Die angemessene Gegenleistung nach § 31 Abs. 1 WpÜG im Lichte des Verfassungsrechts: Zugleich ein Beitrag zur Bedeutung des Eigentumsgrundrechts im Gesellschaftsrecht [1 ed.] 9783428525973, 9783428125975

Eine angemessene Gegenleistung muss bei öffentlichen Übernahmen börsennotierter Gesellschaften geboten werden. Michael J

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Die angemessene Gegenleistung nach § 31 Abs. 1 WpÜG im Lichte des Verfassungsrechts: Zugleich ein Beitrag zur Bedeutung des Eigentumsgrundrechts im Gesellschaftsrecht [1 ed.]
 9783428525973, 9783428125975

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 15

Die angemessene Gegenleistung nach § 31 Abs. 1 WpÜG im Lichte des Verfassungsrechts Zugleich ein Beitrag zur Bedeutung des Eigentumsgrundrechts im Gesellschaftsrecht

Von

Michael Jünemann

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

MICHAEL JÜNEMANN

Die angemessene Gegenleistung nach § 31 Abs. 1 WpÜG im Lichte des Verfassungsrechts

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Bonn Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 15

Die angemessene Gegenleistung nach § 31 Abs. 1 WpÜG im Lichte des Verfassungsrechts Zugleich ein Beitrag zur Bedeutung des Eigentumsgrundrechts im Gesellschaftsrecht

Von

Michael Jünemann

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat diese Arbeit im Jahre 2007 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-12597-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Mutter und meinen Großeltern

Vorwort In seinem Buch ‚Random Walk down Wall Street‘ beschrieb der Wirtschaftswissenschaftler Burton Malkiel die Theorie der effizienten Kapitalmärkte – jegliche verfügbare Information sei jederzeit in die Aktienkurse eingepreist. Wenn aber alle für die Aktie wichtigen Informationen bereits im Marktpreis enthalten sind, so können sich die Kurse nur durch neue, unbekannte Ereignisse ändern – also nur unvorhersehbare Ereignisse können die Kurse bewegen. Damit ist eine Kursprognose schlichtweg nicht möglich. Im Extremfall, so folgert Malkiel, bedeute das, dass ein Affe, der mit verbundenen Augen auf einen Kurszettel werfe, ein Portfolio auswählen könne, das genauso gut sei wie ein Profi-Portfolio. Komplett effizient sind Kapitalmärkte höchst wahrscheinlich nicht – ein Minimum an Ineffizienz oder zumindest den Glauben daran muss es sogar geben, denn sonst würde kein Analyst versuchen, den Markt herauszufordern. Allerdings sorgt er mit seiner Suche nach Ineffizienzen gerade dafür, dass der Markt noch effizienter wird, was wiederum seine Prognosebemühungen sinnloser erscheinen lässt. Das paradoxe daran: Gerade durch ihre Bemühungen machen sich die Analysten überflüssig. Diese für die Marktteilnehmer wenig gewinnbringende Aussicht freut den Juristen auf der Suche nach dem gerechten Preis. Nur steht zu befürchten, da sich die Anzahl und die Fähigkeiten der Analysten umgekehrt proportional zur Effizienz der Kapitalmärkte verhalten werden, dass ein Rest Ineffizienz gleichgewichtsbedingt im Markt(preis) verbleibt, die den Juristen nicht ruhen lässt. Mein herzlicher Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Jürgen Oechsler, der die Anregung zu diesem Buch gab und mich in vielfältiger Weise gefördert und ermuntert hat. Ich habe die Zeit an seinem Lehrstuhl sehr genossen. Bedanken möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Mathias Habersack für die Erstellung des Zweitgutachtens und bei meinen Kollegen am Lehrstuhl, Herrn Dr. Frederik Bungart und Herrn Dr. Erik Kießling, für die anregenden Diskussionen und Denkanstöße. Bei meiner lieben Freundin Gabi Linke bedanke ich mich für ihre großartige Unterstützung bei der Fertigstellung des Manuskripts und bei Frau Katrin Jünemann für ihre Begleitung beim Schreiben dieses Buches.

8

Vorwort

Besonders herzlicher Dank gebührt meiner Mutter. Ihre uneingeschränkte Förderung meiner Ausbildung und ihre liebevolle Unterstützung haben den Grundstein für die vorliegende Arbeit gelegt. Frankfurt am Main, April 2007

Michael Jünemann

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung.........................................................................................................

17

B. Die Preisregel zwischen Verbands- und Kapitalmarktrecht .......................

23

I.

Telos der Preisregel..................................................................................

23

II.

Einzelprobleme der Preisregel..................................................................

30

1.

Marktergebniskontrollfunktion der Preisregel für freiwillige Übernahmeangebote .................................................................................

30

2.

Subjektive Rechte und Preisregel .....................................................

36

a)

Eigentumsentschädigungsfunktion der Mindestpreisregel ........

36

aa) Kapitalmarktrechtliche Einordnung des Pflichtangebots ...

37

b)

bb) Verbandsrechtliche Einordnung des Pflichtangebots.........

41

(1) Treuepflicht ................................................................

41

(a) Treuepflicht und Kontrolle..................................

42

(b) Treuepflicht beim Aktienhandel .........................

44

(2) Gesetzliches Schuldverhältnis ....................................

45

(3) Verbandsrechtliche Begründung einer Konditionenkontrolle .....................................................................

47

cc) Verfassungsrechtliche Einordnung der Preisregel .............

49

dd) Ökonomische Folgerungen einer verfassungsbedingten Preisfindung.......................................................................

51

Eigentumsentschädigungsfunktion der Gleichpreisregel...........

53

aa) Ökonomie der Gleichpreisregel .........................................

54

bb) Verbandsrecht und Gleichpreisregel ..................................

57

III. Weiterer Gang der Untersuchung.............................................................

60

C. Wirkung der Grundrechte in der Privatrechtsordnung..............................

62

I.

Ausgangspunkt der Untersuchung............................................................

62

II.

Drittwirkung von Grundrechten ...............................................................

62

III. Bindung des Privatrechtsgesetzgebers......................................................

63

IV. Bindung der Zivilrechtsprechung .............................................................

66

10

Inhaltsverzeichnis Bindung der vollziehenden Gewalt ..........................................................

67

VI. Bindung von Privatpersonen ....................................................................

V.

69

VII. Fazit..........................................................................................................

73

VIII. Besonderheiten der mittelbaren Drittwirkung im Aktienrecht .................

74

1.

Satzungsrecht der Aktiengesellschaft ...............................................

75

2.

Beschlüsse der Gesellschafterversammlung .....................................

77

a)

Beschlussgegenstände mit gesetzlicher Ermächtigung..............

78

b)

Sonstige Beschlussgegenstände.................................................

80

IX. Zusammenfassung: Verfassungsrecht und Aktienrecht............................

82

D. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht ..............

83

I.

II.

Eigentumsschutz zwischen Mehrheit und Minderheit in der Aktiengesellschaft...............................................................................................

85

1.

Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ....................................

86

2.

Gesetzgeberisches Unterlassen und Bestehen einer Schutzpflicht....

88

Feldmühle-Urteil ......................................................................................

90

1.

Schutzbereich....................................................................................

90

2.

Eingriff .............................................................................................

91

3.

Verfassungsrechtliche Rechtfertigung ..............................................

91

4.

Schutzgebot ......................................................................................

92

III. Mitbestimmungsurteile.............................................................................

93

1.

Schutzbereich....................................................................................

94

2.

Funktion des Kapitalmarktes als Schutzgut des Art. 14 GG .............

95

3.

Eingriff: Qualitative Veränderung und quantitative Beschränkung des Anteilseigentums ........................................................................

96

Bedeutung für das WpÜG.................................................................

98

4.

a)

Schutzbereich der Aktionärsstellung des Minderheitsaktionärs ....................................................................................

99

b)

Wahlen als mittelbare Verfügungsbefugnis............................... 100

c)

Abstimmungen als mittelbare Verfügungsbefugnis................... 102

d)

Fazit........................................................................................... 102

IV. DAT/Altana-Beschluss............................................................................. 104 1.

Schutzbereich.................................................................................... 105 a)

Terminologie zur Beschreibung des Schutzbereichs ................. 106

b)

Einheitlichkeit des Schutzbereichs und Abspaltungsverbot ...... 106

Inhaltsverzeichnis

11

c)

Begrenzung der mitgliedschaftlichen Stellung in vermögensrechtlicher Hinsicht durch das Abspaltungsverbot .................... 109

d)

Zuweisungsgehalt der mitgliedschaftlichen Stellung in vermögensrechtlicher Hinsicht ....................................................... 116 aa) Vermögen des Verbandes .................................................. 118 bb) Vermögen des Mitglieds .................................................... 119

e)

Mitglied als wirtschaftlicher Eigentümer des Gesellschaftsvermögens ................................................................................. 122

f)

Positive Beschreibung der Eigentumsposition i. S. d. Art. 14 GG................................................................................. 125 aa) Verwaltungsrechte als Eigentumsposition(en)................... 125 bb) Privatnützigkeit des Eigentumsgegenstandes Verwaltungsrecht........................................................................... 127 cc) Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand Verwaltungsrecht ..................................................................... 128 dd) Verwaltungsrechte als vermögenswerte Rechte................. 130

g) 2.

Fazit........................................................................................... 130

Schutzgebot für angemessene Abfindung und angemessenen Ausgleich ................................................................................................ 131 a)

Unterscheidbarkeit von inhaltsbestimmenden und schrankenziehenden Gesetzen ................................................................... 132

b)

Ausgleichspflichtigkeit von Inhaltsbestimmungen.................... 135

c)

Höhe des angemessenen Ausgleichs und der angemessenen Abfindung ................................................................................. 138 aa) Festlegung mittels Kontrolle der Inhaltsbestimmung......... 140 bb) Festlegung mittels Schutzgebot des Grundrechts............... 143 (1) Allgemeingültigkeit des Schutzgebots für die Auslegung des Zivilrechts ................................................ 143 (2) Inhalt des Schutzgebots .............................................. 145 cc) Einzelaspekte zur Festlegung der Ausgleichs-/Abfindungshöhe .......................................................................... 151 (1) Börsenkurse ................................................................ 154 (2) Außerbörslich vom herrschenden Unternehmen gezahlte Preise................................................................ 157

d) V.

Folgerungen für den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ....................................................................................... 159

Moto Meter-Beschluss ............................................................................. 166 1.

Primärer Bestandsschutz................................................................... 167

12

Inhaltsverzeichnis 2.

Sekundärer Bestandsschutz............................................................... 168

E. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im WpÜG ................................. 173 I.

II.

Aktie als mitgliedschaftliches Vermögens- und Verwaltungsrecht .......... 173 1.

Beeinträchtigung des Eigentums an der Gesellschaft ....................... 173

2.

Grundrechtsgefährdung .................................................................... 176

Aktie als ‚Sphäre individueller Freiheit in finanzieller Hinsicht‘............. 177 1.

Beeinträchtigung des Eigentums an der Aktie .................................. 177

2.

Fungibilität der Aktie als Vermögensgegenstand ............................. 178 a)

Fungibilität durch Übertragbarkeit ............................................ 178

b)

Fungibilität durch Handelbarkeit............................................... 178 aa) Macrotron-Urteil des Bundesgerichtshofs ......................... 179 bb) Wirkung des Delisting auf die mitgliedschaftliche Stellung .................................................................................... 181 cc) Wirkung des Delisting auf die Aktie.................................. 182 (1) Einfachgesetzlicher Schutz der Börsenzulassung....... 183 (2) Einfachgesetzlicher Schutz der Desinvestitionsmöglichkeit........................................................................ 186

c)

Fungibilitätsverlust durch Kontrollwechsel............................... 188

III. Fazit.......................................................................................................... 189 F.

Ausblick ........................................................................................................... 191 I.

II.

Europarecht .............................................................................................. 191 1.

Übernahme-Preisregel ...................................................................... 191

2.

Squeeze-out-Preisregel ..................................................................... 193

Wettbewerblicher Ansatz ......................................................................... 198

G. Schlussbetrachtung ......................................................................................... 201 H. Thesen .............................................................................................................. 203 Literaturverzeichnis ............................................................................................... 205 Stichwortverzeichnis .............................................................................................. 224

Abkürzungsverzeichnis a. A.

anderer Ansicht

Abl.

Amtsblatt

AblEG

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften

AcP

Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift; zitiert nach Band und Seite; in Klammern Erscheinungsjahr des jeweiligen Bandes)

AG

Aktiengesellschaft; Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift)

AktG

Aktiengesetz

AngebotsVO

Verordnung über den Inhalt der Angebotsunterlage, die Gegenleistung bei Übernahmeangeboten und Pflichtangeboten und die Befreiung von der Verpflichtung zur Veröffentlichung und zur Abgabe eines Angebots (WpÜG-Angebotsverordnung)

Art.

Artikel

AT

Allgemeiner Teil (z. B. BGB)

BaFin

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht

BayObLG

Bayerisches Oberstes Landesgericht

BB

Betriebs-Berater (Zeitschrift)

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BKR

Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht

BörsG

Börsengesetz

BörsZulV

Börsenzulassungsverordnung

BT-Drucks

Drucksache des Deutschen Bundestages

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGG

Gesetz über das Bundesverfassungsgericht

c. i. c.

culpa in contrahendo

City Code

City Code on Takeovers and Mergers and The Rules Governing Substantial Acquisitions of Shares

DB

Der Betrieb (Zeitschrift)

DBW

Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift)

14

Abkürzungsverzeichnis

ders.

derselbe

dies.

dieselbe(n)

DnotZ

Deutsche Notarzeitung

DÖV

Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift)

DStR

Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift)

DZWiR

Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

EGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EuGRZ

Europäische Grundrechte-Zeitschrift

EwiR

Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)

Fn.

Fußnote

FS

Festschrift

GesRZ

Der Gesellschafter, Zeitschrift für Gesellschafts- & Unternehmensrecht

GG

Grundgesetz

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GmbHG

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung

Großkomm-AktG

Großkommentar zu AktG, herausgegeben von Klaus J. Hopt und Herbert Wiedemann

Halbs.

Halbsatz

h. M.

herrschende Meinung

IDW

Institut der Wirtschaftsprüfer

i. S.

im Sinne

J.Bus.

Journal of Business

J.Fin.Econ.

Journal of Financial Economics

J.Fin.Quant.Anal.

Journal of Financial and Quantitative Analysis

JuS

Juristische Schulung (Zeitschrift)

JZ

Juristenzeitung (Zeitschrift)

KGaA

Kommanditgesellschaft auf Aktien

KölnerKomm-AktG

Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, herausgegeben von Wolfgang Zöllner

KölnerKomm-WpÜG

Kölner Kommentar zum WpÜG, herausgegeben von Heribert Hirte, Christoph von Bülow

KritV

Kritische Vierteljahresschrift

LG

Landgericht (mit Ortsnamen)

Abkürzungsverzeichnis

15

LMK

Lindenmaier-Möhring Kommentar, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs

MitbestG

Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz) v. 4.5.1976 (BGBl. I S. 1153

MüKo-AktG

Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, herausgegeben von Bruno Kropff, Johannes Semler

MüKo-BGB

Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, herausgegeben von Kurt Rebmann, Franz Jürgen Säcker, Roland Rixecker

MünchHdb-AG

Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Aktiengesellschaft, herausgegeben von Michael Hoffmann-Becking

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

NJW

Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NZG

Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

OLG

Oberlandesgericht

RegBegr.

Regierungsbegründung

RegE

Regierungsentwurf

RGZ

Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

RIW

Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift)

Rn.

Randnummer

S.

Seite

scil.

scilicet, lateinisch: das heißt

Slg.

Sammlung

st. Rspr.

ständige Rechtsprechung

UMAG

Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts

UmwG

Gesetz über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gesellschaften (Umwandlungsgesetz)

ÜRL

Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote; Abl. Nr. L 142/12 vom 30. April 2004

Var.

Variante

vgl.

vergleiche

VVDStRL

Veröffentlichungen der Vereinigung Deutscher Staatsrechtslehrer

VwGO

Verwaltungsgerichtsordnung

16

Abkürzungsverzeichnis

VwVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz

WiSt

Wirtschaftswissenschaftliches Studium (Zeitschrift)

WM

Wertpapiermitteilungen (Zeitschrift)

WPg

Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift)

WpHG

Wertpapierhandelsgesetz

WpÜG

Wertpapiererwerbs- und übernahmegesetz

WpÜG-RegE

Regierungsentwurf zum Wertpapiererwerbs- und übernahmegesetz

WuB

Wirtschafts- und Bankrecht (Zeitschrift)

WÜG-RefE

Referentenentwurf zum Wertpapiererwerbs- und übernahmegesetz

XLM

Xetra-Liquiditätsmaß

Yale L.J.

Yale Law Journal

ZBB

Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft

ZGR

Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht

ZHR

Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht

ZIP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (bis 1982: Zeitschrift für Wirtschaftsrechte und Insolvenzpraxis)

Hinsichtlich der weiteren Abkürzungen wird verwiesen auf Hildebert Kirchner / Cornelie Butz, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 5. Aufl., Berlin 2003.

A. Einleitung Der Bieter hat den Aktionären der Zielgesellschaft eine angemessene Gegenleistung anzubieten, heißt es in § 31 Abs. 1 Satz 1 WpÜG. „Von einer näheren gesetzlichen Regelung der Höhe der Gegenleistung im Gesetz wird abgesehen. Vorbild hierfür sind die umwandlungsrechtlichen Regelungen zur Barabfindung (§ 29 Abs. 1 Satz 1, § 207 Abs. 1 Satz 1 UmwG), die ebenfalls auf das Erfordernis einer Barabfindung verweisen, ohne im Einzelnen auszuführen, welche Kriterien zur näheren Bestimmung der Angemessenheit heranzuziehen sind. Bei Übernahmeverfahren bestehen jedoch enge zeitliche Vorgaben für die Verfahrensbeteiligten. Zudem ist sowohl für die Praxis als auch die Aufsicht aus Gründen der Rechtssicherheit und zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten die rechtsverbindliche Festlegung von Eckpunkten zur Bestimmung der Angemessenheit wünschenswert.“1 Diese Eckpunkte finden sich in den nachfolgenden Sätzen und in den §§ 3 ff. AngebotsVO. Der durchschnittliche Börsenkurs der Aktien der Zielgesellschaft und Erwerbe von Aktien der Zielgesellschaft sind grundsätzlich zu berücksichtigen (§ 31 Abs. 1 Satz 2 WpÜG). Weil diese Maßstäbe nur grundsätzlich gelten, besteht nach dem Gesetzeswortlaut die Möglichkeit für zahlreiche Abweichungen2 – auch bei der inhaltlichen Gestaltung der Verordnung nach § 31 Abs. 7 WpÜG.3 Denkbar sind zwei Arten von Preisregeln: Eine Bindung des niedrigsten zulässigen Angebotspreises an früher gezahlte Preise und eine Preiskontrolle. Der erste Weg wurde vom Gesetzgeber als stärker marktorientierte Lösung beschritten, indem er durchschnittliche Börsenkurse und Vorerwerbspreise grundsätzlich berücksichtigt wissen will. Der zweite Weg läuft auf eine Angemessenheitskontrolle nach dem Muster des § 305 AktG hinaus, also einen konzern- und verbundspezifischen4 Lösungsweg. Dieses Buch möchte verfassungsrechtliche Vorgaben dafür erarbeiten, ob die grundsätzliche Marktorientierung der Preisregel um verbandsrechtliche Aspekte ergänzt werden muss. ___________ 1

RegE BT-Drucks 14/7034 S. 55, linke Spalte, dritter Absatz; WÜG-RefE S. 474. Vgl. Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler § 31 Rn. 58. 3 Gemeint ist nicht die als unzulässig zu erachtende Ersetzung dieser Bewertungsmethoden. Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler § 31 Rn. 8; Habersack, ZIP 2003, 1123, 1125 ff; Kremer/Oesterhaus, in: KölnerKomm-WpÜG § 31 Rn. 16. 4 Vgl. Hommelhoff, in: FS Semler S. 455, 462; Beckmann, S. 135. 2

18

A. Einleitung

Zu Beginn werden die ökonomischen Wirkungen der Preisregel des WpÜG untersucht.5 Dabei wird sich zeigen, dass die zivilrechtlichen und verbandsrechtlichen Aspekte des Pflichtangebots und der Preisregelung bereits umfassend wissenschaftlich untersucht wurden. Ein anderer Aspekt blieb bisher ungeklärt: Soll die Preisregelung allein den Markt regulieren oder soll sie auch für den Verlust bestimmter verbandsrechtlich begründeter und verfassungsrechtlich geschützter Eigentumspositionen entschädigen?6 Diese Frage lenkt den Blick auf die Wirkung der Grundrechte in der Privatrechtsordnung und speziell im Aktienrecht.7 Die herrschende Grundrechtsdogmatik verbietet es, den Tatbestand der Kontrollerlangung unmittelbar an den Grundrechten der Minderheitsaktionäre in ihrer Bedeutung als Abwehrrecht gegen den Staat zu messen.8 Denn die Kontrollerlangung ist ein Akt von Privatrechtssubjekten, der allenfalls dann verfassungsrechtlichen Schranken unterworfen ist, wenn ein verfassungsrechtliches Schutzgebot ein staatliches Einschreiten erfordert. Die spezielle Untersuchung der Bedeutung dieser Schutzpflicht im Aktienrecht macht dann deutlich, dass die derzeit vorherrschende Zivilrechtsdogmatik zur Kontrolle von Gesellschafterbeschlüssen verfassungsrechtliche Anforderungen nicht besonders berücksichtigt.9 Die Reichweite eines verfassungsrechtlichen Schutzgebots zu Gunsten der Minderheitsaktionäre wird deshalb – unabhängig von der Frage des zivilrechtlichen Interessenausgleichs – gesondert untersucht. Dann wendet sich die Arbeit dem Eigentumsschutz zwischen der Mehrheit und der Minderheit in der Aktiengesellschaft zu.10 Art. 14 GG zeichnet sich durch seine so genannte Normgeprägtheit aus, d. h. die Reichweite des Eigentumsschutzes, insbesondere das staatliche Schutzgebot für die Minderheitsaktionäre, muss anhand des einfachen Rechts ermittelt werden.11 Dies bedingt unmittelbar, dass jede Änderung des eigentumsrelevanten einfachen Rechts einerseits als Eingriff in bestehende Eigentumspositionen andererseits als Erfüllung einer staatlichen Schutzpflicht erscheinen kann.12 Die Auslegung der Preisregel des WpÜG ist deshalb nur dann vom Eigentumsgrundrecht bestimmt, wenn Art. 14 GG eine Schutzpflicht des Staates gegenüber der (uneingeschränkten) Kontrolle der Aktiengesellschaft durch die Mehrheitsaktionäre ___________ 5

