Die Neubekanntmachung von Gesetzen vor dem Hintergrund der staatlichen Konsolidierungspflicht [1 ed.] 9783428532797, 9783428132799

Matthias Klein befasst sich mit einem wesentlichen Element der Gesetzespublikation: der Neubekanntmachung von Gesetzen.

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Die Neubekanntmachung von Gesetzen vor dem Hintergrund der staatlichen Konsolidierungspflicht [1 ed.]
 9783428532797, 9783428132799

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1172

Die Neubekanntmachung von Gesetzen vor dem Hintergrund der staatlichen Konsolidierungspflicht Von Matthias Klein

Duncker & Humblot · Berlin

MATTHIAS KLEIN

Die Neubekanntmachung von Gesetzen vor dem Hintergrund der staatlichen Konsolidierungspflicht

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1172

Die Neubekanntmachung von Gesetzen vor dem Hintergrund der staatlichen Konsolidierungspflicht

Von Matthias Klein

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster hat diese Arbeit im Jahre 2009 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D6 Alle Rechte vorbehalten

© 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L 101, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-13279-9 (Print) ISBN 978-3-428-53279-7 (E-Book) ISBN 978-3-428-83279-8 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2009 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen. Fachlich begleitet wurde sie von Herrn Prof. Dr. Hans D. Jarass, LL.M., dem ich nicht nur aufgrund seiner exzellenten und überaus angenehmen persönlichen Betreuung und der zügigen Erstellung des Erstgutachtens zu großem Dank verpflichtet bin, sondern der mich überhaupt erst auf die verfassungsrechtliche Problematik im Zusammenhang mit der Neubekanntmachung von Gesetzen gestoßen und somit maßgeblich zur Annahme dieser Fragen als Promotionsthema bewegt hat. Dieses Thema erwies sich im Laufe der Bearbeitung nicht nur als überaus ergiebig, sondern darüber hinaus auch als sehr grundlegend und spannend. Nicht zuletzt die intensive Beschäftigung mit dem Bundesgesetzblatt und der Frage, welche Rolle es angesichts der heutigen Informationsvielfalt für die Ermittlung des geltenden Gesetzestextes weiterhin spielt, hat die Arbeit an diesem Thema besonders interessant und auch praxisnah gestaltet. Immer wieder aufs Neue motivierend wirkte dabei aber vor allem auch die hervorragende Arbeitsatmosphäre am Institut für Umwelt- und Planungsrecht der Universität Münster, an dem ich während meiner Promotion als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig sein durfte. Neben der täglichen Arbeit gab es hier genügend Freiraum für vertiefte wissenschaftliche Gedanken und einen anregenden fachlichen Austausch mit den Kollegen, was sicherlich in erheblichem Maße zum Gelingen der vorliegenden Arbeit beigetragen hat. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Instituts, mit denen ich auch heute noch freundschaftlich verbunden bin, meinen persönlichen Dank für die wirklich sehr angenehme Zusammenarbeit aussprechen. Bedanken möchte ich mich außerdem bei Herrn Prof. Dr. Bernd Holznagel, LL.M. für die zeitnahe Erstellung des Zweitgutachtens, die einen raschen Promotionsvorgang ermöglichte. Mein besonderer Dank gilt nicht zuletzt meinen Eltern, die mir nicht nur das Studium der Rechtswissenschaften überhaupt erst ermöglicht, sondern mich auch während der Promotion in verschiedenster Weise immer wieder unterstützt haben. Ihnen soll dieses Werk daher gewidmet werden. Düsseldorf, Juli 2010

Matthias Klein

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Die Entstehung und Verkündung von Gesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick über das Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitungsverfahren (Art. 76 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Hauptverfahren (Art. 77–78 GG). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abschlussverfahren (Art. 82 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gegenzeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verkündung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Bundesgesetzblatt als zentrales Verkündungsorgan der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Historischer Überblick über die Gesetzespublikation in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufbau und Inhalt des Bundesgesetzblattes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Teil I: Gesetze und Rechtsverordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Teil II: Völkerrechtliche Übereinkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Teil III: Sammlung des Bundesrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abgrenzung zu anderen amtlichen Verkündungsblättern . . . . . . . . . . . 4. Verfügbarkeit des Bundesgesetzblattes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ausblick: Einführung eines elektronischen Bundesgesetzblattes? . . .

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C. Zur Notwendigkeit einer konsolidierten Gesetzesfassung . . . . . . . . . . . . . . I. Die Technik der Gesetzesänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die konstitutive Neufassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Änderungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vor- und Nachteile der Änderungsgesetze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die konsolidierte Gesetzesfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Gesetzeskonsolidierung als staatliche Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verfügbarkeit staatlicher Konsolidierungsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Internetseite www.gesetze-im-internet.de. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Neubekanntmachung im Bundesgesetzblatt. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Die Entwicklung der Neubekanntmachung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Historische Ursprünge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Neubekanntmachung in der Bundesrepublik Deutschland. . . . . . . . .

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E. Das Neubekanntmachungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Erteilung der Bekanntmachungserlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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28 29 34 34 35 36 38 40 42

8

Inhaltsverzeichnis 1. Die einfache Bekanntmachungserlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 a) Ermächtigungsadressat/Bekanntmachungsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . 75 b) Ermächtigungsgegenstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 c) Ermächtigungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2. Die erweiterte Bekanntmachungserlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 a) Ohne Änderungsermessen der Exekutive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 b) Mit Änderungsermessen der Exekutive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 II. Die Anfertigung der Neubekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 1. Bekanntmachungstext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 a) Bekanntmachungsüberschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 b) Datum der Neubekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 c) Bekanntmachungsformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 aa) Fundstelle der Bekanntmachungserlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . 88 bb) Zitiername des neu bekannt zu machenden Stammgesetzes 88 cc) Neufassungsstichtag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 d) Auflistung der berücksichtigten Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 e) Unterschrift. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 2. Neufassungstext. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 a) Klammerhinweise hinsichtlich weggefallener Vorschriften . . . . . . 92 b) Klammerhinweise hinsichtlich bedeutungslos gewordener Vorschriften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 c) Sonstige Hinweise und Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 III. Die Bekanntmachung im Bundesgesetzblatt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 IV. Die Berichtigung der Neubekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Position der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) BVerfGE 14, 245 („Neubekanntmachung Straßenverkehrsgesetz I“). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) BVerfGE 17, 364 („Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) BVerfGE 18, 389 („Neubekanntmachung Straßenverkehrsgesetz II“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) BVerfGE 22, 1 („Neubekanntmachung Arbeitszeitordnung“) . . . . e) BVerfGE 23, 276 („Umsatzsteuergesetz-Bekanntmachungserlaubnis“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) BVerfGE 42, 263 („Bekanntmachung des Inkrafttretens“) . . . . . . . g) Weitere Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bundesverwaltungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bundesfinanzhof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Meinungsstand in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis III. Untersuchung mit Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Neubekanntmachung als konstitutiver Rechtsetzungsakt? . . . . . . a) Die Neubekanntmachung als Gesetzgebung im formellen Sinn? aa) Vergleich Neubekanntmachung – Neuverkündung . . . . . . . . . bb) Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung . . . . . cc) Vereinbarkeit mit dem Demokratieprinzip. . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Vereinbarkeit mit dem Bundesstaatsprinzip. . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Neubekanntmachung als Gesetzgebung im materiellen Sinn? aa) Vergleich mit der Rechtsverordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verfassungsrechtliche Grenzen der exekutiven Rechtsetzung (1) Inkraftsetzungsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gesetzesvertretende Rechtsverordnungen. . . . . . . . . . . . . . (3) Gesetzesändernde Rechtsverordnungen . . . . . . . . . . . . . . . cc) Konsequenzen für die Neubekanntmachung von Gesetzen . . c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung der Neubekanntmachung für die Gesetzeskonsolidierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Neubekanntmachung als rein informatorischer Konsolidierungsakt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verfassungsrechtliche Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Praktische Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Handhabung durch die Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die (erweiterte) Bekanntmachungserlaubnis . . . . . . . (aa) Beispiel 1: Die Neubekanntmachung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen . . . . (bb) Beispiel 2: Die Neubekanntmachung des Schwerbehindertengesetzes. . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Beispiel 3: Die Neubekanntmachung des Selbstverwaltungsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Beispiel 4: § 3 Abs. 2 Zuständigkeitsanpassungsgesetz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Die anknüpfenden Änderungsgesetze . . . . . . . . . . . . . (2) Handhabung durch die Exekutive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Berichtigung des Gesetzestextes . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Zitierweise in Rechtsverordnungen . . . . . . . . . . . . . . . (3) Handhabung durch die Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Zitierweise im Tenor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Zitierweise in den Urteilsgründen . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lösungsvorschlag: Die Neubekanntmachung als Konsolidierungsakt mit relativer Verbindlichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Unterscheidung von Normtext und -inhalt . . . . . . . . . . . . (1) Positivistische Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis (a) Subjektive Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Objektive Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Strukturierende Rechtslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Neufassungstext als neuer formeller „Normträger“ . . . . . cc) Relative Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Neubekanntmachung als Konsolidierungsakt. . . . . . . . . . . ee) Verhältnis der Neubekanntmachung zur Berichtigung. . . . . . . 3. Ergebnisse der Untersuchung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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G. Bedeutung und Umfang der Bekanntmachungserlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsnatur der Bekanntmachungserlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verteilung der Konsolidierungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erlaubnis oder Ermächtigung?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwingender Charakter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wirksamkeit der Bekanntmachungserlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Im Interesse der Rechtssicherheit geboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zeitlicher Geltungsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inkrafttreten der Bekanntmachungserlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erlöschen der Bekanntmachungserlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zulässiger Umfang der Bekanntmachungserlaubnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einfache Bekanntmachungserlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Berichtigung von Druckfehlern oder anderen offenbaren Unrichtigkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausschreiben von Gliederungseinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verwendung von Klammerhinweisen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Stellvertreter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Platzhalter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verwendung von Fußnoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erweiterte Bekanntmachungserlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Redaktionelle Verbesserungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beseitigung von Unstimmigkeiten im Wortlaut . . . . . . . . . . . . bb) Anpassung von veralteten Begriffen und Sprachwendungen cc) Anpassung von Gesetzesverweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Anpassung an veränderte Zuständigkeiten und Behördenbezeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) § 3 Abs. 1 ZustAnpG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) § 3 Abs. 2 ZustAnpG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Anpassung an Währungsumstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Gender Mainstreaming . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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gg) Umstellen von Textabschnitten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Einfügung bzw. Änderung von Überschriften . . . . . . . . . . . . . (1) Gesetzesüberschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Paragraphen- und Artikelüberschriften . . . . . . . . . . . . . . . . b) Optische Verbesserungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Neunummerierung der Paragraphen und Absätze . . . . . . . . . . bb) Nummerierung der Sätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Weglassen obsoleter Vorschriften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Einfügung bzw. Änderung von Inhaltsverzeichnissen . . . . . . ee) Einfügung eines neuen Datums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

209 210 210 211 212 212 214 215 218 219

H. Folgen einer fehlerhaften Neubekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bekanntmachungsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Neubekanntmachung ohne gültige Bekanntmachungserlaubnis . . . . . 2. Neubekanntmachung unter Überschreitung des Ermächtigungsrahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonstige Bekanntmachungsfehler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Keine inhaltliche Verfassungswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Heilungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine nachträgliche Ermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachträgliche Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Heilung durch legislative Bezugnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Haftungsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Amtshaftung der Bekanntmachungsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Handeln in Ausübung eines öffentlichen Amtes . . . . . . . . . . . . . . . b) Amtspflichtverletzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Drittbezogenheit der Amtspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Exkurs: Amtshaftung durch Unterlassen der Neubekanntmachung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Amtshaftung durch fehlerhafte Rechtsanwendung. . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anforderungen an die Sorgfaltspflichten von Privatpersonen. . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

220 220 220

Gerichtliche Überprüfung der Neubekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Abstrakte Normenkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Konkrete Normenkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bundesorganstreitverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Parteifähigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Streitgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Antragsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsschutzbedürfnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Frist und Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

247 247 250 251 251 251 253 253 254 254

I.

220 223 223 224 227 227 228 229 229 230 232 233 235 237 238 242 246

12

Inhaltsverzeichnis IV. Verfassungsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259

J.

Schlussbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Neubekanntmachung als Ergebnis der staatlichen Konsolidierungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Alternativen zur Neubekanntmachung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Parlamentarische Neufassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konstitutive Neubekanntmachung der Exekutive . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonstige Konsolidierungsmöglichkeiten der Exekutive. . . . . . . . . . . . . a) Bundesgesetzblatt Teil III. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Internetpublikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Weitere Anwendungsbereiche der Neubekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Neubekanntmachung von Landesgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Neubekanntmachung des Grundgesetzes bzw. von Landesverfassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Neubekanntmachung von völkerrechtlichen Verträgen . . . . . . . . . . . . . a) Völkerrechtliche Verträge i. S. v. Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG. . . . . . . . b) Völkerrechtliche Verwaltungsabkommen i. S. v. Art. 59 Abs. 2 S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Neubekanntmachung von Rechtsverordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Neubekanntmachung von sonstigen Rechtsakten . . . . . . . . . . . . . . . . . .

261 261 266 266 269 271 271 272 274 274 275 275 276 278 278 281

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 Sachregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292

Abkürzungsverzeichnis a. A. Abs. a. E. a. F. AK Anh AöR Art. AufenthG BAnz. BauGB BayVBl. BayGVBl. BFH BFHE BGB BGBl. BGHSt BGHZ BImSchG BK BRSG BT-Drucks. BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE ders. d.h. dies. DÖV DStR DStZ DVBl. E

anderer Ansicht Absatz am Ende alte Fassung Reihe Alternativkommentare Anhang Archiv für öffentliches Recht Artikel Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet Bundesanzeiger Baugesetzbuch Bayerische Verwaltungsblätter Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundes-Immissionsschutzgesetz Bonner Kommentar zum Grundgesetz Gesetz über die Sammlung des Bundesrechts Deutscher Bundestag, Drucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts derselbe das heißt dieselbe Die Öffentliche Verwaltung Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuer-Zeitung Deutsches Verwaltungsblatt Entscheidung

14 EG EGV Erl. EuGH EuGHE EuGRZ EuZW f. ff. Fn. gem. GG GGO GWB HambGVBl. HbdStR HdR HdS h. M. insb. i. S. v. i. V. m. Jura JuS JZ MDR m. E. n. F. NJW Nr. NVwZ NVwZ-RR NZS RGBl. Rn. S. s. o. sog. StGB u. a. UrhG

Abkürzungsverzeichnis Europäische Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Erläuterungen Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Entscheidungssammlung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und folgende (Seite) und folgende (Seiten) Fußnote gemäß Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt Handbuch des Deutschen Staatsrechts Handbuch der Rechtsförmlichkeit Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland herrschende Meinung insbesondere im Sinne von in Verbindung mit Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung Monatsschrift für Deutsches Recht meines Erachtens neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – Rechtsprechungs-Report Neue Zeitschrift für Sozialrecht Reichsgesetzblatt Randnummer Seite/Satz siehe oben so genannt Strafgesetzbuch unter anderem/und andere Urheberrechtsgesetz

Abkürzungsverzeichnis vgl. VgRÄG VVDStRL VwGO VwVfG WzS ZaöRV z. B. ZG ZPO ZRP ZustAnpG

15

vergleiche Vergaberechtsänderungsgesetz Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Wege zur Sozialversicherung Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel Zeitschrift für Gesetzgebung Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zuständigkeitsanpassungsgesetz

A. Einleitung Der Gesetzgeber sieht sich seit längerem der Kritik ausgesetzt, er produziere zu viele und inhaltlich unverständliche Gesetze. Erst jüngst hatte eine Studie der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft die Qualität der Gesetzgebung des 16. Deutschen Bundestages untersucht und dabei heraus gefunden, dass in dem Zeitraum vom Herbst 2005 bis zum Sommer 2007 insgesamt 698 Rechtsetzungsakte (davon 198 Gesetze und 500 Rechtsverordnungen) erlassen wurden, die zusammengenommen 6250 Seiten des Bundesgesetzblattes füllen.1 Der Großteil dieser Rechtsakte beinhaltete neue Normen und Regelungen; nur 84 dienten der Rechtsbereinigung und damit einer Beseitigung veralteter und überflüssiger Normen. Hinzu kommt, dass 58% der Gesetze und Rechtsverordnungen innerhalb kurzer Zeit schon wieder geändert wurden. Dementsprechend befanden sich unter den 698 Rechtsetzungsakten 467 Änderungsgesetze, die bereits vorhandene Stammgesetze und -verordnungen inhaltlich abänderten. Die letztgenannten Daten belegen die Schnelllebigkeit, unter der die Gesetzgebung gerade in letzter Zeit zunehmend zu leiden hat. Es werden nicht nur immer mehr neue Normen geschaffen, sondern die bestehenden Normen haben zugleich eine immer kürzere „Haltbarkeitsdauer“. Unabhängig von den rechtlichen, politischen und sozialen Ursachen wird dadurch die Ermittlung der geltenden Gesetzeslage für die Rechtsunterworfenen enorm erschwert. Das Bundesgesetzblatt ist längst kein praxistaugliches Nachschlagewerk mehr, sondern nur noch ein Spiegelbild der zahlreichen „Gesetzesbaustellen“. Nur mit großem Fleiß und höchster Akribie lassen sich die rechtlichen Regelungen entschlüsseln, eine Aufgabe, der sich vornehmlich die großen juristischen Verlagshäuser angenommen haben. Aber auch der Staat muss versuchen, den Überblick über seinen eigenen Regelungseifer zu behalten, wozu er sich schon seit längerem elektronischer Datenbanken („juris“) bedient. Von Zeit zu Zeit veröffentlicht er außerdem in einem offiziellen Akt eine vollständige Neufassung einzelner Gesetze im Bundesgesetzblatt, im Folgenden „Neubekanntmachung“ genannt. Die vorliegende Arbeit möchte diesen besonderen Publikationsakt näher untersuchen. Dabei wird sie sich in erster Linie auf die Neubekannt1 Karpen, ZRP 2008, 97; die Studie ist auch im Internet unter www.insm-geset zescheck.de einsehbar.

18

A. Einleitung

machung von Bundesgesetzen konzentrieren, also von solchen Normen, die im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren nach Art. 76 ff. GG, d.h. unter Beteiligung von Bundestag und Bundesrat, zustande gekommen sind (sog. Gesetze im formellen Sinn).2 Nicht in den Untersuchungsgegenstand fallen damit alle sonstigen Rechtsetzungsakte im materiellen Sinn (z. B. Rechtsverordnungen oder Satzungen). Diese Schwerpunktsetzung ist dem Umstand geschuldet, dass sich nur in der erstgenannten Konstellation eine verfassungsrechtliche Konfliktsituation zwischen den ursprünglich vom Parlament beschlossenen Gesetzen und der von der Exekutive vorgenommenen Neubekanntmachung ergeben kann. Auf die in der Praxis ebenfalls regelmäßig anzutreffende Neubekanntmachung von sonstigen Rechtsakten soll am Ende der Arbeit kurz eingegangen werden.3 Die Darstellung beginnt mit einem allgemeinen Überblick über die Entstehung von Gesetzen (B.), wobei insbesondere auf die letzte Phase des Entstehungsprozesses, also die Verkündung im Bundesgesetzblatt, eingegangen werden soll. Auf Grund der zentralen Bedeutung, die das Bundesgesetzblatt nach dem Grundsatz der formellen Publikation einnimmt, bedarf dieses amtliche Publikationsorgan der Bundesrepublik Deutschland ebenfalls einer näheren Betrachtung. Dabei wird sich allerdings zeigen, dass die im Bundesgesetzblatt verkündeten Rechtsnormen häufig nicht ohne weiteres erkennbar sind, sondern grundsätzlich erst noch einer sog. Konsolidierung unterzogen werden müssen, um von den Bürgerinnen und Bürgern richtig wahrgenommen und verstanden werden zu können (C.). In diesem Zusammenhang kommt die Neubekanntmachung von Gesetzen ins Spiel. Nach einem kurzen Überblick über die Geschichte der Neubekanntmachung (D.) wird ausführlich das Neubekanntmachungsverfahren einschließlich des formalen Aufbaus der ministeriellen Neufassung dargestellt (E.). Im Anschluss daran soll versucht werden, die rechtliche Natur und Funktion der Neubekanntmachung von Gesetzen genauer zu ermitteln (F.). Aufgrund der dabei gewonnenen Erkenntnisse kann die Bedeutung und Notwendigkeit einer gesetzlichen Bekanntmachungserlaubnis besser verstanden werden. Zugleich können nunmehr auch deren verfassungsrechtliche Grenzen herausgearbeitet werden (G.). In den letzten Kapiteln ist noch nach den Rechtsfolgen (einschließlich der Haftungsfolgen) einer fehlerhaften Neubekanntmachung (H.) sowie den Möglichkeiten einer gerichtlichen Überprüfung (I.) zu fragen. Im Rahmen der Schlussbetrachtung sollen die Ergebnisse zusammenfassend bewertet und außerdem theoretische Alternativen sowie weitere Anwendungsbereiche der Neubekanntmachung vorgestellt werden (J.). 2

Siehe dazu v. Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Art. 20 Abs. 3, Rn. 263 f.; Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 76, Rn. 1; Maurer, VerwR, § 4, Rn. 12; Schulze-Fielitz, S. 156; Hill, S. 32; Brandner, Gesetzesänderung, S. 15. 3 Siehe unten S. 274 ff.

B. Die Entstehung und Verkündung von Gesetzen I. Überblick über das Gesetzgebungsverfahren Um eine rechtliche Einordnung der Neubekanntmachung von Gesetzen vornehmen zu können, ist es sinnvoll, sich vorher zunächst den Entstehungsprozess von Gesetzen zu vergegenwärtigen. Das in Art. 76 ff. GG geregelte ordentliche Gesetzgebungsverfahren lässt sich grob in drei Abschnitte unterteilen: Einleitungsverfahren, Hauptverfahren und Abschlussverfahren, wobei der Schwerpunkt der folgenden Darstellung entsprechend der hier zu untersuchenden Thematik auf dem letzten Verfahrensabschnitt beruhen soll. 1. Einleitungsverfahren (Art. 76 GG) Am Anfang des Gesetzgebungsverfahrens steht immer ein Gesetzentwurf, der gem. Art. 76 Abs. 1 GG entweder durch die Bundesregierung, aus der Mitte des Bundestages oder durch den Bundesrat eingebracht wird. In der Praxis stammen die meisten Gesetzesvorlagen von Seiten der Bundesregierung.4 Diese werden in der Regel in den zuständigen Fachministerien – gegebenenfalls unter Beteiligung des Bundeskanzleramts – vorbereitet und anschließend als sog. Referentenentwürfe dem Bundeskabinett vorgelegt.5 Dieses berät und entscheidet über den Entwurf, der im Falle seiner Annahme als Regierungsentwurf an den Bundesrat weitergeleitet wird. Damit beginnt das offizielle Einleitungsverfahren, dessen genauer Ablauf sich bei Regierungsvorlagen aus Art. 76 Abs. 2 GG ergibt, hier aber nicht weiter von Belang ist.6

4

Maurer, StR, § 17, Rn. 55; Ipsen, Rn. 223 (dort insb. Fn. 23). Siehe dazu HdS – Ossenbühl, § 102, Rn. 12 ff. 6 Zu den Einzelheiten siehe z. B. Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 76, Rn. 6; Maurer, StR, § 17, Rn. 58. 5

20

B. Die Entstehung und Verkündung von Gesetzen

2. Hauptverfahren (Art. 77–78 GG) Nach Abschluss des Einleitungsverfahrens hat der Bundestag gem. Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG über die Gesetzesvorlage zu entscheiden. Das bedeutet aber nicht, dass das Parlament nur die Möglichkeit hat, den Gesetzentwurf entweder vollumfänglich anzunehmen oder abzulehnen. Vielmehr kann und soll der Bundestag über den Gesetzentwurf ausführlich diskutieren und dabei auch eigene Änderungsvorschläge einbringen. In der Praxis verläuft das Beschlussverfahren daher grundsätzlich in mehreren (in der Regel drei) „Lesungen“, in denen zunächst eine allgemeine Aussprache zu dem Gesetzentwurf stattfindet und schließlich über die konkreten, von den einzelnen Fachausschüssen erarbeiteten Änderungsvorschläge beraten wird.7 Am Ende steht dann im erfolgreichen Falle der mit der parlamentarischen Mehrheit zustande gekommene Gesetzesbeschluss, der den endgültigen Wortlaut des zukünftigen Gesetzes festlegt und deshalb in den nachfolgenden Verfahrensschritten grundsätzlich nicht mehr geändert werden darf (sog. Grundsatz der Unverrückbarkeit).8 Danach wird der Gesetzesbeschluss gem. Art. 77 Abs. 1 S. 2 GG „unverzüglich“ dem Bundesrat zugestellt. Je nachdem, ob es sich um ein Zustimmungs- oder Einspruchsgesetz handelt, hat der Bundesrat die Möglichkeit, seine Zustimmung zu verweigern bzw. Einspruch einzulegen.9 In keinem Fall darf er dabei jedoch eigene Änderungen am Gesetzeswortlaut vornehmen.10 Insofern ist und bleibt der Bundestag das zentrale Gesetzgebungsorgan.11 Allerdings besteht gem. Art. 77 Abs. 2 GG die Option, einen Vermittlungsausschuss einzuberufen, der sich aus Vertretern von Bundestag und Bundesrat zusammensetzt und im Streitfall versuchen soll, einen gemeinsamen Kompromiss zu finden, was natürlich auch eine Abänderung des Gesetzestextes beinhalten kann. Dieser Kompromissvorschlag bedarf jedoch anschließend der erneuten Zustimmung des Bundestages, so dass er in dieser Angelegenheit weiterhin das letzte Wort behält. Auf weitere Einzelheiten des Hauptverfahrens soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Zusammenfassend bleibt daher festzuhalten, dass ein Gesetz als zustande gekommen gilt, wenn eine der Voraussetzun7 Die Einzelheiten zu diesem Beschlussverfahren lassen sich den §§ 78–86 der Geschäftsordnung des Bundestages (GO BT) entnehmen. Verfassungsrechtlich vorgeschrieben ist diese Vorgehensweise allerdings nicht, siehe Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 77, Rn. 2; Ipsen, Rn. 230. 8 Maurer, StR, § 17, Rn. 66; Schneider, Rn. 128; Schorn, S. 80. 9 Siehe dazu Maurer, StR, § 17, Rn. 69. 10 Maurer, StR, § 17, Rn. 77; Schorn, S. 79. 11 Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 77, Rn. 2.

I. Überblick über das Gesetzgebungsverfahren

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gen des Art. 78 GG erfüllt ist, in der Regel also, wenn beide Legislativorgane, Bundestag und Bundesrat, dem Gesetzentwurf zugestimmt haben. Damit ist die parlamentarische Verfahrensbeteiligung zwar beendet, das Gesetz aber noch lange nicht in Kraft. Dazu sind noch weitere Schritte im sog. Abschlussverfahren erforderlich. 3. Abschlussverfahren (Art. 82 GG) Während im Hauptverfahren der demokratische Willensbildungsprozess im Vordergrund stand und somit der materielle Inhalt des Gesetzes festgelegt wurde, geht es im Abschlussverfahren darum, das Ergebnis dieses Willensbildungsprozesses, sprich den Gesetzesbeschluss, ordnungsgemäß abzufassen, zu vervielfältigen und anschließend zu veröffentlichen. Es handelt sich also um ein formelles Verfahren, das sicherstellen soll, dass sich das, was die Volksvertreter beschlossen haben, später auch tatsächlich so in den amtlichen Gesetzesblättern wiederfinden und nachvollziehen lässt. Dabei sind drei wesentliche Verfahrensschritte zu unterscheiden: a) Gegenzeichnung Bevor der Bundespräsident das Gesetz unterschreiben und ausfertigen kann, muss die den Gesetzesbeschluss enthaltende Originalurkunde vom Bundeskanzler oder dem zuständigen Fachminister gegengezeichnet werden.12 Insofern stellt Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG nur klar, was im Grundsatz bereits durch Art. 58 S. 1 GG geregelt ist:13 „Anordnungen und Verfügungen des Bundespräsidenten bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler oder durch den zuständigen Bundesminister.“

In der Praxis erfolgt die Gegenzeichnung gem. § 29 Abs. 1 der Geschäftsordnung der Bundesregierung immer durch den Bundeskanzler und den/die zuständigen Bundesminister. Verfassungsrechtlich geboten ist diese Verschärfung allerdings nicht.14 Durch die Gegenzeichnung soll die Ausfertigung der Gesetze durch den Bundespräsidenten an die vorherige Zustimmung der Bundesregierung gebunden werden.15 Dabei kann das entsprechende Regierungsmitglied die 12

Schmidt-Bleibtreu/Klein – Sannwald, Art. 82, Rn. 8. HdS – Ossenbühl, § 102, Rn. 65. 14 Sachs – Lücke/Nierhaus, Art. 82, Rn. 19; v. Münch/Kunig – Bryde, Art. 82, Rn. 10. 15 v. Münch/Kunig – Bryde, Art. 82, Rn. 10. 13

22

B. Die Entstehung und Verkündung von Gesetzen

Richtigkeit des Gesetzeswortlauts sowie das formell ordnungsgemäße Zustandekommen des Gesetzes überprüfen.16 Umstritten ist, ob ihm darüber hinaus auch eine materielle Prüfungskompetenz zusteht. Die herrschende Meinung bejaht dies zumindest bei offenkundigen und schwerwiegenden materiellen Verfassungsverstößen, da das Regierungsmitglied nicht „sehenden Auges“ ein verfassungswidriges Gesetz gegenzeichnen könne.17 b) Ausfertigung Die Ausfertigung der Gesetze erfolgt gem. Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG durch den Bundespräsidenten. Er tritt hier einmal mehr in seiner Funktion als „Notar des Staates“ auf, indem er die Originalurkunde des Gesetzes erstellt und diese, nach erfolgter Gegenzeichnung durch den Regierungsvertreter (s. o.), unter Hinzufügung der Ausfertigungsformel „Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt. Es ist im Bundesgesetzblatt zu verkünden.“

unterschreibt.18 Das Datum der Unterschrift ist zugleich das Datum, mit dem das neue Gesetz üblicherweise zitiert wird:19 „Gesetz XY vom [Datum der Ausfertigung]“.

Mit seiner Unterschrift beglaubigt der Bundespräsident zugleich die Übereinstimmung der Gesetzesurkunde mit dem vom Parlament beschlossenen Gesetzeswortlaut (Authentizität) sowie das verfassungsgemäße Zustandekommen des Gesetzes in formeller Hinsicht.20 Ob er darüber hinaus auch berechtigt ist, die materielle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zu überprüfen, ist sehr umstritten. Die herrschende Meinung bejaht eine solche materielle Prüfungskompetenz – wie auch schon beim Regierungsmitglied im Rahmen der Gegenzeichnung (s. o.) – zumindest bei schweren und offensichtlichen Verfassungsverstößen.21 Insofern kann der Bundespräsident die Ausfertigung eines Gesetzes mit entsprechender Begründung durchaus ver16

v. Münch/Kunig – Bryde, Art. 82, Rn. 8. Schmidt-Bleibtreu/Klein – Sannwald, Art. 82, Rn. 10; Sachs – Lücke/Nierhaus, Art. 82, Rn. 18; Hallier, AöR 1960, 391 (402 f.); a. A. v. Münch/Kunig – Bryde, Art. 82, Rn. 8; AK – Ramsauer, Art. 82, Rn. 24. 18 Zu weiteren förmlichen Einzelheiten siehe § 59 GGO. 19 v. Mangoldt/Klein/Starck – Brenner, Art. 82, Rn. 19; v. Münch/Kunig – Bryde, Art. 82, Rn. 9. 20 v. Münch/Kunig – Bryde, Art. 82, Rn. 9; Seifert/Hömig – Hömig, Art. 82, Rn. 2; Umbach/Clemens – Rubel, Art. 82, Rn. 10; HdS – Ossenbühl, § 102, Rn. 68 f.; Gröpl, Jura 1995, 641 (642). 21 Siehe statt aller Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 82, Rn. 3 m. w. N. auch zu den Befürwortern einer umfassenden materiellen Prüfungskompetenz. 17

I. Überblick über das Gesetzgebungsverfahren

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weigern. Veränderungen am Gesetzeswortlaut darf er aber – abgesehen von der Berichtigung von Druckfehlern und anderen offenbaren Unrichtigkeiten – unter keinen Umständen vornehmen.22 c) Verkündung Die Ausfertigungsformel des Bundespräsidenten beinhaltet am Ende die Anweisung, das Gesetz „im Bundesgesetzblatt zu verkünden“. Dasselbe ordnet auch Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG an. Verkündung in diesem Sinne bedeutet die amtliche Bekanntgabe des Gesetzeswortlauts in dem dafür vorgesehenen Gesetzblatt.23 Sie stellt damit den letzten Akt im Gesetzgebungsverfahren dar.24 Mit ihr verlässt das Gesetz gewissermaßen die innerstaatliche Sphäre und wird der Öffentlichkeit gegenüber bekannt gegeben. Sie ist mithin so etwas wie die „Geburtsstunde“ des Gesetzes,25 denn „erst mit der Verkündung wird das Gesetz existent, zuvor ist es ein rechtliches nullum“.26 Die Notwendigkeit eines solchen Publikationsaktes versteht sich eigentlich von selbst, da ein Gesetz, welches niemandem bekannt ist, logischerweise auch von niemandem befolgt werden kann.27 Neben diesem staatlichen Durchsetzungsinteresse28 verfolgt die Verkündung aber auch rechtsstaatliche und demokratische Zwecke „im Dienste der Bürger“.29 So führt sie zur Berechenbarkeit des staatlichen Handelns und damit zu mehr Rechtssicherheit.30 Zwar hat es in der Vergangenheit immer wieder Fälle von „Geheimgesetzen“ gegeben, die, nachdem sie ausgefertigt worden waren, allenfalls den obersten Behörden mitgeteilt, ansonsten jedoch streng geheim gehalten wurden.31 Solche „Gesetze im Panzerschrank“32 lassen sich 22 BK – Maurer, Art. 82, Rn. 106, 115; v. Mangoldt/Klein/Starck – Brenner, Art. 82, Rn. 16; Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 82, Rn. 2. 23 Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 82, Rn. 5; Schmidt-Bleibtreu/Klein – Sannwald, Art. 82, Rn. 24; Maurer, StR, § 17, Rn. 93. 24 AK – Ramsauer, Art. 82, Rn. 25; Stern, Band II, § 37 III 10; Hallier, AöR 1960, 391 (405). 25 Gröpl, Jura 1995, 641 (642). 26 Hey, NJW 2007, 408; ähnlich AK – Ramsauer, Art. 82, Rn. 25; Hill, S. 131. 27 Friauf/Höfling – Guckelberger, Art. 82, Rn. 65; Kirchhof, DÖV 1982, 397 (398); Merten, S. 301, 303; Maurer, StR, § 17, Rn. 93; David, Art. 52, Rn. 15; Nawiasky/Schweiger/Knöpfle – Schweiger, Art. 76, Rn. 5. 28 Dazu Wittling, S. 97 ff. 29 Wittling, S. 101 ff., 120 ff. 30 Wittling, S. 123 ff.; Tomuschat, S. 466; Heydt, S. 465; Maurer, StR, § 17, Rn. 93. 31 Dazu mit Beispielen Schneider, Rn. 482; Wittling, S. 91 ff.; Konzelmann, Rechtsbereinigung, S. 94. 32 Schneider, Rn. 482.

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B. Die Entstehung und Verkündung von Gesetzen

aber mit unserem modernen Verständnis vom Rechtsstaat, in dem für jeden Bürger jederzeit die Möglichkeit bestehen muss, sich Kenntnis vom Inhalt der Gesetze zu verschaffen und sein Verhalten danach einzurichten,33 nicht vereinbaren.34 Die Verkündung setzt weiterhin voraus, dass das Gesetz grundsätzlich mit seinem vollständigen Wortlaut einschließlich aller Anhänge und Anlagen in dem Gesetzblatt veröffentlicht wird (sog. Vollständigkeitsprinzip).35 Die Bürger sollen also allein aus dem Gesetzblatt alle notwendigen Informationen beziehen können. Allerdings werden bei sehr umfangreichen Anlagen teilweise Ausnahmen zugelassen, soweit deren vollständiger Abdruck das Gesetzblatt übermäßig belasten würde.36 Ebenso ist es seit langem anerkannt, dass auf Rechtsnormen, die nicht im Bundesgesetzblatt, sondern in einem anderen amtlichen Publikationsorgan veröffentlicht worden sind, verwiesen werden darf.37 Welches Verfassungsorgan für die Verkündung zuständig ist, lässt sich dem Grundgesetz nicht genau entnehmen. Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG besagt, dass die Gesetze „vom Bundespräsidenten nach Gegenzeichnung ausgefertigt und im Bundesgesetzblatte verkündet“ werden, weshalb ein Teil der Literatur den Bundespräsidenten als das für die Verkündung originär zuständige Staatsorgan ansieht.38 Andere verweisen dagegen auf § 60 der Ge33

Siehe BVerfGE 16, 6 (17). Tomuschat, S. 465; Heydt, S. 463. Selbst die Vorschriften für den Verteidigungsfall sehen deshalb gem. Art. 115d Abs. 3 i. V. m. Art. 115a Abs. 3 S. 2 GG grundsätzlich eine Verkündung im Bundesgesetzblatt vor. Sollte dies aus tatsächlichen Gründen nicht möglich sein, kommt auch eine Verkündung in anderer Weise in Betracht (z. B. im Rundfunk oder in der Tagespresse, vgl. § 3 des Gesetzes über vereinfachte Verkündungen und Bekanntgaben). Die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt ist dann aber nachzuholen, sobald die Umstände es zulassen. 35 AK – Ramsauer, Art. 82, Rn. 27; BK – Maurer, Art. 82, Rn. 101; Dreier – Bauer, Art. 82, Rn. 19; Friauf/Höfling – Guckelberger, Art. 82, Rn. 71; Jarass/ Pieroth – Pieroth, Art. 82, Rn. 5; v. Mangoldt/Klein/Starck – Brenner, Art. 82, Rn. 31; Sachs – Lücke/Nierhaus, Art. 82, Rn. 22; Brandner, Gesetzesänderung, S. 50. 36 Siehe BVerfGE 20, 56 (93) zum Haushaltsgesetz; Walker, JurPC Web-Dok. 155/2005, Abs. 6 ff. mit weiteren Beispielen; in der Literatur wird jedoch eine sehr zurückhaltende Anwendung dieser Ausnahme gefordert, so z. B. von v. Mangoldt/ Klein/Starck – Brenner, Art. 82, Rn. 31; Friauf/Höfling – Guckelberger, Art. 82, Rn. 71; BK – Maurer, Art. 82, Rn. 102; Umbach/Clemens – Rubel, Art. 82, Rn. 26. Außerdem ist dafür zu sorgen, dass die Bürger auf andere vertretbare Weise von den nicht im Bundesgesetzblatt abgedruckten Anlagen Kenntnis erlangen können. 37 AK – Ramsauer, Art. 82, Rn. 33 f.; BK – Maurer, Art. 82, Rn. 108; Dreier – Bauer, Art. 82, Rn. 19; Leibholz/Rinck – Burghart, Art. 82, Rn. 36; v. Mangoldt/ Klein/Starck – Brenner, Art. 82, Rn. 32; Seifert/Hömig – Hömig, Art. 82, Rn. 6. 38 v. Münch/Kunig – Bryde, Art. 82, Rn. 11; Sachs – Lücke/Nierhaus, Art. 82, Rn. 24; Schmidt-Bleibtreu/Klein – Sannwald, Art. 82, Rn. 25; Friauf/Höfling – Gu34

I. Überblick über das Gesetzgebungsverfahren

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meinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO), dessen Satz 1 lautet: „Das Bundespräsidialamt leitet das von der Bundespräsidentin oder vom Bundespräsidenten ausgefertigte Gesetz der Schriftleitung des Bundesgesetzblattes zur Verkündung im Bundesgesetzblatt zu.“

Da die Schriftleitung des Bundesgesetzblattes momentan beim Bundesministerium der Justiz liegt, gehen sie davon aus, dass der Bundesregierung die Kompetenz zur Verkündung der vom Bundespräsidenten ausgefertigten Gesetze zukomme.39 Dagegen lässt sich jedoch einwenden, dass es sich bei der GGO lediglich um einen internen Organisationsakt der Bundesregierung handelt, der die Kompetenzen der Verfassungsorgane nicht berühren kann.40 Der Verfassungswortlaut spricht eher für die erste Ansicht, wonach der Bundespräsident die alleinige Verkündungskompetenz innehat. Diese übt er durch die Ausfertigungsformel aus, die einen Verkündungsbefehl an die Exekutive enthält.41 Während der Bundespräsident also mit der Ausfertigung auch über die Verkündung entscheidet, wird die Bundesregierung lediglich mit deren technischem Vollzug beauftragt.42 Ohne den im Rahmen der Ausfertigung erteilten Verkündungsbefehl ist die Bundesregierung daher nicht befugt, den Gesetzestext im Bundesgesetzblatt abzudrucken. Mit dem Abdruck eines Gesetzes im Bundesgesetzblatt ist die Verkündung aber noch nicht ganz abgeschlossen. Sie setzt schließlich noch die Ausgabe der fertigen Exemplare des Bundesgesetzblattes voraus, denn erst zu diesem Zeitpunkt hat das Gesetz den staatlichen Einflussbereich endgültig verlassen. Das Ausgabedatum bestimmt damit zugleich das Verkündungsdatum.43 Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist die Verkündung bereits „mit dem Inverkehrbringen des ersten Stückes der jeweiligen Nummer des Geckelberger, Art. 82, Rn. 69; Sahlmüller, S. 80; die dabei zum Teil auch auf die deutsche Verfassungstradition Bezug nehmen. 39 v. Mangoldt/Klein/Starck – Brenner, Art. 82, Rn. 29; AK – Ramsauer, Art. 82, Rn. 25; Maurer, StR, § 17, Rn. 95; ders. in: BK, Art. 82, Rn. 95. 40 Vgl. Kuntz, JurPC Web-Dok. 151/2006, Abs. 31. 41 Sachs – Lücke/Nierhaus, Art. 82, Rn. 24; v. Münch/Kunig – Bryde, Art. 82, Rn. 11; Zippelius/Würtenberger, § 45, Rn. 86; Sahlmüller, S. 80 f.; Stern, Band II, § 37 III 10 a); Hallier, AöR 1960, 391 (406); ähnlich Schmidt-Bleibtreu/Klein – Sannwald, Art. 82, Rn. 22, nach dem die Ausfertigung eine „Ermächtigung“ an die Bundesregierung beinhaltet, die Verkündung vorzunehmen; a. A. BK – Maurer, Art. 82, Rn. 94, 96, der in dem Verkündungsbefehl einen nicht nur überflüssigen, sondern auch verfehlten und irreführenden Ausdruck der früheren Gesetzgebungsgewalt des Monarchen sieht. 42 v. Münch/Kunig – Bryde, Art. 82, Rn. 11; Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 82, Rn. 5; Maunz/Dürig – Maunz, Art. 82, Rn. 7; Stern, Band II, § 37 III 10 a); Hallier, AöR 1960, 391 (406). 43 v. Mangoldt/Klein/Starck – Brenner, Art. 82, Rn. 30.

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B. Die Entstehung und Verkündung von Gesetzen

setzblattes bewirkt“ (sog. Entäußerungstheorie).44 Die überwiegende Literatur möchte dagegen auf einen späteren Zeitpunkt abstellen, nämlich auf den Tag, an dem das Bundesgesetzblatt der Mehrheit seiner Abonnenten auch tatsächlich zugegangen ist, weil diese frühestens zu jenem Zeitpunkt von dem Gesetz Kenntnis erlangen können.45 Das Bundesministerium der Justiz wählt daher in der Praxis einen Kompromiss, indem es in der Kopfzeile des Bundesgesetzblattes als amtliches Ausgabedatum immer denjenigen Werktag angibt, der dem Tag der Einlieferung bei der Post folgt. Aufgrund der regelmäßig eintägigen Versanddauer kann nämlich davon ausgegangen werden, dass zu diesem Zeitpunkt die große Mehrheit der Abonnenten ihre Ausgabe des Bundesgesetzblattes tatsächlich erhalten hat.46 Folglich sollte dieses Datum grundsätzlich als wirksames Verkündungsdatum angenommen werden,47 was allerdings nicht ausschließt, dass diese Annahme in besonderen Fällen (z. B. bei einem Poststreik) widerlegt werden kann.48 Das Verkündungsdatum, also gewissermaßen das „Geburtsdatum“ des Gesetzes, sollte nicht mit dem Ausfertigungsdatum, dem an sich keine besondere rechtliche Bedeutung zukommt, verwechselt werden. Die beiden Daten stimmen meistens nicht überein, da zwischen der Ausfertigung der Gesetzesurkunde durch den Bundespräsidenten und der Ausgabe des Bundesgesetzblattes notwendigerweise noch die drucktechnische Vervielfältigung erfolgt, die in der Regel einige Tage in Anspruch nimmt.49 Ebenfalls streng vom Tag der Verkündung zu unterscheiden ist der Tag des Inkrafttretens eines Gesetzes.50 Ein verkündetes Gesetz ist zwar bereits als solches existent, es entfaltet aber unter Umständen noch keine rechtlichen Wirkungen.51 Während das Verkündungsdatum ausschließlich von 44 BVerfGE 87, 48 (60); siehe auch E 16, 6 (18 ff.); ebenso Seifert/Hömig – Hömig, Art. 82, Rn. 5; Schmidt-Bleibtreu/Klein – Sannwald, Art. 82, Rn. 28; Leibholz/Rinck – Burghart, Art. 82, Rn. 18. 45 Dreier – Bauer, Art. 82, Rn. 18; v. Mangoldt/Klein/Starck – Brenner, Art. 82, Rn. 30; BK – Maurer, Art. 82, Rn. 99; v. Münch/Kunig – Bryde, Art. 82, Rn. 12; AK – Ramsauer, Art. 82, Rn. 28; Sahlmüller, S. 94, lässt dagegen schon den Zugang bei einem „ganz geringen Prozentsatz“ der Abonnenten ausreichen. 46 AK – Ramsauer, Art. 28, Rn. 28; Gröpl, Jura 1995, 641 (643); zweifelnd BK – Maurer, Art. 82, Rn. 100, der eher für eine Dreitagesfrist plädiert. 47 So auch Sachs – Lücke/Nierhaus, Art. 82, Rn. 20; Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 82, Rn. 6. 48 Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 82, Rn. 6; v. Mangoldt/Klein/Starck – Brenner, Art. 82, Rn. 30; v. Münch/Kunig – Bryde, Art. 82, Rn. 12; Umbach/Clemens – Rubel, Art. 82, Rn. 28. 49 Gröpl, Jura 1995, 641 (642). 50 HdS – Ossenbühl, § 102, Rn. 74. 51 Dreier – Bauer, Art. 82, Rn. 25; Leibholz/Rinck – Burghart, Art. 82, Rn. 126; Friauf/Höfling – Guckelberger, Art. 82, Rn. 74; Müller, DVBl. 1962, 589.

I. Überblick über das Gesetzgebungsverfahren

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einem tatsächlichen Vorgang, nämlich der Ausgabe des Bundesgesetzblattes, abhängt und somit vom Gesetzgeber nicht im Voraus festgelegt werden kann, sieht das Grundgesetz in Art. 82 Abs. 2 S. 1 vor, dass das Gesetz den Tag des Inkrafttretens selbst bestimmen soll. Die Bestimmung des Zeitpunkts des Inkrafttretens ist folglich nicht Teil des Verkündungsverfahrens, sondern ergibt sich vielmehr bereits aus dem Gesetzesinhalt.52 So kann der Gesetzgeber in einem Gesetz regeln, dass dieses gleichzeitig mit der Verkündung oder erst eine bestimmte Zeit danach, zu einem bestimmten Datum oder nach Eintritt einer bestimmten Bedingung53 in Kraft treten soll. Dies geschieht in der Regel in einem eigenen Paragraphen mit der Überschrift „Inkrafttreten“. Das Gesetz wird dann erst von diesem Zeitpunkt an Rechtswirkungen entfalten. Unter bestimmten Voraussetzungen kann es aber auch zulässig sein, den Zeitpunkt des Inkrafttretens vor den Zeitpunkt der Verkündung zu legen.54 So regelt z. B. Art. VIII § 4 Abs. 1 des Siebenten Gesetzes über die Erhöhung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern vom 20. März 197955, dass das Gesetz mit Wirkung vom 1. März 1978 in Kraft tritt, obwohl es erst am 24. März 1979 verkündet wurde. Ebenso trat das Gesetz zur Sicherstellung einer Übergangsregelung für die Umsatzbesteuerung von Alt-Sportanlagen vom 1. September 200256 gem. seinem Art. 2 rückwirkend zum 15. Oktober 2001 in Kraft, obwohl es erst am 5. September 2002 verkündet worden war. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine solche „offene Rückwirkung“57 mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar, wenn der Betroffene zum Zeitpunkt des Inkrafttretens kein Vertrauen mehr in den Fortbestand der aktuellen Rechtslage haben konnte, 52

v. Münch/Kunig – Bryde, Art. 82, Rn. 15; Seifert/Hömig – Hömig, Art. 82, Rn. 9; Maurer, StR, § 17, Rn. 97; Hey, NJW 2007, 408 (409). 53 Zumindest soweit es sich bei der Bedingung um ein „mit großer Wahrscheinlichkeit erwartetes bestimmtes Ereignis“ handelt, siehe BVerfGE 42, 263 (285); ebenso Schmidt-Bleibtreu/Klein – Sannwald, Art. 82, Rn. 49; v. Münch/Kunig – Bryde, Art. 80, Rn. 18; AK – Ramsauer, Art. 82, Rn. 42; a. A. Sachs – Lücke/Nierhaus, Art. 82, Rn. 38; Dreier – Bauer, Art. 82, Rn. 27. 54 Dreier – Bauer, Art. 82, Rn. 26; Sachs – Lücke/Nierhaus, Art. 82, Rn. 37; v. Münch/Kunig – Bryde, Art. 82, Rn. 17; Schmidt-Bleibtreu/Klein – Sannwald, Art. 82, Rn. 47; v. Mangoldt/Klein/Starck – Brenner, Art. 82, Rn. 42; AK – Ramsauer, Art. 82, Rn. 41; HdS – Ossenbühl, § 102, Rn. 75. 55 BGBl. I 1979, 357. 56 BGBl. I 2002, 3441. 57 Siehe Pieroth, S. 97 f., nach dem zwischen einer „offenen“ und einer „verdeckten“ Rückwirkung zu unterscheiden ist. Während das Gesetz im ersten Fall bereits vor der Verkündung formell in Kraft treten soll, tritt es im zweiten Fall zwar erst nach der Verkündung in Kraft, regelt dabei jedoch in zeitlicher Hinsicht einen Sachverhalt, der bis vor den Zeitpunkt der Verkündung zurückreicht.

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B. Die Entstehung und Verkündung von Gesetzen

z. B. weil die Gesetzesänderung wegen eines entsprechenden Beschlusses des Bundestages bereits vorhersehbar war.58 Sollte ein Gesetz ausnahmsweise den Tag seines Inkrafttretens nicht selbst bestimmen, so greift die Fiktion des Art. 82 Abs. 2 S. 2 GG ein. Danach tritt das Gesetz „mit dem vierzehnten Tage nach Ablauf des Tages in Kraft, an dem das Bundesgesetzblatt ausgegeben worden ist“. Das Ausgabedatum entspricht dabei dem oben erläuterten Verkündungsdatum, also dem auf die Einlieferung des Bundesgesetzblattes bei der Post folgenden Werktag, so wie er auch in der Kopfzeile des Bundesgesetzblattes vermerkt wird.59

II. Das Bundesgesetzblatt als zentrales Verkündungsorgan der Bundesrepublik Deutschland Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG überlässt die Art und Weise der Verkündung eines Bundesgesetzes nicht dem Gesetzgeber oder dem Bundesministerium der Justiz, sondern ordnet an, dass die Gesetze zwingend im Bundesgesetzblatt zu verkünden sind. Veröffentlichungen in anderen Blättern (z. B. in Tageszeitungen) oder mittels anderer Medien (z. B. Rundfunk, Internet60), mögen sie auch jedem zugänglich und unter Umständen sogar viel weiter verbreitet sein als das amtliche Gesetzblatt, sind grundsätzlich61 nicht ordnungsgemäß und können folglich das Inkrafttreten eines Gesetzes nicht bewirken.62 Die Bekanntgabe der Gesetze soll also nicht irgendwie erfolgen, sondern einzig und allein „durch Abdruck in einem eigens dazu bestimmten ständigen staatlichen Mitteilungsblatt für die Öffentlichkeit“63, 58 Sog. Vorhersehbarkeitsrechtsprechung, vgl. BVerfGE 1, 264 (280); E 13, 261 (273); E 27, 167 (173 f.); E 30, 272 (286 f.); E 72, 200 (260 f.); kritisch dazu Zuck, NJW 2002, 3066; Hey, NJW 2007, 408 (410 f.). 59 HdS – Ossenbühl, § 102, Rn. 77. 60 Zu der Möglichkeit, in Zukunft auch Gesetze über das Internet zu verkünden, siehe unten S. 42. 61 Eine Ausnahme hiervon gilt gem. Art. 115d Abs. 3 i. V. m. Art. 115a Abs. 3 S. 2 GG im Verteidigungsfall, wenn eine rechtzeitige Verkündung im Bundesgesetzblatt nicht möglich sein sollte. Nach § 3 des Gesetzes über vereinfachte Verkündungen und Bekanntgaben vom 18. Juli 1975 kann in diesem Fall die Verkündung im Rundfunk (Hörfunk, Fernsehen), in der Tagespresse oder durch Aushang an den für amtliche Bekanntmachungen vorgesehenen Stellen bei den Verwaltungen der Gemeinden und Landkreise erfolgen. Die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt ist aber nachzuholen, sobald die Umstände es zulassen (§ 1 Abs. 2). 62 Ossenbühl, DVBl. 1967, 401 (406); AK – Ramsauer, Art. 82, Rn. 25; Maunz/ Dürig – Maunz, Art. 82, Rn. 7; Friauf/Höfling – Guckelberger, Art. 82, Rn. 67. 63 Schneider, Rn. 483.

II. Das Bundesgesetzblatt

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sog. Grundsatz der formellen Publikation. Im Folgenden soll daher, nach einem kurzen Rückblick auf die Geschichte der Gesetzespublikation, die Bedeutung des Bundesgesetzblattes als amtliches Verkündungsorgan der Bundesrepublik Deutschland näher betrachtet werden. Diese Betrachtung könnte interessante Rückschlüsse auf die Funktion der Neubekanntmachung zulassen, da diese, ebenso wie die förmlichen Gesetze, im Bundesgesetzblatt abgedruckt wird. 1. Historischer Überblick über die Gesetzespublikation in Deutschland Im Hoch- und Spätmittelalter (bis ca. 1500 n. Chr.) hatte die Publikation von Gesetzen, wenn überhaupt, nur eine sehr geringe Bedeutung. Das lässt sich im Wesentlichen darauf zurückführen, dass die Menschen zu dieser Zeit nicht von einer künstlich geschaffenen, sondern von einer schon ewig vorhandenen natürlichen Rechtsordnung ausgingen. Diese formte sich im Rechtsbewusstsein des Volkes und wurde so von Generation zu Generation weitergegeben und -entwickelt. Das bedeutet jedoch nicht, dass es damals gar keine schriftlichen Dokumente gab. Von Zeit zu Zeit veranlassten die Herrscher oder reiche Adelige eine Zusammenstellung des geltenden Rechts, wie z. B. den zwischen 1220 und 1230 angefertigten „Sachsenspiegel“. Wie aber der Titel schon andeutet, hielten diese Gesetzessammlungen in der Regel nur das bereits existierende Recht fest, spiegelten es quasi auf Papier wider. Sie dienten in erster Linie der Rechtsfindung, weniger der Rechtsetzung.64 Insofern war auch eine Bekanntmachung an die Bevölkerung überflüssig, da diese das Recht ja im Laufe der Zeit selbst geformt hatte, es ihr also eigentlich schon längst bekannt sein musste. Zudem waren viele Gesetzesaufzeichnungen noch in lateinischer Sprache verfasst, so dass sie sowieso nur einem kleinen Teil der Bevölkerung inhaltlich zugänglich waren. Hin und wieder wurden die Gesetze aber trotzdem öffentlich bekannt gemacht, dann allerdings nicht mit dem Ziel, neues Recht zu verkünden, sondern mit der Absicht, das bereits vorhandene Recht wieder in Erinnerung zu rufen, damit es nicht in Verfall gerät und sich später niemand mit seiner tatsächlichen Unwissenheit entschuldigen konnte.65 Insgesamt lässt sich daher festhalten, dass diese Art der Gesetzespublikation noch keine konstitutive, sondern lediglich deklaratorische Wirkung hatte. In der darauf folgenden frühen Neuzeit (ca. 1500–1648) änderte sich zunächst wenig an der relativ unbedeutenden Rolle der Gesetzespublikation. 64 Ebenso die nachfolgenden chronologischen oder systematischen Gesetzessammlungen in den deutschen Territorien; siehe Holzborn, S. 135 ff. 65 Wittling, S. 12 f.

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B. Die Entstehung und Verkündung von Gesetzen

Allerdings vollzog sich in den Territorien des Heiligen Römischen Reiches ein allmählicher Wechsel von einer natürlichen hin zu einer positiven Rechtsordnung, deren Regeln nun zunehmend von einer höheren Instanz beschlossen wurden und gestaltend in das Leben der Bürger eingriffen. Es entwickelte sich das erste Polizeirecht mit dem Zweck, die öffentliche Ordnung zu sichern bzw. wiederherzustellen.66 Das Gesetz spiegelte nicht mehr nur das geltende Recht wider, sondern stellte neue Ge- und Verbote auf. Es erhielt den ihm typischen Regelungscharakter. Dennoch wurde weiterhin auf eine allgemeine Publikation verzichtet. Zwar hatten sich die Bedingungen für eine schnelle Vervielfältigung und Veröffentlichung der Gesetzestexte mit der Erfindung des Buchdrucks schlagartig verbessert,67 eine Bekanntgabe erfolgte trotzdem nur gegenüber den Landesfürsten und Reichsständen. Diese waren sodann für die Weiterverbreitung zuständig, insbesondere für die Bekanntgabe an die einzelnen Amtswalter und Gerichte. Das einfache Volk wurde dagegen nur selten in die Publikationskette mit einbezogen. Das änderte sich nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges (1648 n. Chr.) mit dem Beginn des Absolutismus und der damit einhergehenden Konzentration sämtlicher weltlicher Macht bei den Fürsten und Königen. Um die Ordnung im Lande wieder herzustellen, bedienten sie sich vermehrt der Gesetze als effektives Macht- und Ordnungsinstrument. Dabei ging es ihnen nicht mehr nur um die Findung und Bewahrung des Altbewährten, sondern um die Neugestaltung der Gesellschaftsordnung. Das mittelalterliche Modell der reinen Rechtsfindung verschwand und wurde durch den schöpferischen Gesetzgeber ersetzt. Dies erforderte jedoch auch ein Umdenken bei der Gesetzespublikation. So setzte sich allmählich die Erkenntnis durch, dass die Gesetzgebung als modernes Herrschaftsinstrument nur dann funktionieren konnte, wenn die Gesetze klar und verständlich verfasst und der Bevölkerung so weit wie möglich bekannt waren.68 Die Verständlichkeit versuchte man durch umfassende Kodifikationen in deutscher Sprache zu erreichen. Als bedeutendes Beispiel sei hier das Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten (ALR) von 1794 genannt. Die Bekanntmachung der Gesetze sollte nunmehr direkt gegenüber dem Volk als dem primären Normadressaten erfolgen, und zwar „an öffentlichem und schicklichem Ort, zu schicklicher Zeit und in einer jedem Untertanen verständlichen Sprache“.69 Dies konnte sowohl schriftlich mittels Aushang oder Verteilung von Gesetzestexten als auch mündlich im Wege der öffentlichen Verlesung ge66 67 68 69

Wittling, S. 18. Holzborn, S. 29 f. Wittling, S. 22 f. Siehe Holzborn, S. 134.

II. Das Bundesgesetzblatt

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schehen. Dabei ließ man sich zunächst noch von der Idee einer rein materiellen Publikation leiten, also von einer tatsächlichen Bekanntgabe an eine möglichst große Anzahl von Normadressaten. Mit der Rezeption des Römischen Rechts fand auch der Grundsatz „ignorantia iuris nocet“ wieder Aufnahme in das geltende Recht.70 Dieser Grundsatz besagt, dass die fehlende Kenntnis der Rechtslage kein Entschuldigungsgrund sein kann und schafft damit eine wesentliche Voraussetzung für die formelle Publikation von Gesetzen. Der Vorteil der formellen Publikation liegt darin, dass der Gesetzgeber nun nicht mehr verpflichtet ist, jedem Normadressaten alle neuen Gesetze tatsächlich bekannt zu machen, sondern die Normadressaten ihrerseits gehalten sind, sich selbständig über neue Gesetze zu informieren. Das setzt also nicht mehr eine aktive Informationstätigkeit durch den Staat, sondern nur noch die passive Bereitstellung einer allgemein zugänglichen Informationsquelle voraus. Als solche kommt neben den nach wie vor zulässigen öffentlichen Aushängen nunmehr insbesondere auch ein zentrales, vom Staat herausgegebenes und für jedermann einsehbares Mitteilungs- bzw. Gesetzblatt in Betracht. Die Veröffentlichung eines Gesetzes in einem solchen Mitteilungsblatt setzt dieses gegenüber allen potentiellen Normadressaten in Kraft, unabhängig davon, ob diese tatsächlich Einsicht genommen und damit Kenntnis erlangt haben oder nicht.71 Das erste staatliche Mitteilungsblatt in diesem Sinne wurde 1793 unter der Bezeichnung „Bulletin des lois de la République“ durch die französische Nationalversammlung eingerichtet. Zunächst diente es noch vorwiegend dazu, das legislative Monopol der Nationalversammlung durch eine „eindeutige, authentische und außenwirksame Festlegung des Gesetzesinhalts“ gegenüber den zuvor für die Verkündung von Gesetzen allein zuständigen Gerichtshöfen abzusichern.72 Zwei Jahre später wurde aber zusätzlich angeordnet, dass zur Geltung eines Gesetzes nicht mehr seine tatsächliche Verlautbarung vor Ort, sondern allein die Veröffentlichung im „Bulletin“ maßgeblich sei.73 Damit hatte das formelle Publikationsprinzip das bis dato geltende materielle Publikationsprinzip weitgehend abgelöst, das „Bulletin“ war mithin zum „Stammvater sämtlicher jetzt bestehender Gesetzesblätter“ geworden.74 70

Wittling, S. 28. Dieser Grundsatz gilt auch noch heute, siehe AK – Ramsauer, Art. 82, Rn. 25; Leibholz/Rinck – Burghart, Art. 82, Rn. 16; Seifert/Hömig – Hömig, Art. 82, Rn. 10; Friauf/Höfling – Guckelberger, Art. 82, Rn. 68; dies. in: DVBl. 2007, 985 (986); Sahlmüller, S. 71. 72 Wittling, S. 24. 73 Holzborn, S. 152. 74 So Schneider, Rn. 483, Fn. 23. 71

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B. Die Entstehung und Verkündung von Gesetzen

In den deutschen Territorialstaaten vollzog sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts eine ähnliche Entwicklung weg von der materiellen hin zu einer rein formellen Publikation in einem zentralen staatlichen Gesetzblatt.75 Den Anfang machte 1799 das Königreich Bayern mit der Einführung des „Kurpfalzbayrischen Regierungs- und Intelligenzblattes“. Die anderen deutschen Königreiche folgten nach und nach, wobei aber teilweise auch noch eine umfassende materielle Publikationspflicht beibehalten wurde, z. B. dergestalt, dass neben der Veröffentlichung im jeweiligen Gesetzblatt zur Wirksamkeit zusätzlich eine tatsächliche Bekanntgabe vor Ort (beispielsweise durch Aushang) erfolgen musste. Ein weiteres wichtiges Vorbild für die späteren Reichsgesetzblätter war die 1811 begründete „Gesetzessammlung für die Königlichen Preußischen Staaten“.76 Die Geschichte der gesamtdeutschen Gesetzesblätter beginnt mit der ersten Ausgabe des Reichsgesetzblattes von 1848 und dem darin verkündeten „Reichsgesetz betreffend die Verkündung der Reichsgesetze und der Verfügungen der provisorischen Zentralgewalt“ vom 27. September 1848: „Art. 1. Die Verkündigung der Reichsgesetze geschieht durch den Reichsverweser. Er vollzieht dieselbe durch die Reichsminister. Art. 2. Der betreffende Minister macht das Gesetz durch Abdruck in dem Reichsgesetzblatte bekannt, und theilt es zugleich den Einzel-Regierungen zum Zwecke der örtlichen Veröffentlichung mit. Art. 3. Die verbindende Kraft eines Gesetzes beginnt – falls es nicht selbst einen anderen Zeitpunct feststellt – für ganz Deutschland mit dem zwanzigsten Tage nach dem Ablaufe desjenigen Tages, an welchem das betreffende Stück des Reichsgesetzblattes in Frankfurt ausgegeben wird. Der Tag der Herausgabe in Frankfurt wird auf dem Blatte angegeben. Art. 4. Das Reichsgesetzblatt ist auch das amtliche Organ zur Veröffentlichung der Vollziehungsverordnungen der provisorischen Centralgewalt.“

Art. 3 setzte eine einheitliche Frist für das Inkrafttreten von Gesetzen von zwanzig Tagen ab der Verkündung im Reichsgesetzblatt fest. Daraus folgt, dass sich das formelle Publikationsprinzip mittlerweile in ganz Deutschland durchgesetzt hatte. Allerdings hatte gem. Art. 2 zusätzlich eine materielle Publikation vor Ort zu erfolgen, die jedoch auf das Inkrafttreten des Gesetzes ohne Einfluss blieb. Die Verfassung des Norddeutschen Bundes vom 16. April 1867 begründete das „Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes“ und regelte in Art. 2 diesbezüglich: 75 76

Siehe dazu ausführlich Holzborn, S. 154 ff. Siehe Heydt, S. 466.

II. Das Bundesgesetzblatt

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„Die Bundesgesetze erhalten ihre verbindliche Kraft durch ihre Verkündigung von Bundes wegen, welche vermittelst eines Bundesgesetzblattes geschieht. Sofern nicht in dem publizirten Gesetze ein anderer Anfangstermin seiner verbindlichen Kraft bestimmt ist, beginnt die letztere mit dem vierzehnten Tage nach dem Ablauf desjenigen Tages, an welchem das betreffende Stück des Bundesgesetzblattes in Berlin ausgegeben worden ist.“

In der 16. Ausgabe des Bundesgesetzblattes des Norddeutschen Bundes wurde am 16. April 1871 die „Verfassung des Deutschen Reichs“ verkündet, deren Art. 2 fast inhaltsgleich lautete: „Die Reichsgesetze erhalten ihre verbindliche Kraft durch ihre Verkündigung von Reichswegen, welche vermittelst eines Reichsgesetzblattes geschieht. Sofern nicht in dem publizirten Gesetze ein anderer Anfangstermin seiner verbindlichen Kraft bestimmt ist, beginnt die letztere mit dem vierzehnten Tage nach dem Ablauf desjenigen Tages, an welchem das betreffende Stück des Reichsgesetzblattes in Berlin ausgegeben worden ist.“

Spätestens mit Beginn des Norddeutschen Bundes und ihm folgend des Kaiserreichs verfügte Deutschland also über ein Gesetzblatt im modernen Sinne, in welchem alle Gesetze mit konstitutiver Wirkung verkündet wurden. Eine darüber hinausgehende materielle Publikationspflicht des Staates war fortan nicht mehr gegeben.77 Vielmehr waren die Rechtsadressaten von nun an verpflichtet, sich selbständig anhand der regelmäßigen Veröffentlichungen des Reichsgesetzblattes über die aktuelle Gesetzeslage zu informieren. Um eine solche Kenntnisnahme zu ermöglichen, sah die Reichverfassung eine 14-tägige Frist von der Ausgabe des Reichsgesetzblattes bis zum Inkrafttreten der darin veröffentlichten Gesetze vor. An dieser grundlegenden Situation hat sich auch durch die beiden nachfolgenden Verfassungen, sprich Art. 71 der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 191978 und – wie bereits gesehen – Art. 82 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 194979, nichts Wesentliches mehr geändert.80 Lediglich der Titel „Reichsgesetzblatt“ ist mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wieder in „Bundesgesetzblatt“ umgeändert worden. Dieses erscheint nun seit dem 23. Mai 1949 in leicht veränderter Aufmachung und mit neuer Nummerierung. Die Notwendigkeit eines solchen Gesetzblattes wurde dabei wohl als selbstverständlich vorausgesetzt, denn ein Gesetz, welches die Einrichtung und den Inhalt des Bundesgesetzblattes regelt, ist jedenfalls bis heute nicht erlassen worden.81 77 78 79 80 81

Stern, Band II, § 37 III 10. RGBl. 1919, 1383 (1396). BGBl. 1949, 1 (11). Wittling, S. 119. Schneider, Rn. 483; Heydt, S. 467.

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B. Die Entstehung und Verkündung von Gesetzen

2. Aufbau und Inhalt des Bundesgesetzblattes Das Bundesgesetzblatt besteht aus drei Teilen,82 die im Folgenden kurz vorgestellt werden sollen. a) Teil I: Gesetze und Rechtsverordnungen Das Bundesgesetzblatt Teil I (BGBl. I) erscheint seit dem 23. Mai 1949 in unregelmäßigen Zeitabständen, in der Regel jedoch spätestens alle zwei Wochen. In seiner ersten Ausgabe wurde das Grundgesetz verkündet. Alle nachfolgenden Bundesgesetze wurden ebenfalls im Bundesgesetzblatt I verkündet, außerdem bestimmte Rechtsverordnungen. Daneben enthält Teil I aber auch die Leitsätze derjenigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die gem. § 31 Abs. 2 S. 1 BVerfGG in Gesetzeskraft erwachsen, sowie sonstige wichtige Anordnungen und Bekanntmachungen. Mangels eines speziellen, das Bundesgesetzblatt betreffenden Gesetzes ergibt sich sein Inhalt aus der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) vom 1. Dezember 2006,83 deren § 76 Abs. 1 wie folgt lautet: „Im Bundesgesetzblatt Teil I werden veröffentlicht: 1. Bundesgesetze (Artikel 82 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz), wenn sie nicht gemäß Absatz 2 im Bundesgesetzblatt Teil II veröffentlicht werden; 2. Verordnungen, wenn sie nicht nach Absatz 3 Nr. 1 im Bundesanzeiger – Amtlicher Teil – oder nach § 2 des Gesetzes über die Verkündung von Rechtsverordnungen in anderen amtlichen Blättern veröffentlicht werden; 3. Entscheidungen über die sachliche Zuständigkeit nach Artikel 129 Abs. 1 des Grundgesetzes; 4. die Entscheidungsformeln der Urteile des Bundesverfassungsgerichtes nach § 31 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht; 5. Anordnungen und Erlasse der Bundespräsidentin oder des Bundespräsidenten; 6. Bekanntmachungen über innere Angelegenheiten des Deutschen Bundestages und des Bundesrates; 7. andere Bekanntmachungen im Allgemeinen nur dann, wenn es vorgeschrieben ist.“

Darüber hinaus enthält das Bundesgesetzblatt Teil I regelmäßig Hinweise auf Veröffentlichungen in anderen amtlichen Mitteilungsblättern, insbesondere auf 82

Siehe dazu Maunz/Dürig – Maunz, Art. 82, Rn. 7; HdS – Ossenbühl, § 102, Rn. 72 f.; Hill, S. 131 f.; Tettinger, JuS 1979, 258 (259); kritisch zur Aufspaltung des Bundesgesetzblattes in mehrere Teile Heydt, S. 468 f. 83 Veröffentlicht im Gemeinsamen Ministerialblatt 2000, S. 525.

II. Das Bundesgesetzblatt

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• Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften, die im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurden und unmittelbare Rechtswirksamkeit in der Bundesrepublik Deutschland erlangt haben (z. B. Verordnungen nach Art. 249 Abs. 2 EGV); • Rechtsverordnungen, die im Bundesanzeiger oder im Verkehrsblatt verkündet wurden (siehe § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Verkündung von Rechtsverordnungen vom 30. Januar 1950);84 • Völkerrechtliche Übereinkünfte und darauf bezogene Bekanntmachungen, die im Bundesgesetzblatt Teil II veröffentlicht wurden (s. u.). Schließlich werden auch die hier im Mittelpunkt der Betrachtung stehenden Neubekanntmachungen von Gesetzen (und Rechtsverordnungen)85 im Bundesgesetzblatt Teil I veröffentlicht. Die dazu erforderliche Rechtsgrundlage ergibt sich aus § 76 Abs. 1 Nr. 7 GGO i. V. m. der jeweiligen Bekanntmachungserlaubnis.86 b) Teil II: Völkerrechtliche Übereinkünfte Völkerrechtliche Übereinkünfte erlangen grundsätzlich mit ihrer Ratifikation innerstaatliche Geltung. Deshalb ist es erforderlich, sie in einem zentralen Publikationsorgan der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Zu diesem Zweck erscheint seit dem 1. Januar 1951 das Bundesgesetzblatt Teil II (BGBl. II), welches gem. § 76 Abs. 2 GGO folgenden Inhalt hat: 1. Völkerrechtliche Übereinkünfte, die zu ihrer Inkraftsetzung erlassenen Rechtsvorschriften sowie damit zusammenhängende Bekanntmachungen; 2. Rechtsvorschriften des Zolltarifwesens.

Demnach werden alle völkerrechtlichen Übereinkünfte, sobald sie in Kraft getreten sind, im Originalwortlaut und – soweit erforderlich – mit amtlicher deutscher Übersetzung im Bundesgesetzblatt Teil II veröffentlicht.87 Diejenigen Verträge, die gem. Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG „der Zustimmung oder der Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes“ bedürfen, werden zusammen mit dem zugehörigen Vertragsgesetz abgedruckt, wobei der eigentliche Gesetzeswortlaut grundsätzlich nur die parlamentarische Zustim84

Siehe unten S. 38. Auf die Neubekanntmachung von Rechtsverordnungen wird noch am Ende kurz eingegangen, siehe S. 278. 86 Zur Bekanntmachungserlaubnis siehe noch ausführlich auf S. 72 ff. und 178 ff. 87 Hiervon kann aber gem. § 76 Abs. 2 GGO „mit Zustimmung des Auswärtigen Amtes ausnahmsweise abgesehen werden, wenn zwingende Gründe einer Veröffentlichung entgegenstehen“. 85

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B. Die Entstehung und Verkündung von Gesetzen

mung sowie Vorschriften zum Inkrafttreten enthält, während der vollständige Vertragstext lediglich als Anhang beigefügt wird. Daneben stößt man im Bundesgesetzblatt II außerdem auf zahlreiche Bekanntmachungen über das Inkrafttreten oder den Geltungsbereich von völkerrechtlichen Übereinkünften, gelegentlich aber auch auf die Neubekanntmachung eines völkerrechtlichen Vertrages oder Verwaltungsabkommens.88 c) Teil III: Sammlung des Bundesrechts Einen wichtigen Beitrag zur Rechtsbereinigung stellte der dritte Teil des Bundesgesetzblattes dar. Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland ergab sich schon bald das Problem, dass der Bestand des geltenden Rechts immer unübersichtlicher wurde, denn neben dem neu erlassenen Bundesrecht galt gem. Art. 123 GG teilweise noch das alte Reichsrecht fort. Dieses war jedoch nicht immer leicht aufzufinden, benötigte man doch neben dem Bundesgesetzblatt eine vollständige Sammlung des Reichsgesetzblattes. Hinzu kam das von den Besatzungsmächten erlassene Recht, das sich teilweise von Zone zu Zone unterschied. Alles in allem herrschte ein Durcheinander von Rechtsvorschriften aus verschiedenen historischen Epochen und regionalen Besatzungszonen.89 Um diese Rechtszersplitterung zu beseitigen, wurde im Gesetz über die Sammlung des Bundesrechts (BRSG) vom 10. Juli 195890 beschlossen, das geltende Bundesrecht „festzustellen und nach Sachgebieten geordnet in einem besonderen Teil des Bundesgesetzblatts (Teil III) zu veröffentlichen (Bereinigung)“.91 Die Veröffentlichung sollte zwar in konsolidierter Form erfolgen, eine redaktionelle Überarbeitung der Rechtsvorschriften durch das federführende Bundesministerium der Justiz war dabei jedoch – abgesehen von der Berichtigung offensichtlicher Rechtschreibfehler – nicht vorgesehen.92 Man strebte also nur eine quantitative, keine qualitative Bereinigung des Bundesrechts an. Der Veröffentlichung im dritten Teil des Bundesgesetzblatts sollte insbesondere keine konstitutive Wirkung in dem Sinne zukommen, dass die aufgenommenen Vorschriften als neu in Kraft gesetzt 88

Siehe dazu noch näher unten auf S. 275 f. Vgl. Strauß, JZ 1955, 297 f. 90 BGBl. I 1958, 437. 91 Siehe § 1 Abs. 1 BRSG. 92 Hierbei bezog man sich auf die Erfahrungen aus einem früheren Entwurf zu einem Rechtsbereinigungsgesetz aus dem Jahre 1926, der ursprünglich einen gewissen Interpretationsspielraum der Exekutive vorsah, daraufhin jedoch von dem Rechtsausschuss des Reichstages kritisiert wurde. Schließlich einigte man sich damals auf ein grundsätzliches Verbot der Fassungsänderung. Siehe dazu Strauß, JZ 1955, 297 (300 a. E.). 89

II. Das Bundesgesetzblatt

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galten.93 § 3 Abs. 4 BRSG stellte deshalb ausdrücklich klar, dass ungültige Vorschriften durch die Aufnahme in die Sammlung nicht gültig wurden. Vielmehr sollten gem. § 3 Abs. 1 S. 2 BRSG nur diejenigen Vorschriften, die nicht in die Sammlung aufgenommen wurden, weil sie z. B. bereits aufgehoben worden waren oder aus anderen Gründen keine Anwendung mehr finden konnten,94 endgültig aus dem Rechtsbestand der Bundesrepublik Deutschland ausscheiden. Diese Ausschlusswirkung sollte zu einem bestimmten Stichtag eintreten, der vom Gesetzgeber nach Abschluss der Gesetzessammlung in einem eigenen Gesetz festzulegen war (vgl. § 3 Abs. 1 S. 1 BRSG). Aufgrund des enormen Umfangs nahm die Sammlung und Sichtung des „Rechtsstoffes“ einige Jahre in Anspruch.95 Anschließend wurden die noch gültigen Gesetze und Rechtsverordnungen systematisch in neun Sachgebiete gegliedert und vorab in einzelnen Teilbänden des Bundesgesetzblattes III veröffentlicht. Rechtswirksam abgeschlossen wurde das Projekt erst durch das Gesetz über den Abschluss der Sammlung des Bundesrechts vom 28. Dezember 1968.96 Darin wurde der Abschlusstag auf den 31. Dezember 1963 festgelegt und angeordnet, dass alle bis dato erlassenen, aber nicht in die Sammlung aufgenommenen Rechtsvorschriften mit Wirkung vom 31. Dezember 1968 (sog. Ausschlusstag) außer Kraft treten sollten. Der große Vorteil dieser Rechtsbereinigungsmethode lag darin, dass ab dem 1. Januar 1969 alle vor dem Jahr 1964 erlassenen und nicht in die Sammlung aufgenommenen Rechtsnormen – und das waren immerhin gut 90% der gesichteten Vorschriften –97 auf einen Schlag, sozusagen über Nacht wegfielen und deshalb nicht mehr in mühevoller Einzelarbeit aufgehoben werden mussten. Auf diese Weise hatte man zwar eine 126 Hefte starke Kompilation des gesamten Bundesrechts geschaffen, denn jedes Gesetz, das sich nicht in der Sammlung befand, war fortan nicht mehr existent. Im Umkehrschluss konnte man aber wegen der fehlenden konstitutiven Wirkung nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass alle im Bundesgesetzblatt III abgebildeten Gesetze auch tatsächlich in der Form existierten. Hier war man eventuell doch wieder auf die früheren Gesetzesblätter angewiesen, deren Inhalt nach wie vor maßgeblich blieb.98 Außerdem war die 93 Herberger, jur-pc 1993, 2256 (2260); Burneleit, jur-pc 1993, 2409; Schlagböhmer, JZ 1990, 262 (268); Schneider, Rn. 693 a. E. 94 Zu den einzelnen Ausschlussgründen siehe § 2 Abs. 2 BRSG. 95 Insgesamt wurden mehr als 35.000 Vorschriften gesichtet, siehe Schlagböhmer, JZ 1990, 262 (267 a. E.). 96 BGBl. I 1968, 1451. 97 So die Schätzung von Strauß, DÖV 1957, 545 (548); vgl. auch Schlagböhmer, JZ 1990, 262 (267 a. E.). 98 Vgl. Strauß, JZ 1955, 297 (300).

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B. Die Entstehung und Verkündung von Gesetzen

Sammlung des Bundesrechts unvollständig, denn sie enthielt nicht die gem. § 1 Abs. 3 BRSG von der Bereinigung ausgenommenen Rechtsakte, insbesondere die völkerrechtlichen Verträge.99 Schließlich war auch noch zu bedenken, dass zwischen dem Abschluss- und dem Ausschlussdatum ganze fünf Jahre lagen, in denen schon wieder viele neue Gesetze erlassen und alte Gesetze geändert oder aufgehoben worden waren.100 Obwohl § 5 BRSG aus diesem Grunde vorsah, dass der Bundesminister der Justiz die Sammlung nach dem Abschlusstag „durch Übersichten über die späteren Änderungen oder durch Bekanntmachungen des geltenden Wortlautes von Vorschriften ergänzen“ konnte,101 wurde von dieser Möglichkeit bis 1970 nur ein einziges Mal Gebrauch gemacht.102 Danach wurde die Sammlung nicht weiter fortgeführt, wodurch sie im Laufe der Zeit immer mehr an Aktualität und Bedeutung verlor. Am 25. April 2006 wurde das Gesetz über die Sammlung des Bundesrechts durch Art. 8 des „Ersten Gesetzes über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz“ vom 19. April 2006 aufgehoben.103 Damit war das Gesetz über die Sammlung des Bundesrechts selbst ein Fall für die Rechtsbereinigung geworden und einer möglichen Fortführung des Bundesgesetzblattes Teil III vorerst eine Absage erteilt worden.104 3. Abgrenzung zu anderen amtlichen Verkündungsblättern Das Bundesgesetzblatt ist sicherlich das zentrale und wichtigste Verkündungsorgan der Bundesrepublik Deutschland, aber nicht das einzige.105 Während alle formellen Gesetze gem. Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG zwingend im Bundesgesetzblatt zu verkünden sind, werden Rechtsverordnungen gem. Art. 82 Abs. 1 S. 2 GG nur „vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung“ im Bundesgesetzblatt verkündet. Unter bestimmten Umständen kommt daher auch eine Verkündung im Bundesanzeiger in Betracht. Dieser wird ebenfalls vom Bundesministerium der Justiz herausgegeben und besteht aus einem amtlichen und einem nicht-amtlichen Teil. Im amtlichen Teil werden gem. § 76 Abs. 3 GGO veröffentlicht: 99

Nadler, JZ 1970, 605 (606); Noll, S. 243. Dazu Schneider, Rn. 695; Nadler, JZ 1970, 605 (606). 101 Dazu Burneleit, jur-pc 1993, 2409 (2410). 102 Nadler, JZ 1970, 605 (607). 103 BGBl. I 2006, 866 (867). 104 Zu einer möglichen Wiederbelebung des Bundesgesetzblattes III siehe unten auf S. 271. 105 Siehe Heydt, S. 469 ff. 100

II. Das Bundesgesetzblatt

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1. Verordnungen a) mit gesetzlich befristeter Geltungsdauer, b) bei Gefahr im Verzug, c) wenn ihr unverzügliches Inkrafttreten zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union erforderlich ist; 2. Verwaltungsvorschriften, die nicht hinreichend bekannt würden, wenn sie nur nach Absatz 4 veröffentlicht würden; 3. Begründungen von Regierungsentwürfen, wenn ihre Veröffentlichung erwünscht ist. Veröffentlicht wird die ursprüngliche Begründung der Regierungsvorlage. Auf spätere Änderungen des Gesetzeswortlautes, die durch die Mitwirkung der gesetzgebenden Körperschaften bedingt sind, ist durch Fußnoten hinzuweisen, wenn die Begründung in diesen Fällen nicht mehr zutrifft; 4. Verträge zwischen Bund und Ländern oder zwischen Ländern untereinander, bei denen kein Beschluss der gesetzgebenden Körperschaften vorgesehen ist; 5. Verleihungen des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland; 6. Bekanntmachungen der Bundesbehörden und, soweit in Gesetzen und Rechtsverordnungen des Bundes vorgeschrieben, der Landesbehörden.

Der nicht-amtliche Teil ist Pflichtorgan für gerichtliche, gesellschaftsrechtliche und kapitalmarktrechtliche Bekanntmachungen sowie für die gesetzlich vorgeschriebene Veröffentlichung der Rechnungslegungsunterlagen aller offenlegungspflichtigen Unternehmen. Er dient damit als wesentliche Informationsquelle für die Verwaltung und andere an Rechts- und Wirtschaftsinformationen interessierte Kreise. Neben der Printversion gibt es mittlerweile auch einen elektronischen Bundesanzeiger im Internet (www.ebundesanzeiger.de). Dieser enthält alle Informationen der gedruckten Ausgabe, darüber hinaus aber auch Bekanntmachungen, die nur in elektronischer Form veröffentlicht werden. Nach und nach sollen weitere Informationen aus Kosten- und Praktikabilitätsgründen nur noch im elektronischen Bundesanzeiger publiziert werden. Damit ist man hier schon einen Schritt weiter als beim Bundesgesetzblatt, wo eine Umstellung auf eine reine Online-Publikation wohl schon wegen der verfassungsrechtlichen Verankerung in Art. 82 Abs. 1 GG weitaus problematischer sein dürfte.106 Neben dem Bundesanzeiger existieren schließlich noch die Amtsblätter der Bundesministerien, in denen z. B. die Verwaltungsvorschriften veröffentlicht werden, die nicht unter § 76 Abs. 3 Nr. 2 GGO fallen. Die in diesem Abschnitt genannten Veröffentlichungsorgane werden allerdings in den nachfolgenden Betrachtungen keine Rolle spielen, da die Neubekanntmachung von Gesetzen ausschließlich im Bundesgesetzblatt erfolgt. 106

Siehe dazu unten S. 42 f.

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B. Die Entstehung und Verkündung von Gesetzen

4. Verfügbarkeit des Bundesgesetzblattes Jedes bundesdeutsche Gesetz muss, um rechtliche Wirkung entfalten zu können, im Bundesgesetzblatt Teil I oder II veröffentlicht werden. Dies beruht auf der logischen Erkenntnis, dass ein Gesetz, um von den Bürgern befolgt werden zu können, diesen zunächst einmal bekannt sein muss.107 Das Prinzip der formellen Publikation erfordert, dass „es in einer Weise der Öffentlichkeit zugänglich ist, die es dem Bürger gestattet, sich Kenntnis vom Inhalt des Gesetzes zu verschaffen“.108 Das setzt also zunächst einmal einen allgemeinen Zugang zum Bundesgesetzblatt voraus, denn ohne diesen kann sich kein Bürger Kenntnis vom geltenden Recht verschaffen. Wie sieht es also aus in Deutschland mit dem allgemeinen Zugang zum Bundesgesetzblatt? Herausgeber des Bundesgesetzblattes ist das Bundesministerium der Justiz, dem insbesondere auch die Schriftleitung obliegt. Für den Vertrieb verantwortlich ist die Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, die sich seit 2006 im Alleineigentum der Kölner Verlagsgruppe M. DuMont Schauberg befindet. Bereits im September 2003 hatte M. DuMont Schauberg den Druckauftrag von der Bundesdruckerei GmbH übernommen, so dass mittlerweile sowohl Druck als auch Vertrieb des Bundesgesetzblattes ausschließlich in privater Hand liegen. Das verursacht zwar gewisse Abhängigkeiten des Staates gegenüber den privaten Unternehmen und mag insofern bedenklich stimmen,109 ist aber aus verfassungsrechtlicher Sicht solange hinnehmbar, wie die alleinige redaktionelle Verantwortung beim Staat verbleibt. Die neue Eigentümerstruktur könnte aber Auswirkungen auf die Kosten des Zugangs zum Bundesgesetzblatt haben. Private Verleger und Druckereien handeln mit Gewinnstreben und nicht aus rein rechtsstaatlichen Motiven. Der Jahresumfang des Bundesgesetzblattes liegt in der Regel bei über 3.000 Seiten. Die Herstellung und der Vertrieb eines solch umfassenden Werkes kosten natürlich viel Geld. Deshalb ist das Bundesgesetzblatt in seiner gedruckten Fassung auch nicht umsonst zu haben, sondern nur im kostenpflichtigen Halbjahresabonnement zu beziehen. Dieses kostet für die Teile I und II zurzeit (Anfang 2010) jeweils 45,00 e. Damit dürfte sich der Bezug für diejenigen Bürger, die sich nur gelegentlich über die neuen Gesetze informieren wollen, nicht lohnen. Für sie besteht daneben noch die Möglichkeit, das Bundesgesetzblatt in öffentlichen Einrichtungen (z. B. in Bibliotheken, Gerichten, Verwaltungen etc.) kostenlos einzusehen. Unabhängig von der Frage, ob der Staat überhaupt für einen kostenlosen Zugang 107 108 109

Siehe dazu bereits oben S. 23. BVerfGE 16, 6 (17); siehe auch BVerfGE 65, 283 (291). Siehe Friauf/Höfling – Guckelberger, Art. 82, Rn. 70.

II. Das Bundesgesetzblatt

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zum Bundesgesetzblatt zu sorgen hat,110 ist damit zumindest in den größeren Städten und Gemeinden nicht nur ein allgemeiner, sondern zugleich ein freier Zugriff auf die aktuellen Ausgaben des Bundesgesetzblattes gewährleistet.111 Wem die Suche in der Printausgabe zu umständlich und zeitaufwändig erscheint, für den stellt der Bundesanzeiger Verlag seit einiger Zeit unter www.bundesgesetzblatt.de auch eine kostenlose Recherchemöglichkeit im Internet zur Verfügung.112 Der Zugriff war hierbei zunächst auf die Ausgaben seit 1998 (BGBl. I) bzw. 2002 (BGBl. II) beschränkt, wurde aber ab April 2009 als sog. „Bürgerzugang“ auf alle bisher erschienenen Exemplare des Bundesgesetzblattes ausgedehnt. Allerdings enthält dieser kostenlose Service lediglich eine „Nur-Lese-Version“ (d.h. ohne Druck- oder Kopiermöglichkeit).113 Wer dagegen auf alle Ausgaben seit 1949 uneingeschränkt zugreifen möchte, der benötigt wiederum ein Abonnement (67,50 e pro Halbjahr).114 Alternativ können aber auch nur einzelne Gesetze oder Seiten online bestellt werden (mindestens 18,90 e pro Bestellung). Trotz der eingeschränkten Bearbeitungsfunktionen stellt der kostenlose Online-Bürgerzugang zum Bundesgesetzblatt einen sehr großen Fortschritt dar, erlaubt er doch immerhin einen vollständigen und weder orts- noch zeitgebundenen Einblick in alle Ausgaben des Bundesgesetzblattes Teil I und II.115 Da die einzelnen Ausgaben zudem als pdf-Dokumente angezeigt 110 Dagegen Stöhr, NJW 1999, 1440, für den sich aus der Verfassung, insbesondere aus dem Rechtsstaatsprinzip eine solche Pflicht nicht herleiten lässt; Guckelberger, DVBl. 2007, 985 (986), fordert allerdings, „dass der Einzelne einen Abdruck oder eine Kopie des Normtextes zu einem erschwinglichen Preis erwerben können muss“; ähnlich Wittling, S. 32. 111 So auch Wittling, S. 164; a. A. anscheinend Hill, S. 131. 112 Siehe dazu Konzelmann, JurPC Web-Dok. 51/1998. 113 Die Bundesländer bieten teilweise etwas umfangreichere Online-Datenbanken zur kostenlosen Benutzung an. So können z. B. über das integrierte Parlamentsinformationssystem der deutschen Landesparlamente (www.parlamentsspiegel.de) neben den Gesetzblättern fast aller Bundesländer auch die Ausgaben des Bundesgesetzblattes Teil I ab 1980 in der Originalversion abgerufen werden. Die Vorschriftendienst Baden-Württemberg GmbH (www.vd-bw.de) verfügt sogar über Faksimile-Dokumente aller Bundesgesetzblätter seit 1949, kostenlos einsehbar sind allerdings nur die Ausgaben der letzten beiden Jahre. 114 Unter www.gesetzesportal.de bietet der Bundesanzeiger Verlag inzwischen auch einen Service an, der neben allen Ausgaben des Bundesgesetzblattes seit 1949 außerdem die Bundestags- und Bundesratsdrucksachen sowie die Plenarprotokolle enthält (Kostenpunkt: 29,80 e/Monat zzgl. MwSt.). Daneben gibt es noch weitere private Unternehmen, die einen kostenpflichtigen Online-Zugriff auf alle amtlichen Verkündungsblätter als Faksimile anbieten, z. B. die Recht für Deutschland GmbH (www.recht.makrolog.de). 115 Friauf/Höfling – Guckelberger, Art. 82, Rn. 75.

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B. Die Entstehung und Verkündung von Gesetzen

werden, die entweder auf den original PostScript-Befehlen beruhen, die auch für den Druck des Bundesgesetzblattes verwendet wurden (so bei den neueren Ausgaben), oder aber das nachträglich eingescannte Abbild der entsprechenden Printausgabe enthalten, kann mit sehr hoher Sicherheit davon ausgegangen werden, dass sie eins zu eins mit der gedruckten Version übereinstimmen.116 Auch wenn der elektronischen Fassung derzeit noch keine rechtliche Verbindlichkeit beigemessen werden kann,117 so verfügen die Bürger hiermit dennoch über eine höchst aktuelle und authentische Informationsquelle, die ein umständliches Nachschlagen in den Originalbänden des Bundesgesetzblattes in der Regel entbehrlich macht. Insgesamt lässt sich daher festhalten, dass in der Bundesrepublik Deutschland eine ausreichende allgemeine Zugangsmöglichkeit zum Bundesgesetzblatt besteht. 5. Ausblick: Einführung eines elektronischen Bundesgesetzblattes? Angesichts der vielen praktischen Vorteile, die ein Online-Zugriff auf das Bundesgesetzblatt mit sich bringt, gibt es Überlegungen, die Bundesgesetze und -rechtsverordnungen in Zukunft ausschließlich im Internet zu verkünden.118 Ein solches Vorhaben wirft natürlich viele technische Fragen auf, denn eine Online-Verkündung muss gewisse Sicherheitsstandards erfüllen. So müssen die elektronischen Gesetzestexte zum einen vor unerlaubten Da116

So grundsätzlich auch Konzelmann, JurPC Web-Dok. 51/1998, Abs. 6, der jedoch auf die theoretische Möglichkeit von Abweichungen gegenüber der gedruckten Ausgabe hinweist; kritisch ebenfalls Herberger, JurPC Web-Dok. 191/2002, Abs. 1. Absolute Sicherheit kann man insofern nur erlangen, wenn die Seiten des Bundesgesetzblattes im Nachhinein eingescannt und als Faksimile-Dokumente im Internet zur Verfügung gestellt werden, wie dies z. B. auf der Seite www.parlamentsspiegel. de gemacht wird. 117 Konzelmann, JurPC Web-Dok. 51/1998, Abs. 5; siehe dazu auch im Folgenden unter 5. 118 Einen ersten Schritt in diese Richtung stellt das vom Bundesministerium der Justiz betriebene Projekt „Elektronische Arbeitshilfen und Verkündung“ dar, dessen Kernstück die Software „eNorm“ ist. Diese Software bietet elektronische Arbeitshilfen, welche die Einhaltung rechtsförmlicher und redaktioneller Vorgaben bei der Erstellung von Gesetz- und Verordnungsentwürfen unterstützen und bestimmte Routineaufgaben automatisieren (siehe dazu HdR, Rn. 46). Darüber hinaus soll eNorm die „Ausgangsbasis für eine zukünftige elektronische Verkündung“ sein (siehe www.enorm.bund.de). Etwas weiter ist in dieser Hinsicht bereits das Saarland, das sein Amtsblatt Teil I seit dem 3. Dezember 2009 nur noch in elektronischer Form führt. Die Einzelheiten sind in dem Gesetz über das Amtsblatt des Saarlandes vom 11. Februar 2009 (siehe Amtsblatt 2009, 1215) geregelt. Als Verkündungsplattform dient die in Zusammenarbeit mit der juris GmbH betriebene Internetseite www.amtsblatt.saarland.de.

II. Das Bundesgesetzblatt

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tenmanipulationen geschützt werden119 und zum anderen müssen ausreichende Schutzmechanismen vor technischen Störungen und Datenverlust existieren.120 Man wird wohl trotz aller moderner Sicherheits- und Verschlüsselungstechnologie nicht umhinkommen, zusätzlich ein oder mehrere gedruckte Exemplare zu hinterlegen, nicht zuletzt, um ein fälschungssicheres Abgleichsdokument zu haben.121 Neben diesen technischen Fragen gibt es aber auch rechtliche Bedenken. Insbesondere ist unklar, ob Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG auch die Verkündung in einem reinen Online-Gesetzblatt umfasst. Der Begriff „Bundesgesetzblatt“ deutet eigentlich auf eine gedruckte Fassung hin, zumal zur Zeit der Entstehung des Grundgesetzes an eine elektronische Verkündung noch nicht zu denken war. Von daher wäre zunächst eine Verfassungsänderung erforderlich.122 Um diese zu vermeiden, wird teilweise versucht, eine zeitgemäße Interpretation des Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG vorzunehmen. Der Begriff „Bundesgesetzblatt“ sei demnach nur als Synonym für das amtliche Verkündungsorgan der Bundesrepublik Deutschland anzusehen und folglich nicht auf eine Papierausgabe beschränkt.123 Eine elektronische Verkündungsplattform müsste allerdings den rechtsstaatlichen Erfordernissen ebenso gerecht werden wie das bisherige Bundesgesetzblatt in Papierform, insbesondere also für jedermann ohne allzu hohe technische Hürden zugänglich sein. Es müsste dementsprechend dafür gesorgt werden, dass auch diejenigen Bürger, die über keinen eigenen PC mit Internetanschluss verfügen, über kostenfreie öffentliche Zugangsportale (z. B. in Rathäusern oder Bibliotheken) Zugriff auf das Online-Gesetzblatt erhalten.124 Zudem müsste die Menüführung so ausgestaltet sein, dass sie auch ohne spezielle Computerkenntnisse problemlos zu bedienen ist. Sind diese Fragen und Probleme erst einmal zufriedenstellend gelöst, könnte die Online-Verkündung in der Tat zu einem effektiveren Rechts119

Guckelberger, DVBl. 2007, 985 (988); zu den technischen Details siehe Walker, JurPC Web-Dok. 155/2005, Abs. 51–55. 120 Guckelberger, DVBl. 2007, 985 (988 f.); dies. in: Friauf/Höfling, Art. 82, Rn. 76. 121 Friauf/Höfling – Guckelberger, Art. 82, Rn. 76; Walker, JurPC Web-Dok. 155/2005, Abs. 57. 122 So Walker, JurPC Web-Dok. 155/2005, Abs. 62; Konzelmann, JurPC WebDok. 51/1998, Abs. 5. 123 Guckelberger, DVBl. 2007, 985 (992); dies. in: Friauf/Höfling, Art. 82, Rn. 78; ähnlich Kissel, NJW 2006, 801 (804 f.), der jedoch die Voraussetzungen hierfür momentan noch nicht gegeben sieht; a. A. Zippelius/Würtenberger, § 45, Rn. 86. 124 Guckelberger, DVBl. 2007, 985 (990); dies. in: Friauf/Höfling, Art. 82, Rn. 77; Walker, JurPC Web-Dok. 155/2005, Abs. 56.

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B. Die Entstehung und Verkündung von Gesetzen

zugang für alle Bürger beitragen.125 Aufgrund der geringeren Publikationskosten könnten insbesondere auch umfangreiche Gesetzesanhänge und -anlagen mit veröffentlicht werden, von deren Abdruck bisher teilweise noch abgesehen wird.126 Darüber hinaus ließen sich Verweise auf externe Vorschriften mittels direkt anwählbarer Links besser nachvollziehen. Auch wäre daran zu denken, das Online-Gesetzblatt mit den anderen amtlichen Verkündungsblättern zu verschmelzen, umso eine zentrale Internetplattform für das gesamte Bundesrecht zu schaffen.127 Auf dieser amtlichen Seite könnten schließlich auch rechtsverbindliche konsolidierte Fassungen aller Bundesgesetze angeboten werden, ein wichtiger Aspekt, der im folgenden Kapitel vertieft werden soll.

125

Vgl. Kissel, NJW 2006, 801 (803); Guckelberger, DVBl. 2007, 985 (987). Dazu Walker, JurPC Web-Dok. 155/2005, Abs. 6–14, 20–25; Guckelberger, DVBl. 2007, 985 (987). 127 Vgl. Walker, JurPC Web-Dok. 155/2005, Abs. 27. Dieser möchte sogar noch einen Schritt weiter gehen und auch landesrechtliche Vorschriften, kommunale Satzungen, allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge und sogar bestimmte Regelungen des Innenrechts (z. B. Verwaltungsvorschriften) über eine einheitliche Plattform im Internet publizieren, siehe Abs. 28–33 und 41–45 (mit Umsetzungsbeispiel). 126

C. Zur Notwendigkeit einer konsolidierten Gesetzesfassung Im vorigen Kapitel wurde einleitend das Prinzip der formellen Publikation vorgestellt, das gem. Art. 82 Abs. 1 GG auch in der Bundesrepublik Deutschland Anwendung findet. Danach sind alle förmlichen Gesetze im Bundesgesetzblatt zu verkünden, um rechtliche Wirkung entfalten zu können. Die Publikation in einem zentralen Verkündungsorgan soll es den Bürgern ermöglichen, sich jederzeit aus einer zuverlässigen Quelle über das gesamte geltende Recht zu informieren und entsprechend darauf einzustellen. Damit trägt sie in erheblichem Maße zur Gewährung von Rechtssicherheit und -klarheit in einem demokratischen Rechtsstaat bei. In Anbetracht dieser hervorgehobenen Bedeutung des Bundesgesetzblattes mag es auf den ersten Blick verwundern, dass in der Praxis nicht mit dem amtlichen Gesetzblatt, sondern in der Regel nur mit privaten Gesetzessammlungen gearbeitet wird.128 Diese Tatsache lässt sich nicht einfach darauf zurückführen, dass die meisten Bürger über keine komplette Sammlung des Bundesgesetzblattes verfügen, denn sie gilt in gleichem Maße für die professionellen Rechtsanwender, sprich Rechtsanwälte, Richter und Verwaltungsbeamte, die grundsätzlich auf die Bundesgesetzblätter zugreifen könnten und von denen man nicht zuletzt wegen der verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) erwarten dürfte, dass sie ausschließlich mit der offiziellen Gesetzesfassung arbeiten.129 Woran liegt es also, dass die amtlichen Gesetzblätter so unattraktiv sind, dass sie in der Rechtspraxis so gut wie keine Rolle spielen?

