was in Kombination das nötige Investorvertrauen für die (Re-)Finanzierung herstellte. Dieses Vertrauen schwand, als Mitte des Jahres 2007 nach einer Stagnation der Immobilienpreise die Kreditforderungen in erhöhtem Maße ausfielen und die Papiere in der Folge durch die Ratingagenturen abgewertet wurden. Das nunmehr wertlose Portfolio der Erwerbsvehikel konnte nicht mehr refinanziert werden und deutsche Banken wurden aus den Liquiditätsgarantien in Anspruch genommen. Aufgrund der nach dem Zusammenbruch des US-Immobilienmarktes vorzunehmenden Abschreibungen und Wertberichtigungen, waren sie jedoch nicht im Umfang der abgegebenen Garantien liquide. Ihre Insolvenz konnte nur noch durch umfassende staatliche Rettungsmaßnahmen abgewendet werden45.

II. Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen vor der Krise Für die rechtliche Aufarbeitung der Finanzmarktkrise und somit für den vorliegenden Kontext von Bedeutung sind insbesondere auch die rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen der Erwerb der strukturierten US-Wertpapiere stattfand. An dieser Stelle soll nur versucht werden, einen generischen Rechtssachverhalt zu beschreiben. Es soll also versucht werden, den soeben generisch beschriebenen Sachverhalt im Hinblick auf die genannte Zielsetzung, nämlich Anknüpfungspunkte für ein haftungsrelevantes Verhalten von Geschäftsleitern 42 Ersteres der Fall bei sogenannten Kredit-Arbitrage-Programmen, vgl. dazu umfassend Becker/König/Marelja, Bilanzierung und Eigenmittelunterlegung, S. 7 ff. 43 Bis zu 7 %, vgl. Sinn, a. a. O., S. 65. Die CDOs hatten eine Laufzeit von mindestens 5 Jahren. Wurden MBS „unmittelbar“ erworben, lag die Laufzeit in der Regel bei mindestens 30 Jahren, woraus die Notwendigkeit, sich anderweitig Kapital für den weiteren Erwerb von Papieren zu beschaffen, deutlich wird – das angekaufte Portfolio verschaffte nicht die nötige Liquidität. 44 Siehe zum Folgenden Kasiske, a. a. O., S. 20 ff. am Beispiel der IKB einerseits und Sinn, a. a. O., 65 ff., am Beispiel der Sachsen LB und anderer Landesbanken andererseits. 45 Vgl. im Einzelnen Sinn, a. a. O., S. 66.

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von subprime-Papiere erwerbenden Instituten zu finden, hinreichend zu konkretisieren. 1. Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung Die Nutzung von Zweckgesellschaften zur rechtlichen Trennung der Kreditinstitute von SPVs war zunächst auf Verkäuferseite ausdrücklich gesetzlich akzeptiert. Art. 4 Ziff. 44 der Richtlinie 2006/48/EG46 beschreibt die Zweckgesellschaft als eine Treuhandgesellschaft oder sonstiges Unternehmen, das zur Durchführung von Verbriefungen errichtet wurde, dessen Tätigkeit auf das zu diesem Zweck Notwendige beschränkt ist und deren Struktur darauf ausgelegt ist, die eigenen Verpflichtungen von denen des originierenden Kreditinstituts zu trennen. Damit war zum einen die Verwendung von SPVs zur Begebung von ACBPs zur Refinanzierung auf der Erwerberseite europarechtlich abgesegnet. Besagte Richtlinie zeitigte zusammen mit der Richtlinie 2006/49/EG47 als Umsetzung des sogenannten Basel-II-Abkommens48 aber zugleich Bedeutung für die Eigenkapitalanforderungen der Kreditinstitute selbst. In Fortführung des Basel-I-Abkommens sehen die Richtlinien daneben ein Verfahren für die Anerkennung bankeigener Risikobewertungsmodelle vor, mit der Folge, dass die Aufsicht ggf. nur noch diese Modelle selbst, nicht aber konkrete Anlagen auf ihre Risikobewertung prüfte49. Die Eigenkapitalanforderungen der Kreditinstitute waren auch vor der Krise national in § 10 KWG geregelt, der seit dem Inkrafttreten der SolvV50 am 1. Januar 2007 durch diese konkretisiert wurde und davor durch den sogenannten Grundsatz I 51 ausgefüllt wurde. §§ 55 ff. SolvV regelten das Verfahren zur An-

46 Richtlinie 2006/48/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (sogenannte Bankenrichtlinie). 47 Richtlinie 2006/49/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten (sogenannte Kapitaladäquanzrichtlinie). Beide Richtlinien wurden am 1. Januar 2008 in den Mitgliedsstaaten verbindlich. 48 Umgesetzt durch 93/6/EWG und national in §§ 10, 10a KWG, zunächst in Verbindung mit dem Grundsatz I (siehe Fn. 51 (Dritter Teil)), der mit Wirkung vom 1. Januar 2007 durch die SolvV abgelöst wurde. Letztere wurde dann im Zuge von Basel II bzw. der hierzu erlassenen Richtlinien angepasst. Siehe auch sogleich. 49 Vgl. Sinn, a. a. O., S. 152. 50 Verordnung vom 14. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2926) über die angemessene Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen und Finanzholding-Gruppen, in Kraft getreten am 1. Januar 2007, zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndVO vom 23. Dezember 2009 (BGBl. I S. 3971). 51 Teil der Grundsätze über die Eigenmittel und die Liquidität der Kreditinstitute vom 20. Januar 1969 (BAnz. Nr. 17), zuletzt geändert durch Bek. über die Änderung der Eigenmittel- und Liquiditätsgrundsätze vom 20. Juli 2000 (BAnz. Nr. 160).

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erkennung und Durchführung eines auf internen Ratings basierenden Ansatzes (IRBA), der es den Kreditinstituten erlaubte, Risiken mittels eigener Risikomodelle zu messen und auf dieser Grundlage die regulatorischen Eigenkapitalanforderungen festzulegen, § 60 Abs. 2 SolvV. Inhaltlich sahen die Eigenkapitalanforderungen der SolvV in § 24 ff. ein detailliertes und flexibilisiertes52 Bewertungssystem für Risikogewichtungen einzelner Bilanzpositionswerte vor, welche dann in der Summe zum Kernkapital oder Gesamtkapital53 ins Verhältnis gesetzt werden und so die Eigenkapitalquote beeinflussen. Hinsichtlich der so zu bestimmenden Eigenkapitalquoten war es deutschen wie auch anderen europäischen Kreditinstituten nach den vor der Krise geltenden Bilanzierungsvorschriften möglich, die auf Erwerberseite eingesetzten Zweckgesellschaften, ihrerseits wegen der Gründung im Ausland der inländischen Bankenaufsicht entzogen, aus ihrer Bilanz herauszuhalten, d.h. die Anteile der Zweckgesellschaften konnten in der Bilanz der Muttergesellschaft unberücksichtigt gelassen werden. Außerdem wurden die den Zweckgesellschaften gewährten Liquiditätszusagen zulässigerweise nicht als Rückstellungen passiviert: Seit 2005 hatten kapitalmarktorientierte Unternehmen ihre Konzernabschlüsse nach den Vorschriften der IFRS aufzustellen54. Im Zuge des BilReG55 wurden durch Einfügung des § 315a HGB die IFRS sodann explizit in das deutsche Recht eingeführt. Die IAS als Teil der IFRS widmeten sich in IAS 27 auch dem Konzernabschluss. Die Beherrschungsmöglichkeit als das konstituierende Element für eine Mutter-Tochter-Beziehung und damit für die Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses war in IAS 27.13 mit einer Stimmenrechtsmehrheit, der satzungsmäßig vorgesehenen Einflussnahmemöglichkeit auf die Geschäftspolitik oder mit Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Besetzung der Geschäftsleitung definiert. Bereits vor Ausbruch der Krise war dies als lückenhaft empfunden worden, weil die Einflussnahme über schuldrechtliche Konstruktionen nicht

52 Der davor innerhalb des Grundsatzes I bestehende Regelungsrahmen wurde allgemein als die falschen Anreize setzend empfunden, weil Banken bei einheitlicher Risikobewertung dazu neigten, risikoarme Positionen abzustoßen und durch risikoreichere, lukrativere Positionen zu ersetzen, da diese eben mit ebenso viel Eigenkapital zu unterlegen waren, wie die risikoärmeren, vgl. Sinn, a. a. O., S. 153. 53 Siehe zur jeweiligen Zusammensetzung § 10 Abs. 2a KWG einerseits und § 10 Abs. 2b KWG andererseits. 54 Siehe Verordnung Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards (sog. IAS-Verordnung). Kapitalmarktorientierte Unternehmen im Sinne der Verordnung waren Mutterunternehmen, deren Wertpapiere (Aktien und/oder Schuldverschreibungen) zum Handel an einem organisierten Kapitalmarkt innerhalb der Europäischen Union zugelassen sind. Da auch deutsche Landesbanken als Emittenten auftraten, waren auch sie von den Regelungen erfasst. 55 Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung vom 4. Dezember 2004 (BGBl. I, Nr. 65, S. 3166).

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erfasst war56. Auch die dieser Kritik geschuldeten, eine wirtschaftliche Betrachtungsweise in den Vordergrund rückenden Abhilfebemühungen nach SIC-1257 (Control-Konzept)58 reichten aber regelmäßig nicht aus, um die Konsolidierungspflicht herzustellen, weil entweder die Satzungen oder die schuldrechtlichen Abreden entsprechend ausgestaltet wurden59. Was übrig blieb, war eine Bestimmung anhand der Kriterien der Risiko- und Chancenverteilung zwischen Mutter und Tochter, wobei insbesondere mit Blick auf die Verbriefung trotz der von der Mutter gewährten Liquiditätszusagen häufig ein Einzelabschluss das Ergebnis war, nicht zuletzt, weil die Inanspruchnahme aus den Garantien eben als unwahrscheinlich betrachtet wurde60. Die legitime Einschätzung als geringes Risiko wurde außerdem dadurch begünstigt, dass nach § 8 Nr. 2 d) des Grundsatzes I61 die Liquiditätszusagen nur dann als Rückstellungen in der Mutterbilanz zu passivieren waren, wenn sie für einen Zeitraum von mindestens 365 Tagen gewährt wurden62, was vermieden werden konnte, wenn die Zusagen unterjährig erneuert 56

Vgl. Schön/Cortez, IRZ 2009, 11 (14). Interpretationen des ehemaligen standing interpretation committee. 58 Dieses sogenannte Control-Konzept wurde durch das BilMoG (Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts vom 25. Mai 2009 (BGBl. I S. 1102)) auch in das HGB übernommen. Das Beteiligungskriterium wurde abgeschafft und das Konzept der einheitlichen Leitung durch das Control-Konzept ersetzt, vgl. § 290 HGB und Baumbach/HoptMerkt, HGB, § 290, Rn. 5. Zudem wurden Zweckgesellschaften ausdrücklich in den Konsolidierungskreis aufgenommen (§ 290 II Nr. 4 HGB). Die Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses richtet sich zunächst nach deutschem Recht. Es ist zuerst nach nationalen Standards zu prüfen, ob eine Konsolidierungspflicht ausgelöst wird, bevor ein Konzernabschluss inhaltlich nach internationalen Standards zu erstellen ist. Entsprechende Unternehmen sind nach § 315a HGB dazu verpflichtet, ihren Konzernabschluss nach IFRS zu erstellen mit der Folge, dass auch solche Gesellschaften einzubeziehen sind, die nach IFRS zum Konsolidierungskreis gehören. Für Kreditinstitute mit Sitz in Deutschland würde sich eine Aufstellungspflicht nach internationalen Standards demnach aus § 340i Abs. 1 i.V. m. § 315a Abs. 1 HGB und § 290 HGB ergeben, siehe Blaschke/Schildbach, in: Rechnungslegung für Banken nach IFRS, S. 307, 309. Die Control-Konzepte nach IFRS und HGB (siehe § 290 Abs. 2 HGB) sind sich allerdings recht ähnlich. Die Spielräume hinsichtlich der zu konsolidierenden Unternehmen sind nach den IFRS wohl insgesamt etwas weiter (von Keitz, in: Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 290 HGB, Rn. 536), abweichend Rönnau, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 55 („erheblich weiter gefasst“, „erhebliche Ermessensspielräume“). 59 Vgl. Schön/Cortez, a. a. O. (14); das betrifft auch die Ausgestaltung der SPV-Satzungen als sogenannte Autopiloten, die grundsätzlich erfasst waren, deren Erfassung aber durch entsprechende Ausgestaltung ebenfalls umgangen wurde, vgl. SIC-12.14 a. F. und Schön/Cortez, a. a. O. 60 Schön/Cortez, a. a. O. (14 f.). 61 Siehe Fn. 48 (Dritter Teil). 62 Die Änderung dieser Anforderung war schon seit Basel-II im Jahre 2004 vorgesehen, ist aber lange Zeit nicht umgesetzt worden. Nach den EU-Richtlinien war die Anwendung mit Beginn des Jahres 2007 verpflichtend und wurde in Deutschland zu eben diesem Zeitpunkt mit der SolvV eingeführt. Mit Inkrafttreten der SolvV waren also auch unterjährige Zusagen mit Eigenkapital zu unterlegen, jedoch erlaubte die Übergangsregel des § 339 Abs. 9 SolvV ein Verfahren nach Grundsatz I bis zum 1. Januar 2008. 57

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werden. Die Liquiditätszusagen hatten deshalb im Ergebnis weder über Bewertung des Mutter-Tochter-Verhältnisses für einen Konzernabschluss, noch über die Bilanz der Mutter selbst Bedeutung für die Eigenkapitalanforderungen der Kreditinstitute. Als Reaktion auf die Finanzmarktkrise hat man das Control-Konzept63 als Grundlage für die Einschätzung, ob ein Beherrschungsverhältnis vorliegt, hinsichtlich der de-facto-Kontrolle inhaltlich nochmals erweitert, um auch zuvor nicht unter die Konsolidierungspflicht fallende Einflusskonstruktionen erfassen zu können. IFRS 10 hat insofern IAS 27 abgelöst, der nunmehr nur noch den Einzelabschluss regelt. SIC-12 wurde in IFRS 10 integriert. Nach den neuen Regelungen werden nun auch Präsenzmehrheiten bei Mitgliederversammlungen oder persönliche Verflechtungen berücksichtigt. Eine besonders wichtige Neuerung dürfte die Berücksichtigung von Prinzipal-Agenten-Beziehungen bzw. die genauere Erfassung treuhänderischer, also für Rechnung eines Dritten gehaltener Rechte sein. 2. Anforderungen an die Liquidität Eine im Zusammenhang mit der Geschäftsleiterverantwortlichkeit im Rahmen der Aufarbeitung der Krise ebenfalls genannte Vorschrift ist § 11 KWG64, welcher die Liquidität der Institute sichern soll. Vor dem 1. Januar 2007 galt in Ergänzung zu § 11 KWG der sogenannte Grundsatz II65, seit diesem Tag war die LiqV66 in Kraft. Relevant waren die Vorgaben der genannten Normen im Vorfeld der Krise für die Einordnung der Liquiditätszusagen. Zunächst zu beachten ist, dass sowohl der Grundsatz II als auch die LiqV wie vergleichbare aufsichtsrechtliche Liquiditätvorschriften67 rein quantitative Vorgaben machten. Qualitative Anforderungen an das Liquiditätsmanagement folgten aus den MaRisk68. Auch richtete sich § 11 KWG ausschließlich an einzelne Institute; für Kreditinstitutsgruppen galt die Vorschrift nicht69. Zwar waren auch unter dem Grundsatz II außerbilanzielle Verbindlichkeiten als bei der Berechnung der Liquiditätskennzahl70 relevante Zah63

Siehe Fn. 58 (Dritter Teil). Kasiske, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 24; Schröder, NJW 2010, 1169 (1171), ders., in: Hbd. Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 1170. 65 Teil der Grundsätze über die Eigenmittel und die Liquidität der Kreditinstitute vom 20. Januar 1969 (BAnz. Nr. 17), zuletzt geändert durch Bek. über die Änderung der Eigenmittel- und Liquiditätsgrundsätze vom 20. Juli 2000 (BAnz. Nr. 160). 66 Liquiditätsverordnung vom 14. Dezember 2006 (BGBl. 2006 Teil I Nr. 61, S. 3117 ff.). 67 Vgl. bspw. § 80 InvG. 68 Zelanski, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, LiqV, Vorb., Rn. 15; zu deren Vorgaben insbesondere unter Dritter Teil: E. 69 Boos, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 11, Rn. 10. 70 Vgl. zur Berechnung der Kennzahl bspw. Zelanski, a. a. O., Rn. 11. 64

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lungsverbindlichkeiten zu berücksichtigen. Nicht in Anspruch genommene, unwiderruflich zugesagte Kredite waren aber nur mit 20 % anzusetzen71, weshalb die Liquiditätsvorgaben aus § 11 KWG in der Regel formal nicht verletzt worden sein dürften72. 3. Vorschriften über die Vergabe von Großkrediten Ebenfalls kurze Beachtung finden sollen an dieser Stelle die Vorschriften über die Vergabe von Großkrediten in §§ 13 ff. KWG. Mit Blick auf die Bewertung des Verhaltens von Geschäftsleitern der Institute, die die subprime-Papiere erwarben, spielen diese Vorschriften in der Rechtsliteratur bei der Befassung mit der Krise eher eine untergeordnete Rolle73. Potenziell von Bedeutung waren die Vorschriften nach der Struktur der Transaktionen aber vor allem hinsichtlich der Bereitstellung von Liquiditätsfazilitäten an die SPV. Nach §§ 13 ff. KWG haben Institute bei der Vergabe von Großkrediten an einen Kreditnehmer besondere Vorgaben zu beachten. Ausgehend vom Typus des Kreditgebers74 regeln die Großkreditvorschriften des KWG die Definition des Großkredits (Großkreditdefinitionsgrenze), besondere Beschlussfassungspflichten bei der Vergabe von Großkrediten, Auflagen bei Überschreitungen der Obergrenzen sowie mit den Regelungen verbundene Anzeigepflichten75. Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 KWG hat ein Nichthandelsbuchinstitut so bspw. einen Großkredit an die Bundesbank zu melden, sobald seine Kredite an einen Kreditnehmer insgesamt 10 % des haftenden Eigenkapitals erreichen oder übersteigen. Es müssen für die Berechnung der Kreditobergrenze also zwei Begriffe geklärt sein: einerseits müssen Kredite vorliegen, zum anderen müssen diese Kredite einem Kreditnehmer im Sinne der §§ 13 ff. KWG zuzurechnen sein. Beide Begriffe sind in § 19 KWG für die §§ 13 ff. KWG de Da die Definitionsgrenze in §§ 13 ff. KWG also an eine Kreditnehmereinheit anknüpft, spielten diese Vorschriften zunächst bei einer gestreuten Investition in strukturierte Wertpapiere verschiedener Anbieter wohl keine größere Rolle76. 71

§ 4 Abs. 1 Nr. 8 Grundsatz II. Abweichend wohl Kasike, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 13 (24). 73 Siehe aber bspw. Spindler, AG 2010, 601 (606). 74 Siehe Groß, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, Vorb. zu § 13 bis § 13b, Rn. 4: Es wird zunächst unterschieden zwischen Nichthandelsbuchinstituten und Handelsbuchinstituten, vgl. § 2 Abs. 11 KWG. Die Großkreditvorschriften für Nichthandelsbuchinstitute finden sich in § 13, die für Handelsbuchinstitute in § 13a. Die Großkreditvorschriften für Instituts- und Finanzholding-Gruppen regelt § 13b, wobei je nach Zuordnung der Gruppe auf die Vorschriften der §§ 13 oder 13a verwiesen wird. 75 Groß, a. a. O. 76 Vgl. z. B. auch die Differenzierung zwischen Risikostreuung im Sinne einer schuldnerbezogenen Beschränkung und Risikomischung im Sinne einer quantitativen Beschränkung hinsichtlich des Investments in verschiedenartige Anlagegegenstände für 72

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Denn obwohl § 19 KWG Derivate77 und auch verbriefte Wertpapiere in den Begriff des Kredits einbezog78, dürften Transaktionen über strukturierte Wertpapiere regelmäßig nicht in ausreichendem Umfang mit einem Kreditnehmer i. S. v. § 19 Abs. 2 KWG durchgeführt worden sein79. Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 KWG a. F. galten zwei oder mehr natürliche oder juristische Personen oder Personenhandelsgesellschaften als ein Kreditnehmer, wenn eine von ihnen beherrschenden Einauf die andere oder die anderen ausüben konnte (Beherrschungsverhältnis) oder sie als Risikoeinheit anzusehen waren, weil die zwischen ihnen bestehenden Abhängigkeiten es wahrscheinlich erscheinen ließen, dass, wenn einer dieser Kreditnehmer in Schwierigkeiten gerät, dies auch bei anderen zu Zahlungsschwierigkeiten führt (Risikoeinheit). Hinsichtlich des Ankaufs der strukturierten Papiere lag keine dieser Voraussetzungen vor. Aber auch für den Fall, dass insofern „Klumpenrisiken“ 80 eingegangen wurden, war die Anwendbarkeit der Großkreditvorschriften nicht immer eindeutig. Aus den geltenden Bestimmungen ließ sich direkt nicht entnehmen, wer bei derartigen Produkten das Adressenausfallrisiko verkörpert und somit als Kreditnehmer anzusehen war81. Eine größere Relevanz der §§ 13 ff. KWG ergab sich dagegen grundsätzlich auf der Refinanzierungsseite82. Hier fragt sich, ob Verstöße gegen die Großkreditvorschriften daraus resultieren konnten, dass der Sponsor für die Refinanzierung Liquiditätszusagen gewährte. Diese waren nämlich trotz Unterjährigkeit nach § 19 Abs. Satz 1 Nr. 14 a. F. KWG als Kredite erfasst. Betrachtet man das einzelne SPV als Kreditnehmer, ließ sich durch Sicherstellung, dass der potenziell anzurechnende Betrag einer Kreditzusage gegenüber einem SPV weniger als 10 % des haftenden Eigenkapitals darstellt, die Anwendbarkeit der §§ 13 ff. Versicherungen hinsichtlich ihres gebundenden Vermögens nach § 54 VAG in §§ 3 und 4 AnlV. 77 Die den CDOs ebenfalls zugrunde lagen, siehe oben I. 78 § 19 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 4 und 5 a. F.; siehe jetzt auch § 19 Abs. 1 Satz 3 Nr. 14 n. F. für die spezielle Erfassung von Kreditderivaten sowie Abs. 1a KWG für eine Definition des Begriffs Derivate. 79 So die Einschätzung von Lutter, ZIP 2009, 197 (199). 80 Der Verhinderung solcher dienen die Vorschriften, vgl. nur Fleischer/Schmolke, ZHR 173 (2009), 649 (660); zu Konzentrationsrisiken siehe im Weiteren unten Dritter Teil: E.IV. 81 Das Gesetz enthält keine Legaldefinition des Begriffs Kreditnehmer, vgl. aber § 4 GroMiKV, der auf die Adresse des Adressenausfallrisikos abstellt. Der Gesetzgeber hat unterstellt, dass die Kreditnehmereigenschaft im Einzelfall der Natur des Geschäftes zu entnehmen und nach juristischen (insbesondere handels- und bilanzrechtlichen) Gesichtspunkten zu entscheiden ist, Bock, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 19 Rn. 62. Die fortschreitende Differenzierung der Bankgeschäfte machte es jedoch schwierig, die vorstehende Definition beizubehalten. Sie wurde deshalb als in vielen Fällen nicht hilfreich kritisiert (so von Bock a. a. O.). Der Lokalisierung von Adressenausfallrisiken bei Verbriefungen für die Bestimmung der Kreditnehmereigenschaft widmet sich nun § 6 GroMiKV, siehe Prüm/Thomas, BKR 2011, 133 (137). 82 Vgl. auch Prüm/Thomas, a. a. O.

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3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

KWG vermeiden. Ein weiterer Ansatz für die Annahme eines aufsichtsrechtlichen Verstoßes besteht in der wirtschaftlichen Abhängigkeit verschiedener SPV voneinander, die eine Kreditnehmereinheit gegenüber dem Sponsor oder einem anderen SPV hätte begründen können. Die Strukturierung derart, dass ein Beherrschungsverhältnis nicht angenommen werden konnte, erwies sich jedoch auch hier als Möglichkeit der Anwendbarkeitsvermeidung. Es stellte sich deswegen vor allem die Frage, inwiefern rein wirtschaftliche Abhängigkeiten dazu führen konnten, dass eine Risikoeinheit anzunehmen war. Das Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen (BaKred) hatte hierzu allerdings weiterführend bestimmt83, dass für die Annahme einer Risikoeinheit die bestehenden Abhängigkeiten zwischen den Parteien wechselseitig sein müssen. In der Regel lag aber nur eine einseitige Abhängigkeit vor, sodass auch insofern die Großkreditvorschriften nicht zur Anwendung kamen84. 4. Rechtsrahmen für externe Ratings Wie angedeutet, spielte die Bewertung strukturierter Finanzprodukte durch Ratingagenturen für die Einordnung der Ausfallwahrscheinlichkeit durch den Investor eine zentrale Rolle. Vor der Krise war von einer Regulierung der Ratingagenturen aufgrund der vorherrschenden Überzeugung abgesehen worden, die Abhängigkeit von der Reputation habe eine ausreichend selbstregulierende Wirkung85. Dies wird im Nachhinhein vor allem deshalb als problematisch betrachtet, weil die Agenturen zum einen grundsätzlich vom Auftraggeber bzw. Herausgeber der zu bewertenden Produkte bezahlt wurden (sogenannte solictited ratings86) und zusätzlich ihr Geschäft korrelierend zur Ausweitung des Verbriefungsgeschäftes insgesamt verstärkt mit der vorgelagerten Beratung bei der Strukturierung der Papiere machten, was nicht selten mit dem Ziel geschah, eine möglichst „breite“ Tranche der höchsten Bewertungsstufe einzurichten87. 83 Rundschreiben 3/97 des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen betreffend Kreditnehmereinheiten nach § 19 Abs. 2 Satz 1 KWG vom 24. Februar 1997. 84 Ausdrücklich OLG Frankfurt, BeckRS 2008, 2699 (insoweit in AG 2008, 453 nicht abgedruckt); Prüm/Thomas, a. a. O.; auch hier hat man inzwischen reagiert und bei der Berücksichtigung von Risikoeinheiten diese Risiken auf der Refinanzierungsseite mit einbezogen, vgl. § 19 Abs. 2 Satz 6 KWG n. F. und Spindler, a. a. O. (606). 85 Vgl. nur Möllers, JZ 2009, 861 (863); zweifelnd z. B. Blaurock, ZGR 2007, 603 (641) und Schön/Cortez, a. a. O. (16 f.) m.w. N. und unter Hinweis auf das bestehende Oligopol; mit dieser und weiteren Begründungen gegen die Annahme der effektiven Selbstregulierung im Zusammenhang mit der früheren Diskussion um Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Coffee, Understanding Enron; kritisch zur bisherigen Nichtbeachtung der Rolle der Wirtschaftsprüfer bei der Aufarbeitung der Finanzmarktkrise Spindler, AG 2010, 601 (603). 86 Auch „issuer-pays-Modell“. Vom investor-pays-Modell waren die Agenturen schon seit den 1970er Jahren abgerückt, vgl. Schön/Cortez, a. a. O. (16). 87 Vgl. Schön/Cortez, a. a. O. (16). Für Wirtschaftsprüfer war ein Selbstprüfungsverbot in der Gemeinschaft im Jahre 2006 eingeführt worden, siehe Art. 22 Abs. 2 2006/

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Umfassende Regulierungen der Tätigkeit von Ratingagenturen existierten weder in den USA noch in Europa. In Europa waren sie weder von den europäischen Regeln über Wertpapierdienstleister noch von nationalen Vorschriften über Finanzanalysten erfasst88, obwohl die Ratings praktisch nicht als bloße Indikatoren für Ausfallwahrscheinlichkeiten, sondern auch als Investitionsempfehlungen angesehen wurden89. Auf der anderen Seite wurde durch das Basel II-Abkommen und die Umsetzungsrichtlinien die Funktion der Ratingagenturen für aufsichtsrechtliche Zwecke festgeschrieben90. Kreditinstitute konnten danach die Bewertungen von anerkannten Ratingagenturen verwenden, um die der Risikogewichtung entsprechende Eigenkapitalquote zu ermitteln. War eine Agentur von der BaFin anerkannt, konnten ihre Ratings für die Festlegung der Ausfallwahrscheinlichkeit von Papieren bei dem von der Bank verwendeten internen Risikomodellen herangezogen werden, §§ 41 ff., 313 ff. SolvV91. Von der Ratingnote hing somit der Umfang der erforderlichen Eigenkapitalunterlegung ab92. Voraussetzung war, dass die Ratingagentur in einem (freiwilligen) Anerkennungsverfahren zugelassen worden war, welches in Deutschland in den §§ 52 ff. SolvV geregelt war. Von diesem freiwilligen Anerkennungsverfahren abgesehen unterstand das Ratingwesen keiner staatlichen Aufsicht. Diese (Rechts-)Tatsachen haben zu der allgemeinen Auffassung geführt, dass Ratingagenturen vor der Krise bei eingeschränkter staatlicher Aufsicht faktisch selbst die Rolle der Aufsicht zukam93. Das zivilrechtliche Haftungsregime war nicht in der Lage, in ausgleichendem Maße Anreize zu schaffen94.

43/EG vom 17. Mai 2006 über die Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen. Als Reaktion auf den Enron-Skandal in den USA schon im Jahre 2002 eingeführt durch den Sarbanes-Oxley-Act, vgl. Möllers, JZ 2009, 861 (864 f.). 88 Blaurock, ZGR 2007, 603 (614 f.). 89 Schön/Cortez, a. a. O. (17) im Hinblick auf §§ 34b, 34c WpHG. 90 Blaurock, a. a. O. (619 f.) sowie zum Folgenden. 91 Siehe auch unten Dritter Teil: D.I.1. 92 Die staatliche Bankenaufsicht bediente sich so der Ratingagenturen als External Credit Assessment Institutions (ECAI), Blaurock, a. a. O. Zur Bedeutung der Risikogewichtungen für die Eigenkapitalqoute schon soeben unter 1. 93 Siehe Spindler, a. a. O. (609); Bräuning/Samson, ZIP 2009, 1089 (1092); Schön/ Cortez, a. a. O. (17). Die Erkenntnis, dass die Verwendung der Ratings in Standards und Regulierungsvorschriften zu einer „übermäßigen, zum Teil auch mechanistischen Orientierung vieler Marktteilnehmer an externen Ratings und – damit verbunden – zu einer Vernachlässigung der eigenen Sorgfaltspflichten der Marktteilnehmer geführt“ hat, hat die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und FDP in einem gemeinsamen Antrag (BTDrucks. 17/7638, erschienen am 10. November 2011) die Umkehr von dieser Praxis fordern lassen. Zur fortwährenden Bedeutung der Ratingagenturen für die Finanzmärkte im Rahmen der Eurokrise siehe z. B. Financial Times Deutschland online http://www. ftd.de/finanzen/maerkte /:fitch-warnung-mal-wieder-eine-absurde-marktreaktion /60130 674.html (abgerufen am 18. November 2011). 94 Siehe Blaurock, a. a. O. (627 ff.).

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3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

Mit Blick auf die in den USA sitzenden Emittenten der Papiere entsprach die Rechtslage im Wesentlichen der in Europa mit dem gewichtigen Unterschied, dass in den USA das Ratingsystem noch umfassender als unter Basel II legislativ verwendet wurde95.

III. Konsequenz: Risikomanagement als Fokus der Diskussion um Geschäftsleiterverantwortung Die vorangegangenen Ausführungen haben deutlich gemacht, dass das geltende Regelungssystem bei der beschriebenen Strukturierung des Investments in subprime-Papiere durch deutsche Banken kaum Angriffsflächen für ein pflichtwidriges Geschäftsleiterverhalten im Sinne eines klaren Verstoßes gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben bot. So wird sie auch in der Literatur überwiegend als regelungskonform eingeordnet und als rückblickend zu akzeptierendes Übel in Form einer Regelungslücke betrachtet96. Einen Teilaspekt der Strukturierung von ABS-Transaktionen betreffend, hat auch die Rechtsprechung in einem einschlägigen Fall jüngst das Unterlassen der Konsolidierung von Zweckgesellschaften auf die Mutter für rechtmäßig erklärt97. Angesichts dieses Befundes nimmt es – auch vor dem Hintergrund der Ausweitung bankeigener Risikobewertungsmodelle – nicht wunder, dass sich die Diskussion um pflichtwidriges Geschäftsleiterverhalten im Vorfeld der Krise in erster Linie auf die Frage des Risikomanagements als übergeordneter, weiträumigerer Pflichtenkategorie konzentriert, verbunden mit der Diskussion um das Sichverlassen auf Ratings auf der Informationsbeschaffungsseite und gleichfalls verbunden mit der Folgevermutung, dass Fehler in diesen Bereichen zum Eingehen bestandsgefährdender Risiken bzw. übergroßer, insbesondere Konzentrationsrisiken, geführt hat98. Der rechtliche Rahmen des Risikomanagements wird, soweit relevant, deshalb im folgenden Abschnitt separat erörtert.

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Blaurock, a. a. O. (622). Vgl. Spindler, a. a. O. (606): „Schlupflöcher“; Rönnau, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 61 f.; Heun, JZ 2010 (57); Schön/Cortez, a. a. O. (14): „gezielte Umgehung“; Rudolph, zfbf 2008, 713 (732) „Aufsichtsarbitrage“; abweichend zu den Großkreditvorschriften wohl Schünemann, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 71 (92). 97 Vgl. OLG Düsseldorf, AG 2011, 31 (32), das zusätzlich darauf hingeweist, dass die anwendbaren Vorschriften eine komplexe Abwägung nötig machten, bei deren Durchführung dem Wirtschschaftprüfer ein erheblicher Beurteilungsspielraum eingeräumt sei. 98 Siehe Lutter, ZIP 2009, 197, 198 ff.; Böttcher, NZG 2009, 1047 ff.; Schäfer/Zeller, BB 2009, 1706 ff.; Fleischer, NJW 2010, 1504 ff.; Spindler, NZG 2010, 281 (284); Florstedt, AG 2010, 315 ff.; Balthasar/Hamelmann, WM 2010, 589 ff.; Weber-Rey, ZGR 2010, 543 (564); aus strafrechtlicher Sicht Kasiske, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 24; Schünemann, ebenda, S. 91 f.; Fischer, http://www.spiegel.de/wirtschaft/ unternehmen/0,1518,675273,00.html (abgerufen am 14. November 2011). 96

D. Entlastung von Geschäftsleitern durch aufsichtsrechtliche Vorgaben?

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Gesellschaftsrechtsdogmatisch verlagert sich die Diskussion damit zum einen auf das Handeln auf ausreichend informierter Grundlage99. Zum anderen ist hier allgemein das Verhältnis des Aufsichtsrechts zu § 91 Abs. 2100 bzw. der Generalklausel angesprochen. Denn es ist fraglich, ob auf ein wie auch immer ausgestaltetes Verbot der Bestandsgefährdung nach letzteren Vorschriften zurückgegriffen werden darf, wenn das Aufsichtsrecht diese Frage umfassend regelt. Der Rückgriff auf allgemeine Sorgfaltsmaßstäbe trotz des Vorliegens spezieller Vorschriften ist in der Diskussion um die Aufarbeitung der Finanzmarktkrise im Hinblick auf Geschäftsleiteruntreue ein Grundproblem und wird an Formulierungen wie, dass „im Rahmen der Prüfung der materiellen Vermögensfürsorgepflichten eines Bankiers ein materieller Gehalt (. . .) auch bei Umgehungskonstruktionen zu beachten ist“ 101, deutlich. Hinsichtlich der Umfassenheit aufsichtsrechtlicher Vorschriften sind neben den Vorschriften des KWG auch daran anschließende Normengefüge und deren Bedeutung für haftungsrechtliche Maßstäbe, wie insbesondere die MaRisk102 in die Untersuchung einzubeziehen.

D. Veränderte Blickrichtung: Entlastung von Geschäftsleitern durch Einhaltung aufsichtsrechtlicher Vorgaben? Die Finanzmarktkrise hat im gesellschaftsrechtlichen Schrifftum eine Diskussion darüber ausgelöst, ob die Einhaltung aufsichtsrechtlicher Vorschriften eine Pflichtverletzung und damit eine Haftung nach den einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Haftungsnormen ausschließen könnte103. Der übliche Fokus haftungsbegrenzender Erwägungen hatte zuvor darin gelegen, eine Pflichtverletzung nicht schon bei Verletzung jedweder (formalen) Außennorm zu bejahen104. Mit der Erweiterung aufsichtsrechtlicher Erfassung von Vorgängen steigt bei einer Übertra99 Denn insofern konkretisiert der relevante § 25a KWG den § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG, siehe ausführlich unten Dritter Teil: D.VI.2.b). 100 Die Vorschrift gilt analog für den GmbH-Geschäftsführer, Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35, Rn. 34. 101 Schünemann, Die sogenannte Finanzkrise, S. 71 (92). 102 Verwaltungsanweisungen der BaFin über die Mindestanforderungen an das Risikomanagement, veröffentlicht in Rundschreiben für die Ausgestaltung des Risikomanagements in deutschen Kreditinstituten. Sie wurden von der BaFin erstmals mit Rundschreiben 18/2005 vom 20. Dezember 2005 veröffentlicht und zuletzt am 15. Dezember 2010 durch das Rundschreiben 11/2010 (BA) geändert, siehe http://www.bafin.de/ cln_152/nn_721290/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Service/Rundschreiben/2010/ rs__1011__ba__marisk.html?__nnn=true (abgerufen am 7. Dezember 2011). 103 Siehe Böttcher, NZG 2009, 1049 (1051 f.); Schäfer/Zeller, BB 2009, 1706 (1710 f.); aus versicherungsaufsichtsrechtlicher Sicht Schaloske, VM 2008, 1521 (1522 f.); zuvor schon Preußner, NZG 2004, 57 ff. 104 Vgl. bereits oben bei Fn. 89 (Zweiter Teil) sowie MünchKommAktG/Spindler, § 93, Rn. 130.

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3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

gung ins Strafrecht die Haftungsgefahr105. Analog dazu waren aus strafrechtlicher Sicht die durch das Aufsichtsrecht beschriebenen Pflichten bzw. deren Verletzung lediglich als Indiz für eine Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht herangezogen worden106. Die lange vor der Krise von Fleischer gemachte Beobachtung, dass „das Wirtschaftsaufsichtsrecht in ausgewählten Bereichen das Gesellschaftsrecht überholt“ habe und „auf die (aktienrechtliche) Legalverfassung zurückwirkt“ 107, erlangt vor dem Hintergrund der Krise eine neue, besondere Bedeutung. Denn da im Zuge der Aufarbeitung von Geschäftsleiterverantwortung in bzw. vor der Finanzmarktkrise die Fragen des Eingehens bestandsgefährdender Risiken bzw. des Eingehens von sogenannten Klumpenrisiken von besonderer Relevanz sind, wird die von Fleischer ausgemachte „Schrittmacherrolle“ des Aufsichtsrechts hinsichtlich einer Haftung für das in Rede stehende Investitionsverhalten nunmehr als potenziell absicherndes Element erwogen108. Die Frage des Hineinwirkens branchenspezifischen Aufsichtsrechts in andere Rechtsbereiche, insbesondere sein Verhältnis zu den Generalklauseln des Gesellschaftsrechts und zum Strafrecht, ist allerdings nicht abschließend geklärt109. Im Allgemeinen und vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise im Besonderen bedürfen für eine Annäherung an eine Lösung der aufgeworfenen Fragen mehrere Aspekte der Beleuchtung: das allgemeine Verhältnis öffentlich-rechtlicher Anforderungen zu zivilrechtlichen Sorgfaltsmaßstäben, die Bedeutung „branchenspezifischen Unternehmensverhaltensrechts“ 110, und hierbei insbesondere die rechtliche Erfassung des Eingehens bestandsgefährdender Risiken vor dem Hintergrund branchenspezifischer Vorschriften über das Risikomanagement, die Bedeutung branchenüblichen Verhaltens bei der Frage der Einhaltung von Sorgfaltsstandards sowie Schutzzweckfragen, und letzteres sowohl in Bezug auf das Verhältnis von Aufsichtsrecht zu Gesellschaftsrecht als auch auf das Verhältnis von Gesellschaftsrecht zu Strafrecht. Im Folgenden wird der Versuch einer Konkretisierung der Geschäftsleitersorgfalt bezüglich des Risikomanagements vor dem Hintergrund des Handels mit strukturierten Wertpapieren und des Verhältnisses relevanter aufsichtsrechtlicher Vorschriften zu den Generalklauseln unternommen. Schon jetzt muss konstatiert werden, dass dabei die in der Diskussion um die Verantwortlichkeit von Bankexekutiven entscheidende Frage, ob der Zusammenbruch des Verbriefungsmarktes vorhersehbar gewesen ist, nicht wird beantwortet werden können. In recht105

Weber-Rey, AG 2012, 365 (369). BGHSt 47, 147 und 46, 30 zu § 18 KWG unter ausdrücklichem Hinweis darauf, dass die strafrechtlichen und aufsichtsrechtlichen Pflichten nicht deckungsgleich seien. 107 Fleischer, ZIP 2003, 1 (10). 108 Siehe die in Fn. 103 (Dritter Teil) Genannten. 109 Vgl. Böttcher, a. a. O. (1051); Dreher, ZGR 2010, 496 (501); Weber-Rey, ZGR 2010, 543 ff. 110 Vgl. Preußner, NZG 2004, 57 (59). 106

D. Entlastung von Geschäftsleitern durch aufsichtsrechtliche Vorgaben?

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licher Hinsicht bekommt man annäherungsweise eine Antwort durch Eruierung der Frage, ob branchenübliches Verhalten eine Sorgfaltspflichtverletzung ausschließen kann bzw., in der Abstraktion eine Stufe darüber, welche Rolle wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden für die rechtliche Einordnung von Geschäftsleiterverhalten spielen können111. Die individuelle Verantwortlichkeit kann jedoch grundsätzlich nur für den Einzelfall unter Kenntnis aller Einzelumstände beurteilt werden112. Ziel der folgenden Ausführungen ist deshalb die vom Einzelfall losgelöste Konkretisierung der Geschäftsleitersorgfalt beim Investment in subprime-Papiere.

I. Risikomanagement im Finanz- und Bankensektor 1. Value at risk Die klassische unternehmerische Entscheidung zeichnet sich dadurch aus, dass sie auf unvollkommener Information beruht. Die betriebs- und volkswirtschaftliche Notwendigkeit des Eingehens von Risiken ist in kaum einem Bereich so evident und anerkannt wie im Bereich der Finanz- bzw. Bankenwirtschaft113. Sie bedarf deshalb über andere Unternehmensbereiche hinaus einer rationalen Methode für das Eingehen einzelner und vor allem für die Kontrolle von Gesamtrisiken. Das Risikomanagement soll diese Rationalität herstellen114. Es soll gewährleisten, dass die insgesamt eingegangenen Risiken stets durch das Risikodeckungspotenzial des Unternehmens abgedeckt sind115. Wenn das Risikomanagement allgemein definiert wird als Ausschöpfung sämtlicher in einer Entscheidungssituation verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art und als Abschätzung der Vor- und Nachteile auf dieser Grundlage116, so ist darin in rechtlicher Hinsicht die entsprechende Voraussetzung des safe harbour beschrieben. Das Risikomanagement wird in der gesellschaftsrechtlichen Literatur entsprechend in einen Zusammenhang mit der Voraussetzung des Handelns auf angemessener Informationsgrundlage nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG gestellt117. Die Systeme zum Erfassen der zur Risikoeinschätzung nötigen Informationen sind in der Finanzbranche im Grundsatz differenzierter als in anderen Bran111 112 113

Vgl. Becker/Walla/Endert, WM 2010, 875 (880). Zutreffend Becker/Walla/Endert, a. a. O. (875). Vgl. nur Becker/Walla/Endert, a. a. O. (876): „schlechterdings nicht (anders) mög-

lich“. 114

Bräunig, a. a. O., S. 184. Becker/Walla/Endert, WM 2010, 875 (880). 116 Vgl. Bräunig, a. a. O. 117 Vgl. Böttcher, NZG 2009, 1047 (1049); Schäfer/Zeller, BB 2009, 1706 (1708): „wesentliches Element“; Preußner/Pananis, BKR 2004, 347 (352): „normative Ausfüllung des Begriffs der angemessenen Information“; vgl. auch Becker/Walla/Endert, WM 2010, 875 (880). 115

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3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

chen118. Banken und Finanzdienstleister stützen sich bei der Risikoüberwachung insbesondere auf mathematisch fundierte Risikomodelle, um die verschiedenen Risikopositionen Marktpreisrisiko, Adressenausfallrisiko, Liquiditätsrisiko und operationelles Risiko zu überwachen. Nach der gesetzlichen Definition in § 1 Abs. 13 Satz 1 KWG sind „Risikomodelle [. . .] zeitbezogene stochastische Darstellungen der Veränderungen von Marktkursen, -preisen oder -werten oder -zinssätzen und ihrer Auswirkungen auf den Marktwert einzelner Finanzinstrumente oder Gruppen von Finanzinstrumenten (potenzielle Risikobeträge) auf der Basis der Empfindlichkeit (Sensitivität) dieser Finanzinstrumente oder Finanzinstrumentsgruppen gegenüber Veränderungen der für sie maßgeblichen risikobestimmenden Faktoren.“ 119. Ein auf dieser Grundlage weit verbreitetes Modell war vor der Krise die Ermittlung des sogenannten value at risk zur Beurteilung und Steuerung von Gesamtrisiken120. Der value at risk bildet den Versuch, durch eine einzige Zahl das Gesamtrisiko eines Portfolios auszudrücken. Er ist ein absoluter monetärer Betrag und zugleich die Funktion zweier Parameter: des Zeithorizonts und des sogenannten Konfidenzniveaus121. Als Risikomaß gibt er an, welchen Wert der Verlust einer bestimmten Risikoposition bzw. eines Portfolios von Wertpapieren mit einer gegebenen Wahrscheinlichkeit, dem Konfidenzniveau, in einem gegebenen Zeitrahmen nicht überschreitet. Im Grundsatz wird dazu das bilanziell aktivierte Portfolio des Unternehmens bewertet und mögliche zukünftige Wertentwicklungen dargestellt. Innerhalb des value-at-risk-Ansatzes existieren verschiedene Modelle122. Eine während der Anfänge häufig verwendete Technik nutzte historische Kovarianzen zwischen Risikofaktoren, um zukünftige Auswirkungen auf ein Portfolio, das entsprechende Risikofaktoren aufweist, vorherzusagen123. Die Heranziehung historischer Daten war bereits vor der Krise in die Kritik geraten, wurde aber gleichwohl vielfach durchgeführt124. Deshalb verwendeten andere Methoden wie bspw. die sogenannte stochastische Simulation zur Simulation der Risikofaktoren keine tatsächlichen Ausprägungen der Vergangenheit auf Risikofaktoren, sondern nahmen als Basis eine geschätzte Verteilung zufällig generierter Ausprägungen125. Außer der Verteilungsannahme beinhaltet dieses Verfahren

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Schäfer/Zeller, a. a. O., 1706. Vgl. auch § 313 Abs. 2 SolvV. 120 Vgl. Schäfer/Zeller, a. a. O., 1706; ausführlich Marshall/Siegel, Value at Risk. 121 Hull, Options (6th edition 2005), S. 435 („time horizon and confidence level“). 122 Siehe auch die Grundeinteilung bei Hull, a. a. O.: „two main approaches . . . historical simulation and model building approach“. 123 Siehe das Beispiel bei Hull, a. a. O., S. 438; weit verbreitet war insofern das von J. P. Morgan entwickelte Programm RiskMetrics, vgl. Marshall/Siegel, a. a. O., S. 4 f. 124 Vgl. Becker/Walla/Endert, WM 2010, 875 (880) sowie Rudolph, zfbf 2008, 713 (727 f.). 125 Vgl. Holst/Holtkamp, BB 2000, 815 (817). 119

D. Entlastung von Geschäftsleitern durch aufsichtsrechtliche Vorgaben?

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keine weiteren kritischen Annahmen oder Vereinfachungen126. Value-at-risk-Modelle wurden primär für das Management von Marktrisiken entwickelt, aber auch in anderen Risikobereichen, insbesondere zur Messung von Kreditausfallrisiken bzw. Adressausfallrisiken, eingesetzt127. Beispiel: Bond Trader T, der für die Investmentbank I arbeitet, hält ein Kreditportfolio. Sein value at risk beträgt EUR 10 Mio. über einen Zeitraum von 100 Tagen mit einer Verlustwahrscheinlichkeit von 1 %. Das bedeutet, dass die Verlustobergrenze an einem beliebigen Tag innerhalb der 100-Tage-Periode überschritten werden kann. Am Tag 1 verliert das Portfolio EUR 6 Mio. in der Bilanz, am Tag 2 gewinnt es EUR 1 Mio. und am Tag 3 verliert das Portfolio weitere EUR 8 Mio. Hier hat sich die 1 %ige Wahrscheinlichkeit somit an Tag 3 realisiert, weil an diesem Tag ein Verlust von EUR 13 Mio. innerhalb der 100-Tage-Periode eingetreten ist.

Der value at risk enthält keinen Erwartungswert hinsichtlich der Höhe des tatsächlich eintretenden Verlustes, wenn der in praxi mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 % geschätzte Fall eintritt, dass der Verlusthöchstwert eben doch überschritten wird. Dieser Umstand wird im Anschluss an die Finanzmarktkrise kritisch gesehen128. Vorgeschlagen wurde schon vor der Krise ein conditional value at risk (CVaR), um auch Verluste, die außerhalb des Konfidenzniveaus liegen, zu erfassen129. Der CVaR beschreibt über den value at risk hinaus, wie hoch der durchschnittlich zu erwartende Verlust in einem ausgewählten Zeithorizont in dem Fall ist, in dem das Konfindenzniveau verlassen wird130. Der value-at-risk-Ansatz hat neben seiner weiten praktischen Verbreitung trotz der teilweise angenommenen Schwächen rechtliche Anerkennung erfahren. Er fand insbesondere in §§ 313 ff. SolvV131 als internes Risikomodell hinsichtlich der Eigenmittelanforderungen für Marktrisiken Verwendung132. § 313 SolvV gewährte ein Wahlrecht, das in der Praxis von den Instituten regelmäßig zugunsten von value-at-risk-Modellen ausgeübt wurde133, und legte allgemeine Modalitäten

126 Die Durchführung der stochastischen Simulation wird allerdings als deutlich aufwendiger beschrieben, siehe Holst/Holtkamp, a. a. O. Für manche Institute ist schon deshalb rechtens (gewesen), sich auf einfachere Modelle zu stützen, vgl. unten Dritter Teil: E.II. 127 Holst/Holtkamp, BB 2000, 815 (816). 128 Vgl. Becker/Walla/Endert, WM 2010, 875 (880) m.w. N. 129 Vgl. schon Hull, a. a. O., S. 436 f. unter Hinweis auf Vorarbeiten aus den 1990er Jahren („In spite of its weaknesses, VaR (not C-VaR) is the most popular measure of risk among both regulators and risk managers“). 130 Vgl. Hull, a. a. O., S. 437. 131 In dieser Arbeit wird die Verordnung in ihrer Fassung vom 14. Dezember 2006 zugrunde gelegt. 132 Zu internen Ratings bei der Bewertung von Adressrisiken nach SolvV und den Auswirkungen auf die Eigenkapitalanforderungen siehe Dritter Teil: C.II.1. 133 So Gaumert, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 313 SolvV, Rn. 18.

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3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

für die Erteilung einer Eignungsbestätigung fest134. § 314 SolvV regelte die Ermittlung des Anrechnungsbetrages auf der Basis der Ergebnisse der eigenen Risikomodelle. Die §§ 315 bis 317 SolvV legten die Kriterien fest, nach denen ein eigenes Risikomodell von der BaFin anerkannt werden konnte. § 315 SolvV sah das Zugrundelegen eines historischen Beobachtungszeitraums ausdrücklich vor. Als Wahrscheinlichkeitsniveau waren 99 % vorgeschrieben, die zugrundezulegende Mindesthaltedauer betrug 10 Tage. Die Bedeutung der Modelle ist für bei der Frage der Verantwortlichkeit Handelnder nach vielfacher Ansicht groß, denn es deutet einiges darauf hin, dass neben dem vielfach kritisierten Heranziehen externer Ratings das Sichverlassen auf die gängigen Modelle ein wichtiger Faktor für die in Rede stehenden Entwicklungen war135. Welche Bedeutung aufsichtsrechtliche Vorgaben zum Risikomanagement insgesamt für die „Erlaubtheit existenzgefährdender Maßnahmen“ haben können, wird zu klären sein. 2. Die einzelne Investmententscheidung in Abgrenzung zum Verlustrisikomanagement auf Unternehmensgesamtebene Abzugrenzen von Steuerung und Kontrolle der Gesamtrisiken ist die Sorgfaltsbewertung eines einzelnen Investments bzw. einer einzelnen Transaktion. Das Problem konkretisiert sich hier zunächst auf die Frage, ob die einzelne Transaktion wirtschaftlich sinnvoll ist. Dazu ist in einem Vergleich festzustellen, ob das zu erwerbende Papier eine risikoadäquate Verzinsung gewährleistet136. Bei der Einschätzung dieser Frage ist das Capital Asset Pricing Model (CAPM) das derzeit wichtigste Modell zur Feststellung risikogerechter Kapitalkosten137. Stehen danach, vereinfacht ausgedrückt, zwei Wertpapiere mit risikoadäquater Verzinsung, aber unterschiedlichem Verlustrisiko zur Wahl, ist die Risikoneigung des Investors entscheidend dafür, ob bspw. der Erwerb des risiko- und renditeträchtigeren Wertpapiers sorgfaltsgemäß ist. Daraus folgt, dass bei der Einzelentscheidung potenziell die Anweisung im Innenverhältnis zwischen Treugeber und Treunehmer, bspw. durch Beschreibungen in der Satzung oder in Richtlinien, 134 Nach Becker/Walla/Endert, WM 2010, 875 (880) haben ein Dutzend Banken in Deutschland die von ihnen für das Risikomanagement benutzten value-at-risk-Modelle im Rahmen von §§ 313 ff. SolvV durch die BaFin zertifizieren lassen. 135 Vgl. The Economist vom 22. Dezember 2007, S. 10: „Mathematical brilliance was supposed to model risk with precision, but the models evaporated along with the liquidity that they had failed to quantify.“ sowie die Aussagen von Edmund Phelps in der Financial Times vom 15. April 2009 und vom 3. November 2009: „. . . they had no sense of the fundamental inapplicability of the risk management models used . . .“, letzteren zitiert nach Vaubel, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 19 (22). 136 Becker/Walla/Endert, WM 2010, 875 (878). 137 So ausdrücklich OLG Düsseldorf, WM 2009, 2220; siehe dazu auch z. B. Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 305 AktG, Rn. 69.

D. Entlastung von Geschäftsleitern durch aufsichtsrechtliche Vorgaben?

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erhöhte Bedeutung erlangt138. Angesichts der Weite der in der Satzung verwendeten Formulierungen fällt die Anlagepolitik jedenfalls bei Privatbanken jedoch auch insofern in die alleinige Kompetenz der Geschäftsleitung139. Auch ob diese von zwei risikoadäquat verzinsten Wertpapieren das risikoträchtigere auswählt, stellt deshalb typischerweise eine unternehmerische Entscheidung dar, die im Anwendungsbereich des safe harbour liegt. Auf die Unternehmensgesamtebene transferiert zwingt der Grundsatz des wirtschaftlichen Handelns die Geschäftsleitung außerdem dazu, eine effizientes Portfolio zu halten, also ein Portfolio, das gegenüber anderen Portfolien bei gleichem Risiko mindestens die gleiche Rendite garantiert140. Deutlich geworden ist hiernach, dass hinsichtlich des einzelnen Investments und der Zusammenstellung des Portfolios die Gewinnerwartung bzw. die erlaubte Risikoneigung das das Geschäftsleiterermessen entscheidend einschränkende Element darstellt. Eine hohe Verlustwahrscheinlichkeit macht eine einzelne Transaktion je nach Anlagestrategie nicht automatisch sorgfaltswidrig. Auch für Transaktionen mittleren Umfangs kann das Risikomanagement als Prozess zwar eine Rolle spielen. In erster Linie ist es jedoch darauf ausgerichtet, das Verlustrisiko auf Unternehmensgesamtebene zu kontrollieren, wie auch anhand von § 91 Abs. 2 AktG deutlich wird. Das Risikomanagement betrifft demnach hauptsächlich die Existenz des Unternehmens als übergeordneter Kategorie. Entsprechend wurde die Größe des value at risk regelmäßig in erster Linie verwendet, um Gesamtverlusterwartungen zu beschreiben. Abweichend von der Bewertung einer einzelnen Transaktion, wird dabei der wirtschaftliche Wert der Chance bzw. die Renditeaussicht ignoriert.

II. Kategorischer Ausschluss einer abschließenden Determination gesellschaftsrechtlicher Sorgfaltsmaßstäbe durch öffentlich-rechtliche Standards? Gegen die Annahme, dass bankaufsichtsrechtliche Vorschriften gegenüber den Sorgfaltsgeneralklauseln eine abschließende Funktion einnehmen können, könnte zunächst die zum Deliktsrecht im Allgemeinen und der Produkthaftung im Besonderen bestehende These, dass öffentlich-rechtliche Anforderungen und Vorgaben das Maß zivilrechtlicher Sorgfalt nicht verbindlich und abschließend determinieren können141, sprechen. Aus dieser These wird nämlich im Zusammen138 Zur Risikopolitik im Innenverhältnis siehe aus strafrechtlicher Sicht ausführlich unten Vierter Teil: B. 139 Zu den Satzungsinhalten staatlich kontrollierter Banken siehe bereits Erster Teil: B.I.3.b)aa). 140 Becker/Walla/Endert, a. a. O. (879) mit weiteren Einzelheiten. 141 Vgl. MünchKommBGB/Wagner, § 823, Rn. 278 ff.

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3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

hang mit der Betrachtung von Geschäftsleiterverantwortung bezüglich des Verhaltens im Vorfeld der Finanzmarktkrise mit Blick auf das Bankaufsichtsrecht teilweise gefolgert, dass eine aktien- bzw. gesellschaftsrechtliche Haftungsentlastung aufgrund Einhaltung seiner Anforderungen grundsätzlich ausgeschlossen ist. Die Verantwortung für die erforderliche Sorgfalt lasse sich nicht an den Staat delegieren142. Ebenso wenig wie die Einhaltung aufsichtsrechtlicher Regelungen soll außerdem eine aufsichtsbehördliche Billigung bspw. der Verwendung eines bestimmten Risikomodells entlastend wirken können143. 1. Relevanz öffentlich-rechtlicher Sorgfaltsbeschreibungen für privatrechtliche Sorgfaltsmaßstäbe im Allgemeinen Trotz der Beobachtung, dass öffentliches Recht Privatrechtssubjekten in vielen Bereichen äußerst detaillierte Vorgaben macht, wird die Frage, „ob das Deliktsrecht sich (öffentliche-rechtliche) Standards zu eigen machen und den Verstoß gegen eine öffentlich-rechtliche Verhaltensnorm um eine privatrechtliche Haftungsnorm ergänzen oder ob es sich dazu indifferent stellen soll“, teilweise kategorisch in dem Sinne beantwortet, dass eine abschließende Determination durch das öffentliche Recht nicht möglich ist144. Das Postulat der Einheit der Rechtsordnung verlange keine Harmonisierung der Bewertungsmaßstäbe durch sämtliche Teilrechtsgebiete. In der Tat hat die zivilrechtliche Rechtsprechung sich durch öffentlich-rechtliche Verhaltensstandards im Ausgang nicht daran gehindert gesehen, den für den jeweils Beklagten geltenden Sorgfaltsmaßstab eigenständig und unabhängig zu bestimmen bzw. würdigen145. Eine Sichtweise, die eine abschließende Determination zivil- oder gesellschaftsrechtlicher Sorgfaltsmaßstäbe kategorisch ausschließt, sieht sich jedoch methodisch starken Zweifeln ausgesetzt und kann sich in dieser Absolutheit nicht auf Rechtsprechung und Lehre zum Verhältnis des Deliktsrechts zu öffentlich-rechtlichen Standards berufen. Denn, wie Rechtsprechung und Lehre in dieser Frage erkennen lassen, kann – ganz im Sinne allgemeiner Grundsätze und obiger Ausführungen zum Verhältnis der Sorgfaltsgeneralklauseln zum objektiven Untreuetatbestand – bei Beantwortung der Frage weder die Regelungsintention, noch der Umfang, in dem die öffentlich-rechtlichen 142

Schäfer/Zeller, a. a. O. (1710). Schäfer/Zeller, a. a. O. (1710); zustimmend Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 93. 144 MünchKommBGB/Wagner, § 823, Rn. 277 f. unter Berufung auf BGHZ 139, 43 (46 f.); 139, 79 (83) (jeweils das Sprengstoffgesetz betreffend); BGH NJW 1990, 1236 (1237) sowie auf Larenz/Canaris, Schuldrecht BT II/2, S. 416 und von Bar, JuS 1988, 169 (173). 145 Siehe Fn. 144 (Dritter Teil). 143

D. Entlastung von Geschäftsleitern durch aufsichtsrechtliche Vorgaben?

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Vorschriften Verhaltensanforderungen enthalten, außer Acht gelassen werden146. Die Rechtsprechung hat gesetzlichen Sicherungsvorschriften einen abschließenden Charakter vor allem abgesprochen, sofern der öffentlich-rechtlichen Vorschrift die Bestimmung zu ausreichend umfassender Regelung fehlte147. Dieser differenzierten Betrachtungsweise ist zuzustimmen, denn sie berücksichtigt zutreffenderweise die Einheit der Rechtsordnung, soweit der Gesetzgeber sie intendiert. Kategorische dogmatische Einwände gegen eine abschließende Wirkung wirtschaftsaufsichtsrechtlicher Vorschriften gegenüber gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsmaßstäben existieren deshalb weder aus Sicht der Rechtsprechung noch der Literatur. Freilich ist zu konzedieren, dass zivilrechtliche Sorgfaltsmaßstäbe in ihrer Zielsetzung regelmäßig umfassender sind als öffentlich-rechtliche Vorgaben148. Die Generalklauseln sind das Paradebeispiel einer gesetzgeberischen Antwort auf das Problem, der Detaillierung von Umfang und Ausgestaltung des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiterhandelns im Einzelfall durch die Beschreibung eines allgemeinen Maßstabs beikommen zu müssen149. Der Maßstab ist zudem deswegen als ein relativer ausgestaltet150, weil sich die Sorgfaltspflicht nicht absolut bestimmen lässt, sondern sich nach den jeweiligen Umständen wie Art und Größe des Unternehmens, wirtschaftlicher und finanzieller Lage, konjunkturellem Umfeld, Zeitverhältnissen, den besonderen Aufgaben des einzelnen Vorstandsmitglieds und der Bedeutung einer Maßnahme für das Unternehmen richtet151. Den ordentlichen Geschäftsleiter für alle Zwecke gibt es nicht152. Es soll also grundsätzlich gerade eine Frage des Einzelfalls sein, welche Verhaltensweisen die jeweils gegebene Situation erlaubt153. Die Anforderungen an die Annahme einer gesetzgeberischen Intention, die gesellschaftsrechtlichen Generalklauseln durch weitere Normen für einen Teilbereich erschöpfend zu regeln, sind somit grundsätzlich als hoch einzuschätzen. Auf der anderen Seite ist der Umfang der Regulierung für einzelne Tätigkeitsbereiche beträchtlich. Besonders 146 Vgl. Larenz/Canaris, a. a. O.; von Bar, a. a. O.; zurückhaltend auch Erman/Schiemann, BGB, § 823, Rn. 156; eindeutig offen für eine abschließende Determination Staudinger/Hager, BGB, § 823, Rn. E34. 147 BGHZ 139, 43, 46 f. 148 So ausdrücklich BGH NJW 1990, 1236 (1237); vgl. auch BGHZ 139, 43 (46 f.). Siehe auch MünchKommBGB/Wagner, § 823, Rn. 279: „Der Staat kann bei der Statuierung hoheitlicher Verhaltensstandards gar nicht anders, als einen relativ hohen Generalisierungsgrad zu wählen, denn der Versuch einer flächendeckenden und detailgenauen Reglementierung privaten Verhaltens würde entweder jede gesellschaftliche Aktivität erdrosseln oder der wirtschaftlich-technologischen Entwicklung ständig und unweigerlich hinterherhinken.“ 149 Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, AT, S. 54. 150 Hopt, in: GroßKommAktG, § 93, Rn. 79. 151 MünchKommAktG/Spindler, § 93, Rn. 24. 152 Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 68. 153 Vgl. OLG Jena, NZG 2001, 86 (87).

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3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

spricht es für eine Intention umfassender Regelung, wenn öffentlich-rechtliche Regulierung ihrerseits mit unbestimmten Rechtsbegriffen arbeitet und so den Eindruck eines ganzheitlichen Regelungsansatzes hinterlässt154. Hierauf wird mit Blick auf aufsichtsrechtliche Risikomanagementvorgaben besonders einzugehen sein. 2. Beispielsweise: DIN-Vorschriften und DCGK Im Aktienrecht wird die Konkretisierungswirkung von DIN-Normen denn auch ohne generelle Vorbehalte zu unterschiedlichen Aufgaben der jeweiligen Rechtsgebiete diskutiert. Die Tatsache, dass DIN-Normen in der Regel technische Sachverhalte betreffen, die empirisch überprüft werden können und für die sie Mindeststandards aufstellen, soll ihnen Konkretisierungseignung für Zivilund insbesondere auch das Vorstandsrecht zumessen155. Eine gewisse Sorge bereitet allenfalls bzw. im Gegenteil zu dem zuvor Gesagten gerade der Umfang der staatlichen Anerkennung, der aber für hinreichend erachtet wird156. Auch die Rechtsprechung zur Konkretisierungswirkung von DIN-Normen lässt kein kategorisches Verbot der Übernahme externer Standards in gesellschaftsrechtliche Sorgfaltsnormen erkennen. Sie hat deutlich gemacht, dass es keinen Bedenken begegnet, zur Feststellung von Inhalt und Umfang von Verkehrssicherungspflichten DIN-Normen heranzuziehen157. Auch wenn es sich bei DIN-Normen nicht um mit Drittwirkung versehene Normen im Sinne hoheitlicher Rechtsetzung, sondern um auf freiwillige Anwendung ausgerichtete Empfehlungen handele, so spiegelten sie doch den Stand der für die betroffenen Kreise geltenden anerkannten Regeln der Technik wider und seien somit zur Bestimmung des nach der Verkehrsauffassung zur Sicherheit Gebotenen in besonderer Weise geeignet158. Dabei werden jedoch entsprechend der Rechtsprechung zu öffentlichrechtlichen Rechtsnormen Zweck und Regelungsumfang der einzelnen DINNorm nicht außer Acht gelassen. Die Verkehrssicherungspflicht bleibt als selbständiger Sorgfaltsmaßstab ausdrücklich anerkannt159. Die Rechtsprechung hat aber zum Ausdruck gebracht, dass DIN-Bestimmungen theoretisch abschlie154

Siehe oben Dritter Teil: B. MünchKommAktG/Spindler, § 93, Rn. 31; Weber-Rey/Buckel, AG 2011, 845 (846 f.). 156 MünchKommAktG/Spindler, § 93, Rn. 31; Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 46; Weber-Rey/Buckel, AG 2011, 845 (846 f.): bei der Verabschiedung von DIN-Normen bestünden staatliche Einflussmöglichkeiten und es besteht ein Normungsvertrag zwischen DIN e. V. und dem Bund, sodass die DIN-Normen eine größere Legitimation genießen als die Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex (zu diesem sogleich). 157 BGHZ 103, 338 (341 f.). 158 BGH NJW 1980, 1219 (1221). 159 Vgl. BGH NJW 1997, 582 (583); BGH NJW-RR 2002, 525 (526). 155

D. Entlastung von Geschäftsleitern durch aufsichtsrechtliche Vorgaben?

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ßende Verhaltensanforderungen enthalten können160. Regelmäßig lässt sich der Rechtsprechung jedoch nichts dazu entnehmen, ob die Einhaltung einer DINNorm im Einzelfall einen Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht ausschließen kann. Gegenstand des Rechtsstreits war stets, ob die Nichteinhaltung einer DIN-Norm für sich genommen die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht begründen kann161. Auch aus der Rechtsprechung zu der Konkretisierungsleistung von DIN lässt sich mithin nicht ableiten, ob der Regelungsumfang konkretisierender Normen den Sorgfaltsmaßstab einer Generalklausel jemals abschließend erfassen kann bzw. können soll. In der Literatur wird eine Konkretisierungswirkung der DIN-Normen im Anschluss an die Rechtsprechung zwar bejaht, zu dieser konkreten Frage aber ebenfalls nicht abschließend Stellung bezogen162. Anerkannt wird eine Beweislastumkehr163 bzw. dass die DIN-Normen als standardisierte Erfahrungsgrundsätze zu einer Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises führen können164. Umstritten ist nach wie vor die Konkretisierung der Geschäftsleitersorgfalt durch den DCGK. Dem soll hier im Einzelnen nicht nachgegangen werden165. Der Kodex soll hier aber Erwähnung finden, weil sich überraschenderweise gerade in diesem Zusammenhang die ausdrückliche Erwägung findet, der Einhaltung seiner Bestimmungen abschließende Wirkung zuzugestehen166. Grundsätzlich dürfte indes eindeutig sein, dass sich aus einer unverbindlichen Empfehlung keine zwingenden Sorgfaltsmaßstäbe ableiten lassen, deren Nichtbeachtung zu einer zivil- oder strafrechtlichen Haftung führt. Denn aus einer Norm, die andere Verhaltensweisen als ebenso gut anerkennt, ergibt sich schlicht diese Funktion nicht167. Zuzustimmen ist deshalb der überwiegenden Auffassung, die eine Konkretisierungswirkung der DCGK-Empfehlungen neben dem Umstand, dass ihm die staatliche Legitimation fehlt, vor allem deswegen ablehnt, weil im Unterschied zu den DIN-Normen der Kodex lediglich – unverbindliche – normative 160 BGH NJW 2001, 2019 (2020): „Solche Bestimmungen enthalten im Allgemeinen keine abschließenden Verhaltensanforderungen . . .“ (Hervorhebung durch Verfasser). 161 Siehe Fn. 158 und 159 (Dritter Teil). 162 Vgl. MünchKommAktG/Spindler, § 93, Rn. 31; Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 46. 163 Vgl. Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 46 bezüglich der Empfehlungen des BMJ zur Konzernrechnungslegung nach § 342 HGB. 164 Weber-Rey/Buckel, AG 2011, 845 (846 f.); Spindler, in K.Schmidt/Lutter, AktG, § 161, Rn. 68. 165 Siehe MünchKommAktG/Spindler, § 93, Rn. 31 und Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 46 jeweils m.w. N. zum Meinungsstand; aus strafrechtlicher Sicht Schlösser/ Dörfler, wistra 2007, 326 ff. sowie im Einzelnen Michaelsen, a. a. O., der die Konkretisierungswirkung aber letztlich allein bezogen auf § 93 Abs. 1 AktG untersucht. 166 Schlösser/Dörfler, wistra 2007, 326 (331) mit Blick auf das strafrechtliche Schädigungsverbot; ablehnend Michaelsen, DCKG und Untreue, S. 337 („keine Vermutungswirkung“). 167 Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 803.

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3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

Aussagen treffen will, die einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht zugänglich sind168. Hier wird nicht einmal ein Mindeststandard beschrieben. 3. Zwischenergebnis Dass den Generalklauseln vorgelagerten und sie konkretisierenden öffentlichrechtlichen Normen gegenüber abschließende Wirkung zukommt, ist nach der zu den angesprochenen Bereichen existierenden Rechtsprechung und Literatur nicht kategorisch ausgeschlossen. Zutreffenderweise muss nach allgemeinen methodischen Grundsätzen geprüft werden, ob die öffentlich-rechtliche Norm einen vergleichbaren Zweck verfolgt wie die Generalklausel und in ihrem Regelungsumfang einen Teilbereich des Spektrums der Generalklausel dieser gegenüber abschließend erfassen soll. Gleichwohl finden sich bisher kaum Hinweise dazu, ob und für welche Regelungsbereiche die Einhaltung einer konkretisierenden Vorschrift eine Sorgfaltspflichtverletzung des Geschäftsleiters ausschließen kann. Angesichts des Sinn und Zwecks zivilrechtlicher Sorgfaltsmaßstäbe im Allgemeinen und der gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsgeneralklauseln im Besonderen, möglichst flexible Einschätzungen zu ermöglichen, mag dies nicht verwunderlich sein. Vor dem Hintergrund der Geschäftsleiterverantwortung für Handeln im Vorfeld der Finanzmarktkrise ist das Verhältnis des Bankaufsichtsrechts zur Sorgfaltsgeneralklausel aber in dieser Hinsicht von maßgeblicher Bedeutung. Nach Stimmen in der gesellschaftsrechtlichen Literatur kann eine Indizwirkung der Einhaltung von einschlägigen bankaufsichtsrechtlichen Vorschriften bei hinreichendem Regelungsumfang für das Gesellschaftsrecht nicht ausgeschlossen werden169. Diese müsste nach dem Grundsatz der limitierten Akzessorietät auch im Strafrecht Beachtung finden. Dies ist allerdings dogmatisch unklar und in der strafgerichtlichen Rechtsanwendung unsicher, weil die Frage, ob eine Indizwirkung im Einzelfall für die Einhaltung der Sorgfaltsgeneralklausel ausreicht, grundsätzlich Unsicherheiten birgt. Auch steht aus strafrechtlicher Sicht in Rechtsfragen der Grundsatz in dubio pro reo einer Verurteilung nicht entgegen. In Abwesenheit gesellschaftsrechtlicher Rechtsprechung zu dem Thema und im Angesicht der Mannesmann-Entscheidung ist aktuell von einiger (straf-)rechtlicher Unsicherheit auszugehen.

III. Juristische Rezeption betriebswirtschaftlicher Grundsätze im Bereich des Risikomanagements Die soeben erörterte Frage der Bedeutung von DIN für die zivilrechtliche Sorgfalt ist verwandt mit der Diskussion um die juristische Rezeption und Konkretisierungsleistung betriebswirtschaftlicher Standards, wie der Grundsätze ord168 169

Siehe die in Fn. 164 (Dritter Teil) Genannten. Schäfer/Zeller, a. a. O. (1710).