A. B. II. 2. a) cc) und B. II. 2. b). 7 A. und C. VIII. 8 C. VI. 9 C. VIII. 2. 10 A. 11 D. I. 1. 12 D. I. 2. 6

A. Einleitung

19

enthält. Eine Analyse der bisherigen Rechtsprechung zum Eigentum wird die Reichweite des Eigentumsgrundrechts ausleuchten. Die Grenzen des staatlichen Eingriffs in Aktionärsrechte durch neu geschaffenes Recht zeigt das Feldmühle-Urteil auf.13 Ein Rückschluss auf das Bestehen einer staatlichen Schutzpflicht für Minderheitsaktionäre, die durch Mehrheitsbeschluss aus der Gesellschaft ausscheiden, kann zwar mittelbar gezogen werden.14 Jedoch folgen entscheidende Aussagen hierzu erst später im DAT/Altana-Beschluss. Die mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechte waren zentrales Thema der Mitbestimmungsurteile.15 Sie machen deutlich, dass der Aktionär nur mittelbar über die Organe der Gesellschaft über sein „mittelbares“ Eigentum an den gesellschaftsrechtlich gebundenen Vermögensgütern verfügen kann.16 Eingriffe in den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts liegen deshalb immer dann vor, wenn diese mittelbare Verfügungsbefugnis entweder beseitigt oder verändert wird. Da sich die Mitbestimmungsurteile nur mit dem Schutz der Gesamtheit der Anteilseigner gegenüber Fremdbestimmung durch gesellschaftsfremde Dritte auseinandersetzen, lassen sich Rückschlüsse auf den Schutz der Minderheit vor der Kontrolle der Gesellschaft durch die Mehrheit nur schwer ziehen.17 Die rechtliche Ausgestaltung der Verwaltungsrechte der Minderheitsaktionäre in den Regelungen zu Wahlen und Abstimmungen in der Hauptversammlung bestätigt die These des Verfassungsgerichts, dass das Mehrheitsprinzip zentrales Element der Ausgestaltung des Aktieneigentums ist.18 Somit gewährt das Anteilseigentum des Minderheitsaktionärs keinen verfassungsrechtlichen Schutz vor Abstimmungsniederlagen. Die mittelbare Verfügungsbefugnis des Minderheitsaktionärs über die gesellschaftsrechtlich gebundenen Vermögensgüter beinhaltet die (mögliche) Kontrolle durch einen Mehrheitsaktionär bereits als immanenten Bestandteil. Sämtliche Verwaltungsrechte sind durch das Mehrheitsprinzip von vorne herein beschränkt, ohne dass daraus bereits eine Aussage zum Schutz vor vermögensrechtlichen Benachteiligungen, z. B. bei der Gewährung von Sondervorteilen, abgeleitet werden kann.19 Die mitgliedschaftlichen Vermögensrechte stehen erstmals im DAT/AltanaBeschluss im Mittelpunkt der Rechtsprechung des Bundesverfassungsge___________ 13

D. II. D. II. 4. 15 D. III. 16 D. III. 1. 17 D. III. 4. 18 D. III. 4. d). 19 D. III. 4. d). 14

20

A. Einleitung

richts.20 Das mitgliedschaftliche Vermögensrecht beschränkt sich – entgegen der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts – auf den ideellen Anteil am Verband als Objekt des Rechtsverkehrs.21 Eine Zuordnung der gesellschaftsrechtlich gebundenen Vermögensgegenstände zum Mitglied sieht das einfache Recht nicht vor.22 Insbesondere regelt § 76 Abs. 1 AktG für die Aktiengesellschaft, dass weder dem Mitglied noch der Gesamtheit der Mitglieder eine Verfügungsbefugnis über das Verbandsvermögen zukommt.23 Deshalb wird eine Verfügungsbefugnis des Mitglieds über das Verbandsvermögen von der Verfassung nicht geschützt, sondern das Verbandsvermögen gehört in den selbständigen Schutzbereich des Eigentums zu Gunsten des Grundrechtsträgers Verband.24 Mit dem Entschluss zur gemeinsamen Vermögensverwaltung im Verband ersetzen die Verwaltungsrechte des Mitglieds wirtschaftlich seine unmittelbare Verfügungsbefugnis und sie genießen ihrerseits Grundrechtsschutz.25 Denn Verwaltungsrechte stellen eine rechtlich anerkannte Willensmacht des Mitglieds über den Verband dar, die alle wesentlichen Merkmale eines Eigentumsrechts erfüllen.26 Die Regelungen im Aktiengesetz, die es der Mehrheit durch Beschluss ermöglichen, die Minderheit gegen eine Entschädigung bestimmte Verwaltungsrechte zu entziehen oder ganz aus der Gesellschaft zu drängen, stellen sich nicht als andauernde Beschränkung eines absolut gedachten Aktieneigentums, sondern als dessen Inhaltsbestimmungen dar, weil das einfache Recht das Eigentum definiert.27 Deshalb kann der Mehrheitsaktionär durch die Ausübung dieser Ermächtigung nicht in den Schutzbereich des Eigentums beim Minderheitsaktionär eingreifen. Das verfassungsrechtliche Übermaßverbot eignet sich also allgemein nicht zur Festlegung der (Mindest-)Höhe der Entschädigung.28 Verfassungsrechtliche Anforderungen ergeben sich vielmehr aus der Schutzgebotsfunktion des Eigentumsgrundrechts.29 Das Schutzgebot des Eigentums erfordert einen Vorrang des Bestandsschutzes vor einem Schutz des Aktienwertes im Vermögen des Minderheitsaktio___________ 20

D. IV. D. IV. 1. c) und D. IV. 1. d). 22 D. IV. 1. d). 23 D. IV. 1. d) bb). 24 D. IV. 1. d) aa) und D. IV. 1. d) bb). 25 D. IV. 1. g). 26 D. IV. 1. f). 27 D. IV. 2. a). 28 D. IV. 2. c) aa). 29 D. IV. 2. c) bb) (1). 21

A. Einleitung

21

närs.30 Ein unverhältnismäßig niedriger Schutz des Minderheitsaktionärs muss dadurch ausgeschlossen werden, dass ihm eine Meistbegünstigung gewährt wird: Eine Strukturmaßnahme in der Gesellschaft darf für den Mehrheitsaktionär wirtschaftlich nicht günstiger durchzuführen sein, als alternative Maßnahmen gleicher Wirkung.31 Deshalb muss die Entschädigung nach der höchsten Bewertung erfolgen, die bei einer solchen alternativen Maßnahme zu erwarten wäre. Sie entspricht dem höchsten Wert, der sich beim Vergleich (1) eines durchschnittlichen gewichteten Börsenkurses und/oder anderer Verkehrspreise im Vorfeld der Strukturmaßnahme, (2) dem Anteilswert nach einer wissenschaftlich anerkannten, vom Gericht auch inhaltlich zu prüfenden Unternehmensbewertung und (3) Preisen für eine Aktie, die vom Mehrheitsaktionär im Vorfeld selbst gezahlt wurden, ergibt. Der Schutz der Minderheitsaktionäre lässt sich entgegen der Tendenz des Moto-Meter-Beschlusses nicht auf einen reinen Vermögensschutz reduziert, der einen Bestandsschutz verdrängen oder überflüssig machen könnte.32 Denn dies missachtet die Freiheit der Auswahlentscheidung hinsichtlich der Kapitalanlage. Der (Bestands-)Schutz des Aktionärs bleibt unzulänglich, wenn er auf bestimmte Renditeerwartungen reduziert wird. Der Anleger wird durch seine Eigentümerstellung auch vor einem ungewollten Risiko (und ungewollten Transaktionskosten) einer anderweitigen Investition seiner Mittel am Kapitalmarkt geschützt. Um die Aktien der Minderheitsaktionäre nicht schleichend in Genussrechte mit Eigenkapitalcharakter zu wandeln, weil die Minderheitsaktionäre unverhältnismäßig leicht abgefunden oder aus der Gesellschaft gedrängt werden können, muss ihnen angemessener Bestandsschutz insbesondere hinsichtlich ihrer Verwaltungsrechte und bei der Bestimmung der Abfindungshöhe gewährt werden. Zusammengenommen führt die vorstehende Analyse zum Ergebnis, dass ein Kontrollwechsel im Sinne des § 29 WpÜG keinen Eingriff in den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts (vor Einführung des WpÜG) darstellt.33 Weder die Zuordnung des Verbandes zum Minderheitsaktionär noch seine Verwaltungsrechte sind betroffen.34 Der Gesichtspunkt der Grundrechtsgefährdung begründet ebenfalls keinen Minderheitenschutz, da der vorhandene Minderheitenschutz im Aktienrecht nicht gänzlich ungeeignet und völlig unzulänglich ist.

___________ 30

D. IV. 2. c) bb) (2). D. IV. 2. c) bb) (2). 32 D. V. 2. 33 A. 34 E. I. 1. 31

22

A. Einleitung

Nur wenn dies der Fall wäre, bestünde eine Pflicht des Staates zum Eingreifen.35 Der Aspekt der Aktie als „Sphäre individueller Freiheit in finanzieller Hinsicht“, d. h. als verkehrsfähigem Vermögensgegenstand, führt ebenfalls nicht zu einem Eigentumseingriff beim Kontrollwechsel.36 Die derzeitige Ausgestaltung des Aktieneigentums durch das einfache Recht und die Rechtsprechung erlauben es nicht, das Vertrauen des Aktionärs in eine bestimmte Desinvestitionsmöglichkeit verfassungsrechtlich zu schützen. Die Börsenzulassung gewährt dem Aktionär kein eigenes subjektives Recht.37 Die ökonomisch sinnvolle und rechtspolitisch wünschenswerte Ausgestaltung eines Austrittsrechts aus der Aktiengesellschaft durch Schutz eines funktionierenden Kapitalmarktes kann nicht auf ein verfassungsrechtliches Schutzgebot gegründet werden, weil der Handel38 mit oder der Tauschwert von Gesellschaftsanteilen bisher weder vom einfachen Recht noch von einer ständigen Rechtsprechung zu Eigentum ausgeformt wurden.39 Art. 14 GG bietet dem Anleger keinen Schutz vor Kursänderungen, sondern gewährt nur (Bestands-)Schutz für einige preisbildende Faktoren wie z. B. die Verwaltungsrechte oder die Höhe von Entschädigungen nach Strukturmaßnahmen. Schlussendlich stellt § 31 WpÜG nicht die Erfüllung eines verfassungsrechtlichen Schutzgebots dar, sondern eine Ausgestaltung von Eigentum durch den Gesetzgeber im Rahmen des ihm gegebenen Gestaltungsspielraums.40

___________ 35

E. I. 2. E. II. 37 E. II. 2. b) cc) (1). 38 Im Gegensatz zur Verfügung über das Eigentum. 39 E. II. 2. b) cc) (2). 40 E. III. 36

B. Die Preisregel zwischen Verbands- und Kapitalmarktrecht I. Telos der Preisregel Öffentliche Übernahmeangebote eröffnen einem Bieter die Möglichkeit, am Kapitalmarkt eine Beteiligung an einer Gesellschaft zu erwerben, die ihm die „Kontrolle“ über die Gesellschaft ermöglicht. Sie liegen somit genau an der Schnittstelle zwischen Kapitalmarkt und Gesellschaft.1 Ausgehend von einschlägigen Vorarbeiten in den USA haben sich bereits mehrere Untersuchungen mit den ökonomischen Fragen (öffentlicher Angebote und) öffentlicher Übernahmeangebote befasst2 und so in erster Linie die kapitalmarktrechtliche Bedeutung einer angemessenen Gegenleistung erarbeitet. Dabei sind in der deutschen juristischen und wirtschaftswissenschaftlichen Literatur im Wesentlichen neun Gründe für das Übernahmegeschehen herausgearbeitet worden: 1.

Die Disziplinierungshypothese besagt, dass Übernahmen ein Mittel zur Ablösung ineffizient arbeitender Unternehmensleitungen sind. Dies beruht auf dem von Henry G. Manne3 entwickelten und von Easterbrook/Fischel4 weiterentwickelten Modell eines Marktes für Unternehmenskontrolle (market for corporate governance control).5 Nach diesem Modell der Chicagoer Law School werden Unternehmen nicht einfach als ganze Einheiten auf Märkten gehandelt, sondern die Kontrolle über ein Unternehmen repräsentiert selbst einen marktfähigen Wert. Durch den Preisbildungsmechanismus auf diesem Markt wird ständig die Leistung des jeweiligen Kontrollinhabers abgebildet, weil schlechte Unternehmensleitung den Preis für die Gesellschaft unter ihren inneren Wert drücken kann. So kon-

___________ 1

Hopt, in: Hommelhoff/Hopt/Lutter, S. 31 ff.; Mülbert, ZIP 2001, 1221, 1222; Lutter, ZHR 162 (1998) 164, 175; Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 242; Mühle, S. 143; H. Krause, WM 1996, 845, 846; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider Einl. Rn. 15. 2 Die Orientierung der deutschen Diskussion an den US-amerikanischen Vorarbeiten dürfte in erster Linie an dem fehlenden heimischen Datenmaterial liegen. Vgl. Händel, DBW 1991, 124, 126 f. 3 Manne, 73 J.Pol.Econ. 110, 112 ff. 4 Easterbrook/Fischel, 91 Yale L.J. 698 ff. (1982). 5 Deutsche Darstellungen z. B. Mühle, S. 61 ff.; Herkenroth, S. 299 ff.; Reul, S. 111 ff.; Immenga/Noll, S. 14 ff. und Hopt, ZGR 1993, 543 ff.; zuletzt erneut Körner, S. 175 ff.

24

B. Die Preisregel zwischen Verbands- und Kapitalmarktrecht

kurrieren verschiedene Management-Teams ständig um die Bewirtschaftung der unternehmensgebundenen Ressourcen, weil sie durch bessere Unternehmensführung ökonomischen Gewinn erzielen können.6 2.

Die Synergiehypothese erklärt Übernahmeangebote mit Gewinnen aus dem Unternehmenszusammenschluss. Das neu gebildete Ganze ist danach für den Bieter mehr wert als die Summe seiner Teile. Dabei können operative Synergien durch Größenvorteile (economies of scale), durch geringere Transaktionskosten (economies of integration), durch mehrfache Ausnutzung von Ressourcen (economies of scope) oder gemeinsame Leitung (economies of organization) entstehen.7

3.

Aber es sollen auch finanzielle Synergien aus einer Diversifizierung wegen der damit verbundenen Streuung des Anlagerisikos (Verminderung des Insolvenzrisikos) und den daraus folgenden günstigeren Finanzierungsmöglichkeiten auf Grund eines stabileren Cashflows entstehen (coinsurance hypothesis).8

4.

Ausgehend von der Grundannahme effizienter Kapitalmärkte erklärt die Hybris-Hypothese Übernahmen schlicht mit Bewertungsfehlern durch die Entscheidungsträger der Bietergesellschaft.9 Da effiziente Kapitalmärkte stets die Zielgesellschaft zutreffend bewerten, kommen Übernahmen nur zustande, wenn die Zielgesellschaft auf Seiten des Bieters überbewertet wird.

5.

Die Marktmachthypothese führt Unternehmenskäufe auf das Ziel zurück, den firmenindividuellen Marktanteil am Gesamtmarkt zu erhöhen und so zum dominierenden Unternehmen zu werden.10 Eine möglicherweise erzielte Beschränkung des Wettbewerbs erlaubt dann die Erzielung von Monopolgewinnen zu Lasten der Verbraucher. Dabei hat der bloße Kontrollerwerb häufig die gleichen Vermachtungseffekte wie Vollakquisitionen.

6.

Die Empire-Building-Hypothese basiert auf der Prinzipal-Agent-Problematik, nach der Eigentum und Verfügungsmacht über die wirtschaftlichen

___________ 6

Busch, S. 66 ff.; H. Krause, S. 94 ff.; Röhrich, S. 42 ff.; Reul, S. 154 ff.; Mühle, S. 61 ff.; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler § 3 Rn. 2; Immenga/Noll, S. 32 ff.; Liekefett, RIW 2004, 824, 825; Körner, S. 186 f. 7 Busch, S. 64 ff.; H. Krause, S. 99 ff.; Röhrich, S. 55 f.; Reul, S. 168 ff.; Mühle, S. 70 ff., 73; Liekefett, RIW 2004, 824, 825; Körner, S. 187 f.; detailliert auf ökonomischer Sicht Wirtz, S. 114 ff. 8 Röhrich, S. 56 f.; Reul, S. 180 ff.; H. Krause, S. 99 ff.; Mühle, S. 70 ff., 71. 9 Roll, 59 J.Bus. 197 ff. (1986); Röhrich, S. 57 f.; Mühle, S. 65; Liekefett, RIW 2004, 824, 826.; Körner, S. 190. 10 Röhrich, S. 58 f.; Reul, S. 154 ff.; Mühle, S. 61; Immenga/Noll, S. 64 ff.; Liekefett, RIW 2004, 824, 826.

I. Telos der Preisregel

25

Ressourcen der Gesellschaft auseinander fallen.11 Eine mangelnde Kontrolle der Entscheidungsträger kann dazu führen, dass diese eigene Ziele verfolgen. Die rollenspezifische Motivation des Managements lässt größere Unternehmen vorteilhaft erscheinen, weil unter anderem die Gehälter in der Regel an Größenkennziffern gekoppelt sind und die Übernahmewahrscheinlichkeit verbunden mit Arbeitsplatzverlust sinkt.12 Eine Verstärkung der Prinzipal-Agent-Problematik stellt die Free-Cash-Flow-Hypothese dar. Im Gegensatz zur Kapitalbeschaffung am Markt hat das Management freien Zugang zu Geldströmen im Unternehmen, die über das hinausgehen, was zum Betreiben aller Investitionsprojekte mit positivem Kapitalwert nötig wäre, so dass das Management damit die eigenen Ziele verfolgen kann.13 7.

Die Informationshypothese erklärt Übernahmen durch Informationsineffizienzen am Markt. Erlangt der Bieter einen Informationsvorsprung gegenüber den übrigen Marktteilnehmern, so kann er eine Unterbewertung der Zielgesellschaft erkennen und nutzen.14

8.

Die Ausbeutungshypothese basiert auf der Annahme, dass Gewinne des Bieters auf einem Wohlstandstransfer vom Minderheitsaktionär zum Bieter beruhen können.15 Die Ausbeutung kann in verschiedenen Formen auftreten: Bei der ‚harten‘ Ausbeutung, der Ausplünderung (asset stripping oder looting), veräußert der kontrollierende Aktionär die Vermögenswerte der Gesellschaft auf eigene Rechnung. Weitaus häufiger wird die ‚weiche‘ Ausbeutung praktiziert, bei der die Gesellschaft zur Erzielung eines überproportionalen Gewinns des Kontrollaktionärs fortgeführt wird. Innerhalb eines Konzerns können zum Beispiel durch Konzernumlagen, Konzernverrechnungspreise und Beratungs- oder Managementverträge ohne äquivalente Gegenleistung Erträge beim Mehrheitsaktionär und Kosten bei der abhängigen Gesellschaft angesiedelt werden. Ein Vermögenstransfer kann außerdem durch Zugang zu Patenten, Forschungsergebnissen, know-how und anderen Schutzrechten vonstattengehen. Aufträge können im Konzern

___________ 11

Zur Prinzipal-Agent-Problematik vgl. Mühle, S. 54 ff.; Reul, S. 239 f., 245 ff.; Busch, S. 67 f.; grundlegend Berle/Means, passim; Fama/Jensen, 26 J.L.&Econ. 301, 304 (1983); Fama, 88 J.Pol.Econ. 288, 296 (1980); Gilson, 33 Stan.L.Rev. 819, 836 (1981); soziologisch Ridder-Aab, S. 18 ff. 12 H. Krause, S. 103 ff.; Röhrich, S. 58 ff.; Reul, S. 192 ff.; Mühle, S. 66; Busch, S. 55 ff.; Immenga/Noll, S. 69 ff.; Körner, S. 190 f. 13 Röhrich, S. 61 ff.; Reul, S. 182 ff.; Mühle, S. 66 ff.; Körner, S. 188. 14 Röhrich, S. 66 f.; Reul, S. 184 ff.; Mühle, S. 66 ff. 15 Stützel, S. 907, 961 ff., 966 f., der Agency- und Efficient-Market-Theorie vorwegnahm; Busch, S. 57 ff.; H. Krause, S. 105 ff.; Röhrich, S. 63 ff.; Reul, S. 197 ff.; Mühle, S. 73 ff.; Immenga/Noll, S. 75 ff.; Liekefett, RIW 2004, 824, 825 f.; Körner, S. 189 f.

26

B. Die Preisregel zwischen Verbands- und Kapitalmarktrecht

so verteilt werden, dass nur die Risiken mit den Minderheitsaktionären geteilt werden, Erträge aber beim Mehrheitsaktionär anfallen. 9.

Zuletzt sieht die Erpressungshypothese einen spezifischen Anreiz zum Kontrollerwerb in einem Verkaufsdruck (pressure to tender) auf Seiten der Aktionäre der Zielgesellschaft.16 Mit einer speziellen Angebotstechnik sei der Kontrollwechsel billiger herbeizuführen als etwa mit einer Verschmelzung. Verkaufsdruck zu niedrigen vom Bieter diktierten Preisen entsteht aus den Nachteilen einer kollektiven Entscheidungssituation (Gefangenendilemma) verbunden mit der Gefahr einer Ausbeutung durch den Mehrheitsaktionär nach erfolgreicher Kontrollübernahme. In der Beurteilung des einzelnen Aktionärs, der sich nicht mit den übrigen Aktionären abstimmen und so die Kontrolle durch den Bieter verhindern kann, dominiert die Gefahr, die entscheidende (Verkaufs-)Chance zu verpassen, wenn der Bieter sein Angebot entsprechend ausgestaltet. Als Druckmittel dienen kurze Annahmefristen, der Vorbehalt, das Angebot jederzeit für geschlossen erklären zu können, die Zuteilung nach dem Prioritätsprinzip bei Teilangeboten und die Konditionenstaffelung (front-end-loading). Aus diesen Hypothesen zur Funktion des Kapitalmarktes17 bei Übernahmeangeboten wurden von Busch, Krause und Reul quasi in Vorbereitung des WpÜG gesetzliche Modelle zur Steigerung der Allokationseffizienz der Gesamtwirtschaft entwickelt18 und später wurde die Umsetzung von Mühle noch einmal daraufhin untersucht. Ziel dieser Entwürfe eines Regimes für Übernahmeangebote und der späteren Kritik am Gesetz war es, jeweils gesamtwirtschaftlich nützliche Übernahmeangebote zuzulassen, schädliche hingegen zu unterbinden.19 Die ökonomische Gesetzesbegründung des WpÜG zielt vorwiegend auf den Kapitalmarkt,20 denn der originäre Regelungsgegenstand des Kapitalmarktrechts ist die Marktseite des Aktienhandels. Oberstes Ziel ist es, die Funktionsfähigkeit der Märkte zu schützen, um das Vertrauen der Anleger in den Markt zu gewinnen.21 Die Regelungen des WpÜG entsprechen der ökonomischen Zwecksetzung Ressourcenallokation nach dem derzeitigen Stand der

___________ 16 Busch, S. 60 ff.; H. Krause, S. 107 ff.; Röhrich, S. 83 ff.; Reul, S. 184 ff.; Mühle, S. 85 ff.; Liekefett, RIW 2004, 824, 826. 17 Zweifelnd hinsichtlich der empirischen Beweisbarkeit dieser Hypothesen Liekefett, RIW 2004, 824, 826. 18 Vgl. auch zu einem noch früheren Stadium der Diskussion Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer S. 42 ff. 19 Busch, S. 85 ff.; H. Krause, S. 119 ff.; Mühle, S. 130 ff., 376 ff. 20 Oechsler, in: FS Hadding S. 1027 ff. 21 Mülbert, S. 119 f.; Mühle, S. 144 f.; Möllers, AG 1999, 433, 434.