I. Die Technik der Gesetzesänderung Wird ein neues Gesetz zum ersten Mal beschlossen und im Bundesgesetzblatt verkündet, so enthält die Verkündung den vollständigen Gesetzeswortlaut in einer zusammenhängenden und leserlichen Fassung. Man kann in diesem Zusammenhang auch von der Urfassung des Gesetzes sprechen. Das Handbuch der Rechtsförmlichkeit bezeichnet das so zustande ge128

Vgl. Herberger, jur-pc 1993, 2256. Herberger, jur-pc 1993, 2256 (2257); Kuntz, JurPC Web-Dok. 151/2006, Abs. 34; vgl. auch Friauf/Höfling – Guckelberger, Art. 82, Rn. 67. 129

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C. Zur Notwendigkeit einer konsolidierten Gesetzesfassung

kommene Gesetz – im Unterschied zu den später erlassenen Änderungsgesetzen – als Stammgesetz.130 Es ist zwar grundsätzlich mit einer unbestimmten Geltungsdauer ausgestattet, was den Gesetzgeber aber nicht daran hindert, es bei Bedarf inhaltlich zu modifizieren. In der heutigen Zeit gibt es nur noch sehr wenige Stammgesetze, die über Jahre oder Jahrzehnte in ihrem ursprünglichen Zustand verharren. Viele Stammgesetze werden daher bereits nach wenigen Monaten wieder geändert. Eine solche Gesetzesänderung kann verfahrenstechnisch auf zwei Arten erfolgen. 1. Die konstitutive Neufassung Eine Möglichkeit der Gesetzesänderung besteht darin, dass der Gesetzgeber die von ihm angestrebten Modifikationen in den bisherigen Gesetzestext einarbeitet und anschließend das gesamte Stammgesetz in der geänderten Fassung neu beschließt und mit vollem Wortlaut im Bundesgesetzblatt verkündet.131 Das Handbuch der Rechtsförmlichkeit spricht in diesem Fall von einem Ablösungsgesetz.132 Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass dieses neue Gesetz an die Stelle des ursprünglichen Stammgesetzes tritt, es also gewissermaßen „ablöst“. Das alte Stammgesetz wird zugleich aufgehoben,133 weshalb wir es hier streng genommen nicht mit einer Gesetzesänderung, sondern vielmehr mit einer Gesetzesersetzung durch ein neues Stammgesetz zu tun haben.134 Auch wenn dieses die gleiche Bezeichnung tragen und den gleichen Regelungsbereich betreffen sollte, so handelt es sich doch formell gesehen um einen von dem ursprünglichen Stammgesetz unabhängigen konstitutiven Rechtsakt (sog. konstitutive Neufassung).135 Soweit dieser die materielle Rechtslage gegenüber dem früheren Zustand modifiziert, kann aber trotzdem noch von einer Gesetzesänderung im weiteren Sinne gesprochen werden.136

130

HdR, Rn. 20, 320. Siehe z. B. die Neuverkündung des Bundesumzugskostengesetzes in Art. 1 des Gesetzes zur Neufassung des Bundesumzugskostengesetzes, zur Änderung anderer dienstrechtlicher Vorschriften, zur Regelung personalvertretungsrechtlicher Amtszeiten sowie zur Verbesserung der personellen Struktur in der Bundeszollverwaltung vom 11. Dezember 1990 (BGBl. I 1990, 2682 ff.) oder die Neuverkündung des Raumordnungsgesetzes in Art. 1 des Gesetzes zur Neufassung des Raumordnungsgesetzes und zur Änderung anderer Vorschriften vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I 2008, 2986 ff.). 132 HdR, Teil D, 2. 133 HdR, Rn. 513. 134 Siehe HdR, Rn. 505, 510. 135 HdR, Rn. 505; Kuntz, JurPC Web-Dok. 151/2006, Abs. 9. 136 Vgl. Brandner, Gesetzesänderung, S. 65; HdR, Rn. 504. 131

I. Die Technik der Gesetzesänderung

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2. Das Änderungsgesetz Die weitaus meisten Gesetzesänderungen erfolgen nicht durch eine konstitutive Neufassung, sondern mittels sog. Änderungsgesetze,137 welche nur bestimmte Änderungsbefehle in Bezug auf den Wortlaut des zu ändernden Stammgesetzes enthalten. Auf diese Weise können einzelne Wörter, Sätze oder Absätze gestrichen, ersetzt oder hinzugefügt werden, ohne gleich das gesamte Stammgesetz neu beschließen zu müssen. Je nachdem, ob durch das Änderungsgesetz nur ein einziges oder gleich mehrere Stammgesetze geändert werden, unterscheidet man begrifflich zwischen einer Einzelnovelle138 oder einem Mantelgesetz139. Noch nicht ganz eindeutig geklärt ist die Frage, wie sich die Änderung des Stammgesetzes durch ein Änderungsgesetz technisch vollzieht. Hier lassen sich zwei unterschiedliche Theorien anführen. Das Bundesministerium der Justiz vertritt in seinem Handbuch der Rechtsförmlichkeit das sog. „Kern-Hülle-Modell“.140 Danach werden die Änderungsbefehle mit ihrem Inkrafttreten automatisch umgesetzt, der Wortlaut des Stammgesetzes also unmittelbar modifiziert, was zur Folge hat, dass das Stammgesetz anschließend mit dem neuen Wortlaut fortbesteht, während den Änderungsgesetzen eine weitergehende Regelungsfunktion nicht mehr zukommt. Sie bleiben nach ihrem Vollzug sozusagen als „inhaltsleere Hülsen“ zurück.141 Brandner vergleicht diesen Vorgang mit dem Benutzen einer Einwegspritze.142 Nach der Injektion der normativen Regelung in das Stammgesetz hat die nunmehr leere Einwegspritze, sprich das Änderungsgesetz seine Funktion erfüllt. Dementsprechend kann es anschließend ohne rechtliche Konsequenzen aufgehoben werden. Eine andere Auffassung vertritt dagegen Roth.143 Er spricht sich gegen die Vorstellung aus, das Änderungsgesetz habe lediglich eine „Transportfunktion“ und bleibe danach als „inhaltsleere Hülse“ zurück. Eine solche Aufspaltung des Änderungsgesetzes in einen Regelungskern und eine bloße Gesetzeshülle sei rechtlich unzulässig. Vielmehr enthalte das Änderungsgesetz einen „dauerhaft wirkenden Gesetzgebungsbefehl“, der dem Stammgesetz seine aktuell geltende Fassung vermittle. Das Änderungsgesetz 137

Mock, S. 167; siehe allgemein zu den Änderungsgesetzen Brandner, Gesetzesänderung, S. 27 ff. 138 Siehe HdR, Teil D, 3. 139 Siehe HdR, Teil D, 4. 140 So erstmalig bezeichnet von Roth, NVwZ 1999, 155. 141 HdR, Rn. 17; zustimmend Ramcke, DÖV 2000, 69 f. 142 Brandner, Gesetzesänderung, S. 46. 143 Roth, NVwZ 1999, 155 (156); im Ergebnis ebenso Tiedemann, NJW 1998, 3475 (3476).

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C. Zur Notwendigkeit einer konsolidierten Gesetzesfassung

werde damit zu einem integrativen Bestandteil des Stammgesetzes, indem es sich quasi wie eine neue selbständige Schicht über die bisherige Gesetzesfassung lege, wobei es diese sowohl ergänzen, aber auch teilweise überlagern kann (sog. „Schichtenmodell“).144 Im letzteren Falle werde die ursprüngliche Regelung durch die neue Gesetzesschicht derogiert. Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Modellen liegt folglich in der Geltungsdauer der Änderungsgesetze. Während sich das Änderungsgesetz nach dem „Kern-Hülle-Modell“ sofort mit seinem Inkrafttreten vollzieht und anschließend ohne rechtliche Konsequenzen aufgehoben werden kann, entfaltet es nach dem „Schichtenmodell“ als neue Regelungsebene des Stammgesetzes so lange rechtliche Wirkungen, bis es von einer späteren Gesetzesschicht vollständig überlagert und damit derogiert wird.145 Würde es bereits vorher vom Gesetzgeber aufgehoben, so hätte dies zur Folge, dass die durch das Änderungsgesetz neu eingeführten Textpassagen nachträglich entfielen, der Wortlaut des Stammgesetzes also teilweise wieder seine ursprüngliche Gestalt annehmen würde.146 Außerdem wäre es bei einer fortdauernden Regelungswirkung der Änderungsgesetze theoretisch möglich, durch eine Änderung des Änderungsgesetzes zugleich eine Änderung des Stammgesetzes zu bewirken.147 Nach dem „Kern-Hülle-Modell“ kann dagegen ein Änderungsgesetz nach seinem Vollzug nicht mehr Anknüpfungspunkt für weitere Änderungsakte sein.148 Diese Folgewirkungen sprechen gegen die Annahme des „Schichtenmodells“, denn sowohl der nachträgliche Wegfall einer Norm im Stammgesetz durch Aufhebung eines Änderungsgesetzes, als auch die Möglichkeit der Änderung des Stammgesetzes durch Änderung eines Änderungsgesetzes sind unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten, insbesondere unter Berücksichtigung der Grundsätze der Rechtssicherheit und -klarheit schwer hinnehmbar.149 Viel leichter nachvollziehbar sind die Änderungen eines Stammgesetzes, wenn sich die Änderungsbefehle zu einem bestimmten Zeitpunkt vollziehen und eine Rückgängigmachung oder nachträgliche Abänderung deshalb immer eine erneute Änderung des Stammgesetzes erfordert, so wie es das „Kern-Hülle-Modell“ voraussetzt. Dieses Modell entspricht darüber hinaus der überwiegenden Gesetzgebungspraxis,150 die wiederum maßgeblich durch das Handbuch der Rechtsförmlichkeit geprägt 144

Roth, NVwZ 1999, 155 (156). Zur Derogationswirkung bei Änderungsgesetzen ausführlich Brandner, Gesetzesänderung, S. 42 ff. 146 Vgl. Roth, NVwZ 1999, 155 (157). 147 Siehe Brandner, Gesetzesänderung, S. 49. 148 HdR, Rn. 21. 149 Siehe ausführlich Brandner, Gesetzesänderung, S. 50 ff. 150 Vgl. Brandner, Gesetzesänderung, S. 36 ff. 145

II. Vor- und Nachteile der Änderungsgesetze

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wird. Den nachfolgenden Überlegungen soll deshalb das „Kern-Hülle-Modell“ zugrunde gelegt werden. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Änderungsgesetze auch nach diesem Modell nicht ohne jegliche Funktion bleiben. Zwar entfalten sie nach ihrer Umsetzung keine rechtlichen Wirkungen mehr, dafür kommt ihnen aber eine wichtige Dokumentationsfunktion im Bundesgesetzblatt zu, denn der geltende Wortlaut der Stammgesetze lässt sich ja nur anhand der einzelnen Änderungsbefehle ermitteln, zumindest solange der Gesetzestext nicht in vollem Umfang im Bundesgesetzblatt neu bekannt gemacht wurde.151

II. Vor- und Nachteile der Änderungsgesetze Wie bereits oben erwähnt, sind die Änderungsgesetze in der Gesetzgebungspraxis eindeutig in der Überzahl. Diese Änderungsmethode hat nämlich gegenüber einer konstitutiven Neufassung den Vorteil, dass die einzelnen Textmodifikationen durch die Änderungsbefehle hervorgehoben werden und der Änderungsvorgang somit insgesamt transparenter und besser nachvollziehbar bleibt.152 Da sich die Änderungsbefehle nur auf bestimmte Textstellen beziehen, besteht außerdem nicht – wie bei der Neufassung – die Gefahr, dass versehentlich noch weitere Textstellen mit abgeändert werden.153 Schließlich sind die Änderungsgesetze in der Regel platzsparender als eine komplette Neufassung des Stammgesetzes.154 Würde z. B. das Bürgerliche Gesetzbuch mit seinen über zweitausend Paragraphen nach jeder noch so kleinen Änderung neu verkündet, so kann man sich leicht ausmalen, welchen Umfang das Bundesgesetzblatt dann bald annehmen würde. Die häufige Verwendung von Änderungsgesetzen bringt aber auch gewichtige Nachteile mit sich und ist schließlich einer der Hauptgründe, warum das Bundesgesetzblatt in der Praxis als Rechtsinformationsquelle grundsätzlich nicht geeignet ist. Die Änderungsgesetze sind nämlich für sich gesehen vollkommen unverständlich, „bestehen sie doch nur aus einzelnen Worten, Satzfetzen oder Sätzen, die Stück für Stück aufgereiht werden“.155 Einen Sinn ergeben sie erst im Zusammenspiel mit den vorherigen Gesetzesänderungen und der Urfassung des Stammgesetzes.156 Dieses Problem hat auch das Bundesministerium der Justiz erkannt: 151 152 153 154 155 156

Brandner, Gesetzesänderung, S. 39. HdR, Rn. 501. Siehe dazu Rühmann, EuGRZ 2000, 204 (208). Vgl. Brandner, Gesetzesänderung, S. 50. Schneider, Rn. 451; ähnlich Benda/Maihofer/Vogel – Bülow, § 30, Rn. 39. Brandner, Gesetzesänderung, S. 50.

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C. Zur Notwendigkeit einer konsolidierten Gesetzesfassung

„Die Änderungstechnik (. . .) hat Nachteile. Aus so formulierten Änderungsgesetzen wird die inhaltliche Bedeutung der Änderungen kaum ersichtlich. Die Änderungsbefehle beziehen sich meist nur auf einzelne Wörter, Satzteile oder Sätze usw. Sie sind nicht nach ihrer Bedeutung geordnet, sondern entsprechend der Paragraphenfolge des Stammgesetzes aneinandergereiht. Die Änderungen können nur im Vergleich mit dem bisherigen Wortlaut des Stammgesetzes verstanden werden. Der künftig geltende Wortlaut des Gesetzes muss also erst zusammengefügt werden. Dadurch sind Veränderungen der Rechtslage für die Öffentlichkeit nur schwer erkennbar.“157

Möchte man sich also im Bundesgesetzblatt über den aktuellen Wortlaut eines bestimmten Stammgesetzes informieren, so muss man sich zunächst intensiv mit den zahlreichen Änderungsgesetzen auseinandersetzen. Welche Probleme dabei auftauchen können, soll hier am Beispiel von Art. 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Umwandlungsgesetzes vom 19. April 2007 verdeutlicht werden. Dieser Änderungsartikel hat im Bundesgesetzblatt folgenden Wortlaut:158 Artikel 1 Änderung des Umwandlungsgesetzes Das Umwandlungsgesetz vom 28. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3210, 1995 I S. 428), zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 10. November 2006 (BGBl. I S. 2553), wird wie folgt geändert: 1. In der Inhaltsübersicht wird in den Angaben zum Zweiten Buch nach der Angabe „Neunter Abschnitt Verschmelzung von Kapitalgesellschaften mit dem Vermögen eines Alleingesellschafters . . . 120 bis 122“ die Angabe „Zehnter Abschnitt Grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften . . . 122a bis 122l“ eingefügt. 2. In § 4 Abs. 1 Satz 2 wird die Angabe „§ 310“ durch die Angabe „§ 311b Abs. 2“ ersetzt. 3. In § 16 Abs. 3 wird nach Satz 3 folgender Satz eingefügt: „Der Beschluss soll spätestens drei Monate nach Antragstellung ergehen; Verzögerungen der Entscheidung sind durch unanfechtbaren Beschluss zu begründen.“ 4. In § 17 Abs. 1 wird die Angabe „oder § 12 Abs. 3“ durch die Angabe „§ 12 Abs. 3, § 54 Abs. 1 Satz 3 oder § 68 Abs. 1 Satz 3“ ersetzt. 5. In § 19 Abs. 1 Satz 2 wird der Punkt am Ende durch ein Komma ersetzt und folgender Halbsatz angefügt: „sofern nicht sichergestellt ist, dass die Eintragungen in den Registern aller beteiligten Rechtsträger am selben Tag erfolgen.“ 6. § 29 Abs. 1 Satz 1 wird wie folgt geändert: 157 158

HdR, Rn. 500. BGBl. I 2007, 542.

II. Vor- und Nachteile der Änderungsgesetze

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a) Nach dem Wort „Rechtsform“ werden die Wörter „oder bei der Verschmelzung einer börsennotierten Aktiengesellschaft auf eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft“ eingefügt. b) Der zweite Halbsatz wird wie folgt gefasst: „§ 71 Abs. 4 Satz 2 des Aktiengesetzes und § 33 Abs. 2 Satz 3 zweiter Halbsatz erste Alternative des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung sind insoweit nicht anzuwenden.“ [. . .]

Dieser kurze Auszug dürfte bereits reichen, um zu beweisen, dass ein Änderungsgesetz in der Regel praktisch unbrauchbar ist, um sich einen schnellen und zuverlässigen Überblick über die aktuelle Rechtslage zu verschaffen.159 Vielmehr sind zunächst mehrere Arbeitsschritte erforderlich, um aus den einzelnen Änderungsbefehlen einen vollständigen und verständlichen Gesetzestext zu formen. Angenommen, man möchte mit Hilfe des oben abgedruckten Änderungsgesetzes eine lesbare Fassung des Umwandlungsgesetzes (= Stammgesetz) herstellen, so müsste man dabei etwa so vorgehen: • Zunächst einmal müsste man die Urfassung des geänderten Stammgesetzes im Bundesgesetzblatt ausfindig machen, da die Urfassung den gesamten ursprünglichen Gesetzeswortlaut enthält und damit als Ausgangsbasis für alle nachfolgenden Änderungsgesetze dient. Aus diesem Grunde nennt das Änderungsgesetz in seinem Eingangssatz immer die Fundstelle der letzten amtlichen Veröffentlichung des vollständigen Gesetzestextes.160 In unserem Beispiel verweist das Änderungsgesetz auf das „Umwandlungsgesetz vom 28. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3210, 1995 I S. 428)“, also auf die Fundstelle der erstmaligen Verkündung und ihrer Berichtigung. Je nachdem, wie lange das Stammgesetz bereits existiert, kann sich die Urfassung aber auch in einer sehr frühen Ausgabe des Bundesgesetzblattes oder sogar noch im Reichsgesetzblatt befinden.161 • Während die Urfassung des Stammgesetzes also noch relativ leicht zu ermitteln ist, müsste man anschließend von der Urfassung ausgehend das gesamte Gesetzblatt nach Änderungsgesetzen durchsuchen, eine ziemlich 159 So auch BVerfGE 114, 196 (236); Herberger, jur-pc 1993, 2256 (2257); Zuck, NJW 2002, 3066. 160 HdR, Rn. 546; allerdings muss es sich hierbei nicht zwingend um die Fundstelle der Erstausfertigung handeln, sondern die Änderungsgesetze nennen meistens nur die Fundstelle der letzten amtlichen Neubekanntmachung, siehe HdR, Rn. 169 i. V. m. 174 f. 161 Müsste man z. B. nach der Urfassung des Bürgerlichen Gesetzbuches suchen, so würde man im Bundesgesetzblatt vergeblich blättern, da das BGB noch zu Zeiten des deutschen Kaiserreiches, genauer im Reichsgesetzblatt von 1896 (S. 195) erstmalig verkündet wurde.

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C. Zur Notwendigkeit einer konsolidierten Gesetzesfassung

mühevolle und zeitaufwändige Prozedur, vor allem dann, wenn seit der Erstverkündung bereits einige Jahre verstrichen sind. Erschwerend kommt hinzu, dass die Änderungsbefehle häufig in sehr umfangreichen Artikelbzw. Mantelgesetzen untergebracht sind und somit leicht übersehen werden können.162 Gelegentlich scheint der Gesetzgeber die Änderungsbefehle sogar absichtlich verstecken zu wollen.163 So sind beispielsweise zum Umwandlungsgesetz bis heute mehr als zehn Änderungsgesetze ergangen, eines davon unter einer so irreführenden Bezeichnung wie „Gesetz zur Änderung des Seemanngesetzes und anderer Gesetze“.164 Um die Gefahr, bei der Recherche wichtige Gesetzesänderungen zu übersehen, zu verringern, kann man hier ausnahmsweise besser das Pferd von hinten aufzäumen und bei dem letzten Änderungsgesetz anfangen. Das ist insofern ratsam, als der Gesetzgeber im Eingangssatz jedes Änderungsgesetzes auf die Fundstelle des unmittelbar vorhergehenden Änderungsgesetzes hinweist.165 Auf diese Weise kann man sich gewissermaßen von Änderungsgesetz zu Änderungsgesetz „hangeln“, bis man schließlich bei der Urfassung des Stammgesetzes angekommen ist.166 Erleichtert wurde die Suche nach den Änderungsbefehlen früher durch farbige Hinweismarken, die jeweils in der letzten vollständig im Bundesgesetzblatt abgedruckten Gesetzesfassung neben diejenigen Vorschriften geklebt wurden, die in der Zwischenzeit geändert worden waren, und auf die Fundstelle des entsprechenden Änderungsgesetzes verwiesen. So konnte man bereits anhand der Urfassung erkennen, welche Vorschriften nachträglich eine Änderung erfahren hatten und die passenden Änderungsbefehle zielgerichtet nachschlagen. Dieses Verfahren verlangt natürlich von den Inhabern des Bundesgesetzblattes eine kontinuierliche Pflege durch regelmäßiges und richtiges Einkleben der Hinweismarken. Aber selbst dann konnte diese Methode im Laufe der Zeit ziemlich unübersichtlich werden, vor allem wenn einige Vorschriften mehrfach geändert wurden. In diesem Fall war manchmal an den betreffenden Stellen der ursprüngliche Gesetzestext vor lauter Hinweismarken kaum noch zu erkennen. Seit 1952 werden darum vom Bundesministerium der Justiz zum Ende jedes Jahres sog. Fundstellennachweise herausgegeben. Das sind Hefte, in denen die Fundstellen der Urfassungen aller Stammgesetze einschließlich der nachfolgenden Änderungsgesetze vermerkt sind.167 Die systema162 163 164 165 166

Dazu ausführlich Merten, S. 309 ff. Siehe Zuck, NJW 2002, 3066, mit Beispielen. BGBl. I 2002, 1163. Siehe HdR, Rn. 549. Konzelmann, Rechtsbereinigung, S. 103.

II. Vor- und Nachteile der Änderungsgesetze

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tische Gliederung in verschiedene Sachbereiche orientiert sich dabei an der Gliederung des Bundesgesetzblattes Teil III.168 Mit Hilfe dieser Hefte lassen sich also alle zu einem bestimmten Stammgesetz bisher ergangenen Änderungsgesetze überblicken. Angegeben werden aber jeweils nur die Fundstellen der Änderungsgesetze sowie die Vorschriften des Stammgesetzes, die von den Änderungen betroffen sind. Nicht aufgeführt wird hingegen der Inhalt der Änderungen, so dass einem auch der Fundstellennachweis nicht die Arbeit erspart, die entsprechenden Änderungsgesetze im Bundesgesetzblatt einzeln nachzuschlagen.169 • Anhand der oben genannten Hilfsmittel lassen sich die verschiedenen Änderungsgesetze mit etwas „Detektivarbeit“ ermitteln. Damit verfügt man aber immer noch nicht über den aktuellen Gesetzeswortlaut, denn nun folgt der dritte und zugleich schwierigste Arbeitsschritt: Von der Urfassung ausgehend müssen alle Änderungsgesetze durchgesehen und die darin enthaltenen Änderungsbefehle in den ursprünglichen Gesetzestext eingearbeitet werden. Diese Arbeit erinnert auf den ersten Blick etwas an eine „Bastelstunde“, in der man anhand der Änderungsbefehle (sozusagen die Bastelanleitung) die einzelnen Wortschnipsel und -fetzen zu einem zusammenhängenden und lesbaren Gesetzestext zusammenfügen muss. Dieser Vorgang ist natürlich umso mühevoller und zeitaufwändiger, je mehr Änderungsbefehle einzuarbeiten sind. Darüber hinaus steigt mit jedem weiteren Änderungsgesetz das Fehlerpotenzial,170 weshalb bereits Zuck zutreffend angemerkt hat: „Das Auffinden einer Gesetzesänderung ist schon Glückssache, das Zusammensetzen der alten mit der neuen Regelung harte und fehleranfällige Arbeit.“171

Hinzu kommt, dass die „Bastelanleitung“ gelegentlich Fehler aufweist, sprich die Änderungsbefehle nicht logisch durchführbar sind, also z. B. Worte in Paragraphen eingefügt oder Sätze gestrichen werden sollen, die gar nicht existieren.172 Spätestens in einer solchen Situation dürften viele Bürger verzweifelt das Handtuch werfen. Aber auch im Normalfall kann man sich am Ende seiner Arbeit nie ganz sicher sein, ob man nun wirklich den richtigen Text vor sich liegen hat oder ob nicht eventuell ein kleiner Flüchtigkeitsfehler unterlaufen ist. Bei einer Kette von zehn oder mehr Änderungsbefehlen sollte man sein Ergebnis also lieber noch einmal kontrollieren. 167

Siehe dazu HdR, Rn. 26. Tettinger, JuS 1979, 258 (260). 169 Konzelmann, Rechtsbereinigung, S. 123. 170 Vgl. BK – Maurer, Art. 82, Rn. 111. 171 Zuck, NJW 1999, 1517 (1519). 172 Eine sehr umfangreiche Auflistung von solchen logischen Fehlern im Bundesgesetzblatt findet man unter www.sadaba.de/Anm/GSBA_F.html. 168

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C. Zur Notwendigkeit einer konsolidierten Gesetzesfassung

III. Die konsolidierte Gesetzesfassung Der soeben beschriebene Vorgang, also die Ermittlung des aktuellen Gesetzeswortlauts durch Einarbeitung der verschiedenen Änderungsbefehle, wird Gesetzeskonsolidierung genannt.173 Eine konsolidierte Gesetzesfassung hat gegenüber den im Bundesgesetzblatt veröffentlichten Änderungsgesetzen den großen Vorteil, dass sie einen vollständigen und zusammenhängenden Gesetzestext enthält, der zugleich alle seit der Erstverkündung des Gesetzes ergangenen Änderungen berücksichtigt. Sie ist quasi das lesbare und verstehbare Ergebnis des bisherigen Änderungsprozesses. Ohne eine regelmäßige Konsolidierung wären die Gesetze im Laufe der fortschreitenden Änderungstätigkeit nicht mehr nachvollziehbar, weder für die Bürger noch für die staatlichen Stellen.174 In gewisser Hinsicht kann man die Konsolidierung deshalb mit dem Zusammensetzen eines Puzzlespiels vergleichen.175 Auch bei einem Puzzlespiel lässt sich aus den einzelnen Puzzleteilen das Gesamtbild noch nicht erkennen. Erst mit dem Zusammensetzen der einzelnen Teile wird das Gesamtbild sichtbar. Die konsolidierte Gesetzesfassung enthält demzufolge gegenüber der Urfassung und den einzelnen Änderungsbefehlen einen Mehrwert,176 denn erst sie ermöglicht eine Kenntnisnahme von dem aktuellen Norminhalt und somit eine sinnvolle Arbeit mit dem Gesetz. Wie aber gerade gesehen, bedarf es in der Regel einiger Mühe und Zeit, um mit Hilfe der im Bundesgesetzblatt verstreuten Änderungsgesetze eine konsolidierte Gesetzesfassung zu erstellen.177 Darüber hinaus setzt diese Tätigkeit gewisse Grundkenntnisse der Gesetzgebungs- und Änderungstechnik voraus. Moysan stuft sie wegen der dabei vorzunehmenden Recherche und Bewertung verschiedener Rechtsquellen sogar als „wissenschaftlichen Vorgang“ ein.178 Auch wenn diese Einschätzung vielleicht etwas zu weit geht, so steht doch außer Zweifel, dass die Gesetzeskonsolidierung eine schwierige und sehr arbeitsintensive Aufgabe ist.179 Das dürfte letzten Endes der ausschlaggebende Faktor sein, warum die meisten Rechtsanwender in der Praxis vor der Arbeit mit dem Bundesgesetzblatt zurückschrecken.180 173

Kuntz, JurPC Web-Dok. 151/2006, Abs. 7. Vgl. BVerfGE 114, 196 (236). 175 Siehe Mönkemeyer, jur-pc 1993, 2175; Zuck, NJW 1999, 1517 (1519). 176 Vgl. Stöhr, NJW 1999, 1440 (1441). 177 Vgl. Nadler, JZ 1970, 605 (607); Keck, BayVBl. 1985, 33. 178 Moysan, JurPC Web-Dok. 25/2005, Rn. 7; ebenso Kuntz, JurPC Web-Dok. 151/2006, Abs. 12. 179 Dass damit bisweilen auch die staatlichen Stellen überfordert sind, zeigt das Beispiel zum Einkommensteuergesetz bei Konzelmann, Rechtsbereinigung, S. 98 ff. 180 Vgl. Mönkemeyer, jur-pc 1993, 2175; Konzelmann, Rechtsbereinigung, S. 106. 174

III. Die konsolidierte Gesetzesfassung

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Somit besteht also einerseits ein dringender Bedarf an aktuellen konsolidierten Gesetzesfassungen, andererseits aber auch eine verständliche Abneigung der meisten Bundesbürger, sich diese Fassungen in mühevoller Eigenarbeit zusammenzustellen, soweit sie dazu überhaupt in der Lage sind. Diese Situation haben sich die privaten Verleger zunutze gemacht, indem sie den Bürgern diese lästige Arbeit abnehmen und das Ergebnis zum käuflichen Erwerb anbieten. Diese privaten Gesetzessammlungen erscheinen entweder als Loseblatt-Ordner mit fortlaufenden Ergänzungslieferungen181 oder als gebundene Ausgaben, die allerdings den großen Nachteil haben, dass sie relativ schnell wieder veralten. Erhältlich sind sowohl einzelne Gesetze als auch ganze Rechtsgebiete in unterschiedlicher Zusammenstellung.182 Wer sich nun wundert, dass er für die deutschen Gesetzestexte, die im übrigen gem. § 5 Abs. 1 UrhG keinen urheberrechtlichen Schutz genießen, auch noch Geld ausgeben soll, der darf nicht vergessen, dass er die Verleger weniger für den Druckvorgang als vielmehr für die redaktionelle Aufbereitung der Gesetzestexte und den dadurch hervorgerufenen Mehrwert bezahlt. Die durch den Kauf einer solchen Gesetzessammlung erlangte Arbeits- und Zeitersparnis dürfte schließlich den Kaufpreis in den meisten Fällen wieder ausgleichen. Viele Juristen gehen allerdings gelegentlich etwas sorglos mit den privaten Gesetzessammlungen um und scheinen bei deren Anwendung zu vergessen, dass es sich hierbei nicht um amtliche Gesetzestexte, sondern lediglich um private Produkte ohne rechtliche Verbindlichkeit handelt.183 Während in privaten Angelegenheiten und auch im Studium ein Rückgriff auf die Gesetzesausgaben aus praktischen Gründen gerechtfertigt erscheint, wird es hingegen problematisch, wenn sich auch Richter, Rechtsanwälte und Verwaltungsbeamte ausschließlich auf die privaten Gesetzestexte verlassen.184 Diese können nämlich im Falle von fehlerhaften Abweichungen die amtliche Gesetzesfassung nicht ersetzen oder modifizieren.185 Im Zweifel sollte daher immer auch ein Blick ins Bundesgesetzblatt geworfen werden, nicht zuletzt, um keine aktuellen Gesetzesänderungen zu übersehen. 181 Auch vielen Nichtjuristen dürften in diesem Zusammenhang der „Schönfelder“ oder „Sartorius“ aus dem Verlag C.H. Beck ein Begriff sein. 182 Siehe dazu die – leider nicht mehr ganz aktuelle – Zusammenstellung bei Tettinger, JuS 1979, 258 f. 183 Herberger, jur-pc 1993, 2256; vgl. auch Rühmann, EuGRZ 2000, 204; Lindner, BayVBl. 2006, 1 (2, Fn. 19). 184 Vgl. Herberger, jur-pc 1993, 2256 (2257). 185 In Betracht käme in einem solchen Fall lediglich ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch gegen den herausgebenden Verlag, soweit dieser seine Haftung nicht – wie meistens der Fall – durch eine entsprechende Klausel ausgeschlossen hat.

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C. Zur Notwendigkeit einer konsolidierten Gesetzesfassung

Denn trotz aller praktischen Vorteile der privaten Gesetzesausgaben ist und bleibt letzten Endes das Bundesgesetzblatt allein maßgeblich.186 Ein weiterer, in letzter Zeit immer populärer gewordener Weg, sich auf bequeme Art und Weise über die aktuellen Gesetzestexte zu informieren, liegt im Internet. Gemeint sind hier aber nicht die bereits oben angesprochenen Seiten der Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft,187 die ja nur die Ausgaben des Bundesgesetzblattes originalgetreu wiedergeben, sondern andere private Internetseiten, die teils kostenlos, teils gegen ein Nutzungsentgelt konsolidierte Gesetzesfassungen zu fast allen deutschen Gesetzen zum Abruf bereit halten.188 In Bezug auf deren Verbindlichkeit gilt allerdings das bereits zu den gedruckten Gesetzessammlungen Gesagte.189 Um einer zivilrechtlichen Haftung zu entgehen, weisen deshalb viele Anbieter ausdrücklich auf die rechtliche Unverbindlichkeit ihrer Texte hin: „Trotz größter Sorgfalt bei der Digitalisierung und Konsolidierung der Texte können Fehler und Abweichungen zu der amtlich veröffentlichten Fassung nicht ausgeschlossen werden. Die aufgeführten Gesetze und Verordnungen liegen nicht in der amtlichen Fassung vor, sondern stellen lediglich ein Informationsangebot dar. Die amtliche Fassung finden Sie ausschließlich im Bundesgesetzblatt bzw. den anderen amtlichen Bekanntgabemedien.“190

IV. Die Gesetzeskonsolidierung als staatliche Pflicht Die bisherigen Ausführungen haben das Dilemma des Bürgers auf der Suche nach dem geltenden Gesetzestext aufgezeigt. Möchte er sich aus erster Hand informieren, so muss er nach dem formellen Publikationsprinzip zum Bundesgesetzblatt greifen. Wurde das Stammgesetz, welches er sucht, erst vor kurzem im Bundesgesetzblatt neu verkündet und seitdem nicht mehr geändert, so wird er dort einen vollständigen und lesbaren Gesetzestext auffinden, den er unmittelbar anwenden kann. Je weiter die Erst- oder Neuverkündung aber zurückliegt und je mehr Änderungsgesetze in der Folgezeit erlas186 Tettinger, JuS 1979, 258 (259); Herberger, jur-pc 1993, 2256; Kuntz, JurPC Web-Dok. 151/2006, Abs. 10; Friauf/Höfling – Guckelberger, Art. 82, Rn. 67. 187 Siehe oben S. 41. 188 Relativ umfassende und aktuelle Sammlungen des deutschen Bundesrechts findet man z. B. unter www.recht.makrolog.de, www.sadaba.de (beide kostenpflichtig), www.buzer.de, www.dejure.org, www.lexsoft.de/lexisnexis/justizportal_nrw.cgi und www.gesetzesweb.de (alle kostenlos). Die vom Bundesministerium der Justiz in Zusammenarbeit mit der juris GmbH betriebene Seite www.gesetze-im-internet.de wird noch weiter unten näher besprochen; siehe S. 64. 189 Vgl. auch Dreier – Bauer, Art. 82, Rn. 16. 190 So z. B. der Hinweis bei www.buzer.de/h.htm.

IV. Die Gesetzeskonsolidierung als staatliche Pflicht

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sen wurden, desto schwieriger wird es für den Rechtsuchenden, eine verständliche Gesetzesfassung zu erhalten. In den meisten Fällen wird er daher den Gesetzestext selbst konsolidieren müssen, eine überaus zeitaufwändige und fehleranfällige Arbeit, wie das obige Beispiel verdeutlicht hat.191 An diesem Punkt stellt sich die Frage, ob und inwieweit der Staat die Konsolidierungsarbeit dem Bürger überlassen kann oder ob er nicht verfassungsrechtlich verpflichtet ist, diese komplexe Aufgabe selbst zu übernehmen und dem Bürger von vornherein eine konsolidierte und damit praktisch brauchbare Gesetzesfassung zur Verfügung zu stellen. Zu denken wäre hier zunächst an das teils aus dem Rechtsstaatsprinzip, teils aus Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG abgeleitete Vollständigkeitsprinzip, nach dem die Gesetze mit ihrem vollständigen Wortlaut im Bundesgesetzblatt zu verkünden sind.192 Dieses Prinzip verlangt aber nur, dass sich der gesamte Gesetzestext, so wie er vom Bundestag beschlossen wurde, im Bundesgesetzblatt wiederfindet, also nicht in anderen Medien publiziert wird. Hingegen wird man ihm nicht die Forderung entnehmen können, dass die Gesetze immer in konsolidierter Form zu veröffentlichen sind. In dieser Hinsicht ist dem Vollständigkeitsprinzip bereits Genüge getan, wenn sich der vollständige Gesetzestext zumindest aus den einzelnen Änderungsgesetzen ergibt. Das Problem liegt folglich weniger in einer unvollständigen, sondern vielmehr in einer unverständlichen Publikation. Insofern könnte sich eine Verpflichtung zur Gesetzeskonsolidierung aus dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz der Klarheit und Verständlichkeit des Rechts ergeben. Danach muss eine Rechtsnorm „in ihren Voraussetzungen und in ihrem Inhalt so formuliert sein, dass die von ihr Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können“.193 Das Bundesverwaltungsgericht fordert, dass „sich aus dem Inhalt einer Rechtsvorschrift mit ausreichender Bestimmtheit ermitteln lassen muss, was von den pflichtigen Personen verlangt wird“.194 Die Gesetze müssen mithin verständlich, widerspruchsfrei und praktikabel sein,195 denn ein Rechtssystem, dessen Normen die Rechtsunterworfenen nicht erkennen und verstehen können, führt zu Rechtsunsicherheit.196 Aus diesem Grunde hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 1956 zwei Gesetze für nichtig erklärt, weil „die Ermittlung dessen, was nach den Apothekenstoppgesetzen rechtens sein soll, dem 191

Siehe oben S. 50 ff. Siehe dazu bereits oben S. 24. 193 BVerfGE 21, 73 (79); E 31, 255 (264); E 37, 132 (142); E 78, 205 (212); ähnlich E 108, 52 (75); E 110, 33 (53). 194 BVerwGE 17, 322 (325); ähnlich bereits E 2, 172 (175). 195 Dreier – Schulze-Fielitz, Art. 20 (Rechtsstaat), Rn. 141; Merten, S. 302. 196 Stern, Band I, § 20 IV 4 ß). 192

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C. Zur Notwendigkeit einer konsolidierten Gesetzesfassung

Rechtsunterworfenen ohne Zuhilfenahme spezieller Kenntnisse, die wohl bei den mit der Sache befassten Verwaltungsbehörden und Gerichten, nicht aber beim Rechtsunterworfenen vorausgesetzt werden können, nicht möglich ist“.197 Eine noch deutlichere Kritik an der mangelnden Verständlichkeit mancher Gesetzestexte hat vor kurzem der Bundesfinanzhof geäußert. Ende 2006 hat er dem Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle mehrere Vorschriften aus dem Einkommensteuergesetz vorgelegt, weil er der Auffassung ist, die streitgegenständlichen Normen verletzen den Grundsatz der Normklarheit, denn sie seien „sprachlich unverständlich, widersprüchlich, irreführend, unsystematisch aufgebaut und damit in höchstem Maße fehleranfällig“.198 Dabei hat er auch betont, dass es nicht ausreiche, dass sich die Rechtsfolgen einer Norm allenfalls einigen Experten erschließen.199 Es wäre falsch, davon auszugehen, dass sich die Gesetze immer nur an bestimmte Adressatenkreise richten.200 Vielmehr sind wegen der allgemeinen sozialen Interdependenz letzten Endes alle Bürger – wenn auch nicht in gleichem Maße – von allen Gesetzen betroffen, weshalb diese grundsätzlich für jedermann verständlich sein müssen.201 Daraus ergibt sich in der Europäischen Union sogar die zusätzliche Vorgabe, dass die Rechtsakte in allen Amtssprachen im Amtsblatt zu verkünden sind.202 Die eben genannten Anforderungen beziehen sich zunächst einmal auf bereits konsolidierte Gesetzestexte. Man kann in diesem Zusammenhang auch von der inhaltlichen bzw. materiellen Klarheit des Gesetzes sprechen.203 Diese ist sicherlich eine notwendige Voraussetzung für dessen Verfassungsmäßigkeit, aber keine hinreichende. Der Grundsatz der Klarheit und Verständlichkeit des Rechts muss ebenso berücksichtigen, wie die Bürger überhaupt erst an diese konsolidierte Gesetzesfassung gelangen, denn gerade dieser erste Schritt kann schon für viele eine Hürde darstellen, die sie – wie oben gesehen – mangels Zeit oder spezieller Vorkenntnisse nicht aus eigener Kraft überwinden können. Was bringt ihnen dann ein an sich klarer und verständlicher Gesetzestext, wenn sie diesen nicht selbst ermitteln können? Insofern muss das Rechtsstaatsprinzip neben der materiellen 197

BVerfGE 5, 25 (33). Eine noch strengere Haltung vertritt teilweise der EuGH, dazu Tomuschat, S. 467 f. 198 BFH, Beschluss vom 06.09.2006 – XI R 26/04 –, abgedruckt in DStR 2006, 2019 (2023 ff.). 199 BFH, DStR 2006, 2019 (2023). 200 Noll, S. 175. 201 Noll, S. 180, 195. 202 Siehe EuGH, Urteil vom 11.12.2007, Rs. C-161/06 (Skoma-Lux sro/Celní ˇ reditelství Olomouc), Rn. 33–38, abgedruckt in EuZW 2008, 180 (182). 203 Maunz/Dürig – Grzeszick, Art. 20 VII, Rn. 53; Sachs – Sachs, Art. 20, Rn. 125.

IV. Die Gesetzeskonsolidierung als staatliche Pflicht

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auch die formelle Rechtsklarheit, also insbesondere den Publikationsvorgang umfassen.204 Dazu hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt: „Das Rechtsstaatsprinzip gebietet, dass förmlich gesetzte Rechtsnormen verkündet werden; denn die Verkündung stellt einen integrierenden Teil der förmlichen Rechtsetzung dar, ist also Geltungsbedingung. Verkündung bedeutet regelmäßig, dass die Rechtsnormen der Öffentlichkeit in einer Weise förmlich zugänglich gemacht werden, dass die Betroffenen sich verlässlich Kenntnis von ihrem Inhalt verschaffen können (. . .). Diese Möglichkeit darf auch nicht in unzumutbarer Weise erschwert sein.“205

Zugleich hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber aber einen Ermessensspielraum hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung des Verkündungsvorganges eingeräumt.206 Das Rechtsstaatsprinzip schreibt dem Staat demnach keine bestimmte Verkündungstechnik vor, sondern fordert lediglich eine adäquate Kundmachung,207 die jedermann eine Kenntnisnahme der Rechtsnormen in zumutbarer und verlässlicher Weise ermöglicht.208 In Bezug auf formelle Gesetze wird dieser Ermessensspielraum allerdings durch Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG insoweit konkretisiert, als dass die Verkündung zwingend schriftlich im Bundesgesetzblatt zu erfolgen hat. Eine adäquate Verkündung von Gesetzen setzt deshalb neben dem allgemeinen Zugang zum Bundesgesetzblatt auch dessen inhaltliche Zugänglichkeit voraus, d.h. der Gesetzesinhalt muss sich aus dem im staatlichen Publikationsorgan abgedruckten Wortlaut klar und verständlich ergeben.209 Anschaulich hat der österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH) diese Erkenntnis in einer auch auf das deutsche Recht zutreffenden Entscheidung formuliert: „Eine Vorschrift, zu deren Sinnermittlung subtile verfassungsrechtliche Kenntnisse, qualifizierte juristische Befähigung und Erfahrung und geradezu archivarischer Fleiß von Nöten sind, ist keine verbindliche Norm.“210 204 Tomuschat, S. 468; Noll, S. 197; Merten, S. 305; vgl. auch Umbach/Clemens – Roellecke, Art. 20, Rn. 82. 205 BVerfGE 65, 283 (291); ebenso E 90, 60 (85). 206 BVerfGE 65, 283 (291); E 90, 60 (85); so auch das BVerwG, NVwZ 1990, 359. 207 Schulze-Fielitz, S. 541; Konzelmann, Rechtsbereinigung, S. 125; ders., JurPC Web-Dok. 51/1998, Abs. 2. 208 Sachs – Sachs, Art. 20, Rn. 123; vgl. auch Brande, S. 191 zum österreichischen Recht. 209 Konzelmann, Rechtsbereinigung, S. 125; Däubler, NJW 2004, 993 (994); Merten, S. 306; vgl. auch Ossenbühl, DVBl. 1967, 401 (406), der insbesondere die gesetzestechnische Verweisung auf außerhalb des Bundesgesetzblattes veröffentlichte Rechtsnormen kritisiert und in diesem Zusammenhang fordert, dass der Bürger „sich aus dem verfassungsrechtlich vorgesehenen Verkündungsblatt selbst über die Gesetzeslage umfassend unterrichten können“ muss. 210 VfGH Slg. 3130/1956. In einer weiteren Entscheidung (Slg. 12420/1990) hat der VfGH außerdem festgehalten, dass eine Norm, deren Inhalt „nur mit subtiler

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C. Zur Notwendigkeit einer konsolidierten Gesetzesfassung

Angesichts dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben bestehen erhebliche Zweifel an der ausreichenden inhaltlichen Zugänglichkeit des Bundesgesetzblattes. Betrachtet man die dort verkündeten Änderungsgesetze, so wird man wohl zu dem Schluss kommen müssen, dass deren Wortlaut für sich gesehen dem Grundsatz der Klarheit und Verständlichkeit des Rechts nicht mehr genügt,211 denn aus den einzelnen Änderungsbefehlen kann der Bürger die Rechtslage in der Regel nicht oder nur ganz schwer erkennen.212 Er kann ihnen lediglich entnehmen, wie die einzelnen Wörter und Sätze zusammenzufügen sind, damit sie später vielleicht einen sinnvollen Gesetzestext ergeben. Dass die Umsetzung dieser Änderungsbefehle ihrerseits aber – von dem tatsächlichen Arbeitsaufwand einmal ganz abgesehen – gewisse Grundkenntnisse der Gesetzeskonsolidierung voraussetzt und zudem höchst fehleranfällig ist, wurde bereits oben ausführlich dargestellt.213 Damit mag das Bundesgesetzblatt als amtliches Verkündungsorgan zwar für jedermann äußerlich zugänglich sein, in inhaltlicher Hinsicht bleibt es jedoch für die meisten Rechtsanwender größtenteils verschlossen, da sie nicht in der Lage sind, den konsolidierten Gesetzestext und damit auch den Gesetzesinhalt in zumutbarer und verlässlicher Weise zu ermitteln.214 „Dieses Blatt hat nichts mehr mit Gesetzen zu tun. Es handelt sich überwiegend um nichts anderes als die Sammlung kodierter Texte, in unregelmäßigen Folgen erscheinend, zu Ende einer Legislaturperiode häufiger, besonders häufig zum Jahresende, les- und deutbar nur für die in die Riten eingeweihten Hohen Priester der Rechtsmystik.“215 Sachkenntnis, außerordentlichen methodischen Fähigkeiten und einer gewissen Lust zum Lösen von Denksport-Aufgaben“ verstanden werden kann, wegen Verletzung der rechtsstaatlichen Anforderungen an die Verständlichkeit der Norm aufzuheben sei. 211 Ebenso Konzelmann, Rechtsbereinigung, S. 106, 125. 212 Schneider, Rn. 451: „aus sich heraus ganz unverständlich“; Brandner, Gesetzesänderung, S. 50: „aus sich heraus unverständlich“; Stöhr, NJW 1999, 1440 (1441): „aus sich heraus in der Regel schwer verständlich“; Noll, S. 201: „nur mit größter Mühe“; Horlacher, DÖV 1956, 490 (491): „erschwert . . . nicht unbeträchtlich“; Mock, S. 167: „unzumutbare Schwierigkeiten“; Brande, S. 174: „praktisch nicht mehr möglich“; Konzelmann, Rechtsbereinigung, S. 98: „Unleserlichkeit der Gesetzblätter“; Oppermann, DVBl. 2008, 473 (476): „auch für Spezialisten, geschweige denn für den Bürger, völlig unlesbaren Text“ (in Bezug auf den Vertrag von Lissabon, der als reiner „Änderungsvertrag“ ergangen ist). Auch Däubler, NJW 2004, 993 (994), fragt sich, wer diese „Patchwork-Gesetzgebung“ noch nachvollziehen kann und was wohl geschehen würde, wenn das Bundesverfassungsgericht die AGB-Grundsätze auf die Gesetzgebung überträgt. 213 Siehe oben S. 49 ff. 214 Zuck, NJW 2002, 3066 (3067); Mock, S. 169; einschränkend Merten, S. 302, der einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip erst annimmt, „wenn Änderungsgesetz und ursprüngliches Gesetz nicht mehr zusammenpassen und Gegensätze auch durch Auslegung nicht zu bereinigen sind“. 215 Zuck, NJW 2002, 3066.

IV. Die Gesetzeskonsolidierung als staatliche Pflicht

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Dass dieser Mangel an formeller Rechtsklarheit in der Praxis (und anscheinend auch vom Bundesverfassungsgericht) bisher mehr oder weniger beanstandungslos hingenommen wurde, wird hauptsächlich darauf zurückzuführen sein, dass dank der Initiative zahlreicher privater Verleger die konsolidierten Fassungen fast aller deutschen Gesetze im Buchhandel und mittlerweile auch im Internet erhältlich sind.216 Die privaten Gesetzessammlungen kompensieren damit quasi die inhaltliche Unzugänglichkeit des Bundesgesetzblattes.217 Auf diesem Umweg ist also letzten Endes doch wieder jedermann in der Lage, sich (gegen entsprechendes Entgelt) eine verständliche Gesetzesfassung zu besorgen. Kann aber der Umstand, dass die juristischen Verlage den Bürgern den Zugang zum Gesetzesinhalt auf gewerblicher Basis ermöglichen, den Staat von seiner rechtsstaatlichen Pflicht entbinden, das Recht – wie es das Bundesverfassungsgericht oben formuliert hat – „der Öffentlichkeit in einer Weise förmlich zugänglich zu machen, dass die Betroffenen sich verlässlich Kenntnis von ihrem Inhalt verschaffen können“? Oder andersherum gefragt: Können die privaten Verlage diese rechtsstaatliche Pflicht wirksam übernehmen? Das würde in technischer Sicht zunächst einmal voraussetzen, dass die juristischen Verlage genauso gut in der Lage sind, die Gesetzestexte zu konsolidieren, wie der Staat. Davon kann angesichts der langjährigen Erfahrung und professionellen Ausstattung vieler Verlage grundsätzlich ausgegangen werden.218 Allerdings wird wohl kaum ein Verlag den Aufwand betreiben, sämtliche Bundesgesetze in konsolidierter Fassung anzubieten. Insofern kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass einige sehr spezielle Gesetze gar nicht oder nur zu extrem hohen Preisen erhältlich sind, da sich die Konsolidierung aufgrund der geringen Nachfrage ansonsten finanziell nicht lohnen würde. Dadurch könnte der Zugang der Bürger zu einigen wenigen Gesetzen schon wieder in unzumutbarer Weise erschwert werden. Mindestens ebenso gewichtig ist aber ein zweiter Aspekt. Das Rechtsstaatsprinzip fordert nicht nur eine inhaltlich klare und verständliche Gesetzesfassung, sondern auch die Möglichkeit einer „verlässlichen Kenntnisnahme“.219 Ohne die Zuverlässigkeit der privaten Gesetzessammlungen generell in Abrede stellen zu wollen, aber wer garantiert dem Bürger, dass 216

Siehe oben S. 55. Noll, S. 201; siehe in diesem Zusammenhang auch die Glosse von Schwab, JZ 1980, 37 f. mit dem treffenden Titel: „Schönfelder & Sartorius als Gesetzgeber“. 218 Kuntz, JurPC Web-Dok. 151/2006, Abs. 12; skeptisch Friauf/Höfling – Guckelberger, Art. 82, Rn. 83; Tomuschat, S. 469. 219 BVerfGE 65, 283 (291); E 90, 60 (85), vgl. auch Sachs – Sachs, Art. 20, Rn. 123, der von einer „zuverlässigen Kenntnis“ spricht. 217

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C. Zur Notwendigkeit einer konsolidierten Gesetzesfassung

der in einer Privatausgabe enthaltene Gesetzestext richtig ist? Angesichts der hohen Komplexität und Fehleranfälligkeit des Konsolidierungsprozesses kann mit einiger Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die privaten Gesetzessammlungen in manchen Punkten voneinander abweichen.220 In diesem Fall benötigt man aus Gründen der Rechtssicherheit eine verbindliche Gesetzesfassung, die den maßgeblichen Gesetzeswortlaut beinhaltet. Eine solche Fassung kann sich nach dem Grundsatz der formellen Publikation aber nur aus dem amtlichen Gesetzblatt ergeben. Deshalb schließen die privaten Verlage eine Haftung für mögliche Konsolidierungsfehler vorsorglich aus und verweisen insofern wieder auf das Bundesgesetzblatt.221 Damit ist dem Bürger jedoch nicht viel weitergeholfen, weil er ja – wie oben gesehen – die maßgebliche Gesetzesfassung aus dem Bundesgesetzblatt regelmäßig nicht entnehmen und somit die Richtigkeit der privaten Gesetzesfassung nur unzureichend überprüfen kann. Er ist also letzten Endes vor die Wahl gestellt zwischen dem unverständlichen, aber verlässlichen Bundesgesetzblatt oder einer verständlichen, aber „unverlässlichen“ privaten Gesetzessammlung. Letztere taugen zwar als praktische Hilfsmittel, befreien aber nicht von der komplizierten Arbeit mit der einzigen verbindlichen Gesetzesquelle, dem Bundesgesetzblatt.222 Abhilfe kann hier nur der Staat schaffen. Soweit er sich im Rahmen seines Gesetzgebungsermessens für die oben beschriebenen Änderungsgesetze mit ihren Vor- und Nachteilen entscheidet,223 muss er, damit diese den rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechen, zugleich dafür sorgen, dass die Bürger trotzdem das geltende Recht in zumutbarer und verlässlicher Weise erkennen können.224 Er kann sich nicht einfach auf die zahlreichen privaten Gesetzessammlungen berufen, die sich in Preis, Umfang und Qualität erheblich voneinander unterscheiden und überdies keine rechtliche Verlässlichkeit garantieren können.225 Vielmehr ist er selbst verpflichtet, immer dann, wenn der Wortlaut eines Gesetzes aufgrund mehrerer Änderungen „unklar“ geworden ist, den Bürgern eine neue vollständig konsolidierte amtliche Gesetzesfassung zur Verfügung zu stellen, die ihnen eine sichere 220 Siehe Moysan, JurPC Web-Dok. 25/2005, Abs. 7 ff., zu den französischen Gesetzessammlungen. 221 Siehe das Beispiel auf S. 56. 222 Tettinger, JuS 1979, 258 (259); Mönkemeyer, jur-pc 1993, 2175 (2178); Herberger, jur-pc 1993, 2256; Merten, S. 306; siehe auch oben S. 56. 223 Siehe oben S. 49 ff. 224 Das HdR, Rn. 503, rät daher bei umfassenden Gesetzesänderungen von vornherein zum Erlass eines Ablösungsgesetzes. 225 Vgl. Merten, S. 306; Konzelmann, Rechtsbereinigung, S. 132 f., der es jedoch theoretisch für möglich hält, einen privaten Verleger durch Beleihungsakt mit der Anfertigung und Veröffentlichung einer amtlichen konsolidierten Gesetzesfassung zu beauftragen.

V. Verfügbarkeit staatlicher Konsolidierungsakte

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Entscheidungsgrundlage bietet.226 Ansonsten bliebe er ihnen die Antwort auf die Frage nach dem geltenden Recht schuldig.227 Der aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Grundsatz der Klarheit und Verständlichkeit des Rechts begründet demzufolge eine Konsolidierungspflicht,228 welche der Staat in eigener redaktioneller Verantwortung wahrzunehmen hat.229 Zur Unterstützung dieses Ergebnisses kann außerdem das Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG mit herangezogen werden.230 Danach geht alle Macht vom Volke aus. Das Volk übt seine Macht aber in der Regel nicht selbst aus, sondern überträgt sie auf die von ihm gewählten Repräsentanten. Diese sind dem Volk gegenüber zur Rechenschaft verpflichtet, d.h. zur verständlichen Erläuterung des staatlichen Handelns, denn nur ein ausreichend informiertes Volk kann seine Staatsgewalt in den kommenden Wahlen und Abstimmungen wirksam ausüben.231 Der Staat muss dem Volk also insbesondere die Kenntnisnahme der ihm durch Gesetz auferlegten Rechte und Pflichten ermöglichen, und zwar in übersichtlicher und verständlicher Weise. Insofern ergibt sich auch aus dem Demokratieprinzip das Gebot, Gesetze in konsolidierter Fassung zugänglich zu machen und nicht nur in Form von chronologisch aufeinanderfolgenden Änderungsgesetzen.

V. Verfügbarkeit staatlicher Konsolidierungsakte Die bisherige Untersuchung hat ergeben, dass die im Bundesgesetzblatt verkündeten Änderungsgesetze dem Grundsatz der Klarheit und Verständlichkeit des Rechts grundsätzlich nicht genügen. Daraus ergibt sich eine staatliche Pflicht zur Bereitstellung konsolidierter amtlicher Gesetzesfassungen. Angesichts dieser Ergebnisse stellt sich somit die Frage, ob und wie 226

Vgl. Herberger, jur-pc 1993, 2256 (2262). Konzelmann, Rechtsbereinigung, S. 106, der daraus die staatliche Pflicht zur Herausgabe einer verbindlichen bereinigten Gesetzessammlung begründet. 228 Konzelmann, Rechtsbereinigung, S. 131 f., der deshalb vorschlägt, „zustande gekommenen Gesetze“ in Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG zu lesen als „durch die Änderungsanweisungen zustande gekommenen Gesetze“. Dann sei nämlich der Staat verpflichtet, den Bürgern im Bundesgesetzblatt stets leserliche Fassungen, jedenfalls der geänderten Paragraphen, anzubieten. Für eine staatliche Konsolidierungspflicht im Ergebnis wohl auch v. Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Art. 20 Abs. 3, Rn. 303; Tomuschat, S. 468; einschränkend Friauf/Höfling – Guckelberger, Art. 82, Rn. 82 f.; a. A. Moysan, JurPC Web-Dok. 25/2005, Abs. 16, in Bezug auf das in dieser Hinsicht vergleichbare französische Rechtssystem; ebenso Kuntz, JurPC WebDok. 151/2006, Abs. 13–15, der eine staatliche Konsolidierungspflicht auch für das deutsche Rechtssystem grundsätzlich ausschließen möchte. 229 Vgl. Noll, S. 183; Berkemann, jur-pc 1996, 208 (215). 230 Siehe Konzelmann, Rechtsbereinigung, S. 132; Heydt, S. 466 f. 231 Wittling, S. 135, 138. 227

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C. Zur Notwendigkeit einer konsolidierten Gesetzesfassung

die Bundesrepublik Deutschland dieser verfassungsrechtlichen Pflicht bisher nachgekommen ist. 1. Die Internetseite www.gesetze-im-internet.de Seit Ende 2005 stellt das Bundesministerium der Justiz in Zusammenarbeit mit der juris GmbH im Internet eine Informationsplattform zur Verfügung, auf der die konsolidierten Fassungen nahezu aller deutschen Bundesgesetze kostenlos eingesehen und heruntergeladen werden können.232 Als Grundlage für dieses umfassende Angebot dient die Datenbank des Bundesrechts, die vom Bundesministerium der Justiz auf Grund eines Beschlusses der Bundesregierung aus dem Jahr 1978 aufgebaut wurde und seit 1984 von der juris GmbH in Saarbrücken, an der der Bund mit 50,01% die Anteilsmehrheit hält,233 als Verwaltungshelferin betrieben wird.234 Die fortlaufende Konsolidierung der Gesetzestexte, die in der Datenbank gespeichert sind, erfolgt durch die Dokumentationsstelle des Bundesamts für Justiz, eine neue Bundesoberbehörde im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz, die zum 1. Januar 2007 ihre Arbeit in Bonn aufgenommen hat.235 Insofern kann man hier von einer staatlichen Gesetzessammlung sprechen, die sich nicht nur durch die fachliche Kompetenz der Konsolidierungsstelle, sondern auch durch ihren enormen Umfang und ihr offizielles Erscheinungsbild mit dem Logo des Bundesministeriums der Justiz von den meisten privaten Internetseiten deutlich abhebt. Trotz alledem vermag dieses Internetangebot die verfassungsrechtlichen Anforderungen aus zwei Gründen nicht zu erfüllen. Zum einen verlangt Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG als Ausdruck des Grundsatzes der formellen Publikation, dass alle Gesetze im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden, damit jeder Bürger die Möglichkeit hat, sich aus diesem staatlichen Verkündungsorgan umfassend über das geltende Recht zu informieren. Geht es aber – wie hier – nicht darum, ein neues Gesetz zu verkünden, sondern nur darum, ein bereits verkündetes Gesetz zu konsolidieren, also für die Rechtsadressaten verständlicher zu machen, so ließe sich überlegen, für diesen Konsolidierungsakt ausnahmsweise ein anderes amtliches Publikationsmedium zuzulassen, sofern dieses für jedermann ebenso zugänglich ist wie das Bun232

Siehe HdR, Rn. 36. 45,33% der Anteile entfallen auf den niederländischen Verlag Sdu nv. Daneben sind noch das Saarland, die Standesorganisationen der Rechtsanwälte und weitere Gesellschafter an der juris GmbH beteiligt. 234 Siehe dazu Schlagböhmer, JZ 1990, 262 (267 ff.); Mönkemeyer, jur-pc 1993, 2175 ff. 235 Siehe dazu das Gesetz zur Errichtung und zur Regelung der Aufgaben des Bundesamts für Justiz vom 17. Dezember 2006, BGBl. I 2006, 3171. 233

V. Verfügbarkeit staatlicher Konsolidierungsakte

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desgesetzblatt.236 Dabei ist jedoch zu bedenken, dass die im Bundesgesetzblatt verkündeten Änderungsgesetze ohne einen entsprechenden Konsolidierungsakt unter Umständen gegen den Grundsatz der Klarheit und Verständlichkeit des Rechts verstoßen. Aus diesem Grunde müsste im Bundesgesetzblatt im Anschluss an das Änderungsgesetz zumindest ein Hinweis auf die genaue Fundstelle der konsolidierten amtlichen Gesetzesfassung abgedruckt werden. Da dies bisher ersichtlich noch nicht geschehen ist, erübrigt sich auch die Frage, inwieweit das Internet überhaupt schon als amtliche Veröffentlichungsplattform geeignet ist.237 Als zweiter Grund kommt hinzu, dass der Staat anscheinend selbst noch nicht bereit ist, für die von ihm im Internet angebotenen konsolidierten Gesetzesfassungen die rechtliche Gewähr zu übernehmen, denn das Bundesministerium der Justiz weist auf der Startseite ausdrücklich auf die Unverbindlichkeit der im Netz veröffentlichten Gesetzestexte hin:238 „Wichtig: Die im Internet abrufbaren Gesetzestexte sind nicht die amtliche Fassung. Diese finden Sie nur im Bundesgesetzblatt.“

Die Internetseite stellt damit keine verlässliche Rechtsinformationsquelle in diesem Sinne dar, sondern lediglich eine praktische Ergänzung zum Bundesgesetzblatt.239 Die auf ihr einsehbaren Gesetzeskonsolidierungen unterscheiden sich in ihrer rechtlichen Qualität nicht von den privaten Gesetzessammlungen.240 Deshalb ist sie ebenfalls nicht geeignet, die rechtsstaatlichen Anforderungen an eine adäquate Gesetzespublikation zu erfüllen. 2. Die Neubekanntmachung im Bundesgesetzblatt Von daher ist es erforderlich, noch einmal einen genauen Blick in das Bundesgesetzblatt zu werfen. Dabei wird man feststellen, dass sich zwi236 Vgl. Seifert/Hömig – Hömig, Art. 82, Rn. 6; v. Mangoldt/Klein/Starck – Brenner, Art. 82, Rn. 32; Dreier – Bauer, Art. 82, Rn. 19; Sachs – Lücke/Nierhaus, Art. 82, Rn. 22. 237 Siehe dazu bereits oben S. 42. 238 Vgl. auch Friauf/Höfling – Guckelberger, Art. 82, Rn. 83 a.E; Kuntz, JurPC Web-Dok. 151/2006, Abs. 23 ff. 239 Vgl. Dreier – Bauer, Art. 82, Rn. 16; v. Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Art. 20 Abs. 3, Rn. 303, Fn. 247, bezeichnet daher die Nutzung des Internets zur Erfüllung des Publizitätsgebots in Deutschland als nach wie vor „defizitär“; Kuntz, JurPC Web-Dok. 151/2006, Abs. 33, weist außerdem darauf hin, dass viele Zeichen, Flaggen, Symbole und sonstige Abbildungen auf der Interseite noch nicht dargestellt werden können. 240 Siehe aber Kuntz, JurPC Web-Dok. 151/2006, Abs. 26–30, der über eine Haftung aufgrund des „Scheins der Amtlichkeit“ der Webseiten des Bundesministeriums der Justiz nachdenkt.

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C. Zur Notwendigkeit einer konsolidierten Gesetzesfassung

schen den zahlreichen Änderungsgesetzen gelegentlich auch konsolidierte Gesetzesfassungen befinden, die unter der Überschrift „Bekanntmachung der Neufassung“ veröffentlicht werden und in den bisherigen Überlegungen zunächst einmal absichtlich außen vor gelassen wurden. Es handelt sich hierbei offenbar nicht um die Verkündung neuer Gesetze, sondern um die Neubekanntmachung bereits vorhandener, jedoch durch mehrere Änderungsgesetze unleserlich gewordener Stammgesetze. Versucht der Staat etwa auf diesem Wege seiner Konsolidierungspflicht nachzukommen? Für diese Vermutung spräche, dass die Neubekanntmachung die oben aufgestellten rechtsstaatlichen Anforderungen dem ersten Anschein nach erfüllt. Zum einen ist sie verständlich, da sie den vollständig konsolidierten Wortlaut eines bestimmten Stammgesetzes beinhaltet. Zum andern scheint sie auch verlässlich zu sein, da sie von einer obersten Bundesbehörde, also einer staatlichen Stelle verfasst und im amtlichen Verkündungsorgan der Bundesrepublik Deutschland veröffentlicht wird sowie keine gegenteiligen Hinweise enthält. Trifft diese Vermutung zu, so würde die Neubekanntmachung also eine wichtige rechtsstaatliche Funktion erfüllen. Umso erstaunlicher ist es, dass die Neubekanntmachung bis heute weder im Grundgesetz noch in einem nachrangigen Gesetz explizit geregelt wurde.241 Dementsprechend ist auch die genaue Funktion und Rechtsnatur der Neubekanntmachung bis heute nicht befriedigend geklärt. Im Gegenteil, in der Literatur besteht sogar teilweise Uneinigkeit über deren rechtliche Bedeutung. In den folgenden Kapiteln sollen daher zunächst die historische Entwicklung der Neubekanntmachung (D.) sowie das Neubekanntmachungsverfahren (E.) dargestellt werden, um anschließend Aussagen über die Rechtsnatur (F.) und mögliche Folgen einer fehlerhaften Neubekanntmachung (H.) treffen zu können. In diesem Zusammenhang lässt sich dann eventuell auch klären, ob die Neubekanntmachung die oben aufgezeigten Publikationsmängel beheben oder zumindest abmildern kann.242

241

Eine genauere Ausgestaltung erfährt die Neubekanntmachung lediglich in dem vom Bundesministerium der Justiz herausgegebenen Handbuch der Rechtsförmlichkeit; siehe dazu noch unten auf S. 71. 242 Siehe dazu vor allem die Schlussbetrachtungen auf S. 261 ff.

D. Die Entwicklung der Neubekanntmachung I. Historische Ursprünge Das Bedürfnis, umfangreiche Stammgesetze, deren Text im Laufe der Zeit durch mehrfache Änderungen unübersichtlich geworden ist, in einer konsolidierten Fassung neu bekannt zu machen, entstand bereits in den ersten Jahren des Deutschen Reiches.243 Das „Gesetz, betreffend Abänderung der Gewerbeordnung“ vom 1. Juli 1883244 regelte z. B. in seinem Artikel 16: „Der Reichskanzler wird ermächtigt, den Text der Gewerbeordnung, wie er sich aus den Aenderungen ergiebt, welche in diesem Gesetze und den Gesetzen vom [. . .] festgestellt sind, durch das Reichsgesetzblatt bekannt zu machen. Dabei sind an Stelle der Ausdrücke: Norddeutscher Bund, Bundesgebiet, Bundesangehörige, die dem Deutschen Reich entsprechenden Bezeichnungen anzuwenden, die Thalerwährung in Reichswährung zu verändern, und ist in Gemäßheit des Gesetzes vom 11. Juni 1878, betreffend den Gewerbebetrieb der Maschinisten auf Seedampfschiffen (Reichsgesetzblatt Seite 109), der §. 31 Absatz 1, wie folgt, zu fassen: [. . .]. Die §§. 15 Absatz 3, 24 Absatz 3 und 156 sind in Wegfall zu bringen.“

Mit selbem Datum wurde im Anschluss der vollständige Text der Gewerbeordnung unter der Überschrift „Bekanntmachung, betreffend die Redaktion der Gewerbeordnung für das Deutsche Reich“ im Reichsgesetzblatt veröffentlicht.245 Dabei wurden auch die in Art. 16 angeordneten Änderungen des Gesetzeswortlauts vorgenommen. Ein weiteres Beispiel für eine solche Bekanntmachungserlaubnis findet sich in Art. 32 des „Gesetzes über die Abänderung des Gesetzes, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter, vom 15. Juni 1883“ vom 10. April 1892.246 Dort heißt es: „Der Reichskanzler wird ermächtigt, den Text des Gesetzes vom 15. Juni 1883, wie er sich aus den Aenderungen durch gegenwärtiges Gesetz ergibt, durch das Reichsgesetzblatt mit der Ueberschrift „Krankenversicherungsgesetz“ bekannt zu machen.“

In der Weimarer Republik wurde an der bisherigen Praxis der gelegentlichen Neubekanntmachung häufig geänderter Stammgesetze festgehalten. Al243 244 245 246

Schneider, Rn. 680. RGBl. 1883, 159. RGBl. 1883, 177. RGBl. 1892, 379.

68

D. Die Entwicklung der Neubekanntmachung

lerdings wurde nun nicht mehr der Reichskanzler mit dieser Aufgabe betraut, sondern der entsprechende Fachminister. Inhaltlich enthielten die Bekanntmachungserlaubnisse teilweise weit über die bloße Gesetzeskonsolidierung hinausgehende Änderungsbefugnisse, wie z. B. Art. LXIII des „Gesetzes über Änderungen der Reichsversicherungsordnung“ vom 19. Juli 1923247 beweist: „Der Reichsarbeitsminister wird ermächtigt, den Wortlaut der Reichsversicherungsordnung in der geltenden Fassung unter unveränderter Bezeichnung der Paragraphen bekanntzumachen. Er wird ferner ermächtigt, die seit dem Inkrafttreten der Reichsversicherungsordnung und des Versicherungsgesetzes für Angestellte ergangenen Gesetze, Verordnungen usw., soweit sie sich auf die Reichsversicherungsordnung und die Angestelltenversicherung beziehen und noch gelten, zusammenzufassen, bekanntzumachen und solche Vorschriften und Bestimmungen, die nach Entstehung und Zweck nur vorübergehender Natur waren und ihre wesentliche Bedeutung verloren haben, mit der Maßgabe außer Kraft zu setzen, daß der Reichsarbeitsminister ihre Anwendung in Einzelfällen zum Ausgleich von Härten anordnen kann.“

Hier wurde der Reichsarbeitsminister nicht nur zur Neubekanntmachung der Reichsversicherungsordnung,248 sondern auch anderer mit ihr zusammenhängender Gesetze und Verordnungen ermächtigt. In diesem Zusammenhang konnte er außerdem bedeutungslos gewordene Vorschriften und Bestimmungen aufheben, was er schließlich mit der „Verordnung über die Außerkraftsetzung von Vorschriften über die Angestelltenversicherung“ vom 28. Mai 1924249 in pauschaler Weise getan hat:250 „Auf Grund des Artikel LXIII des Gesetzes über Änderungen der Reichsversicherungsordnung vom 19. Juli 1923 (Reichsgesetzbl. I S. 686) werden alle Gesetze und Verordnungen, die das Angestelltenversicherungsgesetz geändert oder seine Vorschriften erweitert oder eingeengt haben, mit Wirkung vom 1. Juni 1924 außer Kraft gesetzt; zum Ausgleich von Härten bleibt in Einzelfällen ihre Weiteranwendung zulässig.“

Diese Beispiele zeigen, dass bereits der Reichsgesetzgeber die Möglichkeit erkannt hat, unübersichtlich gewordene Gesetze durch die Exekutive, sei es durch den Reichskanzler oder durch einen Reichsminister, konsolidieren und anschließend als Neufassung im Gesetzblatt veröffentlichen zu lassen. Dabei hat er – wie oben gesehen – in einigen Fällen die Exekutive neben der reinen Gesetzeskonsolidierung auch zu weitergehenden, teilweise den Wortlaut des Gesetzes modifizierenden Maßnahmen ermächtigt. Diese sollten aber weniger eine Änderung des Gesetzesinhalts, als vielmehr eine 247

RGBl. I 1923, 686. Siehe die „Bekanntmachung der neuen Fassung der Reichsversicherungsordnung“ vom 15. Dezember 1924, RGBl. I 1924, 779. 249 RGBl. I 1924, 606. 250 Schneider, Rn. 681 a. E. bezeichnet diese Vorgehensweise als „kühne Handhabung“. 248

II. Die Neubekanntmachung in der Bundesrepublik Deutschland

69

Verbesserung der Verständlichkeit und Übersichtlichkeit des amtlichen Gesetzestextes herbeiführen. Vor allem dann, wenn diese Aufgabe voraussichtlich mit einem großen Arbeitsaufwand verbunden war, erschien es dem Gesetzgeber wohl opportun, sie auf die Exekutive mit ihrem gut ausgestatteten Beamtenapparat zu übertragen.

II. Die Neubekanntmachung in der Bundesrepublik Deutschland Auch der Bundesgesetzgeber greift seit 1949 mehr oder weniger regelmäßig zur Bekanntmachungserlaubnis, um die Exekutive zum vollständigen Abdruck eines mehrfach geänderten Stammgesetzes im Bundesgesetzblatt zu veranlassen. Die genaue Anzahl der Neubekanntmachungen schwankt von Jahr zu Jahr, lag jedoch in den letzten zehn Jahren durchschnittlich bei 18 neu bekannt gemachten Gesetzen und ebenso vielen neu bekannt gemachten Rechtsverordnungen pro Jahr,251 was nicht zuletzt auf so änderungsintensive Bereiche wie etwa das Steuerrecht zurückzuführen ist. So wurde beispielsweise das Einkommensteuergesetz in den letzten Jahren drei Mal (am 16. April 1997252, am 19. Oktober 2002253 und am 8. Oktober 2009254) und das Umsatzsteuergesetz zwei Mal (am 9. Juni 1999255 und am 21. Februar 2005256) neu bekannt gemacht, ebenso wie das Baugesetzbuch (am 27. August 1997257 und am 23. September 2004258), das Verwaltungsverfahrensgesetz (am 21. September 1998259 und am 23. Januar 2003260) und das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (am 26. August 1998261 und am 15. Juli 2005262). Daneben sind viele weitere wichtige Stammgesetze in den letzten Jahren zumindest einmal neu bekannt gemacht worden, z. B. das Bundesnaturschutzgesetz am 21. September 1998263, das Strafgesetzbuch am 13. November 1998264, die Gewerbeordnung am 251 252 253 254 255 256 257 258 259 260 261 262 263 264

Siehe die Tabelle auf S. 70. BGBl. I 1997, 821. BGBl. I 2002, 4210; berichtigt BGBl. I 2009, 3366; berichtigt BGBl. I 1999, 1270. BGBl. I 2005, 386. BGBl. I 1997, 2141; berichtigt BGBl. I 2004, 2414. BGBl. I 1998, 3050. BGBl. I 2003, 102. BGBl. I 1998, 2546. BGBl. I 2005, 2114; berichtigt BGBl. I 1998, 2994. BGBl. I 1998, 3322.

in BGBl. I 2003, 179. in BGBl. I 2009, 3862.

in BGBl. I 1998, 137.

in BGBl. I 2009, 3850.

70

D. Die Entwicklung der Neubekanntmachung Jahr

Anzahl der Neubekanntmachungen von Gesetzen

Rechtsverordnungen

1998

38

21

1999

15

19

2000

11

14

2001

22

24

2002

36

26

2003

9

15

2004

12

18

2005

22

24

2006

11

16

2007

13

10

2008

8

2

2009

16

8

22. Februar 1999265, das Bürgerliche Gesetzbuch am 2. Januar 2002266, das Bundes-Immissionsschutzgesetz am 26. September 2002267, die Zivilprozessordnung am 5. Dezember 2005268 usw. Die wenigen Ausnahmen bestätigen in diesem Fall die Regel, wie z. B. das Handelsgesetzbuch, das seit seiner Ausfertigung am 10. Mai 1897 trotz zahlreicher Änderungen kein einziges Mal neu bekannt gemacht wurde. Trotz der mittlerweile über hundertjährigen Praxis ist die Neubekanntmachung bis heute nicht gesetzlich geregelt. Bis zum 1. September 2002 befasste sich jedoch eine innenrechtliche Vorschrift der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien mit der Neubekanntmachung. Der damalige § 36 Abs. 2 GGO a. F. lautete: „Lassen besondere Gründe es im Einzelfall als zweckmäßig erscheinen, so kann im Entwurf des Änderungsgesetzes vorgesehen werden, dass das fachlich zuständige Bundesministerium das geänderte Gesetz in der neuen Fassung im Bundes265 266 267 268

BGBl. BGBl. BGBl. BGBl.

I I I I

1999, 2002, 2002, 2005,

202. 42; berichtigt in BGBl. I 2002, 2909 und BGBl. I 2003, 738. 3830. 3202; berichtigt in BGBl. I 2006, 431 und BGBl. I 2007, 1781.

II. Die Neubekanntmachung in der Bundesrepublik Deutschland

71

gesetzblatt bekannt macht. Die Neufassung darf ein Gesetz in seinem Inhalt nicht verändern (deklaratorische Neufassung). Ergeben sich bei der Vorbereitung der Neufassung Zweifel über das geltende Recht, so ist das Bundesministerium der Justiz zu beteiligen.“

Die neue Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien vom 30. August 2000 enthält dagegen keine Ausführungen mehr zur Neubekanntmachung. § 42 Abs. 4 GGO verweist aber im Zusammenhang mit der rechtsförmlichen Gestaltung von Gesetzentwürfen auf das vom Bundesministerium der Justiz herausgegebene Handbuch der Rechtsförmlichkeit, das seit September 2008 in seiner 3. Auflage vorliegt.269 Dort befindet sich im Kapitel über die Änderungsgesetze (Teil D) ein eigener Abschnitt zur Bekanntmachungserlaubnis,270 in welchem es – vergleichbar mit § 36 Abs. 2 GGO a. F. – heißt: „Ist ein Gesetz mehrfach oder in größerem Umfang geändert worden, so kann in den Schlussvorschriften eines Änderungsgesetzes vorgesehen werden, dass das fachlich zuständige Bundesministerium das geänderte Gesetz in der neuen Fassung im Bundesgesetzblatt bekanntmachen kann (Bekanntmachungserlaubnis).“271

In den nachfolgenden Absätzen werden nähere Vorgaben zur Ausgestaltung der Bekanntmachungserlaubnis gemacht. Am Ende des Handbuchs befindet sich außerdem ein eigenes Kapitel über die „Bekanntmachung der Neufassung von Gesetzen und Rechtsverordnungen“ (Teil G),272 welches detailliert den Aufbau und Inhalt einer Neubekanntmachung beschreibt. Damit wird den ausführenden Bundesministerien eine Anleitung zur Erstellung und Veröffentlichung der Neubekanntmachung an die Hand gegeben, die allerdings keine normativen Wirkungen entfaltet.273 Trotzdem soll im Folgenden immer wieder auf das Handbuch der Rechtsförmlichkeit verwiesen werden, da es die aktuelle Gesetzgebungspraxis am besten wiedergibt.

269 Bekannt gemacht im Bundesanzeiger Nr. 160a vom 22. Oktober 2008; außerdem ist das Handbuch der Rechtsförmlichkeit mittlerweile als leserfreundliche htmlVersion auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Justiz (http://hdr.bmj.de/ vorwort.html) einsehbar. 270 Siehe HdR, Rn. 696–707. 271 HdR, Rn. 696. 272 Siehe HdR, Rn. 859–895. 273 Vgl. Brandner, Gesetzesänderung, S. 29.

E. Das Neubekanntmachungsverfahren Das Verfahren zur Neubekanntmachung von Gesetzen lässt sich in drei Abschnitte unterteilen: die Erteilung der Bekanntmachungserlaubnis durch die Legislative (I.), die Anfertigung der Neufassung durch die Exekutive (II.) und schließlich die Bekanntmachung im Bundesgesetzblatt (III.). Hinzu kommt eventuell eine nachträgliche Berichtigung (IV.). In diesem Kapitel sollen zunächst nur die einzelnen Verfahrensschritte genau beschrieben und Unterschiede zum eingangs dargestellten Gesetzgebungsverfahren herausgearbeitet werden. Eine rechtliche Analyse der Neubekanntmachung erfolgt erst im Anschluss.

I. Die Erteilung der Bekanntmachungserlaubnis Am Anfang einer jeden Neubekanntmachung durch die Exekutive steht zunächst einmal die Erteilung einer Bekanntmachungserlaubnis durch die Legislative. Dies geschieht in der Regel durch eine spezielle Vorschrift am Ende desjenigen Änderungsgesetzes, durch welches das neu bekannt zu machende Stammgesetz zuletzt geändert wurde.274 Nach dem Handbuch der Rechtsförmlichkeit soll sie die Überschrift „Bekanntmachungserlaubnis“ tragen.275 In einigen Änderungsgesetzen findet man aber auch davon abwei274 Es gibt allerdings auch Ausnahmen, in denen sich die Bekanntmachungserlaubnis in einem anderen Gesetz befindet, also nicht in demjenigen, welches das neu bekannt zu machende Stammgesetz zuletzt geändert hat. So ermächtigt beispielsweise Art. 33 Abs. 1 des Gesetzes zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts vom 21. Dezember 1993 (BGBl. I 1993, 2310 [2351]) das Bundesministerium der Finanzen, das Gemeindefinanzreformgesetz, welches nicht durch das ermächtigende Gesetz, sondern zuletzt durch Art. 15 des Gesetzes zur Verbesserung der steuerlichen Bedingungen zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland im Europäischen Binnenmarkt vom 13. September 1993 (BGBl. I 1993, 1569 [1591]) geändert worden war, neu bekannt zu machen. 275 HdR, Rn. 699; siehe z. B. Art. 7 des Gesetzes über Qualität und Sicherheit von menschlichen Geweben und Zellen vom 20. Juli 2007, BGBl. I 2007, 1574 (1594); Art. 8 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007, BGBl. I 2007, 1970 (2114); Art. 3 des Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 26. Oktober 2007, BGBl. I 2007, 2513 (2519); Art. 4 des Gesetzes zur Neuordnung der Ressortforschung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 13. Dezember 2007, BGBl. I 2007, 2930 (2935); Art. 14 des Gesetzes zur Änderung des Bundespolizei-

I. Die Erteilung der Bekanntmachungserlaubnis

73

chende Bezeichnungen, z. B. „Neubekanntmachungserlaubnis“276, „Neufassung des [Name des Stammgesetzes]“277 oder „Bekanntmachung der Neufassung“278. Gelegentlich erhält die Ermächtigungsnorm sogar gar keine Überschrift.279 Unabhängig davon soll in dieser Arbeit durchgehend der dem Handbuch der Rechtsförmlichkeit entnommene Begriff „Bekanntmachungserlaubnis“ verwendet werden, auch wenn dieser juristisch gesehen vielleicht nicht ganz korrekt sein sollte.280 Bekanntmachungserlaubnisse findet man jedoch nicht nur in den Schlussvorschriften von Änderungsgesetzen, sondern hin und wieder auch in den Stammgesetzen selbst. Dort sind sie meist in einem Paragraphen mit der Überschrift „Ermächtigung“, teilweise auch zusammen mit weiteren „Ermächtigungen“, untergebracht und enthalten eine Art Dauerermächtigung an die Exekutive, das Gesetz „in der jeweils geltenden Fassung“ bekannt zu machen.281 Diese Methode wendet der Gesetzgeber vor allem bei solchen Stammgesetzen an, deren Wortlaut sehr häufig geändert wird, wie z. B. bei den meisten Steuergesetzen.282 Auf diese Weise braucht er nicht jedes Mal gesetzes und anderer Gesetze vom 26. Februar 2008, BGBl. I 2008, 215 (219); Art. 9 des Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums vom 7. Juli 2008, BGBl. I 2008, 1191 (1211). 276 Siehe z. B. Art. 8 des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001, BGBl. I 2001, 3138 (3187); Art. 79a des Gesetzes zur Bereinigung des Bundesrechts im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 13. April 2006, BGBl. I 2006, 855 (865); Art. 12 des Gesetzes zur Ergänzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes vom 5. Januar 2007, BGBl. I 2007, 2 (9). 277 Siehe z. B. Art. 5 des Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes vor Fluglärm in der Umgebung von Flugplätzen vom 1. Juni 2007, BGBl. I 2007, 986 (992); Art. 2 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes vom 21. Dezember 2007, BGBl. I 2007, 3194; bei mehreren neu bekannt zu machenden Gesetzen findet man auch die Überschrift „Neufassung der Gesetze“, siehe z. B. Art. 12 des Gesetzes zur Vereinfachung und Anpassung statistischer Rechtsvorschriften vom 17. März 2008, BGBl. I 2008, 399 (407). 278 Siehe z. B. Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Umweltauditgesetzes vom 16. August 2002, BGBl. I 2002, 3167 (3176); Art. 9 des Gesetzes über die Öffentlichkeitsbeteiligung in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG vom 9. Dezember 2006, BGBl. I 2006, 2819 (2826). 279 So z. B. Art. 2 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Versorgungsrücklagegesetzes vom 21. Dezember 2006, BGBl. I 2006, 3288 (3290); Art. 3 des Siebten Gesetzes zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes vom 21. Dezember 2006, BGBl. I 2006, 3326 (3331). 280 Siehe dazu noch unten S. 181 f. 281 Siehe z. B. § 51 Abs. 4 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung der Neubekanntmachung vom 8. Oktober 2009, BGBl. I 2009, 3366 (3495); § 9 des Gemeindefinanzreformgesetzes in der Fassung von Art. 11 Nr. 5 des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14. August 2007, BGBl. I 2007, 1912 (1937).

74

E. Das Neubekanntmachungsverfahren

eine neue Bekanntmachungserlaubnis zu erteilen, sondern die Exekutive kann jederzeit von sich aus tätig werden, wenn sie eine Neubekanntmachung für erforderlich hält. Was den Umfang der Bekanntmachungserlaubnis angeht, so lassen sich grundsätzlich zwei Arten von Ermächtigungsnormen unterscheiden, die einfache und die erweiterte Bekanntmachungserlaubnis: 1. Die einfache Bekanntmachungserlaubnis Die einfache Bekanntmachungserlaubnis besteht grundsätzlich nur aus einem einzigen Satz, der in etwa so lautet: „Der [Bezeichnung einer obersten Bundesbehörde oder eines Bundesministers] kann den Wortlaut des [Bezeichnung des bekannt zu machenden Stammgesetzes] in der vom Inkrafttreten dieses Gesetzes an geltenden Fassung im Bundesgesetzblatt bekannt machen.“283

In älteren Gesetzen findet sich dagegen überwiegend noch die Formulierung: 282 Siehe z. B. § 24 des Vermögensteuergesetzes in der Fassung des Art. 17 Nr. 1 des Gesetzes zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts vom 21. Dezember 1993, BGBl. I 1993, 2310 (2336); § 11 des Versicherungsteuergesetzes in der Fassung der Neubekanntmachung vom 10. Januar 1996, BGBl. I 1996, 22 (27); § 36 Abs. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der Fassung der Neubekanntmachung vom 27. Februar 1997, BGBl. I 1997, 378 (392); § 15 Abs. 3 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes in der Fassung der Neubekanntmachung vom 26. September 2002, BGBl. I 2002, 3818 (3828); § 33 Abs. 2 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes in der Fassung der Neubekanntmachung vom 15. Oktober 2002, BGBl. I 2002, 4144 (4160); § 35c Abs. 2 des Gewerbesteuergesetzes in der Fassung der Neubekanntmachung vom 15. Oktober 2002, BGBl. I 2002, 4167 (4179); § 51 Abs. 4 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung der Neubekanntmachung vom 8. Oktober 2009, BGBl. I 2009, 3366 (3495); § 26 Abs. 6 des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Februar 2005, BGBl. I 2005, 386 (425); § 28 des Umwandlungssteuergesetzes vom 7. Dezember 2006, BGBl. I 2006, 2782, 2791 (2802); § 157 des Bewertungsgesetzes in der Fassung des Art. 18 Nr. 8 des Jahressteuergesetzes 2007 vom 13. Dezember 2006, BGBl. I 2006, 2878 (2912); § 15 des Investitionszulagengesetzes in der Fassung der Neubekanntmachung vom 23. Februar 2007, BGBl. I 2007, 282 (286); § 22 des Außensteuergesetzes in der Fassung des Art. 24 Nr. 12 des Jahressteuergesetzes 2008 vom 20. Dezember 2007, BGBl. I 2007, 3150 (3187). 283 Siehe z. B. Art. 5 und 6 des Gesetzes zur Änderung des Wahl- und Abgeordnetenrechts vom 17. März 2008, BGBl. I 2008, 394 (398); Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 5. Februar 2009, BGBl. I 2009, 158 (159); mit leicht verändertem Satzbau dagegen Art. 12 des Gesetzes zur Vereinfachung und Anpassung statistischer Rechtsvorschriften vom 17. März 2008, BGBl. I 2008, 399 (407).

I. Die Erteilung der Bekanntmachungserlaubnis

75

„Der [Bezeichnung einer obersten Bundesbehörde oder eines Bundesministers] wird ermächtigt, das [Bezeichnung des bekannt zu machenden Stammgesetzes] im Bundesgesetzblatt bekannt zu machen.“284

Der Zusatz „im Bundesgesetzblatt“ wird bisweilen weggelassen, da als amtliches Bekanntmachungsorgan für Bundesgesetze nur das Bundesgesetzblatt in Frage kommt.285 a) Ermächtigungsadressat/Bekanntmachungsstelle Die Bekanntmachungserlaubnis richtet sich grundsätzlich an die für das neu bekannt zu machende Stammgesetz fachlich zuständige oberste Bundesbehörde (z. B. „Die für Kultur und Medien zuständige oberste Bundesbehörde“286, „Das Bundesministerium des Innern“287, „das Bundeskanzleramt“288) oder direkt an den entsprechenden Fachminister (z. B. „Der Bundesminister des Innern“289, „Der Bundesminister der Verteidigung“290, „Der Bundesminister für Verkehr“291, „Der Bundesminister für Finanzen“292).293 284 So z. B. Art. 2 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesjagdgesetzes vom 28. September 1976, BGBl. I 1976, 2841 (2848); neuerdings ist die „Ermächtigungsformel“ aber auch wieder in Art. 8 des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001, BGBl. I 2001, 3138 (3187) anzutreffen; ebenso in § 15 des Investitionszulagengesetzes in der Fassung der Neubekanntmachung vom 23. Februar 2007, BGBl. I 2007, 282 (286). 285 Siehe z. B. Art. 2 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesjagdgesetzes vom 28. September 1976, BGBl. I 1976, 2841 (2848); § 15 des Investitionszulagengesetzes in der Fassung der Neubekanntmachung vom 23. Februar 2007, BGBl. I 2007, 282 (286). 286 Art. 3 des Siebten Gesetzes zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes vom 21. Dezember 2006, BGBl. I 2006, 3326 (3331). 287 Art. 2 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Versorgungsrücklagegesetzes vom 21. Dezember 2006, BGBl. I 2006, 3288 (3290). 288 Art. 12 des Gesetzes zur Ergänzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes vom 5. Januar 2007, BGBl. I 2007, 2 (9). 289 Art. 20 § 7 und § 8 Abs. 1 des Fünften Gesetzes zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften vom 28. Mai 1990, BGBl. I 1990, 967 (981). 290 Art. 20 § 8 Abs. 2 des Fünften Gesetzes zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften vom 28. Mai 1990, BGBl. I 1990, 967 (981). 291 Art. 10 des Gesetzes zur Aufhebung der Tarife im Güterverkehr vom 13. August 1993, BGBl. I 1993, 1489 (1497). 292 § 11 Abs. 2 des Versicherungsteuergesetzes in der Fassung der Neubekanntmachung vom 10. Januar 1996, BGBl. I 1996, 22 (27). 293 Eine ausdrückliche Ermächtigung des Bundeskanzlers – so wie damals des Reichskanzlers (siehe oben S. 67) – lässt sich den Bekanntmachungserlaubnissen heute nicht mehr entnehmen. Außerdem geht der allgemeine Trend dahin, anstatt des Fachministers nur noch die zuständige oberste Bundesbehörde zu ermächtigen; siehe z. B. die Gesetzesänderungen in Art. 17 Nr. 1 des Gesetzes zur Bekämpfung

76

E. Das Neubekanntmachungsverfahren

Berührt das Stammgesetz den Zuständigkeitsbereich mehrerer Bundesministerien, so können die betroffenen Ministerien gemeinsam zur Neubekanntmachung ermächtigt werden,294 wobei meistens einem Ministerium die Federführung übertragen und den anderen Ministerien ein Zustimmungsvorbehalt eingeräumt wird.295 Der Gesetzgeber kann mehrere Bekanntmachungserlaubnisse an unterschiedliche Ermächtigungsadressaten in einem Artikel zusammenfassen. In diesem Fall nennt er grundsätzlich die einzelnen Ermächtigungsadressaten und die ihnen zugewiesenen Gesetze.296 Ausnahmsweise bedient er sich aber auch schon mal pauschaler Formulierungen wie „Die zuständigen Bundesminister“297 oder „Die jeweils zuständige oberste Bundesbehörde“298, also ohne Angabe der genauen Ressorts. In der Regel grenzt der Gesetzgeber jedoch die Bekanntmachungserlaubnisse an unterschiedliche Ermächtigungsadressaten räumlich voneinander ab, entweder durch mehrere Artikel299 oder durch mehrere Absätze in einem einzigen Artikel300.

des Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts vom 21. Dezember 1993 (BGBl. I 1993, 2310 [2336]) zu § 24 des Vermögensteuergesetzes oder in Art. 1 Nr. 17 des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes vom 11. April 2002 (BGBl. I 2002, 1302 [1303]) zu § 91 des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges. 294 Siehe z. B. § 7 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen vom 17. Mai 1950, BGBl. 1950, 207 (209): „Die Bundesminister des Innern und der Finanzen werden ermächtigt, . . .“. 295 Vgl. z. B. Art. 3 des Gesetzes zur Änderung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes vom 20. Dezember 2001, BGBl. I 2001, 4029 (4034): „Das Bundesministerium für Bildung und Forschung kann im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie . . .“. 296 Siehe z. B. Art. 33 Abs. 1 des Gesetzes zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts vom 21. Dezember 1993, BGBl. I 1993, 2310 (2351); Art. 6b des Gesetzes zur Umsetzung der EG-Einlagensicherungsrichtlinie und der EG-Anlegerentschädigungsrichtlinie vom 16. Juli 1998, BGBl. I 1998, 1842 (1849); Art. 12 des Gesetzes zur Ergänzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes vom 5. Januar 2007, BGBl. I 2007, 2 (9). 297 Art. 45 des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur vom 18. Dezember 1975, BGBl. I 1975, 3091 (3112); Art. 100 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 14. Dezember 1976, BGBl. I 1976, 3341 (3384). 298 Art. 4 des Gesetzes zur Neuordnung der Ressortforschung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 13. Dezember 2007, BGBl. I 2007, 2930 (2935). 299 Siehe z. B. Art. 30 und 30a des Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht vom 21. März 2005, BGBl. I 2005, 818 (835). 300 Siehe z. B. § 8 des Fünften Gesetzes zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften vom 28. Mai 1990, BGBl. I 1990, 967 (981); Art. 21 des Gesetzes zur Umsetzung des Versorgungsberichts vom 29. Juni 1998, BGBl. I 1998, 1666 (1689).

I. Die Erteilung der Bekanntmachungserlaubnis

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b) Ermächtigungsgegenstand Gegenstand einer Bekanntmachungserlaubnis im Bundesgesetzblatt können sowohl formelle Gesetze als auch Rechtsverordnungen des Bundes sein, wobei letztere bei den nachfolgenden Betrachtungen zunächst außen vor bleiben sollen.301 Bei den neu bekannt zu machenden Gesetzen handelt es sich ausschließlich um sog. Stammgesetze,302 da nur diese inhaltlichen Änderungen unterliegen. Die Änderungsgesetze selbst werden praktisch nie geändert und müssen folglich auch nicht neu bekannt gemacht werden, zumal sie nach dem „Kern-Hülle-Modell“ mit ihrer Einbindung in das Stammgesetz sowieso keine eigenen Rechtswirkungen mehr entfalten.303 Ähnlich verhält es sich mit den im Bundesgesetzblatt Teil II verkündeten Vertragsgesetzen. Diese enthalten grundsätzlich nur die parlamentarische Zustimmung zu dem völkerrechtlichen Vertrag und transformieren diesen in nationales Recht.304 Eine darüber hinausgehende materielle Dauerwirkung kommt ihnen – anders als den völkerrechtlichen Verträgen –305 nicht zu, weshalb sie weder nachträglich geändert noch neu bekannt gemacht werden müssen. Die Bekanntmachungserlaubnis nennt in der Regel ausdrücklich das Stammgesetz, dessen Wortlaut neu bekannt gemacht werden soll. Werden durch ein Änderungsgesetz verschiedene Stammgesetze geändert, so kann der Gesetzgeber die Exekutive natürlich zur Neubekanntmachung mehrerer oder gleich aller geänderten Stammgesetze ermächtigen. Dazu kann er entweder für jedes neu bekannt zu machende Stammgesetz einen eigenen Erlaubnisartikel formulieren306 oder die verschiedenen Bekanntmachungserlaubnisse in einem Artikel zusammenfassen307. In letzterem Falle werden aber nicht immer alle neu bekannt zu machenden Stammgesetze einzeln aufgelistet. Stattdessen nennt der Gesetzgeber – insbesondere bei sehr um301 Siehe zu den Rechtsverordnungen die abschließenden Bemerkungen auf. S. 278 f. 302 Siehe dazu oben S. 46. 303 Siehe oben S. 47. 304 Siehe dazu bereits oben S. 35. 305 Zur Neubekanntmachung von völkerrechtlichen Übereinkünften siehe die Überlegungen auf S. 275 ff. 306 Siehe z. B. Art. 5 und 6 des Gesetzes zur Änderung des Wahl- und Abgeordnetenrechts vom 17. März 2008, BGBl. I 2008, 394 (398). 307 Siehe z. B. Art. 10 des Gesetzes zur Aufhebung der Tarife im Güterverkehr vom 13. August 1993, BGBl. I 1993, 1489 (1497); Art. 4 des Gesetzes zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes und anderer Gesetze vom 6. September 2005, BGBl. I 2005, 2725 (2727); Art. 8 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthaltsund asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007, BGBl. I 2007, 1970 (2114).

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E. Das Neubekanntmachungsverfahren

fangreichen Mantelgesetzen – einfach nur die Änderungsartikel, welche die neu bekannt zu machenden Stammgesetze betreffen (z. B. die „durch die Artikel [. . .] dieses Gesetzes geänderten Gesetze“)308. Möglich ist sogar auch eine pauschale Bekanntmachungserlaubnis, die alle „in diesem Gesetz angesprochenen Gesetze“309 oder „in diesem Gesetz geänderten Gesetze“310 bzw. „durch dieses Gesetz geänderten Gesetze“311 erfasst, da sich diese aus dem Änderungsgesetz hinreichend deutlich ergeben. c) Ermächtigungsumfang Der Ermächtigungsumfang beschränkt sich bei der einfachen Bekanntmachungserlaubnis auf die Konsolidierung des gesamten Gesetzestextes und die anschließende Veröffentlichung des Ergebnisses im Bundesgesetzblatt.312 Der Gesetzgeber gibt dabei in der Regel genau vor, bis zu welchem Stichtag der Gesetzestext konsolidiert werden soll. Dazu kann er entweder ein konkretes Datum nennen (z. B. „in der vom 1. Januar 2006 an geltenden Fassung“313 oder „in der ab dem 25. April 2006 geltenden Fassung“314) oder den Stichtag vom Zeitpunkt der Verkündung (z. B. „in der Fassung, die am ersten Tage des auf die Verkündung dieses Gesetzes fol308 Art. 19 Abs. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der steuerlichen Bedingungen zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland im Europäischen Binnenmarkt vom 13. September 1993, BGBl. I 1993, 1569 (1592); Art. 33 Abs. 1 des Gesetzes zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts vom 21. Dezember 1993, BGBl. I 1993, 2310 (2351); ähnlich Art. 12 des Gesetzes zur Vereinfachung und Anpassung statistischer Rechtsvorschriften vom 17. März 2008, BGBl. I 2008, 399 (407). 309 Art. 45 des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur vom 18. Dezember 1975, BGBl. I 1975, 3091 (3112); Art. 100 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 14. Dezember 1976, BGBl. I 1976, 3341 (3384). 310 Art. 18 Abs. 3 des Gesetzes zur Vereinfachung und Beschleunigung registerrechtlicher und anderer Verfahren vom 20. Dezember 1993, BGBl. I 1993, 2182 (2233), in dem jedoch wiederum einige Stammgesetze explizit von der Ermächtigung ausgenommen werden. 311 Art. 4 des Gesetzes zur Neuordnung der Ressortforschung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 13. Dezember 2007, BGBl. I 2007, 2930 (2935). 312 Nach dem HdR, Rn. 705, enthält die einfache Bekanntmachungserlaubnis außerdem die Befugnis, „Druckfehler und andere offenbare Unrichtigkeiten zu bereinigen“; siehe dazu noch unten S. 191 ff. 313 Art. 30 des Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht vom 21. März 2005, BGBl. I 2005, 818 (835); siehe auch das davon abweichende Datum in Art. 30a desselben Gesetzes. 314 Art. 79a des Gesetzes zur Bereinigung des Bundesrechts im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 13. April 2006, BGBl. I 2006, 855 (865).

I. Die Erteilung der Bekanntmachungserlaubnis

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genden Kalendermonats gilt“)315 bzw. des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes (z. B. „in der vom Inkrafttreten dieses Gesetzes an geltenden Fassung“)316 abhängig machen.317 Letztere Methode ist allerdings nicht zu empfehlen, wenn das Änderungsgesetz „gespalten“, d.h. zu verschiedenen Zeitpunkten in Kraft tritt.318 Außerdem ist bei der Festlegung des Neufassungsstichtags darauf zu achten, dass dieser möglichst so vorausschauend gewählt wird, dass auch noch kurz nach Verkündung der Bekanntmachungserlaubnis in Kraft tretende Änderungsgesetze mit eingearbeitet werden können, damit die Neubekanntmachung nicht schon wenige Tage nach ihrer Veröffentlichung wieder veraltet ist.319 Sollte der Gesetzgeber ausnahmsweise keine Angaben zum Neufassungsstichtag machen,320 so ist davon auszugehen, dass die Neubekanntmachung die Gesetzesfassung enthalten soll, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des die Bekanntmachungserlaubnis enthaltenden Änderungsgesetzes gilt.321 Etwas weiter gefasst in zeitlicher Hinsicht sind dagegen die Bekanntmachungserlaubnisse, die sich unmittelbar in den Stammgesetzen befin315

Art. 10 des Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1999 vom 19. November 1999, BGBl. I 1999, 2198 (2201); Art. 9a des Gesetzes zur Modernisierung der Besoldungsstruktur vom 21. Juni 2002, BGBl. I 2002, 2138 (2143). 316 Siehe Art. 3 des Gesetzes zur Änderung des Agrarstatistikgesetzes und des Rinderregistrierungsdurchführungsgesetzes vom 19. Juli 2006, BGBl. I 2006, 1659 (1661); Art. 5 und 6 des Gesetzes zur Änderung des Wahl- und Abgeordnetenrechts vom 17. März 2008, BGBl. I 2008, 394 (398); ähnlich Art. 5 des Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes vor Fluglärm in der Umgebung von Flugplätzen vom 1. Juni 2007, BGBl. I 2007, 986 (992): „in der vom Inkrafttreten dieses Artikelgesetzes an geltenden Fassung“; vgl. auch Art. 8 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007, BGBl. I 2007, 1970 (2114), der zur Verdeutlichung außerdem auf die einschlägige Inkrafttretensvorschrift verweist: „in der vom Inkrafttreten dieses Gesetzes nach Artikel 10 Abs. 1 an geltenden Fassung“; ebenso Art. 79 des Zweiten Gesetzes über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz vom 23. November 2007, BGBl. I 2007, 2614 (2630). 317 HdR, Rn. 700 f. 318 HdR, Rn. 702. 319 HdR, Rn. 703. 320 Siehe z. B. Art. 323 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974, BGBl. I 1974, 469 (645): „. . . in der neuen Fassung bekanntzumachen . . .“. 321 Davon war anscheinend auch der Bundesminister der Justiz ausgegangen, als er am 2. Januar 1975 unter Berufung auf die in Fn. 320 genannte Bekanntmachungserlaubnis das Strafgesetzbuch „in der ab 1. Januar 1975 geltenden Fassung“ neu bekannt gemacht hatte (siehe BGBl. I 1975, 1), welche auch drei Änderungsgesetze enthielt, die zeitlich nach dem Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 verkündet worden waren. Nadler, NJW 1976, 281, scheint dagegen anzunehmen, dass die Bekanntmachungserlaubnis nur alle bis einschließlich der durch das Einführungsgesetz verkündeten Gesetzesänderungen einschloss.