D. Entlastung von Geschäftsleitern durch aufsichtsrechtliche Vorgaben?

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nungsgemäßer Unternehmensleitung und ordnungsgemäßer Unternehmensplanung, für die Geschäftsleitersorgfalt170. Sie ist vor dem Hintergrund der vorliegenden Untersuchung auch von Relevanz für aufsichtsrechtliche Vorgaben zur Verwendung wirtschaftwissenschaftlich anerkannter Risikomodelle. Allgemein ergeben sich bei juristischer Rezeption fachspezifischer Standards vor allem verfassungsrechtliche Probleme171. Die tendenziell ablehnende Haltung der h. M. gegenüber einer Maßstabskonkretisierung der Geschäftsleitersorgfalt durch bestimmte Managementsysteme gründet zudem in der Unklarheit darüber, ob es in der Betriebswirtschaftslehre überhaupt anerkannte, praxisbewährte Prinzipen gibt sowie darin, dass die notwendige Unternehmensorganisation erheblich durch die besonderen Umstände des Unternehmens, etwa seine Marktposition, bedingt ist172. Sie liegt damit auf einer Linie mit den Erwägungen für die Einführung eines generellen Sorgfaltsmaßstabs einerseits und des safe harbour andererseits. Gleichwohl besteht seit geraumer Zeit kein Zweifel daran, dass das Gesellschaftsrecht für die Bestimmung der Geschäftsleitersorgfalt grundsätzlich auf die Betriebswirtschaft zurückgreifen muss, weshalb auch für diesen Bereich versucht wurde, die Grenzen der Rezeption auszuloten173. Wie bereits erörtert, ist insbesondere der value-at-risk-Ansatz rechtlich aufgegriffen worden, sodass verfassungsrechtliche Probleme insoweit ausscheiden. Bei der SolvV handelt es sich um eine Bundesverordnung, weshalb von einer hinreichenden verfassungsrechtlichen Legitimation auszugehen ist. Auch bei § 25a KWG als Ausgangsnorm für Kreditinstitute bestehen in verfassungsrechtlicher Hinsicht keinerlei Zweifel. Im Allgemeinen handelt es bei Risikomodellen um technische Standards im Sinne der DIN, sodass hier nach h. M. wohl nur eine Beweislastumkehr in Frage kommt. Auch lässt insbesondere § 25a KWG ganz allgemein selbst offen, welche Maßnahmen im Einzelnen ausreichend für ein ordnungsgemäßes Risikomanagement sind. Die Frage, welches Restrisiko bei der Verwendung eines betriebswirtschaftlich anerkannten Verfahrens hinnehmbar ist, bleibt insofern damit scheinbar auch hier dem Rechtsanwender überlassen174. Die etwaige Entlastungswirkung seiner Vorgaben, insbesondere unter Berücksichtigung der ergänzenden Vorschriften der MaRisk, ist deshalb gesondert zu untersuchen. 170 Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 50; umfassend Hommelhoff/Schwab, zfbf Sonderheft 1996, 149 ff. 171 Hommelhoff/Schwab, zfbf Sonderheft 1996, 149 (150), siehe zur Rezeption der DIN-Normen schon oben Fn. 156 (Dritter Teil). 172 Vgl. Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 50; MünchKommAktG/Spindler, § 93, Rn. 29. 173 Vgl. Hommelhoff/Schwab, a. a. O. (152). 174 Vgl. Hommelhoff/Schwab, a. a. O. (169): Der Rechtsanwender habe letztlich zu entscheiden: „Wie sicher ist sicher genug?“. Fraglich ist, welche Rolle die MaRisk im Rahmen von § 25a KWG insofern spielen können.

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3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

Insgesamt ist aus rechtspolitischer Sicht hier die Frage angesprochen, ob mit der Ausweitung der Regulierung Erhöhung der Rechtssicherheit einhergehen muss.

IV. Aufsichtliche Billigung und die vernünftige Annahme, auf angemessener Informationsgrundlage zu handeln Eine eingangs ebenfalls angedeutete Frage ist, ob die aufsichtsbehördliche Billigung eines bestimmten Verhaltens einen Verstoß gegen die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters ausschließen kann. Sie lässt sich dann einfach beantworten, wenn eine konkrete öffentlich-rechtliche Befreiung die Haftung der Gesellschaft und damit die Haftung der Geschäftsleitung von Rechts wegen ausschließt, so wie dies nach früherem Recht bspw. bei der Befreiung von der Veröffentlichungspflicht nach § 15 WpHG oder bei Antragsverfahren nach GWB der Fall war. Auf den in der Literatur teilweise entstandenen Eindruck der Tendenz, zuvor installierte öffentlich-rechtliche Befreiungssysteme zu entfernen, sodass die Verantwortung auf die im Anwendungsbereich der Regelungssysteme liegenden Gesellschaften, respektive deren Geschäftsleitung, verlagert wird, wurde bereits hingewiesen175. Dass es allein darauf ankommt, ob eine Haftungsbefreiung durch behördliche Billigung in dieser ausdrücklichen Weise vom Gesetzgeber intendiert ist, ist nicht ganz unzweifelhaft. Dies insbesondere dann, wenn Bereiche mit einem hohen Grad an Verrechtlichung bzw. Regelungssysteme mit einem ganzheitlichen Ansatz betroffen sind, aber auch dann, wenn, wie dies gerade im Falle der Bankenaufsicht häufig der Fall ist, durch Rundschreiben konkrete Fragestellungen aufgegriffen und beantwortet werden. Wie erwähnt, wird die entlastende Wirkung behördlicher Billigung speziell für Verhalten, das zu den erheblichen Schwierigkeiten deutscher Banken geführt hat, abgelehnt176. Die Rechtslage ist hier allerdings unklar. Für den Bereich des Risikomanagements scheint nach der besagten Auffassung eine Befreiungswirkung insofern ausgeschlossen zu sein, als es sich bspw. bei den MaRisk technisch lediglich um § 25a KWG norminterpretierende Verwaltungsvorschriften handelt und die MaRisk die Gesamtverantwortung für das Risikomanagement eindeutig der Geschäftsleitung zuweisen177. Je nach Einordnung einer Vorschrift innerhalb des Tatbestandes der gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsgeneralklausel und Ausgestaltung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben könnte eine rechtliche bzw. behördliche Billigung dazu führen, dass Maßnahmen im Risikomanagement als Informationsgrundlage anzusehen sind, von deren Angemessenheit der Geschäftsleiter vernünftigerweise ausgehen durfte. 175 176 177

Erster Teil: B.I.2.a)cc)(2). Fn. 143 (Dritter Teil). Vgl. Wimmer, BKR 2006, 146 (148 f.).

D. Entlastung von Geschäftsleitern durch aufsichtsrechtliche Vorgaben?

135

V. Modernes Bankaufsichtsrecht und seine Bedeutung für das Gesellschaftsrecht Vor dem Hintergrund voriger Ausführungen zur Bedeutung öffentlich-rechtlicher Vorgaben und wissenschaftlicher Standards für die Geschäftsleitersorgfalt in Rechtsprechung und Literatur ist nun die Entwicklung des Aufsichtsrechts und der heutigen Auseinandersetzung mit seiner Bedeutung für das Gesellschaftsrecht zu betrachten. Hier ist zu konstatieren, dass in Fortführung der Diskussion um die Auswirkungen des öffentlichen Rechts auf die Unternehmensorganisation178 allgemein, das Aufsichtsrecht betreffend eine mögliche Ausstrahlung auf die gesellschaftsrechtliche Legalverfassung schon seit einiger Zeit eine Sonderstellung einnimmt179. Die Berührungspunkte zwischen Aufsichtsrecht und Aktienrecht wurden durch die Finanzmarktkrise aus den bereits aufgezeigten Gründen noch einmal besonders herausgestellt180: Das Investment in strukturierte Wertpapiere unter Ausnutzung von „Schlupflöchern“ in Bilanz- und Eigenkapitalvorschriften hat den Blick auf den Bereich des Risikomanagements als Ansatzpunkt für Verhaltensverantwortlichkeit gelenkt, welcher schon vor der Krise stark reguliert war. Dabei ist das Bankaufsichtsrecht stärker als aufsichtsrechtliche Bereiche von Impulsen geprägt und geformt worden, mit denen man auf vorangegangene Entwicklungen reagiert und zuvor vorherrschende Überzeugungen „abgeschafft“ hat181. Wie teilweise bereits ausgeführt, regelt das Bankaufsichtsrecht u. a. eine Erlaubnispflicht, Einlagensicherungssysteme182, Eigenkapitalanforderungen, Liquiditätsanforderungen, Kreditbegrenzungen, Konsolidierungspflichten, Berichtspflichten und eine laufende Aufsicht durch die BaFin und die Deutsche Bundesbank, Jahresabschlussprüfungen und schließlich das Recht der BaFin, bei Gefahr einer Insolvenz eines Kreditinstituts bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, vgl. bspw. §§ 45 ff. KWG. Das KWG regelt insbesondere auch Anforderungen an die Zuverlässigkeit und Eignung der Geschäftsleiter und deren Organisationspflichten einschließlich der Einrichtung eines Risikomanagements183. Wenn nach der Finanzmarktkrise über die unzureichende Regulierung im Bankensektor diskutiert wird184, wirkt angesichts des Vorangegangenen die Aussage,

178 Siehe Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 15 ff. und zum Verhältnis der zivilrechtlichen Haftung zur öffentlich-rechtlichen Regulierung S. 1039 ff. 179 Spätestens seit dem Hinweis von Fleischer, siehe Fn. 107 (Dritter Teil). 180 Siehe auch Weber-Rey, ZGR 2010, 543 mit der Begründung, diese Berührungspunkte seien durch den erkennbar gewordenden Einfluss des Finanzsektors auf die Realwirtschaft besonders deutlich geworden. 181 Vgl. Weber-Rey, a. a. O. (548). 182 Nach der Finanzmarktkrise eingerichtet, vgl. Weber-Rey, a. a. O. (547). 183 Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, Einf. Rn. 71 ff. 184 Sinn, a. a. O., S. 151 ff.; Spindler, AG 2010, 601 (602 f.) sowie bereits Dritter Teil: C.II.

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3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

dass die „Anbindung privatrechtlicher Sorgfaltsstandards an öffentlich-rechtliche Verhaltensnormen das öffentliche Recht überfordern und dem Staat eine Aufgabe zuschieben (würde), die sinnvoll nicht erfüllt werden kann bzw. aus ordnungspolitischen Gründen auch nicht erfüllt werden sollte185 “ für den Bereich des Bankaufsichtsrechts unzeitgemäß. Durch Wirtschaftskrisen ausgelöster gesellschafts- und rechtspolitischer Wandel ist indes nicht das Thema dieser Arbeit186, allerdings kann er hier auch nicht gänzlich außer Acht gelassen werden, etwa der Illusion folgend, das Recht sei, wenn es denn wolle, immer zuerst vor Ort und schaffe die Fakten. Für das Aufsichtsrecht und besonders für das Bankaufsichtsrecht bzw. Finanzaufsichtsrecht gilt dies weniger als für die meisten anderen Rechtsbereiche. Es reagiert und detailliert seit jeher in großem Ausmaß mit Auswirkung auch auf das Gesellschaftsrecht. Andererseits resultiert aus der Reaktion als Grundmuster der Gesetzgebung tendenziell das Fehlen eines ganzheitlichen Ansatzes187. Diese Eigenschaften des Aufsichtsrechts sind als Ausgangspunkt für die Beurteilung seiner Konkretisierungs- bzw. „Strahlkraft“ 188 für das Gesellschaftsrecht allgemein und die gesellschaftsrechtliche Geschäftsleitersorgfalt im Besonderen im Hinterkopf zu behalten. Die Diskussion um eine mögliche „Schrittmacherrolle“ des Aufsichtsrechts ist jedenfalls inzwischen gar bei der Frage angekommen, ob das Bankaufsichtsrecht in Form des § 25a KWG Ausstrahlungswirkung auch auf Gesellschaften außerhalb seines Anwendungsbereichs, also auch auf andere (Aktien-)Gesellschaften als Institute im Sinne des KGW haben kann189. Diese Frage soll im Folgenden außer Acht gelassen werden, jedoch nicht ohne erwähnt zu haben, dass eine Klärung dieser Frage im Gesellschaftsrecht entsprechende strafrechtliche Auswirkungen zeitigen kann. Untersucht werden soll im Folgenden nur eine mögliche abschließende Wirkung bankaufsichtlichsrechtlicher Regulierung für die Bestimmung der Geschäftsleitersorgfalt innerhalb ihres Anwendungsbereichs und vor dem Hintergrund des Ankaufs von sogenannten subprime-Papieren.

185 MünchKommBGB/Wagner, § 823, Rn. 279, dort heißt es weiter: „Wer einer Anbindung zivilrechtlicher Standards an diejenigen des öffentlichen Sicherheitsrechts das Wort redet, der zwingt den Staat zu umso intensiveren Bemühungen um die Regulierung privaten Verhaltens. Andersherum gewendet: Deregulierung und Stärkung der Privatrechtsgesellschaft sind nur zu haben, wenn das Privatrecht seine eigenen Ordnungsaufgaben auch erkennt und in originärer Verantwortung ausfüllt.“ 186 Siehe in strafrechtlicher Hinsicht aber den Fünften Teil. 187 Vgl. Weber-Rey, a. a. O. (552). 188 Vgl. Dreher, ZGR 2010, 496 (497). 189 Siehe bspw. Bürkle vor Einführung des § 64a VAG zur Anwendbarkeit des § 25a KWG auf Versicherungsunternehmen sowie Weber-Rey, a. a. O. und Dreher, a. a. O.

D. Entlastung von Geschäftsleitern durch aufsichtsrechtliche Vorgaben?

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VI. Zur abschließenden Funktion bankaufsichtsrechtlicher Risikomanagementvorschriften gegenüber den Sorgfaltsgeneralklauseln des Gesellschaftsrechts 1. Das Verhältnis von § 91 Abs. 2 zu § 93 Abs. 1 AktG Für eine Bewertung des Verhältnisses des Aufsichtsrechts zur aktienrechtlichen Legalverfassung bzw. zu den Sorgfaltsgeneralklauseln ist zunächst das Verhältnis des § 91 Abs. 2 zu § 93 Abs. 1 AktG als wichtigstes Beispiel für die Ausgestaltung eines gesellschaftsrechtlichen Pflichtensystems für Geschäftsleiter kurz zu erörtern. Nach h. M. stellt § 91 Abs. 2 AktG eine nicht abschließende Konkretisierung der Generalklausel dar190. Da § 91 Abs. 2 AktG nur einen Teil der allgemeinen Leitungsaufgabe nach § 76 AktG präzisiert, ist nicht ausgeschlossen, dass sich aus der Generalklausel weiterreichende Organisationspflichten ergeben191. Damit ist allerdings eine mögliche abschließende Wirkung des § 91 Abs. 2 gegenüber § 93 Abs. 1 AktG für bestimmte Regelungsbereiche nicht ausgeschlossen, denn hinsichtlich der Einrichtung von Frühwarn- und Risikoüberwachungssystemen zur Erkennung bestandsgefährdender Entwicklungen ist erstere Vorschrift die gegenüber der Generalklausel speziellere. Dabei sind es insbesondere auch Geschäfte mit Derivaten, die schon vom Gesetzgeber des KonTraG als potenziell bestandsgefährdend angesehen wurden192. Aus den §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 AktG können sich allenfalls zusätzliche, d.h. außerhalb des Anwendungsbereichs von § 91 liegende Organisationspflichten ergeben193. Einen solchen Organisationsbereich, der nicht nur die bestandsgefährdenden Entwicklungen im Auge hat, stellt bspw. die Compliance-Organisation dar194. Innerhalb des Anwendungsbereichs der Vorschrift können dagegen weiterreichende Pflichten nur in spezialgesetzlichen Regelungen gründen195. 2. Das Verhältnis von § 25a KWG zu den gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsanforderungen Als das Risikomanagement in Instituten im Sinne des KWG betreffende Vorschrift ist an dieser Stelle § 25a KWG besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Die Vorschrift wird in der Diskussion um Geschäftsleiterhaftung im Rahmen des 190 Vgl. MünchKommAktG/Spindler, § 91, Rn. 3, 17 und bereits oben Erster Teil: B.I.3.c). 191 Bereits Regbegr. BT-Drucks. 13/9712, S. 11, 15. 192 BT-Drucks. 13/9712, S. 15. 193 Spindler/Stilz-Fleischer, § 91, Rn. 1. 194 MünchKommAktG/Spindler, § 91, Rn. 17. 195 Vgl. Schnabel/Lücke, in: Beck’sches Mandatshandbuch Vorstand, § 6, Rn. 101; Mosiek, wistra 2003, 370 (371).

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3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

Ankaufs von subprime-Papieren an erster Stelle genannt, wenn es darum geht, ob die Einhaltung aufsichtsrechtlicher Vorgaben haftungsbefreiende Wirkung haben kann196. Konkret geht es um die Frage, ob hier ein allgemeines aktien- oder strafrechtliches Verbot der Bestandsgefährdung eine Pflichtverletzung begründen kann bzw., ob und in welchem Umfang ein Geschäftsleiter, der die Anforderungen des § 25a KWG einhält, sich bezüglich einer Haftung aus § 93 AktG bzw. § 266 StGB in einem sicheren Hafen befinden kann. Nach herrschender Auffassung stellt die Vorschrift des § 25a KWG eine Konkretisierung des § 91 Abs. 2 AktG dar197. Wie schon im Verhältnis des § 91 Abs. 2 zu § 93 Abs. 1 AktG erklärt auch hier die Gesetzesbegründung, dass sich weitere Pflichten einmal aus § 91 Abs. 2 AktG sowie dem „Postulat ordnungsgemäßer Geschäftsführung“ ergeben können. Auch die allgemeine Pflicht aus § 93 AktG ist also wieder in Bezug genommen. Wie bereits erwähnt, ist damit nicht im Grundsatz ausgeschlossen, dass das Gesetz innerhalb seines Anwendungsbereiches abschließende Vorgaben machen soll. Die Gesetzesbegründung zieht diese Annahme in Zweifel. Auch die Konzeption der Norm als Beschreibung von Mindestanforderungen in diesem Zusammenhang problematisch. Diese Fragen ist im Folgenden nachzugehen198. a) Überblick über den Regelungsinhalt von § 25a KWG § 25a KWG wurde durch die 6. KWG-Novelle199 eingeführt und schreibt bestimmte organisatorische Pflichten für Kreditinstitute fest, die Teil der Grundsätze einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung sind. Verantwortlich für die Einhaltung der Pflichten ist nach §§ 25a Abs. 1 Satz 2, 1 Abs. 2 Satz 1 KWG die Geschäftsleitung. Sie muss die notwendigen Maßnahmen ergreifen, damit die Anforderungen eingehalten werden. § 6 Abs. 3 KWG erlaubt der BaFin, nähere Anordnungen zur Ausgestaltung der organisatorischen Pflichten zu erlassen. Wird dagegen verstoßen, kann die BaFin Zwangsmaßnahmen ergreifen, welche die Abberufung eines Geschäftsleiters nach § 36 Abs. 2 KWG oder den Widerruf der Erlaubnis des Instituts zum Geschäftsbetrieb nach § 35 KWG umfassen.

196

Siehe Schäfer/Zeller, BB 2009, 1706 (1709). Siehe nur Hüffer, § 91, Rn. 8; Spindler/Stilz-Fleischer, § 91, Rn. 42. 198 Wiederum notwendig ist an dieser der Hinweis auf den unablässlichen Verzicht auf eine einzelfallbezogene und detaillierte Untersuchung. Im Rahmen der folgenden Ausführungen können nicht sämtliche Facetten der zu beachtenden Bereiche innerhalb des Risikomanagements nach § 25a KWG Beachtung finden. Die ist losgelöst von einem konkreten Sachverhalt auch nicht sinnvoll. Es soll vielmehr allgemein untersucht werden, welche Bedeutung die Norm für das Gesellschaftsrecht und in der Folge für das Strafrecht hat. 199 Sechstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen vom 28. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2518). 197

D. Entlastung von Geschäftsleitern durch aufsichtsrechtliche Vorgaben?

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Nach § 25a Abs. 1 Satz 1 KWG müssen die Institute über eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation verfügen. Neben der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erwähnt Satz 1 die Gewährleistung der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten, denen die Organisation gerecht werden muss. Die Vorschrift regelt nicht, ob und wie einzelne gesetzliche Bestimmungen umzusetzen sind. Die Anforderungen betreffen die Organisation200; nur hierauf bezieht sich die Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung201. Die Vorschrift macht jedoch auch keine Vorgaben hinsichtlich der Ausgestaltung der Organisation. Besondere Bedeutung sowohl innerhalb der Vorschrift als auch für das Folgende hat insofern die Vorgabe zur Einrichtung eines angemessenen und wirksamen Risikomanagements nach § 25a Abs. 1 Satz 3 KWG, der in seinen Nummern 1 bis 4 die wesentlichen Bestandteile des Risikomanagements aufzählt. Wie die Organisation im Einzelnen ausgestaltet wird und wie die qualitativen Anforderungen umgesetzt werden, bleibt wiederum grundsätzlich dem Institut überlassen202. Nach § 25a Abs. 1 S. 4 KWG hängt die Ausgestaltung des Risikomanagements von Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Geschäftstätigkeit ab. Wie § 25a Abs. 1 S. 3 KWG deutlich macht, ist aus gesetzgeberischer Sicht ein angemessenes und wirksames Risikomanagement der wesentliche Bestandteil einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation. Das Risikomanagement wird in der Vorschrift als Oberbegriff verwendet und hat insbesondere folgende Bestandteile203: • Geschäftsstrategien und Risikostrategien basierend auf einem Risikotragfähigkeitskonzept, • Einrichtung interner Kontrollverfahren mit einem internen Kontrollsystem und einer internen Revision, wobei das interne Kontrollsystem insbesondere umfasst: – Aufbau- und ablauforganisatorische Regelungen mit klar abgegrenzten Verantwortungsbereichen, – Prozesse zur Identifizierung, Beurteilung, Steuerung sowie Überwachung und Kommunikation der Risiken. Ausgangspunkt des Risikomanagements ist danach die Bestimmung der Risikotragfähigkeit. Die wesentlichen Risiken des Instituts müssen durch das Risikodeckungspotenzial laufend abgedeckt sein. Dieses muss alle gegenwärtigen Risiken abdecken. Nur wenn die Risiken durch die Risikodeckungspotenziale jeder-

200 201 202 203

Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a, Rn. 12. Braun, a. a. O., Rn. 2, 15. Braun, a. a. O., Rn. 12. Vgl. Braun, a. a. O., Rn. 14.

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3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

zeit abgedeckt sind, ist die Risikotragfähigkeit gegeben204. Das Risikosteuerungsund Risikocontrollingsystem setzt auf der Risikotragfähigkeit auf 205. b) § 25a KWG im System der Generalklausel Wie erkennbar geworden ist, enthält die Vorschrift wenig materielle Ansatzpunkte. Sie enthält fast ausschließlich Anforderungen in Bezug auf die Einrichtung einer Organisation. Auch insoweit gibt sie jedoch keine konkreten Verfahren vor. In Bezug auf das Risikomanagement findet sich die unbestimmte inhaltliche Vorgabe, dass dieses angemessen und wirksam sein muss. Diese Struktur der Vorschrift stimmt mit abstrakten Definitionen des Risikomanagements überein und führt in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht dazu, dass sie innerhalb des Sorgfaltsmaßstabs anknüpft an die safe-harbour-Voraussetzung des Handelns auf angemessener Informationsgrundlage nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG206. Teilweise wird dagegen unter Berufung auf das Legalitätsprinzip ein Verstoß gegen KWG-Vorschriften im Sinne einer strengen Akzessorietät mit einer Verletzung des gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsmaßstabs gleichgesetzt207. Der Hinweis, dies sei aufgrund der Konkretheit des etwaigen Normenverstoßes angemessen208, erscheint dabei unscharf. Über die Frage, ob der Verstoß gegen eine von der Geschäftsleitung zu beachtende Vorschrift aufgrund eines konkreten Verstoßes gegen die Norm eine Verletzung im Sinne der Sorgfaltsgeneralklausel darstellt, dürfte aus zweierlei Gründen verfehlt sein. Zum einen wird die Konkretheit des Verstoßes mit der Nähe des Regelungsinhalts zur haftungsrelevanten Sorgfaltspflicht im Sinne einer Schutzzweck- bzw. Ergebnisrelevanz verwechselt209. Indem die Verletzung von KWG-Vorschriften pauschal mit einer gesellschaftsrechtlichen Pflichtverletzung gleichgesetzt wird, wird zum anderen die Dogmatik des § 93 AktG außer Acht gelassen, in dessen Rahmen die Frage, welchen Charakter eine aufsichtsrechtliche Norm hat, ob sie nämlich bezogen auf die Haftung des Geschäftsleiters in erster Linie das Verfahren der Entscheidungsfindung be204

Braun, a. a. O., Rn. 88. Braun, a. a. O., Rn. 89. 206 Vgl. Dritter Teil: D.I.1. und die dort in Fn. 117 Genannten. 207 Blasche, WM 2011, 343 (347), der dann im Rahmen der Kausalitätsprüfung Schutzzweckerwägungen im Rahmen einer objektiven Zurechnung anstellt. Es erscheint jedoch, wie zum Verhältnis der Sorgfaltsgeneralklauseln zum Untreuetatbestand ausgeführt, sachgerecht, zwischen dem grundsätzlichen Fremdvermögensbezug bzw. der Ergebnisrelevanz einer Norm und dem Schutzzweckzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden zu unterscheiden; siehe sogleich. 208 Blasche, a. a. O. wohl auch vor dem Hintergrund der Annahme, dass die Entscheidungsfindung keine unternehmerische Entscheidung darstellen kann, vgl. ders., a. a. O. (346). 209 Siehe sogleich unter c). 205

D. Entlastung von Geschäftsleitern durch aufsichtsrechtliche Vorgaben?

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trifft oder materielle Vorgaben macht, ebenfalls eine Rolle spielt. Die Dogmatik des § 93 Abs. 1 AktG gibt vor, dass auch die Voraussetzungen des safe harbour, insbesondere das Handeln auf angemessener Informationsgrundlage, der Konkretisierung durch weitere Vorschriften unterliegt210. Demnach ist eine Norm grundsätzlich danach einzuordnen, ob sie das Ermitteln der ausreichenden Informationsgrundlage betrifft, wie dies für § 25a KWG von der überwiegenden Auffassung angenommen wird. Insofern besteht kein oder weniger Spielraum211. Dieses System kann nicht umgangen werden, indem man unter Berufung auf das Legalitätsprinzip bei einem Verstoß gegen eine in erster Linie das Verfahren der Entscheidungsfindung betreffende Norm kategorisch einen Verstoß gegen Geschäftsleitersorgfalt annimmt, denn so würden die Voraussetzungen des safe harbour, insbesondere die Eigenständigkeit des entire fairness test, entleert212. Anderenfalls müsste man sich auf den Standpunkt stellen, § 25a KWG enthalte mit den Begriffen der Wirksamkeit und Angemessenheit in rechtlicher Hinsicht ausreichend konkrete materielle Vorgaben. Nach dem Sinn und Zweck des safe harbour ist dies abzulehnen. Die Unterscheidung zwischen „konkreten Normenverstößen“ und einer „allgemeinen Nichtbeachtung der Anforderungen an die Tatsachengrundlage“ 213 führt nicht weiter. Eine andere Frage ist, ob im Falle der Feststellung, dass die Informationsgrundlage nicht ausreichend war, eine Pflichtverletzung regelmäßig anzunehmen ist214. Diese Vermutung liegt mangels anderweitiger Bewertungsmöglichkeiten bei der Regelung komplexer Sachverhalte durch prozeduralisierte Vorgaben prinzipiell nahe; jedenfalls erleichtert sie in praktischer Hinsicht die Feststellung der Pflichtwidrigkeit – eine aus strafrechtlicher Sicht problematische Annahme, auf die zurückzukommen sein wird. Für den Fall der Bejahung einer Relevanz für die Generalklausel dürfte somit der wohl überwiegenden Einschätzung zuzustimmen sein, dass die Norm die Angemessenheit der Informationsgrundlage betrifft. Insbesondere reichen hinsichtlich des Risikomanagements die Vorgaben der Angemessenheit und Wirksamkeit nicht aus, um hier von vorneherein einen entire fairness test anzulegen, da sie unbestimmte Rechtsbegriffe darstellen. c) § 25a KWG und limitierte Akzessorietät gegenüber der Generalklausel Bei der Frage, wie sich Aufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht zueinander verhalten, geht es praktisch immer um die auch hier angesprochene Frage der Aus-

210

Siehe oben Dritter Teil: B. Ausgehend davon, dass die Auswahl der Tatsachengrundlage selbst eine unternehmerische Entscheidung darstellt. 212 Lediglich zweifelnd Böttcher, NZG 2009, 1047 (1052). 213 Blasche, a. a. O. 214 So MünchKommAktG/Spindler, § 93, Rn. 65. 211

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legung der Sorgfaltsanforderungen der betreffenden Organmitglieder215. Eine grundsätzliche Bedeutung von § 25a KWG für den gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsmaßstab ist innerhalb seines Anwendungsbereiches allgemein anerkannt216. Ganz allgemein lässt sich heute ein Zusammenhang zwischen öffentlich-rechtlichen Organisationspflichten und gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltspflichten nach heute h. A. wohl kaum noch verneinen217. Insofern wird auch nicht auf eine allgemeine Schrittmacherrolle oder Ausstrahlungswirkung verwiesen, sondern der Bezug zur Sorgfaltsnorm wird, entgegen der teilweisen Bedenken gegen die Ausweitung des Legalitätsprinzips, jedenfalls im Ansatz ganz allgemein aus der Legalitätspflicht abgeleitet218. Die Rechtsprechung hat § 25a KWG seit der Krise mehrfach für die Bestimmung des sorgfaltsgemäßen Verhaltens der Geschäftsleitung herangezogen219. Obwohl auf aufsichtsrechtliche und aufsichtliche Risikomanagementvorgaben im Rahmen der Geschäftsleitersorgfalt im Allgemeinen zurückgegriffen wird, sind Überlegungen dazu, ob für diesen Bereich eine Spezialität in Form erschöpfender Regelung anzunehmen ist, eher selten anzutreffen. Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, ob eine negative Akzessorietät der Vorschrift des § 25a KWG gegenüber der Generalklausel begründbar ist220. Ebenso wie beim Verhältnis der Generaklauseln zu § 266 StGB kommt für das Verhältnis des Aufsichtsrechts zum Aktienrecht eine schrankenbildende Funktion des Aufsichtsrechts in Betracht221. Zutreffenderweise ist auch hier die Beurteilung, ob eine negative Akzessorietät gegeben ist als eine Frage der Normenhierarchie und Spezialität zu betrachten222. Es ist kein Grund ersichtlich, diese methodischen Grundsätze im Verhältnis des Aktienrechts zum Aufsichtsrecht

215 Vgl. Steffen, Diskussionsbericht Ausstrahlungen des Aufsichtsrechts auf das Aktienrecht, ZGR 2010, 591 (592). 216 Siehe nur Hüffer, § 91, Rn. 8. 217 So Preußner, NZG 2004, 57 (59). 218 Vgl. Schäfer/Zeller, BB 2009, 1706 (1710); Armbrüster, VersR 2009, 1293 (1294) zu § 64a VAG; Schaloske, VW 2008, 1521 (1522), ebenfalls zu § 64a VAG; siehe auch Fleischer/Schmolke, ZHR 173 (2009), 649 (680) zu §§ 13 ff. KWG. 219 Siehe zuletzt OLG Düsseldorf, AG 2010, 126 (129); OLG Frankfurt, AG 2008, 453 (454) tendenziell im Sinne einer abschließenden Funktion für das Gesellschaftsrecht; OLG Celle, WM 2008, 1745 (1746), dort zugleich gegen eine Anwendung auf andere Gesellschaften als Kreditinstitute. Für eine branchenübergreifende, einheitliche Anwendung dagegen bereits VG Frankfurt WM 2004, 2157 ff. (sog. Bruderhilfeurteil); siehe auch schon LG Berlin, AG 2002, 682 (683 f.) zu einer Kündigung des Anstellungsvertrages nach § 626 BGB. 220 Unter weiterer Außerachtlassung einer möglichen Ausstrahlungswirkung der Vorschrift auf Gesellschaften außerhalb ihres Anwendungsbereiches. 221 So Dreher, ZGR 2010, 496 (503) zu einer möglichen negativen Ausstrahlungswirkung jenseits von lex-specialis-Sachverhalten. 222 In dieser Deutlichkeit soweit ersichtlich allein Dreher, a. a. O. (502).

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nicht anzuwenden223. Etwaige Probleme hinsichtlich der Schutzzweckdivergenz werden nach allgemeinen methodischen Grundsätzen vom Begriff der Spezialität umfasst224. Teilweise findet sich die ausdrückliche Ansicht, dass, soweit das Aufsichtsrecht Aktiengesellschaften erfasst, das Aktienrecht durch das Aufsichtsrecht als speziellerem Recht insgesamt überlagert wird225. Auch wird § 25a KWG konkret als Spezialvorschrift zu §§ 91 Abs. 2, 93 AktG beschrieben226. Diese Annahmen sind nicht unzweifelhaft. Die Einordnung als Spezialnorm leuchtet grundsätzlich ein, denn § 25a KWG macht hinsichtlich der Geschäftsorganisation im Allgemeinen und dem Risikomanagement im Besonderen sowohl in seiner aktuellen Fassung als auch in den vorangegangenen Fassungen, wie gesehen, zweifellos die gegenüber §§ 91 Abs. 2, 93 AktG inhaltlich weitergehenden Vorgaben227. Dies wird aufgrund der erweiterten Pflichtenbeschreibungen teilweise als Haftungsverschärfung wahrgenommen228. Nach anderer Ansicht hat die Vorschrift trotz einer konkretisierenden Eigenschaft keine abschließende Funktion gegenüber den aktienrechtlichen Sorgfaltsmaßstäben229. Speziell im Hinblick auf die Vorgänge im Vorfeld der Krise leben die Bedenken hinsichtlich der unterschiedlichen Schutzrichtungen des Aufsichtsrechts und einer gesellschaftsrechtlichen Norm, die primär das Innenverhältnis der Aktiengesellschaft betrifft und bezüglich der Intention einer erschöpfenden Regelung, wieder auf 230. Die gesetzgeberische Intention einer umfassenden Regelung des Risikomanagements ist 223

Vgl. Dreher, a. a. O. (532). Vgl. Zweiter Teil: B.IV.3.a). 225 Dreher, a. a. O. (502); Bürkle, in: Bürkle, Compliance, § 1, Rn. 131; Weber-Rey, AG 2008, 345 (358): „. . . ist das VAG ebenso wie das KWG lex specialis zu den generelleren Vorschriften des Aktiengesetzes“ (Hervorhebung im Original); Armbrüster, a. a. O. (1295) zu § 64a VAG: „Gegenüber § 64a VAG hat diese (aktienrechtliche) Pflicht keine eigenständige Bedeutung, da die Sorgfaltsanforderungen in jener Spezialregelung für den Bereich der Geschäftsorganisation umfassend konkretisiert worden sind.“ (Hervorhebung durch Verfasser), wohl auch Kiethe, BKR 2005, 177 (180). 226 Armbrüster, a. a. O. (1295); Bürkle, WM 2005, 1496 (1498 und 1499). 227 Allg. Meinung: Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a, Rn. 8; Schäfer/Zeller, BB 2009, 1706 (1710); Schaloske, VW 2008, 1521 (1524) zu 64a VAG, der § 25a KWG nachempfunden sei; Böttcher, NZG 2009, 1047 (1051); siehe auch schon Bürkle, WM 2005, 1496 (1498); Spindler/Schmidtke, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 217 (227). 228 Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a, Rn. 8; Schäfer/Zeller, BB 2009, 1706 (1710); Schaloske, VW 2008, 1521 (1524) zu 64a VAG, der § 25a KWG nachempfunden sei; Böttcher, NZG 2009, 1047 (1051); vgl. dagegen OLG Frankfurt, AG 2008, 453 (454): „Zur konkreten Ausgestaltung der erforderlichen organisatorischen Strukturen und Maßnahmen ist weder in den §§ 92 Abs. 2, 91 Abs. 2 AktG noch in den §§ 18 und 25a KWG etwas geregelt“. 229 Schäfer/Zeller, BB 2009, 1706 (1708 f.). 230 Schäfer/Zeller, BB 2009, 1706 (1710); vgl. auch Böttcher, NZG 2009, 1047 (1051). 224

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besonders zweifelhaft. Für die Beantwortung der Frage der Geschäftsleiterhaftung aufgrund des Investments in subprime-Papiere ist beiden Fragen hier nachzugehen. aa) Schutzzweckgesichtspunkte (1) Bezug zum Vermögen des Treugebers Nach ganz h. A. ist der Zweck des KWG in seiner heute geltenden Fassung entsprechend § 6 Abs. 3 KWG und § 4 Abs. 4 FinDAG gerade nicht, das Kreditinstitut als Treugeber bzw. Vermögensinhaber zu schützen. Geschützt werden soll vielmehr das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Bankensystem und die dieses Vertrauen bedingende Funktionsfähigkeit des Kreditmarktes. Damit sind allenfalls die Vermögensinteressen der Allgemeinheit angesprochen, nicht aber die des Treugebers, also des Institutes selbst231. Insbesondere § 4 Abs. 4 FinDAG stellt klar, dass der Schutzzweck der Aufsicht das öffentliche Interesse ist232. Wenngleich die Legalitätspflicht nach wohl herrschender Auffassung eigentlich einen ausreichenden Bezug zum Innenverhältnis herstellt, ist in der Konsequenz der abweichende Zweck aufsichtsrechtlicher Vorgaben bei der Konkretisierung gesellschaftsrechtlicher Sorgfaltsmaßstäbe in der Literatur ausführlicher diskutiert worden. Diese Diskussion hat sich im Rahmen der Beschäftigung mit dem Erwerb von subprime-Papieren intensiviert233. Soweit aufgrund der unterschiedlichen Schutzzwecke von Aufsichtsrecht und gesellschaftsrechtlicher Haftungsnorm Bedenken gegen die verbindliche Konkretisierung durch die aufsichtsrechtliche Vorschrift bestehen, wurden diese auf unterschiedliche Weise auszuräumen versucht. Preußner hatte die Relevanz von Risikomanagementvorschriften des KWG für den aktienrechtlichen Sorgfaltsmaßstab anknüpfend an die prognostizierte Schrittmacherrolle zunächst aus einer „sanktionellen Überholung“ geschlossen, wobei er aus dem faktischen Einfluss der Sanktionsdrohungen für das Institut und den Geschäftsleiter selbst letztlich eine unmittelbare Bedeutung für § 93 Abs. 1 herleitet und damit vom Faktischen auf das Normative schließt234. Wie häufig, entsteht auch im Falle des Risikomanagements in Kreditinstituten der Einfluss auf die Geschäftsleitersorgfalt aus möglichen Eingriffsmaßnahmen der Aufsicht bei Nichteinhaltung der organisatorischen Vorgaben235. Nach §§ 33 Abs. 1 Nr. 7, 35 Abs. 2 Nr. 3 KWG kann die BaFin die Erlaubnis zum Betreiben widerrufen, wenn „das Institut nicht bereit 231 Vgl. Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, Einf. Rn. 61 ff., Martin, Bankuntreue, S. 140 ff. 232 Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, Einf. Rn. 67. 233 Siehe die in Fn. 218 (Dritter Teil) Genannten. 234 Vgl. Preußner, NZG 2004, 57 (59) sowie Preußner/Pananis, BKR 2004, 347 (348). 235 Preußner, a. a. O.; siehe auch bereits Erster Teil: B.I.2.a)cc)(2).

D. Entlastung von Geschäftsleitern durch aufsichtsrechtliche Vorgaben?

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oder in der Lage ist, die erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen zum ordnungsmäßigen Betreiben der Geschäfte, für die es die Erlaubnis beantragt, zu schaffen“. Unter diesen Voraussetzungen kann die BaFin, wie erläutert, nach § 36 Abs. 1 KWG außerdem die Abberufung der verantwortlichen Geschäftsleiter verlangen. Eine parallele Herleitung liegt in der Erwartung, dass Geschäftsleiter die Geschäftsorganisation an den Vorgaben des Aufsichtsrechts ausrichten werden und diese tatsächliche Übung auf längere Sicht dazu führen kann, dass die Einhaltung jener Vorgaben als ein Branchenstandard einzuordnen ist, mit der Folge, dass sachlich nicht begründbare Abweichungen eine Pflichtverletzung darstellen236. Berufen können sich diese Ansichten in empirischer Hinsicht auf die essentielle Bedeutung der MaRisk in der Praxis der Institute237. Auch der Gesetzgeber selbst geht hinsichtlich § 25a KWG nicht davon aus, dass allein aufgrund dessen öffentlich-rechtlichen Charakters eine konkretisierende Funktion hinsichtlich der gesellschaftsrechtlichen Geschäftsleitersorgfalt ausgeschlossen ist. Der ausdrückliche Hinweis in der Begründung zum Finanzkonglomeraterichtlinie-Umsetzungsgesetz, dass sich über die Vorgaben des § 25a KWG hinaus weitere Organisationspflichten aus § 91 AktG ergeben können238 impliziert, dass die aufsichtsrechtlichen Organsationspflichten die Geschäftsleitersorgfalt beeinflussen können. Strafrechtlichen Argumentationsmustern vergleichbar239 finden sich auch Ansätze, Bedenken hinsichtlich einer Zweckdivergenz über das Schadenserfordernis in § 93 Abs. 2 AktG auszuräumen und somit zur Herstellung einer ausreichenden Relevanz das Pflichtverletzungsmerkmal mit dem Schadenserfordernis gewissermaßen zu „verschleifen“, um sodann aus dem schutzzweckrelevanten Schadensereignis auf eine schutzzweckrelevante Pflichtverletzung rückzuschließen240. Hiergegen werden teilweise Bedenken geltend gemacht241. Diese Räson ist es

236 So Armbrüster, VersR 2009, 1293 (1297) zu § 64a VAG; in diesem Sinne auch Fleischer/Schmolke, ZHR 173 (2009), 649 (680); keinerlei Bedenken wegen der unterschiedlichen Zweckrichtungen dagegen bei Blasche, WM 2011, 343 (347); unklar Weber-Rey, AG 2008, 345 (358), die lex-specialis-Konstellation mit der Frage der Ausstrahlungswirkung vermengend. 237 Vgl. Steffens, Diskussionsbericht Ausstrahlungen des Aufsichtsrechts auf das Aktienrecht, ZGR 2010, 591 (594) und den dortigen Hinweis, die MaRisk dürften nicht „verniedlicht werden“. 238 Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der Richtlinie 2002/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2002 (Finanzkonglomeraterichtlinie-Umsetzungsgesetz) vom 12. August 2004, BT-Drucks. 15/3641, S. 47. 239 Siehe dazu unter Vierter Teil: A.VII. 240 Armbrüster, a. a. O. (1294): „. . . entsteht der Gesellschaft hierdurch ein Schaden, so führt dies ungeachtet der aufsichtsrechtlichen Natur dieser Pflicht zu einem Schadensersatzanspruch gem. § 93 Abs. 2 S. 1 i.V. m. Abs. 1 S. 1 AktG“. 241 Siehe die Bedenken hinsichtlich der unterschiedlichen Zwecke bei Schaloske, VW 2008, 1521 (1523 f.), der für eine Einzelfallbetrachtung plädiert, ohne insofern

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3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

letztlich auch, die der h. M. zur Übertragung externer Pflichten in das Innenverhältnis bei der Legalitätspflicht zugrunde liegt242. Festhalten lässt sich, dass trotz des abweichenden Schutzzwecks der Vorschrift § 25a KWG jedenfalls in haftungsausweitender Hinsicht im Rahmen der Sorgfaltsgeneralklausel sowohl von Rechtsprechung als auch Literatur herangezogen wird. (2) Insbesondere: Ergebnisrelevanz Neben der „Umlenkung“ des Zwecks der externen Vorschrift auf das Innenverhältnis dient der soeben angesprochene Rückschluss zudem auch der Herstellung der Nähe zu einem Vermögensschaden. Im Zusammenhang mit § 25a KWG das Problem der Ergebnisrelevanz fassen Ansätze auf, die eine Pflichtverletzung aufgrund der Legalitätspflicht stets bejahen und Begrenzungen sodann in der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden vornehmen243. Über den Hinweis auf ein mögliches rechtmäßiges Alternativverhalten nähern sie sich der objektiven Zurechnung und darüber auch der Frage der Haftungsrelevanz von Verfahrens- und Organisationspflichten244. In der Tat hat bei Verfahrens- und Organisationspflichten die Frage des rechtmäßigen Alternativverhaltens grundsätzlich eine besondere Relevanz245. Die Rechtsprechung lässt den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens grundsätzlich zu246. Die Tendenz innerhalb der allgemeinen Dogmatik bspw. zu § 93 AktG geht jedoch für Verfahrenspflichten dahin, dass ein Berufen auf rechtmäßiges Alternativverhalten ausgeschlossen ist, gerade weil die Verfahrenspflicht sonst in ihrem Zweck beeinträchtigt würde247. Das Bankaufsichtsrecht hat allgemein aufgrund seiner die gesamte Branche betreffenden Zwecke automatisch eine geringere haftungs- und strafrechtliche Ergebnisrelevanz. Das gilt gerade für den Bereich des Risikomanagements und wird an den Vorgaben des § 25a KWG besonders deutlich. allerdings Entscheidungskriterien an die Hand zu geben; bereits Fleischer, ZIP 2003, 1 (10) hatte auf die unterschiedliche aufsichtsrechtliche Zwecksetzung hingewiesen. 242 Vgl. nochmals Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 24; vgl. dagegen MünchKommAktG/Spindler, § 93, Rn. 130, der bei einem Rückgriff hinsichtlich des Normverstoßes mit Blick auf die von § 93 AktG allein geschützten wirtschaftlichen Interessen der AG differenzieren will. Grundsätzlich seien Verstöße gegen Normen, die nicht dem Schutz der AG dienen, unerheblich; anderes gelte aber unter dem Aspekt der Einheit des Rechtsordnung: auch bei Verstößen gegen Allgemeininteressen von erheblicher Bedeutung müsse ein Rückgriff möglich sein. 243 Schäfer/Zeller, BB 2009, 1706 (1710); Blasche, WM 2011, 343 (347 f.). 244 Der konkrete Bezug zum Schutzzweck fehlt bei Schäfer/Zeller a. a. O. 245 Vgl. Fleischer, NJW 2009, 2337 (2339). 246 BGHZ 152, 280 (287); BGH NZG 2008, 314 247 Vgl. Hopt, in: GroßKommAktG, § 93, Rn. 267; ihm zustimmend Blasche für die Zustimmung des Aufsichtrates nach § 15 KWG und die Nichteinholung des Votums des „Bereichs Marktfolge“ in § 25a KWG, a. a. O. (348) m.w. N.

D. Entlastung von Geschäftsleitern durch aufsichtsrechtliche Vorgaben?

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Im Ergebnis ist nach wohl überwiegender Auffassung eine Relevanz von Verstößen gegen bankaufsichtsrechtliche Vorschriften für eine gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung gegeben. Zutreffenderweise sind Schutzzweck- und Ergebnisrelevanz einer Vorschrift aber bereits im Ausgang zu prüfen und nicht erst im Rahmen der Kausalität bzw. des Schutzzweckzusammenhangs248. (3) Zwischenergebnis Die überwiegende Auffassung zweifelt für ihren Anwendungsbereich also entweder überhaupt nicht an der gesellschaftsrechtlichen Relevanz der Vorschrift oder räumt Schutzzweckbedenken mittels einer faktischen Herleitung oder mittels eines Rückschlusses vom Schaden der Gesellschaft auf die Pflichtwidrigkeit aus. Letzteres Vorgehen ist bedenklich, weil hier die Gefahr eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Spezialität besteht. Auch die übrigen Begründungen sind nicht frei von Zweifeln, stoßen sie sich doch gerade im Rahmen der Diskussion um die Aufarbeitung der Finanzmarktkrise an der Forderung, bei der Prüfung, ob eine Pflichtverletzung vorliegt, auf die Erforderlichkeit und nicht die Üblichkeit abzustellen249. Im Hinblick auf den öffentlichen Zweck der Vorschrift erscheint die Annahme der h. M. aber im Ergebnis sachgerecht, soweit die in Rede stehende Generalklausel, anders, als dies allgemein für § 266 StGB und insbesondere vor dem Hintergrund der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angenommen wird, auch gläubigerschützende Funktion hat und somit eine gesetzlich festgeschriebene Teilübereinstimmung mit aufsichtsrechtlichen Zwecken besteht. Aus strafrechtlicher Sicht ist die Anwendung des § 25a KWG ohne Anwendung der Generalklausel als „Durchlaufnorm“ problematisch. Darauf wird noch ausführlich einzugehen sein. bb) Intention der umfassenden Regelung des Risikomanagements (1) Gesetzgeberischer Wille nach der Gesetzesbegründung Der öffentliche Zweck der Vorschrift steht einer negativen Akzessorietät danach grundsätzlich nicht im Wege. Insofern muss die angenommene Schutzzweckübereinstimmung auch zugunsten des Haftungsadressaten gelten. Mit Blick auf die Intention einer abschließenden Regelung ist jedoch fraglich, ob der zuvor genannte gesetzgeberische Hinweis nicht ein Hindernis für die Annahme einer abschließenden Regelung darstellt250. Dies zunächst deshalb, weil der Gesetzgeber des Finanzkonglomerate-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes in sei248 249 250

Siehe nochmals Fn. 207 (Dritter Teil). Spindler/Stilz-Fleischer, AktG § 93, Rn. 93. Siehe auch Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a, Rn. 1.

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3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

ner Begründung neben dem KWG ausdrücklich einige Gesetze aufzählt, deren Einhaltung im Rahmen der ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation nach § 25a KWG Abs. 1 Satz 1 KWG sicherzustellen ist251, wobei das Gesellschaftsrecht ausgespart bleibt. Gewissermaßen bestätigend findet sich in der Literatur die Interpretation der Aufzählung als einer auf den Schutzbereich des Bank- und Finanzdienstleistungsrecht beschränkten252. Da der Gesetzgeber die Aufzählung andererseits nicht als abschließend bezeichnet253, bietet er jedoch auch Raum für die Annahme, dass die Vorgaben des § 25a KWG jedenfalls für die Organisation des Risikomanagements eine umfassende Regelung darstellen soll. Innerhalb des KWG selbst sind für die Einhaltung der Vorschrift insbesondere die Eigenmittelanforderungen des § 10 inklusive seiner Konkretisierungen durch die SolvV, die Liquiditätsanforderungen des § 11 und die Einhaltung der Vorschriften über Großkredite nach §§ 13 ff. relevant.254 Der letztendlich vom Gesetzgeber in den Blick genommene Umfang der Regelungsmaterie scheint jedenfalls nicht gegen eine abschließende Funktion gegenüber den gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsmaßstäben zu streiten. Der gesetzgeberische Wille tritt insgesamt nicht völlig deutlich hervor. Es kann aber festgehalten werden, dass die Gesetzesbegründung ein Spezialitätsverhältnis jedenfalls nicht offensichtlich ausschließt, soweit der Regelungsumfang betroffen ist. (2) § 25a KWG zwischen anlassorientierter Detailliertheit und gesamtkonzeptioneller Prägung Ein Rückgriff auf das Gesellschaftsrecht hinsichtlich der Anforderungen an ein Überwachungssystem, mit dem den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen kontrolliert werden, scheint darüber hinaus nicht ausgeschlossen, weil § 25a KWG zur Einrichtung des Risikomanagements keine konkreten Vorgaben macht255. Obwohl die Anforderungen der Vorschrift deutlich über die aktienrechtlichen Vorgaben hinausgehen, ist die Ausgestaltung der Pflichten zur Risikoeinschätzung in § 25a KWG letztlich ebenso wenig geregelt, wie in § 91 Abs. 2 AktG selbst256. Nach zu den Generalklauseln im Allgemeinen vorfindlichen Stimmen spricht dies zwar grundsätzlich für einen ganzheitlichen Ansatz gegenüber der Generalklausel257. Speziell bezogen auf § 25a KWG hat es indes

251

Fn. 238 (Dritter Teil). Braun, a. a. O., Rn. 29. 253 A. a. O.: „Die von den Instituten einzuhaltenden gesetzlichen Bestimmungen sind in erster Linie die einschlägigen aufsichtsrechtlichen Gesetze . . .“. 254 Braun, a. a. O., Rn. 30 f. 255 Oben a). 256 So auch OLG Frankfurt, AG 2008, 453 (454). 257 Bereits oben B. 252

D. Entlastung von Geschäftsleitern durch aufsichtsrechtliche Vorgaben?

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die Einschätzung hervorgerufen, es handele sich aus aufsichtsrechtlicher Sicht um bloße Mindestanforderungen258. Teilweise wird die Regelungssituation mit Blick auf das Verhältnis zur Generalklausel ausdrücklich als Widerspruch beklagt259. In der Tat scheint die Vorschrift in gewisser Weise die „Bipolarität“ des Aufsichtsrechts auszudrücken. So wurde § 25a KWG durch das Finanzkonglomeraterichtlinie-Umsetzungsgesetz an aktuelle Entwicklungen angepasst, was insbesondere für die Vorschriften zum Risikomanagement gilt260. Darin kommt die Eigenschaft des Aufsichtsrechts reagierendem Recht zum Ausdruck, das eine anlassorientierte Detailliertheit aufweist, deswegen ganzheitliche Konzepte vermissen lässt. Wie § 25a Abs. 1 Satz 4 KWG deutlich macht, ist die Unbestimmheit der qualitativen Anforderungen an das Risikomanagement und die Allgemeinheit der Formulierungen hinsichtlich der Organisationseinrichtung andererseits ein bewusstes Zugeständnis an die Vielfältigkeit der Institute in Art und Umfang des betriebenen Geschäfts. Dies deutet auf den Anspruch der Allumfassenheit der Vorschrift hin. Aus Gründen der Rechtssicherheit in gesellschafts- und strafrechtlicher Hinsicht ist eine Klarstellung wünschenswert, ob die Vorschrift nun als zu ergänzendes Stückwerk oder als ganzheitliche Regelung gegenüber der gesellschaftsrechtlichen Legalverfassung zu begreifen ist. Dies gilt grundsätzlich für ein direktes Verhältnis von § 25a KWG zu § 266 StGB, denn, wie gesehen, hat der Spezialitätsgrundsatz über das Akzessorietätsprinzip auch in letzterem Verhältnis Bedeutung. Abgesehen von der offenbar allgemeinen Ansicht, dass die Vorschrift insgesamt einen Einfluss auf gesellschaftrechtliche Sorgfaltsmaßstäbe hat, ist nach dem Bisherigen nach wie vor unklar, ob sie insofern eine abschließende Funktion einnimmt. (3) Die Bedeutung der MaRisk Eine entscheidende Bedeutung für eine Lösung kommt der Interpretation der MaRisk zu. Der Grad ihrer Verbindlichkeit und ihre Ausgestaltung sind entscheidend für die Bewertung der Bedeutung der aufsichtsrechtlichen Risikomanagementvorgaben für die gesellschaftsrechtliche und strafrechtliche Geschäftsleitersorgfalt. Von Relevanz sind hier der Detailgrad der Vorgaben in den Rundschreiben, sowie ob hier zusammen mit der Vorschrift des § 25a KWG ein umfassendes Regelungskonzept vorgelegt wird.

258

Bürkle, WM 2005, 1496 (1499); Braun, a. a. O., Rn. 1. Böttcher, NZG 2009, 1049 (1051); vgl. auch Schaloske, VW 2008, 1521 (1524), der einerseits die Ausführlichkeit der Regelung gegenüber dem Aktienrecht, andererseits aber auch auf die Unbestimmtheit hinweist. 260 Braun, a. a. O., Rn. 4. 259

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(a) Eigenschaft als normenkonkretisierende Verwaltungsvorschriften In den MaRisk stellt die BaFin ihre Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe in § 25a KWG dar. Nach herkömmlicher Auffassung handelt es sich bei den MaRisk um norminterpretierende Verwaltungsvorschriften im Sinne von Art. 84 Abs. 2 GG, die allein die Rechtsauffassung der BaFin wiedergeben und denen, abgesehen von den verfassungsrechtlichen Grundsätzen über die Selbstbindung der Verwaltung, keine Rechtsverbindlichkeit zukommt, d.h. insbesondere nicht gegenüber den beaufsichtigten Unternehmen selbst261. Sie reihen sich damit ein in das System mittelbar verpflichtender Regelungssätze, von denen im Aufsichtsrecht national und international aus Gründen der Kosteneffizienz, schnellen Einführbarkeit und Flexibilität gegenüber klassischen legislativen Instrumenten immer häufiger Gebrauch gemacht wird262. Inwiefern die MaRisk nicht doch eine Außenwirkung entfalten, ist durchaus nicht unumstritten. Auch hier findet sich der Schluss vom Faktischen auf das Normative mit eben der gleichen Begründung wie zur Überbrückung der Schutzzweckdivergenz zwischen Aufsichtsrecht und Aktienrecht allgemein. Die drohenden verwaltungsrechtlichen Sanktionen könnten zu einer faktischen Verpflichtung für die Institute und Geschäftsleiter führen263. Das OLG Frankfurt hat auf der Linie eines auf faktischer Übung beruhenden Branchenstandards im Zusammenhang mit der Prüfung eines Anspruchs aus § 93 Abs. 2 AktG die zum relevanten Zeitpunkt geltenden MaK264 als Sorgfaltsmaßstab grundsätzlich heranziehen wollen265. Teilweise werden die MaRisk auch ohne die in ihrer Rechtsnatur begründeten Zweifel als allgemeine Sorgfaltsanforderungen i. S. d. §§ 91 Abs. 2 AktG, 93 Abs. 1 AktG betrachtet266. Wie schon zum KWG steht dies auch hier grundsätzlich in Widerspruch zum Zweck der Regelungen, welcher mit dem des KWG identisch ist267. Die Rechtslage ist auch insofern unklar. Im Vordringen befindlich scheint aber zumindest die Ansicht zu sein, dass der Geschäftsleiter bei Nichteinhaltung der Vorgaben der MaRisk sorgfaltswidrig handelt, weil dem Institut anderenfalls aufsichtliche Sanktionen drohen. Es werden also letztlich 261

Siehe nur Weber-Rey, ZGR 2010, 543 (556) m.w. N. Vgl. Weber-Rey, ZGR 2010, 543 (555). 263 Weber-Rey, ZGR 2010, 543 (556 f.) m.w. N.; Armbrüster, VersR 2009, 1293 (1297). 264 Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft der Kreditinstitute; Rundschreiben 34/2002 (BA) der BaFin vom 20. Dezember 2002, abgelöst durch die MaRisk. 265 OLG Frankfurt, AG 2008, 453 (454); das Gericht sieht dann aber davon ab, weil nach seiner Ansicht zum entscheidenden Zeitpunkt noch kein branchenüblicher Standard, gründend auf den MaK, entstanden sein konnte. 266 Fleischer/Schmolke, ZHR 173 (2009), 649 (687 f.); differenzierend Blasche, WM 2011, 343 (347), der darauf abstellt, ob sich die konkrete Anforderung der MaRisk bereits hinreichend aus dem KWG selbst ergibt. 267 MaRisk, AT 2, Tz. 1. 262

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wiederum über den faktischen Zwang verwaltungsrechtliche Innennormen in die Legalitätspflicht mit einbezogen. Die Rechtsprechung scheint darauf abzustellen, ob die Maßgaben der MaRisk eine ausreichende Übung erfahren haben und damit letztlich auf einen vorgezeichneten Maßstab der Branchenüblichkeit. (b) MaRisk als Mindestvorgaben Ob umgekehrt die MaRisk einen Schutzwert für den Geschäftsleiter als haftungsrechtliche Untergrenze haben, bleibt unabhängig hiervon wiederum unklar. Denn auch insofern herrscht einerseits die Einschätzung vor, dass es sich um hoch detallierte Vorgaben handelt268, andererseits deutet schon die Bezeichnung darauf hin, dass die MaRisk lediglich Mindestvorgaben darstellen269. Geht man von einer, wie auch immer hergeleiteten, Auswirkung der MaRisk auf die Geschäftsleitersorgfalt aus, so scheint zwar eindeutig zu sein, dass der Geschäftsleiter sich an den MaRisk zu orientieren hat, will er seine Haftung ausschließen; dies jedenfalls dann, wenn sie zu einem banküblichen Sorgfaltsmaßstab geworden sind270. Offen bleibt indes, inwiefern ihm die Einhaltung der MaRisk aus haftungsrechtlicher Sicht von Nutzen ist. Das Verstehen als Mindestanforderungen beschreibt die Erwartungshaltung der Aufsichtsbehörden, dass die betreffenden Anforderungen grundsätzlich durch feinere Systeme und Prozesse geregelt werden, sofern dies der Risikogehalt des Geschäfts erfordert271. Hieraus folgt, dass, parallel zur Gesetzesbegründung zu § 25a KWG, nicht davon ausgegangen zu werden scheint, dass innerhalb des Anwendungsbereichs weitere Anforderungen an das Risikomanagement aus anderen Gesetzen oder Vorschriften folgen können, die für den Geschäftsleiter unabhängig von der Finanz- und Bankaufsicht bestehen. Dies lässt sich auch daraus schließen, dass für kleinere Institute oder Institute mit einer sehr einfachen Risikostruktur zahlreiche Öffnungsklauseln vorgesehen sind, die eine vereinfachte Umsetzung der betreffenden Anforderungen ermöglichen sollen272. Für eine ab-

268 Schäfer/Zeller, DB 2009, 1706 (1709): „kaum zu überbietende Ausführlichkeit“; MünchKommAktG/Spindler, § 91, Rn. 31. 269 Siehe auch Armbrüster, VersR 2009, 1293 (1297) zu den MaRisk VA zu § 64a VAG; auf die Bezeichnung als Mindeststandard hinweisend – und u. a. aus diesem Grund einer abschließenden Wirkung der MaRisk VA ablehnend gegenüberstehend – Dreher/Häußler, ZGR 2011, 471 (497 f.). 270 Ablehnend zur Eignung der MaRisk VA als Branchenstandard aufgrund ihrer Eigenschaft als Mindeststandard Dreher/Häußler, ZGR 2011, 471 (497). 271 Braun, a. a. O., Rn. 80. 272 Braun, a. a. O.; siehe auch MaRisk AT 1 Tz. 3: „Das Rundschreiben trägt der heterogenen Institutsstruktur und der Vielfalt der Geschäftsaktivitäten Rechnung. Es enthält zahlreiche Öffnungsklauseln, die abhängig von der Größe des Instituts, den Geschäftschwerpunkten und der Risikosituation eine vereinfachte Umsetzung ermöglichen. Insoweit kann es auch von kleineren Instituten flexibel umgesetzt werden.“

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3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

schließende Erfassung der Risikomanagementanforderungen schon vor der Finanzmarktkrise spricht auch, dass durch die Einführung der MaRisk im Jahre 2005, die die bis dahin gültigen MaH273, MaIR274 und MaK ablösten, eine Abkehr von einem regelbasierten und eine Hinwendung zu einem prinzipienbasierten275 Aufsichtsrecht erfolgen sollte276. Dieser einheitliche, umfassende Ansatz277 ist, so man denn eine Relevanz für gesellschaftsrechtliche Sorgfaltsmaßstäbe trotz grundsätzlich unterschiedlicher Schutzzwecke bejaht, auch dort zu beachten. Er nimmt sowohl den MaRisk als auch § 25a KWG selbst den Charakter als lediglich reagierender, regelbasierter Regulierung, der ein Anspruch auf Vollständigkeit nicht innewohnt. d) Zwischenergebnis Somit ist festzuhalten, dass, ausgehend davon, dass der aufsichtliche Zweck der Vorschriften einer Konkretisierung der Geschäftsleitersorgfalt nicht entgegensteht, § 25a KWG samt MaRisk innerhalb seines Anwendungsbereiches für das Gebiet des Risikomanagements speziell im Sinne einer erschöpfenden Regelung für die Geschäftsleitersorgfalt ist278. Demnach muss bei Einhaltung der aufsichtlichen Risikomanagementvorgaben für Institute im Anwendungsbereich der Vorschrift eine Haftung des Geschäftsleiters wegen der Verletzung der Pflicht zur Einrichtung eines Systems zur Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen ausscheiden279. Für die Annahme einer abschließenden Funktion des § 25a KWG betreffend das Risikomanagement spricht über das zuvor Ausgeführte hinaus des Weiteren, dass bei einer Erweiterung der Haftungsgefahren, die mit der Hinzunahme von dem Allgemeininteresse dienenden Vorschriften für den Geschäftsleiter einher273 Mindestanforderungen an das Betreiben von Handelsgeschäften des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen (BaKred) vom 23. Oktober 1995. 274 Mindestanforderungen an die Ausgestaltung der internen Revision des BaKred vom 17. Januar 2000. 275 Vgl. zum Unterschied zwischen regelbasierten und prinzipienbasierten Rechtssätzen im Aufsichtsrecht und der Entwicklung hin zu letzterem Ansatz Weber-Rey, ZGR 2010, 543 (563 f.). 276 Vgl. MünchKommAktG/Spindler, § 91, Rn. 31; Schäfer/Zeller, DB 2009, 1706 (1709). 277 Siehe die in Fn. 276 (Dritter Teil) Genannten sowie Braun, a. a. O., Rn. 57. 278 Tendenziell auch OLG Frankfurt, AG 2008, 453 (454), siehe auch unten Fn. 286 (Dritter Teil); aus praktischer Sicht befürwortend Böttcher, NZG 2009, 1047 (1051): „Aus Sicht des Rechtsanwenders zu begrüßen.“ Ablehnend Dreher/Häußler, ZGR 2011, 471 (496 ff.) zur Bedeutung der MaRisk VA für die Vorstandshaftung, die insbesondere mit der Prinzipenbasiertheit der MaRisk VA argumentieren bzw. meinen, die Notwendigkeit, die Vorgaben der MaRisk VA auf die Gegebenheiten des Unternehmens bzw. der Gruppe anzupassen, spreche gegen ihre Bedeutung für § 93 AktG. 279 Vorsichtig Armbrüster, VersR 2009, 1293 (1297): „In aller Regel wird eine Ermessensausübung, die im Einklang mit den MaRisk (VA) steht, . . . als vom Spielraum des Geschäftsleiters gedeckt anzusehen sein.“

D. Entlastung von Geschäftsleitern durch aufsichtsrechtliche Vorgaben?

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geht, diese Vorschriften auf der anderen Seite auch der Rechtssicherheit für den Geschäftsleiter dienen müssen. Dies umso mehr, da vorliegend der aufsichtsrechtliche Bereich einen hohen Grad an Verrechtlichung aufweist und über das Legalitätsprinzip somit Haftungsgefahren in die gesellschaftsrechtlichen Haftungstatbestände hereingetragen werden280. Nur so lässt sich aus strafrechtlicher Sicht zudem eine – dogmatisch stringente – strenge Akzessorietät vertreten. Einen Ausgleich für das allgemeine Problem des Widerstreits zwischen starker Verrechtlichung spezieller Bereiche einerseits und der Notwendigkeit von Sorgfaltsgeneralklauseln andererseits zu finden, bereitet allgemein Schwierigkeiten. Es erscheint jedoch angemessen, wenn mit stärkerer Verrechtlichung nicht allein höhere Haftungsgefahren, sondern zugleich eine größere Rechtssicherheit einhergeht. Dies gilt insbesondere aus strafrechtlicher Sicht. Inbesondere angesichts der Umfassenheit und dem ganzheitlichen Ansatz der zwischenzeitlichen Einführung der MaRisk erscheint es unbillig, in haftungsrechtlicher Hinsicht lediglich von Mindeststandards auszugehen, deren Einhaltung nicht gleichzeitig befreiende Wirkung hat. Zu berücksichtigen dürfte schließlich auch sein, dass der Geschäftsleiter innerhalb des safe harbour hinsichtlich der Angemessenheit der eingeholten Informationen die Darlegungs- und Beweislast trägt. Steht mithin fest, dass anwendbare aufsichtliche Voraussetzungen, das Risikomanagement betreffend, eingehalten wurden, ist verbindlich davon auszugehen, dass der Geschäftsleiter auch vernünftigerweise annehmen durfte, auf angemessener Informationsgrundlage zu handeln. Soweit das Aufsichtsrecht objektive Vorgaben macht, wird damit der Begriff der Angemessenheit von Informationen im safe harbour zugunsten und zulasten des Geschäftsleiters verobjektiviert. Mit alledem ist freilich noch nichts darüber gesagt, wie innerhalb der aufsichtsrechtlichen Vorgaben das Geschäftsleiterverhalten zu bewerten ist. Dem wird sogleich nachgegangen. 3. Weitere relevante Normen des Kreditwesengesetzes Unter der Prämisse, dass das Aufsichtsrecht gesellschaftsrechtliche Sorgfaltsmaßstäbe in seinen Bereichen abschließend beschreiben kann, soll im Folgenden noch ergänzend auf einige weitere Vorschriften des KWG eingegangen werden. a) Die Haftungsrelevanz des § 18 KWG Zu den Risikomanagementvorschriften im weiteren Sinne zählt auch der bereits mehrfach angesprochene § 18 KWG. Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 KWG darf 280 Weber-Rey, AG 2012, 365 (369): „Für die Zwecke des Strafrechts ist es – wesentlich mehr noch als im Aufsichtsrecht – außerordentlich wichtig, exakt umrissene Regelungen zu entwickeln und eben nicht vorsorglich zu weit und damit rechtsunsicher zu gestalten.“

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3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

ein Kreditinstitut einen Kredit, der insgesamt EUR 750.000 oder 10 % des haftenden Eigenkapitals des Instituts überschreitet, grundsätzlich nur dann gewähren, wenn es sich von dem Kreditnehmer dessen wirtschaftliche Verhältnisse, insbesondere durch Vorlage der Jahresabschlüsse, offenlegen lässt. Zu dem Begriff des Kredits nach § 18 KWG gehört nach § 21 Abs. 1 Nr. 4 KWG auch die Gewährleistung des Instituts für fremde Verbindlichkeiten. Dies macht die Vorschrift, bezogen auf den SPV gewährten Liquiditätslinien, aufgrund der im Allgemeinen vorgesehenen Struktur indes nur theoretisch relevant, denn § 18 KWG fordert sowohl eine Erstoffenlegung als auch eine laufende Offenlegung während der Dauer des Kreditverhältnisses281. Sie ist über die MaRisk in das Gesamtregelungssystem des Kreditrisikomanagements eingebettet. Werden die Schwellenwerte des § 18 KWG nicht überschritten, unterliegen die Kredite zwar nicht dessen Anforderungen. In diesen Fällen muss das Kreditinstitut jedoch gemäß § 25a KWG und den MaRisk282 für die Beurteilung des Adressenausfallrisikos alle erforderlichen Unterlagen einfordern und analysieren. Die dogmatische Einordnung der Norm in das System der Sorgfaltsgeneralklauseln dürfte, ebenso wie im Falle des § 25a KWG, in den safe harbour vorzunehmen sein283. Die Vorschrift macht überwiegend Vorgaben zur Informationsbeschaffung vor dem Hintergrund der materiellen Anforderungen an Geschäftsleiter von Banken, Kredite in Übereinstimmung mit anerkannten Erkenntnissen und Erfahrungsgrundsätzen zu vergeben284. Dass bei ihrer Verletzung zumeist zugleich der allgemeine Sorgfaltsmaßstab verletzt sein dürfte, steht dem nicht entgegen285. Die Schutzzweckrelevanz muss analog zu § 25a KWG auch für die Verfahrensvorschrift des § 18 KWG bejaht werden. Bezogen auf die Ergebnisrelevanz ist diese aufgrund ihres Bezugs zu einer konkreten Kreditentscheidung insgesamt deutlicher gegeben. Hinsichtlich der Abschlussfunktion der Vorschrift gegenüber den Sorgfaltsanforderungen des Gesellschaftsrechts gilt das zu § 25a KWG Ausgeführte entsprechend. Insofern hat auch die Rechtsprechung bereits entsprechende Tendenzen erkennen lassen286.

281

Bock, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 18, Rn. 48. Vgl. Bock a. a. O., Rn. 5 und Rundschreiben 18/2005 (BA) BTO 1. Diese Vorschriften gelten zudem auch für Kredite, welche die Offenlegungsgrenzen überschreiten. 283 Vgl. auch BGH NZG 2009, 117 f. 284 Was eine Vergabe ohne Sicherheiten nur in der Regel pflichtwidrig macht, vgl. BGH NZG 2002, 192 (196). 285 Siehe bereits Fn. 214 (Dritter Teil). 286 OLG Frankfurt, AG 2008, 453 (454), das im Rahmen der Prüfung des Anspruchs aus § 93 Abs. 2 AktG nach Verneinung eines Verstoßes gegen § 25a KWG feststellt, dass ein Ersatzanspruch „nur noch aus § 18 KWG folgen“ könne. 282

D. Entlastung von Geschäftsleitern durch aufsichtsrechtliche Vorgaben?

155

b) Die Haftungsrelevanz der §§ 10 ff., 11 und 13 ff. KWG Hinsichtlich der Eigenkapitalanforderungen ist zu beachten, dass jedenfalls seit Inkrafttreten der SolvV die §§ 10 ff. KWG konkretisierenden Vorschriften nach dem Gesagten auch für die gesellschaftsrechtliche Generalklausel Bedeutung haben. Parallel zu den MaRisk müsste dies aber auch für die Vorgängervorgaben des Grundsatzes I gelten. Soweit die §§ 55 ff. SolvV das Verfahren zur Anerkennung und Durchführung eines auf internen Ratings basierenden Ansatzes (IRBA) einem Institut erlauben, Risiken mittels eigener Risikomodelle zu messen und auf dieser Grundlage die Eigenkapitalanforderungen festzulegen, kann aus der Verwendung dieses Modells mithin eine Pflichtverletzung nicht hergeleitet werden. Auch wenn eine haftungsbefreiende Wirkung des IRBA nicht gesetzlich intendiert sein mag, so muss aus Gründen der Rechtssicherheit mit einer gleichzeitigen Zunahme der Haftungsgefahren im Zuge der Verrechtlichung als Ausgleich eine Haftungsbefreiung durch eine Einhaltung der aufsichtlichen Vorgaben erfolgen. Dies jedenfalls dann, wenn, wie vorliegend, eine Anerkennung bestimmter Verhaltensweisen im Gesetz angelegt ist. Hinsichtlich der Schutzzweckrelevanz muss das zuvor Ausgeführte entsprechend gelten287. Hinsichtlich der Liquiditätsanforderungen des § 11 KWG ergeben sich zu den Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung keine Unterschiede, insbesondere sind es auch hier mit der LiqV (als Nachfolgerin des Grundsatzes II) inzwischen nicht bloße Verwaltungsvorschriften, die die gesellschaftsrechtlichen Anforderungen an den ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter konkretisieren. Zu den Vorschriften der §§ 13 ff. KWG existieren in der GroßRiskV entsprechende Konkretisierungen. Deren Schutzzweckrelevanz ist nicht anders zu bewerten, als im Falle der Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften. Hinsichtlich aller drei Regelungsbereiche ist zweifelhaft, ob ihre Interpretation und Anwendung durch die Geschäftsleitung eine unternehmerische Entscheidung darstellen. Dies dürfte eher zu verneinen sein. Ein Verstoß gegen ihre Vorgaben stellt deshalb in Folge des Legalitätsprinzips eine Pflichtverletzung dar, sofern man eine für die gesellschaftsrechtliche Haftungsnorm ausreichende Schutzzweckrelevanz befürwortet. 4. Zwischenergebnis Innerhalb des Risikomanagements im weiteren Sinne stellt sich § 25a KWG als die Vorschrift dar, die die größte Angriffsfläche für eine Geschäftsleiterhaftung aufgrund des Ankaufs strukturierter Wertpapiere bietet. 287 Hier besteht eine Parallele zur Diskussion um die Schutzzweckrelevanz von gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltungsvorschriften wie § 30 GmbHG, die vor allem auch im Strafrecht bezüglich § 266 StGB geführt wird.