I. Telos der Preisregel

27

empirischen Wirtschaftswissenschaft in großen Teilen.22 Die gesamtwirtschaftliche Optimierung der Ressourcenallokation bildet das tragende Telos des Gesetzes.23 Nur einen Teilbereich des ökonomischen Optimierungsbemühens betreffen § 31 WpÜG und die Konkretisierung hierzu in den §§ 3 ff. AngebotsVO: Um die negativen Effekte der Ausbeutungshypothese durch ein Austrittsrecht24 einzudämmen, sahen alle Autoren die Notwendigkeit eines obligatorischen Übernahmeangebots für den Fall eines Kontrollwechsels.25 Eine Preisregel, wie sie § 31 WpÜG vorsieht, wird allerdings von Krause nur in Anlehnung an Rule 9.5 City Code entsprechend § 4 AngebotsVO für erforderlich gehalten (Gleichpreisregel).26 Busch dagegen möchte auch eine gerichtliche Angemessenheitsprüfung des Angebotspreises durchführen, da nur so ein völlig unzureichender Übernahmepreis durch ein Unterlassen von relevanten Vorerwerben bei Pflichtangeboten unterbunden werden kann (Mindestpreisregel).27 Der Gesetzgeber hat sich mit der Normierung einer angemessenen Gegenleistung in §§ 39, 31 WpÜG i. V. m. §§ 3 ff. AngebotsVO für letzteres entschieden. Er ist sogar noch darüber hinausgegangen, indem er auch für freiwillige Übernahmeangebote mit §§ 29 Abs. 1, 31 WpÜG eine Preisregel eingeführt hat. Der teleologischen Herleitung der Preisregeln des WpÜG mangelt es deshalb an Schärfe, weil nur die Angebotspflicht unproblematisch vom Telos getragen wird, die Preisregel aber nicht vollständig mit dem Ziel optimaler Ressourcenallokation zu harmonieren scheint.28 Die erstrebte gesamtwirtschaftlich optimale Ressourcenallokation stellt sich im neoklassischen Idealtypus einer marktmäßig organisierten Gesellschaft dadurch ein, dass die Wirtschaftssubjekte im Wege des wechselseitigen Austau___________ 22

Kritisch Liekefett, RIW 2004, 824, 836. Wirtz, S. 278 ff. zeigt allerdings einige modelltheoretische Abweichungen auf. Zu einigen verbleibenden Problemen siehe unten B. II. 23 RegE BT-Drucks 14/7034 S. 28. Gleichwohl stellt die Regierungsbegründung zur Begründung der Preisregel auf ein besonderes Schutzbedürfnis der Minderheitsaktionäre beim erstmaligen Entstehen einer Kontrollstellung bzw. einem Kontrollwechsel ab, S. 34, 60. 24 Soweit im Folgenden von einem Austrittsrecht die Rede sein wird, ist damit jeweils ein Recht zum Ausscheiden der Minderheitsaktionäre aus der Zielgesellschaft durch eine Transaktion auf der Aktionärsebene (Erwerbsverpflichtung des Bieters). Ein Austrittsrecht aus der Gesellschaft wäre im Übrigen mit dem Grundsatz der Kapitalerhaltung des deutschen und europäischen Rechts nicht vereinbar. 25 Busch, S. 104 ff.; H. Krause, S. 120 ff. 26 H. Krause, S. 124, 213. Zuletzt aber vorsichtiger H. Krause, BB 2004, 113, 117. 27 Busch, S. 197 f.; ebenso Grunewald, WM 1991, 1361, 1363; Baums, ZIP 1989, 1376, 1380. 28 Dazu näher sogleich unten B. II.

28

B. Die Preisregel zwischen Verbands- und Kapitalmarktrecht

sches von Gütern ihren individuellen Nutzen maximieren. Rationale Aktionäre machen ihre Verkaufsentscheidung von ihrem individuellen Nutzenzuwachs abhängig: Sie verkaufen, wenn der gebotene Preis über der eigenen Wertschätzung der Aktie liegt. Gleichzeitig stiften die Aktien dem Bieter, wenn er rational handelt, einen größeren Nutzen, als er bereit ist zu zahlen.29 Da nur eine beiderseitige Nutzensteigerung die Transaktion zustande bringt, werden die vorhandenen Ressourcen besser alloziert. Alle Beteiligten stehen besser, niemand wurde geschädigt (Pareto-Optimalität).30 Die Durchsetzung der individuellen Präferenzen ist im Marktsystem durch die Schaffung korrespondierender Eigentumsrechte an Ressourcen abgesichert. Im Ergebnis unterliegt das Ob und Wie einer Transaktion – einschließlich der Festsetzung des Preises – der freien Willensbildung der Marktakteure. Gegen dieses Modell werden zahlreiche Einwände erhoben, die im Wesentlichen die Annahme eines vollkommenen Marktes betreffen. Zum Marktversagen können vier grundlegende Ursachen führen: Marktmacht, unvollständige Information, Transaktionskosten sowie Externalitäten und öffentliche Güter. Durch die systematische Analyse des Marktversagens wurde die neoklassische Theorie in der neuen Institutionenökonomik erweitert, indem rechtliche Rahmenbedingungen nicht mehr als exogene Faktoren betrachtet, sondern explizit in die ökonomische Analyse mit einbezogen wurden. Wesentliche Voraussetzung für eine optimale Ressourcenallokation durch den Markt ist in dieser erweiterten Sichtweise nach der Property-Rights-Theorie, dass Eigentumsrechte eindeutig spezifiziert sind.31 Nur wenn die Eigentumsrechte hinreichend spezifiziert sind, trägt nämlich jedes Individuum Kosten und Nutzen seines Verhaltens.32 Die Ausbeutungshypothese impliziert, dass die Kosten-Nutzen-Verteilung durch unzureichend spezifizierte Eigentumsrechte an der Ressource Gesellschaft zu Lasten des Minderheitsaktionärs verschoben ist. Transaktionen unter dieser Bedingung sind ökonomisch effizient, wenn der Wohlstandsgewinn des Bieters und der Veräußerer den Wohlstandsverlust der zurückbleibenden Minderheitsaktionäre überschreitet (Klador-Hicks-Effizienz).33 Weil die externen ___________ 29

Wirtz, S. 110. H. Krause, S. 121 m. w. N.; Körner, S. 176. 31 Soweit hier im Sinne der ökonomischen Theorien von Eigentumsrechten gesprochen wird, sind diese nicht nur im Sinne der Rechtswissenschaft gegenständlich orientiert, sondern als umfassendes Handlungs- und Verfügungsrecht zu verstehen. Diese sog. Property Rights werden weitläufig definiert als (rechtlich oder institutionell) sanktionierte Verhaltensbeziehungen zwischen Personen in Bezug auf ein wirtschaftliches Gut. Sie bestimmen die Fähigkeit einer Person, ein bestimmtes Gut zu nutzen. RidderAab, S. 37 ff. 32 Vgl. zum Ganzen Mühle, S. 48 ff. m. w. N.; Ridder-Aab, S. 40 f.; Körner, S. 176 ff. 33 H. Krause, S. 121 m. w. N. 30

I. Telos der Preisregel

29

Kosten (Wohlstandsverluste der zurückbleibenden Minderheitsaktionäre) nicht in die Preisfindung der Minderheitsaktionäre einfließen, verliert der Übernahmepreis seine Signalwirkung für die Knappheit des zugeordneten Gutes. Einem solchen Marktversagen kann wirksam durch eine Marktergebniskontrolle oder durch eine Spezifizierung der Eigentumsrechte begegnet werden. Grundsätzlich leistet Ersteres das Kapitalmarktrecht, Letzteres das Gesellschaftsrecht, speziell das Konzernrecht. Daneben besteht bei der marktmäßigen Ressourcenallokation auch die Möglichkeit, die individuelle Entscheidungsprärogative des Ressourcenbesitzers zu ignorieren und einen heteronomen Ressourcentransfer zuzulassen. In diesem Fall werden spezifizierte Eigentumsrechte ignoriert und der Preis der Ressource wird dann normalerweise durch eine Haftungsregel als Entschädigung festgesetzt.34 Wegen der Lage an der Schnittstelle zwischen Kapitalmarkt und Gesellschaft tritt es bei § 31 WpÜG nicht sofort und offensichtlich zu Tage, ob die Vorschrift Marktergebniskontroll-, Eigentumsspezifizierungs- oder Eigentumsentschädigungsfunktion oder eine Mischfunktion besitzt. So könnte mit jeder Kontrollerlangung ein heteronom bestimmter Ressourcentransfer einhergehen, der zur Entschädigung gemäß § 31 WpÜG verpflichtet. Voraussetzung hierfür ist allein, dass die Ressource Gesellschaft rechtlich (oder institutionell) bereits hinreichend spezifiziert ist. Anders gewendet lassen sich bestimmte Aspekte der Preisregelung möglicherweise nicht mit dem Telos marktmäßiger Allokationseffizienz, sondern systematisch als Eigentumsentschädigung begründen, wenn der Nachweis gelingt, dass ein Kontrollwechsel in spezifizierte Eigentumsrechte an der Gesellschaft eingreift. Die Spezifizierung des Eigentumsrechts Mitgliedschaft durch die deutsche Rechtsordnung, insbesondere Art. 14 Abs. 1 GG, soll daraufhin untersucht werden, weil sich hier ein mögliches Hindernis für die Übertragbarkeit der für das US-amerikanische Recht entwickelten Denkschulen zu den Gründen für das Übernahmegeschehen auf den Kapitalmärkten auf die heimischen Verhältnisse ergeben könnte. Zudem lässt sich so ein Baustein zur Klärung der Frage gewinnen, ob es sich bei der Preisregel und dem WpÜG insgesamt um eine rein kapitalmarktrechtliche Regelung handelt.35

___________ 34

Vgl. Herkenroth, S. 352 ff. Vgl. Habersack, ZIP 2003, 1123, 1126; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler § 1 Rn. 1 und § 3 Rn. 1. 35

30

B. Die Preisregel zwischen Verbands- und Kapitalmarktrecht

II. Einzelprobleme der Preisregel 1. Marktergebniskontrollfunktion der Preisregel für freiwillige Übernahmeangebote Besondere Kritik hat die Ausdehnung der Mindestpreisregel auf freiwillige Übernahmeangebote erfahren.36 Sie sei nur bei Pflichtangeboten sachlich notwendig.37 Deshalb müsse der § 31 WpÜG weitgehend teleologisch dahingehend reduziert werden, dass die Mindestpreisregel nur bei Pflichtangeboten zur Anwendung kommt.38 In der Tat ist die vom Gesetzgeber gegebene Begründung der Normanwendung auch auf freiwillige öffentliche Angebote wenig überzeugend. Die Begründung zum Regierungsentwurf führt dazu folgendes aus: „Von besonderer Bedeutung ist das Verhältnis der Regeln über Pflichtangebote zu den Regeln über freiwillige Übernahmeangebote. Nach dem Konzept des Gesetzes gelten für freiwillige Übernahmeangebote und für Pflichtangebote grundsätzlich die gleichen Vorschriften (Artikel 1 § 39). Dieser Regelung liegt die Überlegung zugrunde, dass jemand, der eine Kontrollmehrheit aufgrund eines freiwilligen Übernahmeangebots erlangt hat, nicht verpflichtet sein soll, im Anschluss an dieses Übernahmeangebot nunmehr ein weiteres Übernahmeangebot – diesmal als Pflichtangebot – abzugeben, da dies zu unnötigem Zeit- und Kostenaufwand führen würde. Eine solche ‚befreiende Wirkung‘ des freiwilligen Übernahmeangebots im Hinblick auf ein nachfolgendes Pflichtangebot ist allerdings nur dann gerechtfertigt, wenn das freiwillige Übernahmeangebot bereits den Anforderungen unterliegt, die für ein Pflichtangebot gelten, da ansonsten die für ein Pflichtangebot geltenden Schutzmechanismen, insbesondere die sog. Mindestpreisregelung, durch ein freiwilliges Übernahmeangebot unterlaufen werden könnten. In konsequenter Verfolgung dieses Konzeptes besteht die Verpflichtung zur Abgabe eines Pflichtangebots dann nicht, wenn die Kontrolle über die Zielgesellschaft auf Grund eines freiwilligen Übernahmeangebots nach diesem Gesetz erlangt wurde. Zugleich gelten insbesondere die unter 5. dargestellten Regelungen hinsichtlich der Gegenleistung des Bieters sowohl für freiwillige Übernahmeangebote wie auch für Pflichtangebote.“39

Die Befreiung vom Pflichtangebot in § 35 Abs. 3 WpÜG wird so zur tragenden Begründung für einen Mindestpreis freiwilliger Übernahmen, weil diese Regelung nur Bestand haben kann, wenn bereits beim freiwilligen Über___________ 36

Mülbert, ZIP 2001, 1221, 1223 ff.; Habersack, ZHR 166 (2002), 619, 624; Wirtz, S. 319; Wackerbarth, in: MüKo-AktG § 31 WpÜG Rn. 6; H. Krause, NZG 2000, 905, 908; Houben, WM 2000, 1873, 1881; Immenga, in: Kreuzer, Öffentliche Übernahmeangebote, S. 22 f.; Verse, ZIP 2004, 199, 200. 37 A. A. Rodewald/Siems, ZIP 2002, 926, 928. 38 Wackerbarth, in: MüKo-AktG § 31 WpÜG Rn. 9. 39 RegE BT-Drucks 14/7034 S. 30.

II. Einzelprobleme der Preisregel

31

nahmeangebot die Regeln des Pflichtangebots eingehalten wurden.40 Diese Regelung ist unter dem Gesichtspunkt der Allokationseffizienz nicht das mildeste Mittel zum Schutz vor einer Umgehung der Mindestpreisregeln beim Pflichtangebot.41 Identisches ließe sich durch die ‚Zaunkönigregel‘ in § 16 Abs. 2 WpÜG in Kombination mit dem Verbot von Teilangeboten in § 32 WpÜG erreichen, wenn der im Rahmen eines freiwilligen Angebots am Markt verhandelte Übernahmepreis als Mindestpreis akzeptiert würde. Dann zielte die Regelung eindeutig nur auf marktmäßige Ressourcenallokation und nicht auf Eigentumsentschädigung. Auch Art. 5 der EU-Übernahmerichtlinie42 sieht ein Angemessenheitserfordernis für die bei freiwilligen Übernahmeangeboten zu erbringende Gegenleistung nicht vor und überlässt damit die Preisfindung dem Markt.43 Vor dem Hintergrund, dass Art. 3 Abs. 2 lit. b ÜRL strengere Bestimmungen im Recht der Mitgliedstaaten zulässt, ist Streit darüber entstanden, ob das Angemessenheitserfordernis der Gegenleistung bei freiwilligen Übernahmeangeboten der Richtlinie entspricht. Mülbert sieht hierin einen Richtlinienverstoß, weil die Regelungen zur angemessenen Abfindung im Rahmen des Ausschluss- und Andienungsrechts (Art. 15 Abs. 5, 16 Abs. 3 ÜRL) danach differenzieren, ob ein Pflichtangebot oder ein freiwilliges Angebot vorausging.44 Andere Autoren befürworten die Regelung im deutschen Recht, weil sie wegen der Preiskontrolle durch die BaFin eine vertrauensfördernde Maßnahme sei,45 oder halten es

___________ 40

Wackerbarth, in: MüKo-AktG § 31 WpÜG Rn. 7. Mülbert, ZIP 2001, 1221, 1224 f.; Wackerbarth, in: MüKo-AktG § 31 WpÜG Rn. 8. 42 Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote; Abl. Nr. L 142/12 vom 30. April 2004. 43 Seibt/Heiser, ZGR 2005, 200, 221; Mülbert, NZG 2004, 633, 640 f. 44 Mülbert, NZG 2004, 633, 640 f. Mülbert, ZIP 2001, 1221, 1224 ging früher schon von einem Primärrechtsverstoß gegen Artt. 43 ff. und 56 ff. EG und einem Verfassungsrechtsverstoß gegen Art. 2 GG aus. Auch die EU-Kommission vertraut ganz auf die Preisfindung des Marktes: Bericht der hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über die Abwicklung von Übernahmeangeboten, v. 10. 1. 2002 S. 11 und 53. 45 Seibt/Heiser, ZGR 2005, 200, 221 f.; dies., ZIP 2002, 2193, 2195. Im Ergebnis übereinstimmend Glade/Haak/Hellich, Konzern 2004, 455, 457, die aus Art. 5 Abs. 2 ÜRL ablesen, dass eine Befreiung vom Pflichtangebot infolge des Kontrollerwerbs aufgrund eines freiwilligen Übernahmeangebots nur dann erfolge, wenn das freiwillige Übernahmeangebot seinerseits den Angemessenheitskriterien für Pflichtangebote entsprochen habe, so dass die Mindestpreisregel auch für freiwillige Übernahmeangebote faktisch verbindlich sei. Hiergegen wenden sich sowohl Mülbert, NZG 2004, 633, 640 f. als auch Seibt/Heiser, ZGR 2005, 200, 221. 41

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B. Die Preisregel zwischen Verbands- und Kapitalmarktrecht

für eine sachgerechte46 oder gänzlich rechtspolitische47 Entscheidung. Jedenfalls scheidet vorauseilende Richtlinienumsetzung als Normbegründung aus. Mühle führt als ökonomischen Begründungsansatz ins Feld, dass es dem Bieter unmöglich gemacht werden soll, ein spekulatives Angebot unter dem Verkehrswert bzw. Börsenkurs zu machen und so das Gefangenendilemma auszunutzen.48 Ein pressure to tender49 setzt zunächst grundsätzlich erst dann ein, wenn dem Minderheitsaktionär keine andere Austrittsmöglichkeit ohne Vermögensverlust offen steht. Eine solche ist vor dem Angebotsende über die Börse solange gegeben, wie der Börsenkurs oberhalb des Angebotspreises liegt.50 Gleichwohl entsteht immer ein Verkaufsdruck im Zeitpunkt des Ablaufs der Angebotsfrist für den jeweils letzten Eigentümer51 aus der Erwartung fallender Börsenpreise nach erfolgreichem Abschluss eines Übernahmeangebots verbunden mit dem Kontrollwechsel.52 Einige Stimmen in der Literatur bestreiten diesen Zwang der Minderheitsaktionäre zur Annahme eines Übernahmeangebots für das deutsche Recht grundsätzlich, weil mit dem Aktienkonzernrecht und den Treuepflichten ein hinreichendes und funktionsfähiges Schutzsystem auch für die in der Gesellschaft verbleibende Minderheit existiere.53 Dies hängt freilich von der individuellen Beurteilung der Effektivität des Rechts des faktischen Konzerns (§§ 311 ff. AktG), also der Spezifizierung der Eigentumsrechte, durch die Marktteilnehmer ab.54 Ein aus nur juristischer Sicht funktionsfähiges Schutzsystem55 besei___________ 46 Rodewald/Siems, ZIP 2002, 926, 928; H. Krause, in: Assmann/Pötzsch/Schneider § 31 Rn. 13; Tröger, DZWiR 2002, 397, 398; Körner, S. 28. 47 H. Krause, BB 2004, 113, 116. 48 Mühle, S. 252 ff., 261. 49 Näher zum ‚pressure to tender‘-Problem Busch, S. 60 ff.; H. Krause, S. 107 ff.; Röhrich, S. 83 ff.; Reul, S. 184 ff.; Mühle, S. 85 ff.; Herkenroth, S. 336 ff.; Immenga, in: Kreuzer, Öffentliche Übernahmeangebote, S. 22 f.; Mülbert/Birke, WM 2001, 711, 713 f. 50 H. Krause, S. 108. 51 H. Krause, S. 115 f. 52 Vgl. die bestätigenden empirischen Untersuchungen von Bradley, 53 J.Bus. 345, 364 f. (1980): Abfall des Börsenkurses um durchschnittlich 26 % nach dem gelungenen Übernahmeangebot. 53 Seibt/Heiser, ZGR 2005, 200, 221 m. w. N.; Assmann, AG 1995, 563, 570 f.; Hommelhoff/Kleindiek, AG 1990, 106, 108 ff.; Grunewald, WM 1991, 1361, 1362; Kallmeyer, ZHR 161 (1997) 435, 436 ff., 444 ff.; Schindler, S. 384 ff., 387; in diesem Sinne auch Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer S. 48 ff.; Neye, DB 1996, 1121, 1125; Pietzke, in: FS Fikentscher S. 601, 614. 54 Schutzlücken sehen Habersack/Mayer, ZIP 1997, 2141, 2143 f.; Hopt, ZHR 161 (1997) 368, 386 ff.; ders., in: FS Zöllner, S. 253, 258; Immenga/Noll, S. 75 f.; Houben, WM 2000, 1873 1875 f; Mülbert, ZIP 2001, 1221, 1226 f.; Benner-Heinacher, DB 1997, 2521; H. Krause, S. 181 ff., 185; ders., AG 1996, 209, 211; ders., NZG 2000,

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tigt die Erwartung von fallenden Börsenpreisen nach erfolgreichem Abschluss eines Übernahmeangebots im Übrigen nicht – hierfür bedarf es hinlänglicher Überzeugung bei den Marktteilnehmern, damit ein ausreichend spezifiziertes Eigentumsrecht im ökonomischen Sinn besteht.56 Allein die Kosten und praktischen Risiken bei der Durchsetzung von Ansprüchen nach §§ 302 Abs. 2, 317 AktG bedeuten schon eine Wertminderung. Regulierungen des Entscheidungsprozesses (= Marktergebniskontrolle) versprechen dort höhere Effektivität und niedrigere Kosten.57 Daher hat der Gesetzgeber – entgegen der Ansicht von Mühle – bereits durch die ‚Zaunkönigregel‘ in § 16 Abs. 2 WpÜG in Kombination mit dem Verbot von Teilangeboten in § 32 WpÜG und durch umfangreiche Informationspflichten (§§ 11, 13, 27 WpÜG) Verkaufsdruck resultierend aus dem Gefangenendilemma während eines laufenden Übernahmeverfahrens weitgehend unterbunden.58 Die Gefahr, bei Teilangeboten nicht alle Aktien veräußern zu können und so nach Ablauf der Angebotsfrist von fallenden Kursen wegen des nun erreichten Minderheitsstatus betroffen zu sein, besteht bei Vollangeboten nicht.59 Fallenden Kursen nach erfolgreichem Angebot ist der Aktionär ebenfalls nicht ausgesetzt, wenn er in der Nachfrist des § 16 Abs. 2 WpÜG verkauft, so dass seine individuelle Erwartung ihn nicht unter Druck zu setzen vermag. Freilich bleibt es selbst unter Geltung der §§ 16 Abs. 2, 32 WpÜG bei der Gefahr, dass die Aktionäre der Zielgesellschaft ein Angebot unter dem von ihnen selbst für den Fall des Scheiterns eines freiwilligen Übernahmeangebots erwarteten Marktwert ihrer Aktien annehmen müssen, weil der Markt die Erlangung der Kontrolle durch den Bieter bereits antizipieren und schon im Vorfeld des Angebotsverfahrens auf einen drohenden Minderheitsstatus mit einer ___________ 905, 910; Reul, S. 277 ff., 281 ff.; Weber, S. 337; Thoma, ZIP 1996, 1725, 1729; Schauder, NZG 1998, 799, 802; vgl. auch Habersack, in: FS Peltzer S. 139 ff., 141; Wolf, AG 1998, 212, 219 f. Detailliert Weber, S. 402 ff. Grundlegend schon Wiedemann, Minderheitenschutz, S. 56. 55 Liekefett, RIW 2004, 824, 825 f. stellt allerdings fest, dass sich ökonomisch Schutzlücken nicht empirisch nachweisen lassen. Gleichwohl hält er deren Bestehen für so nahe liegend, dass er einen Schutz befürwortet. 56 Kallmeyer, ZHR 161 (1997) 435, 438 f. sieht hingegen diese Marktbewertung als allgemeines Marktrisiko einer Fehleinschätzung. Hiergegen spricht freilich, dass es in der ökonomischen Theorie der Märkte keine dauerhafte Fehleinschätzung gibt. 57 A. A. für einen ‚durchdachten‘ Konzernfolgenschutz Liekefett, RIW 2004, 824, 831. 58 Mülbert, ZIP 2001, 1221, 1223; Seibt/Heiser, ZGR 2005, 200, 221 f.; Rodewald/ Siems, ZIP 2002, 926, 927 f.; Wirtz, S. 309 ff. 59 H. Krause, S. 112.