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E. Das Neubekanntmachungsverfahren

den.322 Diese ermächtigen den Adressaten grundsätzlich zur Neubekanntmachung „in der jeweils geltenden Fassung“,323 was dafür spricht, dass es sich hierbei um eine „Dauerermächtigung“ handelt, die der ermächtigten Stelle die Entscheidung darüber überlässt, zu welchem Stichtag und wie oft sie eine Neubekanntmachung vornehmen möchte. Entscheidet sie sich für die Durchführung einer Neubekanntmachung, so sollte diese aber alle bis zu ihrer Veröffentlichung in Kraft getretenen Gesetzesänderungen beinhalten. 2. Die erweiterte Bekanntmachungserlaubnis Wie soeben gesehen, beschränkt sich die einfache Bekanntmachungserlaubnis inhaltlich auf die Anweisung, den Wortlaut eines oder mehrerer Stammgesetze im Bundesgesetzblatt neu bekannt zu machen. Der Ermächtigungsadressat kann daraufhin den aktuellen Gesetzestext mit Hilfe der in den einzelnen Änderungsgesetzen verstreuten Änderungsbefehle Stück für Stück zusammensetzen und anschließend als lesbare Version im Bundesgesetzblatt veröffentlichen. Es handelt sich also um eine überwiegend verwaltungstechnische Arbeit, an deren Ende nichts anderes steht als der ohnehin schon geltende Gesetzeswortlaut in konsolidierter Fassung. Hin und wieder ermächtigt der Gesetzgeber die Exekutive aber auch zu darüber hinausgehenden „Konsolidierungshandlungen“, die sich nicht auf eine schlichte Zusammensetzung des geltenden Gesetzeswortlauts beschränken, sondern eine Modifizierung des Gesetzestextes beinhalten, wie bereits die historischen Beispiele aus dem Reichsgesetzblatt gezeigt haben.324 Diese Ermächtigungsklauseln sollen im Folgenden „erweiterte Bekanntmachungserlaubnisse“ genannt werden, da sie den Rahmen der typischen Konsolidierungshandlungen um spezielle Zusatzaufgaben bzw. -befugnisse „erweitern“. Dabei sind wiederum zwei Fälle zu unterscheiden: a) Ohne Änderungsermessen der Exekutive Zunächst einmal gibt es solche erweiterten Bekanntmachungserlaubnisse, die die Exekutive zwar zu Veränderungen des Gesetzestextes ermächtigen, ihr aber zugleich genau vorschreiben, wie diese Maßnahmen konkret auszusehen haben. So hat der Gesetzgeber die Exekutive beispielsweise angewiesen, im Rahmen der Neubekanntmachung bestimmte veraltete Gesetzesausdrücke durch neue Wörter zu ersetzen: 322 323 324

Siehe dazu bereits oben auf S. 73. Siehe die in Fn. 282 genannten Bekanntmachungserlaubnisse. Siehe oben S. 67 f.

I. Die Erteilung der Bekanntmachungserlaubnis

81

„. . . er hat dabei das Wort „Vertrauensmann der Schwerbehinderten“ oder „Vertrauensmann“ und seine Zusammensetzungen und Formen durch das Wort „Schwerbehindertenvertretung“ und dessen Zusammensetzungen und Formen zu ersetzen.“325

In einem anderen Fall hat er die Exekutive zur komplexen Umstellung und Neunummerierung ganzer Gesetzesabschnitte ermächtigt: „Dabei sind der durch das Vergaberechtsänderungsgesetz eingefügte Sechste Teil (§§ 106 bis 138) als Vierter Teil umzunummerieren und die Paragraphennummerierung entsprechend anzupassen. Der bisherige Vierte und Fünfte Teil werden Fünfter und Sechster Teil. Die im neuen Vierten Teil enthaltenen Verweisungen auf Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen werden nach der Umnummerierung auf die Vorschriften umgestellt, die nach ihrem Wortlaut den gemeinten Vorschriften entsprechen.“326

Außerdem hat er der Exekutive schon aufgegeben, ein Gesetz mit einer bestimmten neuen Überschrift (z. B. „als Gesetz für Jugendwohlfahrt“327, „als Bundesnotarordnung (BNotO)“328 oder „unter der Bezeichnung Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen – Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) –“329) oder einem vordefinierten Datum (z. B. „mit dem Datum der Bekanntmachung“330) neu bekannt zu machen. In allen diesen Fällen gibt also der Gesetzgeber in der erweiterten Bekanntmachungserlaubnis genau vor, wie der Neufassungstext letzten Endes auszusehen hat. Soweit er dabei die imperative Form verwendet, muss die Exekutive diese Änderungsvorgaben im Rahmen der Neubekanntmachung exakt umsetzen. Insofern haben die Änderungsanweisungen in der erweiterten Bekanntmachungserlaubnis für die Konsolidierungsstelle die gleiche verbindliche Wirkung wie die Änderungsbefehle in den Änderungsgesetzen. Beide müssen gleichermaßen in den Neufassungstext eingearbeitet werden. Der rechtliche Unterschied liegt jedoch darin, dass die Änderungsbefehle 325 Art. 7 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Schwerbehindertengesetzes vom 24. Juli 1986, BGBl. I 1986, 1110 (1118). 326 Art. 3 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 26. August 1998, BGBl. I 1998, 2521 (2545). 327 Art. XIV des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes vom 11. August 1961, BGBl. I 1961, 1193 (1204). 328 Art. 2 des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete des Notarrechts vom 16. Februar 1961, BGBl. I 1961, 77 (93). 329 Art. 3 des Gesetzes zur Durchführung der „Ersten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) vom 24. Juli 1973“ vom 18. Dezember 1975, BGBl. I 1975, 3139 (3149). 330 Art. 4 des Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes vom 10. Juli 1961, BGBl. I 1961, 877 (880).

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E. Das Neubekanntmachungsverfahren

bereits mit dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes den Wortlaut des Stammgesetzes unmittelbar modifizieren, während die Änderungsanweisungen in der erweiterten Bekanntmachungserlaubnis den Gesetzestext zunächst unberührt lassen und erst durch die Exekutive im Rahmen der Neubekanntmachung umgesetzt werden müssen. Man kann also sagen, dass der Gesetzgeber in beiden Fällen konkrete Änderungen am Gesetzestext vornimmt, im Falle der erweiterten Bekanntmachungserlaubnis aber das „Ob“ und „Wann“ der Umsetzung – im Unterschied zu den Änderungsgesetzen – nicht selbst bestimmt, sondern der Exekutive überlässt. Zu rechtfertigen ist diese Vorgehensweise nur, wenn die Änderungen überwiegend redaktioneller Natur sind und eine detaillierte Vornahme durch den Gesetzgeber diesen unnötig belasten würde.331 b) Mit Änderungsermessen der Exekutive Daneben gibt es aber auch solche erweiterten Bekanntmachungsklauseln, die der Exekutive nicht nur das „Ob“ und „Wann“, sondern in gewissem Maße auch das „Wie“ der Umsetzung übertragen, ihr also mit anderen Worten ein eigenes Änderungsermessen in Bezug auf den Gesetzestext einräumen. Der Gesetzgeber gibt hier nur noch das Ziel vor, überlässt jedoch die konkreten Textanpassungen – im Unterschied zu den vorgenannten Beispielen – der Neubekanntmachungsstelle. Ökonomisch betrachtet macht diese Vorgehensweise Sinn, denn wollte der Gesetzgeber der Exekutive jede Änderungsmaßnahme detailliert vorgeben, so könnte er diese in den meisten Fällen gleich selbst durch ein Änderungsgesetz beschließen und die Exekutive anschließend nur noch zur einfachen Konsolidierung des bereits geänderten Gesetzestextes ermächtigen. Geht er stattdessen den Umweg über eine erweiterte Bekanntmachungserlaubnis, so möchte er dadurch eine gewisse Arbeitsentlastung erreichen. Diese kann sich aber nur dann einstellen, wenn er die Exekutive anlässlich der Neubekanntmachung mit der eigenständigen Durchführung der notwendigen Gesetzesanpassungen beauftragt. In der Praxis bedient sich der Gesetzgeber teilweise ziemlich offener Formulierungen, um der Exekutive zusätzliche Konsolidierungsbefugnisse zuzuweisen. So enthält die Bekanntmachungserlaubnis beispielsweise häufig die Möglichkeit, „Unstimmigkeiten des Wortlauts zu beseitigen“.332 In eini331

Siehe hierzu noch die Beispiele 1 und 2 auf S. 138 ff. So z. B. bei vielen der in Fn. 282 genannten Steuergesetze; ebenso Art. 45 des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur vom 18. Dezember 1975, BGBl. I 1975, 3091 (3112); Art. 3 des Gesetzes zur Änderung des Waffengesetzes vom 4. März 1976, BGBl. I 1976, 417 (431); Art. 2 des Zweiten Gesetzes zur Änderung 332

I. Die Erteilung der Bekanntmachungserlaubnis

83

gen älteren Änderungsgesetzen hat der Gesetzgeber sogar noch weitergehende Befugnisse eingeräumt, z. B. „überholte Begriffe den veränderten staatsrechtlichen Verhältnissen anzupassen“333, „den Wortlaut der geänderten Rechtslage und dem geänderten Sprachgebrauch an(zu)passen“334, „Berichtigungen vorzunehmen“335, „durch Zeitablauf überholte Vorschriften zu streichen“336 oder „gegenstandslos gewordene Vorschriften zu streichen“337. Vielfach wird die Exekutive aber nicht nur zur Bereinigung des eigentlichen Gesetzestextes, sondern auch zur Festlegung von Paragraphenüberschriften338 oder zur Änderung der amtlichen Gesetzesüberschrift339 erdes Bundesjagdgesetzes vom 28. September 1976, BGBl. I 1976, 2841 (2848); Art. 10 Abs. 1 und 2 des Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuchs und zur Neuregelung des Rechts der Raumordnung vom 18. August 1997, BGBl. I 1997, 2081 (2111); § 91 S. 2 des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges in der Fassung des Art. 1 Nr. 17 des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes vom 11. April 2002, BGBl. I 2002, 1302 (1303); noch weitergehend Art. 7 S. 2 des Gesetzes zur Änderung des Kündigungsrechtes und anderer arbeitsrechtlicher Vorschriften vom 14. August 1969, BGBl. I 1969, 1106 (1111): „. . . Unstimmigkeiten des Wortlauts und der Verweisungen beseitigen. . .“; dagegen ausdrücklich beschränkend auf „offenbare Unrichtigkeiten und Unstimmigkeiten im Wortlaut“ § 24 des Vermögensteuergesetzes in der Fassung des Art. 17 Nr. 1 des Gesetzes zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts vom 21. Dezember 1993, BGBl. I 1993, 2310 (2336). 333 Art. 3 des Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen vom 10. Oktober 1957, BGBl. I 1957, 1704 (1711). 334 Art. 3 des Gesetzes zur Durchführung der „Ersten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) vom 24. Juli 1973“ vom 18. Dezember 1975, BGBl. I 1975, 3139 (3149). 335 § 4 des Gesetzes zur Erstreckung und zur Verlängerung der Geltungsdauer des Bewirtschaftungsnotgesetzes, des Gesetzes zur Deckung der Kosten für den Umsatz ernährungswirtschaftlicher Waren und des Preisgesetzes vom 21. Januar 1950, BGBl. 1950, 7 (8). 336 Art. 7 S. 2 des Gesetzes zur Änderung des Kündigungsrechtes und anderer arbeitsrechtlicher Vorschriften vom 14. August 1969, BGBl. I 1969, 1106 (1111). 337 Art. 6 des Gesetzes zur Änderung des Titels IV und anderer Vorschriften der Gewerbeordnung vom 5. Juli 1976, BGBl. I 1976, 1773 (1777). 338 Siehe z. B. Art. 6 des Gesetzes zur Änderung des Titels IV und anderer Vorschriften der Gewerbeordnung vom 5. Juli 1976, BGBl. I 1976, 1773 (1777). 339 Siehe z. B. Art. 100 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 14. Dezember 1976, BGBl. I 1976, 3341 (3384); § 24 des Vermögensteuergesetzes in der Fassung des Art. 17 Nr. 1 des Gesetzes zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts vom 21. Dezember 1993, BGBl. I 1993, 2310 (2336); § 11 des Versicherungsteuergesetzes in der Fassung der Neubekanntmachung vom 10. Januar 1996, BGBl. I 1996, 22 (27); § 18 des Eigenheimzulagengesetzes in der Fassung der Neubekanntmachung vom 26. März 1997, BGBl. I 1997, 734 (738); § 15 Abs. 3 S. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes in der Fassung

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E. Das Neubekanntmachungsverfahren

mächtigt. Darüber hinaus darf sie in zahlreichen Fällen das Gesetz mit „neuem Datum“ und in „neuer Paragraphenfolge“ bekannt machen.340 Diese erweiterten Bekanntmachungserlaubnisse mit eigenem Änderungsermessen der Exekutive sind allerdings in letzter Zeit immer seltener anzutreffen. Das dürfte wohl weniger daran liegen, dass das Parlament mangels Arbeitsauslastung diese Gesetzesanpassungen wieder selbst vornehmen möchte, sondern eher auf ein gesteigertes rechtliches Problembewusstsein im Zusammenhang mit der Übertragung solcher Korrektur- und Ergänzungsbefugnisse auf die Exekutive zurückzuführen sein. Das ergibt sich nicht zuletzt aus dem Handbuch der Rechtsförmlichkeit, das diese zusätzlichen Befugnisse als „rechtsförmlich unerwünscht“ bezeichnet.341 Dennoch lassen sie sich nach wie vor in zahlreichen Gesetzen finden, vor allem in den steuerrechtlichen Gesetzen, selbst in den neueren Fassungen. Als typisches Beispiel für die in diesem Bereich immer noch gängige Formulierung soll hier die erweiterte Bekanntmachungserlaubnis aus § 28 des neuen, am 7. Dezember 2006 ausgefertigten Umwandlungssteuergesetzes342 zitiert werden:343 der Neubekanntmachung vom 26. September 2002, BGBl. I 2002, 3818 (3828); § 33 Abs. 2 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes in der Fassung der Neubekanntmachung vom 15. Oktober 2002, BGBl. I 2002, 4144 (4160); § 26 Abs. 6 des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Februar 2005, BGBl. I 2005, 386 (425); § 9 des Gesetzes zur Neuordnung der Gemeindefinanzen in der Fassung des Art. 11 Nr. 5 des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14. August 2007, BGBl. I 2007, 1912 (1937). 340 Siehe z. B. Art. 6 des Gesetzes zur Änderung des Titels IV und anderer Vorschriften der Gewerbeordnung vom 5. Juli 1976, BGBl. I 1976, 1773 (1777); Art. 7 S. 1 des Gesetzes zur Änderung des Kündigungsrechtes und anderer arbeitsrechtlicher Vorschriften vom 14. August 1969, BGBl. I 1969, 1106 (1111); § 91 S. 1 des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges in der Fassung des Art. 1 Nr. 17 des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes vom 11. April 2002, BGBl. I 2002, 1302 (1303); ähnlich § 4 des Gesetzes zur Erstreckung und zur Verlängerung der Geltungsdauer des Bewirtschaftungsnotgesetzes, des Gesetzes zur Deckung der Kosten für den Umsatz ernährungswirtschaftlicher Waren und des Preisgesetzes vom 21. Januar 1950, BGBl. 1950, 7 (8); Art. 2 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesjagdgesetzes vom 28. September 1976, BGBl. I 1976, 2841 (2848); Art. 100 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 14. Dezember 1976, BGBl. I 1976, 3341 (3384); enger Art. 5 § 8 des Gesetzes zur Beseitigung von Härten in den gesetzlichen Rentenversicherungen und zur Änderung sozialrechtlicher Vorschriften vom 9. Juni 1965, BGBl. I 1965, 476 (500), der nur zur Beseitigung von „Unstimmigkeiten der Paragraphenfolge“ ermächtigt. 341 HdR, Rn. 704. 342 BGBl. I 2006, 2782 (2791 ff.). 343 Vgl. auch die in Fn. 282 genannten steuergesetzlichen Bekanntmachungserlaubnisse. Das HdR führt dagegen in Rn. 704 zwei dieser erweiterten Bekanntmachungserlaubnisse als „Fehlbeispiele“ auf.

II. Die Anfertigung der Neubekanntmachung

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„Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, den Wortlaut dieses Gesetzes und der zu diesem Gesetz erlassenen Rechtsverordnungen in der jeweils geltenden Fassung satzweise nummeriert mit neuem Datum und in neuer Paragraphenfolge bekannt zu machen und dabei Unstimmigkeiten im Wortlaut zu beseitigen.“

Die in diesem Zusammenhang auftauchende Frage, wo die verfassungsrechtliche Grenze solcher erweiterter Bekanntmachungserlaubnisse liegt, wird noch weiter unten ausführlich zu untersuchen sein.344

II. Die Anfertigung der Neubekanntmachung Nach Erteilung der Bekanntmachungserlaubnis können die ermächtigten Bundesministerien mit der Konsolidierung der betreffenden Stammgesetze beginnen. Da sie in der Regel bereits intern eine fortlaufende Konsolidierung aller in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Gesetze durchführen, können sie diese Dokumentation als Grundlage für die Neubekanntmachung verwenden. Allerdings sollte die Bekanntmachungserlaubnis zum Anlass genommen werden, diese interne Gesetzesfassung noch einmal anhand aller seit der letzten Neubekanntmachung im Bundesgesetzblatt verkündeten Änderungsgesetze zu kontrollieren. Erforderlichenfalls kann auch die beim Bundesamt für Justiz geführte Datenbank des Bundesrechts zur Unterstützung herangezogen werden. Ergeben sich dabei Zweifel hinsichtlich des richtigen Gesetzeswortlauts, so ist laut Handbuch der Rechtsförmlichkeit das zuständige Rechtsprüfungsreferat im Bundesministerium der Justiz zu beteiligen.345 Wenn ein Fachministerium im Rahmen einer erweiterten Bekanntmachungserlaubnis zusätzlich zu bestimmten redaktionellen Anpassungen am Gesetzeswortlaut ermächtigt wurde, so können diese Änderungen selbständig in den Neufassungstext eingearbeitet werden. Was die formalen und inhaltlichen Anforderungen anbelangt, so macht das Handbuch der Rechtsförmlichkeit in seinem Teil G zahlreiche Vorgaben, die bei der Herstellung des Neubekanntmachungsdokuments zu beachten sind. In der Praxis erhält die Neubekanntmachung daher immer den gleichen, in der Abbildung 1 dargestellten Aufbau. Die einzelnen Komponenten werden im Anschluss ausführlich erläutert.

344 345

Siehe insbesondere S. 197 ff. HdR, Rn. 864.

86

B e k a n n t m a c h u n g s t e x t

E. Das Neubekanntmachungsverfahren Bekanntmachungsüberschrift Datum der Neubekanntmachung

Bekanntmachung der Neufassung des Bürgerlichen Gesetzbuchs Vom 2. Januar 2002

Bekanntmachungsformel

Auf Grund des Artikels 8 des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) wird nachstehend der Wortlaut des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung bekannt gemacht.

Auflistung der berücksichtigten Änderungen

Die Neufassung berücksichtigt: 1. die im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 400-2, veröffentlichte bereinigte Fassung, 2. den am 12. September 1964 in Kraft getretenen § 24 des Gesetzes vom 5. August 1964 (BGBl. I S. 593), 3. den am 1. Oktober 1965 in Kraft getretenen Artikel 1 des Gesetzes vom 10. August 1965 (BGBl. I S. 753), 4. [usw.]

Unterschrift mit Datum der Neubekanntmachung

Berlin, den 2. Januar 2002 Die Bundesministerin der Justiz Däubler-Gmelin

Neufassungstext

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) [Es folgt der konsolidierte Gesetzestext einschließlich Inhaltsverzeichnis und Anlagen]

Abbildung 1: Formaler Aufbau der Neubekanntmachung346

1. Bekanntmachungstext Der Bekanntmachungstext enthält zunächst einige einleitende Informationen zur Neubekanntmachung, gehört jedoch selbst nicht zum amtlichen Gesetzestext. a) Bekanntmachungsüberschrift Jede Neubekanntmachung beginnt mit der Überschrift „Bekanntmachung der Neufassung des [Name des bekannt zu machenden Stammgesetzes]“.347 346

Am Beispiel der Neubekanntmachung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 2. Januar 2002 (BGBl. I 2002, 42); siehe auch das im Handbuch der Rechtsförmlichkeit auf S. 228 abgebildete Muster. 347 HdR, Rn. 865.

II. Die Anfertigung der Neubekanntmachung

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Um die Übersichtlichkeit der Neubekanntmachung zu erhöhen, sollte das neu bekannt zu machende Gesetz grundsätzlich nur mit seiner amtlichen Kurzbezeichnung zitiert werden.348 Wurde der Gesetzestitel durch ein Änderungsgesetz modifiziert, so ist bereits der neue, im Zeitpunkt der Neubekanntmachung geltende Titel anzugeben.349 Soll die Gesetzesüberschrift dagegen erst im Rahmen der Neubekanntmachung durch die Exekutive geändert werden,350 so ist in der Bekanntmachungsüberschrift zunächst noch die alte Gesetzesbezeichnung zu nennen.351 Die neue Bezeichnung taucht in diesem Fall erstmals im Neufassungstext auf. Gegebenenfalls kann aber in der Bekanntmachungsformel schon auf die Änderung der Gesetzesüberschrift hingewiesen werden. b) Datum der Neubekanntmachung Unter der Bekanntmachungsüberschrift befindet sich das Datum der Neubekanntmachung. Es ergibt sich aus dem Datum der Unterzeichnung des Bekanntmachungstextes durch den zuständigen Bundesminister352 und entspricht insofern dem Ausfertigungsdatum im förmlichen Gesetzgebungsverfahren.353 Demnach muss es nicht mit dem Datum der Ausgabe des Bundesgesetzblattes, dem sog. Veröffentlichungsdatum, übereinstimmen.354 c) Bekanntmachungsformel In die sich anschließende Bekanntmachungsformel sind laut Handbuch der Rechtsförmlichkeit folgende wichtige Informationen aufzunehmen:355 348 Siehe Müller, HdG, S. 264, mit (älteren) Beispielen. Dass dieser Grundsatz immer noch beachtet wird, beweist z. B. die Neubekanntmachung des „Gesetzes über die Sicherung des Unterhalts der zum Wehrdienst einberufenen Wehrpflichtigen und ihrer Angehörigen“ vom 20. Februar 2002 (BGBl. I 2002, 972), deren Bekanntmachungsüberschrift kurz „Bekanntmachung der Neufassung des Unterhaltssicherungsgesetzes“ lautet. 349 Vgl. HdR, Rn. 866; in diesem Fall sollte aber zur Klarheit die ursprüngliche Gesetzesbezeichnung noch einmal in der Bekanntmachungsformel erwähnt werden, siehe HdR, Rn. 869 (mit Beispiel). 350 Zur Frage der Zulässigkeit siehe unten S. 210 f. 351 Müller, HdG, S. 263. Nicht ganz korrekt ist insofern die Überschrift der Neubekanntmachung des Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 19. Dezember 1952 (BGBl. I 1952, 837), die bereits den neuen Namen „Straßenverkehrsgesetz“ enthält. Der ursprüngliche Name wird aber zumindest noch in der Bekanntmachungsformel erwähnt. 352 HdR, Rn. 867. 353 Siehe oben S. 22. 354 Siehe dazu noch unten S. 100.

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E. Das Neubekanntmachungsverfahren

aa) Fundstelle der Bekanntmachungserlaubnis Da die Neubekanntmachung nur aufgrund einer wirksamen Bekanntmachungserlaubnis im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden darf,356 nennt die Bekanntmachungsformel als erstes die Fundstelle der Bekanntmachungserlaubnis im Bundesgesetzblatt, so dass diese leicht aufzufinden und zu überprüfen ist. Das die Bekanntmachungserlaubnis enthaltende Gesetz kann dabei in der amtlichen Kurzüberschrift zitiert werden.357 Stützt sich die Neubekanntmachung auf mehrere Bekanntmachungserlaubnisse oder sonstige Zusatzermächtigungen (wie z. B. § 3 Abs. 2 ZustAnpG)358, so sind sämtliche Fundstellen in der Bekanntmachungsformel mitzuteilen,359 wie z. B. bei der Bekanntmachung der Neufassung des Außenwirtschaftsgesetzes vom 26. Juni 2006: „Auf Grund des Artikels 4 des Zwölften Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und der Außenwirtschaftsverordnung vom 28. März 2006 (BGBl. I S. 574) und des § 3 Abs. 2 des Zuständigkeitsanpassungsgesetzes vom 16. August 2002 (BGBl. I S. 3165) in Verbindung mit dem Organisationserlass vom 22. November 2005 (BGBl. I S. 3197) wird . . .“.360

bb) Zitiername des neu bekannt zu machenden Stammgesetzes Danach wird das Stammgesetz, dessen Wortlaut neu bekannt gemacht werden soll, mit seinem amtlichen Zitiernamen, wobei auch hier die Kurzform ausreicht,361 genannt. Hat sich der Name des Gesetzes seit seiner Verkündung oder letzten Neubekanntmachung verändert, so kann auf diesen Umstand mit der Zusatzformulierung „unter seiner neuen Überschrift“ hingewiesen werden.362 Wird die Überschrift des Gesetzes erst durch die Neubekanntmachung geändert, so ist an dieser Stelle noch die ursprüngliche Gesetzesbezeichnung zu nennen, gegebenenfalls ergänzt um einen Hinweis auf die neue Überschrift.363 355 Siehe HdR, Rn. 868. In einigen älteren Neubekanntmachungen enthielt die Bekanntmachungsformel außerdem das Datum der Erstverkündung des Stammgesetzes, wie z. B. in der Neubekanntmachung des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) vom 15. November 1978, BGBl. I 1978, 1789. 356 Siehe dazu noch näher unten S. 178 ff. 357 Müller, HdG, S. 265. 358 Siehe unten S. 205. 359 Vgl. Müller, HdG, S. 265 f. 360 BGBl. I 2006, 1386. 361 Siehe Müller, HdG, S. 266. 362 Siehe z. B. die Bekanntmachung der Neufassung des Genossenschaftsgesetzes vom 16. Oktober 2006, BGBl. I 2006, 2230.

II. Die Anfertigung der Neubekanntmachung

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cc) Neufassungsstichtag Schließlich ist in der Bekanntmachungsformel noch der Stichtag zu nennen, bis zu dem sämtliche Änderungen an dem Stammgesetz in der Neufassung berücksichtigt worden sind. Meistens wird der Stichtag bereits durch die Bekanntmachungserlaubnis vorgegeben, nach der das Gesetz entweder in der vom Inkrafttreten des die Erlaubnis enthaltenden Änderungsgesetzes oder in der von einem bestimmten Datum an geltenden Fassung bekannt gemacht werden soll.364 Die nochmalige Nennung des Stichtags mag in diesem Fall zwar überflüssig erscheinen,365 führt jedoch andererseits zu mehr Rechtssicherheit, da sich auf diese Weise der Neubekanntmachung auf den ersten Blick entnehmen lässt, auf welchem Stand sie sich befindet. Besonders wichtig ist diese Angabe zudem bei den Neubekanntmachungen, die auf einer Dauerermächtigung („in der jeweils geltenden Fassung“)366 beruhen, da sich der maßgebliche Stichtag hier gerade nicht aus der Bekanntmachungserlaubnis ergibt. d) Auflistung der berücksichtigten Änderungen Der Bekanntmachungsformel folgt eine nummerierte Aufzählung aller in den Neufassungstext eingearbeiteter Änderungsgesetze. Sie wird mit den Worten „Die Neufassung berücksichtigt:“ eingeleitet und startet jeweils mit der Angabe der letzten im Bundesgesetzblatt veröffentlichten konsolidierten Gesetzesfassung.367 Das kann entweder eine im Bundesgesetzblatt Teil III veröffentlichte bereinigte Gesetzesfassung368 oder, falls das neu bekannt zu machende Gesetz nach dem 31. Dezember 1963 im Bundesgesetzblatt Teil I verkündet worden ist, die dort enthaltene Urfassung369 sein. Wurde das Gesetz seit seiner Verkündung bereits einmal im Bundesgesetzblatt neu bekannt gemacht, so beginnt die Aufzählung immer mit der Fundstelle der letzten amtlichen Neubekanntmachung.370 363

Vgl. Müller, HdG, S. 266 f. Siehe oben S. 78. 365 Siehe Müller, HdG, S. 267. 366 Siehe oben S. 80. 367 HdR, Rn. 870 f. 368 So z. B. bei der Bekanntmachung der Neufassung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 2. Januar 2002 (BGBl. I 2002, 42): „Die Neufassung berücksichtigt: 1. die im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 400-2, veröffentlichte bereinigte Fassung, . . .“. 369 So z. B. bei der Bekanntmachung der Neufassung des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm vom 31. Oktober 2007 (BGBl. I 2007, 2550): „Die Neufassung berücksichtigt: 1. das am 3. April 1971 in Kraft getretene Gesetz vom 30. März 1971 (BGBl. I S. 282), . . .“. 364

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E. Das Neubekanntmachungsverfahren

Anschließend erscheinen in chronologisch aufsteigender Reihenfolge alle bis zum Neufassungsstichtag verkündeten Änderungsgesetze einschließlich derjenigen, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Kraft getreten sind.371 Ebenfalls in diese Liste aufzunehmen sind Rechtsverordnungen, soweit sie ausnahmsweise Einfluss auf den Gesetzeswortlaut haben, insbesondere die Zuständigkeitsanpassungsverordnungen nach § 2 ZustAnpG.372 Die Auflistung der Änderungsvorschriften erfolgt nicht unter Nennung ihres vollständigen Zitiernamens, sondern lediglich unter der Gattungsbezeichnung „Gesetz“ oder „Verordnung“.373 Daneben enthält die Aufzählung noch den Zeitpunkt des Inkrafttretens, das Ausfertigungsdatum, die Fundstelle im Bundesgesetzblatt und – falls möglich – die genaue Angabe des Änderungsartikels. So lassen sich von der Neubekanntmachung ausgehend alle Änderungsvorschriften bis zur letzten vollständig abgedruckten Gesetzesfassung zurückverfolgen und gegebenenfalls nachkontrollieren. Allerdings kann die Liste je nach Änderungsintensität und Bekanntmachungsintervall des Stammgesetzes unterschiedlich viele Vorschriften enthalten. Bei der letzten Neubekanntmachung des Bürgerlichen Gesetzbuchs waren es immerhin 110 Änderungsvorschriften! e) Unterschrift Abgeschlossen wird der Bekanntmachungstext durch die Unterschrift des zuständigen Fachministers unter Angabe von Ort und Datum. Im Falle der Verhinderung kann auch ein Staatssekretär „in Vertretung“ oder ausnahmsweise ein sonstiger Beamter „in Vertretung des Staatssekretärs“ bzw. „im Auftrag“ unterzeichnen.374

370 Siehe z. B. die Bekanntmachung der Neufassung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 15. Juli 2005 (BGBl. I 2005, 2114): „Die Neufassung berücksichtigt: 1. die Fassung der Bekanntmachung des Gesetzes vom 26. August 1998 (BGBl. I S. 2546), . . .“. 371 HdR, Rn. 872 f. Die zum Neufassungsstichtag noch nicht in Kraft getretenen Gesetzesänderungen werden aber nicht in den Neufassungstext eingearbeitet, sondern nur durch Fußnoten an entsprechender Stelle kenntlich gemacht, siehe oben S. 89. 372 Siehe dazu unten S. 204. 373 HdR. Rn. 870. 374 HdR, Rn. 878.

II. Die Anfertigung der Neubekanntmachung

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2. Neufassungstext Der Neufassungstext enthält den gesamten amtlichen Gesetzeswortlaut in konsolidierter Form und wird auf einer neuen Seite des Bundesgesetzblattes – quasi wie eine Anlage – an den Bekanntmachungstext angehängt.375 Er beginnt immer mit der vollständigen Gesetzesüberschrift, gegebenenfalls in der geänderten Form, die ihr die Exekutive kraft einer erweiterten Bekanntmachungserlaubnis gegeben hat.376 Danach folgen das Inhaltsverzeichnis, der eigentliche Gesetzestext sowie eventuelle Anhänge.377 In den Neufassungstext sind alle bis zum maßgeblichen Stichtag in Kraft getretenen Änderungsgesetze einzuarbeiten. Darüber hinaus sollten aus Gründen der Aktualität aber auch solche Gesetzesänderungen mit berücksichtigt werden, die zum Zeitpunkt des Stichtags bereits im Bundesgesetzblatt verkündet worden sind, jedoch erst zu einem späteren Datum in Kraft treten. Diese Änderungen dürfen allerdings noch nicht direkt in den Neufassungstext eingearbeitet werden,378 sondern sind durch Fußnoten, die den Änderungsbefehl bzw. den neuen Gesetzeswortlaut und das Datum des Inkrafttretens enthalten, an den entsprechenden Stellen im Neufassungstext kenntlich zu machen.379 Vom äußeren Erscheinungsbild lässt sich die Neufassung eines Stammgesetzes daher kaum von seiner Urfassung unterscheiden. Einige Besonderheiten gibt es allerdings doch. So werden in der Neufassung die Einleitungs- und Ausfertigungsformel der Erstverkündung nicht mehr mit abgedruckt. Ebenso fehlen das Ausfertigungsdatum und die ursprünglichen Unterschriften.380 Außerdem enthält der Neufassungstext des Öfteren klarstellende Hinweise in Klammern oder Fußnoten: 375

Müller, HdG, S. 268. Müller, HdG, S. 269. 377 Vgl. HdR, Rn. 880. 378 Falsch war insofern die Aufnahme von § 32b Abs. 1 in die Neufassung der Zivilprozessordnung vom 5. Dezember 2005 (BGBl. I 2005, 3202 [3220]), da diese Vorschrift erst am 1. November 2005 in Kraft getreten war, der Neufassungsstichtag aber bereits auf den 21. Oktober 2005 lautete. Aufgrund des relativ kurzen Abweichungszeitraums von 10 Kalendertagen und dem zusätzlichen Fußnotenvermerk im Neufassungstext, der auf das verspätete Inkrafttreten von § 32b Abs. 1 hinweist, dürfte dieser formale Fehler allerdings keine schwerwiegenden praktischen Konsequenzen nach sich gezogen haben. Großzügiger im Übrigen Schmid, BayVBl. 1974, 39 (40), der grundsätzlich alle bis zum Datum der Neubekanntmachung erfolgten Gesetzesänderungen in den Neufassungstext einarbeiten möchte, soweit „noch ein gewisser Zusammenhang mit dem ermächtigenden Gesetz [besteht]“. 379 Siehe HdR, Rn. 887 ff. (mit Beispielen); zu weiteren Beispielen siehe Fn. 401. 380 Siehe HdR, Rn. 881. 376

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E. Das Neubekanntmachungsverfahren

a) Klammerhinweise hinsichtlich weggefallener Vorschriften Hat der Gesetzgeber einen Paragraphen aufgehoben, so darf dieser in dem Neufassungstext eigentlich nicht mehr erscheinen, mit der Konsequenz, dass z. B. auf § 1 nun nicht mehr § 2, sondern, falls die Exekutive nicht gleichzeitig zur Neunummerierung ermächtigt wurde, § 3 folgen würde. Eine solche Paragraphenlücke würde jedoch einen unvollständigen Eindruck vermitteln und unter Umständen dazu führen, dass sich viele Leser fragen, ob hier nicht möglicherweise sogar eine Vorschrift schlichtweg vergessen wurde. Da die Neubekanntmachung aber nicht verunsichern, sondern vielmehr für Rechtssicherheit und -klarheit sorgen soll, bedient man sich entsprechender Platzhalter, die an der Stelle der weggefallenen Vorschrift eingefügt werden und auf deren rechtliches „Schicksal“ hinweisen: „§ XY. (weggefallen)“.381

Ebenso wird verfahren, wenn nicht gleich ganze Paragraphen, sondern nur einzelne Absätze oder Nummern einer Vorschrift aufgehoben wurden und weitere Absätze oder Nummern folgen.382 Auf diese Weise ist dem Leser sofort ersichtlich, dass hier vorher eine Regelung bestand, die vom Gesetzgeber beseitigt wurde und die er bei Interesse noch in einer früheren Gesetzesfassung nachlesen kann. Dem Klammerhinweis kommt allerdings rein deklaratorische Wirkung zu, d.h. er kann selbst keine gültige Rechtsnorm außer Kraft setzen.383 b) Klammerhinweise hinsichtlich bedeutungslos gewordener Vorschriften Ein weiterer Anwendungsbereich für die Klammerhinweise ergibt sich immer dann, wenn einzelne Vorschriften zwar nicht vom Gesetzgeber förmlich aufgehoben worden oder sonst wie außer Kraft getreten sind, sie jedoch praktisch so gut wie keine Anwendung mehr finden, insbesondere weil sich ihr Inhalt bereits erledigt hat. In diesem Fall sind die Vorschriften zwar noch rechtlich existent, ihre normative Bedeutung tendiert jedoch gegen Null. Um den Neufassungstext nicht mit diesen „überflüssigen“ Vorschriften zu belasten, kann an die Stelle des vollen Normtextes ein Klammerhinweis mit einer

381 HdR, Rn. 885; siehe z. B. § 24 des Melderechtsrahmengesetzes in der Fassung der Neubekanntmachung vom 19. April 2002, BGBl. I 2002, 1342 (1350); zu weiteren, heute jedoch nicht mehr verwendeten Varianten siehe Müller, HdG, S. 272. 382 Siehe HdR, Rn. 885. 383 Siehe auch unten S. 195.

II. Die Anfertigung der Neubekanntmachung

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kurzen Inhaltsangabe gesetzt werden. Das Handbuch der Rechtsförmlichkeit nennt vier Beispiele für solche stellvertretenden Klammerhinweise:384 • „(Änderung anderer Vorschriften)“385: Paragraphen, die lediglich Änderungsbefehle in Bezug auf andere Gesetze beinhalten, können in der Neufassung durch diesen Klammerhinweis ersetzt werden, weil sie keinen Einfluss auf den Wortlaut des neu bekannt zu machenden Stammgesetzes haben.386 Außerdem kommt ihnen nach dem Kern-Hülle-Modell nach ihrem Inkrafttreten sowieso keine rechtliche Bedeutung mehr zu,387 weshalb auf einen nochmaligen vollständigen Abdruck im Rahmen der Neubekanntmachung verzichtet werden kann. • „(Aufhebung anderer Vorschriften)“: Das neu bekannt zu machende Stammgesetz kann gelegentlich Paragraphen enthalten, durch die lediglich andere Vorschriften oder Gesetze aufgehoben wurden. Auch diese Paragraphen brauchen in der Neufassung nicht mit ihrem vollen Wortlaut wiedergegeben zu werden. Es gilt grundsätzlich das oben zu den Änderungsvorschriften Gesagte.388 • „(Inkrafttreten)“389: Die meisten Gesetze enthalten einen speziellen Paragraphen, der den Zeitpunkt des Inkrafttretens bestimmt. Diese Vorschrift 384

HdR, Rn. 886. Siehe z. B. § 50 des Gesetzes über explosionsgefährliche Stoffe in der Fassung der Neubekanntmachung vom 10. September 2002, BGBl. I 2002, 3518 (3534); ähnlich §§ 25 und 26 des Melderechtsrahmengesetzes in der Fassung der Neubekanntmachung vom 19. April 2002, BGBl. I 2002, 1342 (1350): „(Änderung anderer Gesetze)“; § 192 der Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Neubekanntmachung vom 19. März 1991, BGBl. I 1991, 686 (711): „(Änderungsvorschrift)“; teilweise wird in den Klammerhinweisen auch noch das Gesetz genannt, auf das sich die Änderungsbefehle beziehen, so z. B. in §§ 122–124 des Betriebsverfassungsgesetzes in der Fassung der Neubekanntmachung vom 25. September 2001, BGBl. I 2001, 2518 (2549); § 24 des Gesetzes über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben in der Fassung der Neubekanntmachung vom 4. September 2007, BGBl. I 2007, 2206 (2220). 386 Solche reinen Änderungsvorschriften sollten daher grundsätzlich nicht in dem Stammgesetz selbst untergebracht, sondern mittels eines Mantelgesetzes beschlossen werden (siehe HdR, Rn. 425). Trotzdem sind sie noch gelegentlich in den Schlussvorschriften einiger älterer Stammgesetze zu finden, um bestimmte Folgeänderungen an anderen Stammgesetzen zu bewirken. 387 Siehe oben S. 47. 388 Aufgrund der Ähnlichkeit der Änderungs- und Aufhebungsvorschriften können diese auch in einem Paragraphen zusammengefasst werden. Der entsprechende Klammerhinweis lautet dann: „(Aufhebung und Änderung anderer Vorschriften)“; siehe z. B. § 48 des Außenwirtschaftsgesetzes in der Fassung der Neubekanntmachung vom 26. Juni 2006, BGBl. I 2006, 1386 (1400). 389 Siehe z. B. § 132 des Betriebsverfassungsgesetzes in der Fassung der Neubekanntmachung vom 25. September 2001, BGBl. I 2001, 2518 (2551). 385

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E. Das Neubekanntmachungsverfahren

ist wichtig im Zusammenhang mit der Erstverkündung, da das Gesetz sonst gem. Art. 82 Abs. 2 S. 2 GG automatisch 14 Tage nach seiner Verkündung in Kraft tritt.390 Ist das Gesetz jedoch – wie zum Zeitpunkt der Neubekanntmachung regelmäßig der Fall – bereits seit einiger Zeit in Kraft, so hat diese Vorschrift keine rechtliche Bedeutung mehr und kann deshalb durch den eingangs genannten Klammerhinweis ersetzt werden. Dies sollte sogar vielmehr geschehen, denn ansonsten entstünde leicht der fälschliche Eindruck, dass das Stammgesetz bereits zu dem in der Inkrafttretensvorschrift genannten Datum in der nunmehr neu bekannt gemachten Fassung galt.391 • „(Außerkrafttreten)“392: Ebenfalls nicht mit vollem Wortlaut in den Neufassungstext aufzunehmen sind solche Paragraphen, die lediglich das Außerkrafttreten einzelner Teile des Stammgesetzes regeln, soweit sie sich auf einen Zeitpunkt beziehen, der vor dem Neufassungsstichtag lag. Denn in diesem Fall werden die außer Kraft getretenen Vorschriften in dem Neufassungstext ja schon gar nicht mehr erwähnt, so dass von einem erneuten Abdruck des bereits vollzogenen Aufhebungsbefehls abgesehen werden sollte. Anders sieht es hingegen aus, wenn der Zeitpunkt des Außerkrafttretens nach dem Neufassungsstichtag liegt. Dann ist eine wörtliche Wiedergabe der Außerkrafttretensvorschrift zwingend erforderlich, da sich der Neubekanntmachung sonst nicht entnehmen ließe, wann welche Vorschriften in Zukunft außer Kraft treten werden. Vereinzelt findet man in den Neufassungstexten auch die Klammerhinweise „(überholt)“393 oder „(gegenstandslos)“394. Diese pauschalen Hin390

Siehe oben S. 26 f. Müller, HdG, S. 273. 392 In den meisten Gesetzen werden die In- und Außerkrafttretensvorschriften kombiniert. Der entsprechende Klammerhinweis lautet dann: „(Inkrafttreten, Außerkrafttreten)“; siehe z. B. § 28 des Melderechtsrahmengesetzes in der Fassung der Neubekanntmachung vom 19. April 2002, BGBl. I 2002, 1342 (1350); § 26 des Gesetzes über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben in der Fassung der Neubekanntmachung vom 4. September 2007, BGBl. I 2007, 2206 (2220). 393 Siehe z. B. § 118 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung der Neubekanntmachung vom 11. Dezember 1974, BGBl. I 1974, 3427 (3449): „(zeitlich überholt)“; § 195 Abs. 2–6 der Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Neubekanntmachung vom 19. März 1991, BGBl. I 1991, 686 (711): „(Aufhebungs-, Änderungs- und zeitlich überholte Vorschriften)“; §§ 352–357 und 368–372 des Gesetzes über den Lastenausgleich in der Fassung der Neubekanntmachung vom 2. Juni 1993, BGBl. I 1993, 845 (895, 897): „(Die Vorschriften sind überholt)“. 394 Siehe z. B. § 194 der Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Neubekanntmachung vom 19. März 1991, BGBl. I 1991, 686 (711); § 27 des Melderechtsrahmengesetzes in der Fassung der Neubekanntmachung vom 19. April 2002, BGBl. I 2002, 1342 (1350); §§ 9, 10 des Gesetzes zur Einsparung von Energie in 391

II. Die Anfertigung der Neubekanntmachung

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weise lassen jedoch keinen Schluss auf den Inhalt der dahinter stehenden Rechtsnorm zu und sind insofern möglichst zu vermeiden oder zumindest mit einem zusätzlichen Hinweis zu kombinieren, der auf den Inhalt der verborgenen Vorschriften Bezug nimmt, wie z. B. bei § 131 des Betriebsverfassungsgesetzes in der Fassung der Neubekanntmachung vom 25. September 2001: „§ 131 (Berlin-Klausel) (gegenstandslos)“395

Auch wenn diese Klammerhinweise die rechtliche Gültigkeit der betroffenen Paragraphen in keiner Weise berühren, sollten sie trotzdem nur sehr sparsam und ausschließlich in solchen Fällen eingesetzt werden, in denen das Weglassen des Wortlauts einer eindeutig gegenstandslos gewordenen Vorschrift zu einer deutlichen Steigerung der Übersichtlichkeit des Neufassungstextes führt.396 Einen interessanten Mittelweg ist man bei der Neubekanntmachung des Deutschen Beamtengesetzes vom 30. Juni 1950 gegangen, bei der „gegenwärtig gegenstandslose Vorschriften“ lediglich in Kleindruck wiedergegeben wurden.397 c) Sonstige Hinweise und Anmerkungen Neben den oben genannten Klammerhinweisen lassen sich in einer ministeriellen Neufassung außerdem noch sonstige Hinweise und Anmerkungen finden, die zumeist in Fußnoten untergebracht sind. Diese Fußnoten sind nicht Teil des Gesetzestextes, sondern enthalten nur wichtige Zusatzinformationen, die die Anwendung des Gesetzes oder einzelner Rechtnormen erleichtern sollen.398 Sie beziehen sich daher in der Regel auf einen der folgenden Bereiche: • Zukünftige Gesetzesänderungen: Wie bereits oben ausgeführt,399 kann in der Neufassung auf solche zukünftigen Gesetzesänderungen hingewiesen werden, die zum maßgeblichen Stichtag zwar noch nicht in Kraft getreten, aber bereits wirksam verkündet worden sind.400 Die Fußnote sollte in diesem Fall die Änderungsvorschrift mit Fundstelle, den neuen GesetGebäuden in der Fassung der Neubekanntmachung vom 1. September 2005, BGBl. I 2005, 2684 (2687). 395 BGBl. I 2001, 2518 (2551); zum Inhalt und zur Bedeutung der „Berlin-Klausel“, die mit der Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990 gegenstandslos geworden ist, siehe HdR, Rn. 652 f. 396 Großzügiger in dieser Hinsicht wohl Müller, HdG, S. 272. 397 Hierauf wurde in einer Vorbemerkung ausdrücklich hingewiesen, siehe BGBl. 1950, 279 (281). 398 Siehe auch unten S. 196. 399 Siehe oben S. 91.

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E. Das Neubekanntmachungsverfahren

zeswortlaut bzw. die einzelnen Änderungsbefehle sowie den Zeitpunkt des Inkrafttretens nennen.401 • Beschränkter örtlicher, zeitlicher oder sachlicher Anwendungsbereich: In einer Fußnote kann auch auf den beschränkten örtlichen, zeitlichen oder sachlichen Anwendungsbereich des Stammgesetzes oder einzelner Vorschriften hingewiesen werden, insbesondere wenn sich diese Einschränkung aus einem anderen Gesetz ergibt und damit leicht zu übersehen ist.402 • Urteile des Bundesverfassungsgerichts: Bestimmte Urteile des Bundesverfassungsgerichts haben gem. § 31 Abs. 2 BVerfGG Gesetzeskraft. Dadurch werden sie nach h. M. jedoch nicht selbst zu Gesetzen, sondern ihnen kommt eine gesetzesähnliche Wirkung zu, mit der Folge, dass sie gegenüber allen Normadressaten (erga omnes) wirken und außerdem im Bundesgesetzblatt Teil I zu veröffentlichen sind.403 Hat das Bundesverfassungsgericht nun in einer solchen Entscheidung mit Gesetzeskraft eine Rechtsnorm des Stammgesetzes ganz oder teilweise für nichtig erklärt, so gilt diese als von Anfang an nicht existent.404 Dementsprechend dürfte sie auch nicht mehr in dem Neufassungstext erscheinen.405 Stattdessen 400 So HdR, Rn. 887; m. E. ist es sogar ausreichend, wenn das Änderungsgesetz noch vor dem Datum der Neubekanntmachung wirksam im Bundesgesetzblatt verkündet worden ist, siehe oben S. 102. 401 Siehe z. B. die Fußnoten zu §§ 4 und 203 Abs. 1 Nr. 3 des Strafgesetzbuches in der Fassung der Neubekanntmachung vom 13. November 1998, BGBl. I 1998, 3322 (3331, 3378); § 14a des Bundesbesoldungsgesetzes in der Fassung der Neubekanntmachung vom 6. August 2002, BGBl. I 2002, 3020 (3026); § 94 Abs. 1 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge in der Fassung der Neubekanntmachung vom 10. August 2007, BGBl. I 2007, 1902 (1909); § 11 Abs. 1 des Gesetzes über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben in der Fassung der Neubekanntmachung vom 4. September 2007, BGBl. I 2007, 2206 (2214). 402 Siehe z. B. die Fußnote zu § 23 Abs. 2 des Bundesbesoldungsgesetzes in der Fassung der Neubekanntmachung vom 6. August 2002, BGBl. I 2002, 3020 (3027). 403 Umbach/Clemens/Dollinger – Heusch, § 31, Rn. 73, 87; Benda/Klein, Rn. 1313, 1317; Lechner/Zuck, § 31, Rn. 36, 39; Hillgruber/Goos, Rn. 552; Maurer, StR, § 20, Rn. 31. 404 Nach der in Deutschland vorherrschenden Nichtigkeitslehre gelten alle gegen das Grundgesetz verstoßenden Rechtsakte von vornherein als nichtig (ipso iure). Von daher hebt das Bundesverfassungsgericht die Rechtsnormen eigentlich nicht mehr auf, sondern stellt lediglich ihre Nichtigkeit verbindlich fest; vgl. Umbach/ Clemens/Dollinger – Heusch, § 31, Rn. 74; Lechner/Zuck, § 78, Rn. 4; Schlaich/ Korioth, Rn. 379 f., differenzierend Benda/Klein, Rn. 1249 f.; a. A. Pestalozza, § 20, Rn. 15, nach dessen Ansicht der Nichtigkeitserklärung ein normaufhebender Gestaltungseffekt zukommt. 405 Vgl. Konzelmann, Rechtsbereinigung, S. 54.

II. Die Anfertigung der Neubekanntmachung

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könnte an ihrer Stelle ein Klammervermerk auf das Urteil und dessen Rechtsfolgen hinweisen, z. B.: § XY. (durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom [Datum] [Fundstelle im Bundesgesetzblatt] für nichtig erklärt)

Sollte bei einer Teilnichtigerklärung406 der restliche Gesetzeswortlaut ohne den für nichtig erklärten Teil unverständlich sein, so kann ausnahmsweise der Wortlaut des nichtigen Teils rein informationshalber mit angegeben werden, allerdings in deutlich unterscheidbarer Form (z. B. in kursiver Schrift) und unter Hinweis auf seine rechtliche Unwirksamkeit (z. B. in einer Fußnote).407 In denjenigen Fällen, in denen das Bundesverfassungsgericht keine Norm aus dem Stammgesetz, sondern explizit eine Norm aus einem Änderungsgesetz für nichtig erklärt, wäre daran zu denken, in der Neubekanntmachung wieder den ursprünglichen Wortlaut abzudrucken. Folgt man nämlich der oben genannten Auffassung, dass eine für nichtig erklärte Rechtsnorm ex tunc unwirksam ist, so hätte der Änderungsbefehl zu keiner Zeit Geltung erlangt mit der logischen Konsequenz, dass der Normtext im Stammgesetz niemals geändert worden ist.408 Unter diesem Gesichtspunkt müsste also weiterhin der ursprüngliche Normtext wiedergegeben werden. Dennoch sollte die Textstelle besonders gekennzeichnet und in einer Fußnote auf das entsprechende Urteil mit Fundstelle hingewiesen werden. Hat das Bundesverfassungsgericht eine Norm nicht für nichtig, sondern nur für unvereinbar mit der Verfassung erklärt, so bleibt die betroffene Rechtsnorm zunächst solange bestehen, bis der Gesetzgeber eine neue, verfassungskonforme Regelung getroffen hat.409 Bis dahin muss die Vorschrift also weiterhin mit ihrem bisherigen Wortlaut in den Neufassungstext aufgenommen werden. Allerdings sollte in einer Fußnote auf die Unanwendbarkeit unter Nennung der einschlägigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hingewiesen werden.410 Ebenso ist bei einer qualitativen Teilnichtigerklärung ohne Normtextreduzierung411 zu verfahren, die nur in Bezug auf bestimmte Sachverhalte zu einer Unanwendbar406 Siehe dazu Schlaich/Korioth, Rn. 384; Benda/Klein, Rn. 1263; Lechner/Zuck, § 78, Rn. 5. 407 Siehe z. B. § 1587b Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Fassung der Neubekanntmachung vom 2. Januar 2002, BGBl. I 2002, 42 (257); nicht ganz korrekt insofern die Darstellung auf der Internetseite www.gesetze-im-internet.de. 408 Siehe Brandner, Gesetzesänderung, S. 55. 409 Schlaich/Korioth, Rn. 424; Schmidt-Bleibtreu/Klein – Hopfauf, Art. 93, Rn. 112. 410 Vgl. Konzelmann, Rechtsbereinigung, S. 55. 411 Siehe dazu Schlaich/Korioth, Rn. 386; Benda/Klein, Rn. 1264; SchmidtBleibtreu/Klein – Hopfauf, Art. 93, Rn. 111.

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E. Das Neubekanntmachungsverfahren

keit der Rechtsnorm führt.412 Nicht erwähnt zu werden in der Neufassung brauchen dagegen solche Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die eine Vorschrift für mit dem Grundgesetz vereinbar erklären.413 • Umsetzung von europäischen Richtlinien: Viele Richtlinien der Europäischen Union sehen in den Schlussvorschriften vor, dass die Mitgliedstaaten in den nationalen Rechtsakten, die ihrer Umsetzung dienen, explizit auf diese Richtlinien hinweisen (sog. europarechtliches Zitiergebot).414 Dadurch soll der Kommission die Überprüfung der ordnungsgemäßen Umsetzung erleichtert und der innerstaatliche Rechtsangleichungsprozess für die Öffentlichkeit zugleich transparenter werden.415 Wie dieser Hinweis im Einzelnen auszusehen hat, bleibt den Mitgliedstaaten selbst überlassen. Wird er dagegen nicht erteilt, so dürfte dies einen Verstoß gegen die Umsetzungspflicht darstellen.416 In der Bundesrepublik Deutschland erfolgt der Hinweis daher normalerweise bereits in dem Änderungsgesetz, das die Richtlinienvorgaben in das nationale Recht integriert, entweder direkt in der Überschrift oder – insbesondere bei mehreren Richtlinien – in einer eigenen Fußnote, welche alle umgesetzten Richtlinien unter Nennung des vollen Namens und der Fundstelle im Amtsblatt der Europäischen Union aufzählt.417 Darüber hinaus ist das Zitiergebot aber auch bei der Neubekanntmachung von Gesetzen und Rechtsverordnungen zu beachten.418 Die Neufassung enthält daher auf der ersten Seite eine Fußnote, die auf alle Richtlinien hinweist, die durch das neu bekannt zu machende Gesetz in das nationale Recht transformiert worden sind.419 Zusätzlich kann auch noch zu einzelnen Abschnitten, Titeln, Untertiteln oder Paragraphen ein gesonderter 412 Siehe z. B. §§ 64 und 67d Abs. 5 S. 1 des Strafgesetzbuches in der Fassung der Neubekanntmachung vom 13. November 1998, BGBl. I 1998, 3322 (3342, 3344). 413 Vgl. Konzelmann, Rechtsbereinigung, S. 53 f. 414 Siehe z. B. Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), ABl. L 2000, Nr. 178, S. 1 (15): „Wenn die Mitgliedstaaten die in Absatz 1 genannten Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme.“; vgl. auch HdR, Rn. 308. 415 Streinz – Schroeder, Art. 249 EGV, Rn. 92; Grabitz/Hilf – Marly, A 4, Art. 22 RL (EWG) 2000/31, Rn. 13. 416 Vgl. EuGHE 1997, I-6749, Rn. 8; 1997, I-7337, Rn. 13; 1997, I-7351, Rn. 15. 417 Siehe HdR, Rn. 309 ff.; Schneider, Rn. 227. 418 HdR, Rn. 314, 882. 419 Siehe z. B. den amtlichen Hinweis zur Neubekanntmachung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 2. Januar 2002, BGBl. I 2002, 42 (45).

II. Die Anfertigung der Neubekanntmachung

99

Hinweis erfolgen, der insbesondere angibt, welche der eingangs genannten Richtlinien hier ihre konkrete Ausgestaltung im nationalen Recht erfahren.420 Die nochmalige Beachtung des Zitiergebots im Rahmen der Neubekanntmachung soll sicherstellen, dass diese alle für eine sinnvolle Arbeit erforderlichen Angaben enthält, also nicht nur den vollständigen konsolidierten Gesetzestext, sondern auch sämtliche Richtlinienhinweise, um zu verhindern, dass diesbezüglich doch wieder auf die einzelnen Änderungsgesetze zurückgegriffen werden muss. Daneben kann es aber auch vorkommen, dass die Neufassung einen neuen Richtlinienhinweis enthält, nämlich dann, wenn die nationale Rechtsordnung bereits von Anfang an den Richtlinienvorgaben entsprach. Da in diesem Fall kein spezielles Änderungsgesetz zur Umsetzung der Richtlinie erlassen werden musste, fehlt es in der Regel an einem entsprechenden Hinweis, welcher insofern bei der Neubekanntmachung des betreffenden Stammgesetzes nachzuholen ist.421 • Umstellung auf den Euro: Die Neufassung des Unterhaltssicherungsgesetzes vom 20. Februar 2002422 hat im Neufassungstext noch die alten DMBeträge übernommen, jedoch in Fußnoten bereits die dem offiziellen Umrechnungskurs entsprechenden Euro-Beträge angegeben.423 • Aktualisierung von internen Verweisungen: In der Neubekanntmachung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 2. Januar 2002 wurden einige interne Verweisungen auf solche Vorschriften des BGB, die durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001424 eine neue Paragraphennummer erhalten hatten, in kursiv abgedruckt, weil der Gesetzgeber anscheinend vergessen hatte, diese Verweisungen an die neuen Paragraphennummern anzupassen. Die Verweisungen wurden außerdem mit einer Fußnote versehen, die auf die neue Nummer des inhaltlich dem ursprünglichen Verweisungsziel entsprechenden Paragraphen hinweist.425

420 Siehe z. B. die zusätzlichen Umsetzungshinweise zu §§ 13, 14, 241a, 247, 275, 286, 288, 323, 326, 651 (u. a.) sowie zu Buch 2 Abschnitt 2 oder Abschnitt 8 Titel 1, 2, 3 und 8 (u. a.) des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Fassung der Neubekanntmachung vom 2. Januar 2002, BGBl. I 2002, 42. 421 Siehe HdR, Rn. 883. 422 BGBl. I 2002, 972. 423 Der Gesetzgeber kann die Exekutive aber ausdrücklich dazu ermächtigen, die Währungsanpassung unmittelbar in dem Neufassungstext vorzunehmen, siehe unten S. 206. 424 BGBl. I 2001, 3138.

100

E. Das Neubekanntmachungsverfahren

III. Die Bekanntmachung im Bundesgesetzblatt Nachdem das zuständige Fachministerium die Neubekanntmachung nach den soeben beschriebenen Kriterien angefertigt hat, wird das Dokument an das Bundesamt für Justiz übermittelt, welches den Text an die genauen Formatvorgaben des Bundesgesetzblattes anpasst. Dabei wird ein Abdruck auf Büttenpapier angefertigt, welcher an das Ministerium zurückgeschickt wird. Sobald dieses Dokument vom zuständigen Bundesminister oder seinem Vertreter an der oben genannten Stelle unterzeichnet wurde,426 übersendet das Bundesamt für Justiz die endgültige Druckvorlage an die Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft, die umgehend den Abdruck im Bundesgesetzblatt veranlasst. Erst mit der Ausgabe des Bundesgesetzblattes gilt die Neufassung den Bürgern gegenüber als bekannt gemacht (sog. Veröffentlichungsdatum). Ebenso wie bei der Verkündung von förmlichen Gesetzen liegt das Veröffentlichungsdatum damit in der Regel einige Tage nach dem Datum der Neubekanntmachung (Unterzeichnung durch den zuständigen Minister). Als Anhaltspunkt dient hier ebenfalls die Datumsangabe in der Kopfzeile des Bundesgesetzblattes.427 Das Veröffentlichungsdatum ist von dem Neufassungsstichtag zu unterscheiden, ähnlich wie bei formellen Gesetzen zwischen dem Verkündungsdatum und dem Datum des Inkrafttretens differenziert wird.428 Mit dem Tage der Veröffentlichung ist die Neubekanntmachung existent. Inhaltlich bezieht sie sich dagegen ausschließlich auf den Neufassungsstichtag, wobei dieser sowohl zeitlich vor als auch nach dem Veröffentlichungsdatum liegen kann. Bei einer Veröffentlichung vor dem Neufassungsstichtag ist allerdings besondere Vorsicht geboten, denn in diesem Fall besteht die Gefahr, dass in der Zwischenzeit noch weitere (unvorhergesehene) Gesetzesänderungen ergehen, die dann nicht mehr in die Neubekanntmachung eingearbeitet werden können, mit der Folge, dass der Neufassungstext zum maßgeblichen Stichtag nicht mit der tatsächlichen Gesetzeslage übereinstimmt, was einen schweren Bekanntmachungsfehler darstellen würde.429 Beispiel: Als Negativbeispiel kann in diesem Zusammenhang die Neubekanntmachung des Baugesetzbuchs vom 27. August 1997 genannt werden.430 Obwohl 425 Siehe z. B. die Hinweise zu §§ 628 Abs. 1, 651a Abs. 5 oder 1099 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Fassung der Neubekanntmachung vom 2. Januar 2002, BGBl. I 2002, 42; nicht erkannt und entsprechend vermerkt wurde allerdings der fehlerhafte Verweis in § 925a. 426 Siehe oben S. 87. 427 Siehe oben S. 25. 428 Siehe dazu oben S. 26. 429 Das HdR sieht in einem solchen Fall deshalb zwingend eine Berichtigung der Neufassung vor, siehe Rn. 894.

III. Die Bekanntmachung im Bundesgesetzblatt

101

der Neufassungsstichtag erst am 1. Januar 1998 eintrat, wurde die Neufassung bereits in der Ausgabe des Bundesgesetzblattes vom 3. September 1997 veröffentlicht. Durch diese Vorverlegung wurde zwar erreicht, dass die Neubekanntmachung bereits in der zweiten auf die Verkündung der Bekanntmachungserlaubnis folgenden Ausgabe des Bundesgesetzblattes zu finden war, dafür lag aber zwischen dem Veröffentlichungsdatum und dem Neufassungsstichtag fast ein halbes Jahr, in dem noch zwei weitere Änderungsgesetze zum Baugesetzbuch verkündet wurden und auch in Kraft getreten sind.431 Um den Neufassungstext anschließend wieder auf Stand zu bringen, wurde am 16. Januar 1998 eine Berichtigung im Bundesgesetzblatt veröffentlicht,432 die allerdings nicht noch einmal den gesamten Gesetzestext oder zumindest Auszüge daraus in nunmehr aktueller Fassung enthielt, sondern lediglich zahlreiche Änderungsbefehle in Bezug auf den veralteten Neufassungstext vom 27. August 1997. Das hat im Ergebnis dazu geführt, dass eine zum Stichtag 1. Januar 1998 vollständig konsolidierte Gesetzesfassung des Baugesetzbuchs – so wie eigentlich in der Bekanntmachungserlaubnis vorgesehen – dem Bundesgesetzblatt nicht zu entnehmen war.433

In der Regel erfolgt die Bekanntmachung der Neufassung deshalb entweder genau an dem Stichtag oder zeitlich danach.434 Allerdings sollte die Exekutive damit auch nicht zu lange warten, denn je weiter der Stichtag und die tatsächliche Bekanntmachung auseinander liegen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass inzwischen wieder neue Gesetzesänderungen beschlossen worden oder sogar schon in Kraft getreten sind, die bereits außerhalb des zeitlichen Ermächtigungsrahmens der Bekanntmachungserlaubnis liegen und von daher nicht mehr in den Neufassungstext aufgenommen werden dürfen. In diesem Fall besteht also die Gefahr, dass eine „historische“ Gesetzesfassung im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wird, was letzten Endes mehr Verwirrung als Klarheit stiften dürfte.435 Aus diesem 430

BGBl. I 1997, 2141. Art. 4 des Gesetzes über die Errichtung eines Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung sowie zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften vom 15. Dezember 1997 (BGBl. I 1997, 2902 [2903 f.]; in Kraft getreten am 1. Januar 1998) und Art. 2 Abs. 6 des Begleitgesetzes zum Telekommunikationsgesetz vom 17. Dezember 1997 (BGBl. I 1997, 3108 [3113]; in Kraft getreten am 24. Dezember 1997). 432 Siehe BGBl. I 1998, 137. 433 Nach dem HdR, Rn. 894, soll eine Berichtigung in diesem Fall zwar grundsätzlich ausreichen, diese muss sich aber nicht auf den Abdruck von einzelnen Korrekturanweisungen beschränken, sondern kann auch – je nach Umfang der Berichtigung – der Übersichtlichkeit halber einzelne Abschnitte oder sogar den gesamten Gesetzestext neu fassen; siehe dazu auch unten S. 103 f. 434 So auch die Bekanntmachung der Neufassung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 2. Januar 2002 (BGBl. I 2002, 42), die damit unmittelbar nach dem Neufassungsstichtag (1. Januar 2002) veröffentlicht worden ist. 435 So auch Konzelmann, Rechtsbereinigung, S. 59, der als Negativbeispiel die Neubekanntmachungen des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes vom 8. Juli 1993 (BGBl. I 1993, 1169) und des Fleischhygienegesetzes vom 8. Juli 1993 431

102

E. Das Neubekanntmachungsverfahren

Grunde rät das Handbuch der Rechtsförmlichkeit, die Neubekanntmachung in einer solchen Situation ganz zu unterlassen und bei späterer Gelegenheit nachzuholen.436 Eine Alternative bestünde meines Erachtens darin, den Gesetzestext trotzdem in der Fassung des Stichtags bekannt zu machen und die nachträglich beschlossenen Änderungen durch Fußnoten mit dem neuen Wortlaut und dem Datum des Inkrafttretens kenntlich zu machen,437 um auf diese Weise die praktische Brauchbarkeit der Neubekanntmachung zu erhalten, ohne die Grenzen der Bekanntmachungserlaubnis zu überschreiten.438 Diese Alternative kommt natürlich nur dann in Betracht, wenn die nachträglichen Änderungen nicht so umfassend sind, dass ihre informatorische Einbindung die Neufassung wiederum zu unübersichtlich gestalten würde. Die verschiedenen für die Neubekanntmachung relevanten Daten lassen sich abschließend anhand des Beispiels der Neubekanntmachung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 2. Januar 2002 wie folgt zusammenfassen: • Neufassungsstichtag: 1. Januar 2002439 • Datum der Neubekanntmachung: 2. Januar 2002440 • Veröffentlichungsdatum: 8. Januar 2002.441 (BGBl. I 1993, 1189) anführt, welche zwar korrekterweise die zum 1. Januar 1993 geltenden Gesetzesfassungen wiedergaben, dabei jedoch mit keinem Wort auf das bereits in der BGBl.-Ausgabe vom 30. April 1993, also noch vor der Bekanntmachung der Neufassungen verkündete EWR-Ausführungsgesetz vom 27. April 1993 (BGBl. I 1993, 512) hingewiesen haben, obwohl dessen Art. 18 und 81 die beiden neu bekannt zu machenden Gesetze mit Wirkung zum 1. Januar 1994 schon wieder ändern sollten. Berücksichtigung in der Neubekanntmachung des Fleischhygienegesetzes in Form von Fußnotenhinweisen fanden dagegen die erst zum 1. Januar 1996 eintretenden Änderungen durch Art. 4 des Gesetzes zur Änderung veterinärrechtlicher, lebensmittelrechtlicher und tierzuchtrechtlicher Vorschriften vom 18. Dezember 1992 (BGBl. I 1992, 2022 [2033 f.]), da dieses Gesetz bereits vor dem Neufassungsstichtag im Bundesgesetzblatt verkündet worden war. 436 Siehe HdR, Rn. 862. 437 So auch Konzelmann, Rechtsbereinigung, S. 59, der jedoch anstatt der Verwendung von Fußnoten vorschlägt, den zukünftigen Gesetzestext gleich mit einzuarbeiten und in kursiv zu setzen, was aber m. E. problematisch ist, da dann der aktuelle Wortlaut nicht mehr zu erkennen wäre. 438 Das HdR, Rn. 887, sieht diese Möglichkeit hingegen nur für solche Gesetzesänderungen vor, die bereits „vor dem für die Neufassung maßgeblichen Stichtag“ verkündet worden sind, nicht dagegen für zwischen dem Stichtag und dem Datum der Neubekanntmachung verkündete und gegebenenfalls sogar schon in Kraft getretene Gesetzesänderungen. 439 Ergibt sich aus der Bekanntmachungserlaubnis; siehe Art. 8 des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001, BGBl. I 2001, 3138 (3187). 440 Ergibt sich aus dem Datum der Unterzeichnung des Bekanntmachungstextes.

IV. Die Berichtigung der Neubekanntmachung

103

IV. Die Berichtigung der Neubekanntmachung Auch die Neubekanntmachung ist – wie im Grunde jedes menschliche Werk – nicht immer frei von Fehlern. Diese können sich entweder in den Bekanntmachungstext, insbesondere bei der Auflistung der Änderungsgesetze, eingeschlichen haben oder – und dies ist in der Praxis häufiger der Fall – in dem Neufassungstext auftauchen. Denkbar sind in diesem Zusammenhang zwei Fehlerquellen: Zum einen kann der Fehler schon bei der Redaktion des Bekanntmachungs- oder Neufassungstextes, vor allem bei der komplizierten Gesetzeskonsolidierung, entstanden sein, so dass bereits die Druckvorlage fehlerhaft war und gegebenenfalls mit der tatsächlichen Rechtslage zum Neufassungsstichtag nicht übereinstimmte.442 Zum andern kann der Fehler aber auch erst während des Druckvorgangs aufgetreten sein, so dass lediglich der Abdruck im Bundesgesetzblatt falsch ist. In beiden Fällen soll die Exekutive die Fehler selbständig korrigieren, indem sie die Schriftleitung des Bundesgesetzblattes mit dem Abdruck einer Berichtigung beauftragt.443 Darin können sämtliche Fehler sowohl des Bekanntmachungs- als auch des Neufassungstextes mit Hilfe von Korrekturanweisungen, die inhaltlich den bereits bekannten Änderungsbefehlen entsprechen, behoben werden.444 Dabei muss die Exekutive jedoch berücksichtigen, dass die Berichtigung im Zusammenspiel mit der 441 Ergibt sich grundsätzlich aus dem Ausgabedatum in der Kopfzeile des Bundesgesetzblattes. 442 Hierzu zählen insbesondere auch die Fälle, in denen die Neubekanntmachung bereits vor dem Neufassungsstichtag veröffentlicht wurde, obwohl anschließend noch weitere Gesetzesänderungen in Kraft getreten sind; siehe HdR, Rn. 894, und oben auf S. 100. 443 HdR, Rn. 892. Die Einhaltung des Berichtigungsverfahrens von förmlichen Gesetzen nach § 61 GGO, wonach teilweise das Bundespräsidialamt und das Bundeskanzleramt sowie gegebenenfalls auch noch die Präsidenten des Deutschen Bundestages und des Bundesrates ihr vorheriges Einvernehmen erteilen müssen, ist aufgrund der Besonderheiten des Neubekanntmachungsverfahrens, an dem die oben genannten Organe – im Unterschied zum förmlichen Gesetzgebungsverfahren – ja überhaupt nicht beteiligt sind, nicht erforderlich; vgl. HdR, Rn. 893. 444 Siehe z. B. die beiden Berichtigungen zur Neubekanntmachung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 18. Juli 2002 (BGBl. I 2002, 2909) und vom 22. Mai 2003 (BGBl. I 2003, 738), die zudem sauber zwischen der Berichtigung 1.) des Bekanntmachungstextes, 2.) des Neufassungstextes und 3.) der amtlichen Hinweise im Neufassungstext unterscheiden; ebenso die Berichtigung der Bekanntmachung der Neufassung des Pflanzenschutzgesetzes vom 16. Juni 1998 (BGBl. I 1998, 1527), die unter Nr. 1 die „Bekanntmachung“ (also den Bekanntmachungstext) und unter Nr. 2 den „Wortlaut des Gesetzes“ (also den Neufassungstext) korrigiert; ähnlich auch die Berichtigung der Bekanntmachung der Neufassung des Zivildienstgesetzes vom 2. August 2005 (BGBl. I 2005, 2301), wo zwischen der „Eingangsformel“ (Nr. 1) und der übrigen Neubekanntmachung (Nr. 2) unterschieden wird.

104

E. Das Neubekanntmachungsverfahren

Neubekanntmachung nicht nur eine richtige Gesetzesfassung erzeugt, sondern insgesamt für die Bürger auch noch nachvollziehbar bleibt. Zu vermeiden sind daher sehr umfangreiche Berichtigungen mittels zahlreicher Korrekturanweisungen sowie mehrfache Berichtigungen über einen längeren Zeitraum, da sich ansonsten zu keiner Zeit dem Bundesgesetzblatt eine richtige und zugleich verständliche Gesetzesfassung entnehmen ließe, die Rechtsanwender also weiterhin nur unter erheblichen Mühen an den geltenden Gesetzestext gelangen könnten.445 Damit wäre aber gerade der Zweck der Neubekanntmachung vereitelt. Deshalb ist es vor allem bei größeren Korrekturmaßnahmen ratsam, nicht nur mit einzelnen Korrekturanweisungen zu arbeiten, sondern erforderlichenfalls ganze Abschnitte des Neufassungstextes noch einmal in konsolidierter Form zu veröffentlichen.446 Da die Neubekanntmachung mit den Berichtigungen eine feste Einheit bildet, ist bei einem späteren Verweis auf die Neufassung darauf zu achten, immer auch die Fundstellen der Berichtigungen mit anzugeben, weil diese ansonsten leicht übersehen werden könnten.447

445 Als Negativbeispiel sei auf die Berichtigung der Neubekanntmachung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch vom 21. Februar 2006 (BGBl. I 2006, 466) hingewiesen, die immerhin zehn Korrekturanweisungen enthält, die der Rechtsanwender alle umsetzen muss, um eine vollständige und korrekte Gesetzesfassung zu erhalten. 446 Siehe z. B. die Berichtigung der Neubekanntmachung des Einkommensteuergesetzes vom 10. Februar 2003 (BGBl. I 2003, 179), die den ganzen § 10 Abs. 1 Nr. 2 b) EStG noch einmal in konsolidierter Fassung wiedergibt. 447 Siehe HdR, Rn. 187.

F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung Vor dem Hintergrund des soeben beschriebenen Neubekanntmachungsverfahrens soll in diesem Kapitel der Frage nachgegangen werden, welche Rechtsnatur der Neubekanntmachung zuzuschreiben ist und welche Funktion sie dementsprechend im Zusammenhang mit der Gesetzgebung erfüllt. Mangels einer expliziten Regelung im Grundgesetz oder in einem nachrangigen Bundesgesetz hat diese Frage bereits Anlass zu mehreren höchstrichterlichen Entscheidungen gegeben, die im Folgenden kurz dargestellt werden sollen (I.). Im Anschluss daran wird der aktuelle Meinungsstand in der Literatur wiedergegeben (II.), der überwiegend der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts entspricht, aber auch differenzierende Stimmen enthält. Diese, aber auch der tatsächliche Umgang mit der Neubekanntmachung in der Praxis sollen schließlich zum Anlass genommen werden, die verschiedenen Positionen noch einmal genauer zu untersuchen (III.).

I. Die Position der Rechtsprechung 1. Bundesverfassungsgericht Das Bundesverfassungsgericht hatte sich in den 60er Jahren gleich mehrmals mit der Neubekanntmachung von Gesetzen und ihren rechtlichen Folgen zu beschäftigen. Dabei hat es von Anfang an eine recht eindeutige Position eingenommen, indem es die Neubekanntmachung nicht als konstitutiven gesetzgeberischen Akt, sondern lediglich als eine „deklaratorische Klarstellung des Gesetzestextes“ angesehen hat.448 Wie es zu dieser Einschätzung kam und welche Rechtsfolgen es daraus abgeleitet hat, soll im Folgenden anhand der einzelnen Entscheidungen erläutert werden. a) BVerfGE 14, 245 („Neubekanntmachung Straßenverkehrsgesetz I“) In diesem Senatsbeschluss aus dem Jahr 1962 ging es um die Verfassungsmäßigkeit von § 21 Straßenverkehrsgesetz in der Fassung der Neube448

BVerfGE 14, 245 (250).

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F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung

kanntmachung vom 19. Dezember 1952.449 Dieser Paragraph war zuvor durch Art. 1 Nr. 3 des zum selben Datum ausgefertigten und in der gleichen Ausgabe des Bundesgesetzblattes vom 23. Dezember 1952 verkündeten Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs geändert worden.450 Gem. Art. 9 sollte das Änderungsgesetz einen Monat nach seiner Verkündung in Kraft treten, also am 23. Januar 1953. Zugleich enthielt es in seinem Art. 8 folgende „Ermächtigung“: „Der Bundesminister für Verkehr wird ermächtigt, den Wortlaut des Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen mit neuem Datum und unter der Überschrift „Straßenverkehrsgesetz“ bekanntzumachen und dabei Unstimmigkeiten des Wortlauts zu beseitigen.“451

Der zuständige Bundesminister hat von dieser Bekanntmachungserlaubnis bereits vor ihrem Inkrafttreten Gebrauch gemacht und am 19. Dezember 1952 den Wortlaut des ursprünglichen „Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen“ unter der neuen Überschrift „Straßenverkehrsgesetz“ im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht. Dabei hat er jedoch in der Bekanntmachungsformel ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich um eine „vom Tage des Inkrafttretens des Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs ab geltende[n] Fassung“ handelt.452 Trotzdem hat das Amtsgericht Krefeld knapp zehn Jahre später dem Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle die Frage vorgelegt, ob das Straßenverkehrsgesetz – insbesondere dessen entscheidungserheblicher § 21 – in der Fassung der Neubekanntmachung vom 19. Dezember 1952 mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Dabei ging es davon aus, dass das Straßenverkehrsgesetz aufgrund der vorzeitigen Neubekanntmachung „nicht ordnungsgemäß in Kraft gesetzt worden sei“, ihm sozusagen die „gesetzliche Grundlage“ fehle.453 Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts teilte diese Bedenken nicht und nahm die Frage zum Anlass, sich erstmals zur Rechtsnatur einer Neubekanntmachung zu äußern: „§ 21 StVG war ursprünglich Teil des Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 3. Mai 1909. Sein Wortlaut ist durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs vom 19. Dezember 1952 geändert worden. Die geänderte Fassung ist nach Art. 9 dieses Gesetzes einen Monat nach seiner Verkündung in Kraft getreten. Demgegenüber ist es gleichgültig, wann der Bundesminister für Verkehr den Wortlaut des „Straßenverkehrsgesetzes“ bekanntgemacht hat. Im Gegensatz zur neuen Verabschiedung des ganzen Inhalts eines schon bisher 449 450 451 452 453

BGBl. I 1952, 837. BGBl. I 1952, 832. BGBl. I 1952, 832 (836). BGBl. I 1952, 837. Siehe BVerfGE 14, 245 (247).

I. Die Position der Rechtsprechung

107

geltenden und nur zum Teil geänderten Gesetzes durch die gesetzgebenden Körperschaften selbst und zur Verkündung des derart neu gesetzten Rechts [. . .] ist die Bekanntmachung und die Beseitigung von Unstimmigkeiten des Wortlauts eines Gesetzes durch einen Bundesminister kein konstitutiver gesetzgeberischer Akt. Sie dient nur der deklaratorischen Klarstellung des Gesetzestextes. Die vom vorlegenden Gericht gegen die Verfassungsmäßigkeit der Neufassung des in „Straßenverkehrsgesetz“ umbenannten Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen erhobenen Bedenken sind daher nicht begründet.“454

Diese relativ knappe Begründung lässt allerdings noch einige Fragen offen. Insbesondere bleibt unklar, warum der Gesetzgeber eine ausdrückliche Bekanntmachungserlaubnis erteilt, wenn es anschließend völlig „gleichgültig“ sein soll, wann die Exekutive von dieser Ermächtigung Gebrauch macht, eventuell sogar schon vor ihrem Inkrafttreten. Benötigt sie überhaupt eine gesonderte Ermächtigung zur bloßen „deklaratorischen Klarstellung des Gesetzestextes“? Außerdem fehlt eine logische Erklärung dafür, wie die Exekutive mittels einer rein deklaratorischen Handlung dem Gesetz eine neue amtliche Überschrift geben konnte. Spricht dies nicht doch für eine – wenn auch nur beschränkte – legislative Bedeutung der Neubekanntmachung? b) BVerfGE 17, 364 („Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung“) In dieser Senatsentscheidung aus dem Jahr 1964 ging es um die Verfassungsmäßigkeit der Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung vom 23. Dezember 1955.455 Diese ist durch die Verordnung zur Änderung der Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung vom 5. August 1959456 in einigen Bereichen geändert und ergänzt und am selben Tag neu bekannt gemacht worden.457 Die Kläger fühlten sich durch die Durchführungsverordnung in ihren Grundrechten verletzt und erhoben deshalb am 5. August 1960 Verfassungsbeschwerde, die sich sowohl gegen die Urfassung der Durchführungsverordnung als auch gegen bestimmte Änderungsvorschriften richtete. Die einjährige Beschwerdefrist des § 93 Abs. 3 BVerfGG sahen sie als gewahrt, weil der Verordnungsgeber bei Erlass der Änderungsverordnung vom 5. August 1959 auch die unveränderten Bestimmungen der Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung neu in seinen Willen aufgenommen habe.458 454 455 456 457 458

BVerfGE 14, 245 (250 f.). BGBl. I 1955, 853. BGBl. I 1959, 622. BGBl. I 1959, 625. Siehe BVerfGE 17, 364 (367).

108

F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts erteilte dieser Argumentation eine deutliche Absage. Zuvor beschäftigte er sich aber noch mit der Frage, ob die angegriffenen Vorschriften der Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung nicht eventuell durch die Neubekanntmachung vom 5. August 1959 noch einmal in den Willen des Verordnungsgebers aufgenommen worden seien, mit der Folge, dass die Beschwerdefrist von neuem zu laufen begonnen hätte. Im Ergebnis verneinte er jedoch diese Überlegung mit der deklaratorischen Rechtsnatur der Neubekanntmachung und schloss sich damit der Rechtsprechung des Zweiten Senats an: „Soweit die Verfassungsbeschwerde unmittelbar die durch die Verordnungen gegebene Regelung bekämpft, richtet sie sich dem Wortlaut ihres Antrags nach gegen die Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung in der Fassung vom 5. August 1959 [. . .]. Diese ist jedoch als Bekanntmachung des Bundesministers der Finanzen kein Akt der Rechtsetzung, sondern stellt rein deklaratorisch den nunmehrigen Wortlaut in übersichtlicher Form und ohne inhaltliche Änderung klar; daher kann sie nicht selbständig mit der Verfassungsbeschwerde angefochten werden.“459

Diese Feststellung dürfte erst recht für die Neubekanntmachung von Gesetzen gelten. c) BVerfGE 18, 389 („Neubekanntmachung Straßenverkehrsgesetz II“) In dieser Entscheidung aus dem Jahr 1965 hatte sich der Zweite Senat erneut mit der Neubekanntmachung des Straßenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 1952 zu beschäftigen.460 Wiederum hielt ein Gericht eine Vorschrift aus dem Straßenverkehrsgesetz für verfassungswidrig, „weil der Bundesminister für Verkehr von der ihm im Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs erteilten Ermächtigung zur Bekanntmachung des Straßenverkehrsgesetzes schon vor Verkündung und Inkrafttreten des ermächtigenden Gesetzes Gebrauch gemacht habe“.461 Das Bundesverfassungsgericht wies die Vorlage als unzulässig zurück und stellte bei der Gelegenheit noch einmal klar, dass es sich bei der Neubekanntmachung nicht um die Verkündung eines neuen Gesetzes handelt: „Das Kraftfahrzeuggesetz in der Fassung des Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs und das Straßenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1952 sind identisch. Die vom vorlegenden Gericht für vorzeitig und daher für verfassungswidrig gehaltene Bekanntmachung des Gesetzes durch den Bundesminister für Verkehr berührt weder seine Identität, noch seinen normativen Inhalt, noch seine Gültigkeit.“462 459 460 461

BVerfGE 17, 364 (368 f.). Siehe bereits oben S. 105. BVerfGE 18, 389.

I. Die Position der Rechtsprechung

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Darüber hinaus äußerte sich der Senat erstmals etwas näher zur Bekanntmachungserlaubnis: „Ein förmliches Gesetz kann nur von den im Grundgesetz bezeichneten Gesetzgebungsorganen und nur in dem dort geregelten förmlichen Gesetzgebungsverfahren, niemals aber von einem Bundesminister auf Grund einer gesetzlichen Ermächtigung erlassen werden. Die einem Bundesminister zur Bekanntmachung eines geänderten Gesetzes erteilte Ermächtigung begründet daher keinerlei Rechtsetzungsbefugnis; ihre Ausübung läßt die Rechtslage unberührt. Der mit einer solchen Ermächtigung verbundene Auftrag des Gesetzgebers, das geänderte Gesetz unter neuer Überschrift, unter neuem Datum und unter Beseitigung von Unstimmigkeiten seines Wortlauts bekanntzumachen, ist daher nur zulässig, weil und soweit eine solche im Interesse der Rechtssicherheit gebotene deklaratorische Klarstellung des Gesetzestextes den rechtlich erheblichen Inhalt des Gesetzes und mit ihm seine Identität nicht berührt. Die einem Bundesminister erteilte Bekanntmachungsermächtigung hat danach nur den Sinn und Zweck, die deklaratorische Feststellung eines authentischen und einwandfreien Textes des geänderten Gesetzes zu veranlassen. Auf das geltende Recht ist sie ohne Einfluß.“463

Demnach begründet die Bekanntmachungserlaubnis also keine Rechtsetzungsbefugnis und ist insofern streng von der Verordnungsermächtigung nach Art. 80 GG zu trennen. Die Frage, ob und warum sie dann überhaupt noch erteilt werden muss, ließ der Senat abermals offen. d) BVerfGE 22, 1 („Neubekanntmachung Arbeitszeitordnung“) In dieser Entscheidung aus dem Jahr 1967 befasste sich das Bundesverfassungsgericht mit einer vorkonstitutionellen Neubekanntmachung, nämlich mit der „Verordnung über die neue Fassung der Arbeitszeitordnung und über andere arbeitszeitrechtliche Vorschriften“ vom 30. April 1938.464 Die Beschwerdeführer sind nach § 25 Abs. 1 der Arbeitszeitordnung zu einer Geldstrafe verurteilt worden und haben daraufhin vor dem Bundesverfassungsgericht gerügt, dass die Neufassung der Arbeitzeitordnung damals vor dem Inkrafttreten der Bekanntmachungserlaubnis aus § 30 Abs. 10 des Gesetzes über Kinderarbeit und über die Arbeitszeit der Jugendlichen (Jugendschutzgesetz) vom 30. April 1938465 im Reichsgesetzblatt veröffentlicht worden war und deshalb unwirksam sei. Der Zweite Senat hat die Verfas462

BVerfGE 18, 389 (390 f.). BVerfGE 18, 389 (391). 464 RGBl. I 1938, 446. Bei der „Arbeitszeitordnung“ handelt es sich im Übrigen nicht um eine Rechtsverordnung i. S. v. Art. 80 GG, sondern um ein förmliches Gesetz; siehe BVerfGE 22, 1 (9 ff.). 465 RGBl. I 1938, 437 (445). 463

110

F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung

sungsbeschwerde mit den aus den vorgenannten Urteilen bereits bekannten Argumenten als unbegründet abgewiesen: „Die dem Reichsarbeitsminister in § 30 Abs. 10 JSchG erteilte Ermächtigung, die Arbeitszeitordnung in neuer Fassung bekanntzumachen und hierbei Unstimmigkeiten zu beseitigen, begründete keine Rechtsetzungsbefugnis. Sie ermächtigte lediglich zu einer deklaratorischen Klarstellung des Textes, die den rechtlich erheblichen Inhalt der Verordnung und ihre Identität nicht berührte. Die Bekanntmachung der bereinigten Fassung der Verordnung war kein konstitutiver rechtsetzender Akt (vgl. BVerfGE 14, 245 (250); 18, 389 (391)). Die Tatsache, daß die Neufassung der Arbeitszeitordnung vom Reichsarbeitsminister am gleichen Tag (2. Mai 1938) wie das Jugendschutzgesetz verkündet worden ist, steht der Gültigkeit der Arbeitszeitordnung nicht entgegen (vgl. BVerfGE 14, 245 (250)).“466

e) BVerfGE 23, 276 („Umsatzsteuergesetz-Bekanntmachungserlaubnis“) Diese Entscheidung aus dem Jahr 1968 beruht auf der Vorlage eines Oberlandesgerichts im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle. Das Bundesverfassungsgericht sollte u. a. die Verfassungsmäßigkeit von § 18 Abs. 2 Nr. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in der Fassung von § 1 Nr. 10 des Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes und des Beförderungsteuergesetzes vom 28. Juni 1951467 feststellen. Diese Vorschrift enthielt folgende Bekanntmachungserlaubnis: „Der Bundesminister der Finanzen wird ermächtigt, den Wortlaut des Umsatzsteuergesetzes und der dazu erlassenen Durchführungsbestimmungen in der jeweils geltenden Fassung mit neuem Datum, unter neuer Überschrift und in neuer Paragraphenfolge bekanntzumachen und dabei Unstimmigkeiten des Wortlautes zu beseitigen.“

Von dieser Ermächtigung hatte der Bundesfinanzminister am 1. September 1951 durch die Bekanntmachung der Neufassung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStGDB) Gebrauch gemacht.468 Der frühere § 18 wurde dabei zu § 19 UStGDB umnummeriert und die Worte „Reich“ und „Reichsgesetzblatt“ durch „Bund“ und „Bundesgesetzblatt“ ersetzt sowie der Ausdruck „die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei“ gestrichen. Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts verstößt die oben genannte Bekanntmachungserlaubnis gegen Art. 80 Abs. 1 GG und gegen das Rechtsstaatsprinzip.469 466 467 468 469

BVerfGE 22, 1 (14). BGBl. I 1951, 402 (403). BGBl. I 1951, 796. BVerfGE 23, 276 (282 f.).

I. Die Position der Rechtsprechung

111

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts teilte diese Bedenken des vorlegenden Gerichts nicht: „Der mit der Ermächtigung in § 18 Abs. 2 Ziff. 3 UStG 1951 verbundene Auftrag des Gesetzgebers, den Wortlaut der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz in der jeweils geltenden Fassung, mit neuem Datum und in neuer Paragraphenfolge bekanntzumachen und dabei Unstimmigkeiten des Wortlauts zu beseitigen, ließ den rechtlich erheblichen Inhalt der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz unberührt.“470

Das Bundesverfassungsgericht bestätigte damit seine bisherige Haltung, wonach die Bekanntmachungserlaubnis der Exekutive keine Rechtsetzungsbefugnisse einräumt, auch nicht dann, wenn sie – wie hier – zur Beseitigung von Unstimmigkeiten des Wortlauts ermächtigt. Insofern scheint das Bundesverfassungsgericht zwischen einer verfassungsrechtlich unzulässigen Änderung des Norminhalts und einer grundsätzlich zulässigen Anpassung des Normtextes zu unterscheiden: „Wenn der Bundesminister der Finanzen bei der Neubekanntmachung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz gemäß § 18 Abs. 2 Ziff. 3 UStG 1951 in § 18 UStDB 1938 die Worte „Reich“ und „Reichsgesetzblatt“ durch „Bund“ und „Bundesgesetzblatt“ ersetzte und die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei aus dem Kreis der steuerbegünstigten Körperschaften des öffentlichen Rechts strich, so handelte es sich dabei nicht um Rechtsetzung, sondern nur um die Anpassung des Wortlauts an die tatsächlichen und verfassungsrechtlichen Gegebenheiten von 1951.“471

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass sich diese Aussagen unmittelbar nur auf die Neubekanntmachung einer Rechtsverordnung bezogen. Was jedoch für die Rechtsverordnung gilt, muss in dieser Hinsicht erst recht für die Neubekanntmachung formeller Gesetze gelten. f) BVerfGE 42, 263 („Bekanntmachung des Inkrafttretens“) Interessante Hinweise auf die Rechtsnatur der Neubekanntmachung lassen sich auch diesem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1976 entnehmen, in dem es in erster Linie um die Frage ging, inwieweit der Gesetzgeber der Exekutive die Bestimmung des Zeitpunkts des Inkrafttretens eines formellen Gesetzes überlassen darf. Auslöser dieses Streits war § 29 des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder“ vom 17. Dezember 1971,472 der folgendermaßen lautete: 470 471 472

BVerfGE 23, 276 (285 f.). BVerfGE 23, 276 (284). BGBl. I 1971, 2018 (2022).

112

F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung

„Dieses Gesetz tritt in Kraft, sobald sichergestellt ist, daß die in § 4 Abs. 1 Nr. 2 genannten Mittel der Stiftung in vollem Umfang zur Verfügung gestellt werden. Der Bundesminister der Justiz gibt den Tag des Inkrafttretens im Bundesgesetzblatt bekannt.“

Der Erste Senat stellte zunächst klar, dass der Gesetzgeber den Zeitpunkt des Inkrafttretens von Gesetzen nicht aus der gesetzlichen Regelung ausklammern dürfe, um die Entscheidung hierüber einem Dritten zu überlassen.473 Andererseits sei es aber mit Art. 82 Abs. 2 S. 1 GG grundsätzlich zu vereinbaren, wenn der Gesetzgeber das Inkrafttreten von einer Bedingung abhängig macht, ohne ausdrücklich ein Datum zu nennen.474 Dies sei auch im vorliegenden Fall geschehen. Der Text des § 29 lasse keinen Zweifel, dass das Wirksamwerden des Gesetzes allein von der Sicherstellung der Vergleichssumme für die Stiftung und nicht zusätzlich von einem Tätigwerden des Bundesministers der Justiz abhängt. Der Gesetzgeber habe damit letzten Endes selbst bestimmt, unter welchen Voraussetzungen das Gesetz in Kraft tritt. Dem Bundesminister der Justiz sei lediglich aufgegeben, den Zeitpunkt des Inkrafttretens bekannt zu machen,475 vergleichbar mit der Neubekanntmachung von Gesetzen: „Der dem Bundesjustizminister erteilte Auftrag unterscheidet sich nicht grundsätzlich von solchen Regelungen, in denen die Neubekanntmachung und die Beseitigung von Unstimmigkeiten des Wortlauts eines Gesetzes einem Bundesminister übertragen worden sind. Solche Vorschriften dienen ebenfalls der Klarstellung im Interesse der Rechtssicherheit. Sie sind zulässig, wenn der rechtserhebliche Inhalt des Gesetzes unberührt bleibt [BVerfGE 18, 385 (391)].“476

Durch diesen interessanten Vergleich hat der Erste Senat die Parallelen zwischen der vorliegenden Bekanntmachung des Inkrafttretens und der Bekanntmachung der Neufassung eines Gesetzes aufgezeigt. Beide sind nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts deklaratorische Handlungen der Exekutive ohne Auswirkungen auf die tatsächliche Rechtslage. Nur unter dieser Voraussetzung sei eine Übertragung dieser Aufgaben auf die Exekutive unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten überhaupt möglich. g) Weitere Entscheidungen In späteren Entscheidungen hat sich das Bundesverfassungsgericht zwar noch mehrfach zur Neubekanntmachung von Gesetzen geäußert, dabei je473

Siehe dazu auch unten S. 128. Siehe oben S. 26. 475 Die Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder“ ist am 31. Oktober 1972 im Bundesgesetzblatt Teil I, S. 2045 erfolgt. 476 BVerfGE 42, 263 (289). 474

I. Die Position der Rechtsprechung

113

doch immer wieder auf seine frühere Rechtsprechung verwiesen, ohne dass daraus neue Erkenntnisse zu ziehen wären. In den meisten Fällen ging es um die Frage, ob die Neubekanntmachung tauglicher Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG oder einer Normenkontrolle nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 oder Art. 100 Abs. 1 GG sein kann,477 was das Gericht jedes Mal mit der Begründung verneinte, dass die Neubekanntmachung kein konstitutiver Gesetzgebungsakt, sondern lediglich eine deklaratorische Klarstellung des Gesetzestextes sei.478 Ebenso wenig können deshalb vorkonstitutionelle Normen durch eine Neubekanntmachung nachkonstitutionelles Recht werden.479 2. Bundesverwaltungsgericht Auch das Bundesverwaltungsgericht hat sich bereits mit der Rechtsnatur der Neubekanntmachung auseinandergesetzt, allerdings noch nicht in dem Maße wie das Bundesverfassungsgericht. Dennoch soll hier eine Entscheidung etwas genauer untersucht werden, die einige interessante neue Aspekte liefert und dabei sogar ein Stück weit von der bisherigen Linie des Bundesverfassungsgerichts abzurücken scheint. Die Rede ist von einem Urteil des 11. Senats vom 10. Februar 1999 – Az. 11 A 21/98 –,480 in dem es um die Gültigkeit von § 44a der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ging. Dieser Paragraph war Anfang 1977 durch § 97 Nr. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG)481 in die damalige Verwaltungsgerichtsordnung eingefügt worden. Gut zwanzig Jahre später ist § 97 VwVfG durch Art. 1 Nr. 7 des Zweiten Gesetzes zur Ände477

Siehe dazu noch unten S. 247 ff. Siehe z. B. BVerfGE 43, 108 (115 f.): „Diese Neubekanntmachung ist kein Akt der Rechtsetzung, der Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein könnte (BVerfGE 17, 364 [368 f.]). Sie schafft kein neues Recht, sondern stellt rein deklaratorisch den nunmehr geltenden Wortlaut in übersichtlicher Form und ohne inhaltliche Änderung dar.“ 479 Siehe z. B. BVerfGE 64, 217 (221): „§ 124b GewO ist nicht durch formellen Gesetzgebungsakt wiederholt worden. Die Bekanntmachung der Neufassung der Gewerbeordnung vom 1. Januar 1978 durch den Bundesminister für Wirtschaft aufgrund der ihm durch Art. 6 des Gesetzes zur Änderung des Titels IV und anderer Vorschriften der Gewerbeordnung vom 5. Juli 1976 erteilten Ermächtigung enthält, wie das vorlegende Gericht nicht verkennt, keine Neuverkündung des Gesetzes. Eine solche Bekanntmachung durch einen Bundesminister ist kein konstitutiver gesetzgeberischer Akt. Sie dient nur der deklaratorischen Klarstellung des Gesetzestextes. Auf das geltende Recht ist sie ohne Einfluß (vgl. BVerfGE 14, 245 (250); 18, 389 (391)). Sie sagt deshalb nichts über den Willen des Gesetzgebers aus.“ 480 Abgedruckt in NJW 1999, 1729 f. 481 BGBl. I 1976, 1253 (1275). 478

114

F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung

rung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 6. August 1998482 mit Wirkung zum 14. August 1998 gestrichen worden. Die Kläger machten nun geltend, dass durch die Streichung der Änderungsvorschrift zugleich auch der darauf beruhende § 44a VwGO weggefallen sei,483 ihrer Klage mithin nicht mehr entgegenstehen könne. Der Senat argumentierte zunächst anhand der Gesetzesmaterialien, dass eine Aufhebung des § 44a VwGO durch die Streichung des § 97 VwVfG vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt war. Dieses Ergebnis entspricht im Übrigen dem oben vorgestellten „Kern-Hülle-Modell“, wonach sich die Änderungsvorschriften mit ihrem Inkrafttreten automatisch vollziehen und anschließend ohne rechtliche Folgen aufgehoben werden können.484 In der Regel kommt ihnen aber weiterhin eine wichtige Dokumentationsfunktion im Bundesgesetzblatt zu, denn in dem vorliegenden Fall lässt sich z. B. der Wortlaut des § 44a VwGO im Bundesgesetzblatt grundsätzlich nur anhand der Änderungsvorschrift des § 97 Nr. 2 VwVfG ermitteln. Etwas anderes soll jedoch anscheinend gelten, wenn das geänderte Stammgesetz in der Zwischenzeit neu bekannt gemacht wurde. Dazu das Bundesverwaltungsgericht: „Die Vorgehensweise des Gesetzgebers führt zwar dazu, daß aus dem Bestand der geltenden Rechtsnormen die Entstehung der durch den Änderungsbefehl eingefügten Vorschrift – hier § 44a VwGO – nicht mehr nachgewiesen werden kann. Das ist aber – auch in Ansehung der Publikations- und Dokumentationsfunktion des Bundesgesetzblattes und der Grundsätze der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit – jedenfalls dann unschädlich, wenn der Gesetzgeber zwischenzeitlich das Gesetz auf eine neue formelle Grundlage gestellt hat. Das ist hier durch die § 44a VwGO einschließende Neubekanntmachung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686) geschehen. Auch wenn Neubekanntmachungen von Gesetzen durch das Bundesministerium der Justiz erfolgen, sind sie dem Gesetzgeber dennoch zuzurechnen: Sie beruhen auf einer gesetzlichen Ermächtigung (hier: Art. 22 des 4. Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 17. Dezember 1990, BGBl. I S. 2809) und bilden nach ständiger Staatspraxis die maßgebliche Gesetzesfassung, an die der Gesetzgeber bei Änderungsgesetzen selbst anknüpft (. . .).“485

Das Bundesverwaltungsgericht sieht hier in der Neubekanntmachung eine „neue formelle Grundlage“, welche die „maßgebliche Gesetzesfassung“ enthält. Während sich der Wortlaut der Verwaltungsgerichtsordnung vorher 482

BGBl. I 1998, 2022. Zu diesem Ergebnis kommt auch Tiedemann, NJW 1998, 3475 f.; im Grunde genommen ebenfalls Roth, NVwZ 1999, 155 (156 f.), der jedoch anschließend – m. E. wenig überzeugend – versucht, diesen „Irrtum des Gesetzgebers“ durch eine teleologische Reduktion des insofern eindeutigen Art. 1 Nr. 7 des Zweiten Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften zu reparieren. 484 Siehe oben S. 47. 485 BVerwG, NJW 1999, 1729 (1730). 483

I. Die Position der Rechtsprechung

115

aus in zahlreichen Änderungsgesetzen verstreuten Wortfetzen zusammensetzte, erhielt er demnach durch die Neubekanntmachung eine neue formelle Grundlage im amtlichen Gesetzblatt, was ein Aufsuchen der einzelnen Änderungsvorschriften von nun an entbehrlich macht. Die Änderungsgesetze verlieren dadurch ihre verbliebene Dokumentationsfunktion und können damit erst recht beseitigt werden. Folglich scheint das Bundesverwaltungsgericht der Neubekanntmachung insgesamt eine weitergehende rechtliche Bedeutung einzuräumen als das Bundesverfassungsgericht. Es begründet seine Entscheidung damit, dass die ministerielle Neubekanntmachung wegen der gesetzlichen Bekanntmachungserlaubnis „dem Gesetzgeber dennoch zuzurechnen“ sei. Ob es deshalb so weit gehen möchte, der Neubekanntmachung die gleichen rechtlichen Wirkungen zuzuschreiben wie einem formellen Gesetz, darf jedoch sehr bezweifelt werden.486 Inwiefern dies überhaupt zulässig wäre und wo die verfassungsrechtlichen Grenzen der Neubekanntmachung verlaufen, soll in den folgenden Abschnitten noch eingehend untersucht werden. 3. Bundesfinanzhof Soweit sich der Bundesfinanzhof bislang mit der Neubekanntmachung beschäftigt hat, geschah dies meist nur am Rande. Inhaltlich bezog er sich dabei auf die Position des Bundesverfassungsgerichts.487 4. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Bundesverfassungsgericht und ihm folgend die meisten Bundesgerichte in der Neubekanntmachung von Gesetzen keinen „konstitutiven gesetzgeberischen Akt“, sondern lediglich eine „deklaratorische Klarstellung des Gesetzestextes“ sehen. Dennoch können im Rahmen der Neubekanntmachung auch Modifikationen am Gesetzeswortlaut vorgenommen werden. Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet insofern zwischen konstitutiver Rechtsetzung und deklaratorischer Anpassung des Gesetzeswortlauts. Während die Neubekanntmachung unter keinen Umständen Änderungen des Gesetzesinhalts bewirken darf, scheint es eine „Anpassung des Wortlauts an die tatsächlichen und verfas486

Kritisch dazu auch Tiedemann, NJW 1998, 3475 (3476); Roth, NVwZ 1999, 155 (156); Ramcke, DÖV 2000, 69 (70 f.). 487 Siehe z. B. BFHE 135, 348 (349): „Im Gegensatz zur Neuverkündung kann in der Neubekanntmachung allenfalls eine deklaratorische Klarstellung gesehen werden (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – vom 23. Februar 1965, 2 BvL 19/62, BVerfGE 18, 389).“

116

F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung

sungsrechtlichen Gegebenheiten“ hinzunehmen, soweit diese „der Klarstellung im Interesse der Rechtssicherheit“ dient. Wo genau die Grenze zwischen unzulässiger Rechtsetzung und zulässiger Textanpassung verläuft, bleibt damit allerdings ebenso unklar wie die Funktion der Bekanntmachungserlaubnis. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht betont, dass durch die Bekanntmachungserlaubnis „keinerlei Rechtsetzungsbefugnis“ auf die Exekutive übertragen wird, ohne jedoch die Frage zu beantworten, wozu sie dann überhaupt erteilt werden muss. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann diese Fragen ebenfalls nicht vollständig klären, scheint jedoch der Neubekanntmachung von Gesetzen – wie soeben gesehen – insgesamt ein höheres rechtliches Gewicht einzuräumen als das Bundesverfassungsgericht. Zwar ist davon auszugehen, dass auch die Verwaltungsrichter in der Neubekanntmachung keinen Akt der Gesetzgebung sehen, immerhin sprechen sie aber in diesem Zusammenhang von einer „neuen formellen Grundlage“, welche die „maßgebliche Gesetzesfassung“ bildet. Auch rechnen sie die Neubekanntmachung den Gesetzgebungsorganen zu, was dafür spräche, diesem Instrument zumindest eine beschränkte legislative Funktion einzuräumen.