156

3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

5. Entlastungswirkung regelbasierter aufsichtsrechtsrechtlicher Vorgaben? Die bisherigen Ausführungen zur verbindlichen Festlegung des gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsmaßstabs betrafen mit den MaRisk prinzipienbasiertes Aufsichtsrecht. Insbesondere aus dem ganzheitlichen Ansatz dieses Regelungssystems wurde die verbindliche Bedeutung für gesellschaftsrechtliche Risikomanagementpflichten als Untergrenze abgeleitet. Fraglich ist, inwiefern die Vorgaben sogenannten regelbasierten Aufsichtsrechts bzw. aufsichtliche Stellungnahmen, in denen konkrete Entwicklungen und Fragestellungen aufgegriffen und behandelt werden, sich auf den gesellschaftsrechtlichen Haftungsmaßstab auswirken. „Behördliche Billigung“ wird speziell im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise als Entlastungsgrund prinzipiell nicht per se akzeptiert288. Feststehen dürfte, dass derartige Stellungnahmen, sofern sie als Grundlage einer unternehmerischen Investitionsentscheidung dienen, grundsätzlich im Rahmen der Bewertung der Angemessenheit von Informationen im Rahmen des safe harbour zu berücksichtigen wären289. a) LG Köln – Die STRABAG-Entscheidung In einer Entscheidung aus dem Jahr 2007 hat das LG Köln290 im Zusammenhang mit einer Anfechtungsklage durch Minderheitsaktionäre Mitteilungspflichten nach § 21 Abs. 1 WpHG aufgrund von Umfirmierungen angenommen, obwohl die BaFin in einer Auskunft an den betreffenden Aktionär eine Mitteilungpflicht verneint hatte. Das Gericht bejahte das Vorliegen des nach § 21 WpHG notwendigen Verschuldens trotz der gegenläufigen BaFin-Auskunft bzw. schloss einen Rechtsirrtum aus. Auskünfte der BaFin seien nicht rechtsverbindlich291. Das Urteil ist in der Literatur kritisiert worden292. Auch wenn die BaFin-Auskunft für Gerichte nicht verbindlich seien, sei vorliegend ein schuldhaftes Handeln ausgeschlossen. Die Bedeutung der Entscheidung ist für die vorliegende Frage insofern beschränkt, als sie sich mit dem besonderen Haftungsmaßstab im 288

Siehe Fn. 143 (Dritter Teil). Vgl. zu § 21 WpHG auch Merkner/Sustmann, NZG 2009, 823 (816) und sogleich: Berücksichtigung im Verschulden. 290 LG Köln, Urt. vom 5. Oktober 2007, Az.: 82 O 114/06 = AG 2008, 336; im Folgenden zitiert nach juris. 291 LG Köln, a. a. O., Rn. 84. 292 Klein/Theusinger, NZG 2009, 259 (251); Segna, AG 2008, 311 (314); vgl. auch Merkner/Sustmann, NZG 2009, 823 (816), die auf das Dilemma hinweisen, dass bis zur höchstrichterlichen Klärung einer Rechtsfrage BaFin-Auskünfte nur von begrenztem Wert sind. Siehe auch die abweichende Entscheidung des OLG Düsseldorf, NZG 2009, 260 (262), welches eine Mitteilungspflicht nach § 21 WpHG im Falle der Umfirmierung ablehnt (jedoch ohne auf das Verhältnis verwaltungsrechtlicher Vorgaben zum Zivilrecht einzugehen). 289

D. Entlastung von Geschäftsleitern durch aufsichtsrechtliche Vorgaben?

157

Rahmen des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG nicht befasst, sondern allein die Frage des Verschuldens im Rahmen des § 21 WpHG berührt. Es ist deshalb fraglich, inwiefern hier die Bedeutung regelbasierten Aufsichtsrechts für gesellschaftsrechtliche Sorgfaltsmaßstäbe betroffen ist. b) Der Fall Corealcredit Bank AG Entgegen der genannten Literaturansicht293 und der Entscheidung des LG Köln scheinen andere Teile der Rechtsprechung einer haftungsausschließenden Bedeutung regelbasierten Aufsichtsrechts zuzuneigen. Diese haben sich in zwei Urteilen294 zu Schadensersatzansprüchen gegen ehemalige Vorstandsmitglieder der Corealkredit Bank AG mit der Bedeutung von Stellungnahmen der Aufsicht befasst. Die Bank295 hatte in den Jahren 2001 und 2002 neben dem originären Hypothekenbankgeschäft auch derivative Zinsgeschäfte, u. a. in Form von Zinsswapgeschäften296 und forward-rate-agreements297, getätigt. § 5 HypBkG298, der die für Hypothekenbanken zulässigen Geschäfte aufzählt, erwähnte in der zum fraglichen Zeitpunkt geltenden Fassung Derivatgeschäfte nicht. Der Abschluss entsprechender Geschäfte stellte damit eigentlich einen Verstoß gegen das Gesetz und in Folge des Legalitätsprinzips eine Pflichtverletzung nach § 93 AktG dar299. Das LG Frankfurt stellt jedoch fest, dass ein Schreiben des BaKred aus dem Jahre 1990, das entgegen dem Wortlaut des Gesetzes Derivatgeschäfte grundsätzlich für zulässig erachtet, eine Pflichtverletzung ausschließt. Die Formulierung des Landgerichts, dass „schon deshalb eine Pflichtverletzung der Geschäftsführung des Vorstandes (§ 93 Abs. 2 AktG) nicht vorliegt“ deutet darauf hin, dass über eine Bedeutung für die Angemessenheit der durch Dritte eingeholten Informationen durch das aufsichtliche Schreiben hinaus ein objektiver Sorgfaltsmaßstab begründet werden soll – wohl auch, weil das Gericht hier nicht von einer unternehmerischen Entscheidung ausgeht, sondern von

293

Siehe Fn. 288 (Dritter Teil). LG Frankfurt, Urt. vom 25. Januar 2006, Az.: 3/9 O 143/04 = AG 2006, 510 ff. und Folgeinstanz OLG Frankfurt vom 22. März 2011, Az.: 5 U 29/06 = BB 2011, 833 (Kurzwiedergabe) – im Folgenden jeweils zitiert nach juris. 295 Zum maßgeblichen Zeitpunkt noch unter Allgemeine Hypothekenbank Rheinboden AG (AHBR) firmierend. 296 Zum Begriff Hanowski, NZG 2011, 573. 297 Zum Begriff http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/5423/forward-rate-agree ment-fra-v6.html (abgerufen am 11. März 2011). 298 Siehe jetzt § 5 Abs. 1 Nr. 4a HypBkG. 299 LG Frankfurt a. a. O., Rn. 57; anders OLG Frankfurt a. a. O., Rn. 91, nach dem die Durchführung von Derivatgeschäften als Hilfsgeschäften zum Hauptkreditvertrag in der Literatur schon eine Weile anerkannt war – ein weiteres Beispiel aus der wirtschaftsrechtlichen Praxis, in dem die rechtliche Unklarheit deutlich wird, mit der Geschäftsleiter konfrontiert sein können. 294

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3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

einem Problem der strikten Pflichtenbindung. Da die AHBR, ebenso wie andere Hypothekenbanken, die Derivatgeschäfte aber abweichend von den Vorgaben des Schreibens der BaKred nicht nur als Hilfsgeschäfte tätigte, d. h. zur Absicherung von Zinsrisiken für einzelne in § 5 HypBkG genannte Geschäfte300, reagierte die Aufsicht auch auf dieses Geschäftsgebaren. Hinsichtlich dieser Reaktion, die nicht in einer Untersagung der Geschäftspraxis, sondern der Installation einer Ampelregelung bezüglich der Überschreitung bestimmter Schwellen für Zinsänderungsrisiken bestand301, äußert sich das Gericht weniger kategorisch, stellt aber fest, dass „wenn schon die Aufsichtsbehörde diese Handhabung der Hypothekenbanken offensichtlich für zulässig erachtet hat, dem jeweiligen Vorstand keine Pflichtverletzung (§ 93 Abs. 2 AktG) vorgeworfen werden (kann)“. Dies deutet eher in die Richtung des Ausschlusses der Pflichtwidrigkeit aufgrund des Vertrauens in externe Informationen im Rahmen des safe harbour. Das OLG Frankfurt hat in der Folgeinstanz zunächst abweichend vom Landgericht die Definition des Hilfsgeschäftes in dem Schreiben der BaKred auf den Einsatz der Derivatgeschäfte durch den Vorstand zum sogenannten macrohedging, also der Absicherung eines nicht näher spezifizierten Gesamtrisikos302, erweitert. Hinsichtlich des sodann von der Klägerin bemängelten Einsatzes der value-at-risk-Methode und des basis point 303 für die Messung des Zinsänderungsrisikos stellt es fest, dass sich aus einem Bestätigungsschreiben der BaKred ergebe, dass die „Verwendung dieser Methoden grundsätzlich sachgerecht ist“ 304. Auch diese Formulierung spricht für die Annahme, dass hier der Sorgfaltsmaßstab eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters durch die aufsichtliche Bestätigung objektiv beschrieben wird. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Rechtsprechung, entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht, aufsichtlichen Billigungen entscheidende Bedeutung für die Bestimmung der Geschäftsleitersorgfalt hat zukommen lassen. Wie die Aussagen der letztgenannten Entscheidungen dogmatisch einzuordnen sind, lässt sich nicht ganz eindeutig beantworten. Tendenziell ist eine „kategorische“ Beschreibung objektiver Sorgfaltsmaßstäbe jedoch als zu weitgehend abzulehnen. Zustimmungswürdig ist jedoch die Annahme, dass derartigen Vorgaben aufgrund ihrer Detailliertheit und Spezifikation eine starke Bedeutung innerhalb 300 Zinsswaps werden sowohl zur Absicherung gegen Zinsänderungsrisiken als auch als Spekulationsinvestment genutzt. 301 Vgl. LG Frankfurt a. a. O., Rn. 61. 302 Gegenüber dem micro-hedging, also der Absicherung von Einzelrisiken durch eine dauerhaft und exakt dokumentierte Zuordnung der Sicherungspositionen zu genau bestimmten Gegenpositionen, siehe OLG Frankfurt, a. a. O., Rn. 92. 303 Present value of a basis point (auch price value of a basis point), siehe http:// www.finanz-lexikon.de/present %20value %20of %20a %20basis %20point %20(pvbp)_4 473.html (abgerufen am 11. März 2011). 304 OLG Frankfurt, a. a. O., Rn. 126.

E. Konsequenzen

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des versubjektivierten safe harbour zukommen muss. Letztlich dürften dogmatisch – wie häufig – zweierlei Fragen angesprochen sein: einmal die Frage der rechtlichen Erlaubtheit und des Vorgehens und zum anderen die Frage der Angemessenheit der Information in Bezug auf die tatsächlich unsichere Investitionsentscheidung.

E. Konsequenzen: die Reichweite aufsichtsrechtlicher und aufsichtlicher Vorgaben zum Risikomanagement vor dem Hintergrund einer Haftung wegen des Investments in subprime-Wertpapiere im Vorfeld der Finanzmarktkrise Im Folgenden soll, ausgehend von den aufgezeigten dogmatischen Grundlagen, die Handelndenverantwortlichkeit auf Käuferseite für das Investment in subprime-Papiere untersucht werden. Zu betrachten ist die Pflichtwidrigkeit des Verhaltens der Geschäftsleiter hinsichtlich des Erwerbs und des Haltens entsprechender Titel direkt durch die Muttergesellschaft oder – außerhalb deren Bilanz – in einem Vehikel, wobei sie diesen Vehikeln entsprechende Sicherheiten stellten. Verknappt lässt sich der zu bewertende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht auf die Frage zusammenfassen, ob es zu sanktionieren ist, dass in „(selbst)bewusster Blindheit oder gar Unkenntnis des Kaufsegments ein minderwertiges oder stark risikobehaftetes Wertpapier gekauft wurde“ 305. Auch ist fraglich, wie es zu verantworten ist, sich „blind“ auf Angaben einer Rating-Agentur zu verlassen, zumal ohne deren Unabhängigkeit als Faktor zu berücksichtigen306. In letzterer Hinsicht lautet der Vorwurf also insbesondere, auf eine eigene Einschätzung des Risikos verzichtet und sie und durch eine fremde ersetzt zu haben307. Im Folgenden sollen also unter der Annahme, dass § 25a KWG inklusive der MaRisk eine im Bereich des Risikomanagements abschließende Funktion gegenüber dem haftungsrechtlichen Maßstab der §§ 91, 93 AktG einnimmt, einzelne aufsichtliche Vorgaben im Ansatz durchleuchtet werden. Es soll versucht werden, einzuordnen, wo innerhalb des aufsichtlichen Systems die Schwerpunkte bei der Prüfung der Pflichtwidrigkeit liegen und Tendenzen hinsichtlich einer Bewertung der Ordnungsgemäßheit des Geschäftsleiterhandelns hinsichtlich des Ankaufs strukturierter Wertpapiere im Vorfeld der Finanzmarktkrise auszumachen. Entsprechend der im Vorfeld der Krise geltenden Rechtslage bilden die MaRisk in Form des Rundschreibens 18/2005 (BA)308 die Grundlage der folgenden Ausfüh305 Gallandi, wistra 2009, 41 (44); zu strafrechtlichen Problemen hinsichtlich möglicher Sachverhaltsanknüpfungspunkte siehe unter Vierter Teil: A.I. 306 Gallandi, a. a. O. 307 Vgl. Schröder, Hdb. Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1144. 308 Texte jeweils abrufbar unter http://www.bundesbank.de/bankenaufsicht/banken aufsicht_risiko_marisk.php (abgerufen am 25. Januar 2012).

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3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

rungen. Obgleich nunmehr zumindest in der Theorie die Normenbereiche klar sein sollen, innerhalb derer sich auch die strafrechtliche Haftung für das Investment in strukturierte Wertpapiere auf der Pflichtwidrigkeitsebene ausschließlich entscheidet, geht damit praktisch keine Eindeutigkeit in der Bewertung von Geschäftsleiterverantwortung bei der Frage des Risikomanagements einher. Die kommenden Ausführungen bilden freilich nur einen Ausschnitt des aufsichtsund aktienrechtlichen Pflichtenprogramms. Hinzu kommen vielfache Vorgaben zur Strategie, internen Kontrolle, personellen und technischen Ausstattung oder Dokumentation, die im Einzelfall zu prüfen wären309. Innerhalb der aufsichtsrechtlichen Vorgaben wäre bspw. die Frage zu klären, ob durch die Geschäftsorganisation ausreichend Sorge dafür getragen wurde, bei der Geschäftsleitung einen ausreichenden Informationsstand über die rechtliche Struktur und die Bedingungen, die im Einzelfall für die erworbenen Wertpapiere galten, herzustellen310.

I. Standort in der Generalklausel Fragen des Risikomanagements bzw. der Einschätzung von Risiken auf der Grundlage eingeholter Informationen im Allgemeinen können dogmatisch sowohl auf der Ebene der Legalitätsbindung an bankaufsichtsrechtliche Vorgaben als auch auf aktienrechtlicher Ebene in § 93 AktG, und dort beim Privileg des Abs. 1 Satz 2, zu verorten sein. Häufig wird letzteres der Fall sein. Denn so detailliert die Vorgaben der MaRisk gegenüber § 25a KWG und erst recht gegenüber der Generalklausel ausfallen, so offen sind sie wiederum in einzelnen Formulierungen und Vorgaben. Insofern handelt es sich um Spezialvorschriften hinsichtlich der Voraussetzung des Handelns auf angemessener Informationsgrundlage, die ihrerseits – spezielle – Spielräume gewähren311.

II. Die Verwendung von value-at-risk-Modellen Zu klären ist zunächst, ob der Geschäftsleitung die Verwendung von value-atrisk-Modellen wegen derer etwaigen Unzulänglichkeit als Pflichtwidrigkeit vorgeworfen werden kann bzw. (zunächst) ihre Verwendung eine Grundlage für die Nichteinhaltung der safe-harbour-Voraussetzungen ist. Die Modelle als rechtlich verbindliche Standards zu betrachten, wirft jedenfalls keine allgemeinen verfas309 Außer Betracht bleibt hier bspw. das Outsourcing des Risikomanagements nach den Maßgaben des § 25 Abs. 2 KWG, vgl. dazu Florstedt, AG 2010, 315 (322) zum Outsourcing des Risikomanagement bei der IKB an die IKB CAM; siehe OLG Düsseldorf, AG 2010, 126 (129). 310 Siehe Lutter, ZIP 2009, 197 (198 f.); Becker/Walla/Endert, WM 2010, 875 (881, Fn. 101). 311 Siehe oben B.

E. Konsequenzen

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sungsrechtlichen Probleme auf 312. Der safe harbour könnte hier hinsichtlich der Verfahrensauswahl folglich durch rechtliche Anerkennung konkretisiert sein. Die Verwendung von value-at-risk-Modellen als sorgfaltswidrig zu bewerten, weil die verwendete Methodik dem aktuellen Kenntnisstand der Wirtschaftswissenschaft nicht entsprochen hat, wäre demnach unzulässig313. Soweit eine juristische Rezeption der betriebswirtschaftlichen Standards insofern erfolgt wäre, ließe sich in der Folge ein Problemzuschnitt dahingehend vornehmen, ob das anerkannte Modellverfahren seinerseits auf der Basis einer angemessenen Informationsgrundlage durchgeführt wurde314. Der Pflichtverletzungsvorwurf erforderte danach insbesondere den Nachweis, dass ausreichend Anhaltspunkte dafür vorhanden waren, dass die Datenbasis für die Anwendung der Modellverfahren nicht ausreichend war. Ausgangspunkt des Risikomanagements in § 25a KWG ist die Bestimmung der Risikotragfähigkeit des jeweiligen Instituts315. Nach den MaRisk in der seinerzeit geltenden Fassung war auf der Grundlage eines Gesamtrisikoprofils sicherzustellen, dass die wesentlichen Risiken des Instituts durch das Risikodeckungspotenzial laufend abgedeckt sind und damit die Risikotragfähigkeit gegeben ist316. Zur Gewährleistung der Risikotragfähigkeit waren geeignete Risikosteuerungs- und -controllingprozesse einzurichten317. Die Wahl der Methoden zur Beurteilung der Risikotragfähigkeit lag in der Verantwortung des Instituts318. Die MaRisk legten somit keine Konzeption zur Bestimmung der Risikotragfähigkeit fest. Sie waren auch nicht direkt verbunden und stellten keine Präzisierung der organisatorischen Anforderungen an die Einschätzung von Marktrisikopositionen oder Adressausfallrisikopositionen, die sich aus der SolvV ergaben und die Eigenkapitalanforderungen betreffen, dar319. Sie konnten „im Hinblick auf die geplanten Methoden zur Berechnung der aufsichtsrechtlich erforderlichen Eigenmittel der Bankenrichtlinie unabhängig von der gewählten Methode eingehalten“ werden320. Umgekehrt war jedoch die Einhaltung der Vorgaben nach der SolvV eine von mehreren nach den MaRisk erlaubten „Sichtweisen“, mit der den Anforderungen an die Risikotragfähigkeit nachgekommen werden konnte. Folglich war zumindest grundsätzlich von einer Risikotragfähigkeit auszugehen, wenn die aufsichtsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich des Eigenmittelgrundsatzes beachtet wur312

Siehe oben Dritter Teil: D.III. Ebenso Becker/Walla/Endert, a. a. O. (881), mit dem Zusatz, der Anwender befinde sich insofern „mindestens strafrechtlich in einem safe harbour“. 314 Vgl. auch Becker/Walla/Endert, a. a. O. (881). 315 Siehe bereits Dritter Teil: D.VI.2.a). 316 Rundschreiben 18/2005 (BA), AT 4.1, Tz. 1. 317 Rundschreiben 18/2005 (BA), AT 4.3.2. 318 Rundschreiben 18/2005 (BA), AT 4.1, Tz. 4. 319 Vgl. Braun, a. a. O., Rn. 63. 320 Rundschreiben 18/2005 (BA), AT 1, Tz. 2. 313

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3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

den321. Demnach konnte die sich Anerkennung von value-at-risk-Modellen im Rahmen von §§ 313 ff. SolvV 322 letztlich auch hinsichtlich der Anforderungen an das Risikomanagement des § 25a KWG und entsprechend in der Generalklausel entfalten323. Nach § 313 Abs. 3 Satz 1 SolvV waren Risikomodelle dann als geeignet anzusehen, wenn bei der Ermittlung der risikobeschreibenden Kennzahlen bestimmte quantitative Vorgaben zugrunde gelegt wurden (§ 315 SolvV), mindestens bestimmte Risikofaktoren erfasst wurden (§ 316 SolvV), bestimmte Anforderungen zur Handhabung der Modellverwendung eingehalten wurden (§ 317 SolvV) und das Risikomodell eine befriedigende Prognosegüte aufwies (§ 318 SolvV). Die Einhaltung dieser Eignungserfordernisse wurde von der BaFin auf Grundlage einer von ihr in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesbank durchgeführten Prüfung nach § 44 Abs. 1 Satz 2 KWG bestätigt. Damit sind die Kerneigenschaften der value-at-risk-Modelle im Gesetz selbst festgeschrieben. Auch wenn die BaFin den Einsatz der Modelle letztlich freigeben musste, handelt es sich insofern also nicht um eine nur behördliche Billigung oder Duldung324. Es wäre danach unzulässig anzunehmen, dass die Verwendung dieser Modelle schon deswegen pflichtwidrig war, weil bspw. seit längerem bekannt war, dass sie mathematisch kein kohärentes Risikomaß darstellen, also Risikokorrelationen nicht ausreichend beachteten325. Ein weiterer häufig genannter Kritikpunkt ist die Verwendung von historischen Daten anstatt reiner Simulationsverfahren für die Bestimmung der Verteilung innerhalb des value-at-risk-Ansatzes326. Problematisch ist hier insbesondere, dass bei der ausschließlichen Verwendung historischer Daten bisher unbekannte Szenarien unberücksichtigt bleiben327. Die hier einschlägige Vorschrift der MaRisk Ziffer AT 4.1 ist allerdings erst nach Ausbruch der Krise um einige Teilziffern ergänzt worden328, die zusätzliche Vorgaben zur zugrunde zu legenden Datenbasis für die verwendeten Modelle im Rahmen der Risikokontrolle machen. Auch setzte bspw. § 317 Abs. 8 SolvV die Verwendung historischer Daten voraus. Damit war auch die Verwendung historischer Daten als Grundlage der Modelle zum einen gesetzlich anerkannt. Zum anderen könnte die Änderung der MaRisk auch 321 Sogenannte regulatorische Sichtweise im Unterschied zur wertorientierten und periodischen Sichtweise, vgl. Braun, a. a. O., Rn. 93. 322 Oben Dritter Teil: D.I.1. 323 Siehe allerdings Braun, a. a. O., Rn. 94, der darauf hinweist, dass eine rein aufsichtsrechtliche Betrachtung der Risikotragfähigkeit in der Regel nicht angemessen zur Beurteilung der Risikosituation des jeweiligen Instituts ist, da die aufsichtsrechtlichen Risikoaktiva wesentliche institutsspezifische Risiken nicht erfassen, wie z. B. das Zinsänderungsrisiko im Anlagebuch. 324 In diesem Sinne Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 93. 325 Vgl. Becker/Walla/Endert, WM 2010, 875 (880). 326 Vgl. nur Rudolph, zfbf 2008, 713 (728 f.). 327 Rudolph, a. a. O. 328 Durch das Rundschreiben 11/2010 (BA).

E. Konsequenzen

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als Indiz auf Branchenübung gedeutet werden, nach der ein value-at-risk-Modell bedenkenlos mit historischen Daten unterlegt werden konnte. Insgesamt dürfte eine Pflichtverletzung allein aufgrund der Verwendung eines historisch unterlegten value-at-risk-Modells schwer nachzuweisen sein329. Dies bedeutet nicht, dass die Verwendung historischer Simulationen im Einzelfall nicht aus anderen Gründen unangemessen gewesen sein kann330. In jedem Fall ist die Angemessenheit nach hier vertretener Ansicht allein innerhalb des § 25a KWG bzw. der MaRisk zu bewerten und kann nicht im Nachhinein abstrakt anhand von bspw. § 93 Abs. 1 AktG Satz 2 bewertet werden. Es ist insbesondere unzulässig, Bewertungen zur Transparenz und Komplexität von Investments vorzunehmen, ohne sich mit den für das Risikomanagement einschlägigen Vorschriften zu befassen und genau zu analysieren, ob die zugrunde gelegten Daten eine angemessene Informationsgrundlage bilden konnten331.

III. Szenariobetrachtungen Ein wichtiger ergänzender Faktor ist die Durchführung ergänzender Tests neben der Verwendung von Risikomodellen332. Im Zusammenhang mit der Verwendung von value-at-risk-Modellen war von Anfang an bekannt, dass die Risikobeurteilung nicht allein anhand dieser vorgenommen werden kann. Denn die gängigen Modelle waren nicht dazu bestimmt, Verlustgefahren aus extremen Marktsituationen abzuschätzen. Dies war zum einen darin begründet, dass die Modelle keine Aussagen über mögliche Verlusthöhen bei Ereignissen trafen, die sich außerhalb des Konfidenzniveaus befanden333. Bei Modellen, die auf historischen Daten basierten, waren zudem hypothetische, in der Vergangenheit nicht zu beobachtende Ereignisse, nicht erfasst334. Vergleichbare Probleme ergaben sich darüber hinaus ganz allgemein auch dann, wenn eine Bank weniger komplexe Modelle einsetzte, wie es nach Art und Größe des Instituts gemäß § 25a KWG erlaubt war335. Schon im Rundschreiben 18/2005 (BA) war unter AT 4.3.2, Tz. 3 329 Anders wohl Becker/Walla/Endert, WM 2010, 875 (881); zur Bedeutung der Branchenüblichkeit für den Sorgfaltsmaßstab siehe ausführlich unter Dritter Teil: E.IX. 330 Vgl. Rundschreiben 18/2005 (BA), AT 4.1, Tz. 4 Satz 3. Bspw. war einige Jahre vor der Krise undenkbar, dass Anleihen europäischer Staaten wie Frankreich eine Herabstufung erfahren, vgl. auch Becker/Walla/Endert, WM 2010, 875 (881). 331 So aber pauschal OLG Düsseldorf, AG 2010, 126 (128): die übermäßige Komplexität und Intransparenz des Verbriefungssegments habe nahezu die Unmöglichkeit für den Vorstand bedingt, Entscheidungen auf ausreichender Informationsgrundlage zu treffen. 332 Siehe Hannemann/Schneider/Hanenberg, MaRisk (2006), S. 150, vgl. auch Becker/Walla/Endert, a. a. O. (880). 333 Siehe oben Dritter Teil: D.I.1. 334 Hannemann/Schneider/Hanenberg, MaRisk (2006), S. 150. 335 Vgl. Hannemann/Schneider/Hanenberg, a. a. O.

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3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

deshalb vorgeschrieben, dass für die im Rahmen der Risikotragfähigkeit berücksichtigten Risiken regelmäßig angemessene Szenariobetrachtungen anzustellen sind. Für Adressenausfallrisiken336 und Liquiditätsrisiken337 wurde diese Anforderung wiederholt. Im Hinblick auf die Ausgestaltung der Szenariobetrachtungen und die Wahl der Szenarien galt jedoch in allen Fällen Methodenfreiheit338. In den Erläuterungen zum Rundschreiben 18/2005 (BA), BTR 3, Tz. 2 war die Vorgabe enthalten, dass die Szenarien von den Instituten individuell zu definieren sind. Anschließend erfolgte eine lediglich beispielhafte Aufzählung möglicher Szenarien. In der Gewährung der Methodenfreiheit kommt wiederum der prinzipienbasierte Ansatz der MaRisk zum Ausdruck; die konkrete Ausgestaltung hing auch hier von Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der betriebenen Geschäfte ab339. Das Fehlen angemessener worst-case-Szenarien nach AT 4.3.2, Tz. 3 dürfte angesichts der Lücken, die value-at-risk-Modelle schon damals bekanntermaßen aufwiesen, ein wichtiger Anhaltspunkt für die Bewertung von Geschäftsleiterverhalten sein340. Es kann hier nicht untersucht werden, ob und in welchen Fällen Anhaltspunkte dafür bestanden oder bestehen mussten, das Risikomanagement entsprechend anzupassen. Hier muss es bei der allgemeinen Feststellung bleiben, dass bei der rechtlichen Überprüfung angemessenen Risikomanagements eine sichere Entlastungswirkung wissenschaftlich und aufsichtsrechtlich anerkannter Methodik spätestens an dieser Stelle endet341. Zu berücksichtigen ist jedoch auch hier, dass das Aufsichtsrecht in dieser Hinsicht ebenfalls zusätzliche Anforderungen eingeführt hat. Zu Stresstests findet sich in Rundschreiben 11/2010 (BA) AT 4.3.3. nunmehr ein eigener ausführlicher Abschnitt. Nach Tz. 1 sind auch Risiken aus außerbilanziellen Gesellschaftskonstruktionen und Verbriefungstransaktionen im Rahmen der Stresstests zu berücksichtigen. Tz. 2 macht spezifische Vorgaben zur Art der Szenarien. Danach haben Stresstests ausdrücklich auch außergewöhnliche Ereignisse abzubilden. Es sind sowohl historische als auch hypothetische Szenarien darzustellen. Das ausdrückliche Erfordernis der marktweiten Betrachtung wurde ergänzt342. Das Rundschreiben hat zudem in AT 4.3.3, Tz. 3 sogenannte inverse Stresstests zur Pflicht gemacht, bei denen nicht von einem Szenario ausgegangen wird und sodann dessen Auswirkungen betrachtet werden, sondern bei dem ein Ereignis vor336

Rundschreiben 18/2005 (BA), BTO 1.2, Tz. 3. Rundschreiben 18/2005 (BA), BTR 3, Tz. 2. 338 Hannemann/Schneider/Hanenberg, a. a. O., S. 151. 339 Hannemann/Schneider/Hanenberg, a. a. O., S. 151. 340 Vgl. auch Florstedt, AG 2010, 315 (321 f.); Becker/Walla/Endert, a. a. O. (880). 341 Eine Pflichtwidrigkeit in den Fällen der HSH Nordbank und der Sachsen LB befürwortend Strate, HRRS 2009, 441 f., der die MaRisk wohl so interpretiert, dass worstcase-Szenarien in jedem Institut unabhängig von Art und Umfang verpflichtend waren. 342 Rundschreiben 11/2010 (BA) BTR 3.1, Tz. 6, BTR 3.2, Tz. 3. 337

E. Konsequenzen

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gegeben und dann „invers“ nach einem Szenario gesucht wird, das das Ereignis auslösen kann. Auch deutet diese aufsichtliche Entwicklung immerhin an, welche Szenarien zuvor branchenüblich gewesen sind. Dies betrifft insbesondere die Anforderungen an einen zu testenden worst case innerhalb einer Risikoart. Die Umsetzung der Anforderungen der MaRisk vor der Krise in Bezug auf Szenariobetrachtungen wird in der zeitgenössischen Literaturvorgabe deutlich, bei der „Auswahl bestimmter Szenarien“ sei eine „übertriebene Schwarzmalerei ebenso wenig hilfreich wie übertrieben optimistische Szenarien“ 343. Sichtbar wird nach alledem, dass der entscheidende Anknüpfungspunkt für die Bewertung der Pflichtwidrigkeit zu sein scheint, welches Risiko dem Entscheidungsträger hinsichtlich fehlender Informationen gestattet war, mit anderen Worten, wo die Grenzen des erlaubten Risikos zum Ignorieren möglicher weiterer Risiken liegen344.

IV. Konzentrationsrisiken („Klumpenrisiken“) Mit einer ordnungsgemäßen Verwendung von worst-case-Szenarien zugleich angesprochen ist das viel diskutierte und bereits angesprochene Problem der Korrelation von Risiken verschiedener den subprime-Papieren zugrunde liegender assets bzw. der aufsichtsrechtlichen Befassung hiermit. Risikokonzentrationen waren bereits im Rundschreiben 18/2005 (BA) allgemein angesprochen. AT 2.2, Tz. 1 traf die allgemeine Aussage, dass die Anforderungen des Rundschreibens sich auf das Management der wesentlichen Risiken sowie damit verbundener Risikokonzentrationen beziehen. AT 4.2., Tz. 2 führte zu den Risikostrategien, nach wie vor allgemein, aus, dass bei deren Festlegung der Begrenzung von Risikokonzentrationen angemessen Rechnung zu tragen ist. Der Begriff der Risikokonzentration fand sich auch im Besonderen Teil der MaRisk: Bezüglich Anforderungen an die Risikosteuerungs- und Controllingprozesse enthielten sie zu Adressausfallrisiken der Hinweis, dass durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen ist, dass wesentliche gesamtgeschäftsbezogene Risiken gesteuert und überwacht werden, wobei neben „sonstigen Konzentrationsrisiken“ auch bereits Branchenrisiken bzw. Segmentrisiken eine Aufzählung erfuhren345. Keine dieser Vorschriften nannte allerdings präzise Maßnahmen oder Leitlinien zur Erfassung von Konzentrationsrisiken346.

343

Hannemann/Schneider/Hanenberg, a. a. O., S. 151 f. Vgl. auch BGH ZIP 2009, 1854: „Der gebotene Umfang der Informationsverschaffung hängt auch davon ab, welches Risiko dem Entscheidungsträger hinsichtlich fehlender Informationen gestattet ist.“ 345 Rundschreiben 18/2005 (BA) BTR 1, Tz. 6. 346 Siehe auch Fleischer/Schmolke, ZHR 173 (2009), 649 (665): „Kreditrisikokonzentrationen in den MaRisk von 2007 nur am Rande gestreift“ sowie Florstedt, AG 2010, 315 (320): „MaRisk sehen Präzises erst seit 2009 vor.“ 344

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3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

Mit dem Rundschreiben 15/2009 (BA) wurde in AT 2.2 ausdrücklich festgeschrieben, dass mit den wesentlichen Risiken verbundene Risikokonzentrationen stets zu berücksichtigen sind. Da die vom KWG im Rahmen der Großkreditvorschriften in einiger Ausführlichkeit erfassten Adressausfallrisiken347 einzelner Kreditnehmereinheiten die Krise nicht verhindern konnten, sind hinsichtlich der Risikostrategie nunmehr ausdrücklich Risikokonzentrationen zu berücksichtigen, die sich aus der Segmentierung der Geschäftsstrategie ergeben348, womit eben die Risiken angesprochen sind, die sich aus der Konzentration bspw. auf einen bestimmten Sektor ergeben. Risikokonzentrationen sind jetzt außerdem bei Stresstests ausdrücklich abzubilden349. Die bei Adressenausfallrisiken einzusetzenden Verfahren zur Kontrolle von Risikokonzentrationen wurden spezifiziert350. Schließlich wurde eigens eine Berichtspflicht für Risikokonzentrationen eingeführt351. Festzuhalten ist, dass das Aufsichtsrecht sich vor der Finanzmarktkrise mit Risikokonzentrationen insofern befasst hatte, als diese als grundsätzliche Gefahren erkannt und benannt wurden. Es fehlten allerdings qualitative Vorgaben oder sonstige Präzisierungen352. Allerdings gaben die MaRisk damit immerhin einen Hinweis auf den Normbefehl des § 25a KWG. Dies ist für das Problem des Eigehens von bestandsgefährdenden Risiken von Bedeutung. Hierauf wird zurückzukommen sein353.

V. Risikomanagement auf Gruppenebene Der Erwerb von strukturierten Wertpapieren fand auch in deutschen Banken über ausgelagerte Zweckgesellschaften statt, die den Erwerb der Papiere durch die Begebung kurzfristiger Anleihen finanzierten. Wie dargestellt, war es nach dem geltenden Regelungssystem hinsichtlich der Eigenkapitalanforderungen an die Kreditinstitute möglich, die Risiken einer Inanspruchnahme aus den der Zweckgesellschaft gewährten Liquiditätszusagen in der Bilanz unabgebildet zu lassen. Die Liquiditätszusagen hatten weder über Bewertung des Mutter-TochterVerhältnisses für einen Konzernabschluss, noch über die Bilanz der Mutter selbst Bedeutung für die Eigenkapitalanforderungen. Darauf hat der Gesetzgeber mit dem BilMoG reagiert, indem er Zweckgesellschaften in § 290 II Nr. 4 HGB ausdrücklich in den Konsolidierungskreis aufgenommen hat. 347 348 349 350

Siehe oben Dritter Teil: C.II.3. Fleischer/Schmolke, a. a. O. (665), Rundschreiben 15/2009 (BA) AT 4.2, Tz. 2. Rundschreiben 15/2009 (BA) AT 4.3.2, Tz. 3. Vgl. Fleischer/Schmolke, a. a. O. (666) und Rundschreiben 15/2009 (BA) BTR 1,

Tz. 6. 351

Vgl. Fleischer/Schmolke, a. a. O. (666) und Rundschreiben 15/2009 (BA) BTR 1,

Tz. 6. 352 353

Siehe auch die in Fn. 346 (Dritter Teil) Genannten. Unter Dritter Teil: E.IX.

E. Konsequenzen

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Abgesehen von Anpassungen im Bereich der Eigenkapitalanforderungen hat man auch im Rahmen von § 25a KWG nun hinsichtlich der allgemeinen Anforderungen an das Risikomanagement reagiert. Das Rundschreiben 15/2009 (BA) hat in AT 4.5 eine eigene Vorschrift über Risikomanagement auf Gruppenebene eingeführt. Schon nach dem Rundschreiben 18/2005 (BA), AT 2.1, Tz. 1 war in Konkretisierung des bereits damals geltenden § 25a Abs. 1a KWG ein Verfahren einzurichten, das eine angemessene Steuerung und Überwachung der wesentlichen Risiken auf Gruppenebene im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten sicherstellt. Jedoch wurde für die Definition der Institutsgruppe wiederum auf die Vorschriften über das Eigenkapital in § 10a KWG a. F. abgestellt, sodass die Einordnung des Einflusses des Instituts als beherrschend nach den geltenden Regelungen wiederum vermieden werden konnte. Folglich waren Zweckgesellschaften auch im Rahmen des Risikomanagements nach § 25a KWG nicht einbezogen354. Nach der neuen Vorschrift erstreckt sich die Reichweite des Risikomanagements dagegen auf alle wesentlichen Risiken der Gruppe, unabhängig davon, ob diese von konsolidierungspflichtigen Unternehmen begründet werden oder nicht. Im Rahmen dieser Abkoppelung der Reichweite des Risikomanagements von der Konsolidierungspflicht werden Zweckgesellschaften ausdrücklich als zu berücksichtigende Gesellschaften genannt355. Mithin war nach den aufsichtsrechtlichen Vorgaben in Bezug auf das Risikomanagement auf Gruppenebene die Einbeziehung von Zweckgesellschaften bei der Risikobewertung jedenfalls nicht ausdrücklich vorgegeben. Damit lässt sich aus der Nichteinbeziehung der mit der Refinanzierung über die Zweckgesellschaft verbundenen Risiken, konkret der Inanspruchnahme aus den Liquiditätszusagen, jedenfalls kein offensichtlicher Verstoß gegen das Legalitätsprinzip ableiten.

VI. Heranziehen externer Ratings Ein entscheidender und viel diskutierter Punkt bei der Aufarbeitung von Geschäftsleiterverhalten im Vorfeld der Finanzmarktkrise ist auch das Stützen von Investmententscheidungen auf Ratings von Wertpapieren durch externe Agenturen356. In aufsichtsrechtlicher Hinsicht konnten zunächst hinsichtlich der Eigenkapitalanforderungen nach § 10 KWG, SolvV externe Ratings für die Festlegung der Ausfallwahrscheinlichkeit von Papieren bei den von der Bank verwendeten internen Risikomodellen herangezogen werden, wenn die Agentur durch die BaFin anerkannt worden war, §§ 41 ff., §§ 52 ff., 313 ff. SolvV357. 354 355 356 357

Siehe Hannemann/Schneider/Hanenberg, a. a. O., S. 63. Siehe Rundschreiben 15/2009 (BA), AT 4.5, Tz. 1. Vgl. nur Balthasar/Hamelmann, WM 2010, 589 (592). Siehe schon Dritter Teil: C.II.4.

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3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

Im Rahmen der Regulierung des Risikomanagements in § 25a KWG fanden sich zu externen Ratings dagegen kaum Hinweise. Das Rundschreiben 18/2005 (BA) wies in BTO 1.2., Tz. 3 zu den Anforderungen an die Prozesse im Kreditgeschäft darauf hin, dass hinsichtlich für Adressenausfallrisiken bedeutsamer Aspekte auf externe Quellen zurückgegriffen werden kann. Nach den Erläuterungen der BaFin zu dieser Vorschrift war gar die ausschließliche Verwendung externer Quellen möglich358. In den Erläuterungen fand sich jedoch auch die Einschränkung, dass auf der Grundlage der externen Quellen eine sachgerechte Beurteilung möglich sein muss. Das bedeutete zunächst, dass die extern verfügbaren Informationen für die interne Analyse des Adressenausfallrisikos geeignet sein mussten359. Nach jetzt vorzufindender Auffassung sollte es aber auch bedeuten, dass der Verzicht auf eigene Einschätzung des Adressenausfallrisikos nicht legitimiert war360. Das Rundschreiben 15/2009 (BA) hat diesen Aspekt des Begriffs der Sachgerechtheit in BTO 1.2, Tz. 4 jetzt ausdrücklich aufgenommen361. Ob sonach die aufsichtlichen Risikomanagementvorschriften hinsichtlich der Verwendung externer Ratings eine Absicherung hinsichtlich der Verwendung externer Informationen vorsahen, wie dies im Bereich der Eigenkapitalanforderungen der Fall war, ist zweifelhaft. Die Frage, ob und ab welchem Zeitpunkt die maßgebliche Heranziehung externer Ratings für die Bewertung von Finanzprodukten nach dem Gesellschaftsrecht sorgfaltswidrig war, dürfte sich am Begriff der Sachgerechtheit entscheiden. Die hier bereits mehrfach angedeutete Bedeutung der Branchenüblichkeit für die Bewertung von Risikomanagementmaßnahmen hat im Hinblick auf die Verwendung externer Ratings eine hervorgehobene Bedeutung. Hierauf wird zurückzukommen sein. Abzulehnen sind nach den vorangeganenen Ausführungen folglich Subsumtionsversuche, die unter Außerachtlassung der MaRisk allein die Generalklausel abstrakt als Maßstab heranziehen und ohne eine Beachtung der tendenziellen aufsichtsrechtlichen Anerkennung des jedenfalls maßgeblichen Rückgriffs auf externe Ratings für Adressausfallrisiken abstrakt prüfen, ob „alle verfügbaren Erkenntnisquellen ausgeschöpft wurden“ 362. 358 Erläuterungen zu MaRisk BTO 1.2., Tz. 3 in der Fassung vom 20.12.2005 – abrufbar unter http://www.bundesbank.de/download/bankenaufsicht/pdf/marisk/051220_ anl1.pdf (abgerufen am 25. April 2012). 359 Hannemann/Schneider/Hanenberg, a. a. O., S. 303; ein Punkt, der durch die §§ 18a und 18b KWG n. F. insofern aufgegriffen wird, als diese dafür Sorge tragen sollen, dass die bereitgestellten Informationen vom Empfänger auch nachvollzogen werden. 360 Hannemann/Schneider/Hanenberg, MaRisk (2008), S. 396; Florstedt, AG 2010, 315 (317). 361 „Die Verwendung externer Bonitätseinschätzungen enthebt das Institut nicht von seiner Verpflichtung, sich ein Urteil über das Adressenausfallrisiko zu bilden und dabei eigene Erkenntnisse und Informationen in die Kreditentscheidung einfließen zu lassen.“ 362 So das OLG Düsseldorf, AG 2010, 126 (128).

E. Konsequenzen

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VII. Zwischenergebnis Die Vorgabe klarer rechtlicher Handlungsanleitungen für komplexe wirtschaftliche Sachverhalte sowie für eine Vielzahl unterschiedlicher Institutsarten ist mit Schwierigkeiten verbunden. Das wird abermals deutlich an der über den haftungsrechtlichen safe harbour hinaus fortgesetzten Verwendung offener Rechtsbegriffe, die als Ausdruck eines prinzipienbasierten regulatorischen Ansatzes an vielen Stellen Gestaltungsspielräume eröffnen. Innerhalb der für die Bewertung der Geschäftsleitersorgfalt entscheidenden Vorschrift des § 25a KWG sind und waren vor der Finanzmarktkrise entsprechend viele Fragen nicht auf eine Art und Weise geregelt, die für eine rechtliche Aufarbeitung klare Linien aufzeigt. Rechtssicherheit lässt sich deshalb auch bei Annahme einer abschließenden Funktion des Aufsichtsrechts gegenüber dem gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsmaßstab nur begrenzt herstellen. Sicher ist allein, dass die Verwendung von valueat-risk-Modellen per se keine Pflichtverletzung begründen kann. Wenn eine Methode zur Informationsbeschaffung aufsichtsrechtlich anerkannt ist, muss der Geschäftsleiter vernünftigerweise annehmen dürfen, dass diese Informationsgrundlage jedenfalls der Art nach angemessen im Sinne des Gesellschaftsrechts ist. Hinsichtlich zusätzlicher im Zusammenhang mit der Krise diskutierter Fragen des Risikomanagements lassen sich auch in generischer Hinsicht letztverbindliche Antworten nur schwer finden. Wie anhand der vorangegangenen Ausführungen deutlich geworden ist, ist insofern die Bedeutung der Branchenüblichkeit als rechtlich relevanter Anhaltspunkt für die Erlaubtheit bzw. Rechtmäßigkeit von Verhalten ein entscheidender Faktor. Anhand der Vorgaben des § 25a KWG und der MaRisk allgemeine Vorgaben für ein erforderliches Verhalten abzuleiten, gelingt nur begrenzt. Abermals deutlich geworden ist auch die Tendenz im Rahmen der Aufarbeitung der Krise, über allgemeinere Vorschriften eine Pflichtverletzung herzuleiten. Der Streit um die Frage, ob § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG voraussetzt, dass „alle verfügbaren Informationen eingeholt“ 363 werden, verliert nach hier vertretener Auffassung jedoch insoweit Bedeutung, als der Spezialitätsgrundsatz eingreift.

VIII. Insbesondere: die Pflichtgemäßheit des Eingehens „existenzieller Risiken“ Sonach stellen sich im Weiteren zwei Fragen, die für Geschäftsleiterhaftung und -untreue auf der Pflichtwidrigkeitsebene zu beantworten wichtig sind. Zu klären ist, welche Rolle die Üblichkeit von Verhalten in gesellschaftsrechtlichen Haftungsmaßstäben – und in der Folge auch im Strafrecht – spielen kann. 363

Vgl. Balthasar/Hamelmann, WM 2010, 589 m.w. N.

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3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

Des Weiteren bleibt zu untersuchen, welche konkreten Auswirkungen die Aussagen über die abschließende Funktion aufsichtsrechtlicher Handlungsanweisungen für den gesellschaftsrechtlichen Pflichtenmaßstab auf die Ansicht hat, der Geschäftsleiter handele bei dem Eingehen von Risiken, die die Existenz der Gesellschaft zu gefährden geeignet sind, per se pflichtwidrig. Diese Annahme soll, unter Berücksichtigung auch der im diesem Zusammenhang diskutierten Klumpenrisiken, vor den Hintergrund der bisherigen Ergebnisse eingeordnet werden. 1. Das Verbot des Eingehens existenzieller Risiken in gesellschaftsrechtlicher Literatur und Rechtsprechung Im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum findet sich die Ansicht, Geschäfte bzw. Maßnahmen, die mit existenzgefährdenden Risiken verbunden sind, seien stets pflichtwidrig364. Auf der gleichen Linie liegt Rechtsprechung, die für die Frage der Pflichtwidrigkeit prüft, „ob der unwahrscheinliche, aber nicht auszuschließende negative Ausgang des beabsichtigten Geschäfts zu unangemessen hohen Risiken für den Bestand und die Entwicklung der Firma führen kann“ 365. Im Zusammenhang mit dem Erwerb von strukturierten Wertpapieren hat das OLG Düsseldorf gar ein allgemeines Gebot annehmen wollen, Klumpenrisiken zu vermeiden366. Festgemacht wird das kategorische Verbot der Existenzgefährdung an der seinerzeitigen Vorgabe des Bundesgerichtshofs im Urteil ARAG/Garmenbeck367, die Geschäftsleitung dürfe die Risikobereitschaft nicht „in unverantwortlicher Weise überspannen“ 368. Dogmatisch verortet wird diese „Unvertretbarkeit“ teilweise in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG und dort in der Maßgabe, zum Wohle der Gesellschaft handeln zu müssen369. Nicht nur hieran wird deutlich, dass sich hinter der Forderung des Verbots letztlich auch ein stakeholder-value-Ansatz verbirgt370. Ausnahmen werden allein für Gesellschaften in der Krise erwogen, in der jede in Frage kommende Rettungsmaßnahme zugleich die Gefahr des Unternehmensuntergangs in sich trägt371. 364 Zuerst Mertens, in: KölnKommAktG (1996), § 93, Rn. 48 f.; MünchKommAktG/ Spindler, § 93, Rn. 25 unter Berufung auf BGHZ 69, 207; Lutter, ZIP 2009, 197 (199); Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 93, Rn. 13; Spindler/Stilz-Fleischer (2007), § 93, Rn. 75; Freund, GmbHR 2001, 238 (242). 365 OLG Jena, NZG 2001, 86 (87). 366 AG 2010, 126 (127 f.). 367 BGHZ 135, 244 (253). 368 Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 93, Rn. 13. 369 Krieger/Sailer, a. a. O. 370 Vgl. auch Florstedt, AG 2010, 315 (319, Fn. 54), der darauf hinweist, dass die ursprüngliche Äußerung Mertens’ einem Gesamtkonzept entspringt, nach dem die Erhaltung des Unternehmens gesamtwirtschaftlichen Interessen diene, siehe auch Mertens selbst, a. a. O. 371 Vgl. MünchKommAktG/Spindler, § 93, Rn. 50.

E. Konsequenzen

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Nach auch schon früher gegenteiliger Ansicht stellt das Eingehen existenzgefährdender Risiken nicht automatisch eine Pflichtverletzung dar372. Der Geschäftsleitung müsse es auch außerhalb der Insolvenzgefahr offenstehen, trotz unsicherer Ertragsaussichten bspw. in neue Technologien zu investieren, um nicht langfristig vom Markt verdrängt zu werden373. Insbesondere im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise wird zudem vertreten, ein kategorisches Verbot lasse sich in seiner vollen Strenge gerade im Bankensektor nicht durchhalten, weil jedem Wertpapier- und Kreditgeschäft ein theoretisch denkbarer Totalverlust als Maximalrisiko innewohne374. Danach ist es insbesondere ausgeschlossen, eine Pflichtverletzung bei Maßnahmen zu bejahen, die ein extrem geringes, aber existenzvernichtendes Risiko beinhalten375. Teilweise wird zwischen konkreten und abstrakten Bestandsgefährdungen unterschieden, wobei erstere durch die überwiegende Wahrscheinlichkeit der Realisierung des bestandsgefährdenden Risikos charakterisiert und stets pflichtwidrig sein sollen376. Das Eingehen des Risikos eines unwahrscheinlichen worst case einer Existenzvernichtung soll dagegen als abstrakte Gefahr nicht automatisch pflichtwidrig sein377. 2. Insbesondere: das Eingehen von Klumpenrisiken Sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung findet sich die konkrete Äußerung, das Eingehen von Klumpenrisiken entspreche nicht der Geschäftsleitersorgfalt, sondern sei stets pflichtwidrig378. Konkret bei der Investition eines Großteils der Aktivmittel in MBS habe es sich um eine unerlaubte Konzentration von Risiken gehandelt379. Im Anschluss an die Portfoliotheorie und das CAPM ist von einem Klumpenrisiko zu sprechen, wenn große Teile des Anlagevermögens nur in einige wenige 372 Siehe schon Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 110; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 43, Rn. 70 f.; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, § 93 Abs. 1 Satz 2, 4 n. F., Rn. 36; Balthasar/Hamelmann, WM 2010, 589 (590) unter Berufung auf BGHZ 175, 365 („UMTS“). 373 Balthasar/Hamelmann, WM 2010, 589 (590) unter Berufung auf BGHZ 175, 365 („UMTS-Urteil“); kritisch auch Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen, S. 328 ff.; Florstedt, AG 2010, 315 (319, Fn. 54); Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, § 93 Abs. 1 Satz 2, 4 n. F., Rn. 36. 374 Fleischer, NJW 2010, 1504 f.; Schäfer/Zeller, DB 2009, 1706 (1708); vgl. auch bereits Kiethe, BKR 2005, 177 (180) und die Regierungsbegründung zu § 91 AktG, BTDrucks. 13/9712, S. 15 sowie oben bei Fn. 182 (Erster Teil). 375 Dies ausdrücklich befürwortend Lutter, ZIP 2009, 197 (199). 376 Redeke, ZIP 2010, 159 (160). 377 Redeke, a. a. O. (167). 378 OLG Düsseldorf, AG 2010, 126 (127); ebenso OLG Frankfurt, BeckRS 2008, 2699 (insoweit in AG 2008, 453 nicht abgedruckt); Lutter, ZIP 2009, 197 (199); aus strafrechtlicher Sicht Schumann, in: Hdb. Wirtschaftsstrafrecht, § 67, Rn. 59. 379 OLG Düsseldorf, AG 2010, 126 (127); Lutter, ZIP 2009, 197 (199).

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3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

Titel investiert werden oder wenn viele Einzelanlagen eines Portfolios in ihrer Wertentwicklung eine hohe positive Korrelation aufweisen380. Die Risikokonzentration kann sich danach vor allem aus einer Adressenkonzentration oder einer Sektorkonzentration ergeben381. Nach dieser Definition des Begriffs kann die Bestandsgefährdung des Gesamtunternehmens aus dem Eingehen eines Klumpenrisikos resultieren, ist mit ihm aber nicht identisch. 3. Die Erlaubtheit existenzgefährdenden Handelns vor dem Hintergrund von Risikobereitschaft und Risikoeinsicht Die Annahme, dass existenzgefährdende Risiken allgemein bzw. das Eingehen von Klumpenrisiken stets pflichtwidrig sind, muss nach hier vertretener Ansicht unzutreffend sein, soweit sich das Aufsichtsrecht damit befasst und die einschlägigen Vorgaben eingehalten werden. Für eine rechtliche Einordnung des Problems ist es zudem im Ausgang sinnvoll, zwischen der Risikobereitschaft und der Risikoerkenntnis der Geschäftsleitung zu unterscheiden382. a) Risikoeinsicht Risikobereitschaft setzt voraus, dass ein bestimmtes Risiko erkannt wird. In welchem Umfang erkannte Risiken eingegangen werden dürfen, ist prinzipiell eine Frage, die die Verteilung von Kompetenzen in der aktienrechtlichen bzw. gesellschaftsrechtlichen Verfassung betrifft383. Ausgangspunkt einer Prüfung ist insofern die Satzung der Gesellschaft und die ergänzenden gesellschaftsrechtlichen Vorschriften. Das Eingehen erkannter Risiken war jedenfalls vor der Krise grundsätzlich kein allzu scharf diskutiertes Problem der Geschäftsleiterhaftung. Und in der Tat liegt das auch in rechtlicher Hinsicht vorgelagerte Problem einer Haftung für das Eingehen existenzgefährdender Risiken weniger bei einem insofern vorhandenen Bewusstsein, als bei dem Erkennen des Risikos an erster Stelle. Es nimmt deswegen nicht wunder, wenn frühere Gegenstimmen des Verbots sich vor allem darum sorgen, dass sich eine unerkannte Existenzgefahr realisiert und der Geschäftleiter sodann als Opfer des hindsight bias für seine unzutreffende Prognose zur Verantwortung gezogen wird384. Es dürfte sich auch nicht um einen Zufall handeln, dass bei der Unterscheidung zwischen abstrakter und konkreter 380

Fleischer/Schmolke, ZHR (173) 2009, 649 (656) mit ausführlicher Herleitung. Fleischer/Schmolke, a. a. O. (657). 382 Vgl. Florstedt, AG 2010, 315 (321). 383 Siehe bereits Erster Teil: B.I.3.b) sowie Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 43, Rn. 71 für die Befassung der Gesellschafterversammlung der GmbH nach § 49 Abs. 2 GmbHG mit der Entscheidung über die Durchführung einer Maßnahme, nachdem festgestellt wurde, dass eine Existenzgefahr besteht; vgl. auch Redeke, ZIP 2010, 159 (167). 384 Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 110 f.; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 43, Rn. 71; siehe auch Spindler, NZG 2010, 281 (284). 381

E. Konsequenzen

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Existenzgefahr für den ersten Fall ein „Verfahrensansatz“ befürwortet wird, während die konkrete Gefährdung stets verboten sein soll385. Die konkrete, also die überwiegend wahrscheinliche Gefahr der Realisierung, ist nämlich regelmäßig eine erkannte, und wird die abstrakte Gefahr erkannt, werden neben der vom safe habour geforderten Beschaffung angemessener Informationen regelmäßig weitere Organe als zusätzliche Entscheidungsträger hinzuzuziehen sein386. Wird eine konkrete Gefahr nicht erkannt, kann dies nicht allein deswegen pflichtwidrig sein, weil sie sich im Nachhinein nicht als abstrakt, sondern konkret herausgestellt und deswegen den Verfahrensansatz nicht verdient haben soll. Auch die Rechtsprechung hat jüngst allein daraus, dass ein Rechtsgeschäft zu einer Insolvenz geführt hat, keine Pflichtverletzung abgeleitet387. Die Unterscheidung in konkrete und abstrakte Gefährdung führt nicht weiter, weil sie Risikoerkennung und Risikobereitschaft nicht unterscheidet und über die materielle Grenzziehung hinaus, dass ein Risiko nicht unvertretbar sein darf, nichts beiträgt. Die Unterscheidung macht damit die Fragwürdigkeit der Evidenzkontrolle als Ansatzpunkt einer Pflichtwidrigkeitsprüfung besonders deutlich388. Wie gezeigt, ist außerdem zwischen der Einzelinvestmententscheidung und dem Risikomanagement zu differenzieren389. In ersterer Hinsicht ist die Evidenzkontrolle typischerweise ohne Wert, weil hier die Renditeaussicht stark im Vordergrund steht und die Entscheidung in ihrer Pflichtgemäßheit nicht ohne die Analyse der Effizienz des Investments bewertet werden kann. Wird bei einer Einzelentscheidung die Existenzgefahr erkannt, handelt die Geschäftsleitung selten völlig eigenständig. Tut sie es dennoch, befindet man sich in der Nähe treuwidrigen Verhaltens in gesellschaftsrechtlichem Sinne. Das Gesamtrisikomanagement betrifft dagegen gerade das Bestreben, die Gesamtrisiken der Einzelinvestments zu kontrollieren. Richtigerweise müssen Geschäftsleiter auch Chancen und Risiken abwägen dürfen und nach der Abwägung „exorbitante“ Kosten in Kauf nehmen können, wenn dem entsprechende Ertragsaussichten gegenüber stehen390. Dass hier neben den Risiken die Chancen einer Investitition Berücksichtigung finden müssen, sagt allerdings nichts darüber aus, ob das einzugehende Risiko erkanntermaßen existenzgefährdend sein darf. Es handelt sich hierbei lediglich um eine Pflichtenbeschränkung auf der Ebene des Verfahrens der Entscheidungsfindung, eine materielle Erlaubnis existenzgefährdender Maßnahmen liegt darin nicht391.

385 Redeke, ZIP 2010, 159 (167) mit gleichzeitiger Entschuldigung beim Zeitgeist für diesen „liberaleren Ansatz“. 386 Vgl. Redeke, a. a. O. (166 f.). 387 BGHZ 179, 71 („MPS“). 388 Zweiter Teil: B.IV.3.d)ee). 389 Dritter Teil: D.I.2. 390 Insofern zurecht sich auf BGHZ 175, 365 berufend Balthasar/Hamelmann, WM 2010, 589 (590); der Entscheidung auch zustimmend Fleischer, NZG 2008, 371 f. 391 Ablehnend letztlich auch bereits BGHZ 75, 120 (126) („Herstatt“).

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Da, wie häufig der Fall, die gesellschaftsrechtliche Legalverfassung keine Vorgaben zur Risikoerkennung macht, gilt für die Geschäftsleitersorgfalt hinsichtlich der Risikoerkennung zunächst der gesellschaftsrechtliche safe harbour sowie, soweit anwendbar, auch die speziellen Vorschriften des Aufsichtsrechts. Die Vorgaben, die das Aufsichtsrecht hinsichtlich der Risikoerkennung macht, sind, wie dargestellt, sehr umfassend. Werden deshalb bspw. § 25a KWG inklusive der MaRisk eingehalten, muss eine gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung bei dem Verfahren der Risikoerkennung im zuvor dargestellten Umfang unabhängig von einer wie auch immer gemessenen Konkretheit der Existenzgefahr ausscheiden. Der Ansicht, die sich an einem kategorischen Verbot der Existenzgefährdung orientiert, bleibt deshalb nur, die Pflichtwidrigkeit des Eingehens unerkannter Risiken materiell aus einer vom Verfahren der Entscheidungsfindung losgelösten Unverantwortlichkeit abzuleiten. b) Risikobereitschaft Zu untersuchen bleibt folglich, welche Vorgaben das dem Gesellschafts- und Strafrecht vorgelagerte Recht hinsichtlich des Umgangs mit erkannten Risiken macht. aa) Klumpenrisiken Betrachtet werden soll zunächst das Eingehen erkannter Konzentrationsrisiken. Wie gesehen392, befasste sich das Bankaufsichtsrecht mit Klumpenrisiken vor allem im Rahmen der Großkreditvorschriften in §§ 13 ff. KWG. Diese Vorschriften erfassen jedoch lediglich die Risikozerfällung bezogen auf mehrere Kreditnehmer393. Das Risiko, einen Großteil des Anlagevermögens auf einige wenige Kreditnehmer zu verteilen, ist bei „normalen“ Krediten im Grundsatz verhältnismäßig einfach zu erkennen. Es existieren darüber hinaus im Grundsatz in den §§ 13 ff. KWG klare rechtliche Grenzen, innerhalb derer das Eingehen derartiger Risiken möglich ist. Dass im Falle des Erwerbs und Haltens von Wertpapieren der Begriff des Kreditnehmers nicht immer klar zu bestimmen ist394, stellt ein Subsumtionsproblem dar, das mit den Grenzen des erlaubten Risikoausmaßes hinsichtlich des Portfolios nichts zu tun hat. Derartige Konzentrationen bei Adressausfallrisiken waren auch im Zusammenhang mit dem Erwerb von subprime-Papieren nicht das entscheidende Problem; die Verbriefungsstruktur und

392

Dritter Teil: E.IV. Fleischer/Schmolke, a. a. O. (663). Schon deshalb ist unzutreffend, von der Existenz der §§ 13 ff. KWG auf ein allgemeines Verbot des Eingehens von Klumpenrisiken rückzuschließen, so aber Lutter, ZIP 2009, 197 (199, Fn. 11). 394 Siehe oben Dritter Teil: C.II.3. 393

E. Konsequenzen

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das Investment in Portfolien höherer Ordnung stellten im Ausgang gerade eine insofern hochdiversifizierte Vermögensanlage dar395. Ob die Zerfällung des Risikos auch tatsächlich zu einem geminderten Gesamtadressenausfallrisiko deswegen führt, weil die mit den einzelnen Titeln verbundenen Risiken nicht miteinander korrelieren396, ist dagegen nicht ohne Weiteres erkennbar. Bezüglich der Bewertung einer so verstandenen Diversifizierung des Risikos kommen das Risikomanagement als Mittel der Erkenntnis und die insoweit anwendbaren Vorschriften zur Geltung. Zu Sektorrisiken, zu denen auch die geographische Konzentration privater Schuldner gehört397 sowie zum Branchenrisiko des US-Immobilienmarktes fanden sich in den vor der Krise geltenden bankaufsichtsrechtlichen Vorschriften zwar lediglich Andeutungen. § 25a KWG und die MaRisk befassten sich nicht konkret damit, wie ein Institut zur Senkung seines Gesamtrisikoprofils Positionen mit einer möglichst niedrigen Korrelation miteinander zu kombinieren hatte398. Sie erwähnten Risikokonzentrationen aber sehr wohl. Diese sollten begrenzt und vor allem auch gesteuert werden. Der Normbefehl des § 25a KWG erfasste folglich nicht allein das Erkennen von Risikokonzentrationen, sondern auch den Umgang mit diesen im Falle des Erkennens. Dieser Normbefehl geht damit über den des § 91 Abs. 2 AktG hinaus, der auf die Früherkennung begrenzt ist399. Im Anwendungsbereich des KWG muss das bewusste Eingehen von Risikokonzentrationen somit erlaubt sein, womit die Annahme, es gebe ein grundsätzliches Gebot, Klumpenrisiken zu vermeiden, nicht nur unbewiesen400, sondern auch in dogmatischer Hinsicht widerlegt ist401. Es kann danach auch keine generelle gesellschaftsrechtliche Pflicht geben, Risiken zu minimieren402. Ginge man dagegen davon aus, die Risikomanagementvorschriften befassten sich allein mit dem Erkennen von Risiken, so wäre die Steuerung der Risiken allein innerhalb der gesellschaftsrechtlichen Generalklausel zu bewerten403. Wiederum nicht gesagt ist mit dem Vorhergehenden, ob die Steuerung der Risikokonzentrationen ordnungsgemäß erfolgt oder ob eine Pflichtwidrigkeit deswegen zumindest indiziert ist, weil Sektorrisiken eingegangen wurden, obwohl die hierzu notwendigen Informationsvorteile nicht vorhan395

Fleischer, NJW 2010, 1504 (1505). Vgl. auch Fleischer/Schmolke, a. a. O. (663); bspw. wegen des sinkenden Preises von Immobilien auf dem US-Markt. 397 Fleischer, a. a. O. 398 Dritter Teil: E.IV. Dies mag auch daran liegen, dass für die Handhabung von Sektorkonzentrationen keine allgemein akzeptierten Methodenstandards existieren, siehe Fleischer/Schmolke, a. a. O. (658 und 686), die auch darauf hinweisen, dass Konzentrationsrisiken die am schwersten kalkulierbare Verlustgefahr darstellen. 399 Vgl. Redeke, a. a. O. (161 f.). 400 Florstedt, a. a. O. (320). 401 Aus betriebswirtschaftlicher Sicht Fleischer/Schmolke, a. a. O. (659) m.w. N. 402 Ablehnend auch Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen, S. 329. 403 So Redeke, a. a. O. (161) für § 91 Abs. 2 AktG. 396

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3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

den waren404. Wenn auch kein Verbot, so besteht insofern für das Eingehen von Klumpenrisiken ein Rechtfertigungsbedürfnis405. bb) Value at risk und Konfidenzniveau Der Normbefehl der aufsichtsrechtlichen Risikomanagementvorschriften umfasst über das Erkennen und Steuern von Risikokonzentrationen hinaus keine materielle Handlungsanweisung hinsichtlich der Grenzen des erlaubten Risikos. Denn die Vorschriften stellen eine Konkretisierung der Anforderungen an die Informationsbeschaffung im Gesellschaftsrecht dar, welches die materielle Bewertung von Geschäftsleiterverhalten eben selbst eingeschränkt hat. Die Frage, ob das Eingehen existenzgefährdender Risiken unabhängig vom Entscheidungsverfahren erlaubt ist, lässt sich nur materiell beantworten, indem man eine vom Verfahren der Entscheidungsfindung unabhängige „Unvertretbarkeit“ des Eingehens solcher Risiken bejaht. Zunächst innerhalb des safe harbour ist dagegen die Frage beantworten, ob das Ignorieren der Verlustrisiken, die außerhalb des Konfidenzniveaus des value at risk anfallen konnten, pflichtwidriges Geschäftsleiterverhalten darstellte. Auch ausgehend davon, dass es zutrifft, dass jedem Wertpapier- und Kreditgeschäft das Risiko eines Totalverlustes innewohnt406, bedarf es theoretisch noch eines weiteren Schrittes für die Feststellung, dass deswegen das Ignorieren möglicher Maximalrisiken im Falle eines worst case bei der Informationsbeschaffung erlaubt ist. Die Frage ist ja gerade, an welcher Stelle die Informationsbeschaffung aufhören darf, um eine Pflichtverletzung auszuschließen. An dieser Stelle muss eine Bewertung des Eingehens von Risiken ansetzen, die bei value-at-risk-Modellen außerhalb des Konfidenzniveaus angesiedelt sind. Wenn das Aufsichtsrecht als Niveau 99 % vorschreibt, sich aber nicht dazu äußert, welches Ausmaß der Verlust außerhalb dieses Niveaus annehmen darf, dann scheint dies zumindest dafür zu sprechen, dass es erlaubt ist, im Ungewissen darüber zu bleiben, ob Verluste außerhalb des Niveaus existenzgefährdend sind, d.h. das Risiko einzugehen, dass ein Portfolio ein Existenzvernichtungsrisiko beinhaltet. Erlaubt wäre danach das Eingehen des Risikos der Unwissenheit darüber, welches Risiko ein Verhalten beinhaltet. Jedoch sahen die MaRisk auf der Verfahrensseite den Einsatz von Szenariobetrachtungen gerade vor, um auch extrem unwahrscheinliche Ereignisse in ihrer Verlustauswirkung zu erfassen407. Hinsichtlich der Szenariobetrachtungen bestand allerdings wiederum Methodenfreiheit. Es bleibt letztlich vom Einzelfall abhängig, in welchem Umfang das Gesellschaftsrecht akzeptiert, dass die 404 405 406 407

Verneinend für die IKB Fleischer, NJW 2010, 1503 (1505). Fleischer/Schmolke, a. a. O. (677). Siehe Fn. 374 (Dritter Teil). Dritter Teil: E.III.