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B. Die Preisregel zwischen Verbands- und Kapitalmarktrecht

Kurssenkung für die Aktie reagieren kann.60 Das hiergegen gerichtete Argument, die Informationspflichten nach § 10 WpÜG61 und §§ 21 ff. WpHG62 würden zu steigenden Börsenkursen führen,63 kann nicht endgültig überzeugen: Ein effizienter Kapitalmarkt setzt nicht nur die Information, dass Nachfrage nach den Aktien der Zielgesellschaft besteht, sondern auch einen erwarteten Kontrollwechsel in die Kurse um.64 Dabei ist zunächst für die übrigen Marktteilnehmer völlig unsicher, ob und bei welchem Börsenkurs der potentielle Bieter vom nichtöffentlichen Erwerb65 – z. B. lediglich einer Sperrminorität – zum Erwerb der Kontrolle mittels freiwilligen Übernahmeangebots übergeht. Folglich ist im Marktgeschehen ebenso unsicher, ob der Bieter die Veröffentlichung gemäß § 10 WpÜG unternimmt bzw. unternehmen muss.66 Gehen sie trotzdem von einer Übernahmeabsicht aus,67 steigt mit wachsender Bieterbeteiligung die Gefahr eines niedrigen freiwilligen Übernahmeangebots, da der Bieter für die Kontrolle nur noch wenige weitere Aktien benötigt.68 Dass diese Drohung in der Beurteilung durch den Gesamtmarkt in dem einen oder anderen Fall überwiegen wird, dürfte kaum auszuschließen sein. Ohne Mindestpreisregel für das freiwillige Übernahmeangebot kann der Grenzpreis für die zum Kontrollerwerb noch benötigten Aktien daher erheblich sinken,69 wenn der Minderheitsstatus nur bedrohlich genug wirkt und im Extremfall nur eine weitere Aktie erworben werden soll.70 Das englische Recht kennt daher ein Verbot des massierten An___________ 60

Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler § 31 Rn. 5; ders., NZG 2001, 817, 825. Thun, in: Geibel/Süßmann § 31 Rn. 32. 62 Wackerbarth, in: MüKo-AktG § 31 WpÜG Rn. 13. 63 Vgl. auch die bestätigenden empirischen Untersuchungen von Bradley, 53 J.Bus. 345, 364 f. (180) und Comment/Jarrell, 19 J.Fin.Econ. 283 (1987) und die Kritik hieran bei H. Krause, S. 117 f. 64 Herkenroth, S. 341 f. 65 Z. B. über die Börse Schüppen, in: Haarmann/Schüppen § 2 Rn. 14; Wackerbarth, in: MüKo-AktG § 2 WpÜG Rn. 14a. 66 Probleme wirft hier allenfalls das Verbot von Insidergeschäften (§ 14 WpHG) auf. Dem kann jedoch durch eine Veröffentlichung nach § 15 WpHG vor der Abgabe eines öffentlichen Übernahmeangebots begegnet werden. Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden, S. 28 und Assmann, in: Assmann/Schneider § 15 Rn. 81 ff. 67 Obwohl gegen eine solche Annahme die bis dahin nicht erfolgte Veröffentlichung nach § 10 WpÜG spricht. 68 Soweit Wirtz, S. 309 ff. zu einem hiervon abweichenden Ergebnis kommt, ist festzuhalten, dass in dem von ihm untersuchten Modell der Übernehmer vor dem Übernahmeversuch keine Aktien der Zielgesellschaft besitzt (S. 126). 69 So auch Mülbert, ZIP 2001, 1221, 1224; Rodewald/Siems, ZIP 2002, 926, 928. 70 Insbesondere greift in dieser Situation nicht das immer wieder angeführte Argument, dass die Übernahme nur zu einem Preis gelingen kann, der oberhalb der Werteinschätzung der Aktien bei Unabhängigkeit durch eine Kontrollmehrheit von Aktionären liegt, weil für den Kontrollwechsel eine wesentlich unterhalb der Kontrollmehrheit liegende Anzahl von Aktien den Eigentümer wechseln muss. 61

II. Einzelprobleme der Preisregel

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teilserwerbs vor Unterbreitung eines Übernahmeangebots („Dawn Raid“), und zwar die Industry Rules Governing Substantial Acquisition of Shares sowie die Beschränkung von Paketerwerben in Rule 5 City Code, die die Spaltung der Aktionäre in zwei Lager erschweren.71 Mindestpreis- und Gleichpreisregel im deutschen Recht knüpfen in diesem Fall für die Preisbildung an einen Zeitpunkt an, zu dem das Drohpotential des Bieters noch gering ist. Diese Gesetzestechnik weist allerdings auch eine Schutzlücke auf: Verzögert der Bieter nämlich sein freiwilliges Angebot um mehr als sechs Monate und unterlässt er auf diese Weise bezogen auf die Gleichpreisregel (§ 4 AngebotsVO) relevante Vorerwerbe, orientiert sich der bei einem freiwilligen Angebot zu zahlende Preis nur an der Mindestpreisregel; die Minderheitsaktionäre erhalten dann nur den eventuell gesunkenen gewichteten durchschnittlichen Börsenkurs der letzten drei Monate (§ 5 AngebotsVO). Ein Marktversagen kann somit nur in einem engen Zeitrahmen ausgeschlossen werden. Dies gilt selbst für den Fall einer im Rahmen der Übernahmerichtlinie möglichen Ausweitung des Referenzzeitraumes auf höchstens zwölf Monate (Art. 5 Abs. 4 ÜRL). Diese Schutzlücke vermag allerdings nicht die Marktergebniskontrollfunktion der Mindestpreisregel für freiwillige Angebote völlig in Frage zu stellen. Eine teleologische Reduktion des § 31 WpÜG scheidet nach alledem aus. Die Norm lässt sich in Hinsicht auf die Erstreckung auch auf freiwillige Übernahmeangebote als Reaktion auf ein mögliches Marktversagen begründen. Die immer wieder geäußerte Kritik, dass das Vorhandensein oder spätere Eintreten eines Mehrheitsaktionärs einen nachteiligen Einfluss auf die Kursentwicklung einer börsennotierten Gesellschaft zeitigt, sei für den deutschen Aktienmarkt empirisch nicht belegt,72 ändert daran nichts. Eine Studie der 876 größten Gesellschaften der EU und der USA ergab inzwischen eindeutig einen hoch signifikanten negativen Effekt bei der Bewertung von Gesellschaften am Kapitalmarkt ausschließlich in der EU ohne Großbritannien, die anfänglich (bezogen auf den Untersuchungszeitraum) große Beteiligungspakete aufwiesen.73 Zwar ergaben diese und andere74 Studien Indizien dafür, dass es wegen der möglichen Reduzierung von durch das Principal-Agent-Problem verursachten Kosten eine optimale Beteiligung durch einen Großaktionär gibt, die eine positive Wertentwicklung des Unternehmens und seiner Aktien verursacht.75 ___________ 71

Herkenroth, S. 262 f.; Rosskopf, S. 137. Letzel, NZG 2001, 260, 262; Pietzke, in: FS Fikentscher S. 601, 612 f. 73 Torben/Petersen/Kvist, S. 36 f. 74 Grundlegend Jensen/Meckling, 3 J.Fin.Econ. 305 ff. (1976); Bebchuk, NBER Working Paper 7203, S. 28 f. m. w. N. 75 Torben/Petersen/Kvist, S. 10, 31, 36 f.; vgl. auch Denis/McConnell, 38 J.Fin.Quant.Anal. 1, 26 (2003), die einen starken Großaktionär für einen notwendigen 72

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B. Die Preisregel zwischen Verbands- und Kapitalmarktrecht

Jedoch differiert die optimale Beteiligungsgröße sehr stark nach den Umständen des Einzelfalls, also z. B. der Branche des betrachteten Unternehmens. Da eine gesetzliche Regelung nicht in der Lage ist, diese Spezifika zuverlässig nachzubilden, erscheint es als eine gut vertretbare Lösung, typisierend jeglichen Kursdruck zu unterbinden.

2. Subjektive Rechte und Preisregel Ob die Preisregel über den kapitalmarktrechtlichen Bereich hinausgreift und subjektiv-rechtlichen Charakter besitzt, bildet den zentralen Streitpunkt bei den weiteren Einzelfragen.

a) Eigentumsentschädigungsfunktion der Mindestpreisregel Teilweise wird die Mindestpreisregel für freiwillige Übernahmeangebote mit der Notwendigkeit eines Konzerneingangsschutzes für die Aktionäre76 begründet.77 Überlasse man die Preisfindung alleine dem Markt, so könne ein Bieter, der nicht alle Aktien erwerben möchte und deswegen ein freiwilliges Angebot unterbreite, dessen Konditionen hinter denjenigen der Pflichtangebotsregel zurückbleiben lassen.78 Dies entspreche nicht dem Gleichbehandlungsgrundsatz in § 3 Abs. 1 WpÜG.79 Mit dieser Argumentationsweise werden zwei Problemkreise miteinander vermengt. Problem eins ist die Beseitigung von Preisdruck mit der Drohung zukünftiger Konzernierung, wie es die Erpressungshypothese impliziert. Dieser Preisdruck kann wie soeben gezeigt durch eine Gleichbehandlung aller Aktionäre wesentlich gemindert werden. Eine zweite davon zu unterscheidende Problematik liegt in der ‚Notwendigkeit‘ eines Konzerneingangsschutzes. Dies betrifft die Frage, ob den Minderheitsaktionären im Falle eines Kontrollwech___________ Ausgleich zu einem schwachen Investorenschutz durch das jeweilige Rechtssystem halten. 76 Soweit im Folgenden von Konzerneingangsschutz die Rede sein wird, versteht sich dies nicht im Sinne einer Sicherung der Unabhängigkeit der Zielgesellschaft, sondern im Sinne eines Schutzes des Minderheitsaktionärs vor dem Verbleib in einer konzernierten Gesellschaft. 77 Rodewald/Siems, ZIP 2002, 926, 928. Vgl. auch zur ökonomischen Abwägung zwischen Konzerneingangsschutz und Konzernfolgenschutz Liekefett, RIW 2004, 824, 831. 78 Rodewald/Siems, ZIP 2002, 926, 928; Mülbert, ZIP 2001, 1221, 1224; Seibt/ Heiser, ZGR 2005, 200, 222. 79 Rodewald/Siems, ZIP 2002, 926, 928.

II. Einzelprobleme der Preisregel

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sels ein Austrittsrecht zu einem bestimmten Preis zukommt, um den (Konzernierungs-)Anreizen der Ausbeutungshypothese zu begegnen. Dabei geht es nicht um eine an Gleichbehandlung ausgerichtete Ausgestaltung des Angebotsverfahrens, sondern um eine Angebotspflicht an alle Aktionäre bei Überschreiten der Kontrollschwelle. Für die Angebotspflicht existieren kapitalmarktrechtliche und verbandsrechtliche Begründungsansätze.

aa) Kapitalmarktrechtliche Einordnung des Pflichtangebots Der Funktion nach lassen sich Rechtsvorschriften des WpÜG, die Fälle von Pflichtangeboten regeln (§§ 35 ff. WpÜG), unproblematisch als Konzernrechtsnormen begreifen; sie ergänzen das Konzernverfassungsrecht der §§ 291 ff. AktG um einen Konzerneingangsschutz.80 Umstritten und für die Auslegung der Preisregel bedeutsam ist die Zuordnung des obligatorischen Übernahmeangebots zum Kapitalmarktrecht oder zum Verbandsrecht. Denn nach Kübler gibt es einen prinzipiellen, dogmatischen Gegensatz zwischen Gesellschaftsrecht und Kapitalmarktrecht: Gesellschaftsrecht ist als rechtsformbezogenes Organisationsrecht dispositiv, Kapitalmarktrecht dagegen rechtsformübergreifend und zwingend.81 Und während das Verbandsrecht vornehmlich die Aufgabe hat, für die privaten Vereinigungen gerechte und zweckmäßige Verhaltensregeln zu schaffen, soll das Kapitalmarktrecht die bestmögliche Transmission von Vermögensanlagen in allokationseffizienzsteigernder Weise gewährleisten.82 Es geht an dieser Stelle nicht um eine Positionierung in dem ___________ 80 Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, 725 ff.; Mülbert, ZIP 2001, 1221, 1226; Mülbert/Schneider, WM 2003, 2301, 2304; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler § 3 Rn. 17; Hopt, in: Hommelhoff/Hopt/Lutter, S. 287; ders., ZHR 166 (2002) 383, 386; Baums, ZIP 1989, 1376, 1379 ff.; Grunewald, WM 1989, 1233, 1238; ders., WM 1991, 1361, 1362 ff.; Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/ Basaldua/Bozenhardt/Peltzer S. 47 f., 52 f.; Hommelhoff, in: FS Semler S. 455, 460; Hommelhoff/Kleindiek, AG 1990, 106, 108 ff.; Mertens, AG 1990, 252, 256 ff.; Kuhr, S. 172 ff.; Peltzer, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer S. 194 f.; Wolf, AG 1998, 212, 220; Hommelhoff/Witt, in: Haarmann/Schüppen Vor § 35 bis 39 Rn. 36 f.; Hanau, NZG 2002, 1040, 1045; Letzel, BKR 2002, 293, 299; tendenziell auch Fleischer, NZG 2002, 545, 547 f.; Meyer, in: Geibel/Süßmann § 35 Rn. 3; von Bülow, in: KölnerKommWpÜG § 35 Rn. 4; Fleischer/Kalss, S. 29 ff.; zusammenfassend Heiser, S. 43 ff., 383 ff.; kritisch Altmeppen, ZIP 2001, 1073, 1083. 81 Kübler, KritV 1994, 79, 84 ff.; ders., AG 1994, 141, 145 ff.; ähnlich früher schon Schwark, S. 153, 355 f., 398; ders., ZGR 1976, 271, 275; ders., in: FS Stimpel S. 1087, 1090 ff., 1092. 82 Assmann, ZBB 1989, 49, 61. Siehe aber auch Schwark, in: FS Stimpel S. 1087, 1092, der für das Wirtschaftsrecht neben dem ökonomischen Zweck immer zugleich einen zugrunde liegenden Gerechtigkeitsgedanken (aus verfassungsrechtlichen Grundwerten) verlangt. Das Grundgesetz dürfte allerdings für die Wirtschaftsordnung lediglich

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B. Die Preisregel zwischen Verbands- und Kapitalmarktrecht

bekannten Streit, ob dem Gesellschaftsrecht Funktionenschutz für den Kapitalmarkt zugesprochen werden kann.83 Hier steht die Klärung an, ob eine mit Blick auf den Kapitalmarkt geschaffene Norm verbandsrechtliche Zwecke verfolgt:84 Kleindiek hält die konzernrechtlichen Wirkungen der §§ 35 ff. WpÜG mehr oder weniger für einen Rechtsreflex.85 Habersack wendet das Aktienkonzernrecht und das WpÜG für börsennotierte Gesellschaften nebeneinander an, ohne dass eine Ausstrahlung des WpÜG auf das Gesellschaftsrecht anzunehmen wäre.86 Insgesamt handelt es sich nach der überwiegenden Anzahl von Autoren beim WpÜG lediglich um kapitalmarktrechtliche Anlegerschutzvorschriften.87 Mülbert dagegen sieht in ihnen Regelungen über die Binnenorganisation der Aktiengesellschaft.88 Insgesamt leitet eine Minderheit von Autoren die Angebotspflicht konzernrechtlich ab.89 Für eine tragende Rolle von kapitalmarktrechtlichen Schutzüberlegungen bei der Pflichtangebotsregel sprechen verschiedene Argumente: Das Pflichtangebot ist dem angelsächsischen Recht entlehnt.90 Das dortige Modell des Minderheitenschutzes ist auf einen Investmentaktionär hin konzipiert, der einem Un___________ die Extrempositionen reine Zentralverwaltungswirtschaft (wegen Artt. 2, 9, 11, 12, 14 GG) und schrankenlose Marktwirtschaft (wegen Sozialstaatsklausel Artt. 20, 28 GG) ausschließen. Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 32 II 1, wollen dem Kapitalmarktrecht in ähnlicher Weise Individualschutz als Zweck beimessen. Anlegerschutz ist jedoch schon in Ansehung der vielfältigen Investitionsmotive einerseits und der heteronomen Normenkomplexe andererseits nicht als Sozialschutz, sondern nur als Funktionenschutz zu begreifen, der sich zu diesem Zwecke des Aufbaus individualschützender Positionen bedienen kann (Assmann, ZBB 1989, 49, 61). Näher zu den Begrifflichkeiten Berding, WM 2002, 1149 f. m. w. N. 83 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 9 II 2 und III 1; Mülbert, S. 68 ff. und passim, Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 32 und § 36; Möllers, ZGR 1997, 334 ff. 84 Lutter, in: FS Zöllner, S. 363, 375 spricht von Fernwirkungen bestimmter kapitalmarktrechtlicher Normen, die ohne Änderung des Gesetzestextes dem Aktienrecht unterschiedlichen Inhalt geben, je nach dem, ob es sich um eine börsennotierte Gesellschaft handelt oder nicht. 85 Kleindiek, ZGR 2002, 546, 558 ff. 86 Habersack, in: Emmerich/Habersack Vor § 311 Rn. 10. 87 Heiser, S. 47 ff., 350 ff.; Houben, WM 1873, 1877; Meyer, in: Geibel/Süßmann § 35 Rn. 7 ff.; Schlitt, in: MüKo-AktG § 35 WpÜG Rn. 8. 88 Mülbert, ZIP 2001, 1221, 1222 und 1226 f. 89 Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 768, 771; Steinmeyer/Häger, Einl. Rn. 21, 31, § 35 Rn. 2, 21 ff.; Kuhr, S. 197; Letzel, BKR 2002, 293, 299; Hopt, in: FS Rittner S. 187, 201. 90 Der City Code will generell das unkontrollierte Entstehen von Minderheitspositionen verhindern. Wymeersch, ZGR 2002, 520, 536; Noack, in: Schwark § 35 Rn. 12; Habersack/Mayer, ZIP 1997, 2141, 2142; Herkenroth, S. 242 ff.; Sandberger, DZWiR 1993, 319, 323; Knoll, S. 129.

II. Einzelprobleme der Preisregel

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ternehmen Kapital zur Verfügung stellt und dafür an den Erträgen partizipieren will.91 Für das englische Recht gilt, dass der City Code erst seit dem Jahr 1974 einen partiellen Konzerneingangsschutz beinhaltet: Im Fall Hay’s Wharf verweigerten die Aktionäre der St Martins Property eine Kapitalerhöhung, die zur Erfüllung einer nach dem City Code entstandenen Übernahmepflicht erforderlich war.92 Das Panel musste damals die Entscheidungsfreiheit der Aktionäre akzeptieren, reagierte jedoch mit einer Regeländerung dahingehend, dass jeder Erwerb von Aktien verboten war, wenn die Erfüllung einer daraus entstehenden Übernahmepflicht von der Genehmigung der Hauptversammlung abhängig war.93 Zielsetzung dieser Änderung war es, die Übernahmepflichten strikt durchzusetzen. So mussten von nun an obligatorische Übernahmeangebote ein Barangebot enthalten, weil dies nicht von der Genehmigung der Hauptversammlung abhängig war.94 Im englischen Gesellschaftsrecht trifft die Aktionäre grundsätzlich keine Treuepflicht, weder untereinander noch gegenüber der Gesellschaft.95 Allein bei Satzungsänderungen ist die Mehrheit durch Common Law einer Pflicht unterworfen, ihre Stimmen bona fide im Interesse der Gesellschaft auszuüben, was sich insgesamt aber nicht zu einer umfassenden Kontrolle gegenüber Missbrauch verdichtet hat.96 Mehrheitsherrschaft ist also das tragende Prinzip des englischen Gesellschaftsrechts hinsichtlich der Führung aller Geschäfte der Gesellschaft. Nach der legal entity doctrine ist die Gesellschaft durch ihre rechtliche Selbständigkeit weitgehend gegenüber Rechten von Aktionären abgeschirmt. Dass sich die Struktur der Interessenkonflikte zwischen den Gesellschaftern durch das Entstehen einer Mehrheitsherrschaft ändert, wird vom Gesellschaftsrecht nicht anerkannt. Folglich steht auch kein spezieller Minderheitenschutz ähnlich dem Konzept des deutschen Konzernrechts zur Verfügung.97 Spätere Ausnahmen zum Common Law durch den Companies Act 1980 und 198598 hatten keinen Einfluss mehr auf die im Jahr 1976 weitgehend abgeschlossene Regelfindung für das obligatorische Übernahmeangebot. Weil die Minderheitsaktionäre im Rechtszustand vor 1980 bei einer Konzernbildung ___________ 91 Kleindiek, ZGR 2002, 546, 558; Houben, WM 2000, 1873, 1877; H. Krause, WM 1996, 893, 898 f.; Meyer, in: Geibel/Süßmann § 35 Rn. 5 und 9. 92 H. Krause, S. 69. 93 H. Krause, S. 671. 94 H. Krause, S. 69. 95 H. Krause, S. 75 f. 96 H. Krause, S. 76. 97 H. Krause, S. 77. 98 H. Krause, S. 77 ff.

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B. Die Preisregel zwischen Verbands- und Kapitalmarktrecht

keine besonderen Rechte besaßen, entschied sich die City für eine ihren Regelungsmöglichkeiten zugängliche Lösung über ein Austrittsrecht im Zeitpunkt der Konzernbildung.99 Konzernrechtlichen Charakter erhält diese Regelung, weil der City Code für die Übernahme aller britischen public limited companies (plc) gilt unabhängig von einer Börsenzulassung.100 Wesentliches Regelungsanliegen im angloamerikanischen Recht wurde so, die Grundlagen der Investmententscheidung zu wahren und eine Möglichkeit für den Minderheitsaktionär zu sichern, diese Entscheidung bei einer Veränderung ihrer Voraussetzungen ohne hierdurch bedingte finanzielle Einbußen neu treffen zu können.101 Das deutsche Konzernrecht sieht im Gegensatz dazu primär den Schutz der beherrschten Gesellschaft als Regelungsziel an und begreift während des Bestehens der Abhängigkeit der Gesellschaft den Schutz der Minderheit im Wesentlichen als abgeleiteten (vgl. § 317 Abs. 1 Satz 2 AktG),102 denn neben den Minderheitenschutz tritt immer auch der Gläubigerschutz (z. B. § 303 AktG und auch § 317 AktG103).104 Einer Zuordnung der Pflichtangebotsregeln zum Konzernrecht wird zu Recht entgegengehalten, dass die gesetzliche Regelung insbesondere in vier Elementen mit herkömmlichen konzernrechtlichen Kategorien und Strukturen nicht zu vereinbaren ist: Das Pflichtangebot knüpft nicht an die Unternehmereigenschaft i. S. d. §§ 15 ff. AktG an, es kommt bei jedem Wechsel in der Person des Kontrollinhabers zum Tragen, es gilt nur für eine Aktiengesellschaft mit zum Handel an einem organisierten Markt zugelassenen Wertpapieren, und die durch die Mindestpreisregeln sichergestellte Partizipation der Minderheitsaktionäre lässt sich gesellschaftsrechtlich nicht überzeugend begründen.105

___________ 99

H. Krause, S. 80. City Code, 7th edition 01.05.2002, latest amendment 25.04.2005, Introduction 4 (companies and transactions to which the code applies), S. A8 f. 101 Vgl. eingehend zu den Handlungsebenen und -mustern des Anlegeraktionärs (‚exit‘ vs. ‚voice‘) Kalss, S. 1 ff., 339 ff. und grundlegend Hirschman, Exit Voice and Loyalty. 102 Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 411; Kuhr, S. 175. 103 Hüffer, AktG, § 317 Rn. 1. 104 Kritisch gegenüber der Übernahme des Regelungsmodells aus dem City Code in das deutsche Recht auch Schmidt/Prigge, in: FS Seelbach S. 191, 203. 105 Habersack, in: Emmerich/Habersack Vor § 311 Rn. 25; Kleindiek, ZGR 2002, 546, 558 ff.; Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler § 35 Rn. 5; Schlitt, in: MüKoAktG § 35 WpÜG Rn. 8; ähnlich Körner, S. 162 f. 100

II. Einzelprobleme der Preisregel

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bb) Verbandsrechtliche Einordnung des Pflichtangebots Gleichwohl entwickeln manche Autoren einen verbandsrechtlichen Präventivschutz gegen Kontrollwechsel, zum Teil auch unabhängig von dem durch § 1 WpÜG auf börsennotierte Gesellschaften eingeschränkten Anwendungsbereich des WpÜG.106 Als Rechtsgrundlagen werden derzeit die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht107 und ein gesetzliches Schuldverhältnis108 diskutiert.