II. Der Meinungsstand in der Literatur Die überwiegenden Stimmen in der Literatur haben sich der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angeschlossen. So wird die Neubekanntmachung in vielen Kommentaren und Handbüchern zum Grundgesetz unter Verweis auf die einschlägigen Verfassungsgerichtsentscheidungen mit nur wenigen Sätzen abgehandelt, die in etwa so lauten: „Eine Neubekanntmachung, d.h. die Veröffentlichung des aktuellen Wortlautes eines (meist seit seiner ersten Verkündung nachhaltig) geänderten Gesetzes, ist (im Gegensatz zum Neuerlass) kein verkündungsbedürftiger gesetzgeberischer Akt, sondern nur eine im Interesse der Rechtssicherheit erfolgende deklaratorische Klarstellung des Gesetzestextes durch den Fachminister aufgrund einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung. Im Falle eines Textwiderspruches ist daher nicht die ministerielle Neubekanntmachung, sondern der von der Legislative beschlossene Gesetzesinhalt maßgeblich.“488 488 Beispiel aus Sachs – Lücke/Nierhaus, Art. 82, Rn. 28; ähnlich Dreier – Bauer, Art. 82, Rn. 20; Hamann/Lenz, Art. 82, Rn. 3; Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 82, Rn. 7; Maunz/Dürig – Maunz, Art. 82, Rn. 7; Schmidt-Bleibtreu/Klein – Sannwald, Art. 82, Rn. 60; Umbach/Clemens – Rubel, Art. 82, Rn. 29; Benda/Maihofer/Vogel – Bülow, § 30, Rn. 52; Stern, Band II, § 37 III 10 f); etwas ausführlicher, wenn auch mit demselben Ergebnis Friauf/Höfling – Guckelberger, Art. 82, Rn. 80; Leibholz/Rinck – Burghart, Art. 82, Rn. 96; v. Mangoldt/Klein/Starck – Brenner, Art. 82, Rn. 34; Seifert/Hömig – Hömig, Art. 82, Rn. 7.

II. Der Meinungsstand in der Literatur

117

Das vom Bundesministerium der Justiz herausgegebene Handbuch der Rechtsförmlichkeit äußert sich ebenfalls in diese Richtung, indem es die Neubekanntmachung als eine „im Interesse der Rechtssicherheit gebotene deklaratorische Feststellung des Gesetzestextes zu einem bestimmten Stichtag“ bezeichnet, die „die Rechtslage unberührt [lässt]“.489 Auch im übrigen juristischen Schrifttum findet man nur sehr wenige Abhandlungen, die sich etwas ausführlicher mit der Neubekanntmachung befassen. Wo dies der Fall ist, kommen die Autoren häufig zu ähnlichen Ergebnissen wie die Verfassungsrichter. Hallier unterscheidet beispielsweise zwei Arten der Neubekanntmachung: die durch den Gesetzgeber und die durch einen Bundesminister. Letztere stelle lediglich eine „von amtlicher Seite vorgenommene redaktionelle Neubearbeitung der weiterhin allein als Gesetz geltenden Novelle in Verbindung mit der Originalfassung dar“.490 Dem schließt sich Wyduckel an, wenn er die ministerielle Neubekanntmachung mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts – wenn auch etwas einschränkend: „im Allgemeinen“ – als „deklaratorische Klarstellung des Gesetzestextes“ bezeichnet.491 Horlacher folgert daraus, dass die Neubekanntmachung „weder neues Recht setzen, noch altes Recht ersetzen“ könne;492 ebenso Schmid, der dem Bundesverfassungsgericht darin zustimmt, dass die Neubekanntmachung „kein legislatorischer Akt“ sei, was sich schon aus der Tatsache ergebe, dass „keine Regelung getroffen wird“.493 Laut Ramsauer erfüllt die Neubekanntmachung demnach nur eine „Verdeutlichungsfunktion“.494 Kuntz spricht insofern von einer „informativen oder deklaratorischen Konsolidierung“.495 Nach Herberger besitzt die Neubekanntmachung sogar „weder konstitutive noch deklaratorische Verbindlichkeit“,496 weshalb er sie lediglich als einen reinen „Prüf- und Kontrolltext“ betrachtet, der bei der Konsolidierung der Gesetzestexte zu „überspringen“ sei.497 Ähnlich äußert sich auch Konzelmann: „Bei einer Konsolidierung von Gesetzestexten, die zu einer authentischen Fassung führen soll, sind sie unbeachtlich. [. . .] Da es aber unter ökonomischen Gesichtspunkten unsinnig anmutet, die Arbeit noch einmal zu machen, welche ein Fach489 HdR, Rn. 698; in der Vorauflage hatte es außerdem noch gelautet (Rn. 716): „Eine derartige Bekanntmachung darf gemäß § 36 Abs. 2 Satz 2 GGO II das Gesetz in seinem Inhalt nicht verändern.“ 490 Hallier, AöR 1960, 391 (416 f.). 491 Wyduckel, S. 596. 492 Horlacher, DÖV 1956, 490 (491). 493 Schmid, BayVBl. 1974, 39. 494 AK – Ramsauer, Art. 82, Rn. 29. 495 Kuntz, JurPC, Web-Dok. 151/2006, Abs. 8. 496 Herberger, jur-pc 1992, 1811. 497 Herberger, jur-pc 1993, 2256 (2258).

118

F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung

ministerium bereits mit großer Akribie durchgeführt hat, ist es sinnvoll und zulässig, ministerielle Neufassungen als Kontrolltext bei einer Rechtsbereinigung heranzuziehen.“498

Müller, der in seinem Handbuch der Gesetzgebungstechnik das Neubekanntmachungsverfahren sehr detailliert beschrieben hat, kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass die Neufassung nicht an der Gesetzeskraft teilnimmt.499 Trotzdem muss er eingestehen, dass der vom Minister bekannt gemachten Neufassung mehr Ansehen zukomme „als der für den Dienstgebrauch von Behörden gedruckten Zusammenstellung oder der privaten Arbeit des Herausgebers einer Textausgabe des Gesetzes“.500 Die gleiche Erkenntnis hat auch Maurer im Bonner Kommentar zum Grundgesetz geäußert: „Gleichwohl ist die Neufassung durch den Minister mehr als nur eine rein redaktionelle Überarbeitung, wie sie auch von Privatpersonen vorgenommen werden kann (. . .); sie wird – aufgrund der Ermächtigung – im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und bildet die nun offizielle Fassung des Gesetzes (. . .).“501

Schroeder spricht deshalb von einer „Zwitterstellung“, die die Neubekanntmachung seiner Meinung nach innehabe: „Die Bekanntmachung der Neufassung eines Gesetzes besitzt staatsrechtlich eine eigenartige Zwitterstellung. Da ein förmliches Gesetz nur von den im Grundgesetz bezeichneten Gesetzgebungsorganen erlassen werden kann, zu welchen die Bundesminister nicht gehören, und die Gesetzgebung auch nicht etwa auf andere Organe delegiert werden kann, handelt es sich nicht um einen Akt der materiellen Gesetzgebung. [. . .] Andererseits beruht die Bekanntmachung der Neufassung auf einem ausdrücklichen Auftrag des Gesetzgebers und erfolgt in dem der Verkündung von Gesetzen vorbehaltenen Bundesgesetzblatt.“502

Auch Schneider, der der „Bekanntgabe der Neufassung“ in seinem Lehrund Handbuch zur Gesetzgebung immerhin ein mehrseitiges Kapitel gewidmet hat,503 sieht in der Neubekanntmachung „gewiss kein(en) Akt der Gesetzgebung“, ist aber andererseits davon überzeugt, „dass in der gesetzlichen Ermächtigung zur Herstellung und Bekanntgabe einer Neufassung geltender Gesetzesvorschriften doch etwas mehr stecken muss als eine Erlaubnis zur deklaratorischen Wiederholung dessen, was ohnehin schon gilt“.504 Die Bekanntmachungserlaubnis enthalte vielmehr eine „Habilitation“, welche es der Exekutive ermögliche, „eine Fassung des geltenden Gesetzes zu präsentieren, die künftig als maßgeblich zugrunde gelegt 498 499 500 501 502 503 504

Konzelmann, Rechtsbereinigung, S. 57 und 60. Müller, HdG, S. 273. Müller, HdG, S. 268; zustimmend Schmid, BayVBl. 1974, 39 (40). BK – Maurer, Art. 82, Rn. 114. Schroeder, NJW 1975, 1870. Schneider, Rn. 680–690. Schneider, Rn. 686.

III. Untersuchung mit Lösungsvorschlag

119

wird“.505 Er stützt sich dabei auf eine langjährige Übung, wonach nicht nur die Verwaltungsbehörden und Gerichte, sondern auch alle Änderungsgesetze auf die letzte Neubekanntmachung abstellen: „Indem die gesetzgebenden Körperschaften selbst immer an die Neufassung anknüpfen (. . .), legen sie die Neufassung als den maßgeblichen Text zugrunde und behandeln die Neufassung wie das Gesetz selbst.“506

Burneleit macht daher den interessanten Vorschlag, die Neubekanntmachung als „relativ verbindliche“ Gesetzesfassung zu behandeln: „Offenbar ist [. . .] eine aufgrund gesetzlicher Ermächtigung erfolgte Neufassung und Bekanntmachung eines Gesetzes durch einen Bundesminister im Bundesgesetzblatt ein Vorgang, der einen relativ verbindlichen Text erzeugen soll. Das Maß an Verbindlichkeit ist allerdings nicht absolut. Vielmehr kann eine Widerlegung der gefundenen Formulierung unter Bezugnahme auf die zugrundeliegenden Ausgangsformulierungen erfolgen. Daher ist jeder Rechtsanwender (. . .) gut beraten, den Wortlaut [. . .] bekanntgemachter Neufassungen primär für verbindlich zu erachten.“507

Noch einen Schritt weiter hin zu einer absoluten Verbindlichkeit geht Koehler, der anscheinend keine rechtlichen Unterschiede mehr zwischen einer parlamentarischen Neuverkündung und einer ministeriellen Neubekanntmachung sieht: „Es geht nicht an, der Bekanntmachung durch ein vom Gesetzgeber hierzu beauftragtes Organ geringere rechtliche Wirkung beizumessen als einer durch den Gesetzgeber selbst veranlassten Bekanntmachung.“508

III. Untersuchung mit Lösungsvorschlag Die Darstellung der verschiedenen Meinungen in der Rechtsprechung und Literatur hat gezeigt, dass sich die Frage nach der Rechtsnatur der Neubekanntmachung nicht so einfach beantworten lässt, wie vielleicht auf den ersten Blick zu vermuten gewesen wäre. Darüber hinaus ist die Argumentation in vielen Punkten noch sehr knapp und unvollständig. Daher sollen an dieser Stelle zwei zentrale Fragen genauer untersucht werden: 1. Handelt es sich bei der Neubekanntmachung von Gesetzen möglicherweise um einen konstitutiven Rechtsetzungsakt? 2. Wenn nein, welche rechtliche Bedeutung – wenn überhaupt – hat die Neubekanntmachung dann für die Gesetzeskonsolidierung? 505 506 507 508

Schneider, Rn. 685. Schneider, Rn. 685. Burneleit, jur-pc 1993, 2409 (2410). Koehler, MDR 1953, 193 (194).

120

F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung

1. Die Neubekanntmachung als konstitutiver Rechtsetzungsakt? Die Neubekanntmachung eines Gesetzes bewirkt im Ergebnis die erneute Publikation des vollständigen Gesetzestextes im Bundesgesetzblatt und weist damit äußerlich betrachtet Ähnlichkeiten mit der Neuverkündung eines entsprechenden Gesetzes auf. Insofern liegt zunächst einmal die Vermutung nahe, der ministeriellen Neubekanntmachung die gleiche konstitutive Wirkung zuzuschreiben wie der parlamentarischen Neuverkündung. Die Rechtsprechung und der überwiegende Teil des Schrifttums lehnen dagegen – wie eben gesehen – eine solche Wirkung der Neubekanntmachung in der Regel ohne nähere Begründung ab oder verweisen nur kurz auf den Grundsatz der Gewaltenteilung. Daher lohnt es sich, dieser Frage hier noch einmal etwas gründlicher nachzugehen. a) Die Neubekanntmachung als Gesetzgebung im formellen Sinn? Als erstes soll untersucht werden, ob die Neubekanntmachung eines Gesetzes im formellen Sinn dieses Gesetz neu in Kraft setzt und damit sozusagen selbst als Gesetz im formellen Sinn anzusehen ist. In diesem Fall würden sich die Rechtsfolgen einer Neubekanntmachung denen einer konstitutiven Neufassung (der sog. Neuverkündung) angleichen (siehe Abb. 2). Deshalb soll die Neubekanntmachung zunächst mit der Neuverkündung verglichen und anschließend die Vereinbarkeit einer solchen Annahme mit einigen grundlegenden Verfassungsprinzipien überprüft werden. aa) Vergleich Neubekanntmachung – Neuverkündung Für den Gesetzgeber bestehen grundsätzlich zwei Alternativen, die konsolidierte Fassung eines Stammgesetzes im Bundesgesetzblatt neu zu veröffentlichen. Auf der einen Seite hat er die Möglichkeit, ein sog. Ablösungsgesetz zu beschließen, das den vollständigen Gesetzeswortlaut enthält und – wie der Name schon sagt – mit seinem Inkrafttreten an die Stelle des bisherigen Stammgesetzes tritt. Es handelt sich hierbei um ein neues förmliches Gesetz, das, obwohl es unter Umständen denselben Titel und Inhalt wie sein Vorgänger hat, noch einmal das gesamte ordentliche Gesetzgebungsverfahren durchlaufen hat, inklusive Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler, Ausfertigung durch den Bundespräsidenten und schließlich der Verkündung im Bundesgesetzblatt. Man spricht deshalb auch von einer Neuverkündung bzw. einer konstitutiven Neufassung.509 509

Siehe dazu bereits oben S. 46.

III. Untersuchung mit Lösungsvorschlag 1. Änderungsgesetz

1. Änderungsgesetz

Neuverkündung

Neubekanntmachung

Legislative

Exekutive

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mit Bekanntmachungserlaubnis 2. Änderungsgesetz

2. Änderungsgesetz

1. Änderungsgesetz

1. Änderungsgesetz

Stammgesetz (= Urfassung)

Stammgesetz (= Urfassung)

Abbildung 2: Die Neuverkündung und die Neubekanntmachung als neues Gesetz

Auf der anderen Seite kann der Gesetzgeber aber auch die Exekutive beauftragen, eine konsolidierte Neufassung des Stammgesetzes zu erstellen und anschließend im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen (sog. Neubekanntmachung). Auch diese Methode führt im Ergebnis dazu, dass das gesamte Gesetz noch einmal im Bundesgesetzblatt abgedruckt wird. Die formellen Unterschiede liegen jedoch auf der Hand: Während die Neufassung im ersten Fall vom Parlament selbst beschlossen wird, erteilt es im zweiten Fall lediglich eine Ermächtigung an die Exekutive, die Gesetzeskonsolidierung an seiner Stelle vorzunehmen. Die auf diesem Wege bekannt gemachte Textfassung hat das Parlament also nie passiert, sondern beruht einzig und allein auf einem Konsolidierungsakt der Exekutive. Deshalb wird die Neubekanntmachung auch nicht mit der für Parlamentsgesetze typischen Eingangsformel,510 sondern durch einen speziellen Bekanntmachungstext eingeleitet, der vom zuständigen Bundesminister oder seinem Vertreter unterschrieben wird.511 Der eigentliche Gesetzestext folgt dann ähnlich einer Anlage ohne gesonderte Unterschrift. Demgegenüber wird die Neuverkündung durch die Ausfertigungsformel und die Unterschrift des 510 „Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen: . . .“; zu der Bedeutung und den verschiedenen Variationen der Eingangsformel siehe HdR, Rn. 350 ff. 511 Siehe oben S. 86 ff.

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F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung

Bundespräsidenten abgeschlossen,512 die bei der Neubekanntmachung jeweils fehlen.513 Diese formellen Unterschiede legen den Schluss nahe, dass die Neubekanntmachung nicht die gleiche rechtliche Wirkung haben kann wie die Neuverkündung eines Gesetzes, insbesondere da sie nicht im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren nach Art. 76 ff. GG, sondern ohne Beteiligung der Gesetzgebungsorgane zustande kommt. An dieser Beurteilung kann auch der Umstand nichts ändern, dass der ministerielle Neufassungstext in der Regel nur den Wortlaut der bereits zuvor vom Parlament beschlossenen Änderungsgesetze beinhaltet, denn der Inhalt dieser konsolidierten Textfassung wird durch die Neubekanntmachung – anders als bei der Neuverkündung – nicht noch einmal neu in den Willen des Gesetzgebers aufgenommen. Dagegen ließe sich natürlich anführen, dass der Gesetzgeber mit der Bekanntmachungserlaubnis die Exekutive gerade dazu ermächtigen wolle, den legislativen Willen an seiner Stelle auszuüben, also einen Rechtsetzungsakt im Rang und in der Form eines Parlamentsgesetzes erlassen zu können, ohne dass das dafür vorgesehene Gesetzgebungsverfahren eingehalten werden muss. Gegen diese Argumentation spricht jedoch zunächst einmal die Formulierung der Bekanntmachungserlaubnis, nach der die Exekutive nur den „Wortlaut“ eines Gesetzes „bekannt machen“, nicht jedoch das gesamte Gesetz neu „verkünden“ soll.514 Allerdings darf dieser Begriffswahl auch nicht allzu große Bedeutung beigemessen werden, da die Ausdrücke „Bekanntmachung“ und „Verkündung“ nicht selten synonym verwendet werden.515 Viel entscheidender ist deshalb die Frage, ob das Parlament die exklusive Handlungsform des Gesetzes überhaupt auf diese Weise aus der Hand geben darf, was sich in erster Linie nach den Verfassungsprinzipien der Gewaltenteilung und Demokratie beurteilt.

512

Siehe oben S. 22. Vgl. HdR, Rn. 881. 514 Vgl. Zinn/Stein – Schonebohm, Art. 120, Erl. 7. 515 Siehe z. B. Art. 76 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Bayern in der Fassung der Neubekanntmachung vom 15. Dezember 1998, BayGVBl. 1998, 991 (999), wonach die verfassungsmäßig zustande gekommenen Gesetze vom Ministerpräsidenten ausgefertigt und auf seine Anordnung binnen Wochenfrist im Bayerischen Gesetz- und Verordnungsblatt „bekanntgemacht“ werden; v. Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Art. 20 Abs. 3, Rn. 302, der diese beiden Begriffe ebenfalls gleichzusetzen scheint. 513

III. Untersuchung mit Lösungsvorschlag

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bb) Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung Der Grundsatz der Gewaltenteilung ist ein „tragendes Organisations- und Funktionsprinzip“516 des Grundgesetzes und als solches in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG normativ verankert.517 Seine Hauptfunktion liegt in der gleichmäßigen Verteilung der drei Staatsgewalten Legislative, Exekutive und Judikative auf die verschiedenen Staatsorgane zum Zwecke gegenseitiger „Kontrolle, Hemmung und Mäßigung“.518 Das Gewaltenteilungsprinzip fordert deshalb keine absolute Trennung der Staatsgewalten, sondern sieht vielmehr zahlreiche Überschneidungen vor.519 Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass die im Grundgesetz vorgenommene Verteilung der Gewichte zwischen den drei Staatsgewalten bestehen bleibt, also keine Gewalt ein von der Verfassung nicht vorgesehenes Übergewicht über eine andere Gewalt erhält. Vor allem darf der „Kernbereich“ jeder Gewalt nicht verändert werden, was auch eine freiwillige Preisgabe dieser Kompetenzen ausschließt.520 Inhaltlich ausgestaltet wird das Gewaltenteilungsprinzip weitestgehend durch die speziellen Organisationsnormen des Grundgesetzes.521 Danach fallen die Aufgaben der Gesetzgebung in erster Linie dem Parlament zu.522 Insbesondere kann nur der Bundestag (in Zusammenarbeit mit dem Bundesrat) in dem förmlichen Verfahren nach Art. 76 ff. GG Gesetze beschließen.523 Eine originäre Gesetzgebungsbefugnis der Exekutive in einem vereinfachten Verfahren ist dagegen im Grundgesetz nicht vorgesehen,524 noch nicht einmal in den Vorschriften über den Verteidigungsfall gem. Art. 115a–115l GG.525 516

BVerfGE 34, 52 (59); E 95, 1 (15); Sachs – Sachs, Art. 20, Rn. 81. BVerfGE 95, 1 (15); v. Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Art. 20 Abs. 2, Rn. 197; Jarass/Pieroth – Jarass, Art. 20, Rn. 23; Umbach/Clemens – Roellecke, Art. 20, Rn. 122. 518 BVerfGE 34, 52 (59); vgl. auch Dreier – Schulze-Fielitz, Art. 20 (Rechtsstaat), Rn. 68; v. Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Art. 20 Abs. 2, Rn. 212. 519 BVerfGE 3, 225 (247); E 95, 1 (15); Jarass/Pieroth – Jarass, Art. 20, Rn. 24; Sachs – Sachs, Art. 20, Rn. 85. 520 BVerfGE 34, 52 (59); E 95, 1 (15). 521 Dreier – Schulze-Fielitz, Art. 20 (Rechtsstaat), Rn. 70; Jarass/Pieroth – Jarass, Art. 20, Rn. 23. 522 BVerfGE 34, 52 (59 f.); E 95, 1 (15 f.); Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 77, Rn. 2. 523 Die Einhaltung dieses Verfahrens ist deshalb für den formellen Gesetzesbegriff konstitutiv; siehe oben S. 18 und Schmidt-Bleibtreu/Klein – Sannwald, Art. 76, Rn. 4; Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 76, Rn. 1; Dreier – Stettner, Art. 76, Rn. 8. 524 Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 80, Rn. 1. 525 Im Verteidigungsfall kann jedoch der Gemeinsame Ausschuss gem. Art. 115e GG vorübergehend die Aufgaben von Bundestag und Bundesrat übernehmen. Die 517

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F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung

Eine Durchbrechung dieser Gewaltenteilung ergibt sich allerdings aus Art. 80 GG, welcher der Legislative die Möglichkeit einräumt, Rechtsetzungsbefugnisse auf die Exekutive zu übertragen. Dabei muss die Ermächtigungsvorschrift jedoch zum einen Inhalt, Zweck und Ausmaß der Rechtsetzungsbefugnis bestimmen (Art. 80 Abs. 1 S. 2) und zum andern den Vorrang des Gesetzes wahren.526 Die Exekutive darf deshalb nur zum Erlass von solchen Normen ermächtigt werden, die im Rang unterhalb des Gesetzes stehen und als „Rechtsverordnung“ bezeichnet werden.527 Aus diesen Beschränkungen lässt sich daher im Umkehrschluss folgern, dass eine Ermächtigung der Exekutive zum Erlass von Rechtsakten in der Form und im Rang von Gesetzen nach dem Grundgesetz – angesichts der jüngeren deutschen Geschichte wohl mit Bedacht –528 ausgeschlossen ist, wie sich nicht zuletzt auch dem Rechtsgedanken des Art. 129 Abs. 3 GG entnehmen lässt.529 Dem förmlichen Gesetz kommt insofern nach dem Grundgesetz eine ganz besondere Rolle im Rahmen der Rechtsetzung zu,530 da es ausschließlich vom Parlament erlassen werden darf und allen anderen Rechtsetzungsakten (der Exekutive) vorgeht. Damit kommt es in seiner rechtlichen Bedeutung der besonderen demokratischen Legitimation seines Urhebers nach. Folglich ist es dem Parlament nicht gestattet, diese exklusive Handlungsform gegenüber der Exekutive preiszugeben, da der formelle Gesetzgebungsakt ebenso wie bestimmte sachliche Kompetenzen zum unveräußerlichen Kernbereich legislativer Befugnisse zählen.531 Dementsprechend hat auch das Bundesverfassungsgericht klargestellt: Gesetze des Gemeinsamen Ausschusses treten aber gem. Art. 115k Abs. 2 GG spätestens sechs Monate nach Beendigung des Verteidigungsfalles automatisch außer Kraft. Außerdem können sie die ursprünglichen Gesetze nicht derogieren, sondern lediglich suspendieren. Siehe dazu Jarass/Pieroth – Jarass, Art. 115k, Rn. 1. 526 BK – Nierhaus, Art. 80 Abs. 1, Rn. 176; v. Münch/Kunig – Bryde, Art. 80, Rn. 3; Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 80, Rn. 1. 527 Zu dem Verhältnis der Rechtsverordnung zur Neubekanntmachung siehe unten S. 127 ff. 528 In der Weimarer Republik war es eine gängige Praxis, der Exekutive mittels sog. „Ermächtigungsgesetze“ weitreichende Legislativbefugnisse zu übertragen (siehe Laidig, S. 46 ff.). Dies machten sich schließlich die Nationalsozialisten zunutze, indem sie der Reichsregierung durch das Reichsgesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich vom 30. Januar 1934 (RGBl. I 1934, 141) die Möglichkeit verschafften, Gesetze im formellen Sinn zu erlassen (siehe Dreier – Bauer, Art. 80, Rn. 4), mit den allgemein bekannten Folgen. 529 Rühmann, EuGRZ 2000, 204 (207); siehe zu Art. 129 Abs. 3 GG auch noch unten auf S. 130. 530 Vgl. Maunz/Dürig – Herzog, Art. 20 V., Rn. 56; v. Münch/Kunig – Bryde, Art. 76, Rn. 2. 531 Vgl. Kube, NVwZ 2003, 57 (59); Ossenbühl, DVBl. 1967, 401 (404).

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„Ein förmliches Gesetz kann nur von den im Grundgesetz bezeichneten Gesetzgebungsorganen und nur in dem dort geregelten förmlichen Gesetzgebungsverfahren, niemals aber von einem Bundesminister auf Grund einer gesetzlichen Ermächtigung erlassen werden.“532

Dagegen lässt sich auch nicht einwenden, dass die Letztentscheidungskompetenz nach wie vor beim Parlament verbliebe. Da die Exekutive ihre abgeleiteten Gesetzgebungsbefugnisse ja nur aufgrund einer ausdrücklichen parlamentarischen Ermächtigung ausüben dürfte, könnte die Legislative der Exekutive die Befugnisse jederzeit durch Widerruf der Ermächtigung entziehen. Die inzwischen von der Exekutive erlassenen Gesetze könnten außerdem durch spätere Parlamentsgesetze wieder rückgängig gemacht werden. Gleichwohl hätte die Exekutive aber vorübergehend Legislativkompetenzen ausgeübt, die ihr nach dem Grundgesetz nicht zustehen und auch niemals hätten übertragen werden dürfen. Allenfalls könnte man darüber nachdenken, eine solche Ermächtigungsmöglichkeit de lege ferenda in die Verfassung aufzunehmen.533 Dies bedürfte aber gem. Art. 79 Abs. 1 S. 1 GG einer ausdrücklichen Änderung des Grundgesetzes, was bisher – nicht zuletzt aufgrund der bereits bestehenden und bislang wohl auch ausreichenden Ausnahmeregelung des Art. 80 GG – nicht geschehen ist. cc) Vereinbarkeit mit dem Demokratieprinzip Die Unzulässigkeit einer Ermächtigung der Exekutive zum Erlass von konstitutiven Neufassungen in Gesetzesform lässt sich zusätzlich aus dem Demokratieprinzip herleiten. Dieses verlangt nämlich, dass der Inhalt jedes förmlichen Gesetzes zuvor in den Willen des Parlaments als dem einzigen unmittelbar demokratisch legitimierten Gesetzgebungsorgan aufgenommen worden ist.534 Wie aber oben gesehen, ist das Parlament weder an der Herstellung noch an der Bekanntmachung der ministeriellen Neufassung eines Gesetzes beteiligt. Insofern würde es an einer entsprechenden parlamentarischen Willensbetätigung in Bezug auf das neue Gesetz fehlen, selbst wenn dieses inhaltlich mit der vorherigen Gesetzesfassung übereinstimmen sollte. Insbesondere darf sich das Parlament seiner demokratischen Verantwortung nicht freiwillig entäußern, indem es die Ausübung des legislativen Willens einfach der Exekutive überlässt.535 Auch unter demokratischen Gesichts532 BVerfGE 18, 389 (391); ebenso Schmidt-Bleibtreu/Klein – Sannwald, Art. 82, Rn. 58. 533 Vgl. Ossenbühl, DVBl. 1967, 401 (402); v. Münch/Kunig – Bryde, Art. 80, Rn. 2 a. E. 534 Ossenbühl, DVBl. 1967, 401 (402).

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punkten ist der Neubekanntmachung demzufolge eine konstitutive Wirkung nicht zuzubilligen. dd) Vereinbarkeit mit dem Bundesstaatsprinzip Vergleichbare verfassungsrechtliche Probleme können sich auch im Zusammenhang mit dem Bundesstaatsprinzip ergeben, da die Bundesländer über den Bundesrat ebenso wenig an der Herstellung und Neubekanntmachung der ministeriellen Neufassung beteiligt sind wie der Bundestag. Käme der Neubekanntmachung eines Gesetzes nun eine konstitutive Wirkung zu, so würden die über Art. 76 ff. GG garantierten Mitwirkungsrechte der Bundesländer in Bezug auf das neue Gesetz umgangen. Soweit der Bundesrat jedoch vorher der Bekanntmachungserlaubnis zugestimmt bzw. dagegen keinen Einspruch eingelegt hat, könnte darin eine freiwillige Verzichtserklärung gesehen werden, die im Rahmen des Bundesstaatsprinzips verfassungsrechtlich eher hingenommen werden kann als beim Demokratieprinzip (s. o.).536 b) Die Neubekanntmachung als Gesetzgebung im materiellen Sinn? Die Neubekanntmachung eines formellen Gesetzes ist also selbst – anders als die parlamentarische Neuverkündung – kein neues Gesetz im formellen Sinn. Das schließt aber nicht aus, dass sie trotzdem einen konstitutiven Rechtsetzungsakt darstellt, sprich ein Gesetz im materiellen Sinn. Darunter versteht man jede hoheitliche Anordnung, die für eine unbestimmte Vielzahl von Personen allgemein verbindliche Regelungen enthält, ohne Rücksicht auf den Erzeuger und die Gesetzlichkeit (Positivität).537 Schneider definiert dementsprechend die Gesetzgebung im materiellen Sinn als eine „von einer Autorität vorgenommene allgemein verbindliche Festlegung von Rechtsnormen, d.h. von Rechtsregeln, Grundsatz- und Statusbestimmungen“, wobei er zu den rechtsetzungsbefugten Autoritäten ausdrücklich auch die Organe der 535 Vgl. Ossenbühl, DVBl. 1967, 401 (402); Dreier – Dreier, Art. 20 (Demokratie), Rn. 120; Friauf/Höfling – Volkmann, Art. 20, Rn. 51; Herberger, jur-pc 1993, 2256 (2258). 536 Das gilt vor allem bei der Neubekanntmachung von Einspruchsgesetzen, da die Einspruchsmöglichkeit ein reines Mitwirkungsrecht darstellt. Ob der Bundesrat dagegen auch auf seine Mitwirkung bei den Zustimmungsgesetzen verzichten kann, ist fraglich, da es sich hier gem. Art. 77 Abs. 2a GG um eine Mitwirkungspflicht handelt. 537 Stern, Band II, § 37 I. 3. b) b).

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Exekutive zählt.538 Wesensmerkmal der Gesetzgebung im materiellen Sinn ist also die Erzeugung allgemein verbindlicher Rechtsnormen. Das Durchlaufen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens ist hierbei keine Voraussetzung, weshalb auch die Exekutive in bestimmten Fällen materielles Recht erlassen kann. aa) Vergleich mit der Rechtsverordnung Der einzige im Grundgesetz explizit zugelassene „Gesetzgebungsakt“ der Exekutive ist die bereits erwähnte Rechtsverordnung nach Art. 80 GG, welche es der Exekutive unter Durchbrechung des Gewaltenteilungsgrundsatzes ermöglicht, allgemein verbindliche Rechtsnormen mit Außenwirkung im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen.539 Diese stehen jedoch im Rang immer unter dem Parlamentsgesetz (Vorrang des Gesetzes) und dürfen nur aufgrund einer in einem förmlichen Gesetz erteilten Ermächtigung erlassen werden (Vorbehalt des Gesetzes), die Inhalt, Zweck und Ausmaß der delegierten Rechtsetzungsbefugnis genau bestimmt (siehe Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG). In dieser Hinsicht ergeben sich durchaus interessante Parallelen zur Neubekanntmachung, die ja ebenfalls von der Exekutive aufgrund einer gesetzlichen Erlaubnis, also mit parlamentarischer Autorität im Bundesgesetzblatt vorgenommen wird. Allerdings zeigen sich auch hier auf den zweiten Blick gewichtige Unterschiede: Während die Exekutive durch die Verordnungsermächtigung zur eigenständigen Regelung einer bestimmten Sachmaterie – wenn auch innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Grenzen – befähigt wird, gestattet es die einfache Bekanntmachungserlaubnis der Exekutive nur, den Wortlaut eines bereits existierenden Gesetzes im Bundesgesetzblatt in konsolidierter Form, aber ansonsten unverändert neu bekannt zu machen. Demzufolge beschränkt sich die Neubekanntmachung in erster Linie auf die Wiedergabe schon vorhandener Rechtsnormen, während die Rechtsverordnung in der Regel neue, von der Exekutive selbst erschaffene Rechtsnormen begründet. Dies geschieht außerdem mittels eines exklusiv der Exekutive zugewiesenen Normtypus,540 der die Bezeichnung „Rechtsverordnung“ trägt und auf seine Ermächtigungsnorm verweist.541 Die Neubekanntmachung von Ge538

Schneider, Rn. 29. Stern, Band II, § 38 I. 4. a); Sachs – Lücke/Mann, Art. 80, Rn. 11. 540 Dem Parlament ist es deshalb nicht gestattet, eigene Rechtsverordnungen zu erlassen (BVerfGE 22, 330 [346]), wohl aber, bestehende Rechtsverordnungen unter bestimmten Voraussetzungen zu ändern (siehe dazu BVerfGE 114, 196 [238 ff.]). 541 Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 80, Rn. 1; Dreier – Bauer, Art. 80, Rn. 15; v. Münch/Kunig – Bryde, Art. 80, Rn. 8; v. Mangoldt/Klein/Starck – Brenner, Art. 80 Abs. 1, Rn. 15. 539

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setzen erfüllt jedoch diese formalen Anforderungen nicht, sondern gleicht in ihrer äußeren Erscheinungsform – insbesondere der Neufassungstext – eher einem förmlichen Gesetz. Im Übrigen können nicht nur Gesetze, sondern auch Rechtsverordnungen neu bekannt gemacht werden,542 was zusätzlich darauf hindeutet, dass die Neubekanntmachung in ihrem Wesen anders, nämlich mehr auf Normwiederholung als auf Normsetzung, ausgerichtet ist als die Rechtsverordnung. Aus diesen formalen und funktionalen Differenzen kann geschlossen werden, dass es sich bei der Neubekanntmachung nicht um einen materiellen Rechtsetzungsakt i. S. v. Art. 80 GG handelt. bb) Verfassungsrechtliche Grenzen der exekutiven Rechtsetzung Ein exekutiver Rechtsetzungsakt mit allgemein-verbindlicher Wirkung auf Bundesebene ist im Grundgesetz außerhalb des Art. 80 GG nicht vorgesehen (sog. Numerus clausus der Rechtsetzungsformen).543 Möchte man die Neubekanntmachung dennoch in förmlicher Hinsicht als einen verordnungsähnlichen Rechtsetzungsakt „sui generis“ einordnen, so würde man auf ein weiteres Problem stoßen, da sich die Neubekanntmachung inhaltlich weiterhin auf den Regelungsbereich eines Parlamentsgesetzes bezöge. Derartige Eingriffe exekutiver Rechtsetzungsakte in den Regelungsbereich formeller Gesetze lassen sich aber auch in vereinzelten Verordnungsermächtigungen nach Art. 80 Abs. 1 GG finden, wobei jeweils genau zu ermitteln ist, in welchem Maße der Gesetzgeber der Exekutive den Zugriff auf das förmliche Gesetz gestatten will. Im Rahmen des Art. 80 GG haben sich drei Typen von sog. gesetzesmodifizierenden Rechtsverordnungen herausgebildet, deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit unterschiedlich bewertet wird. Aus den daraus gewonnenen Erkenntnissen lassen sich anschließend wichtige Rückschlüsse auf die rechtlichen Grenzen einer Neubekanntmachung entnehmen. (1) Inkraftsetzungsverordnung Im Hinblick auf § 29 des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder“ vom 17. Dezember 1971544 war diskutiert worden, ob der Gesetzgeber die Entscheidung über das Inkrafttreten eines Gesetzes in das Ermessen der Exekutive stellen dürfe. Nach besagter Vorschrift sollte der Bundesminister der Justiz den Tag des Inkrafttretens 542

Siehe dazu noch unten S. 278 ff. BK – Nierhaus, Art. 80 Abs. 1, Rn. 85 f.; Erichsen/Ehlers – Möstl, § 18, Rn. 9; Ossenbühl, NZS 1997, 497 (499 f.). 544 BGBl. I 1971, 2018 (2022). 543

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des Gesetzes im Bundesgesetzblatt „bekanntgeben“.545 Darin wurde teilweise eine unzulässige Übertragung von Gesetzgebungsbefugnissen auf die Exekutive gesehen, da die Wirksamkeit des Gesetzes nunmehr allein von der Entscheidung eines Bundesministers abhänge.546 Das Bundesverfassungsgericht stellte dagegen fest, dass die Legislative in dem vorliegenden Fall den Zeitpunkt des Inkrafttretens selbst bestimmt habe, wenn auch unter einer aufschiebenden Bedingung.547 Der Bekanntmachung durch den Bundesminister komme deshalb nur noch deklaratorische Bedeutung zu. Zugleich wiesen die Verfassungsrichter aber vorsorglich darauf hin, dass eine „Delegation von Gesetzgebungsaufgaben“, die der Exekutive „gesetzesvertretende Gestaltungsfreiheit“ einräumen würde, unzulässig sei: „Da die Bestimmung des Gesetzesinhalts ausschließlich den demokratischen Gesetzgebungsorganen vorbehalten ist und das Grundgesetz – abgesehen von Art. 80 Abs. 1 GG – keine Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen kennt, kann die Bestimmung des Inkrafttretens nur durch den Gesetzgeber selbst erfolgen, . . .“.548

(2) Gesetzesvertretende Rechtsverordnungen Einen noch stärkeren Eingriff in die Gesetzgebungshoheit der Legislative stellen die sog. gesetzesvertretenden Rechtsverordnungen dar. Das sind Rechtsetzungsakte der Exekutive, die zwar formell als Rechtsverordnung erlassen werden, materiell jedoch die gleichen Wirkungen entfalten wie ein förmliches Gesetz.549 Vor allen Dingen können sie – quasi gleich einem Änderungsgesetz – den Wortlaut eines formellen Gesetzes nachträglich ändern oder dieses sogar ganz aufheben.550 Während die Exekutive mit der Inkraft545

Siehe den genauen Wortlaut auf S. 111. BK – Maurer, Art. 82, Rn. 118; Maunz/Dürig – Maunz, Art. 82, Rn. 12; Umbach/Clemens – Rubel, Art. 82, Rn. 32; AK – Ramsauer, Art. 80, Rn. 42 und Art. 82, Rn. 42; Leibholz/Rinck – Burghart, Art. 82, Rn. 126; v. Mangoldt/Klein/ Starck – Brenner, Art. 80 Abs. 1, Rn. 30 und Art. 82, Rn. 41; Sachs – Lücke/Nierhaus, Art. 82, Rn. 37; Dreier – Bauer, Art. 80, Rn. 19; a. A. Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 82, Rn. 9; v. Münch/Kunig – Bryde, Art. 82, Rn. 16; Schmidt-Bleibtreu/Klein – Sannwald, Art. 82, Rn. 51. 547 BVerfGE 42, 263 (288 ff.); siehe zu dieser Entscheidung bereits oben S. 111 f. 548 BVerfGE 42, 263 (283); siehe auch E 45, 297 (326). 549 Maunz/Dürig – Klein, Art. 129, Rn. 21; HbdStR – Jacobi, § 77 VII. 1. 550 Als Beispiel sei § 1 Abs. 2 des Betäubungsmittelgesetzes in der Fassung der Neubekanntmachung vom 1. März 1994, BGBl. I 1994, 358 (360) genannt, nach dem die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Anlagen I bis III ändern oder ergänzen kann, wenn dies unter bestimmten Voraussetzungen erforderlich ist. Das Bundesverfassungsgericht (NJW 1998, 669 ff.) hat diese Ermächtigung dennoch als mit dem Grundgesetz vereinbar angesehen, da in den Anlagen nur die verbotenen Stoffe und Zubereitungen aufgezählt werden und damit der abstrakte Gesetzesausdruck „Betäubungsmittel“ lediglich näher konkretisiert werde. 546

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setzungsverordnung also nur darüber entscheiden kann, ob und wann ein von der Legislative beschlossenes Gesetz in Kraft treten soll, kann sie mit der gesetzesvertretenden Verordnung den Wortlaut eines bereits wirksam in Kraft getretenen Gesetzes modifizieren und damit den Gesetzesinhalt verändern.551 Aus diesem Grunde hält die herrschende Meinung diese Art der „Rechtsverordnung“ für mit der Verfassung, insbesondere mit dem dort geregelten Grundsatz der Gewaltenteilung und dem Vorrang des Gesetzes, nicht vereinbar.552 Ergänzend stützt sie sich dabei auf Art. 129 Abs. 3 GG, der anordnet, dass alle Rechtsnormen, die „zum Erlass von Rechtsvorschriften anstelle von Gesetzen ermächtigen“, mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes erloschen sind. Unmittelbar bezieht sich die Vorschrift damit nur auf vorkonstitutionelle Ermächtigungen,553 weshalb einige Autoren der Auffassung sind, der Verfassungsgeber habe die gesetzesvertretenden Rechtsverordnungen nicht grundsätzlich verbieten, sondern lediglich die vorwiegend aus der nationalsozialistischen Zeit stammenden Globalermächtigungen beseitigen wollen.554 Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch bereits früh klargestellt, dass der Verfassungsgeber darüber hinaus alle Ermächtigungen „zum Erlöschen bringen wollte, die sich auf die Änderung oder Aufhebung eines Gesetzes im formellen Sinne erstrecken“.555 Konsequenterweise dürInsofern hat das Bundesverfassungsgericht allerdings nicht ausreichend berücksichtigt, dass eine solche Konkretisierung aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit in Form einer neuen Rechtsverordnung zu erfolgen hat und nicht durch eine Änderung der Gesetzesanlagen. Von der Ermächtigung hat die Bundesregierung zuletzt durch die Einundzwanzigste Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften vom 18. Februar 2008, BGBl. I 2008, 246 Gebrauch gemacht. Weitere Beispiele mit ähnlichen Ermächtigungen ergeben sich aus § 10 Abs. 2 des Außenwirtschaftsgesetzes in der Fassung der Neubekanntmachung vom 26. Juni 2006, BGBl. I 2006, 1386 (1392), und aus § 3 Abs. 1 S. 2 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der Fassung der Neubekanntmachung vom 25. Juni 2005, BGBl. I 2005, 1757 (1760); siehe außerdem Brandner, Gesetzesänderung, S. 391 ff. 551 Die überwiegend verwendete Terminologie ist daher leider etwas verwirrend. Passender wäre es, die „gesetzesvertretenden Rechtsverordnungen“ teilweise als „gesetzesändernde Rechtsverordnungen“ zu bezeichnen und die „gesetzesändernden Rechtsverordnungen“ als „gesetzesverdrängende“ oder „gesetzesabweichende Rechtsverordnungen“; siehe auch unten Fn. 558. 552 Sachs – Lücke/Mann, Art. 80, Rn. 8; Dreier – Bauer, Art. 80, Rn. 19; v. Mangoldt/Klein/Starck – Brenner, Art. 80 Abs. 1, Rn. 31; Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 80, Rn. 14; v. Münch/Kunig – Bryde, Art. 80, Rn. 3; einschränkend SchmidtBleibtreu/Klein – Sannwald, Art. 80, Rn. 26, der nur von „Bedenken“ spricht; a. A. zumindest in Bezug auf die Änderung von Gesetzesanhängen und -anlagen Brandner, Gesetzesänderung, S. 408 f. 553 BVerfGE 7, 282 (291); E 8, 274 (306); E 15, 153 (160); Brandner, Gesetzesänderung, S. 402. 554 Laidig, S. 92 ff.; Siegl, S. 125 f.

III. Untersuchung mit Lösungsvorschlag

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fen solche Ermächtigungen deshalb auch nicht mehr nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes erteilt werden.556 (3) Gesetzesändernde Rechtsverordnungen Von den gesetzesvertretenden sind die gesetzesändernden Rechtsverordnungen zu unterscheiden, welche von der überwiegenden Meinung noch als verfassungskonform eingestuft werden.557 Auch die gesetzesändernden Verordnungen können die Rechtslage beeinflussen, indem sie inhaltlich von den gesetzlichen Regelungen abweichen. Im Unterschied zu den gesetzesvertretenden Rechtsverordnungen stehen sie jedoch mit den formellen Gesetzen nicht auf einer Stufe und können somit auch nicht den Gesetzestext unmittelbar modifizieren. Ihnen kommt lediglich ein Anwendungsvorrang zu mit der Folge, dass die von ihnen getroffenen Regelungen den gesetzlichen Anordnungen zwar vorgehen, sie jedoch nicht derogieren. Ermöglicht wird diese „gesetzesverdrängende Wirkung“558 durch eine spezielle Verordnungsermächtigung, in der der Gesetzgeber den Gesetzesinhalt unter den Vorbehalt einer abweichenden Regelung durch eine Rechtsverordnung stellt (sog. Verordnungsvorbehalt).559 Die Rechtsverordnung erlangt dadurch also keine Gesetzeskraft, sondern umgekehrt: Der Geltungsanspruch des förmlichen Gesetzes wird durch den Gesetzgeber zugunsten der Rechtsverordnung reduziert.560 Erforderlich ist dazu natürlich, dass die Verordnungsermächtigung die strengen Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG 555 BVerfGE 2, 307 (330, 333); ebenso Jarass/Pieroth – Jarass, Art. 129, Rn. 2; Sachs – Sachs, Art. 129, Rn. 10; Dreier – Bauer, Art. 129, Rn. 15; v. Mangoldt/ Klein/Starck – Wolff, Art. 129 Abs. 3, Rn. 30. 556 Siehe BVerfGE 22, 1 (12): „. . . da gesetzesvertretende Verordnungen seit Inkrafttreten des Grundgesetzes nicht mehr ergehen können . . .“; vgl. auch Stern, Band II, § 38 II. 2. b); Badura, F, Rn. 16; Faller, Rn. 139. Die hessische Landesverfassung sieht dagegen in Art. 118 eine Möglichkeit zur Ermächtigung der Exekutive zum Erlass von gesetzesvertretenden Rechtsverordnungen in bestimmtem Maße vor, siehe Zinn/Stein – Groß, Art. 118, Rn. 9 f. 557 Sachs – Lücke/Mann, Art. 80, Rn. 9; v. Münch/Kunig – Bryde, Art. 80, Rn. 3; Dreier – Bauer, Art. 80, Rn. 19; Brandner, Gesetzesänderung, S. 395 ff.; a. A. Uhle, DÖV 2001, 241 (246). 558 So BVerwG, NJW 1998, 669 (670) und E 124, 11 (17); v. Münch/Kunig – Bryde, Art. 80, Rn. 3, hält den Ausdruck „gesetzesändernde Rechtsverordnung“ deshalb für missverständlich, da das Gesetz durch die Verordnung ja nicht geändert, sondern lediglich eine dem Gesetz vorgehende Regelung erlassen werde. Zutreffender sei insofern die Bezeichnung „gesetzesverdrängende Rechtsverordnung“. 559 Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 80, Rn. 14; ausführlich dazu Sinn, S. 24 ff. 560 BVerfGE 8, 155 (169 ff.); BVerwG, NJW 1998, 669 (670); BVerwGE 124, 11 (17); BK – Nierhaus, Art. 80 Abs. 1, Rn. 234; Schneider, Rn. 658.

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F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung

beachtet,561 insbesondere den Umfang genau benennt, in dem die Exekutive abweichende Regelungen erlassen darf. Außerdem wird ein sachliches Bedürfnis für eine derartige Verordnungsermächtigung gefordert.562 cc) Konsequenzen für die Neubekanntmachung von Gesetzen Der verfassungsrechtlichen Bewertung der gesetzesmodifizierenden Rechtsverordnungen lässt sich entnehmen, dass die Grenze zur Verfassungswidrigkeit dann überschritten wird, wenn ein Rechtsetzungsakt der Exekutive einer gesetzlichen Regelung nicht nur ausnahmsweise vorgeht, sondern das Gesetz unmittelbar modifiziert, indem er entweder seinen zeitlichen Geltungsbereich oder – mittels einer Änderung des Gesetzestextes – seine inhaltliche Bedeutung ändert.563 Denn in diesem Fall griffe die Exekutive mittels der Rechtsverordnung auf eine ausschließlich dem Parlament vorbehaltene Handlungsform zu, was eine nicht hinnehmbare Verletzung des Vorrangs des Gesetzes und damit des Kernbereichs der legislativen Gewalt darstellen würde.564 Die Literatur hat in diesem Zusammenhang – in Anlehnung an die Lehre vom Gesetzesvorbehalt – den Begriff des „Gesetzesänderungsvorbehalts“ entwickelt, der besagt, dass Parlamentsgesetze nur durch eben solche in ihrer Gültigkeit verändert werden dürfen.565 Das gilt vor allem auch im Hinblick auf die Prinzipien der Demokratie und Rechtsklarheit, da sich der Rechtsanwender stets darauf verlassen können muss, dass ein als solches bezeichnetes „Gesetz“ im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren mit dem Willen der Volksvertreter zustande gekommen ist und nicht von der Exekutive, quasi durch die Hintertür, geändert wurde (sog. 561

AK – Ramsauer, Art. 80, Rn. 41; Sinn, S. 28. BVerwG, NJW 1998, 669 (670); BVerwGE 124, 11 (17); HdS – Ossenbühl, § 103, Rn. 27 a. E. 563 Sinn, S. 37; v. Mangoldt/Klein/Starck – Brenner, Art. 80 Abs. 1, Rn. 24; v. Münch/Kunig – Bryde, Art. 80, Rn. 3; ders., in: Achterberg/Püttner/Würtenberger, § 5, Rn. 53, zu dem insofern verfassungswidrigen § 10 Abs. 2 Außenwirtschaftsgesetz (siehe Fn. 550 a. E.); Kube, NVwZ 2003, 57 (58), zu dem mittlerweile außer Kraft getretenen Art. 56 Abs. 3 des Gesetzes zur Anpassung gesetzlich festgelegter Zuständigkeiten an die Neuabgrenzung der Geschäftsbereiche von Bundesministern vom 18. März 1975, BGBl. I 1975, 705 (716), der in etwa dem heute gültigen § 2 des Gesetzes zur Anpassung von Rechtsvorschriften an veränderte Zuständigkeiten oder Behördenbezeichnungen innerhalb der Bundesregierung vom 16. August 2002, BGBl. I 2002, 3165 entspricht (siehe dazu unten S. 204). 564 Vgl. Brandner, ZG 1990, 46 (54), in Bezug auf die Berichtigung formeller Gesetze. 565 Schulze-Fielitz, S. 168; ders., in: Dreier, Art. 20 (Rechtsstaat), Rn. 114; Kloepfer, VVDStRL 40, 63 (75); ders., in: JZ 1984, 685 (689); vgl. auch Troßmann, Anh § 88, A 7; Brande, S. 15 f.; Schallen, WzS 1970, 5 (7). 562

III. Untersuchung mit Lösungsvorschlag

133

Normenwahrheit).566 Die Grenzen zwischen Gesetz und Verordnung dürfen „nicht in einer Weise überschritten oder verwischt werden, die der grundsätzlichen Unterscheidung zwischen beiden Regelungsformen und der rechtsstaatlichen Klarheit in Bezug auf Geltungsvoraussetzungen, Rang, Rechtsschutzmöglichkeiten und Verwerfungskompetenzen, die für beide Normtypen unterschiedlich geregelt sind, zuwiderliefe“.567 Diese verfassungsrechtlichen Grenzen, die für Rechtsverordnungen nach Art. 80 GG gelten, müssen erst recht bei der Neubekanntmachung von Gesetzen beachtet werden, wollte man sie ebenfalls als konstitutiven Rechtsetzungsakt der Exekutive bewerten. Da die Neubekanntmachung jedoch ausdrücklich auf ein formelles Gesetz Bezug nimmt, aufgrund einer erweiterten Bekanntmachungserlaubnis ja sogar dessen Wortlaut teilweise modifizieren kann, weist sie deutliche Ähnlichkeiten zur gesetzesvertretenden Rechtsverordnung auf. Der Hauptunterschied liegt darin, dass die gesetzesvertretende Rechtsverordnung nur einzelne Änderungsbefehle bezüglich des Gesetzestextes enthält, während die Neubekanntmachung gleich den gesamten Gesetzestext in seiner neuen Fassung beinhaltet. Schriebe man dieser nun eine rechtskonstituierende Wirkung zu, so würde das auf eine Ablösung des bisherigen Gesetzes hinauslaufen, eine Rechtsfolge, die mittels eines Rechtsetzungsaktes der Exekutive – gleich welcher Natur – nicht bewirkt werden kann. Die Neubekanntmachung wäre für den Bürger – im Gegensatz zur gesetzesvertretenden Rechtsverordnung – sogar noch schwerer als gesonderter Rechtsetzungsakt der Exekutive identifizierbar, da sie sich teilweise in die Form eines Parlamentsgesetzes hüllt. Wenn jedoch schon die gesetzesvertretende Rechtsverordnung – wie gesehen – gegen grundlegende Verfassungsprinzipien, insbesondere gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung verstößt, so müsste dies erst recht für die Neubekanntmachung gelten. Sie kann folglich unter keinen Umständen als konstitutiver Rechtsetzungsakt angesehen werden. c) Zusammenfassung Die Neubekanntmachung von Gesetzen ist kein konstitutiver Rechtsetzungsakt, auch wenn einige erweiterte Bekanntmachungserlaubnisse gelegentlich einen anderen Eindruck vermitteln. Sie ist weder selbst ein Gesetz im formellen Sinn noch vermag sie als spezieller Rechtsetzungsakt der Exekutive die neu bekannt gemachten Stammgesetze zu modifizieren. Gegen die Gesetzeseigenschaft spricht bereits die Tatsache, dass die Neubekannt566

Vgl. BVerfGE 114, 196 (236 f.); Sinn, S. 36. BVerfGE 114, 196 (236) in Bezug auf den umgekehrten Fall, d.h. der Änderung einer Rechtsverordnung durch ein formelles Gesetz. 567

134

F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung

machung nicht im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren zustande kommt und eine Übertragung der förmlichen Gesetzgebungskompetenz auf die Exekutive nicht im Grundgesetz vorgesehen ist und somit gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung und das Demokratieprinzip verstieße. Die Neubekanntmachung kann aber auch nicht als sonstiger allgemein-verbindlicher Rechtsetzungsakt der Exekutive angesehen werden, da sie nicht die formalen Voraussetzungen einer Rechtsverordnung nach Art. 80 GG erfüllt und ihr darüber hinaus eine unmittelbar gesetzesersetzende bzw. -modifizierende Wirkung zukäme, sie also – vergleichbar einer gesetzesvertretenden Rechtsverordnung – den absoluten Vorrang des Gesetzes missachten würde. Als Zwischenergebnis bleibt deshalb – in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – festzuhalten, dass die Neubekanntmachung den materiellen Inhalt der von ihr publizierten Gesetze in keiner Weise berührt. 2. Bedeutung der Neubekanntmachung für die Gesetzeskonsolidierung Die bisherigen Untersuchungen haben ergeben, dass die Exekutive weder von sich aus noch mit ausdrücklicher Ermächtigung der Legislative eine konstitutive Neufassung eines Gesetzes im Bundesgesetzblatt veröffentlichen kann. Damit wäre aber noch nicht geklärt, welchen rechtlichen Beitrag die Neubekanntmachung dann zur Erfüllung der staatlichen Konsolidierungspflicht leisten soll und warum sie überhaupt im Bundesgesetzblatt, dem amtlichen Publikationsorgan für Gesetze und Rechtsverordnungen, veröffentlicht wird. Handelt es sich etwa nur um einen völlig unverbindlichen Informationsakt oder steckt in der Neubekanntmachung vielleicht doch etwas mehr? Diesen Fragen soll im Folgenden nachgegangen werden. a) Die Neubekanntmachung als rein informatorischer Konsolidierungsakt? Einige Stimmen in der Literatur wollen der Neubekanntmachung jedwede rechtliche Bedeutung absprechen mit der Konsequenz, dass sie für die Gesetzeskonsolidierung schlichtweg „unbeachtlich“ sei.568 Um an eine authentische Gesetzesfassung zu gelangen, müsse man nach wie vor von der Urfassung ausgehend sämtliche Änderungsgesetze berücksichtigen.569 Sollte der Gesetzestext zwischendurch einmal im Bundesgesetzblatt neu bekannt 568 569

Konzelmann, Rechtsbereinigung, S. 57. Konzelmann, Rechtsbereinigung, S. 60 f.

III. Untersuchung mit Lösungsvorschlag

135

3. Änderungsgesetz

mit Bekanntmachungserlaubnis

Neubekanntmachung

2. Änderungsgesetz

1. Änderungsgesetz

Stammgesetz (= Urfassung)

Abbildung 3: Die Neubekanntmachung als informatorischer Konsolidierungsakt

gemacht worden sein, so sei diese Neubekanntmachung rein informatorischer Natur und dementsprechend bei der weiteren Gesetzeskonsolidierung zu ignorieren bzw. zu „überspringen“.570 Die ministerielle Neufassung könne somit allenfalls als „Prüf- und Kontrolltext“ dienen,571 nicht jedoch als Ausgangstext (siehe Abb. 3). Rechtlich gesehen kann es demnach keinen Unterschied machen, ob sich jemand anhand einer privaten Gesetzessammlung oder anhand einer Neubekanntmachung im Bundesgesetzblatt über das geltende Recht informiert. In beiden Fällen würde er auf unverbindliche Rechtstexte ohne jeglichen Geltungsanspruch zurückgreifen. Die Neubekanntmachung hätte folglich keinen rechtlichen Nutzen und entbindet den Rechtsanwender insbesondere nicht von der mühevollen Konsolidierungsarbeit. aa) Verfassungsrechtliche Bedenken Die Einordnung der Neubekanntmachung von Gesetzen als bloßen Informationsakt ohne rechtliche Bedeutung hat sicherlich den Vorteil, dass sie die oben angeführten verfassungsrechtlichen Bedenken in Bezug auf den Grundsatz der Gewaltenteilung und das Demokratieprinzip aus dem Weg räumt, denn von einem Eingriff in die legislativen Kernkompetenzen des Parlaments kann bei einem rein informativen Handeln der Exekutive nicht 570

Herberger, jur-pc 1993, 2256 (2258). Herberger, jur-pc 1993, 2256 (2258); ebenso Konzelmann, Rechtsbereinigung, S. 60, der dafür ökonomische Gründe anführt. 571

136

F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung

mehr gesprochen werden. Allerdings ist zu bezweifeln, ob das Bundesgesetzblatt dann noch das richtige Medium für die Veröffentlichung einer solchen „unbeachtlichen“ Gesetzesfassung ist. Außerdem stellt sich die Frage, ob die Exekutive in diesem Fall überhaupt noch auf eine Ermächtigung durch die Legislative angewiesen ist.572 Vor allen Dingen wirft dieser Lösungsansatz wieder die bereits oben besprochenen verfassungsrechtlichen Bedenken im Zusammenhang mit der staatlichen Konsolidierungspflicht auf.573 Wenn die Neubekanntmachung lediglich einen rechtlich unverbindlichen Informationstext beinhalten sollte und die Vertreter dieser Auffassung deshalb von den Rechtsuchenden fordern, dass sie die Neubekanntmachung bei ihrer Recherche ignorieren und stattdessen weiterhin nur die Urfassung und die daran anschließenden Änderungsgesetze zu Rate ziehen, so ergibt sich für die Rechtsuchenden durch die Veröffentlichung der Neubekanntmachung kein nennenswerter Vorteil. Wollen sie die geltende Gesetzesfassung aus dem Bundesgesetzblatt ermitteln, so müssten sie nämlich nach wie vor die unverständlichen Änderungsgesetze auswerten und könnten auf die Neubekanntmachung allenfalls als „Prüf- und Kontrolltext“ zurückgreifen. Begnügen sie sich dagegen mit dem unverbindlichen Neufassungstext, so könnten sie ebenso gut die privaten Gesetzessammlungen verwenden, die der Neubekanntmachung in ihrer rechtlichen Bedeutung demnach gleichstünden, dafür aber regelmäßiger erscheinen und somit aktueller sind als die meisten Neubekanntmachungen. Der Staat bliebe folglich seine verfassungsrechtliche Konsolidierungspflicht schuldig, den Bürgern im Bundesgesetzblatt eine verständliche und zugleich verlässliche Gesetzesfassung zur Verfügung zu stellen, auf die sie ohne zusätzliche Nachforschungen vertrauen können. bb) Praktische Probleme Das Konzept einer rein informatorischen Neubekanntmachung würde außerdem in vielen Punkten der praktischen Handhabung durch die staatlichen Organe widersprechen, die – wie bereits Schneider festgestellt hat – die ministerielle Neufassung des Öfteren „wie das Gesetz selbst“ behandeln.574 Diese Feststellung soll anhand der folgenden empirischen Untersuchung bestätigt werden.

572 573 574

Siehe dazu noch unten S. 178 f. Siehe oben S. 62 ff. Schneider, Rn. 685.

III. Untersuchung mit Lösungsvorschlag

137

(1) Handhabung durch die Legislative (a) Die (erweiterte) Bekanntmachungserlaubnis Zunächst einmal muss man sich natürlich fragen, warum das Parlament der Exekutive stets eine ausdrückliche Ermächtigung575 zur Neubekanntmachung erteilt, wenn dem Bekanntmachungsakt später sowieso keine rechtliche Bedeutung zukommen soll? Liegt es etwa daran, dass die Neubekanntmachung im Bundesgesetzblatt, also in dem amtlichen Publikationsorgan der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, oder vielleicht doch eher daran, dass die Legislative der Neubekanntmachung eine größere Bedeutung einräumt als der eines reinen Informationsakts? Gegen die erste Vermutung spricht, dass die Schriftleitung des Bundesgesetzblattes zurzeit beim Bundesministerium der Justiz liegt, dieses also auch ohne parlamentarische Erlaubnis informative Hinweise im Bundesgesetzblatt veröffentlichen kann. Zugunsten der zweiten Vermutung lässt sich außerdem anführen, dass die Legislative mit dem Instrument der Neubekanntmachung insgesamt sehr zurückhaltend umgeht und der Exekutive grundsätzlich nur von Zeit zu Zeit und jeweils nur in Bezug auf einzelne Stammgesetze eine entsprechende Erlaubnis erteilt, also in aller Regel keine Dauer- oder Generalermächtigungen ausspricht.576 Noch gewichtiger ist jedoch die Tatsache, dass die Legislative der Exekutive gelegentlich in einer erweiterten Bekanntmachungserlaubnis aufträgt, im Rahmen der Neubekanntmachung bestimmte Anpassungen am Gesetzeswortlaut vorzunehmen.577 Unabhängig davon, ob diese Textmodifikationen mit oder ohne Änderungsermessen der Exekutive erfolgen, spricht vieles dafür, dass sich ihr Ergebnis in dem amtlichen Gesetzestext niederschlagen und nicht im Sinne einer informatorischen Maßnahme für die nachfolgenden Gesetzesfassungen ohne Belang bleiben soll.578 Dem liegt die Beobachtung zugrunde, dass das Parlament solche erweiterten Bekanntmachungserlaubnisse in erster Linie dazu benutzt, um sich von eher verwaltungstechnischen, aber dennoch relativ arbeitsintensiven Rechtsbereinigungsaufgaben zu befreien und diese auf die Exekutive mit ihrem größeren Verwaltungsapparat zu übertragen, damit es sich selbst wieder mehr auf die wesent575 Zur genauen Rechtsnatur der Bekanntmachungserlaubnis siehe unten S. 181 f. 576 Eine Ausnahme in zeitlicher Hinsicht bilden die Dauermächtigungen, die sich in verschiedenen Stammgesetzen befinden, vor allem in den Steuergesetzen; siehe oben S. 73 und 80. 577 Siehe dazu bereits oben S. 197 ff. 578 Vgl. Schmid, BayVBl. 1974, 39 (40): „Der Text der Exekutive tritt an die Stelle des Textes der Legislative.“

138

F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung

lichen Sachfragen konzentrieren kann.579 Insofern entspricht diese Vorgehensweise sogar dem vom Grundsatz der Gewaltenteilung geforderten Ziel einer effektiven Erfüllung staatlicher Aufgaben durch diejenigen Organe, „die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen“.580 Dementsprechend muss es gerade auch im rechtsstaatlichen Interesse liegen, wenn die Exekutive diese redaktionellen Maßnahmen selbständig und vor allem rechtswirksam erledigen kann. Wäre das nämlich nicht der Fall, weil der Neubekanntmachung lediglich eine informatorische Wirkung zukäme, so müsste das Parlament sämtliche Gesetzesanpassungen mit dem nächsten Änderungsgesetz noch einmal selbst vornehmen, was im Endeffekt nicht zu einer Arbeitsentlastung, sondern im Gegenteil zu einer Mehrbelastung führen dürfte und somit weder ökonomisch Sinn machen würde noch der Absicht des Gesetzgebers entsprechen kann. Im Folgenden sollen daher einige Beispiele vorgestellt werden, welche die oben angesprochene Intention und Verhaltensweise der Legislative belegen. (aa) Beispiel 1: Die Neubekanntmachung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen Ein besonders interessantes und zudem relativ aktuelles Beispiel ergibt sich im Zusammenhang mit der Neubekanntmachung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vom 26. August 1998.581 Einige Seiten davor hatte der Gesetzgeber in der gleichen Ausgabe des Bundesgesetzblattes das Gesetz zur Änderung der Rechtsgrundlagen für die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergaberechtsänderungsgesetz – VgRÄG) vom 26. August 1998 verkündet,582 welches einen neuen, sechsten Teil mit der Überschrift „Vergabe öffentlicher Aufträge“ in das GWB eingefügt hatte, der gem. Art. 4 VgRÄG zum 1. Januar 1999 in Kraft treten sollte. Mit gleichem Datum (26. August 1998) wurde im Anschluss das Sechste Gesetz 579 Vgl. Reich, DÖV 1973, 846 (847): „Derartige redaktionelle Änderungen dürfen den Bundestag nicht belasten.“ Oder Möllers, AöR 2007, 493 (518): „Die technische Arbeit am Gesetz verlangt nach der Einbeziehung der Exekutive.“ Diese ist laut Martini, AöR 2008, 155 (158), „vielfach ungleich besser als ein schwerfälliger parlamentarischer Gesetzgebungsapparat imstande, schnell, flexibel und der Dynamik der Lebensverhältnisse angepasst zu reagieren“. Außerdem verfüge sie „über gewichtige Ressourcen, die reaktionsschnell eingesetzt und vergleichsweise leicht erweitert werden können“. 580 Vgl. BVerfGE 68, 1 (86); E 95, 1 (15); E 98, 218 (252); Jarass/Pieroth – Jarass, Art. 20, Rn. 23; Dreier – Schulze-Fielitz, Art. 20 (Rechtsstaat), Rn. 71. 581 BGBl. I 1998, 2546. 582 BGBl. I 1998, 2512.

III. Untersuchung mit Lösungsvorschlag

139

zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen abgedruckt.583 Dieses Mantelgesetz enthielt in seinem Art. 1 eine Neuverkündung (konstitutive Neufassung) des gesamten GWB, allerdings ohne den durch das VgRÄG neu eingefügten sechsten Teil. Diese Neufassung des GWB sollte gem. Art. 4 ebenfalls am 1. Januar 1999 in Kraft treten. Somit wurde also zum 1. Januar 1999 zunächst ein neuer sechster Teil in das bestehende GWB eingefügt, dieser jedoch durch die unmittelbar danach in Kraft tretende konstitutive Neufassung sofort wieder ersetzt. § 98 Abs. 1 des neu verkündeten GWB regelte sogar ausdrücklich, dass „das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Februar 1990 (BGBl. I S. 235), zuletzt geändert durch Artikel 1, 2 Abs. 3 des Gesetzes vom 26. August 1998 (BGBl. I S. 2512), [. . .] aufgehoben [wird]“, sprich das gesamte bisherige GWB inklusive aller Änderungen durch das VgRÄG. Demnach wäre der neue sechste Teil allenfalls für eine logische Sekunde in Kraft getreten, bevor er gem. § 98 Abs. 1 des neuen GWB gleich wieder aufgehoben wurde.584 Art. 3 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des GWB enthielt jedoch folgende (erweiterte) Bekanntmachungserlaubnis: „Das Bundesministerium für Wirtschaft kann den Wortlaut des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der vom Inkrafttreten dieses Gesetzes an geltenden Fassung im Bundesgesetzblatt neubekanntmachen. Dabei sind der durch das Vergaberechtsänderungsgesetz eingefügte Sechste Teil (§§ 106 bis 138) als Vierter Teil umzunumerieren und die Paragraphennumerierung entsprechend anzupassen. Der bisherige Vierte und Fünfte Teil werden Fünfter und Sechster Teil. Die im neuen Vierten Teil enthaltenen Verweisungen auf Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen werden nach der Umnumerierung auf die Vorschriften umgestellt, die nach ihrem Wortlaut den gemeinten Vorschriften entsprechen.“

Aufgrund dieser Ermächtigung hat der Bundesminister für Wirtschaft am 26. August 1998 das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der ab dem 1. Januar 1999 geltenden Fassung im Bundesgesetzblatt neu bekannt gemacht,585 und zwar entsprechend den Vorgaben der erweiterten Bekanntmachungserlaubnis mit den neuen Vergaberechtsvorschriften als Vierten Teil und unter Umnummerierung der übrigen Paragraphen. Diese umständliche Vorgehensweise des Gesetzgebers mag schon etwas erstaunen, hatte er doch mit Art. 1 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des GWB soeben eine konstitutive Neufassung des gesamten GWB verkündet. Insofern bestand eigentlich keine Notwendigkeit, der Exekutive in Art. 3 eine Bekanntmachungserlaubnis zu erteilen, da ja schon eine aktuelle kon583 584 585

BGBl. I 1998, 2521. Siehe Peus, NJW 1998, 3474 (3475); Byok, NJW 1998, 3475. BGBl. I 1998, 2546.

140

F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung

solidierte und somit lesbare Gesetzesfassung im Bundesgesetzblatt existierte.586 Der Gesetzgeber verfolgte mit der Bekanntmachungserlaubnis offensichtlich ein anderes Ziel. Da er die Änderungen durch das VgRÄG aufgrund der parallelen Gesetzgebungsverfahren nicht mehr in der konstitutiven Neufassung berücksichtigen konnte, sollte nunmehr die Exekutive den Vergaberechtsteil an neuer Stelle in das GWB einfügen und anschließend eine komplette Neunummerierung der Vorschriften durchführen sowie fehlerhaft gewordene Verweisungen an die neue Nummerierung anpassen. Nicht eine Gesetzeskonsolidierung, sondern vielmehr eine redaktionelle Textanpassung stand hier im Vordergrund. Dabei ging die Legislative natürlich davon aus, dass die von der Exekutive vorgenommenen Modifikationen anschließend in die amtliche Textfassung einfließen würden und nicht als rein informative Hinweise den eigentlichen Gesetzeswortlaut unberührt lassen.587 Für diese Vermutung sprechen auch die nachfolgenden Änderungen des GWB. Hier knüpfte der Gesetzgeber nämlich nicht – wie eigentlich zu erwarten – an die konstitutive Neufassung, sondern an die spätere Neubekanntmachung an. So bezieht sich z. B. Art. 7 Abs. 33 des Gesetzes zur Neugliederung, Vereinfachung und Reform des Mietrechts vom 19. Juni 2001588 ausdrücklich auf die „Fassung der Bekanntmachung vom 26. August 1998 (BGBl. I S. 2546)“. Hinter dieser Fundstelle verbirgt sich aber nun einmal die Neubekanntmachung und nicht die wenige Seiten davor abgedruckte Neuverkündung. Außerdem ändert die Vorschrift die §§ 99 und 100 GWB und damit Paragraphen, die in der Neuverkündung noch gar nicht existierten, sondern erst durch die Neunummerierung im Rahmen der Neubekanntmachung entstanden sind. Warum aber sollte der Gesetzgeber einen rechtlich unbedeutenden Informationsakt mittels eines formellen Gesetzes ändern, wenn er doch ebenso gut die rechtsverbindliche Gesetzesfassung hätte ändern können? Ein weiterer interessanter Hinweis auf die Wirkung der Neubekanntmachung findet sich in Art. 2 Abs. 4 VgRÄG. Dort heißt es: „Nach der Neubekanntmachung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gemäß Artikel 3 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 26. August 1998 (BGBl. I S. 2512)589 und der damit verbundenen Umnumerierung beziehen sich die Verweisungen in den Absätzen 1 und 2 auf die Vorschriften, die nach ihrem Wortlaut den gemeinten Vorschriften entsprechen.“ 586

Siehe dazu näher unten auf S. 184 f. Siehe dazu die Begründung des Ausschusses für Wirtschaft, der die Bekanntmachungserlaubnis ursprünglich vorgeschlagen hatte, BT-Drucks. 13/10633, S. 74. 588 BGBl. I 2001, 1149. 589 Redaktionsversehen! Richtig wohl: S. 2521. 587

III. Untersuchung mit Lösungsvorschlag

141

Durch die Absätze 1 und 2 sind in anderen Stammgesetzen Verweise auf das GWB eingefügt worden, die sich nach der Neubekanntmachung des GWB automatisch an die neue Paragraphennummerierung anpassen sollen. Dieser Änderungsbefehl wäre aber nicht erforderlich gewesen, ja sogar streng genommen falsch, wenn die Neubekanntmachung rein informativer Natur wäre, denn dann müssten sich die Verweise nach wie vor auf die allein maßgeblichen und unverändert gebliebenen Paragraphennummern der gem. Art. 1 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des GWB verkündeten konstitutiven Neufassung beziehen. Alles in allem schien der Gesetzgeber sowohl bei der Erteilung der erweiterten Bekanntmachungserlaubnis als auch beim Erlass der späteren Änderungsbefehle davon auszugehen, dass mit der Neubekanntmachung eine wirksame Gesetzesfassung geschaffen wird.590 Dabei hatte er aber nicht bedacht, dass der neue Vergaberechtsteil durch die Neubekanntmachung nicht nur seine Position innerhalb des GWB verschieben, sondern, nachdem ihn die konstitutive Neufassung zunächst aufgehoben hatte, wieder neu eingefügt würde, denn laut der Begründung zur Bekanntmachungserlaubnis sollte der Neubekanntmachung keine legislative Wirkung zukommen: „Hierbei handelt es sich um rein technische Änderungen ohne Auswirkungen auf den materiellen Gehalt der Vorschriften.“591

Demnach wollte der Gesetzgeber die Exekutive zwar zu einer redaktionellen Umstellung einzelner Textabschnitte,592 nicht aber gleich zu einer inhaltlichen Veränderung des GWB ermächtigen, mit dem sicherlich nicht beabsichtigten Ergebnis, dass die Vergaberechtsvorschriften nicht wirksam in Kraft getreten und die entsprechenden EG-Richtlinien bis heute nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden sind.593 Im Übrigen lässt sich dem Beispiel jedoch die wichtige Erkenntnis entnehmen, dass die Legislative der Neubekanntmachung immerhin einen konstitutiven Einfluss auf den Gesetzeswortlaut einräumen möchte. (bb) Beispiel 2: Die Neubekanntmachung des Schwerbehindertengesetzes Ein vergleichbares Beispiel ergibt sich aus der Neubekanntmachung des Schwerbehindertengesetzes vom 26. August 1986.594 Sie erfolgte auf Grund 590

Vgl. Byok, NJW 1998, 3475. BT-Drucks. 13/10633, S. 74. 592 Siehe dazu noch unten S. 209. 593 Siehe Peus, NJW 1998, 3474 (3475); a. A. Byok, NJW 1998, 3475. 594 BGBl. I 1986, 1421; das Schwerbehindertengesetz wurde durch Art. 63 des Neunten Sozialgesetzbuches vom 19. Juni 2001, BGBl. I 2001, 1046 (1138), zum 1. Juli 2001 aufgehoben. 591

142

F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung

von Art. 7 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Schwerbehindertengesetzes vom 24. Juli 1986.595 Die Bekanntmachungserlaubnis hatte folgenden Wortlaut: „Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung kann den Wortlaut des Schwerbehindertengesetzes in der vom 1. August 1986 an geltenden Fassung mit neuer Paragraphen- und Absatzfolge bekanntmachen und dabei Unstimmigkeiten des Wortlauts beseitigen; er hat dabei das Wort „Vertrauensmann der Schwerbehinderten“ oder „Vertrauensmann“ und seine Zusammensetzungen und Formen durch das Wort „Schwerbehindertenvertretung“ und dessen Zusammensetzungen und Formen zu ersetzen.“

Im Rahmen der Neubekanntmachung führte der zuständige Minister deshalb eine komplette Neunummerierung der Paragraphen durch. Außerdem ersetzte er in mehreren Vorschriften das Wort „Vertrauensmann“ durch „Schwerbehindertenvertretung“ (z. B. in den §§ 14, 24, 25 und 27). Damit hatte er die vom Gesetzgeber geforderten Anpassungsmaßnahmen umgesetzt. Dieser wiederum stützte sich in den nachfolgenden Änderungsgesetzen auf die durch die Neubekanntmachung bereinigte Fassung. So bezog er sich z. B. in Art. 9 des Achten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 14. Dezember 1987596 auf die neue Paragraphenfolge, indem er dort „§ 9“ und nicht den ursprünglichen „§ 7a“ änderte. Würde man in diesem Fall die Neubekanntmachung einfach ignorieren, so wäre der Änderungsbefehl nicht umsetzbar gewesen, denn die Änderung ergibt nur dann einen Sinn, wenn man ihr die ministerielle Neufassung zugrunde legt, was darauf hindeutet, dass der Gesetzgeber diese als maßgeblich ansah. (cc) Beispiel 3: Die Neubekanntmachung des Selbstverwaltungsgesetzes Ein etwas älteres, aber ebenfalls erwähnenswertes Beispiel stellt die Bekanntmachung der Neufassung des Gesetzes über die Selbstverwaltung auf dem Gebiet der Sozialversicherung (Selbstverwaltungsgesetz – SVwG) vom 23. August 1967 dar.597 Die dazugehörige Bekanntmachungserlaubnis befindet sich in Art. 3 § 5 S. 1 des Siebenten Gesetzes zur Änderung des Selbstverwaltungsgesetzes vom 3. August 1967598 und ist relativ großzügig gefasst: „Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung wird ermächtigt, das Selbstverwaltungsgesetz in der sich aus Artikel 1 ergebenden Fassung unter neuem Da595 596 597 598

BGBl. BGBl. BGBl. BGBl.

I I I I

1986, 1987, 1967, 1967,

1110 (1118). 2602 (2609). 917. 845 (856).

III. Untersuchung mit Lösungsvorschlag

143

tum mit der Überschrift „Gesetz über die Selbstverwaltung auf dem Gebiet der Sozialversicherung (Selbstverwaltungsgesetz – SVwG –)“ und in neuer Paragraphenfolge bekanntzugeben und dabei Unstimmigkeiten des Wortlauts zu beseitigen sowie durch Zeitablauf überholte Vorschriften zu streichen.“

In der daraufhin vom zuständigen Bundesminister veröffentlichten Neufassung wurde zum einen die Gesetzesüberschrift entsprechend den Vorgaben der Bekanntmachungserlaubnis geändert und zum andern eine Neunummerierung der Paragraphen durchgeführt. Auch in diesem Fall hat der Gesetzgeber in den nachfolgenden Änderungsgesetzen die neue Überschrift und Paragraphenfolge übernommen. Noch bemerkenswerter ist jedoch eine am Wortlaut des § 8 Abs. 5 Halbsatz 2 SVwG a. F.599 von der Exekutive vorgenommene Änderung. Dieser lautete ursprünglich: „§ 8 Abs. 1 Buchstabe c Sätze 1, 2, 4 und 5 gilt entsprechend.“

Im Zuge der Neubekanntmachung wurde die Vorschrift zu § 15 SVwG n. F. mit dem neuen Wortlaut: „Absatz 1 Buchstabe c Satz 1, 2 und 4 gilt entsprechend.“

Neben einer kleinen stilistischen Änderung wurde also der Verweis auf Satz 5 gestrichen, obwohl der Gesetzgeber diese Textänderung nicht ausdrücklich angeordnet hatte.600 Dass er sie anscheinend trotzdem als verbindlich ansah, ergibt sich aus einem späteren Änderungsgesetz. In Art. 1 Nr. 14 e) des Achten Gesetzes zur Änderung des Selbstverwaltungsgesetzes vom 7. August 1973601 befahl er nämlich folgende Änderung: „[§ 15] Absatz 5 Halbsatz 2 erhält folgende Fassung: Absatz 1 Buchstabe c Satz 1, 2, 4 und 5 gilt entsprechend.“

Damit erhielt die Norm wieder ihren ursprünglichen Wortlaut zurück. Zwar hatte sich der Satz 5, auf den verwiesen wird, mittlerweile inhaltlich geändert, die erneute Einfügung des Verweises wäre aber nach der informatorischen Auffassung trotzdem nicht nötig gewesen, da er ja durch die Neubekanntmachung nicht aus der geltenden Gesetzesfassung beseitigt werden konnte, unabhängig von der Frage, ob und inwieweit dadurch eine inhaltliche Änderung der Vorschrift bewirkt worden wäre.602 Insofern hätte eine 599 § 8 Abs. 5 Halbsatz 2 SVwG in der Fassung der Neubekanntmachung vom 13. August 1952, BGBl. I 1952, 427 (431). 600 Siehe insbesondere Art. 1 Nr. 15 des Siebenten Gesetzes zur Änderung des Selbstverwaltungsgesetzes, wonach der Absatz 5 des § 8 SVwG nicht geändert werden sollte. 601 BGBl. I 1973, 957 (960). 602 Dazu Schallen, WzS 1970, 5 ff., der eine inhaltliche Änderung des SVwG annimmt.

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F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung

Berichtigung der Neubekanntmachung zur Klarstellung völlig ausgereicht. Der Gesetzgeber war hier wohl anderer Ansicht und ging davon aus, dass sich der Gesetzestext durch die Neubekanntmachung geändert hatte, weshalb er diesen Zustand mittels eines förmlichen Änderungsgesetzes korrigierte. (dd) Beispiel 4: § 3 Abs. 2 Zuständigkeitsanpassungsgesetz603 Schließlich lässt sich die Vermutung, dass die Neubekanntmachung etwas mehr ist als ein reiner Informationsakt, auch durch § 3 Abs. 2 des Zuständigkeitsanpassungsgesetzes untermauern. Mit Hilfe dieser Vorschrift kann die Exekutive im Rahmen einer Neubekanntmachung den Gesetzestext an veränderte Behördenbezeichnungen anpassen, so dass die neuen Bezeichnungen noch schneller in den amtlichen Gesetzesfassungen zu finden sind. Dazu die Gesetzesbegründung: „Bei Inanspruchnahme dieser Regelung kann den Anwendern schneller eine aktuelle Fassung der Vorschriften mit den geltenden Behördenbezeichnungen zur Verfügung gestellt werden. Sie entlastet zugleich die Zuständigkeitsanpassungsverordnungen und den dafür erforderlichen Abstimmungsaufwand.“604

Die Anpassungen im Rahmen der Neubekanntmachung sollen die Bürger also nicht nur zeitnah über die geänderten Behördenbezeichnungen informieren, sondern darüber hinaus eine zusätzliche Gesetzesänderung durch die Zuständigkeitsanpassungsverordnungen entbehrlich machen. Das setzt natürlich voraus, dass die Neubekanntmachung den amtlichen Gesetzeswortlaut auch tatsächlich ändert. Zur Sicherheit wird in der Gesetzesbegründung aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich hierbei nur um eine deklaratorische Textanpassung der bereits durch den Organisationserlass des Bundeskanzlers konstitutiv beschlossenen Bezeichnungsänderungen handelt, also nicht um einen eigenständigen Rechtsetzungsakt.605 (b) Die anknüpfenden Änderungsgesetze Wie die Beispiele gezeigt haben, spricht auch eine weitere Praxis des Gesetzgebers dafür, dass er der Neubekanntmachung einen höheren Stellenwert einräumt als im Schrifttum teilweise angenommen. Wenn ein Änderungsgesetz erlassen wird, so wird in dem Eingangssatz immer die Fundstelle der letzten amtlichen Veröffentlichung des vollständigen Gesetzestextes im Bundesgesetzblatt angegeben.606 Das heißt aber nicht, dass an dieser 603 604 605 606

Siehe unten S. 205. BT-Drucks. 14/8977, S. 7. BT-Drucks. 14/8977, S. 7; siehe dazu auch noch unten S. 204 ff. HdR, Rn. 546 i. V. m. Rn. 169, 177.

III. Untersuchung mit Lösungsvorschlag

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Stelle jedes Mal auf die Urfassung des Gesetzes bzw. auf die letzte Neuverkündung verwiesen wird, denn sobald eine Neubekanntmachung existiert, wird grundsätzlich nur noch deren Fundstelle erwähnt.607 Daneben weist der Gesetzgeber in dem Änderungsgesetz auch – soweit vorhanden – auf die letzte Gesetzesänderung hin, also auf die Fundstelle des unmittelbar vorangegangenen Änderungsgesetzes.608 Wurde zwischenzeitlich jedoch eine Neubekanntmachung veröffentlicht, so wird nicht mehr – wie vielleicht zu erwarten – auf das letzte davor liegende Änderungsgesetz verwiesen, sondern nur noch auf die Fundstelle der Neubekanntmachung, quasi so, als ob das Stammgesetz gerade zum ersten Mal geändert worden wäre.609 Der Gesetzgeber bezieht sich aber nicht nur in dem Eingangsatz auf die vorherigen Neubekanntmachungen, sondern knüpft – wie in den obigen Beispielen gesehen – mit seinen Änderungsbefehlen unmittelbar an den Gesetzeswortlaut der ministeriellen Neufassungen an, d.h. er legt seinen Änderungen diejenige Textfassung zugrunde, die das Stammgesetz durch die Neubekanntmachung erhalten hat.610 Spätestens an diesem Punkt wird klar, dass die Neubekanntmachung in gewisser Weise ein integrativer Bestandteil des Gesetzesänderungsprozesses ist, sozusagen ein Glied in der „Änderungskette“ und nicht bloß ein davon losgelöster Informationsakt. Würde man die Neubekanntmachung bei der Gesetzeskonsolidierung einfach igno607 Siehe z. B. Art. 1 des Gesetzes zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren vom 26. März 2008 (BGBl. I 2008, 441): „Das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909, 2003 I S. 738) [. . .] wird wie folgt geändert: . . .“. Dies entspricht im Übrigen auch den Empfehlungen des HdR, das in Rn. 177 die Fundstelle der Neubekanntmachung gleichberechtigt neben denen der (Neu-)Verkündung und der im Bundesgesetzblatt Teil III nennt. Eine Ausnahme stellt insofern das Gesetz zur Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung vom 23. April 1996 (BGBl. I 1996, 623) dar, das am 10. Januar 2002 im Bundesgesetzblatt neu bekannt gemacht wurde (BGBl. I 2002, 402), dessen Änderungsgesetze jedoch nach wie vor auf die Urfassung verweisen (so etwa zuletzt Art. 6 Abs. 4 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007, BGBl. I 2007, 1970 [2007]). 608 HdR, Rn. 546 i. V. m. Rn. 169, 189 ff. 609 Siehe z. B. Art. 3 des Gesetzes zur Änderung des Bundespolizeigesetzes und anderer Gesetze vom 26. Februar 2008, BGBl. I 2008, 215 (217), der das Aufenthaltsgesetz ändert und dabei nur auf die einen Tag zuvor veröffentlichte Neubekanntmachung hinweist (BGBl. I 2008, 162), nicht jedoch auf das letzte davor ergangene Änderungsgesetz. Dieses lässt sich jedoch für den Rechtsanwender weiterhin relativ leicht anhand des Bundesgesetzblattes ermitteln, da der Bekanntmachungstext, auf den verwiesen wird, alle in die Neufassung eingearbeiteten Änderungsgesetze detailliert aufführt (siehe oben S. 89). 610 Vgl. Schneider, Rn. 685.

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F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung

rieren, so würde man sich zu dem Willen des Gesetzgebers in Widerspruch setzen und unter Umständen eine Gesetzesfassung erhalten, die – spätestens nach einer kompletten Neunummerierung oder einer sonstigen Textanpassung durch die Neubekanntmachung – mit den nachfolgenden Änderungsgesetzen nicht mehr kompatibel wäre. Die Vertreter der informatorischen Lösung zeigen sich dementsprechend auch darüber erstaunt, dass „die nachfolgenden Änderungsgesetze in aller Regel im Wege der Bezugnahme auf die (ministeriell bekanntgemachte) Neufassung abstellen und nicht auf das Ausgangsgesetz“, ohne hierfür jedoch eine logische Erklärung liefern zu können.611 Allenfalls könnte man überlegen, ob der Gesetzgeber die Neubekanntmachung durch die anknüpfenden Änderungsgesetze genehmigen und dadurch nachträglich mit einer rechtlichen Bedeutung versehen bzw. in einen höheren Rang erheben will. Solche nachträglichen Rangänderungen sind bereits vorgekommen, vor allem in Fällen, in denen Rechtsverordnungen nachträglich in den Gesetzesrang erhoben wurden,612 und bisher vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich nicht beanstandet worden.613 Dabei handelte es sich allerdings um Ausnahmesituationen, in denen eine Rechtsverordnung aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung als Ganzes mit Gesetzeskraft ausgestattet wurde.614 Bei den hier in Rede stehenden Änderungsgesetzen käme aber lediglich eine konkludente Rangänderung in Betracht, die sich zudem nur auf einzelne Teile der Neubekanntmachung bezöge, nämlich auf diejenigen Textabschnitte, die durch das Änderungsgesetz konkret betroffen sind. In Bezug auf Rechtsverordnungen, in die durch ein Änderungsgesetz eingegriffen wurde, hat das Bundesverfassungsgericht deshalb eine solche Rangänderung verneint, weil ansonsten Mischgebilde aus förmlichem Gesetzes- und Verordnungsrecht entstünden, was aus rechtsstaatlichen Gründen, insbesondere unter Berücksichtigung der Grundsätze der Rechtsklarheit und -wahrheit, nicht hingenommen werden könne.615 Das Gleiche muss folglich auch für die Neubekanntmachung gelten, die durch ein nachfolgendes Änderungsgesetz weder eine partielle noch eine universelle Hochstufung auf eine andere rechtliche Ebene erfährt. Eine solche 611

Herberger, jur-PC 1993, 2256 (2259); Konzelmann, Rechtsbereinigung, S. 57. Siehe dazu Schneider, Rn. 659 ff. (mit Beispielen). 613 BVerfGE 22, 330 (346). 614 Siehe z. B. § 20 Abs. 6 S. 1 des Milch- und Fettgesetzes in der Fassung von Art. 1 des Achten Gesetzes zur Änderung des Milch- und Fettgesetzes vom 13. Juni 1972 (BGBl. I 1972, 893): „Die Vorschriften des § 1 Abs. 1 bis 3 und der §§ 2, 3 und 5 der Verordnung M Nr. 1/56 über Milchauszahlungspreise vom 8. März 1956 (Bundesanzeiger Nr. 50 vom 10. März 1956) gelten für die Zeit vom 1. Februar 1956 bis zum 30. Juni 1957 mit Gesetzeskraft.“ 615 BVerfGE 114, 196 (236 ff.); siehe auch Schneider, Rn. 663 f. 612

III. Untersuchung mit Lösungsvorschlag

147

Theorie wird im Übrigen auch in der Literatur – soweit ersichtlich – nicht vertreten.616 Die Eingliederung der Neubekanntmachung in die Gesetzesänderungskette lässt also darauf schließen, dass die ministerielle Neufassung nach dem Willen des Gesetzgebers nicht nur einen unverbindlichen Hinweis auf die geltende Rechtslage enthält, sondern einen staatlichen Konsolidierungsakt mit teilweise textmodifizierender Wirkung darstellt, der den Bürgern eine verständliche und verlässliche Gesetzesfassung an die Hand geben soll, darüber hinaus aber auch der Legislative selbst als Arbeitsgrundlage dient, um darauf aufbauend weitere Änderungsvorhaben umsetzen zu können. Wer die Neubekanntmachung bei der Gesetzeskonsolidierung einfach ignoriert, wird daher früher oder später eine von der amtlichen Textfassung abweichende Gesetzesversion erhalten. (2) Handhabung durch die Exekutive Die Rolle, welche die Exekutive „ihrer“ Neubekanntmachung selbst zuschreibt, lässt sich ansatzweise dem vom Bundesministerium der Justiz herausgegebenen Handbuch der Rechtsförmlichkeit entnehmen. Dieses spricht von einer „Maßgeblichkeitswirkung“, die der Neubekanntmachung zukomme und bestätigt außerdem die Praxis des Gesetzgebers, mit seinen Änderungsgesetzen an dieser maßgeblichen Gesetzesfassung anzuknüpfen: „Der im Bundesgesetzblatt bekannt gemachte Gesetzestext enthält den amtlichen Wortlaut, auf den die nachfolgenden Änderungsgesetze abstellen (. . .). Wegen dieser Maßgeblichkeitswirkung der Bekanntmachung bedarf das zuständige Ministerium einer besonderen Erlaubnis des Gesetzgebers. Sie verleiht ihm die Befugnis, den geltenden Wortlaut des Stammgesetzes zu einem Stichtag festzustellen und ihn im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen.“617

Dass sich die Exekutive im Rahmen ihrer gesetzesrelevanten Tätigkeit ebenfalls an dieser Maßgeblichkeitswirkung der Neubekanntmachung orientiert, lässt sich anhand der folgenden Beispiele festmachen. (a) Berichtigung des Gesetzestextes Die Exekutive kann gem. § 61 Abs. 3 S. 2 GGO Druckfehler und andere offenbare Unrichtigkeiten grundsätzlich formlos im Bundesgesetzblatt behe616 Ablehnend ebenfalls Herberger, jur-pc 1993, 2256 (2259); wohl auch Schneider, der jedoch in Rn. 686 eine Heilung einer fehlerhaften Neubekanntmachung durch die ausdrückliche Anerkennung in einem späteren Änderungsgesetz für möglich hält; siehe dazu unten S. 229. 617 HdR, Rn. 697.

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F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung

ben.618 Waren die Fehler jedoch schon in der vom Bundespräsidenten ausgefertigten Urschrift oder in der Druckvorlage vorhanden, so darf die Berichtigung nur im Einvernehmen mit dem Bundespräsidialamt und dem Bundeskanzleramt erfolgen (§ 61 Abs. 3 S. 1 GGO). Sollte sogar bereits die vom Bundestag und Bundesrat beschlossene Gesetzesfassung fehlerhaft gewesen sein, so benötigt die Exekutive zusätzlich die vorherige Einwilligung der Präsidenten des Deutschen Bundestages und des Bundesrates (§ 61 Abs. 3 S. 3 i. V. m. Abs. 2 GGO). Die Berichtigung erfolgt durch eine schlichte Mitteilung im Bundesgesetzblatt, in der die fehlerhafte Stelle – in der Regel mittels eines Änderungsbefehls – korrigiert wird. Sie wird mit einem Datum versehen und von einem Beauftragten des zuständigen Bundesministeriums unterzeichnet. Inhaltlich müsste sich die Berichtigung eigentlich immer auf denjenigen Rechtsetzungsakt beziehen, der fehlerhaft verkündet wurde, im Falle einer fehlerhaften Urfassung also auf das Stammgesetz und im Falle eines fehlerhaften Änderungsbefehls auf das Änderungsgesetz. Beispiel: Durch die Berichtigung des Gesetzes zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben vom 9. Mai 2007619 wird nur das gleichnamige Änderungsgesetz (das Gesetz zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben vom 9. Dezember 2006)620 korrigiert, nicht dagegen die durch dieses Gesetz geänderten Stammgesetze (z. B. das Bundesfernstraßengesetz oder das Bundeswasserstraßengesetz).

Eine etwas andere Vorgehensweise lässt sich allerdings dann beobachten, wenn ein Stammgesetz in der Zwischenzeit neu bekannt gemacht worden ist. Da sich in diesem Fall der Fehler eines Änderungsgesetzes in der Regel in dem Neufassungstext fortsetzt, wird von diesem Zeitpunkt an grundsätzlich nur noch das Stammgesetz in der Fassung der Neubekanntmachung und nicht mehr das an sich ursächliche und damit ebenfalls korrekturbedürftige Änderungsgesetz berichtigt. Beispiel: Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Vereinfachung, Neugliederung und Reform des Mietrechts (Mietrechtsreformgesetz) vom 19. Juni 2001621 hatte einen § 558d in das BGB eingefügt, dessen Abs. 2 Satz 2 folgendermaßen lautete: „Dabei kann eine Stichprobe oder die Entwicklung des vom Statistischen Bundesamtes ermittelten Preisindexes für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland zugrunde gelegt werden.“622 618

Zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Berichtigung siehe noch genauer unten S. 172 ff. 619 BGBl. I 2007, 691. 620 BGBl. I 2006, 2833. 621 BGBl. I 2001, 1149. 622 BGBl. I 2001, 1149 (1155); Fettdruck vom Verfasser hinzugefügt.

III. Untersuchung mit Lösungsvorschlag

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Dem Gesetzgeber ist jedoch ein grammatikalischer Fehler unterlaufen, denn anstatt „Bundesamtes“ hätte es korrekterweise „Bundesamt“ heißen müssen. Dieser Fehler wurde durch die Neubekanntmachung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 2. Januar 2002 übernommen,623 kurz darauf jedoch durch Nr. 2 b) der Berichtigung der Bekanntmachung der Neufassung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 18. Juli 2002 behoben,624 allerdings nicht – wie vielleicht zu erwarten gewesen wäre – in dem für den Fehler ursächlichen Mietrechtsreformgesetz, sondern nur in dem Neufassungstext des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Das spricht dafür, dass die Exekutive letzteren nunmehr anscheinend als die allein „maßgebliche“ Gesetzesfassung ansah, eine zusätzliche Berichtigung der davor liegenden Änderungsgesetze mithin nicht mehr für erforderlich hielt.

Würde die Exekutive davon ausgehen, dass es sich bei der Neubekanntmachung lediglich um einen informatorischen Akt handelt, so müsste sie zumindest auch das fehlerhafte Änderungsgesetz korrigieren, weil eine Berichtigung der Neubekanntmachung zwar aus Gründen der Klarstellung geboten sein könnte, jedoch keine Auswirkungen auf den geltenden Gesetzestext haben würde, der sich ja weiterhin ausschließlich aus dem konstitutiven, aber fehlerhaften Änderungsgesetz ergäbe. Eine bloße Berichtigung der Neubekanntmachung wäre demnach in etwa genauso nutzlos, als würde man einen Rechtschreibfehler nur in dem Ausdruck einer Textdatei berichtigen, nicht aber in der Textdatei selbst, mit der Folge, dass der gleiche Fehler in einem späteren Ausdruck erneut auftauchen wird. Daneben gibt es aber auch noch solche Textfehler, die nicht auf der ursprünglichen Verkündung oder auf einem späteren Änderungsgesetz, sondern auf der Neubekanntmachung selbst beruhen. In diesem Fall empfiehlt sich bereits aus Klarstellungsgründen – unabhängig von der genauen rechtlichen Einordnung der Neubekanntmachung – eine unverzügliche Berichtigung im Bundesgesetzblatt.625 Dabei fällt jedoch auf, dass die Exekutive diese Fehler regelmäßig in dem gleichen Berichtigungsakt korrigiert wie die auf einem förmlichen Gesetz beruhenden Fehler.626 Sie differenziert 623

Siehe BGBl. I 2002, 42 (141). BGBl. I 2002, 2909. 625 Siehe dazu bereits oben S. 103. 626 So wurden etwa in der in dem obigen Beispiel genannten Berichtigung der Neubekanntmachung des Bürgerlichen Gesetzbuchs auch zahlreiche Fehler behoben, die erst durch die Neubekanntmachung entstanden sind, z. B. in Nr. 2 a), die den § 311 II Nr. 2 BGB berichtigt, welcher durch Art. 1 Abs. 1 Nr. 13 des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I 2001, 3137 [3148]) in das BGB eingefügt worden war, jedoch durch die Neubekanntmachung versehentlich mit der nachfolgenden Nr. 3 zu einer einzigen Nummer verschmolzen wurde; siehe auch die Berichtigung der Bekanntmachung der Neufassung des Pflanzenschutzgesetzes vom 16. Juni 1998 (BGBl. I 1998, 1527), die unter Nr. 2 a) einen Fehler der Neubekanntmachung, unter Nr. 2 b) hingegen den Fehler eines früheren Änderungsgesetzes korrigiert. 624

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F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung

hier offensichtlich nicht genau nach der Fehlerursache, sondern scheint die ministerielle Neufassung vielmehr als eine Art universelle Korrekturvorlage zu benutzen, anhand derer sie grundsätzlich alle Fehler berichtigen kann, unabhängig davon, ob diese nun einem vorherigen Gesetz oder aber der Neubekanntmachung selbst entstammen. Diese Praxis deutet ebenfalls darauf hin, dass sie den Neufassungstext nicht nur als einen informatorischen, sondern als den maßgeblichen Gesetzestext anerkennt und deshalb auch nur noch diese Gesetzesfassung für berichtigungsbedürftig hält. Damit setzt sie sich allerdings teilweise in Widerspruch zu den Vorgaben des Handbuchs der Rechtsförmlichkeit, nach welchem „zunächst für das Änderungsgesetz oder die Änderungsverordnung das Berichtigungsverfahren nach § 61 GGO durchzuführen“ ist, bevor die bekannt gemachte Neufassung berichtigt wird.627 (b) Zitierweise in Rechtsverordnungen Ein weiterer Hinweis auf den praktischen Umgang der Exekutive mit der Neubekanntmachung könnte sich aus der Eingangsformel der Rechtsverordnungen ergeben. Darin wird die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage, auf der die Rechtsverordnung beruht, genannt und somit dem Zitiergebot aus Art. 80 Abs. 1 S. 3 GG entsprochen,628 welches vor allem gewährleisten soll, dass der Wortlaut der Ermächtigungsnorm für die Rechtsadressaten leicht auffindbar und eindeutig zu ermitteln ist.629 Deshalb ist die Ermächtigungsnorm so genau wie möglich zu bezeichnen, wobei nach der mittlerweile herrschenden Meinung deren Fundstelle im Bundesgesetzblatt nicht mit angegeben werden muss.630 In der Praxis wird das jedoch – m. E. zu Recht – überwiegend noch so gemacht.631 Dabei werden, wenn die Ermächtigungsnorm nach ihrer Verkündung geändert wurde, neben dem Stammgesetz auch die entsprechenden Änderungsgesetze mit zitiert,632 es sei denn, das Stammgesetz ist in der Zwischenzeit neu bekannt gemacht worden. In 627

HdR, Rn. 895. Siehe HdR, Rn. 780. 629 BVerfGE 101, 1 (42); v. Mangoldt/Klein/Starck – Brenner, Art. 80 Abs. 1, Rn. 48; v. Münch/Kunig – Bryde, Art. 80, Rn. 24; siehe auch HdR, Rn. 786. 630 BVerwG, NJW 1983, 1922; Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 80, Rn. 16; Sachs – Lücke/Mann, Art. 80, Rn. 29; v. Mangoldt/Klein/Starck – Brenner, Art. 80 Abs. 1, Rn. 43; Schmidt-Bleibtreu/Klein – Sannwald, Art. 80, Rn. 83; Dreier – Bauer, Art. 80, Rn. 44, obwohl er eine Nennung der Fundstelle für „verfassungspolitisch wünschenswert“ hält; a. A. BK – Nierhaus, Art. 80 Abs. 1, Rn. 324, der eine entsprechende Pflicht annimmt. 631 So im Übrigen auch die Forderung des HdR, Rn. 787. 632 Siehe dazu die ausführlichen Erläuterungen im HdR, Rn. 788 ff. 628

III. Untersuchung mit Lösungsvorschlag

151

diesem Fall wird nur noch auf die Neubekanntmachung des Ermächtigungsgesetzes verwiesen.633 Auch wenn die Angabe der Fundstelle im Bundesgesetzblatt keinen verfassungsrechtlich zwingenden Hinweis enthalten sollte, so lässt sich aus der Zitierpraxis doch zumindest schließen, dass die Exekutive eine Herleitung und Nachprüfung ihres Ermächtigungsrahmens anhand der ministeriellen Neufassung der Ermächtigungsnorm für vollkommen ausreichend hält. (3) Handhabung durch die Judikative Schließlich bleibt noch zu untersuchen, wie die dritte Gewalt im Staate, sprich die Judikative, mit der Neubekanntmachung umgeht. Während die rechtliche Auseinandersetzung bereits oben anhand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dargestellt wurde,634 geht es nun um die praktische Anwendung dieser von der Exekutive im Bundesgesetzblatt veröffentlichten Gesetzesfassung. Auch hierbei soll das Hauptaugenmerk wieder auf der Handhabung durch das Bundesverfassungsgericht liegen. (a) Zitierweise im Tenor Zunächst ist zu klären, ob und wann das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungsformeln auf die Neubekanntmachung Bezug nimmt. Das ist vor allem deshalb interessant, weil bestimmte Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gem. § 31 Abs. 2 S. 1 und 2 BVerfGG Gesetzeskraft erlangen, insbesondere diejenigen, durch die ein Gesetz als mit dem Grundgesetz vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt wird.635 Die entsprechenden Entscheidungsformeln werden zudem gem. § 31 Abs. 2 S. 3 BVerfGG im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, wie z. B. der folgende Tenor eines Beschluss des Zweiten Senats vom 20. März 2007 – 2 BvL 11/04 –: 633 So z. B. in der Eingangsformel der Elften Verordnung zur Änderung der Erholungsurlaubsverordnung vom 27. April 2007 (BGBl. I 2007, 604): „Auf Grund des § 89 Abs. 1 Satz 2 des Bundesbeamtengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. März 1999 (BGBl. I S. 675) in Verbindung mit § 46 des Deutschen Richtergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. April 1972 (BGBl. I S. 713) verordnet die Bundesregierung: . . .“ Oder in der Ersten Verordnung über Ausnahmen von den Vorschriften der Fahrzeug-Zulassungsverordnung vom 20. Juni 2008 (BGBl. I 2008, 1091): „Aufgrund des § 6 Abs. 3 des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919) verordnet das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung nach Anhörung der zuständigen obersten Landesbehörden: . . .“ 634 Siehe oben S. 105 ff. 635 Siehe dazu bereits oben S. 96.