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Geschäftsleitung existenzgefährdende Risiken ohne Rücksprache mit den Anteilseignern nicht vollständig erforscht. c) Relevanz der Dogmatik zum existenzvernichtenden Eingriff Die Unterscheidung zwischen Risikoeinsicht und Risikobereitschaft bzw. die Zuweisung der gesellschaftsrechtlichen Kompetenz der Verantwortung für das Eingehen erkannt existenzgefährdender Risiken hin zu den Anteilseignern, wirft die Frage auf, wie die bisherigen Ergebnisse vor den Hintergrund der Rechtsprechung zum existenzvernichtenden Eingriff408 einzuordnen sind. Fraglich ist, ob die Existenzgefährdung nicht schon aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Dispositionsgrenzen für die Anteilseigner immer objektiv pflichtwidrig sein muss. Dies würde bedeuten, dass das Betreiben von Geschäften mit einem theoretischen Existenzgefährdungsrisiko auch bei entsprechender Risikoneigung des Treugebers stets pflichtwidrig wäre. Angesichts einer möglichen Nähe von Totalverlusten bezüglich bestimmter Portfolioinvestments zur Existenzgefährdung der Gesellschaft409 bestünde hier in der Tat die Gefahr einer Lähmung der unternehmerischen Tätigkeit im Finanzbereich410. Die Rechtsprechung hat jedoch unternehmerische Entscheidungen der Anteilseigner, die sich im Nachhinein als nachteilig erweisen, von der Haftung für den existenzvernichtenden Eingriff ausdrücklich ausgenommen411. Der Haftungstatbestand bezieht sich danach nicht auf Managementfehler im Rahmen des Betriebs, sondern setzt den gezielten und insbesondere betriebsfremden Zwecken dienenden Entzug von Vermögenswerten voraus412. Die Anforderungen wurden insofern noch einmal erhöht, als der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs das Haftungskonzept zwischenzeitlich auf die Grundlage des § 826 BGB gestellt hat413. Dessen Merkmal der Sittenwidrigkeit hält die Rechtsprechung nurmehr unter dem Aspekt der „Selbstbedienung“ des Gesellschafters vor den Gläubigern der Gesellschaft für gegeben414. Die Insolvenzfolge ist damit nur noch bei planmäßiger Entziehung von Gesellschaftsvermögen haftungsrelevant415. Entscheidend für eine Bewertung des Geschäftsleiterverhaltens ist danach die Abgrenzung zwischen Vorgaben zur Risikopolitik und konkreten, gezielten Eingriffen. Nur im ersten Fall ist das Einverständnis der Anteilseigner wirksam und 408

Grundlegend BGHZ 149, 10, 16 f. („Bremer Vulkan“). So Schäfer/Zeller, BB 2009, 1706 (1708) und Fleischer, NJW 2010, 1504 (1506). 410 Vgl. Fleischer, a. a. O. 411 BGH ZIP 2005, 250 (252). 412 BGH a. a. O.; zustimmend Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 43, Rn. 71; Gehrlein, BB 2005, 613 (614); sowie Freund, GmbHR 2011, 238 (243). 413 BGHZ 173, 246 („Trihotel“). 414 BGHZ 173, 246 (258). 415 Altmeppen, NJW 2007, 2657 (2658). 409

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3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

kann den Geschäftsleiter befreien, wenn eine Existenzgefährdung tatsächlich eintritt. Die Abgrenzung zwischen diesen in der Rechtsprechung zum existenzgefährdenden Eingriff erfassten Maßnahmen einerseits und risikopolitischen Vorgaben, bei denen sich Existenzgefährdungen – aufgrund des Unternehmensgegenstandes – nicht ausschließen lassen andererseits, sind ein wichtiger Ansatzpunkt für den Umgang der Rechtspraxis mit der Aufarbeitung der Krise und ein wichtiger Scheidepunkt für die Bewertung der Haftung der exekutiv Verantwortlichen416. Nach alledem stellt die Zuweisung der gesellschaftsrechtlichen Kompetenz für das Eingehen einer potenziell Existenzgefährdungen beinhaltenden Risikopolitik nach derzeitiger Rechtslage kein rechtliches Abseits dar, das die notwendigermaßen spekulative Tätigkeit von Finanzunternehmen lähmt. Fraglich bleibt, inwiefern Gesellschaftsverfassungen mit der Tatsache, dass sich Existenzgefährdungen nach dem Unternehmensgegenstand nicht völlig vermeiden lassen, umgehen417. d) Zwischenergebnis Festzuhalten ist, dass im Zusammenhang mit dem Erwerb von strukturierten Wertpapieren eine Bewertung des Eingehens existenzgefährdender Risiken von Geschäftsleitern sich rechtlich letztlich entscheidend auf der Seite der Risikoerkennung, d.h. beim Entscheidungsverfahren, abspielt. Hier gilt, dass mit Komplexität und Umfang eines Investments die Anforderungen an das Erkenntnisverfahren steigen. Fraglich bleibt insbesondere, welche Szenariobetrachtungen nach Art und Umfang der betriebenen Geschäfte angemessen im Sinne der MaRisk waren und ob im Einzelfall die alleinige Heranziehung externer Einschätzungen unsachgerecht war. Soweit das Aufsichtsrecht zur Verhinderung existenzgefährdender Risiken als die gesellschaftsrechtliche Sorgfaltsgeneralklausel ausfüllendes Recht eingehalten wird, muss allerdings eine verbleibende, unter Umständen nie völlig zu eliminierende Bestandsgefährdung im Sinne einer abstrakten, d. h. hier trotz Einhaltung von konkreten gesetzlichen Vorgaben eintretenden Gefahr, sowohl für das Gesellschaftsrecht als auch in der Folge für das Strafrecht unbeachtlich sein418. Aussagen, die über einen abstrakten Schluss, dass „das Auf416

Vgl. auch Gehrlein, BB 2005, 613 (614). In einer GmbH könnte eine entsprechende Satzungsvorschrift etwa wie folgt lauten: „Das Unternehmen betreibt [Unternehmensgegenstand]. Risiken, die die Existenz der Gesellschaft gefährden, sind zu vermeiden. Die Geschäftsleitung trägt dem durch Einrichtung eines angemessenen Risikomanagement Rechnung. Gleichwohl auftretender, aufgrund des Unternehmensgegenstandes nie völlig auszuschließender Risiken für die Existenz der Gesellschaft stimmen die Gesellschafter mit der Maßgabe im Voraus zu, dass es sich bei diesen Risiken um solche handelt, die mit dem Unternehmensgegenstand in unmittelbaren Zusammenhang stehen und nicht mutwillig eingegangen werden.“ 418 Im Ergebnis ebenso Becker/Walla/Endert, WM 2010, 875 (881). 417

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sichtsrecht um die Solvenz der Kreditinstitute ringt“, zu einer Pflichtwidrigkeit existenzgefährdender Handlungen zu gelangen419, sind abzulehnen. Sofern in ihnen nicht die – abzulehnende – kategorische Aussage der Pflichtwidrigkeit existenzgefährdender Maßnahmen zu entnehmen ist, tragen sie den Verdacht der mangelnden Unterscheidung zwischen Risikoerkennung und Risikobereitschaft in sich420. Das Eingehen erkannt existenzgefährdender Risiken bleibt dagegen eine gesellschaftsrechtliche Kompetenzfrage bzw. eine Frage der gesellschaftsrechtlichen Disposition. Für diesen Bereich muss es dabei bleiben, dass dies, wenn überhaupt, nur auf Anteilseignerseite in Übereinstimmung mit gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen erfolgen kann. Die Grenzen zwischen dem Erkennen und bewussten Eingehen bzw. Ignorieren von Risiken sind freilich fließend. Die Grenzziehung zwischen der Eigenverantwortlichkeit der Exekutive bei der Ausgestaltung des Risikomanagements und der Kompetenz weiterer Organe ist problematisch. Auch wann eine Geschäftsleitung aufgrund neuer Erkenntnisse ihre Erkenntnisbemühungen ausweiten muss, ist eine Frage des Einzelfalls. Das wird deutlich am Problem der Berücksichtigung des Verlustausmaßes jenseits des Konfidenzniveaus. Dogmatisch entscheidend ist hier das Merkmal der vernünftigen Annahme über die Angemessenheit der Information, das zugleich eine materielle Bewertung in die Entscheidungsfindung einführt. Geht man davon aus, dass die aufsichtsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich der einzusetzenden Verfahren nicht abschließend sind, so wäre außerdem im Einzelnen die Frage zu beantworten, ob und ab welchem Zeitpunkt bspw. ein CVaR-Ansatz eingesetzt werden musste. Üblich war dies vor Ausbruch der Krise nicht421. Die aufsichtsrechtlichen Vorgaben des KWG und der MaRisk hinsichtlich der Risikoerkennung und -steuerung eröffnen teilweise recht erhebliche Gestaltungsspielräume, die in Verlängerung des gesellschaftsrechtlichen safe harbour das Festhalten des Geschäftsleiters an einzelnen Pflichtverletzungen erschweren. Entscheidende Bedeutung für die Bewertung der Pflichtgemäßheit kommt deshalb der Branchenüblichkeit bestimmter Verfahrensweisen zu. 4. „Too big to fail“ – Systemrelevanz als Anknüpfungspunkt für erhöhte Sorgfaltspflichten? Fraglich ist, inwiefern sich die Sorgfaltsanforderungen an die Geschäftsleitung verändern, wenn und weil eine Bank systemische Bedeutung hat. Böttcher hat im 419 420 421

So aus strafrechtlicher Sicht Schröder, NJW 2010, 1169 (1172). Siehe auch unten bei Fn. 214 (Vierter Teil) und Fünfter Teil: C.II. Siehe Fn. 129 (Dritter Teil).

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3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

Zusammenhang mit der Krise die Frage aufgeworfen, ob der besonderen Bedeutung einer Bank für die gesamte Finanzwirtschaft eine besondere Sorgfaltspflicht folgen muss422. Systemrelevanz meint hier die hervorgehobene Bedeutung einer Bank für das Wohlergehen der gesamten Finanzwirtschaft. Ausgehend von einer grundsätzlich abschließenden Wirkung der Risikomanagementvorschriften des Aufsichtsrechts gegenüber der Generaklausel hätte dies zur Folge, dass im Falle systemrelevanter Banken deren Einhaltung nur Indizwirkung haben kann423. Das Problem berührt die soeben diskutierte Bestimmung der Sorgfaltsanforderungen, wenn die Maßnahme zur Existenzgefährdung der Gesellschaft führen könnte424. Das bedeutet nach dem soeben Gesagten zugleich, dass sich hinsichtlich erkannt existenzgefährdender Risiken kein Unterschied daraus ergeben kann, ob eine Bank Systemrelevanz aufweist. In Frage steht allein eine Erhöhung der Anforderungen bei der Risikoerkennung. Und insofern ist eine Erhöhung der Anforderungen abzulehnen. Unabhängig davon, dass der Gesetzeszweck des KWG Banken ganz allgemein eine gewisse Systemik unterstellt425, scheint es auch von einem stakeholder-value-Ansatz426 aus unangemessen, besondere öffentliche Zwecke, die sich in ihrer Differenzierung aus dem öffentlichen Recht selbst jedenfalls nicht eindeutig ergeben, in das haftungsrechtliche Innenverhältnis zu übernehmen. Dies führte zu erheblicher Rechtsunsicherheit. Auch wenn die Generalklausel in ihren Schutzzweck nicht allein die Anteilseigner einbezieht, scheint es nicht haltbar, die Verantwortung für die Funktionsfähigkeit des gesamten Finanzmarktes als mehr oder weniger diffuse Pflichtenvorgabe über das Legalitätsprinzip in das gesellschaftsrechtliche Haftungsregime hineinzuziehen.

IX. Die Bedeutung der Branchenüblichkeit für den Sorgfaltsmaßstab für Geschäftsleiter Wie schon bei der Frage, welche Entlastungswirkung das Einhalten der aufsichtsrechtlichen Vorgaben haben kann, hat die Finanzmarktkrise als raumgreifendes Phänomen eine Diskussion auch darüber angeregt, ob und wie die Tatsache, dass bestimmte Fehleinschätzungen offenbar verbreitet waren sich entlastend auswirken kann, weil die Maßnahmen und Verhaltensweisen, die zu diesen Fehleinschätzungen geführt haben, der Branchenüblichkeit entsprachen427. Dem soll 422

Böttcher, NZG 2009, 1047 (1050). So im Ergebnis Böttcher, a. a. O. (1052). 424 Zutreffend Böttcher, a. a. O. (1052). 425 Claussen, Bank- und Börsenrecht, S. 10 f. 426 Im deutschen Aktienrecht ist wohl ein moderater Shareholder-Value-Ansatz herrschend, siehe zur Diskussion Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 36 ff. 427 Siehe Schäfer/Zeller, BB 2009, 1706 (1710); Böttcher, NZG, 1049 (1051 f.); Fleischer, NJW 2010, 1503 (1506); ders., in: Spindler/Stilz, § 93, Rn. 93. 423

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im Folgenden nachgegangen werden. In diesem Zusammenhang ist insbesondere die branchenweite Verwendung externer Ratings genauer zu erörtern. Gesellschaftsrechtliche Vorgaben, insbesondere der Rechtsprechung, haben dabei auch für die strafrechtliche Bewertung von Geschäftsleiterverhalten im objektiven Untreuetatbestand Bedeutung. 1. Branchenüblichkeit und Geschäftsleitersorgfalt in Rechtsprechung und Literatur Die Rechtsprechung berücksichtigt bei der Beurteilung des Verhaltens der Geschäftsleiter von Banken eine „Banküblichkeit“. Bankübliche Standards bei der Kreditgewährung, etwa das Bestellen jeweils üblicher Sicherheiten oder die Einbeziehung bestimmter Gremien, spielen dabei jedoch nicht als Haftungsobergrenze, sondern lediglich als Mindeststandard eine Rolle428. Namentlich das OLG Frankfurt hat zudem eine Verknüpfung zwischen den in der Entscheidung relevanten Verwaltungsvorschriften der MaK und branchenüblichen Mindeststandards hergestellt429. Die überwiegende Literaturmeinung hinsichtlich einer Haftungsbegrenzung durch branchenübliches Verhalten war vor der Krise, dass, wie bei den Sorgfaltsmaßstäben des allgemeinen Zivilrechts, die Normativität des Maßstabs der gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsgeneralklauseln eine entlastende Wirkung der abweichenden Üblichkeit vom Erforderlichen ausschließt430. Diese Ansicht hat auch nach der Krise grundsätzlich Bestand431. Es finden sich jedoch auch Stimmen, die eine Entlastungswirkung der verkehrsüblichen Sorgfalt in den Raum stellen432, wobei branchenübliche betriebswirtschaftliche Standards und Risikomodelle eine explizite Erwähnung finden433. Konkret bezogen auf den Anwendungsbereich des KWG wird teilweise die von der Rechtsprechung befürwortete Verwendung der banküblichen Gepflogenheiten als Mindeststandard für das Risikomanagement als zu streng empfunden. Da die Vorschriften des KWG und der MaRisk die individuellen Unterschiede der Institute berücksichtigten, müsse der Pflichtenmaßstab auch institutsspezifisch festgestellt werden434. Nach anderer Ansicht wird dagegen eine Erhöhung der Anforde428

Siehe BGH NZG 2002, 195 (197); NZG 2005, 562 (563); NZG 2007, 231 (232). AG 2008, 453 (454 f.). 430 Hopt, in: GroßKommAktG § 93, Rn. 79; Hüffer, 6. Auflage 2004, § 93, Rn. 4. 431 MünchKommAktG/Spindler, § 93, Rn. 24; Fleischer, NJW 2010, 1503 (1506), ders., in: Spindler/Stilz, § 93, Rn. 93; Böttcher, NZG 2009, 1048 (1052). 432 Florstedt, AG 2010, 315 (317 f.); Balthasar/Hamelmann, WM 2010, 589 (590) („Kreditverbriefungen (waren) marktübliche Produkte“); im Sinne eines Gleichlaufs von Erforderlichkeit und Üblichkeit auch Preußner/Pananis, BKR 2004, 347 (352); vgl. auch Thümmel, Managerhaftung, Rn. 198 („gängig“). 433 Schäfer/Zeller, BB 2009, 1706 (1710), die auch eine Entlastungswirkung auf der Verschuldensebene erwägen. 434 Blasche, WM 2011, 343 (346). 429

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rungen durch eine über das KWG hinausgehende Branchenüblichkeit ausdrücklich befürwortet – bei gleichzeitger Ablehnung einer Entlastungswirkung435. 2. Der safe harbour als Einfallstor für das Faktische Bereits das allgemeine Zivilrecht kommt freilich nicht immer ohne Rückgriff auf eine Übung aus436. Jedoch wird eine festgestellte Verkehrsübung stets normativ überprüft437. Die Maßstäbe der normativen Überprüfung, denen sich eine festgestellte Übung stellen muss, sind dabei durchaus unterschiedlich streng438. In der Zweiteilung zwischen dem empirischen Bestandteil der Verkehrssitte bzw. der allgemeinen kaufmännischen Übung und dem normativen Bestandteil hat beim Maßstab des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters der erste Bestandteil traditionell eine besondere Bedeutung439. Da beim Risikomanagement die Prüfung im Bereich des safe harbour erfolgt, hat darüber hinaus die Übung von Gesetzes wegen eine noch größere Chance, die Prüfung zu bestehen. Das Merkmal der Angemessenheit der Informationsgrundlage bewirkt, dass sich von Rechts wegen die Branchenüblichkeit als Maßstab schwerer abschütteln lässt, als dies im allgemeinen Zivilrecht der Fall ist. Das ergibt sich auch aus der Regierungsbegründung zum UMAG440. Diese deutet an, dass die Voraussetzung, dass der Geschäftsleiter vernünftigerweise annehmen dürfen muss, auf angemessener Informationsgrundlage zu handeln, der Gefahr einer (Schein-)Objektivierung der Maßstäbe bei der Informationsbeschaffung entgegenwirken soll. Sie sieht gleichsam insbesondere in dem Merkmal der Angemessenheit ein Korrektiv hierzu441. Neben dem Abstellen auf die Umstände der Entscheidungsfindung erkennt sie zudem ausdrücklich an, dass verfügbare Informationen durch betriebswirtschaftliche Trends oder allgemeine Marktstimmungen eingefärbt sein können. Dass diese Trends nach der Begründung nicht das allein entscheidende Kriterium der Pflichtgemäßheit darstellen sollen, wird zwar insofern deutlich, als sie einem Geschäftsleiter, der von derart verfügbaren Informationen keinen Gebrauch macht, keinen Vorwurf machen will. Umgekehrt scheint sie die Anforderungen an eine normative Überprüfung des Faktischen gleichfalls nicht allzu hoch ansetzen zu wollen, wenn sie dem Geschäftsleiter vorgibt, er habe über die Informationsbeschaffung unter Berücksichtigung anerkannter betriebswirtschaftlicher Verhal435

Böttcher, a. a. O., siehe schon Fn. 431 (Dritter Teil). MünchKommBGB/Grundmann, § 276, Rn. 60. 437 Vgl. MünchKommBGB/Grundmann, a. a. O.; siehe schon BGHZ 8, 138 (140) sowie BGH NJW 1990, 906 (907). 438 Siehe die zuvor in Fn. 437 genannten Urteile einerseits und BGH NJW 1970, 1963 f. andererseits, nach dem eine allgemeine Verkehrsübung nur insoweit außer Betracht bleiben kann und muss, als sie sich als Missbrauch darstellt. 439 Vgl. Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, AT, S. 56. 440 Begr. RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11 f. 441 Begr. RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 12. 436

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tensmaßstäbe lediglich ohne groben Pflichtenverstoß zu entscheiden. Die Üblichkeit von Verhalten nicht als Haftungsbegrenzung im unternehmerischen Bereich zu erwägen, ist bezüglich der ratio des safe harbour auch deshalb verfehlt, weil damit eine für Rückschaufehler typische Konstellation von vornherein ausgeblendet würde. Der Gefahr eines Sittenverfalls wird zudem durch das Merkmal „vernünftigerweise“ ausreichend Rechnung getragen. Dem widerspricht ein Beschluss des Bundesgerichtshofs, es seien stets alle verfügbaren Informationsquellen auszuschöpfen442. Dies ist angesichts des Wortlauts und der Gesetzesbegründung abzulehnen. Der Beschluss, der den GmbHGeschäftsführer betraf, ist jedoch ein Einzelfall geblieben und entspricht auch nicht der h. M.443. Zusammenfassend lässt sich somit sagen, dass bei unternehmerischen Entscheidungen im Bereich der Informationsbeschaffung grundsätzlich geringere Anforderungen an eine normative Überprüfung üblichen Verhaltens gelten, als in § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG. Zu Recht wird deshalb von Teilen der Literatur der Üblichkeit von Verhalten im Rahmen des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG eine erhöhte Bedeutung beigemessen444. 3. Konsequenzen Zu konstatieren ist zunächst, dass die Branchen- bzw. Bankenüblichkeit von Art und Umfang der eingeholten Informationen im Vorfeld unternehmerischer Entscheidungen in der Rechtsprechung durchaus Berücksichtigung finden. Es erscheint zumindest fragwürdig, branchenübliches Verhalten zu Lasten, aber nicht zu Gunsten des Haftungsadressaten zu berücksichtigen. Nach hier vertretener Ansicht ist dies jedenfalls dann abzulehnen, wenn man, wie das OLG Frankfurt, die MaK bzw. MaRisk mit dem branchenüblichen Verhalten tendenziell gleichsetzen will445. Wie gezeigt, entspricht es auf Ebene der Entscheidungsfindung für den Bereich der Informationsbeschaffung bzw. des Risikomanagements auch nicht den Tatbestandsvoraussetzungen des safe harbour, prinzipiell von einer strengen Erforderlichkeit auszugehen. Hiervon unabhängig kommt es nach hier vertretener Ansicht im Bereich des Risikomanagements auf eine Branchenüblichkeit verwendeter Risikomodelle, insbesondere der value-at-risk-Modelle, nicht an, soweit sie vom Gesetz als grundsätzlich geeignet beschrieben werden446. 442 So BGH NJW 2008, 3361; seine Einschränkung „in der konkreten Situation“ ist nicht ausreichend, um dem Gesetzeszweck Genüge zu tun. 443 Vgl. Redeke, NZG 2009, 496 m.w. N. 444 Siehe Fn. 432 (Dritter Teil). 445 Siehe oben Dritter Teil: D.VI.2.c)bb) und d). 446 Insofern unzutreffend die Erwägungen bei Schäfer/Zeller, BB 2009, 1706 (1710).

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3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

Ein entscheidender Ansatzpunkt für die haftungsrechtliche Bedeutung der Branchenüblichkeit sind Art und Umfang ergänzender Stresstests. Der Verzicht bspw. auf Szenarien, die vor allem das Platzen der Immobilienblase im USMarkt beinhalteten, hat an einem Punkt des zeitlichen Ablaufs die Voraussetzungen des Erforderlichen verlassen, war aber zumindest in den Teilen der Branche, die allein auf der Buy-Side tätig wurden, verbreitet447. Dass ein Geschäftsleiter bei individueller Kenntnis der Ungeeignetheit eines bestimmten Risikomodells oder der Unzulänglichkeit der durchgeführten Stresstests pflichtwidirig gehandelt hat, steht freilich außer Zweifel. Indes ist die Frage, ob und in welchem Zeitpunkt es nicht mehr angemessen gewesen ist, die bisherigen Methoden der Informationsbeschaffung beizubehalten, eine Frage des Einzelfalls. 4. Insbesondere: die branchenweite Verwendung externer Ratings Fraglich ist inbesondere, inwiefern eine Heranziehung externer Ratings die Anforderungen an die Informationsbeschaffung bei unternehmerischen Entscheidungen erfüllen konnte. Problematisch ist dies vor allem dann, wenn Investitionsentscheidungen allein anhand der externen Bewertungen vorgenommen wurden bzw. das Risikomanagement allein oder überwiegend auf externen Ratings basierte. a) Externe Ratings als ausschließliche und unabhängige Informationsquelle Es wurde bereits herausgearbeitet, dass eine Pflichtwidrigkeit hier gegebenenfalls bereits deswegen ausscheiden kann, weil die Verwendung externer Ratings vom Aufsichtsrecht erlaubt wurde, weshalb aufgrund dessen abschließender Funktion für die gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsanforderungen keine darüber hinausgehenden Anforderungen bestehen konnten448. Bei der Subsumtion muss zudem nach hier vertretener Auffassung die Branchenüblichkeit des Heranziehens externer Ratings Berücksichtigung finden. Potenziell kann beim alleinigen Verlassen auf Ratings ein Fall des Missbrauchs eines informationellen Vertrauensgrundsatzes („opinion shopping“) vorliegen, der durch strenge Anforderungen an die Auswahl der Auskunftsperson und die Plausibilitätskontrolle der erhaltenen Auskunft Rechnung zu tragen ist. Nach zur Frage des Vertrauens von Geschäftsleitern auf Informationen Dritter herausgearbeiteten Leitprinzipien dürfen Auskünfte Dritter, die nur eine „Feigenblattfunk-

447 448

Vgl. Florstedt, a. a. O. (321, Fn. 74). Dritter Teil: E.VI.

E. Konsequenzen

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tion“ erfüllen sollen, die Geschäftsleitung nicht entlasten449. Im Vorfeld der Krise war jedoch eine Situation eingetreten, in der die gesamte Branche diese Form der Absicherung wählte. Letztlich dürfte die Subsumtion deswegen das Ergebnis tragen, dass jedenfalls auf der Beschaffungsseite die Voraussetzungen des safe harbour eingehalten wurden. In welchem Umfang ein Heranziehen ausschließlich externer Ratings wirklich branchenüblich war, wäre allerdings vorab zu prüfen. Dass dies der Fall gewesen ist, ist jedenfalls ein auch im wirtschaftswissenschaftlichen Schrifttum entstandener Eindruck und zudem eine vermutete Folge der gesetzlichen Anknüpfungen450. In Literatur und Rechtsprechung wird die Pflichtverletzung aufgrund des Heranziehens externer Ratings für die Risikobewertung zusätzlich auf einen angenommenen Interessenkonflikt451 gestützt, in dem die Agenturen sich befunden haben452. Es habe auf der Hand gelegen, dass Ratingagenturen als privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen, die aufgrund eines konkreten entgeltlichen Auftrages Bewertungen unter anderem für Finanzprodukte des jeweiligen Auftraggebers abgeben und bereits im Vorfeld die Auftraggeber bei der Gestaltung der Modelle beraten, nicht wirklich objektiv beurteilen453. Bei einer strengen normativen Prüfung wäre dem unter Umständen zuzustimmen, zur Anwendung zu bringen ist hier aber das Tatbestandsmerkmal „vernünftigerweise“. Und hier kann wiederum die gesetzliche Anerkennung externer Ratings allgemein und die behördliche Anerkennung konkreter Agenturen in §§ 52 ff. SolvV nicht außer 449 Fleischer, ZIP 2009, 1397 ff.; hier betroffen ist der „Grundsatz der fachkundigen und zuverlässigen Beratung“, a. a. O. (1403); siehe auch ders. NZG 2010, 121 ff.; sowie NJW 2009, 2337 (2339). 450 Schön/Cortez, IRZ 2009, 11 (16 f.), die es als bedenklich ansehen, dass Investoren sich in der Vergangenheit „nahezu ausschließlich auf die Bewertung der Ratingagenturen verlassen und diese weniger als Indikatoren für die Ausfallwahrscheinlichkeit, sondern vielmehr als Investitionsempfehlung angesehen haben. Es habe ein „enormes Vertrauen“ in die Bewertungen der Ratingagenturen bestanden. Investitionsentscheidungen, auch von institutionellen Anlegern, seien auf Basis der Bewertungen der Ratingagenturen getroffen worden. 451 Siehe Schön/Cortez, IRZ 2009, 11 (16 f.) und oben Dritter Teil: C.II.4. 452 OLG Düsseldorf, AG 2010, 126 (128); Lutter, ZIP 2009, 197 (199); aus strafrechtlicher Sicht Kasiske, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 26; offen Schünemann, ebenda, S. 91. 453 OLG Düsseldorf, AG 2010, 126 (128). Das Gericht beschreibt sodann einen weiteren Interessenkonflikt: „die Antragsgegnerin hatte ein unmittelbares Interesse daran, dass die von Rhineland emittierten Papiere ein gutes Rating erhielten, gleichzeitig bezahlte sie die Rating-Agenturen für ihre Dienstleistungen.“ Hier ist nicht das Rating der Papiere betroffen, die von der IKB erworben wurden, sondern die, die sie zur Refinanzierung ausgab. Mit dem Rating erworbener Papiere hätte dies nur dann etwas zu tun, wenn es sich auch insofern jeweils um die gleiche Agentur handelte; eine Aufklärungspflicht aufgrund der zum Zeitpunkt der Emission erstklassiger Ratings durch die führenden Agenturen verneinend LG Stuttgart, WM 2009, 1697.

186

3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

Acht gelassen werden. Denn wenn der Gesetzgeber und die BaFin davon ausgehen, dass eine bestimmte Agentur dazu geeignet ist, hinsichtlich der Risiken im Bereich von Finanzprodukten beratend tätig zu werden, kann man kaum annehmen, dass eine Geschäftsleitung davon ausgehen muss, dass wegen eines Interessenkonfliktes sie sich vernünftigerweise grundsätzlich nicht auf externe Ratings verlassen kann. Auch hier käme es freilich auf den Einzelfall an; zu prüfen wäre im Grundsatz, ob die Agentur, die das erworbene Produkt bewertete, nach §§ 52 ff. SolvV anerkannt gewesen ist. Es erscheint jedenfalls unbillig, dem Rechtsadressaten aufzubürden, sich der Unabhängigkeit von Beratungsinstitutionen zusätzlich zu versichern, denen weder das Gesetz im Grundsatz, noch die zuständigen Behörden konkret in dieser Hinsicht irgendein Misstrauen entgegenbringen. Dies würde auf das Verlangen hinauslaufen, aufsichtliche Vorgaben auf ihre rechtspolitische Sinnhaftigkeit zu überprüfen. Dieses Ergebnis stimmt auch überein mit der Rechtsprechung zu dem Vertrauen auf externen Rat, die nach dem Wortlaut des safe harbour dogmatisch korrekt darauf abstellt, ob der Interessenkonflikt erkennbar war454. Insofern ergibt sich aus den bisherigen Untersuchungen indes, dass eine individuelle rechtliche Verantwortung sich kaum begründen lässt, sondern es sich um ein strukturelles Problem handelt. Die branchenübliche Verwendung von externen Ratings aus Gründen fehlender Unabhängigkeit als pflichtwidrig anzusehen, ist ein offensichtlicher Rückschaufehler455. b) Verständnis der Information Anknüpfungspunkt für persönliche Verantwortung im Zusammenhang mit der Heranziehung externer Ratings ist allerdings die Frage, ob die Informationen, die die Agenturen lieferten, stets ausreichend nachvollzogen wurden456. Denn ein Geschäftsleiter kann nicht vernünftigerweise annehmen, auf ausreichender Informationsgrundlage gehandelt zu haben, wenn er die ihm zur Verfügung gestellten Informationen nicht einzuordnen vermag – mag auch die Einholung derartiger Informationen an erster Stelle branchenüblich und angemessen sein. Dies folgt ebenfalls aus dem „Feigenblattverbot“, denn um eine Plausibilitätskontrolle durchführen zu können, muss der Geschäftsleiter in der Lage sein, die Informationen wenigstens in Grundsätzen nachzuvollziehen. Der Entlastungswirkung einer Branchenüblichkeit wird deshalb bspw. eine Grenze gezogen, soweit die Prognosen der Ratings als Grundannahme Korrelationsrisiken unberücksichtigt ließen. Dies zu erkennen bzw. zumindest abstrakt zu wissen, dass derartige Risiken im Finanzmarkt existieren und zu berücksichtigen sind, gehört zur Sorgfalt, die von einem Geschäftsleiter zu erwarten ist und ein Außerachtlassen dessen wird 454

BGH NJW 2007, 2118 (2119). Einen Rückschaufehler bloß erwägend Florstedt, a. a. O. (317). 456 Betroffen ist das Leitprinzip „Grundsatz der ordnungsgemäßen Informationsüberprüfung“, Fleischer ZIP 2009, 1397 (1404). 455

F. Ausblick

187

nicht dadurch pflichtgemäß, dass andere es ebenfalls bei einer unreflektierten Informationsbeschaffung belassen. Der Umgang mit der Komplexität von Entscheidungsgrundlagen ist ein im gesellschaftsrechtlichen Verantwortlichkeitsrecht noch junges Problem457 und seine umfassende Aufarbeitung kann hier nicht erfolgen. Es bleibt aber festzuhalten, dass auch bei komplexen Informationsgrundlagen die diesen zugrundeliegenden Methoden und Modelle zumindest in ihren Grundzügen erfasst werden müssen458. Der Gesetzgeber hat die Sicherstellung einer inhaltlichen Informationsverarbeitung im Verbriefungsbereich inzwischen aufgegriffen459. Sofern externe Informationen zuverlässig und nachvollziehbar begründen, dass sie Korrelationsrisiken berücksichtigen, muss nach alledem im zeitlichen Bezugsrahmen im Vorfeld der Krise, in den der Erwerb der Wertpapiere fiel, erst dann eine Herabstufung des Informationswertes erfolgen, wenn die Zeichen der Unzuverlässigkeit aufgrund anderer zu beachtender Informationsquellen eine gewisse Eindeutigkeit erreichen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die eine gewisse Zeit beibehaltene, höhere Gewichtung der Urteile von Ratingagenturen aufgrund der gesetzlichen Anknüpfung und dem damit einhergehenden besonderen Vertrauensschutz nicht unangemessen gewesen sein dürfte.

F. Ausblick: Die Vorschriften der §§ 18a, 18b KWG als Reaktion auf die Krise und ihre Bedeutung für die Geschäftsleiterhaftung Das Aufsichtsrecht hat auf die Vorgänge um den Erwerb strukturierter Wertpapiere in vielerlei Hinsicht durch die Schaffung eines neuen Rechtsrahmens reagiert460. Eine der ganz konkreten Reaktionen bilden die Vorschriften der §§ 18a und 18b KWG. An dieser Stelle soll vor dem Hintergrund der bisher gefundenen Ergebnisse und in deren Fortführung ein Ausblick auf die Bedeutung der Vorschriften für die Geschäftsleitersorgfalt erfolgen. Mit dem Gesetz zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie 461 hat der Gesetzgeber mit Wirkung vom 457

Fleischer, NJW 2010, 1504 (1505). Fleischer, a. a. O.; ebenso Florstedt, a. a. O. (318). 459 Siehe sogleich. 460 Zusammenfassend Prüm/Thomas, BKR 2011, 133 ff. 461 Gesetz vom 19. November 2010 (BGBl. I 2010 S. 1592); technisch handelt es sich bei der Einführung des Art. 122a um eine Änderung bzw. Ergänzung der Bankenrichtlinie 2006/48/EG, siehe Richtlinie 2009/111/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Änderung der Richtlinien 2006/48/EG, 2006/ 49/EG und 2007/64/EG hinsichtlich Zentralorganisationen zugeordneter Banken, bestimmter Eigenmittelbestandteile, Großkredite, Aufsichtsregelungen und Krisenmanagement, dort Art. 1. 458

188

3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

31. Dezember 2010 aus gegebenem Anlass spezielle Vorschriften über die Regulierung von Verbriefungstransaktionen in das KWG aufgenommen. §§ 18a und 18b KWG bilden den Ausschnitt eines angepassten internationalen Regelungswerkes für Verbriefungen, das verschiedene Gesetze und Leitlinien umfasst und die Beiträge aller an einer Verbriefungstransaktion Beteiligten in die Regulierung einbezieht. Die Komplexität der neu geschaffenen Rahmenbedingungen ist außerordentlich hoch462. Die Vorschriften betreffen als Teil der regulatorischen Gesamtreaktion bestimmte Geschäftsmodelle, die als eine der Ursachen der Finanzmarktkrise gelten und die mit diesen einhergehenden Mängeln bei der Kreditwürdigkeitsprüfung in Bezug auf verbriefte Kredite463. Sie sind damit zugleich ein Paradebeispiel aufsichtsrechtlicher Reaktion. Die kasuistische und stark auf den Sachverhalt der Verbriefung ausgerichtete Orientierung lässt sie als regelbasiertes Aufsichtsrecht erscheinen464. Gleichzeitig wird insofern ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt, als die Vorschriften den Prozess der Verbriefungstransaktion von der Verbriefung durch den Originator bis hin zur Investition durch den Erwerber umfassen. Insofern soll die Vorgabe des Art. 122a der Richtlinie 2006/48/EG abschließend für alle Arten von Verbriefungen sein465. § 18a KWG macht in Abs. 1 zunächst quantitative Vorgaben zu einem vom Originator der Verbriefungen, vom Sponsor oder dem ursprünglichen Kreditgeber bezüglich der verbrieften Forderungen zurückzuhaltenden Risikoselbstbehalt. Nach der Vorschrift muss sich ein Investorinstitut von einer dieser drei Personen ausdrücklich offenlegen lassen, dass sie kontinuierlich einen „materiellen Nettoanteil“ in Höhe von 10 % einer der in Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 4 genannten Bemessungsgrundlagen hält, die ihrerseits an den verschiedenen Stadien des Verbriefungsprozesses ansetzen466. Die quantitativen Vorgaben sind einerseits schlicht einzuhaltende Grenzen, vergleichbar mit denen des § 11 KWG bzw. der LiqV. Bezüglich der Pflicht zur Einholung des Nachweises über den Risikoselbstbehalt durch den Erwerber handelt es sich dagegen um eine Konkretisierung der Anforderungen an die Angemessenheit der Informationsgrundlage. Letzteres gilt auch für § 18a Abs. 4 KWG, der Institute, die Verbriefungspositionen halten möchten verpflichtet, sich bereits vor dem Investment unter Durchschau auf das verbriefte Kreditportfolio ein umfassendes Bild über die mit dem Investment verbundenen

462

Prüm/Thomas, a. a. O. (133 f.) sprechen von einem Aufsichtsfeuerwerk. Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie, BR-Drs. 155/10, S. 65. 464 Vgl. Weber-Rey, ZGR 2010, 543 (563); siehe schon zuvor Dritter Teil: D.V. 465 Vgl. Kreppel/Baierlein, BKR 2010, 228 (235), die gleichzeitig kritisieren, dass die Vorschriften diesem Anspruch nicht gerecht werden: „In der Detailgenauigkeit des Gesetzes liegt zugleich seine Schwäche – es wurde eine Regelung geschaffen, die trotz des Anspruchs auf Allgemeingültigkeit (für Verbriefungen) nur auf einen ganz bestimmten Lebenssachverhalt anwendbar ist.“ (a. a. O. 233). 466 Siehe dazu Kreppel/Baierlein, a. a. O. (231 f.). 463

F. Ausblick

189

Risiken zu machen467. Die Anforderungen werden dabei gegenüber der gesellschaftsrechtlichen Vorgabe stark erhöht, indem hinsichtlich einzelner in Abs. 4 genannter Ansatzpunkte eine „umfassende und gründliche Kenntnis“ verlangt wird468. § 18b KWG setzt an den Informationspflichten des § 18a Abs. 4 KWG an und lässt sich als Spezialvorschrift zu 25a KWG und damit wiederum zugleich zu § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG verstehen. Nach Abs. 1 müssen Investoren zunächst angemessene organisatorische Strukturen und hinreichend qualifiziertes Personal haben, um die Informationen nach § 18a Abs. 4 KWG zu analysieren und zu erfassen. Außerdem hat ein Institut regelmäßig selbst geeignete Stresstests durchzuführen. Das Institut darf sich dabei auf von Ratingagenturen entwickelte ökonomische Modelle stützen, wenn es der BaFin nachweisen kann, dass es vor der Investition die Strukturierung der Modelle und die zugrunde gelegten Annahmen überprüft und die Methodik, die Annahmen und Ergebnisse verstanden hat. All dies wird der Tatsache, dass offenbar bei der Informationsverarbeitung häufig keine ausreichende Expertise vorhanden war, gerecht. Diese Vorschriften sind bemerkenswert und für die Bewertung von Geschäftsleiterverhalten von großer Bedeutung, denn hierin liegt eine besonders detaillierte Beschreibung von Anforderungen an die Verarbeitung von externen Informationsquellen im Rahmen des safe harbour. Die Vorlage eines formalisierten Nachweises dafür, auf einen externen Rat vertrauen zu dürfen, ist im Allgemeinen keine Anforderung469. Ebenso bemerkenswert ist die Anforderung in Abs. 3 des umfassenden Verständnisses aller strukturellen Merkmale der Verbriefungstransaktion, welche die Wertentwicklung dieser Risikoposition wesentlich beeinflussen könnten. Zusammen mit der Beweislast des Geschäftsleiters im Rahmen des safe harbour sind hier hohe Anforderungen an eine Entlastung vorgeschrieben. Auch hier handelt es sich um Sondervorgaben für das Einholen und Verarbeiten von Informationen. Die Vorschrift betrifft insgesamt also eindeutig das Verfahren der Entscheidungsfindung und Informationsbeschaffung und ist folglich zunächst dogmatisch im safe harbour zu verorten. Allerdings dürfte die Vermutung, dass die Verletzung der Informationsbeschaffungspflichten zugleich eine Pflichtverletzung im Sinne der Sorgfaltsgeneralklausel darstellt, in diesem Bereich besonders nahe liegen. Wie andere Verhaltensvorgaben des Aufsichtsrechts sehen auch die Vorschriften über Verbriefungen Sanktionen vor, die erheblichen faktischen Zwang auf Geschäftsleiter ausüben. § 18b Abs. 6 und 7 KWG geben die Rechtsfolgen für 467 Die Originatoren, Sponsoren und ursprünglichen Kreditgeber werden gleichzeitig nach § 18 Absatz 5 KWG verpflichtet, dem Investor die Höhe des Selbstbehalts offenzulegen und freien Zugang zu allen wesentlichen und erforderlichen Daten zu verschaffen, damit der Investor die ihm auferlegten Informations- und Due-Diligence-Pflichten erfüllen kann, Kreppel/Baierlein, BKR 2010, a. a. O. (233). 468 Kritisch dazu Kreppel/Baierlein, a. a. O. (233). 469 Vgl. Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 73.

190

3. Teil: Pflichtverletzendes Verhalten beim Investment in subprime-Papiere

Verstöße gegen die Handlungspflichten aus §§ 18a und 18b KWG vor. Für Investorinstitute drohen substanzielle Eigenkapitalzuschläge, die letztendlich die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit des Investments in Frage stellen470 und damit direkte Ansatzpunkte für einen Schaden nach § 93 Abs. 2 AktG bilden. Insgesamt ist festzustellen, dass die neu eingeführten Vorschriften der §§ 18a und 18b KWG alle herausgearbeiteten Kriterien einer abschließend konkretisierenden Bedeutung für gesellschaftsrechtliche Sorgfaltsmaßstäbe in besonderem Maße erfüllen. Für die unternehmerische Entscheidung der Investition in verbriefte, strukturierte Wertpapiere sehen sie umfangreiche Vorgaben zur Informationsbeschaffung und Verarbeitung bei gleichzeitigem Anspruch, besagten Bereich umfassend zu regeln, vor. Bei Nichteinhaltung drohen Sanktionen, die die Haftung des Geschäftsleiters unmittelbar betreffen und sein Verhalten zumindest faktisch erheblich zu beeinflussen geeignet sind. Ihre Schutzzweckrelevanz bezogen auf gesellschaftsrechtlichen Haftungsnormen entspricht denen anderer KWGVorschriften. Will man hier unterscheiden471, dürfte die Relevanz aufgrund der größeren Transaktionsbezogenheit jedoch näher an § 18 KWG liegen, als an § 25a KWG.

G. Zusammenfassung Das Aufsichtsrecht konkretisiert die gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsanforderungen innerhalb seines Anwendungsbereichs abschließend. Bezüglich des Entscheidungsverfahrens bzw. des Risikomanagements sind umfangreiche Vorgaben vorhanden, die die Bewertung von Geschäftsleitersorgfalt innerhalb der Sorgfaltsgeneralklauseln vorzeichnen. Die Einhaltung aufsichtlicher Vorgaben für das Risikomanagement muss auch in der gesellschaftsrechtlichen Innenhaftung Entlastungswirkung haben. Dies ist dogmatisch begründbar und in rechtspolitischer Hinsicht ein Ausgleich für die erhöhten Anforderungen, denen Geschäftsleiter durch das Legalitätsprinzip und die immer umfassender werdenden öffentlichrechtlichen Vorgaben ausgesetzt sind. Die praktischen Auswirkungen dieser Erkenntnis bleiben abzuwarten, da auch die Vorgaben des prinzipienbasierten Aufsichtsrechts teilweise erhebliche Spielräume aufweisen. Dogmatisch sind Haftungsfragen das Risikomanagement betreffend aber allein innerhalb der aufsichtlichen Vorgaben zu bewerten, soweit dieses anwendbar ist. Für die Zukunft sind verstärkte Auswirkungen der hier vertretenen Sichtweise zu erwarten. §§ 18a, 18b KWG sind ein Beispiel für eine hochdetaillierte und gleichzeitig umfassende Regelung für einen bestimmten Transaktionsbereich. Bei einer generischen Bewertung von subprime-Investments deutscher Banken im Vorfeld der Finanzmarktkrise ergeben sich trotz der Weite auch der aufsichts470 471

Kreppel/Baierlein, a. a. O. (234). Dazu Vierter Teil: A.IV.1.

G. Zusammenfassung

191

rechtlichen Vorgaben einige Anhaltspunkte innerhalb des Risikomanagementbereichs, die gegenüber dem Gesellschaftsrecht von entscheidender Bedeutung sind. Die Verwendung von value-at-risk-Modellen kann gesellschaftsrechtlich trotz lang bekannter Schwächen nicht als unverantwortlich gelten, auch wenn diese für sich genommen im Ansatz nicht darauf ausgelegt sind, das letztendliche Maximalrisiko in einem worst case zu beschreiben. Dass Risikokonzentrationen grundsätzlich erlaubt sind, ergibt sich nicht allein aus einer betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit, die man in der Sorgfaltsgeneralklausel anerkennt, sondern aus der Anerkennung im Aufsichtsrecht, die ihre Subsumtion zwingend vorzeichnet. Hinsichtlich Art und Umfangs ergänzender Stresstests sind Ansatzpunkte für eine Pflichtwidrigkeit vorhanden, allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass die Heranziehung externer Ratings hier einen Ausgleich schaffen konnte, wobei im Einzelfall insbesondere unklar ist, ob es im Sinne der MaRisk sachgerecht war, sie als alleinige Grundlage des Risikomanagements zu verwenden. Die Ordnungsgemäßheit der Ergänzung bzw. der Ersatz eigener Modelle ausschließlich durch externe Ratings ist im Nachgang der Krise kritisch zu sehen, rechtlich war sie aber in mehrfacher Hinsicht unangreifbar. Hinsichtlich all dieser Punkte übertragen sich regulatorische Strukturprobleme in das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis. Zur Sicherstellung des Nachvollziehens beschaffter Informationen enthielt das Aufsichtsrecht bisher keine Vorgaben. Dies ist nun durch §§ 18a, 18b KWG behoben. Die Vorschriften stellen eine Reaktion insbesondere auf das nunmehr erkannte Problem der fachgerechten Verarbeitung und des Nachvollziehens von Informationen dar, das man bisher allein der internen Verantwortung überlassen hat.

Vierter Teil

Weitere Aspekte der Untreuestrafbarkeit aufgrund des Erwerbs von subprime-Wertpapieren Die Ausführungen des Dritten Teils betrafen allein das Pflichtverletzungsmerkmal als zentrales Merkmal der Untreue und vor dem Hintergrund gesellschaftsrechtlicher und aufsichtsrechtlicher Fragestellungen. In diesem Teil sollen zusätzliche Aspekte einer Strafbarkeit von Geschäftsleitern wegen des Ankaufs von subprime-Papieren erörtert werden. Auch in diesem Abschnitt wird das Pflichtverletzungsmerkmal zu erörtern sein. Die Subsumtionsarbeit aus dem Dritten Teil soll dabei nicht wiederholt werden. Soweit sich hinsichtlich des konkreten Sachverhalts nach strafrechtlichen Maßstäben eine Anwendbarkeit aufsichtsrechtlicher Vorschriften ergibt, gelten Ausführungen des Dritten Teils freilich entsprechend1. Stattdessen werden die Probleme des objektiven Tatbestandes aus einer breiteren Perspektive zu untersuchen sein. Unter Außerachtlassung der besonderen Bedeutung der Sorgfaltsgeneralklauseln wird insofern besonders die Rolle des Risikomanagements im Untreuetatbestand bzw. für das Strafrecht allgemein erörtert. Das Strafrecht hat sich der Bedeutung des Risikomanagements bisher nur vereinzelt spezifisch genähert. Ob und welche originär strafrechtlichen Anknüpfungspunkte insoweit vorhanden sind, ist nach wie vor unklar. Auf subjektiver Ebene wird der Sachverhalt des Ankaufs von subprime-Papieren sodann wieder spezifisch in den Blick zu nehmen sein – ohne auf allgemeine Erwägungen auch hier völlig verzichten zu können. Die Aufarbeitung und Bewertung der in Rede stehenden Vorgänge, sowie inwiefern das Strafrecht hierzu überhaupt geeignet ist, wurde als die komplexeste Fragestellung, die je an das Wirtschaftsstrafrecht herangetragen wurde, bezeichnet2. Die folgenden Ausführungen können zu den genannten Fragen entsprechend nur einen kleinen Teilbeitrag leisten. Dem bisherigen Konzept folgend, wird den Ausführungen dieses Teils der zuvor dargestellte, generische Sachverhalt3 Dritter Teil: C. zugrunde gelegt.

1 2 3

Dritter Teil: E. Schünemann, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 72. Dritter Teil: C.

A. Risikomanagement und Untreue

193

A. Risikomanagement und Untreue Die Relevanz des Risikomanagements im objektiven Untreuetatbestand ist es wert, allgemein beleuchtet zu werden. Es fanden sich zwar vor der Krise in der Literatur Bezüge zu Vorschriften, die das Risikomanagement betreffen. Die Betrachtung seiner Rolle als „strafrechtlicher Gesamtgegenstand“ ist dagegen erst im Rahmen der Aufarbeitung der Krise genauer angegangen worden4. Die Gründe hierfür wurden bereits angedeutet5. Sie sind hier aus spezifisch strafrechtlichem Blickwinkel herauszustellen, um die allgemeine Relevanz des Risikomanagements im Untreuetatbestand in typologischer Hinsicht klar zu umreißen.

I. Die Bedeutung des Risikomanagements als Prüfungsgegenstand einer untreuestrafrechtlichen Aufarbeitung der Krise Neben dem Umstand, dass die Strukturierung der Transaktionen grundsätzlich in rechtlicher Hinsicht nicht angreifbar waren, kommen als Anknüpfungspunkt für eine Untreuestrafbarkeit kaum einzelne Handlungen, d. h. einzelne Transaktionen, in Betracht. Das Strafrecht kann freilich einzelne Transaktionen oder Transaktionsbündel auf ihre Pflichtgemäßheit untersuchen. Abgesehen davon, dass schadensauslösende Handlungen sich praktisch nur schwer isolieren lassen6, wird bei Transaktionen, die letztendliche Auslöser eines Vermögensschadens sind, weniger die Risikostruktur der einzelnen Transaktion bzw. die operative Umsetzung pflichtwidrig sein, als vielmehr die grundsätzliche Entscheidung, bspw. im ABS-Markt tätig zu werden sowie die übergeordenete Risikokontrolle und -steuerung. Vor allem dürfte es vielfach schwer fallen, einen Schaden zum Zeitpunkt des Erwerbs nachzuweisen, weil aufgrund branchenweiter Annahmen, jedenfalls bis zu einem gewissen Zeitpunkt, ein „Gefährdungsschaden“ 7 gerade nicht angenommen werden konnte. Nach der Rechtsprechung ergibt sich der Vermögensschaden bei Risikogeschäften entsprechend einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise nach bilanziellen Grundsätzen8, wobei der entscheidende Zeitpunkt der des Erwerbs ist, da es sich auch nach der Dogmatik zum Risikogeschäft, ebenso wie nach dem Gesellschaftsrecht, verbietet, den Vermögensnachteil, der zu einem 4 Siehe die Beiträge von Arzt, S. 177 ff. und Fischer, S. 190 ff. jeweils in: Kempf/ Lüderssen/Volk, Moral sowie ausführlich Lüderssen, in: FS Volk (2009), S. 345 ff. 5 Dritter Teil: C.III. sowie Dritter Teil: E. eingangs. 6 So auch Schröder, NJW 2010, 1169 (1172); ders., Hdb. Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1162; vgl. auch Lüderssen, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 211 (214, Fn. 10). 7 Dazu aus subjektiver Sicht sogleich unter D. 8 BGHSt 53, 199 (202 f.); grundsätzlich zustimmend BVerfG NJW 2010, 3209 (3219 ff.); siehe auch Krause, in: Managerhaftung, § 35, Rn. 38; MünchKommStGB/ Hefendehl, § 263, Rn. 450 ff.

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4. Teil: Untreuestrafbarkeit aufgrund Erwerbs von subprime-Papieren

späteren Zeitpunkt – unerwartet – eintritt, für eine Untreuestrafbarkeit heranzuziehen. Die Entwicklung der ausgetauschten Vermögenswerte im weiteren Verlauf ist unerheblich9. Die Bewertung der Papiere bis relativ kurz vor Zusammenbruch des Marktes ergab deshalb keinen Schaden10. Denn die von den Kreditforderungen abhängigen Papiere sind in der Bilanz erst dann abzuwerten, wenn die Forderungen abzuwerten sind. Dass die Forderungen zur Zeit des Erwerbs ggf. ein erhöhtes Ausfallrisiko beinhalteten, machte sie in bilanzieller Hinsicht nicht automatisch weniger werthaltig, weil dies regelmäßig durch einen erhöhten Zinssatz ausgeglichen wird11. Notwendig wäre der Nachweis nicht eingepreister Risiken12. Um die nach Zusammenbruch des Marktes vorzunehmenden Wertberichtigungen untreuestrafrechtlich zu bewerten, scheinen einzelne Transaktionen folglich ungeeignet13. Das für eine Anknüpfung relevante Verhalten ist vielmehr das Übersehen der Risikokorrelationen bzw. der Marktrisiken, die mittelfristig zu den späteren Wertberichtigungen führten. Dasselbe gilt für die Bereitstellung von Liquiditätslinien, soweit die Papiere aus der eigenen Bilanz herausgehalten und von einem Vehikel gehalten wurden. Die Möglichkeit, den Erwerb der ABS durch Ausgabe eigener Papiere zu refinanzieren, schließt die Annahme eines Schadens zwar nicht aus, denn durch die Möglichkeit der Refinanzierung der Papiere durch die Begebung eigener Papiere sinkt der Anreiz, den Wert erworbener Papiere genauer zu überprüfen und somit steigt die Gefahr, die ABS zu einem zu hohen Preis zu erwerben. Allerdings besteht insofern ein Anreiz zur Überprüfung als die Fähigkeit, die eigenen Verbindlichkeiten aus der Refinanzierung zu bedienen, von der Werthaltigkeit der ABS abhängt14. Die auf der Seite der Refinanzierung betriebene Fristentransformation kann bezüglich der Bereitstellung der Liquiditätslinien entsprechend nicht als zu bewertender Sachverhalt isoliert werden. Denn ob die Fristentransformation 9 BGH NJW 2009, 2390; Hefendehl, in: FS Samson (2010), S. 295 (303); Ransiek, WM 2011, 869 (872). 10 A. A. Kasike, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 13 (31): Bereits in der Bereitstellung der Garantien kann eine schadensgleiche Vermögensgefährdung gesehen werden – wohl ausgehend davon, dass auch bei „formal korrekter“ Bilanzierung aufgrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Bilanzwahrheit nach § 264 Abs. 2 HGB ein Schaden vorliegen kann (S. 36); wohl auch Bittmann, NStZ 2001, 361 (363); ähnlich Luttermann, AG 2010, 341 (343 f.), der in der Abwicklung von Vorgängen außerhalb der Bilanz einen Verstoß gegen den Grundsatz der Bilanzwahrheit sieht; Bilanzen seien auch unter Schadensersatzaspekten auf solche Bilanzmanipulationen zu prüfen; nach h. M. bedeutet Wahrheit indes keine materielle Wahrheit, die über den Bilanzzweck und die gesetzlichen Vorschriften hinausgeht, sodass die Richtigkeit diesbezüglich ausreicht, siehe Hopt/Merkt-Merkt, Bilanzrecht, § 243, Rn. 5; siehe dazu bereits oben Dritter Teil: C.II. sowie Rönnau, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 43 (61 f.), der die Bilanzierung insofern für korrekt und für eine strafrechtlich irrelevante Umgehung hält. 11 Ransiek, a. a. O. (871). 12 Die kaum jemals eingegangen werden, wenn sie denn erkannt werden. 13 Im Ergebnis auch Ransiek, a. a. O. (871 sowie 872 f.). 14 Ransiek, a. a. O. (872).

A. Risikomanagement und Untreue

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einen zu großen Umfang hatte, die Refinanzierung deswegen zu riskant und die Bereitstellung von Sicherheiten pflichtwidrig war, richtet sich letztlich nach dem den zugrunde liegenden assets, denen die Finanzierung dient, immanenten Risiko15. Die Inanspruchnahme aus den Liquiditätslinien erfolgte nicht in erster Linie, weil der Zins auf der Refinanzierungsseite stieg – ein Risiko, das man im Übrigen versuchte, durch Zinsswaps zu „hedgen“– sondern, weil die finanzierten ABS an Wert verloren. Sowohl der Grundsatz II als auch die LiqV machten zudem rein quantitative, recht nachgiebige Vorgaben, während qualitative Anforderungen an das Liquiditätsmanagement wiederum aus den MaRisk folgten16. Hinzuweisen ist auch darauf, dass die Verletzung von Kompetenzvorschriften als untreuerelevante Handlung vernachlässigt werden kann. Da die grundsätzliche Entscheidung darüber, ob und wie das Unternehmen bzw. eine Bank am ABS-Markt aktiv wird, auf höchster Ebene regelmäßig gemeinsam unter Einbeziehung aller relevanten Organe getroffen wurden, sind Verstöße gegen Zuständigkeits- bzw. Kompetenzvorgaben kein relevantes Thema der Aufarbeitung. Die insoweit allein relevanten Kompetenzvorschriften sind solche der jeweiligen Gesellschaftsverfassungen – mit den bereits dargestellten Problemen. Sofern das Strafrecht einzelne Transaktionen oder Transaktionsbündel sanktionieren möchte, wird es regelmäßig nachweisen müssen, dass die Vornahme von Geschäften der betroffenen Art nicht zur Disposition stand. Die Frage ist hier die nach Beschränkungen der Zielsetzung durch die internen Grenzen der Risikopolitik17. Der Ansatzpunkt einer strafrechtlichen Beurteilung des Handelns mit strukturierten Wertpapieren wird deshalb beim Risikomanagement als Maßnahmebündel ansetzen mit dem Gesamtziel der Erhaltung des Unternehmens bzw. der Unternehmensgruppe. Das fehlerhafte Risikomanagement kann dazu führen, dass die Gefahren der Investmentstruktur nicht oder zu spät erkannt und deswegen keine und zu spät Gegenmaßnahmen ergriffen werden18.

II. Risikomanagement als strafrechtliche Bewertungseinheit Eine Untersuchung des strafrechtlichen Umgangs mit dem Risikomanagement im Untreuetatbestand erfordert also zunächst eine Abgrenzung zur Einzelmaßnahme. Mit dem Risikomanagement hat das Strafrecht ein Maßnahmebündel zu 15 Anders Schröder, Hdb. Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1170 ff., siehe aber dort Rn. 1194; die Bereitstellung von Garantien als untreuerelevante Tathandlung auch nennend Bittmann, NStZ 2011, 361 (363). 16 Siehe bereits Dritter Teil: C.II.2. 17 Erster Teil: B.I.3.b); siehe zur Risikopolitik im Innenverhältnis auch sogleich unter B. 18 Vgl. Ransiek, a. a. O. (874 f.) sowie Bittmann, a. a. O.

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4. Teil: Untreuestrafbarkeit aufgrund Erwerbs von subprime-Papieren

betrachten. In der Terminologie strafrechtlicher Handlungslehre handelt es sich um einen Fall der Bewertungseinheit19. Das Risikomanagement ist außerdem ein Anwendungsfall der strafrechtlichen Bewertung des „wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplans“, nach dem Maßnahmen immer im Gesamtzusammenhang und vor dem Hintergrund einer Gesamtzielsetzung zu betrachten sind20 und der insbesondere bei komplexen, auf längere Zeiträume angelegten Investitionsentscheidungen von Bedeutung ist21. Der Maßstab für die Bewertung eines Maßnahmebündels bestimmt sich nach dieser Zielsetzung. Bei der Beurteilung derivativer Geschäfte ist die Frage der Pflichtwidrigkeit deswegen bspw. davon abhängig, ob die Zielsetzung in der Absicherung eines Einzelgeschäfts (micro-hedge) oder der Absicherung eines größeren Umfangs zinstragender Geschäfte besteht (macrohedge)22. Das zu kontrollierende Gesamtrisiko verändert sich in seiner Größenordnung mit dem Umfang des in Bezug genommenen Maßnahmebündels bzw. der Anzahl in den Blick genommener Wiederholungen einzelner Handlungen. Die beim Risikomanagement denkbar abstrakteste Zielbestimmung ist die Existenzsicherung23. Das Risikomanagement kann sich vom wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplan folglich dadurch unterscheiden, dass eine Schadenskompensationstauglichkeit des Gesamthandlungskomplexes nicht unbedingt ein Kriterium der Pflichtgemäßheit des Handelns ist24. Denn insbesondere auf Unternehmensgesamtebene geht es vielmehr darum, das Verlustpotenzial einzelner Maßnahmen bzw. Portfolios, die Gewinnchancen enthalten, zu kontrollieren. Die beschriebenen tatsächlichen Schwierigkeiten bei der Isolation relevanter Einzeltathandlungen bzw. ihre strafechtliche Irrelevanz machen zugleich deutlich, dass das Strafrecht vor der Entscheidung steht, ob und wie es die Bewertungseinheit, die sich Risikomanagement nennt, innerhalb des Untreuetatbestandes erfasst, das bedeutet, ob es die Regeln, die für das Risikomanagement gelten, soweit existent, für sich gesehen als ausreichend untreuerelevant betrachtet. Dies ist, wie zu zeigen sein wird, nicht zweifelsfrei. Denn es ist beim Risikomanage-

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Vgl. Schönke/Schröder/Stree/Sternberg-Lieben, vor §§ 52 ff., Rn. 17. Vgl. BGHSt 47, 148 (153); Saliger, HRRS 2006, 10 (19); Volk, in: FS Hamm (2008), S. 803 (807); siehe auch bereits Nelles, Untreue zum Nachteil, S. 575 f.; Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 78. 21 Krause, in: Managerhaftung, § 35, Rn. 37. 22 Vgl. OLG Frankfurt, Urt. vom 22. März 2011, Rn. 94 (siehe schon oben Fn. 294 (Dritter Teil)). 23 Vgl. Waßmer, a. a. O., S. 79, siehe auch BGH a. a. O., der als Zielbestimmung neben der Chance auf die Rettung von Altkrediten auch die ökonomisch sinnvolle Erhaltung des Unternehmens und seiner Arbeitsplätze als weitere Umstände berücksichtigt. An diesem Gesamtplan könne sich Kreditvergabe orientieren. Die Existenzbedrohung der Bank als zu verhinderndes Ereignis nimmt er von der Zielbestimmung dagegen ausdrücklich aus, indem er vorausgesetzt, dass diese für die genannte Zielbestimmung nicht bestehen darf. 24 Vgl. Saliger, HRRS 2006, 10 (19). 20

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ment nicht zwingend der Fall, dass die zu bewertende Tathandlung eine am Ende der als adäquat oder inadäquat bewerteten Risikoanalyse stehende zusätzliche (materielle) Entscheidung ist. Dies gilt insbesondere für die Frage der Risikoerkennung. Die Addition vieler Einzelakte zu einer untreuerelevanten Handlung als materieller Entscheidung birgt die Gefahr einer Untreue als Kumulationsdelikt25. Es besteht bei der hier zu bewertenden Handlung folglich ein Unterschied zur allgemeinen Diskussion zum strafrechtlichen Risikogeschäft26. Im Folgenden ist das Risikomanagement vor dem Hintergrund untreuestrafrechtlicher Dogmatik zu untersuchen.

III. § 91 Abs. 2 AktG – Verpflichtung zur Einrichtung eines Risikomanagements als untreuerelevante Grundpflicht? Die Einrichtung eines Risikomanagements ist nach der h. A. in der Literatur im unternehmerischen Bereich auch dann eine Voraussetzung für pflichtgemäßes Verhalten, wenn gesetzliche Vorgaben fehlen. Seine Einrichtung wird als eine Voraussetzung pflichtgemäßer, riskanter Geschäftstätigkeit betrachtet27. In dieser Annahme liegt aus untreuestrafrechtlicher Sicht zugleich die Einschätzung ausreichender Ergebnisrelevanz des Risikomanagements im Allgemeinen28. Mit seiner Einführung ist die Vorschrift des § 91 Abs. 2 AktG ins Untreueblickfeld geraten. Sie wird in der strafrechtlichen Literatur überwiegend als untreuerelevant angesehen29. Teilweise wird es aber auch als zu weitgehend erachtet, aus einem unzureichenden oder fehlerhaften Risikomanagement nach § 91 Abs. 2 AktG „als solches“ eine Pflichtverletzung abzuleiten30. Differenzierend 25

Vgl. Lüderssen, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 211 (214, Fn. 10). 26 Siehe dazu ausführlich unten VII.; a. A. wohl Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 186 f.; siehe auch Preußner/Pananis, BKR 2004, 347 (352), die § 25a KWG für untreuerelevant halten, dann aber meinen, die durch eine Verletzung der Norm geschaffene abstrakte Gefahr reiche für sich genommen nicht aus. Sie müsse sich zu einer konkreten und für § 266 StGB ausreichenden schadensgleichen Vermögensgefährdung verdichten, wenn es in Folge des mangelhaften Risikomanagements zu einer unternehmerischen Maßnahme komme, die im Hinblick auf die mit ihr verbundenen Risiken die naheliegende Gefahr eines Vermögensverlustes begründet. 27 Rose, wistra 2005, 281 (282 f.); vgl. auch Bräunig, a. a. O., S. 185; Säcker, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 119 (129 f.). 28 Vgl. Bräunig, a. a. O., S. 185: „formelle Pflichtverletzung mit materiellem Indiz“. 29 Mosiek, wistra 2003, 370 (374); Schlösser/Dörfler, wistra 2007, 326 (330); Windolph, NStZ 2000, 522 (524); Eidam, Unternehmen und Strafe, S. 149; Schmid, in: Hdb. Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 121b ff. und 170 ff., 174; Bihr/Kalinowsky, DStR 2008, 620 (625); deutlich Theile, wistra 2010, 457 (461): weist erforderliche Vermögensrelevanz auf; zurückhaltender Adick, Organuntreue, S. 100 („grundsätzlich“); vorsichtig auch Bräuning/Samson, ZIP 2009, 1089 (1093) („flankierend“). 30 MünchKommStGB/Dierlamm, § 266, Rn. 173 i.V. m. Fn. 28.

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werden teilweise die Vorgaben über das Risikomanagement grundsätzlich für untreuerelevant gehalten, wobei die in § 91 Abs. 2 AktG genannten Pflichten „zwingend eine Vermögensbetreuungspflicht begründen“ sollen. Bei darüber hinausgehenden, aus der allgemeinen Leitungsaufgabe stammenden Pflichten, soll jedoch „strengste Zurückhaltung“ geboten sein, weil aus der allgemeinen Leitungsaufgabe abgeleitete Risikosteuerungspflichten nicht ausdrücklich normiert seien und dem Geschäftsleiter hier deswegen ein unternehmerischer Ermessensspielraum zukomme31. Diese Differenzierung ist allerdings aus gesellschaftsrechtlicher Sicht unzutreffend, weil sich auch innerhalb des Pflichtenkreises des § 91 Abs. 2 AktG zahlreiche Ermessensspielräume ergeben. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG kommt gerade auch im Bereich des § 91 Abs. 2 AktG zur Anwendung32. Aber auch aus strafrechtlicher Sicht ist an dieser Sichtweise zumindest begrifflich unzutreffend, dass die Vermögensbetreuungspflicht zunächst das Gesamtrechtsverhältnis gem. § 76 AktG beschreibt und deswegen im Grundsatz auch die außerhalb des § 91 Abs. 2 AktG liegenden Risikosteuerungspflichten erfasst. Ausgehend davon, dass diese über den Regelungsgehalt der Vorschrift hinausgehenden Risikomanagementpflichten die gleiche Schutzzweckrelevanz aufweisen, ist folglich eine Differenzierung ohne Gegenstand. Die Frage des „Ob“ der Einrichtung eines Risikomanagements ist demnach im Strafrecht nach überwiegender Ansicht eine Voraussetzung für die Untreuepflichtgemäßheit riskanten (langfristigen) Handelns. Die genannte Gegenansicht indiziert allerdings, dass aus strafrechtlicher Sicht im Bereich des Risikomanagements besondere Probleme mit der Ergebnisrelevanz bestehen. Bereits die Risikomanagementvorgabe des § 91 Abs. 2 AktG ist ein Paradebeispiel eines prozeduralisierten Verhaltensmaßstabs33. Hierauf wird zurückzukommen sein. Soweit auf die Vermögensinteressen des Unternehmens Bezug genommen wird, zeigt sich insofern bei Stimmen, die die Untreuerelevanz des § 91 Abs. 2 AktG bejahen, jedenfalls nur teilweise Problembewusstsein34. Und auch, wenn der Fremdvermögensbezug aus der Sicht des Strafrechts bei § 91 Abs. 2 AktG weniger problematisch erscheint, als bei aufsichtsrechtlichen Vorschriften, setzen sich Herleitungen wie, dass die Einführung der Vorschrift auf vom Gesetzgeber im Vorfeld des KonTraG erkannten betriebs- und volkswirtschaftlichen Schäden beruhe und daraus folge, dass ihr der Charakter eines Schutzgesetzes nicht abzusprechen sei35, auch diesbezüglich Zweifeln aus.

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Mosiek, wistra 2003, 370 (374). Erster Teil: B.I.3.c). 33 Binder, ZGR 2007, 745 (749 f.). 34 Siehe die in Fn. 29 (Vierter Teil) sechs Erstgenannten einerseits und die im Übrigen Genannten andererseits; unklar Loeck, Strafbarkeit des Vorstands, S. 93 f.: „Pflichtenmaßstab wurde mit einem festeren Fundament versehen“. 35 Windolph, NStZ 2000, 522 (524); (Hervorhebung durch Verfasser). 32

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IV. Bedeutung aufsichtsrechtlicher Risikomanagementvorschriften im Strafrecht – insbesondere: Kreditwesengesetz Im Strafrecht werden auch die aufsichtsrechtlichen Risikomanagementvorschriften an den Vorschriften der §§ 91, 93 AktG vorbei auf ihre Untreuetauglichkeit untersucht. Potenziell kommen hinsichtlich der Schutzzweckrelevanz hier in Hinblick auf einzelne Vorschriften unterschiedliche Wertungen in Betracht. Problematisch ist bei Vorschriften des KWG neben der auch hier tendenziell fehlenden Nähe zu einem konkreten Vermögensschaden aber zunächst der Fremdvermögensbezug. 1. Der Fremdvermögensbezug des Kreditwesengesetzes in Literatur und Rechtsprechung Das strafrechtliche Meinungsbild zum Fremdvermögensbezug des KWG war lange Zeit nicht eindeutig. Das ist insoweit nicht verwunderlich, als in der Vergangenheit auch in der bankaufsichtsrechtlichen Literatur die allgemeine Zielbestimmung des Gesetzes nicht einheitlich vorgenommen wurde36. Das KWG wird aus strafrechtlicher Sicht heute teilweise als Gesamtheit in seiner Schutzzweckrelevanz bewertet, teilweise wird nach einzelnen Vorschriften differenziert. Insgesamt wird einer Relevanz zugeneigt. Die generelle Annahme einer Relevanz für den Untreuetatbestand ist im Ausgang noch weniger, als im Verhältnis zu den gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsgeneralklauseln bzw. § 91 Abs. 2 AktG zu erwarten37. Nachdem die Rechtsprechung die Frage, ob die Vorschriften des KWG zur Begründung einer Pflichtwidrigkeit nach § 266 StGB tauglich sind, zunächst tendenziell verneint hat38, hat sie sich in einer Entscheidung zur Kreditvergabe im Zusammenhang mit § 18 KWG mit der Frage des Schutzzwecks andeutungsweise auseinandergesetzt und entgegen dem heute anerkannten Gesetzeszweck festgestellt, das Gesetz bzw. § 18 KWG schütze das einzelne Kreditinstitut und seine Einleger39. In der Literatur wird demgegenüber grundsätzlich von dem heute gesetzlich festgeschriebenen Schutzzweck des KWG ausgegangen40. Eine Untreuerelevanz wird sodann aber 36

Vgl. Martin, Bankuntreue, S. 141 m.w. N. Vgl. Dritter Teil: D.VI.2.c)aa)(1). 38 Vgl. BGH wistra 1985, 190 (191): Die Revision habe „zu Unrecht angenommen, das Tatgericht habe bereits deswegen eine konkrete Vermögensgefährdung im Sinne des Untreuetatbestandes bejaht, weil die Bürgschaften unter Verstoß gegen die Vorschriften des Kreditwesengesetzes und die sonstigen Kreditrichtlinien gewährt worden seien“. 39 BGHSt 47, 148 (150); die Vorschrift für die Feststellung der Pflichtwidrigkeit nunmehr ohne Erwägungen zum Schutzzweck heranziehend BGH ZIP 2009, 1854 (1857). 40 Knauer, NStZ 2002, 399 (401); Schönke/Schröder/Perron, StGB, § 266, Rn. 20a („bedingte Tauglichkeit“); Bräuning/Samson, ZIP 2009, 1089 (1093); Bräunig, a. a. O., S. 195; Schröder, Hdb. Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1159; zweifelnd noch Martin, Bankuntreue, S. 141; a. A. aber insgesamt unklar Gerkau, Untreue und objektive Zurechnung, 37

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teilweise daraus abgeleitet, dass die KWG-Normen, trotz ihres Charakters als allgemeine Ordnungsvorschriften, funktional an der Sicherung des Vermögens des einzelnen Instituts ansetzten41. Insbesondere Martin hat zudem eine Differenzierung danach erarbeitet, welche „Schutzrichtung“ die konkret in Rede stehende Norm verfolgt42. Es gelte insofern zwischen relativen und absoluten Vorschriften zu unterscheiden, wobei letztere für eine Untreuepflichtverletzung irrelevant seien. Relative Vorschriften seien solche, die auf eine einzelne Kreditvergabe Bezug nehmen. Die andere Gruppe stellten „quantitative Regelungswerke“ dar, die auf die Kreditpolitik insgesamt abhöben43. Die Großkreditvorschriften der §§ 13 ff. KWG seien bspw. untreueirrelevant, weil sie die Risikostreuung auf Unternehmensgesamtebene beträfen und nicht dazu dienten, den Ausfall eines zugesagten oder ausgereichten Kredits zu verhindern44. Die Tatsache, dass die Vorschriften auf die Existenzsicherung abzielen, wird von Martin gerade als Indiz für eine Untreueirrelevanz betrachtet45. Das Ziel, einer abstrakten Gefahr vorzubeugen, genüge nicht46. Die Regelungen in §§ 10 ff. KWG über den Eigenmittelbestand sollen ebenfalls nicht untreuetauglich sein47. § 18 KWG andererseits weise einen ausreichenden Schutzzweckbezug auf, weil sich bei einer Verletzung der beschriebenen Pflichten genau der Schaden verwirkliche, der verhindert werden soll48. 102 ff., nach dem das KWG insgesamt Untreuerelevanz hat: „äußerlich (besteht) keine Diskrepanz zwischen dem Schutzgut der verletzten Pflicht und dem zu verhindernden Schaden, was vielleicht als eine Art abstrakter Zurechnungszusammenhang betitelt werden kann.“ (Hervorhebungen im Original) sowie S. 104 („nahezu verwerflich, hier konkrete Zurechnungsfragen zu stellen“ – Hervorhebung durch Verfasser); einen ausreichenden Schutzzweckbezug für § 18 KWG untersuchend und wohl verneinend aber auf S. 181; deutlich für eine Untreuerelevanz des KWG dagegen noch Nack, NJW 1980, 1599 ff. („Ordnungsvorschrifen für die innere Struktur der Kreditinstitute“), ebenso Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 54 f.; zustimmend Hillenkamp, NStZ 1981, 161 (168, differenzierend sodann aber auf S. 166 (Fn. 56)); ohne jeden Zweifel an der Untreuerelevanz des KWG Schumann, in: Hdb. Wirtschaftsstrafrecht, § 67, Rn. 5 ff. 41 Bräunig, a. a. O., S. 195, der aber letztlich eine differenzierende Ansicht vertritt, also einzelne KWG-Vorschriften auf ihre Untreuerelevanz untersucht; ähnlich Bräuning/Samson, ZIP 2009, 1089 (1093 f.) sowie Nuß, Untreue durch Marketingkommunikation, S. 572 f.; eine derart reflexartige Schutzzweckrelevanz für Rechnungslegungsvorschriften bejahend auch BGHSt 55, 266 (277). 42 Bankuntreue, S. 142 ff., zustimmend SSW-StGB/Saliger, § 266, Rn. 98; differenzierend auch Bräunig, a. a. O., S. 196, siehe schon vorige Fn. 43 Martin, a. a. O., S. 142 f. 44 Martin, a. a. O., S. 144 f., im Einzelnen abweichend zu § 13 KWG Bräunig, a. a. O., S. 196. 45 Martin, a. a. O., S. 145. 46 Martin, a. a. O., S. 146. 47 Martin, a. a. O., S. 146, Bräunig, a. a. O., S. 196. 48 Martin, a. a. O., S. 143 (Hervorhebung durch Verfasser); einer Relevanz des § 18 KWG wird überwiegend zugestimmt, siehe nur die zuvor in Fn. 47 Genannten sowie SSW-StGB/Saliger, § 266, Rn. 98; zum Fremdvermögensbezug a. A. aber bspw. Schönke/Schröder/Perron, StGB, § 266, Rn. 20a m.w. N. (nur Indizwirkung).