(1) Treuepflicht Berding rechtfertigt etwa die Regeln zum Pflichtangebot aus der Existenz einer vormitgliedschaftlichen Treuepflicht heraus.109 Im Anschluss an Weber sieht er deren Bestehen durch das Bedürfnis nach mehr Schutz für Alt- und Neugesellschafter gerechtfertigt. Dies sei ein notwendiges Korrelat zu den Einwirkungsgefahren, die von einer zukünftigen Gesellschafterstellung ausgehen könnten. Wirksame Kontrolle müsse daher schon im Vorfeld der Mitgliedschaft einsetzen.110 Weber sah vor In-Kraft-Treten des WpÜG den Anwendungsbereich für eine vormitgliedschaftliche Treuepflicht im Bereich der Übernahme von Kontrollmehrheiten111 und folgerte daraus eine Angebotspflicht112 mit Preisregeln, vergleichbar mit den nunmehr geltenden.113 Insgesamt gab es einige Versuche, mit den hergebrachten Argumentationsmustern des Zivil- oder Gesellschaftsrechts eine Angebotspflicht zu begründen. Frühe Begründungsversuche zielten auf ein „bewegliches System“114 aus den Haftungskriterien und -prinzipien des BGB-Deliktsrechts verschmolzen mit sonderprivatrechtlichen Haftungselementen, in dem Verkehrspflichten zum Schutz fremder Vermögensinteressen herausgebildet und zu einem kompletten Marktorganisationsrecht ausgebaut werden.115 Später wurden Pflichten des Bieters gegenüber den Minderheitsaktionären mittels der Rechtsfigur der culpa in ___________ 106

Mülbert, ZIP 2001, 1221, 1228; Mülbert/Schneider, WM 2003, 2301 ff. Berding, WM 2002, 1149, 1152 und 1157. 108 Mülbert/Schneider, WM 2003, 2301, 2308. 109 Berding, WM 2002, 1149, 1152. 110 Berding, WM 2002, 1149, 1152; Weber, S. 4, 178 f. 111 Weber, S. 328 ff., 357 ff. 112 Weber, S. 379 ff. 113 Weber, S. 430 f. 114 Mertens, AcP 178 (1978) 227, 235, 251. 115 Wiedemann, Minderheitenschutz, S. 52, 60; Reul, S. 272 ff.; vgl. auch von Bar, ZGR 1983, 476. 107

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B. Die Preisregel zwischen Verbands- und Kapitalmarktrecht

contrahendo entwickelt und mit einer Schadensersatzpflicht versehen.116 Allerdings wurde eine Kontrolle des Angebotspreises im Rahmen der c. i. c. noch abgelehnt.117 Am häufigsten anzutreffen waren Bemühungen, das Pflichtangebot aus dem tradierten verbandsrechtlichen Institut der Treuepflicht abzuleiten.118 Auch bei diesen Ansätzen finden sich im Wesentlichen nur Aussagen zu einer Gleichbehandlung der Aktionäre ohne Forderungen nach einem Mindestpreis. Übernahmeverpflichtungen auf Basis einer deliktischen Verkehrspflicht oder einer Treuepflicht zwischen den Gesellschaftern waren und sind jedoch erheblichen dogmatischen Zweifeln ausgesetzt. Den deliktsrechtlichen Ansätzen ist zutreffend entgegengehalten worden, dass der für das Deliktsrecht erforderliche Schadensbezug aufgegeben wird, weil nicht an dem Missbrauch der Kontrolle, sondern an der Kontrollerlangung angesetzt wird.119

(a) Treuepflicht und Kontrolle Hinsichtlich der Treuepflicht besteht ein grundsätzliches dogmatisches Hindernis darin, dass ihr zwischen Aktionären bislang nur rechtsbegrenzende Funktion beigemessen wird.120 Soweit aktive Handlungspflichten diskutiert werden, handelt es sich um Pflichten, die ihrerseits Ausfluss der rechtsbegrenzenden Wirkung der Treuepflichten sind und daher die Rechtsausübungsschranken lediglich konkretisieren.121 Folgerichtig müsste zunächst versucht werden, die Kontrolle durch den Großaktionär mittels der Treuepflicht zu be___________ 116 Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer S. 72 ff., 75; Beckmann, S. 78 ff., 81 ff.; Bozenhardt, S. 78 ff.; Grunewald, WM 1989, 1233, 1236; Schwark, in: FS Stimpel S. 1087, 1111. 117 Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer S. 90 Fn. 471; Grunewald, WM 1989, 1233, 1236. 118 Reul, S. 252 ff., 266 f.; Baums, ZIP 1989, 1376, 1378 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 8 III 3; ders., Minderheitenschutz S. 53 ff., 55 (noch ablehnend); früher auch Mülbert, S. 463 ff.; ders., ZIP 2001, 1221, 1228 (aufgegeben in Mülbert/Schneider, WM 2003, 2301, 2308 Fn. 55). Ablehnend Lutter, ZHR 153(1989) 446, 460 ff.; ders., ZHR 162 (1998) 164, 171 ff., 175. 119 Heiser, S. 310 und zur Kritik an einer Lösung über die culpa in contrahendo S. 311 ff. 120 BGHZ 103, 184, 194 f. – Linotype; Schindler, S. 381; Lutter, ZHR 153 (1989) 446, 453 ff.; ders., ZHR 162 (1998) 164, 167; Pietzke, in: FS Fikentscher S. 601, 611; a. A. Mülbert, S. 465; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV 1 b. 121 BGHZ 129, 136, 145 – Girmes; Schindler, S. 381; Lutter, ZHR 153(1989) 446, 467 ff.; ders., ZHR 162 (1998) 164, 167; Pietzke, in: FS Fikentscher S. 601, 611.

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grenzen und ggf. ganz zu untersagen, bevor dieser zu positiven Handlungen verpflichtet werden kann. Insbesondere der Gedanke vom Bruch des Investitionsvertrages122 verfängt nicht: Mit dem Wechsel des Kontrollinhabers soll sich danach die Richtung der gemeinsamen Zweckverfolgung ändern, wodurch die Mitgliedschaft selbst in ihrem Wesen betroffen werde. Da der Minderheitsaktionär nicht mehr souverän im Hinblick auf den gemeinsam verfolgten Zweck sei, werde ihr Wesen durch die Abhängigkeit zu dem bisherigen Kontrollinhaber bestimmt. Das Vertrauen auf die Beteiligung bestimmter Aktionäre gehört jedoch gerade nicht zum verbandsrechtlich vermittelten Vertrauensbereich der Mitglieder untereinander.123 Solange die Gesellschafter gemeinsam an die Wahrung der Gesellschaftsinteressen gebunden sind, besteht in verbandsrechtlicher Hinsicht kein Bedürfnis zu einem über die §§ 311 ff. AktG hinausgehenden Vertrauensschutz.124 Selbst wenn man das Konzernrecht für löchrig hält, wäre die Treuepflicht vorrangig für das Stopfen dieser Löcher (Rechtsbegrenzung) und nicht für den Handel der Beteiligung (Handlungspflicht) zu aktivieren. Der von Mülbert125 unternommene und von Lutter126 erwogene Versuch, aus der so genannten Süssen-Entscheidung des Bundesgerichtshofs127 ein Präventivschutzanliegen in die Treuepflicht hineinzulesen, ist mit dem Argument Heisers128 abzulehnen:129 In dem Urteil zur Befreiung eines GmbH-Gesellschafters von einem satzungsmäßigen Wettbewerbsverbot durch Beschluss der Gesellschafterversammlung war nicht Präventivschutz entscheidungserheblich, sondern es ging um die Berücksichtigung von Minderheitsinteressen im Rahmen eines gegenwärtigen Gesellschafterbeschlusses.

___________ 122 Reul, S. 264 ff.; Ziemons/Jaeger, AG 1996, 358, 361; ähnlich Fillmann, S. 188; Piepenburg, S. 313. 123 Heiser, S. 317; Kleindiek, ZGR 2002, 546, 559. 124 Kleindiek, ZGR 2002, 546, 559; ähnlich Houben, WM 2000, 1873, 1877; Heiser, S. 51 ff., 55 f. 125 Mülbert, S. 466. 126 Lutter, ZHR 162 (1998) 164, 172 f. 127 BGHZ 80, 69, 74 f. – Süssen. 128 Heiser, S. 331 f. 129 Im Ergebnis übereinstimmend Habersack, in: Emmerich/Habersack Vor § 311 Rn. 9.

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B. Die Preisregel zwischen Verbands- und Kapitalmarktrecht

(b) Treuepflicht beim Aktienhandel Mit der Anerkennung einer vormitgliedschaftlichen Treuepflicht130 sind zwar einige Begründungsschwierigkeiten der Vergangenheit auf den Punkt gebracht,131 aber nicht überzeugend beseitigt. Gerade der Vergleich mit der c. i. c. macht deutlich, dass die vormitgliedschaftliche Treuepflicht an ein Verhalten im Vorfeld der Mitgliedschaft angeknüpft werden muss. Hierfür kommt nur der Erwerbsvorgang selbst, nicht aber das Innehaben der Kontrolle während der Mitgliedschaft in Betracht.132 Dies erfordert eine Ausweitung der Treuepflichten über den mitgliedschaftlichen Innenbereich hinaus, was dogmatischen Zweifeln ausgesetzt ist.133 Wird die Treuepflicht auf die Veräußerung und den Erwerb von Aktien ausgedehnt,134 müsste in Konsequenz jedes Rechtsgeschäft eines Aktionärs – also z. B. auch Termingeschäfte, Aktienleihen, covered warrants etc. – daraufhin untersucht werden, ob es zumindest abstrakt die Interessen der Mitaktionäre berührt.135 Dies verträgt sich kaum mit dem Grundsatz der freien Veräußerbarkeit der Aktien;136 letztlich handelt es sich bei der Veräußerung um ein eigennütziges Recht des Aktionärs.137 Ziemons und Jaeger sahen gleichwohl vor der DAT/Altana-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts den wirtschaftlichen Wert der Aktien als durch die Treuepflicht geschützt an.138 Der Schutzbereich der Treuepflicht könne nicht auf rechtliche Nachteile beschränkt werden, sondern müsse auch die wirtschaftlichen Folgen umfassen, sofern sie mitgliedschaftlich vermittelte Individualinteressen seien. Den Mehrheitsaktionär treffe die Pflicht, den Kurs der Aktien nicht durch Aktionen am Markt zum Nachteil der übrigen Aktionäre ___________ 130

Berding, WM 2002, 1149, 1152; Weber, S. 4, 178 f. Vgl. Reul, S. 266 f.; Kuhr, S. 62; Lutter, ZHR 153 (1989) 446, 460; Mülbert, S. 463; Piepenburg, S. 314; Bozenhardt, S. 75 f. 132 Heiser, S. 333. 133 Ausführlich Heiser, S. 315 ff. 134 So Berding, WM 2002, 1149, 1152 ff.; Reul, S. 264 ff.; Ziemons/Jaeger, AG 1996, 358, 360 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV 1 b; Weber, S. 357 ff. Körner, S. 267 ff. Dagegen aber BGH NJW 1992, 3167, 3171 – IBH/Scheich Kamel; BGH WM 1976, 449 f. – VW/Audi NSU; Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/ Bozenhardt/Peltzer S. 73; Grunewald, WM 1989, 1233, 1235; Hüffer, AktG, § 53a Rn. 21; Brandes, WM 1994, 2177, 2181; Habersack, in: Emmerich/Habersack Vor § 311 Rn. 9. 135 Schindler, S. 383. 136 A. A. Ziemons/Jaeger, AG 1996, 358, 361 f.; vgl. zu diesem Grundsatz Lutter, in: KölnerKomm-AktG § 68 Rn. 23 m. w. N. 137 Wastl, S. 34; in diesem Sinne auch Lutter, ZHR 162 (1998) 164, 174. 138 Ziemons/Jaeger, AG 1996, 358, 361. 131

II. Einzelprobleme der Preisregel

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über das allgemeine Marktrisiko hinaus zu beeinflussen.139 Heiser kritisiert dies als einen kapitalmarktrechtlichen Ansatz, der für die Herleitung von Treuepflichten generell untauglich sei.140 Entscheidend dürfte sein, dass ein Verbot von Transaktionen auf dem Kapitalmarkt, die sich zum Nachteil von Mitgesellschaftern auswirken, aber gleichzeitig nicht das allgemeine Marktrisiko darstellen, letztlich ebenfalls nichts anderes als den Bruch eines Investitionsvertrages darstellt: Der Minderheitsaktionär hätte bei dieser auf Rechtsbegrenzung zielenden Auslegung eines Investitionsvertrages Anspruch auf Unterlassung sämtlicher nachteilig kursbeeinflussender Signalsetzungen eines Großaktionärs.141 Diese Auslegung der Treuepflicht ist jedoch äußerst zweifelhaft, denn z. B. auch die Teilnahme oder Nichtteilnahme an einer Kapitalerhöhung müsste als treuepflichtgebunden angesehen werden, weil sie eine kursbeeinflussende Signalsetzung darstellen kann; die Haftungsbegrenzung auf die Einlagepflicht durch die §§ 1 Abs. 1 Satz 2, 54 Abs. 1 AktG wäre damit durch das Gesellschaftsinteresse und den Gesellschaftszweck relativiert. Selbst wenn der Handel mit Mitgliedschaftsrechten in dem mitgliedschaftlich vermittelten und nicht rein privaten Bereich verortet wird,142 weil treuepflichtbelastet auch der gesamte vom Gesellschaftszweck umschriebene mitgliedschaftlich vermittelte Außenbereich ist,143 ergeben sich erhebliche Probleme auf der weiter unten zu erörternden Rechtsfolgenseite bei der Konditionenkontrolle.144

(2) Gesetzliches Schuldverhältnis Mülbert und Schneider gründen eine gesellschaftsrechtliche Übernahmeverpflichtung auf ein gesetzliches Schuldverhältnis. Sie begründen die Existenz eines außervertraglichen Abfindungsanspruchs gesellschaftsrechtlicher Provenienz damit, dass dessen Bestehen in § 38 WpÜG vorausgesetzt sei. Mit der Kontrollerlangung komme zwischen dem Kontrollerwerber als Abfindungsverpflichtetem und den Aktionären als Abfindungsberechtigten dieses gesetzliche Schuldverhältnis zustande. Dass ein auf Abfindung gerichtetes Schuldverhält___________ 139

Ziemons/Jaeger, AG 1996, 358, 361. Heiser, S. 326 f. 141 Vgl. auch Heiser, S. 322 ff.; Jilg, S. 106, die entsprechend geringfügige Transaktionen weniger Aktien, auch wenn sie zu einem Kontrollwechsel führen, für nicht von der Treuepflicht erfasst sehen. 142 Heiser, S. 320 f.; Körner, S. 267 ff.; vgl. auch Zöllner, S. 349. 143 Reul, S. 262; Ziemons/Jaeger, AG 1996, 358, 360; ähnlich schon Lutter, AcP 180 (1980) 84, 126 f.; ders., ZHR 162 (1998) 164, 173. 144 Unten B. II. 2. a) bb) (3). 140

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B. Die Preisregel zwischen Verbands- und Kapitalmarktrecht

nis als Folgewirkung der Mitgliedschaft auch als Grundlage eines freiwilligen Verlustes der Mitgliedschaft zustande kommen könne, habe im Gefolge der Guano-Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur dogmatischen Fundierung des Abfindungsanspruchs gemäß § 305 AktG zu Recht zunehmend Anerkennung gefunden.145 Maßgebliche Begründung für die Existenz eines gesetzlichen Schutzpflichtverhältnisses (§§ 241 Abs. 2, 276, 311 Abs. 3, 328 BGB) mit dem Inhalt des § 305 AktG zugunsten der außenstehenden Aktionäre, dessen Entstehungsvoraussetzung allein der Abschluss des Unternehmensvertrages ist,146 ist für den Bundesgerichtshof die verfassungsrechtlichen Anforderungen aus Art. 14 Abs. 1 GG an das Zivilrecht.147 Dies hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt.148 Die Herleitung eines gesetzlichen Schuldverhältnisses bei Kontrollwechseln allein aus der Existenz einer Verzinsungspflicht in § 38 WpÜG befindet sich demgegenüber auf weniger gesichertem Grund, denn sie steht und fällt mit der Einordnung des Zinses als pauschaliertem Mindestschadensersatz.149 Seit In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen im Jahr 2000150 wird allerdings zunehmend der Gedanke geäußert, der pauschalierte Verzugszins diene dazu, beim Schuldner den Vorteil aus der Verzögerung der Leistung abzuschöpfen.151 Von dieser Grundannahme aus erscheint es gut begründbar, die Dauer der Verzinsungspflicht an die in der Aufgliederung der Nr. 1 bis 3 des § 38 WpÜG genannten, nicht auf Geld gerichteten Ansprüche anzuknüpfen.152 Der Abschöpfungsgedanke entspricht auch dem Grundtelos des Gesetzes, für Allokationseffizienz zu sorgen,153 denn ohne Abschöpfung kann der Bieter den Erwerb der Kontrolle letztlich (zu Lasten der ___________ 145

Mülbert/Schneider, WM 2003, 2301, 2308. BGHZ 138, 136, 138 f. – ASEA/BBC II; Hüffer, AktG, § 305 Rn. 4b; Röhricht, ZHR 162 (1998) 249, 257; Luttermann, JZ 1997, 1183, 1184; Bilda, in: MüKo-AktG § 305 Rn. 6 ff. 147 BGHZ 135, 374, 377 ff., 379 – Guano; Hüffer, AktG, § 305 Rn. 4b; Röhricht, ZHR 162 (1998) 249, 257; vgl. auch Emmerich, in: Emmerich/Habersack § 305 Rn. 1, 7a und noch deutlicher 3. Aufl. Rn. 7. 148 BVerfG AG 1999, 218, 219 – SEN/KHS; BVerfG AG 1999, 217, 218 – Tarkett/Pegulan. 149 Mülbert/Schneider, WM 2003, 2301, 2306. 150 Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30. März 2000 (BGBl. I S. 330). 151 Ernst, in: MüKo-BGB § 288 Rn. 4 m. w. N.; dies erkennen ansatzweise auch Mülbert/Schneider, WM 2003, 2301, 2306 Fn. 42. 152 Entgegen Mülbert/Schneider, WM 2003, 2301, 2306 f. 153 Siehe auch Assmann, ZBB 1989, 49, 61: Kapitalmarktrecht bedient sich individualschützender Positionen zum Schutz der Institution Markt. 146

II. Einzelprobleme der Preisregel

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Minderheitsaktionäre) verbilligen.154 Unter diesem Aspekt kommt es auf die von Mülbert und Schneider eingeforderte Systemkonformität im Zivilrecht nicht an, da Zwecke verfolgt werden, die im Schadenersatzrecht systemfremd sind. Es ist also der Frage nachzugehen, ob sich ein gesetzliches Schuldverhältnis, dessen Entstehungsvoraussetzung allein der Kontrollerwerb ist, aus den Anforderungen der Verfassung an das Zivilrecht zwingend ergeben muss.

(3) Verbandsrechtliche Begründung einer Konditionenkontrolle Als übergreifende Schwäche aller verbandsrechtlichen Herleitungen treten Begründungsschwierigkeiten für eine Konditionenkontrolle auf der Rechtsfolgenseite einer Pflichtverletzung hervor. Systematisch zu unterscheiden sind nämlich mitgliedschaftsbezogene Verhaltensanforderungen (Leistungstreuepflichten) und (kapital-)marktbezogene Verhaltenspflichten. Während die ökonomischen Theorien sowohl Gleichpreis- als auch Mindestpreisregel gegebenenfalls als Gegenmaßnahme bezogen auf ein Marktversagen zu begründen vermögen, zielen mitgliedschaftliche Verhaltensanforderungen zuvorderst auf Befolgung und im Verletzungsfall auf Schadensersatz.155 Die Ausweitung von ökonomisch begründeten Verhaltensanforderungen zu konkreten, einklagbaren Leistungspflichten bedarf daher besonders eingehender Begründung. Assmann und Bozenhardt halten – wohl auch zutreffend – eine unmittelbare Preiskontrolle über das Verbandsrecht nicht für begründbar, sondern sehen diese nur mittelbar über Informationspflichten realisiert.156 Weil Weber ausdrücklich eine Preiskontrolle nach dem Vorbild des § 305 AktG ablehnt und einen marktorientierten Angebotspreis postuliert,157 leitet er eine Gleichpreisregel für an der Gesellschaft bereits beteiligte Bieter aus der verbandsrechtlichen Treuepflicht zur Gleichbehandlung ab.158 Eine Mindestpreisregel für unbeteiligte Bieter sieht er als „Möglichkeit“, ohne dies rechtlich auf einen Aspekt der Treuepflicht zu gründen. Er begründet dies wohl aus den Marktverhältnissen, ___________ 154 Von einem Sanktionscharakter gehen dagegen aus: OLG Frankfurt a. M. NZG 2003, 729, 730 – Saban/ProSieben; Meyer, in: Geibel/Süßmann § 38 Rn. 1; Hommelhoff/Witt, in: Haarmann/Schüppen § 38 Rn. 1; Schlitt, in: MüKo-AktG § 35 WpÜG Rn. 3 f.; Kremer/Oesterhaus, in: KölnerKomm-WpÜG, § 38 Rn. 1 f; Wagner, NZG 2003, 718, 719. 155 Heiser, S. 324; Reul, S. 267. Auch das Urteil des BGH vom 9. Mai 2005, Az. II ZR 287/02, sieht keinen Anspruch auf Abnahme der Aktien zum aktuellen Kurs, sondern auf Rückabwicklung des ursprünglichen Erwerbs vor. 156 Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer S. 90. 157 Weber, S. 430 f. 158 Weber, S. 426 f.