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F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung

„§ 5 Absatz 3 Satz 1 des Gesetzes über die Versorgung der Beamten und Richter in Bund und Ländern (Beamtenversorgungsgesetz – BeamtVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. März 1999 (Bundesgesetzblatt I S. 322) ist mit Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig.“636

Das Bemerkenswerte an dem Tenor ist, dass das Bundesverfassungsgericht in ihm auf eine Neubekanntmachung verweist, um anhand dieser eine Vorschrift des Beamtenversorgungsgesetzes für nichtig zu erklären. Überspitzt könnte man behaupten, dass das Bundesverfassungsgericht damit eine ohnehin schon rechtlich irrelevante Gesetzesfassung für nichtig erklärt, die eigentliche Rechtsnorm dagegen in Kraft gelassen hat. Wäre das Bundesverfassungsgericht nämlich davon ausgegangen, dass die Neubekanntmachung lediglich ein unverbindlicher Informationsakt ist, so hätte es seine Nichtigerklärung konsequenterweise nicht auf diesen, sondern auf den verfassungswidrigen Rechtsetzungsakt bezogen, den Tenor also folgendermaßen formulieren müssen: § 5 Absatz 3 Satz 1 des Gesetzes über die Versorgung der Beamten und Richter in Bund und Ländern (. . .) in der Fassung von Art. 6 Nr. 4 b) aa) des Versorgungsreformgesetzes vom 29. Juni 1998 (Bundesgesetzblatt I S. 1666) ist mit Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig.

Denn schließlich hat Art. 6 Nr. 4 b) aa) des Versorgungsreformgesetzes den verfassungswidrigen Satz 1 in § 5 Abs. 3 BeamtVG eingefügt, der anschließend in der Neubekanntmachung lediglich wortgetreu wiedergegeben wurde. Dass das Bundesverfassungsgericht aber trotzdem nur auf die später veröffentlichte Neubekanntmachung, nicht jedoch (auch) auf das konstitutive Änderungsgesetz verweist, könnte ein Hinweis darauf sein, dass es die Neufassung, wenn auch nicht unbedingt als Rechtsetzungsakt, so doch zumindest als die nunmehr maßgebliche Gesetzesfassung anerkennt.637 Etwas differenzierter hat sich das Bundesverfassungsgericht dagegen in dem Tenor eines Beschlusses vom 7. November 2006 – 1 BvL 10/02 – ausgedrückt, wo es heißt: „§ 19 Absatz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes vom 17. April 1974 (Bundesgesetzblatt I Seite 933) in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Februar 1997 (Bundesgesetzblatt I Seite 378) ist in allen seinen seitherigen Fassungen mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes insofern unvereinbar, als er . . .“.638

Hier hat das Bundesverfassungsgericht zwar neben der Neubekanntmachung auch noch die Fundstelle der Erstverkündung mit angegeben, entscheidend ist jedoch, dass es alle seit der ministeriellen Neufassung ver636

BGBl. I 2007, 605. Siehe auch die Entscheidungen des BVerfG vom 27. Oktober 1999 – 1 BvR 385/90 – (BGBl. I 2000, 54) und vom 11. Februar 2003 – 1 BvR 1972/00, 1 BvR 70/01 – (BGBl. I 2003, 455). 638 BGBl. I 2007, 194. 637

III. Untersuchung mit Lösungsvorschlag

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öffentlichten Gesetzesfassungen für mit dem Grundgesetz unvereinbar hält. Die Neubekanntmachung ist damit also selbst eine dieser verfassungswidrigen Gesetzesfassungen. Es gibt aber auch viele Entscheidungsformeln, in denen das Bundesverfassungsgericht nur auf die Urfassung oder auf ein bestimmtes Änderungsgesetz verweist. Das liegt in der Regel daran, dass entweder noch keine Neubekanntmachung zu dem betroffenen Stammgesetz existierte639 oder die verfassungswidrige Norm in der letzten Neubekanntmachung bereits nicht mehr640 oder noch nicht641 enthalten war. Allerdings kommt es auch immer mal wieder vor, dass in dem Tenor nur auf die Urfassung verwiesen wird, obwohl eine Neubekanntmachung inklusive der verfassungswidrigen Norm vorhanden ist,642 oder auf eine Angabe der Fundstelle im Bundesgesetzblatt ganz verzichtet wird.643 Insgesamt scheint die Praxis des Bundesverfassungsgerichts in dieser Hinsicht noch relativ uneinheitlich und daher nur beschränkt aussagekräftig zu sein. 639

So z. B. bei dem Urteil des BVerfG vom 15. Februar 2006 – 1 BvR 357/05 – (BGBl. I 2006, 466), durch das § 14 Abs. 3 des Luftsicherheitsgesetzes vom 11. Januar 2005 (BGBl. I 2005, 78) für nichtig erklärt wurde; ebenso beim Beschluss vom 19. Januar 1999 – 1 BvR 2161/94 – (BGBl. I 1999, 699), der die §§ 2232, 2233 des Bürgerlichen Gesetzbuches in der Fassung von § 57 Abs. 3 Nr. 6 und 7 des Beurkundungsgesetzes vom 28. August 1969 (BGBl. I 1969, 1513 [1522]) für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt. 640 So z. B. bei dem Beschluss des BVerfG vom 21. Juni 2006 – 2 BvL 2/99 – (BGBl. I 2006, 1857), wo der für nichtig erklärte § 32c EStG in der Neubekanntmachung des Einkommensteuergesetzes vom 19. Oktober 2002 (BGBl. I 2002, 4210) bereits nicht mehr enthalten war. 641 So z. B. bei dem Beschluss des BVerfG vom 13. Juni 2007 – 1 BvR 1550/03, 1 BvR 2357/04, 1 BvR 603/05 – (BGBl. I 2007, 1673), welcher auf das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I 2003, 2928) verweist, das in seinem Art. 2 den verfassungswidrigen § 93 Abs. 8 in die Abgabenordnung eingefügt hat, ohne die vorherige Neubekanntmachung der Abgabenordnung vom 1. Oktober 2002 (BGBl. I 2002, 3866) zu erwähnen, die die entsprechende Vorschrift noch nicht enthielt. 642 So z. B. der Beschluss des BVerfG vom 17. April 2008 – 2 BvL 4/05 – (BGBl. I 2008, 1100), der auf die Urfassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes vom 17. April 1974 (BGBl. I 1974, 933) verweist, obwohl das Gesetz am 27. Februar 1997 (BGBl. I 1997, 378) mit dem wortgleichen § 13 Abs. 1 Nr. 18 neu bekannt gemacht worden war; ebenso der Beschluss des BVerfG vom 11. Juli 2006 – 1 BvR 293/05 – (BGBl. I 2006, 2665), der auf die Urfassung des Asylbewerberleistungsgesetzes vom 30. Juni 1993 (BGBl. I 1993, 1074) verweist, obwohl das Gesetz mit dem unveränderten § 7 Abs. 1 S. 1 am 5. August 1997 (BGBl. I 1997, 2022) neu bekannt gemacht worden war. 643 So z. B. bei den Urteilen des BVerfG vom 20. März 2002 – 2 BvR 794/95 – (BGBl. I 2002, 1340), vom 18. Februar 2004 – 1 BvR 193/97 – (BGBl. I 2004, 431), vom 28. Februar 2007 – 1 BvL 5/03 – (BGBl. I 2007, 350) und vom 20. Dezember 2007 – 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04 – (BGBl. I 2008, 27).

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F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung

(b) Zitierweise in den Urteilsgründen Daneben zitiert das Bundesverfassungsgericht die Gesetzesfassung der Neubekanntmachung regelmäßig auch in seinen Urteilsgründen („in der Fassung der Bekanntmachung vom“).644 In mehreren Entscheidungen spricht es dabei sogar ausdrücklich von der geltenden oder gültigen Gesetzesfassung: „Für die Veranlagungsjahre 1983 und 1984 galt die Regelung des § 32 Abs. 3 und Abs. 4 EStG i. d. F. der Bekanntmachung der Neufassung des Einkommensteuergesetzes vom 24. Januar 1984 (BGBl I S. 113): [. . .]“645 „Die Vorschrift wurde durch das Erste Gesetz zur Förderung des Kapitalmarkts vom 15. Dezember 1952 (BGBl I S. 793) eingeführt und hatte in ihrer zuletzt gültigen Fassung, der Bekanntmachung der Neufassung des Einkommensteuergesetzes vom 7. September 1990 (BGBl I S. 1898), folgenden Wortlaut: [. . .]“646 „Die für den geplanten Vorgang einschlägige Regelung des § 14 Abs. 1 VAG lautete in der seinerzeit geltenden Fassung der Bekanntmachung des Versicherungsaufsichtsgesetzes vom 17. Dezember 1992 (BGBl 1993 I S. 2) wie folgt: [. . .]“647 „§ 12 FAG lautete in der seit 1. Juli 1989 geltenden Fassung (Bekanntmachung der Neufassung des Gesetzes über Fernmeldeanlagen vom 3. Juli 1989, BGBl I S. 1455): [. . .]“648

Die Verwendung dieser Ausdrucksweise im Zusammenhang mit der Neubekanntmachung sowie die damit teilweise verbundene wörtliche Zitierung des Neufassungstextes deuten darauf hin, dass die Verfassungsrichter den Wortlaut der Neubekanntmachung zumindest in gewisser Hinsicht für verbindlich erachten und deshalb häufig zu ihrer primären Argumentationsgrundlage machen. Zudem werden die Leser in den Urteilsgründen ausschließlich auf die Fassung der Neubekanntmachung verwiesen, was aus Gründen der Verständlichkeit zu begrüßen, aus formaljuristischen Gründen jedoch zu kritisieren ist, falls es sich hierbei tatsächlich nur um einen rechtlich unbedeutenden Informationsakt handeln sollte. Denn in diesem Fall wäre es angebracht, zumindest auch auf die verbindlichen Fundstellen im Bundesgesetzblatt hinzuweisen. Die oben beschriebene Zitierweise lässt sich im Übrigen gleichermaßen in den Urteilen aller anderen Gerichtszweige und -instanzen wiederfinden. 644 Siehe z. B. BVerfGE 115, 118 (120), wo die Verfassungsrichter zur Definition des Begriffs „Luftfahrzeug“ auf „§ 1 Abs. 2 des Luftverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. März 1999, BGBl. I S. 550“ verweisen. 645 BVerfGE 99, 216 (222); Kursivdruck durch den Verfasser hinzugefügt. 646 BVerfGE 105, 17 (18); Kursivdruck durch den Verfasser hinzugefügt. 647 BVerfGE 114, 1 (14); Kursivdruck durch den Verfasser hinzugefügt. 648 BVerfGE 107, 299 (300); Kursivdruck durch den Verfasser hinzugefügt.

III. Untersuchung mit Lösungsvorschlag

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cc) Zusammenfassung Die empirische Auswertung der Arbeitsweise der verschiedenen Staatsorgane mit der Neubekanntmachung von Gesetzen hat ergeben, dass diese in vielerlei Hinsicht wie das formelle Gesetz selbst behandelt wird. Das äußert sich z. B. darin, dass in den meisten rechtsrelevanten Akten nur noch die neu bekannt gemachte Gesetzesfassung zitiert wird, insbesondere durch Verweisung auf deren Fundstelle im Bundesgesetzblatt. Außerdem bildet sie den formellen Anknüpfungspunkt für alle nachfolgenden Änderungen des Gesetzestextes, sei es durch ein Änderungsgesetz oder durch eine Berichtigung. Bereits diese Beobachtungen lassen sich nur schwer mit der Auffassung einer rein informatorischen Neubekanntmachung vereinbaren. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber die Exekutive gelegentlich zu bestimmten redaktionellen Textanpassungen im Rahmen der Neubekanntmachung ermächtigt, um sich von diesen eher verwaltungstechnischen Aufgaben zu entlasten. Verstünde man die Neubekanntmachung in dieser Situation als einen unverbindlichen Informationsakt, so müsste der Gesetzgeber diese Textanpassungen noch einmal selbst vornehmen, um sie dauerhaft in den amtlichen Gesetzestext integrieren zu können, was die erweiterte Bekanntmachungserlaubnis letzten Endes ad absurdum führen würde. Insofern ist davon auszugehen, dass die Legislative der Exekutive beschränkte Zugriffsrechte auf den Gesetzestext einräumen möchte. Die Neubekanntmachung soll demnach nicht nur ein Abbild, sondern selbst ein Teil des amtlichen Gesetzestextes sein und somit zugleich wieder als Ausgangspunkt für nachfolgende Textmodifikationen dienen. Wie diese Schlussfolgerungen möglicherweise rechtlich umzusetzen sind, soll im folgenden Abschnitt anhand eines Lösungsmodells dargelegt werden. b) Lösungsvorschlag: Die Neubekanntmachung als Konsolidierungsakt mit relativer Verbindlichkeit Um eine rechtliche Einordnung der Neubekanntmachung vornehmen zu können, muss man sich noch einmal die bisher erarbeiteten Rahmenbedingungen verdeutlichen. Auf der einen Seite ist da der verfassungsrechtliche Rahmen, der es der Legislative verwehrt, die Exekutive zum Erlass konstitutiver Gesetzesneufassungen zu ermächtigen. Auf der anderen Seite steht die bisherige Staatspraxis, die insbesondere den Willen der Legislative zum Ausdruck bringt, die Konsolidierungsarbeit im Wesentlichen der Exekutive zu überlassen. Wie lassen sich diese beiden auf den ersten Blick widersprüchlichen Vorgaben miteinander vereinbaren?

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F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung

Zur Lösung dieses Problems soll im Folgenden ein Modell vorgestellt werden, das auf der in der Rechtsmethodik weitgehend anerkannten Unterscheidung von Normtext und Norminhalt aufbaut (aa). Danach könnte die Neubekanntmachung von Gesetzen eine neue amtliche Normtextgrundlage begründen, die den normativen Inhalt unberührt lässt, diesbezüglich also lediglich deklaratorische Wirkung entfaltet (bb). Auf der formell-textlichen Ebene sind dagegen auch Änderungen des Gesetzeswortlauts möglich. Diese dürfen jedoch keine Auswirkungen auf den Norminhalt haben, weshalb dem Neufassungstext allenfalls eine relative Verbindlichkeit zugeschrieben werden kann (cc). In Abgrenzung zu den konstitutiven Rechtsetzungsakten ist die Neubekanntmachung daher insgesamt als sog. Rechtskonsolidierungsakt zu bewerten (dd). Sie weist einige interessante Ähnlichkeiten, aber auch deutliche Unterschiede zu der ebenfalls von der Exekutive vorzunehmenden Berichtigung von Gesetzestexten auf (ee). aa) Die Unterscheidung von Normtext und -inhalt Der Schlüssel für ein besseres Verständnis der Neubekanntmachung von Gesetzen liegt in der Unterscheidung von Normtext und Norminhalt,649 welche sich aus dem Umstand ergibt, dass alle Gesetze nach dem Grundgesetz schriftlich zu publizieren sind,650 der Gesetzgeber seinen Willen also in Worte fassen muss.651 Dementsprechend unterscheidet auch Maurer zwischen der Rechtsquelle, also der „Form, in der das Recht zur Entstehung gelangt und erkennbar in Erscheinung tritt“, und dem Inhalt, der eigentlichen Rechtsnorm.652 Diese Differenzierung kam auch schon in den eingangs besprochenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Vorschein,653 das die Neubekanntmachung als „deklaratorische Klarstellung des Gesetzestextes“ bezeichnet hat, die „den rechtlich erheblichen Inhalt des Gesetzes und mit ihm seine Identität nicht berührt“.654 Dahinter steht die Überlegung, aus Gründen der Rechtsklarheit eine Neufassung des Gesetzestextes durch die Exekutive – gegebenenfalls verbunden mit kleineren Anpassungen – zuzulassen, soweit sie den normativen Inhalt nicht berührt. Demzufolge könnte man zwischen einer grundsätzlich zulässigen Konsolidierung des Gesetzes649

Siehe dazu Adamovich/Funk/Holzinger, Rn. 03.001; Spielmann, S. 31 m. w. N. Vgl. Franz, ZG 2008, 140 (162 f.). 651 Vgl. Brandner, Gesetzesänderung, S. 19. 652 Maurer, VerwR, § 4, Rn. 3 f. 653 Siehe oben S. 105 ff. 654 BVerfGE 18, 389 (391); vgl. auch E 17, 364 (368 f.); E 22, 1 (14); Kursivdruck vom Verfasser hinzugefügt. 650

III. Untersuchung mit Lösungsvorschlag

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textes (also ohne Inhaltsänderung) und einer verfassungsrechtlich verbotenen Rechtsetzung (d.h. mit Inhaltsänderung) unterscheiden.655 Dazu müsste aber zunächst einmal geklärt werden, in welchem Verhältnis der im Bundesgesetzblatt veröffentlichte Gesetzestext und der Gesetzesinhalt zueinander stehen, insbesondere ob überhaupt eine Textmodifikation denkbar ist, die keine Auswirkungen auf den inhaltlichen Aussagegehalt der betroffenen Rechtsnorm hat. Eine mögliche Antwort auf dieses Problem findet man in der Rechtsmethodik, die sich bereits intensiv mit der Beziehung von Normtext und -inhalt auseinandergesetzt hat und somit auch mit der Frage, wie sich aus einer bloßen Aneinanderreihung von Buchstaben und Zahlen, sprich dem Gesetzestext, der dahinter stehende Sinn und Zweck, sprich der Gesetzesinhalt, ermitteln lässt (sog. juristische Semantik). Dabei werden verschiedene Ansätze vertreten, die jeweils eine unterschiedliche Auffassung vom Verhältnis zwischen Normtext und -inhalt erkennen lassen und im Folgenden kurz dargestellt werden sollen. (1) Positivistische Lehre Die positivistische Lehre sieht in dem Gesetzestext die äußere Verkörperung des von dem Gesetzgeber beschlossenen normativen Inhalts. Da der Gesetzgeber zur Kommunikation seines Willens auf das Medium Sprache angewiesen ist, bildet der Gesetzestext eine Art „Träger“656 oder „Behälter“657, mit dem der in ihm niedergelegte Sinn an die Adressaten übermittelt wird. Um die Rechtsnorm anwenden zu können, muss man dementsprechend nur den „in dem Text beschlossenen, aber noch gleichsam verhüllten“ Sinn erkennen und verstehen.658 Dies geschieht durch Auslegung. Allerdings herrschen innerhalb der positivistischen Lehre unterschiedliche Auffassungen über die richtige Auslegungsmethode. (a) Subjektive Theorie Die subjektive Theorie orientiert sich zur Ermittlung des Norminhalts an dem historischen Willen des Gesetzgebers, so wie er zur Zeit der Formulierung des Gesetzestextes bestanden hatte und sich immer noch aus den Motiven und Gesetzesbegründungen entnehmen lässt. Dahinter steht der Ge655 656 657 658

Vgl. BVerfGE 23, 276 (284). Larenz, S. 313. Müller/Christensen/Sokolowski, S. 22; Müller, Aufsätze, S. 72. Larenz, S. 313.

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F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung

danke, dass der Gesetzestext letztlich nur ein Produkt menschlicher Schöpfung sei und deshalb nicht isoliert von den ursprünglichen Absichten und Vorstellungen seiner Autoren betrachtet werden dürfe. Die Gedanken des Verfassers stehen quasi hinter den Zeichen des Normtextes und machen sie erst zu einem sinnvollen Ganzen.659 Für die Auslegungsmethode bedeutet das, dass man nicht ausschließlich an der objektiven Bedeutung des Gesetzestextes festhalten darf, sondern vielmehr den dahinter stehenden Willen des Gesetzgebers erfassen muss. Man muss sich also immer fragen: Wie hätte der frühere Gesetzgeber den Sachverhalt entschieden? Der amtliche Gesetzestext kann daher nur ein erster, wenn auch sehr gewichtiger Anhaltspunkt sein. Um den wahren Gesetzessinn zu ermitteln, ist daneben aber auch ein Rückgriff auf andere Interpretationsmittel, insbesondere auf die das Gesetz betreffenden parlamentarischen Diskussionen, Ausschussberichte und amtlichen Begründungen gestattet, auch wenn diese nicht im Bundesgesetzblatt verkündet worden sind. Der Gesetzestext muss gegebenenfalls dahinter zurücktreten, stellt er nach dieser Theorie doch nur ein Instrument dar, um den wirklichen Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck zu bringen.660 Demzufolge wollen einige Vertreter der subjektiven Theorie sogar so weit gehen, eine Auslegung gegen den ausdrücklichen Gesetzeswortlaut (contra legem) zuzulassen. Dieser sei lediglich ein Indiz, aber eben kein Hindernis für die richtige Auslegung.661 Damit stellt sich natürlich die Frage, welche rechtliche Bedeutung dem Gesetzestext dann noch zukommen soll, wenn er noch nicht einmal mehr die Grenzen einer möglichen Auslegung abstecken kann; die eines „Behälters“ im wahrsten Sinne des Wortes, der eine von ihm gänzlich unabhängige Rechtsnorm vom Verfasser zum Adressaten transportiert? Wenn dem so wäre, ist dieser Behälter dann beliebig austauschbar? Könnte der Normtext also beliebig geändert werden, ohne dass dies irgendwelche Auswirkungen auf den Norminhalt hätte? In diesem Fall wäre es möglich, der Exekutive den Zugriff auf den formellen Gesetzeswortlaut zu gestatten, ohne dass dies den Gesetzesinhalt in irgendeiner Weise beeinflussen könnte. (b) Objektive Theorie Eine rein subjektive Auslegung würde den Gesetzestext teilweise auf ein Transportmedium ohne inhaltlichen Aussagewert reduzieren, was sich wohl kaum mit den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Rechtssicherheit und 659 660 661

Depenheuer, S. 54 f. Vgl. Depenheuer, S. 21. Siehe z. B. Zimmermann, NJW 1956, 1262 (1263).

III. Untersuchung mit Lösungsvorschlag

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Normklarheit vereinbaren ließe.662 Nach dem Grundsatz der formellen Publikation i. V. m. Art. 82 Abs. 1 GG muss der im Bundesgesetzblatt veröffentlichte Gesetzestext die primäre Rechtserkenntnisquelle darstellen.663 Vor allem die juristisch nicht geschulten Rechtsadressaten müssen sich auf den Inhalt der im Bundesgesetzblatt veröffentlichten Gesetzestexte verlassen können.664 Ein Rückgriff auf andere, außerhalb des Bundesgesetzblattes vorhandene Erkenntnisquellen mag vielleicht zur Präzisierung eines teilweise mehrdeutigen Gesetzestextes angebracht sein, darf aber niemals zu seiner völligen Missachtung führen. Abgesehen davon dürfte der Gesetzestext in inhaltlicher Hinsicht den Willen des Gesetzgebers am zuverlässigsten wiedergeben, ist doch das gesamte parlamentarische Gesetzgebungsverfahren letzten Endes auf die Verabschiedung eines bestimmten Normtextes ausgerichtet, der sich nicht selten erst nach kontroversen Debatten und langen Ausschusssitzungen mühsam herauskristallisiert hat. Auch wenn er infolgedessen häufig nur einen Kompromiss enthält und deshalb in vielen Punkten unscharf formuliert sein sollte, so gibt er doch andererseits eindeutige Grenzen vor und schließt bestimmte Regelungsabsichten definitiv aus. Das Bundesverfassungsgericht hat sich deshalb bereits in einer seiner ersten Entscheidungen einem objektiven Auslegungsansatz angeschlossen, wenn es dort vom „objektivierten Willen des Gesetzgebers“ spricht: „Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist. Nicht entscheidend ist dagegen die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung der Bestimmung. Der Entstehungsgeschichte einer Vorschrift kommt für deren Auslegung nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach den angegebenen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die auf dem angegebenen Weg allein nicht ausgeräumt werden können.“665

Die objektive Theorie weist der Rechtsnorm also einen stärkeren Textbezug zu als die subjektive Theorie. Dabei geht auch sie zunächst davon aus, dass die Rechtsnorm über einen vom Gesetzgeber festgelegten normati662 Vgl. Müller/Christensen, Rn. 361d; zur verfassungsrechtlichen Bedeutung der objektiven Wortlautgrenze siehe auch Klatt, S. 22 f. 663 Vgl. Schwacke, S. 74. 664 Das gilt insbesondere im Strafrecht, siehe BVerfGE 73, 206 (234 f.): „Es geht einerseits um den rechtsstaatlichen Schutz des Normadressaten: Jedermann soll vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist.“ 665 BVerfGE 1, 299 (312); siehe auch E 10, 234 (244); E 11, 126 (130 f.); E 18, 38 (45) und E 79, 106 (121).

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F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung

ven Inhalt verfügt. Dieser ist aber nicht anhand der ursprünglichen Verfasserintention, sondern vielmehr losgelöst von dem historischen Kontext in seinem jeweiligen Wirkungsumfeld zu ermitteln. Dabei nimmt die objektive Theorie den Begriff „Rechtsetzung“ wörtlich, indem sie der Rechtsnorm mit ihrer Verabschiedung eine gewisse Eigenständigkeit zuschreibt und sie nicht bloß als Ausdruck eines dahinter stehenden Verfasserwillens betrachtet.666 Dadurch kann die Norm im Laufe der Zeit und im Zuge ihrer Anwendung einen eigenen Willen, den sog. „Gesetzeswillen“ entwickeln.667 Zur Ermittlung des normativen Inhalts ist daher in erster Linie auf die objektive Bedeutung des Normtextes abzustellen. Ein wesentliches Element liefert dabei die Auslegung des Wortlauts (sog. grammatische Auslegung). So hat bereits der Bundesgerichtshof in einem seiner ersten Urteile gefordert, dass alle Auslegung „beim Worte“ anfangen müsse.668 Das beruht auf der Tatsache, dass in unserer Sprache jedem Wort eine oder mehrere objektive Bedeutungen zugeordnet sind. Nur auf Grundlage dieses allgemeinen Sprachverständnisses lässt sich durch die aus einzelnen Buchstaben zusammengesetzten Wörter überhaupt eine inhaltliche Aussage übermitteln. Die grammatische Auslegung stellt also zunächst einmal sicher, dass der Norminhalt mit dem allgemeinen Sprachverständnis übereinstimmt, beispielsweise eine Norm, die von einem „Kraftfahrzeug“ spricht, nicht auch auf Häuser oder Bäume angewendet werden kann. Durch sie wird folglich ein negativer Auslegungsbereich definiert, der nach dem allgemeinen und juristischen Sprachgebrauch auf keinen Fall unter die Norm subsumierbar ist, also jenseits der zulässigen Auslegungsgrenze liegt. Auf der anderen Seite bestimmt sie aber auch einen sog. Auslegungskern, der alle Sachverhalte umfasst, die eindeutig unter die Rechtsnorm fallen (z. B. Kfz = Pkw, Lkw usw.).669 Der Wortlaut der Norm kann jedoch häufig nur eine äußere und innere Auslegungsgrenze vorgeben.670 Dazwischen liegt in der Regel noch ein weites Feld von Sachverhalten, die von dem Wortlaut weder ausdrücklich 666 Hatz, S. 28 ff., der deshalb einen Rückgriff auf andere Gesetzesmaterialien als den amtlichen Gesetzestext konsequenterweise ablehnt. 667 Siehe dazu grundlegend Radbruch, S. 206 ff.; anschaulich auch Meyer, S. 25: „Allein die Absichten und Ansichten der Minister, der Kommissionen etc. etc. sind rechtlich vollkommen gleichgültig. Diese mögen das Gesetz als ihr Kind betrachten, aber es ist das emanzipirte Kind, welches seinen eignen Willen hat, möglicher Weise den ihren Absichten entgegengesetzten.“ Larenz, S. 319, sieht in dem Ausdruck „Wille des Gesetzes“ dagegen eine „ungerechtfertigte Personifizierung des Gesetzes“ und spricht deshalb lieber von dem „normativen Sinn des Gesetzes“. 668 BGHSt 3, 259 (262). 669 Schmalz, Rn. 235; Herberger/Koch, JuS 1978, 810 (812), sprechen von „positiven“ und „negativen Kandidaten“. 670 Siehe Koch/Rüßmann, S. 191 ff.

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ein- noch ausgeschlossen werden (z. B. Kfz = Motorrad, Fahrrad, elektrischer Rollstuhl?).671 Zur Ermittlung des richtigen Gesetzesinhalts ist daher neben dem allgemeinen Wortsinn auch die Stellung der einzelnen Wörter und Sätze im Gesetzestext, also ihr systematischer Kontext zu berücksichtigen (sog. systematische Auslegung). Außerdem enthalten viele Gesetze eigene Definitionen (zum Kfz siehe z. B. § 1 Abs. 2 StVG) sowie Aussagen zum Sinn und Zweck, die natürlich ebenfalls bei der Bestimmung des normativen Inhalts zu beachten sind. Sie stehen zur grammatischen Auslegung im Verhältnis gegenseitiger Ergänzung, weshalb sich das Bundesverfassungsgericht in Ausnahmefällen sogar schon mit Hilfe von systematischen oder teleologischen Argumenten über den eigentlichen Wortlaut einer Norm hinweggesetzt hat.672 Da aber auch diese Auslegungsmethoden letzten Endes an dem formellen Gesetzestext und dessen sprachlicher Bedeutung anknüpfen, sind sie gleichermaßen dem objektiven Ansatz zuzurechnen.673 Die objektive Auslegungsmethode erweist sich insgesamt als sehr flexibel, denn sie kann sich im Unterschied zur historischen Interpretation den aktuellen Gegebenheiten besser anpassen.674 Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass sich mit der Wandlung des allgemeinen Textverständnisses und der Weiterentwicklung des Sprachgebrauchs auch der objektive Gesetzesinhalt entsprechend mit verändert, so dass er schließlich auch solche Fälle zu erfassen vermag, an die der Gesetzgeber ursprünglich noch gar nicht gedacht hatte. 671 Vgl. Zippelius, S. 46 f., der in diesem Zusammenhang von einem „Bedeutungsspielraum“ spricht. 672 Siehe z. B. BVerfGE 8, 210 (221): „Die Interpretation dient vielmehr der legitimen richterlichen Aufgabe, den Sinn einer Gesetzesbestimmung aus ihrer Einordnung in die gesamte Rechtsordnung zu erforschen, ohne am Wortlaut des Gesetzes zu haften.“ BVerfGE 35, 263 (278 f.): „Am Wortlaut einer Norm braucht der Richter aber nicht haltzumachen. Seine Bindung an das Gesetz (Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG) bedeutet nicht Bindung an dessen Buchstaben mit dem Zwang zu wörtlicher Auslegung, sondern Gebundensein an Sinn und Zweck des Gesetzes. Die Interpretation ist Methode und Weg, auf dem der Richter den Inhalt einer Gesetzesbestimmung unter Berücksichtigung ihrer Einordnung in die gesamte Rechtsordnung erforscht, ohne durch den formalen Wortlaut des Gesetzes begrenzt zu sein (. . .). Zur Erfassung des Inhalts einer Norm darf sich der Richter der verschiedenen, insbesondere der systematischen und der teleologischen Auslegungsmethoden gleichzeitig und nebeneinander bedienen. Sie stehen zur grammatischen Auslegung im Verhältnis gegenseitiger Ergänzung.“ BVerfGE 97, 186 (196): „Eine Auslegung gegen den Wortlaut einer Norm ist aber nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn andere Indizien deutlich belegen, daß ihr Sinn im Text unzureichend Ausdruck gefunden hat.“ Anders hingegen im Strafrecht, wo das Bundesverfassungsgericht die Wortlautgrenze als absolut verbindlich ansieht; siehe die Entscheidungen in Fn. 676. 673 Siehe Zippelius, S. 50 ff. 674 Vgl. Depenheuer, S. 26.

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Der entscheidende Vorteil der objektiven Theorie liegt jedoch in der erhöhten Rechtssicherheit, die durch die strengere Textbindung den Betroffenen zuteil wird. Sie können sich darauf verlassen, dass sich der normative Inhalt ausschließlich aus dem verkündeten Gesetzestext entnehmen lässt. So ist insbesondere eine Auslegung entgegen dem klaren objektiven Wortsinn unter Rückgriff auf außerhalb des Gesetzestextes angelegte (vermeintliche) Motive oder Absichten des Gesetzgebers ausgeschlossen,675 was vor allem im Strafrecht von grundlegender Bedeutung ist.676 Allerdings liegt hierin auch zugleich der Schwachpunkt einer zu strengen objektiven Auslegung, denn oftmals ist das Medium Sprache einfach nicht präzise genug, um darin eine allgemeingültige und dennoch eindeutige Aussage unterzubringen.677 In vielen Fällen wird es daher kaum möglich sein, dem Gesetzestext eine objektiv wahre Bedeutung zu entnehmen, ohne nicht auch mit einem Auge auf die vom Gesetzgeber ursprünglich gefassten Intentionen zu schielen. Dafür ist die Sprache zu vielschichtig und ihr Verstehen zu subjektiv geprägt. Deshalb wird man zumindest innerhalb der durch die objektive Auslegung vorgegebenen Grenzen eine hilfsweise Berücksichtigung von subjektiven Absichten und Motiven zulassen dürfen.678 Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht auch diese Möglichkeit unter die objektive Voraussetzung gestellt, dass der Wille des Gesetzgebers „in dem Gesetz selbst einen hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden hat“.679 Noch deutlicher hat es das Bundesverwaltungsgericht formuliert: „Es können von der Rechtsprechung angesichts ihrer Bindung an Gesetz und Recht [. . .] bei der Auslegung und Anwendung der Gesetze nämlich nur diejeni675 Larenz, S. 322 ff.; Schmalz, Rn. 236; Schwacke, S. 74 f.; Zippelius, S. 61; Herberger/Koch, JuS 1978, 810 (813); Brandner/Uwer, DÖV 1993, 107 (111); Meier-Hayoz, S. 42; siehe auch die Zusammenfassung bei Depenheuer, S. 25 ff. 676 Siehe z. B. BVerfGE 105, 135 (157); E 110, 226 (248): „Im Strafrecht kommt freilich der grammatikalischen Auslegung eine besondere Bedeutung zu, weil der mögliche Wortsinn einer Vorschrift der Auslegung mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG eine Grenze zieht, die nicht überschritten werden darf (. . .).“ Ähnlich bereits BVerfGE 71, 108 (115); E 73, 206 (235); E 85, 69 (73); E 87, 209 (224); E 92, 1 (12): „Da Gegenstand der Auslegung gesetzlicher Bestimmungen immer nur der Gesetzestext sein kann, erweist dieser sich als maßgebendes Kriterium: Der mögliche Wortsinn des Gesetzes markiert die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation.“ Siehe auch BGH, NJW 2007, 524 (525): „Der mögliche Wortsinn des Gesetzes markiert die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Auslegung, wobei dieser aus der Sicht des Normadressaten – also grundsätzlich nach dem allgemeinen Sprachverständnis der Gegenwart – zu bestimmen ist.“ 677 Vgl. Schwacke, S. 74; Müller/Christensen/Sokolowski, S. 22 ff. 678 Siehe z. B. Larenz, S. 316 ff., der für eine sog. „Vereinigungstheorie“ plädiert. 679 BVerfGE 11, 126 (130).

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gen Motive und Vorstellungen des Gesetzgebers berücksichtigt werden, die im Wortlaut des Gesetzes ihren Niederschlag gefunden haben; jede Auslegung des Gesetzes findet ihre absolute Schranke dort, wo der klare Wortlaut ihr entgegensteht.“680

Die überwiegende Meinung plädiert also „mit Rücksicht darauf, dass die Bundesrepublik Deutschland eine geschriebene Verfassung hat und diese Verfassung die Rechtsordnung dieses Staates als geschriebene vorsieht, [. . .] dem sprachlichen Gehalt des Textes (Wortsinn) Vorrang vor sprachlichen Setzungen zu geben, die im Lichte der gesetzgeberischen Zweckvorstellungen vorgenommen werden können“.681 Das bedeutet für den Norminhalt, dass sich dieser in erster Linie aus der objektiven Bedeutung des Normtextes, wie sie sich aus der Auslegung des Wortlautes unter Berücksichtung von systematischen und teleologischen Gesichtspunkten ergibt, ableitet. Dementsprechend besteht die Gefahr, dass jede Veränderung des amtlichen Gesetzestextes zugleich die objektiven Auslegungsgrenzen verschiebt und damit zu einer Modifizierung des normativen Inhalts beiträgt. Andererseits ist es aber auch möglich, durch eine vorsichtige Modifizierung einzelner Textstellen den Gesetzeswortlaut an die gewandelten sprachlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten anzupassen, ohne die inhaltliche Bedeutung zu verändern. In einem solchen Fall würde lediglich eine formelle Änderung des Normtextes vorliegen, nicht jedoch zugleich ein materieller Rechtsetzungsakt. Allerdings ist der Rahmen für solche inhaltsneutralen Normtextmodifikationen aufgrund der engen Beziehung zwischen Normtext und -inhalt relativ eng bemessen. (2) Strukturierende Rechtslehre Eine ganz andere Herangehensweise an die Ermittlung des normativen Inhalts wählt die sog. Strukturierende Rechtslehre.682 Sie kritisiert, dass die positivistischen Theorien die juristische Textarbeit auf einen bloßen Erkenntnisvorgang reduzieren, unabhängig davon, ob es nun darum gehe, den subjektiven Verfasserwillen oder den objektiven Gesetzeswillen zu ermitteln. In beiden Fällen diene die Auslegung nur dem Auffinden einer schon vorhandenen Antwort, die sich im sprachlichen Dickicht verborgen halte und mittels der richtigen Methoden ans Licht geholt werden müsse. Insbesondere der Richter werde dadurch zum bloßen Sprachrohr des Gesetzgebers degradiert. Diese Auffassung entspreche aber nicht der Realität und unterschätze die Rolle der Judikative. Diese forme und konkretisiere den Inhalt der Ge680 681 682

BVerwGE 90, 265 (269). Koch/Rüßmann, S. 182; vgl. auch Larenz, S. 345; a. A. Wank, S. 53. Insbesondere vertreten von Müller/Christensen, Rn. 158 ff.

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setze nämlich vielmehr selbst, auch wenn sie dabei häufig nur vorgebe, eine bereits existierende Rechtsnorm „erkannt“ zu haben. Der Richter sei der eigentliche Herr über die Rechtsnormen, denn er entscheide den Rechtsstreit verbindlich, also normativ.683 Rechtsprechung bedeute deshalb nicht Normfindung, sondern Normkonkretisierung bzw. -konstruktion.684 Ausgangspunkt für diesen schöpferischen Prozess des Richters sei dabei der Gesetzestext, aber nicht – wie bei den positivistischen Theorien – als Verkörperung eines bereits vorgegebenen Willens, den es nur noch zu entnehmen gilt, sondern als reines Textformular, d.h. als bloße Aneinanderreihung von Textzeichen, dem zwar bereits rechtliche Geltung, aber noch keine rechtliche Bedeutung zukomme.685 Der Wille des Gesetzgebers wird also nicht durch den Normtext transportiert, sondern durch diesen ersetzt. Der Richter rekonstruiere daraus anschließend die normative Aussage in Bezug auf den konkret zu entscheidenden Fall. Hinsichtlich des Grades der Textbindung ist dieser Ansatz damit durchaus vergleichbar mit der objektiven Theorie, denn in beiden Fällen bildet der Gesetzestext die maßgebliche Argumentationsgrundlage. Lediglich die Methoden unterscheiden sich. Während die positivistische Theorie die Normbedeutung mittels einer semantischen Interpretation ermittelt, wird diese nach der Strukturierenden Rechtslehre erst im Wege der semantischen Praxis erzeugt.686 Der Richter ist in seinem Schöpfungsprozess allerdings nicht vollkommen frei, sondern ebenfalls an den möglichen Wortsinn gebunden, denn dieser umschreibt aus rechtsstaatlichen Gründen den Spielraum der normtextorientierten Konkretisierung.687 Dabei kann der Richter jedoch sein spezielles juristisches Textverständnis zugrunde legen. In Bezug auf die Ausgangsfrage ist somit festzuhalten, dass auch nach der Strukturierenden Rechtslehre die Gefahr besteht, dass die Exekutive im Zuge der Veröffentlichung einer erweiterten Neubekanntmachung legislative Aktivitäten entfaltet. Zwar kann eine Modifikation des Gesetzestextes nach dieser Lehre nicht unmittelbar zu einer Änderung der Rechtsnorm führen, aber doch zumindest den Normkonkretisierungsvorgang und damit indirekt auch den späteren Norminhalt beeinflussen.688 683

Müller/Christensen, Rn. 288. Müller/Christensen, Rn. 259 und 274 ff., vgl. auch Busse, S. 233. 685 Müller, Aufsätze, S. 74; Müller/Christensen, Rn. 185 ff. 686 Müller/Christensen, Rn. 250; Müller/Christensen/Sokolowski, S. 31 f. 687 Müller/Christensen, Rn. 310 f.; Müller/Christensen/Sokolowski, S. 34 f.; siehe dazu auch Klatt, S. 94. 688 Müller, Aufsätze, S. 75, spricht insofern von einer „Irritation“ des schöpferischen Prozesses der Rechtsnormsetzung durch den vom Gesetzgeber vorgegebenen Ausgangstext. 684

III. Untersuchung mit Lösungsvorschlag

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(3) Zusammenfassung Der kleine Exkurs in die Rechtssemantik und -hermeneutik hat gezeigt, dass grundsätzlich jede materielle Gesetzesänderung einer textlichen Entsprechung bedarf, andererseits jedoch nicht jede Änderung des formellen Normtextes automatisch mit einer Änderung des Norminhalts und damit einem Rechtsetzungsakt gleichzusetzen ist. Besonders deutlich wird dies bei der subjektiven Theorie, die dem Gesetzestext nur eine untergeordnete Rolle bei der Ermittlung des wahren normativen Inhalts einräumen will, obgleich sie sich aus rechtsstaatlichen Gründen nicht vollkommen von der Textbindung lossagen kann. Die objektive Theorie erkennt dagegen den Gesetzestext als den primären Auslegungsgegenstand an und stellt damit eine sehr enge Beziehung zum Gesetzesinhalt her. Zwar sind auch hier Textanpassungen denkbar, die den normativen Inhalt nicht berühren, die Risiken für eine – unter Umständen auch nur marginale – inhaltliche Auswirkung sind aber entsprechend höher. Einen ganz anderen Ansatz verfolgt schließlich die Strukturierende Rechtslehre, nach der die eigentliche Rechtsnorm im Gesetzeswortlaut noch gar nicht enthalten ist, sondern erst von den Rechtsanwendern anhand des konkreten Falls konstruiert werden muss. Hier würde allerdings eine Modifizierung des „Textformulars“ unter Umständen die spätere Normkonkretisierung beeinflussen und somit ebenfalls, wenn auch nur indirekt, rechtsetzende Wirkung entfalten. bb) Der Neufassungstext als neuer formeller „Normträger“ Bei den folgenden Überlegungen soll das herrschende objektiv-positivistische Normverständnis zugrunde gelegt werden, nach dem sich der Inhalt einer Rechtsnorm in erster Linie aus der semantischen Interpretation des Normtextes herleiten muss, mit diesem also logisch verbunden ist. Da sich der geltende Gesetzestext gemäß dem Grundsatz der formellen Publikation nur aus dem Bundesgesetzblatt ergeben kann, ist auch zur Ermittlung des Norminhalts ausschließlich auf die dort abgedruckten Textfassungen abzustellen. Diese bilden die verbindliche formelle Grundlage des geschriebenen Gesetzesrechts. Allerdings sind sie in der Regel nicht in einem zusammenhängenden Kontext einsehbar, sondern befinden sich in mehrere Textfragmente zersplittert und über zahlreiche Änderungsgesetze verstreut in verschiedenen Bänden des Bundesgesetzblattes, mit den oben beschriebenen Problemen in Bezug auf die formelle Rechtsklarheit.689 Wenn der Gesetzgeber die Exekutive zur Neubekanntmachung des Gesetzeswortlauts im Bundesgesetzblatt ermächtigt, so möchte er damit in erster 689

Siehe oben S. 62 ff.

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F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung

Linie diesen kryptischen Zustand beseitigen. Indem die Neubekanntmachung einen vollständig konsolidierten Gesetzestext in das Bundesgesetzblatt einfügt, soll sie einen Rückgriff auf die ursprünglichen Textfragmente in den einzelnen Änderungsgesetzen entbehrlich machen. Sie soll gewissermaßen eine neue „Textbrücke“ errichten, auf der die Bürger von nun an leichter und sicherer zum geltenden Recht gelangen. Auf diese Weise möchte der Staat seiner Konsolidierungspflicht nachkommen und den Rechtsanwendern eine verlässliche Entscheidungsgrundlage im Bundesgesetzblatt zur Verfügung stellen.690 Auf der anderen Seite verfolgt der Staat mit der Neubekanntmachung von Gesetzen aber auch eigene Interessen, wie die empirische Untersuchung der Gesetzgebungspraxis gezeigt hat.691 Die ministerielle Neufassung stellt nicht nur für die Rechtsanwender, sondern ebenso für den Gesetzgeber selbst einen wichtigen Orientierungspunkt dar, enthält sie doch eine Zusammenfassung des bisherigen Gesetzgebungsprozesses und zugleich eine amtliche Grundlage für zukünftige Gesetzesänderungen. Nicht umsonst knüpft der Gesetzgeber daher mit seinen Änderungsbefehlen immer an dem Neufassungstext an. Darüber hinaus ermächtigt er die Exekutive sogar gelegentlich, mittels der Neubekanntmachung – ganz im Sinne einer ökonomischen Arbeitsteilung – redaktionell erforderliche Anpassungen am Gesetzeswortlaut vorzunehmen, welche er insofern nicht mehr selbst beschließen muss. Man kann die Neubekanntmachung deshalb nicht als einen reinen Informationsakt bewerten, sondern muss diese „legislativen“ Elemente in die rechtliche Betrachtung mit einbeziehen. Die Neubekanntmachung von Gesetzen darf jedoch aus den oben genannten verfassungsrechtlichen Gründen keine legislativen Funktionen übernehmen und ist folglich nicht in der Lage, das gesamte Stammgesetz – gleich einer parlamentarischen Neuverkündung – neu in Kraft zu setzen.692 Das ist aber auch nicht unbedingt erforderlich, um die mit ihr verfolgten Ziele zu erreichen. Es würde vielmehr schon ausreichen, wenn man der Neubekanntmachung zumindest rechtliche Auswirkungen auf den Normtext als den „Träger“ des Norminhalts – um diese bildliche Beschreibung von Larenz noch einmal zu bemühen –693 zuschreiben könnte. Die Bekanntmachungserlaubnis müsste demnach dahingehend ausgelegt werden, dass die Exekutive ermächtigt wird, das Stammgesetz auf eine neue formell-textliche Grundlage zu stellen, also eine konsolidierte und damit verständliche Textfassung im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen, die 690 691 692 693

Siehe Siehe Siehe Siehe

oben oben oben oben

S. S. S. S.

62 ff. 136 ff., insbesondere die Zusammenfassung auf S. 155. 123 ff. 157.

III. Untersuchung mit Lösungsvorschlag

167

fortan als die verbindliche Textgrundlage des Stammgesetzes anzusehen ist.694 Anders als eine konstitutive Neufassung würde die Neubekanntmachung das Stammgesetz also in normativer Hinsicht nicht berühren. Die durch die ursprünglichen Gesetzgebungsakte der Legislative ins Leben gerufenen Rechtsnormen bestünden unverändert fort. Sie würden lediglich mit einer neuen formellen Textgrundlage verknüpft werden, erhielten sozusagen eine neue „amtliche Adresse“ im Bundesgesetzblatt, unter der sie anschließend leichter aufzufinden und zu erkennen sind. Die Neubekanntmachung hätte also in materieller Hinsicht eine rein deklaratorische, sprich klarstellende Wirkung. Das Gleiche würde im Übrigen auch für die erweiterte Neubekanntmachung gelten. Hier kommt zwar die Besonderheit hinzu, dass sich die Neubekanntmachung nicht auf eine konsolidierte Wiedergabe des Gesetzestextes beschränkt, wie er sich exakt aus den einzelnen Änderungsgesetzen zusammensetzt, sondern zugleich bestimmte Anpassungen am Gesetzeswortlaut vornimmt. Wie aber bereits oben gesehen, muss nicht jede Veränderung des formellen Normtextes automatisch zu einer Veränderung des materiellen Norminhalts führen. Vielmehr sind auch solche Änderungen denkbar, die den Norminhalt noch deutlicher und besser zum Vorschein bringen als vorher, also trotz der konstitutiven Textkomponente in materieller Hinsicht rein deklaratorisch wirken. Allerdings dürfte der Spielraum für derartige Textanpassungen aufgrund der – zumindest nach der objektivpositivistischen Theorie – engen Beziehung zwischen Normtext und Norminhalt sehr knapp bemessen sein.695 Solange sich die Textmodifikationen aber innerhalb dieses inhaltsneutralen Fensters bewegen, würde der rechtlich erhebliche Inhalt des Gesetzes und mit ihm seine Identität nicht berührt, womit auch die erweiterte Neubekanntmachung den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entspräche.696 cc) Relative Verbindlichkeit Nach den bisherigen Überlegungen könnte man die Neubekanntmachung als Maßnahme zur verbindlichen Feststellung und gelegentlichen Anpassung des konsolidierten Gesetzestextes definieren. So betrachtet ergeben sich auf den ersten Blick gewisse Ähnlichkeiten zu einem feststellenden Verwaltungsakt, denn in beiden Fällen besteht für die Adressaten zunächst 694 Schneider, Rn. 685 f.; vgl. auch BVerwG, NJW 1999, 1729 (1730), siehe dazu oben S. 113 f. 695 Zu den hiernach zulässigen Anpassungsmaßnahmen siehe unten S. 197 ff. 696 Siehe BVerfGE 18, 389 (391); E 42, 263 (289).

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F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung

eine Situation der Rechtsunsicherheit, welche durch eine staatliche Maßnahme behoben werden soll, ohne die materielle Rechtslage zu verändern. Während der feststellende Verwaltungsakt die Rechtsverhältnisse in Bezug auf einen konkreten Einzelfall verbindlich feststellt,697 soll die Neubekanntmachung den formellen Gesetzeswortlaut für die Allgemeinheit verbindlich feststellen und dadurch die Unsicherheiten, die mit dem komplizierten Vorgang der Gesetzeskonsolidierung für jeden Rechtsanwender verbunden sind, beseitigen. Würde man dem Neufassungstext allerdings eine absolute Verbindlichkeit beimessen mit der Konsequenz, dass er mit seiner Bekanntmachung der einzige formelle Anknüpfungspunkt zur Ermittlung des normativen Gesetzesinhalts wäre, so bestünde die Gefahr, dass durch die Neubekanntmachung, z. B. aufgrund einer Textmodifikation, eine geltende Gesetzesfassung geschaffen würde, die mit dem ursprünglichen Gesetzesinhalt nicht mehr im Einklang stünde. Das würde entsprechend dem objektiv-positivistischen Postulat der strengen Wortlautbindung zu einer Verschiebung der Auslegungsgrenzen führen und infolgedessen auch den Gesetzesinhalt betreffen, also im Endeffekt einer materiellen Gesetzesänderung gleichkommen.698 Der Neufassungstext würde in diesem Fall nicht mehr nur den bisherigen Gesetzesinhalt deklaratorisch wiedergeben, sondern teilweise eine neue, abweichende normative Bedeutung hervorrufen, was gegen grundlegende Verfassungsprinzipien, insbesondere gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung und das Demokratieprinzip verstieße.699 Im Gegensatz zu einem feststellenden Verwaltungsakt, der bis zu seiner Aufhebung einen rechtlichen Durchgriff auf die materiellen Gesetze in Bezug auf den von ihm geregelten Einzelfall abschneidet,700 ist eine solche – auch nur vorübergehende – normative Bindungswirkung bei der Neubekanntmachung von Gesetzen nicht hinnehmbar. Die Verbindlichkeit der Textfeststellung und -anpassung kann deshalb von vornherein nur in einem relativen Sinne gelten,701 beschränkt durch die verfassungsrechtliche Grenze der Norminhaltsänderung. Soweit also der neu bekannt gemachte Gesetzestext in einer inhaltsrelevanten Weise von der vorherigen Gesetzesfassung abweichen sollte, muss ein Rückgriff auf die ursprünglichen Textfassungen möglich bleiben. In diesem Fall ist zur Ermittlung des Norminhalts nicht 697 Stelkens/Bonk/Sachs – Stelkens, § 35, Rn. 219; Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle – Bumke, § 35, Rn. 62; Knack – Henneke, § 35, Rn. 90; Ziekow, § 35, Rn. 32; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, § 46, Rn. 2; Maurer, VerwR, § 9, Rn. 46; Detterbeck, Rn. 501. 698 Vgl. Burneleit, jur-pc 1993, 2409 (2410). 699 Siehe oben S. 123 ff., insbesondere S. 132 f. 700 Siehe Stelkens/Bonk/Sachs – Stelkens, § 35, Rn. 219. 701 Burneleit, jur-pc 1993, 2409 (2410).

III. Untersuchung mit Lösungsvorschlag

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auf den Neufassungstext, sondern weiterhin allein auf den sich aus den zuvor verkündeten Änderungsgesetzen ergebenden Gesetzeswortlaut abzustellen.702 In diesem Punkt zeigt sich auch ein wesentlicher Unterschied zur parlamentarischen (konstitutiven) Neufassung. Während diese einen Rückgriff auf die frühere Gesetzesfassung ausschließt, mit der Folge, dass eine (auch nur versehentliche) Abänderung des Gesetzestextes zu einer inhaltlichen Neubewertung des Gesetzes führt, wird eine solche Inhaltsänderung bei der Neubekanntmachung aufgrund ihrer relativen Verbindlichkeit verhindert. Der Grundsatz „lex posterior derogat legi priori“ gilt hier nicht. Die Neubekanntmachung kann lediglich in solchen Fällen eine abweichende Formulierung wirksam in den amtlichen Gesetzestext einfügen, in denen diese den normativen Inhalt nicht berührt. Zur Veranschaulichung dieser These soll noch einmal auf das Bild des Normtextes als „Träger“ des Norminhalts zurückgegriffen werden. Die Verknüpfung des geltenden Norminhalts mit einer neuen formellen Textgrundlage kann nur dann gelingen, wenn die Form dieses neuen Normträgers zum bisherigen Inhalt der Rechtsnorm passt. Ist die neue Textform dagegen zu weit oder zu eng gefasst, würde eine Verknüpfung automatisch zu einer Ausweitung oder Verengung des normativen Inhalts führen, da nach den herrschenden objektiv-positivistischen Ansätzen der mögliche Wortsinn die Grenzen der Auslegung vorgibt. Nur wenn der Neufassungstext mit dem vorherigen Normtext in inhaltlicher Hinsicht übereinstimmt, ist ein unveränderter Fortbestand der Rechtsnorm gewährleistet. dd) Die Neubekanntmachung als Konsolidierungsakt In Anbetracht der bisherigen Ergebnisse lassen sich die qualitativen Unterschiede zwischen der Neubekanntmachung eines Gesetzes und einem materiellen Rechtsetzungsakt nun deutlich erkennen. Während ein Rechtsetzungsakt darauf ausgerichtet ist, eine Regelung oder eine sonstige verbindliche Feststellung nach außen zu treffen, also eine normative Veränderung herbeizuführen, und sich dabei naturgemäß, sozusagen als Mittel zum Zweck, der Textform bedienen muss, um die Rechtsadressaten zu erreichen, beschränkt sich die Neubekanntmachung auf die Wiedergabe des Gesetzes702 Burneleit, jur-pc 1993, 2409 (2410); im Ergebnis ebenso Friauf/Höfling – Guckelberger, Art. 82, Rn. 80; v. Mangoldt/Klein/Starck – Brenner, Art. 82, Rn. 34; Sachs – Lücke/Nierhaus, Art. 82, Rn. 28; Zinn/Stein – Schonebohm, Art. 120, Erl. 7; Hallier, AöR 1960, 391 (417); Müller, HdG, S. 334; Sahlmüller, S. 124; Blümich – Stuhrmann, § 51 EStG, Rn. 13; Bordewin/Brandt – Schmieszek, § 51 EStG, Rn. 34; Littmann/Bitz/Pust – Lindemann, § 51, Rn. 6. Das gilt im Übrigen erst recht für diejenigen Vorschriften, die im Neufassungstext durch sog. stellvertretende Klammerhinweise ersetzt wurden, siehe unten S. 195.

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F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung

textes in konsolidierter und eventuell leicht überarbeiteter Form, ohne damit irgendeine normative Aussage verbinden zu wollen. Die Neubekanntmachung bezieht sich allein auf den formellen Gesetzeswortlaut und stellt insoweit nur fest, dass dieser ab dem maßgeblichen Stichtag die in dem Neufassungstext niedergelegte Form hat. Sie will damit eine tatsächliche Unsicherheit über den geltenden Gesetzestext beseitigen und diesen festigen, nicht jedoch den sich aus diesem Wortlaut ergebenden materiellen Inhalt regeln. Anders als ein konstitutiver Rechtsetzungsakt (z. B. ein Änderungsgesetz) enthält sie keinen normativen Geltungsanspruch und kann insofern die bestehende Rechtslage nicht verändern. Umgekehrt kann sie jedoch ausnahmsweise den amtlichen Gesetzestext an den Gesetzesinhalt anpassen, ihn sozusagen ausbessern, sofern dadurch eine Klarstellung in formeller Hinsicht erreicht wird. Man kann also festhalten: Der Neufassungstext formt nicht das Recht, sondern das Recht den Neufassungstext. Die Neubekanntmachung steht insofern in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den Gesetzen, auf die sie sich bezieht, denn sie soll die von diesen geschaffenen Rechtsnormen auf eine neue formell-textliche Grundlage im Bundesgesetzblatt stellen, um ihre Erkennbarkeit in diesem amtlichen Verkündungsorgan zu gewährleisten und damit den rechtsstaatlichen Publikationsanforderungen zu genügen. Eine darüber hinausgehende, eigenständige materielle Bedeutung kommt ihr hingegen nicht zu. Sie soll lediglich die textliche Zugangsmöglichkeit zu den normativen Inhalten erleichtern, findet jedoch selbst keinen Platz in der Normenhierarchie. Von daher lässt sich auch die Tatsache erklären, dass es nicht nur eine Neubekanntmachung von Gesetzen, sondern ebenfalls von anderen materiellen Rechtsakten wie z. B. Rechtsverordnungen oder Satzungen gibt. Die Neubekanntmachung bildet also keine eigene Normkategorie, sondern ist den entsprechenden Normgruppen jeweils nur als Annexakt zugeordnet.703 Angesichts dieser besonderen rechtlichen Stellung könnte man die Neubekanntmachung – in Abgrenzung zu den konstitutiven Rechtsetzungsakten – als sog. Rechtskonsolidierungsakt bezeichnen. Dieser unterscheidet sich wiederum von einem bloßen Informationsakt dadurch, dass er nicht nur den geltenden Gesetzestext aus dem Bundesgesetzblatt kopiert, sondern im Bundesgesetzblatt selbst eine neue formell-textliche Gesetzesgrundlage in konsolidierter Form und gegebenenfalls unter redaktioneller Anpassung des Wortlauts begründet, welche im Rahmen der durch die Grenze der Norminhaltsänderung gezogenen relativen Verbindlichkeit anschließend als die amtliche und damit grundsätzlich „maßgebliche“ Gesetzesfassung anzuse703 Insofern kann dem Vorschlag von Burneleit, jur-pc 1993, 2409 (2410 f.), die ministerielle Neufassung „im Sinne der Rechtsquellenlehre unterhalb der Verwaltungsvorschrift als eigene Kategorie [zu] führen“, im Ergebnis nicht gefolgt werden.

III. Untersuchung mit Lösungsvorschlag

171

hen ist.704 Ihr kommt folglich eine Richtigkeits- und Vollständigkeitsvermutung zu,705 die sie gegenüber allen nicht-amtlichen Gesetzeskonsolidierungen heraushebt und aufgrund welcher die Rechtsanwender von ihrer grundsätzlichen Sorgfaltspflicht entbunden werden, den geltenden Gesetzestext anhand der einzelnen Änderungsgesetze zu ermitteln.706 Stattdessen können sie sich unmittelbar auf den Neufassungstext berufen, dem in dieser Hinsicht eine primäre indizielle Bedeutung für den Gesetzesinhalt zuzuschreiben ist. Eine absolute Rechtsgarantie kann die Neubekanntmachung aus den oben genannten Gründen allerdings nicht geben, weshalb die Vermutungswirkung jederzeit durch einen Beweis des Gegenteils widerlegt werden kann. Dieser kann jedoch nur mit Hilfe der ursprünglichen Gesetzgebungsakte erfolgen, also entweder mittels der Urfassung oder der nachträglichen Änderungsgesetze. Soweit sich aus den in diesen konstitutiven Rechtsakten enthaltenen Textstellen ein anderer Gesetzesinhalt ergibt, muss der Neufassungstext aufgrund seiner relativen Verbindlichkeit dahinter zurückstehen.707 Während den ursprünglichen Rechtsetzungsakten also weiterhin eine wichtige Beweisfunktion in Bezug auf den Gesetzesinhalt zukommt, stellt die Neubekanntmachung nunmehr die neue amtliche Gesetzesfassung im Bundesgesetzblatt und damit die primäre Rechtserkenntnisquelle dar.708 Dementsprechend kann sie nicht nur eine optisch (z. B. durch eine Neunummerierung709) oder redaktionell (z. B. durch Anpassung von veralteten Begriffen710 oder Behördenbezeichnungen711) verbesserte Textfassung, sondern darüber hinaus auch noch zahlreiche zusätzliche Informationen enthalten, wie z. B. Hinweise auf wichtige Urteile des Bundesverfassungsgerichts oder umgesetzte europäische Richtlinien.712 Unter diesen Gesichtspunkten erscheint es legitim, wenn viele staatliche Stellen die Neubekanntmachung wie formelle Gesetze behandeln, also insbesondere auf den Neufassungstext verweisen oder diesen wörtlich zitieren. Ebenso ist es nun verständlich, 704

Vgl. BVerwG, NJW 1999, 1729 (1730); HdR, Rn. 697; Schneider, Rn. 685; Tettinger, JuS 1979, 258 (260); ähnlich BK – Maurer, Art. 82, Rn. 114, der von der „offiziellen Fassung des Gesetzes“ spricht; siehe auch Schmid, BayVBl. 1974, 39 (40): „Der Text der Exekutive tritt an die Stelle des Textes der Legislative.“ 705 Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge – Ulsamer, § 80, Rn. 67. 706 Siehe dazu noch unten S. 238 ff. 707 Vgl. Burneleit, jur-pc 1993, 2409 (2410). 708 So auch Burneleit, jur-pc 1993, 2409 (2410): „Daher ist jeder Rechtsanwender (. . .) gut beraten, den Wortlaut des Bundesgesetzblattes Teil III und nach dem Abschlußtag bekanntgemachter Neufassungen primär für verbindlich zu erachten.“ 709 Siehe unten S. 212 f. 710 Siehe unten S. 200 f. 711 Siehe unten S. 204 ff. 712 Siehe oben S. 95 ff.

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F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung 3. Änderungsgesetz formell (textlich) materiell (inhaltlich)

mit Bekanntmachungserlaubnis

Neubekanntmachung

Exekutive

2. Änderungsgesetz

1. Änderungsgesetz

Stammgesetz (= Urfassung)

Abbildung 4: Die Neubekanntmachung als relativ verbindlicher Konsolidierungsakt

wenn die nachfolgenden Änderungsgesetze mit ihren Änderungsbefehlen an dem Neufassungstext anknüpfen und die Exekutive ihre Berichtigungen in erster Linie anhand dieser Textfassung vornimmt. Ob die Neubekanntmachung aufgrund ihrer nur relativen Verbindlichkeit und der damit verbleibenden Restunsicherheit außerdem geeignet ist, die staatliche Konsolidierungspflicht ausreichend zu erfüllen, soll erst am Ende dieser Arbeit abschließend bewertet werden.713 ee) Verhältnis der Neubekanntmachung zur Berichtigung Burneleit regt in seinem Aufsatz eine Untersuchung der Grenzen von Gesetzesberichtigungen an und vermutet dort „manche Parallele“ zu den Grenzen der Neubekanntmachung.714 In der Tat weisen beide Rechtsinstitute einige interessante Gemeinsamkeiten auf, denn in beiden Fällen handelt es sich um Maßnahmen der Exekutive, die sich auf den formellen Gesetzestext auswirken, den materiellen Inhalt jedoch nicht verändern dürfen. Die Berichtigung eines förmlichen Gesetzes setzt gem. § 61 GGO einen „Druckfehler“ oder eine „andere offenbare Unrichtigkeit“ voraus. Unter ei713 714

Siehe dazu die Schlussbetrachtungen auf S. 261 ff. Burneleit, jur-pc 1993, 2409 (2410).

III. Untersuchung mit Lösungsvorschlag

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nem Druckfehler ist die falsche Publikation eines Textes zu verstehen. Es handelt sich also ausschließlich um einen technischen Fehler im Druckvorgang, der sich in der Regel durch einen Vergleich der Druckvorlage mit dem Druckergebnis eindeutig feststellen lässt.715 Im Falle eines evidenten Abweichens der im Bundesgesetzblatt abgedruckten Gesetzesfassung von der vom Bundespräsidenten korrekt ausgefertigten Gesetzesurkunde kann die Exekutive deshalb gem. § 61 Abs. 3 S. 2 GGO den Fehler jederzeit in Form eines sog. errata-Vermerks im Bundesgesetzblatt beheben.716 Sollte sich der Druckfehler bereits in einem früheren Stadium des Gesetzgebungsverfahrens ereignet haben, sind eventuell gem. § 61 Abs. 3 S. 3 i. V. m. Abs. 2 GGO zuvor die Einwilligungen der Präsidenten des Deutschen Bundestages und/oder des Bundesrates einzuholen. Noch nicht ganz eindeutig geklärt ist hingegen die Frage, was unter „anderen offenbaren Unrichtigkeiten“ zu verstehen ist. Einigkeit besteht noch darin, dass die unrichtige Textfassung hier nicht auf einem Fehler im Druckvorgang, sondern bereits auf einer fehlerhaften Entscheidung des zuständigen Beschlussgremiums beruht.717 Entweder hat das Parlament einen Text beschlossen, den es in dieser Form überhaupt nicht beschließen wollte (sog. Erklärungsirrtum), oder es hat zwar die gewollte Textfassung beschlossen, ihr aber subjektiv eine völlig andere Bedeutung beigemessen (sog. Inhaltsirrtum).718 In beiden Fällen lässt sich der Fehler nicht durch Vergleich der verschiedenen Textvorlagen ermitteln, da die Fehlerquelle hier bereits in dem ursprünglichen Gesetzesbeschluss liegt. Zur Ermittlung der Berichtigungsmöglichkeiten wird deshalb gerne § 319 ZPO herangezogen,719 nach dem „Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten“, die in einem Urteil vorkommen, jederzeit vom Gericht berichtigt werden können. Insofern dürfte unstreitig sein, dass zumindest Rechtschreibfehler im Bundesgesetzblatt berichtigt werden können, da nicht davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber durch eine falsche Schreibweise die orthographischen Regeln ändern möchte.720 Daneben werden aber grundsätzlich auch die Ersetzung von ganzen Wörtern oder Zahlenangaben sowie die Korrektur der Paragraphennummerierung und die Anpassung von 715 Brandner, ZG 1990, 46 (49); Schorn, S. 42 f.; Sahlmüller, S. 152, der diese Fehlerquelle jedoch etwas verwirrend als „Redaktionsfehler“ bezeichnet, im Weiteren jedoch noch zutreffend zwischen „augenfälligen Druckfehlern“ und „sinnentstellenden Druckfehlern“ differenziert. 716 AK – Ramsauer, Art. 82, Rn. 40; Hallier, AöR 1960, 391 (415). 717 Vgl. Schorn, S. 43 f. 718 Vgl. Schorn, S. 47 f. 719 So z. B. bei Schorn, S. 44 f.; Troßmann, Anh § 88, A 5 ff. 720 Brandner, ZG 1990, 46 (49, Fn. 22); Troßmann, Anh § 88, A 4; Kirn, ZRP 1973, 49 (51); Schiffer, S. 50; Schorn, S. 49.

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F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung

Verweisungen für zulässig erachtet, soweit die Unrichtigkeit „offenbar“ ist, d.h. sich bereits aus der Lektüre des Gesetzestextes ohne weitere Nachforschungen ergibt.721 Außerdem muss bekannt sein, wie die falsche Textstelle richtig lauten soll.722 Diese beiden Faktoren müssen also kumulativ vorliegen: offenbare Unrichtigkeit und eindeutige Klarheit über den richtigen Gesetzeswortlaut.723 Das Bundesverfassungsgericht hat unter diesen engen Voraussetzungen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Berichtigung von „anderen offenbaren Unrichtigkeiten“ durch die Exekutive geäußert.724 Im Gegenteil: In einer neueren Entscheidung hat es sogar die oben genannten Grenzen erweitert, indem es festgestellt hat, dass „sich eine offenbare Unrichtigkeit nicht allein aus dem Normtext, sondern insbesondere auch unter Berücksichtigung des Sinnzusammenhangs und der Materialien des Gesetzes ergeben“ kann.725 Allerdings bezog sich dieses Urteil nur auf eine Berichtigung des Parlamentsbeschlusses nach Abschluss des Hauptverfahrens, aber noch vor Verkündung im Bundesgesetzblatt. Spätestens nach der Verkündung wird man wohl aus Gründen der Rechtssicherheit verlangen müssen, dass sich der Fehler – soweit es sich nicht lediglich um einen Druckfehler handelt (s. o.) – aus dem Gesetzestext von selbst erschließt,726 der Rechtsadressat also bei der Anwendung sofort erkennen kann, dass hier etwas nicht stimmt und die sich aus dem Wortlaut ergebende Regelung so nicht gelten kann. Zur Ermittlung des richtigen Wortlauts wird man dagegen auch auf die sonstigen Gesetzesmaterialien zurückgreifen dürfen.727 Nur unter diesen strengen Voraussetzungen ist gewährleistet, dass die Exekutive im Wege der Berichtigung lediglich einen offensichtlich falschen Gesetzestext an den bereits von Anfang an geltenden Gesetzesinhalt anpasst. Eine darüber hinausgehende Berichtigungsmöglichkeit würde hingegen Gefahr laufen, den sich aus einem schlüssigen Normtext objektiv ergebenden Gesetzesinhalt nachträglich zu verändern, also rechtkonstitutive Wirkung zu entfalten,728 was nicht nur im 721

Troßmann, Anh § 88, A 5.2; Schorn, S. 53; AK – Ramsauer, Art. 82, Rn. 39. Schorn, S. 56. 723 Brandner, ZG 1990, 46 (50); Troßmann, Anh § 88, A 5.2; Schorn, S. 57; Achterberg, S. 648; Kirn, ZRP 1973, 49 (51). 724 BVerfGE 48, 1 (18). 725 BVerfGE 105, 313 (335); zustimmend Dreier – Bauer, Art. 82, Rn. 20; Schmidt-Bleibtreu/Klein – Sannwald, Art. 82, Rn. 59a; a. A. Kirn, ZRP 1973, 49 (51); Staats, ZRP 1974, 183 (185); Schorn, S. 62. 726 Schorn, S. 62 f.; siehe auch Staats, ZRP 1974, 183 (185), der in dieser Hinsicht insbesondere nicht zwischen einer Berichtigung vor und nach Verkündung des Gesetzes unterscheiden möchte und deshalb auf beide Situationen die strengeren Anforderungen anwendet. 727 Troßmann, Anh § 88, A 5.2; a. A. Kirn, ZRP 1973, 49 (51). 728 Vgl. Schiffer, S. 55: „über das Deklaratorische hinausgehende Wirkung“. 722

III. Untersuchung mit Lösungsvorschlag

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Rahmen der Neubekanntmachung, sondern selbstverständlich auch bei der Gesetzesberichtigung eine verfassungswidrige Umgehung des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens darstellen würde.729 Auch wenn die verfassungsrechtlichen Grenzen der Berichtung und Neubekanntmachung von Gesetzen in diesem Punkt korrespondieren, so zeigen sich doch an anderer Stelle deutliche Unterschiede zwischen den beiden Rechtsinstituten. Die Berichtigung ist ausschließlich darauf ausgerichtet, einen offenbaren Fehler des amtlichen Gesetzeswortlauts, d.h. einen Widerspruch zwischen Normtext und -inhalt zu beseitigen. Der Exekutive kommt dabei kein eigener Ermessensspielraum zu, sondern sie hat nur die falsche durch die eindeutig richtige Formulierung zu ersetzen. Eine ungenaue Ausdrucksweise des Gesetzgebers stellt insofern keinen berichtigungsfähigen Fehler dar, denn sie entspricht ja dem vom Gesetzgeber gewollten, wenn vielleicht auch etwas unglücklich gewählten Wortlaut. Redaktionelle Verbesserungen, die keinen offenbaren Fehler beheben, sondern lediglich den normativen Inhalt deutlicher zum Ausdruck bringen sollen, sind im Rahmen der Berichtigung verboten.730 Diese Möglichkeit besteht dagegen sehr wohl bei der Neubekanntmachung von Gesetzen, zumindest soweit der Gesetzgeber die Exekutive ausdrücklich dazu ermächtigt hat.731 Denn die Rechtskonsolidierung soll im Gegensatz zur Berichtigung eine neue formelle Gesetzesfassung schaffen, die die Rechtslage nicht nur richtig, sondern zudem möglichst klar und verständlich wiedergibt. In diesem Sinne können natürlich auch offenbare Unrichtigkeiten im Zuge der Neubekanntmachung berichtigt werden.732 Sollte der Neufassungstext seinerseits offensichtliche Fehler enthalten, so sind diese wiederum einer formlosen Berichtigung zugänglich.733 Hier zeigt sich also, dass die Neubekanntmachung als Rechtskonsolidierungsakt der Exekutive noch weitergehende Zugriffsmöglichkeiten auf den formellen Gesetzestext einräumen kann als die Berichtigung. Allerdings ist für alle redaktionellen Maßnahmen, die über eine bloße Berichtigung hinausgehen, wegen der grundsätzlichen Unverrückbarkeit parlamentarischer Beschlüsse eine vorherige formalgesetzliche Ermächtigung seitens der Legislative erforderlich.734 729 BVerfGE 48, 1 (19); E 105, 313 (335); ebenso Troßmann, Anh § 88, A 7; Achterberg, S. 648; HdS – Ossenbühl, § 102, Rn. 78; Hill, S. 132. 730 Schorn, S. 48; Troßmann, Anh § 88, A 5.1; Kirn, ZRP 1973, 49 (52); Brandner, ZG 1990, 46 (51); Reich, DÖV 1973, 846 (847), spricht in diesem Zusammenhang von „redaktionellen Änderungen“. 731 Vgl. Troßmann, Anh § 88, A 5.2. 732 Siehe dazu im Einzelnen unten S. 191 f. 733 Siehe dazu bereits oben S. 103. 734 Siehe dazu noch unten auf S. 197 ff.

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F. Zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung

3. Ergebnisse der Untersuchung Anlehnend an die eingangs dargestellten Stellungnahmen aus der Rechtsprechung und Literatur wurden die verschiedenen Auffassungen zur Rechtsnatur der Neubekanntmachung analysiert. Dabei haben sich die jeweiligen „Extrempositionen“ als nicht haltbar erwiesen. Während die – in dieser Deutlichkeit allerdings nur sehr selten vertretene – Annahme, die Neubekanntmachung von Gesetzen sei aufgrund der parlamentarischen Bekanntmachungserlaubnis in ihrer rechtlichen Wirkung einer konstitutiven Neufassung gleichzusetzen,735 schon aus verfassungsrechtlichen Gründen, vor allem wegen Verletzung des Gewaltenteilungs- und Demokratieprinzips, abzulehnen war, vermochte die Gegenansicht, die in der Neubekanntmachung lediglich einen schlichten Informationsakt bzw. einen rechtlich bedeutungslosen „Prüf- und Kontrolltext“ sieht,736 den gesetzesähnlichen Umgang mit der ministeriellen Neufassung in der Praxis, insbesondere auch durch den Gesetzgeber selbst, nicht zufriedenstellend zu erklären. Insofern erschien es sinnvoll, einen Lösungsansatz zu verfolgen, der dieser eigenartigen „Zwitterstellung“737 der Neubekanntmachung von Gesetzen möglichst gerecht wird. Aufbauend auf der grundsätzlichen Trennung des Gesetzes in einen normativen Inhalt und eine formelle Textgrundlage und ausgehend von dem primären Ziel der Neubekanntmachung, den Rechtsadressaten den Gesetzesinhalt mittels einer neuen konsolidierten Textfassung im Bundesgesetzblatt besser zugänglich zu machen, um die sich aus den rechtsstaatlichen Publikationsanforderungen ergebende Konsolidierungspflicht zu erfüllen, wurde der Neubekanntmachung die rechtliche Natur eines relativ verbindlichen Konsolidierungsaktes zugewiesen. Anders als ein (absolut) verbindlicher Konsolidierungsakt, der – wie z. B. die vom Parlament beschlossene konstitutive Neufassung bzw. Neuverkündung – der Gesetzesneufassung eine normative Geltung beimisst, stellt die ministerielle Neufassung den Gesetzesinhalt lediglich auf eine neue formelle Textgrundlage, ohne ihn dadurch neu in Kraft zu setzen oder in sonstiger Weise zu verändern. Sie will also keine rechtsetzende Wirkung entfalten, sondern nur das geltende Recht deklaratorisch wiedergeben.738 Sofern der Neufassungstext trotzdem einmal die Grenze zur Inhaltsänderung überschreiten sollte, bleibt er rechtlich unbeachtlich, so dass in dieser Hinsicht weiterhin auf die ursprüngliche Geset735

Siehe Koehler, MDR 1953, 193 (194). So insbesondere Herberger, jur-pc 1993, 2256 (2258); Konzelmann, Rechtsbereinigung, S. 60. 737 Siehe Schroeder, NJW 1975, 1870. 738 In dieser Hinsicht enthält die Neubekanntmachung sogar gewisse Funktionselemente der mittelalterlichen Gesetzespublikation; siehe oben S. 29 f. 736

III. Untersuchung mit Lösungsvorschlag

177

zesfassung abzustellen ist. Umgekehrt kann er jedoch verbindliche Anpassungen am Gesetzeswortlaut vornehmen, wenn diese nur eine optische oder redaktionelle, also inhaltsneutrale Verbesserung darstellen. Da die Neubekanntmachung somit grundsätzlich als die maßgebliche Gesetzesfassung anzusehen ist, ist sie der formelle Ausgangspunkt für weitere Änderungsgesetze und deshalb auch bei der nachfolgenden Gesetzeskonsolidierung zu berücksichtigen. Sie steht in ihrer rechtlichen Bedeutung daher zwischen einem Rechtsetzungsakt und einem bloßen Informationsakt. Diese Konzeption dürfte im Übrigen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegen, da hiernach weder die Bekanntmachungserlaubnis eine unzulässige Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen auf die Exekutive anordnet, noch die Neubekanntmachung selbst normative Veränderungen herbeiführen kann.739 Insofern herrscht im Endergebnis eine grundlegende Übereinstimmung mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sowie mit der herrschenden Meinung im Schrifttum. Aufgrund der Maßgeblichkeit des Neufassungstextes ist jedoch trotzdem – wie noch zu sehen sein wird – eine ausdrückliche Ermächtigung seitens der Legislative erforderlich. In dem nachfolgenden Kapitel sollen daher zunächst die rechtliche Bedeutung sowie der zulässige Umfang der Bekanntmachungserlaubnis eingehend untersucht werden (G.). Anschließend bleibt außerdem noch zu klären, welche Rechts- und insbesondere Haftungsfolgen sich aus einer fehlerhaften Neubekanntmachung ergeben können (H.) und schließlich, ob und wenn ja, welche Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Neubekanntmachung bestehen (I.).

739

Vgl. Kirchhof/Söhn/Mellinghoff – Seiler, § 51, Rn. C 325.

G. Bedeutung und Umfang der Bekanntmachungserlaubnis Nachdem die Neubekanntmachung von Gesetzen nun in rechtlicher Hinsicht etwas näher definiert worden ist, soll noch einmal auf die Bekanntmachungserlaubnis zurückgekommen werden, die ja bereits anlässlich der Darstellung des Neubekanntmachungsverfahrens vorgestellt wurde.740 Während es aber dort vornehmlich um das tatsächliche Erscheinungsbild und die unterschiedlichen Varianten dieser gesetzlichen Klausel in der Praxis ging, sollen im Folgenden die rechtlichen Aspekte im Vordergrund stehen. Dabei stellt sich zunächst einmal die Frage, welche Funktion die Bekanntmachungserlaubnis überhaupt erfüllt (I.). Im Anschluss daran ist zu klären, unter welchen Voraussetzungen die Bekanntmachungserlaubnis wirksam wird und wo ihre zulässigen Grenzen liegen, sowohl in zeitlicher (II.) wie insbesondere auch in inhaltlicher Hinsicht (III.).

I. Rechtsnatur der Bekanntmachungserlaubnis Da es sich bei der Neubekanntmachung von Gesetzen nicht um einen Rechtsetzungsakt, sondern „nur“ um einen relativ verbindlichen Konsolidierungsakt der Exekutive handelt, könnte man sich fragen, ob eine ausdrückliche Bekanntmachungserlaubnis durch die Legislative unter diesen Voraussetzungen immer noch erforderlich ist? Um die rechtliche Bedeutung der Bekanntmachungserlaubnis beurteilen zu können, muss daher zunächst einmal festgestellt werden, ob die Exekutive auch von sich aus, d.h. ohne besondere Ermächtigung, konsolidierte Gesetzesfassungen im Bundesgesetzblatt veröffentlichen dürfte. 1. Verteilung der Konsolidierungskompetenz Das Grundgesetz enthält keine ausdrückliche Regelung zur Verteilung der „Konsolidierungskompetenz“ , also der Kompetenz, bestehende Gesetze in konsolidierter Fassung, aber ohne normative Konsequenzen neu im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Insofern ist zu vermuten, dass diese Kompetenz grundsätzlich der Gewalt zufällt, die allgemein für die Gesetzgebung 740

Siehe oben S. 72 ff.

I. Rechtsnatur der Bekanntmachungserlaubnis

179

zuständig ist, sprich der Legislative. Denn schließlich ist allein der Gesetzgeber dafür verantwortlich, dass die Gesetze den rechtsstaatlichen Vorgaben entsprechen, z. B. dem Grundsatz der Klarheit und Verständlichkeit des Rechts, und zwar sowohl in materieller wie auch in formeller Hinsicht.741 Dazu gehört auch eine ordnungsgemäße Gesetzespublikation, „denn die Verkündung stellt einen integrierenden Teil der förmlichen Rechtsetzung dar“.742 Wenn sich die Legislative also der schwer verständlichen Änderungsgesetze bedient, so muss sie auch für eine entsprechende Gesetzeskonsolidierung sorgen, um die formelle Erkennbarkeit der Rechtsordnung zu wahren. „Es obliegt vielmehr dem zuständigen Normgeber, das Verkündungsverfahren so auszugestalten, daß es seine rechtsstaatliche Funktion erfüllt, . . .“743

Der technische Ablauf der Gesetzesverkündung wird allerdings größtenteils durch Art. 82 Abs. 1 GG vorgegeben, der die Ausfertigung durch den Bundespräsidenten, die Gegenzeichnung durch die Bundesregierung und schließlich die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt vorsieht, wobei die Zuständigkeit für den letzten Verkündungsakt, also die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt, umstritten ist.744 Diejenigen Stimmen, die diesbezüglich eine originäre Zuständigkeit der Exekutive annehmen, schließen aufgrund der formellen Vergleichbarkeit der Publikationsvorgänge teilweise auch auf eine eigene Kompetenz der Exekutive zur Neubekanntmachung von Gesetzen.745 Die Exekutive könne demzufolge „aus eigener Machtvollkommenheit“ konsolidierte Gesetzesneufassungen erstellen und diese im Bundesgesetzblatt, dessen Schriftleitung ihr ja ohnehin obliegt, veröffentlichen, zumindest soweit sie sich auf eine einfache Wiedergabe des Gesetzeswortlauts beschränken.746 Geht man dagegen von der hier bevorzugten Meinung aus, dass der Exekutive keine originäre Verkündungskompetenz zusteht, sondern ihr diese nur im Wege des Verkündungsbefehls durch den Bundespräsidenten erteilt wird, so muss man erst recht eine eigene Konsolidierungskompetenz der Exekutive ablehnen.747 Es stellt sich dann vielmehr die Frage, ob diese 741

Siehe dazu bereits oben S. 57 f. BVerfGE 65, 283 (291). 743 BVerfGE 65, 283 (291); E 90, 60 (85). 744 Siehe oben S. 24. 745 Siehe z. B. BK – Maurer, Art. 82, Rn. 112; Maunz/Dürig – Maunz, Art. 82, Rn. 7. 746 Horlacher, DÖV 1956, 490 (491); andere Autoren sind dagegen etwas vorsichtiger und fordern trotz grundsätzlicher Zuständigkeit der Exekutive weiterhin eine parlamentarische Bekanntmachungserlaubnis, wie z. B. Schmid, BayVBl. 1974, 39 (40). 747 Ebenso Schneider, Rn. 686, Fn. 4; Friauf/Höfling – Guckelberger, Art. 82, Rn. 84; wohl auch Kuntz, JurPC Web-Dok. 151/2006, Rn. 31. 742

180

G. Bedeutung und Umfang der Bekanntmachungserlaubnis

Kompetenz dem Bundespräsidenten oder dem Bundestag zufällt. Der Bundespräsident ist zwar berechtigt, bei der Gesetzesausfertigung eine Überprüfung, eventuell verbunden mit der Berichtigung offensichtlicher Fehler, vorzunehmen, darf jedoch darüber hinaus den Gesetzestext aufgrund des Grundsatzes der Unverrückbarkeit parlamentarischer Beschlüsse nicht mehr verändern. Das spricht dafür, zumindest die erweiterte Konsolidierungskompetenz ausschließlich dem Parlament zuzuschreiben, denn schließlich hat der Bundestag den ursprünglichen Gesetzeswortlaut beschlossen und folglich sollte auch nur er darüber entscheiden dürfen, ob und gegebenenfalls wann und in welchem Maße dieser Text einer redaktionellen Überarbeitung unterzogen wird.748 Geht es hingegen um die einfache Neubekanntmachung ohne Textmodifikationen, so wäre es durchaus überlegenswert, dem Bundespräsidenten eine beschränkte Konsolidierungskompetenz zuzubilligen.749 Demnach könnte er im Zusammenhang mit der Ausfertigung eines Änderungsgesetzes zusätzlich eine Neubekanntmachung anordnen, wenn er diese aus Gründen der Übersichtlichkeit für erforderlich hält. Allerdings ist es sehr fraglich, ob man diese Kompetenz noch allein aus Art. 82 Abs. 1 GG herleiten kann, der sich ja unmittelbar nur auf die erstmalige Ausfertigung und Verkündung der nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes zustande gekommenen Gesetze oder genauer gesagt: Gesetzestexte bezieht und zudem eine Gegenzeichnung durch die Bundesregierung erfordert. Näher liegt es daher, auch die einfache Konsolidierungskompetenz beim Parlament anzusiedeln, das somit eigenständig darüber entscheiden kann, ob und wann es die Veröffentlichung einer Neubekanntmachung der von ihm beschlossenen Gesetzestexte für geboten hält. Dies kann es außerdem am besten beurteilen, da es ja selbst den zukünftigen Änderungsbedarf festlegt und schließlich mittels der konstitutiven Neufassung jederzeit eine eigene „Gesetzeskonsolidierung“ durchführen könnte. Die Mitwirkungsrechte der anderen Verfassungsorgane nach Art. 82 Abs. 1 GG bleiben bei dieser Lösung im Übrigen gewahrt, da die gesetzliche Bekanntmachungserlaubnis das ganz normale Abschlussverfahren durchlaufen muss. Sollte der Bundespräsident die Bekanntmachungserlaubnis aus schwerwiegenden Gründen für verfassungswidrig halten, kann er im Rahmen seiner materiellen Prüfungskompetenz die Ausfertigung des entsprechenden Gesetzes verweigern und damit auch die ministerielle Neubekanntmachung verhindern.

748

Vgl. Brandner, ZG 1990, 46 (54); Troßmann, Anh § 88, A 5.1. So auch Friauf/Höfling – Guckelberger, Art. 82, Rn. 84, die jedoch eine solche Kompetenz des Bundespräsidenten im Endergebnis ebenfalls ablehnt und de lege ferenda eine ausdrückliche grundgesetzliche Regelung fordert. 749

I. Rechtsnatur der Bekanntmachungserlaubnis

181

2. Erlaubnis oder Ermächtigung? Da die Konsolidierungskompetenz – sozusagen als Annexkompetenz zur Rechtsetzungskompetenz – der Legislative zugeordnet wird, steht nunmehr fest, dass die Exekutive eine Neubekanntmachung nicht kraft eigener Befugnisse, sondern nur nach einer ausdrücklichen Ermächtigung durch das Parlament im Bundesgesetzblatt veröffentlichen darf. Insofern ist die insbesondere vom Handbuch der Rechtsförmlichkeit verwendete Bezeichnung als „Bekanntmachungserlaubnis“750 juristisch eigentlich nicht ganz korrekt. Denn im Öffentlichen Recht und dort vor allem im Verwaltungsrecht wird der Begriff „Erlaubnis“ vorwiegend im Sinne einer Genehmigung verstanden, die lediglich sicherstellen soll, dass eine an sich zulässige Tätigkeit einer präventiven Kontrolle durch die Behörde unterworfen wird (z. B. bei der Baugenehmigung).751 Sie stellt folglich so etwas wie eine Unbedenklichkeitsbescheinigung dar, mit der „jemandem grünes Licht gegeben [wird] für die Wahrnehmung eines Rechts, welches er bereits innehat“.752 Die „Bekanntmachungserlaubnis“ soll aber – wie eben gesehen – gerade etwas anderes bewirken. Sie soll der Exekutive nicht nur „grünes Licht“ für eine Neubekanntmachung geben, sondern die Befugnis zur Konsolidierung eines bestimmten Gesetzes auf die Exekutive übertragen und sie damit überhaupt erst in die Lage versetzen, eine neue amtliche Gesetzestextfassung zu erstellen und im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen.753 Dementsprechend wird im Schrifttum mehrheitlich von einer „Ermächtigung“ gesprochen,754 vereinzelt auch von einer „Vollmacht“.755 Das Bundesverfassungsgericht bevorzugt ebenfalls die Bezeichnung „Bekanntmachungsermächtigung“.756 In der Gesetzgebungspraxis hat sich dagegen in letzter Zeit immer mehr der Begriff der „Bekanntmachungserlaubnis“ durchgesetzt. So benutzen grundsätzlich nur noch die älteren Gesetze die Paragraphenüberschrift „Er750

HdR, Teil D, 3.14; ebenso Benda/Maihofer/Vogel – Bülow, § 30, Rn. 52. Siehe nur Maurer, VerwR, § 9, Rn. 51 f. 752 Schneider, Rn. 686, Fn. 4. 753 Vgl. Schneider, Rn. 686, Fn. 4; Müller, HdG, S. 256; Zinn/Stein – Schonebohm, Art. 120, Erl. 7. 754 So z. B. bei AK – Ramsauer, Art. 82, Rn. 29; BK – Maurer, Art. 82, Rn. 113; Dreier – Bauer, Art. 82, Rn. 20; Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 82, Rn. 7; v. Mangoldt/Klein/Starck – Brenner, Art. 82, Rn. 34; Sachs – Lücke/Nierhaus, Art. 82, Rn. 28; Schmidt-Bleibtreu/Klein – Sannwald, Art. 82, Rn. 59; Seifert/Hömig – Hömig, Art. 82, Rn. 7; Müller, HdG, S. 255; ders., DVBl. 1962, 589; Horlacher, DÖV 1956, 490; Hallier, AöR 1960, 391 (416); Schmid, BayVBl. 1974, 39; Schallen, WzS 1970, 5; Rühmann, EuGRZ 2000, 204. 755 Schneider, Rn. 685. 756 Siehe z. B. BVerfGE 18, 389 (391). 751

182

G. Bedeutung und Umfang der Bekanntmachungserlaubnis

mächtigung“ mit dem dazu passenden Gesetzeswortlaut („. . . wird ermächtigt, . . .“),757 während die Bekanntmachungsparagraphen neuerer Gesetze in der Regel mit dem Titel „(Neu-)Bekanntmachungserlaubnis“758 versehen sind oder diesen Terminus im Normtext erwähnen, wie z. B. § 3 Abs. 2 des Zuständigkeitsanpassungsgesetzes vom 16. August 2002.759 Im Hinblick auf diese gesetzliche Übung soll deshalb in dieser Arbeit weiterhin der juristisch nicht ganz so „saubere“ Begriff der Bekanntmachungserlaubnis verwendet werden. Dieser hat außerdem einen praktischen Vorteil: Er grenzt die Bekanntmachungserlaubnis sichtbar von der Verordnungsermächtigung nach Art. 80 Abs. 1 GG ab und macht somit deutlich, dass es sich bei der Neubekanntmachung nicht um einen exekutiven Rechtsetzungsakt handelt. 3. Zwingender Charakter? Rechtstechnisch betrachtet handelt es sich bei der „Bekanntmachungserlaubnis“ um einen Akt der Ermächtigung, nämlich der Übertragung von bestimmten Konsolidierungsbefugnissen auf die Exekutive. Fraglich ist jedoch, ob diese Ermächtigung zugleich den imperativen Auftrag impliziert, die Exekutive habe von der Ermächtigung auch tatsächlich Gebrauch zu machen. Dagegen spricht schon einmal die vom Gesetzgeber vielfach verwendete Bezeichnung als „Erlaubnis“ sowie der üblicherweise enthaltene Wortlaut: „kann . . . bekannt machen“ bzw. „wird ermächtigt, . . . bekannt zu machen“.760 Danach steht es grundsätzlich im Ermessen der Exekutive, ob und wann sie die ihr übertragenen Befugnisse wahrnimmt.761 Sie muss jedoch bedenken, dass das Parlament die Bekanntmachungserlaubnis nicht ohne Grund erlässt, denn in der Regel kommt darin die legislative Einschätzung zum Ausdruck, ein konsolidierter Neufassungstext sei aus rechtsstaatlichen Gründen (dringend) geboten.762 Insofern beinhaltet sie durchaus den 757 Siehe z. B. § 5 des Gesetzes zur Änderung des Länderfinanzausgleichsgesetzes 1958 und des Fünften Überleitungsgesetzes vom 10. Mai 1961, BGBl. I 1961, 517 (518); Art. 100 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 14. Dezember 1976, BGBl. I 1976, 3341 (3384); eine Ausnahme von dieser Regel bilden teilweise die in den meisten Steuer- und Finanzgesetzen enthaltenen Dauerermächtigungen, die auch neueren Datums sein können, wie z. B. § 9 des Gemeindefinanzreformgesetzes in der Fassung von Art. 11 Nr. 5 des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14. August 2007, BGBl. I 2007, 1912 (1937). 758 Siehe oben S. 72 mit zahlreichen Beispielen in den Fn. 275 f. 759 BGBl. I 2002, 3165; siehe auch unten S. 205. 760 Siehe oben S. 191. 761 Schmid, BayVBl. 1974, 39 (40). 762 Siehe unten S. 184 f.

I. Rechtsnatur der Bekanntmachungserlaubnis

183

Wunsch oder noch eindringlicher, den Appell des Gesetzgebers, die Exekutive möge diese Befugnis bitte möglichst zeitnah ausüben.763 Deshalb sollte die Exekutive schon gewichtige Argumente auf ihrer Seite haben, wenn sie sich dennoch bewusst gegen die Vornahme einer Neubekanntmachung entscheidet. Insbesondere muss sie der Überzeugung sein, dass die Veröffentlichung eines Neufassungstextes derzeit (noch) nicht erforderlich ist, um der staatlichen Konsolidierungspflicht hinreichend nachzukommen, eventuell sogar kurzfristig mehr Verwirrung als Klarheit stiften könnte. Andernfalls würde sie sich dem Vorwurf aussetzen, durch ihre Untätigkeit verfassungswidrig gehandelt zu haben. In den meisten Fällen wird die Bekanntmachungserlaubnis daher von der Exekutive relativ zügig umgesetzt. Es sind in der Praxis nur sehr wenige Ausnahmen bekannt, in denen die Bekanntmachungserlaubnis tatsächlich bis zum Erlass einer neuen Ermächtigung ungenutzt blieb.764 Darüber hinaus wäre zu überlegen, ob die Legislative ihrem Wunsch eventuell durch einen expliziten „Bekanntmachungsauftrag“ oder „Bekanntmachungsbefehl“ etwas mehr Nachdruck verleihen darf. So könnte sie beispielsweise formulieren: „muss . . . bekannt machen“, „hat . . . bekannt zu machen“ oder „wird verpflichtet, . . . bekannt zu machen“. Eine solche Verpflichtungsmöglichkeit wird im Zusammenhang mit der Verordnungsermächtigung nach Art. 80 Abs. 1 GG mehrheitlich bejaht.765 Auch wenn die Bekanntmachungserlaubnis nicht ausdrücklich im Grundgesetz geregelt ist, so kann sie doch – wie oben gesehen – im Sinne einer möglichst effektiven Ausübung staatlicher Gewalt durchaus geboten sein.766 Ebenso wie bei der Verordnungsermächtigung wäre die mit der Delegation der überwiegend verwaltungstechnischen Konsolidierungsaufgaben verbundene Entlastung des Parlaments gefährdet, nähme die Exekutive die ihr zugewiesenen Kompetenzen nur unzureichend wahr.767 Von daher ist eine Bekanntmachungsverpflichtung an die Exekutive aus verfassungsrechtlicher Sicht als grundsätzlich zulässig zu erachten. Die Exekutive wäre dann aufgrund ihrer Bindung an Gesetz und Recht gem. Art. 20 Abs. 3 GG verpflichtet, diesen gesetzlichen Auftrag durch eine zeitnahe Neubekanntmachung zu erfüllen. 763

Vgl. Müller, HdG, S. 262; HdR, Rn. 861. Siehe die Beispiele bei Müller, HdG, S. 262. 765 BVerfGE 79, 174 (193 f.); BK – Nierhaus, Art. 80 Abs. 1, Rn. 172; HdS – Ossenbühl, § 103, Rn. 50; v. Mangoldt/Klein/Starck – Brenner, Art. 80 Abs. 1, Rn. 71; Sachs – Lücke/Mann, Art. 80, Rn. 4; Umbach/Clemens – Rubel, Art. 80, Rn. 34; v. Münch/Kunig – Bryde, Art. 80, Rn. 5b. 766 Siehe oben S. 138. 767 Siehe die in diesem Punkt sehr gut vergleichbare Argumentation von AK – Ramsauer, Art. 80, Rn. 52 zur Verordnungsermächtigung. 764

184

G. Bedeutung und Umfang der Bekanntmachungserlaubnis

Diese Gedanken sind aber insgesamt eher theoretischer Natur, denn eine solche imperative „Bekanntmachungserlaubnis“ ist bisher noch nicht erlassen worden. Ein Grund dafür könnte die Tatsache sein, dass es sich bei der Bekanntmachungserlaubnis nur um eine zuschiebende, nicht dagegen um eine abschiebende Delegation von Konsolidierungsbefugnissen handelt. Das Parlament kann daher selbstverständlich auch weiterhin eine eigene (konstitutive) Neufassung beschließen, um dadurch den rechtsstaatlichen Anforderungen gerecht zu werden. 4. Zusammenfassung Die bisherige Untersuchung hat ergeben, dass es sich bei der Bekanntmachungserlaubnis streng genommen um eine Bekanntmachungsermächtigung handelt, welche die grundsätzlich bei der Legislative angesiedelten Konsolidierungskompetenzen in Bezug auf bestimmte Stammgesetze auf die Exekutive überträgt und sie damit zur Veröffentlichung einer relativ verbindlichen Neufassung dieser Gesetze im Bundesgesetzblatt ermächtigt. Normalerweise liegt die Ausübung dieser Befugnisse im Ermessen der Exekutive, obgleich eine gesetzliche Verpflichtung durch die Legislative theoretisch denkbar ist. Außerdem hat das Parlament weiterhin die Möglichkeit, die gebotene Gesetzeskonsolidierung mittels einer konstitutiven Neufassung eigenständig durchzuführen. Diese geht als absolut verbindlicher Rechtsakt der ministeriellen Neufassung immer vor.