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Festzuhalten ist, dass im Strafrecht durchaus keine Einigkeit über die Schutzzweckrelevanz des KWG an sich und hinsichtlich einzelner Vorschriften besteht. Der direkte Durchgriff des Strafrechts auf aufsichtsrechtliche Normen erscheint grundsätzlich zweifelhaft. Den untreuestrafrechtlichen Fremdvermögensbezug der Vorschriften des KWG insgesamt darüber zu begründen, dass, um den Schutz der Allgemeinheit zu gewährleisten, vorgelagert das Vermögen des einzelnen Instituts erhalten werden soll, scheint wenig überzeugend. Hier ist ein bloßer Reflex betroffen, der vor dem Hintergrund des Strafrechts als Rechtsgüterschutz sehr weitgehend erscheint49. Es scheint jedenfalls zustimmungswürdig, in die Überlegungen zur Schutzzweckrelevanz der KWG-Vorschriften Erwägungen dazu einzubeziehen, welche Nähe eine Vorschrift zu einem Schaden des Institutsvermögens aufweist. Angesprochen ist hier wiederum die Ergebnisrelevanz bzw. die Schaffung einer ausreichend rechtsgutsrelevanten Gefahr. Nach hier vertretener Ansicht lässt sich ein Fremdvermögensbezug am überzeugendsten über die Sorgfaltsgeneralklauseln des Gesellschaftsrechts herstellen. Diese schützen zwar ebenfalls nicht ausschließlich den Treugeber, sondern beinhalten auch Gläubigerschutzgesichtspunkte. Primär beschäftigen sie sich jedoch mit der angemessenen Steuerung des Verhaltens im Innenverhältnis und der Vermögensverantwortlichkeit der Geschäftsführung gegenüber dem Unternehmen. 2. Verlagerung auf die Unternehmensebene: strafrechtliche Probleme einer Gesamtbetrachtung Betrachtet man das KWG ohne Differenzierungen als untreuerelevant, stellen seine Vorschriften entsprechend eine gesetzliche Umschreibung des Risikomanagements dar, anhand welcher eine strafrechtliche Prüfung der Pflichtwidrigkeit entsprechend der Feststellungen unter Dritter Teil: D.VI. vorzunehmen wäre. Wie aus den vorgehenden Ausführungen ersichtlich, bereiten risikopolitische Vorschriften neben dem Schutzzweck des KWG insgesamt zusätzlich bezüglich der Nähe zu einem Vermögensschaden Probleme, wobei die Fragen letztlich zusammenhängen. a) Existenzgefährdung als untreuerelevantes Schadensereignis? Mit der Abstraktion der Zielbestimmung steigen die Schwierigkeiten mit der Ergebnisrelevanz des Risikomanagements. Bereits §§ 13 ff. KWG betreffen die Gesamtrisikopolitik bzw. Existenzsicherung. Eine Relevanz entsprechender Normen lässt sich nur herstellen, indem man auch die Existenzsicherung als strafrechtlich relevante Zielbestimmung anerkennt50. Anders ausgedrückt muss die Existenzgefährdung als ein aus untreuestrafrechtlicher Sicht hinreichend konkre49 50

Vgl. auch Dierlamm, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 201 (203 f.). Oben II.

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4. Teil: Untreuestrafbarkeit aufgrund Erwerbs von subprime-Papieren

tes Ereignis betrachtet werden. Auf diesem Weg einen materiellen Bezug auf Unternehmensgesamtebene herzustellen, ist eine in der Literatur vorzufindende Ansicht51. Teilweise wird unter Außerachtlassung der dargestellten Differenzierungen die Untreuerelevanz risikopolitischer Vorschriften wie §§ 10 ff., 13 ff. und 25a KWG aus einem gesellschaftsrechtlichen Verbot der Existenzgefährdung abgeleitet52. Beide Begründungsansätze sind zweifelhaft, denn sie beinhalten jeweils die Gefahr eines Rückschaufehlers. Die Missachtung der Anwendung spezieller Vorschriften birgt die Gefahr der Umdeutung von Fehlern bei der Risikoerkennung in solche der Risikobereitschaft. Es erscheint zudem unzulässig, eine Relevanz der KWG-Normen für § 266 StGB aus einem gesellschaftsrechtlichen Verbot der Existenzgefährdung abzuleiten, ohne die Relevanz der Vorschriften zuvor eigenständig zu bewerten. Schon an derartigen Begründungsversuchen zeigt sich zudem, dass eine Relevanz risikopolitischer Vorschriften des KWG für die Untreue sich ohne eine Bekennung zum Schutz von Allgemeininteressen in § 266 StGB nicht erreichen lässt53. Aus untreuestrafrechtlicher Sicht besteht das Dilemma eben darin, dass mit Abstraktion der Zielbestimmung bzw. einer Verlagerung des Vermögensschutzes auf die Unternehmensgesamtebene in rechtspolitischer Hinsicht der Schutz von Allgemeininteressen automatisch in der Vordergrund rückt (und umgekehrt), weil aus rechtsökonomischer Sicht damit zugleich die Existenz des Unternehmens und folglich seine volkswirtschaftliche Bedeutung oder zumindest ein stakeholder value angesprochen ist54. Die Annahme der (direkten) Untreuerelevanz der für die Aufarbeitung der Finanzmarktkrise äußerst relevanten Vorschrift des § 25a KWG bereitet aus strafrechtlicher Sicht deshalb erhebliche Probleme. b) Insbesondere: die Bedeutung des § 25a KWG für die Untreue Vor der Finanzmarktkrise hat die Vorschrift des § 25a KWG im Zusammenhang mit Untreuetatbestand kaum Beachtung gefunden55. Die strafrechtliche An51 Schröder, NJW 2010, 1069 (1071 f.); a. A. Martin (siehe schon bei Fn. 45 (Vierter Teil)). 52 Bräuning/Samson, ZIP 2009, 1089 (1093 f.), dabei eine Schutzzweckrelevanz andeutungsweise wie hier vertreten über die Sorgfaltsgeneralklausel herleitend. Sie verlangen darüber hinaus, dass sich „eine Vielzahl von Risiken im konkreten Fall auswirken“. 53 So letztlich ausdrücklich Schröder, a. a. O. (1072), und letztlich auch über das Legalitätsprinzip: „Diese Interessen haben Geschäftsführer oder Vorstände kraft ihrer Organstellung von Rechts wegen zu achten. (Hervorhebung durch Verfasser); ders., Hdb. Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1159. 54 Dass ein Regelwerk wie das KWG, das sowohl Normen beinhaltet, die „nah“ am Vermögen des Instituts liegen als auch Normen, die klassischen aufsichtlichen Charakter haben, erklärt insofern, dass Kommentatoren die Benennung eines einzelnen Gesamtschutzzwecks schwerfällt, vgl. Martin, a. a. O., S. 141. 55 Auch bei Martin, Bankuntreue, S. 140 ff. taucht § 25a KWG bei der Unterscheidung zwischen absoluten und relativen Schutzvorschriften nicht auf, obwohl die Norm

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näherung an das Thema Risikomanagement war allerdings insgesamt kaum fortgeschritten. Im Anschluss an die Krise hat die strafrechtliche Diskussion es zunehmend gewagt, sich vom Rechtsgut der Untreue so weit zu entfernen, dass sie § 25a KWG in einem Atemzug mit § 266 StGB nennt. Sofern dies geschieht, werden seine Voraussetzungen teilweise vorsichtig in den Untreuetatbestand projiziert56, andere Stimmen bejahen eine Relevanz für den Untreuetatbestand ohne Abstriche57. Soweit eine Verbindung zwischen beiden Normen hergestellt wird, liegt zudem eine Verneinung der Ergebnisrelevanz vor, wenn es heißt, Verstöße gegen die in § 25a KWG normierten Verpflichtungen seien nicht per se unter dem Gesichtspunkt der Untreue strafrechtlich zu erfassen. Defizite des Risikomanagements begründeten zunächst allein eine Gefährdung der Vermögensinteressen des Kreditinstituts. Diese – zunächst abstrakte – Gefahr könne sich zu einer konkreten und für § 266 StGB ausreichenden schadensgleichen Vermögensgefährdung verdichten, wenn es in Folge des mangelhaften Risikomanagements zu einer unternehmerischen Maßnahme komme, die im Hinblick auf die mit ihr verbundenen Risiken die naheliegende Gefahr eines Vermögensverlustes begründe58. Letztere Vorgehensweise führt jedoch, wie ausgeführt, bezogen auf die strafrechtliche Bewertungseinheit Risikomanagement nicht weiter. Für den strafrechtlichen Schutz einzelner unternehmerischer Entscheidungen bedarf es einer Rekurrierung auf § 25a KWG ebenso wenig, wie einer solchen auf § 91 Abs. 2 AktG. Sollen komplexere Vorgänge begutachtet werden oder lässt sich insbesondere die eine die Existenzgefahr auslösende Maßnahme nicht isolieren, bedarf es der Inbezugnahme entweder einer der genannten Vorschriften oder, bei (Annahme deren Nichtanwendbarkeit), des Risikomanagements als abstraktem Gesamtkonzept. Bereits bei Großkrediten oder Projektfinanzierungen ist im Übrigen der Anwendungsbereich des „schadensnahen“ § 18 KWG verlassen, wenn die Investitions- und Betriebskosten, wie auch Darlehensverbindlichkeiten (Zins und Tilgung), nur aus dem cash flow des finanzierten Projekts erwirtschaf-

seinerzeit schon in Kraft war, vgl. oben 1.; siehe allein Preußner/Pananis, BKR 2004, 347 (351 f.), in Fn. 32, zu Unrecht verweisend auf Mosiek, wistra 2003, 370 (374) und Aldenhoff/Kuhn, ZIP 2004, 103 (104 f.), die nur § 18 KWG bzw. § 91 Abs. 2 AktG in Bezug nehmen; im Zusammenhang mit den MaRisk erwähnt Schmitt, BKR 2006, 125 (128 f.) die Vorschrift, dazu sogleich; grundsätzlich ablehnend gegenüber Berücksichtung risikopolitischer KWG-Vorschriften in § 266 StGB Knauer, NStZ 2002, 399 (402). 56 Bräuning/Samson, ZIP 2009, 1089 (1093), die im Ansatz letztlich, wie hier vertreten, über das Gesellschaftsrecht gehen, so für § 11 KWG auch Kasiske, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 24: „KWG-Vorschriften können nicht selbst unmittelbar Vermögensbetreuungspflichten begründen.“; Schröder, NJW 2010, 1169 (1172): § 25a KWG bestätige den Befund, dass es ein Verbot des Eingehens existenzgefährdender Risiken gebe. 57 Blasche, WM 2011, 343 (349) unter Berufung auf die strafrechtliche Rechtsprechung zu § 18 KWG; noch weitgehender Schumann, in: Hdb. Wirtschaftsstrafrecht, § 67, Rn. 5 ff. („zentrale Bedeutung“, „essenziell“). 58 Preußner/Pananis, a. a. O.

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4. Teil: Untreuestrafbarkeit aufgrund Erwerbs von subprime-Papieren

tet werden können. Dort kommt es weniger auf die Bonität des Darlehensnehmers, als auf die Ertragserwartung des finanzierten Geschäfts an. Banken übernehmen hier in unterschiedlichem Ausmaß auch Betriebs- und Marktrisiken59. Festzuhalten ist, dass die Beschäftigung mit der Untreuerelevanz risikopolitischer Vorschriften nicht neu ist, für § 25a KWG aber noch kaum vorhanden ist. Insgesamt erscheint § 25a KWG als Grundlage für die Beurteilung einer Untreuestrafbarkeit wegen mangelhaften Risikomanagements fragwürdig. Bemerkenswert ist auch die Diskrepanz zum gesellschaftsrechtlichen Umgang mit der Vorschrift, wo sie – jedenfalls innerhalb ihres Anwendungsbereiches – vielfach für die Bestimmung der Geschäftsleitersorgfalt bzw. für den safe harbour herangezogen wird. Dies ist mit der strafrechtlichen Zurückhaltung, rührend aus dem Prinzip des Rechtsgüterschutzes zu erklären – ein weiteres Indiz für den eigentlichen Inhalt des Begriffs der gravierenden Pflichtverletzung. Abgesehen vom Gesamtschutzzweck des KWG ist jedenfalls die Zielbestimmung der Existenzsicherung gegenüber bspw. § 18 KWG noch sehr viel deutlicher an Allgemeininteressen ausgerichtet. Dies gilt auch für die Vorschriften der §§ 10, 13 ff. KWG. Denn die durch § 25a KWG beschriebenen Verfahrens- und Organisationspflichten weisen eine große Entfernung zu einem Vermögensschaden auf. Die Ablehnung der Untreuerelevanz der Norm scheint somit unter Rechtsgutsgesichtspunkten konsequent, wirft aber gleichzeitig die Frage auf, ob es sachgerecht erscheint, das Vorliegen einer Pflichtverletzung insofern unabhängig von gesellschaftsrechtlich anwendbaren Vorschriften zu bewerten. Eine Eigenständigkeit des Strafrechts, das die Bewertungseinheit Risikomanagement begutachten will, erscheint aus Gründen der Rechtssicherheit und im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot problematisch. Nach hier vertretener Ansicht lässt sich der Schutzzweckbezug, d. h. sowohl der Fremdvermögensbezug als auch die Ergebnisrelevanz, über die Sorgfaltsgeneralklausel zumindest überzeugender herstellen60. c) Bedeutung der MaRisk Wird § 25a KWG in den Untreuetatbestand übernommen, so bietet es sich aus der Sicht des Strafrechts mit Blick auf die Rechtssicherheit bzw. das Bestimmtheitsgebot auch an, zugleich die MaRisk für die Prüfung der Pflichtwidrigkeit heranzuziehen, da sich dadurch die Vielfältigkeit und Komplexität der betriebswirtschaftlichen Methoden für das Risikomanagement in (untreue-)rechtlicher Hinsicht besser beherrschbar machen lässt. Die strafrechtliche Rechtsprechung 59 Rey, BKR 2001, 29 (33); vgl. auch Rundschreiben 11/2010 (BA), BTO 1.2. Tz. 4 und 1.2.1 Tz. 1. 60 Ähnlich Schlösser/Dörfler, wistra 2007, 326 (331) im Zusammenhang mit dem DCGK sowie Bräuning/Samson, a. a. O. (1094).

A. Risikomanagement und Untreue

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zur Kreditvergabe hat die Geschäftsleiterpflichten bereits unter Heranziehung der damals geltenden MaK konkretisiert, ohne sich mit deren Rechtscharakter näher zu befassen. Diese Erläuterungen leisten nach Ansicht der Rechtsprechung einen Beitrag zur Bestimmtheit des Untreuetatbestandes61. Dasselbe wird nun auch im Hinblick auf die MaRisk erwogen. Zutreffend ist dabei die Annahme, die Geeignetheit der MaRisk zur Konkretisierung von Geschäftsleiterpflichten folge aus ihrem ganzheitlichen Ansatz bzw. ihrer Eigenschaft als prinzipienbasiertem Aufsichtsrecht62. Eine praktische Hinwendung zu diesen Vorschriften mit oder – wie bisher zu § 18 KWG – ohne Umweg über das Gesellschaftsrecht ist aufgrund der deutlich besseren Handhabbarkeit jedenfalls kein unwahrscheinliches Szenario63. Bezieht man die MaRisk in eine direkte strafrechtliche Bewertung ein, so ist es aus bereits benannten Gründen abzulehnen, eine Pflichtverletzung nur bei gravierenden Verstößen gegen ihre Vorgaben anzunehmen64. Wie erörtert, sehen sie teilweise bereits umfangreiche Spielräume, insbesondere hinsichtlich der Auswahl von Verfahren, vor. Eine andere Frage ist es, ob eine Untreuepflichtverletzung bei Einhaltung der MaRisk immer auszuschließen ist. Hier muss der regelbasierte Ansatz jedoch ebenso wie bei einer Anwendung über die Sorgfaltsgeneralklausel abschließende Wirkung haben. Wendet das Strafrecht § 25a KWG an, erscheint es sinnvoll, auch auf die MaRisk zurückzugreifen, da, wenn überhaupt, nur so eine Erfassung der Materie des Risikomanagements auch für das Strafrecht möglich wird. Umgekehrt muss zugleich Rechtssicherheit hergestellt werden, indem man die MaRisk als strafrechtliche Untergrenze anerkennt.

V. Risikomanagement und Risikoerhöhungslehre 1. Risikoerhöhungsansätze im strafrechtlichen Umgang mit dem KWG Die bisherigen Ausführungen dieses Abschnitts lassen es zweifelhaft erscheinen, ob eine strafrechtliche Aufarbeitung der Krise im Einzelfall durch Beantwortung der Frage gelingen kann, ob die Schädigung der betroffenen Institute in strafrechtlicher Terminologie vermeidbar war65. Wiederum bereits Martin hatte 61 BGHSt 47, 148 (151 ff.); ablehnend Aldenhoff/Kuhn, ZIP 2004, 103 (106): „außerstrafrechtliches Gesetz und seine in Schreiben einer Bundesbehörde enthaltene Kommentierung können niemals zur Bestimmtheit eines Straftatbestandes führen“. 62 So Schmitt, BKR 2006, 125 (128 f.); siehe im Übrigen Wessing, BKR 2010, 159 (160) – im Zusammenhang mit § 18 KWG; differenzierend hinsichtlich des Zwecks einzelner Vorgaben innerhalb der MaRisk Dierlamm, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 201 (207 f.). 63 So auch Schmitt, a. a. O. für die Rechtsprechung; Wessing, a. a. O.: „ein den Staatsanwälten als Laien des Finanzgeschäfts hochwillkommener Katalog“. 64 A. A. Schmitt, a. a. O. 65 Vgl. die einführende Fragestellung bei Schröder, Hdb. Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1146.

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festgestellt, dass die Vorschriften des KWG einen „Nährboden“ für Anhänger der Risikoerhöhungslehre bilden66. Insofern scheint die Saat zumindest teilweise aufgegangen zu sein. Begegnete der Bundesgerichtshof in seiner Ausgangsentscheidung zu § 18 KWG der Zurückdrängung der Frage des rechtmäßigen Alternativverhaltens noch zurückhaltend, indem der betonte, die Pflichten in § 18 KWG hätten nur indizielle Bedeutung und die in der Norm genannten Informationen seien durch gleichwertige ersetzbar67, setzt er nunmehr, ohne ein etwaiges rechtmäßiges Alternativverhalten zu erwägen, die Nichteinhaltung der Vorgaben von § 18 KWG mit einer Untreuepflichtverletzung gleich68. Insbesondere die von der Rechtsprechung ebenfalls herangezogenen MaK enthalten jedoch lediglich abstrakte Organisationsregeln, die keine Nähe zu einem Vermögensschaden aufweisen69. Immerhin weist die Vorschrift selbst eine gewisse Nähe zum Rechtsgut auf. Die Beliebtheit, der sich § 18 KWG insgesamt im Rahmen der Bankuntreue seit Längerem erfreut, dürfte jedenfalls nicht allein daher rühren, dass Verstöße gegen seine Verfahrens- oder Zuständigkeitsregeln – bei „Risikoentscheidungen“ – wichtige Anhaltspunkte für die Feststellung einer Pflichtverletzung bilden können70, sondern auch daher, dass dort die Risikoerhöhung im Sinne einer „Schadenerzeugungslogik“ 71 greifbar ist72. Die Finanzmarktkrise hat nun zusätzlich den Blick darauf gelenkt, dass das Strafrecht die Frage lösen muss, wie es mit Vorschriften, die die Risikoüberwachung und damit das Vermögen auf einer abstrakteren bzw. Gesamtunternehmensebene schützen, im Rahmen der Untreue umgeht. Jedenfalls ist im Bereich des KWG eine Tendenz zur Bejahung von Risikoerhöhungsansätzen zu erkennen, die angesichts der Eigenschaft des § 266 StGB als Erfolgsdelikt fragwürdig ist73. Zumindest eine Bekennung zu diesem Ansatz wäre aus strafrechtlicher Sicht wichtig. Der Nachweis, dass der Erfolg bei rechtmäßigem Alternativverhalten nicht eingetreten wäre, ist im Bereich des KWG schwer zu führen; je abstrakter die Zielbestimmung, desto schwieriger wird er. Die Risikoerhöhungslehre erklärt verbleibende Ungewissheiten für normativ unbeachtlich. Deswegen ist es schein66

A. a. O., S. 139. Dritter Teil: D., dort bei Fn. 106. 68 BGH ZIP 2009, 1854 (1857); ebenso Schumann, in: Hdb. Wirtschaftsstrafrecht, § 67, Rn. 9, 17. 69 So auch Lüderssen, in: FS Volk (2009), S. 345 (348 ff.) nach ausführlicher Darstellung der den § 18 KWG seinerzeit konkretisierenden MaK; siehe zudem obige Ausführungen zu § 25a KWG, Dritter Teil: D.VI.2.a); vgl. auch Adick, Organuntreue, S. 124 f., für die Zurechnung des Schadens zur Verletzung der Verfahrenspflicht. 70 BGHSt 46, 30 (32); Schönke/Schröder/Perron, StGB, § 266, Rn. 20a. 71 Vgl. Bräunig, a. a. O., S. 191; aufschlussreich bereits Martin (Fn. 48 (Vierter Teil)). 72 Vgl. auch Rönnau/Hohn, NStZ 2004, 113 (115), hinsichtlich verschiedener Verfahrensvorschriften differenzierend und den ausreichenden Vermögensbezug ablehnend bei Transparenzgeboten. 73 Lüderssen, in: FS Volk (2009), S. 345 (357). 67

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bar attraktiv, sich auf eine (ergebnisrelevante) Vorschrift als Vorgabe zu stützen, deren Verletzung das Risiko des Schadenseintritts als stets ausreichend erhöhend angesehen wird. Das ließe sich etwa derart übersetzen, dass ein Absenken von Anforderungen auf der Ebene der rechtlich relevanten Gefahrschaffung, die man für eine Pflichtwidrigkeit ausreichen lässt, einer Begründung strafbaren Verhaltens nicht nützlich ist, wenn bezogen auf Ungewissheiten beim Realisierungszusammenhang nicht ebenfalls Erleichterungen in Form eines Ansatzes im Sinne der Risikoerhöhungslehre angenommen werden74. Unterstützung erfährt der Risikoerhöhungsansatz zudem durch die Betitelung aufsichtsrechtlicher Vorgaben als „Mindestvoraussetzungen“. Festzustellen ist mithin eine nicht unzweifelhafte Tendenz, im Bereich des Risikomanagements auf die Lehre von der Risikoerhöhung zurückzugreifen. Während also innerhalb des safe harbour die Verfahrensvorschriften tendenziell ein Verhalten aus dem Haftungstatbestand heraushalten, wird hier die Verfahrensvorschrift – durch die Annahme ausreichender Risikoerhöhung bei deren Verletzung – als ausreichend materielles Moment für die Annahme einer Tatbestandserfüllung nutzbar gemacht. Hieran zeigt sich die Relevanz der Einordnung einer Vorschrift in den Tatbestand des safe harbour75. 2. Betriebswirtschaftliche Risikobewertungsverfahren, Risikobegriff und Untreue – Strafrechtsrelevanz des value at risk? a) Problemaufriss In Fällen der Nichtanwendbarkeit des KWG oder ausgehend davon, dass dieses den Schutzbereich des Untreuetatbestandes nicht berührt, müssen aus strafrechtlicher Sicht die Anforderungen an das Risikomanagement grundsätzlich eigenständig festgelegt werden. Dabei ist als Untergrenze zu berücksichtigen, welche Methoden das Gesellschaftsrecht im Rahmen von § 91 Abs. 2 AktG, respektive § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG als sorgfaltsgemäß akzeptiert76. Ausgehend von einer 74 Gegen einen vorschnellen Schluss von einem Verstoß gegen Verfahrenspflichten auf einen darauf beruhenden Schaden Deiters, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 132 (139); tendenziell weiter dagegen Adick, Organuntreue, S. 123 f. 75 Daran ändert es nichts, dass der BGH in ZIP 2009, 1854 (1857) zuvor das unternehmerische Ermessen feststellt, denn die Pflichtverletzung nach § 266 StGB leitet er unmittelbar aus der Verletzung der Verfahrenspflichten ab. Das mag praktisch häufig keinen Ergebnisunterschied begründen, weil auch im Rahmen von § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG die Verletzung der Informationspflichten eine Verletzung der Sorgfaltspflichten indizieren mag. Dogmatisch besteht gleichwohl ein Unterschied. 76 Geht man hier von der völligen Unabhängigkeit des Strafrichters gegenüber der zivilrechtlichen Rechtsanwendungspraxis aus, so könnte ersterer aus der großen Palette existierender betriebswirtschaftlicher Ansätze sich selbst heraussuchen, was er als sorgfaltsgemäß betrachtet. An dem Beispiel des Risikomanagements bzw. der ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation wird demnach die Unsachgemäßheit einer entsprechenden Sichtweise besonders deutlich, siehe oben Zweiter Teil: C.; vgl. auch Waßmer, Untreue

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Eigenständigkeit des Strafrechts bzw. seiner Unabhängigkeit von den Sorgfaltsgeneralklauseln im Hinblick auf Schutzzweckgesichtspunkte müssen betriebswirtschaftliche Methoden aus strafrechtlicher Sicht folglich unabhängig von ihrer gesellschaftsrechtlichen Rezeption77 in ihrer Eignung als Grundlage der Prüfung einer Untreuestrafbarkeit bewertet werden78 – soweit nicht das „Wie“ des Risikomanagements ins Ermessen der Geschäftsleitung gestellt wird79. Insbesondere im Finanzbereich ist eine von anderen Rechtsbereichen losgelöste strafrechtliche Bewertung des Risikomanagements unter Akzessorietätsgesichtspunkten kaum denkbar. Aber auch im Falle der Anwendbarkeit aufsichtsrechtlicher Vorschriften können betriebswirtschaftliche Methoden, die auf dem Aufsichtsrecht aufsetzen, in ihrer strafrechtlichen Relevanz fraglich sein. Ganz im Zeichen von Überlegungen zur Rolle der Risikoerhöhungslehre beim Risikomanagement findet sich in der strafrechtlichen Literatur eine Auseinandersetzung mit der Frage, inwiefern existierende betriebswirtschaftliche Methoden ausreichende Anknüpfungspunkte für eine Untreuestrafbarkeit darstellen können. Fraglich ist danach, ob die in der Betriebswirtschaft verwendeten Risikomanagementmethoden für eine Bewertung des „wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplans“ aus strafrechtlicher Sicht geeignet sind. Während im Zivilrecht die empirische Unterfütterung bspw. des CAPM teilweise angezweifelt80 oder value-atrisk-Modelle methodisch hinterfragt werden81, wird im Strafrecht zusätzlich die Einpassung betriebswirtschaftlicher Methoden in die Dogmatik des Untreuetatbestandes in Frage gestellt82. Mittelpunkt der Überlegungen ist dabei das Verständnis des Risikobegriffs. Aus Sicht des Strafrechts könne unter Risiko lediglich die Gefahr der Verwirklichung negativer Ergebnisse zu verstehen sein. Ein ökonomisches Maß, an das die strafrechtliche Beurteilung anknüpft, müsse dies berücksichtigen. Eine Methode, die in den Begiff des Risikos zugleich die Verteilung der Gewinne einbeziehe, sei deshalb grundsätzlich ungeeignet für die Beurteilung der Untreuestrafbarkeit83. Problematisch erscheint dies vor dem Hintergrund der herkömmlichen Dogmatik zum strafrechtlichen Risikogeschäft, nach dem vor allem in der älteren Rechtbei Risikogeschäften, S. 74: Fristentransformation bei Festpreislieferverpflichtungen als Methode strittig und deswegen aus strafrechtlicher Sicht pflichtgemäß. 77 Siehe Hommelhoff/Schwab, zfbf Sonderheft 1996, 149 ff. und bereits oben Dritter Teil: D.III. 78 Vgl. Rose, wistra 2005, 281 (282 f.); Bräunig, a. a. O. (187 ff.). 79 Insoweit zurückhaltend Mosiek (siehe bei Fn. 31 (Vierter Teil). 80 Vgl. Becker/Walla/Endert, WM 2010, 875 (880). 81 Siehe bereits unter Dritter Teil: D.I.1. 82 Zuerst Waßmer, a. a. O., S. 67 ff.; vgl. auch Lüderssen, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 211 (215), der angesichts der „selbständigen Mechanismen betriebswirtschaftlicher Systeme“ die Tatherrschaft in Frage stellt. 83 Waßmer, a. a. O., S. 70.

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sprechung entscheidend war, ob das eingegangene Risiko noch vertretbar war oder ob der Geschäftsleiter nach „Art eines Spielers eine äußerst gesteigerte Verlustgefahr zur Erlangung höchst zweifelhafter Gewinnaussichten“ auf sich bzw. den Treugeber geladen hatte84. Entscheidend ist danach eine Quantifizierung der Gewinnchance gegenüber dem Verlustrisiko85. Auch jüngst wurde anschließend an die Grundsätze zum strafrechtlichen Risikogeschäft die Geeignetheit betriebswirtschaftlicher Methoden zur Bestimmung der Pflichtgemäßheit von Risikomanagementmethoden in Zweifel gezogen. Aus strafrechtlicher Sicht könne ein wirtschaftlich-verteilungsorientiertes Risikoverständnis nicht entscheidend sein86. Der stochastische Erwartungswert, also jener Wert, der sich bei oftmaligem Wiederholen des zugrunde liegenden Experiments als Mittelwert der Ergebnisse ergibt87, sei allein kein hinreichendes Kriterium für die Bestimmung der Pflichtgemäßheit, weil im Rahmen des Pflichtwidrigkeits- und Schadensmerkmals des Untreuetatbestandes nur ein Verständnis gelten könne, dass die wirtschaftliche Bewertung unter Bezugnahme auf den Vermögens- und Schadensbegriff erlaubt88. Eine Quantifizierung des wirtschaftlichen Werts von Risiko und Chance reiche aus untreuestrafrechtlicher Sicht nicht aus, es müsse eine konkrete Verlusterwartung und damit die Schädigung selbst quantifiziert werden, da das Strafrecht nur die negative Abweichung bewerten könne89. An dieser Diskussion zeigt sich abermals, dass die untreuestrafrechtliche Bewertung der Risikopolitik auf Unternehmensgesamtebene Probleme bereitet, wenn und weil betriebswirtschaftlich verwendete Methoden, ihrem Zweck geschuldet, längere Zeiträume betrachten. Fraglich ist außerdem, inwiefern für eine untreuestrafrechtliche Bewertung relevant ist, dass betriebswirtschaftliche Methoden die Gewinnerwartung einpreisen und deswegen ein strafrechtlich relevanter Vergleich von Risiko und Chance nicht möglich ist. Dies stellt die Relevanz des Risikomanagements als untreuerelevantem Vorgang im Finanzbereich bereits hinsichtlich des „Ob“ in Frage. b) Analyse Die Inbezugnahme längerer Zeiträume und vielfacher Vorgänge wird vom Strafrecht akzeptiert, an der Zielbestimmung richtet sich der Maßstab für die Bewertung eines Maßnahmebündels aus90. Methoden, die längere Zeiträume be-

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Siehe bereits oben Erster Teil: B.II.1, ablehnend Adick, a. a. O., S. 57 f. m.w. N. Grundlegend BGH NJW 1975, 1234 (1236); vgl. auch LK-Schünemann, § 266, Rn. 148. 86 Bräunig, a. a. O., S. 188 f. 87 Vgl. Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 68 f. 88 Bräunig, a. a. O., S. 187 f. 89 Bräunig, a. a. O., S. 188. 90 Oben I. 85

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trachten, sind demnach nicht bereits deswegen „untreueungeeignet“. Fraglich bleibt, inwiefern sich im Rahmen des Risikomanagements verwendete Methoden im Übrigen als Bezugspunkt für eine Pflichtverletzung eignen. Portfoliotheorie und das CAPM geben nur für die Einzeltransaktion bzw. ein gehaltenes Portfolio an Vermögensgegenständen betriebswirtschaftliche Leitlinien vor, die aus wirtschaftlicher Sicht das Ermessen der Geschäftsleitung begrenzen. Der Grundsatz des wirtschaftlichen Handelns zwingt ohne weitere Handlungsanleitung des Treugebers dazu, eine effizientes Portfolio zu halten, also ein Portfolio, das gegenüber anderen Portfolien bei gleichem Risiko mindestens die gleiche Rendite garantiert91. Wie weit das „Einverständnis“ hinsichtlich einzelner Risiken gegeben ist, ist im Einzelfall vom Inhalt der Satzung abhängig und insbesondere im Bereich der Landesbanken und Sparkassen im Rahmen einer Aufarbeitung der Finanzmarktkrise nicht immer einfach zu beantworten. Auch ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass dem Geschäftsleiter bei der Einschätzung über das Vorliegen des Einverständnisses ein unternehmerisches Ermessen zukommt92. Mit dem Risikomanagement angesprochen ist dagegen die Risikoadäquanz, also der Grundsatz, dass ein Unternehmen nicht mehr Risiken eingehen darf, als es zu tragen fähig ist. Die hierzu verwendeten Methoden lassen zur Abbildung von Verlustwahrscheinlichkeit im Gegensatz zum CAPM und der Portfoliotheorie prinzipiell eine Quantifizierung von Gewinnchancen (in einem Mittelwert) außen vor93. Der insofern für das Strafrecht zu bewertende Ansatz ist insbesondere der value-at-risk-Ansatz. Die Größe des value at risk bildet einen absoluten monetären Verlusthöchstwert. Darin ist die Verteilung von Gewinnchancen nicht quantifiziert. Er nennt für ein konkretes Investmentportfolio, insbesondere aber auch für die Unternehmensgesamtebene, auch eine Verlustwahrscheinlichkeit. Dass der value at risk keinen Wert für den Verlust außerhalb des Konfidenzniveaus enthält94, macht ihn nicht zu einer für die Beurteilung der Pflichtwidrigkeit unzureichend konkreten Größe negativen Ausgangs. Denn es kann mit Blick auf den Schutzzweck nicht sein, dass die Indifferenz einer Methode gegenüber der Höhe des Maximalverlustes95 zugleich die Grenze des Erlaubten irrelevant macht. Die sich insofern stellende Frage ist, ob dieses Vorgehen einen untreuerelevanten, d.h. ergebnisrelevanten Verfahrensfehler darstellt96. 91

Dritter Teil: D.I.2. Siehe ausführlich bereits oben Erster Teil: B.I.3.b). Zum Einverständnis im Zusammenhang mit Risikopolitik siehe unten B. 93 Dritter Teil: D.I.2. Dies wird durch einseitige Prognoseintervalle erreicht, die ausschließlich Verlustwahrscheinlichkeiten erfassen und Gewinnwahrscheinlichkeiten vernachlässigen, vgl. Coopers & Lybrand, Deutsche Revision, 6. KWG Novelle, S. 434. 94 Siehe oben Dritter Teil: D.I.1. 95 Wie er bspw. bei einem Einzelkredit einfach feststellbar ist. 96 Unter Berücksichtigung der Akzessorietät: der im Primärrecht nicht als pflichtwidrig angesehen wird. 92

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Der value-at-risk-Ansatz enthält allerdings keinen Vergleich mit einer Gewinnchance, und zwar gerade auch keinen dem Risikogeschäft eigenen, bei dem nicht Leistung und Gegenleistung verglichen werden, sondern Chance oder Risiko geringer bzw. größer sind, als nach der Parteiabrede97. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Risikoadäquanz ist dies im Gegensatz zur Betrachtung des einzelnen Investments bzw. Risikogeschäfts jedoch auch nicht notwendig. Die Anforderung an eine pflichtgemäße Methode ist lediglich, dass es die Verlustwahrscheinlichkeit quantifiziert98. Insofern ist der value-at-risk-Ansatz als Methode für die Untreuestrafbarkeit nicht automatisch ergebnisirrelevant. Fehler im Umgang mit den betriebswirtschaftlichen Methoden sind grundsätzlich nach Untreuemaßstäben risikoerhöhend. Gleichwohl bleibt fraglich, inwiefern die Außerachtlassung der Risiken außerhalb des Konfidenzniveaus pflichtwidrig ist. Insofern ist die Rechtslage auch bei Annahme der Anwendbarkeit des KWG im Untreuetatbestand unklar99. 3. Kreditwesengesetz, Risikoerhöhung und gravierende Pflichtverletzung Die im Bereich des Kreditwesengesetzes und Risikomanagements besonders betroffene Problematik des Strafrechts als Rechtsgüterschutz bietet Gelegenheit, auf den Begriff der gravierenden Pflichtverletzung zurückzukommen100. Denn zum einen hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil zur Kreditvergabe diesen Begriff erstmals verwendet101. Zum anderen hat das Gericht, nachdem es einen Fremdvermögensbezug der Vorschrift bejaht, zu § 18 KWG festgestellt, dass die nach der Vorschrift bestehende Pflicht zum Verlangen nach Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse vor der Kreditvergabe und die „Informationspflichten, deren Vernachlässigung eine Pflichtwidrigkeit im Sinne des Untreuetatbestandes begründen, nicht vollständig deckungsgleich“ sind102. Werde eine fehlende Information durch andere gleichwertige Informationen ersetzt, könne die Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 266 StGB entfallen103. Diese Rechtsprechung ist, wie der Begriff der gravierenden Pflichtverletzung im Allgemeinen, unterschiedlich interpretiert worden. In der Literatur wird der Vorschrift vielfach nur Indizwirkung für

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Vgl. Hefendehl, in: FS Samson (2010), S. 295 (311). Vgl. auch Waßmer, a. a. O., S. 79 f.; anders wohl Bräunig, a. a. O., S. 190. 99 Dritter Teil: E.III. 100 Siehe bereits oben Zweiter Teil: B.V.2. 101 BGHSt 47, 148. 102 BGHSt 47, 148 (152); bezeichnenderweise war die Bestrebung des oben genannten Urteils zur Kreditvergabe in der West LB (Fn. 68 (Vierter Teil)) die Klarstellung, dass eine gravierende Pflichtverletzung im Sinne einer strafrechtlichen Höhenstufe nicht existiert, vgl. dort den Verweis auf das Urteil BGH AG 2006, 85 ff. („Kinowelt“). 103 BGHSt 47, 148 (152); 46, 30 (32). 98

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den Untreuetatbestand zugesprochen. Diese Forderung dürfte letztlich primär in dem abweichenden Schutzzweck des KWG ihren Grund haben104. Die zitierten Aussagen der Rechtsprechung sprechen sehr dafür, das Problem im Sinne der Interpretation Schünemanns als eines der objektiven Zurechung zu begreifen105. Auch auf gesellschaftsrechtlicher Ebene spielen entsprechende Erwägungen eine Rolle106. Wie deutlich geworden sein dürfte, ist im KWG aber bereits die rechtlich relevante Gefahrschaffung problematisch. Es dürfte auch keinen Zufall darstellen, dass das Verlangen nach einer Schadensnähe von KWGNormen teilweise auch unter dem Begriff der gravierenden Pflichtverletzung auftaucht107. Neben Sorgen um den Schutzzweck im Sinne eines Fremdvermögensbezugs von den gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsgeneralklauseln vorgelagerten Normen ist damit als eigentliches Problem die Ergebnisrelevanz identifiziert. Seine Bestätigung findet diese These in der Abwendung der Rechtsprechung von der strafrechtlichen „Höhenstufe“ und der Hinwendung zur Thematisierung der Eignung der Sorgfaltsgeneralklauseln als unmittelbar vermögensschützend108. Auch die Tatsache, dass man bei den Generalklauseln auf Risikoerhöhungsansätze angewiesen ist, haben somit zu einer Einführung des Begriffs der gravierenden Pflichtverletzung geführt109. Man wird festhalten können, dass der Begriff eine Antwort auf Sorgen hinsichtlich des Fremdvermögensbezugs von (im Rahmen des Legalitätsprinzips) herangezogenen Primärnormen sowie hinsichtlich der untreuestrafrechtlich relevanten Gefahrschaffung durch die Sorgfaltsgeneralklauseln selbst und durch Verfahrensvorschriften im Allgemeinen darstellt. Damit bildet er primär eine Antwort auf Tendenzen, dem Risikoerhöhungsansatz nachzugeben110.

104 Siehe bereits unter Vierter Teil: A.IV.1; Knauer NStZ 2002, 399 (400), Schönke/ Schröder/Perron, § 266 Rn. 20a; Schmitt BKR 2006, 125(128 f.); Gerkau, Untreue und objektive Zurechnung, S. 180 f.; nach dem „klassischen Verständnis“ der gravierenden Pflichtverletzung eine eigene strafrechtliche Wertung im Sinne einer Höhenstufe fordernd wohl Wessing/Krawczyk, NZG 2010, 1121 (1123). 105 Siehe bereits Fn. 175 (Zweiter Teil). 106 Siehe bereits Fn. 207 (Dritter Teil). 107 Bräuning/Samson, ZIP 2009, 1089 (1094): „Eine für § 266 StGB gravierende Pflichtverletzung dürfte aber im Regelfall erst anzunehmen sein, wenn die vorgegebenen Grenzen des KWG massiv überschritten wurden. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich eine Vielzahl von Risiken im konkreten Fall ausgewirkt haben, etwa wenn die Anforderungen an die Eigenkapitalunterlegung sowie an die Liquiditätssicherstellung . . . und gleichzeitig die erforderlichen Regelungen des Risikomanagements nicht beachtet wurden.“ (Hervorhebung durch Verfasser). 108 Siehe oben Zweiter Teil: B.IV.3.c)cc)(1). 109 Vgl. Lüderssen, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 211 (215). 110 Im Ergebnis ebenso Lüderssen, in: FS Volk (2009), S. 345 (353): „,Gravierend‘“ und damit für § 266 StGB einschlägig können nur solche Pflichtverletzungen sein, deren Nähe zum Erfolg es überflüssig macht, an ein abstraktes Gefährdungsdelikt zu denken.“

A. Risikomanagement und Untreue

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An diesen Fragen, die das Strafrecht als Rechtsgüterschutz hervorheben, hat sich eine Begrenzung der Strafbarkeit zu entscheiden. Eine solche Herangehensweise stellt auch einen bewussteren Umgang mit dem Prinzip des Rechtsgüterschutzes dar, als nach darüber hinausgehenden, eigenständigen strafrechtlichen Kriterien zu suchen. Bewusstsein bedeutet nach den obigen Ausführungen vor allem den bewussten Umgang mit dem Risikoerhöhungsansatz. Außer beim Bestimmtheitsgebot, dessen Beeinträchtigung bei Vorliegen konkreter Vorschriften ja gerade kein relevantes Problem darstellt, ist eine Suche nach darüber hinausgehenden strafrechtlichen Kriterien nicht erfolgreich. Jeder sinnvolle Begrenzungsversuch auf objektiver Ebene hat beim Rechtsgut anzusetzen. Was aber, außer einer „Alles-oder-Nichts-Bekennung“ zur Untreuerelevanz pflichtenkonkretisierender Vorschriften, soll eine sinnvolle Lösung sein? Das Strafrecht wird sich jeweils entscheiden müssen, und wo es Gesichtspunkte der Schutzes der Allgemeinheit berücksichtigen will, muss es dies – insbesondere im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Finanzmarktkrise – deutlich sagen111. Trifft es seine Entscheidung in diesem Sinne, müssen Begrenzungen auf subjektiver Seite ausreichen. Am Beispiel der Frage der Anwendbarkeit des § 18 KWG für das Strafrecht wird auch abermals deutlich, wie die Diskussion um die gravierende Pflichtverletzung an Bedeutung verliert, je klarer die Konturen der gesellschaftsrechtlichen Untergrenze hervortreten.

VI. Risikomanagement als Paradigma prozeduralisierten Strafrechts Die strafrechtliche Konzentration auf betriebswirtschaftliche Methoden sowie auf Risikomanagementvorschrifen des KWG deutet auf einen Prozess hin, den Untreuetatbestand für den Umgang mit unternehmerischem Handeln zu prozeduralisieren112. Gerade die aufsichtsrechtlichen Anforderungen repräsentieren „das ganze Spektrum möglicher Ansatzpunkte prozeduraler Regulierung“ 113. Eine Prozeduralisierung kommt immer dann in Betracht, wenn sich materielle Antworten nicht oder nur schwer finden lassen. Im Angesicht der vorangegangenen Untersuchungen und bei einer abstrakten Betrachtung des Konzepts wird man des Umstands gewahr, dass die Betonung des Verfahrens zwei Gesichter haben kann, dass sie nämlich sowohl strafbarkeitsausdehnend als auch strafbarkeitseinschränkend wirken kann. Diese beiden Aspekte der Prozeduralisierung bilden die jeweilige Kehrseite einer Distanzierung vom geschützten Rechtsgut. Die Betonung des 111 Wie Schröder, NJW 2010, 1169 (1171 f.) dies tut; ders., Hdb. Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1161, dort unter Hinweis auf die Rechtsprechung zu den Kapitalerhaltungsvorschriften, mit denen zwar auch der Gläubigerschutz angesprochen ist, die aber eine deutlich stärkere Ergebnisrelevanz aufweisen, als bspw. § 25a KWG. 112 Vgl. auch Bräunig, a. a. O., S. 191 f. 113 Binder, ZGR 2007, 745 (749).

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Verfahrens kann entlasten, wenn die Haftung für die Verletzung eines eigentlichen geschützten Rechtsguts aufgrund eines eingehaltenen Verfahrens ausgeschlossen wird. Die Prozeduralierung hat dann absichernde Wirkung. Sie kann verschärfen, wo das Strafrecht auf Schwierigkeiten bei der materiellen Erfassung mit einer Sanktionierung von Mängeln im Prozess reagiert. Letzteres wird es vor allem dann tun, wenn ihm der potenzielle Schaden für das Rechtsgut besonders schwerwiegend erscheint und dieser durch rechtzeitige Beobachtung bzw. die Sanktionierung ihrer Mangelhaftigkeit verhindert werden soll114. Diese beiden Pole der Prozeduralisierung bedürfen vor dem Hintergund ihrer Bedeutung für den untreuestrafrechtlichen Umgang mit dem Risikomanagement einer eingehenderen Erörterung. 1. Strafbarkeitsbeschränkende Prozeduralisierung Beim Risikogeschäft als Einzelmaßnahme ist auf Verfahrensvorschriften zurückgegriffen oder sind Verfahrensschritte als Prüfungsgegenstand herangezogen worden, weil die materiell relevante Information der überwiegenden Renditeaussicht gegenüber dem Verlustrisiko sich nur unzureichend ermitteln lässt und in der Folge die Gefahr eines hindsight bias besteht. Entsprechend hat die Anerkennung unternehmerischer Ermessensspielräume zu der Konzentration auf formelle Gesichtspunkte in strafbarkeitsbegrenzender Weise geführt115. Werden schutzzweckrelevante Verfahrenspflichten eingehalten, wird grundsätzlich neuerdings auch im Strafrecht angenommen, dass eine Pflichtverletzung ausscheidet. Innerhalb des Anwendungsbereichs des safe harbour ist das Strafrecht zu dieser strafbarkeitsbegrenzenden Anwendung der Prozeduralisierung bereits aus Akzessorietätsgründen gezwungen. Es mag sein, dass die Verlagerung auf das Bewerten des Verfahrens der Enscheidungsfindung im Strafrecht das unabwendbare evolutionäre Resultat einer parallelen Entwicklung im Umgang mit durch Prognosen geprägten, komplexen wirtschaftlichen Sachverhalten ist. Diese wird Vermutung erhärtet, wo im Strafrecht über die Feststellung der Ungeeignetheit von Verlustwahrscheinlichkeiten zur Bestimmung der Pflichtwidrigkeit auf formelle Pflichten zurückgegriffen und darin der Beginn einer Prozeduralisierung erkannt wird, die in Fällen der strafrechtlichen Unterbestimmtheit oder bei „Risikoentscheidungen ohne hinreichenden materiellen Hintergrund“ eine „Möglichkeit des

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Hassemer, wistra 2009, 169 (173). Dazu bereits oben Erster Teil: B.II.1., dort bei Fn. 195 und Bosch/Lange, JZ 2009, 225 (234); zusammenfassend auch Gerkau, Untreue und objektive Zurechnung, S. 46 ff. Ablehnend zum Verfahrensansatz neuerdings Kraatz, ZStW 2011, 447 (479) unter Heranziehung des Beispiels eines Vorstands, der seinem Bruder unter Einhaltung aller Verfahrensvorschriften EUR 1 Mio. zukommen lässt. Dass ein solches Verhalten von einem Verfahrensansatz nicht geschützt ist, ist allerdings bereits im Gesellschaftsrecht anerkannt, siehe dazu unten Vierter Teil: D.I.2. 115

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Systemsabgleichs zwischen Recht und Wirtschaft“ darstellt116. Versteht man den Begriff der Prozeduralisierung als strafbarkeitseinschränkende Normativierung von Verfahren, mag man also auf unterschiedlichen Wegen zum selben Ergebnis gelangt sein. Gleichwohl wird man festhalten müssen, dass diese Facette der Prozeduralisierung nunmehr einer gesetzgeberischen Intention entspringt und nicht eine Reaktion, sondern eine – verhaltenssteuernde – Aktion darstellt. Das Gesellschaftsrecht und, je nach Betrachtungsweise auch das Aufsichtsrecht, haben Entscheidungsverfahren und Risikoadäquanzmaßnahmen teilweise im hohen Maße rechtlich ausgestaltet. Sie stellen deshalb auch für das Strafrecht im Bereich des unternehmerischen Geschäftsleiterhandelns die erste, nicht die letzte Bewertungsoption dar. Deswegen ist es entscheidend, die primärrechtlichen Vorgaben dogmatisch zutreffend „wegzusortieren“, d.h. ggf. insbesondere dem safe harbour zuzuordnen. Wo sodann das Gesellschaftsrecht absichernd zuerst auf die Einhaltung des Verfahrens schaut, kann die Prozeduralisierung in dem hier verstandenen Sinne nicht als Ersatz für eine im Einzelfall bestehende Unterbestimmtheit verstanden werden. Im Anwendungsbereich des rechtlichen Begriffs der unternehmerischen Entscheidung ist zu konstatieren, dass Straf- und Wirtschaftsrecht auch hinsichtlich der Bewertung des Verfahrens zumindest begonnen haben zu verschmelzen. 2. Strafbarkeitserweiternde Prozeduralisierung Weil die Ausgestaltung des Risikomanagements im Bereich des unternehmerischen Handelns liegt117, gilt also das soeben Gesagte grundsätzlich auch bezogen auf dieses. Da Prozeduralisierung dort behilflich ist, wo Rechtsfragen zur Entscheidung anstehen, die sich nach gegenwärtigem Kenntnisstand aufgrund notwendiger Prognosen und Komplexität nicht beantworten lassen, bietet sie sich für das Risikomanagement besonders an: Je weiter die Zielbestimmung bzw. je größer der Umfang des in Bezug genommenen Maßnahmebündels, desto größer werden die Schwierigkeiten bei der Ermittlung materieller Anknüpfungspunkte, mit dem Risikomanagement auf Unternehmensgesamtebene als größtmöglicher und komplexester Bewertungseinheit. Stellen sich anwendbare primärrechtliche Vorgaben als Konkretisierung des safe harbour dar, steht dem Geschäftsleiter auch beim Risikomanagement zumindest theoretisch die absichernde Funktion dieser Vorschriften und ein zusätzlicher entire fairness test und damit eine materielle Absicherung zu, die über die untreuestrafrechtliche Frage des objektiv zurechenbaren Schadens hinausgeht.

116 117

Bräunig, a. a. O., S. 192. Erster Teil: B.I.3.c).

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Jedoch schwindet bei Betrachtung der Unternehmensgesamtebene intuitiv die Bereitschaft, vom Risiko der strafrechtlichen Erfolgshaftung zu befreien. Auch wenn die Gefahren der Erfolgshaftung auf dieser Ebene ebenfalls erkannt werden, wird das Risiko für betriebstypische Gefahren „technischer und sozialer Fehleinschätzungen“ bzw. fehlerhaften Risikomanagements erst einmal dem Unternehmen zugewiesen118. Von der Verantwortung für systemisch-fehlerhafte Risikoentwicklungen wird nicht ohne Weiteres befreit, weil hierbei grundsätzlich große Risiken betroffen sind119 bzw. die Gefahr schwerer Rechtsgüterschäden besteht. Eine Entlastung von der Erfolgshaftung wird dann wieder als angemessener empfunden, wenn der „Staat selbst rechtsgestaltend in die Planungsabläufe des Unternehmens eingreift“ 120. Denn gestaltet die Aufsicht mit, hat sie auch entsprechend mehr Risikowissen und -verständnis121. Wo nun also steht in dieser Hinsicht das – bankaufsichtlich geregelte – Risikomanagement im Untreuetatbestand? Es lässt sich feststellen, dass im Bereich des Risikomanagements trotz der hiermit einhergehenden Beeinträchtigung des Prinzips des Rechtsgüterschutzes122 im Strafrecht eine Prozeduralisierung bereits eingesetzt hat123. Insgesamt ist eine Entwicklung zu erkennen, in der das Strafrecht unter Rechtsgüterschutzgesichtspunkten zu Zugeständnissen bereit zu sein scheint. Dies gilt zuvörderst für die teilweise Erwägung der Heranziehung von risikopolitischen Vorschriften des KWG124. Aber auch, wo es nicht auf gesellschaftsrechtliche oder aufsichtliche Verfahrensbeschreibungen zurückgreift125, widmet sich das Strafrecht einer eigenständigen Bewertung der durchgeführten Verfahren bzw. der Organisation126. Ausdrücklich wird dabei erwogen, auf eine Differenzierung zwischen formellen

118 Vgl. Heine, Verantwortlichkeit von Unternehmen, S. 293 einerseits und S. 295 andererseits. 119 Vgl. Heine, a. a. O., S. 292, 295, die Unterschiede individueller Verantwortlichkeit von der Verbandsverantwortlichkeit betonend. 120 Heine, a. a. O., S. 295. 121 Vgl. Heine, a. a. O. 122 Hassemer, a. a. O. 123 Siehe auch bereits oben Erster Teil: B.II.1. sowie Nestler, in: Die sogenannte Finanzkrise – Diskussion, S. 66: langfristig könne es nur noch auf Verstöße gegen klare formelle Regelungen ankommen (Hervorhebung durch Verfasser). 124 Ablehnend gegenüber einer Ableitung der Pflichtwidrigkeit aus einem Verstoß gegen „Beleihungsrichtlinien“ bei der Kreditvergabe bspw. noch Haas, Vorschläge de lege ferenda, S. 107. 125 Wobei abzuwarten bleibt, inwiefern eine Ausstrahlungswirkung von Vorschriften wie §§ 25a KWG und 64a VAG auf das gesamte Gesellschaftsrecht für strafrechtliche Zwecke in Anspruch genommen werden kann. 126 Dritter Teil: E.III.; Rose, wistra 2005, 281 ff.; Bräunig, a. a. O., S. 185, 190 f.; auch Waßmer, a. a. O., S. 80.

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und materiellen Pflichten innerhalb des Risikomanagements als Gesamtpflicht zu verzichten, weil dieses selbst den nötigen Vermögensbezug haben soll127. Macht man, um schwere Rechtsgüterschäden zu verhindern und frühzeitig beobachten zu können, statt der Bewertung des konkreten Schadensfalls das Risikomanagement zum Gegenstand der strafrechtlichen Beurteilung, bedarf es für eine erfolgreiche Risikoverlagerung, wie angedeutet, zudem noch eines weiteren Schrittes: Sie gelingt nur, wenn der (Entlastungs-)Nachweis, dass bei fehlerhaftem Risikomanagement eine Pflichtverletzung gleichwohl nicht vorlag oder der Schadenseintritt vermieden hätte werden können, zumindest erschwert wird128. Dies wird umso dringlicher, je größer die Zielbestimmung ist; den Zurechnungszusammenhang mit einer Existenzgefährdung zu beweisen, bereitet erhebliche Schwierigkeiten. Weil am Ende folglich bei einer Gefährdungssanktionierung anzugelangen ist, hängt die Prozeduralisierung im Erfolgsdelikt der Untreue deswegen unweigerlich zusammen mit einer Zurechnung, die auf Risikoerhöhung statt Vermeidbarkeit basiert. Betrachtet das Strafrecht die in Frage kommenden Verfahrenvorgaben als nicht ergebnisrelevant, fehlt ihm für die Bewertungseinheit Risikomanagement die Anknüpfung. Befindet es sie für ergebnisrelevant, steigt das Bedürfnis nach einer Feststellung der „Graviertheit“ ihrer Verletzung. Hinsichtlich des Risikomanagements in Kreditinstituten scheint nach dem eingangs Gesagten eine Risikoverlagerung hin zu den Handelnden bzw. den Unternehmen selbst weniger angezeigt, denn insofern hat der Staat bzw. die Aufsicht maßgeblich mitgestaltet129. Stimmt man dem zu und fragt schließlich, wohin das Risiko stattdessen „zurückwandert“, befindet man sich wiederum in dem bereits angedeuteten untreuestrafrechtlichen Dilemma: Weil die Prozeduralisierung insbesondere auch für die Beobachtung von Großrisiken und die Abwendung schwerer Schäden zu Hilfe geholt wurde, steht man vor dem Staat als Risikoträger und in Vertretung von Allgemeininteressen130. Stimmt man dem nicht zu und verschiebt das Risiko wieder zu den Unternehmen und – in einem Durchgriff – zu den für das Risikomanagement Verantwortlichen, muss dies mit der Feststellung einher gehen, dass sich in zweifacher Hinsicht vom Rechtsgut entfernt wurde: durch den Risikoerhöhungsansatz wurde nicht allein dem substanziellen Strafrecht der Rücken zugewandt131, sondern zugleich der Rechtsgutsträger ausgetauscht.

127

Vgl. Schlösser/Dörfler, wistra 2007, 326 (330); Bosch/Lange, JZ 2009, 225 (234). Vgl. Heine, a. a. O., S. 313. 129 Vgl. bereits Dritter Teil: D.IV.; gegen eine Strafbarkeit des Unternehmens WeberRey, AG 2012, 365 (370) mit Bezug zur Bedeutung des Aufsichtsrechts im Anschluss an die Finanzmarktkrise. 130 Vgl. Heine, a. a. O., S. 295. 131 Vgl. Hassemer, a. a. O. (173). 128

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Noch ist im Schrifttum ein überwiegendes und eindeutiges Bekenntnis zum Untreuetatbestand als Sanktion, jedenfalls für fehlerhaftes Risikomanagement auf Unternehmensgesamtebene, nicht zu erkennen132. Mit seinem Urteil zur Kreditvergabe in der West LB133 hat der Bundesgerichtshof allerdings die Tür geöffnet zu einer strafbarkeitsausdehnenden Prozeduralisierung134. Der dort betroffene § 18 KWG stellt bezogen auf die Abkehr von der Vermeidbarkeit einen Grenzfall dar, denn hier ist mit einem konkreten Kredit ein konkreter Vermögensschaden fassbar. Nicht ohne Grund ist aber die Zurückhaltung des Schrifttums bezüglich § 25a KWG sowie anderen risikopolitischen Vorschriften des KWG größer. Auch wird sich der Anwender des Untreuetatbestandes im letzten Fall stärker als im ersten, letztlich aber in beiden, zum Schutz von Allgemeininteressen bekennen müssen.

VII. Risikomanagement, Vermögensnachteil und die „Verschleifung“ von Pflichtverletzung und Schaden Mit Risikoerhöhungsansätzen zusammen hängt ist das Problem der sogenannten Verschleifung der Tatbestandsmerkmale Pflichtverletzung und Schaden. Beim Risikogeschäft als Einzelmaßnahme tritt der Risikoerhöhungsansatz hier nicht deutlich hervor, sofern „materiell“ auf Gewinn- und Verlustwahrscheinlichkeiten Bezug genommen wird. Im Zuge der strafrechtlichen Prozeduralisierung beim Risikomanagement ist – im Hinblick auf die Risikoerkennung – allein die Vermögenserhaltung als Gegenstand der Untreue betroffen; eine Weggabe von Vermögen des Treugebers in der Erwartung einer Gegenleistung ist im Gegensatz zum Risikogeschäft nicht zwangsläufig Gegenstand des Risikomanagements. Aus diesem Grund können beim Risikomanagement Pflichtverletzung und Schadensmerkmal nicht wie beim einzelnen Risikogeschäft verschliffen werden, um zu einer Erfüllung des objektiven Tatbestands zu gelangen. Denn anders als beim Risikogeschäft, lässt sich eine Verschleifung nicht im Wege einer Gegenüberstellung von Verlustrisiko mit einer Expektanz135 vornehmen. Die Vereinfachung in der Zurechnung, die mit der Verschleifung einhergeht, muss bei der reinen Vermögenserhaltung ersetzt werden durch die strafbarkeits132

Siehe oben Vierter Teil: A.IV.2. Fn. 68 (Vierter Teil). 134 Eine Tendenz der Rechtsprechung, eine Pflichtverletzung allein aufgrund des Verstoßes gegen Verfahrensvorschriften zu bejahen, kritisiert auch Kraatz, ZStW 2011, 447 (479); eine strafbarkeitsausweitende Prozeduralisierung in dem Urteil sehend wohl auch Deiters, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 132 (139); vgl. auch Gerkau, Untreue und objektive Zurechnung, S. 91 zu den Grundentscheidungen BGHSt 46, 30 und 47, 148: „Die Untreue wurde vom Erfolgsdelikt zum Gefährdungsdelikt verändert.“; wohl zustimmend dagegen Kasiske, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 13 (34). 135 LK-Schünemann, § 266, Rn. 148. 133

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ausweitende Prozeduralisierung und das Ausreichenlassen einer Risikoerhöhung. Die Verschleifung erhält hier in der Risikoerhöhung eine deutlicheres Gesicht. Eine Form des Rückschlusses von einem Schaden auf die Pflichtverletzung liegt hierin freilich ebenfalls136. Deutlich wird abermals, dass es beim Risikomanagement problematisch ist, als Erfolgsunwert eine aktuelle Vermögensminderung zu fordern137. Geht man davon aus, dass bei fehlerhaftem Risikomanagement auch später eintretende Nachteile relevant sind, so scheint eine Zurechnung der existenzgefährdenden Wertberichtigungen von Aktiva zur pflichtverletzenden Bewertungseinheit Risikomanagement unter Außerachtlassung der Vermeidbarkeitstheorie allerdings sehr weitgehend und würde die Untreue vollends in ein Gefährdungsdelikt verwandeln. Praktisch scheint der Nachweis, dass Vermögensnachteile sich bei alternativem Risikomanagement mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließen lassen, andererseits generell sehr mühsam zu sein, zumal dann, wenn, wie in einer Krise, sich weitere Banken finden, bei denen ähnliche Vorgänge stattfanden, sodass der Beschuldigte zunächst auf diese Vorgänge verweisen kann und der Strafverfolger gewissermaßen gezwungen ist, die jeweils anderen Risikomanagementmaßnahmen ihrerseits als pflichtwidrig zu entlarven. Davon abgesehen dürfte es unzutreffend sein, bei einer Berechnung der durch fehlerhaftes Risikomanagement entstandenen Schäden solche Nachteile, die in der Folge der Abwertung der ABS als „Anschlussschäden“ in der darauffolgenden Reaktion des Marktes begründet sind, von der Zurechnung grundsätzlich auszunehmen. Angesprochen sind damit insbesondere die Folgen der Unverkäuflichkeit der zur Refinanzierung begebenen Papiere und die Inanspruchnahme aus den Liquiditätslinien aufgrund des Nichtbedienens der Forderungen aus diesen Papieren durch das Vehikel. Da die Zielbestimmung des Risikomanagements das Erkennen und Kontrollieren von – existenzgefährdenden Marktrisiken – beinhaltet138, müssen kongruent dazu auch insofern die Konsequenzen fehlerhaften Risikomanagements grundsätzlich zurechenbar sein139. Es kann dann nicht, wie im Falle von Einzelkrediten140, bei der Berichtigung der die ABS betreffenden Positionen stehengeblieben werden. Die absichernde Seite der Prozeduralisierung hingegen steht in Konkurrenz zum Schädigungsverbot. Wird auf die Spezialvorschriften des KWG zurückgegriffen, kommt gleichzeitig das bereits festgestellte Konkurrenzverhältnis des Schädigungsverbots zum Spezialitätsgrundsatz zur Geltung. Wo Ermessen durch 136

Vgl. Schünemann, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 71 (93). Vgl. auch Deiters, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 132 (134); Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 238, dort als Problem der Unmittelbarkeit. 138 Siehe nur Dritter Teil: D.I. 139 A. A. Schröder, Hdb. Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1194 f. 140 Dazu Nack, StraFo 2008, 277 (280). 137

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spezielle Vorgaben eingeschränkt bzw. konkretisiert wird, ist ein Rückgriff auf das Schädigungsverbot ausgeschlossen.

VIII. Zusammenfassung Die strafrechtliche Handhabung des Risikomanagements bereitet Schwierigkeiten. Innerhalb des Anwendungsbereichs von § 91 Abs. 2 AktG ist ein für § 266 StGB notwendiger Fremdvermögensbezug für das Strafrecht begründbar. Folglich ist hier auch die Einrichtung einer entsprechenden Geschäftsorganisation untreuestrafrechtlich verpflichtend. Die Vorschrift ist, für sich genommen, aus strafrechtlicher Sicht allerdings unterbestimmt. Auch ist im Bereich des § 91 Abs. 2 AktG die Nähe zu einer Vermögensschädigung im Sinne einer Ergebnisrelevanz nicht unzweifelhaft. Den untreuestrafrechtlichen Fremdvermögensbezug der Vorschriften des KWG insgesamt über den bloßen Reflex des vorgelagerten Schutzes des einzelnen Instituts zu begründen, ist nicht überzeugend. Es muss jedenfalls eine Differenzierung danach stattfinden, welche Nähe die beschriebene Pflicht zu einem potenziellen Vermögensverlust hat, mit anderen Worten, wie ergebnisrelevant sie ist. Eine Relevanz der die Gesamtunternehmensebene betreffenden risikopolitischen KWG-Normen lässt sich letztlich nur herstellen, indem man auch die Existenzsicherung als untreuerelevante Zielbestimmung anerkennt. Mit Anerkennung der Existenzsicherung als Zielbestimmung ist aber wiederum der aufsichtliche Zweck der Funktionsfähigkeit der Bankwirtschaft und damit ein Zweck angesprochen, der mit dem Rechtsgut der Untreue nicht mehr übereinstimmt. Eine Untreuerelevanz der risikopolitischen Vorschriften des Aufsichtsrechts lässt sich damit ohne die Rekurrierung auf die Sorgfaltsgeneralklauseln als primär treugeberschützende Vorschriften letztlich nur über eine Anerkennung von Allgemeininteressen in § 266 StGB erreichen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das Risikomanagement weniger abstrakte Zielbestimmungen, als die Existenzsicherung haben kann, wie beispielweise bei der Projektfinanzierung. Denn letztlich sollen die Vorschriften der §§ 10 ff., 13 ff., 25a KWG im Interesse der Allgemeinheit den Bestand des Instituts sichern. Das Risikomanagement ist insbesondere bei Großbanken ein komplexer, von Prognosen geprägter Prozess. Daraus folgt, dass hier auch das Strafrecht auf die Bewertung des Verfahrens angewiesen ist. Wie im gesellschaftsrechtlichen safe harbour von Rechts wegen festgeschrieben, ist das Strafrecht beim Risikomanagement noch stärker als beim (Einzel-)Risikogeschäft dazu gezwungen, zunächst das Verfahren zur Grundlage der Prüfung zu machen. Die Heranziehung von Verfahrensvorschriften im Untreuetatbestand wirkt dabei nicht allein strafbarkeitsbegrenzend, sondern auch strafbarkeitsausdehnend. Die Sanktionierung fehlerhaften Risikomanagements lässt sich bei der Untreue als Erfolgsdelikt nicht ohne Risikoerhöhungsansätze realisieren. Zum einen werden die Anforderungen

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an die Schaffung einer rechtlich relevanten Gefahr herabgesetzt, indem in der Verletzung abstrakter Verfahrens- und Organsationsvorschriften eine Pflichtverletzung erkannt wird. Zum anderen besteht ein Anreiz, auch den Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden nach Risikoerhöhungsgesichtspunkten zu beurteilen. Eine Zurechnung der existenzgefährdenden Wertberichtigung von Aktiva zur pflichtverletzenden Bewertungseinheit Risikomanagement mit Hilfe der Vermeidbarkeitstheorie ist sowohl theoretisch als auch praktisch nur schwer nachweisbar. Daraus mag in praktischer Hinsicht folgen, dass nur evidente Mängel beim Risikomanagement verfolgt werden können. Dogmatisch ist dies jedoch ein unzutreffender Ansatz. Im Bereich der Risikoerkennung im Gegensatz zur Risikosteuerung unterscheidet sich das Risikomanagement als Mittel der Schaffung von Risikoadäquanz vom klassischen strafrechtlichen Risikogeschäft dadurch, dass eine Saldierung gegen eine Gewinnchance nicht vorgenommen werden kann. Der Zweck der Untreue ist in diesem Bereich deswegen auf die reine Vermögenserhaltung reduziert. Hieraus ergibt sich auch, dass eine Verschleifung von Pflichtverletzung und Schaden im herkömmlich verstandenen Sinne im Bereich des Risikomanagements keine Rolle spielt. Das Strafrecht muss sich, sofern es einen ausreichenden Fremdvermögensbezug bejaht, entscheiden, ob es die Bewertungseinheit Risikomanagement als Konzept betrachtet, das eine hinreichende Nähe zum Rechtsgut der Untreue aufweist. Dies ist der dogmatisch einzig konsequente Weg zu einem strafrechtlichen Umgang mit dem Risikomanagement. Die strafrechtliche Diskussion um das Risikomanagement zeigt in eindringlicher Weise, dass das Konzept einer strafrechtlichen „Höhenstufe“ keinen Gegenstand hat, sondern, wie von Teilen der Lehre und Rechtsprechung vertreten, einerseits eine Bewältigung der Komplexität und Unsicherheit im wirtschaftlichen Bereich, vor allem aber auch Ausdruck eines Steuerns gegen die Tendenz ist, sich vom Schutzzweck der Untreuenorm zu entfernen bzw. der Sorge, den Unrechtskern der Untreue aus den Augen zu verlieren. Eine darüber hinausgehende Evidenz außerstrafrechtlicher Pflichtverletzung ist, auch vor dem Hintergund des Bestimmtheitsgrundsatzes, nicht zu fordern. Hält man risikopolitische Vorschriften trotz aller Zweifel für ergebnisrelevant, ist darauf zu achten, dem Geschäftsleiter ausreichende Rechtssicherheit zu bieten, d.h. nicht über allgemein umschriebene Existenzgefährdungsverbote den Grundsatz der Spezialität bzw. Akzessorietät zu umgehen. Gläubigerschutzrelevante Vorschriften müssen also umgekehrt auch Rechtssicherheit im Rahmen des § 266 StGB bieten. Hierin kommt wiederum zum Ausdruck, dass, je höher die Regelungsdichte und somit je klarer die strafrechtliche Untergrenze ist, desto zumutbarer ist tendenziell eine strenge Akzessorietät. Die konkretisierte Untergrenze im Risikomanagementbereich wäre auch im Rahmen der Aufarbeitung der Finanzmarktkrise zu beachten.

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B. Inhalt und Grenzen risikopolitischer Disposition aus strafrechtlicher Sicht Mit der Zielbestimmung, Existenzvernichtungen bzw. -gefährungen zu verhindern, geht die Tendenz einher, sich vom Individualgüterschutz der Untreue zu entfernen und ordnungspolitische Ziele zu betonen. Aus untreuestrafrechtlicher Sicht spielt die Einordnung als Allgemeininteresse indes keine Rolle, wenn und soweit entsprechende Vorgaben in das Innenverhältnis übernommen wurden. Zu untersuchen ist, welche risikopolitischen Vorgaben nach strafrechtlichen Maßstäben, d.h. insbesondere unter Annahme der Rechtsprechung, dass die Sorgfaltsgeneralklauseln selbst eine Übertragung ins Innenverhältnis nicht bewirken können, im Treueverhältnis zur Geltung kommen, wenn genaue Vorgaben im Innenverhältnis fehlen. Andererseits ist zu erörtern, welche Grenzen der Freiheit zur Ausgestaltung des Innenverhältnisses aus strafrechtlicher Sicht gesetzt werden.

I. Relevanz der strafrechtlichen Dogmatik zum existenzvernichtenden Eingriff Zunächst soll auch aus strafrechtlicher Sicht eingeordnet werden, welche Bedeutung die Grenzen der Disposition im Innenverhältnis bzw. Treueverhältnis auf die Vorgänge um die ABS-Geschäfte haben. Nach hier vertretener Ansicht ist eine vom Gesellschaftsrecht abweichende strafrechtliche Auslegung durch die Strafgerichte unzulässig, sofern im Gesellschaftsrecht eine gefestigte Rechtsmeinung existiert, weil dies gegen das Bestimmtheitsgebot und den ultima-ratioGrundsatz verstieße. Bezogen auf den existenzvernichtenden Eingriff scheint eine unterschiedliche Auslegung durch die Fachgebiete allerdings kein praktisches Problem zu sein, weil insofern die strafgerichtliche Rechtsprechung von einer Kongruenz beider Konzepte ausgeht141. Es droht deswegen jedenfalls keine strengere strafrechtliche Haftung. Das Verbot, die Existenz der Gesellschaft zu gefährden, wird im Untreuestrafrecht allerdings kontrovers diskutiert. Vor dem Hintergrund einer Strafbarkeit wegen des Investments in ABS ist vorliegend dabei lediglich von Interesse, wie das Strafrecht mit Existenzgefährdungen umgeht, die sich durch Realisierung von Ansprüchen aus den Eigenkapitalerhaltungsvorschriften142 nicht verhindern lassen. Der durch diese Vorschriften gewährte Schutz hat eine nur begrenzte Wirkung, da diese nicht vor einem Verlust des haftenden Kapitals im Rahmen der Geschäftsführung der Gesellschaft schützen, sondern Zugriffe mit Zustimmung zumindest eines Gesellschafters, und damit gezielte Zugriffe, verbieten143. Die 141 142 143

Vgl. BGHSt 49, 147 (159 f.). Vgl. für die GmbH §§ 30, 31 GmbHG. Siehe nur Goette, DStR 2007, 1593.