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B. Die Preisregel zwischen Verbands- und Kapitalmarktrecht

die ansonsten faktisch durch einen niedrigen Angebotspreis die Umgehung der Vollangebotspflicht ermöglichten. Vorausgesetzt es existiert tatsächlich eine Leistungstreuepflicht zum Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Kleinaktionäre, so besteht auf der Rechtsfolgenseite das Problem, dass ein Pflichtenverstoß allenfalls einen Anspruch auf Schadensersatz, nicht aber auf Übernahme aller Aktien auslöst.159 Zwar könnte die Höhe des Schadensersatzes den aktuellen Börsenkurs erreichen, wenn sich kein Abnehmer für die Aktien der verkaufswilligen Kleinaktionäre finden sollte. Auf keinen Fall jedoch besteht ein gesellschaftsrechtliches Schutzbedürfnis danach, dem Großaktionär über den Ausgleich wirtschaftlicher Einbußen hinaus auch den Erwerb und die Verwendung der bisher nicht von ihm gehaltenen Aktien aufzuzwingen. Intensiv setzen sich Mülbert und Schneider mit der Frage nach der Höhe der Gegenleistung auseinander.160 Sie begründen die Ausgestaltung des von ihnen angenommenen verbandsrechtlichen Abfindungsanspruchs mit dem fundamentalen Prinzip des Gesellschaftsrechts (§ 738 Abs. 1 BGB, §§ 305, 320b, 327b AktG), nach dem dem Aktionär als Abfindung der volle Betrag des in der Aktie verkörperten quotalen Anteils am Gesamtunternehmenswert zustehe. Dogmatisch wird hier eine (Gesamt-)Analogie gezogen,161 wobei allerdings die planwidrige Unvollständigkeit der einschlägigen Gesetze WpÜG und AktG zweifelhaft erscheint. Eine Lücke in diesem Sinne besteht nicht, wenn eine durch unsere wirtschaftlichen Verhältnisse begründete Forderung an das Recht in ihm keine Erfüllung findet, sondern erst dann, wenn sich historisch und teleologisch nachweisen lässt, dass das Gesetz gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht unvollständig ist.162 Das WpÜG jedenfalls wollte allein schon wegen seines auf börsennotierte Gesellschaften eingeschränkten Anwendungsbereichs keine Regelung zur Abfindungshöhe eines gesetzlichen Abfindungsanspruchs im Recht aller Gesellschaften nach dem AktG treffen. Insbesondere tritt wegen § 59 WpÜG bei Nichterfüllung der Bieterverpflichtung keine Verkürzung von Aktionärspositionen ein.163 Deshalb ist die Annahme wenig überzeugend, die Existenz des WpÜG stelle ein ‚gesetzgeberisches Misstrauensvo-

___________ 159 Heiser, S. 324; Reul, S. 267. Auch das Urteil des BGH vom 9. Mai 2005, Az. II ZR 287/02, sieht keinen Anspruch auf Abnahme der Aktien zum aktuellen Kurs, sondern auf Rückabwicklung des ursprünglichen Erwerbs vor. 160 Mülbert/Schneider, WM 2003, 2301, 2310 ff. 161 Vgl. Larenz, S. 370 ff. 162 Larenz, S. 373. 163 Mülbert/Schneider, WM 2003, 2301.

II. Einzelprobleme der Preisregel

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tum‘ gegen die §§ 311 ff. AktG dar.164 Dies gilt dann auch für die Folgerung, dieses Misstrauen relativiere bereits die in §§ 311 Abs. 2, 317 AktG normierten Rechtsfolgen einer Beherrschung soweit, dass der Gesetzgeber planwidrig eine Normierung entsprechend den §§ 305, 320b, 327b AktG unterlassen hat. Der Gesetzgeber hat sich mit dem Erlass des WpÜG lediglich an „internationalen Standards“ orientieren wollen.165 Eine Rechtsfortbildung über diesen Gesetzesplan hinaus166 scheidet aus, weil nicht unzweifelhaft festgestellt werden kann, dass nur die Gewährung einer Abfindung in Höhe des vollen Betrages des in der Aktie verkörperten quotalen Anteils am Gesamtunternehmenswert sachgerecht ist.167 Um nicht in den Kompetenzbereich der Gesetzgebung einzugreifen, muss es dem Gesetzgeber überlassen bleiben, ob er die vermutete Schutzlücke nicht lieber durch eine Modifikation der §§ 311 ff. AktG schließen oder gar bestehen lassen möchte, etwa weil er bestimmte Übernahmen durch ‚Preissenkung‘ erleichtern will.

cc) Verfassungsrechtliche Einordnung der Preisregel Oechsler verfolgt einen doppelten Ansatz: Kapitalmarktrechtlich schlägt er vor, den nach § 31 WpÜG zu zahlenden Preis als Surrogat für die gemäß § 305 AktG zu gewährende Abfindung nach Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages aufzufassen. Das Gesetz müsse dann mit der Preisregel sicherstellen, dass nicht durch unterschiedliche Maßstäbe im Rahmen beider Vorschriften ein Anreiz hin zum öffentlichen Übernahmeangebot oder zum Abschluss eines Beherrschungsvertrages geschaffen werde. Der Erhalt des Marktmechanismus gebiete, dass nicht die zufällige Wahl einer Transaktionsform, sondern der wahre Wert der Mitgliedsrechte für die Höhe der Bieterleistung ausschlaggebend sein muss.168 Dies entspricht einem kapitalmarktrechtlichen Ansatz, für möglichst unverzerrte Wettbewerbsbedingungen zu sorgen. Verfassungsrechtlich geht Oechsler von einem Eingriff in die Fungibilität der Aktie und damit in den Schutzbereich von Art. 14 GG aus.169 Die Einschränkung der Fungibilität der Aktie könne sich daraus ergeben, dass sie mit ___________ 164 Mülbert/Schneider, WM 2003, 2301, 2304; Mülbert, ZIP 2001, 1221, 1227; ablehnend Habersack, in: Emmerich/Habersack Vor § 311 Rn. 10, 26 Fn. 117; Kleindiek, ZGR 2002, 546, 562 f. 165 RegE BT-Drucks 14/7034 S. 28; Kleindiek, ZGR 2002, 546, 562. 166 Larenz, S. 413. 167 Vgl. Larenz, S. 426 f. 168 Oechsler, in: FS Hadding S. 1027, 1030 f. 169 Ebenso Zschocke/Rahlf, DB 2003, 1375, 1376.

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B. Die Preisregel zwischen Verbands- und Kapitalmarktrecht

zunehmendem Bietererfolg unverkäuflich wird, weil der Markt bereits den Minderheitenstatus der übrigen Aktionäre antizipiert. Der damit verbundene Wertverlust, der nur börsennotierte Aktien betreffen kann, sei in den §§ 311 ff. AktG nicht berücksichtigt.170 In letzter Konsequenz bedeutet dies allerdings, dass die Angemessenheit der Gegenleistung nur gewahrt ist, wenn eine „volle“ Entschädigung im Sinne der DAT/Altana-Entscheidung171 des Bundesverfassungsgerichts gewährt wird.172 Dies erfordert nicht nur eine Orientierung am Börsenkurs, sondern auch die Ermittlung des ‚wahren‘ Wertes173 der Unternehmensbeteiligung an dem arbeitenden Unternehmen unter Einschluss der stillen Reserven und des inneren Geschäftswerts.174 Das OLG Frankfurt175 hat dies – bestätigt durch das Bundesverfassungsgericht176 – verneint, weil nur wirtschaftliche Interessen, also das Vermögen und nicht das Eigentum, beeinträchtigt würden. Nietsch wendet sich hiergegen mit dem Argument, dass nicht nur eine rechtliche, sondern bereits eine tatsächliche Verschlechterung der Stellung außenstehender Aktionäre den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG berührt, weil ein Verbleib in der Zielgesellschaft mit schweren Verlusten verbunden ist und der Aktionär so faktisch aus der Eigentümerstellung gedrängt werde.177 Zschocke und Rahlf sind der Ansicht, dass sich der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG im Aktienverfassungsrecht über die Herausdrängung von Aktionären aus der Gesellschaft hinaus auf wesentliche Belange des Aktieneigentums erstreckt.178 Hierzu zähle die mit einem Kontrollwechsel einhergehende Konzernbildung. Das wesentliche Argument, das bisher gegen einen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht durch einen Kontrollerwerb vorgebracht wird, lautet: Die Überschreitung der Kontrollschwelle in § 29 Abs. 2 WpÜG verschafft dem ___________ 170

Oechsler, in: FS Hadding S. 1027, 1031; ders., in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler § 4 Rn. 11, § 31 Rn. 10; a. A. Seibt, ZIP 2003, 1865, 1873; M. Hecker, S. 17. 171 BVerfGE 100, 289 – DAT/Altana. 172 Nietsch, BB 2003, 2581, 2587; Tröger, DZWiR 2002, 397, 399 f. mit Fn. 138. 173 In der Betriebswirtschaft ist seit langem anerkannt, dass der Wert einer Sache keine objektive Eigenschaft eines Gutes ist, sondern von den individuellen Einschätzungen, Präferenzen und Möglichkeiten des Bewertenden abhängt. Wenn an dieser Stelle und im Folgenden gleichwohl vom ‚wahren‘ Wert die Rede ist, so soll darunter regelmäßig der Wert oder eine Bandbreite von möglichen Werten zu verstehen sein, die sich aus einer de lege artis durchgeführten Unternehmensbewertung ohne Berücksichtigung von Marktpreisen für einen entsprechenden Unternehmensanteil ergeben. 174 BVerfGE 100, 289, 306 – DAT/Altana. 175 LG Frankfurt a. M. NZG 2003, 1120, 1122 f. – Procter & Gamble/Wella II; OLG Frankfurt a. M. ZIP 2003, 1251, 1253 – Procter & Gamble/Wella I. 176 BVerfG NZG 2004, 617, 618 – Procter & Gamble/Wella. 177 Nietsch, BB 2003, 2581, 2587. 178 Zschocke/Rahlf, DB 2003, 1375, 1376; ders., DB 2003, 1785.

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Kontrollerwerber keine zusätzlichen Rechte gegenüber der Zielgesellschaft oder deren Aktionären.179 Vielmehr verhinderten die §§ 311 ff. AktG eine Konzernleitungsmacht durch den Bieter und sicherten zusammen mit § 76 Abs. 1 AktG eine unabhängige Leitung der Gesellschaft.180 Dies bedarf allerdings im Folgenden eingehender Untersuchung, insbesondere weil nicht nur rechtliche, sondern auch tatsächliche Beeinträchtigungen einer Eigentumsposition grundrechtsrelevant sein können.181

dd) Ökonomische Folgerungen einer verfassungsbedingten Preisfindung Besondere Brisanz erhalten die Auffassungen vom Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG und vom verbandsrechtlichen Austrittsrecht dadurch, dass die Bemühungen des WpÜG um eine Steigerung der Allokationseffizienz teils unterlaufen werden. Eine ‚Unterbewertung‘ am Markt, d. h. ein Börsenkurs unter dem ‚wahren‘ Wert der Unternehmensbeteiligung, vermag dann einen potentiellen Bieter nicht mehr in dem Maße anzuziehen, denn er dürfte zu diesem Preis die Kontrolle nicht erwerben. Bedenkt man gleichzeitig, dass ein verbandsrechtliches Austrittsrecht immer auch die Pflicht zum Vollangebot darstellt, so wären die Überlegungen zur Theorie vom Markt für die Unternehmenskontrolle (market for corporate governance control) weitgehend hinfällig: Eine Unterbewertung ist das Signum für die Fehler der gegenwärtigen Geschäftsführung und bildet den entscheidenden ökonomischen Anreiz für einen möglichen Übernehmer.182 Muss der Bieter trotzdem wegen der Vollangebotspflicht den ‚wahren‘ Wert des gesamten Unternehmens zahlen, wird diese Anreizwirkung mehr oder weniger stark gemindert. Nur wer den Marktwert des Unternehmens unter dem bisherigen Management zahlen muss, kann durch Effizienzsteigerung beim Ressourceneinsatz auf größere Gewinnerzielung hoffen, als wenn er den ‚wahren‘ Wert aufbringen muss. Das Bestehen eines verbandsrechtlichen oder verfassungsrechtlichen Austrittsrechts bei Kontrollwechseln würde neue ökonomische Überlegungen hinsichtlich der Anforderungen an eine Preisregel erforderlich machen, denn in der Kontrollfreiheit wäre zugleich ein Eigentumsrecht im Sinne der PropertyRights-Theorie zu sehen: (Kapital-)Marktrechtlich geht es beim Austritt ledig___________ 179 Mülbert/Schneider, WM 2003, 2301, 2315; M. Hecker, S. 16 f.; ähnlich Krieger, in: Gesellschaftsrecht 2001, 289, 298; H. Krause, in: Assmann/Pötzsch/Schneider § 31 Rn. 14. 180 Habersack, ZIP 2003, 1123, 1127. 181 Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 75. 182 Vgl. oben B. I.

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B. Die Preisregel zwischen Verbands- und Kapitalmarktrecht

lich darum, dem Minderheitsaktionär seine Vermögensposition zu bewahren.183 Das Abfindungsrecht beim Kontrollerwerb spricht daher primär den Anleger an, dem überwiegend am Schutz seiner Vermögensposition gelegen ist.184 Den in dieser Hinsicht schädlichen Wirkungen der Erpressungshypothese wird mit einer Marktergebniskontrolle innerhalb des Angebotsverfahrens begegnet. Verbandsrechtlich gedacht haben sich die Gesellschafter zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks zusammengeschlossen, so dass dem einzelnen Gesellschafter möglichst lange die Chance zu erhalten ist, in diesem Verband zu verbleiben und an der Zweckverfolgung teilzuhaben.185 Entscheidend für die Allokationseffizienz ist immer, dass der Mehrheitsaktionär nicht ohne entsprechende Gegenleistung auf die Ressourcen der Minderheitsaktionäre zugreifen kann.186 Wegen der ursprünglich versprochenen gemeinsamen Zweckverfolgung bildet der Austritt nur eine ultima ratio für den Fall, dass eine Ausbeutung der Minderheitsaktionäre nicht durch hinreichende Spezifizierung der Eigentumsrechte in den §§ 311 ff. AktG eingefangen wird. Geht der Gesetzgeber nun diesen Weg über ein Austrittsrecht, indem er einen möglichen heteronomen Ressourcentransfer zwischen den Gesellschaftern nicht innergesellschaftlich durch Anpassungen der §§ 311 ff. AktG an möglicherweise bestehende verfassungsrechtliche Vorgaben regelt, sondern ein Austrittsrecht gesetzlich verankert, dann muss die Preisregel vom ökonomischen (wie vom verfassungsrechtlichen) Standpunkt aus für den Austritt voll entschädigen, weil der Kontrollerwerb ein Eigentumsrecht im Sinne der PropertyRights-Theorie (und der Verfassung) verletzt. Die Preisregel dient dann nicht lediglich dazu, den Austritt wirtschaftlich attraktiv so zu gestalten, dass durch seine Wahrnehmung die Vermögensposition des Minderheitsaktionärs gewahrt ist. Vielmehr muss sie volle Entschädigung für den gesamten Verlust unter Einschluss des Verlustes der gemeinsamen Zweckverfolgungsgelegenheit bieten, damit letztlich nicht doch ein Ressourcentransfer zum Mehrheitsaktionär durch zu billigen Aktienerwerb stattfindet. Problematisch ist bei der Zugrundelegung eines verbandsrechtlichen oder verfassungsrechtlichen Austrittsrechts, dass § 31 WpÜG und die §§ 3 ff. AngebotsVO bis auf den Ausnahmefall in § 5 Abs. 4 AngebotsVO nicht an den inneren Wert der mitgliedschaftlichen Stellung des Austrittswilligen anknüp___________ 183

Mülbert, S. 150 f.; Mühle, S. 436 f. Mühle, S. 437; Mülbert, S. 151, H. Krause, WM 1996, 893, 897; Houben, WM 2000, 1873, 1877. 185 Mülbert, S. 150; Mühle, S. 436. 186 Mühle, S. 379; H. Krause, S. 120. 184

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fen. Diese ökonomische Analyse deckt sich im Ergebnis mit der von Oechsler erwogenen Gleichbehandlung verschiedener Transaktionsformen.

b) Eigentumsentschädigungsfunktion der Gleichpreisregel Ebenfalls als Problem der Eigentumsentschädigung könnte sich die Frage nach der ‚gerechten‘ Verteilung der Kontrollprämie begreifen lassen. Im Entstehungsprozess des WpÜG war weithin umstritten, ob im Rahmen der Gleichpreisregel ein Abschlag auf den vom Bieter gezahlten Preis zu machen sei, um so genannte Paketzuschläge zu nivellieren. So sah der Referentenentwurf zum WpÜG in § 4 AngebotsVO noch vor, dass nur 85 % des vom Bieter im Vorfeld seines Angebots gezahlten Kaufpreises als Bemessungsgrundlage für die zu offerierende Gegenleistung anzusetzen seien.187 Seit dem Regierungsentwurf will der Gesetzgeber hingegen allen Aktionären die Möglichkeit eröffnen, „an Paketzuschlägen, die im Vorfeld von Übernahmen mit einzelnen Aktionären vereinbart wurden, zu partizipieren“.188 In der Literatur war dieser Konzeption einer übernahmerechtlichen Preiskontrolle Kritik vorangegangen.189 Paketzuschläge litten unter einer mangelnden marktlichen und verbandsrechtlichen Begründbarkeit und die im Bereich des Verbandsrechts anzusiedelnde Gleichbehandlungspflicht sei nicht friktionslos auf marktliche Vorgänge der Ressourcenallokation übertragbar.190 Kontrollprämien oder Paketaufschläge gäben letztlich nur den Marktwert der sich aus dem Mehrheitsprinzip ergebenden Verwaltungsmacht wieder und berechtigten nicht zur Teilhabe.191 Sie seien vielmehr Ausdruck einer eigenen ökono___________ 187

WÜG-RefE in Fleischer/Kalss, S. 528; vgl. dort auch den Diskussionsentwurf S. 237 ff. 188 RegE BT-Drucks 14/7034 S. 80. 189 Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer S. 67; Hommelhoff/Kleindiek, AG 1990, 106, 108; Mülbert, ZIP 2001, 1221, 1223 f.; Lutter, ZHR 153 (1989) 446, 460; Kuhr, S. 63; Schiessl, AG 1999, 442, 450 f.; Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2001, 420, 428; Houben, WM 2000, 1873, 1882; Kremer/Oesterhaus, in: KölnerKomm-WpÜG, Anh. § 31 § 4 AngebotsVO Rn. 23; H. Krause, NZG 2000, 905, 909. Eher für die 15%-Regel Thaeter/Barth, NZG 2001, 545, 547; Pötzsch/Möller, WM 2000 Sonderbeilage 2, S. 23. 190 Insbesondere Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer S. 67. 191 BVerfGE 100, 289, 306 f. – DAT/Altana; Kleindiek, ZGR 2002, 546, 559; Piltz, ZGR 2001, 185, 198; Lutter, ZHR 153 (1989) 446, 462; ders., ZHR 162 (1998) 164, 171 f.; Wiedemann, Minderheitenschutz, S. 31 ff., 72; Baums, ZIP 1989, 1376, 1379; Hommelhoff/Kleindiek, AG 1990, 106, 108; H. Henze, BB 1996, 489, 498; Wastl, S. 44.

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B. Die Preisregel zwischen Verbands- und Kapitalmarktrecht

mischen Leistung, an der die Minderheitsaktionäre, die keine solche Leistung erbrächten, (bis zu einer gewissen Obergrenze)192 nicht zu beteiligen seien. Im Übrigen spreche die freie Übertragbarkeit der Aktien gegen jede Verpflichtung eines veräußernden Aktionärs, andere an den von ihm ausgehandelten Gewinnen teilhaben zu lassen.193

aa) Ökonomie der Gleichpreisregel Ökonomisch lässt sich im Pakethandel ein Anteil an einem gezahlten Zuschlag damit begründen, dass dieser eine Vergütung für ersparte Transaktionskosten im Vergleich zum Erwerb über die Börse oder ein öffentliches Erwerbsangebot bildet.194 Transaktionskosten entstehen dabei durch die Organisation des Börsenwesens. Im Einzelnen sind dies Kosten der Auftragsausführung und der Liquidität der Börsenplätze sowie Kosten, die sich durch die Einschaltung von Finanzintermediären und die Besteuerung der jeweiligen Transaktionsart ergeben.195 Zuletzt verursachen Blocktransaktionen an der Börse ein erhebliches Preisänderungsrisiko, da hinter größeren Orders regelmäßig bisher unbekannte Informationen vermutet werden.196 Ein weiterer Anteil des Paketzuschlags kann als Risikoprämie verstanden werden. Diese verdient der Mehrheitsaktionär, weil er sein Kapital nicht diversifiziert, sondern konzentriert angelegt hat und infolge dessen gezwungen ist, die Unternehmensführung strenger zu überwachen.197 Bei der Veräußerung wirkt sich dieses ökonomische Klumpenrisiko häufig dadurch aus, dass er gezwungen ist, individuelle Gewährleistungen abzugeben, die seinen Verkaufserlös wirtschaftlich mindern.198 Eine ausschließlich förderliche Funktion im Hinblick auf die gesamtwirtschaftliche Ressourcenallokation wird der Verteilung von Paketzuschlägen von den Autoren zugewiesen, die undifferenziert die Gleichbehandlung aller Aktio___________ In diese Richtung auch Otto, AG 1994, 167, 169; Altmeppen, ZIP 2001, 1073, 1083; Habersack, in: Emmerich/Habersack Vor § 311 Rn. 9; Pietzke, in: FS Fikentscher S. 601, 611. 192 Pötzsch/Möller, WM 2000 Sonderbeilage 2, S. 23; Mühle, S. 458. 193 Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 460; Kuhr, S. 63. 194 Mühle, S. 452. Vgl. auch die weitaus eingeschränktere Ansicht zu Höherbewertungen von Aktienpaketen bei Stützel, S. 967. 195 Stenzel, S. 102 ff. 196 Stenzel, S. 156 f. 197 Liekefett, RIW 2004, 824, 828. 198 Liekefett, RIW 2004, 824, 828.

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näre befürworten.199 Es sei davon auszugehen, dass der zwischen Käufer und Verkäufer aufgrund von Angebot und Nachfrage gebildete Preis unter bewusster Berücksichtigung stiller Reserven, der Möglichkeit zur Ausbeutung der Minderheitsaktionäre und sonstiger preisrelevanter Faktoren angemessen sei. Die Ökonomen Rau-Bredow200 und Houben201 haben die dahingehende ökonomische Analyse von Reul202 zwar in einem transaktionskostenfreien203 Modell bestätigt, jedoch nur unter der irrealen Annahme, dass es dem Verkäufer eines Kontrollpakets bislang unmöglich war, Sondervorteile aufgrund eines unzureichenden Konzernfolgenschutzes auf Kosten der Minderheitsaktionäre zu ziehen. Wird von dieser Prämisse Abstand genommen, gerät die Verteilung von Paketzuschlägen zur Blockade einer Teilmenge effizienzsteigernder Transaktionen, wie Wirtz in seiner modelltheoretischen Untersuchung zum WpÜG eindeutig nachweisen konnte.204 Hiervon ist auszugehen, weil der Verkäufer sich bei der Veräußerung die bisherigen Sondervorteile vergüten lassen will, denn sie erhöhen seinen Grenznutzen entsprechend.205 Reichen nämlich die erwarteten Effizienzgewinne auf Seiten des Erwerbers nicht aus, um Paketinhabern deren Sondervorteile zu vergüten und zusätzlich eine weitere pro rata ebenso hohe Vergütung an die Minderheitsaktionäre auszuschütten, wird er von der Transaktion absehen.206 Die Gleichpreisregel führt beim Pakethandel zu einem „Überschießen“ des Minderheitenschutzes, da ein Vermögenszuwachs bei den Minderheitsaktionären entsteht, der über den kapitalmarktrechtlichen Schutz vor Vermögensverschlechterungen hinausgeht207 und gleichzeitig nur suboptimal gesamtwirtschaftlich effizienzsteigernd wirkt.