II. Wirksamkeit der Bekanntmachungserlaubnis 1. Im Interesse der Rechtssicherheit geboten In Bezug auf die Wirksamkeit einer Bekanntmachungserlaubnis stellt sich zunächst einmal die Frage, ob die Legislative die Exekutive jederzeit zur Neubekanntmachung eines Gesetzes ermächtigen kann oder ob dazu bestimmte Voraussetzungen gegeben sein müssen. Wie bereits mehrfach erwähnt, dient die Neubekanntmachung in erster Linie der Rechtssicherheit und -klarheit. Eine Bekanntmachungserlaubnis sollte deshalb immer nur dann erteilt werden, wenn die Rechtslage aufgrund mehrer Änderungsgesetze im Bundesgesetzblatt nicht mehr zweifelsfrei zu erkennen ist und damit ein Konsolidierungsbedürfnis besteht. Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht in einer seiner Entscheidungen angedeutet: „Der mit einer solchen Ermächtigung verbundene Auftrag des Gesetzgebers, das geänderte Gesetz [. . .] bekanntzumachen, ist daher nur zulässig, weil und soweit eine solche im Interesse der Rechtssicherheit gebotene deklaratorische Klarstel-

II. Wirksamkeit der Bekanntmachungserlaubnis

185

lung des Gesetzestextes den rechtlich erheblichen Inhalt des Gesetzes und mit ihm seine Identität nicht berührt.“768

Fraglich ist jedoch, ob dieser Aussage eine Zulässigkeitsvoraussetzung für die Erteilung einer Bekanntmachungserlaubnis entnommen werden kann, wie es einige Autoren anscheinend tun.769 Das würde nämlich bedeuten, dass die Legislative nur dann eine Bekanntmachungserlaubnis aussprechen darf, wenn eine Neubekanntmachung „im Interesse der Rechtssicherheit geboten“ ist. Dieser Forderung ist im Grunde genommen zuzustimmen, da für eine Neubekanntmachung, die mehr Rechtsunsicherheit und -verwirrung als Rechtssicherheit und -klarheit hervorrufen würde, keine verfassungsrechtliche Grundlage besteht. Außerdem ist zu bedenken, dass eine übertriebene Konsolidierungsaktivität das Bundesgesetzblatt übermäßig anschwellen ließe und damit das Auffinden der gesuchten Textpassagen zusätzlich erschweren würde, von den steigenden Produktions- und Erwerbskosten einmal ganz abgesehen. Insofern ist die Legislative gut beraten, nicht nach jeder kleinen Gesetzesänderung eine Neubekanntmachung zu veranlassen. Vielmehr sollte sie nur nach umfassenden Gesetzesreformen oder nach zahlreichen kleineren Novellen zum Instrument der Neubekanntmachung greifen. Dabei verbleibt ihr aber nach wie vor ein großer Ermessensspielraum, denn eine staatliche Pflicht zur Gesetzeskonsolidierung besteht erst dann, wenn sich die Gesetzeslage anhand des Bundesgesetzblattes kaum – selbst mit großer Mühe und unter erheblichem Zeitaufwand – noch ermitteln lässt.770 Umgekehrt hat eine Neubekanntmachung nur dann zu unterbleiben, wenn sie im Interesse der Rechtssicherheit unter keinen Umständen geboten ist. Die Zulässigkeitsvoraussetzung dürfte deshalb in der Praxis so gut wie keine Rolle spielen, weil in den meisten Fällen eine Neubekanntmachung – auch nach nur sehr wenigen Gesetzesänderungen – zumindest zu einer geringfügigen Verbesserung der Rechtssicherheit und -klarheit beitragen wird. Ein Verstoß wäre allenfalls dann anzunehmen, wenn das Parlament kurz vor der Erteilung der Bekanntmachungserlaubnis bereits selbst eine konstitutive Neufassung verkündet hat. Denn in diesem Fall besteht absolut kein Bedürfnis, die Exekutive zur Veröffentlichung einer weiteren konsolidierten Neufassung im Bundesgesetzblatt zu veranlassen. Als Beispiel für eine demnach unzulässige Bekanntmachungserlaubnis kann Art. 3 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 26. August 1998771 genannt werden, der das Bundesministe768 769 770 771

BVerfGE 18, 389 (391); Kursivdruck durch den Verfasser hinzugefügt. Siehe z. B. BK – Maurer, Art. 82, Rn. 112; Dreier – Bauer, Art. 82, Rn. 20. Siehe dazu auch unten S. 265. BGBl. I 1998, 2521 (2545).

186

G. Bedeutung und Umfang der Bekanntmachungserlaubnis

rium der Wirtschaft zur Neubekanntmachung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zum 1. Januar 1999 ermächtigte, obwohl Art. 1 desselben Gesetzes bereits eine komplette Neufassung des GWB enthielt, die am gleichen Datum in Kraft treten sollte.772 2. Zeitlicher Geltungsrahmen Nachdem gerade festgestellt worden ist, unter welcher Prämisse eine Bekanntmachungserlaubnis an die Exekutive überhaupt erteilt werden darf, stellt sich als nächstes die Frage, in welchem Zeitraum die Exekutive von einer wirksam erteilten Bekanntmachungserlaubnis Gebrauch machen kann, d.h. wann sie in Kraft tritt und wann sie wieder erlischt. a) Inkrafttreten der Bekanntmachungserlaubnis Normalerweise tritt die Bekanntmachungserlaubnis gleichzeitig mit dem sie enthaltenden Änderungsgesetz in Kraft. Da die Exekutive die Neubekanntmachung nicht ohne wirksame Ermächtigungsgrundlage vornehmen kann, darf sie die Neufassung grundsätzlich erst ab diesem Zeitpunkt im Bundesgesetzblatt veröffentlichen.773 Maßgeblich ist dabei das Veröffentlichungsdatum der Neufassung, also der in der Kopfzeile des Bundesgesetzblattes genannte Ausgabetag.774 Der Gesetzgeber kann aber in einer speziellen Inkrafttretensvorschrift auch anordnen, dass die Bekanntmachungserlaubnis bereits vor den übrigen Gesetzesteilen in Kraft treten soll.775 Das ist vor allem dann sinnvoll, wenn das Änderungsgesetz erst zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft tritt und die 772

Allerdings ging es der Legislative in diesem Fall wohl eher um die in der erweiterten Bekanntmachungserlaubnis vorgesehenen Textanpassungen als um die Schaffung einer neuen konsolidierten Gesetzesfassung; siehe dazu das Beispiel 1 auf S. 138 ff. 773 Schneider, Rn. 690; Müller, DVBl. 1962, 589 (590); Zinn/Stein – Schonebohm, Art. 120, Erl. 7; a. A. BVerfGE 14, 245 (250); E 18, 389 (391); Schmid, BayVBl. 1974, 39 (40). 774 Siehe oben S. 100. 775 Müller, HdG, S. 261; ders., DVBl. 1962, 589 (591); Schneider, Rn. 690; Zinn/Stein – Schonebohm, Art. 120, Erl. 7. Als praktisches Anschauungsbeispiel kann hier auf das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 (BGBl. I 1974, 469) verwiesen werden, das überwiegend erst zum 1. Januar 1975 in Kraft trat, dessen spezieller Inkrafttretensartikel (Art. 326) aber in seinem Abs. 2 anordnete, dass u. a. die Bekanntmachungserlaubnis des Art. 323 bereits am Tage nach der Verkündung, also am 10. März 1974 in Kraft treten sollte. Die Neubekanntmachung erfolgte trotzdem erst am 2. Januar 1975 (BGBl. I 1975, 1). Siehe dazu auch Schroeder, NJW 1975, 1870.

II. Wirksamkeit der Bekanntmachungserlaubnis

187

Exekutive die Neubekanntmachung bereits vorher, eventuell sogar schon unmittelbar nach der Verkündung des Änderungsgesetzes vornehmen soll. Dennoch ist es in aller Regel unzulässig, die Neubekanntmachung in derselben Ausgabe des Bundesgesetzblattes abzudrucken, in der auch die Bekanntmachungserlaubnis enthalten ist,776 es sei denn, diese tritt bereits am Tage ihrer Verkündung in Kraft. Nicht gefolgt werden kann an dieser Stelle der Auffassung des Handbuchs der Rechtsförmlichkeit, nach der die Bekanntmachungserlaubnis automatisch zum Zeitpunkt der Verkündung wirksam werden soll.777 Eine solche Annahme würde der Regelung des Art. 82 Abs. 2 GG widersprechen, nach der der Gesetzgeber den Tag des Inkrafttretens einer Vorschrift selbst bestimmen soll und nach der im Falle des Fehlens einer solchen Bestimmung immer die 14-tägige Frist des Satzes 2 eingreift.778 Grundsätzlich zulässig ist es dagegen, wenn der Gesetzgeber die Bekanntmachungserlaubnis unter eine aufschiebende Bedingung stellt, wie er es z. B. in § 100 S. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG)779 getan hat: „Das Bundesministerium des Innern kann nach Erlass einer Verordnung nach Satz 1 den Wortlaut dieses Gesetzes im Bundesgesetzblatt bekannt machen.“

Hier darf die Exekutive also erst dann von der Bekanntmachungserlaubnis Gebrauch machen, wenn sie zuvor eine Anpassungsverordnung nach § 100 S. 1 AufenthG erlassen hat. Der Bedingungseintritt kann in diesem Fall von jedermann einfach und eindeutig anhand des Bundesgesetzblattes festgestellt werden. Eine ganz ähnliche Bedingung enthält im Übrigen § 3 Abs. 1 ZustAnpG.780 b) Erlöschen der Bekanntmachungserlaubnis Die gesetzliche Bekanntmachungserlaubnis erlischt, wenn sie von der Legislative ausdrücklich aufgehoben wird. Maßgeblich für die Wirksamkeit der Neubekanntmachung ist auch hier das Veröffentlichungsdatum, also das Datum der tatsächlichen Publikation. Nach Erlöschen der Bekanntmachungserlaubnis darf die Neubekanntmachung daher nicht mehr im Bundesgesetzblatt abgedruckt werden. Eine zuvor veröffentliche Neufassung bleibt natürlich gültig. 776

A. A. Schmid, BayVBl. 1974, 39 (40). So HdR, Rn. 714. 778 Siehe dazu auch oben S. 26 f. 779 Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet in der Fassung der Neubekanntmachung vom 25. Februar 2008, BGBl. I 2008, 162 (211). 780 Siehe unten S. 205 f. 777

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G. Bedeutung und Umfang der Bekanntmachungserlaubnis

Unabhängig davon kann die Bekanntmachungserlaubnis ihre rechtliche Wirkung aber auch aufgrund sonstiger Umstände verlieren und infolgedessen – also ohne ausdrücklichen Aufhebungsakt – erlöschen. Denkbar sind hier insbesondere zwei Fälle: aa) Verbrauch Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Exekutive grundsätzlich nur zum einmaligen Gebrauch der Konsolidierungsbefugnis ermächtigen möchte. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Bekanntmachungserlaubnis, die in der Regel einen konkreten Stichtag vorgibt, auf den sich die ministerielle Neufassung zu beziehen hat. Da es keinen Sinn macht, die gleiche Gesetzesfassung mehrfach im Bundesgesetzblatt bekannt zu machen, ist anzunehmen, dass die Bekanntmachungserlaubnis nach Veröffentlichung der entsprechenden Neufassung verbraucht ist und folglich erlischt.781 Ausnahmsweise kann eine Bekanntmachungserlaubnis die Exekutive aber auch zu einer wiederholten Neubekanntmachung desselben Stammgesetzes ermächtigen. Dies muss sich aber ausdrücklich aus dem Wortlaut der Ermächtigung ergeben. In Frage kommen hier zum einen die sog. Dauerermächtigungen, welche der Exekutive eine regelmäßige Neubekanntmachung „in der jeweils geltenden Fassung“ ermöglichen und zumeist unmittelbar in den Stammgesetzen untergebracht sind.782 Diese Bekanntmachungserlaubnisse bleiben so lange in Kraft, bis sie aus dem Stammgesetz entfernt werden. Daneben gibt es vereinzelt auch solche Ermächtigungen, die zwar nicht dauerhaft wirken, der Exekutive aber dennoch eine mehrfache Neubekanntmachung, jeweils zu bestimmten im Voraus festgelegten Stichtagen, ermöglichen. Als Beispiel hierfür sei Art. 10 Abs. 1 des Gesetzes zur Änderung des Wohngeldgesetzes und anderer Gesetze vom 22. Dezember 1999 genannt:783 „Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen kann den Wortlaut des Wohngeldgesetzes in der ab 1. Januar 2001 und in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung im Bundesgesetzblatt bekannt machen.“

Diese seltene Bekanntmachungserlaubnis kann jedoch im Endeffekt wie zwei separate Einzelermächtigungen behandelt werden, die jeweils nach ihrer Ausübung erlöschen. 781 782 783

Vgl. Schneider, Rn. 687; Reich, DÖV 1973, 846 (848). Schneider, Rn. 687; siehe dazu bereits oben S. 73 und 80. BGBl. I 1999, 2671 (2807).

II. Wirksamkeit der Bekanntmachungserlaubnis

189

Etwas kritischer muss dagegen die zweifache Verwendung der Bekanntmachungserlaubnis aus Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Raumfahrtaufgabenübertragungsgesetzes vom 23. April 1998784 betrachtet werden. Da in der ersten Neubekanntmachung vom 27. Mai 1998785 versehentlich ein Änderungsgesetz nicht mit berücksichtigt worden ist, hat der zuständige Minister am 22. August 1998 aufgrund derselben Bekanntmachungserlaubnis eine zweite, nunmehr korrekte Neufassung im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.786 Zwar hat er in dem Bekanntmachungstext darauf hingewiesen, dass „die vorliegende Bekanntmachung der Neufassung des Raumfahrtaufgabenübertragungsgesetzes die Bekanntmachung der Neufassung des Raumfahrtübertragungsgesetzes vom 27. Mai 1998 [ersetzt]“. Richtiger wäre es in dieser Situation aber wohl gewesen, die fehlerhafte erste Neubekanntmachung im Wege der Berichtigung zu korrigieren anstatt aufgrund derselben Bekanntmachungserlaubnis eine zweite Neubekanntmachung zu veröffentlichen, welche die erste „ersetzen“ soll. bb) Verwirkung Die meisten Bekanntmachungserlaubnisse nennen einen konkreten Neufassungsstichtag und begrenzen dadurch die Konsolidierungskompetenz der Exekutive auf die Feststellung des zu diesem Stichtag geltenden Gesetzeswortlauts.787 Die Exekutive ist somit angehalten, die Neubekanntmachung möglichst zeitnah vorzunehmen, im Optimalfall entweder genau an dem Stichtag oder zumindest kurz danach. Es kommt aber nicht selten vor, dass zwischen dem Neufassungsstichtag und dem Veröffentlichungsdatum mehrere Wochen oder Monate liegen. Das ist zunächst noch relativ unproblematisch, solange sich die Gesetzeslage nicht ändert. Kritisch wird diese Verzögerung hingegen, wenn in der Zwischenzeit neue Änderungsgesetze verkündet oder sogar schon in Kraft getreten sind, da diese nicht mehr in den Neufassungstext eingearbeitet werden dürfen, sondern allenfalls in Fußnoten vermerkt werden können.788 Je länger die Exekutive also mit der Neubekanntmachung wartet, desto weniger stimmt der auf den Stichtag in der Vergangenheit bezogene Neufassungstext unter Umständen noch mit der aktuellen Gesetzesfassung überein und desto unbrauchbarer wird dieses Konsolidierungsinstrument infolgedessen. Von daher muss man sich fragen, ob die Exekutive theoretisch auch noch Jahre nach Ablauf des Neufassungs784 785 786 787 788

BGBl. I 1998, 746. BGBl. I 1998, 1186. Siehe BGBl. I 1998, 2510. Siehe oben S. 78. Siehe zu dieser Problematik bereits oben S. 101.

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G. Bedeutung und Umfang der Bekanntmachungserlaubnis

stichtags von ihrer Bekanntmachungserlaubnis Gebrauch machen darf oder ob diese Befugnis nach einer gewissen Zeit „verwirkt“ ist. Da die Entscheidung über die Ausübung der Konsolidierungskompetenz grundsätzlich im Ermessen der Exekutive steht,789 sollte sie sich vor der Neubekanntmachung eines Gesetzes immer fragen, ob diese insgesamt noch zu einer Verbesserung der Rechtssicherheit und -klarheit beitragen kann. Das ist zu verneinen, wenn sich seit dem Neufassungsstichtag so viele Gesetzesänderungen ergeben haben, dass der insofern schon wieder veraltete Neufassungstext mehr Unsicherheit und Verwirrung als Klarheit stiften würde. Auch eine Integration der Gesetzesänderungen in Form von Fußnoten dürfte ab einem bestimmten Ausmaß die Neufassung unleserlich erscheinen lassen und damit wenig hilfreich sein. Im Zweifel sollte die Exekutive daher lieber von einer Neubekanntmachung absehen und eine neue Bekanntmachungserlaubnis abwarten.790 Das Inkrafttreten einer neuen Bekanntmachungserlaubnis in Bezug auf dasselbe Stammgesetz führt unmittelbar zur Verwirkung einer früheren Bekanntmachungserlaubnis. Denn die Erteilung einer neuen Bekanntmachungserlaubnis ist zumeist mit der Festlegung eines neuen Neufassungsstichtags verbunden, den die Legislative aus gesetzgeberischen Gründen für besonders sinnvoll erachtet. Es wäre insofern der Rechtsklarheit wenig dienlich und würde vermutlich auch dem Willen des Gesetzgebers widersprechen, wenn die Exekutive zusätzlich noch von der ursprünglichen Bekanntmachungserlaubnis Gebrauch machen könnte. Eine besondere Situation lag dagegen bei der Neubekanntmachung des Wohngeldgesetzes vom 2. Januar 2001 vor.791 Hier standen dem zuständigen Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zwei wirksame Bekanntmachungserlaubnisse zur Verfügung, eine aus Art. 10 Abs. 1 des Gesetzes zur Änderung des Wohngeldgesetzes und anderer Gesetze vom 22. Dezember 1999,792 in Kraft getreten am 1. Januar 2000, und eine weitere aus Art. 4 des Gesetzes zur Änderung des Eigenheimzulagengesetzes und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000,793 in Kraft getreten am 24. Dezember 2000. Das Interessante hieran war, dass sich beide Bekanntmachungserlaubnisse auf den gleichen Neufassungsstichtag bezogen, nämlich auf den 1. Januar 2001, und damit im Grunde genommen inhaltsgleich waren. Das Bundesministerium verwendete am Ende nur die jüngere Bekanntmachungserlaubnis, obwohl es in dem Bekanntmachungstext ebenso 789 790 791 792 793

Siehe oben S. 182. Vgl. HdR, Rn. 862. BGBl. I 2001, 2. BGBl. I 1999, 2671 (2807). BGBl. I 2000, 1810 (1811).

III. Zulässiger Umfang der Bekanntmachungserlaubnis

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gut hätte beide Ermächtigungsnormen nennen können. So oder so waren danach beide Bekanntmachungserlaubnisse als verbraucht anzusehen. Sollte die Exekutive mit der Neubekanntmachung so weit in Verzug sein, dass die Legislative mittlerweile eine eigene konstitutive Neufassung des Stammgesetzes beschlossen hat, so ist darin zugleich ein konkludenter Widerruf der ursprünglichen Bekanntmachungserlaubnis zu sehen, da von diesem Zeitpunkt an kein weiteres Konsolidierungsbedürfnis mehr besteht. Abschließend sei noch einmal darauf hingewiesen, dass die soeben angestellten Überlegungen natürlich nicht für die Dauerermächtigungen gelten, die ja bekanntlich keinen festen Neufassungsstichtag vorgeben und insofern auch nicht verwirken können.

III. Zulässiger Umfang der Bekanntmachungserlaubnis 1. Einfache Bekanntmachungserlaubnis Wie bereits im Zusammenhang mit der Rechtsnatur der Neubekanntmachung gesehen, ermächtigt die einfache Bekanntmachungserlaubnis die Exekutive zur amtlichen Konsolidierung des zu einem bestimmten Stichtag geltenden Gesetzeswortlauts und zur anschließenden Veröffentlichung des Ergebnisses als neue formell-textliche Gesetzesgrundlage im Bundesgesetzblatt.794 Der Neufassungstext muss deshalb grundsätzlich wörtlich mit dem sich aus den einzelnen Änderungsgesetzen ergebenden Gesetzestext übereinstimmen, wobei jedoch in der Praxis immer wieder einige ergänzende Maßnahmen in der einfachen Neubekanntmachung vorgenommen werden, deren rechtliche Funktion und Zulässigkeit im Folgenden kurz erörtert werden sollen. a) Berichtigung von Druckfehlern oder anderen offenbaren Unrichtigkeiten Die Neubekanntmachung soll nicht nur den vollständig konsolidierten, sondern zugleich den richtigen Gesetzestext enthalten. Deshalb kann die Exekutive im Rahmen der Neubekanntmachung solche Druckfehler oder andere offenbare Unrichtigkeiten korrigieren, die sie ansonsten auch durch einen formlosen errata-Vermerk berichtigen könnte.795 Denn schließlich handelt es sich dabei noch nicht um eine Veränderung, sondern nur um eine 794 795

Siehe oben S. 166. Siehe dazu bereits oben S. 172 ff.

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G. Bedeutung und Umfang der Bekanntmachungserlaubnis

Richtigstellung des verkündeten Gesetzestextes, mit deren Hilfe er erst seine bestimmungsgemäße Form erhält. Die Neubekanntmachung stellt insofern nur den Wortlaut im Bundesgesetzblatt her, der ursprünglich vom Gesetzgeber beschlossen worden war, weshalb diese „Textmodifikationen“ noch von der einfachen Bekanntmachungserlaubnis gedeckt sind.796 Allerdings ist bei der Berichtigung von sonstigen Unrichtigkeiten, die nicht auf einem einfachen Druckfehler beruhen, streng darauf zu achten, dass die Korrekturmaßnahmen nicht zu einer inhaltlichen Veränderung des Gesetzes führen können. Diese Gefahr besteht immer dann, wenn die vermeintlich fehlerhafte Textstelle für sich gesehen noch irgendeinen Sinn ergibt. In diesem Fall liegt grundsätzlich keine offenbare, d.h. bereits anhand des Gesetzestextes erkennbare Unrichtigkeit vor, so dass die Berichtigung zunächst dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben sollte.797 Damit beschränkt sich die Berichtigungsmöglichkeit jenseits der Druckfehler auf offensichtliche • Rechtschreibfehler,798 • Zeichensetzungsfehler,799 796 HdR, Rn. 705; Müller, HdG, S. 271. Als überflüssig anzusehen ist insofern die zusätzliche Ermächtigungsklausel in § 4 des Gesetzes zur Erstreckung und zur Verlängerung der Geltungsdauer des Bewirtschaftungsnotgesetzes, des Gesetzes zur Deckung der Kosten für den Umsatz ernährungswirtschaftlicher Waren und des Preisgesetzes vom 21. Januar 1950, BGBl. 1950, 7 (8): „Berichtigungen vorzunehmen“. 797 Bedenklich insofern die Vorgehensweise der Exekutive bei der Neubekanntmachung des Pflanzenschutzgesetzes vom 14. Mai 1998, BGBl. I 1998, 971. § 8 Nr. 1 c) des Pflanzenschutzgesetzes war durch Art. 1 Nr. 10 a) des Ersten Gesetzes zur Änderung des Pflanzenschutzgesetzes vom 14. Mai 1998, BGBl. I 1998, 950 (953) wie folgt gefasst worden: „die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, die nicht landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder erwerbsgärtnerisch genutzt werden, oder“. Im Rahmen der Neubekanntmachung formulierte die Exekutive diese Textstelle folgendermaßen: „die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf Freilandflächen, die nicht landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder erwerbsgärtnerisch genutzt werden, oder“. Durch diese „Berichtigung“ hat sich das Bezugsobjekt des Relativsatzes (vorher: Pflanzenschutzmittel, nachher: Freilandflächen) und damit auch der normative Inhalt des Absatzes geändert, obwohl auch die ursprüngliche Formulierung einen Sinn ergeben hatte. Es handelt sich hier folglich nicht um eine offenbare Unrichtigkeit. Hinzu kommt, dass die Exekutive anschließend auch noch Art. 1 Nr. 10 a) des Änderungsgesetzes in diesem Sinne berichtigt hat (siehe Nr. 1 der Berichtigung vom 27. November 1998, BGBl. I 1998, 3512), was angesichts des oben Gesagten ebenso fragwürdig erscheint. 798 Offenbar unrichtig sind insbesondere solche Wörter, die in der deutschen Sprache überhaupt nicht existieren (z. B. „Verwltung“ anstatt „Verwaltung“). Hat das Wort hingegen in der deutschen Sprache eine mögliche Bedeutung, so kann es nur dann als offensichtlicher Rechtschreibfehler behandelt werden, wenn es in dem jeweiligen Kontext keinen Sinn ergibt (z. B. „Verwaldung“ in einem Kapitel, das sich nur mit Verwaltungsverfahrensfragen beschäftigt). Siehe dazu auch Schorn, S. 66 ff.

III. Zulässiger Umfang der Bekanntmachungserlaubnis

193

• Grammatikfehler,800 • Normverweisungsfehler801 und • Nummerierungsfehler.802 Des Weiteren setzt die Berichtigung voraus, dass der richtige Gesetzeswortlaut zweifelsfrei ermittelt werden kann. Diese Bedingung ist insbesondere bei reinen Druckfehlern regelmäßig gegeben, da sich der korrekte Gesetzestext hier der Druckvorlage eindeutig entnehmen lässt. Vor der Bekanntmachung einer gesetzesberichtigenden Neufassung ist außerdem darauf zu achten, die eventuell gem. § 61 Abs. 2 und 3 GGO erforder799 Bei Zeichensetzungsfehlern ist besondere Zurückhaltung geboten, da bereits die Versetzung eines Kommas um nur wenige Wörter dem ganzen Satz einen anderen Sinn geben kann; vgl. HdR, Rn. 706. 800 So hat das Bundesministerium der Justiz z. B. versucht, im Rahmen der Neubekanntmachung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 2. Januar 2002 (BGBl. I 2002, 42) den § 1485 Abs. 3 BGB (alte Fassung: „Auf das Gesamtgut finden die für die eheliche Gütergemeinschaft geltenden Vorschriften des § 1438 Abs. 2, 3 entsprechende Anwendung.“) grammatikalisch zu verbessern, indem es folgende Umformulierung vorgenommen hat: „Auf das Gesamtgut findet die für die eheliche Gütergemeinschaft geltenden Vorschrift des § 1438 Abs. 2, 3 entsprechende Anwendung.“ Dabei ist ihm leider ein neuer Grammatikfehler unterlaufen, denn anstatt „geltenden“ hätte es nunmehr natürlich „geltende“ lauten müssen. Berichtigungsfähig, wenn auch noch nicht geschehen, wäre auch der falsche Kasus von „lebende Teile“ in § 2 Nr. 9 d) des Pflanzenschutzgesetzes in der Fassung von Art. 3 Nr. 1 c) bb) des Gesetzes zu der in Rom am 17. November 1997 angenommenen Fassung des Internationalen Pflanzenschutzübereinkommens vom 19. August 2004 (BGBl. II 2004, 1154 [1155]): „Stoffe, die dazu bestimmt sind, das Keimen von lebende Teile von Pflanzen und Pflanzenerzeugnissen zu hemmen, . . .“. Hier handelt es sich um einen offensichtlichen Grammatikfehler, denn es müsste richtigerweise lauten: „lebenden Teilen“. 801 Normverweisungen sind insbesondere dann offenbar unrichtig, wenn sie auf eine nicht existente Norm oder auf sich selbst verweisen. Darüber hinaus dürfte eine Berichtigung in Frage kommen, wenn der Verweisungsfehler offensichtlich auf einer Umnummerierung des Gesetzgebers beruht, d.h. weder die Ausgangs- noch die Zielnorm inhaltlich verändert wurden und die Verweisung mangels Anpassung an die neue Nummerierung nun keinen Sinn mehr ergibt. Ansonsten sollte von der Berichtigungsmöglichkeit aber grundsätzlich kein Gebrauch gemacht werden (siehe hierzu auch unten S. 202 f.). 802 Paragraphen- und Absatznummerierungen sind offenbar unrichtig, wenn sie in falscher Reihenfolge stehen (z. B. § 2 vor § 1). Ein offensichtlicher Fehler liegt ebenfalls vor, wenn ein Paragraph eine Absatznummerierung enthält, obwohl er nur aus einem einzigen Absatz besteht (siehe z. B. § 52 ZPO, dessen falsche Absatznummerierung allerdings im Rahmen der Neubekanntmachung der Zivilprozessordnung vom 5. Dezember 2005 [BGBl. I 2005, 3202] nicht behoben wurde). Paragraphenlücken stellen dagegen keine Unrichtigkeiten dar und dürfen deshalb nicht einfach im Wege der Berichtigung geschlossen werden. Der Gesetzgeber kann die Exekutive hierzu aber ausdrücklich ermächtigen (siehe unten S. 212 f.).

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G. Bedeutung und Umfang der Bekanntmachungserlaubnis

lichen Einwilligungen einzuholen.803 Schließlich ist noch anzuregen, die korrigierten Textstellen in der Neufassung in kursiv oder anderweitig hervorzuheben, um auf die Inanspruchnahme der Berichtigungsbefugnisse im Sinne einer transparenten Neubekanntmachungspraxis aufmerksam zu machen. Problematisch ist die Frage, wie bei der Neubekanntmachung mit einer Rechtschreibreform umzugehen ist.804 Diese hat bekanntlich zur Folge, dass die meisten Gesetze, die gemäß der damals geltenden Rechtschreibung und damit ja ursprünglich richtig beschlossen und verkündet worden sind, nunmehr (ex nunc) orthographische Fehler aufweisen. Jauernig vertritt deshalb die Auffassung, dass zur Umstellung auf die neue Rechtschreibung und Zeichensetzung eine erweiterte Bekanntmachungserlaubnis erforderlich sei, da es sich hierbei nicht mehr um eine bloße Berichtigung, sondern eher um eine redaktionelle Anpassung handele.805 Soweit der normative Inhalt durch die Umstellung auf die neue Rechtschreibung nicht berührt wird, besteht meines Erachtens jedoch kein großer Unterschied zu der oben dargestellten Berichtigung, denn in beiden Fällen entspricht der Gesetzestext nicht den aktuellen Rechtschreibregeln. Ob diese orthographischen Fehler schon zum Zeitpunkt der Verkündung bestanden oder erst später in Folge einer Rechtschreibreform verursacht worden sind, ist demgegenüber nachrangig, denn es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber seine Gesetzestexte stets in der jeweils geltenden Schreibweise zugänglich machen möchte. Insofern müsste auch die Umstellung auf eine neue Rechtschreibung im Rahmen der Neubekanntmachung ohne spezielle Ermächtigung möglich sein.806 Dementsprechend wird im Übrigen schon seit längerem in der Praxis verfahren.807 b) Ausschreiben von Gliederungseinheiten Vergleichbar mit der oben erörterten Frage, ob im Rahmen einer einfachen Neubekanntmachung der Gesetzestext an eine neue Rechtschreibung angepasst werden kann, ist die Frage zu behandeln, ob im Rahmen einer 803

HdR, Rn. 705. Zur möglichen Auswirkung einer Rechtschreibreform auf den Gesetzestext siehe Jauernig, S. 177. 805 Jauernig, JZ 1997, 814 (815). 806 So neuerdings auch HdR, Rn. 879 i. V. m. Rn. 47. 807 Siehe z. B. die Neubekanntmachung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes vom 10. Januar 2002 (BGBl. I 2002, 402), durch welche in den §§ 9 und 23 jeweils die alte Schreibweise „daß“ an die neue Rechtschreibung („dass“) angepasst wurde, ohne dass die Exekutive hierzu besonders ermächtigt worden war. 804

III. Zulässiger Umfang der Bekanntmachungserlaubnis

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einfachen Neubekanntmachung der Gesetzestext auch an eine neue Zitierweise angepasst werden kann. Hintergrund dieser Überlegung ist die Konvention, dass in allen neueren Gesetzen bei Normzitaten die einzelnen Gliederungseinheiten ausgeschrieben werden (also z. B. „§ X Absatz Y Nummer Z“), während die Gliederungseinheiten früher teilweise abgekürzt wurden (also z. B. „§ X Abs. Y Nr. Z“). Um auf Dauer wieder eine einheitliche Zitierweise in allen Gesetzestexten zu erreichen, sieht das Handbuch der Rechtsförmlichkeit vor, dass eine Anpassung „anlässlich einer Neubekanntmachung erfolgen“ kann.808 Dem ist bedenkenlos zuzustimmen, weil es sich hierbei um eine rein redaktionelle Maßnahme handelt, die keine inhaltliche Bedeutung entfalten kann. Auch spricht nichts dagegen, in diesem Zusammenhang auf eine ausdrückliche Bekanntmachungsklausel zu verzichten. Denn schließlich werden die bestehenden Gesetzestexte ja nur an die neue, vom Gesetzgeber selbst durchgehend verwendete Zitierweise angepasst, was gerade in seinem Interesse an einer einheitlichen Schreibweise aller Normtexte liegen dürfte. c) Verwendung von Klammerhinweisen aa) Stellvertreter Die einfache Bekanntmachungserlaubnis gestattet es der Exekutive, von einem nochmaligen Abdruck bestimmter, praktisch gegenstandslos gewordener Vorschriften abzusehen und stattdessen einen Vermerk in Klammern einzufügen, der auf den Inhalt dieser Vorschriften hinweist.809 Der Klammerhinweis soll also den ursprünglichen Normtext nicht ersetzen, sondern vielmehr nur als eine Art Stellvertreter dienen, der jederzeit einen Durchgriff auf den eigentlichen Wortlaut ermöglicht. Die durch einen solchen Klammerhinweis repräsentierten Normen werden also lediglich von der amtlichen Konsolidierung ausgenommen, mit der Folge, dass sie nicht auf eine neue formelle Textgrundlage gestellt werden, sondern sich nach wie vor aus der Urfassung bzw. einer früheren Neubekanntmachung und den einzelnen Änderungsgesetzen ergeben. Zu rechtfertigen ist diese Vorgehensweise nur mit dem Argument der Rechtsklarheit, denn durch das Weglassen des vollständigen Wortlauts von praktisch nicht mehr relevanten Vorschriften erhält der Neufassungstext eine bessere Übersichtlichkeit. Demgegenüber kann es ausnahmsweise hingenommen werden, dass die kaum noch nachgefragten Normtexte weiterhin von den Rechtsanwendern selbst konsolidiert werden müssen. Voraussetzung ist aber, dass es sich tatsächlich um 808 809

HdR, Rn. 879 i. V. m. Rn. 196. Siehe dazu bereits oben S. 92.

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G. Bedeutung und Umfang der Bekanntmachungserlaubnis

praktisch bedeutungslose Normen handelt.810 Im Zweifel sollte daher die entsprechende Norm lieber in konsolidierter Fassung mit abgedruckt werden, notfalls in einer kleineren Schriftart. Außerdem ist es unzulässig, irrelevante Vorschriften einfach gar nicht, also noch nicht einmal mehr mit einem stellvertretenden Klammerhinweis zu erwähnen,811 weil der Rechtsanwender in diesem Fall davon ausgehen muss, dass die Norm nicht mehr existiert, was nicht der wirklichen Rechtslage entspräche. bb) Platzhalter Die Klammerhinweise können aber auch im umgekehrten Fall zum Einsatz kommen, nämlich dann, wenn eine Vorschrift aufgehoben wurde oder anderweitig außer Kraft getreten ist. Um eine den Rechtsanwender möglicherweise irritierende Lücke in der Paragraphenzählung zu vermeiden, kann die Exekutive an die Stelle der weggefallenen Vorschriften einen entsprechenden Klammerhinweis setzen.812 Dieser belegt – sozusagen als Platzhalter – die frei gewordenen Paragraphennummern, ohne selbst irgendeine normative Wirkung zu entfalten oder – wie die stellvertretenden Klammerhinweise – auf eine dahinter stehende Rechtsnorm zu verweisen. d) Verwendung von Fußnoten Schließlich ist es der Exekutive aufgrund einer einfachen Bekanntmachungserlaubnis auch gestattet, mittels Fußnoten in der Neufassung auf rechtliche Besonderheiten hinzuweisen. Das ist insofern recht unproblematisch, als die Fußnoten nicht unmittelbar zum Neufassungstext zählen und demzufolge nicht an der relativen Verbindlichkeit teilhaben. Es handelt sich also um rein informatorische Anmerkungen, die zumeist auf eine bereits an anderer Stelle getroffene Regelung deklaratorisch hinweisen und dadurch den Informationsgehalt der Neufassung steigern. Deshalb sollte sich die Exekutive dabei auf wenige praktisch brauchbare und nützliche Informationen beschränken.813 Außerdem darf sie nur auf objektive Tatsachen hinweisen, also insbesondere keine subjektiven Ansichten verbreiten, z. B. bestimmte Gesetzesabschnitte kritisch kommentieren.814 810 Siehe zu den wenigen in der Praxis bisher vorgekommenen Anwendungsfällen oben S. 92 f. 811 Siehe unten S. 215 f. 812 Siehe dazu oben S. 92 f. 813 Siehe die Beispiele für mögliche Fußnotenhinweise und deren Bedeutung auf S. 95 ff.; kritisch zur Fußnotenpraxis Schroeder, NJW 1975, 1870 f., insbesondere in Bezug auf die Neubekanntmachung des Strafgesetzbuches vom 2. Januar 1975 (BGBl. I 1975, 1).

III. Zulässiger Umfang der Bekanntmachungserlaubnis

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2. Erweiterte Bekanntmachungserlaubnis Als erweiterte Bekanntmachungserlaubnis ist jede Bekanntmachungserlaubnis zu bezeichnen, die über die Kernermächtigung („kann . . . bekannt machen“) hinaus noch weitere Konsolidierungsbefugnisse auf die Exekutive überträgt.815 Das ist – wie gerade gesehen – erst dann erforderlich, wenn die Exekutive nicht nur den vollständigen und richtigen Gesetzestext feststellen, sondern außerdem eine in bestimmten Punkten textlich verbesserte Gesetzesfassung erstellen und veröffentlichen soll. Solche redaktionellen Maßnahmen fallen nicht mehr unter eine „Berichtigung“ und müssen deshalb von der Legislative jeweils gesondert angeordnet werden. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass sich die erweiterte Bekanntmachungserlaubnis auf die Übertragung von Konsolidierungsbefugnissen beschränkt, also die Exekutive nur zur verbindlichen Vornahme solcher Textanpassungen ermächtigt, die den normativen Inhalt nicht berühren. Wie bereits oben festgestellt, ist es den Legislativorganen gemäß den verfassungsrechtlichen Prinzipien der Gewaltenteilung und Demokratie verboten, ihre legislativen Kernkompetenzen zugunsten der Exekutive preiszugeben, wozu insbesondere auch die Befugnis zur Rechtsetzung in der Form und im Rang eines formellen Gesetzes zählt. Diese exklusive Handlungsform ist ausschließlich den ordentlichen Gesetzgebungsorganen vorbehalten und darf deshalb grundsätzlich nicht zur Disposition der Exekutive gestellt werden.816 Eine Ausnahme hiervon kann jedoch vor dem Hintergrund einer effektiven Gewaltenteilung dann zugelassen werden, wenn es um eine rein redaktionelle bzw. verwaltungstechnische und somit inhaltsneutrale Überarbeitung des formellen Gesetzestextes geht. Dementsprechend muss nicht nur die Exekutive bei der Erstellung der ministeriellen Neufassung die strenge Grenze der Norminhaltsänderung wahren, sondern bereits die Legislative hat bei der Formulierung der erweiterten Bekanntmachungserlaubnis darauf zu achten, keine zu weitreichenden Anpassungsmaßnahmen zu übertragen, bei deren Befolgung die Exekutive Gefahr liefe, eine inhaltlich abweichende Gesetzesfassung zu veröffentlichen.817 Solche Bekanntmachungsklauseln wären aus den oben genannten Gründen verfassungswidrig, wohingegen die übrige (einfache) Bekanntmachungserlaubnis wirksam bleiben dürfte, weil in der Regel davon ausgegangen werden kann, dass der Gesetzgeber trotzdem ein unvermindertes Interesse an einer konsolidierten Neubekanntmachung hat. 814 815 816 817

Schroeder, NJW 1975, 1870 f.; zustimmend Nadler, NJW 1976, 281. Siehe dazu bereits oben S. 197 ff. Siehe oben S. 123 ff. Vgl. Reich, DÖV 1973, 846 (847).

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G. Bedeutung und Umfang der Bekanntmachungserlaubnis

Bekanntmachungserlaubnis einfache Konsolidierung des Gesetzestextes (inklusive Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten)

erweiterte zusätzlich: redaktionelle bzw. optische Verbesserungen des Gesetzestextes ohne Inhaltsbezug

verbindl icher Neufassungstext

unwirksame zusätzlich: inhaltliche Änderungen des Gesetzes

unbeachtlich

Abbildung 5: Die verschiedenen Stufen der Bekanntmachungserlaubnis

Im Folgenden soll anhand einiger erweiterter Bekanntmachungsklauseln aus der Praxis untersucht werden, wo die Grenze zwischen einer verfassungsrechtlich zulässigen Gesetzeskonsolidierung und einer unzulässigen Gesetzesänderung verläuft und damit der Anwendungsbereich der Neubekanntmachung ermittelt werden. Dabei sollen die Bekanntmachungsklauseln entsprechend ihrer Zielsetzung in zwei Gruppen unterteilt werden, nämlich in solche, die eine bessere Verständlichkeit des Gesetzestextes anstreben (= redaktionelle Verbesserungen) und in solche, die eine bessere Übersichtlichkeit der Gesetzesfassung erreichen wollen (= optische Verbesserungen). a) Redaktionelle Verbesserungen Unter diese Gruppe fallen alle erweiterten Bekanntmachungsklauseln, die mittels textlicher Anpassungen eine bessere Verständlichkeit des Gesetzestextes herbeiführen wollen, ohne den normativen Inhalt des Gesetzes zu verändern. Im Einzelnen: aa) Beseitigung von Unstimmigkeiten im Wortlaut Viele Bekanntmachungserlaubnisse enthalten den zusätzlichen Auftrag, „Unstimmigkeiten im Wortlaut zu beseitigen“818 oder „etwaige Unstimmigkeiten in der Fassung zu berichtigen“819. Nach weiter Auslegung könnte da818

Siehe Fn. 332. Siehe z. B. § 7 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen vom 17. Mai 1950, BGBl. 1950, 207 (209). 819

III. Zulässiger Umfang der Bekanntmachungserlaubnis

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rin eine Ermächtigung zur redaktionellen Überarbeitung des Gesetzestextes gesehen werden, z. B. zur sprachlichen Angleichung unterschiedlicher Formulierungen oder Begriffe. Die herrschende Meinung möchte diese Zusatzklausel hingegen eng auslegen und sieht darin allenfalls eine Ermächtigung zur Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten.820 Damit hätte sie allerdings nur deklaratorischen Charakter, da die Exekutive zur Berichtigung ja ohnehin bereits aufgrund der einfachen Bekanntmachungserlaubnis befugt ist.821 Die restriktive Auslegung berücksichtigt außerdem zu wenig, dass hier nicht von „Unrichtigkeiten im Wortlaut“, sondern von „Unstimmigkeiten im Wortlaut“ die Rede ist. Dass diese beiden Begriffe nicht identisch sind, zeigt sich schon daran, dass sie in manchen Bekanntmachungserlaubnissen nebeneinander vorkommen.822 Unter „Unstimmigkeiten im Wortlaut“ fallen daher nicht nur offensichtliche Fehler, sondern gerade auch solche Textabschnitte, die in sich oder untereinander nicht ganz „stimmig“ sind, die also textlich nicht gut zusammenpassen und insofern besser formuliert werden könnten.823 Eine solche Unstimmigkeit kann beispielsweise vorliegen, wenn das Gesetz durchgehend einen bestimmten Ausdruck verwendet (z. B. nichtehelich) und nur an einer Stelle eine andere Ausdrucksweise benutzt (z. B. unehelich), obwohl sich aus dem Zusammenhang eindeutig ergibt, dass hier ebenfalls das Gleiche gemeint sein muss. Ein weiterer, in der Praxis nicht zu vernachlässigender Anwendungsfall ist gegeben, wenn die zahlreichen Änderungsgesetze nicht optimal aufeinander „abgestimmt“ sind, so dass sich bei der Gesetzeskonsolidierung ungewöhnliche und zum Teil völlig unverständliche Satzkonstruktionen ergeben. Vor allem kommt es immer wieder vor, dass die Änderungsbefehle an einer unpassenden oder sogar nicht vorhandenen Textstelle anknüpfen. Der einfache Rechtsanwender wird aufgrund solcher Logikfehler häufig nicht in der Lage sein, den richtigen Gesetzestext herzustellen, weswegen die Exekutive diese „Unstimmigkeiten“ bei der amtlichen Gesetzeskonsolidierung auflösen soll.824 820 Kirchhof – Kirchhof, § 51, Rn. 51; Zinn/Stein – Schonebohm, Art. 120, Erl. 7; in diese Richtung auch Schneider, Rn. 683; Handzik, DStZ 1996, 202 (204); noch kritischer Benda/Maihofer/Vogel – Bülow, § 30, Rn. 52; Nawiasky/Schweiger/ Knöpfle – Schweiger, Art. 76, Rn. 4; Rühmann, EuGRZ 2000, 204 (208 f.). 821 Siehe oben S. 191 kritisch insofern Schmid, BayVBl. 1974, 39 (41). 822 Siehe z. B. § 24 des Vermögensteuergesetzes in der Fassung des Art. 17 Nr. 1 des Gesetzes zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts vom 21. Dezember 1993, BGBl. I 1993, 2310 (2336): „. . . und dabei offenbare Unrichtigkeiten und Unstimmigkeiten im Wortlaut zu beseitigen.“ 823 Vgl. Rühmann, EuGRZ 2002, 204 (209); Kirchhof/Söhn/Mellinghoff – Seiler, § 51, Rn. C 325, spricht insofern von der „Pflege des vorhandenen Normbestandes“. 824 Vgl. Schmid, BayVBl. 1974, 39 (41); Müller, HdG, S. 258.

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Allerdings stehen diese Anpassungsmaßnahmen natürlich schon sehr knapp an der Grenze zur verbotenen Inhaltsänderung, weshalb die Exekutive von dieser Zusatzermächtigung nur sehr vorsichtig, d.h. in Fällen offensichtlicher Unstimmigkeiten Gebrauch machen sollte.825 Mittlerweile hat auch die Legislative diese Gefahr erkannt und erteilt die Klausel daher nur noch sehr selten.826 Dennoch befindet sie sich weiterhin in nicht wenigen Bekanntmachungserlaubnissen, vor allem in den Dauerermächtigungen der meisten Steuergesetze.827 bb) Anpassung von veralteten Begriffen und Sprachwendungen Eng mit der unter aa) behandelten Bekanntmachungsklausel verbunden ist die Frage, ob der Gesetzgeber die Exekutive auch zur generellen Anpassung des Gesetzestextes an die moderne Rechtssprache ermächtigen kann. Vereinzelt wurde eine solche Zusatzermächtigung schon ausdrücklich erteilt.828 Das Bundesverfassungsgericht scheint ebenfalls von der grundsätzlichen Zulässigkeit dieser Bekanntmachungsklausel auszugehen. Zumindest in Bezug auf die Neubekanntmachung von Rechtsverordnungen hat es keine Einwände dagegen erhoben, dass das zuständige Ministerium in der Neufassung die Begriffe „Reich“ und „Reichsgesetzblatt“ durch „Bund“ und „Bundesgesetzblatt“ ersetzt hatte, denn dabei, so der Zweite Senat, handele es sich „nicht um Rechtsetzung, sondern nur um die Anpassung des Wortlauts an die tatsächlichen und verfassungsrechtlichen Gegebenheiten von 1951“.829 In diesem Zusammenhang hielt das Bundesverfassungsgericht sogar die oben besprochene Ermächtigungsklausel („Unstimmigkeiten im 825 Schneider, Rn. 683; BK – Maurer, Art. 82, Rn. 113; Schmid, BayVBl. 1974, 39 (41); siehe auch Reich, BayVBl. 1989, 714 (717 f.), der die Beseitigung von Unstimmigkeiten im Rahmen der Neubekanntmachung des Bayerischen Hochschulgesetzes vom 8. Dezember 1988 beschreibt, die meines Erachtens teilweise weit über die zulässige Grenze der Wortlautanpassung hinausgeht und demnach unwirksam wäre. 826 Vgl. Seifert/Hömig – Hömig, Art. 82, Rn. 7; das HdR, Rn. 704, bezeichnet sie sogar als „rechtsförmlich unerwünscht“. 827 Siehe die in Fn. 332 genannten Beispiele. 828 Siehe z. B. Art. 3 des Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen vom 10. Oktober 1957, BGBl. I 1957, 1704 (1711): „. . . sowie überholte Begriffe den veränderten staatsrechtlichen Verhältnissen anzupassen“; Art. 3 S. 2 des Gesetzes zur Durchführung der „Ersten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) vom 24. Juli 1973“ vom 18. Dezember 1975, BGBl. I 1975, 3139 (3149): „. . . insbesondere kann er den Wortlaut der geänderten Rechtslage und dem geänderten Sprachgebrauch anpassen.“ 829 BVerfGE 23, 276 (284); siehe auch oben S. 110.

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Wortlaut zu beseitigen“) für ausreichend. Diese kann aber richtigerweise nur dann Anwendung finden, wenn in dem Gesetzestext eine „unstimmige“ Mischung aus alten und neuen Rechtsbegriffen mit der gleichen inhaltlichen Bedeutung vorherrscht. Möchte der Gesetzgeber dagegen die Exekutive zu einer allgemeinen Gesetzestextmodernisierung, also zu einer Anpassung eines in sich stimmigen, aber insgesamt etwas antiquierten Gesetzeswortlauts an die aktuelle Rechtssprache veranlassen, so muss er dies in der Bekanntmachungserlaubnis ausdrücklich formulieren.830 Bei der Umsetzung dieser Ermächtigung muss die Exekutive natürlich streng darauf achten, dass die Textanpassungen keine inhaltlichen Veränderungen hervorrufen können.831 Um dieser Gefahr vorzubeugen, kann der Gesetzgeber die einzelnen Anpassungsmaßnahmen der Exekutive auch detailliert vorgeben. So hat er beispielsweise in Art. 7 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Schwerbehindertengesetzes vom 24. Juli 1986 geregelt: „. . . er hat dabei das Wort „Vertrauensmann der Schwerbehinderten“ oder „Vertrauensmann“ und seine Zusammensetzungen und Formen durch das Wort „Schwerbehindertenvertretung“ und dessen Zusammensetzungen und Formen zu ersetzen.“832

Hier bleibt der Exekutive letzten Endes nur noch die Aufgabe, die jeweiligen Stellen im Gesetzestext aufzusuchen und die Wörter entsprechend den Vorgaben auszutauschen. Der Nachteil dieser Methode liegt jedoch darin, dass das Parlament sich bereits ziemlich intensiv mit den einzelnen Anpassungsmaßnahmen befassen muss. Deshalb könnte eine Zwischenlösung so aussehen, dass der Gesetzgeber zwar die „modernisierungsbedürftigen“ Wörter selbst festlegt, es im Übrigen aber der Exekutive überlässt, wie diese Begriffe im Einzelnen ersetzt werden sollen, so wie in Art. 16 des Gesetzes betreffend Abänderung der Gewerbeordnung vom 1. Juli 1883 geschehen. Nach dieser Bekanntmachungserlaubnis sind „an Stelle der Ausdrücke: Norddeutscher Bund, Bundesgebiet, Bundesangehörige, die dem Deutschen Reich entsprechenden Bezeichnungen anzuwenden“.833

830

Vgl. Müller, HdG, S. 258. Zulässig wäre z. B. die Ersetzung des antiquiert klingenden Ausdrucks „vom Hundert“ durch „Prozent“, um der Legislative diese mühevolle Umstellungsarbeit zu ersparen, so wie sie sie in Art. 1 Nr. 50–57 des Jahressteuergesetzes 2007 vom 13. Dezember 2006 (BGBl. I 2006, 2878 [2888]) noch selbst, wenn auch in kaum mehr nachvollziehbarer Weise vorgenommen hat. Siehe auch Lindner, BayVBl. 2006, 1 (8 f.), mit Beispielen aus der Bayerischen Verfassung. 832 BGBl. I 1986, 1110 (1118); siehe auch Beispiel 2 auf S. 141. 833 RGBl. 1883, 159 (176). 831

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cc) Anpassung von Gesetzesverweisungen Normalerweise passt der Gesetzgeber im Zuge einer Gesetzesänderung auch die auf das geänderte Gesetz verweisenden Vorschriften – soweit erforderlich – an. Sollte er dabei eine Gesetzesverweisung übersehen, so stellt sich die Frage, ob die Exekutive diese Anpassung im Rahmen einer Neubekanntmachung vornehmen darf. Das ist grundsätzlich nur möglich, wenn die Verweisung offenbar unrichtig ist, also insbesondere überhaupt keinen Sinn ergibt (z. B. auf eine nicht existente Vorschrift verweist), und sich das richtige Verweisungsziel eindeutig bestimmen lässt. Abgesehen von diesen bereits von der einfachen Bekanntmachungserlaubnis erfassten Berichtigungsfällen834 sollte die Legislative die Verweisungsanpassung aufgrund der damit regelmäßig verbundenen inhaltlichen Bedeutung immer selbst vornehmen.835 Deshalb sind entsprechende erweiterte Bekanntmachungserlaubnisse sehr kritisch zu betrachten, wie z. B. diejenige in Art. 7 S. 2 des Gesetzes zur Änderung des Kündigungsrechtes und anderer arbeitsrechtlicher Vorschriften vom 14. August 1969: „Er kann dabei Unstimmigkeiten des Wortlauts und der Verweisungen beseitigen . . .“836

Diese Klausel sollte nur dann verwendet werden, wenn die Exekutive zugleich – wie in dem Beispiel auch geschehen – zur Neunummerierung der Paragraphen ermächtigt wird und sich die Klausel folglich nur auf die Anpassung an die neuen Paragraphennummern bezieht. Eine solche Verweisungsanpassung durch die Exekutive erscheint unbedenklich, ja sogar dringend geboten.837 In allen anderen Fällen kann die Exekutive allenfalls in einer informatorischen Fußnote auf das ihres Erachtens zutreffende Verweisungsziel hinweisen.838 Um die mühevolle Anpassungsarbeit dennoch größtenteils auf die Exekutive zu übertragen, ist der Gesetzgeber in Art. 77 des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen vom 20. Dezember 1988839 einen etwas anderen und verfassungsrechtlich teilweise fragwürdigen Weg gegangen. In Absatz 1 hatte er zunächst geregelt, dass alle Verweisungen und Bezeichnungen in anderen Gesetzen, die sich auf Vorschriften beziehen, die durch dieses Reformgesetz geändert worden sind, automatisch an die veränderten 834 835 836 837 838 839

Siehe oben Fn. 801. Etwas großzügiger dagegen Schmid, BayVBl. 1974, 39 (41). BGBl. I 1969, 1106 (1111). Siehe dazu noch unten S. 212 ff. Siehe oben S. 99. BGBl. I 1988, 2477 (2595 f.).

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Bedingungen angepasst werden.840 Die im Einzelnen betroffenen Gesetze und Paragraphen hat er jedoch nicht selbst benannt, sondern stattdessen in Absatz 2 angeordnet: „Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung wird im Einvernehmen mit den beteiligten Bundesministern den Wortlaut der Bestimmungen und Bezeichnungen bekanntmachen, die nach Maßgabe des Absatzes 1 an die Stelle der bisherigen Bestimmungen und Bezeichnungen treten.“

Hier soll es sich wohl um eine zusätzliche Konsolidierungsbefugnis handeln, die an eine bereits bestehende Bekanntmachungserlaubnis anknüpft und diese um die Befugnis erweitert, diejenigen Verweisungen und Bezeichnungen, die sich auf ein durch das Gesundheitsreformgesetz geändertes Stammgesetz beziehen, im Rahmen der Neubekanntmachung an die veränderten Zustände anzupassen. Im Grunde genommen handelt es sich dabei aber gar nicht um eine erweiterte Konsolidierungsbefugnis, da die Anpassung ja eigentlich bereits in Absatz 1 vom Gesetzgeber selbst vorgenommen wurde und die Exekutive insofern nur die bereits erfolgten Gesetzesänderungen im Sinne einer einfachen Konsolidierung nachvollzieht.841 Andererseits ist die Gesetzesänderung in Absatz 1 so pauschal, dass sie erst noch von der Exekutive im Einzelfall konkretisiert werden muss. De facto macht es insofern keinen großen Unterschied, ob der Gesetzgeber diese Variante wählt oder die Exekutive gleich im Wege einer erweiterten Bekanntmachungserlaubnis zur Anpassung der Verweisungen und Bezeichnungen ermächtigt. Verfassungsrechtlich betrachtet wäre die zweite Alternative hingegen aufgrund der dadurch möglicherweise bedingten Inhaltsänderungen unzulässig (s. o.). Von daher muss der Gesetzgeber die Verweisungsanpassungen zunächst zwingend selbst vornehmen. Hierbei ist allerdings zu bezweifeln, ob ein derart pauschaler Änderungsbefehl wie in Art. 77 Abs. 1 des Gesundheitsreformgesetzes noch den rechtsstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen genügt, da die meisten Rechtsanwender diese Anordnung nicht mit hinreichender Gewissheit umsetzen können und insofern schon wieder auf die Neubekanntmachung angewiesen sind.842

840 § 77 Abs. 1 im Wortlaut: „Wird in anderen Vorschriften auf Bestimmungen verwiesen oder werden darin Bezeichnungen verwendet, die durch dieses Gesetz geändert oder aufgehoben werden, treten an ihre Stelle die entsprechenden Bestimmungen und Bezeichnungen dieses Gesetzes.“ 841 Vgl. BFHE 178, 369 (370 f.). 842 Der BFH geht in E 178, 369 anscheinend unproblematisch von der Verfassungskonformität des Art. 77 Abs. 1 des Gesundheitsreformgesetzes aus.

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G. Bedeutung und Umfang der Bekanntmachungserlaubnis

dd) Anpassung an veränderte Zuständigkeiten und Behördenbezeichnungen Der Bundeskanzler kann im Rahmen seiner Organisationsgewalt aus Art. 65 GG die Zuständigkeiten und Bezeichnungen der obersten Bundesbehörden jederzeit ändern (vgl. § 9 der Geschäftsordnung der Bundesregierung).843 Eine solche Änderung erfolgt in der Regel durch einen Organisationserlass, der im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht wird.844 Dieser wirkt aufgrund des überwiegend intern-administrativen Charakters konstitutiv und hat dementsprechend zur Folge, dass die in den einzelnen Gesetzen und Rechtsverordnungen den obersten Bundesbehörden zugewiesenen Zuständigkeiten automatisch auf die neuen, nach dem Organisationserlass nunmehr zuständigen obersten Bundesbehörden übergehen. Bestätigt wird dies durch § 1 des speziell hierzu erlassenen Gesetzes zur Anpassung von Rechtsvorschriften an veränderte Zuständigkeiten oder Behördenbezeichnungen innerhalb der Bundesregierung (Zuständigkeitsanpassungsgesetz – ZustAnpG) vom 16. August 2002845.846 Der Organisationserlass regelt zunächst nur abstrakt die Neuverteilung der Zuständigkeiten und die Neubezeichnung der Behörden, ohne die konkret betroffenen Gesetze an die Veränderungen anzupassen, weshalb sich die Neuorganisation am jeweiligen Gesetzestext noch nicht ablesen lässt. Aus diesem Grunde wird das Bundesministerium der Justiz gem. § 2 ZustAnpG ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates im Einvernehmen mit den beteiligten obersten Bundesbehörden im Gesetzestext die Behördenbezeichnung der bisher zuständigen obersten Bundesbehörde durch die Behördenbezeichnung der neu zuständigen obersten Bundesbehörde und bei Änderungen von Behördenbezeichnungen die bisherige Behördenbezeichnung durch die neue Behördenbezeichnung zu ersetzen sowie dadurch veranlasste Anpassungen des Wortlauts vorzunehmen.847 Erst durch diese Zuständigkeitsanpassungsverordnung wird der Gesetzestext an die veränderte Organisationslage angepasst.848 843

Brandner/Uwer, DÖV 1993, 107 (109). Vgl. § 1 Abs. 3 ZustAnpG; siehe z. B. den Organisationserlass der Bundeskanzlerin vom 22. November 2005, BGBl. I 2005, 3197. 845 BGBl. I 2002, 3165. 846 A. A. Brandner/Uwer, DÖV 1993, 107 (112), die entgegen den gesetzlichen Vorgaben dem Organisationserlass noch keine konstitutive Wirkung zuschreiben, sondern erst der Zuständigkeitsanpassungsverordnung. 847 Siehe z. B. die Neunte Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31. Oktober 2006, BGBl. I 2006, 2407; berichtigt durch BGBl. I 2007, 2149. 848 Kritisch dazu Kube, NVwZ 2003, 57 (58), der durch die Zuständigkeitsanpassungsverordnung die Grenzen des Art. 80 GG überschritten sieht; anders Brandner/ 844

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Darüber hinaus enthält § 3 ZustAnpG zwei besondere Bekanntmachungserlaubnisse, die es der Exekutive ermöglichen sollen, der Öffentlichkeit den formell angepassten Gesetzeswortlaut noch schneller und einfacher zur Verfügung zu stellen.849 (1) § 3 Abs. 1 ZustAnpG § 3 Abs. 1 ZustAnpG enthält eine aufschiebend bedingte Bekanntmachungserlaubnis, die jeweils mit dem Inkrafttreten einer Zuständigkeitsanpassungsverordnung wirksam wird: „Die obersten Bundesbehörden im Sinne des § 1 Abs. 1 können Gesetze und Rechtsverordnungen ihres Zuständigkeitsbereichs jeweils in der vom Inkrafttreten einer Rechtsverordnung nach § 2 an geltenden Fassung im Bundesgesetzblatt neu bekannt machen.“

Das Besondere an dieser Bekanntmachungserlaubnis ist ihr allgemeiner und dauerhafter Charakter, denn sie beschränkt sich nicht nur auf bestimmte Ermächtigungsadressaten und -gegenstände, sondern erfasst eine unbestimmte Anzahl von Fällen über einen unbestimmten Zeitraum. Einzige Voraussetzung ist, dass das neu bekannt zu machende Stammgesetz zuvor durch eine Zuständigkeitsanpassungsverordnung geändert worden ist. Hier wird also die Veränderung von Behördenzuständigkeiten oder -bezeichnungen zum Anlass genommen, eine Gesetzeskonsolidierung vorzunehmen. Inhaltlich handelt es sich aber nur um eine einfache Bekanntmachungserlaubnis, da sie die Bekanntmachungsstelle lediglich zur Zusammenfassung der durch die Zuständigkeitsanpassungsverordnung und sonstigen vorausgegangenen Änderungsakte bewirkten Textmodifikationen ermächtigt, ohne ihr dabei eine eigene Änderungsbefugnis einzuräumen. (2) § 3 Abs. 2 ZustAnpG § 3 Abs. 2 ZustAnpG enthält eine spezielle Regelung für den Fall einer ausschließlichen Änderung von Behördenbezeichnungen, die nicht mit einer Änderung von Zuständigkeiten verbunden ist: „Die obersten Bundesbehörden im Sinne des § 1 Abs. 1 können bei der Bekanntmachung der Neufassung von Gesetzen und Rechtsverordnungen über die jeweils einschlägige Bekanntmachungserlaubnis hinaus bei Änderungen von Behördenbezeichnungen im Sinne des § 1 Abs. 2, die nicht mit einer Änderung von ZustänUwer, DÖV 1993, 107 (112), die davon ausgehen, dass die Zuständigkeitsanpassungsverordnung nicht nur den Gesetzestext an die materielle Rechtslage anpasst, sondern die materielle Rechtslage überhaupt erst ändert (siehe bereits Fn. 846). 849 Vgl. BT-Drucks. 14/9353 vom 11. Juni 2002, S. 1.

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G. Bedeutung und Umfang der Bekanntmachungserlaubnis

digkeiten im Sinne des § 1 Abs. 1 verbunden sind, die bisherige Behördenbezeichnung durch die neue Behördenbezeichnung ersetzen.“

Diese Vorschrift ermöglicht es den zuständigen Bundesbehörden, die neuen Behördenbezeichnungen im Rahmen einer Neubekanntmachung in den Neufassungstext einzuarbeiten, ohne dass zuvor eine konkrete Zuständigkeitsanpassungsverordnung nach § 2 ZustAnpG erlassen wurde.850 Allerdings beinhaltet sie keine eigenständige Bekanntmachungserlaubnis, sondern setzt zunächst eine anderweitige Bekanntmachungserlaubnis voraus, welche dann jedoch um die zusätzliche Befugnis erweitert wird, die geänderten Behördenbezeichnungen mit anzupassen. Es handelt sich hier also um eine erweiterte Konsolidierungsklausel, die nur im Zusammenhang mit einer wirksamen Bekanntmachungserlaubnis zur Anwendung kommt und diese sozusagen in eine erweiterte Bekanntmachungserlaubnis transformiert. Demzufolge können die Behördenbezeichnungen im Rahmen einer Neubekanntmachung immer mit angepasst werden, auch wenn die ursprüngliche Bekanntmachungserlaubnis dies eigentlich nicht vorsieht. Verfassungsrechtlich ist diese Konstruktion aufgrund der besonderen Organisationsgewalt des Bundeskanzlers nicht zu beanstanden. Dieser kann die materielle Zuständigkeitsverteilung und die Bezeichnung der obersten Bundesbehörden jederzeit mittels eines ordnungsgemäß im Bundesgesetzblatt veröffentlichten Organisationserlasses neu gestalten, so dass sich die nachträglichen Änderungen des Gesetzestextes – sei es durch eine Zuständigkeitsanpassungsverordnung oder im Rahmen einer Neubekanntmachung – als rein formelle Anpassungen an die bereits geänderte Organisationslage darstellen. ee) Anpassung an Währungsumstellungen Bereits damals bei der Umstellung auf die Reichsgoldwährung im Jahre 1876 stand man vor dem Problem, die vielen Gesetzestexte an die neue Währung anzupassen. Deshalb wurde z. B. der Reichskanzler in Art. 16 des Gesetzes betreffend Abänderung der Gewerbeordnung vom 1. Juli 1883 u. a. ermächtigt, im Rahmen der Neubekanntmachung „die Thalerwährung in Reichswährung zu verändern“.851 Auch heutzutage ist die Frage nach der Möglichkeit einer solchen Währungsanpassung im Zuge der Umstellung auf den Euro wieder aktuell, da immer noch zahlreiche Gesetze von der „Deutschen Mark“ sprechen.852 850

Schmidt-Bleibtreu/Klein – Sannwald, Art. 82, Rn. 59. RGBl. 1883, 159 (176). 852 Siehe z. B. die §§ 11 Abs. 3 und 19 Abs. 2 des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes vom 27. April 1953 (BGBl. III, Gliederungsnummer 201-4, zuletzt geän851

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Anders als damals lassen sich aber keine erweiterten Bekanntmachungserlaubnisse finden, welche die Exekutive zur Anpassung der neu bekannt zu machenden Gesetze an den Euro ermächtigen. Stattdessen hat der Gesetzgeber selbst umfangreiche Euro-Anpassungsgesetze beschlossen.853 Da die Umstellung auf den Euro anhand eines im Voraus genau festgelegten Umrechnungskurses erfolgt,854 hätte er diese Aufgabe jedoch genauso gut auf die Exekutive übertragen können. Durch die exakte Umrechnung des DM- in den Euro-Betrag, eventuell verbunden mit einer Rundung auf die zweite Nachkommastelle, wäre der Inhalt der Rechtsnormen nicht angetastet worden. Anders sieht es hingegen aus, wenn der Gesetzgeber keine exakte Umrechnung wünscht, sondern, um möglichst gerade Werte zu erhalten, eine ungefähre Anpassung bevorzugt. Hier muss er wegen der damit verbundenen, wenn auch nur minimalen inhaltlichen Verschiebungen die neuen Euro-Beträge selbst festlegen, was letzten Endes auch der Hauptgrund für seine Euro-Anpassungsgesetze gewesen sein dürfte. Möchte der Gesetzgeber die Währungsumstellung in Zukunft der Exekutive überlassen, so muss er dies in der Bekanntmachungserlaubnis ausdrücklich erwähnen. Andernfalls darf die Exekutive die alten DM-Beträge in dem Neufassungstext nicht ersetzen, sondern kann allenfalls mit Hilfe von Fußnoten informatorisch auf die neuen Euro-Beträge hinweisen.855 ff) Gender Mainstreaming In letzter Zeit wird im Sinne des Gender Mainstreaming bei der Formulierung von Gesetzen vermehrt darauf geachtet, eine möglichst geschlechtsneutrale oder männliche und weibliche Ausdrucksweise zu verwenden (z. B. „Antragsteller oder Antragstellerin“ anstatt einfach nur „Antragsteller“).856 Was die älteren Gesetze angeht, so kann der Gesetzgeber diese nachträglich dert durch Art. 2 Abs. 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften vom 17. Dezember 1997, BGBl. I 1997, 3039 [3043]) oder § 29 Abs. 2 des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge in der Fassung der Neubekanntmachung vom 15. November 1978 (BGBl. I 1978, 1789 [1793]), die bis heute nicht an den Euro angepasst wurden. 853 Siehe z. B. das Gesetz zur Einführung des Euro vom 9. Juni 1998 (BGBl. I 1998, 1242), das Gesetz zur Öffnung der Sozial- und Steuerverwaltung für den Euro (Zweites Euro-Einführungsgesetz) vom 24. März 1999 (BGBl. I 1999, 385) oder das Gesetz zur Umstellung des Kostenrechts und der Steuerberatergebührenverordnung auf Euro vom 27. April 2001 (BGBl. I 2001, 751). 854 Der offizielle Umrechnungskurs von 1 Euro = 1,95583 DM ergibt sich aus Art. 1 der EG-Verordnung Nr. 2866/98 vom 31. Dezember 1998. 855 Siehe oben S. 99. 856 Kritisch dazu Schneider, Rn. 449 f.

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mit Hilfe von Änderungsgesetzen an die geschlechtsneutrale Schreibweise anpassen.857 Fraglich ist hingegen, ob er diese Aufgabe auch der Exekutive im Rahmen der Neubekanntmachung überlassen darf. Erforderlich ist dazu zunächst einmal eine ausdrückliche Ermächtigung, denn die Umstellung des bisherigen Gesetzestextes auf eine geschlechtsneutrale Formulierung ist in erster Linie eine politische Entscheidung, die vom Parlament getroffen werden muss.858 Die anschließende technische Umsetzung dieser Entscheidung kann jedoch ebenso gut von der Exekutive vorgenommen werden, denn eine inhaltliche Änderung dürfte damit grundsätzlich nicht einhergehen. Nur bei denjenigen Gesetzen, die sich zum Teil ausschließlich an ein bestimmtes Geschlecht wenden, sollte der Gesetzgeber sicherheitshalber von der zusätzlichen Anpassungsklausel absehen. Auch wenn eine dahin lautende Bekanntmachungsklausel bisher noch nicht erteilt worden ist, so hat der Gesetzgeber in § 100 AufenthG zumindest einen ähnlichen Weg beschritten. Dort heißt es unter der Überschrift „Sprachliche Anpassung“: „Das Bundesministerium des Innern kann durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die in diesem Gesetz verwendeten Personenbezeichnungen, soweit dies ohne Änderung des Regelungsinhalts möglich und sprachlich sachgerecht ist, durch geschlechtsneutrale oder durch maskuline und feminine Personenbezeichnungen ersetzen und die dadurch veranlassten sprachlichen Anpassungen vornehmen. Das Bundesministerium des Innern kann nach Erlass einer Verordnung nach Satz 1 den Wortlaut dieses Gesetzes im Bundesgesetzblatt bekannt machen.“

Satz 2 enthält eine aufschiebend bedingte Bekanntmachungserlaubnis.859 Das Bundesministerium des Innern muss danach zunächst die sprachlichen Anpassungen mittels einer Rechtsverordnung nach Satz 1 vornehmen, bevor es den Gesetzestext anschließend in konsolidierter Fassung im Bundesgesetzblatt veröffentlichen darf. Allerdings muss man sich fragen, ob der Begriff „Rechtsverordnung“ hier noch angebracht ist, da es sich bei dieser 857 Siehe z. B. Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes vom 20. Dezember 2001, BGBl. I 2001, 4029 (4033 f.), der unter der Überschrift „Sprachliche Gleichstellung von Frauen und Männern“ zahlreiche Umformulierungen am Gesetzestext vornimmt. 858 In der Neubekanntmachung des Gesetzes zur Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung vom 10. Januar 2002 (BGBl. I 2002, 402) hat die Exekutive teils über die gesetzlichen Änderungsvorgaben aus Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes (siehe Fn. 857) hinausgehende (siehe §§ 6 und 13), teils von diesen abweichende (siehe § 21) Formulierungen vorgenommen. Diese beruhen aber nicht auf einer erweiterten Bekanntmachungserlaubnis, sondern stellen lediglich Berichtigungen von offensichtlichen grammatikalischen Fehlern des Änderungsgesetzes dar. 859 Siehe bereits oben S. 187.

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Maßnahme nicht um einen materiellen Rechtsetzungsakt, sondern nur um eine formelle Textanpassung handelt, die den Gesetzeswortlaut modifizieren soll, ohne dabei den normativen Inhalt zu berühren.860 Insofern wäre es meines Erachtens ebenfalls zulässig, wenn der Gesetzgeber die Exekutive stattdessen dazu ermächtigen würde, die geschlechtsbezogenen Sprachanpassungen unmittelbar in der Neubekanntmachung vorzunehmen. gg) Umstellen von Textabschnitten Die Verständlichkeit eines Textes kann nicht nur durch die Umformulierung von Sätzen bzw. den Austausch einzelner Wörter, sondern auch durch die Umstellung ganzer Abschnitte innerhalb des Gesetzestextes erhöht werden. Eine solche Umstellung dürfte aber in den meisten Fällen zu einer Veränderung des Norminhalts führen, da der systematische Kontext ein wichtiges objektives Auslegungskriterium darstellt.861 Folglich sollte ein so schwerwiegender Eingriff in den Gesetzestext grundsätzlich der Legislative vorbehalten bleiben, weshalb eine entsprechende Ermächtigung an die Exekutive auch so gut wie nie erteilt wird.862 Eine Ausnahme in dieser Hinsicht bildet Art. 3 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des GWB, denn in dieser erweiterten Bekanntmachungserlaubnis hat der Gesetzgeber ausdrücklich eine Umstellung ganzer Gesetzesabschnitte angeordnet:863 „[. . .] Dabei sind der durch das Vergaberechtsänderungsgesetz eingefügte Sechste Teil (§§ 106 bis 138) als Vierter Teil umzunumerieren und die Paragraphennumerierung entsprechend anzupassen. Der bisherige Vierte und Fünfte Teil werden Fünfter und Sechster Teil.“

Hieran ist zunächst zu kritisieren, dass der Gesetzgeber erst kurz zuvor die Vergaberechtsvorschriften als Sechsten Teil in das GWB eingefügt hatte, anstatt diese sofort an richtiger Stelle einzubauen.864 Dennoch könnte sich diese Zusatzermächtigung noch im Rahmen des rechtlich zulässigen halten, denn die Vergaberechtsvorschriften stellen einen in sich relativ abgeschlossenen Regelungskörper dar. Eine Umstellung innerhalb des GWB dürfte deshalb auch unter systematischen Auslegungsaspekten keine Folgen für den normativen Inhalt haben. Insofern kann man diese Maßnahme noch 860

Storr – Albrecht, § 100 AufenthG, Rn. 2. Vgl. BVerfGE 35, 263 (279); Schneider, Rn. 683; siehe auch oben S. 158. 862 Siehe HdR, Rn. 706; Rühmann, EuGRZ 2000, 204 (208 f.). 863 Siehe dazu ausführlich das Beispiel 1 auf S. 138 ff. 864 Siehe Art. 1 des Gesetzes zur Änderung der Rechtsgrundlagen für die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergaberechtsänderungsgesetz – VgRÄG) vom 26. August 1998, BGBl. I 1998, 2512 ff. 861

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G. Bedeutung und Umfang der Bekanntmachungserlaubnis

als inhaltsneutralen Konsolidierungsakt im weiteren Sinne betrachten, zumal der Exekutive kein eigenes Redaktionsermessen zustand.865 hh) Einfügung bzw. Änderung von Überschriften Ebenfalls noch dem Bereich der redaktionellen Verbesserungen zuzuordnen sind solche Bekanntmachungsklauseln, welche die Exekutive zur (erstmaligen) Einfügung von Gesetzes- oder Paragraphenüberschriften bzw. zu deren Änderung ermächtigen. (1) Gesetzesüberschriften Die amtliche Gesetzesüberschrift ist Teil des Gesetzes.866 Im Gegensatz zum Normtext enthält sie nicht den Inhalt einer einzigen Rechtsnorm, sondern vielmehr eine zusammenfassende Inhaltsangabe aller Rechtsnormen.867 Sie erleichtert damit den Rechtsuchenden das Auffinden der einschlägigen Spezialnormen und sollte daher mit deren Inhalt im Einklang stehen.868 Zudem kann sie bei der Auslegung der einzelnen Vorschriften ergänzend mit herangezogen werden.869 Aufgrund dieser normativen Bedeutung der amtlichen Gesetzesüberschrift sollte sie immer vom Gesetzgeber selbst festgelegt und nicht im Wege der Bekanntmachungserlaubnis in das Ermessen der Exekutive gestellt werden.870 Entsprechende Bekanntmachungsklauseln, welche die Exekutive ermächtigen, den Gesetzeswortlaut „unter neuer Überschrift“ bekannt zu machen,871 sind insoweit als verfassungswidrig zu betrachten. Eine andere Auffassung scheint das Bundesverfassungsgericht zumindest in Bezug auf solche Bekanntmachungserlaubnisse zu vertreten, die der Exekutive den neuen Gesetzesnamen detailliert vorgeben. So ermächtigte beispielsweise Art. 8 des Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs vom 19. Dezember 1952 den Bundesminister für Verkehr, das bisherige Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen „unter der Überschrift „Straßenver865 Ebenso Schneider, Rn. 683. Zu der weitergehenden Problematik, dass die Vergaberechtsvorschriften in diesem Fall nicht nur innerhalb des GWB umgestellt, sondern streng genommen – wenn auch unabsichtlich – wieder neu eingefügt worden sind, siehe bereits oben S. 138 ff. 866 Merten, S. 302; HdR, Rn. 321, 880. 867 Vgl. HdR, Rn. 328. 868 Dazu Merten, S. 306 ff. 869 Vgl. Schmalz, Rn. 246; siehe auch BFHE 140, 312 (316), der allerdings darauf hinweist, dass im Falle eines Widerspruchs zwischen Gesetzeswortlaut und -überschrift ersterer vorgeht. 870 HdR, Rn. 706. 871 Siehe die Beispiele in Fn. 339.

III. Zulässiger Umfang der Bekanntmachungserlaubnis

211

kehrsgesetz“ bekanntzumachen“,872 was wenig später auch geschah. Der Zweite Senat sah darin anscheinend keine unzulässige Übertragung legislativer Kompetenzen: „Die vom vorlegenden Gericht gegen die Verfassungsmäßigkeit der Neufassung des in „Straßenverkehrsgesetz“ umbenannten Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen erhobenen Bedenken sind daher nicht begründet.“873

Bei der Neubekanntmachung des Strafgesetzbuchs vom 2. Januar 1975874 hat der Bundesminister der Justiz die Gesetzesüberschrift um das Kürzel „(StGB)“ ergänzt, obwohl in der Bekanntmachungserlaubnis eine solche Änderung nicht vorgesehen war.875 Da diese Abkürzung schon seit Längerem gebräuchlich war, möchte Schroeder diese Maßnahme ausnahmsweise billigen.876 Auch wenn hier in der Tat ein Grenzfall vorliegt, so bleibt es meines Erachtens trotzdem dabei, dass der Gesetzgeber den Wortlaut der Gesetzesüberschrift (einschließlich der amtlichen Abkürzung) immer selbst bestimmen sollte, zumal sich durch eine Übertragung auf die Exekutive – anders als bei vielen der bereits besprochenen Maßnahmen – keine nennenswerte Arbeitsentlastung ergibt. (2) Paragraphen- und Artikelüberschriften Ebenso wie die Gesetzesüberschrift können auch die amtlichen Paragraphen- und Artikelüberschriften – sofern vorhanden – bei der Auslegung der Rechtsnormen mit herangezogen werden, insbesondere wenn der Normtext keine eindeutige Auslegung zulässt.877 Sie deuten jeweils schlagwortartig auf den Inhalt der einzelnen Vorschriften hin und sind ebenfalls ein integraler Bestandteil des Gesetzestextes. Dementsprechend werden sie in aller Regel vom Gesetzgeber zusammen mit dem übrigen Gesetzestext beschlossen und verkündet. Sie können aber auch nachträglich hinzugefügt werden.878 872

BGBl. I 1952, 832 (836). BVerfGE 14, 245 (250 f.); ebenso E 18, 389 (390 f.); siehe auch die ausführliche Darstellung auf S. 105 ff. 874 BGBl. I 1975, 1. 875 Siehe Art. 323 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974, BGBl. I 1974, 469 (645). 876 Schroeder, NJW 1975, 1870. 877 BFH, Urteil vom 24.01.2008 – III R 9/05 –, Rn. 11. 878 So z. B. geschehen im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung in Bezug auf das Bürgerliche Gesetzbuch. Dazu hatte der Gesetzgeber in Art. 1 Abs. 2 S. 3 des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001, BGBl. I 2001, 3138 (3170) angeordnet, dass die Paragraphen des BGB die sich aus dem als Anlage beigefügten amtlichen Inhaltsverzeichnis ergebenden Überschriften erhalten sollen. 873

212

G. Bedeutung und Umfang der Bekanntmachungserlaubnis

Aufgrund ihrer normativen Bedeutung darf die Legislative ihre erstmalige Bestimmung oder spätere Änderung nicht im Wege der Bekanntmachungserlaubnis auf die Exekutive übertragen.879 Entsprechende Bekanntmachungsklauseln sind deshalb als verfassungswidrig zu bewerten.880 b) Optische Verbesserungen In diese Gruppe fallen alle Bekanntmachungsklauseln, die nicht darauf angelegt sind, den Gesetzestext im engeren Sinne, sprich den Wortlaut der einzelnen Rechtsnormen zu modifizieren, sondern durch das Hinzufügen oder Weglassen bestimmter Text- bzw. Ordnungselemente das äußere Erscheinungsbild der neuen Gesetzesfassung übersichtlicher zu gestalten. aa) Neunummerierung der Paragraphen und Absätze Möchte der Gesetzgeber einen neuen Paragraphen in ein bestehendes Gesetz einfügen, so wird er in der Regel keine freie Paragraphennummer vorfinden, sondern muss dem neuen Paragraphen eine zusammengesetzte Nummer geben, die aus der Zahl des unmittelbar vorstehenden Paragraphen und einem Buchstabenanhang besteht (Beispiel: § 1a, § 1b, § 1c usw.). Das Gleiche gilt, wenn ein neuer Absatz in einen bereits bestehenden Paragraphen eingefügt werden soll. Diese zusammengesetzten Paragraphen- und Absatznummern sind zunächst unproblematisch und ermöglichen eine eindeutige Adressierung der entsprechenden Norm. Ab einem gewissen Grad wirken sie jedoch etwas unübersichtlich und können somit das Gesamterscheinungsbild des Gesetzes beeinträchtigen. Deshalb ermächtigt der Gesetzgeber in vielen Bekanntmachungserlaubnissen die Exekutive, den Gesetzeswortlaut „in neuer Paragraphenfolge“881 bzw. „mit neuer Paragraphenund Absatzfolge“882 bekannt zu machen, wobei sich zwischen diesen beiden Varianten keine inhaltlichen Unterschiede ergeben dürften. Wie bereits oben gesehen, kann damit nicht eine Veränderung der Paragraphenreihenfolge gemeint sein, denn eine solche Umstellung von ganzen 879 HdR, Rn. 706; a. A. Schmid, BayVBl. 1974, 39 (41), der die Einfügung einer Paragraphenüberschrift durch die Exekutive ausnahmsweise dann zulassen möchte, wenn alle anderen Paragraphen eine amtliche Überschrift tragen und diese bei einem Paragraphen offensichtlich vergessen wurde. 880 So z. B. Art. 6 des Gesetzes zur Änderung des Titels IV und anderer Vorschriften der Gewerbeordnung vom 5. Juli 1976, BGBl. I 1976, 1773 (1777): „. . ., die Paragraphen mit Überschriften zu versehen, . . .“. 881 Siehe die Beispiele in Fn. 340. 882 Art. 7 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Schwerbehindertengesetzes vom 24. Juli 1986, BGBl. I 1986, 1110 (1118).

III. Zulässiger Umfang der Bekanntmachungserlaubnis

213

Textteilen würde fast zwangsläufig zu einer Veränderung des Norminhalts führen.883 Deshalb muss die Bekanntmachungsklausel auf die Möglichkeit einer Neuzählung reduziert werden, d.h. die Paragraphen und Absätze mit einer durchgehenden Nummerierung zu versehen und dadurch die zusammengesetzten Nummern zu eliminieren. Diese rein technische Bereinigungsmaßnahme verbessert folglich die Übersichtlichkeit des gesamten Gesetzestextes, ohne den rechtlichen Inhalt in irgendeiner Weise zu berühren. Trotzdem ist bei der Neunummerierung Vorsicht geboten, denn viele interne und externe Normverweisungen können dadurch unrichtig werden. Deshalb darf die Exekutive eine Neunummerierung nur dann durchführen, wenn sie zuvor von der Legislative ausdrücklich dazu ermächtigt wurde.884 Die Ermächtigung zur Neunummerierung umfasst außerdem die konkludente Befugnis, diejenigen internen Verweisungen, die infolge der Neunummerierung unrichtig geworden sind, im Rahmen der Neubekanntmachung mit anzupassen.885 Problematischer ist es hingegen, wenn von der Neunummerierung auch externe Verweisungen betroffen sind, also solche Verweisungen, die aus einem anderen Gesetz auf die jeweils aktuelle Fassung des mit einer neuen Nummerierung versehenen Gesetzes verweisen. Diese externen dynamischen Verweisungen dürfen von der Exekutive nur angepasst werden, wenn der Gesetzgeber dies in der Bekanntmachungserlaubnis explizit vorsieht.886 So könnte er z. B. anordnen, dass die Exekutive auch diejenigen Gesetze, die auf das mit neuer Nummerierung versehene Gesetz verweisen, unter Anpassung der dadurch unrichtig gewordenen Verweisungen neu bekannt machen soll. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass diese Verweisungen anschließend ins Leere laufen oder gar eine inhaltsrelevante Neuverknüpfung ergeben. Der Gesetzgeber sollte daher immer genau überlegen, in welchen Fällen er eine Neunummerierung aus Gründen der Rechtsklarheit für erforderlich hält, und die Bekanntmachungserlaubnis jeweils so ausgestalten, dass die Exekutive die notwendigen Verweisungsanpassungen gleich mit übernehmen kann.887 Darüber hinaus sollte der Gesetzgeber aber auch die praktischen Auswirkungen einer Neunummerierung in seine Überlegungen mit einbeziehen, denn schließlich sind davon nicht nur die Gesetzesverweisungen, sondern 883

Siehe oben S. 209. Müller, HdG, S. 259; Rühmann, EuGRZ 2000, 204 (209); grundsätzlich dagegen HdR, Rn. 704, 706; skeptisch auch Benda/Maihofer/Vogel – Bülow, § 30, Rn. 52 a. E. 885 Reich, DÖV 1973, 846 (848). 886 Siehe zur Verweisungsanpassung bereits oben S. 202 f. 887 Siehe Rühmann, EuGRZ 2000, 204 (209). 884

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G. Bedeutung und Umfang der Bekanntmachungserlaubnis

ebenso zahlreiche juristische Werke (z. B. Kommentare) sowie die in letzter Zeit immer weiter verbreiteten Gesetzesdatenbanken betroffen.888 Angesichts des dadurch verursachten enormen Anpassungsbedarfs erscheint es bedenklich, wenn der Gesetzgeber in vielen Dauerbekanntmachungsermächtigungen, vor allem im Steuerrecht, der Exekutive quasi einen „Neunummerierungsfreischein“ ausstellt.889 Allerdings geht diese mit ihrer Kompetenz relativ verantwortungsvoll um, so dass eine komplett neu nummerierte Gesetzesfassung bislang eher die Ausnahme darstellt. bb) Nummerierung der Sätze Der Gesetzgeber nummeriert zwar die Paragraphen und Absätze, in der Regel aber nicht die einzelnen Sätze innerhalb eines Absatzes. Eine exakte Zitierweise erfordert es jedoch manchmal, einzelne Sätze oder sogar Halbsätze genau zu benennen. Die meisten privaten Gesetzessammlungen geben deshalb eine Hilfestellung, indem sie den einzelnen Sätzen kleine Zahlen voranstellen, welche die Satznummer wiedergeben.890 Im Bundesgesetzblatt findet sich eine solche praktische Satznummerierung dagegen nur äußerst selten, weshalb man gegebenenfalls die einzelnen Sätze selbst abzählen muss. Hin und wieder ermächtigt der Gesetzgeber jedoch die Exekutive in einer erweiterten Bekanntmachungserlaubnis, den Gesetzestext „satzweise nummeriert“ bekannt zu machen.891 Eine darauf beruhende Neubekanntmachung kann also ebenfalls kleine, meist hochgestellte Satznummern enthalten und somit den Gesetzestext insgesamt übersichtlicher gestalten.892 Die Gefahr einer Inhaltsänderung ist dabei nicht gegeben. 888 Dazu Müller, HdG, S. 258; Konzelmann/Neuhorst, JurPC Web-Dok. 110/ 2003, Abs. 37. 889 So z. B. in § 51 Abs. 4 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung der Neubekanntmachung vom 8. Oktober 2009, BGBl. I 2009, 3366 (3495), und in vielen anderen der in Fn. 282 genannten Bekanntmachungserlaubnisse. 890 So z. B. die vom Verlag C. H. Beck herausgegebenen Gesetzessammlungen „Schönfelder“ und „Sartorius“. 891 Siehe z. B. § 36 Abs. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der Fassung der Neubekanntmachung vom 27. Februar 1997, BGBl. I 1997, 378 (392); § 18 des Eigenheimzulagengesetzes in der Fassung der Neubekanntmachung vom 26. März 1997, BGBl. I 1997, 734 (738); § 35c Abs. 2 des Gewerbesteuergesetzes in der Fassung der Neubekanntmachung vom 15. Oktober 2002, BGBl. I 2002, 4167 (4179); § 51 Abs. 4 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung der Neubekanntmachung vom 8. Oktober 2009, BGBl. I 2009, 3366 (3495); § 28 des Umwandlungssteuergesetzes vom 7. Dezember 2006, BGBl. I 2006, 2782, 2791 (2802); § 157 des Bewertungsgesetzes in der Fassung des Art. 18 Nr. 8 des Jahressteuergesetzes 2007 vom 13. Dezember 2006, BGBl. I 2006, 2878 (2912). 892 So z. B. die Neubekanntmachungen des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes vom 27. Februar 1997 (BGBl. I 1997, 378), des Gewerbesteuergesetzes

III. Zulässiger Umfang der Bekanntmachungserlaubnis

215

cc) Weglassen obsoleter Vorschriften In die Neubekanntmachung sind grundsätzlich alle zum Neufassungsstichtag gültigen Paragraphen des Stammgesetzes aufzunehmen. Lediglich diejenigen Vorschriften, die vorher vom Gesetzgeber aufgehoben wurden oder kraft auflösender Bedingung bzw. Fristablauf eindeutig außer Kraft getreten sind, dürfen nicht mehr mit abgedruckt werden. Um eine „Paragraphenlücke“ zu vermeiden, sollte an ihre Stelle gegebenenfalls ein entsprechender Klammerhinweis (sog. Platzhalter) gesetzt werden.893 Daneben enthalten aber viele Gesetze auch solche Rechtsnormen, die zwar noch formell in Kraft sind, materiell jedoch so gut wie keine Bedeutung mehr entfalten.894 Da erfahrungsgemäß davon ausgegangen werden kann, dass diese gegenstandslosen bzw. obsoleten Rechtsnormen895 die Mehrheit der Rechtsanwender nicht weiter interessieren, stellt sich die Frage, ob sie bei der Erstellung der Neufassung nicht einfach weggelassen werden können. Das hätte den Vorteil, dass der Neufassungstext nur noch diejenigen Vorschriften enthielte, die zumindest von gewisser praktischer Relevanz sind, und damit insgesamt übersichtlicher erschiene. Dementsprechend hat der Gesetzgeber in einigen Bekanntmachungserlaubnissen die Exekutive ausdrücklich dazu ermächtigt, „durch Zeitablauf überholte Vorschriften zu streichen“896 oder „gegenstandslos gewordene Vorschriften zu streichen“897. Diese erweiterten Bekanntmachungsklauseln sind jedoch verfassungsrechtlich sehr bedenklich, denn sie legen nahe, die Exekutive könne obsolet gewordene Vorschriften wirksam beseitigen. Ebenso wenig wie die Neubekanntmachung neues Recht setzen kann, kann sie bestehendes Recht außer Kraft setzen. Diese legislative Kernaufgabe muss ausschließlich den ordentlichen Gesetzgebungsorganen vorbehalten bleiben.898 Allerdings gibt es Stimmen in der Rechtsprechung und Literatur, die von einem autonomen Außerkrafttreten einer Rechtsnorm ausgehen, wenn ihr Regelungsgegenstand endgültig weggefallen ist oder sich die ihr zugrunde vom 15. Oktober 2002 (BGBl. I 2002, 4167) und des Einkommensteuergesetzes vom 8. Oktober 2009 (BGBl. I 2009, 3366). 893 Siehe oben S. 92 und 196. 894 Siehe Strauß, JZ 1955, 297 (302); Lindner, BayVBl. 2006, 1 (11), mit Beispielen aus der Bayerischen Verfassung. 895 Zur Terminologie siehe Baumeister, S. 45 f., 294. 896 Art. 7 S. 2 des Gesetzes zur Änderung des Kündigungsrechtes und anderer arbeitsrechtlicher Vorschriften vom 14. August 1969, BGBl. I 1969, 1106 (1111). 897 Art. 6 des Gesetzes zur Änderung des Titels IV und anderer Vorschriften der Gewerbeordnung vom 5. Juli 1976, BGBl. I 1976, 1773 (1777). 898 Baumeister, S. 307; siehe auch oben S. 123 ff.

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G. Bedeutung und Umfang der Bekanntmachungserlaubnis

liegenden Verhältnisse vollständig verändert haben.899 In diese Richtung deutete auch § 2 Abs. 2 Nr. 5 des Gesetzes über die Sammlung des Bundesrechts vom 10. Juli 1958,900 wonach solche Vorschriften nicht in das Bundesgesetzblatt Teil III aufzunehmen waren, die „einen überholten Tatbestand oder ein überholtes Rechtsverhältnis voraussetzen“.901 Nach dieser Auffassung stünde die Wirksamkeit einer Rechtsnorm also unter der auflösenden Bedingung der vollständigen Veränderung der ihr zugrunde liegenden Verhältnisse. Baumeister hat zutreffend dargelegt, dass eine solche immanente Bedingung gegen den rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz verstieße.902 Auch sonst sind keine Gründe ersichtlich, die für einen automatischen Geltungsverlust sprechen.903 Hinzu kommen die praktischen Probleme, die mit einer Feststellung des vollständigen Wegfalls aller denkmöglichen Anwendungsbereiche einer Rechtsnorm verbunden sind.904 Nicht zuletzt aus Gründen der Rechtssicherheit sollte eine Norm daher grundsätzlich so lange formell bestehen bleiben, bis sie vom Gesetzgeber ausdrücklich aufgehoben wird,905 was allerdings nicht ausschließt, dass sie infolge tatsächlicher oder rechtlicher Veränderungen nachträglich verfassungswidrig und damit nichtig werden kann.906 Diese Feststellung kann aber ebenfalls nicht von der Exekutive, sondern nur vom Bundesverfassungsgericht getroffen werden. Bis dahin hat die Exekutive sämtliche Gesetzesbestimmungen in die Neubekanntmachung aufzunehmen, seien sie nun ihrer Meinung nach obsolet oder nicht. Die oben zitierten Bekanntmachungsklauseln müssen folglich dahingehend reduziert werden, dass die Exekutive allenfalls berechtigt ist, obsolete Paragraphen nicht mit ihrem vollen Wortlaut abzudrucken, sie also gewissermaßen von der amtlichen Konsolidierung auszuschließen und stattdessen durch einen entsprechenden Klammerhinweis zu ersetzen.907 Aufgrund des stellvertretenden Charakters dieser Hinweise ist einerseits 899

BVerwGE 28, 179 (182), in Bezug auf eine Verordnung aus dem Jahr 1711; BVerwGE 54, 5 (8 f.), in Bezug auf die nachträgliche Funktionslosigkeit von Bebauungsplänen; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, § 27, Rn. 10; zurückhaltender Sachs – Sachs, Art. 20, Rn. 123. 900 Siehe dazu bereits oben S. 36 ff. 901 Siehe dazu Baumeister, S. 52 f. 902 Baumeister, S. 312. 903 Siehe Baumeister, S. 299 f., 305 ff.; das Bundesverwaltungsgericht begründet seine Auffassung dagegen mit der „normativen Kraft des Faktischen“, siehe BVerwGE 28, 179 (182). 904 Baumeister, S. 307; insofern auch BVerwGE 54, 5 (8). 905 Vgl. Zippelius/Würtenberger, § 45, Rn. 87. 906 So auch Baumeister, S. 321 ff. 907 Siehe oben S. 92 ff.

III. Zulässiger Umfang der Bekanntmachungserlaubnis

217

sichergestellt, dass die „obsoleten“ Rechtsnormen in dem neuen amtlichen Gesetzestext ausreichend dokumentiert werden und somit weiterhin rechtliche Geltung beanspruchen können. Andererseits nehmen sie auf diese Weise keinen übermäßigen Platz ein und beeinträchtigen nicht die Übersichtlichkeit der Gesetzesneufassung. Aufgrund ihrer geringen, wenn nicht sogar gänzlich fehlenden praktischen Bedeutung kann es auch unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten ausnahmsweise hingenommen werden, dass sich der vollständig konsolidierte Wortlaut dieser Normen nicht unmittelbar der Neubekanntmachung entnehmen lässt, sondern weiterhin anhand der ursprünglichen Gesetzestexte ermittelt werden muss. Zur Verwendung von Klammerhinweisen an Stelle von offensichtlich gegenstandslos gewordenen Vorschriften bedarf es im Übrigen keiner ausdrücklichen Ermächtigung. Diese Befugnis ist vielmehr schon im normalen Konsolidierungsauftrag enthalten, denn ebenso wie die Exekutive grundsätzlich entscheiden kann, ob sie überhaupt von ihrer Kompetenz Gebrauch machen möchte, kann sie auch darüber entscheiden, in welchem Umfang sie diese ausübt, und somit einzelne Normen von der Konsolidierung ausschließen, soweit dies mit dem Grundsatz der Rechtsklarheit vereinbar ist.908 Beispiel: Bei der ersten Neubekanntmachung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 14. Mai 1990 wurde § 74 BImSchG, der das ursprüngliche Inkrafttreten des Gesetzes regelte, nicht mehr mit seinem vollständigen Wortlaut abgedruckt, sondern durch den stellvertretenden Klammerhinweis „§ 74 (Inkrafttreten)“ ersetzt.909 Dadurch verlor § 74 BImSchG aber nicht seine rechtliche Geltung. Er wurde wegen seiner geringen praktischen Bedeutung lediglich von der Konsolidierung ausgeschlossen mit der Folge, dass sich sein verbindlicher Wortlaut nicht unmittelbar aus der Neubekanntmachung ergab, sondern weiterhin anhand der Urfassung und der nachfolgenden Änderungsgesetze zu bestimmen war. Da § 74 BImSchG aber aufgrund des Klammerhinweises nach wie vor zum amtlichen Gesetzestext gehörte, konnte ihm der Gesetzgeber nachher noch einen neuen Satz 3 „anfügen“910 und diesen einige Jahre später durch einen anderen Satz „ersetzen“911.912 Unzulässig war dagegen die vollständige Ignorierung des § 74 BImSchG durch die zweite Neubekanntmachung vom 26. September 2002.913 Da § 74 BImSchG 908

Siehe oben S. 195. BGBl. I 1990, 880 (901). 910 Siehe Anlage I Kapitel XII Abschnitt II Sachgebiet A – Immissionsschutzrecht, lit. d) zum Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31. August 1990, BGBl. II 1990, 889 (1114). 911 Siehe Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 19. Juli 1995, BGBl. I 1995, 930 (931). 912 Siehe dazu auch Jarass, BImSchG, § 74, Rn. 2. 913 BGBl. I 2002, 3830. 909

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G. Bedeutung und Umfang der Bekanntmachungserlaubnis

hier noch nicht einmal mehr mit einem stellvertretenden Klammerhinweis erwähnt wurde, musste der Rechtsanwender von dem Außerkrafttreten dieser Vorschrift ausgehen. Das entsprach aber nicht der tatsächlichen Gesetzeslage, weil der Gesetzgeber den § 74 BImSchG zu keiner Zeit aufgehoben hatte. Folglich liegt hier ein Bekanntmachungsfehler vor, der zur Folge hat, dass das „Schweigen“ der Neubekanntmachung in diesem Punkt unbeachtlich ist und der Wortlaut des § 74 BImSchG weiterhin als Teil des amtlichen Gesetzestextes anzusehen ist. Die Exekutive ist deshalb angehalten, diesen Bekanntmachungsfehler schnellstmöglich zu beseitigen, was allerdings bis heute nicht geschehen ist.

dd) Einfügung bzw. Änderung von Inhaltsverzeichnissen Bei umfangreicheren Gesetzen soll der Gesetzgeber laut Handbuch der Rechtsförmlichkeit eine Inhaltsübersicht anlegen, um die Anwendbarkeit des Gesetzes zu erleichtern.914 Sie befindet sich in der Regel zwischen der Gesetzesüberschrift und dem Normtext und ist somit Teil des amtlichen Gesetzeswortlauts.915 In ihr werden alle Teile, Kapitel, Abschnitte, Unterabschnitte, Artikel und Paragraphen des Gesetzes mit ihren amtlichen Überschriften aufgeführt. Soweit der Gesetzgeber die Inhaltsübersicht selbst beschlossen hat, ist sie natürlich auch bei einer Neubekanntmachung in den Neufassungstext aufzunehmen. Fraglich ist jedoch, ob der Gesetzgeber die Exekutive darüber hinaus ermächtigen kann, im Rahmen der Neubekanntmachung ein neues Inhaltsverzeichnis einzufügen oder eine bereits bestehende Übersicht inhaltlich anzupassen. Zur Beantwortung dieser Frage sind grundsätzlich zwei Fälle zu unterscheiden: Wenn die einzelnen Gliederungspunkte und Paragraphen des Gesetzes bereits vom Gesetzgeber festgelegte Überschriften tragen, so sind diese amtlichen Überschriften nur noch in einer einheitlichen Übersicht zusammenzufassen. Diese Aufgabe stellt lediglich eine rein verwaltungstechnische Arbeit dar und kann ebenso gut von der Exekutive übernommen werden. Anders sieht es hingegen aus, wenn das Gesetz noch keine amtlichen Überschriften enthält. In diesem Fall müsste die Exekutive zur Erstellung des Inhaltsverzeichnisses zunächst passende Überschriften entwerfen und damit eine Aufgabe ausüben, die wegen ihres legislativen Charakters dem Parlament vorbehalten bleiben sollte.916 Demzufolge darf der Gesetzgeber nur im ersten Fall die Exekutive in der Bekanntmachungserlaubnis zur Herstellung eines neuen oder Anpassung eines bestehenden Inhaltsverzeichnisses an die bereits vorhandenen amtlichen Überschriften ermächti914 915 916

HdR, Rn. 358. HdR, Rn. 880. Siehe oben S. 211.

III. Zulässiger Umfang der Bekanntmachungserlaubnis

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gen.917 Eine solche Konsolidierungsklausel ist allerdings bisher – soweit ersichtlich – noch nicht erteilt worden. ee) Einfügung eines neuen Datums Viele Bekanntmachungserlaubnisse ermächtigen die Exekutive zusätzlich, das Gesetz „mit neuem Datum“ bekannt zu machen.918 Diese Klausel erscheint eigentlich überflüssig, da im Bekanntmachungstext sowieso das Datum der Neubekanntmachung genannt wird.919 Soweit damit hingegen die Möglichkeit gemeint sein soll, dem Neufassungstext eine Datumsangabe hinzuzufügen, so ist diese Befugnis kritisch zu betrachten, denn in diesem Fall könnte das Datum der neuen Gesetzesfassung schnell mit dem ursprünglichen Ausfertigungsdatum verwechselt werden. Dieses bleibt jedoch durch die Neubekanntmachung unverändert, da die Neufassung nicht wie die Urfassung vom Bundespräsidenten ausgefertigt wird. Insofern sollte auf eine Datumsangabe im Neufassungstext – trotz zusätzlicher Ermächtigung – grundsätzlich verzichtet und stattdessen das Datum der Neubekanntmachung nur im Bekanntmachungstext erwähnt werden,920 wie es in der Praxis im Übrigen auch schon seit langem üblich ist.921

917 Im Ergebnis ebenso, wenn auch nicht differenzierend: Müller, HdG, S. 271; Schmid, BayVBl. 1974, 39 (41); Schroeder, NJW 1975, 1870. 918 Siehe die Beispiele in Fn. 340 sowie die meisten Bekanntmachungserlaubnisse der Steuergesetze in Fn. 282. 919 Siehe oben S. 87 vgl. auch Nawiasky/Schweiger/Knöpfle – Schweiger, Art. 76, Rn. 4. 920 A. A. Müller, HdG, S. 260, der lediglich fordert, dass der Gesetzgeber das neue Datum genau vorgibt. 921 Falsch in diesem Sinne z. B. die Neubekanntmachung des Straßenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 1952 (BGBl. I 1952, 837), die das Datum der Neubekanntmachung sowohl im Bekanntmachungstext als auch – insoweit missverständlich – im Neufassungstext erwähnt, was jedoch vom Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 18, 389 (391) nicht weiter beanstandet worden ist (siehe oben S. 108 f.).