B. Inhalt und Grenzen risikopolitischer Disposition aus strafrechtlicher Sicht 223

überwiegende Ansicht im Strafrecht bejaht im Anschluss an die Rechtsprechung jedoch auch außerhalb der Kapitalerhaltungsnormen ein Verbot, existenzgefährdende Dispositionen vorzunehmen144. Die Rechtsprechung betont auch seit Langem, dass Träger des rechtlich geschützten Vermögensinteresses die Gesellschaft selbst ist, nicht die Gesamtheit der Gesellschafter145. Konstruktiv ist danach aus strafrechtlicher Sicht, parallel zu gesellschaftsrechtlichen Vorgaben, ein „Einverständnis“ 146 der zuständigen Organe unwirksam und damit auch der Geschäftsleiter durch dieses Einverständnis nicht entlastet. Dass der Verfügungsmacht der Anteilseigner Grenzen gesetzt sind, wird im Strafrecht von einer starken Gegenansicht verneint147. Der Vorwurf, dass das Ziehen derartiger Dispositionsgrenzen im Kern das Betreiben von Gläubigerschutz darstellt148, wird seit dem Wechsel der Haftungsgrundlage von einer Außenhaftung im Wege des Durchgriffs auf eine deliktische Innenausgleichshaftung149 allerdings nach teilweiser Ansicht entkräftet150. In jedem Fall aber kommt nach den dargestellten Ansichten auch im Strafrecht eine Pflichtverletzung im Sinne der Untreue nur in Betracht, wenn es sich um eine Anweisung der Gesellschafter zu konkreter Entziehung des Vermögens zu betriebsfremden Zwecken handelt. Damit ist im Strafrecht eine inzidente Prüfung der Voraussetzungen des § 826 BGB bereits auf Pflichtwidrigkeitsebene notwendig. Eine abweichende, abstraktere Beschreibung der Grenzen der Dispositionsbefugnis kommt im Strafrecht im Hinblick auf die limitierte Akzessorietät und den Bestimmtheitsgrundsatz nicht in Frage151. Damit dürften Fälle, in denen es um die Risikoadäquanz bzw. Verstöße gegen eine vorgegebene Risikopolitik geht, per Subsumtion kaum relevant sein. Die Grenze der vorsätzlichen Schädigung passt sich auch ein in ein Gesamtsystem, welches unternehmerische Ermessen in derartigen Fällen nicht gewährt152. Ausgehend davon, dass nach Satzung bzw. Unternehmensgegenstand eine bestimmte Art von Geschäften nicht erlaubt ist, ergibt sich eine Pflichtwidrigkeit zudem schon aus der Übertretung dieser im 144 BGHSt 49, 147 (158); 54, 52 (59); Wodicka, Untreue, S. 249 ff.; Maurer, GmbHR 2004, 1549 (1556); Fischer, StGB, § 266, Rn. 96 m.w. N. 145 Siehe zuletzt BGHSt 55, 266 (279 f.). 146 Zur Dogmatik der Zustimmung im Falle risikopolitischer Vorgaben sogleich. 147 Schönke/Schröder/Perron, § 266, Rn. 21b; Rönnau, ZStW 119 (2007), 887 (908); Kubiciel, NStZ 2005, 353 (359); Bosch/Lange, JZ 2009, 225 (233); Kasiske, wistra 2005, 81 (85), anders ders., in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 24. 148 SSW-StGB/Saliger, § 266, Rn. 87. 149 BGHZ 173, 246, siehe schon Dritter Teil: E.VIII.3.c). 150 Radtke/Hoffmann, GA 2008, 535 (548). 151 Vgl. Radtke/Hoffmann, a. a. O. (549). Auf diese Weise ist auch der Wertungswiderspruch beseitigt, dass über §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB das Vermögen in weiterem Umfang geschützt ist, als über § 826 BGB, dazu kritisch Volk, in: FS Hamm (2008), S. 801 (805); siehe auch Schramm, Untreue und Konsens, S. 121. 152 Dazu sogleich unter D.

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4. Teil: Untreuestrafbarkeit aufgrund Erwerbs von subprime-Papieren

Innenverhältnis gezogenen Dispositionsbefugnisse. Dass das Eingehen von Risiken grundsätzlich erlaubt ist, ergibt sich aber jedenfalls bei Banken bereits aus dem Unternehmensgegenstand selbst. Die strafrechtlichen Grundsätze zur Unwirksamkeit des Einverständnisses bei existenzgefährdenden Eingriffen sind demnach so wenig wie im Gesellschaftsrecht relevant für die untreuestrafrechtliche Aufarbeitung der Finanzmarktkrise, was nach dem Gesagten nicht nur daraus folgt, dass mit dem ABS-Geschäft nicht bloß ein Einzelakt zu bewerten ist153.

II. Innenverhältnis und Risikopolitik Jenseits des gezielten Abzugs von Vermögen besteht im Strafrecht Einigkeit dahingehend, dass das Innenverhältnis durch die individuelle Risikoeinstellung des Vermögensinhabers geprägt ist. Die dogmatische Begründung der Straflosigkeit im Falle des Einhaltens der Risikopolitik fällt nicht völlig einheitlich aus154. Die herrschende Meinung schließt jedoch bereits eine Pflichtverletzung aus155. In Abgrenzung zum einzelnen Risikogeschäft ist im Übrigen die Ansicht zustimmungswürdig, dass nicht ein tatbestandliches Einverständnis vorliegt im Sinne einer nachträglichen Änderung des Innenverhältnisses, sondern eine Pflichtverletzung aufgrund des Einhaltens einer risikopolitischen Anweisung bzw. des Handelns in konkretisierender Ausführung der Anweisung ausscheidet156. In Anbetracht des in Bezug genommenen Zeithorizonts und der Komplexität in Bezug genommener Prozesse wird sich auch bei der risikopolitischen Ausgestaltung im Innenverhältnis faktisch der Zwang ergeben, auf konkrete Risikovorgaben weitgehend zu verzichten und vielmehr Verfahren zu beschreiben. Zu beachten ist auch, dass das Rekurrieren auf einen mutmaßlichen Willen auch bei Fehlen konkreter Vorgaben soweit nicht angezeigt ist, als sich als konkludenter Wille für eine Politik aus dem Unternehmensgegenstand bspw. erkennen lässt, dass das Geschäft rentabel, aber nicht unsicher sein soll157. Bedingt durch die Unmöglichkeit, Vorgaben für Einzelfälle zu beschreiben, ergibt sich freilich gleichwohl auch aus strafrechtlicher Sicht das Problem, dass risikopolitische Vorgaben für bestimmte Maßnahmen im Innenverhältnis häufig fehlen. Eine „vertikale“ Regelungsdichte hinsichtlich Richtlinien und Anweisungen ist für die Bewertung des Verhaltens der Verwaltungsspitze irrelevant158. Was das Risikomanagement auf 153

A. A. wohl Schröder, NJW 2010, 1169 (1171 f.). Zusammenfassend Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 33 ff. 155 Siehe bereits oben Fn. 205 (Erster Teil). 156 Becker/Walla/Endert, WM 2011, 875 (876). 157 Vgl. Waßmer, a. a. O., S. 38 f. 158 Martin, Bankuntreue, S. 108 f.; siehe andererseits Waßmer, a. a. O., S. 57: Es existierten im Kreditwesen grundsätzlich detaillierte Risikobeschränkungen, die aber nicht öffentlich gemacht würden. Die Unkenntnis dieser Vorgaben lasse eine Vielzahl von Ermittlungsverfahren im Sande verlaufen. 154

B. Inhalt und Grenzen risikopolitischer Disposition aus strafrechtlicher Sicht 225

Unternehmensgesamtebene angeht, sind derartige Kompetenzverstöße kein relevantes Problem. Bei der Suche nach einem mutmaßlichen Willen kommt auch das Strafrecht, jenseits der eigentlichen Akzessorietät des Untreuetatbestandes, wiederum nicht umhin, sich an geltenden gesetzlichen Vorschriften, sonstigen Regeln und allgemeinen Sorgfaltsmaßstäben zu orientieren, was in erster Linie eine Heranziehung der Sorgfaltsgeneralklauseln bedeutet159. Hinsichtlich des Risikomanagements ist die Heranziehung der Maßstäbe von Spezialvorschriften wie § 25a KWG über den mutmaßlichen Willen ohne die Rekurrierung auf Allgemeininteressen über das gesellschaftsrechtliche Legalitätsprinzip möglich. Wie gesehen, ergeben sich im Gesellschaftsrecht von Gesetzes wegen Anknüpfungspunkte für eine Heranziehung branchenüblicher Standards bei der Bewertung des Risikomanagements160. Im Strafrecht wird jedoch auch ohne Rückgriff auf die gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung und Rechtslage bezüglich des Rahmens für Risikogeschäfte auf eine Branchenüblichkeit abgestellt161. Bezogen auf die Bewertung des Risikomanagements bedeutete dies, dass eine Pflichtverletzung bei der Verwendung branchenüblicher Risikomodelle bzw. Informationsbeschaffung auch nach originär strafrechtlichen Maßstäben ausscheiden würde162. Über das Kriterium der Üblichkeit werden nach diesen Maßstäben folglich die im Aufsichtsrecht festgelegten Standards in das Strafrecht übernommen, ohne dass auf die Sorgfaltsgeneralklauseln als Zwischenglied abgestellt wird und ohne, dass insoweit Allgemeininteressen problematisiert werden163. Daraus ergibt sich auf der Seite der Risikobereitschaft, dass Risikokonzentrationen nicht per se untreuepflichtwidrig sind. Da auf diese Weise auch der Verfahrensansatz ins Strafrecht übernommen wird, ist zudem wiederum ausgeschlossen, ohne Berücksichtigung dieser Vorschriften kategorisch auf eine Pflichtverletzung bei eingetretener Existenzgefährdung rückzuschließen – ohne

159 Schönke/Schröder/Perron, § 266, Rn. 21b m.w. N.; Waßmer, a. a. O., S. 58 ff.; Martin, a. a. O., S. 108, mit dem Zusatz, im Übrigen befänden sich die Geschäftsleiter risikopolitisch in einem rechtsfreien Raum (S. 110). 160 Dritter Teil: E.IX. 161 BGH StV 2004, 424; im Zusammenhang mit § 18 KWG auch BGHSt 47, 148 (150); Rose, wistra 2005, 281 (288 f.); Schönke/Schröder/Perron, § 266, Rn. 21b; Ayasse, Untreue im Bankenbereich, S. 45; auch schon Schreiber/Beulke, JuS 1977, 656 (658); Hillenkamp, NStZ 1981, 161 (165); a. A. nur Waßmer, a. a. O., S. 62: Erforderlichkeit maßgeblich. 162 Ausdrücklich für das branchenübliche Risikomanagement SSW-StGB/Saliger, § 266, Rn. 49; Schmid, in: Hdb. Wirtschaftsstrafrecht, § 31, Rn. 169 ff. 163 Kritisch zu den Unterschieden in der strafrechtlichen Diskussion hinsichtlich in das Innenverhältnis übernommener und durch das Gesellschaftsrecht einbezogener Pflichten Brand/Sperling, AG 2011, 233 (239); siehe auch bereits Zweiter Teil: B.IV. 3.c)cc)(1).

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4. Teil: Untreuestrafbarkeit aufgrund Erwerbs von subprime-Papieren

dass sich dies aus der Beachtung einer primärrechtlich gezogenen strafrechtlichen Untergrenze ergäbe. Fraglich bleibt bei einem solchen Ansatz in dogmatischer Hinsicht allerdings, ob die Verfahrensmaßstäbe im Innenverhältnis als safe harbour auszulegen sind oder die Auslegung ergibt, dass der Geschäftsleiter bei Verletzung dieser üblichen Verfahrensmaßstäbe automatisch haften soll. Die Aussage, dass einem Geschäftsbesorgungsverhältnis normalerweise auch in zivilrechtlicher Hinsicht das Schädigungsverbot immanent ist164, kann bei unbesehender Übernahme für die Auslegung des Innenverhältnisses zu einer Mißachtung der strafrechtlichen Untergrenze führen, denn eine Verschärfung des Sorgfaltsmaßstabes für Geschäftsleiter ist nach dem Gesellschaftsrecht unzulässig. Insgesamt lässt sich feststellen, dass das Strafrecht nach vor der Krise geltenden Maßstäben eine Pflichtverletzung wegen Existenzgefährdung, ebenso wie das Primärrecht, bei einer Bewertung des subprime-Geschäfts entweder über die Feststellung von Mängeln auf Verfahrensebene, wobei hier der Maßstab der Üblichkeit allgemeine Anerkennung fand, oder über die an hohe subjektive Voraussetzungen geknüpfte Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs herleiten muss165. Hinsichtlich des existenzvernichtenden Eingriffs ergibt sich dies daraus, dass dieser – jenseits von Kapitalerhaltungsvorschriften – auch von der Rechtsprechung als Ausnahme von dem Grundsatz, dass Gesellschaften keinen Anspruch auf ungeschmälerten Bestand haben166, angesehen wird. Allgemeininteressen erlangen im Innenverhältnis aus originär strafrechtlicher Sicht allein mit Bezug zu Kapitalerhaltungsvorschriften oder unter erhöhten subjektiven Voraussetzungen Geltung. Davon ausgehend, dass es ein originär untreuestrafrechtliches Legalitätsprinzip gerade nicht geben soll, lässt sich hieraus die Wertung ablesen, mit der Annahme der Geltung ordnungspolitischer Vorschriften im Innenverhältnis zurückhaltend zu sein167. Nach hier vertretener Ansicht ist sie akzeptabel, sofern die gesellschaftsrechtlichen Grundsätze zum safe harbour konsequente Anwendung finden.

164

Schünemann, NStZ 2005, 473 (474). Vgl. auch Radtke/Hoffmann, GA 2008, 535 (548 f.): Das Trihotel-Urteil habe die Haftung für Existenzgefährdungen aus strafrechtlicher Sicht hinreichend vorhersehbar gemacht. 166 BGHSt 49, 147 (157 f.), zuletzt BGH GmbHR 2012, 30 (31); Ransiek/Hüls, ZGR 2009, 157 (178). 167 Vgl. Kubiciel, NStZ 2005, 353 (358); weitgehend Michaelsen, DCGK und Untreue, S. 148: „Der Wille des Gesetzgebers, der durch den Maßstab des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters in § 93 Abs. 1 S. 1 AktG auch eine umfassende Legalitätspflicht umfasst, kann auch als Wille der AG gedacht werden.“, siehe bereits Zweiter Teil: B.IV.3.c)cc)(1). 165

C. Risikopolitik in Sparkassen

227

C. Risikopolitik in Sparkassen Zu erörtern ist hier auch, ob aus strafrechtlicher Sicht bei Sparkassen aus tatsächlichen oder gesetzlichen Gründen eine andere Ausgangslage besteht. Unabhängig von der Frage, ob bestimmte Arten von Geschäften aufgrund ihres spekulativen Charakters erlaubt sind bzw. sich innerhalb der Satzungsvorgaben halten168, ist hier zusätzlich fraglich, ob sich hier besondere Vorgaben zur Risikopolitik finden, die für den Untreuetatbestand relevant sind. Dass nach den Sparkassengesetzen die Sparkassen dem öffentlichen Zweck der Daseinsvorsorge dienen, ist für sich genommen zunächst noch kein Hinweis auf das Verbot einer bestimmten Risikopolitik. Das bspw. in § 4 Abs. 3 Bay. SpkO enthaltene Spekulationsverbot, nach dem die Sparkassen keine Geschäfte betreiben dürfen, bei denen die mit dem jeweiligen Geschäft verbundenen Risiken für die Sparkasse nicht tragbar oder von ihr nicht steuerbar sind, kann zwar als Indiz für eine Orientierung an den aufsichtsrechtlichen Vorgaben gesehen werden. Noch deutlicher in Bezug genommen wird § 25a KWG, wenn „auf die allgemein für Kreditinstitute geltenden Vorschriften“ verwiesen wird169. Obwohl die Verordnungen auch Regelungen über die interne Kompetenzverteilung und Organisation der Sparkassen festlegen und damit das Innenverhältnis regeln, ist hinsichtlich der allgemeinen Vorgaben über die Geschäftsgrundsätze in Sparkassengesetzen und -verordnungen zweifelhaft, ob diese nicht allein den Interessen der Allgemeinheit zu dienen bestimmt sind170. Für eine Geltung aufsichtlicher Vorschriften wird aus Sicht des Rechtsguts der Untreue wohl nur sehr bedingt eine größere Nähe über sparkassenspezifische Vorschriften hergestellt171. Allerdings ergibt bei Sparkassen aufgrund der besonderen Vorschriften die Auslegung des Innenverhältnisses eher, dass die Vorgaben der Sparkassengesetze- und verordnungen dort Geltung entfalten sollen172 bzw., dass die öffentlich-rechtlichen Vorgaben unter Umständen im Rahmen der Bestimmung der bankkaufmännischen Grundsätze der Risikopolitik herangezogen werden können. Tatsächlich werden auch häufiger, als bei Privatbanken die risikopolitischen Vorschrifen des KWG über das Anstellungsverhältnis in das Innenverhältnis einbezogen. Auch finden sich in den Satzungen oder vom Verwaltungsrat erlassenen 168

Dazu aus gesellschaftsrechtlicher Sicht oben Erster Teil: B.I.3.b)cc). § 4 Abs. 4 Bay. SpkO. 170 Vgl. auch § 11 Bay. SpkO: „Für die Organe der Sparkasse gelten die Grundsätze guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung, wie sie sich aus dem Sparkassengesetz sowie den nachfolgenden Vorschriften ergeben.“ i.V. m. § 17 Bay. SpkO: „Der Vorstand führt unter Beachtung der vom Verwaltungsrat erlassenen Richtlinien die Geschäfte der Sparkasse.“ 171 A. A. Schmitt, a. a. O. (126) sowie Hillenkamp, NStZ 1981, 161 (168); wie hier tendenziell Knierim, in: Wabnitz/Janovsky (2004), Kapitel 8, Rn. 206 f. 172 Martin, a. a. O., S. 110. 169

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4. Teil: Untreuestrafbarkeit aufgrund Erwerbs von subprime-Papieren

Richtlinien häufiger Bezüge zum KWG173. Finden sich ausdrückliche Übertragungen des KWG ins Innenverhältnis nicht, so muss auch hier nach üblichen Standards gesucht werden, wobei angesichts der Struktur der Satzungen auch von Sparkassen im Vorfeld der Finanzmarktkrise174 der Sparkassenleiter nicht unbedingt als üblicherweise risikoavers anzusehen sein dürfte175.

D. Subjektive Aspekte der Untreuestrafbarkeit bei unternehmerischem Handeln im Allgemeinen und hinsichtlich subprime-Investments im Besonderen Dem subjektiven Tatbestand der Untreue kommt in der strafrechtlichen Diskussion traditionell eine besondere Stellung zu. Hier wird im Weiteren deswegen zunächst der Untreuevorsatz in seiner Handhabung bei Risikogeschäften etwas allgemeiner zu beleuchten sein. Anschließend werden konkrete Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Kauf von subprime-Papieren zu untersuchen sein. Schließlich wird sich auch der Schuldebene im Zusammenhang mit Irrtumsfragen zu widmen sein. Wenn bei alledem auch die Erwägungen in einer gewissen Allgemeinheit verbleiben, so deshalb, weil hinsichtlich des zu bewertenden Verhaltens weder eindeutig ist, welche warnenden Informationen für Investoren wann vorhanden waren, noch welche Relevanz sie aus Sicht der Käufer haben mussten und inwiefern gegensätzliche Einschätzungen einen Ausgleich zu schaffen geeignet waren. Die Auseinandersetzung mit der Frage, wer wann in einer Blase erkennbar verlässliche Informationen besaß und deswegen bestimmte Investments nicht mehr tätigen durfte, ist eine Sachverhaltsaufklärungsarbeit, um die man weder den Zivilnoch den Strafrechtsanwender beneidet176, 177.

173 Vgl. Knauer, NStZ 2002, 399 (402); G/J/W/Waßmer, § 266 StGB, Rn. 125; siehe auch das Beispiel der Satzung einer Genossenschaftsbank bei Knierim, in: Wabnitz/Janovsky (2000), Kapitel 8, Rn. 188. 174 Erster Teil: B.I.3.b)cc). 175 So noch Hillenkamp, NStZ 1981, 161 (167); siehe auch bereits Erster Teil: B.I.3.b)bb) und dort Fn 175. 176 Siehe nur Vaubel, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 19 (21 ff.), wie vielfach getan auf den Bericht des IWF aus dem Jahre 2007 verweisend (IMF, Global Fiancial Stability Report, April 2007 – abrufbar unter http://www.imf.org/external/pubs/ft/gfsr/ 2007/01/pdf/text.pdf, abgerufen am 23. März 2012), welcher ausdrücklich – in retrospektiv fataler Weise – in Anlehnung an die allgemeinen Annahmen die auf dem System der Tranchierung beruhenden Ratings zur Grundlage der Einschätzung macht und eine Korrelation von Risiken nicht in Betracht zieht, einerseits und Gallandi, wistra 2009, 41 (45 f.), Krey, in: FS Roxin (2011), S. 1073 (1084) sowie Bittmann, NStZ 2011, 361 (366 f.) andererseits (siehe dort auch die vielfachen Nachweise in Fn. 72). Teilweise wird hier auf einen Zeitpunkt im Verlauf des Jahres 2007 abgestellt, zu dem spätestens deutlich werden musste, dass die bisherigen Maßnahmen zur Risikobestimmung unge-

D. Subjektive Aspekte der Untreuestrafbarkeit

229

Die Aufarbeitung der „individuellen Kenntnissituation“ 178 dürfte sich insofern als schwierig gestalten. Fest steht freilich, dass ab einem gewissen Zeitpunkt es pflichtwidrig gewesen wäre, das Geschäft neu aufzunehmen oder in größerem Umfang als notwendig auszudehnen bzw. weiterzubetreiben.

I. Untreuevorsatz und unternehmerisches Handeln im Allgemeinen 1. Die Entwicklung des Untreuevorsatzes beim Risikogeschäft Der subjektive Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB setzt vorsätzliches Handeln voraus. Der bedingte Vorsatz ist ausreichend. Er muss sich neben der Pflichtenstellung beim Missbrauchstatbestand auf den bestimmungswidrigen Gebrauch der Befugnis, beim Treubruchstatbestand auf die Pflichtverletzung beziehen179. Darüber hinaus muss der Vorsatz sich auf das Schadensmerkmal beziehen. Ein über die genannten Bezüge hinausgehendes überschießendes Moment ist nach dem Gesetz keine Strafbarkeitsvoraussetzung; insbesondere erfordert die Untreue auf subjektiver Ebene kein eigennütziges Handeln180. Letzterer Umstand hat zusammen mit der Wahrnehmung des Tatbestandes als unbestimmt in der Rechtsprechung früh dazu geführt, an den Nachweis des Vorsatzes strenge Anforderungen zu stellen181. Andererseits kann nach herkömmlicher untreuestrafrechtlicher Schadensdogmatik im Gegensatz zum Haftungsrecht bereits das Eingehen einer Transaktion, bei der das Verlustrisiko die Gewinnchance überwiegt, trotz positiven Ausgangs eine Rechtsfolge herbeiführen. Diese für die Beurteilung von Risikogeschäften typische Problematik des Gefährdungsschadens ist tendenziell strafbarkeitsausweitend bzw. -vorverlagernd. Diesem Umstand ist vielfach mit Bedenken begegnet worden, weil er die Untreue in die Nähe der Versuchsstrafbarkeit rückt182. Er bedeutet zudem auf der Rechtsfolgenseite eine selbständige straf-

eignet waren und dass es sich um ein „intensives Schneeballsystem“ gehandelt hat (anders Krey, a. a. O.: Anfang 2008). Tendenziell ablehnend dagegen Otto, in: FS Krey (2010), S. 375 (402 f.). Im Falle der IKB hat die Staatsanwaltschaft Düsseldorf das Verfahren mangels Vorsatzes eingestellt, siehe Wirtschaftswoche 51/2009, S. 56. 177 Gallandi, wistra 2009, 41 (46); auf eine konkrete Situation, in der deutlich sein musste, dass eine Refinanzierung würde scheitern müssen abstellend auch Ransiek, WM 2010, 869 (874). 178 Schünemann, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 71 (98). 179 Fischer, StGB, § 266, Rn. 171 f.; Schönke/Schröder/Perron, § 266, Rn. 49. 180 BGH wistra, 1994, 95: keine Bereicherungsabsicht. 181 BGH bei Holtz, MDR 1975, 543; BGHSt 3, 23 (24 f.); siehe auch bereits RGSt 68 (374); 69 (17). 182 So ausdrücklich auch BGHSt 51, 100 (122) („Kanther“), zu diesem Urteil sogleich; kritisch zur Ausweitung auf versuchsnahe Fälle bspw. MünchKommStGB/Dierlamm, § 266, Rn. 186.

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4. Teil: Untreuestrafbarkeit aufgrund Erwerbs von subprime-Papieren

rechtliche Haftungserweiterung, da im Gesellschaftsrecht eine Rechtsfolge jedenfalls praktisch erst droht, wenn ein „realer“ Schaden entstanden ist. Man ist angesichts dessen zumindest versucht zu spekulieren, dass sich das Strafrecht vor allem deswegen zuerst mit dem Problem des Risikogeschäftes auseinandergesetzt hat, weil es das Rechtsgebiet war, welches die Haftungsgefahren insofern (erstmals) ausweitete. Angesichts der bereits mehrfach festgestellten Tatsache, dass zwischenzeitlich hier eigentlich das Gesellschaftsrecht für sich in Anspruch nimmt, verhaltenssteuernd zu wirken, ein als überholt erscheinender Vorgang. Die gegenwärtige Handhabung einer subjektiven Begrenzung in der Rechtsprechung ist insgesamt als unübersichtlich zu bezeichnen. Der 2. Strafsenat hat eine Begrenzung vorgenommen, in dem er annimmt, der bedingte Vorsatz eines Gefährdungsschadens setze nicht nur Kenntnis und Billigung des Täters von der konkreten Möglichkeit eines Schadenseintritts und das Inkaufnehmen dieser konkreten Gefahr voraus, sondern darüber hinaus eine Billigung der Realisierung dieser Gefahr183. Der 1. Strafsenat ist dieser Rechtsprechung entgegengetreten184. Die Forderung des Vorsatzes bei einem Gefährdungsschaden, bezogen auf einen in der Zukunft liegenden endgültigen Vermögensnachteil, beschäftige sich mit einer Scheinproblematik. Zum Nachweis erläutert er, dass eine präzise Begriffsverwendung ergebe, dass bei pflichtwidrigen Risikogeschäften in Form von Kreditgeschäften sich der minderwertige Gegenanspruch in Wirklichkeit als ein bereits unmittelbar mit der Tathandlung eingetretener Vermögensnachteil darstellt185. Der Vorsatz sei bereits dann gegeben, wenn der Täter die den Minderwert begründenden Umstände kenne. Insofern handele der Täter dann auch stets mit direktem Vorsatz186. Mit Erhöhung der Anforderungen an den Schädigungsvorsatz hat der 2. Senat in der Kanther-Entscheidung eine vom Gesetz nicht vorgesehene überschießende Innentendenz geschaffen187. Die Entscheidung versucht sich noch vom „klassischen“ Risikogeschäft abzugrenzen, indem sie den zu entscheidenden Fall gegen eine frühere Entscheidung zur Kreditvergabe hält. Die Abgrenzung erfolgt hier letztlich über die Höhe der Verlustwahrscheinlichkeit und damit über ein Evidenzkriterium; eine überschießende Tendenz sei nicht zu fordern, wenn die Hoffnung auf einen positiven Ausgang nur noch vage sei188. Die Nachfolgeentschei-

183

BGHSt 51, 100 (121 f.); zustimmend der 5. Senat in BGHSt 52, 182. BGH NJW 2008, 2451 (2452). 185 So letztlich schon BGHSt 47, 148 (157). 186 Anders BGH ZIP 2009, 1854 (1857), auch insofern zwischen direktem und bedingtem Vorsatz differenzierend. 187 Bernsmann, GA 2007, 219 (230); Schlösser, NStZ 2008, 397 (398): ablehnend Lüderssen, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Handlungsfreiheit, S. 241 (257): „eklatant systemwidrig“. 188 BGHSt 51, 100 (121 f.). 184

D. Subjektive Aspekte der Untreuestrafbarkeit

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dungen bestätigen diese Rechtsprechung jedoch insbesondere auch für den Fall des Risikogeschäfts189 bzw. nehmen eine Einschränkung auf eine bestimmte Fallgruppe nicht mehr vor190. Die Entscheidungen reihen sich damit ein in frühere Ansätze zu Strafbarkeitsbegrenzungen auf der subjektiven Seite speziell bei Geschäftsleiterhandeln191. In Anlehnung an frühere gesellschaftsrechtliche Untreuetatbestände192 wurde versucht, das Problem des kaufmännischen Risikogeschäftes, das man durch die Ausdehnung des Schadensbegriffs geschaffen hatte, über eine Nachteilszufügungsabsicht zu lösen193. Erst später hat die Feststellung, dass, um reine Spekulationsgeschäfte auch dann pönalisieren zu können, wenn diese einen positiven Ausgang nehmen, man nicht umhin kommt, die Vermögensgefährdung als Nachteil zu betrachten, zu dem lange Zeit gültigen und in jüngerer Zeit zunehmend als unpraktikabel empfundenen Lösungsmodell geführt, die Grenzen des materiell Erlaubten anhand von Gewinn- und Verlustwahrscheinlichkeiten zu ziehen194. Spätere Erwägungen de lege ferenda kehren zu gesellschaftsrechtlichen Spezialtatbeständen mit erhöhten subjektiven Anforderungen gerade deshalb zurück, um die (notwendige) Anerkennung von „Gefährdungsschäden“ bei Risikogeschäften auszugleichen195. 2. Duty of loyalty versus duty of care – Beschränkung der Geschäftsleiteruntreue auf Verletzung organschaftlicher Treuepflichten? Parallel zu dieser Entwicklung finden sich auch im Gesellschaftsrecht Ansätze, die Geschäftsleiterhaftung weg von einer Haftung wegen Sorgfaltspflichtverletzungen hin zu einer Haftung allein für Treuepflichtverletzungen zu ver-

189 BGH NStZ 2007, 704; die Geeignetheit dieser Rechtsprechung hierzu im Gegensatz zur Konstellation bei Parteispenden bezweifelnd Fischer, a. a. O., Rn. 184. 190 BGH NJW 2010, 1764 f.; so auch die Interpretation von Fischer, a. a. O., Rn. 181. 191 Überblick bei Nelles, Untreue zum Nachteil, S. 564 ff. 192 § 312 HGB in der Fassung des Gesetzes zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften vom 26. Mai 1933 (RGBl. I, S. 295): „absichtlich zum Nachtheile der Gesellschaft“, schwächer § 294 AktG in der Fassung des Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien vom 30. Januar 1937 (RGBl. I, S. 107, 163): „vorsätzlich zum Nachteil der Gesellschaft“, jeweils abgedruckt bei Nelles, a. a. O., Anhang 2.5. und 2.6. 193 Brodmann, Aktienrecht, § 312 HGB, Anm. 2d. 194 Erster Teil: B.II.1.; Nachweise bei Nelles, a. a. O.; siehe auch Waßmer, a. a. O., S. 26 f.: „. . . hat die Rechtsprechung sich nicht auf eine alleinige Lösung auf der Vorsatzebene verlassen, sondern sich wieder um eine Restriktion auf der Tatbestandsebene bemüht.“ 195 AE/BT, Straftaten gegen die Wirtschaft, Bemerkung zu § 183, S. 61; siehe auch Labsch, Grenzen und Möglichkeiten, S. 345 für die Beschränkung auf die absichtliche oder wissentliche Tatbegehung bei der Organuntreue.

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4. Teil: Untreuestrafbarkeit aufgrund Erwerbs von subprime-Papieren

lagern bzw. auf diese zu begrenzen196. Die Forderung des 2. Senats, der Täter müsse auf der voluntativen Seite auch die Realisierung eines Schadens zu Lasten seines Treugebers billigen, weist zu diesen auf die Eigennützigkeit abstellenden gesellschaftsrechtlichen Ansätzen der duty of loyalty eine dogmatische Nähe auf, denn wer einen Schaden des Treugebers „will“, verhält sich diesem gegenüber immer auch illoyal197. Freilich fehlt dem Ansatz des 2. Senats das Moment der Eigennützigkeit. Die Betonung des dogmatischen Charakters der beschriebenen Nähe ist grundsätzlich nötig, weil praktisch das Wollenselement beim dolus eventualis häufig bejaht wird, wenn das kognitive Element vorliegt und weitere objektive Umstände hinzukommen198. Die Rechtsprechung schaut seit Langem auf Vermeidebemühungen und die Gefährlichkeit des Verhaltens, um auf das Willenselement zu schließen199. Sie hat hinsichtlich des Wollenselementes im Zusammenhang mit der Kreditvergabe allerdings darauf hingewiesen, dass die für die Tötungsdelikte entwickelten Grundsätze für die Annahme einer Billigung nicht unbesehen auf Risikogeschäfte übertragen werden können. Diese seien auf Fälle offener, mehrdeutiger Geschehnisse nicht anwendbar200. Auch hierin ist ansatzweise eine besondere subjektive Beschränkung zu sehen, die eine Nähe zur gesellschaftsrechtlichen Doktrin der duty of loyalty herstellt. Auch der zweite traditionelle subjektive Ausschlussgrund für die Anwendbarkeit der business judgment rule hat in der strafgerichtlichen Rechtsprechung bereits seinen Platz gefunden. Namentlich die Mannesmann-Entscheidung geht hinsichtlich der nachträglichen Anerkennungsprämien von einem corporate waste aus201. Auch die Rechtsprechung zur Geschäftsleiteruntreue durch Spendenvergabe202 spricht mit den „sach-widrigen Motiven“ eben diesen Punkt an203. Angesichts des Umstands, dass bei der Geschäftsleiteruntreue, wie bei Untreue im Allgemeinen, der Vorsatz die „natürliche strafrechtliche Höhenstufe“ darstellt204, ist die Rechtsprechung des 2. Senats grundsätzlich zu begrüßen. Denn die – notwendige – Ausdehnung des Schadensbegriffs auf „Gefährdungsschäden“ führt tendenziell zu einer Beeinträchtigung der Wirksamkeit dieser „natürlichen

196

Siehe bereits ausführlich oben Zweiter Teil: B.IV.3.d)ee). Ähnlich Adick, Organuntreue, S. 80 f., allerdings im Hinblick auf den direkten Vorsatz. 198 Im Zusammenhang mit dem Erwerb von subprime-Papieren ausdrücklich Krey, in: FS Roxin (2011), S. 1073 (1083) mit dem Zusatz, anglo-amerikanische recklessness und deutscher dolus eventualis seien nicht weit voneinander entfernt. 199 BGH NStZ 2006, 446 f.; NStZ 2007, 150; vgl. auch Heintschel-Heinegg/Kudlich, StGB, § 15, Rn. 23. 200 BGHSt 46, 30 (35); 36, 1 (9). 201 Zweiter Teil: C.I.; vgl. auch Fleischer, DB 2006, 542 (543). 202 Zweiter Teil: C.I.; BGHSt 47, 187 (196 f.). 203 Ebenso Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, AT, S. 58. 204 Zweiter Teil: B.V.2.a). 197

D. Subjektive Aspekte der Untreuestrafbarkeit

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Höhenstufe“. Eine Inkongruenz zwischen subjektivem und objektivem Tatbestand lässt sich indes dem Gesetz nicht entnehmen und ist deshalb de lege lata kein gangbarer Weg. Begrenzungen sind auf der objektiven Seite zu suchen205. Unter Respektierung der Kongruenz von objektivem und subjektivem Tatbestand ist es angesichts der Gleichsetzung von wirtschaftlichen Schäden im Sinne von Risikoschäden mit „realiteren“ Vermögenseinbußen deswegen aus strafrechtlicher Sicht auf sich zu nehmen, die Frage nach dem erlaubten Risiko zu beantworten206. Obwohl mit dem voluntativen Element des bedingten Vorsatzes eine „subjektive Höhenstufe“ dogmatisch verbleibt, ist deswegen faktisch eine strafrechtliche Haftung für unternehmerische Entscheidungen vor allem von diesem objektiven Maßstab abhängig. Wie gesehen, hat insofern die zweite der beiden Möglichkeiten zur Begrenzung der Haftung für unternehmerisches Handeln, nämlich die Konzentration auf das Verfahren der Entscheidungsfindung, im Strafrecht teilweise Platz gegriffen. Auch das Gesellschaftsrecht hat mit § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG für die Haftungsbegrenzung der Verfahrensbewertung die Führungsrolle zukommen lassen. Anstatt die Haftung auf illoyales Verhalten insgesamt zu beschränken, hat es als Lösung gewählt, den grundsätzlich gewährten Schutz auf objektiver Seite bei illoyalem Verhalten zu versagen. Obwohl im Gesetzestext nicht explizit festgehalten, ist mit dem „annehmen dürfen“, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln auch gemeint, dass der Geschäftsleiter unbefangen und unabhängig sein muss und Sondereinflüsse außerhalb des Unternehmensinteresses seine Entscheidung nicht beeinflussen dürfen, was „offensichtlich bei Handeln zum eigenen Nutzen oder zum Nutzen von dem Geschäftsleiter nahestehenden Personen oder Gesellschaften unterstellt werden muss“ 207. Auch hiervon hat das Strafrecht ebenfalls tendenziell Gebrauch gemacht208. Allerdings ist gerade hier erkennbar, dass eine strenge Orientierung an den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben wichtig ist, denn es besteht ein Unterschied zwischen der Versagung der safe harbour mit anschließendem entire fairness test im Rahmen von § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG209 und dem Einstellen der Eigennützigkeit in eine „Gesamtschau insbesondere gesellschaftsrechtlicher Kriterien“. Letzterenfalls kann die Eigennützigkeit die

205 Ebenso Hefendehl, in: FS Samson (2010), S. 295 (304): „bringt das schlechte Gewissen in falscher Weise zum Ausdruck“; Beulke, in: FS Eisenberg (2009), S. 245 (264): nicht überzeugend, „wünschenswerte Korrektur“ auf subjektiver Tatseite vorzunehmen; Schönke/Schröder/Perron, StGB, § 266, Rn. 50; SSW-StGB/Saliger, § 266, Rn. 104; a. A. grds. Fischer, StGB, § 266, Rn. 184, jedoch gerade nicht für klassische Risikogeschäfte. 206 Vgl. Arzt, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 177 (180). 207 BT-Drucks. 15/5092, S. 11 rechte Spalte; siehe auch Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 72. 208 BGHSt 46, 30 (34); 47, 187 (188). 209 Vgl. Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 72.

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4. Teil: Untreuestrafbarkeit aufgrund Erwerbs von subprime-Papieren

Pflichtwidrigkeit210 potenziell allein begründen211; im Rahmen des gesellschaftsrechtlichen safe harbour verbietet sich eine solche Subsumtion. Dass andererseits der Schädigungsvorsatz, im Gegensatz zu einem „bloßen“ Verstoß gegen die duty of loyalty, auch im Strafrecht einen objektiven Pflichtverstoß begründen kann212, ist hierzu kein Widerspruch. Der Kanther-Entscheidung213 ist nach alledem jedenfalls die Herausstellung des voluntativen Elements des Vorsatzes als Beweis dafür zu verdanken, dass bei Vorliegen einer unternehmerischen Entscheidung eine Untreuestrafbarkeit dogmatisch ausgeschlossen ist und damit die Untreue im unternehmerischen Bereich für einen kurzen Moment ein Stück weit greifbarer zu machen.

II. Vorsatzfragen hinsichtlich der Vorgänge um subprime-Investments 1. Anknüpfungspunkte subjektiver Vorwerfbarkeit Die Schwierigkeiten bei der Beschreibung des objektiv als pflichtwidrig in Betracht kommenden Verhaltens übertragen sich in den subjektiven Tatbestand. Entsprechend den Ausführungen zur objektiven Seite wird im Folgenden das mangelhafte Risikomanagement zum Anknüpfungspunkt subjektiver Vorwerfbarkeit gemacht. Ausgehend davon, dass im Innenverhältnis eine konkrete Risikopolitik nicht vorgegeben war und deswegen entweder über ein Legalitätsprinzip oder Üblichkeitsergänzungen die aufsichtsrechtlichen Vorgaben galten, dürften aber bereits eingangs die Vorwürfe des Wissens um das Eingehen von Konzentrationsrisiken und die Verwendung bestimmter, gesetzlich akzeptierter Risikomodelle als kategorische Anknüpfungspunkte subjektiver Vorwerfbarkeit ausgeschlossen sein. Anknüpfungspunkte für den Vorsatz sind entsprechend den bisherigen Ausführungen Fehler innerhalb aufsichtsrechtlich erlaubter Verfahren und das Erkennen und Billigen der damit verbundenen Risikoerhöhung im Hinblick auf den eingetretenen Erfolg.

210 In der Sprache von BGHSt 47, 187: die „gravierende“ Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten. 211 BGHSt a. a. O. (197): „Jedenfalls dann, wenn sämtliche dieser Kriterien erfüllt sind . . .“ (Hervorhebung durch Verfasser). 212 Vgl. Adick, Organuntreue, S. 41 f., der zudem darauf hinweist, dass die damit einhergehende Verschleifung von objektivem und subjektivem Tatbestand nicht problematisch ist. Dem ist zuzustimmen, sofern für die Feststellung der Schädigungsabsicht die korrekte Zielbestimmung ins Auge gefasst wird, vgl. Volk, in: FS Hamm (2008), 803 (807) und zudem als strafrechtliche Untergrenze das geltende Primärrecht anerkannt wird – unzutreffend deswegen insoweit die Mannesmann-Entscheidung. 213 Ebenso wie die Subsumtion in BGH NJW 2008, 2451 (2452), siehe oben bei Fn. 184 (Vierter Teil).

D. Subjektive Aspekte der Untreuestrafbarkeit

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2. Existenzgefährdende Schäden als tatbestandlicher Erfolg und die Feststellung des dolus eventualis a) Existenzgefahr und Vorsatz in der Rechtspraxis und die Gefahr des hindsight bias Der hier in Rede stehende Sachverhalt stellt die Strafrechtsanwendung vor besondere Herausforderungen auf subjektiver Ebene. Denn mit dem Risikomanagement als Gegenstand der Pflichtverletzung und den außerordentlich hohen, existenzgefährdenden Wertberichtigungen und Folgeschäden als tatbestandlichem Erfolg im Anschluss an den Zusammenbruch des Marktes ist davon auszugehen, dass die Gefahr des Nachgebens der Neigung vom Umfang des Schadensausmaßes auf die Erkennbarkeit und das Wissen um das Ausmaß der eingegangenen Risiken und sodann deren Billigung zu schließen, besonders groß sein dürfte. Es liegt nahe, das Ergebnis eines objektiv fehlgeschlagenen Risikomanagements als Ausdruck von Risikobereitschaft und nicht als Fehler in der Risikoerkennung zu betrachten. Entsprechende Tendenzen sind im Zuge der Aufarbeitung durchaus festzustellen. Nicht selten wird die Erkennbarkeit des Risikos – und des im Wege der Risikoerhöhung zurechenbaren Schadens – aus dem Umfang des eingetretenen Schadens abgeleitet; der safe harbour wird dabei zwar als Prüfungspunkt „abgehakt“, die Existenzgefährdung dann aber als nicht disponibel und als außerhalb des unternehmerischen Ermessens liegend bezeichnet ohne ernsthaft zu prüfen, ob allein die Risikoerkennung betroffen ist214. Die in geringfügigen Ab214 Schröder, Hdb. Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1163 f.: „. . . Die Business Judgement Rule bestätigt diesen Befund. Danach liegt eine Pflichtverletzung des Vorstands nicht vor, wenn er bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zu handeln. Existenzgefährdende Risiken liegen aber nicht im Interesse der Gesellschaft. . . . Die vergleichweise starke Reglementierung will gerade die Solvenz . . . erhalten. . . . Dieses nicht disponible Verbot existenzgefährdenden Verhaltens gilt in besonderem Maße für die rechtliche Würdigung der Finanzkrise . . .“; ähnlich auch in Rn. 1172 sowie 1182: „Die exzessive Fristentransformation war nach hier vertretener Ansicht auch pflichtwidrig, weil die betroffene Bank existenzgefährdenden Risiken ausgesetzt wurde“ und Rn. 1186, wo wiederum aus der „Unvertretbarkeit“ der Risiken darauf geschlossen wird, das dieses auch ex ante als solches zu erkennen war (alle Hervorhebungen durch Verfasser); vgl. auch Kasiske, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 32 sowie Krey, in: FS Roxin (2011), S. 1073 (1084). Angesichts derartiger Formulierungen muss als Bilanz festgehalten werden dass ein „Geschmack von Rückschaufehler“ zurückbleibt. Einen ähnlichen Eindruck gewinnt offenbar Lüderssen, Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 211 (214, Fn. 10 a. E.); die Gefahr eines Rückschaufehlers für den in Rede stehenden Sachverhalt aufgrund klarer Warnzeichen als gering einschätzend Bittmann, NStZ 2011, 361 (367); eindeutige Bekennung bei Schünemann, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 93 f.: Die business judgment rule habe keine Bedeutung, weil diese einen Maßstab objektiver Fahrlässigkeit beschreibe, während § 266 erst bei Vorsatz greife, sodann: „Wegen der außerhalb jedes unternehmerischen Ermessens liegenden Bestandsgefährdung kommt es auf fehlendes oder miserables Risikomanagement nicht mehr an.“; in diesem Sinne auch Strate, HRRS 2008, 441 (442): „Richtlinien (der BaFin) wurden bewusst ignoriert.“, siehe zu rechtspolitischen Folgen dieser Annahmen unten Fünfter Teil: C.II.1.

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4. Teil: Untreuestrafbarkeit aufgrund Erwerbs von subprime-Papieren

wandlungen häufig vorzufindende Formulierung dass „kein Vorstand sorgfältig handelt, wenn er Risiken für sein Unternehmen eingeht, die, wenn sie sich verwirklichen, zum Untergang des Unternehmens führen“ 215 ist keine „pleonastische Phrase“, sondern eine tendenzielle Missachtung des unternehmerischen Ermessensspielraums216. So wird das Vorliegen des voluntativen Elementes des Vorsatzes aus der Tatsache geschlossen, dass die Existenz der Bank auf dem Spiel stand217. Dieses Subsumtionsvorgehen geht im Grundsatz konform mit der ständigen Rechtsprechung zur Feststellung des bedingten Vorsatzes. Für eine ausführliche Darstellung der verschiedenen theoretischen Ansätze zur Abgrenzung des bedingten Vorsatzes von der bewussten Fahrlässigkeit ist hier nicht der Ort. Hinzuweisen ist aber abermals auf die äußeren Anzeichen, von denen die Rechtsprechung zunächst auf ein Rechnen mit dem Erfolgseintritt und sodann ein „Billigen im Rechtssinne“ schließt218. Ein entscheidendes Element ist hier vor allem die objektive Gefährlichkeit des Handelns für das geschützte Rechtsgut aufgrund der konkreten Umstände. Ist diese besonders hoch, so lässt sich nach der Rechtsprechung zum einen daraus schließen, dass der Täter mit dem Erfolgseintritt rechnet und des Weiteren darauf, dass er den Erfolg auch billigend in Kauf nimmt. Unabhängig von Versuchen, bei der Gesellschaftsuntreue hinsichtlich des voluntativen Elements zwischen Gefährdung und „realem“ Schaden zu unterscheiden, scheint die Rechtsprechung insofern praktisch in diametralem Gegensatz zum Sinn und Zweck des gesetzlich gewährten unternehmerischen Ermessens zu stehen. Wie soeben erläutert, hat die Rechtsprechung hinsichtlich des Wollenselements jedoch darauf hingewiesen, dass die allgemein entwickelten Grundsätze für die Annahme einer Billigung auf Risikogeschäfte nicht übertragbar sind. Sie hat, insbesondere bezogen auf das Wissenselement, konkret gefordert, dass „neben einer gravierenden Verletzung der Informations- und Prüfungspflichten eine derart über das allgemeine Risiko bei Kreditgeschäften hinausgehende erkannte höchste Gefährdung des Rückzahlungsanspruchs vorliegt“ 219. Schon in kognitiver Hinsicht scheint also auch die Rechtsprechung nicht allzu schnell vom Ausmaß des Risikonachteils ex-post auf ein Wissen ex-ante zu schließen. Auf der Grundlage der herrschenden Überzeugung, dass in kognitiver Hinsicht jedenfalls mehr erforderlich ist, als die Vorstellung der Möglichkeit des Erfolgseintritts im Sinne der „Möglichkeitstheorie“ 220, respektiert die Rechtsprechung folglich auch bei 215

OLG Düsseldorf, AG 2010, 126 (129). Vgl. Florstedt, AG 2010, 315 (319). 217 Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, BT, Rn. 396; zustimmend Schröder, Hdb. Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1198. 218 Vgl. Fn. 199 (Vierter Teil). 219 BGHSt 47, 148 (157) (Hervorhebung durch Verfasser). 220 Siehe Schröder, in: FS Sauer (1949), S. 207 (224). 216

D. Subjektive Aspekte der Untreuestrafbarkeit

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der Rechtsanwendung die Rechtstatsache, dass, sofern man quantitative Abstufungen hinsichtlich der erkannten Wahrscheinlichkeit als relevant erachtet, Vorsatz das wissentliche Überschreiten des erlaubten Risikos voraussetzt221. Eine andere Sichtweise ließe sich allein derart begründen, dass ein existenzgefährdendes Risiko in objektiver Hinsicht als kategorisch pflichtwidrig anzusehen ist, weil es eine materielle „Unvertretbarkeitsgrenze“ überschreitet, die außerhalb des Verfahrensansatzes eine absolute Grenze bildet. Dies ist indes abzulehnen222. Möglich wäre dies zudem auch nur dann, wenn man die Kenntnis der zur Pflichtverletzung führenden Umstände für eine Bejahung des Vorsatzes ausreichen ließe223. Die erhöhten Anforderungen an die Feststellung des Vorsatzes folgen nach hier vertretener Auffassung bereits aus dem Akzessorietätsgrundsatz. Das erlaubte Risiko bestimmt sich zuerst nach der Risikopolitik im Innenverhältnis oder hilfsweise, über die Akzessorietät oder strafrechtliche Üblichkeitsergänzungen, nach den Voraussetzungen des safe harbour, seinerseits ggf. ergänzt durch die Regelungen des KWG. Anhand dieser Normen bestimmt sich auch, welche Anforderungen an die Erarbeitung des Wissens zu stellen sein werden bzw. was zu tun ist, um die Grenzen des erlaubten Risikos zu erkennen. Die Anforderungen sind hier insofern abgeschwächt, als der Geschäftsleiter nur vernünftigerweise davon ausgehen muss, auf der Grundlage angemessener Informationen zu handeln. Sie werden konkretisiert, soweit die Einzelvorgaben des KWG Anwendung finden. Soweit sie sich vom Erfordernis der gravierenden Pflichtverletzung abgewendet hat, hat auch die Rechtsprechung entsprechend das pflichtwidrige Unterlassen einer Risikoanalyse zum Gegenstand der Vorsatzprüfung gemacht und damit den Verfahrensansatz in gewisser Weise subjektiv vervollständigt224. b) Versuch einer Subsumtion Die Erleichterungen bei den Anforderungen an die Erlangung des Wissens um das Erlaubte, inklusive der erleichternden Subjektivierungen, sind also auch auf subjektiver Seite entsprechend zu berücksichtigen. Theoretisch schließt ihre Anwendung ggf. freilich bereits den objektiven Tatbestand aus. Die Erleichterungen sind jedoch für die praktische Feststellung des Vorsatzes bzw. der subjektiven Seite ganz allgemein zu beachten. 221

Frisch, Vorsatz und Risiko, 408 f.; Puppe, ZStW 103 (1991), 1 (31 und 41 f.). Dritter Teil: E.VIII. 223 Dazu sogleich unter III. 224 BGH ZIP 2009, 1854 (1858): „Die Verneinung des Schädigungsvorsatzes mit der Begründung, die vorhandenen Risiken in ihrer drohenden Realisierung seien nicht konkret erkennbar gewesen, ist zirkulär und somit rechtsfehlerhaft, weil als Grund für die fehlende Erkennbarkeit das pflichtwidrige Unterlassen einer Risikoanalyse zumindest nahe liegt.“ 222

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4. Teil: Untreuestrafbarkeit aufgrund Erwerbs von subprime-Papieren

Die Probleme bei der Feststellung des Vorsatzes bezogen auf die Vorgänge im Vorfeld der Finanzmarktkrise sind deswegen so erheblich, weil das vermeintlich treupflichtwidrige Verhalten an der Grenze zum Systemversagen liegt225. Ob bzw. ab wann die Anforderungen an die Erforschung des erlaubten Risikos hier verletzt wurden, wird in der Literatur durchaus unterschiedlich beurteilt. Um Wiederholungen zu vermeiden, sollen zu Ansatzpunkten eines Vorsatzes hier nur einige kurze Ausführungen erfolgen: aa) Überlegungen zum kognitiven Element Abzulehnen dürfte es sein, einen Schädigungsvorsatz allgemein deswegen zu bejahen, weil zwar eine geringe Eintrittswahrscheinlichkeit eines bestimmten Ereignisses angenommen wurde, die Höhe des potenziellen Schadens aber ein existenzgefährdendes Ausmaß hatte226. Davon abgesehen, dass das Problem eher gewesen sein dürfte, dass darauf verzichtet wurde, die Risiken durch geeignete ergänzende Stresstests absolut zu quantifizieren, denn das tatsächliche Wissen um die Höhe des Maximalrisikos, liefe diese Ansicht der Tatsache zuwider, dass existenzgefährdende Maximalrisiken im Finanzbereich nicht völlig ausgeschlossen werden können und die kategorische Pönalisierung das System lahmlegte. Die Pönalisierung absoluter Risiken unabhängig von der Bewertung der Informationsbeschaffung ist abzulehnen. Auch das exzessive Betreiben von Fristentransformation als Hinweis darauf, dass dem Geschäftsleiter die Überschreitung des erlaubten Risikos bewusst gewesen ist, ist nach alledem kein gangbarer Weg227. Nicht zuzustimmen sein dürfte auch der Ansicht, dass von einem Wissen um die Unangemessenheit der Informationsbeschaffung allgemein deshalb auszugehen ist, wenn und weil die eigene Analyse durch externe Bewertungen ersetzt wurde228. Dies dürfte zum einen aus Akzessorietätsgründen unzulässig sein229, denn das Sichverlassen auf externe Bewertungen war nach den aufsichtsrechtlichen Vorgaben jedenfalls nicht eindeutig unzulässig. Um insofern zur Bejahung des kognitiven Elements zu gelangen, bedarf es deshalb eines Abstellens auf einen erkennbaren Interessenkonflikt oder ein erkennbar mangelndes know-how der Ratingagenturen bezüglich der Bewertung von ABS230. Die Einlassung, man 225

Vgl. Fischer, StGB, § 266, Rn. 174a. So Kasiske, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 13 (37); anders aber in ZRP 2011, 137 (138). 227 A. A. Kasike, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 13 (37); wohl auch Schröder, Hdb. Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1197 f., ders., NJW 2010, 1169 (1174). 228 So Krey, in: FS Roxin (2011), 1073 (1084). 229 Siehe bereits Dritter Teil: E.IX.4. 230 In diesem Sinne jedenfalls ab einem bestimmten Zeitpunkt Krey, a. a. O. (1085); ohne Einschränkungen Gallandi, wistra 2009, 41 (44). 226

D. Subjektive Aspekte der Untreuestrafbarkeit

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habe die Finanzprodukte selbst nicht völlig durchschaut, ist jedenfalls kein Hinweis auf das Wissen der Überschreitung des erlaubten Risikos231. bb) Überlegungen zum voluntativen Element Lässt sich das wissentliche Überschreiten des erlaubten Risikos nachweisen, ist der Nachweis des Billigens dessen grundsätzlich kein größeres Problem. Da jedoch beim Risikomanagement, anders als beim einzelnen Risikogeschäft, im Übertreten des erlaubten Risikos nicht zugleich der Schaden liegen muss232, bedarf es theoretisch noch eines separaten Nachweises des Vorsatzes hinsichtlich des Vermögensnachteils. Folgte man einer strafbarkeitsausdehnenden Prozeduralisierung bis zum Ende und ließe für eine Zurechnung des Erfolgs auf objektiver Seite die Verletzung von Vorschriften, die eine Überschreitung des erlaubten Risikos bedeuten, im Sinne einer Risikoerhöhung ausreichen, so würde dies in subjektiver Hinsicht bedeuten, dass das Wissen und Wollen der Überschreitung des erlaubten Risikos für den Vorsatz ausreicht. Das Billigen eines „eigenständigen“ Erfolgs wäre aufgrund der „Verschleifung“ von Pflichtverletzung und Schaden dann nicht nötig. Dies dürfte allerdings nicht der h. M. entsprechen, denn wenngleich eine Risikoerhöhung auf der Ebene der rechtlich relevanten Gefahrschaffung durch die Anerkennung von Verfahrensvorschriften als ergebnisrelevant teilweise bejaht zu werden scheint, findet sich in Literatur und Rechtsprechung jedenfalls keine ausdrückliche Abkehr von der Vermeidbarkeitslehre hinsichtlich des Zusammenhangs von Pflichtverletzung und Schaden beim Risikomanagement233. Und auch, wenn die Aussagen der Kanther-Entscheidung überwiegend nicht anerkannt werden, hat die bereits für das einzelne Risikogeschäft geltende Rechtsprechung mit ihrer besonders strengen Prüfung der Billigung bei fehlender Eigennützigkeit nach wie vor Bestand. Im Folgenden sollen deswegen auch zur voluntativen Seite bezogen auf den Vermögensnachteil nur kurze Überlegungen angestellt werden. Übergeordnete Erklärungsmuster, die gegen eine Annahme vorsätzlichen Verhaltens sprechen wie bspw. die behavioural-finance-Lehre, werden dabei bewusst außen vor gelassen234: Nach dem Gesagten vor allem in Betracht kommt auf Pflichtwidrigkeitsebene in objektiver und subjektiver Hinsicht ein Vorwurf der Kenntnis der Unkenntnis235. Hierin läge das wissentliche Überschreiten des erlaubten Risikos. Vor diesem Hintergrund scheint es problematisch, auf ein Billigen des Schadens zu schließen. Die offensichtliche Gefahr, im Falle der Realisierung von Nachteilen 231

In diese Richtung Fischer, in: Wirtschaftskriminalität, S. 3 (23). Oben Vierter Teil: A.I. 233 Vgl. oben Vierter Teil: A.VII. 234 Dazu Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioural Finance, S. 116 ff. und ansatzweise unten Fünfter Teil: B. 235 Vgl. Schünemann, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 71 (97 f.), 180. 232

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4. Teil: Untreuestrafbarkeit aufgrund Erwerbs von subprime-Papieren

aufgrund ignorierter Risikokorrelationen bei den zugrundeliegenden Forderungen seinen Job zu verlieren236, spricht für sich genommen gegen eine Billigung im Rechtssinne, bei der sich mit dem Erfolg abgefunden wurde. Der Jobverlust aufgrund der Verantwortung für den Fehlschlag des Unternehmens ist mit einem erheblichen Nachteil für das berufliche Ansehen verbunden, weswegen auch unter Berücksichtigung von Haftungsbeschränkungen nicht ohne Weiteres von einer Gleichgültigkeit ausgegangen werden kann237. Das alleinige Vertrauen auf externe Ratings spricht per se ebenfalls gegen eine Billigung, da es sich hier um Vermeidebemühungen im Sinne der Rechtsprechung handelt. Man würde zugunsten eines Angeklagten auch berücksichtigen müssen, dass hohe Ratings umgekehrt einen gewissen Druck ausüben können, entsprechende Investments zu tätigen. Denn es trotz aussichtsreicher Gewinnchancen nicht zu unternehmen, sich „ein Stück vom Kuchen“ zu holen, ist als Verhalten ebenfalls sowohl haftungs- als auch untreuerelevant238. Gegen eine Inkaufnahme von Nachteilen spricht es außerdem, wenn im Einzelfall versucht wurde, sich gegen die Refinanzierungsrisiken zu versichern. Jedenfalls müsste das Vorhersehen einer den gesamten Markt erfassenden Krise unterstellt werden, um das Wissen um die Möglichkeit annehmen zu können, dass Sicherungsgeber ausfallen239. Festzuhalten bleibt, dass das Vorliegen des voluntativen Elements eher abzulehnen sein dürfte. Die objektiven Vermeidebemühungen bieten wenig Anhalts236 Tatsächlich haben die betroffenen Banken Vorstandsmitglieder entlassen oder diese sind aufgrund des öffentlichen Drucks zurückgetreten, so z. B. bei der Hypo Real Estate (http://www.sueddeutsche.de/geld/finanzkrise-deutsche-bank-mann-folgt-funke1.532439), bei der Sachsen LB, wo der Vorsitzende und der für das Kapitalmarktgeschäft zuständige Vorstand gehen mussten (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unter nehmen/bankenkrise-der-sachsen-lb-chef-muss-gehen-1463909.html), bei der LBBW (http://www.fr-online.de/wirtschaft/landesbank-lbbw-bisheriger-chef-jaschinski-mussgehen,1472780,3316108.html), bei der Bayern LB (http://www.manager-magazin.de/ unternehmen/karriere/0,2828,536292,00.html) sowie bei der IKB (http://m.faz.net/ak tuell/wirtschaft/unternehmen/rueckzahlung-von-tantiemen-gefordert-IKB-verklagt-frue heren-chef-ortseifen-1711172.html). 237 Bebchuck/Spamann, Regulating Bankers’ Pay, S. 17; vgl. auch Vaubel, in: Kempf/ Lüderssen/Volk, Moral, S. 19 (22). 238 Siehe nur BGHSt 31, 232; Schönke/Schröder/Perron, StGB, § 266, Rn. 35a; angesprochen ist hier aus ökonomischer Sicht, vom scharfen Schwert des Strafrechts abgesehen, ganz allgemein das Problem des durch das Prinzipal-Agenten-Verhältnis begünstigten Herdenverhaltens des Geschäftsleiters; dieser wird, um nicht negativ gegenüber seinen Kollegen aufzufallen, deren Verhalten nachahmen, weil der Arbeitgeber seine Leistung relativ zu der der Kollegen bewertet, siehe Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioural Finance, S. 125 ff. 239 Vgl. Schröder, Hdb. Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1197; siehe auch Edmund Phelps, Financial Times vom 15. April 2009: „Some had the instinct to buy insurance but did not see the uncertainty of the insurer’s solvency“ (zitiert nach Vaubel, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 19 (22).

D. Subjektive Aspekte der Untreuestrafbarkeit

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punkte dafür, dass ein Nachteil in Kauf genommen wurde. Dies ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass die Vermeidebemühungen trotz der Tatsache, dass sie sich im Nachhinein als ungeeignet erwiesen haben, vor der Krise gesetzlich erlaubte bzw. ausreichende Mittel der Risikobegrenzung darstellten, was sich im subjektiven Tatbestand spiegelt. 3. Insbesondere: Boni als Indiz für eine „Billigung im Rechtssinne“? Soweit aufgrund einer Unangreifbarkeit von Vermeidebemühungen Zweifel in Bezug auf den Vorsatznachweis bestehen, werden in der Diskussion im strafrechtlichen Schrifttum häufig durch Bonuszahlungen generierte Anreizmotive als verbösernder Ausgleich herangezogen. Dem ist nachzugehen, denn das Vorliegen oder Fehlen eines einleuchtenden Motivs ist ebenfalls ein Indiz, dessen sich die Rechtsprechung bedient, um festzustellen, ob der Täter mit einem Erfolg rechnet und, wenn er gleichwohl sein gefährliches Handeln fortsetzt, auch billigend in Kauf nimmt240. Überdies scheint hier ein Ansatzpunkt gegeben zu sein, die grundsätzlich strengen Anforderungen der Rechtsprechung außer Betracht zu lassen bzw. zu bewältigen, indem über Anreize aufgrund variabler Vergütung die Eigennützigkeit als Motiv eingeführt wird. Ein Vorsatz der Geschäftsleiter ist entsprechend mit den Anreizwirkungen von vereinbarten Boni für kurzfristige Gewinne als – zusätzlichem – Anhaltspunkt begründet worden241. Teilweise wird diese Anreizwirkung als einzig möglicher Anhaltspunkt für vorsätzliches Verhalten gesehen. Der revisionssichere Nachweis mehr als nur grob fahrlässigen Verhaltens für einen „,Tat‘zeitpunkt“, in dem ein Großteil des Marktes mit den einschlägigen Produkten gehandelt und blendende Gewinne gemacht habe, dürfe in Fällen, in denen ein unmittelbarer Zusammenhang des Geschäfts mit der Zahlung persönlicher Boni nicht besteht, nicht gelingen242. Teilweise wird Bonuszahlungen keinerlei besondere Relevanz bei der untreuestrafrechtlichen Aufarbeitung zugesprochen. Namentlich Deiters vertritt, das „systemkonforme eigennützige Agieren“ könne keine Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht darstellen243. Ein Systemversagen könne nicht denen strafrechtlich vorgeworfen werden, die sich systemkonform verhalten hätten. Betreffend die Vorsatzrelevanz variabler Vergütungsanteile gilt ebenfalls, dass die Motivlage letztlich sehr vom Einzelfall abhängig sein dürfte. Bereits allgemeine Überlegungen zu Anreizstrukturen variabler Vergütung und zur Corporate Governance scheinen aber abermals deutlich zu machen, dass sich der Untreue240

BGH NStZ 1983, 407. Krey, a. a. O.: „Diese Attitüde dürfte beweisbar sein“; Schünemann, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 71 (98). 242 Jahn, JZ 2011, 340 (346): „. . . nur um den Preis wagemutiger subjektiver Zuschreibungen.“ (Hervorhebung im Text im Original). 243 Deiters, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 132 (136). 241

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4. Teil: Untreuestrafbarkeit aufgrund Erwerbs von subprime-Papieren

tatbestand kaum für den Zweck der Aufarbeitung der in Rede stehenden Vorgänge nutzbar machen lässt, ohne Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die das Allgemeininteresse betreffen und das eigentlich geschützte Rechtsgut des Treugebervermögens in der Hintergrund rücken lassen. a) Anreizstrukturen variabler Vergütung Die empirische Frage der Auswirkungen variabler Vergütung auf den Ausbruch der Krise kann hier nicht umfassend aufbereitet werden. Sie ist nicht völlig unumstritten. Vereinzelt findet sich die Ansicht, dass die durch Boni geschaffenen Anreize keinen erheblichen Einfluss hatten. Blasen seien bereits vor der Schaffung entsprechender Vergütungsstrukturen aufgetreten244. Überwiegend wird aber davon ausgegangen, dass die Vergütungsstrukturen in den betroffenen Banken einen nicht unerheblichen Einfluss auf das die Krise auslösende Risikoverhalten der Geschäftsleiter hatte245. Dies scheint immerhin dadurch belegt, dass der Gesetzgeber sich zum Erlass des VorstAG246 und des Gesetzes über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Vergütungssysteme von Instituten und Versicherungsunternehmen247 veranlasst gesehen hat. Um langfristige Verhaltensanreize zu erreichen, wurde durch Ersteres nun für börsennotierte Gesellschaften per „hard law“ vorgeschrieben, dass die Vergütungsstruktur in Gesellschaften auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten ist. Variable Vergütungsbestandteile müssen nunmehr eine mehrjährige Bemessungsgrundlage haben248. Letzteres, welches die Grundlage der InstitutsVergV249 bildet, schreibt für die Vergütungssysteme für Geschäftsleiter und Mitarbeiter bedeutender Institute, deren Tätigkeiten einen wesentlichen Einfluss auf das Gesamtrisikoprofil haben, ein angemessenes Verhältnis von fixer zu variabler Vergütung sowie das Verbot garantierter Bonuszahlungen vor. Mindestens 40 % der variablen Vergütung sind vorerst zurückzubehalten und die Auszahlung über einen Zeitraum von drei Jahren zu strecken250. 244 Vaubel, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 19 (22) sowie Edmund Phelps, Financial Times vom 15. April 2009: „Bubbles long predate bonuses“ (Zitat nach Vaubel, ebenda). 245 Spindler, AG 2010, 601 (602); Hellwig, Finanzkrise und Reformbedarf, E-39 f.; Bebchuck/Spamann, Regulating Bankers’ Pay, S. 11 ff.; vgl. auch Spindler/Stilz-Fleischer, § 87, Rn. 4 m.w. N. 246 Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2509). 247 Gesetz vom 21. Juli 2010 (BGBl. I S. 950). 248 § 87 Abs. 1 AktG n. F. 249 Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten vom 6. Oktober 2010 (BGBl. I S. 1374); entsprechende Vorgaben waren bereits vor Inkrafttreten der Verordnung in den MaRisk festgeschrieben worden, vgl. Spindler/Stilz-Fleischer, § 87, Rn. 6. 250 § 5 InstitutsVergV.

D. Subjektive Aspekte der Untreuestrafbarkeit

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Um die Relevanz von Boni für die Strafbarkeit von Geschäftsleitern aufgrund von subprime-Investments einzuordnen, ist zunächst zu erhellen, inwiefern eine Eigennützigkeit des Geschäftsleiters im Verhältnis zum Treugeber in variablen Vergütungsstrukturen überhaupt angelegt war. Insofern ist im Grundsatz zunächst einmal zu konstatieren, dass zuvörderst die Anteilseigner von Banken selbst einem erheblichen moral hazard hinsichtlich des eingesetzten Kapitals unterliegen251. Die Bereitsteller von Eigenkapital unterliegen einem Anreiz zu riskantem Verhalten, weil ihnen dessen Vorteile vollständig zukommen, die Nachteile aber zum Teil auf die Einleger und Sicherheitengeber abgewälzt werden können. Bei systemischen Banken ist dieser Anreiz entsprechend größer, insbesondere, wenn der Staat Sicherheiten bereitstellt. Soweit die aufgrund der variablen Vergütungsanteile eingegangen Risiken durch die Exekutive mit diesen Interessen konform gehen, ist ganz allgemein nicht davon auszugehen, dass hier eine Schädigung bzw. Gefährdung gewollt ist, die nicht auch der Treugeber erkannt hat und mit der er einverstanden ist. Das gilt vor allem für die Gewährung von Beteiligungen, denn hier werden im klassischen Sinne die Interessen von Prinzipal und Agenten angeglichen, um die sogenannten agency costs252 zu reduzieren. Eine Interessendivergenz ist hier nicht gegeben253. Dasselbe gilt grundsätzlich für dividendenabhängige oder am Bilanzgewinn orientierte Tantiemen254. Geschäftsleiter haben bei dieser Form der variablen Vergütung je nach Umfang des Anteilspaketes sogar einen geringeren Anreiz zum Eingehen von Risiken als der Treugeber selbst, wenn und weil das Paket für den Geschäftsleiter einen größeren Anteil am Gesamtvermögen repräsentiert, als für Anteilseigner, die ein diversifiziertes Portfolio halten. Zusätzlich trägt der Geschäftsleiter bei einem Bankversagen die bereits genannten Reputationsverluste255. Auch wenn also kurzfristige Ziele vereinbart wurden, die auch für börsennotierte Gesellschaften nach dem DCGK zwar nicht empfohlen, aber auch nicht per „hard law“ verboten waren256,

251

Siehe nur Bebchuck/Spamann, Regulating Bankers’ Pay, S. 9 f. Grundlegend Jensen/Meckling, Journal of Financial Economics 1976, Vol. 3, No. 4, S. 305 ff. 253 Bebchuck/Spamann, Regulating Bankers’ Pay, S. 11 ff. 254 Eine Tantieme ist eine Beteiligung, die in einem Anteil des Umsatzes oder Gewinns besteht. Es gibt auch Ermessenstantiemen, meist handelt es sich aber um Zielbzw. Ergebnistantiemen wie bspw. am „EBITDA“ orientierte Tantiemen, vgl. MünchKommAktG/Spindler, AktG, § 87, Rn. 40. 255 Bebchuck/Spamann, a. a. O., S. 17 unter Hinweis auf empirische Studien, die belegen, dass entsprechende Vergütungssysteme zu einem konservativen Geschäftsleiterverhalten führen. Allerdings wird im deutschen Modell der Einfluss von Reputationsverlusten bzw. die tatsächliche Funktionsfähigkeit eines Marktes für Managementdienstleistungen bezweifelt, da deutsche Vorstände und Aufsichtsräte traditionell besonders verwoben sind, vgl. MünchKommAktG/Spindler, AktG, § 87, Rn. 41 sowie grundlegend Lutter, ZHR 159 (1995), 287 ff. 256 Vgl. MünchKommAktG/Spindler, AktG, § 87, Rn. 50. 252

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4. Teil: Untreuestrafbarkeit aufgrund Erwerbs von subprime-Papieren

kann insofern prinzipiell nicht von unerkannten Interessendivergenzen ausgegangen werden. Im Gegensatz dazu bietet die Gewährung von Anteilsoptionen grundsätzlich Raum für die Geschäftsleitung, Risiken einzugehen, die über die Risikoneigung des Treugebers hinausgehen. Der Grund dafür liegt darin, dass hier der Geschäftsleiter gegenüber Fluktuationen unterhalb des Optionspreises gleichgültig ist. Er hat keinerlei Anreiz, Risiken zu vermeiden, solange der Wert der Anteile unterhalb des Ausübungspreises liegt257. Insofern besteht folglich Anlass, an den Motiven des Geschäftsleiters zu zweifeln und anzunehmen, dass er Nachteile in Kauf nimmt, die der Treugeber nicht gutheißt. In Folge dieser theoretischen Neigung wird die Ausübung der Optionsrechte praktisch idealerweise von weiteren Parametern, insbesondere Branchen- oder anderen Indizes abhängig gemacht. Die Zulässigkeit des ausschließlichen Abhängigmachens vom Börsen- bzw. Anteilspreis ist nicht unangefochten, wird bzw. wurde aber von der Rechtsprechung anerkannt258. Festzuhalten bleibt, dass insofern ein Anhaltspunkt für ein „überschießendes Motiv“ vorliegen könnte. b) Vergütungsvereinbarungen als Einverständnis in einen erleichterten Sorgfaltsmaßstab? Wenn soeben von einem Interessengleichlauf und der Inkaufnahme von Nachteilen die Rede war, mit denen der Treugeber nicht einverstanden ist, wird zugleich deutlich, dass in Wahrheit bereits der objektive Tatbestand der Untreue betroffen ist. Denn sofern die Vergütungsanreize Ausdruck eines im Innenverhältnis erlaubten Risikos sind, muss bereits die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht ausscheiden. Dass Vergütungsvereinbarungen grundsätzlich als Einverständnis in bzw. als Vorgabe zu den mit den gesetzten Anreizen einhergehenden kurzfristigen Zielbestimmungen in Betracht kommen, ist kaum zu bezweifeln. Betroffen ist also abermals die Frage des erlaubten Risikos im Innenverhältnis, wobei sich hinsichtlich variabler Vergütungen gegenüber der allgemeinen Risikopolitik einige zusätzliche diskussionswürdige Punkte ergeben. Zweifel bestehen rückblickend zunächst an der Wirksamkeit eines derartigen „Einverständnisses“. Denn, wie insbesondere die Mannesmann-Entscheidung nochmals hervorgehoben hat, kann sich die Unwirksamkeit eines Einverständnisses bei der Untreue daraus ergeben, dass hierdurch gegen gesetzliche Vorgaben verstoßen wird oder es selbst treuwidrig ist259. 257

Bebchuck/Spamann, a. a. O., S. 18 f. OLG Stuttgart ZIP 1998, 1482, 1499; ZIP 2001, 1367; OLG Braunschweig WM 1998, 1929, 1933; a. A. MünchKommAktG/Spindler, AktG, § 87, Rn. 47; Hüffer, § 87, Rn. 6; Baums, Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder, S. 8 f.; offen Spindler/StilzFleischer, § 87, Rn. 42. 259 BGHSt 50, 331 (342). 258

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Wie vielleicht aufgefallen ist, wurde bei der Auseinandersetzung mit den Anreizstrukturen unter a) unterschlagen, dass Anteilseignerinteressen potenziell nicht die einzig relevanten sind. Der Begriff des Unternehmensinteresses ist im deutschen Gesellschaftsrecht nach wie vor ungeklärt. Unabhängig von der Zuordnung dieser Maßgabe zum shareholder- oder stakeholder-value-Ansatz ist als Teillösung des Zielkonflikts zwischen den Interessengruppen aber wohl anerkannt, dass das verbindliche Mindestziel der Bestand bzw. die langfristige Rentabilität des Unternehmens ist260. Die Langfristigkeit von Zielbestimmungen ist insofern aus Sicht anderer stakeholder, als den Anteilseignern und der Geschäftsleitung auch bei grundsätzlicher Annahme der Priorität von Anteilseignerinteressen eine „maximierte Nebenbedingung“ 261. Abweichend von der bereits zuvor ausführlich diskutierten Frage des Verbots der Existenzgefährdung, besteht im Hinblick auf die Langfristigkeit von Zielbestimmungen als Nebenbedingung hier nun das Problem, dass mit variabler Vergütung eine konkrete Gegensteuerung vorliegt, weswegen tatsächlich in verstärktem Maße bezweifelt zu werden scheint, dass die Schwierigkeiten bei der Risikoerkennung lagen. Zwar kann bei Vergütungsvereinbarungen nicht von einer Erlaubnis existenzgefährdenden Verhaltens ausgegangen werden – schon vor der Krise galt, dass die Parteien durch Vergütungsregelung dem Geschäftsleiter keine finanziellen Anreize zur Eingehung existenzbedrohender Risiken für die Gesellschaft setzen dürfen262. Die verständige Würdigung einer Vergütungsvereinbarung kann eine solche Auslegung folglich nicht zum Ergebnis haben; sie wäre unzulässig. Gleichzeitig scheint die grundsätzliche Annahme zu sein, dass ein Geschäftsleiter aus eigenem Antrieb nicht ausreichend berücksichtigt, ob er über ein (angemessenes) Risikomanagement eine etwaige Erhöhung der Gesamtrisiken, bedingt durch die durch den variablen Vergütungsanteil geschaffenenen Anreize, kontrollieren kann. Was also kann hiernach in tatsächlicher und dogmatischer Hinsicht der Wert eines Einverständnisses in Form einer Vergütungsvereinbarung sein? Bei Unverändertheit der durch § 76 AktG oder vergleichbare Vorschriften vorgezeichneten Zielbestimmungen könnte eine Reduktion der Sorgfaltspflichten bei gleichzeitig bestehenbleibender Verletzungsvermeidepflicht vorliegen263. Indes ist eine vertragliche Erleichterung der organschaftlichen Sorgfaltsanforderungen nach ganz h. M. im Gesellschaftsrecht unzulässig264. Auch unter der Annahme,

260 Hüffer, § 76, Rn. 13; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, § 76, Rn. 21; Spindler/ Stilz Fleischer, § 76, Rn. 24; offen die Reg.Begr. zum UMAG (BT-Drs. 15/5092, S. 11): „Ein Handeln zum Wohle der Gesellschaft liegt jedenfalls vor, wenn es der langfristigen Ertragsstärkung und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und seiner Produkte oder Dienstleistungen dient.“ (Hervorhebung durch Verfasser). 261 Kuhner, ZGR 2004, 244 (254); Weisemann, DZWIR 2009, 485 (486). 262 Vgl. Annuß/Theusinger, BB 2009, 2434 (2435) zum VorstAG. 263 Vgl. Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten, S. 339 ff. 264 Siehe nur MünchKommAktG/Spindler, § 93, Rn. 26.