___________ 199 Grundlegend Reul, S. 234 ff., 238 ff.; 305; auf ihn Bezug nehmend H. Krause, S. 124. 200 Rau-Bredow, DBW 1999, 763 ff.; siehe aber auch zu Gestaltungsmöglichkeiten Schmidt/Prigge, DBW 2002, 225, 233. 201 Houben, WM 2000, 1873 ff. 202 Reul, S. 213 ff. 203 Vgl. zu den intensivierenden Wirkungen von Transaktionskosten Mühle, S. 456; Rau-Bredow, DBW 1999, 763, 769. 204 Wirtz, S. 281 ff.; zum verschiedenen Regelungsmodellen vorwiegend aus dem angloamerikanischen Rechtsraum Bebchuk, 109 Q.J.Econ. 957 ff. 205 Bebchuk, 109 Q.J.Econ. 957, 968 ff.; ders., NBER Working Paper 7203, S. 37; Torben/Petersen/Kvist, S. 36 f.; R. Hecker, WiSt 2004, 198, 199 f.; Mühle, S. 455; Liekefett, RIW 2004, 824, 828. Als weiterer Preisfaktor, der in die gleiche Richtung wirkt, kommen individuelle Gewährleistungen in Betracht, vgl. soeben S. 54 bei Fn. 198. 206 Bebchuk, 109 Q.J.Econ. 957, 971 ff.; Mühle, S. 456; Houben, WM 2000, 1873, 1882; Rau-Bredow, DBW 1999, 763, 768 f.; Schmidt/Prigge, in: FS Seelbach S. 191, 203; detaillierter ökonomischer Nachweis bei Wirtz, S. 281 ff. 207 Houben, WM 2000, 1873, 1880; Wirtz, S. 282 und 318.

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B. Die Preisregel zwischen Verbands- und Kapitalmarktrecht

Dieses Ergebnis wird insbesondere von Hecker in Frage gestellt, indem nicht nur die ökonomischen Verhältnisse im Übernahmezeitpunkt, sondern zudem die Aktienemission am Kapitalmarkt mit in die Betrachtung einbezogen wird.208 Dann ergäben sich niedrigere Kapitalkosten der Wirtschaft als Folge einer uneingeschränkten Gleichbehandlung aller Aktionäre und deshalb Vorteile im internationalen Wettbewerb: Wenn jeder Anleger, der Aktien zeichnet, darauf vertrauen darf, dass er bei einer Übernahme zum selben Kurs wie alle anderen verkaufen kann und wenigstens dann, insbesondere gegenüber Paketaktionären, nicht systematisch benachteiligt ist, dann wird er bereit sein, zu einem höheren Kurs zu zeichnen. Dies vermeide ein Unterinvestitionsproblem der Gesamtwirtschaft, weil es potentiellen Gründern eines möglichen späteren Übernahmeobjekts die Überwindung von Finanzierungsrestriktionen ermögliche. Gegen eine gesteigerte Zahlungsbereitschaft von Streubesitzaktionären wirken jedoch verschiedene Mechanismen. Hecker selbst weist darauf hin, dass unter der Geltung der Gleichpreisregel der Grenzpreis des Gründungskontrollaktionärs für einen Verkauf seines Pakets mit zunehmendem Streubesitz steigt, weil er Sondervorteile mit geringstem Kapitaleinsatz erhält.209 Demnach ergibt sich eine kritische Emissionsquote, bei deren Überschreiten ein mit positiver Wahrscheinlichkeit später auftauchender Übernehmer keinen Anreiz mehr hat, die Übernahme durchzuführen, weil sein Grenzpreis durch die Gleichpreisregel und ein Überschießen des Minderheitenschutzes überschritten wird. Weiterhin ist zu erwarten, dass in der Praxis versucht werden wird, z. B. durch entsprechende Optionsvereinbarungen, Vertragsgestaltungen zu entwickeln, die die Zahlung eines Paketzuschlags ausschließlich an den Paketveräußerer ermöglichen.210 Denkbar ist dabei auch ein Wechsel der Notierung vom organisierten Markt in den Freiverkehr. Dies lässt zwar nach der Macrotron-Entscheidung des BGH eine Angebotspflicht nicht vollständig entfallen.211 Ein DelistingPflichtangebot kennt jedoch nach dem derzeitigen Diskussionsstand keine Gleichpreisregel bezogen auf einen zeitlich nachfolgenden Kontrollwechsel.212 ___________ 208

Schmidt/Prigge, S. 6; R. Hecker, WiSt 2004, 198, 201 ff. R. Hecker, WiSt 2004, 198, 202. 210 Lohrmann/von Dryander, in: German Takeover Law, Section 31, Rn. 17, schlagen den Abschluss einer die Zurechnung nach § 30 WpÜG ausschließenden Optionsvereinbarung drei Monate vor einem freiwilligen Übernahmeangebot vor, dessen Laufzeit bis über den relevanten Nacherwerbszeitraum von einem Jahr nach § 31 Abs. 5 hinausreicht. Vgl. auch Schmidt/Prigge, S. 20. 211 BGH NZG 2003, 280, 282 – Macrotron. Dazu im Einzelnen unten E. II. 212 Vgl. Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 802; Schlitt, ZIP 2004, 533, 538; Wilsing/Kruse, WM 2003, 1110, 1111 f.; Klöhn, ZBB 2003, 208, 213; Süßmann, BKR 2003, 257, 258. 209

II. Einzelprobleme der Preisregel

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Der Gründungskontrollaktionär kann durch eine entsprechende Verkaufsoption mit dem stillhaltenden Übernehmer finanziell abgesichert werden. Bei dieser Auslegung der Rechtslage ist die Gleichpreisregel kaum geeignet, die Zahlungsbereitschaft von Streuaktionären im Emissionszeitpunkt zu beeinflussen. Lässt sich aber die Zahlung eines Paketzuschlages ökonomisch z. B. mit ersparten Transaktionskosten positiv begründen, muss nach einer nichtökonomischen Begründung für die Gleichpreisregel gesucht werden.213 Ein aus Rechtsprinzipien folgendes Telos könnte zudem geeignet sein, die soeben beschriebenen Strategien zur Aushebelung der Gleichpreisregel als Umgehungstatbestände zu qualifizieren und zu unterbinden.

bb) Verbandsrecht und Gleichpreisregel Nach einer von den amerikanischen Autoren Berle und Means entwickelten, eher rechtsethischen Theorie gebührt der Wert der Kontrolle über die Aktiengesellschaft allen Aktionären gleichermaßen.214 Da aus steuerrechtlichen und unternehmenspolitischen Motiven ein beträchtlicher Teil des Jahresüberschusses im Gesellschaftsvermögen verbleibt, kann ein Kleinanleger auf diese Reserven nicht zugreifen. Ihm fehlt hierfür die Kontrolle über die Aktiengesellschaft und deren Geschäftsführung. Bevor es zu einer Kontrollmehrheit kommt, diskontiert der Markt noch im Börsenkurs „die Unfähigkeit der Einzelaktionäre, ihren Anteil am Unternehmen jemals zu realisieren“.215 Ein Paketzuschlag bzw. die Kontrollprämie auf den Börsenkurs erscheinen als Gegenleistung für den gegenüber dem Erwerb aus Streubesitz erleichterten Zugriff auf diese dem Kleinanleger entzogenen Werte. Gegenstand der Theorie ist daher die Forderung, dass ein Aktionär, der sich den Kontrollwert einverleibe, die Minderheitsaktionäre an ihm beteiligen müsse. Nach dieser Control-as-aCorporate-Asset-Theorie befindet sich ein die Gesellschaft kontrollierender Großaktionär in einer Quasi-Treuhänderstellung, wenn er die Kontrolle veräußert, da sie Bestandteil des Gesellschaftsvermögens und die Veräußerung selbst folglich eine Verfügung über ein Treugut darstellt. Stimmrechtsausübung und Kontrolle sind danach kein vermögenswertes (Privat-)Gut, kein property right, wie etwa ein privates Recht auf Dividende oder Liquidationserlös. ___________ 213

Wirtz, S. 283. Vgl. aber auch Schmidt/Prigge, DBW 2002, 225, 235 und H. Krause, in: Assmann/Pötzsch/Schneider § 31 Rn. 16, die die Behandlung von Paketzuschlägen für eine politische Entscheidung halten. 214 Berle/Means, S. 216 f.; Herkenroth, S. 124. 215 Busch, S. 88; Immenga, in: Kreuzer S. 15; Kuhr, S. 172; Houben, WM 2000, 1873, 1874.

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B. Die Preisregel zwischen Verbands- und Kapitalmarktrecht

In der vereinzelt gebliebenen Entscheidung Perlman vs. Feldman216 erkannte die amerikanische Praxis sogar auf einen Zahlungsanspruch des Minderheitsaktionärs wegen Teilhabe an dem Paketaufschlag, der dem veräußernden Großaktionär gezahlt worden war. Allerdings ist die Einordnung dieser Entscheidung als „Equal-Sharing Rule“ heftig umstritten. So wird sie häufig als Ausdruck der Corporate-Opportunities-Lehre, dem Verbot, Gewinnchancen der Gesellschaft zu privatisieren, gesehen. Der Bieter erwarb die Zielgesellschaft damals, um eine sichere Bezugsquelle der seinerzeit stark nachgefragten Produkte der Zielgesellschaft zu haben. Der Produktbezug durch den Bieter beschränkte dann das Angebot der Zielgesellschaft am Markt und so ihre Gewinnchancen.217 Entsprechend gab es Versuche im deutschen Recht, diese Control-as-aCorporate-Asset-Theorie mit einem dogmatischen verbandsrechtlichen Unterbau zu versehen. Basierend auf der Grundannahme von Berle und Means, dass der Kontrollwert Teil des Gesellschaftsvermögens und letzteres den Gesellschaftern zahlenmäßig als Wertanteil zugeordnet ist,218 begründet Weber eine Herausgabe des Kontrollwerts durch den Erwerber auf mittelbarem Wege durch eine Treuepflicht zur Gleichbehandlung.219 Da Treuepflichten aus den Mitgliedschaftsrechten abgeleitet werden, entwickelt er eine vormitgliedschaftliche Treuebindung des Erwerbers und bindet diesen so bereits vor dem Erwerb der ersten Aktie.220 Reul überlegt, den Paketveräußerer aufgrund des Verbots, Sondervorteile zu vereinnahmen (§ 243 Abs. 2 AktG analog), zur Auskehrung des Paketzuschlags zu verpflichten.221 Grundmann222 und Rupprecht223 nehmen den Veräußerer mit Hilfe der Geschäftschancenlehre (Corporate-OpportunityLehre) ins Visier.224 Er muss entweder die Kontrollprämie auskehren oder die Möglichkeit einräumen, dass auch die Minderheitsaktionäre ihrer Quote entsprechend veräußern können. Dabei wird der Grundsatz des gesamten Gesellschaftsrechts, dass z. B. in Fragen der Kapitalerhöhung ein quotaler Anteil nicht gegen den Willen des Verlierenden verändert werden darf, auch auf den Wert der Beteiligung am Kapitalmarkt ausgedehnt. Eine sehr konservative Ansicht sieht eine Pflichtverletzung in der Vereinnahmung einer Kontrollprämie, wenn der Erwerber erkennbar die Schädigung der Gesellschaft und ihrer Ge___________ 216

219 F.2nd 173, 177 (2nd. Cir. 1955), c. d., US 952 (1955). Weber, S. 342 m. w. N.; Lüttmann, S. 130; a. A. Herkenroth, S. 123 m. w. N. 218 Weber, S. 348. 219 Weber, S. 350. 220 Weber, S. 178 ff., 350 f. 221 Reul, S. 263 ff. 222 Grundmann, S. 475 ff., 479. 223 Rupprecht, S. 248. 224 Zustimmend Wackerbarth, in: MüKo-AktG § 31 WpÜG Rn. 26. 217

II. Einzelprobleme der Preisregel

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sellschafter beabsichtigt (looting case).225 Der Paketzuschlag stelle dann ein herauszugebendes „Schmiergeld“ für den Verkauf der Interessen der Mitgesellschafter dar. So werden allerdings nur Fälle beabsichtigter Schädigungen erfasst. Dogmatische Schwierigkeiten treten bei allen Ansichten in gleicher Weise wie bei der Begründung eines Pflichtangebots aus der Treuepflicht hervor:226 Schadensersatzansprüche werden für eine Gefährdung geschuldet,227 sie sind regelmäßig nicht auf Herausgabe, sondern auf Restitution gerichtet228 und es ergibt sich eine zweifelhafte Ausdehnung der Treuepflicht auch auf wirtschaftliche Interessen beim Anteilshandel229. Tatsächlich geht es bei der Frage nach der Verteilung der im Paketzuschlag manifestierten Kontrollprämie letztlich darum, wem diese zugewiesen ist.230 Entweder ist sie Teil des Gesellschaftsvermögens und daher an alle Aktionäre gleichmäßig zu verteilen oder sie ist von der Rechtsordnung eingeräumter Vorteil des Mehrheitsprinzips, den der Mehrheitsgesellschafter auch wirtschaftlich nutzen darf. In anderen Worten ist zu fragen, ob in der Nichtzahlung der Kontrollprämie an alle Aktionäre eine Verletzung der Mitgliedschaft liegt. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in anderem Zusammenhang eher ablehnend geäußert:231 „Der Preis, den ein Mehrheitsaktionär an die Minderheitsaktionäre für Aktien der gemeinsamen Gesellschaft zu zahlen bereit ist, hat zu dem ‚wahren‘ Wert des Anteilseigentums in der Hand des Minderheitsaktionärs regelmäßig keine Beziehung. In ihm kommt der Grenznutzen zum Ausdruck, den der Mehrheitsaktionär aus den erworbenen Aktien ziehen kann. Dieser ist vielfach dadurch bestimmt, dass der Mehrheitsaktionär mit Hilfe der erworbenen Aktien ein Stimmenquorum erreicht, das aktien- oder umwandlungsrechtlich für bestimmte gesellschaftsrechtliche Maßnahmen erforderlich ist. Deshalb ist der Mehrheitsaktionär zumeist bereit, für die Aktien, die ihm noch für ein bestimmtes Quorum fehlen, einen ‚Paketzuschlag‘ zu zahlen. Auch zu dem Verkehrswert des Aktieneigentums haben außerbörslich gezahlte Preise regelmäßig keine Beziehung. Im Vorfeld und zur Vorbereitung einer gesellschaftsrechtlichen Maßnahme akzeptiert der Mehrheitsaktionär allein deshalb einen bestimmten (überhöhten) Preis für die ihm für ein erforderliches Quorum noch feh-

___________ 225 Wiedemann, Minderheitenschutz, S. 36 ff.; ablehnend Lutter, ZHR 153 (1989) 446, 461; vgl. ferner rechtsvergleichend Herkenroth, S. 123; Weber, S. 340. 226 Siehe oben B. II. 2. a) bb). 227 Vgl. zu den Schwierigkeiten einer präventivschützenden Treuepflicht Mülbert, S. 466; Joussen, BB 1992, 1075, 1076; Heiser, S. 329 ff. 228 Mühle, S. 373; Lüttmann, S. 181; Reul, S. 263. 229 So Ziemons/Jaeger, AG 1996, 358, 363. 230 Dazu Oechsler, in: FS Hadding S. 1027, 1029; Kremer/Oesterhaus, in: KölnerKomm-WpÜG, Anh. § 31 § 4 AngebotsVO Rn. 23. 231 BVerfGE 100, 289, 306 f. – DAT/Altana.

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B. Die Preisregel zwischen Verbands- und Kapitalmarktrecht lenden Aktien, weil ihm sonst die beabsichtigte Konzernierungsmaßnahme unmöglich wäre. Eine solche Erwägung ist aber nur für den Mehrheitsaktionär bestimmend, während sie für Dritte keine Bedeutung hat. Aus Sicht des Minderheitsaktionärs ist der vom Mehrheitsaktionär außerbörslich bezahlte (erhöhte) Preis mithin nur erzielbar, wenn es ihm gelingt, gerade seine Aktien an den Mehrheitsaktionär zu veräußern. Darauf hat er aber verfassungsrechtlich keinen Anspruch.“

III. Weiterer Gang der Untersuchung Die Geltung der Treuepflicht auch außerhalb des eigentlichen mitgliedschaftlichen Bereichs, der Rückgriff auf die Treuepflicht zur Schadensprävention, die Zulässigkeit der kapitalmarktordnenden Wirkung der Treuepflicht und das Verhältnis von Privatautonomie und Gesellschaftertreue befinden sich – wie soeben dargestellt – in der akademischen Auseinandersetzung. Nachdem sämtliche Versuche einer zivilrechtlichen oder verbandsrechtlichen Rechtfertigung von Pflichtangeboten und Preisregeln durch eine (vormitgliedschaftliche)232 Treuepflicht,233 Delikt234 oder eine vorvertragliche Pflichtverletzung235 bereits Gegenstand erschöpfender wissenschaftlicher Diskussion waren und zudem mit beachtlichen Argumenten in Zweifel gezogen wurden,236 verbleibt hier die grundgesetzliche Eigentumsgarantie – das Aktienverfassungsrecht.237 Das Bundesverfassungsgericht misst dem Aktieneigentum eine Doppelnatur bei: Es vermittelt zum einen mitgliedschaftliche Herrschafts- und Vermögensrechte, zum anderen aber auch eine „Sphäre individueller Freiheit in finanzieller Hinsicht“.238 Die Verkehrsfähigkeit des Aktieneigentums eröffne seinem Inhaber neben der Beteiligung am Unternehmen eine besondere „Dispositionsfreiheit“, weil ihm die Möglichkeit zur Desinvestition durch Verkauf seines Aktieneigentums gegeben sei. Weitgehend offen bleibt dabei das Spannungsverhältnis der beiden Merkmale: Gebietet die mitgliedschaftliche Stellung den Schutz der individuellen Freiheit des Mitglieds in finanzieller Hinsicht oder ist ___________ 232

Weber, S. 328 ff., 357 ff., 379 ff.; Körner, S. 263 ff., 287 ff. Reul, S. 252 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 8 III 3; ders., Minderheitenschutz, S. 53 ff. (noch ablehnend); ablehnend Lutter, ZHR 153 (1989) 446, 460; ders., ZHR 162 (1998) 164, 170; Mülbert, S. 459 ff. (aufgegeben Mülbert/Schneider, WM 2003, 2301, 2308). 234 Vgl. Mertens, AcP 178 (1978) 227, 242 f.; Reul, S. 272 ff.; Wiedemann, Minderheitenschutz, S. 53, 60; Grundmann, S. 161 ff. 476 ff. 235 Grunewald, WM 1989, 1233, 1236. 236 Heiser, S. 315 ff., 343; zusammenfassend Mühle, S. 361 ff.; Kuhr, S. 49 ff.; Reul, S. 251 ff. 237 Fleischer, DNotZ 2000, 876, 879. 238 BVerfGE 100, 289, 305 – DAT/Altana. 233

III. Weiterer Gang der Untersuchung

61

die Mitgliedschaft lediglich in den Grenzen ihrer jeweiligen Ausformung freiheitsstiftend? Entscheidend für das Verständnis und die Auslegung von Preisregeln im Rahmen von Kontrolltransaktionen ist die Reichweite der subjektiven Rechte, die aus einer Verbandsmitgliedschaft erwachsen. Denn bestimmte Aspekte der Preisregeln lassen sich möglicherweise nicht mit dem Telos marktmäßiger Allokationseffizienz, sondern systematisch als Eigentumsentschädigung begründen, wenn der Nachweis gelingt, dass ein Kontrollwechsel in verfassungsrechtlich spezifizierte Eigentumsrechte an der Mitgliedschaft in der Gesellschaft eingreift. Deshalb und weil die zivilrechtlichen Institute in Wechselwirkung zum Verfassungsrecht stehen,239 setzt diese Arbeit ihren Schwerpunkt auf die Untersuchung dieser verfassungsrechtlichen Fragen, die durch eine Analyse der bisherigen Rechtsprechung zur Bedeutung von Art. 14 GG für Gesellschaftsrechtsverhältnisse erschlossen werden soll. Ausgegangen wird dabei von der Existenz eines allgemeinen Gesellschaftsrechts mit dem Institut der Mitgliedschaft. Die Untersuchung zielt zwar primär auf die Aktiengesellschaft; verfassungsrechtlich jedoch unternimmt sie daneben den Versuch der Einordnung in ein für alle Gesellschaftstypen geltendes System.240

___________ 239

Vgl. für die Treuepflicht C. VIII. 2. a). Ein Aspekt wird bewusst in den Hintergrund gestellt: Auch ein Mehrheitsaktionär könnte in seinem Eigentumsgrundrecht durch eine Angebotspflicht verletzt sein (Thoma, ZIP 1996, 1725, 1732; Loritz/Wagner, WM 1991, 709, 717 ff.; a. A. Schlitt, in: MüKo-AktG § 35 WpÜG Rn. 33; Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler § 35 Rn. 10; H. Krause, S. 170 ff.; Meyer, in: Geibel/Süßmann § 35 Rn. 13 ff.; Steinmeyer/Häger, § 35 Rn. 33; vgl. auch Stumpf, NJW 2003, 9, 12). Wenn der Erwerb eines vom Mehrheitsaktionär gehaltenen Pakets eine Angebotspflicht auslöst, könnte dies als faktische Veräußerungsbeschränkung für ihn wirken, weil potentielle Erwerber kein Vollangebot abgeben wollen oder weil wegen der Angebotspflicht der Paketpreis absinkt. Die Untersuchung wird vor allem den Schutz durch Art. 14 Abs. 1 GG unterschiedslos zu Gunsten jeden Aktionärs herausarbeiten, ohne dass der Folgefrage nach der praktische Konkordanz zwischen den einzelnen Aktionären, insbesondere zwischen Mehrheits- und Minderheitsaktionär, nachgegangen wird. 240

C. Wirkung der Grundrechte in der Privatrechtsordnung I. Ausgangspunkt der Untersuchung Die folgende Untersuchung beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den Wirkungen der Grundrechte im Bereich vertraglicher Sonderbeziehungen, da die Rechtsbeziehungen zwischen Bieter, Zielgesellschaft und Aktionären der Zielgesellschaft vertraglicher oder zumindest vorvertraglicher Natur sind.1 In einem ersten Schritt folgt die Auseinandersetzung mit der nach dem derzeitigen Stand der Diskussion herrschenden Meinung zur Wirkung der Grundrechte auf privatrechtliche Sonderverbindungen.