H. Folgen einer fehlerhaften Neubekanntmachung I. Bekanntmachungsfehler Einleitend soll zunächst geklärt werden, was unter einer fehlerhaften Neubekanntmachung zu verstehen ist. Denkbar sind hier drei Fälle: 1. Neubekanntmachung ohne gültige Bekanntmachungserlaubnis Relativ eindeutig ist der Fall, in dem die Exekutive eine neue Gesetzesfassung im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, ohne zuvor vom Gesetzgeber dazu ermächtigt worden zu sein. Wie bereits oben gesehen, steht die Gesetzeskonsolidierungskompetenz originär der Legislative zu, weshalb die Exekutive erst nach Erteilung einer gesetzlichen Bekanntmachungserlaubnis auf diesem Gebiet tätig werden darf.922 Die Ermächtigung muss sich auf das neu bekannt gemachte Stammgesetz beziehen und am Veröffentlichungstag der Neufassung bereits wirksam in Kraft getreten sein.923 Außerdem darf sie noch nicht wieder erloschen, also insbesondere weder verbraucht noch verwirkt sein.924 Beispiel: Unzulässig war demzufolge die vorzeitige Neubekanntmachung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die bereits am 26. August 1998 unterzeichnet und in der Ausgabe des Bundesgesetzblattes vom 2. September 1998 veröffentlicht worden war, obwohl die Bekanntmachungserlaubnis erst am 1. Januar 1999 in Kraft trat.925 Auf eine mögliche Heilung dieses Bekanntmachungsfehlers wird noch weiter unten einzugehen sein.926

2. Neubekanntmachung unter Überschreitung des Ermächtigungsrahmens Von der Neubekanntmachung ohne jegliche Bekanntmachungserlaubnis zu unterscheiden ist der Fall, in dem die Exekutive zwar zur Neubekannt922 923 924 925 926

Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe

oben S. 178. oben S. 186. oben S. 187 ff. dazu ausführlich das Beispiel 1 auf S. 138 ff. unten S. 227.

I. Bekanntmachungsfehler

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machung des entsprechenden Stammgesetzes ermächtigt worden ist, bei deren Durchführung jedoch den Ermächtigungsrahmen überschreitet, welchen die Bekanntmachungserlaubnis in ihrer Eigenschaft als gesetzliche Ermächtigungsgrundlage vorgegeben hat. Zu denken wäre hier also insbesondere an den Fall, in dem die Exekutive erweiterte Konsolidierungsbefugnisse ausübt, die ihr nicht im Rahmen der Bekanntmachungserlaubnis übertragen wurden. Beispiel: In der Neubekanntmachung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes vom 10. Januar 2002927 wird die Überschrift des Ersten Abschnitts mit „Förderfähige Maßnahmen“ anstatt wie in der Urfassung mit „Förderungsfähige Maßnahmen“928 wiedergegeben. Auch wenn die vorliegende Abweichung wohl nicht geeignet ist, eine normative Veränderung herbeizuführen, so handelt es sich trotzdem um eine Textmodifikation, die in der Bekanntmachungserlaubnis nicht vorgesehen war und somit ohne wirksame Konsolidierungsbefugnis (ultra vires) erfolgte.929

Ebenfalls unter diese Fehlerkategorie fallen alle Textmodifikationen, die objektiv geeignet sind, den normativen Inhalt des Gesetzes zu berühren, und zwar selbst dann, wenn sie in der erweiterten Bekanntmachungserlaubnis ausdrücklich angeordnet wurden. In diesem Fall ist nämlich bereits die entsprechende Bekanntmachungsklausel verfassungswidrig und damit unwirksam,930 wenn auch zur verbindlichen Feststellung der Nichtigkeit eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erforderlich ist.931 Die auf einer solchen nichtigen Bekanntmachungserlaubnis basierenden Textmodifikationen sind als von Anfang an fehlerhaft anzusehen. Beispiele: Viele inhaltsrelevante Bekanntmachungsfehler beruhen darauf, dass in der Neubekanntmachung statt des richtigen Wortes ein anderes, ähnlich lautendes Wort abgedruckt wird, das dem Satz aber trotzdem noch einen Sinn gibt. So wurde z. B. bei der Neubekanntmachung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 2. Januar 2002932 in § 611a Abs. 4 S. 1 BGB933 anstatt „Bewerbung“ der fast gleichlautende Begriff 927

BGBl. I 2002, 402. Siehe BGBl. I 1996, 623. 929 Siehe die einfache Bekanntmachungserlaubnis in Art. 3 des Gesetzes zur Änderung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes vom 20. Dezember 2001, BGBl. I 2001, 4029 (4034). 930 Siehe oben S. 197 f. 931 Siehe dazu noch unten S. 250. 932 BGBl. I 2002, 42. 933 § 611a Abs. 4 S. 1 BGB hat gem. Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 29. Juni 1998 (BGBl. I 1998, 1694) den folgenden Wortlaut: „Ein Anspruch nach den Absätzen 2 und 3 muß innerhalb einer Frist, die mit Zugang der Ablehnung der Bewerbung beginnt, schriftlich geltend gemacht werden.“ 928

222

H. Folgen einer fehlerhaften Neubekanntmachung

„Bewertung“ abgedruckt und in § 641a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB934 „Unternehmens“ anstatt „Unternehmers“. Ebenso wurde bei der Neubekanntmachung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 25. Juni 2005935 in § 9b Abs. 1 S. 2 UVPG936 anstatt „Abgabe“ versehentlich „Angabe“ eingefügt. Neben diesen Wortverwechslungen kommt es aber auch immer wieder vor, dass ganze Paragraphen oder Teile davon einfach nicht mehr abgedruckt werden. So wurde z. B. bei der Neubekanntmachung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 15. Juli 2005937 in § 120 Abs. 2 GWB, der auf eine Reihe von anderen Vorschriften verweist, der Verweis auf § 71a GWB schlichtweg vergessen.938 Bei der Neubekanntmachung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch vom 23. Januar 2006939 fehlte in § 23 Abs. 1 SGB IV auf einmal der frühere Satz 3 und bei der Neubekanntmachung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 26. September 2002940 wurde sogar ein kompletter Paragraph, nämlich § 74 BImSchG, mit keinem Wort mehr erwähnt, noch nicht einmal mit einem Klammerhinweis.941 Nicht minder problematisch war das Schicksal von § 44 des Pflanzenschutzgesetzes, der in der Neubekanntmachung vom 14. Mai 1998942 zwar nicht vollkommen verschwand, jedoch anstatt mit seinem Wortlaut nur noch mit dem Hinweis „(weggefallen)“ erschien, obwohl die Vorschrift vom Gesetzgeber niemals aufgehoben worden war. Auch wenn die Verwendung dieses Klammerhinweises grundsätzlich zulässig ist,943 so muss er doch inhaltlich zutreffen, da der Rechtsanwender ansonsten ebenfalls von der Inexistenz der Norm ausgehen wird und sich damit letzten Endes kein Unterschied zu einem vollständigen Nichtabdruck ergibt. In inhaltsrelevanter Weise kann sich schließlich auch der umgekehrte Fall auswirken, also die Wiedergabe einer Norm, die bereits zuvor vom Gesetzgeber aufgehoben worden war. So wurde beispielsweise § 47 Abs. 5 S. 1 Nr. 4 des Zivildienstgesetzes durch Art. 3 Nr. 3 des Gesetzes zur Änderung des Opferentschädigungsgesetzes und anderer Gesetze vom 6. Dezember 2000944 aufgehoben. In der 934

§ 641a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB hat gem. Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30. März 2000 (BGBl. I 2000, 330 [331]) den folgenden Wortlaut: „Gutachter kann sein . . . ein auf Antrag des Unternehmers . . .“ 935 BGBl. I 2005, 1757. 936 § 9b Abs. 1 S. 2 UVPG hat gem. Art. 1 Nr. 11 des Gesetzes zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I 2001, 1950 [1954]) den folgenden Wortlaut: „. . . und weist darauf hin, welcher Behörde des anderen Staates gegebenenfalls innerhalb welcher Frist eine Stellungnahme zugeleitet werden kann, sofern sie nicht die Abgabe einer einheitlichen Stellungnahme für angezeigt hält.“ 937 BGBl. I 2005, 2114. 938 Siehe zu diesem Fehler und den Haftungsfolgen noch ausführlich den Beispielsfall ab S. 229. 939 BGBl. I 2006, 86. 940 BGBl. I 2002, 3830. 941 Siehe dazu das Beispiel auf S. 217. 942 BGBl. I 1998, 971. 943 Siehe oben S. 195. 944 BGBl. I 2000, 1676 (1677).

I. Bekanntmachungsfehler

223

Neubekanntmachung des Zivildienstgesetzes vom 17. Mai 2005945 wurde die Nummer 4 aber trotzdem wieder mit abgedruckt.

3. Sonstige Bekanntmachungsfehler Während es in den beiden oben genannten Fallgruppen im Endeffekt um ein (erweitertes) Konsolidierungshandeln der Exekutive ohne entsprechende Ermächtigung geht (ultra vires), sind daneben auch Fälle denkbar, in denen die Exekutive innerhalb des gesetzlichen Ermächtigungsrahmens bleibt und ihr dabei ein Fehler unterläuft, der nicht geeignet ist, den normativen Inhalt des Gesetzes zu verändern (z. B. ein offensichtlicher Rechtschreib- oder Grammatikfehler). Ebenfalls hierher gehören Fehler im Bekanntmachungstext, die – im Unterschied zu den Fehlern im Neufassungstext – unter keinen Umständen Auswirkungen auf den amtlichen Gesetzestext und damit den Gesetzesinhalt haben können. Beispiele: In § 1585 Abs. 1 S. 3 der Neufassung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 2. Januar 2002946 wird anstatt „Unterhaltsanspruch“947 das keinen Sinn ergebende und damit offensichtlich falsche Wort „Unterhaltsanpruch“ abgedruckt. In derselben Neubekanntmachung findet sich in § 2268 Abs. 2 BGB die Formulierung: „Wird die Ehe vor dem Tode eines der Ehegatten aufgelöst oder liegen die Voraussetzungen des § 2077 Abs. 1 Satz 2 oder 3 vor, so bleiben die Verfügungen insoweit wirksam, als anzunehmen ist, das sie auch für diesen Fall getroffen sein würden.“ Hier liegt offenkundig ebenfalls ein Rechtschreibfehler vor, denn der Satz ergibt nur dann einen Sinn, wenn man an die Stelle von „das“ ein „dass“ setzt.948 § 2269 Abs. 1 BGB der Neufassung enthält schließlich die aus orthographischer Sicht zu beanstandende Formulierung „nach dem Tode des überlebenden“, weil „Überlebenden“ hier groß geschrieben werden muss. Aber auch diese offenbare Unrichtigkeit kann sich nicht auf den normativen Inhalt auswirken.

4. Keine inhaltliche Verfassungswidrigkeit Nicht als Bekanntmachungsfehler zu werten ist dagegen eine inhaltliche Unvereinbarkeit des neu bekannt zu machenden Gesetzes mit dem Grundgesetz. Die Exekutive ist nicht dafür zuständig, verfassungswidrige Gesetzesabschnitte im Zuge der Neubekanntmachung zu streichen oder auszubessern. Diese materiellen Mängel beruhen vielmehr auf den ursprünglichen 945

BGBl. I 2005, 1346. BGBl. I 2002, 42. 947 So die ursprüngliche Fassung gem. Art. 1 Nr. 20 des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14. Juni 1976, BGBl. I 1976, 1421 (1426). 948 Dementsprechend enthielt auch die ursprüngliche Fassung gem. Art. 1 Nr. 45 des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14. Juni 1976, BGBl. I 1976, 1421 (1433), ein „daß“. 946

224

H. Folgen einer fehlerhaften Neubekanntmachung

Gesetzgebungsakten der Legislative und sind daher auch von dieser mittels förmlicher Änderungsgesetze zu beheben. Würde die Exekutive hingegen versuchen, den Gesetzesinhalt im Rahmen der Neubekanntmachung verfassungskonform umzuschreiben, so würde sie ja gerade dadurch erst einen schweren Bekanntmachungsfehler begehen.

II. Rechtsfolgen Jede Neubekanntmachung eines Gesetzes, die ohne wirksame Bekanntmachungserlaubnis veröffentlicht wird (siehe oben 1.), ist insgesamt nichtig und begründet somit keine neue formell-textliche Gesetzesgrundlage. Sie ist sowohl bei der Gesetzesanwendung als auch bei der weiteren Gesetzeskonsolidierung zu ignorieren. Die Unbeachtlichkeit ergibt sich grundsätzlich von selbst (ipso iure) und gilt von Anfang an (ex tunc). Die gleichen Rechtsfolgen gelten auch für Neubekanntmachungen, die den vorgegebenen Ermächtigungsrahmen überschreiten, indem sie unbefugte Textmodifikationen vornehmen (siehe oben 2.). Allerdings beschränkt sich die Nichtigkeit hier in der Regel auf die fehlerhaften Textstellen (sog. Teilnichtigkeit), mit der Folge, dass die ministerielle Neufassung grundsätzlich die neue amtliche und damit maßgebliche Gesetzesfassung darstellt und nur in Bezug auf die fehlerhaften Textstellen (z. B. einzelne Wörter) auf die ursprünglichen Textfassungen zurückgegriffen werden muss, es sei denn der Neufassungstext wäre durchweg fehlerhaft und somit der Rechtsklarheit insgesamt nicht mehr dienlich.949 Unabhängig davon sollten die Bekanntmachungsfehler unverzüglich mittels einer Berichtigung im Bundesgesetzblatt behoben werden.950 Besonders streng sind diese Fehlerfolgen in Bezug auf diejenigen Textmodifikationen zu beachten, die geeignet sind, den normativen Inhalt zu verändern. Würde man hier weiterhin von dem Neufassungstext ausgehen, so würde man nach den objektiven Auslegungsansätzen unter Umständen zu einer anderen normativen Bedeutung gelangen. Damit wäre die Grenze zur exekutiven Gesetzgebung überschritten, weshalb die Neubekanntmachung bereits in dieser Hinsicht aus verfassungsrechtlichen Gründen unwirksam bleiben muss (relative Verbindlichkeit).951 Zugleich liegt in diesen Fällen – wie soeben gesehen – immer auch eine Überschreitung des zulässi949 Vgl. Reich, DÖV 1973, 846 (848); Schorn, S. 122, in Bezug auf eine fehlerhafte Gesetzesberichtigung. 950 Siehe dazu allgemein oben S. 103 f.; zur Heilungswirkung der Berichtigung siehe unten S. 228. 951 Siehe dazu oben S. 167 f.

II. Rechtsfolgen

225

gen Ermächtigungsrahmens vor, weil die zugrunde liegende Bekanntmachungsklausel, sollte sie derart weitgehende Textmodifikationen tatsächlich erlauben, ebenfalls als verfassungswidrig anzusehen ist.952 Etwas großzügiger kann dagegen mit den sonstigen Bekanntmachungsfehlern umgegangen werden (siehe oben 3.), soweit sie offensichtlich sind und infolgedessen jedermann sofort klar sein dürfte, wie die Textstelle richtig lauten muss (z. B. bei offenbaren Rechtschreibfehlern). In diesem Fall bleibt die Neubekanntmachung insgesamt maßgeblich, sollte aber natürlich trotzdem so schnell wie möglich formell berichtigt werden. Für den Rechtsanwender folgt daraus, dass er sich zur Ermittlung des geltenden Rechts zwar in erster Linie an einer vorhandenen Neubekanntmachung zu orientieren hat, im Falle eines Bekanntmachungsfehlers jedoch nicht der sich aus der fehlerhaften Neufassung ergebende, sondern weiterhin der gemäß den ursprünglichen Textfassungen begründete Gesetzesinhalt gilt. Besteht hierüber Streit, so werden letzten Endes die Gerichte zu entscheiden haben. Diese sind im Rahmen der Rechtsfindung berechtigt, von dem Wortlaut der Neubekanntmachung abzuweichen und sich wieder auf den früheren Gesetzestext zu berufen, wenn sie der Auffassung sind, der Neufassungstext enthalte unzulässige redaktionelle Veränderungen.953 Dabei besteht keine Vorlagepflicht an das Bundesverfassungsgericht gem. Art. 100 Abs. 1 GG,954 denn die konkrete Normenkontrolle soll hauptsächlich verhindern, dass sich die Gerichte über den Willen des Gesetzgebers hinwegsetzen, indem sie die von ihm erlassenen Rechtsnormen nicht anwenden.955 Hier geht es aber nicht um die Nichtanwendung eines Gesetzes, sondern nur um die Nichtberücksichtigung einer ministeriellen Gesetzeskonsolidierung unter gleichzeitigem Rückgriff auf die ursprünglich vom Parlament beschlossenen Gesetzestexte und somit im Endeffekt ebenfalls um den Schutz der authentischen Gesetzesfassung, in diesem Fall vor unbefugter Verfälschung seitens der Exekutive. Eine Vorlagepflicht gem. Art. 100 Abs. 1 GG besteht erst dann, wenn die Gerichte nicht nur die formelle Vereinbarkeit der ministeriellen Neufassung mit der parlamentarischen Gesetzesfassung, sondern die materielle Verein952

Siehe oben S. 197 f. (insb. Abb. 4). Vgl. Burneleit, jur-pc 1993, 2409 (2410); Schack, DÖV 1964, 469, der in diesem Zusammenhang von der richterlichen „Textkritik“ spricht. 954 In Bezug auf die Neubekanntmachung ist sie sogar unzulässig. Dagegen besteht aber eventuell eine Vorlagepflicht in Bezug auf die Bekanntmachungserlaubnis; siehe dazu unten S. 250 f. 955 Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 100, Rn. 1; Sachs – Sturm, Art. 100, Rn. 5; Dreier – Wieland, Art. 100, Rn. 6; Schmidt-Bleibtreu/Klein – Müller-Terpitz, Art. 100, Rn. 3; Maurer, StR, § 20, Rn. 103; Schlaich/Korioth, Rn. 136. 953

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H. Folgen einer fehlerhaften Neubekanntmachung

barkeit der hinter der Textfassung stehenden Rechtsnorm mit dem Grundgesetz in Frage stellen. Vorlagegegenstand ist dann aber nicht die von der Exekutive erstellte Textform, sondern die von der Legislative beschlossene Rechtsnorm. Da jedoch der Neufassungstext, soweit er inhaltlich mit dem ursprünglichen Gesetzeswortlaut übereinstimmt, die neue formelle Grundlage der Rechtsnorm bildet, wird dem Bundesverfassungsgericht in diesem Fall die für verfassungswidrig erachtete Rechtsnorm „in der Fassung der Neubekanntmachung“ vorzulegen sein. Gleichermaßen wird das Bundesverfassungsgericht – im Falle der Begründetheit der Vorlage – die Rechtsnorm „in der Fassung der Neubekanntmachung“ für nichtig bzw. unanwendbar erklären.956 Ebenso wie den Gerichten steht auch den Verwaltungsbehörden – gegebenenfalls unter Einschaltung der vorgesetzten Stellen – eine eigene Nichtanwendungskompetenz in Bezug auf fehlerhafte Neubekanntmachungen zu. Soweit sie eine unzulässige Abweichung des Neufassungstextes von dem ursprünglichen Gesetzestext entdecken, sind die Behörden aufgrund ihrer Bindung an Gesetz und Recht gem. Art. 20 Abs. 3 GG sogar dazu verpflichtet, die Rechtsnorm in ihrer gültigen Fassung anzuwenden, d.h. die ministerielle Neufassung zu ignorieren. Da die verwaltungsrechtlichen Entscheidungen natürlich ebenfalls der gerichtlichen Kontrolle unterliegen, wird letzten Endes wiederum die Justiz darüber zu befinden haben, ob die Behörden das geltende Recht richtig angewendet haben oder nicht. Alles in allem lässt sich hier eine gewisse Ähnlichkeit zu den Rechtsfolgen einer rechtswidrigen Rechtsverordnung nicht leugnen. In beiden Fällen steht sowohl den Gerichten als auch den Verwaltungsbehörden ein eigenes Verwerfungsrecht zu.957 Lediglich der Bezugsrahmen ist ein anderer: Geht es bei der Rechtsverordnung um die materielle Unvereinbarkeit einer Rechtsnorm mit höherrangigem Recht, so geht es bei der Neubekanntmachung von Gesetzen um die formelle Unvereinbarkeit einer neuen Textfassung mit der bisherigen Gesetzeslage. Korrekterweise müsste man deshalb nicht von einer Normverwerfungskompetenz, sondern von einer „Textverwerfungskompetenz“ der Gerichte und Behörden sprechen.

956

Siehe die Beispiele auf S. 151 ff.; kritisch zu dieser Praxis Maunz/SchmidtBleibtreu/Klein/Bethge – Ulsamer, § 80, Rn. 67. 957 Zum Verwerfungsrecht der Verwaltung siehe z. B. BK – Nierhaus, Art. 80 Abs. 1, Rn. 445; Jarass/Pieroth – Jarass, Art. 20, Rn. 40.

III. Heilungsmöglichkeiten

227

III. Heilungsmöglichkeiten 1. Keine nachträgliche Ermächtigung Hat die Exekutive eine Neubekanntmachung im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, ohne sich im Bekanntmachungstext auf eine wirksame Bekanntmachungserlaubnis zu berufen, so ist die Neubekanntmachung rechtlich unbeachtlich. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Gesetzgeber nachträglich eine passende Bekanntmachungserlaubnis beschließt. Eine Heilungsmöglichkeit sollte jedoch für den – in der Praxis regelmäßig vorkommenden – Fall angenommen werden, dass die Bekanntmachungserlaubnis zum Zeitpunkt der Bekanntmachung der Neufassung zwar noch nicht in Kraft getreten ist, aber bereits wirksam im Bundesgesetzblatt verkündet wurde. Hier kann sich die Neubekanntmachung immerhin schon auf eine existente, wenn auch noch nicht rechtswirksame Bekanntmachungserlaubnis beziehen. Die Neubekanntmachung gilt dann mit dem Inkrafttreten der Bekanntmachungserlaubnis als geheilt.958 Voraussetzung ist jedoch, dass die Bekanntmachungserlaubnis spätestens bis zum Neufassungsstichtag (s. o. S. 89) in Kraft tritt und so die Neubekanntmachung zu diesem maßgeblichen Termin auf eine gültige Ermächtigungsgrundlage stellt. Beispiele: Die Neubekanntmachung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 26. August 1998959 war bereits in der Ausgabe des Bundesgesetzblattes vom 2. September 1998 veröffentlicht worden, obwohl die Bekanntmachungserlaubnis, welche in derselben Ausgabe des Bundesgesetzblattes verkündet wurde, erst am 1. Januar 1999 in Kraft trat. Da sich die Neubekanntmachung aber ausweislich des Bekanntmachungstextes ausdrücklich auf die ab dem 1. Januar 1999 geltende Fassung bezog, durfte sich vor diesem Stichtag noch niemand auf den Neufassungstext verlassen. Auch die darin vorgenommenen Anpassungen des Gesetzeswortlauts sollten erst zum Neufassungsstichtag wirksam werden. Insofern ist die vorzeitige Neubekanntmachung zum 1. Januar 1999 als geheilt anzusehen, da die Bekanntmachungserlaubnis rechtzeitig zu diesem maßgeblichen Neufassungsstichtag in Kraft trat. Auf die gleiche Weise ließe sich auch der dem Bundesverfassungsgericht vorgelegte Fall zur Neubekanntmachung des Straßenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 1952 lösen.960 Obwohl die Bekanntmachungserlaubnis in Art. 8 des Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs erst einen Monat nach ihrer Verkündung, sprich am 23. Januar 1953 in Kraft trat, hatte der zuständige Bundesminister für Verkehr die Neufassung bereits in der gleichen Ausgabe des Bundesgesetzblattes, also am 958 959 960

So auch Schneider, Rn. 690 a. E. Siehe dazu ausführlich das Beispiel 1 auf S. 138 ff. BVerfGE 14, 245 und E 18, 389; siehe dazu oben S. 105 ff.

228

H. Folgen einer fehlerhaften Neubekanntmachung

23. Dezember 1952 veröffentlicht. Dabei hatte er jedoch im Bekanntmachungstext ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich hier um die „vom Tage des Inkrafttretens des Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs ab geltende Fassung“ handele. Folglich beruhte die Neubekanntmachung zumindest am maßgeblichen Stichtag, dem 23. Januar 1953, auf einer rechtswirksamen Bekanntmachungserlaubnis.

2. Nachträgliche Berichtigung Genauso wie jedes förmliche Gesetz berichtigt werden kann, kann auch die Neubekanntmachung berichtigt werden, und zwar sowohl der Bekanntmachungs- wie auch der Neufassungstext.961 Im Unterschied zur Berichtigung förmlicher Gesetze ist die Berichtigung der Neubekanntmachung aber nicht auf offenbare Unrichtigkeiten beschränkt,962 denn während bei der Berichtigung von förmlichen Gesetzen die Gefahr besteht, dass die Exekutive durch die Korrekturmaßnahmen den normativen Inhalt modifiziert, ist diese Gefahr bei der Korrektur des Neufassungstextes gerade nicht gegeben. Im Gegenteil: Durch die Berichtigung des Neufassungstextes sollen unautorisierte und damit unwirksame Abweichungen von der ursprünglichen Gesetzesfassung wieder rückgängig gemacht werden, was zu einer nachträglichen Heilung (ex nunc) der Neubekanntmachung führt. Zugleich können auch alle sonstigen Bekanntmachungsfehler, wie z. B. Rechtschreibfehler, behoben werden. Dagegen ist es verboten, im Wege der Berichtigung weitere redaktionelle Verbesserungen durchzuführen, die im Rahmen der Neubekanntmachung übersehen wurden. Denn die Berichtigung dient ausschließlich der Beseitigung von Konsolidierungsfehlern, nicht aber der Nachholung von nicht durchgeführten Konsolidierungsmaßnahmen, selbst wenn diese in der (erweiterten) Bekanntmachungserlaubnis ausdrücklich vorgesehen waren. Aufgrund der teilweise heilenden Wirkung der Berichtigung wird diese ein Teil der neuen amtlichen Gesetzesfassung, weshalb ihre Fundstelle im Bundesgesetzblatt bei der Zitierung der Neubekanntmachung immer mit anzugeben ist, damit sie nicht übersehen wird. Fast alle in den obigen Beispielen genannten Bekanntmachungsfehler sind mittlerweile im Bundesgesetzblatt berichtigt worden, so z. B. die Fehler bei der Neubekanntmachung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 2. Januar 2002 in der dazugehörigen Berichtigung vom 18. Juli 2002.963 Die Berichtigung des § 120 Abs. 2 GWB in der Fassung der Neubekanntmachung vom 15. Juli 2005 dauerte aber immerhin knapp fünf Jahre,964 was insbesondere aus haftungsrechtlicher Sicht von Relevanz 961

Siehe dazu bereits oben S. 103. Siehe dazu oben S. 172 ff. 963 BGBl. I 2002, 2909; eine weitere Berichtigung derselben Neubekanntmachung des BGB erfolgte noch am 22. Mai 2003, BGBl. I 2003, 738. 964 Siehe die Berichtigung vom 4. Dezember 2009, BGBl. I 2009, 3850. 962

IV. Haftungsfolgen

229

sein könnte (siehe dazu unten). Der Bekanntmachungsfehler in Bezug auf § 74 BImSchG ist hingegen bis heute nicht korrigiert worden.

3. Heilung durch legislative Bezugnahme Einen weiteren Heilungstatbestand wird man annehmen müssen, wenn der Gesetzgeber in einem nachfolgenden Rechtsetzungsakt ausdrücklich auf die fehlerhafte Neubekanntmachung Bezug nimmt.965 Eine solche Bezugnahme kann zum einen durch eine statische Verweisung auf das Gesetz in der Fassung der Neubekanntmachung erfolgen, da der Gesetzgeber in diesem Fall den Neufassungstext ausdrücklich in seinen Willen aufnimmt. Zum andern kann sie aber auch durch ein nachfolgendes Änderungsgesetz erfolgen, soweit dessen Änderungsbefehle an bestimmte Textstellen der Neufassung anknüpfen und diese punktuell weiterentwickeln. Dann kann nämlich grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber mit der übrigen, unverändert gelassenen Formulierung einverstanden war und sie, sollte sie fehlerhaft gewesen sein, zumindest nachträglich genehmigt. Bei diesen legislativen Bezugnahmen ist aber zu beachten, dass sie – falls überhaupt – nur einzelne Gesetzestextstellen erfassen, nämlich nur diejenigen Bereiche, auf die ausdrücklich verwiesen wird oder die mit der späteren Gesetzesänderung in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Dementsprechend umfasst auch die Heilungswirkung nur diese begrenzten Textbereiche. Die Neubekanntmachung wird hierdurch also nicht insgesamt, sondern in der Regel nur partiell geheilt.

IV. Haftungsfolgen Auch wenn die fehlerhafte Neubekanntmachung eines Gesetzes als solche nicht in der Lage ist, den normativen Inhalt des Gesetzes zu verändern, so besteht aufgrund ihrer Publikation im Bundesgesetzblatt dennoch die Gefahr, dass die Rechtsunterworfenen sie fortan als Grundlage für zahlreiche mehr oder weniger weitreichende Entscheidungen nehmen. Wenn einer Person, die auf die Richtigkeit der Neubekanntmachung vertraut hat, ein finanzieller Schaden entsteht, so stellt sich die Frage, ob sie diesen von der verantwortlichen Bekanntmachungsstelle ersetzt verlangen kann (dazu 1.). Soweit der Schaden erst durch die Fehlentscheidung einer anderen öffentlichen Stelle (z. B. einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichts), die sich ihrerseits auf die Richtigkeit der Neubekanntmachung verlassen hat, entstanden ist, ist eventuell auch ein Amtshaftungsanspruch gegen diese Stelle 965

Siehe Schneider, Rn. 686 a. E.

230

H. Folgen einer fehlerhaften Neubekanntmachung

denkbar (dazu 2.). Abschließend ist noch zu überlegen, welche Sorgfaltsanforderungen im Zusammenhang mit der Neubekanntmachung an Privatpersonen zu stellen sind (dazu 3.). 1. Amtshaftung der Bekanntmachungsstelle Unterläuft der Bekanntmachungsstelle bei der Gesetzeskonsolidierung ein Fehler, so könnte sie gem. Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB zum Ersatz der dadurch Dritten entstandenen Schäden verpflichtet sein. Fallbeispiel: § 120 Abs. 2 GWB verweist auf eine Reihe von Vorschriften aus dem kartellrechtlichen Beschwerdeverfahren, die auch beim vergaberechtlichen Beschwerdeverfahren entsprechend anzuwenden sind. Durch Art. 20 Nr. 2 des Gesetzes über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Anhörungsrügengesetz) vom 9. Dezember 2004966 wurde ein neuer § 71a in das GWB eingefügt, der die Möglichkeit einer Anhörungsrüge im kartellrechtlichen Beschwerdeverfahren eröffnete, wenn das Beschwerdegericht den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat und ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist. Zugleich wurde § 120 Abs. 2 GWB gem. Art. 20 Nr. 3 des Anhörungsrügengesetzes dahingehend erweitert, dass er nunmehr ausdrücklich auf den neuen § 71a GWB verweist und somit die Anhörungsrüge auch im vergaberechtlichen Beschwerdeverfahren nutzbar macht. Diese Änderungen des GWB traten zum 1. Januar 2005 in Kraft. Mit Datum vom 15. Juli 2005 hat der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit das GWB in der seit dem 13. Juli 2005 geltenden Fassung im Bundesgesetzblatt neu bekannt gemacht.967 Die Neubekanntmachung enthielt jedoch einen Fehler, da der § 120 Abs. 2 GWB in der ministeriellen Neufassung nicht auf den neuen § 71a GWB verwies. Angenommen, der öffentliche Auftraggeber A hat gegen Vergabevorschriften verstoßen und der am Vergabeverfahren beteiligte Bieter B hat diesen Mangel gerügt, war jedoch sowohl im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer als auch mit der sofortigen Beschwerde vor dem Vergabesenat unterlegen, so dass ihm ein weiteres Rechtsmittel nun nicht mehr zusteht. Allerdings erging die Entscheidung des Vergabesenats unter Verletzung des Anspruchs des B auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), weshalb ihm eigentlich noch gem. § 120 Abs. 2 i. V. m. § 71a GWB die Anhörungsrüge offen stünde. Da der Verweis auf § 71a GWB in der Neubekanntmachung des GWB jedoch nicht mehr abgedruckt war, ging B zunächst davon aus, dass ihm keine weiteren Rechtsbehelfe mehr zur Verfügung stünden, weshalb er von weiteren rechtlichen Schritten absah und auf den vergeblichen Angebotskosten sitzen blieb. Kann der B später, nachdem er von dem Bekanntmachungsfehler erfahren hat, die zweiwöchige Rügefrist des § 71a Abs. 2 GWB jedoch ebenso wie die Wiedereinsetzungsfrist des § 234 ZPO bereits abgelaufen sind, von der Bundesrepublik Deutsch966 967

BGBl. I 2004, 3220 (3229 f.). BGBl. I 2005, 2114.

IV. Haftungsfolgen

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land gem. Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB Ersatz der ihm durch die vergebliche Angebotserstellung entstandenen Kosten verlangen?

Bevor auf die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen eingegangen wird, ist darauf hinzuweisen, dass es sich hier um eine besondere Konstellation des Amtshaftungsanspruchs handelt, denn durch die Veröffentlichung der fehlerhaften Neufassung wird zunächst einmal in keine rechtlichen Positionen eingegriffen und damit kein unmittelbarer Schaden verursacht. Da die Neubekanntmachung als Konsolidierungsakt die materielle Rechtslage nicht berührt, werden durch ihre Publikation weder Eigentumspositionen entwertet noch sonstige verfassungswidrige Regelungen in Kraft gesetzt. Dafür enthält sie jedoch eine aus amtshaftungsrechtlicher Sicht relevante Erklärung, nämlich diejenige, dass sie den zum Neufassungsstichtag geltenden Gesetzeswortlaut vollständig und richtig wiedergibt.968 Dieser Erklärungsinhalt wird insbesondere durch die vorbehaltslose Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt sowie durch die ausdrückliche Berufung auf eine gesetzliche Bekanntmachungserlaubnis hervorgerufen und begründet somit einen besonderen Vertrauenstatbestand gegenüber den Rechtsanwendern,969 welcher lediglich dann entfällt, wenn der Neufassungstext offenbar, d.h. auf den ersten Blick erkennbar unrichtig ist970 oder mittlerweile im Bundesgesetzblatt berichtigt wurde.971 Im Allgemeinen können die Rechtsanwender also davon ausgehen, dass die Neubekanntmachung den authentischen Gesetzeswortlaut enthält und demzufolge ihr Handeln danach ausrichten, wie es auch das Bundesverfassungsgericht in einer neueren Kammerentscheidung ausdrücklich bestätigt hat: „Denn mehr noch als im Falle gerichtlicher Fehler müssen Verfahrensbeteiligte, die ihr Handeln am amtlich veröffentlichten Gesetzestext ausrichten, auf die Fehlerfreiheit der Veröffentlichung vertrauen dürfen.“972

Ein inhaltsrelevanter Fehler in der Neubekanntmachung schafft damit zunächst einmal nur eine Gefährdungssituation, die sich erst dann möglicherweise haftungsbegründend auswirkt, wenn der Rechtsanwender dadurch zu einem Tun oder Unterlassen veranlasst wird, welches sich im Lichte der tatsächlichen Rechtslage als schädlich erweist und welches er folglich bei Kenntnis der richtigen Gesetzesfassung nicht begangen hätte. Der Schaden wird so gesehen zwar nicht unmittelbar durch die fehlerhafte Neubekannt968

Siehe oben S. 171. Siehe Kuntz, JurPC Web-Dok. 151/2006, Abs. 21, der einen Vertrauensschutz wegen der Amtlichkeit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt auch bei unverbindlichen Gesetzeskonsolidierungen für möglich hält. 970 Vgl. Fellenberg, S. 68 f. und 89; Tremml/Karger, Rn. 128. 971 Zur Heilungswirkung der Berichtigung siehe oben S. 228. 972 BVerfG, NJW 2008, 2167 (2168). 969

232

H. Folgen einer fehlerhaften Neubekanntmachung

machung, sondern durch eine daran anknüpfende Zweithandlung des Geschädigten verursacht.973 Da dieser „Selbstschädigungsakt“ jedoch grundsätzlich im schutzwürdigen Vertrauen auf die Richtigkeit der Neubekanntmachung erfolgt, ist der Schaden der Bekanntmachungsstelle adäquat kausal zuzurechnen.974 In Anbetracht dieser besonderen Umstände kann man hier von einer amtshaftungsrechtlichen Vertrauenshaftung sprechen.975 Diese amtshaftungsrechtliche Vertrauenskonstellation ist auch in dem Beispielsfall gegeben. Da bei der Neubekanntmachung des GWB in § 120 Abs. 2 der Verweis auf § 71a fehlte, enthielt der Neufassungstext einen inhaltsrelevanten Fehler. Aufgrund der besonderen Konsolidierungswirkung der ministeriellen Neubekanntmachung hatte sich der B auf die Richtigkeit des Neufassungstextes verlassen und deshalb in schutzwürdiger Weise angenommen, dass eine Rügemöglichkeit nicht besteht. Hätte er hingegen die Gesetzeskonsolidierung selbst vorgenommen, so wäre ihm aller Voraussicht nach Art. 20 Nr. 3 des Anhörungsrügengesetzes vom 9. Dezember 2004 aufgefallen, der einen ausdrücklichen Verweis auf die Anhörungsrüge nach § 71a GWB in den § 120 Abs. 2 GWB einfügt hat. In diesem Fall hätte er wahrscheinlich von der Rügemöglichkeit rechtzeitig Gebrauch gemacht mit dem Ergebnis, dass das Beschwerdeverfahren fortgeführt worden wäre und er den Vergabemangel ausführlich vor Gericht hätte darlegen können. Sein Schaden beruht also auf dem berechtigten Vertrauen in die Richtigkeit der amtlichen Neubekanntmachung und ist insofern der Bekanntmachungsstelle zuzurechnen.

Nachdem nun also feststeht, dass der Amtshaftungsanspruch nach Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB hier grundsätzlich anwendbar ist, stellt sich die Frage, ob auch die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen: a) Handeln in Ausübung eines öffentlichen Amtes Art. 34 GG verlangt, dass „jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes“ handelt. Die Amtshandlung kann folglich nicht nur von Beamten im statusrechtlichen Sinne, sondern von jedermann, der mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet ist, vorgenommen werden (Beamter im haftungsrechtlichen Sinne).976 Als relevante Amtshandlung kommt hier nur die Veröffentlichung der Neufassung im Bundesgesetzblatt in Betracht. 973

Vgl. Middendorf, S. 31. Vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 54; v. Mangoldt/Klein/Starck – von Danwitz, Art. 34, Rn. 74; Middendorf, S. 56. Für den Bundesgerichtshof ist die objektive Schutzwürdigkeit des Vertrauens dagegen eher eine Frage des Schutzbereichs der Amtspflicht; siehe BGHZ 117, 83 (90); 134, 268 (295 ff.) und Stein/Itzel/ Schwall, Rn. 124; Tremml/Karger, Rn. 125 ff.; Middendorf, S. 44 ff. 975 So insbesondere Fellenberg, S. 12. 976 Tremml/Karger, Rn. 54; Maurer, VerwR, § 26, Rn. 12 ff.; Middendorf, S. 34; Umbach/Clemens – Masing, Art. 34, Rn. 71; v. Münch/Kunig – Bryde, Art. 34, Rn. 12; Sachs – Bonk, Art. 34, Rn. 55. 974

IV. Haftungsfolgen

233

Da sich die Bekanntmachungserlaubnis in der Regel an das fachlich zuständige Bundesministerium oder direkt an den jeweiligen Fachminister richtet, ist es zumeist der Bundesminister höchstpersönlich, der mit seiner Unterschrift die Neubekanntmachung ausfertigt und zugleich die Verantwortung für ihre Richtigkeit übernimmt.977 Die Bundesminister stehen, wie im Übrigen auch der Bundeskanzler, gem. § 1 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Bundesregierung (Bundesministergesetz) vom 17. Juni 1953 in einem „öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis“ zum Bund, weshalb sie als Inhaber eines öffentlichen Amtes im Sinne von Art. 34 GG zu betrachten sind.978 Die Neubekanntmachung des amtlichen Gesetzestextes im Bundesgesetzblatt stellt zudem eine eindeutig öffentliche Aufgabe dar. In dem Beispielsfall hat zwar nicht der zuständige Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit die Neubekanntmachung persönlich unterschrieben, dafür aber ein Ministerialbediensteter „in Vertretung“.979 Somit ist die Neubekanntmachung dem Bundesminister zuzurechnen, der hier „in Ausübung eines öffentlichen Amtes“ tätig geworden ist.

b) Amtspflichtverletzung Der Bundesminister müsste durch die fehlerhafte Neubekanntmachung eine Amtspflicht verletzt haben. Eine der grundlegendsten Amtspflichten ist die allgemeine Pflicht zu rechtmäßigem Verhalten.980 Dazu zählt auch die Pflicht, die Grenzen der Zuständigkeit einzuhalten.981 In dieser Hinsicht ließe sich argumentieren, dass immer dann, wenn der Bundesminister ohne Bekanntmachungserlaubnis oder außerhalb des ihm erteilten Ermächtigungsrahmens rechtskonsolidierend tätig wird, er bereits im Zuständigkeitsbereich der Legislative und damit amtspflichtwidrig handelt. Diese Überlegung ist nach den bisherigen Erkenntnissen sicherlich zutreffend, berücksichtigt allerdings zu wenig, dass die bloße Unzuständigkeit der Exekutive aus haftungsrechtlicher Sicht mangels Schadenskausalität als irrelevant anzusehen ist, wenn der Neufassungstext im Übrigen inhaltlich korrekt ist. 977 Siehe oben S. 90. Wenn einmal nicht der Bundesminister persönlich, sondern ein Staatssekretär oder ein sonstiger Ministerialbediensteter unterschreibt, so tut er dies grundsätzlich in Stellvertretung des Ministers. Im Übrigen sind auch diese Stellvertreter als Beamte im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen. 978 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 13; Tremml/Karger, Rn. 55; Dreier – Wieland, Art. 34, Rn. 38; Schmidt-Bleibtreu/Klein – Pieper, Art. 34, Rn. 16; AK – von Brünneck, Art. 34, Rn. 33; Friauf/Höfling – Rüfner, Art. 34, Rn. 38. 979 Siehe BGBl. I 2005, 2114. 980 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 43; Tremml/Karger, Rn. 92; Sachs – Bonk, Art. 34, Rn. 63; Maunz/Dürig – Papier, Art. 34, Rn. 161. 981 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 44; Stein/Itzel/Schwall, Rn. 42; Tremml/ Karger, Rn. 93; Sachs – Bonk, Art. 34, Rn. 65.

234

H. Folgen einer fehlerhaften Neubekanntmachung

Haftungsrechtlich interessant wird die Neubekanntmachung erst dann, wenn sie eine Gesetzesfassung enthält, die in inhaltsrelevanter Weise von dem bisherigen Gesetzestext abweicht, denn erst dadurch entsteht die Gefahr, dass die Rechtsanwender im Vertrauen auf die falsche Gesetzesfassung zu schädlichen Vermögensdispositionen veranlasst werden. Nicht bereits das Handeln außerhalb des Zuständigkeitsbereichs, sondern vielmehr erst die amtliche Veröffentlichung eines inhaltlich falschen Gesetzestextes stellt im Hinblick auf den späteren Schaden die kausale und damit entscheidende Amtspflichtverletzung dar. Insofern bestehen gewisse Ähnlichkeiten zu der Fallgruppe der falschen Auskunftserteilung, denn auch dort kann die Behörde gegenüber den Bürgern eine Vertrauensgrundlage schaffen, die mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt und sie folglich zu einem schädlichen Tun oder Unterlassen veranlasst. Diesbezüglich hat die Rechtsprechung eine Amtspflicht zur Erteilung ordnungsgemäßer, d.h. richtiger und vollständiger Auskünfte angenommen, die unabhängig davon gilt, ob der Bürger einen Anspruch auf die Auskunftserteilung hat oder nicht.982 Eine solche Amtspflicht muss erst recht für die Neubekanntmachung von Gesetzen gelten, die nicht nur einen Rechtshinweis erteilen, sondern eine neue formelle Textfassung im Bundesgesetzblatt begründen soll.983 Sie lässt sich regelmäßig bereits aus der Bekanntmachungserlaubnis herleiten, welche die Exekutive nur zur Gesetzeskonsolidierung, also zur richtigen und vollständigen Wiedergabe des Gesetzestextes in zusammenhängender Form, gegebenenfalls verbunden mit inhaltsneutralen Textanpassungen, beauftragt. Darüber hinaus ergibt sich zudem aus der verfassungsrechtlichen Ordnung ein unmittelbares Verbot zur Vornahme von jeglichen Gesetzestextmodifikationen, die eine Veränderung des normativen Inhalts hervorrufen können,984 weshalb jede ministerielle Neubekanntmachung, welche die Grenze zur Norminhaltsänderung überschreitet, eine Amtspflichtverletzung in diesem Sinne darstellt, unabhängig von der konkreten Zuständigkeits- und Ermächtigungsfrage. In dem Beispielsfall enthält der Neufassungstext in Art. 120 Abs. 2 GWB keinen Verweis auf die Anhörungsrüge des § 71a GWB, so dass eine solche Rügemöglichkeit hiernach nicht besteht. Diese Darstellung stimmt jedoch mit der tatsächlichen Rechtslage nicht überein, da die Anhörungsrüge gem. Art. 20 Nr. 3 des Anhörungsrügengesetzes vom 9. Dezember 2004 ausdrücklich auch in dem vergaberechtlichen Beschwerdeverfahren vorgesehen ist. Der Bundesminister hat insofern gegen seine 982 Fellenberg, S. 65 f.; Umbach/Clemens – Masing, Art. 34, Rn. 85; Sachs – Bonk, Art. 34, Rn. 68; Maunz/Dürig – Papier, Art. 34, Rn. 171; Stein/Itzel/Schwall, Rn. 57; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 47; Tremml/Karger, Rn. 104; Middendorf, S. 35. 983 Siehe oben S. 165 ff. 984 Siehe oben S. 132 f.

IV. Haftungsfolgen

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Amtspflicht zur ordnungsgemäßen Neubekanntmachung verstoßen, d.h. gegen seine Pflicht, die Neufassung so zu erstellen und zu veröffentlichen, dass sie die tatsächliche Gesetzeslage richtig und vollständig wiedergibt.

c) Drittbezogenheit der Amtspflichtverletzung Des Weiteren wird von der Rechtsprechung verlangt, dass die verletzte Amtspflicht nicht nur den Interessen der Allgemeinheit dient, sondern zumindest auch den Interessen des Geschädigten zu dienen bestimmt ist.985 Sie muss also gerade den Schutz eines bestimmten, individualisierbaren Personenkreises bezwecken.986 Das wird in der Regel angenommen, wenn eine „besondere Beziehung“ zwischen der verletzten Amtspflicht und dem Geschädigten besteht:987 „Nur wenn sich aus den die Amtspflicht begründenden und sie umreißenden Bestimmungen sowie aus der Natur des Amtsgeschäfts ergibt, daß der Geschädigte zu dem Personenkreis gehört, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt und gefördert sein sollen, besteht ihm gegenüber bei schuldhafter Pflichtverletzung eine Schadensersatzpflicht. Hingegen ist anderen Personen gegenüber, selbst wenn die Amtspflichtverletzung sich für sie mehr oder weniger nachteilig ausgewirkt hat, eine Ersatzpflicht nicht begründet. Es muß mithin eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten „Dritten“ bestehen (. . .).“988

In Bezug auf die oben genannte Fallgruppe der falschen Auskunftserteilung wird eine solche Drittbezogenheit der Amtspflicht grundsätzlich zu bejahen sein, da sich die Auskunft in der Regel an einen bestimmten Personenkreis richtet und nur diesem gegenüber als Anknüpfungspunkt für ein berechtigtes Vertrauensverhältnis dienen kann.989 Anders sieht es dagegen bei der Neubekanntmachung von Gesetzen aus. Genauso wie die Verkündung richtet sich auch die Neubekanntmachung grundsätzlich an einen unbestimmten Adressatenkreis. Die ministerielle Neufassung wird nicht nur einzelnen Personen gegenüber bekannt geben, sondern im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, damit sie jedermann als Entscheidungsgrundlage für sein zukünftiges Verhalten einschließlich etwaiger Vermögensdispositionen zur Verfügung steht. Eine Individualisierung ist folglich zum Zeitpunkt der Vor985 Jarass/Pieroth – Jarass, Art. 34, Rn. 12; Dreier – Wieland, Art. 34, Rn. 47; Schmidt-Bleibtreu/Klein – Pieper, Art. 34, Rn. 21; Maurer, VerwR, § 26, Rn. 19; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 58; Tremml/Karger, Rn. 110. 986 Sachs – Bonk, Art. 34, Rn. 72. 987 Maunz/Dürig – Papier, Art. 34, Rn. 180; Stein/Itzel/Schwall, Rn. 92; Middendorf, S. 41. 988 Ständige Rechtsprechung, siehe z. B. BGHZ 106, 323 (331). 989 Siehe Fellenberg, S. 78 f.; Tremml/Karger, Rn. 137; Middendorf, S. 43.

236

H. Folgen einer fehlerhaften Neubekanntmachung

nahme der Amtshandlung nicht möglich, weshalb auch eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem im Einzelfall geschädigten „Dritten“ nicht besteht.990 Die Amtspflicht des Bundesministers zur ordnungsgemäßen Konsolidierung und Neubekanntmachung der Gesetzestexte dient vielmehr einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe, nämlich der Wahrung der allgemeinen Rechtssicherheit und -klarheit. Vergleichend kann an dieser Stelle auf die unter dem Stichwort „normatives Unrecht“ bzw. „legislatives Unrecht“ bekannt gewordene Fallgruppe verwiesen werden. Auch wenn es dort um eine etwas andere Amtspflicht geht, nämlich um die Pflicht, keine gegen höherrangiges Recht, insbesondere gegen Verfassungsrecht verstoßenden Rechtsnormen zu erlassen – im Gegensatz zu der Pflicht bei der Neubekanntmachung, keine der geltenden Rechtslage widersprechende Textfassung zu veröffentlichen –, so bestehen doch auffällige Parallelen hinsichtlich der fehlenden Drittbezogenheit beider Amtspflichten, denn es handelt sich jeweils um abstrakt-generelle Maßnahmen, die ausschließlich dem öffentlichen Interesse an einer den rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechenden Gesetzgebung dienen.991 Vereinzelt wird jedoch bei der Verkündung rechtswidriger Gesetze eine amtshaftungsrechtliche Drittbezogenheit angenommen, nämlich dann, wenn es sich um bestimmte, nur an einen begrenzten Personenkreis gerichtete Maßnahme- oder Einzelfallgesetze handelt.992 Aufgrund der engen Verknüpfung zwischen Normtext und -inhalt wird man diese Ausnahmefälle deshalb auch auf die Neubekanntmachung übertragen dürfen, denn wenn sich die Rechtsnorm nur an einen begrenzten Adressatenkreis richtet, so kann man davon ausgehen, dass auch der den Norminhalt verkörpernde Normtext nur an diesen begrenzten, materiell betroffenen Personenkreis gerichtet ist. Die inhaltlich fehlerhafte Neubekanntmachung von Maßnahme- und Einzelfallgesetzen kann deshalb gegebenenfalls amtshaftungsrechtliche Schadensersatzansprüche begründen. In der absolut überwiegenden Anzahl der Fälle ist aber ein Amtshaftungsanspruch gegen die Bundesrepublik Deutschland 990

Vgl. Fellenberg, S. 79, in Bezug auf allgemeingerichtete Auskunftserteilun-

gen. 991 Zum normativen Unrecht: BGHZ 102, 350 (367 f.); Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 105, 107; Stein/Itzel/Schwall, Rn. 107; Tremml/Karger, Rn. 147, 153; v. Mangoldt/Klein/Starck – von Danwitz, Art. 34, Rn. 112 f.; v. Münch/Kunig – Bryde, Art. 34, Rn. 27 f.; Umbach/Clemens – Masing, Art. 34, Rn. 99; SchmidtBleibtreu/Klein – Pieper, Art. 34, Rn. 44; dagegen grundsätzlich für eine Amtshaftung wegen normativen Unrechts: Dreier – Wieland, Art. 34, Rn. 51; Maunz/Dürig – Papier, Art. 34, Rn. 195; Maurer, VerwR, § 26, Rn. 51, deren Argumentation mit einer subjektiven Grundrechtsverletzung sich jedoch nur schwer auf die Situation bei der Neubekanntmachung übertragen lässt. 992 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 106; Stein/Itzel/Schwall, Rn. 108; Tremml/ Karger, Rn. 150; v. Mangoldt/Klein/Starck – von Danwitz, Art. 34, Rn. 114.

IV. Haftungsfolgen

237

aufgrund der fehlenden Drittbezogenheit der Neubekanntmachung ausgeschlossen.993 Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen richtet sich an eine unbegrenzte Vielzahl von Personen, so dass auch die Neubekanntmachung des GWB keinen individualbezogenen Charakter aufweist. Es besteht damit keine „besondere Beziehung“ zwischen der Neubekanntmachung des GWB und dem Geschädigten B. Ein Amtshaftungsanspruch gegen die Bundesrepublik Deutschland scheidet deshalb aus.

d) Exkurs: Amtshaftung durch Unterlassen der Neubekanntmachung Der Vollständigkeit halber soll an dieser Stelle kurz auf das mit der oben behandelten Fragestellung zusammenhängende Problem eingegangen werden, ob ein Amtshaftungsanspruch besteht, wenn die Neubekanntmachung eines Gesetzes unterbleibt, obwohl sie aus Gründen der Rechtssicherheit eigentlich geboten wäre. Als Haftungsadressat kommt hier ebenfalls die Bundesrepublik Deutschland in Betracht, entweder, weil der Bundestag es unterlassen hat, eine Bekanntmachungserlaubnis zu erteilen, oder weil der zuständige Bundesminister von einer ihm erteilten Ermächtigung keinen Gebrauch gemacht hat. In beiden Fällen könnte der Rechtsanwender argumentieren, dass ihm ein finanzieller Schaden deshalb entstanden sei, weil er die geltende Gesetzeslage aufgrund der vielen unübersichtlichen Änderungsgesetze im Bundesgesetzblatt nicht richtig erkennen konnte. Der Schaden beruht in dieser Konstellation also nicht darauf, dass der Staat dem Bürger eine inhaltlich falsche Gesetzesfassung vorgelegt hat, sondern darauf, dass er ihm im Bundesgesetzblatt überhaupt keine konsolidierte und damit verständliche Gesetzesfassung zur Verfügung gestellt hat. Eine entsprechende Amtspflichtverletzung könnte man unter Berufung auf die sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebende Pflicht des Staates zur Gesetzeskonsolidierung begründen.994 Dabei ist allerdings zu bedenken, dass die staatliche Konsolidierungspflicht dem Gesetzgeber grundsätzlich einen weiten Ermessensspielraum einräumt.995 So wird man wohl nicht nach nur zwei oder drei kleineren Änderungsgesetzen schon eine Neubekanntmachung des Stammgesetzes fordern können. Vielmehr muss eine Si993 Auf die weiteren Voraussetzungen des Amtshaftungsanspruchs wird deshalb in dieser Arbeit nicht näher eingegangen, zumal sich hier keine Besonderheiten ergeben. Insbesondere ein Verschulden der Bekanntmachungsstelle dürfte regelmäßig in Form von Fahrlässigkeit zu bejahen sein. Im Rahmen eines möglichen Mitverschuldens des Geschädigten gem. § 254 BGB ist dagegen auf den unter 3.) erörterten Sorgfaltsmaßstab abzustellen. 994 Siehe dazu oben S. 62 ff. 995 Siehe oben S. 185.

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H. Folgen einer fehlerhaften Neubekanntmachung

tuation der Unsicherheit bestehen, die eine amtliche Gesetzeskonsolidierung zwingend erforderlich macht. Das wäre eventuell anzunehmen, wenn innerhalb von kurzer Zeit mehrere umfassende Gesetzesnovellen mit einer Vielzahl von Einzeländerungen ergehen, so dass die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass sogar die gewerblichen Gesetzessammlungen voneinander abweichen, geschweige denn der einzelne Bürger noch in der Lage ist, anhand des Bundesgesetzblattes den geltenden Gesetzestext zuverlässig zu ermitteln. Ähnlich wie bei der Fallgruppe des legislativen Unterlassens, bei der eine Amtspflichtverletzung des Gesetzgebers nur angenommen wird, wenn er seine legislativen Pflichten evident verletzt,996 so wird man auch bei der unterlassenen Neubekanntmachung eine Amtspflichtverletzung nur bejahen können, wenn der Staat seine Konsolidierungspflichten evident vernachlässigt hat, was – wie soeben angedeutet – nur in wenigen Ausnahmesituationen der Fall sein dürfte. Hinzu kommt außerdem ein weiteres Problem, das einen Amtshaftungsanspruch wegen unterlassener Gesetzeskonsolidierung so gut wie immer ausschließen dürfte: die fehlende Drittbezogenheit.997 Wie bereits oben dargestellt, dient die staatliche Pflicht zur Konsolidierung der Gesetzestexte nicht nur bestimmten Personengruppen, sondern grundsätzlich – mit Ausnahme der ganz seltenen Maßnahme- und Einzelfallgesetze – dem öffentlichen Interesse. 2. Amtshaftung durch fehlerhafte Rechtsanwendung Eine etwas andere Amtshaftungssituation als unter 1.) ist gegeben, wenn der Schaden nicht auf einer vertrauensgelenkten Fehlentscheidung des Geschädigten beruht, sondern durch eine fehlerhafte Rechtsanwendung eines Amtsträgers verursacht wird. Die folgende Abwandlung des Beispielsfalls soll diese veränderte Ausgangslage verdeutlichen: Abwandlung: Der Bieter B reicht gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts – rein vorsichtshalber – die Anhörungsrüge ein, obwohl sich eine solche Rügemöglichkeit aus der fehlerhaften Neubekanntmachung des GWB nicht ergibt. Das zuständige Beschwerdegericht lehnt die Anhörungsrüge unter Verweis auf § 120 Abs. 2 GWB in der Fassung der Neubekanntmachung als unzulässig ab.

Die Abwandlung führt für den B zu dem gleichen Ergebnis wie im Ausgangsfall, jedoch mit einem entscheidenden Unterschied: Während die fehlerhafte Neubekanntmachung ihn im Ausgangsfall selbst zu einer Fehlentscheidung veranlasst hat, nämlich der Entscheidung, die Anhörungsrüge 996 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 106; Tremml/Karger, Rn. 157; v. Mangoldt/Klein/Starck – von Danwitz, Art. 34, Rn. 114. 997 Vgl. Tremml/Karger, Rn. 158.

IV. Haftungsfolgen

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nicht einzulegen, hat er in der Abwandlung eigentlich alles richtig gemacht, nämlich die nach der tatsächlichen Rechtslage statthafte Anhörungsrüge rechtzeitig eingelegt. Die Fehlentscheidung wird hier nicht von dem Geschädigten selbst, sondern von einer anderen Stelle, genauer gesagt dem Beschwerdegericht getroffen, das seinerseits auf die Richtigkeit der Neubekanntmachung vertraut hat. Soweit diese Stelle in Ausübung eines ihr anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt hat, könnte sie eine Amtspflicht verletzt und damit einen Amtshaftungsanspruch gem. Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB begründet haben. Die kausale Amtspflichtverletzung liegt dieses Mal nicht in dem fehlerhaften Konsolidierungsakt, sondern in einer fehlerhaften Rechtsanwendung. Sowohl die Gerichte als auch die Verwaltungsbehörden sind gem. Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Das bedeutet, dass sie gemäß der gültigen Rechtslage zu entscheiden haben, wie sie sich aus den konstitutiven Gesetzgebungsakten ergibt, nicht, wie sie sich nach der Neubekanntmachung darstellt, denn die Neubekanntmachung ist nur ein Konsolidierungsakt und vermag insofern die materielle Rechtslage nicht zu beeinflussen. Treffen die Gerichte oder Behörden demzufolge eine Entscheidung auf der Grundlage einer von der tatsächlichen Rechtslage abweichenden Neubekanntmachung, so haben sie objektiv gesehen gegen ihre Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten verstoßen. Die Richter des Beschwerdegerichts (= Oberlandesgericht, § 116 Abs. 3 GWB) treffen ihre Entscheidungen in Ausübung eines ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes. Sie sind also Beamte im haftungsrechtlichen Sinne. Sie müssten eine Amtspflichtverletzung begangen haben. Sie haben ihre ablehnende Entscheidung mit dem Wortlaut des § 120 Abs. 2 GWB in der Fassung der Neubekanntmachung begründet, der die Anhörungsrüge nicht erwähnt. Der Wortlaut der Neubekanntmachung stimmt aber nicht mit dem geltenden Recht überein, denn gem. Art. 20 Nr. 3 des Anhörungsrügengesetzes vom 9. Dezember 2004 ist eine Rügemöglichkeit in § 120 Abs. 2 GWB durch Verweis auf § 71a GWB ausdrücklich vorgesehen. Der Neufassungstext ist also in dieser Hinsicht inhaltlich falsch und somit unbeachtlich. Stattdessen ist auf die sich aus den förmlichen Gesetzen ergebende Textfassung zurückzugreifen. Da das Beschwerdegericht trotzdem nach dem Neufassungstext und damit rechtswidrig entschieden hat, liegt eine Verletzung der allgemeinen Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten vor.

Der Amtshaftungsanspruch setzt jedoch zusätzlich ein Verschulden des Amtsträgers voraus. Dieses ist gem. § 839 Abs. 1 BGB bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit gegeben. Eine vorsätzliche Amtspflichtverletzung ist zu bejahen, wenn sich der Amtsträger bewusst über die Amtspflicht hinweggesetzt, die Verletzung also zumindest billigend in Kauf genommen hat.998 Bezogen 998 Stein/Itzel/Schwall, Rn. 145; Tremml/Karger, Rn. 164; Maunz/Dürig – Papier, Art. 34, Rn. 223; Middendorf, S. 57.

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H. Folgen einer fehlerhaften Neubekanntmachung

auf den hier zu untersuchenden Fall bedeutet dies, dass der Amtsträger zum einen die Unrichtigkeit der Neubekanntmachung gekannt haben muss und ihm zum anderen bewusst gewesen sein muss, dass er im Falle eines solchen Fehlers die ursprüngliche Gesetzesfassung vorrangig anzuwenden hat. Letztere Voraussetzung wird man bei einem durchschnittlich informierten Beamten eventuell noch annehmen können, wenn auch diese Frage in der Literatur nicht ganz unumstritten ist – und daher schließlich Anlass zu der obigen Untersuchung war –,999 zumindest aber von der höchstrichterlichen Rechtsprechung überwiegend so vertreten wird. Dagegen wird der Amtsträger wohl in den wenigsten Fällen tatsächlich Kenntnis von einer Abweichung des Neufassungstextes gegenüber dem bisherigen Gesetzestext haben, nicht zuletzt deshalb, weil er eine eigenhändige Gesetzeskonsolidierung in aller Regel nicht vornimmt. Denkbar wäre somit allenfalls, dass ihm die tatsächliche Rechtslage bereits vorher bekannt war oder er aus anderen Quellen über die inhaltliche Unrichtigkeit des Neufassungstextes informiert wurde. Ansonsten wird er voraussichtlich noch nicht einmal von der konkreten Möglichkeit einer Abweichung ausgehen, weshalb auch ein bedingter Vorsatz normalerweise zu verneinen ist. Eine fahrlässige Amtspflichtverletzung kommt in Betracht, wenn der Amtsträger die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (vgl. § 276 Abs. 2 BGB). Es gilt ein objektiver Fahrlässigkeitsmaßstab, weshalb nicht auf die persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten des einzelnen Amtsträgers, sondern nur auf die Kenntnisse und Fähigkeiten eines „pflichtgetreuen Durchschnittsbeamten“ abzustellen ist.1000 Dieser muss die zur Führung seines Amtes notwendigen Rechts- und Verwaltungskenntnisse besitzen oder sie sich andernfalls verschaffen.1001 Fraglich ist, wie sorgfältig er dabei vorzugehen hat. Auch wenn es sicherlich nicht immer der Realität entspricht, so wird man doch von einem pflichtgetreuen Durchschnittsbeamten erwarten dürfen, dass er sich grundsätzlich anhand der Gesetzestexte informiert, wie sie in dem amtlichen Publikationsorgan der Bundesrepublik Deutschland, also dem Bundesgesetzblatt niedergelegt sind. Nicht ausreichend ist es daher, sich ausschließlich auf private Gesetzestexte ohne jegliche Verbindlichkeit zu verlassen. Im Umkehrschluss muss es dagegen genügen, wenn der Amtsträger den im Bundesgesetzblatt abgedruckten amt999

Siehe oben S. 116 ff. Umbach/Clemens – Masing, Art. 34, Rn. 109; AK – von Brünneck, Art. 34, Rn. 57; Maunz/Dürig – Papier, Art. 34, Rn. 225; Schmidt-Bleibtreu/Klein – Pieper, Art. 34, Rn. 29; v. Mangoldt/Klein/Starck – von Danwitz, Art. 34, Rn. 96; Friauf/ Höfling – Rüfner, Art. 34, Rn. 64; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 76; Maurer, VerwR, § 26, Rn. 24; Fellenberg, S. 186; Stein/Itzel/Schwall, Rn. 146; Middendorf, S. 57. 1001 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 74; Tremml/Karger, Rn. 167. 1000

IV. Haftungsfolgen

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lichen Gesetzestext verwendet, und zwar auch dann, wenn es sich dabei um eine Neubekanntmachung handelt. Vielmehr ist er sogar verpflichtet, mit dieser maßgeblichen Neufassung zu arbeiten, da diese nach der hier vertretenen Ansicht die neue formelle Grundlage des Gesetzes darstellt und zudem verbindliche redaktionelle Textanpassungen enthalten kann. Dementsprechend handelt der Amtsträger nicht fahrlässig, wenn er seinen Entscheidungen den ministeriellen Neufassungstext unter Berücksichtigung der nachfolgenden Änderungsgesetze zugrunde legt.1002 Vor allem gehört es aufgrund der Richtigkeitsvermutung der Neubekanntmachung nicht zu seinen Sorgfaltspflichten, jedes Mal – sozusagen pro forma – die Richtigkeit der Neufassung anhand der Änderungsgesetze zu überprüfen.1003 Erst wenn eine konkrete Veranlassung besteht, an der Richtigkeit der Neubekanntmachung zu zweifeln, insbesondere bei offensichtlichen Mängeln, ist er angehalten, eine solche Überprüfung vorzunehmen.1004 Die eben genannten Sorgfaltsanforderungen gelten in erster Linie für Verwaltungsbeamte. Bei Fehlentscheidungen eines Gerichts ist dagegen das „Richterspruchprivileg“ des § 839 Abs. 2 S. 1 BGB zu beachten. Danach haftet ein Richter „bei dem Urteil in einer Rechtssache“ nur, „wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht“. Diese Ausnahmevorschrift soll die Rechtskraft schützen, indem sie verhindert, dass eine rechtskräftige Entscheidung später mit der Behauptung angegriffen wird, der Richter habe falsch entschieden.1005 In diesem Fall kommt ein Amtshaftungsanspruch nur in Betracht, wenn der Richter durch die Fehlentscheidung eine Straftat begangen hat, also insbesondere den Tatbestand der Rechtsbeugung (§ 339 StGB) oder der richterlichen Bestechlichkeit (§ 332 Abs. 2 StGB) erfüllt hat.1006 Diese Straftaten setzen jedoch auf subjektiver Seite jeweils Vorsatz voraus, weshalb eine fahrlässige Amtshaftung des Richters grundsätzlich ausgeschlossen ist. 1002 Vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 108; v. Mangoldt/Klein/Starck – von Danwitz, Art. 34, Rn. 116, in Bezug auf den vergleichbaren Fall der Anwendung von normativem Unrecht; a. A. Kuntz, JurPC Web-Dok. 151/2006, Rn. 34. 1003 Vgl. Schmid, BayVBl. 1974, 39 (41) und oben S. 171. Zu einem anderen Ergebnis würde man wohl kommen, wenn man in der Neubekanntmachung einen unverbindlichen Informationsakt sähe, der den öffentlichen Stellen allenfalls als Hilfsmittel, nicht aber als Entscheidungsgrundlage zur Verfügung stünde. Dann könnten sich die Behörden nicht mehr unter Berufung auf die Neubekanntmachung von ihrer Amtshaftung befreien. 1004 Vgl. Fellenberg, S. 189. 1005 Umbach/Clemens – Masing, Art. 34, Rn. 122; Sachs – Bonk, Art. 34, Rn. 93; Maunz/Dürig – Papier, Art. 34, Rn. 262; Maurer, VerwR, § 26, Rn. 50; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 102; Tremml/Karger, Rn. 221. 1006 Maurer, VerwR, § 26, Rn. 49; Tremml/Karger, Rn. 227; v. Mangoldt/Klein/ Starck – von Danwitz, Art. 34, Rn. 108.

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H. Folgen einer fehlerhaften Neubekanntmachung

Die Verwerfung der Anhörungsrüge als unzulässig durch das Beschwerdegericht ist eine richterliche Entscheidung, die gem. § 71a Abs. 4 S. 3 GWB durch unanfechtbaren Beschluss ergeht, also unmittelbar rechtskräftig wird. Damit ist eine Amtshaftung gem. § 839 Abs. 2 S. 1 BGB nur möglich, wenn die Richter durch ihre Fehlentscheidung eine Straftat begangen haben. In Betracht kommt hier der Tatbestand der Rechtsbeugung gem. § 339 StGB. Darunter ist aber nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht schon jede objektive Falschanwendung des Rechts, sondern nur ein besonders verwerflicher Rechtsbruch zu verstehen, bei dem sich der Amtsträger „bewusst und in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt“.1007 Erforderlich ist demnach zumindest ein vorsätzliches Handeln. Dem Richter muss also bewusst gewesen sein, dass die Neubekanntmachung inhaltlich unrichtig und deshalb rechtlich unbeachtlich war, er also unter Beachtung des geltenden Rechts eigentlich eine andere Entscheidung treffen musste. Für eine solche vorsätzliche Rechtsbeugung lassen sich aber dem Sachverhalt keine Anhaltspunkte entnehmen. Anders wäre der Fall eventuell zu bewerten gewesen, wenn B das Beschwerdegericht bei der Einlegung der Anhörungsrüge ausdrücklich auf die Unrichtigkeit des Neufassungstextes und zugleich auf den richtigen Gesetzeswortlaut hingewiesen hätte, das Gericht aber trotzdem bei seiner falschen Entscheidung geblieben wäre. Diese zusätzlichen Hinweise hätten das Gericht zumindest dazu veranlassen müssen, sich nähere Gedanken zu dem rechtlichen Verhältnis des Neufassungstextes zu dem ursprünglichen Gesetzeswortlaut zu machen und die Ergebnisse in der Urteilsbegründung nachvollziehbar darzulegen.

3. Anforderungen an die Sorgfaltspflichten von Privatpersonen Neben den soeben besprochenen Amtshaftungsfällen, in denen es um die Frage ging, ob und inwieweit der Staat für die Bekanntmachung oder Anwendung einer fehlerhaften Neufassung eines Gesetzes haftungsrechtlich einzustehen hat, soll nun geklärt werden, welche Sorgfaltsanforderungen an Privatpersonen im Umgang mit der Neubekanntmachung zu stellen sind. Dürfen sie sich ohne weiteres auf diese Gesetzesfassung verlassen oder müssen sie bei der Rechtsrecherche zusätzlich die einzelnen Änderungsgesetze mit einbeziehen? Würde man den letztgenannten Standpunkt vertreten, so würde der rechtliche Nutzen der Neubekanntmachung erheblich geschmälert, denn in diesem Fall müssten die privaten Rechtsanwender – sozusagen um auf Nummer sicher zu gehen – ja wieder den mühsamen Weg der Eigenkonsolidierung wählen oder sie könnten gleich auf die gewerblichen Gesetzessammlungen zurückgreifen.1008 Ein juristischer Mehrwert ergibt sich erst, wenn 1007 1008

Ständige Rechtsprechung, siehe z. B. BGHSt 41, 247 (251). So aber Konzelmann, Rechtsbereinigung, S. 108.

IV. Haftungsfolgen

243

sich die Rechtsanwender auf die Neubekanntmachung zumindest insoweit verlassen dürfen, als dass ihnen keine Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann, wenn der Neufassungstext einmal nicht mit der tatsächlichen Rechtslage übereinstimmen sollte. Die Neubekanntmachung ist – wie bereits oben erläutert – kein unverbindlicher Informationsakt, dessen Benutzung gewissermaßen auf eigene Gefahr erfolgt, sondern ein amtlicher Konsolidierungsakt, der zu einer relativ verbindlichen neuen Gesetzesfassung führt. Die Berufung auf den Neufassungstext kann somit zwar nicht zu einer veränderten Beurteilung der geltenden Rechtslage führen, aber zumindest haftungsrechtliche Konsequenzen ausschließen.1009 Demnach verhält sich nicht sorgfaltswidrig, wer im berechtigten Vertrauen auf die Neubekanntmachung handelt und dadurch sich oder einem Dritten einen Schaden zufügt.1010 Das gilt grundsätzlich für jeden Bürger, darüber hinaus aber auch für professionelle Rechtsanwender und -berater, insbesondere für Rechtsanwälte. Diese Einschätzung hat das Bundesverfassungsgericht anhand des folgenden Sachverhalts bestätigt, der im Wesentlichen dem oben eingeführten Beispielsfall entspricht: Abwandlung: Der in dem Vergabeverfahren unterlegene Bieter B hat den Rechtsanwalt R mit der rechtlichen Nachprüfung beauftragt. Nachdem die von R eingelegte sofortige Beschwerde von dem zuständigen Oberlandesgericht abgelehnt worden war, unterlässt es R, gegen diese Entscheidung rechtzeitig die Anhörungsrüge gem. § 120 Abs. 2 i. V. m. § 71a GWB zu erheben. Da er sich nicht auf die privaten Gesetzessammlungen verlassen wollte, hatte er extra das Bundesgesetzblatt konsultiert. In der dort vorhandenen Neubekanntmachung des GWB vom 15. Juli 2005 war in dem einschlägigen § 120 Abs. 2 GWB, der explizit auf alle anwendbaren Vorschriften aus dem kartellrechtlichen Rechtsschutzverfahren verweist, ein ausdrücklicher Verweis auf § 71a GWB nicht abgedruckt, so dass R davon ausging, die Anhörungsrüge sei im Vergaberecht nicht statthaft. Nach Ablauf der zweiwöchigen Frist zur Einlegung der Anhörungsrüge (§ 71a Abs. 2 S. 1 GWB) stellte R fest, dass § 120 Abs. 2 GWB gem. Art. 20 Nr. 3 des Anhörungsrügengesetzes vom 9. Dezember 2004 doch einen Verweis auf § 71a GWB enthält. Er legte daraufhin – verspätet – die Anhörungsrüge ein und beantragte gleichzeitig wegen der Versäumung der Rügefrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das Beschwerdegericht wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Anhörungsrüge als unzulässig. Zu Recht? Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war gem. §§ 120 Abs. 2, 67 Nr. 2 GWB i. V. m. §§ 233 ff. ZPO innerhalb von zwei Wochen seit Kenntniserlangung des R von der wahren Rechtslage zulässig. Er war außerdem begründet, wenn R ohne Verschulden verhindert war, die Rügefrist einzuhalten, wobei das Verschulden gem. § 276 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit umfasst. Bei Rechtsanwälten, deren Verschulden grundsätzlich gem. § 51 Abs. 2 ZPO der Prozesspartei zugerech1009 1010

Siehe dazu bereits oben S. 169 ff. So im Ergebnis wohl auch Schmid, BayVBl. 1974, 39 (41 a. E.).

244

H. Folgen einer fehlerhaften Neubekanntmachung

net wird, ist ein objektiver Sorgfaltsmaßstab anzulegen, der die übliche Sorgfalt eines ordentlichen Rechtsanwalts in der jeweiligen Prozesssituation umfasst. Dabei gelten Rechtsirrtümer in der Regel als vermeidbar. Etwas anderes wird aber ausnahmsweise angenommen, wenn das Gericht selbst die fehlerhafte Rechtsauffassung des Rechtsanwalts verursacht hat. Das Gleiche soll nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch gelten, wenn der Rechtsirrtum auf einer fehlerhaften Neubekanntmachung beruht: „In gleicher Weise darf es sich auch nicht zu Lasten des Betroffenen auswirken, wenn sich die Fristversäumung zwar nicht auf einen Fehler des Gerichts, jedoch auf Fehler der für die amtliche Veröffentlichung von Gesetzestexten zuständigen Stellen zurückführen lässt. Denn mehr noch als im Falle gerichtlicher Fehler müssen Verfahrensbeteiligte, die ihr Handeln am amtlich veröffentlichten Gesetzestext ausrichten, auf die Fehlerfreiheit der Veröffentlichung vertrauen dürfen. [. . .] Verwirklicht sich daher in der Versäumung einer Rechtsbehelfsfrist gerade ein durch einen Fehler in der Veröffentlichung des Gesetzestextes geschaffenes Risiko, so darf das Vertrauen in die Richtigkeit der Veröffentlichung nicht zum Grund der Versagung der Wiedereinsetzung gemacht werden.“1011 Demnach hat der Rechtsanwalt R also dadurch, dass er ausschließlich auf die Neubekanntmachung vertraut hat, ohne Verschulden i. S. v. § 233 ZPO gehandelt. Etwas anderes würde hingegen gelten, wenn ihm die Abweichung des Neufassungstextes von den Änderungsgesetzen bekannt gewesen wäre oder er davon als ordentlicher Rechtsanwalt zumindest hätte Kenntnis erlangen müssen, z. B. aufgrund bereits ergangener höchstrichterlicher Entscheidungen oder der Veröffentlichung einer Berichtigung im Bundesgesetzblatt. Mangels entsprechender Anhaltspunkte im Sachverhalt ist dies hier aber nicht anzunehmen. Vielmehr durfte der R „davon ausgehen, dass nunmehr das Rechtsbehelfssystem in Bezug auf Gehörsverstöße den verfassungsrechtlichen Anforderungen gemäß ausgestaltet sei und daher alle einlegbaren Rechtsbehelfe in der geschriebenen Rechtsordnung geregelt seien“.1012 Der Wiedereinsetzungsantrag wurde also zu Unrecht abgelehnt. Zu dem gleichen Ergebnis wäre man im Übrigen auch gekommen, wenn der B selbst, also ohne prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt gehandelt hätte. Hier wären die Sorgfaltsanforderungen sogar grundsätzlich noch etwas niedriger anzusetzen gewesen.

Auch wenn sich diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unmittelbar nur auf den Verschuldensmaßstab im Zusammenhang mit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezog, so wird man daraus die allgemeine Aussage herleiten können, dass sich jede Person des Privatrechts durch die Berufung auf eine ministerielle Gesetzesneufassung von einem darauf beruhenden Rechtsirrtum exkulpieren kann. Das ist auch insofern konsequent, als bei Privatpersonen kein höherer Sorgfaltsmaßstab als bei den staatlichen Stellen angelegt werden darf. Die im Verkehr übliche Sorgfalt gilt erst dann als missachtet, wenn der Rechtsanwender die Unrichtig1011 1012

BVerfG, NJW 2008, 2167 (2168). BVerfG, NJW 2008, 2167 (2169).

IV. Haftungsfolgen

245

keit aufgrund anderer offensichtlicher Umstände hätte kennen müssen, was vor allem dann der Fall ist, wenn es sich um eine offenbare Unrichtigkeit handelt oder in der Zwischenzeit eine Berichtigung im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden ist. In einer solchen Situation kann der Rechtsanwender nicht mehr auf die Richtigkeit des Neufassungstextes vertrauen. In allen anderen Fällen wird dagegen eine zivilrechtliche Haftung mangels Verschuldens grundsätzlich auszuschließen sein. Abwandlung: R erfährt erst nach über einem Jahr, dass damals die Möglichkeit zur Einlegung einer Anhörungsrüge bestanden hätte. Die Einreichung eines Wiedereinsetzungsantrags ist gem. § 234 Abs. 3 ZPO nur innerhalb eines Jahres seit Ablauf der versäumten Frist möglich und daher mittlerweile ausgeschlossen. B möchte nun von seinem Rechtsanwalt R die Kosten ersetzt haben, die ihm durch dessen damaligen Rechtsirrtum entstanden sind. Zentrale Anspruchsnorm ist hierbei § 280 Abs. 1 BGB, der jedoch verlangt, dass der Anspruchsgegner die Pflichtverletzung „zu vertreten“ hat, also ein Verschulden i. S. v. § 276 BGB erfordert. R kann sich deshalb unter Hinweis auf die von ihm gutgläubig verwendete, allerdings objektiv fehlerhafte Neubekanntmachung exkulpieren, zumindest soweit sein Versäumnis vor dem 10. Dezember 2009 lag, da erst zu diesem Zeitpunkt eine Berichtigung im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde.1013 Ein Schadensersatzanspruch scheidet somit aus.

Fraglich ist, ob sich der Rechtsanwender auch dann exkulpieren kann, wenn er nicht unmittelbar mit dem Bundesgesetzblatt, sondern mit einer privaten Gesetzessammlung gearbeitet hat, was in der Praxis immer noch die Regel sein dürfte. Anders als das Bundesgesetzblatt enthalten die privaten Gesetzesausgaben nicht den amtlichen Gesetzestext. Wer mit einer unverbindlichen Textausgabe arbeitet, muss auch das Risiko eventueller Fehler tragen. Fügt er dadurch einer anderen Person einen Schaden zu (z. B. im Rahmen einer rechtlichen Beratung), so hat er möglicherweise eine fahrlässige Pflichtverletzung begangen, denn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verlangt, dass man nicht einfach unverbindlichen Gesetzesfassungen vertraut, sondern diese gegebenenfalls vorher mit der maßgeblichen Textfassung im Bundesgesetzblatt abgleicht. Im Falle einer unrichtigen privaten Gesetzesausgabe ist eine Exkulpation deshalb grundsätzlich ausgeschlossen. Eine Ausnahme könnte jedoch eventuell dann in Betracht kommen, wenn nicht nur die private Gesetzesausgabe fehlerhaft ist, sondern die im Bundesgesetzblatt veröffentlichte Neubekanntmachung an dem gleichen Fehler leidet. Angesichts der Tatsache, dass viele private Gesetzessammlungen auf den amtlichen Neufassungstexten basieren, erscheint diese Konstellation gar nicht so unwahrscheinlich, wie das folgende Beispiel zeigt: Abwandlung: Im Unterschied zu dem vorherigen Beispiel soll nun davon ausgegangen werden, dass der Rechtsanwalt R nicht mit der Neubekanntmachung im 1013

Siehe die Berichtigung vom 4. Dezember 2009, BGBl. I 2009, 3850.

246

H. Folgen einer fehlerhaften Neubekanntmachung

Bundesgesetzblatt, sondern mit der Textausgabe des GWB im „Schönfelder“ gearbeitet hat. Die Ergänzungslieferung vom Februar 2008 basiert auf der fehlerhaften Neubekanntmachung des GWB vom 15. Juli 2005. Dementsprechend enthält § 120 Abs. 2 GWB hier ebenfalls nicht den Verweis auf § 71a GWB. Anders als die Neubekanntmachung begründet die private Textausgabe aber keinen vertrauenswürdigen Rechtsschein der Richtigkeit. Deshalb hat R grundsätzlich eine fahrlässige Pflichtverletzung begangen, wenn er sich ausschließlich auf die private Gesetzessammlung verlässt. Diese Pflichtverletzung ist hier jedoch ausnahmsweise nicht kausal für den Schaden, da er dem gleichen Rechtsirrtum unterlegen wäre, wenn er sich pflichtgemäß anhand der Neubekanntmachung im Bundesgesetzblatt informiert hätte. Er kann sich demzufolge unter Verweis auf dieses hypothetische, rechtmäßige Alternativverhalten exkulpieren.1014

Dieses Beispiel zeigt im Übrigen, dass die privaten Verleger gut beraten sind, ihre Gesetzessammlungen – soweit vorhanden – an den amtlichen Konsolidierungsakten auszurichten und nur in denjenigen Fällen, in denen sie einen eindeutigen Konsolidierungsfehler erkannt haben, eine davon abweichende, in diesem Fall also die richtige Textfassung abzudrucken. 4. Zusammenfassung Die Haftungsfolgen einer fehlerhaften Neubekanntmachung lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Aufgrund des abstrakt-generellen Charakters der neu bekannt gemachten Gesetze fehlt es der Neubekanntmachung an einem individuellen Drittbezug, weshalb eine Vertrauenshaftung des Staates wegen einer fehlerhaften Neubekanntmachung grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Da die ministerielle Neufassung – soweit ordnungsgemäß veröffentlicht – die neue formelle Grundlage des Gesetzes darstellt, können die Rechtsanwender aber zumindest aus haftungsrechtlicher Sicht auf ihre Richtigkeit vertrauen. Deshalb scheiden sowohl Amtshaftungsansprüche gegen die Gerichte und Verwaltungsbehörden als auch zivilrechtliche Haftungsansprüche gegen Privatpersonen (z. B. Rechtsanwälte) aus, soweit diese ihrem Verhalten den aktuellen Neufassungstext zugrunde gelegt und damit die im Rechtsverkehr erforderliche Sorgfalt beachtet haben. Darüber hinausgehende Sorgfaltsanforderungen, insbesondere die Pflicht zur eigenhändigen Kontrolle der Neufassungstexte anhand der Änderungsgesetze, sind dagegen nach der hier vertretenen Auffassung von der rechtskonsolidierenden Bedeutung der Neubekanntmachung abzulehnen.

1014 Siehe dazu Umbach/Clemens – Masing, Art. 34, Rn. 104; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 71 f.; Stein/Itzel/Schwall, Rn. 165; Tremml/Karger, Rn. 192.

I. Gerichtliche Überprüfung der Neubekanntmachung Nachdem oben die Bekanntmachungsfehler und die sich daraus ergebenden Konsequenzen (einschließlich der Haftungsfolgen) dargestellt wurden, soll im Folgenden erörtert werden, welche Möglichkeiten bestehen, die Fehlerhaftigkeit einer Neubekanntmachung gerichtlich überprüfen und damit verbindlich feststellen zu lassen. Auf Grund des abstrakt-generellen Charakters der Neubekanntmachung von Gesetzen und ihrer rechtlichen Zugehörigkeit als Annexakt zu dem entsprechenden Stammgesetz liegt es nahe, in erster Linie diejenigen verfassungsgerichtlichen Verfahrensarten in Betracht zu ziehen, die auch gegen formelle Gesetze zulässig sein können.

I. Abstrakte Normenkontrolle In Frage käme zunächst die Möglichkeit, dem Bundesverfassungsgericht eine Gesetzesneubekanntmachung im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG zur Überprüfung vorzulegen. Antragsberechtigt sind die Bundesregierung, eine Landesregierung oder ein Drittel der Mitglieder des Bundestages. Diese müssten gem. § 76 Abs. 1 Nr. 1 BVerfGG die Neubekanntmachung wegen einer Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz für nichtig halten.1015 Beispiel: In dem bereits aus dem vorherigen Kapitel bekannten Fall der fehlerhaften Neubekanntmachung des GWB1016 wendet sich ein Drittel der Abgeordneten des Deutschen Bundestages mit einem Antrag auf abstrakte Normenkontrolle an das Bundesverfassungsgericht und trägt vor, dass es die ministerielle Neubekanntmachung für nichtig halte, a) weil die Neufassung des § 120 Abs. 2 GWB nicht mehr auf die Anhörungsrüge des § 71a GWB verweise und somit unzulässigerweise von der bisher geltenden Gesetzeslage abweiche;

1015

Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG genügen dagegen „Meinungsverschiedenheiten oder Zweifel“ über die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz. Das Bundesverfassungsgericht sieht jedoch in § 76 Abs. 1 Nr. 1 BVerfGG eine verfassungskonforme Konkretisierung des Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG; siehe z. B. BVerfGE 96, 133 (137); dazu auch Ipsen, Rn. 918; Maurer, StR, § 20, Rn. 81. 1016 Siehe oben S. 230.

248

I. Gerichtliche Überprüfung der Neubekanntmachung

b) weil die Neufassung des § 120 Abs. 2 GWB nunmehr gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verstoße.

Die abstrakte Normenkontrolle ist darauf ausgerichtet, die Vereinbarkeit einer Rechtsnorm mit einer höherrangigen Rechtsnorm festzustellen.1017 Zulässige Prüfungsgegenstände sind deshalb alle formellen und materiellen Gesetze des Bundes und der Länder.1018 Wie aber bereits oben festgestellt, handelt es sich bei der Neubekanntmachung nicht um einen Normsetzungsakt, sondern nur um einen Normkonsolidierungsakt, der das betreffende Stammgesetz lediglich auf eine neue formell-textliche Grundlage stellt, den normativen Inhalt jedoch unberührt lässt.1019 Der Neubekanntmachung von Gesetzen fehlt ein normativer Geltungsanspruch, weshalb sie keine verfassungswidrige Rechtsnorm begründen, sondern eine solche höchstens deklaratorisch wiedergeben kann. Demzufolge kommt sie selbst nicht als Prüfungsgegenstand in Betracht, sondern allenfalls als ein Ausgangspunkt für die Kontrolle der dahinter stehenden Rechtsnormen.1020 Auch in dem hier besonders interessierenden Fall, in dem die Neubekanntmachung einen Fehler enthält, wird sie nicht zu einem tauglichen Prüfungsgegenstand, denn die durch den falschen Neufassungstext hervorgerufenen „Scheinnormen“ erlangen aufgrund der relativen Verbindlichkeit der Neubekanntmachung von vornherein keine normative Geltungskraft. Sie sind bei der Gesetzesanwendung zu ignorieren.1021 Stattdessen gilt weiterhin die Rechtslage, wie sie sich nach den bisherigen (Änderungs-)Gesetzen darstellt. Ein Bekanntmachungsfehler verursacht demnach kein verfassungsrechtliches Problem in dem Sinne, dass durch eine neue Norm in die bestehende Rechtsordnung eingegriffen wird, sondern in erster Linie ein Problem der richtigen Ermittlung des einfachen Gesetzesrechts. Insofern ist es vornehmlich Aufgabe der Fachgerichte und nicht des Bundesverfassungsgerichts,1022 im Rahmen der Auslegung und Feststellung des geltenden Rechts aus gegebenem Anlass eine Überprüfung der ministeriellen Neufassung mit dem ursprünglichen Gesetzeswortlaut vorzunehmen und – soweit eine unzulässige Abweichung existiert – den fehlerhaften Neufassungstext zu verwerfen.1023 Prüfungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit eines Konsoli1017

Maurer, StR, § 20, Rn. 66. Sachs – Sturm, Art. 93, Rn. 55; Schmidt-Bleibtreu/Klein – Hopfauf, Art. 93, Rn. 101; v. Mangoldt/Klein/Starck – Voßkuhle, Art. 93 Abs. 1 Nr. 2, Rn. 121; Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge – Rozek, § 76, Rn. 12. 1019 Siehe oben S. 169 ff. 1020 Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge – Ulsamer, § 80, Rn. 67. 1021 Siehe zu den Fehlerfolgen auch oben S. 224 ff. 1022 Vgl. BVerfGE 101, 239 (257). 1023 Zu der entsprechenden „Normtextverwerfungskompetenz“ der Fachgerichte siehe oben S. 225. 1018

I. Abstrakte Normenkontrolle

249

dierungsaktes ist folglich nicht die Verfassung, sondern zunächst einmal das Stammgesetz, auf dessen normativen Inhalt die Neubekanntmachung verweist. Das einfache Bundesrecht kommt jedoch gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG nur dann als Prüfungsmaßstab einer abstrakten Normenkontrolle in Frage, wenn es um die Überprüfung von Landesrecht geht.1024 Nach alledem muss eine abstrakte Normenkontrolle in Bezug auf die Neubekanntmachung eines Gesetzes als unzulässig ausscheiden. Die von den Abgeordneten des Deutschen Bundestages hinsichtlich der Neubekanntmachung des GWB beantragte abstrakte Normenkontrolle ist unzulässig, weil die ministerielle Neufassung keinen tauglichen Prüfungsgegenstand darstellt. Denn die Neubekanntmachung lässt als sog. Rechtskonsolidierungsakt den normativen Inhalt des Gesetzes unberührt und kann deshalb weder die bisherige Rechtslage verändern (a) noch einen materiellen Verfassungsverstoß verursachen (b). Grundsätzlich zulässig wäre es hingegen, wenn sich die Antragsteller gegen die Rechtsnorm des § 120 Abs. 2 GWB mit der Behauptung wenden, diese Norm verstoße gegen den Grundsatz auf rechtliches Gehör und sei deshalb nichtig. Eventuell ließe sich der Antrag zu b) dahingehend umdeuten. In diesem Fall dürfte es jedoch an einem objektiven Klarstellungsinteresse fehlen, soweit die Antragsteller ihre Behauptung ausschließlich mit dem eindeutig falschen und insofern unwirksamen Neufassungstext begründen. Sollte der Bekanntmachungsfehler jedoch einmal nicht so deutlich erkennbar sein und somit tatsächliche Zweifel bestehen, wäre die Antragsbefugnis gegebenenfalls zu bejahen. Das Bundesverfassungsgericht wird dann im Rahmen der Begründetheit den geltenden Norminhalt ermitteln und dabei voraussichtlich auch den Bekanntmachungsfehler entdecken. Der Antrag wäre also im Ergebnis unbegründet, weil der § 120 Abs. 2 GWB in seiner demnach gültigen Fassung ausdrücklich eine Anhörungsrüge vorsieht und somit nicht gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstößt.

Allgemein zulässig müsste dagegen die abstrakte Normenkontrolle einer erweiterten Bekanntmachungserlaubnis sein, weil es sich hierbei um eine gesetzliche Regelung handelt. Soweit dadurch Befugnisse auf die Exekutive übertragen werden, die inhaltsrelevante Veränderungen des Gesetzeswortlauts ermöglichen sollen, verstößt die Bekanntmachungserlaubnis gegen verfassungsrechtliche Grundsätze, insbesondere gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung und das Demokratieprinzip.1025 In diesem Fall dürfte außerdem regelmäßig ein objektives Klarstellungsinteresse bestehen, vor allem dann, wenn sich die Bekanntmachungsklausel in dem Grenzgebiet zwischen einer (erweiterten) Konsolidierungsermächtigung und einer potenziellen Rechtsetzungsermächtigung bewegt. 1024 In dem gleichen Sinne ist nach h. M. auch § 76 Abs. 1 Nr. 1 BVerfGG auszulegen; siehe Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 93, Rn. 27; Dreier – Wieland, Art. 93, Rn. 60; Schmidt-Bleibtreu/Klein – Hopfauf, Art. 93, Rn. 107; v. Münch/Kunig – Meyer, Art. 93, Rn. 38; Maurer, StR, § 20, Rn. 80; Ipsen, Rn. 921. 1025 Siehe oben S. 123 ff.

250

I. Gerichtliche Überprüfung der Neubekanntmachung

II. Konkrete Normenkontrolle Zulässiger Vorlagegegenstand einer konkreten Normenkontrolle gem. Art. 100 Abs. 1 GG sind nur förmliche und nachkonstitutionelle Gesetze des Bundes und der Länder.1026 Deshalb muss die Neubekanntmachung von Gesetzen mangels Rechtsnormqualität hier als tauglicher Prüfungsgegenstand erst recht ausscheiden.1027 An Stelle einer konzentrierten Kontrolle sind die Fachgerichte vielmehr selbst berechtigt, im Rahmen ihrer Nichtanwendungskompetenz die fehlerhaften Neufassungstextstellen außer Acht zu lassen und stattdessen die ursprüngliche Gesetzesfassung, so wie sie sich nach den formellen Gesetzen darstellt, anzuwenden.1028 Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht ist insoweit nicht erforderlich, denn schließlich geht es hier – wie schon bei der abstrakten Normenkontrolle erläutert – vorwiegend um Fragen der einfachen Gesetzesanwendung und -auslegung und weniger um die materielle Vereinbarkeit mit Verfassungsrecht. Eine Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 GG kann sich dagegen ausnahmsweise bezüglich einer erweiterten Bekanntmachungserlaubnis ergeben, wenn diese bestimmte Textanpassungen vorsieht, die in dem Neufassungstext exakt umgesetzt worden sind und die das vorlegende Gericht für verfassungswidrig hält. Hier besteht das Problem, dass die Textmodifikationen vom Gesetzgeber in einem förmlichen Gesetz ausdrücklich angeordnet wurden. Würde das Fachgericht den Neufassungstext einfach als fehlerhaft verwerfen, würde es damit indirekt auch die gesetzliche Bekanntmachungserlaubnis als verfassungswidrig aburteilen. Die Beurteilung förmlicher Gesetze steht jedoch, soweit es sich nicht um einen Fall ganz offensichtlicher und eindeutiger Verfassungswidrigkeit handelt, nur dem Bundesverfassungsgericht zu. Deshalb wäre es in einer solchen Situation grundsätzlich ratsam, das Verfahren auszusetzen und das Bundesverfassungsgericht gem. Art. 100 Abs. 1 GG zu befragen, ob die gesetzliche Bekanntmachungserlaubnis als verfassungswidrig anzusehen ist. Wird das vom Bundesverfassungsgericht (z. B. wegen Verstoßes gegen das Gewaltenteilungsprinzip) bejaht, so kann das Fachgericht den auf der nunmehr nichtigen Bekanntmachungsklausel beruhenden Neufassungstext unangewendet lassen. Kommt das Bundesverfassungsgericht jedoch zu dem gegenteiligen Ergebnis, so müsste das Fachgericht die entsprechenden Textmodifikationen als verbindlich anerkennen. 1026 Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 100, Rn. 6; Sachs – Sturm, Art. 100, Rn. 9, 11; Maurer, StR, § 20, Rn. 104, 111. 1027 BVerfGE 18, 389 (391); Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 100, Rn. 7a; Lechner/ Zuck, § 80, Rn. 17; Nawiasky/Schweiger/Knöpfle – Schweiger, Art. 76, Rn. 4. 1028 Siehe dazu bereits ausführlich oben auf S. 225.

III. Bundesorganstreitverfahren

251

Beispiel: Ein solcher Ausnahmefall könnte bei der bereits oben besprochenen Neubekanntmachung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 26. August 1998 vorliegen.1029 Die dabei vorgenommene Einfügung des Vergaberechtsabschnitts als vierten Teil in das GWB unter gleichzeitiger Umstellung und Umnummerierung der nachfolgenden Gesetzesteile beruhte ausschließlich auf den detaillierten Vorgaben der erweiterten Bekanntmachungserlaubnis. Bevor ein Gericht deshalb den Neufassungstext einfach für unbeachtlich erklärt, mit der nicht unerheblichen Folge, dass der Vergaberechtsteil im Gesetz keine Grundlage mehr fände, sollte dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt werden, ob die in Art. 3 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des GWB enthaltenen Bekanntmachungsklauseln noch mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

III. Bundesorganstreitverfahren Die Neubekanntmachung von Gesetzen bewegt sich objektiv betrachtet teilweise auf einem sehr schmalen Grad zwischen Gesetzeskonsolidierung und Gesetzgebung. Im Einzelfall kann deshalb ein Interesse der Gesetzgebungsorgane bestehen, die Neubekanntmachung eines Gesetzes dahingehend überprüfen zu lassen, ob die Exekutive die ihr eingeräumten Konsolidierungsbefugnisse eingehalten oder sich auch darüber hinausgehende Legislativbefugnisse angemaßt hat. In Betracht kommt hier ein Organstreitverfahren gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG. 1. Parteifähigkeit Parteifähig im Organstreitverfahren sind die obersten Bundesorgane, also auf legislativer Seite sowohl Bundestag als auch Bundesrat und auf exekutiver Seite die Bundesregierung einschließlich des Bundeskanzlers und der Bundesminister.1030 2. Streitgegenstand Als Streitgegenstand kommt jede Handlung oder Unterlassung des Antragsgegners in Betracht, die rechtserheblich ist.1031 Dass es sich bei der 1029

Siehe das Beispiel 1 auf S. 138 ff. Sachs – Sturm, Art. 93, Rn. 46; Dreier – Wieland, Art. 93, Rn. 51; v. Münch/Kunig – Meyer, Art. 93, Rn. 27 f.; v. Mangoldt/Klein/Starck – Voßkuhle, Art. 93 Abs. 1 Nr. 1, Rn. 101 f.; Schmidt-Bleibtreu/Klein – Hopfauf, Art. 93, Rn. 86; Ipsen, Rn. 881, 883. 1031 Sachs – Sturm, Art. 93, Rn. 50; Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 93, Rn. 8; Schmidt-Bleibtreu/Klein – Hopfauf, Art. 93, Rn. 90 f.; v. Mangoldt/Klein/Starck – Voßkuhle, Art. 93 Abs. 1 Nr. 1, Rn. 107; Lechner/Zuck, § 64, Rn. 8; Schlaich/ Korioth, Rn. 93. 1030

252

I. Gerichtliche Überprüfung der Neubekanntmachung

Neubekanntmachung um einen Akt der Exekutive handelt, bedarf keiner weiteren Erörterung. Umstritten ist hingegen die Frage der Rechtserheblichkeit. Geht man mit einem Teil der Literatur davon aus, dass es sich bei der Neubekanntmachung um einen rein informatorischen Akt handelt, so wird man die Rechtserheblichkeit ablehnen müssen. Nach der hier vertretenen Auffassung kommt der Neubekanntmachung jedoch insofern eine rechtliche Bedeutung zu, als sie das Gesetz auf eine neue formelle Grundlage im Bundesgesetzblatt stellt und dabei unter Umständen verbindliche redaktionelle Textanpassungen vornimmt. Auch wenn diese Textanpassungen aufgrund der Relativität der Verbindlichkeit keine konstitutiven Änderungen des Gesetzesinhalts bewirken können, so tritt die Neubekanntmachung doch zumindest mit dem formellen Anspruch auf, den amtlichen Gesetzestext in der zum Neufassungsstichtag geltenden Fassung zu enthalten.1032 Insofern könnte möglicherweise schon die Veröffentlichung der Neufassung eines Gesetzes im Bundesgesetzblatt einen rechtserheblichen Eingriff in die Gesetzgebungshoheit der Legislative darstellen. Diese umfasst nämlich nicht nur die Kompetenz zur Bestimmung des Norminhalts, sondern auch die Kompetenz zur Formulierung des amtlichen Normtextes, was nicht zuletzt in dem Grundsatz der Unverrückbarkeit des parlamentarischen Beschlusses zum Ausdruck kommt.1033 Darüber hinaus vermittelt sie die Befugnis zur rechtmäßigen Ausgestaltung des Publikationsverfahrens einschließlich der Entscheidung darüber, ob und wann eine konsolidierte Gesetzesfassung im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht werden soll (sog. Konsolidierungskompetenz).1034 Veröffentlicht die Exekutive also im Bundesgesetzblatt eine Neubekanntmachung ohne vorherige Ermächtigung durch die Legislative oder nimmt sie im Rahmen der Neubekanntmachung nicht autorisierte Textmodifikationen vor, so maßt sie sich aufgrund des dadurch hervorgerufenen Rechtsscheins der formellen Textverbindlichkeit die zur Gesetzgebungskompetenz im weiteren Sinne zählende Konsolidierungskompetenz an und greift damit in die legislativen Befugnisse von Bundestag und Bundesrat nach Art. 76 ff. GG ein.1035 Deshalb dürften die besseren Gründe dafür sprechen, diesbezüglich einen tauglichen Streitgegenstand anzunehmen.1036

1032

Siehe oben S. 169 ff. Siehe oben S. 20. 1034 Siehe oben S. 178 f. 1035 Vgl. Schmid, BayVBl. 1974, 39 (40); siehe auch Maunz/Schmidt-Bleibtreu/ Klein/Bethge – Bethge, § 64, Rn. 28, der insofern von einer „Kompetenzberühmung“ spricht. 1036 Ob das Bundesverfassungsgericht dieser Einschätzung folgen wird, ist sehr fraglich. Die bisherige Rechtsprechung lässt eher vermuten, dass es eine ausreichende Rechtserheblichkeit der Neubekanntmachung derzeit noch verneint. 1033

III. Bundesorganstreitverfahren

253

3. Antragsbefugnis Zur Begründung der Antragsbefugnis muss der Antragsteller geltend machen, dass er oder das Organ, dem er angehört, durch die Maßnahme des Antragsgegners in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten möglicherweise verletzt oder unmittelbar gefährdet ist.1037 Hier könnte vor allem der Bundestag darlegen, dass eine unautorisierte Neubekanntmachung im Bundesgesetzblatt seine ihm durch Art. 76 ff. GG verliehenen Gesetzgebungskompetenzen (einschließlich der Konsolidierungskompetenz) zumindest unmittelbar gefährdet.1038 Das gilt erst recht, wenn die Exekutive unbefugte Modifikationen am amtlichen Gesetzeswortlaut vornimmt. Für den Bundesrat, der ja grundsätzlich nicht an der Formulierung der Gesetzestexte beteiligt ist (Ausnahme: Vermittlungsausschuss), ergibt sich eine Antragsbefugnis dagegen höchstens aus einer Verletzung der ihm im Rahmen seiner Mitwirkung an der gesetzlichen Bekanntmachungserlaubnis zustehenden Entscheidungsbefugnisse hinsichtlich Art, Zeitpunkt und Umfang der amtlichen Gesetzeskonsolidierung. 4. Rechtsschutzbedürfnis Ein Hindernis für die Zulässigkeit des Organstreitverfahrens könnte das Rechtsschutzbedürfnis darstellen. Dieses würde nämlich fehlen, wenn der Legislative eine schnellere und einfachere Abhilfemöglichkeit zur Verfügung stünde.1039 Vorliegend wäre daran zu denken, die fehlerhafte Neubekanntmachung mittels eines vom Bundestag beschlossenen Ablösungsgesetzes zu beseitigen, welches als konstitutiv wirkende Neufassung das gesamte Stammgesetz neu in Kraft setzen und damit alle vorhergehenden Gesetzesfassungen ersetzen würde.1040 Diese Vorgehensweise würde zudem für mehr Rechtssicherheit sorgen, da das Gesetz noch einmal in konsolidierter und absolut verbindlicher Fassung im Bundesgesetzblatt erschiene. Auch ist zu vermuten, dass das Gesetzgebungsverfahren mangels nochmaliger inhaltlicher Auseinandersetzung schneller abgeschlossen sein wird als ein Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Ein anerkennenswertes Rechtsschutzbedürfnis dürfte deshalb nur bestehen, wenn entweder die Verabschiedung eines solchen Ablösungsgesetzes nicht möglich erscheint, insbesondere weil die dafür erforderliche Mehrheit im Bundestag oder Bundes1037 Ipsen, Rn. 887; Sachs – Sturm, Art. 93, Rn. 49; Dreier – Wieland, Art. 93, Rn. 54; Schmidt-Bleibtreu/Klein – Hopfauf, Art. 93, Rn. 92. 1038 Siehe dazu bereits die Überlegungen zum Streitgegenstand. 1039 Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 93, Rn. 14. 1040 Siehe oben S. 46.