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dass die Parteien sich in dem Bewusstsein der Aussparung von Existenzgefährdungen auf eine darunter liegende Erleichterung der Sorgfaltsanforderungen geeinigt hätten, wäre eine solche also unwirksam gewesen. Eine Systemkonformität eigennützigen Agierens265 lässt sich derart folglich jedenfalls auch dann nicht begründen, wenn man davon ausgeht, dass entsprechende Vereinbarungen branchenüblich gewesen sind. Eine unternehmerische Entscheidung lag insofern nämlich nicht vor; es hätte sich bei einer entsprechenden Vereinbarung um einen klaren Pflichtenverstoß gehandelt. Auf die Sittenwidrigkeit einer solchen Vereinbarung, die im Nachgang an die Finanzmarktkrise insbesondere mit Blick auf die Höhe von Vergütungen diskutiert wird266, kommt es damit nicht an. Ein anderes Ergebnis ließe sich nur begründen, indem man, da es sich bei Vergütungsabsprachen um vertragliche Vereinbarungen handelt, in denen Verhaltensimpulse, anders, als bei gesetzlichen Leitvorgaben oder allgemeinen Satzungsvorgaben aktiv, und gezielt durch die Gesellschaft gesetzt werden, eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung annimmt267, womit die Berücksichtigung von im Allgemeininteresse liegenden Dispositionsschranken auch bei der Untreue ausgeschlossen wäre268. Je nach Diversifiziertheit der Anteilseigner und der relativen Möglichkeit zu einem einheitlichen Handeln gegenüber dem Aufsichtsrat bzw. Verwaltungsrat in Sparkassen und Landesbanken, liegt dies mehr oder weniger fern. c) Fälschliche Annahme der Übereinstimmung hinsichtlich des Ziels langfristiger Wertsteigerung? Sowohl die Gezieltheit der Verhaltenssteuerung durch die Parteien, als auch das Scheitern einer Lösung über ein objektiv tatbestandsausschließendes Einverständnis bzw. eine Einwilligung verleihen dem Thema der variablen Vergütung somit letztlich seine Berechtigung als subjektiver Aspekt der Aufarbeitung. Eine Untreuestrafbarkeit scheint im Hinblick auf variable Vergütung prinzipiell nur ausgeschlossen werden zu können, indem man, entgegen der eingangs zitierten strafrechtlichen Ansichten, davon ausgeht, dass vor der Krise die Annahme bzw. der Irrtum der Parteien branchenüblich war, dass sich über ein ordnungsgemäßes Risikomanagement eine mit der variablen Vergütung einhergehende Erhöhung von Gesamtrisiken kontrollieren lässt oder eine signifikante Erhöhung aufgrund 265

Fn. 243 (Vierter Teil). Weisemann, DZWIR 2009, 485 (489); auch hier wird aber allein eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB und damit keine Unwirksamkeit ipso iure erwogen. Mit der Annahme der Sittenwidrigkeit von Einwilligung bzw. Einverständnis ist die strafrechtliche Rechtsprechung darüber hinaus bereits im Rahmen von § 228 StGB sehr zurückhaltend, vgl. BGH NStZ 2004, 621. 267 Vgl. BGHSt 32, 262 („Heroinspritzenfall“). 268 Vgl. Roxin, NStZ 1984, 411 f. und zur Untreue SSW-StGB/Saliger, § 266, Rn. 45. 266

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des variablen Vergütungsanteils überhaupt nicht vorlag. Inwiefern diese Annahme nach dem Stand wirtschaftswissenschaftlicher Forschungen berechtigt war, ist unklar, aber wohl auch deshalb zu bejahen, weil in rechtswissenschaftlicher Hinsicht nur begrenzt Beschränkungen bei der Ausgestaltung angenommen wurden; eine strafrechtliche Lösung kann hier nur angerissen werden. Grundsätzlich muss hier der Hinweis genügen, dass jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass diesbezüglich eine „gesamtgesellschaftliche Überzeugung“ herrschte269. Jedenfalls durfte der Geschäftsleiter insoweit wohl davon ausgehen, dass die Gegenseite nicht in Anreizstrukturen einwilligt, die die langfristige Rentabilität gefährden. Soweit ersichtlich, bestanden allein an der Unschädlichkeit der bereits genannten Optionsprogamme, die den Bonus lediglich von kurzfristigen Wertentwicklungen der Anteile abhängig machten, ernsthafte Zweifel270. Insofern kommt auch am ehesten die Annahme in Betracht, dass der Treugeber über die in der Vergütungsvereinbarung liegende Interessendivergenz geirrt hat. Der Geschäftsleiter müsste dann nachweisbar davon ausgegangen sein, dass der Treugeber nicht bemerkt, dass die Vergütungsstruktur ihm nachteilige Anreize setzt, insbesondere zur signifikanten Ausweitung existenzgefährdenden Risikoverhaltens führt. Insofern mag dann im Einzelfall auf einen Schädigungsvorsatz geschlossen werden können. Es gibt allerdings keinen Anhaltspunkt dafür, gerade für das Verhältnis Geschäftsleiter-Anteilseigner anzunehmen, dass von der Grundannahme des gleichwertigen Informationsstandes beider Parteien einer Transaktion271 eine rechtlich erhebliche Abweichung vorlag. Unterlag auch der Treugeber insofern keiner Fehlvorstellung, scheint es nicht abwegig, eine Strafbarkeit aufgrund einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung auszuschließen. Zu berücksichtigen wäre hier wohl auch die Rechtsprechung zum existenzvernichtenden Eingriff, sodass den Parteien eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung im Sinne von § 826 BGB nachzuweisen wäre272. Praktisch liefe die Annahme einer Erheblichkeit von Boni für die Strafbarkeit der Geschäftsleitung letztlich auf die Annahme geschäftlicher Unerfahrenheit auf Seiten des Treugebers hinaus und damit auf die Bejahung einer Tatherrschaft des Geschäftsleiters in Form des überlegenen Wissens gegenüber dem durch das Überwachungsorgan vertretenen Treugeber273. Zu berücksichtigen ist auch, dass eine Konkretisierung eines Nachhaltigkeitskonzepts in Vergütungsvereinbarungen deshalb ausgeblieben sein kann, weil unternehmerische Entscheidungen in der Regel auf Prognosen beruhen, weshalb ex ante schwer zuzuordnen ist, ob etwa 269

Vgl. Weisemann, DZWIR 2009, 485 (489). Siehe Fn. 258 (Vierter Teil). 271 Dazu nur Schmidt, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Handlungsfreiheit, S. 93 (95). 272 Vierter Teil: B.I. 273 Vgl. Roxin, AT I § 11, Rn. 107 ff.; vgl. auch Arzt, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 177 (182). 270

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die Entscheidung, einen Unternehmensbereich zu veräußern, kurzfristigem Gewinndenken oder einer langfristig sinnvollen Strategie entspringt274. Umgekehrt kann der Geschäftsleiter immer behaupten, eine konkrete Entscheidung nicht mit einem kurzfristigen Ziel getroffen zu haben. d) Zusammenfassung Festzuhalten bleibt, dass die Relevanz variabler Vergütung für eine Untreuestrafbarkeit nicht bereits deshalb ausscheidet, weil hierin ein zulässiges Einverständnis in eine veränderte Risikopolitik vorlag. Denn in Betracht kommt insofern nur eine Herabsetzung der Sorgfaltsanforderungen, welche eindeutig unzulässig war und ist. Im Allgemeinen wird aber davon ausgegangen werden können, dass die Parteien annahmen, dass die durch Vergütungsvereinbarungen gesetzten Anreize durch das allgemeine Risikomanagement aufgefangen werden bzw. das Risiko einer Bestandsgefährdung nicht signifikant erhöhten. Allein mit Blick auf die ausschließliche Anbindung der variablen Vergütung an Optionen, gebunden an kurzfristige Wertentwicklung von Anteilen, erscheint es nicht völlig ausgeschlossen, dass hier der Geschäftsleitung nach dem Stand der Erkenntnisse klar war, dass eine Interessendivergenz vorliegt. Unterlag insofern der Treugeber einer Fehlvorstellung, so scheint eine Untreuerelevanz von Boni nicht ausgeschlossen. Der letztlich für eine Untreuerelevanz von Boni notwendige Nachweis einer Verletzung der duty of loyalty ist aufgrund der bei variabler Vergütung im Allgemeinen vorhandenen Anreizstrukturen und Kenntnisse der Parteien kaum zu begründen.

III. Irrtum und unternehmerisches Handeln im Untreuetatbestand Zu den für das unternehmerische Handeln relevanten Fragen im Untreuetatbestand gehört auch die Diskussion um die Auswirkungen von Irrtümern des Geschäftsleiters auf seine Strafbarkeit. 1. Der Irrtum über die Pflichtwidrigkeit und seine Rechtsfolgen in Rechtsprechung und Literatur Die Einordnung von Fehlvorstellungen über die Pflichtwidrigkeit ist nach dem Diskussionsstand in Rechtsprechung und Literatur unklar. Einigkeit herrscht lediglich insofern, als der Irrtum des Treupflichtigen über die tatsächlichen Umstände, welche die Vermögensbetreuungspflicht begründen, als Tatbestandsirrtum nach § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB zu qualifizieren ist. Ebenso 274

Spindler/Stilz-Fleischer, § 87, Rn. 29.

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einig ist man sich hinsichtlich der Annahme eines Tatbestandsirrtums bei fälschlicher Annahme des Vorliegens eines Einverständnisses275. Kontrovers diskutiert werden die Rechtsfolgen, wenn der Treupflichtige die Tatsachen, welche die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens begründen, vollständig erfasst, aber irrtümlich davon ausgeht, sein Handeln sei rechtlich erlaubt. Ob bei einer derartigen Fehlvorstellung § 16 oder § 17 S. 1 StGB Anwendung findet, ist bekanntermaßen deshalb eine wichtige Weichenstellung, weil, wie bei § 266 StGB der Fall, bei Delikten, die eine fahrlässige Begehung nicht unter Strafe stellen, mit Anwendung des § 16 StGB ohne Weiteres eine Entlastung eintritt, während bei Annahme eines Verbotsirrtums eine Vermeidbarkeitsprüfung zu erfolgen hat. Die letzterenfalls sodann anzuwendende Formel, nach der der Irrtum vermeidbar ist, wenn der Täter das Unrecht der Tat bei der ihm zuzumutenden Anspannung des Gewissens hätte erkennen können276, bildet nach der Rechtsprechung einen strengeren Maßstab, als den der Fahrlässigkeit277. Dies ist vom überwiegenden Schrifttum als zu streng bewertet worden278. Es sei nicht möglich, sich ständig bewusst reflektierend die Frage nach der Vereinbarkeit eigenen Verhaltens mit dem Recht zu stellen. Bei der Weitläufigkeit strafrechtlicher Bezüge in allen Lebensbereichen könne ein „allumfassendes Wertbewusstsein“ nicht verlangt werden. Die mangelnde Gewissensanspannung als Kriterium vorwerfbarer Verbotsunkenntnis versage insbesondere dort, wo das Verbot nicht den Kernbereich sittlicher Bewertungsnormen berühre. In Zweifelsfällen darf sich der Täter nach der Rechtsprechung nicht ohne Weiteres auf sein eigenes Urteil verlassen, er muss vielmehr die erforderlichen Auskünfte einholen279. Hier kann er die Vermeidbarkeit nur durch die Auskunft einer verlässlichen Person ausschließen. Verlässlich ist eine zuständige, sachkundige, unvoreingenommene Person, die mit der Erteilung der Auskunft kein Eigeninteresse verfolgt und die Gewähr für eine objektive, sorgfältige, pflichtgemäße und verantwortungsbewusste Auskunftserteilung bietet280. Bei schwierigen Rechts275 BGHSt 3, 23 (25); Schönke/Schröder/Perron, § 266, Rn. 49; MünchKommStGB/ Dierlamm, § 266, Rn. 239; LK-Schünemann, § 266, Rn. 153; Fischer, StGB, § 266, Rn. 77a; NK-Kindhäuser, § 266, Rn. 122. 276 Grundlegend BGHSt 2, 194 (209). 277 BGHSt 4, 236 (243): Anspannung sei etwas anderes als die Beobachtung der Sorgfalt im Rahmen der Fahrlässigkeit; hinsichtlich der Erkenntnis der Rechtswidrigkeit eines straftatbestandsmäßigen Sachverhalts würden höhere Anforderungen gestellt als hinsichtlich der Erkenntnis der Tatumstände selbst, weil mit der Tatbestandsmäßigkeit eines Verhaltens seine Rechtswidrigkeit in der Regel gegeben und dies allgemein bekannt sei. Die Frage, ob gleichwohl im einzelnen Falle die Tatbestandsverwirklichung erlaubt ist, habe der Täter deshalb besonders sorgfältig zu prüfen; siehe auch St 21, 18 (20). 278 Vgl. Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, § 17, Rn. 15 m.w. N. 279 BGHSt 21, 18 (20). 280 BGH NJW 2000, 2368.

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fragen fordert die Rechtsprechung entsprechend eine detaillierte Expertenmeinung281. Ist die Rechtslage vollkommen zweifelhaft und existieren keinerlei Vorgaben, kann der Täter nicht ohne Weiteres auf die ihm günstige Rechtslage vertrauen282. Es ist dem Täter nach teilweiser Rechtsprechung aber nicht per se zumutbar, bei unklarer Rechtslage untätig zu bleiben, insbesondere, wenn ein nicht unerheblicher Teil des Gewerbes betroffen ist283. Einzelvorgaben von Behörden und einzelne Gerichtsentscheidungen hat die Rechtsprechung nur teilweise als die Vermeidbarkeit ausschließend betrachtet284. Die Anforderungen an die Unvermeidbarkeit steigen mit der Professionalisierung des Gewerbetreibenden bzw. dem Umfang seiner Tätigkeit285. Teil der Kontroverse um die Anwendbarkeit von § 16 oder § 17 StGB ist zunächst die Einordnung des Untreuetatbestandes als Blankettstrafgesetz oder eines Tatbestandes, der mit der Pflichtverletzung ein normatives Tatbestandsmerkmal enthält. Ausgehend von der h. M., die ein normatives Tatbestandsmerkmal annimmt286, ist nach einer Ansicht für den Vorsatz nötig, dass der Täter die Pflichtwidrigkeit zumindest nach einer Parallelwertung in der Laiensphäre nachvollzogen hat287. Noch weitergehender wird nach anderer Ansicht angenommen, jede Fehlvorstellung über die Pflichtgemäßheit des Verhaltens schließe den Vorsatz aus288. Vor allem von Schünemann wird dagegen vertreten, es handele sich bei dem Pflichtwidrigkeitsmerkmal um ein gesamttatbewertendes Merkmal, bei dem der Vorsatz allein die die Pflichtwidrigkeit des Handelns begründenden tatsächlichen Umstände umfassen muss, sodass fehlerhafte Wertungen über die Pflichtgemäßheit nur einen Verbotsirrtum begründen könnten289. Anderenfalls schlössen bereits leichtfertigste Fehlbeurteilungen der Pflichtenlage den Vorsatz

281

Vgl. BGH NStZ-RR 2009 (14 f.). OLG Stuttgart NJW 1967, 122; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, § 17, Rn. 21. 283 OLG Bremen NJW 1960, 164. 284 BayObLG NJW 1980, 1057 (1058); OLG Stuttgart NJW 2006, 2422, einerseits (bejahend); und OLG Düsseldorf NJW 1981, 2478 (2479) zu einer einzelnen, nicht höchstrichterlichen Gerichtsentscheidung andererseits, wobei das Gericht zugleich darauf hinweist, dass die Beurteilung, ob ein Verbotsirrtum vermeidbar oder nicht vermeidbar ist, der tatrichterlichen Beweiswürdigung zuzuordnen ist und deshalb eine Vorlagepflicht an den BGH bei abweichenden OLG-Entscheidungen ausscheidet. 285 Vgl. BayObLG NStZ 2000, 148. 286 Siehe bereits Zweiter Teil: B.II. 287 Jakobs, NStZ 2005, 276 (277 f.); Vogel/Hocke, JZ 2006, 568 (571); Beulke, in: FS Eisenberg (2009), S. 245 (265). 288 Lüderssen, in: FS Richter II (2006), S. 373 (378); Schönke/Schröder/Perron, StGB, § 266, Rn. 49; MünchKommStGB/Dierlamm, § 266, Rn. 239. 289 LK-Schünemann, § 266 StGB, Rn. 153 f.; ders., in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 71 (97 f.); ebenso NK-Kindhäuser, § 266, Rn. 122; zustimmend auch Kasiske, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 13 (34); ohne jede Auseinandersetzung im Zusammenhang mit dem Erwerb von asset backed securities für die Anwendbarkeit von § 17 StGB Gallandi, wistra 2009, 41 (46). 282

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aus290. Das LG Düsseldorf hatte im Mannesmann-Verfahren zunächst einen Verbotsirrtum hinsichtlich der Erlaubtheit des Zahlens einer kompensationslosen Anerkennungsprämie angenommen291, ist hierin aber vom 3. Senat des Bundesgerichtshofes insoweit korrigiert worden, als er die Frage letztlich vom Einzelfall abhängig machen will292. Eine sachgerechte Einordnung lasse sich nicht ohne differenzierende Betrachtungen erreichen. Die Abgrenzung erweise sich im Einzelnen als schwierig, wie dies bei Tatbeständen mit stark normativ geprägten objektiven Tatbestandsmerkmalen häufig der Fall sei. Der 2. Senat hat in der Folge in der Kanther-Entscheidung eine Fehlvorstellung über außerstrafrechtliche Anforderungen unter § 16 StGB eingeordnet293. Der Vorsatz des Täters müsse sich auf die tatsächlichen Voraussetzungen der so konkretisierten Pflicht erstrecken. Die irrtümliche Verkennung der außerstrafrechtlichen Anforderungen schließe den Vorsatz aus. Die jüngste Differenzierung der Rechtsprechung hat in der Literatur teilweise ausdrücklich Zustimmung erfahren. Sie wurde als Anhaltspunkt dafür gewertet, dass ein Zusammenhang mit der Kompliziertheit der akzessorischen Bestimmung der Pflichtwidrigkeit besteht294. 2. Relevanz des strafrechtlichen Umgangs mit Fehlvorstellungen für Geschäftsleitertätigkeit Die strafrechtliche Behandlung von Fehlvorstellungen scheint für Geschäftsleiter angesichts ihrer Pflicht, externe Vorschriften einzuhalten, grundsätzlich von nicht unerheblicher Bedeutung zu sein. Im Gesellschaftsrecht wird angenommen, dass mit der Feststellung des Vorliegens der Pflichtverletzung die Geschäftsleitersorgfalt regelmäßig auch schuldhaft verletzt ist295. Da die Sorgfalt als eine des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters beschrieben sei, ließen sich in der Praxis kaum Situationen finden, in denen zwar eine objektive, aber keine subjektive Pflichtwidrigkeit vorliege. Ein Irrtum wird allenfalls in extrem gelagerten Fällen als relevant erachtet, insbesondere, wenn sofortiges Handeln verlangt wird und kein sachkundiger Rat eingeholt werden kann; selbst hier aber sei in der Regel dem Geschäftsleiter vorzuwerfen, dass er für diesen Fall nicht genügend vorgesorgt hat296. In das Strafrecht übernommen wird im Rahmen der Akzessorietät indes allein der objektive Sorgfaltsmaßstab. Das gesellschaftsrechtliche Verschulden ist nicht Gegenstand der 290

LK-Schünemann, § 266 StGB, Rn. 153 f. LG Düsseldorf, NJW 2004, 3275 (3285). 292 BGHSt 50, 331 (335). 293 BGHSt 51, 100 (119). 294 SSW-StGB/Saliger, § 266, Rn. 105 a. E., vgl. auch Lüderssen, a. a. O. (378). 295 Vgl. Hopt, in: GroßKommAktG § 93, Rn. 255; Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 205: „Die Würfel fallen auf der Ebene der objektiven Pflichtverletzung.“ 296 MünchKommAktG/Spindler a. a. O.; Hopt, in: GroßKommAktG a. a. O. 291

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strafrechtlichen Prüfung. Aus strafrechtlicher Sicht erscheint der moderne Geschäftsleiter aufgrund seiner Legalitätspflicht daher als Paradigma des potenziell „schuldhaft ignoranten Täters, welcher der Irrtumslehre zu allen Zeiten Schwierigkeiten bereitet hat“ 297. Denn die bereits mehrfach erwähnte Tendenz, innerhalb der Geschäftsleitertätigkeit vielfach Rechtsnormen interpretieren (lassen) zu müssen, scheint im „dichten Gestrüpp der aktien-, bilanz- und kapitalmarktrechtlichen Pflichten“ gefangen zu haben, in dem es selbst erfahrenen Akteuren schwerfällt, die organschaftlichen Verhaltensanforderungen „in allen ihren Verästelungen zu überblicken“ 298. Die Relevanz der strafrechtlichen Unterscheidung zwischen § 16 und § 17 StGB ist ferner dadurch bedingt, dass der Geschäftsleiter im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht – gegenläufig – zugleich gehalten ist, Gesellschaftsvermögen nicht durch unnötiges „opinion shopping“ zu verschwenden, weil an seine persönlichen und fachlichen Fähigkeiten gewisse Anforderungen gestellt werden299. Auch außerhalb der zuvor erwähnten Extremsituationen scheint es deswegen nicht undenkbar, dass der Geschäftsleiter auf den Rat Dritter (fahrlässig) verzichtet und sodann (fahrlässig) eine eigene Fehleinschätzung vornimmt. Wenn bei der strafrechtlichen Vermeidbarkeitsprüfung strengere Anforderungen als beim Fahrlässigkeitsmaßstab zugrunde gelegt werden, dürfte folglich die geschilderte strafrechtliche Kontroverse von einiger Bedeutung sein. Bei einer Anwendbarkeit des § 17 StGB ist der Geschäftsleiter einem Prüfungsmaßstab ausgesetzt, der auch über den gesellschaftsrechtlichen Fahrlässigkeitsmaßstab hinausgeht. Bei einer Anwendung des unternehmerischen Ermessens auch auf rechtliche Unsicherheiten und einer entsprechenden Übertragung dieser Grundsätze in den Untreuetatbestand wird die Kontroverse um die Anwendbarkeit von § 16 oder § 17 StGB zugunsten ersterer Norm andererseits dadurch entschärft, dass der Sorgfaltsmaßstab bereits in größerem Umfang subjektiviert ist und somit die unvernünftige Fehlvorstellung über die Rechtmäßigkeit des Verhaltens bereits eine Voraussetzung der Pflichtwidrigkeit und damit des Tatbestandes darstellt300. Auch im Zusammenhang mit subprime-Investments sind Fehlvorstellungen über die Erlaubtheit des Verhaltens thematisiert worden301. Diesbezüglich erscheint nach den dargestellten strafrechtlichen Leitlinien bei einer Anwendung 297 Vgl. Lüderssen, in: FS Richter II (2006), S. 373 (375); den Zusammenhang der Frage des Verbotsirrtums mit Beurteilungsspielräumen von Geschäftsleitern aufzeigend auch Spindler, in: FS Canaris II (2007), S. 403 (417 f.). 298 Fleischer, NZG 2010, 121 (zum Vorstand der Aktiengesellschaft). 299 Vgl. Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 209. 300 Unzutreffend ist deswegen jedenfalls theoretisch die Behauptung von Schünemann, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 71 (92), der safe harbour habe für § 266 StGB keine Bedeutung, weil er einen Maßstab objektiver Fahrlässigkeit beschreibe, Untreue aber nur bei Vorsatz strafbar sei (siehe auch Fn. 214 (Vierter Teil) am Ende). 301 Vgl. Deiters, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 132 (138); Gallandi, wistra 2009, 41 (45).

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von § 17 Satz 1 StGB die Rechtslage beim Stützen von Verhalten auf Rundschreiben der BaFin, hier vor allem bei regelbasierten Vorgaben, prinzipiell unklar. Hier sind offene Formulierungen bei Annahme von über die Fahrlässigkeit hinausgehenden Anforderungen und mangels weiterer Absicherungen potenzielle Quellen unvermeidbarer Irrtümer302. 3. Abgrenzung von § 16 zu § 17 StGB vor dem Hintergrund des Leitbilds geschäftsleitender Tätigkeit Mit dem Paradigmenwechsel von der Unterscheidung von beachtlichem Tatsachen- und unbeachtlichem Rechtsirrtum zu Tatbestands- und Verbotsirrtum durch die Rechtsprechung303 wurde der Einsicht gefolgt, dass der Tatbestand nicht wertfrei ist, sondern typisiertes Unrecht beschreibt304. Wenn nun nach diesem Paradigmenwechsel für wertende bzw. normative Tatbestandsmerkmale vertreten wird, dass der Täter ihren Sinngehalt nicht, auch nicht nach einer Parallelwertung in der Laiensphäre, vorsätzlich erfassen muss, dann erfolgt dies vor allem mit der Begründung, dass hinsichtlich der Kernregeln der Gesellschaft vom Bürger erwartet werden kann, dass er von diesen Kenntnis hat bzw. durch Anspannung seines Gewissens sich Kenntnis von Ihnen verschafft305. Dass er ihre Wertung nicht konkret erfasst, soll ihn dann nicht entlasten können. Dieselben Billigkeitserwägungen, denen letztlich eine Risikoverteilung zugrunde liegt, finden sich in der Diskussion um die Anwendbarkeit des § 17 StGB auf Irrtümer bei Blankettstrafgesetzen wieder306. Hier erscheint bei einem Irrtum über die Existenz des vorgelagerten Verbots zunächst intuitiv die Annahme eines Verbotsirrtums unbillig, weil dies die Anforderungen an den Täter zu überspannen scheint. Dies gilt insbesondere für Verweise auf sogenannte allgemeine Gesetze, wie sie im Umwelt-, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht häufig vorkommen307. Die Zuweisung des Risikos der Unkenntnis wird hier gleichwohl deswegen als erträglich erachtet, weil die Adressaten dieser Vorschriften regelmäßig Personen mit besonderen Fachkenntnissen sind und es um hochwertige Rechtsgüter bzw. potenziell erhebliche Schädigungen geht308. Die Einordnung der Vermögensbetreuungspflicht in 302

Siehe andererseits BGHSt 46, 30 zur Heranziehung der MaK. Fn. 276 (Vierter Teil), vgl. auch NK-Puppe, § 16, Rn. 29; Lüderssen, in: FS Richter II (2006), 373 (375). 304 Lüderssen, in: FS Richter II, 373 (375). 305 NK-Puppe, § 16, Rn. 59. 306 Vgl. Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, S. 95 f. 307 Vgl. Puppe, GA 1990, 145 (167); kritisch zur im Ergebnis strengeren h. M. als zu Zeiten vor der Geltung der Schuldtheorie Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, S. 96; siehe für ein Beispiel eines allgemeines Gesetzes in strafrechtlich verstandenem Sinne bspw. § 283 Abs. 1 Nr. 7 StGB „entgegen dem Handelsrecht“. 308 Puppe, a. a. O. (167): „keineswegs nur um minderwertige Rechtsgüter“, „gewaltige Schäden“. 303

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§ 266 StGB als gesamttatbewertendes Merkmal folgt gleichfalls aus der Annahme, hier seien allgemein anerkannte, elementare Normen des ungeschriebenen Rechts beschrieben309 bzw. der Täter könne sich anderenfalls zu einfach entlasten310. Prinzipiell treffen danach auf den Geschäftsleiter die Annahmen zu, die für die Anwendung von § 17 StGB sprechen; die Bedeutung seiner vermögensbetreuenden Stellung ist ihm ebenso erkennbar, wie die erhöhten Anforderungen an seine Fähigkeiten gerechtfertigt sind. Allerdings scheint die Befürwortung einer Anwendung des § 17 StGB bei fehlendem Bewusstsein über die Pflichtwidrigkeit in § 266 StGB ganz allgemein nicht zu berücksichtigen, dass der Untreuetatbestand zwischenzeitlich über die Vermögensbetreuungspflicht recht umfänglich auf „anderweitig kodifiziertes positives Recht“ verweist311, woraus seine Beschreibung als blankettartig folgt312. Insbesondere beim der Legalitätspflicht unterliegenden Geschäftsleiter sind es häufig letztlich die die Gesamtpflicht ausfüllenden Einzelpflichten, welche über Erlaubtheit des Verhaltens entscheiden. Differenzierungen derart, dass der Täter laienhaft erkennen müsse, pflichtwidrig zu handeln, Fehlvorstellungen über den konkreten Inhalt und Umfang der Vermögensbetreuungspflicht den Vorsatz aber unberührt lassen313, erscheinen deswegen, zumindest bezogen auf Geschäftsleitertätigkeit, zweifelhaft314. Grundsätzlich erscheint es zwar zumutbar, dem Geschäftsleiter als Fachmann auch die Kenntnis dieser in seiner Gesamtverantwortung liegenden Einzelpflichten abzuverlangen. Zweifelhaft ist aber, ob er mit einer Pönalisierung des Verstoßes ge-

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Puppe, a. a. O. (171). Fn. 290 (Vierter Teil). 311 Anders noch Puppe, a. a. O. (171). 312 Rönnau; ZStW 119 (2007), 887 (905); siehe bereits oben Zweiter Teil: B.II. 313 So Beulke, in FS Eisenberg (2009), S. 245 (265); anders Jakobs, NStZ 2005, 276 (277) zum Mannesmann-Verfahren: „Dazu ist als erstes zu bemerken, dass die Angeklagten, wenn sie ihre Vermögensfürsorgepflicht kannten, auch wussten, dass sie diese verletzten; denn ansonsten hätten sie zumindest den Teil der Pflicht, auf den es hier allein ankommt, eben nicht gekannt, und Feststellungen bezüglich anderer Teile sind schlicht überflüssig. Kurzum, diese Kenntnis ist mit fehlendem Unrechtsbewusstsein unvereinbar.“ (Hervorhebung im Original); wie hier letztlich auch der 2. Senat in der Kanther-Entscheidung (St 51, 100 (119)): „Das Tatbestandsmerkmal der Pflichtwidrigkeit im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB verwies insoweit auf die Regelungen der §§ 19 Abs. 4 Satz 3, 23 Abs. 4 i.V. m. § 24 PartG. Auf die tatsächlichen Voraussetzungen der so konkretisierten Pflicht muss sich der Vorsatz des Täters erstrecken; sie beschreiben die im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB verletzte Pflicht selbst und nicht allein das Verbot ihrer Verletzung“. Der BGH trifft hier die zur Abgrenzung der normativen Tatbestandsmerkmale zu den Blankettgesetzen bekannte Unterscheidung zwischen der Anknüpfung an den Regelungseffekt einerseits und die dem Effekt zugrundeliegenden Voraussetzungen andererseits, vgl. nur Rönnau, a. a. O. (905). Im Ergebnis bejaht er sodann strukturell ein Blankettstrafgesetz – und wendet § 16 StGB an. 314 Denn hiermit ist letztlich dasselbe Ergebnis herbeigeführt wie von der h. M. zur Handhabung bei Blankettstrafgesetzen vertreten; vgl. NK-Puppe, § 16, Rn. 62 ff. 310

D. Subjektive Aspekte der Untreuestrafbarkeit

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gen seine gesellschaftsrechtliche Legalitätspflicht außerhalb von Blankettstrafgesetzen bzw. Strafgesetzen des (sonstigen) Wirtschaftsstrafrechts rechnen muss, da die Untreue insofern keinen ausdrücklichen Appell an ihn richtet315. Es ist letztlich eine empirische Frage, ob es gerechtfertigt erscheint, die Bewertung seiner Rechtstreue grundsätzlich davon abhängig zu machen, ob er die konkrete Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens erfasst316. In Übereinstimmung mit vorangegangenen Ausführungen würde dem hier tendenziell zugeneigt. Es scheint angemessen, als rechtstreu auch den Geschäftsleiter zu beschreiben, der zwar die Tatsachen richtig erfasst, aber nicht weiß, dass er seine Pflichten gegenüber dem Treugeber verletzt317. Diese Sichtweise stimmt letztlich mit der Ansicht überein, die in der Rechtsprechung die intuitive Leitlinie erkennt, einen Tatbestandsirrtum umso eher zu bejahen, je komplizierter die akzessorische Bestimmung der Pflichtwidrigkeit ausfällt. Dies scheint für Geschäftsleiterhandeln besonders zuzutreffen, weil hier rechtliche und tatsächliche Fragen sich häufig nicht trennen lassen. Als Beispiel möge hier wiederholt das Risikomanagement dienen. Das Erkennen des erlaubten Risikos im Finanzbereichs ist das Paradebeispiel einer Fragestellung, bei der sich tatsächliche und rechtliche Fragen kaum trennen lassen. Waren die Risikokorrelationen des US-Kreditmarktes unbekannt, so läge hierin ein Irrtum, der nach allen Auffassungen den Untreuevorsatz ausschließt. Da aber die Kenntniserlangung in hohem Maße verrechtlicht ist, würden fahrlässige Fehler im Risikomanagement erst in der Schuld über den Nachweise einer Unvermeidbarkeit zu einer Entlastung führen. Nur am Rande soll, von diesen Billigkeitserwägungen abgesehen, darauf hingewiesen werden, dass in der Einordnung der Pflichtverletzung als gesamttatbewertendes Merkmal eine Spaltung in tatsächliche Voraussetzungen und Einordnung der Rechtsfolgen vorliegt, die durch den erwähnten Paradigmenwechsel für normative Tatbestandsmerkmale eigentlich beseitigt werden sollte318 und dem Strafgesetzgeber die Kompetenz nimmt, den Tatbestand so zu fassen, wie er das vertypte Unrecht objektiv und subjektiv beschreiben möchte319. Denn trotz der seinerzeitigen wohl durchaus vorhandenen Intention, eine „Allzweckwaffe“ zu schaffen, kann dem Gesetzgeber nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass er mit dem Vermögensnachteil ein Merkmal in den Untreuetatbestand geschrieben hat, dem er kein nennenswertes Gewicht beimisst320. 315 Vgl. auch Cappel, Grenzen, S. 212 und Schramm, Untreue und Konsens, S. 212 f. zur potenziellen Präventivwirkung von speziellen Organuntreuetatbeständen. 316 Dass im Gesellschaftsrecht die Interpretation von Rechtsvorschriften als unternehmerische Entscheidung diskutiert wird (mit der Folge einer etwaigen subjektiven Einschränkung), scheint zumindest ein Indiz dafür zu sein, dass dies der Fall ist. 317 Vgl. Lüderssen, in: FS Richter II (2006), 373 (375). 318 Lüderssen, a. a. O. (374). 319 Vgl. Puppe, GA 1990, 145 (153 f.). 320 Lüderssen, a. a. O.

256

4. Teil: Untreuestrafbarkeit aufgrund Erwerbs von subprime-Papieren

Nach alledem erscheint es sachgerecht, für den Bereich der Geschäftsleiteruntreue davon auszugehen, dass für den Vorsatz das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit erforderlich ist321.

IV. Zusammenfassung Ein vorsätzliches Untreueverhalten bei subprime-Investments ist schwer nachweisbar. Objektive Vermeidebemühungen, teilweise gesetzlich abgesichert, sprechen dagegen. Die Vereinbarung einer variablen Vergütung kann die Sorgfaltsanforderungen an die Geschäftsleitung nicht herabsetzen. Sie ist bei allgemeiner Betrachtung der Anreizstrukturen und des typischen Parteiwissens jedoch auch kein Anhaltspunkt für ein eigennütziges Verhalten, von dem die Parteien nicht annahmen, dass es durch ein angemessenes Risikomanagement zumindest ausgeglichen würde. Die Annahme, es liege – unter Berücksichtigung der Interessen weiterer stakeholder – eine unzulässige einverständliche Fremdgefährdung vor, erscheint zweifelhaft. Sie setzte einen nicht unerheblichen Wissensvorsprung von Geschäftsleitern voraus, von dem nicht ohne besondere Anhaltspunkte auszugehen ist. Kommt im objektiven Tatbestand, ggf. über das Gesellschaftsrecht, ein Verfahrensansatz zur Geltung, so überträgt sich dies auf die Vorsatzanforderungen. Etwas anderes gälte nur, sofern das Eingehen existenzgefährdender Risiken im Rahmen einer Evidenzkontrolle stets als pflichtwidrig betrachtet würde. Eine solche ist indes abzulehnen. Aufgrund des Tätigkeitsbildes moderner Geschäftsleitung erscheint für Irrtümer über die Pflichtwidrigkeit des Verhaltens die Anwendung von § 16 StGB angemessen.

321 Letztlich lassen sich die dargestellten Justierungen natürlich auch über die Anforderungen an die Vermeidbarkeit vornehmen. Dies wird bspw. getan, wenn es heißt, Fälle, in denen schon eine Anspannung des Gewissens die Verbotsunkenntnis zu beheben vermag, seien selten, da das Gewissen zu schwierigen Rechtsfragen gar nichts sagt, vgl. Roxin, AT I, § 21, Rn. 46.

Fünfter Teil

Subprime-Investments und Untreuestrafbarkeit vor kriminalpolitischem Hintergrund Die Finanzmarktkrise hat neben ihrer aufsichtsrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Aufarbeitung eine Vielzahl von kriminalpolitischen Reaktionen bezogen auf das Wirtschaftsstrafrecht allgemein und den Untreuetatbestand im Besonderen hervorgerufen. Ohne sich hiermit wenigstens kurz zu befassen kann diese Arbeit kaum auskommen; bereits im vorangegangenen Teil haben entsprechende Erwägungen eine Rolle gespielt und schon die Einordnung der Sorgfaltsgeneralklauseln als gegenüber dem Untreuetatbestand spezielleren Vorschriften für die Bewertung des Verhaltens von Geschäftsleitern enthält freilich eine Aussage darüber, welchem Rechtsgebiet in diesem Bereich die Verhaltenssteuerung in erster Linie zukommen sollte. Hier sollen diese und weitere ausgewählte Fragen der Diskussion um den Untreuetatbestand seit der Finanzmarktkrise aufgegriffen werden. Nicht allein aufgrund der Fülle an Literatur zu dem Thema stellt sich ein gewisses Unwohlsein im Hinblick auf die folgenden Ausführungen ein. So wichtig der Versuch einer Draufsicht sein mag, so ist er stets mit der Gefahr des Pathos und der Vereinfachung verbunden. Auch hatte das Thema sich bereits vor der Krise als geeignet erwiesen, nicht nur die „Volksseele“ zu erhitzen, sondern auch die juristische Diskussion um die Rolle der Untreue im System des Wirtschaftsstrafrechts und das Wirtschaftsstrafrecht insgesamt in dieser Weise zu beeinflussen1. Auch bei dem Versuch, Ausgewogenheit zur Leitlinie des eigenen Vorgehens zu machen ist man weit davon entfernt, sich in Sicherheit zu befinden. Die Gefahr des Vorwurfs, man habe sich blenden lassen von einer Argumentation, die einem die Vorgänge als hochkomplex beschreibt und die das eigene Selbstvertrauen in das Verständnis und die Analyse fachfremder Vorgänge für strafrechtliche Zwecke unterwandert, bleibt bestehen. Diese Selbstzweifel vorab offengelegt, wird im Folgenden der Versuch einer Draufsicht unternommen.

1 Der Hinweis auf den Finanzier eines das Thema betreffenden Symposiums dürfte als Indiz einer gewissen Politisierung genügen, vgl. Schünemann, StraFo 2010, 1 (Fn. 7); siehe auch Fischer, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 190 (197) (Fn. 12).

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5. Teil: Untreuestrafbarkeit vor kriminalpolitischem Hintergrund

A. Aufarbeitung mit einem Zerrbild der Untreue? Die Ausführungen des Vierten Teils haben bereits tendenzielle Antworten auf die Eignung des Untreuetatbestandes für die Aufarbeitung gegeben. Verstanden als Möglichkeit, das in Rede stehende Verhalten strafrechtlich zu pönalisieren, scheint eine Eignung der Untreue zur Sanktionierung von subprime-Investments nur unter einer Interpretation des Tatbestandes gegeben zu sein, die seine Grenzen zumindest strapaziert. Ausgehend davon, dass Zeitpunkte, zu denen trotz (beweisbarer) Eindeutigkeit der Schädlichkeit von ABS-Programmen diese entweder ausgeweitet oder, trotz Möglichkeit, nicht eingeschränkt wurden, kaum bestimmbar sind, lässt sich dem besagten Verhalten mit der Untreue kaum beikommen. Zusammenfassend und bezugnehmend auf die Ausführungen des Vierten Teils scheint eine Aufarbeitung mit Hilfe der Untreue zahlreiche als von Teilen des Schrifttums problematisch betrachtete Impulse des Wirtschaftsstrafrechtsanwenders bzw. des Untreueanwenders aufzunehmen und zu verstärken2: • Die Funktionalisierung des bedingten Vorsatzes als Auffangkonstruktion für nicht beweisbaren direkten Vorsatz. • Die Heranziehung gesamttatbewertender Deliktsmerkmale, um dem Täter die automatische Enthaftung bei vermeidbaren Irrtümern zu nehmen. • Die Reduktion auf ein Tatbestandsmerkmal durch die sogenannte Verschleifung von Pflichtverletzungs- und Schadensmerkmal, wobei beim Risikomanagement als zu bewertender Handlung die Nähe zu einem Gefährdungsdelikt noch größer zu werden scheint, weil man hier, anders als beim „herkömmlichen“ strafrechtlichen Risikogeschäft, die Vermeidbarkeitslehre strukturell eigentlich heranziehen könnte, mit ihr aber kaum Erfolg haben wird, weswegen der Anreiz besteht, auf die Risikoerhöhungslehre zurückzugreifen. • Die damit einhergehende Tendenz hin zu einer „Pflichtverletzung als Verbrechen“ 3. • „Leichtfertiger Umgang“ 4 mit der objektiven Zurechnung im Untreuetatbestand im Allgemeinen, und zwar auch ausgehend davon, dass die Klärung des Umgangs mit der objektiven Zurechnung im Untreuetatbestand noch in den Anfängen steckt5. • Die Missachtung des Schutzzwecks der Untreue, insbesondere im Bereich der Bankenuntreue. Über die Übernahme gesellschaftsrechtlicher Dispositions2 Vierter Teil: A.VIII. Aufzählung in Anlehnung an Lüderssen, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Handlungsfreiheit, S. 241 (255 ff.). 3 Hassemer, wistra 2009, 169 (173). 4 Lüderssen, a. a. O. (259). 5 So SSW-StGB/Saliger, § 266, Rn. 79; siehe dagegen auch die Aufarbeitung der Rolle der objektiven Zurechnung im Untreuetatbestand bei Gerkau, Untreue und objektive Zurechnung.

B. Komplexität und Systemverantwortung als Ausflucht?

259

grenzen in das Strafrecht hinaus findet sich im Anschluss an die Krise dabei eine nicht geringe Tendenz in der Literatur, insbesondere auch risikopolitische Vorschriften als untreuerelevant zu betrachten, obwohl diese aufgrund ihrer Abstraktheit in Bezug auf das Rechtsgut eine ganz erhebliche Entfernung zu diesem aufweisen und letztlich außerhalb des eigenhändigen Zugriffs des Untreueparagraphen liegen – d. h., wenn sie nicht ausdrücklich in das Innenverhältnis übernommen werden – mit dem Ergebnis, dass letztlich über einen zu langen Angriffsweg6 mit der Untreue die „Idee der strafrechtlichen Existenzgefährdungshaftung“ konstruiert wird7. • Die schon im Mannesmann-Fall und im Zuge der Krisenaufarbeitung zu beobachtende Neigung, das Akzessorietätsprinzip theoretisch und praktisch zu missachten. Zum Ausdruck kommt dies bei Aussagen wie, dass trotz Einhaltung aufsichtlicher Vorgaben „im Rahmen einer Prüfung der materiellen Vermögensfürsorgepflichten eines Bankiers kein Zweifel daran bestehen kann, dass er den materiellen Gehalt dieser Einschränkungen auch bei Umgehungskonstruktionen zu beachten hat.“ 8. • Die Herabwertung des Untreueschutzzwecks über die Übernahme des gesellschaftsrechtlichen Legalitätsprinzips in den Untreuetatbestand9. Es fällt schwer, im Anschluss an diese Aufzählung den Untreuetatbestand über den in Rede stehenden Sachverhalt zu stülpen. Vor allem die großzügige direkte Heranziehung von Vorschriften, die das Treugebervermögen nur noch sehr reflexartig schützen, ist hier kritisch in den Vordergrund zu rücken. Die Forderung, für den Untreuetatbestand eine Qualifikation für den Fall zu schaffen, dass die Untreue zur Insolvenz des Geschäftsherrn führt10, bildet den Schlusspunkt der Neugestaltung/Umformung des Untreuetatbestandes zum Schutz von Gläubigerbzw. Allgemeininteressen.

B. Komplexität und Systemverantwortung als Ausflucht? Die Krise hat das Wirtschaftsstrafrecht in erhöhtem Maße mit dem Problem des Umgangs mit der Komplexität zu bewertender Sachverhalte konfrontiert. Der Begriff der Komplexität wird dabei gewissermaßen zu einem Komplementärbe6

Vgl. Lüderssen, a. a. O. (297). Letztlich ablehnend Kasiske, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 13 (40). 8 Schünemann, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 71 (92); vgl. auch die mit der hiesigen Ansicht übereinstimmende Einschätzung von Prittwitz, in: Kempf/Lüderssen/ Volk, Handlungsfreiheit, S. 53 (57). 9 Dies wurde hier freilich selbst betrieben. 10 Schünemann, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 71 (101 f.). Eine „Qualifikation“ für die Herbeiführung von Vermögensverlusten besonders schweren Ausmaßes existiert durch die Verweisung in § 266 Abs. 2 StGB auf § 263 Abs. 3 Nr. 2 StGB immerhin bereits de lege lata. 7

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5. Teil: Untreuestrafbarkeit vor kriminalpolitischem Hintergrund

griff der Systemverantwortung; eine nicht wenig verbreitete Befürchtung ist, dass aus der Komplexität die Systemverantwortung gefolgert wird, ohne sich wenigstens die Mühe zu machen, nach strafrechtlich relevanter individueller Verantwortlichkeit zu forschen. Sinngemäß scheint ein Tenor zu sein: das System ist doch „nur“ komplex. Warum sollte dies die strafrechtliche Aufklärung hindern?

I. Komplexität, objektive und subjektive Zurechnung Die Komplexität internationaler Finanzmärkte wird zunächst als besonderer Nährboden für illegales Verhalten ausgemacht. Auch schon früher wurden Anleger als die Leidtragenden von Komplexität ausnutzendem, kriminogenen Verhalten erachtet. Im Rahmen der letzten Krise waren nun auch professionelle Marktteilnehmer betroffen und für deren Verwalter wird jetzt eine Untreuestrafbarkeit aufgrund des Investments in Vermögensgegenstände, deren Risiken und Ertragschancen sie nicht überblickten und durch die sie ihren Treugeber der Existenzgefährdung aussetzten, erwogen11. Gleichzeitig wird befürchtet, dass die Komplexität als „Selbstbedienungsladen“ missbraucht wird, mit dessen Hilfe das geltende Strafrecht als untauglich zur Aufarbeitung moderner Sachverhalte erklärt wird, weil man die individuelle Verantwortlichkeit eben doch als ausreichend verloren gegangen bezeichnet12. Es sei merkwürdig, wenn man in dem Geflecht der Finanzkrise keine Stelle finden könne, an der sich persönliche Verantwortung ausmachen lässt und ungerecht, dass nur dort bestraft würde, wo die Verhältnisse überschaubarer sind13. Das Strafrecht sei bspw. auch für den chaotischen, auf einer unbegrenzten Vielzahl von Entscheidungen beruhenden Kraftfahrzeugverkehr in der Lage, nach Maßgabe individueller Schuld verhaltenssteuernd zu sanktionieren. „Restrisiken“ hinderten auch hier eine Aufarbeitung nicht. Die Finanzmarktkrise dürfe jedenfalls nicht zu voreilig als finales Exempel der Untauglichkeit überkommener Zurechnungsstrukturen erklärt werden14. Diese Befürchtungen stellen sich gegen die These, die Suche nach den Schuldigen sei sinnlos, weil das Fehlverhalten zum Normalfall geworden sei und sich bei Tausenden von Entscheidungsträgern zeige, ohne dass Individuen als Hauptverantwortliche herangezogen werden könnten15. Bei der Anwendung von Wirtschaftsstrafvorschriften, auch des Untreueparagraphen, dürfen komplexe Sachverhalte zunächst freilich kein Hindernis sein. Und speziell bezogen auf die in Rede stehenden Sachverhalte werden die Angriffswege zum Rechtsgut zwar lang, sie können aber im Ansatz nachvollzogen werden bzw. gehen nicht im Finanzmarkt verloren. Dennoch scheint auch hier 11 12 13 14 15

Schröder, in: Wirtschaftskriminalität, S. 241 ff. (243 und 252). Fischer, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 190 (195 f.). Bernsmann, GA 2009, 290 (298). Fischer, a. a. O. (196 f.). Sinn, Kasino-Kapitalismus, S. 97.

B. Komplexität und Systemverantwortung als Ausflucht?

261

das subjektive Element zur natürlichen Untreuestrafbarkeitsbegrenzung zu werden. Denn es scheint, als sei die unübersichtliche Situation mehr der natürliche Lebensraum des Betrügers. Zu vorsätzlichen Straftaten dürften hier in erster Linie diejenigen animiert werden, die das System trotz seiner Komplexität durchschauen oder die ein sicheres Bewusstsein dafür haben, wo das eigene Verständnis endet. Sicherlich kann auch der Geschäftsleiter gegenüber seinem Treugeber versuchen, durch Schaffung undurchsichtiger Verhältnisse sein untreues Verhalten zu erleichtern. Dies ist indes nicht der den Geschäftsleitern deutscher Kreditinstitute gemachte Vorwurf. Es ist der Diskussion nach nicht das Ausnutzen ihres Wissensvorsprungs gegenüber dem Treugeber, das die Probleme ausgelöst hat. Es deutet vielmehr einiges darauf hin, dass die Anteilseigner die Betätigung im subprime-Bereich geradezu förderten16, wobei der eingekaufte Agent dann aber offenbar jedenfalls nicht über mehr Spezialwissen verfügte, als die meisten anderen im Markt. Gelingt der Nachweis des Wissensvorsprungs gegenüber weiteren Abnehmern, dann freilich könnte man den Geschäftsleiter unter Umständen beim Betrügen dieses Abnehmers „erwischen“ 17. Abgesehen davon, dass hier die Problematik, dass im Finanzmarkt Täter- und Opferrolle verschwimmen können18, besonders hervortritt: denkt der Täter-Geschäftsleiter dann nicht zugleich, er habe für den potenziellen Opfer-Treugeber alles unter Kontrolle und könne rechtzeitig aufhören? Welchen Grund hat er, seinen Treugeber zu schädigen? Boni allein reichen zur Begründung eines ausreichenden Wissensvorsprungs jedenfalls kaum aus. Es scheint, als müsse man sich als Gegner einer Untreuestrafbarkeit auf der „Buy-Side“ hinter einer Komplexität bzw. Untauglichkeit des vorhandenen Strafrechts für komplexe Sachverhalte nicht verstecken. Ohne den Nachweis eines eigennützigen Verhaltens wirkt es, gemessen an ihm, einfach wenig strafwürdig – und hierbei handelt es sich um ein sehr altes, kein neues Problem bei der Untreue. Wenn deshalb zum Beweis der Tauglichkeit des Strafrechts der betrunkene Fahrer bemüht wird, der nachts ohne Licht eine rote Ampel überfährt19, dann scheint die Verneinung einer Untreuestrafbarkeit nach alledem kein Ergebnis eines Versteckens hinter dem System zu sein, sondern der mangelnden Strafwürdigkeit des Verhaltens, weil das Rotlicht nicht erkannt wurde. Ein eher jüngeres Problem ist hingegen das Bewusstsein für die Probleme bei der Erklärung der Zurechnung im Untreuetatbestand20. Soweit ersichtlich, kam 16

Rönnau, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 43 (62); vgl. auch Fischer, a. a. O. (192). Wenn man das Risiko hier derart verteilen möchte, vgl. schon Einleitung. 18 Vgl. Arzt, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 177 (182 f.); siehe auch Lüderssen, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, 211 (215); für das System als „Haupttäter“ und den daran mitwirkenden als Teilnehmer. 19 Vgl. Fischer, a. a. O. (196 f.). 20 Dazu, dass Begriffe des Allgemeinen Teils des StGB generell nur unter Modifikationen in das Wirtschaftsstrafrecht übernommen werden können Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, S. 59 ff. 17

262

5. Teil: Untreuestrafbarkeit vor kriminalpolitischem Hintergrund

die diesbezügliche Diskussion erst mit dem Begriff der gravierenden Pflichtverletzung verstärkt ins Rollen. Folglich ist auch die Annahme der Möglichkeit eines Zugriffs auf vorhandene Zurechnungsstrukturen (siehe eingangs) nicht unzweifelhaft. Zugestanden: Diese Probleme sind durch die Komplexität unternehmerischen Handelns mit entstanden bzw. werden darauf zurückgeführt. Der Vorwurf, im „Selbstbedienungsladen der Komplexität“ zugeschlagen zu haben, ist deshalb nicht ohne Weiteres zurückzuweisen. Dass für eine untreuestrafrechtliche Aufarbeitung insofern ernsthafte Schwierigkeiten bestehen, wurde indes versucht aufzuzeigen21. Und auch der Umstand, dass auch die Rechtsprechung zu Beginn bei Kreditgeschäften gezögert hat, allzu „hemdsärmelig“ zuzurechnen22, scheint zu zeigen, dass es hinsichtlich der Vorgänge im Vorfeld der Finanzmarktkrise seine Berechtigung hat, darüber nachzudenken, ob die Verletzung von in erster Linie das Verfahren der Entscheidungsfindung betreffenden Risikomanagementvorschriften für die Annahme einer Pflichtverletzung ausreicht bzw. die Tendenz einer strafbarkeitsausweitenden Prozeduralisierung zu diskutieren23. Es wäre überdies nicht der Fall, dass in der Diskussion um die Finanzmarktkrise zum ersten Mal vor der Unzurechenbarkeit von durch systemische Risiken hervorgerufenen Schäden zu kapitulieren ist. Der Gesetzgeber hat in anderem Zusammenhang insofern allerdings bewusst eingegriffen. Für systemische Risiken des Straßenverkehrs hat er sich, um im obigen Beispiel zu bleiben, für das Zivilrecht für eine Gefährdungshaftung des Halters entschieden und so die Zurechenbarkeit für die Frage der Sanktionierung ignoriert. Dass gerade der Fahrer als „ausführendes Organ“ bzw. Nutzer des bereitgestellten „Werkzeugs“ sich, im Unterschied zum Halter, gegenüber dem Dritten grundsätzlich exkulpieren kann, erscheint dabei für den vorliegenden Zusammenhang als interessante Tatsache.

II. Die Rolle von behavioural finance – natürlicher Feind des Schuldstrafrechts? Wenn hier abermals auf die subjektive Seite als „natürliche Höhenstufe“ hingewiesen wurde, ist es andererseits offensichtlich, dass hinter dem Misstrauen von Teilen des Strafrechts (und der Bevölkerung) gegenüber der Komplexität als Ausflucht der Unglaube steckt, die Gefahren dieser Art des „Schneeballsystems“ sei den Akteuren nicht aufgefallen bzw. sie hätten in Bezug auf den positiven Ausgang ihres Geschäftsgebarens „gutgläubig“ gehandelt24. Ein potentielles Argument für ein bestehendes Hindernis für die strafrechtliche Aufarbeitung soll deshalb hier ganz kurz erwähnt werden. Wie Untersuchungen auf dem Gebiet der 21

Von Fischer, a. a. O. im Grundsatz nicht bestritten. Vgl. das bereits mehrfach herangezogene Urteil BGHSt 46, 30, in dem das Gericht die Deckungsgleichheit der aufsichtlichen und strafrechtlichen Pflichten verneint. 23 Vierter Teil: A. 24 Fischer, in: Wirtschaftskriminalität, S. 3 (23); Schünemann, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 71 (94); Kasike, ebenda, S. 13 (34 f.). 22

B. Komplexität und Systemverantwortung als Ausflucht?

263

behavioural finance zeigen, liegt die Annahme nicht völlig fern, dass die Handelnden ihren „Trunkenheitszustand“ 25 nicht bemerkten26. Der bereits beim individuell Handelnden bestehende sogenannte overconfidence bias führt danach im Kapitalmarkt aus verschiedenen Gründen dazu, dass individuelle Fehler nicht als solche erkannt und als Verhalten aussortiert werden, sondern durch Nachahmung einen systematischen Charakter erhalten27. Die Antwort der behavioural-financeLehre auf Fehlentwicklungen ist denn auch nicht die Suche nach individueller Schuld, sondern regulierendes Eingreifen28. Die besprochenen §§ 18a und 18b KWG sind hierfür ein Beispiel. Sie wollen unter anderem sicherstellen, dass die Akteure bestimmte Informationen, die sie zur Grundlage ihrer Risikoentscheidungen machen, auch wirklich nachvollzogen haben29. An der behavioural-finance-Lehre lässt sich der Konflikt um die strafrechtliche Aufarbeitung der Krise besonders klar erkennen, stellt sie doch wie alle Erklärungsversuche, die mehr oder weniger das „Schicksal“ bemühen, einen natürlichen Feind des Schuldstrafrechts dar. Die Rolle dieser Lehre für das Kapitalmarktstrafrecht kann hier nicht aufgearbeitet werden. Sie ist auch nicht einmal für das Kapitalmarktrecht selbst geklärt30. Die Diskussion um ihre Berücksichtigung als wirtschaftwissenschaftliche Erkenntnis dürfte aber früher oder später auch im Strafrecht ankommen. Denn sie macht die Loslösung einer strafrechtlichen Bewertung von „globalen systemischen Abläufen“ und die Zuschneidung auf die „schlichte Prüfung, ob der einzelne Bankvorstand durch Investionenen in Kenntnis ihrer Wertlosigkeit seine eigene Bank geschädigt hat“ 31, zu einem grundsätzlichen Problem.

III. Zusammenfassung Festzuhalten ist für die Kritik der Komplexität als vorgeschobenes Hindernis einer strafrechtlichen Aufarbeitung danach Folgendes: Die Zurechnungsschwierigkeiten im Untreuetatbestand bei Fehlern im Risikomanagement sind „real“. Da sie auf Komplexität beruhen, ist dies ein Indiz dafür, dass Komplexität die untreuestrafrechtliche Erfassung, jedenfalls auf der „Buy-Side“, tatsächlich erschwert. Das Strafrecht hat auf die Zurechnungsschwierigkeiten bereits mit einer Prozeduralisierung reagiert; eine Bekennung zu einer solchen Lösung hat bisher nicht stattgefunden. Bezogen auf die „Buy-Side“ bedarf es keines Rückgriffs auf die Komplexität, um dem Bürger, respektive dem Rechtsanwender zu erklären, eine Aufarbeitung scheitere oder er verstehe die Vorgänge nicht und deswegen 25

Vgl. Arzt, a. a. O. (182). Vgl. dazu Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioural Finance, S. 116 ff. 27 Klöhn, a. a. O., S. 123 f. 28 Klöhn, a. a. O., S. 123 („Paternalismus“). 29 Siehe Dritter Teil: F. 30 Klöhn, a. a. O., S. 21. 31 So gegen die Unfähigkeit des Strafrechts zur Aufarbeitung der Vorgänge Schünemann, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 71 (81). 26

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5. Teil: Untreuestrafbarkeit vor kriminalpolitischem Hintergrund

habe er von einer Bewertung Abstand zu nehmen. Sie mag auch im Allgemeinen trotz aller Notwendigkeit der Aufarbeitung des Einzelfalls und des Ausfindigmachens von Betrügern tatsächlich ein Hinweis darauf sein, dass der zu Beurteilende sie nicht so durchdrungen hat, dass ihm ein vorsätzliches Verhalten vorgeworfen werden kann32.

C. Strafrecht als primäres Mittel der Steuerung von Geschäftsleiterverhalten? Ein weiteres, im Rahmen der Aufarbeitung der Krise kontrovers diskutiertes Thema ist die Frage, welchem Rechtsgebiet die Steuerung des Verhaltens von Akteuren am Finanzmarkt, insbesondere dem von Geschäftsleitern, in erster Linie zukommen sollte. Auch dieses Thema reiht sich ein in die Problemstellungen, die mit der Krise nicht zum ersten Mal aufkommen, durch sie aber wieder in den Vordergrund gerückt sind. An anderer Stelle dieser Arbeit wurde bereits die Ansicht geäußert, dass die Rolle der Steuerung von Geschäftsleiterverhalten dem Gesellschaftsrecht zukommen sollte33. Das Thema ist im Allgemeinen freilich verwandt mit der Frage nach der Systemverantwortung. Wo Individuen für „verantwortungslos“ oder nur für die Verletzung einer von ihnen, ggf. in Kooperation mit dem Staat, geschaffenen Ethik für verantwortlich gehalten werden, muss das Strafrecht sich entweder neue Strategien überlegen, etwa in Form einer „akteurszentrierten Steuerungstheorie“ oder gar zurückziehen34. Bezogen auf § 266 StGB sind die verfassungsrechtlichen Hindernisse einer Primärsteuerung gewissermaßen bereits in den Tatbestand gegossen, insofern er an das Außerstrafrecht und insbesondere an die Sorgfaltsgeneralklauseln anknüpft35. Es geht deshalb bei der Vorschrift bei konsequenter Beachtung des Akzessorietätsgrundsatzes allein um die Frage eines Gleichlaufs mit dem zusätzlichen Steuerungseffekt der Kriminalstrafe. Hier sollen zum Thema nur einige ergänzende Ausführungen erfolgen.

I. Gewinn durch untreuestrafrechtliche Steuerung? Soweit der soeben genannte zusätzliche Steuerungseffekt ausdrücklich begrüßt wird, so liegt dies, wenig überraschend, an der Auffassung, dass auch eine ver-

32 Anders mag es liegen, wenn Betrug und Korruption in die Fänge „systematischer Argumente“ geraten; dies offenbar annehmend Fischer, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 190 (198 f.). 33 Zweiter Teil: B.IV.3.b). 34 Lüderssen, in: FS Amelung (2009), S. 67 (70 ff.). 35 Ein prinzipielles Problem des Wirtschaftsstrafrechts, das kaum in der Lage ist, eigenständige Verbote zu formulieren, vgl. Zerbes, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 158 (195 f.).

C. Strafrecht als Mittel der Steuerung von Geschäftsleiterverhalten?

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änderte bzw. strengere Regulierung zur Vermeidung der Wiederholung ähnlicher Vorgänge nicht ausreicht und auch die zivilrechtliche Haftungsandrohung keine ausreichende Wirkung zeitigt. Die Sanktionen müssten so schmerzhaft sein, dass sie das Eingehen entsprechender Risiken für die Akteure unattraktiv machten36. Gerade für Aktiengesellschaften ist die beschränkte Wirkung der Haftungsnorm des § 93 Abs. 2 AktG nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Zum einen ist die Geltendmachung durch den Aufsichtsrat kein geringes Hindernis – trotz eines gestiegenen Verständnisses für die Wichtigkeit von „independent directors“ 37. Und auch, wenn sich das Klima insofern mit der ARAG/GarmenbeckRechtsprechung gewandelt haben mag38, modifizieren D & O-Versicherungen grundsätzlich die verhaltenssteuernde, sprich die Präventionswirkung der Haftungsandrohung39. Jedoch wurde bereits vor der Anpassung des § 93 AktG bzw. der Einführung eines zwingenden Selbstbehalts in § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG die gesellschaftsrechtliche Debatte über Versicherungen hinsichtlich Zweck und Inhalt breit geführt40; mit dem Ergebnis einer insgesamt positiven Bewertung41. Das VorstAG hat sie im Anschluss an die Krise nicht abgeschafft. Neben der Tatsache, dass die Modifikationen der Präventivwirkung als hinnehmbar betrachtet wurden, bspw. bleibt für Schäden oberhalb der Deckungssumme die persönliche Haftung bestehen42, wird, in entgegengesetzter Richtung, speziell der Umstand als förderlich hervorgehoben, dass die Versicherungen ein allzu vorsichtiges Vorgehen verhindern43. Es erscheint vor diesem Hintergrund zweifelhaft, die Untreue als primär verhaltenssteuernd betrachten zu wollen. Unter der Annahme, dass die von ihren Befürwortern erhoffte Wirkung als unverzichtbares Element der Risikoregulierung besteht, würden die gesellschaftsrechtlichen Differenzierungen durch eine erweiterte Anwendung der Untreue wohl erheblich beeinträchtigt. Inwieweit die strafrechtliche Rolle „flankierend“ 44 sein kann, bleibt unklar. Es fehlt bei den Befürwortern der Steuerung durch das Strafrecht auch eine Auseinandersetzung mit der Frage, welche Auswirkungen eine verstärkt wirkende Androhung der Strafbarkeit hätte bzw. haben soll, ob negative Folgen mitteloder langfristig zu befürchten wären und wie man diese ausgleichen könnte. Aus-

36

Kasiske, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 13 (39). Siehe 5.4.2. DCGK. 38 So Hölters/Hölters, AktG, § 93, Rn. 23 f. 39 MünchKommAktG/Spindler, § 93, Rn. 175; Hopt, in: GroßKommAktG § 93, Rn. 519. 40 Siehe nur die Auseinandersetzung bei MünchKommAktG/Spindler, § 93, Rn. 179 ff. 41 Vgl. Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 229. 42 Siehe zu weiteren Gründen für die nur geringe Einschränkung der Präventivwirkung aufgrund von D&O-Versicherungen Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 228 f. 43 Vgl. Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 233. 44 Kasiske, a. a. O. (38). 37

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5. Teil: Untreuestrafbarkeit vor kriminalpolitischem Hintergrund

weich- und Anpassungsreaktionen müssten aber überschaut werden, bevor das Strafrecht sich der Steuerung widmet45. Dementsprechend fragt sich, welche Ziele aus strafrechtlicher Sicht bei Bestrafung bspw. einer „fahrlässigen Untreue“ 46 überhaupt realistisch verfolgt werden könnten. Generalpräventiv ist die reine Abschreckung kaum als Steuerung zu bezeichnen bzw. geeignet. Sie wäre jedenfalls wenig ausdifferenziert. Und die Betrachtung gerade einer möglichen Spezialprävention zeigt, dass es im Prinzip nicht darum geht, durch die (Androhung der) Strafe auf den individuellen Geschäftsleiter einzuwirken, sondern bereits das Strafverfahren für unangenehm genug gehalten zu werden scheint47. Die Bezeichnung der Anwendung des Untreuetatbestandes als Betreiben von Politik48 oder Hetzjagd49 deutet an, dass die Auswirkungen einer Steuerung von Geschäftsleiterverhalten durch das Strafrecht nicht immer völlig durchdacht werden. Glaubt man entsprechenden Analysen, so besteht im Bereich der Organuntreue bereits eine „Anwendungshypertrophie“ 50, die entsprechende Auswirkungen zeitigt. Dies wäre im Allgemeinen kaum zu begrüßen. Weil ein öffentliches Strafverfahren nämlich für einen Geschäftsleiter tatsächlich in den allermeisten Fällen äußerst unattraktiv ist, ist eine zu vermutende Anpassungsreaktion, dass das Management sich der Ordnungsgemäßheit des ganz überwiegenden Teils seiner Handlungen mittels Absegnung durch externe Berater versichert. Das treibt zunächst für den Treunehmer die Kosten in die Höhe und ist deswegen nicht unbedingt in seinem Interesse51. Und auch bei Ratingagenturen handelte es sich um eben solche externen Berater, die für den Geschäftsleiter dadurch besonders attraktiv wurden, dass die Aufsicht ihre Urteile billigte – was wiederum Nachahmer fand, die gegenüber Kollegen im Markt bezüglich dieses Vorgehens nicht zurückstehen wollten, da annahmegemäß alle außer ihnen selbst auf diese Weise eine Rendite für ihren Treugeber erzielen. Ob hier das Steuerungsziel erreicht würde, wäre zu bezweifeln. Dies alles scheint eher darauf hinzhudeuten, dass das Strafrecht, in Form eines vorsätzlichen oder fahrlässigen Untreuetatbestandes, diese Steuerungsaufgabe nicht bewältigen kann52.

45

Schmidt, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Handlungsfreiheit, S. 93 (103). Die präventive Wirkung einer solchen Vorschrift bezweifelnd Otto, in: FS Krey (2010), S. 375 (402 f.). 47 Vgl. Lüderssen, in: FS Amelung (2009), S. 67 (79 f.), mit dem Hinweis, dass dies strafrechtsdogmatisch ein unzulässiges Steuerungsziel wäre. 48 Volhard, in: FS Lüderssen (2002), S. 673 (681) bezogen auf Parteispenden. 49 Vgl. Cappel, Grenzen, S. 138. 50 Vgl. Beulke, in: FS Eisenberg (2009), S. 245 (246) mit Daten; Bernsmann, GA 2009, 246. 51 Wenn auch vielleicht im Interesse anderer stakeholder, dazu sogleich; siehe auch Kaulich, Die Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 100, der darauf hinweist, dass Haftungsbeschränkungen für Geschäftsleiter auch deswegen ihre Berechtigung haben, weil sein Einsatz insgesamt die Kosten für den Prinzipal verringert. 52 So Cappel, Grenzen, S. 138. 46

C. Strafrecht als Mittel der Steuerung von Geschäftsleiterverhalten?

267

II. Strafrechtliche Steuerung de lege ferenda Manch ein Befürworter einer (ergänzenden) strafrechtlichen Steuerung wird die letzten Ausführungen unter Umständen für ungerechtfertigt oder neben der Sache liegend erachten. Denn sie scheinen zu missachten, dass grundsätzlich nur vorsätzliches Verhalten strafbar ist53. In der Absicht, die systemimmanenten Anreize zu übergroßem Risiko mit dem Strafrecht bekämpfen zu wollen54, liegt gerade eine weitreichendere Annahme. Denn ohne die Annahme, dass während einer Blase das Verhalten des Großteils der Teilnehmer eines Wirtschaftssystems in subjektiver Hinsicht (untreue-)strafwürdig ist, lässt sich eine solche Sichtweise nicht begründen, mag man auch die Einzelfallabhängigkeit betonen oder den Verdacht abwehren, einer Verschwörungstheorie aufgesessen zu sein55. Ein systemimmanenter – zum Misserfolg führender – Risikoanreiz lässt sich nicht mit einem (Schädigungs-)Vorsatzdelikt bekämpfen, ohne dem System Vorsatz zu unterstellen. Vor diesem Hintergrund ist Gesetzesvorschlägen, die eine Bestandsgefährdung systemrelevanter Kreditinstitute als Straftatbestand vorschlagen, zurückhaltend zu begegnen. Kasiske hat folgenden Tatbestand zur Einfügung in das KWG vorgeschlagen56: 1. Bestandsgefährdung systemrelevanter Kreditinstitute als eigener Straftatbestand? (1) Wer als Angestellter oder Mitglied eines Organs eines Kreditinstituts durch Handlungen, die den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Wirtschaft widersprechen, eine Gefährdung von dessen Bestand herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe. (2) Wer in den Fällen des Abs. 1 die Gefährdung leichtfertig herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (3) Die Tat ist nur strafbar, wenn durch die Bundesanstalt für die Finanzdienstleistungsaufsicht die Bestands- und Systemgefährdung nach § 48b Abs. 1 und 2 dieses Gesetzes festgestellt wurde.