254

I. Gerichtliche Überprüfung der Neubekanntmachung

rat nicht erreicht werden kann, oder wenn trotz der Verabschiedung des Ablösungsgesetzes eine konkrete Wiederholungsgefahr gegeben ist und von daher ein fortdauerndes gerichtliches Klärungsinteresse besteht. 5. Frist und Form Der Antrag muss gem. § 64 Abs. 3 BVerfGG binnen sechs Monaten, nachdem dem Antragsteller die Veröffentlichung der Neufassung bekannt geworden ist, gestellt werden. Er ist gem. §§ 23 Abs. 1, 64 Abs. 2 BVerfGG schriftlich und mit Begründung beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. 6. Ergebnis Das Organstreitverfahren stellt nach der hier vertretenen Ansicht eine theoretisch zulässige Möglichkeit dar, eine Verletzung von Kompetenzen der Legislative durch die Neubekanntmachung feststellen zu lassen. Denn anders als bei der Normenkontrolle geht es hier weniger um die Vereinbarkeit einer Rechtsnorm mit höherrangigem Recht, sondern in erster Linie um die Vereinbarkeit einer Handlung eines obersten Bundesorgans mit der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung,1041 weshalb das Organstreitverfahren neben Rechtsetzungsakten auch andere Maßnahmen bis hin zu Realakten erfassen kann.1042 Insofern müsste auch die Neubekanntmachung von Gesetzen mit ihrer kompetenzrechtlichen Problematik grundsätzlich als tauglicher Streitgegenstand in Frage kommen. Antragsberechtigt ist diesbezüglich vor allem der Deutsche Bundestag, wobei gem. § 64 Abs. 1 BVerfGG auch eine Bundestagsfraktion die Rechte des Gesetzgebungsorgans in Prozessstandschaft geltend machen kann.1043

IV. Verfassungsbeschwerde Die bisher behandelten Verfahrensarten stehen ausschließlich staatlichen Stellen offen. Den möglicherweise ebenfalls betroffenen Privatpersonen 1041 Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge – Bethge, § 64, Rn. 35; Ipsen, Rn. 880; Schmidt-Bleibtreu/Klein – Hopfauf, Art. 93, Rn. 80; Sachs – Sturm, Art. 93, Rn. 42 f.; v. Mangoldt/Klein/Starck – Voßkuhle, Art. 93 Abs. 1 Nr. 1, Rn. 98; v. Münch/Kunig – Meyer, Art. 93, Rn. 26, 31. 1042 Siehe v. Mangoldt/Klein/Starck – Voßkuhle, Art. 93 Abs. 1 Nr. 1, Rn. 107; Pestalozza, § 7, Rn. 21, der z. B. auch „rechtlich erhebliche Meinungsäußerungen“ dazu zählt; ebenso BK – Stern, Art. 93, Rn. 173. 1043 AK – Rinken, Art. 93, Rn. 12b.

IV. Verfassungsbeschwerde

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bleibt daher nur die Möglichkeit, mittels einer Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG verfassungsgerichtlich gegen die Neubekanntmachung von Gesetzen vorzugehen. Da Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde grundsätzlich jeder Akt der deutschen öffentlichen Gewalt sein kann,1044 also neben Akten der Legislative und Judikative auch solche der Exekutive,1045 käme die Neubekanntmachung von Gesetzen zunächst einmal als tauglicher Beschwerdegegenstand in Betracht. Die Verfassungsbeschwerde ist aber gem. § 90 Abs. 1 BVerfGG erst dann zulässig, wenn der Beschwerdeführer behaupten kann, durch die Neubekanntmachung in seinen Grundrechten oder in den in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG genannten grundrechtsgleichen Rechten verletzt zu sein (Beschwerdebefugnis).1046 Aus seinem Tatsachenvortrag muss sich also zumindest die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung ergeben.1047 Eine solche Möglichkeit ist jedoch bei der Neubekanntmachung von Gesetzen grundsätzlich zu verneinen, weil sie mangels normativen Regelungsgehalts die materielle Rechtslage nicht verändert und insofern auch die grundrechtlichen Positionen des Beschwerdeführers nicht verletzen kann.1048 Sie kann lediglich eine bereits existierende, möglicherweise verfassungswidrige Rechtsnorm auf eine neue formelle Textgrundlage stellen, wodurch die Norm selbst aber nicht wieder neu in Kraft gesetzt wird. Möchte sich der Beschwerdeführer also gegen die normative Regelung wenden, so muss er die Verfassungsbeschwerde gegen den Rechtsetzungsakt richten, der die Norm konstitutiv begründet hatte, nicht jedoch gegen den Konsolidierungsakt.1049 Dementsprechend beginnt auch die Beschwerdefrist des § 93 Abs. 3 BVerfGG mit der Neubekanntmachung eines Gesetzes nicht wieder neu zu laufen, sondern sie bemisst sich weiterhin nach dem Inkrafttreten des ursprünglichen Rechtsetzungsakts.1050 Liegt die1044 Dreier – Wieland, Art. 93, Rn. 83; Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 93, Rn. 50; Sachs – Sturm, Art. 93, Rn. 85; v. Mangoldt/Klein/Starck – Voßkuhle, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a, Rn. 175; Schlaich/Korioth, Rn. 213. 1045 Schmidt-Bleibtreu/Klein – Hopfauf, Art. 93, Rn. 175; Ipsen, Rn. 952; Pestalozza, § 12, Rn. 23, 25. 1046 Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 93, Rn. 52; Dreier – Wieland, Art. 93, Rn. 84; v. Mangoldt/Klein/Starck – Voßkuhle, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a, Rn. 178. 1047 Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 93, Rn. 52; Maurer, StR, § 20, Rn. 127; Ipsen, Rn. 954. 1048 v. Mangoldt/Klein/Starck – Voßkuhle, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a, Rn. 182; Schmidt-Bleibtreu/Klein – Hopfauf, Art. 93, Rn. 186; Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 93, Rn. 53a; BK – Stern, Art. 93, Rn. 501; Pestalozza, § 12, Rn. 34; Lechner/ Zuck, § 90, Rn. 127. 1049 Siehe BVerfGE 17, 364 (369) [siehe zu dieser Entscheidung auch oben S. 107 f.]; E 43, 108 (115 f.). 1050 BVerfG, NVwZ-RR 1999, 281 (282); BVerfGE 17, 364 (in Bezug auf eine Rechtsverordnung); Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge – Schmidt-Bleibtreu,

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I. Gerichtliche Überprüfung der Neubekanntmachung

ses Ereignis schon länger als ein Jahr zurück, so kann die Rechtsnorm nicht mehr mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden, unabhängig von einer späteren Neubekanntmachung. Ausnahmsweise könnte die Neubekanntmachung aber eventuell dann eine Grundrechtsgefährdung verursachen, wenn sie aufgrund eines Fehlers einen falschen Neufassungstext enthält, der nach objektiver Auslegung eine „Scheinnorm“ erzeugt, die eine grundrechtswidrige Regelung suggeriert. Auch wenn dieser Scheinnorm an sich keine normative Bedeutung zukommt, so besteht doch eine eminente Gefahr, dass sie aufgrund ihrer amtlichen Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt als Rechtsgrundlage für nachfolgende Vollzugsakte dient und sich der Bekanntmachungsfehler somit in rechtserheblicher Weise in einer Vielzahl von Einzelfallentscheidungen perpetuiert, womit eine hinreichend konkrete Grundrechtsgefährdung anzunehmen wäre. Allerdings verlangt das Bundesverfassungsgericht zur Bejahung der Beschwerdebefugnis zusätzlich eine gegenwärtige und unmittelbare Betroffenheit des Beschwerdeführers.1051 Im Zusammenhang mit der Neubekanntmachung von Gesetzen könnte bereits eine gegenwärtige Betroffenheit zu verneinen sein. Zumindest aber fehlt es an der unmittelbaren Betroffenheit, weil nicht der angegriffene Konsolidierungsakt, sondern höchstens ein auf der Grundlage des falschen Neufassungstextes erlassener Vollzugsakt effektiv in die Grundrechte des Beschwerdeführers eingreifen kann.1052 Eine unmittelbar gegen die fehlerhafte Neubekanntmachung eines Gesetzes gerichtete Verfassungsbeschwerde wird deshalb in aller Regel unzulässig sein, soweit sich der Beschwerdeführer gegen die entsprechenden Vollzugsakte gerichtlich zur Wehr setzen kann. Wenn ein solcher Vollzugsakt nämlich auf der scheinbaren Rechtslage, wie sich nach der fehlerhaften Neubekanntmachung darstellt, basiert und dadurch inhaltlich von der geltenden Rechtslage abweicht, ist er bereits materiell rechtswidrig. Die Fachgerichte haben im Rahmen des Rechtserkenntnisprozesses die tatsächliche Gesetzeslage zu ermitteln und können insofern – insbesondere nach entsprechenden Hinweisen des Klägers – auch die ministerielle Neufassung überprüfen. Entdecken sie dabei einen Bekanntmachungsfehler, so müssen sie den Fall anhand der ursprünglichen Gesetzesfassung beurteilen und die fehlerhaften Neufas§ 93, Rn. 48; dies soll sogar auch für inhaltsgleiche konstitutive Neufassungen gelten, siehe Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 93, Rn. 70; v. Mangoldt/Klein/Starck – Voßkuhle, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a, Rn. 194; Schmidt-Bleibtreu/Klein – Hopfauf, Art. 93, Rn. 196. 1051 AK – Rinken, Art. 93, Rn. 52; Dreier – Wieland, Art. 93, Rn. 84; SchmidtBleibtreu/Klein – Hopfauf, Art. 93, Rn. 187; Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 93, Rn. 52; Maurer, StR, § 20, Rn. 128; Ipsen, Rn. 955. 1052 Vgl. Dreier – Wieland, Art. 93, Rn. 86; Sachs – Sturm, Art. 93, Rn. 94; Schmidt-Bleibtreu/Klein – Hopfauf, Art. 93, Rn. 190; Epping, Rn. 180.

IV. Verfassungsbeschwerde

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sungstextstellen ignorieren. Sollte das nicht geschehen, so ist das Urteil ebenfalls falsch und es besteht die Möglichkeit, hiergegen die Rechtsmittel der Berufung oder Revision einzulegen, die eine nochmalige Überprüfung in rechtlicher Hinsicht beinhalten. Erst wenn der gesamte Rechtsweg gem. § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG erschöpft ist und dem Grundrechtsverstoß immer noch nicht abgeholfen wurde, kann der Betroffene die Verfassungsbeschwerde erheben, allerdings nicht gegen die Neubekanntmachung, sondern gegen das letztinstanzliche Urteil. Im Rahmen dieses Verfahrens kann das Bundesverfassungsgericht aber auch die Verfassungsmäßigkeit des zugrunde liegenden Gesetzes prüfen, wobei es gegebenenfalls feststellen wird, dass der ministerielle Neufassungstext nicht mit dem ursprünglich verkündeten Gesetzesinhalt übereinstimmt und somit nichtig ist. Wurde diese inhaltsrelevante Abweichung in dem zu überprüfenden Urteil nicht erkannt oder unangemessen bewertet, mit der Folge, dass es in entscheidungserheblichen Punkten von einer zumindest teilweise unbeachtlichen Gesetzesfassung ausgeht, so stellt dies einen schweren – wenn auch nicht unbedingt willkürlichen – Rechtsanwendungsfehler dar. Indem es seiner Rechtsprechung (gegebenenfalls unbewusst) eine Scheinnorm zugrunde gelegt hat, die mit dem richtigen Gesetzeswortlaut inhaltlich nicht zu vereinbaren ist, hat das Gericht objektiv betrachtet die Grenzen der zulässigen Rechtsauslegung überschritten und bereits dadurch – neben weiteren möglichen Grundrechtsverletzungen – eine „spezifische Verfassungsverletzung“ begangen.1053 In diesem Fall muss das Bundesverfassungsgericht das Urteil aufheben und zur erneuten Entscheidung an das zuständige Gericht zurückverweisen. Das Gesetz selbst darf dagegen nicht für nichtig erklärt werden, wenn nur die ministerielle Neufassung fehlerhaft ist. Allenfalls ließe sich überlegen, ob das Bundesverfassungsgericht den falschen Neufassungstext im Tenor, der insoweit im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen wäre, für unvereinbar mit dem Gesetzesinhalt erklären kann, um weitere Anwendungsfehler zu verhindern. Daneben ist theoretisch auch die Situation denkbar, dass der falsche Neufassungstext eine Scheinnorm erzeugt, die keines weiteren Vollziehungsaktes mehr bedarf, sondern – wäre sie mit normativer Geltungskraft ausgestattet – eine gegenwärtige und unmittelbare Grundrechtsbeeinträchtigung hervorrufen würde. Da die Neubekanntmachung jedoch als reiner Gesetzeskonsolidierungsakt von vornherein keine darüber hinausgehende materielle Regelung enthält, muss auch hier eine Verfassungsbeschwerde grundsätzlich ausgeschlossen sein. Der danach nur „scheinbar“ Betroffene muss also abwarten, bis sich die falsche Neufassung tatsächlich in rechtserheblicher Weise konkretisiert und hiergegen gerichtlich vorgehen, um eine inzidente 1053 Vgl. BK – Stern, Art. 93, Rn. 707; v. Mangoldt/Klein/Starck – Voßkuhle, Art. 93, Rn. 61; Schlaich/Korioth, Rn. 303 f.

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I. Gerichtliche Überprüfung der Neubekanntmachung

Kontrolle durch die Fachgerichte zu erreichen. Diese Vorgehensweise entspricht im Übrigen dem vom Bundesverfassungsgericht postulierten Grundsatz der Subsidiarität und steht somit im Einklang mit dem Rechtsschutz gegen formelle Gesetze.1054 Lediglich in ganz vereinzelten Ausnahmefällen, in denen die Scheinnorm aufgrund ihrer exponierten Stellung im Bundesgesetzblatt und der damit verbundenen indiziellen Bedeutung eine dermaßen starke faktische Grundrechtsgefährdung darstellt, dass den potenziell Betroffenen ein Abwarten unzumutbar erscheint (vor allem in besonderes eingriffsintensiven Bereichen wie z. B. dem Strafrecht),1055 wäre es eventuell vertretbar, in diesen engen Grenzen eine Verfassungsbeschwerde gegen die Neubekanntmachung zuzulassen.1056 Diese würde allerdings im Ergebnis die verfassungswidrige „Scheinnorm“ nicht für nichtig erklären, sondern nur deklaratorisch auf die richtige Textfassung hinweisen, um eine Realisierung der Grundrechtsgefährdung auszuschließen. Beispiel: Der Bieter B, der zurzeit ein vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren vor dem Beschwerdegericht betreibt, sieht durch die Neubekanntmachung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 15. Juli 2005 sein Grundrecht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, da der § 120 Abs. 2 GWB in der Fassung dieser Neubekanntmachung keine Anhörungsrüge mehr im vergaberechtlichen Beschwerdeverfahren vorsieht, und legt deshalb am 01. Juli 2006 gegen die Neubekanntmachung Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. Das Bundesverfassungsgericht wird die Verfassungsbeschwerde als unzulässig verwerfen, weil die Neubekanntmachung eines Gesetzes als reiner Rechtskonsolidierungsakt nicht geeignet ist, die materielle Rechtslage zuungunsten des B zu verschlechtern. Es fehlt also bereits an einer möglichen Grundrechtsverletzung und somit an einer Beschwerdebefugnis des B. Auch wenn man berücksichtigt, dass die Neubekanntmachung die formelle Gesetzesfassung ändern und insofern zumindest einen entsprechenden Rechtsschein erzeugen kann, käme man zu keinem anderen Ergebnis. Nach der fehlerhaften Neufassung des § 120 Abs. 2 GWB wäre der B zwar gegenwärtig und unmittelbar in seinem Grundrecht auf rechtliches Gehör betroffen, angesichts der relativ geringen Intensität der Beeinträchtigung erscheint es jedoch zumutbar, eine Konkretisierung, hier also eine Entscheidung des Beschwerdegerichts über den Rügeantrag, abzuwarten und anschließend dagegen vorzugehen (Grundsatz der Subsidiarität). 1054 Siehe dazu Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 93, Rn. 57; Sachs – Sturm, Art. 94, Rn. 20; v. Mangoldt/Klein/Starck – Voßkuhle, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a, Rn. 169, 191; Schmidt-Bleibtreu/Klein – Hopfauf, Art. 93, Rn. 193; AK – Rinken, Art. 93, Rn. 60c; Schlaich/Korioth, Rn. 252 ff. 1055 Vgl. Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 93, Rn. 56; Schmidt-Bleibtreu/Klein – Hopfauf, Art. 93, Rn. 190; v. Mangoldt/Klein/Starck – Voßkuhle, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a, Rn. 185; Schlaich/Korioth, Rn 239; Epping, Rn. 186. 1056 Vgl. Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge – Bethge, § 90, Rn. 352; Schlaich/Korioth, Rn. 228, die auf die Möglichkeit einer faktischen Grundrechtsbeeinträchtigung durch bestimmte informale Staatsakte (z. B. Warnungen, Empfehlungen etc.) hinweisen.

V. Zusammenfassung

259

Abwandlung: Der Bieter B hat in dem Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht rechtzeitig eine Anhörungsrüge eingelegt. Das Beschwerdegericht verwirft die Rüge als unstatthaft, da sie in § 120 Abs. 2 GWB in der Fassung der Neubekanntmachung vom 15. Juli 2005 nicht vorgesehen sei. Gegen diesen Beschluss erhebt B unverzüglich Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht. In diesem Fall richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen einen Judikativakt. Durch diesen wird B gegenwärtig und unmittelbar in seinem Grundrecht auf rechtliches Gehör betroffen, so dass eine Beschwerdebefugnis zu bejahen ist. Außerdem hat B den Rechtsweg gem. § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG vollständig erschöpft, da die Entscheidung über die Verwerfung der Anhörungsrüge gem. § 71a Abs. 4 S. 3 GWB durch unanfechtbaren Beschluss ergeht. Die Verfassungsbeschwerde ist somit zulässig. Im Rahmen der Begründetheit wird das Bundesverfassungsgericht zunächst prüfen, ob die Rechtsnorm, mit der das Beschwerdegericht seine ablehnende Entscheidung begründet hat, verfassungsgemäß ist. Dabei wird es feststellen, dass der einschlägige § 120 Abs. 2 GWB in der Fassung, die er gem. Art. 20 Nr. 3 des Anhörungsrügengesetzes vom 9. Dezember 2004 erhalten hat, einen Verweis auf die Anhörungsrüge des § 71a GWB beinhaltet, folglich also nicht die Rechtsnorm des § 120 Abs. 2 GWB verfassungswidrig, sondern nur die Textfassung der Neubekanntmachung fehlerhaft und somit unbeachtlich ist. Da sich das Beschwerdegericht jedoch in seinem Beschluss ausschließlich auf diese inhaltlich falsche Normfassung berufen hat, hat es nicht nur das Grundrecht des B aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, sondern zudem einen schweren objektiven Rechtsanwendungsfehler begangen. Das Bundesverfassungsgericht wird deshalb den Beschluss aufheben und an das Oberlandesgericht zurückverweisen. Darüber hinaus könnte es zur Klarstellung im Tenor die fehlerhafte Neufassung des § 120 Abs. 2 GWB für unvereinbar mit dem geltenden Norminhalt erklären.

Abschließend sei noch angemerkt, dass eine Verfassungsbeschwerde gegen die Bekanntmachungserlaubnis ebenfalls unzulässig ist. Zwar handelt es sich hierbei um einen Legislativakt und damit um einen tauglichen Beschwerdegegenstand, dieser richtet sich jedoch inhaltlich immer an eine staatliche Stelle, in der Regel an die entsprechenden Bundesministerien, welche ihrerseits nicht beschwerdefähig sind. Die Grundrechtsberechtigten sind dagegen keine Adressaten der Bekanntmachungserlaubnis und somit nicht selbst betroffen. Außerdem fehlt es auch an einer unmittelbaren Betroffenheit, solange die Exekutive die Bekanntmachungserlaubnis noch nicht umgesetzt hat.1057 Die notwendige Beschwerdebefugnis ist also bezüglich der Bekanntmachungserlaubnis zu verneinen.

V. Zusammenfassung Die Ausführungen in diesem Kapitel haben gezeigt, dass die Neubekanntmachung von Gesetzen aufgrund ihrer Rechtsnatur keiner normativen Inhalts1057

Vgl. BK – Stern, Art. 93, Rn. 582.

260

I. Gerichtliche Überprüfung der Neubekanntmachung

kontrolle zugänglich ist, da sie von vornherein ohne materiellen Regelungsanspruch auftritt. Eine verfassungsgerichtliche Überprüfung der Neubekanntmachung ist deshalb so gut wie ausgeschlossen. Lediglich im Rahmen des Organstreitverfahrens, das vorwiegend auf die Wahrung des verfassungsrechtlichen Kompetenzrahmens ausgerichtet ist, lässt sich eventuell eine verfassungsgerichtliche Überprüfung der Neubekanntmachung in Bezug auf unbefugte Eingriffe der Exekutive in die originär der Legislative zugeordnete amtliche Konsolidierungskompetenz rechtfertigen. Darüber hinaus wäre allenfalls noch zu erwägen, in strengen Ausnahmefällen eine direkte Verfassungsbeschwerde gegen die Neubekanntmachung zuzulassen, wenn diese aufgrund eines Bekanntmachungsfehlers eine „Scheinnorm“ nach außen verkündet, die einen intensiven Grundrechtseingriff suggeriert und somit schon allein aufgrund ihrer Präsens im Bundesgesetzblatt – trotz objektiv-rechtlicher Unbeachtlichkeit – eine eminente Grundrechtsgefährdung auslöst, die den potenziell Betroffenen nicht auf Dauer zugemutet werden kann. In aller Regel machen sich die Fehler einer Neubekanntmachung jedoch erst mittelbar bemerkbar, nämlich dann, wenn auf der Grundlage einer falschen Gesetzesneufassung materiell rechtswidrige Maßnahmen getroffen werden, die ihrerseits rechtserheblich sind. In diesem Fall reicht es aber grundsätzlich aus, wenn eine gerichtliche Überprüfung der Neubekanntmachung inzidenter durch die zuständigen Fachgerichte im Rahmen des regulären Rechtsschutzes gegen die belastenden Vollzugsakte erfolgt. Da die Gerichte gem. Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden sind, haben sie bei der Ermittlung des geltenden Gesetzesinhalts zwar die Neubekanntmachung als primäre amtliche Gesetzesgrundlage zu berücksichtigen, können diese aber auch selbständig verwerfen, wenn sie eine Abweichung in dem Neufassungstext entdecken (oder von den Parteien auf eine solche aufmerksam gemacht werden), welche mit den ursprünglichen Normsetzungsakten nicht zu vereinbaren ist. Es geht hier also im Grunde genommen nur um die Ermittlung des geltenden Norminhalts mittels Anwendung und Auslegung der richtigen Gesetzestexte und damit vornehmlich um eine einfach-rechtliche Problematik, weshalb diese Ausgestaltung des Rechtsschutzes auch der verfassungssystematischen Aufgabenverteilung zwischen den Fachgerichten und dem Bundesverfassungsgericht entsprechen dürfte.1058 Im Übrigen liegt es vor allem an der Exekutive, die auf diesem Wege bekannt gewordenen Fehler in dem Neufassungstext schnellstmöglich mittels einer Berichtigung im Bundesgesetzblatt zu beheben, um weitere rechtliche Irritierungen durch die Neubekanntmachung zu vermeiden. 1058 Vgl. Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 93, Rn. 57; Dreier – Wieland, Art. 93, Rn. 79; v. Münch/Kunig – Meyer, Art. 93, Rn. 61; Schmidt-Bleibtreu/Klein – Hopfauf, Art. 93, Rn. 32; Sachs – Sturm, Art. 93, Rn. 18 f.

J. Schlussbetrachtungen Zum Schluss soll noch einmal zusammenfassend der Frage nachgegangen werden, welchen rechtlichen und praktischen Beitrag die Neubekanntmachung von Gesetzen zur Förderung der Rechtssicherheit und -klarheit in der Bundesrepublik Deutschland leistet. Dabei sollen insbesondere die im Laufe der Untersuchung gewonnen Erkenntnisse mit eingearbeitet werden (I.). Anschließend werden noch mögliche Alternativen zur Neubekanntmachung erläutert, die jedoch ihrerseits auch mit Nachteilen verbunden sein können (II.). Schließlich sollen in einem kurzen Überblick weitere Anwendungsbereiche der „Neubekanntmachung“ vorgestellt werden, welche aber zum Teil anderen rechtlichen Bedingungen unterliegen und deshalb nur eingeschränkt mit der hier behandelten Neubekanntmachung von Gesetzen zu vergleichen sind (III.).

I. Die Neubekanntmachung als Ergebnis der staatlichen Konsolidierungspflicht Ausgangspunkt der Untersuchung der Neubekanntmachung war die These, dass der Staat verfassungsrechtlich verpflichtet ist, den Bürgern eine verständliche Gesetzesfassung zur Verfügung zu stellen (Grundsatz der Klarheit und Verständlichkeit des Rechts).1059 Aufgrund des Grundsatzes der formellen Publikation i. V. m. Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG darf sich diese Gesetzesfassung nicht in irgendeinem Informationsblatt befinden, sondern sie muss in dem amtlichen Verkündungsorgan veröffentlicht werden, in der Bundesrepublik Deutschland also in dem Bundesgesetzblatt. Die in der Gesetzgebung übliche Praxis der Änderungsgesetze führt jedoch dazu, dass eine solche Verständlichkeit des Bundesgesetzblattes nicht gegeben ist.1060 Denn die Änderungsgesetze sind für sich gesehen völlig unverständlich und erfordern einen in der Regel sehr zeit- und arbeitsaufwändigen Konsolidierungsprozess.1061 Selbst wenn sich der daraus ergebende Gesetzestext als verständlich erweisen sollte (sog. materielle Rechtsklarheit), was ja bereits bei vielen Gesetzen durchaus bezweifelt werden kann, so ist damit dem 1059 1060 1061

Siehe oben S. 57. Siehe oben S. 60 f., insbesondere Fn. 212. Siehe dazu oben S. 49 ff.

262

J. Schlussbetrachtungen

Grundsatz der Rechtsklarheit immer noch nicht in vollem Umfang Genüge getan, denn dieser erfordert vielmehr auch eine formelle Rechtsklarheit. Demnach ist es also nicht ausreichend, wenn nur die konsolidierte Gesetzesfassung verständlich ist, vielmehr muss der Bürger bereits den publizierten Gesetzestext, d.h. den Gesetzeswortlaut, wie er sich aus dem Bundesgesetzblatt entnehmen lässt, verstehen können (inhaltliche Zugänglichkeit des Bundesgesetzblattes).1062 Daraus ergibt sich eine Konsolidierungspflicht des Staates, also die Pflicht, den Rechtsadressaten eine lesbare Gesetzesfassung im Bundesgesetzblatt zur Verfügung zu stellen,1063 von welcher er sich auch nicht unter Verweis auf die privaten Gesetzessammlungen befreien kann, zumindest solange nicht „Schönfelder“ und „Sartorius“ das Bundesgesetzblatt als amtliches Publikationsorgan abgelöst haben. Zur Erfüllung seiner Konsolidierungspflicht veranlasst der Gesetzgeber daher von Zeit zu Zeit eine Neubekanntmachung verschiedener Stammgesetze im Bundesgesetzblatt, welche jeweils den vollständig konsolidierten Gesetzestext enthält und damit den verfassungsrechtlichen Anforderungen auf den ersten Blick zu genügen scheint. Allerdings wurde oben festgestellt, dass der Neubekanntmachung keine Rechtssatzqualität zukommt, sie also insbesondere nicht den formellen Gesetzesrang der Änderungsgesetze teilt.1064 Das könnte insofern problematisch sein, als dass eine adäquate Gesetzespublikation nicht nur eine Kenntnisnahme in zumutbarer, sondern auch in verlässlicher Weise verlangt.1065 Konzelmann fordert deshalb z. B. eine Rechtsbereinigung mit Gesetzeskraft.1066 Eine solche konstitutive Neubekanntmachung von Gesetzen kann aber aufgrund der verfassungsrechtlich statuierten Gewaltenteilung nur vom Gesetzgeber selbst (z. B. in Form eines Ablösungsgesetzes), nicht jedoch von der Exekutive vorgenommen werden.1067 Auch die Bekanntmachungserlaubnis kann die dafür benötigten legislativen Kompetenzen nicht auf die Exekutive übertragen. Dazu wäre zumindest eine grundgesetzliche Regelung vergleichbar dem Art. 80 GG erforderlich. Die Neubekanntmachung kann den Gesetzestext deshalb lediglich in relativ verbindlicher Weise konsolidieren. Verbindlich, weil die ministerielle Neufassung nach dem Willen des Gesetzgebers die maßgebliche Textfassung im Bundesgesetzblatt, sozusagen die neue formelle Grundlage des Stammgesetzes sein soll, wofür neben der Tatsache, dass er selbst regelmäßig mit ihr arbeitet, insbesondere spricht, dass die Exekutive bei ihrer Erstellung ge1062 1063 1064 1065 1066 1067

Siehe oben S. 60. Siehe oben S. 62. Siehe oben S. 120 ff. Siehe oben S. 59. Konzelmann, Rechtsbereinigung, S. 134 f. Siehe oben S. 123 ff.

I. Staatliche Konsolidierungspflicht

263

legentlich bestimmte redaktionelle Verbesserungen vornehmen soll. Relativ, weil diese maßgebliche Neufassung den Inhalt der Rechtsnormen nicht verändern darf, eine eventuelle Textabweichung also keinen Einfluss auf den normativen Inhalt haben kann, sondern in einem solchen Fall von vornherein unbeachtlich bleibt und gegenüber der ursprünglichen Gesetzesfassung zurücktritt.1068 Diese rechtsstaatlich bedingte Abhängigkeit von dem durch den bisherigen Gesetzestext vermittelten Inhalt verursacht allerdings wiederum Unsicherheiten für die Rechtsanwender, denn einerseits stellt die Neubekanntmachung häufig die einzige nachvollziehbare Gesetzesfassung im Bundesgesetzblatt dar, andererseits kann man ihr aber auch nicht hundertprozentig trauen, könnte sie doch in einem inhaltsrelevanten Punkt von der geltenden Rechtslage abweichen. Schmid zieht daraus den Schluss, dass die Neubekanntmachung weniger der Herstellung der Rechtssicherheit, sondern in erster Linie dem leichteren Feststellen der bereits bestehenden Rechtslage dient.1069 Dem ist in gewisser Hinsicht zuzustimmen, liegt darin doch gerade das Hauptanliegen der Neubekanntmachung. Zu rechtfertigen ist diese Einbuße an Rechtssicherheit mit dem Argument der effektiven Gewaltenteilung, wonach es der Legislative aus Gründen der Arbeitsbelastung nicht zugemutet werden kann, die Aufgabe der Gesetzeskonsolidierung allein zu übernehmen, wohingegen die Exekutive über alle personellen und technischen Voraussetzungen verfügt, um diese vorwiegend technische Arbeit mit größtmöglicher Sorgfalt zu erledigen. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass selbst die im Bundesgesetzblatt verkündeten Gesetze keine absolute Rechtssicherheit gewähren können, denn auch hier kann die verkündete Textfassung aufgrund eines Fehlers so weit von der parlamentarischen Beschlussfassung abweichen, dass die in ihr enthaltenen Rechtsnormen nicht wirksam in Kraft treten.1070 Den Gesetzestexten kommt allerdings im Vergleich zum ministeriellen Neufassungstext eine stärkere Gültigkeits- bzw. Richtigkeitsvermutung zu.1071 Gleiches gilt aber auch für die Neubekanntmachung im Vergleich zu den übrigen, rechtlich vollkommen unverbindlichen Gesetzessammlungen. Letztere sind deshalb noch nicht einmal geeignet, eine rechtlich schützenswerte Vertrauensgrundlage zu bilden, anders als die Neubekanntmachung, die aufgrund ihrer relativen Verbindlichkeit zumindest einen relativ verlässlichen Vertrauenstatbestand schafft, der die Rechts1068

Siehe oben S. 224 ff. Schmid, BayVBl. 1974, 39 (40). 1070 Vgl. Schiffer, S. 55. 1071 Sie können jedenfalls nicht von den Rechtsanwendern einfach außer Acht gelassen oder inhaltlich uminterpretiert werden, sondern müssen zunächst im Bundesgesetzblatt berichtigt oder vom Bundesverfassungsgericht für nichtig bzw. unanwendbar erklärt werden; vgl. Hallier, AöR 1960, 390 (413); Sahlmüller, S. 161; Schorn, S. 26. 1069

264

J. Schlussbetrachtungen

anwender vor möglichen Haftungsfolgen bewahrt. Denn eine höhere Sorgfaltsanforderung als die Arbeit mit der im Bundesgesetzblatt abgedruckten Gesetzesneufassung einschließlich der nachfolgenden Änderungsgesetze kann von keinem gewissenhaften Rechtsanwender verlangt werden.1072 Alles in allem lässt sich daher resümieren, dass eine absolut verbindliche, d.h. konstitutive Neufassung dem Rechtssicherheitsaspekt vielleicht noch stärker Rechnung tragen würde als das bisher der Fall ist. Trotzdem ist die ministerielle Neufassung grundsätzlich geeignet, dem Bürger eine verständliche und zumindest relativ verlässliche Textfassung der Stammgesetze im Bundesgesetzblatt anzubieten. Unter Berücksichtigung der zusätzlichen Möglichkeit, die Exekutive neben der einfachen Textkonsolidierung zur Vornahme von rechtsbereinigenden Maßnahmen und redaktionellen Klarstellungen zu ermächtigen, stellt sie eine deutliche Verbesserung in Bezug auf die Erkennbarkeit des geltenden Rechts dar, zumal die oben besprochenen Bekanntmachungsfehler in der Praxis selten vorkommen. Dem eingeschränkten Sicherheitsaspekt kann durch eine Anpassung der Sorgfaltspflichten begegnet werden, die es den Bürgern erlaubt, auf die Richtigkeit der Neubekanntmachung zu vertrauen, ohne schuldhafte Konsequenzen befürchten zu müssen. Damit bildet sie – von den konstitutiven Neufassungen einmal abgesehen – die verlässlichste aller konsolidierten Gesetzesfassungen. Umso bedenklicher ist es daher, dass sie in der Praxis immer noch zu selten und unregelmäßig zur Anwendung kommt, zumal sie mit jedem nachfolgenden Änderungsgesetz schon wieder an rechtlichem und praktischem Wert verliert. Während sich also festhalten lässt, dass der Staat seine Konsolidierungspflicht hinsichtlich der regelmäßig neu bekannt gemachten Stammgesetze grundsätzlich erfüllt, so muss man konsequenterweise bemängeln, dass es immer noch eine Reihe von Gesetzen gibt, die trotz zahlreicher Änderungen niemals oder letztmalig vor langer Zeit neu bekannt gemacht wurden. In Bezug auf diese Stammgesetze bleibt der Staat seine Konsolidierungspflicht weiterhin schuldig. Dementsprechend kam auch die von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) durchgeführte Studie „Gesetzes-Check“ zu dem Ergebnis, dass die Zahl der Neubekanntmachungen der hohen Bedeutung der ständigen Modernisierung der Rechtsordnung derzeit nicht gerecht wird.1073 In der Zusammenfassung wird deshalb unter Punkt 4 empfohlen: „Die Vielzahl der Änderungs-, Berichtigungs- und Reparaturvorschriften lässt es geboten erscheinen, von den Instrumenten der Konsolidierung, Neufassung und der Neubekanntmachung von Regelungsmaterien im Sinne einer Transparenzsteigerung Gebrauch zu machen.“1074 1072 1073

Siehe oben S. 242 ff. Karpen, ZRP 2008, 97 (99).

I. Staatliche Konsolidierungspflicht

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Trotz des demnach häufig anzutreffenden Konsolidierungsbedürfnisses wird man allerdings nur in den wenigsten Fällen einen rechtserheblichen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip und den daraus abgeleiteten Grundsatz der Klarheit und Verständlichkeit des Rechts mit der Folge der Nichtigkeit des betroffenen Stammgesetzes feststellen können. Das Bundesverfassungsgericht zieht diese Rechtsfolge nur in „extremen Fällen“ in Betracht.1075 Eine solche Extremsituation wird man wohl noch nicht nach wenigen Änderungsgesetzen annehmen können, die zwar bereits eine gewisse Konsolidierungsarbeit erfordern, insgesamt jedoch noch nachvollziehbar sind. Wo genau die Grenze zur Unübersichtlichkeit und damit zur fehlenden Erkennbarkeit des geltenden Rechts verläuft, lässt sich nicht pauschal bestimmen.1076 Entscheidend sind in erster Linie Anzahl und Umfang der Änderungsgesetze. Außerdem zu berücksichtigen ist die Regelungsmaterie, denn je bedeutender das Gesetz für die Grundrechtsverwirklichung der Adressaten ist, desto schärfer sind auch die Konsolidierungsanforderungen.1077 Besonders grundrechtsrelevante Stammgesetze erfordern deshalb in der Regel ein kürzeres Neubekanntmachungsintervall als z. B. rein verfahrenstechnische Regelungen. Grundsätzlich kann man sich hier an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur mangelnden inhaltlichen Bestimmtheit von Gesetzen orientieren.1078 Aus verfahrensrechtlicher Sicht besteht das Problem, dass die von der mangelnden Lesbarkeit des Bundesgesetzblattes betroffenen Rechtsanwender den daraus eventuell resultierenden Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip nicht direkt mit der Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht geltend machen können, da der Grundsatz der Klarheit und Verständlichkeit des Rechts nicht zu den Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten i. S. v. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG zählt. Stattdessen müssen sie diesen verfassungsrechtlichen Mangel vor den Fachgerichten zur Sprache bringen, welche dann gem. Art. 100 Abs. 1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts herbeiführen können. Dabei sind sie jedoch darauf angewiesen, dass die Richter das betreffende Stammgesetz ebenfalls mangels staatlicher Konsolidierung für verfassungswidrig halten, ein Umstand, der angesichts der weiten Verbreitung von privaten Gesetzessamm1074 Die Zusammenfassung der Studie ist im Internet veröffentlicht unter www.insm-gesetzescheck.de/empfehlungen.html; siehe auch Karpen, ZRP 2008, 97 (100). 1075 BVerfGE 1, 14 (45); siehe auch BVerfGE 17, 67 (82); Leibholz/Rinck – Burghart, Art. 20, Rn. 682; Schmidt-Bleibtreu/Klein – Hofmann, Art. 20, Rn. 85. 1076 Siehe dazu bereits die Überlegungen auf S. 237 im Zusammenhang mit einer möglichen Amtshaftung wegen unterlassener Neubekanntmachung. 1077 Vgl. BVerfGE 108, 52 (75); AK – Frankenberg, Art. 20 Abs. 1–3 IV, Rn. 36. 1078 Vgl. v. Münch/Kunig – Schnapp, Art. 20, Rn. 29.

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J. Schlussbetrachtungen

lungen – auch bei Gericht – wahrscheinlich nicht ganz einfach zu erreichen sein wird. Ein offeneres Problembewusstsein dürfte vermutlich erst dann entstehen, wenn die Richter versuchen sollten, einen solchen Fall ausschließlich mit Hilfe der im Bundesgesetzblatt vorhandenen amtlichen Gesetzestexte zu entscheiden. Bisher ist jedenfalls dem Verfasser kein Gesetz bekannt, welches wegen fehlender formeller Rechtsklarheit vom Bundesverfassungsgericht überprüft, geschweige denn für nichtig bzw. unanwendbar erklärt wurde. Die staatliche Konsolidierungspflicht ist demnach nur schwer gerichtlich durchsetzbar.

II. Alternativen zur Neubekanntmachung Angesichts der nicht ganz auszuräumenden rechtlichen und praktischen Defizite der ministeriellen Neubekanntmachung von Gesetzen stellt sich die Frage, ob es Alternativen zur Neubekanntmachung gibt, die ebenso, wenn nicht sogar noch besser geeignet sind, die staatliche Konsolidierungspflicht zu erfüllen und den Bürgern eine verständliche und zugleich verlässliche Gesetzesfassung zur Verfügung zu stellen. 1. Parlamentarische Neufassung Eine mögliche Alternative zur ministeriellen Neubekanntmachung könnte die parlamentarische Neufassung von Gesetzen sein. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, mit jedem Gesetz eine inhaltliche Veränderung der Rechtslage herbeizuführen, sondern kann ebenso gut aus Gründen der Rechtsklarheit ein bestehendes Stammgesetz ohne inhaltliche Veränderungen neu beschließen. Dabei kann er selbstverständlich auch redaktionelle Modifikationen am Gesetzestext vornehmen. Der entscheidende Unterschied zur ministeriellen Neufassung besteht darin, dass die parlamentarische Neufassung das Stammgesetz neu in Kraft setzt. Sie durchläuft das gesamte förmliche Gesetzgebungsverfahren und wird anschließend im Bundesgesetzblatt verkündet. Damit ist sie selbst ein Gesetz im formellen Sinne und ersetzt aufgrund ihrer derogativen Wirkung als lex posterior alle früheren Gesetzesfassungen (sog. Ablösungsgesetz).1079 Die parlamentarische Neufassung hat den Vorteil, dass sie mit dem Geltungsanspruch eines förmlichen Gesetzes auftritt, denn im Gegensatz zur Neubekanntmachung gibt sie den Inhalt der Rechtsnormen nicht nur deklaratorisch wieder, sondern begründet diese neu, weshalb sie auch nicht mit dem schlichten Hinweis auf eine inhaltsrelevante Abweichung gegenüber 1079

Siehe dazu bereits oben S. 46.

II. Alternativen zur Neubekanntmachung

267

der vorherigen Gesetzesfassung ignoriert werden kann. Der Neufassungstext stellt in diesem Fall selbst das letztentscheidende und damit rechtskonstituierende Auslegungskriterium dar. Dementsprechend verlässlich ist die parlamentarische Neufassung für den Rechtsanwender, denn abgesehen von reinen Publikationsmängeln kann kein Unterschied zwischen der sich aus dem Neufassungstext ergebenden und der tatsächlich geltenden Rechtslage bestehen. Gleichwohl birgt diese Konsolidierungsmethode auch rechtliche Risiken, denn jede inhaltsrelevante Textabweichung bei der Herstellung der als parlamentarische Beschlussvorlage dienenden Gesetzesfassung kann Bestandteil des geltenden Rechts werden und damit die bestehende Gesetzeslage verändern. Vor allem bei sehr umfangreichen Stammgesetzen ist davon auszugehen, dass die Abgeordneten die Beschlussvorlage nicht vollständig auf ihre Übereinstimmung mit dem bisherigen Gesetzeswortlaut überprüfen können. Noch unüberschaubarer ist die Lage, wenn die Neufassung gleichzeitig zum Anlass für inhaltliche Reformen genommen wird.1080 Diese materiellen Änderungen drohen, wie Rühmann passend anmerkt, in der Gesamtmenge der Vorschriften der Neufassung „unterzugehen“.1081 Ohne den Verfassern der Gesetzentwürfe irgendeine böse Absicht unterstellen zu wollen, aber so reichen doch bereits kleinste Formulierungsungenauigkeiten aus, um einer Rechtsnorm einen anderen Sinn zu geben. Deshalb wäre es aus Gründen der Transparenz wohl geboten, den Abgeordneten zumindest der Information halber alle vorgenommenen Textmodifikationen zusätzlich in Form von Änderungsbefehlen mitzuteilen.1082 Einen besonderen Weg ist der Gesetzgeber deshalb beim Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege und des Kostenrechts vom 12. September 1950 gegangen.1083 Dieses Mantelgesetz bestand aus mehreren Artikeln, die u. a. das Gerichtsverfassungsgesetz, die Zivilprozessordnung und die Strafprozessordnung mittels der üblichen Änderungsbefehle umfassend reformiert hatten. Der abschließende Artikel 9 enthielt unter der Überschrift „Bekanntmachung des Wortlauts des Gerichtsverfassungsgesetzes, der Zivilprozessordnung und der Strafprozessordnung“ die folgende Regelung: „Das Gerichtsverfassungsgesetz, die Zivilprozeßordnung und die Strafprozeßordnung gelten vom Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes ab in der aus den Anlagen 1 bis 3 ersichtlichen Fassung.“1084 1080 1081 1082 1083 1084

Siehe dazu auch oben S. 49. Rühmann, EuGRZ 2000, 204 (208). Siehe dazu Rühmann, EuGRZ 2000, 204 (208). BGBl. 1950, 455. BGBl. 1950, 455 (512).

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J. Schlussbetrachtungen

Im Anhang zu dem Mantelgesetz befanden sich drei Anlagen, die jeweils eine vollständig konsolidierte Textfassung des Gerichtsverfassungsgesetzes, der Zivilprozessordnung und der Strafprozessordnung enthielten.1085 Hier hat die Legislative also beide Gesetzgebungstechniken miteinander kombiniert, indem sie zunächst ein Änderungsgesetz beschloss, welches die einzelnen Änderungsmaßnahmen deutlich zum Vorschein brachte, und gleichzeitig als Anlage dazu eine Neufassung mit veröffentlichte, welche den konsolidierten Gesetzestext beinhaltete.1086 Letztere sollte nach Art. 9 ebenfalls konstitutiv wirken. Auch wenn die Überschrift nur von einer „Bekanntmachung des Wortlauts“ sprach, darf diese Konstellation nicht mit einer Bekanntmachungserlaubnis an die Exekutive verwechselt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat diesbezüglich ausdrücklich festgestellt, dass die Anlagen „nicht nur der deklaratorischen Klarstellung der Gesetzestexte [dienten]“, sondern vielmehr die betroffenen Stammgesetze „in ihrem ganzen Inhalt neu beschlossen“.1087 Offen bleibt bei dieser kombinierten Methode allerdings, wie eine Diskrepanz zwischen beiden Textfassungen zu lösen ist. Unabhängig davon, ob die Legislative eine konstitutive Neufassung isoliert oder als Anlage zu einem Änderungsgesetz veröffentlicht, ergibt sich bei beiden Varianten ein weiterer Nachteil gegenüber der Neubekanntmachung durch die Exekutive, denn in beiden Fällen muss das Parlament den gesamten Gesetzestext neu beschließen, was einen zusätzlichen, überwiegend verwaltungstechnischen Arbeitsaufwand verursacht. So ist z. B. der Neufassungstext auf seine Richtigkeit, insbesondere auf seine Übereinstimmung mit der bisherigen Textfassung hin zu überprüfen. Gegebenenfalls sind außerdem noch redaktionelle Anpassungen vorzunehmen. Darüber hinaus besteht die „Gefahr“, dass die parlamentarischen Beratungen von den politischen Akteuren zum Anlass genommen werden, unliebsame Gesetzesabschnitte auch inhaltlich zur Disposition zu stellen.1088 Aus demokratischer Sicht ist es natürlich begrüßenswert, wenn bei der Verabschiedung einer konstitutiven Gesetzesneufassung inhaltliche Fragen behandelt werden, denn schließlich gilt das gesamte Stammgesetz anschließend als neu in den Willen des Gesetzgebers aufgenommen. Aus gesetzestechnischer Sicht ist es dagegen eher hinderlich, wenn die Gesetzeskonsolidierung mit politischen Auseinandersetzungen belastet wird. Das könnte nämlich dazu führen, dass die Konsolidierung bestimmter, politisch besonders umstrittener Stamm1085 BGBl. 1950, 455 (513): Gerichtsverfassungsgesetz; (533): Zivilprozessordnung; (629): Strafprozessordnung. 1086 Siehe dazu Hallier, AöR 1960, 391 (416); Sahlmüller, S. 122; befürwortend außerdem Herberger, jur-pc 1993, 2256 (2262). 1087 BVerfGE 8, 210 (213 f.). 1088 Vgl. Schorn, S. 31.

II. Alternativen zur Neubekanntmachung

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gesetze nicht mehr möglich ist oder von vornherein unterlassen wird, um sich den schwierigen und langwierigen Debatten erst gar nicht auszusetzen. Insofern wäre zu überlegen, die konstitutive Neufassung in nur einer Lesung zu beschließen und dabei lediglich solche Änderungsanträge zuzulassen, die einen Textfehler beseitigen oder eine redaktionelle Verbesserung vorschlagen möchten. Man könnte sogar noch einen Schritt weiter gehen und die Aufgabe des Parlaments auf eine schlichte Zustimmung oder Ablehnung des von der Exekutive angefertigten Neufassungstextes beschränken (sog. Genehmigungsverfahren). Aber auch diese beiden Verfahrensvarianten würden das Parlament nicht von seiner legislativen Verantwortung für den veröffentlichten Gesetzestext entbinden, weshalb es insbesondere nicht auf eine gründliche Nachprüfung des Neufassungstextes verzichten könnte. Von daher würde die Gesetzeskonsolidierung weiterhin einen großen Arbeits- und Zeitaufwand für die Legislativorgane verursachen, deren beschränkte Ressourcen sinnvoller für die aktuellen und wesentlichen gesetzespolitischen Anliegen eingesetzt werden sollten. Vor allem im Hinblick auf eine ökonomisch-orientierte Gewaltenteilung spricht vieles dafür, die Gesetzeskonsolidierung – bis auf wenige Ausnahmen – auf die Exekutive zu übertragen. 2. Konstitutive Neubekanntmachung der Exekutive Zu überlegen wäre deshalb, ob die Exekutive zur Durchführung einer konstitutiven Gesetzeskonsolidierung ermächtigt werden könnte. Das hätte den Vorteil, dass das Parlament von dieser überwiegend gesetzestechnischen Arbeit befreit würde, die ministerielle Neufassung jedoch trotzdem mit dem Rang eines Gesetzes im formellen Sinne ausgestattet wäre. Nach den bisherigen Ergebnissen ließe sich eine solche Ermächtigung allerdings nur im Grundgesetz regeln.1089 Ein entsprechendes Beispiel findet sich in Art. 49a des österreichischen Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG), der die sog. „Wiederverlautbarung“ regelt: „(1) Der Bundeskanzler ist gemeinsam mit den zuständigen Bundesministern ermächtigt, Bundesgesetze, mit Ausnahme dieses Gesetzes, und im Bundesgesetzblatt kundgemachte Staatsverträge in ihrer geltenden Fassung durch Kundmachung im Bundesgesetzblatt wiederzuverlautbaren. (2) In der Kundmachung über die Wiederverlautbarung können 1. überholte terminologische Wendungen richtiggestellt und veraltete Schreibweisen der neuen Schreibweise angepasst werden; 1089

Siehe oben S. 125.

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J. Schlussbetrachtungen

2. Bezugnahmen auf andere Rechtsvorschriften, die dem Stand der Gesetzgebung nicht mehr entsprechen, sowie sonstige Unstimmigkeiten richtiggestellt werden; 3. Bestimmungen, die durch spätere Rechtsvorschriften aufgehoben oder sonst gegenstandslos geworden sind, als nicht mehr geltend festgestellt werden; 4. Kurztitel und Buchstabenabkürzungen der Titel festgesetzt werden; 5. die Bezeichnungen der Artikel, Paragraphen, Absätze und dergleichen bei Ausfall oder Einbau einzelner Bestimmungen entsprechend geändert und hiebei auch Bezugnahmen darauf innerhalb des Textes der Rechtsvorschrift entsprechend richtiggestellt werden; 6. Übergangsbestimmungen sowie noch anzuwendende frühere Fassungen des Bundesgesetzes (Staatsvertrages) unter Angabe ihres Geltungsbereiches zusammengefasst werden. (3) Soweit nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, treten das wiederverlautbarte Bundesgesetz (der wiederverlautbarte Staatsvertrag) und die sonstigen in der Kundmachung enthaltenen Anordnungen mit Ablauf des Kundmachungstages in Kraft.“

Die Wiederverlautbarung dient also – ebenso wie die Neubekanntmachung – dazu, „den oftmals – z. B. durch Novellierungen – unübersichtlich gewordenen Text einer bestimmten Rechtsquelle relativ authentisch festzustellen und kundzumachen, ohne den Weg der Gesetzgebung beschreiten zu müssen“.1090 Dabei können zusätzlich die in Art. 49a Abs. 2 B-VG genannten Konsolidierungsmaßnahmen durchgeführt werden, die in einigen Punkten sogar noch etwas über die im deutschen Recht als zulässig erachteten Bekanntmachungsklauseln hinausgehen.1091 Im Gegensatz zur Neubekanntmachung entfaltet die Wiederverlautbarung (absolut) verbindliche Rechtswirkungen mit der Folge, dass die Gerichte und Verwaltungsbehörden ab dem Tag des Inkrafttretens gem. Art. 49a Abs. 3 B-VG an den wiederverlautbarten Gesetzestext gebunden sind.1092 Das gilt selbst dann, wenn er die in Art. 49a Abs. 2 B-VG gezogenen Ermächtigungsgrenzen überschreiten sollte.1093 In diesem Fall besteht aber gem. Art. 139a B-VG die Möglichkeit, die Wiederverlautbarung dem österreichischen Verfassungsgerichtshof zur Überprüfung vorzulegen. Kommt er zu dem Ergebnis, dass sie in inhaltsrelevanter Weise von der vorherigen Gesetzesfassung abweicht, so hebt er die fehlerhaften Abschnitte auf. An ihre Stelle tritt automatisch der ursprüngliche Gesetzestext, was damit begründet wird, dass die Wiederverlautbarung die früheren Gesetze nicht vollständig derogiert, sondern lediglich in ihrer Anwendbarkeit zurückdrängt.1094 1090

Walter/Mayer, Rn. 119. Vgl. oben S. 197 ff. 1092 Adamovich/Funk/Holzinger, Rn. 27.124; Öhlinger, S. 187; Miehsler, ZaöRV 1972, 394 (399). 1093 Walter/Mayer, Rn. 121; Adamovich/Funk/Holzinger, Rn. 27.126; Funk, Rn. 392. 1091

II. Alternativen zur Neubekanntmachung

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Die österreichische Lösung bewegt sich damit zwischen der nur relativ verbindlichen Neubekanntmachung, wie sie in dieser Arbeit vorgestellt wurde, und einer konstitutiven Neufassung durch die Legislative. Das immanente Problem einer Durchbrechung der auch in Österreich geltenden Gewaltenteilung versucht man dadurch zu umgehen, dass die Wiederverlautbarung die ursprüngliche Gesetzesfassung nicht ersetzt, sondern nur zurückdrängt. Anders als bei der Neubekanntmachung führt ein Fehler in der Wiederverlautbarung aber nicht sofort zu deren Unbeachtlichkeit, sondern die fehlerhafte Wiederverlautbarung ist solange zu befolgen, bis sie vom Verfassungsgerichtshof für nichtig erklärt wurde. Diese Konstruktion erinnert an die Rechtsfolgen eines verfassungswidrigen Gesetzes, was noch einmal verdeutlicht, dass der Wiederverlautbarung in Österreich eine stärkere rechtliche Bedeutung zukommt als der ministeriellen Neubekanntmachung in Deutschland. Außerdem eröffnet der Ermächtigungskatalog in Art. 49a Abs. 2 B-VG der österreichischen Exekutive umfassendere Konsolidierungs- und Rechtsbereinigungsmöglichkeiten als dies nach dem deutschen Verfassungsrecht derzeit zulässig wäre. 3. Sonstige Konsolidierungsmöglichkeiten der Exekutive Ohne explizite Verfassungsänderung kann die Exekutive keine konstitutiven Neufassungen förmlicher Bundesgesetze erstellen und im Bundesgesetzblatt veröffentlichen. Auf der Suche nach Optimierungsmöglichkeiten muss man sich deshalb im verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen der relativ verbindlichen Konsolidierungsakte bewegen. Eine Verbesserung kommt daher lediglich in Bezug auf das Konsolidierungsintervall und den Bekanntmachungsort in Betracht. Beide Aspekte hängen in gewisser Weise zusammen, denn würde man die Frequenz der Neubekanntmachungen erhöhen, würde das Bundesgesetzblatt Teil I in seinem Umfang enorm anschwellen, was schließlich zu höheren Produktionskosten und damit letzten Endes auch zu höheren Bezugskosten führen würde. Zu überlegen wäre also, ob es alternative Publikationsorte für die Neubekanntmachung gibt. a) Bundesgesetzblatt Teil III Eine denkbare Alternative bestünde darin, das Bundesgesetzblatt Teil III wieder zu aktivieren.1095 Während alle Änderungsgesetze weiterhin im Bundesgesetzblatt I verkündet werden, könnten die Neubekanntmachungen 1094

Mayer, Art. 49a B-VG, I. und Art. 139a B-VG, III; Walter/Mayer, Rn. 121. Zur ursprünglichen Aufgabe des Bundesgesetzblattes Teil III siehe oben S. 36 ff. 1095

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J. Schlussbetrachtungen

gesondert im Bundesgesetzblatt III veröffentlicht werden, wobei es sich empfiehlt, diesen Teil wiederum in mehrere sachlich getrennte Bände zu untergliedern, damit die Abonnenten die sie jeweils interessierenden Bände auch einzeln beziehen können. Außerdem wäre zu überlegen, das Bundesgesetzblatt Teil III zusätzlich in Form einer Loseblattsammlung anzubieten, so dass die Rechtsanwender je nach Bedarf entscheiden können, ob sie eine fortlaufende Aktualisierung erhalten möchten oder nicht.1096 An dem Bekanntmachungsverfahren und der rechtlichen Natur der Neubekanntmachung würde sich durch die Neueinführung des Bundesgesetzblattes Teil III grundsätzlich nichts ändern. Da es sich hierbei um einen Teil des Bundesgesetzblattes handelt, sind insbesondere die Voraussetzungen des Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG weiterhin gewahrt. Allerdings sollte in § 76 GGO ein neuer Absatz eingefügt werden, der den Inhalt des Bundesgesetzblattes Teil III beschreibt. Außerdem wäre es sinnvoll, wenn der Gesetzgeber die Exekutive fortan regelmäßiger zur Neubekanntmachung aller geänderten Bundesgesetze ermächtigen würde, damit die konsolidierten Gesetzesfassungen im Bundesgesetzblatt Teil III einigermaßen aktuell sind. Im optimalen Falle würde nach jeder Gesetzesänderung möglichst zeitnah eine Neufassung im Bundesgesetzblatt Teil III erscheinen, um die praktische Verwendbarkeit des Gesetzblattes zu erhöhen, wenn auch eine derart kontinuierliche Aktualisierung aus rechtsstaatlichen Gründen nicht zwingend erforderlich ist.1097 b) Internetpublikation Schließlich wäre angesichts der rasanten Entwicklung des Internets in den vergangenen Jahren zu erwägen, dieses moderne Medium für die Gesetzespublikation nutzbar zu machen. Die dabei zurzeit noch bestehenden sicherheitstechnischen und verfassungsrechtlichen Probleme wurden bereits oben erläutert.1098 Diese Probleme würden jedoch etwas entschärft, wenn man die konstitutiven Rechtsetzungsakte weiterhin im Bundesgesetzblatt verkündet und lediglich die Neubekanntmachungen ins Internet verlagert. Dort könnten auf einer Webpage der Bundesregierung – vergleichbar der bereits existierenden Informationsseite www.gesetze-im-internet.de –1099 alle amtlichen Neufassungstexte veröffentlicht werden. Zusätzlich sollte jedem Stammgesetz eine Liste der bisherigen Änderungsgesetze beigefügt werden, mit deren Hilfe die Nutzer auf die jeweiligen Fundstellen im Bundesgesetzblatt zurückgreifen können. Diese Änderungshistorie könnte sogar 1096 1097 1098 1099

Vgl. Nadler, JZ 1970, 605 (607). Siehe dazu oben S. 237 f. Siehe oben S. 42 f. Siehe oben S. 64 f.

II. Alternativen zur Neubekanntmachung

273

mit der Online-Version des Bundesgesetzblattes verlinkt werden, so dass man durch einen einfachen Klick sofort das Faksimile-Dokument des entsprechenden Änderungsgesetzes erhält und anhand dessen die Richtigkeit der konsolidierten Gesetzesfassung überprüfen kann.1100 Auch wäre es ohne großen technischen Aufwand möglich, die internen und externen Gesetzesverweisungen mit entsprechenden Verknüpfungen zu unterlegen, damit die Nutzer mit nur einem einzigen Tastendruck die Verweisungen schnell und bequem nachvollziehen können. Allerdings erfordern der Grundsatz der formellen Publikation i. V. m. dem Vollständigkeitsprinzip, dass alle amtlichen Gesetzestexte einschließlich der Anlagen in einem zentralen Gesetzblatt veröffentlicht werden, in der Bundesrepublik Deutschland also gem. Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG im Bundesgesetzblatt. Hinsichtlich der deklaratorischen Neubekanntmachung von Gesetzen könnte man aber hiervon unter Umständen eine Ausnahme zulassen, wenn der Bekanntmachungsort für die Allgemeinheit ebenso gut zugänglich ist wie das Bundesgesetzblatt und außerdem im Bundesgesetzblatt auf den Bekanntmachungsort ausdrücklich hingewiesen wird.1101 Dementsprechend müsste also mit jedem Erscheinen einer Neubekanntmachung im Internet eine kurze Mitteilung unter Angabe der Internetadresse im Bundesgesetzblatt Teil I abgedruckt werden. Bedingung ist außerdem, dass sich die Bekanntmachungserlaubnis nicht auf eine Neubekanntmachung „im Bundesgesetzblatt“ beschränkt. Stattdessen müsste sie folgendermaßen formuliert werden: Der [Bezeichnung einer obersten Bundesbehörde oder eines Bundesministers] kann den Wortlaut des [Bezeichnung des bekannt zu machenden Stammgesetzes] in der vom Inkrafttreten dieses Gesetzes an geltenden Fassung auf der Internetseite [Angabe der genauen Internetadresse] bekannt machen.

Eine ausschließliche Internetpublikation käme jedoch allenfalls für einfache Neubekanntmachungen in Betracht, die den sich aus den Änderungsgesetzen ergebenden Gesetzeswortlaut eins zu eins nachbilden. Denn in diesem Fall ließe sich der amtliche Gesetzestext auch weiterhin allein mit Hilfe des Bundesgesetzblattes rekonstruieren. Soll die Exekutive dagegen außerdem verbindliche redaktionelle Veränderungen am Gesetzestext vornehmen dürfen, so muss die Neubekanntmachung im Bundesgesetzblatt erfolgen, weil es sich hierbei um konstitutive Textmodifikationen handelt, die eine neue abweichende Gesetzesfassung begründen und deshalb nach den oben genannten Publikationsgrundsätzen einer Dokumentation im Bundesgesetzblatt bedürfen. Führt man sich zusätzlich noch einmal die bislang nicht vollständig gelösten technischen Probleme vor Augen, die mit einer exklusiven Online-Publikation verbunden sind (allgemeine Zugangsmöglichkeit, Daten1100 1101

Siehe oben S. 41. Vgl. hierzu bereits die Überlegungen auf S. 64 f.

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J. Schlussbetrachtungen

schutz und -sicherheit etc.),1102 so wird man zu dem Ergebnis kommen müssen, dass eine amtliche Gesetzeskonsolidierung im Internet erst zusammen mit der Einführung eines elektronischen Bundesgesetzblattes sinnvoll umgesetzt werden kann. Auf der unverbindlichen, rein informatorischen Ebene spielt das Internet hingegen schon heute eine bedeutende Rolle, nicht zuletzt, weil mittlerweile auch die Neubekanntmachungen im Bundesgesetzblatt als Faksimile-Dokument über das Internet eingesehen werden können.1103

III. Weitere Anwendungsbereiche der Neubekanntmachung Die Untersuchungen und Ergebnisse dieser Arbeit beziehen sich in erster Linie auf die Neubekanntmachung von Bundesgesetzen. Der Vollständigkeit halber soll aber zum Abschluss ein kurzer Überblick über weitere mögliche Anwendungsbereiche der Neubekanntmachung gegeben werden, in denen ebenfalls ein Konsolidierungsbedarf entstehen kann und in denen sich unter Umständen die gleichen oder zumindest ähnliche Probleme stellen wie bei der Neubekanntmachung von Bundesgesetzen. 1. Neubekanntmachung von Landesgesetzen Die meisten Parallelen zur Neubekanntmachung von Bundesgesetzen ergeben sich bei der Neubekanntmachung von Landesgesetzen. Gemäß der Vorgabe aus Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG sehen die Landesverfassungen einen demokratischen und sozialen Rechtsstaat vor, in dem ebenfalls das Gewaltenteilungsprinzip und die Grundsätze der formellen Publikation sowie der Klarheit und Verständlichkeit des Rechts gelten.1104 Demzufolge trifft auch die Bundesländer eine Pflicht zur Konsolidierung der von ihnen erlassenen Landesgesetze und in gleichem Maße sind dabei die rechtsstaatlichen Vorgaben zu beachten. Da die einzelnen Landesverfassungen keine speziellen Vorschriften zur Gesetzeskonsolidierung enthalten, gelten hier die gleichen Regeln und Voraussetzungen wie bei der Neubekanntmachung von Bundesgesetzen.1105 Entsprechend ähnlich gestaltet sich deshalb in den meisten Bundesländern auch die ministerielle Neubekanntmachungspraxis. 1102

Siehe oben S. 42 f. Siehe oben S. 41. 1104 Siehe Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 28, Rn. 3 f. 1105 Vgl. Nawiasky/Schweiger/Knöpfler – Schweiger, Art. 76, Rn. 4 für den Freistaat Bayern; Geller/Kleinrahm – Dickersbach, Art. 71, Anm. 11 für das Land Nordrhein-Westfalen; Zinn/Stein – Schonebohm, Art. 120, Erl. 7 für das Land Hessen; David, Art. 52, Rn. 35 für die Freie und Hansestadt Hamburg. 1103

III. Weitere Anwendungsbereiche der Neubekanntmachung

275

2. Neubekanntmachung des Grundgesetzes bzw. von Landesverfassungen Theoretisch denkbar wäre auch eine Neubekanntmachung des deutschen Grundgesetzes. Dieses ist immerhin seit seiner ursprünglichen Verkündung am 23. Mai 1949 bereits über fünfzig Mal geändert worden.1106 Insofern bestünde durchaus ein rechtsstaatliches Bedürfnis an einer Neubekanntmachung im Bundesgesetzblatt. Diese würde sich grundsätzlich an dem oben beschriebenen Verfahren orientieren. Dass durch die Neubekanntmachung der Inhalt des Grundgesetzes nicht verändert werden darf, ergibt sich bereits unmittelbar aus Art. 79 Abs. 1 S. 1 GG, der dazu ausdrücklich ein förmliches „Gesetz“ verlangt.1107 Aber auch rein redaktionelle Textanpassungen sollten aufgrund der strengen Vorgaben des Art. 79 Abs. 1 S. 1 GG nur mit äußerster Zurückhaltung vorgenommen werden. Außerdem ist in Bezug auf die Bekanntmachungserlaubnis zu fordern, dass diese entsprechend Art. 79 Abs. 2 GG mit zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates beschlossen wird. Dass die Neubekanntmachung einer Staatsverfassung grundsätzlich möglich ist, hat bisher in Deutschland nur der Freistaat Bayern bewiesen, dessen Landesverfassung am 15. Dezember 1998 in dem Bayerischen Gesetzund Verordnungsblatt neu bekannt gemacht wurde.1108 Vorausgegangen war eine Bekanntmachungserlaubnis in § 2 Abs. 5 des Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Freistaates Bayern vom 20. Februar 1998, die das Staatsministerium des Innern ermächtigte, „die Verfassung neu bekanntzumachen und dabei Unstimmigkeiten des Wortlauts zu beseitigen“.1109 Eine ähnliche Bekanntmachungserlaubnis hatte bereits am 20. Juni 1996 die Freie und Hansestadt Hamburg in Art. 3 des Sechsten Gesetzes zur Änderung der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg erteilt,1110 von der jedoch kein Gebrauch gemacht wurde.1111 3. Neubekanntmachung von völkerrechtlichen Verträgen Auch völkerrechtliche Verträge können im Laufe der Zeit zahlreichen Änderungen unterliegen. Dazu muss nicht jedes Mal das gesamte Vertragswerk neu beschlossen werden, sondern es reicht grundsätzlich aus, wenn 1106 1107 1108 1109 1110 1111

Siehe Jarass/Pieroth – Jarass, Einleitung, Rn. 3. Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 79, Rn. 2. BayGVBl. 1998, 991. BayGVBl. 1998, 39 (41). HambGVBl. 1996, 129 (133). David, Art. 52, Rn. 35, Fn. 80.

276

J. Schlussbetrachtungen

sich die Vertragsparteien in einem Änderungsvertrag auf die notwendigen Modifikationen einigen. In diesem Fall enthält der Vertrag also – gleich einem Änderungsgesetz – nur die auf das Ausgangsdokument bezogenen Änderungsbefehle. Im Zuge der Ratifikation und der damit verbundenen Übernahme in das nationale Recht muss die Bundesrepublik Deutschland die rechtsstaatlichen Publikationsanforderungen beachten, d.h. insbesondere für eine ausreichende Erkennbarkeit des geltenden Völkervertragsrechts sorgen. Sobald es im Sinne der Rechtssicherheit und -klarheit geboten ist, hat sie deshalb neben den einzelnen Änderungsverträgen ggf. auch eine konsolidierte Neufassung der völkerrechtlichen Vertragstexte im Bundesgesetzblatt Teil II bekannt zu machen.1112 Wenn die Konsolidierung eines Vertragstextes dagegen schon im Rahmen einer Internationalen Organisation beschlossen und durchgeführt wurde, so genügt es natürlich, wenn diese Neufassung anschließend im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wird.1113 Bei der Neubekanntmachung von völkerrechtlichen Verträgen sind einige Besonderheiten zu berücksichtigen, die nicht zuletzt davon abhängen, ob es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag i. S. v. Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG oder um ein sog. Verwaltungsabkommen i. S. v. Art. 59 Abs. 2 S. 2 GG handelt, weshalb diese beiden Vertragstypen hier gesondert dargestellt werden sollen. a) Völkerrechtliche Verträge i. S. v. Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG Völkerrechtliche Verträge, welche „die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen“, bedürfen zur Übernahme in das nationale Recht gem. Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG eines förmlichen Vertragsgesetzes. Während der Vertragstext in der Regel von der Bundesregierung ausgehandelt wird, liegt die Entscheidung über die abschließende Ratifikation allein beim Deutschen Bundestag (unter 1112 Siehe z. B. die Neubekanntmachung der „Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten“ vom 17. Mai 2002 (BGBl. II 2002, 1054); die Neubekanntmachung des „Montrealer Protokolls vom 16. September 1987 über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen“ vom 3. April 2003 (BGBl. II 2003, 345); die Neubekanntmachung des „Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern“ vom 4. Juni 2008 (BGBl. II 2008, 611). 1113 Siehe z. B. die Neubekanntmachung der „Satzung der Internationalen Union für die Erhaltung der Natur und der natürlichen Hilfsquellen“ vom 8. Mai 2002 (BGBl. II 2002, 1164); die Neubekanntmachung der „Pariser Vereinbarung über die Hafenstaatkontrolle“ vom 26. Februar 2004 (BGBl. II 2004, 190); die Neubekanntmachung der „Verfahrensordnung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte“ vom 27. Juli 2006 (BGBl. II 2006, 693).

III. Weitere Anwendungsbereiche der Neubekanntmachung

277

Beteiligung des Bundesrates). Dieser kann dem von den Vertragsparteien bereits unterzeichneten Vertragswerk allerdings nur insgesamt zustimmen oder nicht, also keine Änderungen mehr am Wortlaut vornehmen. Erteilt er die Zustimmung, so wird das Vertragsgesetz zusammen mit dem verbindlichen Vertragstext im Bundesgesetzblatt Teil II veröffentlicht, mit der Folge, dass der völkerrechtliche Vertrag mit seinem Inkrafttreten den Rang eines Gesetzes im formellen Sinne einnimmt und entsprechende innerstaatliche Rechtswirkungen entfaltet.1114 Aufgrund dieses Gesetzesvorbehalts ist die Konsolidierungskompetenz in Bezug auf jene völkerrechtlichen Verträge ebenfalls bei der Legislative anzusiedeln. Diese kann also nicht nur darüber entscheiden, ob der Vertrag überhaupt für die Bundesrepublik Deutschland Geltung erlangen soll, sondern auch, ob er in diesem Fall in konsolidierter Fassung neu im Bundesgesetzblatt II bekannt zu machen ist. Diese Kompetenz muss allerdings auf die einfache Konsolidierung des Vertragstextes beschränkt werden. Für darüber hinausgehende, erweiterte Konsolidierungshandlungen ist dagegen angesichts der oben genannten Besonderheit, dass das Parlament keine Zugriffsrechte auf den Vertragstext hat, sondern dieser nur im gegenseitigen Einvernehmen mit den übrigen Vertragsparteien geändert werden kann, kein Raum. Andernfalls könnte der Staat einseitig in die verbindliche Wortfassung eingreifen, die Grundlage der völkerrechtlichen Vereinbarung ist, mit der Konsequenz, dass in den einzelnen Vertragsstaaten unterschiedliche Textfassungen existieren würden. Deshalb kann die Legislative solche redaktionellen Maßnahmen weder selbst vornehmen noch die Exekutive mittels der Bekanntmachungserlaubnis dazu ermächtigen.1115 Etwas anders ist die Situation hingegen zu bewerten, wenn der völkerrechtliche Vertrag in einer Fremdsprache abgeschlossen wurde und der Verkündung in Deutschland eine amtliche Übersetzung beigefügt wird. Da diese vornehmlich der besseren Verständlichkeit des Vertrages im nationalen Rechtsraum dienen, aber nicht Grundlage der völkerrechtlichen Vereinbarung sein soll, darf sie im Rahmen einer Neubekanntmachung überarbei1114

Siehe Jarass/Pieroth – Jarass, Art. 59, Rn. 19. Siehe z. B. die einfachen Bekanntmachungserlaubnisse in Art. 3 des „Gesetzes zu der am 3. Dezember 1999 in Peking beschlossenen Änderung des Montrealer Protokolls vom 16. September 1987 über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen, und zu weiteren Anpassungen des Protokolls“ vom 23. April 2002 (BGBl. II 2002, 921); Art. 3 des „Gesetzes zu dem Protokoll vom 1. Juni 2006 zur Änderung des am 29. August 1989 unterzeichneten Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern“ vom 7. Dezember 2006 (BGBl. II 2006, 1184). 1115

278

J. Schlussbetrachtungen

tet werden. Rechtlich entscheidend bleibt in diesem Fall allein die offizielle Sprachfassung, welche durch die Bearbeitung der Übersetzung nicht berührt wird. So gesehen hat der Bundestag in Art. 2 des „Gesetzes zu dem Protokoll Nr. 11 vom 11. Mai 1994 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten“ vom 24. Juli 1995 das Bundesministerium der Justiz in legitimer Weise dazu ermächtigt, die Europäische Menschenrechtskonvention „mit einer sprachlich überarbeiteten deutschen Übersetzung“ bekannt zu machen.1116 b) Völkerrechtliche Verwaltungsabkommen i. S. v. Art. 59 Abs. 2 S. 2 GG Als Verwaltungsabkommen werden alle völkerrechtlichen Übereinkünfte bezeichnet, die zu ihrer Wirksamkeit keines Vertragsgesetzes nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG bedürfen.1117 Sie werden von der Exekutive eigenständig abgeschlossen, im Bundesgesetzblatt II veröffentlicht und anschließend in nationales Recht umgesetzt, ohne dass die Legislative an einem dieser Akte zu beteiligen wäre. Dementsprechend fällt auch die Konsolidierungskompetenz hier in den Bereich der Exekutive. Sie benötigt folglich für die Neubekanntmachung von Verwaltungsabkommen keine gesetzliche Bekanntmachungserlaubnis, sondern kann die Bekanntmachung der Neufassung selbst veranlassen, wenn sie die rechtsstaatlichen Erfordernisse für gegeben hält. Im Übrigen gilt bei der Neubekanntmachung von Verwaltungsabkommen gleichermaßen die Einschränkung, dass nur eine einfache Konsolidierung des Vertragstextes vorgenommen werden darf, da auch die Exekutive den Wortlaut des Abkommens nicht ohne Zustimmung der anderen Vertragsparteien einseitig ändern kann. 4. Neubekanntmachung von Rechtsverordnungen Auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht etwas verwunderlich erscheinen mag, aber auch Rechtsverordnungen werden regelmäßig im Bundesgesetzblatt unter den gleichen Umständen wie formelle Gesetze neu bekannt gemacht.1118 Zwar könnte der Verordnungsgeber gem. Art. 80 GG 1116

BGBl. II 1995, 578. Jarass/Pieroth – Jarass, Art. 59, Rn. 20. 1118 Siehe z. B. aus neuerer Zeit die Neubekanntmachungen der Verordnung über tiefgefrorene Lebensmittel vom 22. Februar 2007 (BGBl. I 2007, 258); der Düngeverordnung vom 27. Februar 2007 (BGBl. I 2007, 221); der Verordnung über Emissionserklärungen vom 5. März 2007 (BGBl. I 2007, 289); der Futtermittelverord1117

III. Weitere Anwendungsbereiche der Neubekanntmachung

279

i. V. m. der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage genauso gut eine konstitutive Neufassung der Rechtsverordnung erlassen, dennoch wird anscheinend immer wieder auf das Instrument der „Neubekanntmachung“ zurückgegriffen.1119 Dahinter stehen wohl in erster Linie praktische Überlegungen, denn der Erlass einer Rechtsverordnung bedarf eventuell der Zustimmung des Bundesrates gem. Art. 80 Abs. 2 GG. Darüber hinaus können die Ermächtigungsgesetze weitere Anhörungs- oder Zustimmungserfordernisse vorsehen.1120 Vor allem bei inhaltlich sehr umstrittenen Rechtsverordnungen zieht es der Ermächtigungsadressat deshalb häufig vor, eine eher unproblematische Änderungsverordnung mit einer Bekanntmachungserlaubnis zu versehen, welche es ihm anschließend ermöglicht, die gesamte Rechtsverordnung unter Umgehung der diversen Zustimmungs- und Anhörungsvorbehalte im Bundesgesetzblatt neu bekannt zu machen.1121 Schneider spricht in diesem Zusammenhang von einer „Selbstermächtigung“,1122 was aber nur teilweise zutrifft, denn die Bekanntmachungserlaubnis bedarf natürlich ebenfalls der Zustimmung der Mitwirkungsberechtigten. Erst mit ihrem wirksamen Inkrafttreten kann der Ermächtigungsadressat die Neubekanntmachung der Rechtsverordnung ohne weitere Hindernisse vornehmen. Das Neubekanntmachungsverfahren bei Rechtsverordnungen entspricht damit größtenteils dem von förmlichen Gesetzen, insbesondere weil zur Wahrung der Zustimmungs- und Anhörungsrechte in den meisten Fällen eine Bekanntmachungserlaubnis erforderlich ist.1123 Aber auch in Bezug auf die Rechtsfolgen ergibt sich manche Parallele.1124 So wird man annehmen dürfen, dass dem Verordnungsgeber durch die Bekanntmachungserlaubnis bestimmte Konsolidierungsgrenzen gesetzt werden, welche er nicht überschreiten darf. Andererseits treten hier nicht die gleichen verfasnung vom 24. Mai 2007 (BGBl. I 2007, 770); der Verordnung über Immissionswerte für Schadstoffe in der Luft vom 4. Juni 2007 (BGBl. I 2007, 1006); der Soldatenlaufbahnverordnung vom 8. Juni 2007 (BGBl. I 2007, 1098); der Schadstoff-Höchstmengenverordnung vom 18. Juli 2007 (BGBl. I 2007, 1473); der Sicherheitsüberprüfungsfeststellungsverordnung vom 12. September 2007 (BGBl. I 2007, 2294); der Gefahrgutverordnung See vom 3. Dezember 2007 (BGBl. I 2007, 2815); der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung vom 10. Juli 2008 (BGBl. I 2008, 1229); der EG-Blauzungenbekämpfung-Durchführungsverordnung vom 24. September 2008 (BGBl. I 2008, 1905). 1119 Siehe dazu die Tabelle auf S. 70. 1120 Siehe Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 80, Rn. 9 f. 1121 Vgl. Schneider, Rn. 688. 1122 Schneider, Rn. 688. 1123 Siehe HdR, Rn. 831; zu undifferenziert in dieser Hinsicht Müller, HdG, S. 256, der eine Ermächtigungsnorm anscheinend generell für nicht erforderlich hält. 1124 Siehe BVerfGE 17, 364 (368 f.).

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J. Schlussbetrachtungen

sungsrechtlichen Konflikte zu Tage wie bei der Neubekanntmachung von Gesetzen, denn die Exekutive erhält keinen Zugriff auf eine der Legislative vorbehaltene Handlungsform, sondern bewegt sich weiterhin auf der ihr zugewiesenen, im Rang unter dem förmlichen Gesetz stehenden Verordnungsebene. Insofern könnte es hier verfassungsrechtlich eher zulässig sein, den Verordnungsgeber im Rahmen der Bekanntmachungserlaubnis auch zu bestimmten inhaltsrelevanten „Konsolidierungsmaßnahmen“ zu ermächtigen. Voraussetzung ist allerdings, dass diese erweiterten Befugnisse zuvor in der Bekanntmachungserlaubnis konkret umschrieben werden, dem Verordnungsgeber also kein „Freifahrtschein“ zur beliebigen Verordnungsänderung unter Umgehung sämtlicher Mitwirkungs- und Kontrollinstanzen erteilt wird. Darüber hinaus gilt natürlich weiterhin die materielle Obergrenze der gesetzlichen Verordnungsermächtigung nach Art. 80 GG. Noch einen Schritt weiter wird man wohl in den eher seltenen Fällen gehen können, in denen der Erlass einer Rechtsverordnung ohne irgendwelche fremden Mitwirkungsrechte möglich ist. In dieser Situation kann auf eine vorherige Bekanntmachungserlaubnis ganz verzichtet werden, weil diese jetzt wirklich nur noch einen rein formalen „Selbstermächtigungsakt“ darstellen würde. Stattdessen drängt sich die Frage auf, ob die Neubekanntmachung in diesem Fall automatisch eine konstitutive Neufassung erzeugt. Das ist meines Erachtens grundsätzlich zu bejahen, denn nun sind ja schließlich alle Gründe weggefallen, welche die Exekutive bisher von der Verkündung einer verbindlichen Neufassung abgehalten haben. Wenn sich der Verordnungsgeber schon die Mühe macht, die gesamte Rechtsverordnung in konsolidierter Form in dem amtlichen Publikationsorgan zu veröffentlichen und dabei alle formellen Voraussetzungen des Verordnungsverfahrens einhält, so sollte er dafür auch die volle Verantwortung übernehmen, sprich der neuen Verordnungsfassung eine konstitutive Wirkung einräumen. Das gilt umso mehr, wenn er bei dieser Gelegenheit inhaltsrelevante Änderungen an dem Verordnungstext vornimmt. Für eine relative Verbindlichkeit besteht, da die Exekutive hier nicht nur Inhaberin der Konsolidierungs-, sondern gleichzeitig auch der Rechtsetzungskompetenz ist, überhaupt keine Notwendigkeit mehr, weshalb von einem Rückgriff auf diese Konstruktion abgesehen werden sollte.1125 Möchte die Exekutive von ihren Rechtsetzungsbefugnissen ausnahmsweise keinen Gebrauch machen, so kann sie selbstverständlich auch rein informatorische Neufassungen herausgeben. Diese sollten aber nicht den amtlichen Anschein der Wirksamkeit hervorrufen, also insbesondere nicht im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden.

1125

So im Ergebnis wohl auch HdR, Rn. 831.

III. Weitere Anwendungsbereiche der Neubekanntmachung

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5. Neubekanntmachung von sonstigen Rechtsakten Schließlich gibt es noch eine Vielzahl sonstiger Rechtsakte, die aufgrund ihrer regelmäßigen Weiterentwicklung gelegentlich in konsolidierter Fassung neu bekannt gemacht werden müssen. Dies geschieht jedoch nicht im Bundesgesetzblatt, sondern in einem der zahlreichen regionalen Mitteilungsblätter. Außerdem stellen sich dabei nicht die besonderen verfassungsrechtlichen Probleme wie bei der Neubekanntmachung von Gesetzen, weshalb auf diese speziellen Neubekanntmachungsvarianten, zu denen etwa die • Neubekanntmachung von Satzungen oder Verordnungen von Selbstverwaltungskörperschaften (z. B. Kommunen oder Universitäten),1126 • Neubekanntmachung von Verdingungsordnungen,1127 • Neubekanntmachung von Staatsverträgen1128 oder • Neubekanntmachung von Flächennutzungsplänen (§ 6 Abs. 6 BauGB)1129 zählen, nicht mehr eingegangen wird.

1126

Siehe z. B. die Neubekanntmachung der Studienordnung für den Studiengang Rechtswissenschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster vom 2. Februar 1998 („Amtliche Bekanntmachungen“ der Westfälischen Wilhelms-Universität 1998/1). Bei der Neubekanntmachung von kommunalen Satzungen ergeben sich aufgrund der Aufgabenverteilung zwischen Rat und Bürgermeister viele Parallelen zur Neubekanntmachung von Gesetzen; siehe im Ergebnis VGH München, NVwZ-RR 2006, 286. 1127 Siehe z. B. die Neubekanntmachung der Verdingungsordnung für Leistungen – Teil A (VOL/A) vom 6. April 2006 (BAnz. 2006, Nr. 100a). 1128 Art. 6 Abs. 5 des Zehnten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 24. Juni 2008 enthält z. B. folgende Bekanntmachungserlaubnis: „Die Länder werden ermächtigt, den Wortlaut des Rundfunkstaatsvertrages, des ZDF-Staatsvertrages, des Deutschlandradio-Staatsvertrages, des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages und des Rundfunkgebührenstaatsvertrages in der Fassung, die sich aus den Artikeln 1 bis 5 ergibt, mit neuem Datum bekannt zu machen.“ 1129 Siehe dazu Battis/Krautzberger/Löhr – Löhr, § 6, Rn. 25; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger – Krautzberger, § 6 BauGB, Rn. 92 ff.

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Sachregister Ablösungsgesetz 46, 120, 253, 262, 266 Amtsblatt – der Bundesministerien 39 – der Europäischen Union 58, 98 Amtshaftung 230 – Amtshandlung 232 – Amtspflichtverletzung 233, 237, 239 – des Richters siehe Richterspruchprivileg – Drittbezogenheit 235, 238 – durch Unterlassen 237 – Verschulden 239 – Vertrauenshaftung 232 Änderungsbefehl 47, 60, 81, 93, 133, 199, 229, 267, 276 Änderungsgesetz 47, 51, 77, 89, 98, 144, 171, 199, 224, 229, 261, 265 – Dokumentationsfunktion 49, 114 – Fundstelle 52, 272 – Geltungsdauer 48 – Kern-Hülle-Modell siehe dort – Nachteile 49 – Schichtenmodell siehe dort – Vorteile 49 Änderungsverordnung 279 Änderungsvertrag 276 Annexakt 170, 247 Ausfertigungsdatum 26, 219 Auslegung 157, 210–211, 248 – contra legem 158 – grammatische 160 – Grenze 160, 257 – Kernbereich 160 – negativer Bereich 160 – objektive Theorie siehe dort

– subjektive Theorie siehe dort – systematische 161, 209 Bekanntmachung der Neufassung siehe Neubekanntmachung Bekanntmachungserlaubnis 71–72, 89, 109, 111, 115, 122, 137, 166, 178, 181, 220, 231, 262, 273, 275, 279 – Adressat 75, 259 – Änderungsanweisung 81 – Änderungsermessen 82 – aufschiebende Bedingung 187, 205, 208 – Ausübungsermessen 182, 190 – Dauerermächtigung siehe dort – einfache 74, 127, 191, 202, 205 – Erlöschen 187 – Ermächtigung 181 – Ermächtigungszeitraum 102, 189 – erweiterte 80, 137, 194, 197, 221 – Fundstelle 88 – Gegenstand 77 – gerichtliche Überprüfung 249–250, 259 – imperative 183 – Inkrafttreten 186, 227 – konkludenter Widerruf 191 – nachträgliche 227 – pauschale 78 – Rechtsnatur 178 – Verbrauch 188 – verfassungswidrige 197, 210, 212, 221, 225, 250 – Verwirkung 189 – Wirksamkeit 184 Bekanntmachungsfehler 101, 220, 225, 248, 256

Sachregister – Berichtigung siehe dort – Haftung siehe Amtshaftung – Rechtsfolgen 224 Bekanntmachungsformel 88 Bekanntmachungsstelle 75, 82, 230 Bekanntmachungstext 86, 219, 223, 228 Berichtigung 23, 36, 103, 147, 172, 191, 199, 228, 231, 245 – Fundstelle 104, 228 – von Druckfehlern siehe dort – von offenbaren Unrichtigkeiten siehe dort Bestimmtheitsgrundsatz 216 Bulletin des lois de la République 31 Bundesamt für Justiz 64, 85, 100 Bundesanzeiger 38 Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft 40, 100 Bundesbehörde – Bezeichnungsanpassung 204 – Zuständigkeitsanpassung 204 Bundesfinanzhof 115 Bundesgesetzblatt 23, 28, 33, 43, 57, 62, 64, 75, 78, 100, 120, 136–137, 148, 151, 159, 165, 178, 185, 204, 214, 231, 237, 240, 256, 261, 273, 278 – allgemeiner Zugang 40 – Ausgabe 25 – Bürgerzugang 41 – elektronisches 42, 274 – Fundstellennachweis 52 – Herausgeber 40 – Hinweismarken 52 – im Internet 41, 273 – inhaltliche Zugänglichkeit 59, 262 – Kosten 40 – Schriftleitung 25 – Teil I 34, 96 – Teil II 35, 276 – Teil III 36, 89, 216, 271 – Verfügbarkeit 40

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Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes 32 Bundeskanzler 21, 204, 251 Bundesländer 126, 274 Bundesminister 21, 75, 90, 233, 251 Bundesministerium 75, 85 – der Justiz 25, 36, 38, 40, 64, 71, 85 Bundespräsident 22, 24, 180 Bundesrat 20, 126, 251, 253, 279 Bundesregierung 19, 25, 247, 251, 276 Bundesstaatsprinzip 126 Bundestag 20, 123, 180, 247, 251, 253, 276 Bundesverfassungsgericht 105, 159, 174, 184, 210, 216, 231, 247, 250 – Nichtigerklärung 96, 257 – qualitative Teilnichtigerklärung ohne Normtextreduzierung 98 – Teilnichtigerklärung 97 – Unvereinbarerklärung 97, 257 – Urteile 96 – Vorlagepflicht 225 – Zitierweise 151 Bundesverwaltungsgericht 113 Datenbank des Bundesrechts 64, 85 Dauerermächtigung 73, 80, 89, 188, 191 Demokratieprinzip 63, 125, 197 Derogation 48, 266, 270 Druckfehler 147, 173, 191 Einzelfallgesetz 236 Einzelnovelle 47 Ermächtigung siehe Bekanntmachungserlaubnis errata-Vermerk 173, 191 EU-Richtlinien 98 Exekutive 68, 121, 128, 137, 147, 172, 179, 197, 252, 269, 278, 280 – Konsolidierungsermächtigung 166, 181, 188

294

Sachregister

– Rechtsetzungsermächtigung 124, 127 Exkulpation 244–245 Fachgericht siehe Gericht Fachminister siehe Bundesminister Fahrlässigkeit 240, 243 feststellender Verwaltungsakt 167 Flächennutzungsplan 281 Fußnote siehe Neufassungstext Gefährdungssituation 231, 234 gegenstandslose Vorschriften siehe obsolete Vorschriften Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien 70 Gender Mainstreaming 207 Genehmigung 181 Genehmigungsverfahren 269 Gericht 225, 239, 241, 248, 250, 256, 258, 265 Gesetz 34, 132 – Änderung 45, 96, 111, 130, 168, 198, 209 – Außerkrafttreten 94, 215 – Berichtigung siehe dort – Ersetzung 46 – formelle Grundlage 114, 166, 170, 195, 226, 252, 262 – formelles 18, 77, 120, 124, 129, 155, 197, 248, 250, 266, 275 – Inhaltsübersicht 91, 218 – Inkrafttreten 26, 94, 111, 128 – materielles 126, 248 – Neubekanntmachung siehe dort – Neufassung siehe dort – Publikation siehe Gesetzespublikation – Überschrift 87, 91, 210 – Urfassung siehe dort – Verkündung siehe dort Gesetz über den Abschluss der Sammlung des Bundesrechts 37

Gesetz über die Sammlung des Bundesrechts 36, 216 Gesetzes-Check 264 Gesetzesänderungsvorbehalt 132 Gesetzesinhalt 156, 163, 165, 168, 171, 224, 228, 252, 263 Gesetzeskonsolidierung 54, 78, 85, 134, 145, 157, 179, 198, 224, 261 – Bedürfnis 184, 265, 275 – Ermessensspielraum 185, 237 – im Internet 64, 272 – Kompetenz siehe Konsolidierungkompetenz – Mehrwert 54 – staatliche Pflicht 63, 136, 166, 183, 185, 237, 262, 274 Gesetzeskraft 96, 146, 151 Gesetzespublikation 29, 120, 179 – Absolutismus 30 – Deutsches Reich 32 – formelle 29, 31, 40, 62, 64, 159, 165, 261, 273–274 – frühe Neuzeit 29 – Hoch- und Spätmittelalter 29 – im Internet 42, 272 – materielle 31–32 – unverständliche 57 Gesetzesrang 122, 262, 269, 277 – nachträgliche Änderung 146 Gesetzesschicht 48 Gesetzestext siehe Gesetzeswortlaut Gesetzesverweisung siehe Verweisung Gesetzesvorbehalt 127, 277 Gesetzesvorrang 124, 127, 130 Gesetzeswille 160 Gesetzeswortlaut 22, 95, 122, 156, 159, 195, 211, 218 – aktueller 50, 54 – amtlicher 91, 137, 155, 231, 241, 252 – Anpassung 80, 85, 111, 137, 163, 167, 170, 194–195, 197, 209, 250, 273

Sachregister – – – – – – –

Auslegung siehe dort Berichtigung siehe dort falscher 234 Modernisierung 201 Umstellung 209 Unstimmigkeit 111, 198 vollständiger 45–46, 54, 57, 91, 120 – Wiedergabe 170, 231, 234, 273 – Zitierweise 195 Gesetzgeber siehe Legislative Gesetzgebung siehe Legislative Gesetzgebungsverfahren 19, 120, 266 – Abschlussverfahren 21 – Ausfertigung 22, 180 – Einleitungsverfahren 19 – Gegenzeichnung 21, 180 – Hauptverfahren 20 – Verkündung siehe dort Gewaltenteilung 123, 130, 138, 197, 262, 274 – Durchbrechung 124, 271 Grenze der Norminhaltsänderung 168, 197, 200, 224, 234 Grundgesetz 105, 125, 223, 226, 247, 253, 269, 275 Grundrechtsgefährdung 256, 258 Grundrechtsverletzung 255 Grundsatz der Klarheit und Verständlichkeit des Rechts 57, 60, 217, 261, 265, 274 Grundsatz der Subsidiarität 258 Grundsatz der Unverrückbarkeit 20, 175, 180, 252 Handbuch der Rechtsförmlichkeit 48, 71, 117, 147 ignorantia iuris nocet 31 Informationsakt 134, 145, 166, 170 Inkraftsetzungsverordnung 128 Inkrafttretensvorschrift 186 Internet 39, 41–42, 56, 64, 272

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Judikative 151, 163 juris GmbH 64 juristische Semantik 157 Kern-Hülle-Modell 47, 114 Konsolidierungsakt 63, 121, 147, 169, 175, 231, 248, 255 Konsolidierungskompetenz 178, 220, 252, 277–278, 280 – Übertragung 181, 184, 197 Konsolidierungspflicht siehe Gesetzeskonsolidierung, staatliche Pflicht Landesgesetz 274 Landesregierung 247 Landesverfassung 275 Legislativbefugnis 125, 252 Legislative 72, 112, 123, 137, 147, 179, 185, 197, 202, 209–210, 212, 250, 253, 277 – Arbeitsentlastung 82, 138, 263 – Kernbereich 124, 132, 197, 215 – Wille 122, 125, 158–159, 190, 225, 229, 268 legislative Bezugnahme 229 legislatives Unrecht 236 Logikfehler 199 Loseblattsammlung 55, 272 Maßnahmegesetz 236 Mantelgesetz 47, 78 Neubekanntmachung 17, 35, 65, 121, 165, 169, 175, 191, 225, 241, 261 – Abhängigkeitsverhältnis 170 – absolute Verbindlichkeit 119, 168 – abstrakt-generelle Maßnahme 236, 247 – Alternativen 266 – Bekanntmachungstext siehe dort – Berichtigung siehe dort – Datum 87, 100, 219

296

Sachregister

– deklaratorische Wirkung 105, 167 – des Grundgesetzes 275 – Erlaubnis siehe Bekanntmachungserlaubnis – fehlende Ermächtigung 220, 233, 252 – Fehler siehe Bekanntmachungsfehler – formaler Aufbau 86 – gerichtliche Überprüfung 247 – Grundrechtsgefährdung 256 – Grundrechtsverletzung 255 – Häufigkeit 69, 264 – Heilung 227 – Historie 67 – im Deutschen Reich 67 – im Internet 272 – in der Weimarer Republik 67 – informatorische Wirkung 134, 155 – konstitutive Wirkung 120, 262, 280 – Maßgeblichkeitswirkung 114, 147, 170, 262 – mehrfache 188 – Nichtanwendungskompetenz 226, 248, 250 – Nichtigkeit 224 – öffentliche Aufgabe 233 – Rechtserheblichkeit 252 – Rechtsnatur 105, 176 – relative Verbindlichkeit 119, 168, 224, 243, 248, 262, 280 – Richtigkeitsvermutung 171, 241, 263 – Überschreitung des Ermächtigungsrahmens 220, 225, 233, 252 – Überschrift 86 – Unterlassen 237 – Unterschrift 90, 100 – Verfahren 72, 279 – verfassungsrechtliche Grenzen 133, 166, 198 – Veröffentlichungsdatum 100, 186–187, 189

– – – – – –

Vertrauenstatbestand siehe dort Vollständigkeitsvermutung 171 von Flächennutzungsplänen 281 von Landesgesetzen 274 von Landesverfassungen 275 von Rechtsverordnungen 35, 200, 278 – von Satzungen 281 – von Staatsverträgen 281 – von Verdingungsordnungen 281 – von völkerrechtlichen Verträgen 36, 275 – von völkerrechtlichen Verwaltungsabkommen 36, 278 – Zulässigkeit 185 – zuständige Stelle siehe Bekanntmachungsstelle Neufassung 91 – als Anlage 268 – Datum 219 – konstitutive siehe Neuverkündung – ministerielle siehe Neubekanntmachung – optische Verbesserung 212 – parlamentarische siehe Neuverkündung – redaktionelle Verbesserung siehe dort – Stichtag 78, 89, 91, 94, 100, 188–189, 227 Neufassungstext 91, 128, 165, 169–171, 224, 226, 228–229, 243, 257 – Berichtigung siehe dort – Fehler siehe Bekanntmachungsfehler – Fußnotenhinweis 91, 95, 189, 196, 202, 207 – Klammerhinweis 92, 195, 215–216 Neunummerierung 202, 212 Neuverkündung 46, 120, 169, 185, 191, 253, 266, 279 – durch die Exekutive 269

Sachregister normativer Geltungsanspruch 170, 248, 266 normatives Unrecht siehe legislatives Unrecht Normbehälter 157 Normenkontrolle – abstrakte 113, 247 – konkrete 106, 110, 113, 225, 250 Normenwahrheit 133 Norminhalt siehe Gesetzesinhalt Normklarheit siehe Rechtsklarheit Normtext siehe Gesetzeswortlaut Normträger 157, 166, 169 Numerus clausus der Rechtsetzungsformen 128 objektive Theorie 158, 167 objektivierter Wille des Gesetzgebers 159 obsolete Vorschriften 92, 195, 215 offenbare Unrichtigkeit 147, 173, 191, 225, 228, 231, 245 – Grammatikfehler 193, 223 – Normverweisungsfehler 193, 202 – Nummerierungsfehler 193 – Rechtschreibfehler 173, 192, 223 – Zeichensetzungsfehler 193 Organisationserlass 204 Organisationsgewalt 204 Organstreitverfahren 251 Paragraphenlücke 92, 196, 215 Parlament siehe Bundestag 123 Parlamentsgesetz siehe Gesetz, formelles Positivistische Lehre 157 – objektive Theorie siehe dort – subjektive Theorie siehe dort private Gesetzessammlung 45, 55, 61, 214, 240, 245, 262, 266 Ratifikation 35, 276 Rechtsanwendung

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– Fehler 238, 257 – Sorgfaltspflicht siehe dort Rechtsbereinigung 36, 137 Rechtschreibfehler siehe offenbare Unrichtigkeit Rechtschreibreform 194 Rechtserkenntnisquelle 159, 171 Rechtsetzung 157, 197 Rechtsetzungsakt 122, 126, 169, 255 Rechtsetzungskompetenz 109, 111, 280 – Übertragung auf Exekutive 124 Rechtsfindung 29, 225 Rechtsirrtum 244 Rechtsklarheit 45, 156, 159, 190, 195, 236, 266, 276 – formelle 59, 165, 262, 266 – materielle 58, 261 Rechtsmethodik 157 Rechtsordnung – natürliche 29 – positive 30 Rechtssicherheit 23, 45, 62, 158, 162, 184, 190, 236, 253, 263, 276 Rechtsstaatsprinzip 57, 237, 265 Rechtsverordnung 34, 38, 77, 124, 127, 146, 208, 226, 278 – gesetzesändernde 131 – gesetzesvertretende 129, 133 redaktionelle Änderung siehe Gesetzeswortlaut, Anpassung redaktionelle Verbesserung 175, 197–198, 228, 263 Reichsgesetzblatt von 1848 32 Richterspruchprivileg 241 Sachsenspiegel 29 Sammlung des Bundesrechts 36 Satznummer 214 Satzung 281 Schaden 231, 237, 243 Schadensersatzanspruch 236 Scheinnorm 248, 256

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Sachregister

Schichtenmodell 48 Sorgfaltspflicht 171, 264 – von Amtsträgern 241 – von Privatpersonen 242 Sprachverständnis 160 Staatssekretär 90 Staatsvertrag 281 Stammgesetz 46, 77, 166, 249 strukturierende Rechtslehre 163 subjektive Theorie 157 Textformular 164 Textverwerfungskompetenz 226 Überschrift – Artikel- 211 – Gesetzes- siehe dort – Paragraphen- 211 Übersetzung 277 Unstimmigkeit siehe Gesetzeswortlaut Urfassung 45, 51, 90–91 Verdingungsordnung 281 Verfassungsbeschwerde 107, 110, 113, 254, 265 – Frist 255 Verkündung 23, 179, 187, 227 – adäquate 59, 262 – Befehl 25, 179 – Datum 25

– im Internet 42 – Zuständigkeit 24, 179 Verkündungsorgan siehe Bundesgesetzblatt Verordnungsermächtigung 109, 124, 127, 150, 183, 280 Verordnungsvorbehalt 131 Vertragsgesetz 35, 77, 276 Vertrauenshaftung 232 Vertrauenstatbestand 231, 243, 263 Verwaltungsbehörde 226, 239 Verweisung – Anpassung 202, 213 – externe 213, 273 – interne 99, 213, 273 – statische 229 völkerrechtliche Übereinkunft 35 – Vertrag 275 – Verwaltungsabkommen 278 Vollständigkeitsprinzip 24, 57, 273 Währungsanpassung 206 weggefallene Vorschriften 92 Wiederverlautbarung in Österreich 269 www.bundesgesetzblatt.de 41 www.gesetze-im-internet.de 64 Zuständigkeitsanpassungsgesetz 144, 204 Zuständigkeitsanpassungsverordnung 90, 204