Ein solcher Gesetzesvorschlag setzt sich dem Verdacht aus, einen Rückschaufehler in Gesetzesform zu gießen. Das von einer solchen gesetzgeberischen Reaktion ausgehende rechtspolitische Signal ließe sich – überspitzt – etwa in folgende Aussage kleiden: „Wir wissen, dass ihr es alle wusstet. Es gab Probleme mit der objektiven Zurechnung; die sind behoben. Es gab zudem Schwierigkeiten mit dem Rechtsgut im Allgemeinen. Auch die sind behoben. Wenn also in Zu53 Schünemann, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 71 (92); deutlich auch Strate, HRRS 2009, 441 (442): „Richtlinien der BaFin wurden schlicht ignoriert.“ 54 Kasike, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 13 (39). 55 Schünemann, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 71 (99 und 102, Fn. 106). 56 ZRP 2011, 137 ff.

268

5. Teil: Untreuestrafbarkeit vor kriminalpolitischem Hintergrund

kunft in kollektivem Bewusstsein auf Staatskosten bestandsgefährdende Risiken eingegangen werden, stehen Mittel bereit, um eine Strafbarkeit von bis zu zehn Jahren zu begründen“. In jedem Fall dürfte ein solches Gesetz den Betroffenen das Signal geben, dass die strafrechtliche Aufarbeitung der Krise nicht an der Nachweisbarkeit des Vorsatzes gescheitert ist und auch in Zukunft nicht daran scheitern wird. Diese zukunftsweisende Einschätzung des Vergangenen wird dadurch, dass in Abs. 2 der Vorwurf nur noch leichtfertiges Verhalten ist, nur geringfügig gemildert und lässt zudem aus verhaltenssteuernder Sicht mehr oder weniger extreme Anpassungsreaktionen erwarten. Es sei an dieser Stelle auch noch einmal darauf hingewiesen, dass es zunächst die Institute selbst sind, die dem sogenannten moral hazard unterliegen57, worauf in obigem Vorschlag mit einer Strafhaftung für die Organe reagiert wird58. Wie angedeutet, überwindet die vorgeschlagene Norm die Probleme der objektiven Zurechnung durch eine „Umwandlung“ der Untreue in ein Gefährdungsdelikt. Der Bestand des Instituts ist nun auch als Rechtsgut ausdrücklich geschützt. Aber der Verdacht, dass es sich um einen „gesetzgeberischen Rückschaufehler“ handelt, scheint bestätigt zu werden, wenn man sich die Außerachtlassung der Sorgfaltsgeneralklauseln und damit des Akzessorietätsgrundsatzes vor Augen führt. Die Vorschrift bindet die Pflichtgemäßheit des Handelns an den Begriff des ordnungsgemäßen Wirtschaftens, der insbesondere durch die im Bankenbereich „besonders umfangreichen Regulierungsvorschriften konkretisiert“ werden soll59. Indes enthalten diese zumindest gegenwärtig einen prinzipienbasierten Ansatz und teilweise erhebliche Ermessensspielräume. Die Sorgfaltsgeneralklauseln samt der dort vorgesehenen verhaltenssteuernden Besonderheiten finden keine Erwähnung. Man würde auf diese Weise folglich eine strenge Akzessorietät ohne Berücksichtigung gesellschafsrechtlicher Filter (safe harbour) festschreiben. Nach hier vertretener Ansicht verstößt dies gegen den Spezialitätsgrundsatz bzw. Akzessorietätsgrundsatz bzw., in verfassungsrechtlicher Terminilogie, gegen das ultima-ratio-Prinzip. Das Bundesverfassungsgericht müsste die Vorschrift auf ihr Verhältnis zu den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben überprüfen und nach hiesiger Ansicht zumindest verfassungskonform für alle Konstellationen auslegen, in denen ein safe harbour Anwendung findet. Da der vorgeschlagene Tatbestand auch eine Bestrafung bei leichtfertigem Verhalten vorsieht und damit über die Haftung nach zivilrechtlichen Grundsätzen über die Existenzgefährdungshaftung des Geschäftsleiters hinausgeht60, wäre die Vereinbarkeit mit der Verfassung auch unabhängig von der Anwendbarkeit des safe harbour fraglich. 57

Siehe oben Vierter Teil: D.II.3.a). Vgl. auch Kasiske, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 13 (39 f.), wo der moral hazard des Gesamtsystems auf die strafrechtliche Steuerung von Organverhalten überführt wird. 59 Kasiske, ZRP 2011, 137 (139). 60 Siehe oben Dritter Teil: E.VIII.3.c). 58

C. Strafrecht als Mittel der Steuerung von Geschäftsleiterverhalten?

269

Von Verfassungsfragen abgesehen, führt die Vorschrift in rechtspolitischer Hinsicht zu einer Einführung der fahrlässigen Untreue im Bankenbereich mit bisher nicht bekannten Folgen. Auch wäre, bspw. bezogen auf Verbriefungstransaktionen, die Aussage, dass die detaillierten Vorgaben der neu eingeführten §§ 18a, 18b KWG zur Vermeidung von bestandsgefährdenden Risiken ungeeignet sind, eine ganz und gar unbewiesene Behauptung. Insgesamt wäre eine entsprechende Gesetzesinitiative nach hier vertretener Auffassung fragwürdig. 2. Lösung durch Prozeduralisierung? Die Gefahr eines „Elendsstrafrechts“ ist andererseits durchaus ernst zu nehmen. Denn die bisherigen Ausführungen machen deutlich, dass mit zunehmender Komplexität die Zurückhaltung bei Verantwortlichkeitszuschreibungen einerseits ihre verhaltenssteuernde Berechtigung hat, andererseits aber auch damit zusammenhängt, dass die Anknüpfungspunkte für individuelle Verantwortung sich – bereits innerhalb des Risikomanagements eines Unternehmens – in strafbarkeitsausschließendem Maße verlieren können. Eine scheinbare Lösung ist die Konzentration auf die Sanktionierung der Nichteinhaltung vorgeschriebener Verfahren unter gleichzeitiger Loslösung von der personalen Rechtsgutslehre für untreues Verhalten61. Auf diese Weise ließen sich sichtbar „dauerrote Ampeln“ installieren, deren Überfahren sich leicht ausmachen ließe, sodass im Nachhinein nicht versucht werden müsste festzulegen, ob oder ab welchem Zeitpunkt die Ampel in materieller Hinsicht rot war bzw. als rot erkannt werden musste. Auch ein solcher Ansatz wäre freilich nicht neu. Er steht ganz im Zeichen eines frühen Vorschlags von Tiedemann, nicht die Schädigung der Gesellschaft zu pönalisieren, sondern „einzelne gefährliche Akte unter Strafe zu stellen“ 62. Das „Problem“, im Wirtschaftsleben immer nur diejenigen Individuen erfassen zu können, die installierte „Zwischenglieder“ offensichtlich „überspringen und ihre Stellung im System ganz egoistisch missbrauchen“ 63, ließe sich so eventuell beheben. Bereits die Hervorhebung im letzten Satz wirft jedoch die Frage auf, ob dies wünschenswert ist. Im Gesellschaftsrecht geht die Tendenz gerade dahin, nur Verletzungen der duty of loyalty zu sanktionieren. Dort hat außerdem eine haftungsbeschränkende Konzentration auf das Verfahren ja gerade deswegen stattgefunden, weil der Eindruck vorzuherrschen schien, dass aufgrund der mannigfaltigen Unsicherheiten die volkswirtschaftlichen Nachteile einer ungefilterten Erfolgshaftung zu groß sind. Der Grund, warum es wohl nicht wünschenswert erscheint, eine strafbarkeitsausweitende Prozeduralisierung zu installieren, dürfte insbesondere darin zu finden sein, dass diese, wenn überhaupt, nur bei großer Rechts61 Kritisch zu dieser Tendenz im Wirtschaftsstrafrecht Prittwitz, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Handlungsfreiheit, S. 53 (55 f.). 62 Tiedemann, in: FS Würtenberger (1977), S. 241 (252). 63 Vgl. Lüderssen, in: FS Amelung (2009), S. 67 (78).

270

5. Teil: Untreuestrafbarkeit vor kriminalpolitischem Hintergrund

sicherheit als angemessenes Mittel erscheint. Auch im Verfahrensbereich sind die Rechtsunsicherheiten, wie gesehen, aber teilweise so erheblich, dass eine strafrechtliche Pönalisierung unangemessen erscheint. Dass die Rechtsunsicherheiten so erheblich sind, liegt zum einen an der Komplexität des jeweiligen Regelungsbereiches. Nicht umsonst ist auch die Aufsicht auf ein prinzipienbasiertes Konzept umgestiegen, um wirtschaftliche Vielfältigkeiten zu bewältigen. Es mag aber auch daran liegen, dass vielleicht auch der Staat nicht immer sicher ist, welches Verfahren das richtige ist, insbesondere bei neuen (wirtschafts-)wissenschaftlichen Entwicklungen. Die „ewige Klage“, dass das Strafrecht bei schwierigen gesellschaftlichen Vorgängen immer wieder versage64, dürfte ihre Berechtigung haben; ob dem Problem jemals beizukommen ist, bleibt unsicher. Es ist das scheinbare Schicksal des Wirtschaftsstrafrechts, dass es mehr als alle anderen warten muss, bis sich bestimmte (Verfahrens-)Regeln als eindeutig richtig und sinnvoll erwiesen haben. Das Strafrecht darf jedenfalls so lange nicht strafbarkeitsausweitend prozeduralisieren, bis sich dies herauskristallisiert hat und ausreichend Rechtssicherheit vorhanden ist65. In jedem Fall muss es aber in objektiver Hinsicht für einen – sicheren – Gleichlauf mit dem Gesellschaftsrecht sorgen. Die auch hier vertretene strenge objektive Akzessorietät gegenüber dem Gesellschaftsrecht ist nur angemessen, wenn und weil die Spielräume des Gesellschaftsrechts konsequent beachtet werden. Wo das Gesellschaftsrecht aus verhaltenssteuernder Sicht keine Veranlassung (mehr) für Spielräume sieht, besteht auch in strafrechtlicher Hinsicht kein Grund, Übertretungen nicht als pflichtwidrig zu betrachten. Ob es aufgrund objektiver Rechtssicherheit insgesamt je als angemessen erscheinen wird, in subjektiver Hinsicht weniger als treuwidriges Verhalten im gesellschaftsrechtlichen Sinne zu sanktionieren, erscheint gleichwohl fraglich. 3. Kurze Betrachtung der Untreue zum Nachteil von Gesellschaften im Ausland Einen festen Platz in rechtspolitischen Überlegungen im Allgemeinen und bei der Untreue im Besonderen hat der Rechtsvergleich. Der rechtsvergleichende Blick begleitet die Organuntreue schon länger66 und ist erwartungsgemäß im Zuge der Aufarbeitung der Finanzmarktkrise erneut geschwenkt worden67. Er hat traditionell zweierlei im Blick: einmal die bereits angesprochene68 Erhöhung subjektiver Anforderungen und außerdem die Schaffung von Sondertatbeständen,

64

Vgl. Lüderssen, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 211 (217). Ähnlich Lüderssen, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 211 (235). 66 Siehe wiederum bereits Tiedemann, in: FS Würtenberger (1977), S. 241 ff.; aus jüngerer Zeit Schramm, Untreue und Konsens, S. 251 ff.; Cappel, Grenzen, S. 187 ff. 67 Foffani, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 141 ff.; Zerbes, ebenda, S. 158 ff. 68 Vierter Teil: D.I.2. 65

C. Strafrecht als Mittel der Steuerung von Geschäftsleiterverhalten?

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wobei hierbei über die Erhöhung subjektiver Anforderungen hinaus eine mögliche Verbesserung präventiver Effekte eine Rolle spielt69. Positive präventive Effekte durch die Schaffung eines mit § 266 StGB deckungsgleichen Sondertatbestandes wie § 81a GmbHG a. F. einen darstellte70, sind nach den bisherigen Ausführungen zu bezweifeln. Eines besonderen Appells an die Organe bedarf es angesichts des Umfangs der Rechtsprechung des letzten Jahrzehnts und ihrer Bekanntheit in der Wirtschaft kaum71 – eine besondere Klarstellung, dass auch für die Organe der Untreuetatbestand in der Form des § 266 StGB gilt, erscheint im Hinblick auf unternehmerisches Handeln im Rechtssinne ohne eine gleichzeitige Erhöhung der subjektiven Voraussetzungen kriminalpolitisch zumindest unnötig72. Denn, „so wie der Untreuetatbestand überhaupt zum typischen Wirtschaftsverbrechen unserer Zeit geworden ist, ist die Organuntreue heute seine exemplarische Ausprägung“ 73. Zu denken wäre deswegen bspw. an eine mit dem in Frankreich existierenden gesellschaftsrechtlichen Tatbestand vergleichbare Vorschrift, die das Wissen um eine gesellschaftsinteressenwidrige Verwendung und die Absicht des Täters voraussetzt, sich selbst oder andere Gesellschaften bzw. Unternehmen (an denen der Täter interessiert ist) zu bevorzugen74. Der spanische Sondertatbestand fordert auf subjektiver Seite ebenfalls eine Bereicherungsabsicht. Auch Italien fordert eine Bereicherungsabsicht und macht hinsichtlich des Schadens zusätzlich einen direkten Vorsatz zur Strafbarkeitsvoraussetzung. Kritisieren könnte man an den genannten Ansätzen, dass sie unnötigerweise die Anforderungen an das subjektive Fehlverhalten pauschal erhöhen, ohne bei der Geschäftsleitertätigkeit zwischen „gewöhnlichem“ Handeln und dem durch Unsicherheiten geprägten zu unterscheiden75. Wie an der deutschen Entwicklung ersichtlich, scheinen subjektive Erleichterungen für den 69

Siehe die in Fn. 66 (Fünfter Teil) Genannten. Dazu Schramm, a. a. O., S. 113 ff.; in seiner Rechtsprechung zu dieser Vorschrift weist der BGH interessanterweise noch ausdrücklich auf Gläubigerschutzgesichtspunkte hin, BGHSt 3, 32 (39 f.); 9, 203 (206). 71 Hierzu ist es kein Widerspruch, dass der Geschäftsleiter grundsätzlich mit einer Untreuestrafbarkeit aufgrund der Verletzung externer Vorschriften nach dem Appell des § 266 StGB nicht rechnen muss, siehe oben Vierter Teil: D.III.3. 72 Anders Schramm, a. a. O., S. 256 f. mit dem Hinweis, dass sich so Abgrenzungen zum Gesellschafter als Untreuetäter leichter vornehmen ließen; a. A. Schünemann, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 71 (99): Diejenigen Rechtsordnungen, die keinen allgemeinen Untreuetatbestand kannten, müssten diese unerträgliche Lücke schleunigst schließen; neutral Cappel, Grenzen, S. 212. 73 Schünemann, Organuntreue, S. 7; zitiert nach Foffani, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 141 (143). 74 Vgl. hierzu und zum Folgenden Foffani, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, S. 141 (145 ff.) sowie Cappel, a. a. O., S. 198 ff. 75 Vgl. zur Wahrnehmung der entsprechenden Vorschrift in Italien als lediglich symbolisch Cappel, a. a. O., S. 207; hierin könnte auch der Grund liegen, dass die Cour de Cassation die Anforderungen auf der subjektiven Seite in Frankreich sehr strafbarkeitsausweitend auslegt, siehe dazu Anders, ZStW 114 (2002), 467 (488 ff.) 70

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5. Teil: Untreuestrafbarkeit vor kriminalpolitischem Hintergrund

potentiellen Täter vor allem in „Risikogeschäften“ bzw. unternehmerischen Entscheidungen im Rechtssinne ihre Berechtigung zu finden. 4. Shareholder value versus stakeholder value – der Begriff des Unternehmensinteresses als Anwendungsfall für die gravierende Pflichtverletzung? Bei der Betrachtung des Verhältnisses von Strafrecht zu Gesellschaftsrecht im Bereich des Geschäftsleiterhandelns bereitet eine Frage besonderes Unbehagen, welche mit der Unsicherheit im Umgang mit ihr bereits auf gesellschaftsrechtlicher Ebene zusammenhängt. Auch hat die strafrechtliche Rechtsprechung bezogena auf diese Frage nach hiesiger Ansicht mit Blick auf das Akzessorietätsprinzip besonders bedenklich agiert. Die bisherige Untersuchung hat, da auf das subprime-Investments konzentriert, den Begriff des Unternehmensinteresses bei der Frage des unternehmerischen Handelns weitgehend außer Acht gelassen. Das Risikomanagement in Banken ist ein Bereich, in dem unternehmerisches Handeln scheinbar kaum im „Dschungel der Interessenpluralität“ von Verbänden verloren zu gehen scheint. Angeklungen sind unterschiedliche Ansätze bei der Bestimmung des Unternehmensinteresses in dieser Arbeit unter anderem insofern, als im Zuge der Abgrenzung des Einzelinvestments vom Risikomanagement mit dem CAPM ein Modell angesprochen ist, dass traditionell mit dem shareholder-value-Konzept in Verbindung gebracht wird, sowie im Zusammenhang mit dem Zeithorizont von Zielvereinbarungen bei variabler Vergütung. Dass das Risikomanagement auf Unternehmensgesamtebene mit dem Ziel, das Unternehmen zu erhalten, einem Gesamtinteresse dient, scheint zudem eindeutig zu sein76. Die Frage nach dem erlaubten Risiko im Finanzbereich erscheint universal wichtig und wenig Raum für unterschiedliche Handlungsalternativen zu bieten. Im Allgemeinen könnte der Begriff des Unternehmensinteresses jedoch ein möglicher Anwendungsfall für ein „strafrechtliches Abstandsgebot“ sein. Der Begriff ist nach wie vor ungeklärt77. In der gesellschaftsrechtlichen Literatur ist nach jahrzehntelanger Diskussion um den Begriff zweifelhaft, ob er je tauglich sein wird, die rechtlichen Bindungen des Vorstands bzw. der Geschäftsleitung zu konkretisieren78. Angesichts der Schwierigkeiten, das Unternehmensinteresse materiell zu umschreiben79, wurden auch prozedurale Lösungen diskutiert. Wichtiger, als inhaltlich kaum konkretisierbare Pflichten zur Förderung der Arbeitneh76

Vgl. aber Kuhner, ZGR 2004, 244 (252 f.). Siehe bereits Vierter Teil: D.II.3.b). 78 MünchKommAktG/Spindler, § 87, Rn. 71 f.; vgl. auch Kuhner, ZGR 2004, 244 (249). 79 Teubner, ZHR 149 (1985), 470 (478 f.): „aussichtslos“; Hopt, ZGR 1993, 534 (537): „Dilemma“. 77

C. Strafrecht als Mittel der Steuerung von Geschäftsleiterverhalten?

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merinteressen oder zur Beachtung des Gemeinwohls, sollten danach Unternehmensverhaltenspflichten zur Einhaltung bestimmter Verfahrensregeln sein80. Obwohl die Auslegung des Begriffs im Schwerpunkt ein Problem der Geschäftsleitung bzw. der Konkretisierung ihrer Rechte und Pflichten ist81, wurde die Gewährung eines unternehmerischen Spielraums bei der Auslegung des Begriffs bisher eher vereinzelt erwogen82. Insbesondere Kaulich hat aber jüngst die Schwierigkeiten der Interpretation des Unternehmensinteresse als ein tragendes Argument für die Fälle die Anwendbarkeit des safe harbour auf gesetzliche Pflichten identifiziert83. Die potenziellen Interessenkonflikte im Verband sind aus untreuestrafrechtlicher Sicht in früheren Phasen nur vereinzelt als Problem ausgemacht worden84. Sie haben dann bis zu den Urteilen des Bundesgerichtshofs zur Spendenvergabe beim SSV-Reutlingen und insbesondere der Mannesmann-Entscheidung des 3. Strafsenats wenig Beachtung gefunden85. Die langjährige Kontroverse um die Untreuestrafbarkeit trotz Zustimmung aller Anteilseigner betraf weniger bewusst den Interessenpluralismus im Verband, als vielmehr allein die Frage der Übernahme des Bestands- bzw. Gläubigerschutzes der Kapitalerhaltungsvorschriften aus dem Gesellschaftsrecht in den Untreuetatbestand86. Angesichts der bestehenden gesellschaftsrechtlichen Unsicherheiten in diesem Bereich erscheint es angemessen, hier eine „strafrechtliche Höhenstufe“ im Sinne eines radikalen shareholder-value-Ansatzes anzunehmen, wie es eine starke Meinung im Strafrecht vertritt. Weil im Hinblick auf den Begriff des Unternehmensinteresses weder die Konkretisierung einer strafrechtlichen Untergrenze noch die Anwendung gesellschaftsrechtlicher Schutzmechanismen zu erwarten ist, schwebt er gewissermaßen im luftleeren Raum. Ausgehend von der Annahme, dass Anteilseigner und Geschäftsleitung übereinstimmend davon ausgehen, dass eine bestimmte Geschäfts- und Risikopolitik nicht existenzgefährdend ist und eine Bestandsgefährdung deswegen nicht bewusst in das Blickfeld gerät, hätte eine solche Höhenstufe vor allem bei konkreten Maßnahmen oder Unternehmensstrategien, die mit Zustimmung der Anteilseigner verfolgt werden, Relevanz. Insbesondere der 3. Strafsenat ist der Anerkennung eines Auslegungsspielraums für das Unternehmensinteresse aus strafrechtlicher Sicht jedoch entgegen80

Hopt, ZGR 1993, 534 (537) m.w. N. Hopt, a. a. O. 82 Vgl. Spindler, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Moral, 71 (93), dies zugleich befürwortend; siehe auch Braum, KritV 2004, 67 (75): Es kommt weniger auf das Ergebnis an, als darauf, dass überhaupt eine Abwägung stattgefunden hat. 83 Kaulich, Die Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 183 ff., sich insbesondere auf die Verbandsautonomie bei der Auslegung des Begriffs stützend. 84 Tiedemann, in: FS Würtenberger (1977), S. 241 (252). 85 So auch der Eindruck von Hoffmann, Untreue und Unternehmensinteresse, S. 209. 86 Vgl. umfassend Schönke/Schröder/Perron, § 266, Rn. 21a f. 81

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5. Teil: Untreuestrafbarkeit vor kriminalpolitischem Hintergrund

getreten. Er hat die Notwendigkeit der Beachtung des Unternehmensinteresses aus dem Begriff des„Wohls der Gesellschaft“ herausgelesen, den betreffenden Aufsichtsratsmitgliedern die Anwendung der §§ 116, 93 Abs. 1 Satz 2 AktG bei der Auslegung des Begriffs aber verweigert, weil die „Voraussetzung einer risikobehafteten Entscheidung nicht vorliegt“ bzw. das Unternehmensinteresse als „verbindliche Richtlinie anerkannt ist“ 87. Auch sind in der strafrechtlichen Literatur Überlegungen angestellt worden, Arbeitnehmerinteressen in den Schutz der Untreue einzubeziehen88. Die Anteilseigner hatten der Auszahlung der Anerkennungsprämien ausdrücklich zugestimmt. Das Mannesmann-Urteil erscheint auch deshalb bedenklich89, weil es keinerlei Schutzmechanismus übrig lässt, d.h. weder einen unternehmerischen Spielraum, noch eine gravierende Pflichtverletzung. Die dogmatisch stringenteste Lösung dürfte nicht ein Rekurrieren auf eine gravierende Pflichtverletzung sein, sondern die Anerkennung eines unternehmerischen Spielraums bei der Auslegung des Begriffs des Unternehmensinteresses, denn es handelt sich um einen der rechtlichen Unsicherheit ähnlichen Anwendungsfall. Bis zur gesellschaftsrechtlichen Klärung dieser Frage dürfte es aber angemessen sein, eine Pflichtverletzung jedenfalls dann auszuschließen, wenn die Anteilseigner einer Maßnahme zugestimmt haben. Die hier vom Bundesverfassungsgericht beschworene, angeblich die Bestimmtheit garantierende fallgruppenspezifische Auslegung der Sorgfaltsgeneralklauseln durch die Instanzgerichte, hat jedenfalls im Falle der Mannesmann-Entscheidung nach hier vertretener Ansicht nicht zum richtigen Ergebnis geführt. 5. Gesetzesvorschlag: Koppelung der Organuntreue an die unternehmerische Entscheidung im Rechtssinne Wie in dieser Arbeit deutlich geworden ist, wurden und werden vor allem zwei Möglichkeiten zur verhaltenssteuernden Haftungsbegrenzung erwogen bzw. umgesetzt: ein Verfahrensansatz mit subjektiven Erleichterungen hinsichtlich der Entscheidungsfindung und eine Erhöhung der subjektiven Strafbarkeitsanforderungen insgesamt. In rechts- bzw. kriminalpolitischer Hinsicht erscheint es sinnvoll, insofern eine Ergänzung des Untreuetatbestandes im Hinblick auf Ge87

BGHSt 50, 331 (336 ff.), siehe dazu bereits oben Zweiter Teil: C.I. Bernsmann, GA 2007, 219 (222 ff.), insgesamt allerdings zurückhaltend; dies aufgreifend Hoffmann, Untreue und Unternehmensinteresse, S. 207 ff. mit dem Ergebnis, dass (aus umgekehrter Sicht) Arbeitnehmerinteressen nur insofern in das Strafrecht übernommen werden können, wie das Gesellschaftsrecht die Kapitalerhaltung beschreibt. Diese Vorgaben würden aber über den Akzessorietätsgrundsatz in das Strafrecht „gezwungen“ (S. 257); dies entspricht letztlich der h. M. zur Relevanz der Zustimmung der Anteilseigner, s. Fn. 86 (Fünfter Teil); Bernsmanns Erwägungen grundsätzlich ablehnend gegenüber stehend Adick, Organuntreue, S. 68. 89 Neben der Tatsache, dass es sich gegen eine eindeutige Rechtsmeinung des Gesellschaftsrechts stellt, siehe Zweiter Teil: C.I. 88

C. Strafrecht als Mittel der Steuerung von Geschäftsleiterverhalten?

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schäftsleiter zu schaffen, die die Untreuepflichtverletzung ausdrücklich an die gesellschaftsrechtlichen Vorgaben und damit insbesondere an den Begriff der unternehmerischen Entscheidung koppelt. Auf diese Weise würde die Bedeutung des safe harbour, der über seine Einführung in das Aktienrecht hinaus als allgemein sinnvoll für die Verhaltenssteuerung von Geschäftsleitern angesehen wird, für das Strafrecht visibler. Es würde zugleich deutlicher sichtbar, dass der besondere Schutz dann versagt wird, wenn nach gesellschaftsrechtlicher Dogmatik Treuepflichtverletzungen begangen werden und somit eine Ergänzung durch subjektive Anforderungen bereits im objektiven Tatbestand dosiert und zielgerichtet eingesetzt. Im subjektiven Tatbestand bietet sich eine allgemeine subjektive Erhöhung dagegen nicht an, um den Tatbestand nicht leer laufen zu lassen. Bezogen auf das Pflichtwidrigkeitsmerkmal ließe sich nach derzeitigem Sachstand aber eine Erhöhung für Verstöße gegen das Unternehmensinteresse erwägen. So wäre eine kriminalpolitische Lösung gefunden für das scheinbar bestehende Problem, dass der Begriff des Unternehmensinteresses im Merkmal „zum Wohle der Gesellschaft“ im safe harbour enthalten ist und dies, wie offenbar im Fall Mannesmann, dazu führt, dass der Begriff außerhalb des safe harbour subsumiert wird. Dies wird zwar offenbar auch im Gesellschaftsrecht nicht ausdrücklich anders gehandhabt. Da insofern eine gesellschaftsrechtliche Lösung nicht unmittelbar in Sicht ist, bietet es sich aus Gründen der Rechtsunsicherheit jedoch an, insofern direkten Vorsatz zu verlangen. Gleichzeitig wäre hiermit für den Bereich der Organuntreue eine stringente Lösung gefunden für die Auslegung des Vorsatzmerkmals bei Handeln ohne Eigennutz oder Fremdbereicherungsabsicht, indem die Strafbarkeit auf nach gesellschaftsrechtlichen Maßstäben „illoyale“ Verhaltensweisen begrenzt wäre. Eine Ergänzung des § 266 StGB könnte de lege ferenda etwa lauten: § 266 StGB ... (3) Eine Pflichtwidrigkeit im Sinne des Abs. 1 liegt nicht vor, soweit das Handeln des Täters im Anwendungsbereich des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG liegt und eine Pflichtwidrigkeit nach dessen Maßgaben ausscheidet. Organe juristischer Personen machen sich darüber hinaus nur dann nach Abs. 1 strafbar, wenn sie wissentlich dem Interesse der Gesellschaft zuwider handeln.

Dieses implementierende Vorgehen dürfte der Entwicklung eines parallelen, eigenen strafrechtlichen safe harbour vorzuziehen sein90. Mag dieser auch inhaltlich den gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen weitgehend entsprechen, so geht damit gleichwohl ein Restmaß an Rechtsunsicherheit einher, zumal, wenn die Anwendungsvoraussetzungen nicht ausdrücklich angeglichen werden. In rechtspolitischer Hinsicht bleibt die Gefahr unterschiedlicher Anwendung hier in größerem Maße bestehen. Eine zu erwartende Auswirkung der mit dem UMAG ein90

Für einen solchen Adick, Organuntreue, S. 122 ff.

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5. Teil: Untreuestrafbarkeit vor kriminalpolitischem Hintergrund

geführten Kriterien auf den Untreuetatbestand91 erscheint in kriminalpolitischer Hinsicht und aus Akzessorietätsgesichtspunkten ungleich unsicherer. Der Akzessorietätsgrundsatz lässt die Entwicklung eines strafrechtlichen safe harbour zudem in dogmatischer Hinsicht unnötig erscheinen. Zu kritisieren ist auch das Festhalten an dem schon aus gesellschaftsrechtlicher Sicht fragwürdigen Kriterium der Evidenz, das eine Anwendung des safe harbour ausschließen soll. Dieses hat gegenüber der Verletzung der duty of loyalty, insbesondere aus strafrechtlicher Sicht, keinen eigenständigen Wert92.

D. Faktische Auslegung im Wirtschafts(straf-)recht als Einfallstor und helfende Hand der „Unsitte“ Unausweichlich wird bei der Untersuchung der Strafwürdigkeit eines Verhaltens, das in einem bestimmten Zeitabschnitt vielfach auftritt – und vielfach zu negativen Ergebnissen führt –, man wird die in Rede stehenden Ereignisse wohl in einem wertfreien Sinn als Phänomen bezeichnen können, der Gegensatz zwischen dem Faktischen und Normativen im Recht zum Thema. So ist es auch hier an verschiedenen Stellen geschehen93. Das Wirtschaftsstrafrecht steht bei einem Tatbestand grundsätzlich vor der Entscheidung, inwieweit es die Strafnorm zivil-, verwaltungsrechtsakzessorisch oder autonom, d.h. faktisch bzw. wirtschaftlich, auslegt94. Dabei ist die Entscheidung für die akzessorische Anknüpfung, die in § 266 StGB unvermeidbar ist, scheinbar die zu einer normativen Überprüfung führende Abzweigung. Dies ist bei der Untreue wohl grundsätzlich auch keine völlig unberechtigte Erwartung. Im Bereich des Geschäftsleiterhandelns kommt allerdings, wie im übrigen Wirtschaftsstrafrecht häufig, sodann die „kaufmännische Verkehrssitte“ in Form der Sorgfaltsgeneralklauseln hinzu. Dieser kaufmännische Sorgfaltsmaßstab wiederum zerfällt in einen empirischen und einen wertend-normativen Aspekt95. Ersterer betrifft das Feststellen der Verkehrsübung, letzterer die Ausgestaltung durch Rechtslehre und Rechtsprechung. Für das unternehmerische Handeln im Rechtssinne wird nun, wie gesehen, der normativen Kontrolle ein nicht unerheb91

Adick, a. a. O., S. 79 f. Die evidente Pflichtverletzung tendenziell auf Verletzungen der duty of loyalty beschränkend aber wohl Adick, S. 80 f., siehe andererseits Aufzählungspunkte 1 und 4 auf S. 122; inbesondere das Evidenzkriterium unter Punkt 1, dass ein Verhalten sicher zu einem Vermögensnachteil führt und von vornherein ungeeignet ist, dem Geschäftsherrn Nutzen zu bringen, erinnert bedenklich an die „verbindliche Auslegung“ des Unternehmensinteresses der Mannesmann-Entscheidung, siehe auch den entsprechenden Bezug a. a. O., S. 41 und 81. 93 Siehe vor allem Dritter Teil: E.IX. 94 Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, AT, S. 2. 95 Vgl. Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, AT, S. 2 und 56. 92

D. Auslegung im Wirtschafts(straf-)recht als helfende Hand der „Unsitte‘‘

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licher Bereich ihres Prüfungsgegenstandes entzogen. Dies betrifft zum einen die klassische unternehmerische Entscheidung unter tatsächlicher Unsicherheit. Es betrifft aber bei einer zutreffenden Typisierung modernen Geschäftsleiterhandelns zunehmend auch die Interpretation von Rechtsnormen und Verwaltungspraxis. Die weite gesellschaftsrechtliche Interpretation des Legalitätsprinzips stärkt deswegen die normative Prüfung nur auf den ersten Blick in ihrem Vorhaben, die Handelnden davon abzuhalten, sich ihre eigenen Fakten zu schaffen. Ihre Hoffnungen wurden insbesondere auch durch eine Ausweitung der Regulierung enttäuscht und dürften es auch in Zukunft in gewissem Maße weiter enttäuscht werden. Im Hinblick auf das Vergangene hat dies nicht allein damit zu tun, dass Aufsichtsrecht seinerseits teilweise in hohem Maße auslegungsbedürftig sind. Wie gesehen, wurde das in Rede stehende Verhalten gerade auch konkreten Vorgaben gerecht. Jedenfalls sind es diese enttäuschten Hoffnungen der normativen Überprüfung, die eine juristische Aufarbeitung im Sinne einer Unterscheidung zwischen dem Üblichen und dem Erforderlichen die Grenzen aufzeigen96 und die es zugelassen haben, dass „unsittliche“ Verhaltensweisen in rechtlicher Hinsicht akzeptabel wurden, indem sie sich gewissermaßen in einem rechtsfreien Raum im Wege der gegenseitigen Anerkennung zur Verkehrsüblichlichkeit „aufschaukeln“ 97 konnten. Insbesondere, wo Spielräume von Rechtsnormen betroffen sind, überkommt das Strafrecht stärker als das Gesellschaftsrecht Unbehagen, den empirischen Aspekt der kaufmännischen Sorgfalt zu respektieren bzw. eine entsprechende Zuordnung vorzunehmen. Dieses Unbehagen könnte mit einer intuitiven strafrechtlichen Abneigung zu tun haben, bei Rechtsfragen den Zweifel zugunsten des Täters wirken zu lassen98, wie es aber innerhalb des Maßstabs der Geschäftsleitersorgfalt dogmatisch korrekt für den empirischen Aspekt zu handhaben wäre99. Um sich die Rechtsfrage nicht nehmen zu lassen, mag es im Einzelfall dann auch vorkommen, dass das Problem von der empirischen Seite auf die zweifelsfrei normative verschoben wird, indem die Rechtsfrage für eindeutig bzw. verbindlich erklärt wird, wie dies der Bundesgerichtshof im Mannesmann-Verfahren getan hat. Einen in dieser Hinsicht gegenteiligen Ansatz hatte das LG Düsseldorf 100 in der Vorinstanz gewählt, indem es den Angeklagten erklärte, sie hätten generelles Unrecht begangen, seien aber durch die Verkehrs(rechts)übung so ausreichend getäuscht worden, dass sie das Risiko ihres Irrtums nicht zu tragen ha96

Vgl. für diese Unterscheidung nochmals Spindler/Stilz-Fleischer, § 93, Rn. 93. Vgl. die Begründung zum VorStAG hinsichtlich der Begrenzung der Vorstandsvergütung nach § 87 AktG, BT-Drucks. 16/13433, S. 15: „soll nicht der Eindruck entstehen, dass stets angemessen sei, was üblich ist. Damit würde ein Aufschaukelungseffekt ermöglicht.“ 98 Vgl. Rönnau, ZStW 119 (2007), 877 (915) und bereits oben Zweiter Teil: C.III.2. 99 Siehe Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, AT, S. 56. 100 LG Düsseldorf, NJW 2004, 3275 ff. 97

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5. Teil: Untreuestrafbarkeit vor kriminalpolitischem Hintergrund

ben. § 17 StGB bildet insofern einen umgekehrten rechtspolitischen Ansatzpunkt, weil er demjenigen die Strafbarkeit ersparen möchte, der unverschuldet in die „Falle der Verkehrsüblichkeit“ getappt ist. In eben diesem Sinne ist die Entscheidung des LG Düsseldorf zu interpretieren. Wird die Rechtsfrage zuvor zu einer eindeutigen erklärt, sinkt umgekehrt (naturgemäß) entsprechend die Neigung, einen Irrtum anzunehmen101. Rückblickend lässt sich nach alledem sagen, dass die Handelnden sich wohl in nicht wünschenswerter Weise die Fakten selbst geschaffen haben, womit insbesondere das verbreitete Sichverlassen auf externe Ratings angesprochen ist. Wollte man daraus aber auf eine Rechtswidrigkeit des Verhaltens schließen, dann ließe man wohl außer Acht, dass dies in mehrfacher Hinsicht dem gesetzgeberischen Willen geschuldet war, und zwar sowohl in gesellschaftsrechtlicher als auch in aufsichtsrechtlicher Hinsicht, wobei sich in beiden Fällen aus besagten Gründen nicht alle Probleme für die Zukunft werden lösen lassen. In der Abwägung zwischen strenger Regelvorgabe und der Gewährung von Spielräumen kommt das Wirtschafts(aufsichts)recht nicht ohne eine tendenzielle Neigung zugunsten des Letzteren aus.

E. § 266 StGB als „generelle Umgehungsklausel“? Es passt zum Potenzial der Krise, Kontroversen auszulösen, dass sie die Diskussion um ein weiteres rechtspolitisch heikles Dauerthema angeregt hat, nämlich das der Gesetzesumgehung. Überwiegend wird nicht angenommen, dass die Verwendung oben beschriebener Konstruktionen bei der Strukturierung der ABSProgramme Untreuerelevanz hat102. Da jedoch Erwägungen zur Gesetzesumgehung in der Literatur vorhanden sind, soll sich auch dieser Frage hier kurz gewidmet werden, wenngleich das Problem der Gesetzesumgehung weniger ein rechtspolitisches als ein dogmatisches ist. Trotz einzelner bekannt gewordener Ermittlungen103 kann grundsätzlich die Strukturierung der ABS-Programme hinsichtlich der Eigenkapitalunterlegung nicht mit Hilfe von Bilanzdelikten geahndet werden und auch eine Subsumtion des 101 Vgl. die tendenzielle Ablehnung in BGHSt 50, 311, Rn. 40 ff. (zitiert nach juris, insoweit in BGHSt nicht abgedruckt), wo der Senat zunächst bemängelt, dass, weil das LG das Vorliegen eines unternehmerischen Ermessensspielraums bejaht hat, eine Beweiswürdigung zur Irrtumsfrage fehlt. Vorgreifend nennt er sodann Anhaltspunkte dafür, dass eine Irrtum nicht vorgelegen haben dürfte (Rn. 43 f.). 102 Vgl. Dritter Teil: C.II.; ausdrücklich ablehnend Rönnau, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 61 f.; auch Otto, in: FS Krey (2010), S. 357 (405). 103 Zum Vorwurf der Bilanzfälschung nach § 331 HGB in der Sachsen LB in den Jahren vor der Krise http://www.mdr.de/sachsen/artikel121574.html (abgerufen am 13. März 2012); siehe außerdem Otto, in: FS Krey (2010), S. 357 (402) zu den Vorwürfen der unrichtigen Darstellung nach § 400 AktG und der Bilanzfälschung gegen frühere Vorstände der Hypo Real Estate.

E. § 266 StGB als „generelle Umgehungsklausel‘‘?

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Bankrotttatbestandes § 283 StGB führt nicht zu einer Strafbarkeit104. Insbesondere Schünemann ist dagegen der Ansicht, dass die Umgehung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben durch das Verhalten der Geschäftsleitungen deutscher Banken im Vorfeld der Krise gar ein gesteigert pflichtwidriges Verhalten im Untreuetatbestand darstellen kann. Denn der materielle Gehalt der Vermögensfürsorgepflichten sei auch bei Umgehungskonstruktionen zu beachten105. Der strafrechtliche Umgehungsbegriff ist in der Vergangenheit kaum klar umrissen worden106. Soweit sich Definitionen in Rechtsprechung und Literatur fanden, ist die Gesetzesumgehung als Verhalten beschrieben worden, durch das der Täter versucht, in normzweckwidriger Weise Gesetzeslücken für sich auszunutzen107. In Übereinstimmung mit obigem Zitat Schünemanns wird der Unwert der Gesetzesumgehung insbesondere in der Benutzung des formellen Rechts als Mittel, materiell Unrecht zu begehen, gesehen108. Die Diskussion um die Gesetzesumgehung war auch vor den hier in Rede stehenden Ereignissen zum Teil durchaus hitzig, wobei die überwiegende Meinung ist, dass die Gesetzesumgehung etwas Unerwünschtes und Entgegnungswürdiges ist109. Bereits die Wahl des Wortes „Umgehung“ hat einen negativen Beiklang und auch die Umschreibung als normzweckwidriges Verhalten enthält den Vorwurf des Normungehorsams und geht oftmals mit der Feststellung eines Verwandtschaftsverhältnisses zum Rechtsmissbrauch einher110. Nicht erst seit der Finanzmarktkrise ist der Umgehungsbegriff zudem mit der Sorge um Strafgleichheit und soziale Gerechtigkeit verbunden, was dem Eindruck geschuldet ist, allein der Begüterte sei in der Lage, Lücken in der Rechtsordnung durch den Einsatz erheblicher Kosten und Mittel für seine eigentlich mit Strafe bedrohten Ziele auszunutzen, während dem weniger Begüterten zum gleichen Ziel nur der direkte Normverstoß bleibe111. Und in der Tat bestätigen empirische Untersuchungen, dass direkte Gesetzesverstöße von kleinen und mittelständischen Unternehmen ungleich öfter riskiert werden, als dies bei Unternehmen der Fall ist, die über entsprechende Mittel verfügen112. Das normative Tatbestandsmerkmal der Pflichtverletzung eignet sich für eine Umgehungsdiskussion zweifellos; bei deskriptiven Merkmalen ist die Umgehung 104 Zu allem Rönnau, in: die sogenannte Finanzkrise, S. 43 ff., dort auch zu § 400 AktG und § 55 KWG; sowie Ransiek, WM 2010, 869 (870 ff.). 105 Schünemann, in: Die sogenannte Finanzkrise, S. 92 ff. 106 Vgl. Schröder, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht, S. 195. 107 Siehe Schröder, a. a. O., S. 212 f. 108 So Stöckel, Gesetzesumgehung, S. 46. 109 Vgl. Schröder, a. a. O., S. 239 f.: „Kein Zweifel“ an Unerwünschtheit. 110 Schröder, a. a. O., S. 240. 111 Vgl. Schröder, a. a. O., S. 241. 112 Vgl. Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, AT (2004), S. 72.

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5. Teil: Untreuestrafbarkeit vor kriminalpolitischem Hintergrund

naturgemäß kein relevantes Problem. Die Qualifizierung eines Verhaltens als Umgehung kann bei der Untreue als akzessorischem Tatbestand für die Rechtsanwendung dann Bedeutung erlangen, wenn sie zugleich als ausreichendes Argument dafür dient, dass eine vom Straftatbestand in Bezug genommene außerstrafrechtliche Analogie zu einer Erweiterung der Strafbarkeit führen soll113. Kommt das Primärrecht zum Ergebnis, dass ein Verhalten gesetzeskonform ist, wäre eine Bestrafung nach § 266 StGB ein offensichtlicher Verstoß gegen das Analogieverbot. Die Überzeugungskraft dieses Arguments ist maßgeblich von der Vereinbarkeit der Übernahme der außerstrafrechtlichen Anwendungserweiterung in die Strafnorm mit Art.103 Abs. 2 GG abhängig114. Dem vermeintlich strafbegründenden Rechtsinstitut Umgehung steht also bereits bei der Möglichkeit analoger Gesetzesanwendungen im Außerstrafrecht das Analogieverbot entgegen115. Bereits hieraus ergibt sich, dass der Einsatz des Untreuetatbestandes selbst als sogenannte generelle Umgehungsklausel unzulässig sein muss. Zudem finden sich weder in den entscheidenden Vorschriften des KWG noch in den Vorschriften der MaRisk Befassungen mit einer Umgehung. Die objektiven und subjektiven (zivilrechtlichen) Kriterien, derer man sich für die Feststellung einer Überschreitung einer materiellen „Eingriffsschwelle“ bedienen kann, wie der Schutzzweck des umgangenen Gesetzes, die Sittenwidrigkeit des faktischen Verhaltens bzw. des Rechtsgeschäfts sowie die Finalität des Umgehungsverhaltens, können allein im Hinblick auf die durch das Bestimmtheitsgebot gesetzten Grenzen für die Rechtsanwendung im Strafrecht aber nicht weiterführen116. Auch führt bereits die Anwendung dieser Kriterien zur Umschreibung des Umgehungsbriffs allzu leicht dazu, die Umgehung von Gesetzen mit der Umgehung von Strafe zu verwechseln117. Die besondere Bedeutung der Gesetzesumgehung im Wirtschaftsstrafrecht ist gerade bei akzessorischen Straftatbeständen, und hier insbesondere beim Untreuetatbestand, der im Ausgang einen weniger deutlich erkennbaren Normenappell für den Geschäftsleiter beinhaltet, ein Indiz dafür, dass es dem Gesetzesumgeher weniger um die Freiheit vor Strafe als um wirtschaftlichen Erfolg geht. Es dürfte gerade nicht das Strafrecht sein, das in besonderem Maße dem Versuch ausgesetzt ist, verbotene Ziele unter Straflosigkeit zu erreichen118. Die Forderung nach einer Untreuestrafbarkeit aufgrund von subprime-Investments dient nach alledem lediglich als Beispiel für den Umstand, dass die Bedeutung der Gesetzesumgehung über eine idealtypische Beschreibung

113

Schröder, a. a. O., S. 398. Schröder, a. a. O., S. 392 ff. 115 Schröder, a. a. O., S. 398. 116 Schröder, a. a. O., S. 398 (Hervorhebung im Original). 117 Vgl. Schröder, a. a. O., S. 399. 118 Schröder, a. a. O., S. 402, zugleich auf den Mangel an empirischer Bestätigung dieser These hinweisend. 114

E. § 266 StGB als „generelle Umgehungsklausel‘‘?

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eines Problems, welche bei dessen Bewältigung nicht weiterhilft, letztlich nicht hinausreichen dürfte119. Als rechtspolitischer Nutzen der Umgehungskonstruktionen verbleibt immerhin, dass sie den Anstoß zu aufsichtsrechtlicher Reform gegeben hat. Für das Gerechtigkeitsempfinden mag das irritierend sein120. Gerade bei einem Phänomen wie der Finanzmarktkrise könnte die Straflosigkeit der Umgehungshandlung aber die effektivere Systemkritik gerade deswegen darstellen, weil sie den Blick deutlicher auf das politische Versagen lenkt, ein Effekt, der bei einer Konzentration auf die Verantwortlichkeit einer begrenzten Anzahl von Akteuren ganz sicher schwächer ausfallen dürfte, aber auch bei dem Verweis auf die kollektive Verantwortlichkeit einer bestimmten Branche und der dort verantwortlich Handelnden den Blick vielleicht nicht ausreichend auf das Versagen der Institutionen lenkt, die für die Schaffung der Voraussetzungen für die Umgehungskonstruktionen letztendlich verantwortlich zeichneten. Aber auch wo Fehler dieser Institutionen keine Konsequenz der Überzeugungen des Zeitgeistes sind, kann, wie unter C. deutlich geworden ist, nicht das Strafrecht als Mittel dienen, um im „Haseund-Igel-Spiel“ einen anderen Ausgang zu erreichen.

119 120

Schröder, a. a. O., S. 401. Schröder, a. a. O., S. 401.

Sechster Teil

Zusammenfassung der wichtigsten Thesen A. Thesen des Ersten Teils • Entscheidungen, die in rechtlicher Hinsicht mit Unsicherheit behaftet sind, können als unternehmerische Entscheidungen im Sinne von § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG1 zu qualifizieren sein. Eine unternehmerische Entscheidung liegt jedenfalls in der Anwendung einer Vorschrift, die einen Beurteilungsspielraum gewährt; dies ergibt sich schon aus der Gesetzesbegründung. Bei anderen unbestimmten Normen ist darauf zu schauen, ob die Anwendung der betreffenden Vorschrift zu den Entscheidungen gehört, bei denen der Geschäftsleiter typischerweise unter Unsicherheit handeln muss und schutzwürdig ist. Die Anwendung des safe harbour ist nicht allein deswegen ausgeschlossen, weil trotz Gewährung eines Spielraums in der Ausgestaltung ein fester äußerer Pflichtenrahmen existiert. Das bedeutet, dass auch das versehentliche Überschreiten dieses Rahmens pflichtgemäß sein kann. Das gilt insbesondere für die Einrichtung eines Risikomanagements, das den Fortbestand der Gesellschaft zu sichern geeignet ist. • Hinsichtlich des in den Satzungen staatlich kontrollierter Kreditinstitute umbeschriebenen Unternehmensgegenstandes ist nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass der Wertpapierhandel und das Investment in subprime-Papiere bereits deswegen eine Pflichtverletzung darstellt, weil es in einem gewissen Umfang stattgefunden bzw. einen gewissen Anteil im Verhältnis zur gesamten Geschäftstätigkeit ausgemacht hat.

B. Thesen des Zweiten Teils • Den Sorgfaltsgeneralklauseln kommt hinsichtlich der Untreuepflichtgemäßheit von Geschäftsleiterhandeln eine abschließende Funktion gegenüber § 266 StGB zu. Speziell im Hinblick auf das gesellschaftsrechtliche Legalitätsprinzip müssen zur Sicherung des ultima-ratio-Grundsatzes in der Anwendung alle in Betracht kommenden Pflichtennormen durch den Filter der Generalklauseln ge-

1

sen.

Seine analoge Anwendung auf die GmbH und andere Rechtsformen eingeschlos-

B. Thesen des Zweiten Teils

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führt werden, weil dieser spezielle und im Bereich unternehmerischen Handelns haftungseinschränkende Vorgaben enthält. • Ausgehend von einem hohen Verrechtlichungsgrad im Bereich des Geschäftsleiterhandelns, hat das Verhältnis der Sorgfaltsgeneralklausel zum Untreuetatbestand zur Konsequenz, dass für ein strafrechtliches Schädigungsverbot kein Raum ist, denn anderenfalls läge ein Verstoß gegen den Spezialitätsgrundsatz vor. Bei unternehmerischen Entscheidungen hat das allgemeine Schädigungsverbot gegenüber dem safe harbour ebenfalls keine Bedeutung. • Das Verständnis des Begriffs der gravierenden Pflichtverletzung im Sinne einer „strafrechtlichen Höhenstufe“, die an die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Pflichtverletzung über die akzessorische Anwendung außerstrafrechtlicher Normen zusätzliche Anforderungen stellt, ist abzulehnen. Sie bleibt inhaltsleer und hat in dogmatischer Hinsicht keine Anknüpfungspunkte. Wie eine Gesamtschau der Rechtsprechung zeigt, ist der Begriff Ausdruck einer Mischung der Anerkennung der Notwendigkeit von Spielräumen bei wirtschaftlichem Handeln einerseits und Bedenken hinsichtlich des Schutzzwecks bei dem „Import“ des gesellschaftsrechtlichen Legalitätsprinzips andererseits. Sie ist außerdem ein Relikt der auch in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht spätestens seit der Einführung des safe harbour fragwürdigen Evidenz- oder „Schwerekontrolle“ bei unternehmerischem Handeln. • Den gesellschaftsrechtlichen Generalklauseln kann ihre Schutzzweckrelevanz für den Untreuetatbestand nicht aufgrund von Erweiterungen im Verhältnis des Gesellschaftsrechts zu anderen Vorschriften abgesprochen werden. Hinsichtlich Bedenken, die sich aus der gesellschaftsrechtlichen Legalitätspflicht unter Schutzzweckgesichtspunkten ergeben, ist zu differenzieren. Wo „allgemeine Gesetze“ hinreichend klare Vorgaben machen, erhöhen sie die Bestimmtheit der Generalklausel und damit die Rechtssicherheit für den Geschäftsleiter. Es spricht einiges dafür, dass die Sorgfaltsgeneralklauseln samt safe harbour im Falle dessen konsequenter Anwendung in der Lage sind, ausreichend strafbarkeitsbegrenzend zu wirken, d.h. insbesondere, wenn man anerkennt, dass auch die Interpretation von Rechtsnormen unternehmerische Entscheidungen darstellen können. Im Übrigen lassen sich schutzzweckirrelevante Vorschriften aus der Gesamtheit rechtlicher Beziehungen, die sich insgesamt als Treueverhältnis darstellen, aussortieren. Dogmatisch stringent ließe sich dies sogar bereits auf gesellschaftsrechtlicher Ebene erreichen. • Insgesamt ist nach alledem der Untreuetatbestand beim Merkmal der Pflichtverletzung streng akzessorisch zum Primärrecht. Die Sorgfaltsgeneralklauseln beschreiben den Untreuetatbestand für den Bereich des Geschäftsleiterhandelns abschließend und mit ausreichend Schutzmechanismen vor einer unangemessenen Strafbarkeitsausdehnung.

284

6. Teil: Zusammenfassung der wichtigsten Thesen

C. Thesen des Dritten Teils • Die aufsichtsrechtlichen Vorgaben, bspw. von § 25a KWG inklusive MaRisk, beschreiben für ihren Anwendungsbereich die Anforderungen an ein angemessenes Risikomanagement erschöpfend. Bei Einhaltung dieser Vorgaben scheidet eine Haftung des Geschäftsleiters wegen der Verletzung der Pflicht zur Einrichtung eines Systems zur Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen aus. Der öffentlich-rechtliche Zweck des Aufsichtsrechts schließt dies ebenso wenig aus, wie die grundsätzliche Notwendigkeit bzw. das Bedürfnis, mit allgemeinen zivilrechtlichen Sorgfaltsklauseln eine Vielzahl verschiedener Verhaltensweisen zu erfassen. Dies folgt daraus, dass das moderne Bankaufsichtsrecht einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt und seinerseits viele unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet. Diese Tendenz, die mit zunehmender Verrechtlichung von Geschäftsleiterverhalten im Allgemeinen einhergeht, muss umgekehrt Rechtssicherheit für den Geschäftsleiter gewährleisten. Nur auf diese Weise ist auch aus untreuestrafrechtlicher Sicht eine strenge Akzessorietät vertretbar. • Im Zusammenhang mit subprime-Investments betreffen die Haftungsfragen in erster Linien Fragen der Risikoerkennung. Die Diskussion um die Frage der Erlaubtheit des Eingehens existenzgefährdender Risiken im Zuge der Krise hat deutlich gemacht, dass die Evidenzkontrolle, die im Urteil des Bundesgerichtshofs im Fall ARAG/Garmenbeck noch als Grenze unternehmerischen Ermessens genannt wurde, die Gefahr des hindsight bias verstärkt und den Verfahrensansatz zu unterlaufen geeignet ist. Wie im Zuge der Aufarbeitung der Finanzmarktkrise deutlich geworden ist, fördert die Evidenzkontrolle auch die Neigung, über allgemeine Vorschriften die Anforderungen an die Geschäftsleitung auszuweiten und den Grundsatz der Spezialität zu missachten. Die Evidenzkontrolle hat gegenüber treuwidrigem Verhalten in gesellschaftsrechtlichem Sinn keinen eigenständigen Wert und ist besonders für das Strafrecht abzulehnen. Das Eingehen erkannt existenzgefährdender Risiken bleibt zuvörderst eine gesellschaftsrechtliche Kompetenzfrage bzw. eine Frage der gesellschaftsrechtlichen Disposition. • Eine haftungs- bzw. untreuestrafrechtliche Analyse von subprime-Investments deutscher Banken ergibt in der Folge einige Hinweise darauf, dass das von Teilen der Literatur als strafwürdig empfundende Handeln der Geschäftsleiter in vielerlei Hinsicht als pflichtgemäß anzusehen sein dürfte. Insbesondere war der Einsatz von value-at-risk-Modellen nicht pflichtwidrig, auch wenn diese für sich genommen im Ansatz nicht darauf ausgelegt sind, das letztendliche Maximalrisiko in einem worst case zu beschreiben. Auch sind Risikokonzentrationen grundsätzlich zulässig. Ansatzpunkte für pflichtwidriges Verhalten ergeben sich insbesondere mit Blick auf Art und Umfang ergänzender Stresstests. Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass es üblich durch das Auf-

D. Thesen des Vierten Teils

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sichtsrecht auch nicht untersagt war, insofern durch die Heranziehung externer Ratings einen Ausgleich zu schaffen. Maßgeblich ist, ob es im Sinne der MaRisk sachgerecht war, sie als alleinige Grundlage des Risikomanagements zu verwenden. Hier übertragen sich regulatorische Strukturprobleme in das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis und entsprechend in den Untreuetatbestand. • Es deutet einiges darauf hin, dass neben der Ungeeignetheit von externen Ratings zur Abbildung der tatsächlichen Risiken insbesondere auch das mangelnde Verständnis der zur Verfügung gestellten Informationen bzw. die Interpretation als Kaufempfehlung eine große Rolle gespielt hat. Die §§ 18a, 18b KWG sind für den Bereich der Verbriefungen hierauf eine Antwort. • Jenseits klarer rechtlicher Vorgaben ist die Begründung pflichtwidrigen Verhaltens auch insbesondere deshalb schwierig, weil über den safe harbour der Branchenüblichkeit von Verhalten eine erhöhte Bedeutung zukommt bzw. diese einer weniger strengen normativen Überprüfung unterliegt, als dies sonst im Haftungsrecht der Fall ist. Hier ist abermals zuvörderst die Heranziehung externer Ratings betroffen.

D. Thesen des Vierten Teils • Die strafrechtliche Handhabung des Risikomanagements ist unter Schutzzweckgesichtspunkten mit großen Schwierigkeiten behaftet. Im Anwendungsbereich von bspw. § 91 Abs. 2 AktG ist ein für § 266 StGB notwendiger Bezug zum Treugebervermögen für das Strafrecht noch relativ überzeugend begründbar. Die Vorschrift ist aus strafrechtlicher Sicht allerdings unterbestimmt. • Die untreuestrafrechtliche Aufarbeitung von subprime-Investments ist von der Heranziehung von Vorschriften geprägt, die, wie insbesondere § 25a KWG, kaum Bezug zum Treugebervermögen aufweisen, weil sie einerseits im öffentlichen Interesse bestehen und andererseits allein Verfahren und Organisation beschreiben und deswegen auch insofern eine nicht unerhebliche Entfernung zum Schutzgut der Untreue aufweisen, wobei sich letzteres als mangelnde Ergebnisrelevanz beschreiben lässt. • Den untreuestrafrechtlichen Fremdvermögensbezug der Vorschriften des KWG insgesamt über den bloßen Reflex des vorgelagteren Schutzes des einzelnen Instituts zu begründen, ist abzulehnen. Letztlich lässt sich eine Relevanz der die Gesamtunternehmensebene betreffenden risikopolitischen KWG-Normen nur herstellen, indem die Existenzsicherung und damit Allgemeininteressen als untreuerelevante Zielbestimmung anerkannt werden. • Aus der Eigenschaft des Risikomanagements als verfahrensbetontem Recht folgt auch für das Strafrecht, dass es auf die Bewertung des Verfahrens angewiesen ist. Sofern dies im Rahmen des safe harbour geschieht, ist dies dogmatisch stringent und zu begrüßen. Eine ungefilterte Anwendung im Untreuetat-

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6. Teil: Zusammenfassung der wichtigsten Thesen

bestand birgt jedoch die Gefahr einer strafbarkeitsausweitenden Prozeduralisierung, wie sie in der Rechtsprechung zu § 18 KWG schon teilweise angeklungen ist. Sie kommt aufgrund der geringen Ergebnisrelevanz insbesondere von § 25a KWG zudem nicht ohne ein Rekurrieren auf einen Risikoerhöhungsansatz aus. Auch ausgehend davon, dass Zurechnungsfragen im Untreuetatbestand nicht vollständig geklärt sind, erscheint dies als Entwicklung bedenklich. • Das Strafrecht muss sich, sofern es einen ausreichenden Fremdvermögensbezug bejaht, entscheiden, ob es die Bewertungseinheit Risikomanagement als Konzept betrachtet, das eine hinreichende Nähe zum Rechtsgut der Untreue aufweist. Dies ist der dogmatisch einzig konsequente Weg zu einem strafrechtlichen Umgang mit dem Risikomanagement. • Wie auch die Entwicklung der Rechtsprechung zum Untreuevorsatz bei nicht eigennützigem Verhalten im Allgemeinen und bei unternehmerischem Handeln im Besonderen deutlich macht, kann eine unternehmerische Entscheidung im Rechtssinne bei vorsätzlichen Handeln letztlich nicht vorliegen. Eine Untreuestrafbarkeit von Geschäftsleitern lässt sich nur bei einer Verletzung der duty of loyalty begründen. • Ob, bzw. ab welchem Zeitpunkt ein bedingter Schädigungsvorsatz beim Investment in subprime-Papiere vorlag, ist allgemein kaum zu bewerten. Die Gewährung einer – wenn auch erheblichen variablen Vergütung – ist insgesamt kein besonderes Indiz für eine Strafbarkeit. Sie ist zwar im Ansatz ein Indiz für die Eigennützigkeit des Handelns. In Wahrheit handelt es sich jedoch bereits um eine Frage des objektiv erlaubten Risikos. Hier ist eine Herabsetzung der Sorgfaltsanforderungen durch die Parteien unzulässig. Es kann andererseits nicht im Allgemeinen davon ausgegangen werden, dass Geschäftsleiter annahmen, die durch Vergütungsvereinbarungen gesetzten Anreize würden nicht durch das Risikomanagement aufgefangen. Anderenfalls wäre dies regelmäßig auch der anderen Vertragspartei zu unterstellen.

E. Thesen des Fünften Teils • Das Investieren in subprime-Papiere ließe sich insbesondere mit Blick auf die Risikomanagementschriften letztlich nur mit einer signifikanten Ausweitung des Untreueparagraphen. Nicht allein daran zeigt sich, dass das Strafrecht in dieser Frage nicht als primäres Steuerungsmittel eingesetzt werden sollte. Besonders die Auswirkungen dieser Art der Steuerung sind ungewiss. • Abzulehnen ist deshalb insbesondere die Einführung einer untreueverwandten Strafnorm der Bestandsgefährdung, die unter Behebung bestehender Schutzzweck- und Zurechnungsprobleme eine Strafbarkeit für die Existenzgefährdung von Kreditinstituten als Vorsatzdelikt einführt. In rechtspolitischer Hinsicht liegt darin die Unterstellung des vorsätzlichen Herbeiführens der Schä-

E. Thesen des Fünften Teils

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den durch das Verhalten im Vorfeld der Krise. Gleichzeitig wird in objektiver Hinsicht insofern „übersteuert“, als der gesellschaftsrechtliche Filter für unternehmerisches Handeln hier keine ausdrückliche Erwähnung findet. Das existierende strafrechtliche Korsett beschränkt sich zu Recht auf untreues Verhalten einerseits und eine Strafbarkeit in unmittelbarer Nähe zur Insolvenz andererseits. • Vorzugswürdig erscheint es aus rechtspolitischer Sicht, das gesellschaftsrechtliche Konzept zum Umgang mit unternehmerischem Handeln ausdrücklich in den Untreuetatbestand zu transportieren. Angesichts der inzwischen erheblichen Bedeutung des Untreuetatbestandes als Norm des Wirtschaftsstrafrechts erscheint diese Klarstellung für einen stringenten und einheitlichen Umgang mit der unternehmerischen Entscheidung im Rechtssinne wünschenswert. Eigenständige Definitionen eines strafrechtlichen Risikogeschäftes neben der gesellschaftsrechtlichen Konzeption führen zu Rechtsunsicherheit, der durch eine Fallgruppenbildung allein nicht beizukommen sein dürfte. • In diesem Zusammenhang sind aus strafrechtlicher Sicht die Schwierigkeiten bzw. Unklarheiten zu berücksichtigen, die mit dem Begriff des Unternehmensinteresses in der Corporate-Governance-Diskussion nach wie vor verbunden sind. Insofern erscheint es angemessen, in subjektiver Hinsicht eine subjektive Erhöhung ausdrücklich in das Gesetz zu schreiben.

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Sachwortverzeichnis Akzessorietät 60, 64–103, 104, 105, 132, 140, 141, 142, 147, 153, 210, 221, 223, 225, 237, 251, 268, 284, 297 – § 25a KWG 141 – limitierte Akzessorietät 92, 93, 104, 132, 141, 223 – MaRisk 150 – Sorgfaltsgeneralklauseln als Untergrenze der Strafbarkeit 67 – strafrechtliches Abstandsgebot 272 – strenge Akzessorietät 84, 92, 97, 153, 221, 268, 270, 284 – Untergrenze 83 Aufsichtsrecht 23, 82, 108, 190 – abschließende Funktion gegenüber Gesellschaftsrecht 137–159 – Bedeutung für das Gesellschaftsrecht 135 – Bedeutung für gesellschaftsrechtliche und strafrechtliche Aufarbeitung der Finanzmarktkrise 104–105 – Entlastung durch 121 ff. – Legalitätspflicht 77 – prinzipienbasiertes 152, 156, 164, 169, 190, 205, 268, 270 – Rahmenbedingungen vor der Finanzmarktkrise 111 ff. – regelbasiertes 152, 157, 188, 205, 253 – Reichweite vor dem Hintergrund einer Haftung für Erwerb von subprime-Papieren 159–187 Auslegung zivilrechtlicher Normen durch Strafgerichte nach § 262 StPO 101– 102 Bestimmtheitsgebot 65, 83, 89, 98, 204, 221, 280, 283 – Akzessorietät 96

– fallgruppenspezifische Konkretisierung 70, 274 – MaRisk 204 – Rechtsanwendung durch Strafgerichte 100–103 – und Legalitätspflicht 84 Corealcredit Bank AG 157 corporate opportunities doctrine 90 corporate waste 232 duty of loyalty 248, 269, 276, 286 Einheit der Rechtsordnung 64, 65, 67, 92, 128 – Normspaltung 70 – und ultima-ratio-Grundsatz 64 entire fairness test 215 Erste Kreditvergabe-Entscheidung des Bundesgerichtshofs 21, 57, 206, 218, 232, 253, 262 Evidenz 49, 89, 90, 92, 94, 96, 97, 173, 230, 256, 276, 283, 284 Existenzgefährdung 105, 170, 177, 217, 221, 226, 245, 259, 268, 286 – Dogmatik zum existenzvernichtenden Eingriff 177 – Einverständnis 223 – konkrete und abstrakte 171 – Schaden 201 – stakeholder value 170 – strafrechtliche Dogmatik zum existenzvernichtenden Eingriff 222, 223 – und hindsight bias 172 – und Verfahrensfehler 174 – Unvertretbarkeit 170

Sachwortverzeichnis gravierende Pflichtverletzung 22, 76, 87, 93–96, 97, 274, 283 – Kreditwesengesetz 211 – strafrechtliche Höhenstufe 93, 94, 95, 212, 283, siehe auch strafrechtliche Höhenstufe – Unternehmensinteresse 272 IKB Deutsche Industriebank AG 24, 46, 50 – Beschluss des OLG Düsseldorf 46–50 Kanther-Entscheidung des Bundesgerichtshofs 229, 251, 254 – überschießende Innentendenz 230 Kinowelt-Entscheidung des Bundesgerichtshofs 93, 211 – corporate waste 232 Klumpenrisiken 105, 117, 122, 165, 170, 171, 174 Konfidenzniveau 124, 125, 163, 176, 179, 210 Konzentrationsrisiken siehe Klumpenrisiken Kreditwesengesetz 83, 104 – § 10 112, 155 – § 11 115, 155 – § 13 116, 155 – § 18 69, 87, 153 – § 25a 55, 87, 133, 137 – §§ 18a und 18b 187 – Klumpenrisiken 174 – Risikoerhöhung 206 – Schutzzweck 104, 144 – Schutzzweck, untreuerechtlicher 199 – Sorgfaltsgeneralklausel 140, 162 – strafrechtlich pönalisierte Existenzgefährdung 267 Legalitätspflicht 35, 56, 77, 80, 83, 91, 96, 97, 142, 151, 167, 255, 283 – Bestimmtheit 85 – Irrtum 252 – Regelungsdichte 85

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– Risikomanagement 144, 146 – strenge Akzessorietät 140 – und unklare Rechtslage 36–39 Mannesmann-Entscheidung des Bundesgerichtshofs 93, 103, 132, 244, 273, 274, 275 – § 87 AktG 98 – Akzessorietät 259 – Anerkennungsprämie 99, 251 – Risikogeschäft 99 – Unternehmensinteresse 274 – Vorinstanz 98, 277 mismanagement v. misappropriation 90, siehe auch duty of loyalty v. duty of care normenkonkretisierende Verwaltungsvorschriften 150 – § 25a KWG 150 norminterpretierende Verwaltungsvorschriften 134 Prozeduralisierung 213, 239, 262, 263, 269–270, 286 – strafbarkeitsbeschränkende 214 – strafbarkeitserweiternde 215 Rating 105, 111, 120, 126, 159, 181, 189, 191, 238, 266, 278, 285 – Heranziehen externer Ratings als Fehlverhalten 167–168, 184–187 – internes 113, 155 – Rechtsrahmen für 118–120 – und Billigung im Rechtssinne 240 Risikobereitschaft 174 Risikoeinsicht 172 Risikoerhöhung 205–213, 217, 218, 220, 234, 239, 286 – Risikoerhöhungslehre 82, 205, 258 – und gravierende Pflichtverletzung 211 Risikogeschäft 21, 23, 28, 57–59, 60, 69, 96, 193, 197, 208, 230, 258, 272, 287 – § 93 AktG 87

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Sachwortverzeichnis

– Abschaffung 86 – Vorsatz 228, 229, 232, 236, 239 Risikomanagement 25, 41, 43, 50, 79, 82, 86, 105, 120, 122, 147 – § 25a KWG 137 – als strafrechtliche Bewertungseinheit 195 – auf Gruppenebene 166 – Existenzsicherung 196 – juristische Rezeption 132 – MaRisk 151 – und Prozeduralisierung 213, 218, 269 – und Rating 168 – und Risikoerhöhungslehre 205 – und unternehmerische Entscheidung 54 – und Untreue 193 – und Vermögensnachteil 219 – value at risk siehe value at risk – Verlustrisikomanagement 126 – Vorsatz 234, 239 Satzung 30, 45, 172, 246, 282 – Anlagepolitik 126 – Kreditwesengesetz 228 – öffentlicher Zweck 50, 56 – Unternehmensgegenstand 45 Schädigungsverbot 68, 91, 105, 219, 226, 283 – und Spezialität 219 Schutzzweck 25 – § 25a KWG 146, 203 – Ergebnisrelevanz 82, 85, 97 – Fremdvermögensbezug 79, 97 – funktionaler Zusammenhang 78 – Gläubigerschutz 78 – Kreditwesengesetz 104, 144, siehe auch Kreditwesengesetz – Sorgfaltsgeneralklausel und Untreue 76–91 – und gravierende Pflichtverletzung 97 – unternehmerische Entscheidung 35, 40 – Untreue 69, 204

– Verfahrenspflichten 82 shareholder value 23 – und gravierende Pflichtverletzung 272 – Unternehmensinteresse 245, 272 Siemens/AUB-Entscheidung des Bundesgerichtshofs 96 Spezialität 72, 73, 83, 91, 107, 142, 148, 149, 169, 221, 268, 283 – § 93 AktG und § 266 StGB 74 – MaRisk 152 SSV-Reutlingen-Entscheidung des Bundesgerichtshofs 21, 93, 232, 273 – Entscheidungsverfahren 57 – gravierende Pflichtverletzung 60 stakeholder value 23, 170, 180, 202 – Unternehmensinteresse 245 strafrechtliche Höhenstufe 221, 232, 262, 273, siehe auch gravierende Pflichtverletzung subprime-Krise 108 – Ursachen 107–120 ultima-ratio-Grundsatz 66, 73, 81, 86, 92, 93, 95, 100, 222, 268, 282 – und Bestimmtheitsgebot 68 – und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung 64 Unternehmensgegenstand 178, 223, 224, 282 – und safe harbour 45–54 value at risk 123–126, 127, 133, 158, 183, 191 – conditional value at risk 125 – Konfidenzniveau 176, 210 – Stresstests 163 – und Pflichtverletzung 160, 169 – und Strafrecht 207 variable Vergütung 108, 245, 248, 256, 272, 286 – Anreizstrukturen 242–244 – langfristige Wertsteigerung 246 – Vergütungsvereinbarung 244 – Vorsatz 241

Sachwortverzeichnis Verbriefung 109, 112, 114, 118, 164, 174, 188 Verhaltenssteuerung 25, 27, 76, 83, 201, 245, 257, 286 – Strafrecht als primäres Mittel 264–276 Verschleifung von Pflichtverletzung und Schaden 218, 221, 239, 258 Vorsatz 95 – beim Risikogeschäft 228 – corporate waste 232 – duty of loyalty 232, 286 – Irrtum 250 – Möglichkeitstheorie 236 – Risikomanagement 255 – sachwidrige Motive 232 – Schädigung 247 – subprime-Investments und kognitives Element 238 – subprime-Investments und voluntatives Element 239 – und Existenzgefährdung 235 – und Risiko 237

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– und unternehmerisches Handeln 229– 234 – variable Vergütung 241 – Vermögensbetreuungspflicht 254 VW-Entscheidung des Bundesgerichtshofs 80, 96, 223 – fallgruppenspezifische Konkretisierung 71 – Schutzzweck 200 West-LB-Entscheidung des Bundesgerichtshofs 69, 87, 165, 199, 206, 211, 218 – gravierende Pflichtverletzung 21 – Vorsatz 230, 237 Zweite Kreditvergabe-Entscheidung des Bundesgerichtshofs 59, 69, 122, 196 – gravierende Pflichtverletzung 211 – Schutzzweck des Kreditwesengesetzes 199