II. Drittwirkung von Grundrechten Die Wirkung der Grundrechte auf die Rechtsbeziehungen der Privatrechtssubjekte untereinander hat keine ausdrückliche verfassungsrechtliche Regelung erfahren.2 Das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung3 und die herrschende Lehre4 gehen gleichwohl von einer mittelbaren Drittwirkung im ___________ 1 Die speziell für den zivilrechtlichen Eingriffsschutz erdachte Dogmatik der Drittwirkung der Grundrechte (vgl. zur Unterscheidung der Wirkung der Grundrechte im Zivilrecht für den Bereich des Eingriffsschutzes und den Bereich der Rechtsgeschäfte Hager, JZ 1994, 373, 378; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 47 f.; Ruffert, S. 242 ff.; ablehnend, weil die Grundrechte im außervertraglichen und vertraglichen Bereich keine qualitativ andere Bedeutung haben, Dürig, in: Maunz/Dürig Art. 3 I Rn. 513) kann die verfassungsrechtliche Problematik der Rechtsbeziehungen zwischen Bieter, Zielgesellschaft und Aktionären der Zielgesellschaft nicht vollständig erfassen., weil der Gegenstand des potentiellen Eingriffs, die mitgliedschaftliche Stellung, im Gegensatz zu den meisten sonstigen absoluten Rechten keinen von Natur aus feststehenden Inhalt hat, sondern immer auch zur privatautonomen Disposition der Beteiligten über ihre Sonderverbindung steht. 2 Abgesehen von den Spezialvorschriften in Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG und Art. 48 Abs. 1 und Abs. 2 GG. 3 BVerfGE 7, 198, 205 f. – Lüth; BVerfGE 73, 261, 269 – Sozialplan. 4 Unter anderen Dürig, in: Maunz/Dürig Art. 3 I Rn. 510 ff.; ders., in: FS Nawiasky S. 157 f.; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 35 f. und 94 f.; ders., AcP 184 (1984), 201, 222; Flume, BGB-AT II § 1 10 b; Medicus, AcP 192 (1992) 35 ff., 43; Guckelberger, JuS 2003, 1151,1153; Hesse, Rn. 355; Stern, § 76 I 4 e Ȗ und IV 5; Pie-

III. Bindung des Privatrechtsgesetzgebers

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Bereich des privatautonom gesetzten Vertragsrechts aus.5 Streng davon zu unterscheiden ist die unmittelbare Geltung im Bereich der staatlichen Rechtssetzung.6

III. Bindung des Privatrechtsgesetzgebers Die Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte ist in Art. 1 Abs. 3 GG festgeschrieben. Hierin kommt der Vorrang der Verfassung vor dem einfachen Gesetz zum Ausdruck. Dieser Vorrang besteht nach zutreffender und heute herrschender Auffassung nicht nur für die öffentlich-rechtliche, sondern auch für die privatrechtliche Gesetzgebung unmittelbar (unmittelbare Geltung).7 Dabei sind die Grundrechte nicht nur Abwehrrechte gegen den Staat, sondern verpflichten auch die Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung, Beschränkungen derselben durch andere Personen oder soziale Mächte zu unterbinden.8 Umfang und Grenzen des grundrechtlich gebotenen Schutzes hängen davon ab, welche öffentlichen oder privaten Interessen Dritter jeweils der betroffenen Grundrechtsposition entgegenstehen. Bei dieser Konfliktlösung steht dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zur Verfügung, der durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip „nach beiden Seiten begrenzt“ ist.9 Der grundgesetzliche Rahmen für die staatliche Rechtssetzung wird durch das Übermaßverbot und

___________ roth/Schlink, Rn. 181 ff.; a. A. Leisner, passim und zusammenfassend S. 332; Hager, JZ 1994, 373, 383; Steindorff, S. 12; Enneccerus/Nipperdey, § 15 II 4 c. 5 Vgl. aber auch Ruffert, S. 144 f. und 252 f. zum umstrittenen Verhältnis von mittelbarer Drittwirkung und Schutzpflicht. Hier werden sie als verschiedene Perspektiven des gleichen Problems aufgefasst. 6 Vgl. zur Terminologie: Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 35: Drittwirkung beschreibt das Rechtsverhältnis Bürger – Bürger, Geltung beschreibt die Rechtsanwendungsproblematik. 7 Vgl. für das Gesellschaftsrecht BVerfGE 14, 263 ff., 278 – Feldmühle; 50, 290, 338 – Mitbestimmung. Allgemein Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 11 ff. und 91; ders., AcP 184 (1984) 201, 212 ff.; Ruffert, S. 89 ff.; Stern, § 76 IV 2 a und 3; Hager, JZ 1994, 373, 374; Jung, JZ 2001, 1004; Pieroth/Schlink, Rn. 178; Dürig, in: Maunz/Dürig Art. 3 I Rn. 512; Isensee, in: FS Großfeld, S. 490; a. A. Diederichsen, AcP 198 (1998) 171, 231 und 234 ff.; Kopp, in: FS Wilburg S. 141, 149. 8 St. Rspr. BVerfGE 77, 170, 214 m. w. N. – Lagerung Chemischer Waffen; 85, 191, 212 – Nachtarbeitsverbot; besonders deutlich BVerfGE 53, 30, 57 – Mülheim-Kärlich und 56, 54, 73 – Fluglärm. 9 BVerfGE 81, 242, 261 – Handelsvertreter; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 20; ders., AcP 184 (1984) 201, 227 f.; Hermes, NJW 1990, 1764, 1768, Hager, JZ 1994, 373, 381; Stern, § 76 IV 6 b.

64

C. Wirkung der Grundrechte in der Privatrechtsordnung

das Untermaßverbot10 vorgegeben:11 Auf Grund des Übermaßverbots darf der Gesetzgeber nur in geeigneter, erforderlicher und verhältnismäßiger Weise in Grundrechte eingreifen.12 Das Untermaßverbot knüpft an Schutzpflichten an, welche den Gesetzgeber im Hinblick auf den wirksamen Schutz individueller Grundrechtspositionen treffen.13 Zwischen dem verfassungsrechtlich zwingend gebotenen Eingriffsschutz des Einen und der verfassungsrechtlich gebotenen Schutzpflicht gegenüber dem Anderen liegt in der Regel ein Spielraum, in welchem der Ausgleich widerstreitender Interessen Privater verfassungsrechtlich nicht determiniert ist und daher allein dem einfachen Recht überlassen bleibt.14 Die Ausgestaltung des einfachen Rechts liegt in der politischen Verantwortung des Gesetzgebers.15 Für ihn stellt sich meist ein Problem praktischer Konkordanz: Die kollidierenden Grundrechtspositionen sollten in ihrer Wechselwirkung erfasst und so begrenzt werden, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden.16 Bei der aktienrechtlichen Rechtssetzung kann der Gesetzgeber sich beispielsweise durch allgemeine Wertentscheidungen im Verfassungsrecht oder durch konjunkturelle Erwägungen leiten lassen.17 Verfassungsrechtlich ist weder die Schaffung eines optimalen Aktienrechts gefordert, noch müssen jegliche sozialen, wirtschaftlichen oder intellektuellen Gefälle durch Schutzvorschriften vollständig ausgeglichen werden.18 ___________ 10

Zum Begriff: BVerfGE 88, 203, 254 ff. – Schwangerschaftsabbruch II; Isensee, in: Isensee/Kirchhof § 111 Rn. 165; grundlegend Canaris, AcP 184 (1984) 201, 228 und 245. 11 BVerfGE 21, 150, 155 – Weinwirtschaftsgesetz (Übermaßverbot); 97, 169 – Kleinbetriebsklausel I (Untermaßverbot); Isensee, in: Isensee/Kirchhof § 111 Rn. 31; Jung, JZ 2001, 1004, 1005, Canaris, JuS 1989, 161, 163; ders., Grundrechte und Privatrecht, S. 20. 12 St. Rspr. zuletzt BVerfGE 100, 226, 240 m. w. N. – Denkmalschutz; BVerfGE 102, 1, 15 – Altlasten; BVerfGE 104, 1, 8 f. – Baulandumlegung. 13 BVerfGE 88, 203 – Schwangerschaftsabbruch II, 6. Leitsatz; vgl. auch Canaris, JuS 1989, 161, 163; ders., AcP 184 (1984), 201, 229. 14 Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 20; Dürig, in: FS Nawiasky S. 181; in diesem Sinne auch Medicus, AcP 192 (1992) 60 f. 15 BVerfGE 101, 239, 260 f. – Stichtagsregelung; allgemein zum Verfassungs„Rahmen“ des einfachen Rechts und den sich daraus ergebenden Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum für das niederrangige Recht: Isensee, in: FS Leisner S. 359 ff. 16 BVerfGE 81, 242, 255 – Handelsvertreter; 89, 214, 232 – Bürgschaftsverträge; 97, 169, 176 – Kleinbetriebsklausel I; Stern, § 76 IV 6 b; kritisch Zöllner, AcP 196 (1996) 1, 12. 17 BVerfGE 50, 290, 315 – Mitbestimmung. 18 Stumpf, NJW 2003, 9, 10; Webering, S. 52 f.; nach BVerfGE 89, 214, 232 – Bürgschaftsverträge sind lediglich typisierbare Fallgestaltungen, die eine strukturelle Unterlegenheit des einen Vertragsteils erkennen lassen. Verbunden mit ungewöhnlich belastenden Folgen des Vertrages für den unterlegenen Vertragsteil ist dies verfassungsrechtlich bedenklich.

III. Bindung des Privatrechtsgesetzgebers

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Dieser relativ weite Spielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung des Privatrechts lässt sich dogmatisch damit begründen, dass die Schutzgebotsfunktion und das Untermaßverbot in ihrer Wirkkraft und Wirkweise gegenüber der Abwehrfunktion und dem Übermaßverbot abgeschwächt sind:19 Die Wirkkraft des Abwehrrechts und der Schutzpflicht sind nicht deckungsgleich, weil die Schutzpflicht des Staates neben dem Eingriffsverbot als selbständiger Aspekt desselben Grundrechts steht, deren Inhalt sich eigenständig aus den grundrechtlich geschützten Rechtsgütern erschließt.20 Das Abwehrrecht ist wegen der Geltung des Übermaßverbots auf maximalen Schutz des Bürgers vor dem Staat ausgerichtet; der Staat muss seine Handlungen rechtfertigen. Das Untermaßverbot gewährt dagegen nur dann einen Anspruch, wenn verfassungsrechtliche Mindestanforderungen an den staatlichen Schutz unerfüllt bleiben. Soweit kein Anspruch auf staatliches Einschreiten besteht, ist der Staat in seiner Entscheidung frei, ob und in welcher Weise er eine Privatrechtsbeziehung regelt, falls er dabei nicht selbst in den Schutzbereich von Grundrechten eingreift. Die Wirkweise des Abwehrrechts untersagt alle denkbaren Störungshandlungen des Staates; es besteht ein Unterlassungsanspruch des Bürgers, soweit das Übermaßverbot greift. Dagegen kann die Schutzpflicht grundsätzlich auf verschiedene Weise mit unterschiedlichsten Mitteln erfüllt werden;21 es besteht (nur) ein Anspruch des Bürgers auf Schutz vor einem konkreten Erfolg, soweit dieser im Widerspruch zu dem staatlicherseits mindestens zu gewährleistenden Schutzziel steht und das Untermaßverbot verletzt ist. Ein Gericht kann eine Verletzung der Schutzpflicht und des Untermaßverbots nur feststellen, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen hat oder offensichtlich die getroffenen Regelungen und Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das Schutzziel zu erreichen.22, 23 ___________ 19

Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 45; a. A. Hager, JZ 1994, 373, 383. Stern, § 69 IV 5 c. 21 Stern, § 67 V 2 b ȕ. 22 BVerfGE 56, 54, 81 – Fluglärm; 77, 170, 215 – Lagerung chemischer Waffen; 79, 174, 202 – Straßenverkehrslärm. 23 Als weiteres Argument für einen weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers in Bereich des Zivilrechts kommt hinzu, dass sich Art. 2 Abs. 1 GG im Gegensatz zu den übrigen Grundrechten nicht eignet, verfassungsrechtliche Vorgaben für die inhaltliche Ausgestaltung des Privatrechts zu liefern – abgesehen selbstverständlich vom Schutz der freien Willensbildung. Da die Entfaltungsfreiheit in Gestalt privatautonomer Betätigung allen Privatrechtssubjekten gleichermaßen zusteht, lassen sich aus diesem Grundrecht keine besonderen Anforderungen an das Zivilrecht zu Gunsten bestimmter Teilnehmer am Rechtsverkehr ableiten. So auch Zöllner, AcP 196 (1996) 1, 14; ähnlich Wiedemann, JZ 1994, 411. 20

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C. Wirkung der Grundrechte in der Privatrechtsordnung

Der Gesetzgeber darf sich zudem damit begnügen, dass er generell eine grundrechtsgemäße Privatrechtsordnung zur Verfügung stellt und Grundrechtsverletzungen im Privatrechtsverkehr im Einzelfall durch die Gerichte ausgeglichen werden.24

IV. Bindung der Zivilrechtsprechung Der Richter ist in der Regel nur mediatisiert durch das Gesetzesrecht an Grundrechte gebunden. Er muss das für ihn in erster Linie maßgebliche Privatrecht grundrechtskonform auf die Privatrechtsbeziehungen anwenden. Der Rechtsgehalt der Grundrechte als objektive Normen entfaltet sich auf diesem Weg im Privatrecht durch das Medium der dieses Rechtsgebiet unmittelbar beherrschenden Vorschriften.25 Die vorrangige Lösung privatrechtlicher Grundrechtskollisionen nach den ausdifferenzierten Regeln der Privatrechtsordnung liegt darin begründet, dass „private Grundrechtseingriffe“ zumeist auf vorherigen privatautonomen Selbstbeschränkungen beruhen.26 Die Privatautonomie wäre gefährdet, wenn „private Grundrechtseingriffe“ in gleicher Weise wie staatliche gerechtfertigt werden müssten. Aus diesem Grund entsteht für den Richter erst dann ein verfassungsrechtliches Problem, wenn die vom Gesetzgeber zu verantwortende Privatrechtsordnung den Schutzgebotsfunktionen der Grundrechte im Einzelfall nicht ausreichend Geltung verschafft. Art. 1 Abs. 3 GG bindet die Rechtsprechung wie den Gesetzgeber unmittelbar an die Grundrechte, denn Anwendung und Fortbildung der Gesetze im Einzelfall stellen eine notwendige Ergänzung und Vervollständigung ihrer Schaffung dar.27 Dem Richter stehen im Wesentlichen die vorrangige Methode der verfassungskonformen Auslegung und die nachrangige konkrete Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG als Abhilfe zur Verfügung.28 Dieses Vorgehen ist bei allen Privatrechtsnormen angezeigt, nicht etwa nur bei unbestimmten Rechtsbegriffen und Generalklauseln.29 Denn alle Normen dienen gleicherma___________ 24 Ruffert, S. 122 ff.; Stern, § 76 IV 5 c ȕ und Ȗ; Hesse, Rn. 356. So wohl auch BVerfGE 89, 214, 232 ff. – Bürgschaftsverträge. 25 BVerfGE 7, 198, 205 – Lüth; Stern, § 76 IV 5 c Ȗ; Hesse, Rn. 354 ff.; Dürig, in: FS Nawiasky S. 170; Jung, JZ 2001, 1004, 1008. 26 Canaris, AcP 184 (1984) 201, 206; Jung, JZ 2001, 1004, 1008. 27 BVerfGE 58, 369, 374 m. w. N. – Anerkennung von Berufskrankheiten; BVerfGE 81, 242, 255 f. – Handelsvertreter; BVerfGE 84, 197, 199 – gewerbliche Zwischenvermietung; zuletzt BVerfG NJW 2001, 3406; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 25; Ruffert, S. 124 ff., 127; kritisch Zöllner, AcP 196 (1996) 1, 10 f. 28 Ruffert, S. 129 f.; Isensee, in: Isensee/Kirchhof § 111 Rn. 156; Rüfner, in: Isensee/Kirchhof § 117 Rn. 59; Medicus, AcP 192 (1992) 48. 29 So aber Hesse, Rn. 356; Flume, BGB-AT II § 17 1. A. A. Ruffert, S. 127.

V. Bindung der vollziehenden Gewalt

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ßen zur Grundrechtsverwirklichung und nicht immer stehen Generalklauseln für den notwendigen Grundrechtsschutz zur Verfügung.30 Dies wird besonders deutlich, wenn auslegungsfähige Rechtsnormen überhaupt fehlen: In diesem Bereich kommt eine Lückenschließung31 oder Richterrecht32 anhand unmittelbar aus den Grundrechten gewonnener Maßstäbe in Betracht. Die heranzuziehenden Maßstäbe sind dabei identisch mit denen, an die der Gesetzgeber bei seiner Rechtssetzung gebunden ist.33 Die Grundrechtsbindung der Zivilgerichte knüpft damit an die staatliche Urheberschaft des Privatrechts an, wie sie im Zusammenwirken von Gesetzgebung und Rechtsprechung vermittelt wird.34

V. Bindung der vollziehenden Gewalt Nach Art. 1 Abs. 3 GG binden die Grundrechte lückenlos die gesamte Staatsgewalt. Die vollziehende Gewalt ist bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe unmittelbar an die Grundrechte gebunden;35 dies gilt auch für die BaFin bei der Auslegung des Begriffs der angemessenen Gegenleistung. Sie muss diesen Begriff nach dem Plan des WpÜG zu Ende denken. Soweit die vollziehende Gewalt zur Rechtssetzung befugt ist, ist ihre Grundrechtsbindung unzweifelhaft, wenn diese auf einer staatlichen Ermächtigung beruht.36 Dabei kann offen bleiben, ob diese Bindung bereits aus der Zugehörigkeit zum legislativen Funktionsbereich folgt. Eine staatliche Ermächtigung zur näheren Regelung der angemessenen Gegenleistung findet sich in § 31 Abs. 7 Satz 1 WpÜG. Das Bundesministerium der Finanzen ebenso wie die BaFin, auf die diese Ermächtigung nach § 31 Abs. 7 Satz 2 WpÜG übertragen werden kann, sind bei Verordnungserlassen unmittelbar an die Grundrechte gebunden. ___________ 30

Canaris, AcP 184 (1984) 201, 223. Canaris, AcP 184 (1984) 201, 240, 245 f.; ders., Grundrechte und Privatrecht, S. 44; Isensee, in: Isensee/Kirchhof § 111 Rn. 156; P. Krause, JZ 1984, 656, 661. 32 BVerfGE 49, 286, 303 m. w. N. – Transsexuelle; BGHZ 74, 20. Vgl. hierzu auch die Problematik des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs unten D. I. 1. 33 Soeben unter C. III.; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 44; Ruffert, S. 127. 34 Ruffert, S. 127: Auf dieser Grundlage lässt sich die Gefahr einer unmittelbaren Grundrechtsbindung Privater der Bindung der Zivilgerichte an die Grundrechte als Abwehrrechte aus Art. 1 Abs. 3 GG nicht entgegenhalten. Diese Gefahr besteht, wenn man wie zuerst Schwabe, S. 15, 26 ff., 88 ff. 97, argumentiert, dass ein Unterschied zwischen der Bindung an die Grundrechte im Privat- und öffentlichen Recht nicht besteht, weil der Gesetzgeber und der Richter als Staatsorgane in die Grundrechte eingreifen, wenn sie diese nicht hinreichend beachten. 35 Rüfner, in: Isensee/Kirchhof § 117 Rn. 20; Stern, § 74 II 4 a. 36 Rüfner, in: Isensee/Kirchhof § 117 Rn. 16; Stern, § 74 I 4 c. 31

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C. Wirkung der Grundrechte in der Privatrechtsordnung

Unzweifelhaft hat die vollziehende Gewalt in ihrer exekutiven Funktion gegenüber dem Adressaten ihrer Maßnahmen und gegenüber Drittbetroffenen die Grundrechte zu wahren. Klärungsbedürftig ist allerdings, ob sie im Bereich des WpÜG auf das Privatrecht einwirkt. Nach allgemeiner Auffassung kommt § 31 WpÜG unmittelbar privatrechtsgestaltende Wirkung zu. Falls die vom Bieter gebotene Leistung hinter der nach § 31 Abs. 1 WpÜG mindestens anzubietenden angemessenen Gegenleistung zurückbleibt, ändert die Vorschrift den Aktienkaufvertrag kraft Gesetzes dahingehend ab, dass der Bieter vertraglich die angemessene Gegenleistung schuldet.37 § 31 Abs. 1 Satz 2 WpÜG i. V. m. §§ 5 ff. AngebotsVO gesteht den Veräußerern einen vertraglichen Mindestinhalt zu, der ihnen kraft Kauf- oder Tauschvertrag gegenüber dem Bieter gebührt.38 Nach der hier vertretenen Auffassung führt ein Verstoß gegen § 31 Abs. 1 WpÜG i. V. m. §§ 3 bis 7 AngebotsVO zur Nichtigkeit sowohl des Verpflichtungs- als auch des Verfügungsgeschäfts hinsichtlich der Aktien nach § 134 BGB. Nach beiden Auffassungen sind die sich ergebenden Streitfragen vor den ordentlichen Gerichten zu entscheiden,39 wobei dies unter Ausschluss der BaFin und unabhängig von deren Entscheidungen geschieht. Eine bedeutsame Abweichung vom System der §§ 145 ff. BGB besteht insoweit, als der Bieter seinen Verpflichtungswillen nicht aus freien Stücken erklären darf, sondern diesbezüglich auf die Zustimmung durch die BaFin nach §§ 14 Abs. 2, 15 Abs. 1 Nr. 2 WpÜG angewiesen ist.40 Widerspricht ein Übernahmeangebot offensichtlich § 31 Abs. 1 Satz 1 WpÜG, so hat die BaFin die Angebotsunterlage nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 WpÜG zu untersagen.41 Die Untersagung eines Angebots richtet sich konkret gegen seine Veröffentlichung. Da die Veröffentlichung der Angebotsunterlage aber die Erklärung des rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillens durch den Bieter beinhaltet, nimmt das Ge___________ 37

Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler § 4 Rn. 11, § 31 Rn. 26 und 36; Mülbert/Schneider, WM 2003, 2301, 2302; Kremer/Oesterhaus, in: KölnerKomm-WpÜG § 31 Rn. 105 f.; Seibt, ZIP 2003, 1865,1874; Rahlf, in: Zschocke/Schuster Rn. C 259; Steinmeyer/Häger, § 31 Rn. 88 f.; Ihrig, ZHR 167 (2003) 315, 346; zustimmend im obiter dictum OLG Frankfurt a. M. NZG 2003, 1120, 1121 – Procter & Gamble/Wella II und ZIP 2003, 1251, 1252 – Procter & Gamble/Wella I; speziell für den Fall des § 31 Abs. 4 WpÜG: Oechsler, NZG 2001, 817, 826; Thun, in: Geibel/Süßmann § 31 Rn. 52; Haarmann, in: Haarmann/Schüppen § 31 Rn. 137. 38 Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler § 4 Rn. 11; Kremer/Oesterhaus, in: KölnerKomm-WpÜG § 31 Rn. 74; Thun, in: Geibel/Süßmann § 31 Rn. 52, Haarmann, in: Haarmann/Schüppen § 31 Rn. 137. 39 Kremer/Oesterhaus, in: KölnerKomm-WpÜG § 31 Rn. 105 f.; Seibt, ZIP 2003, 1865,1873; OLG Frankfurt a. M. NZG 2003, 1120, 1121 – Procter & Gamble/Wella II und ZIP 2003, 1251, 1252 – Procter & Gamble/Wella I. 40 Oechsler, ZIP 2003, 1330. 41 Kremer/Oesterhaus, in: KölnerKomm-WpÜG § 31 Rn. 103; Haarmann, in: Haarmann/Schüppen § 31 Rn. 166.

VI. Bindung von Privatpersonen

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setz dem Bieter dadurch mittelbar auch die Möglichkeit, seinen Verpflichtungswillen zu erklären.42 Wird dieser dennoch mit dem in der Angebotsunterlage vorgesehenen Inhalt erklärt und von einem Veräußerungswilligen angenommen, ist das zustande gekommene Rechtsgeschäft nach § 15 Abs. 3 Satz 2 WpÜG nichtig.43 Ein Verbot der BaFin richtet sich also nicht unmittelbar gegen die Willenserklärung, sondern gegen die der Erklärung vorausgehende Angebotsunterlage. Dennoch entfaltet dieses Verbot mittelbar über § 15 Abs. 3 WpÜG die Rechtsfolge der Nichtigkeit.44 Insofern hat der Verwaltungsakt45 der BaFin privatrechtsgestaltende Wirkung: Im Streitfall muss ein Zivilgericht allein wegen des Verbots nach § 15 WpÜG unabhängig von § 134 BGB und seiner Auffassung von der angemessenen Gegenleistung die Nichtigkeit von Kauf- oder Tauschvertrag annehmen.46 Der Verwaltungsakt schränkt den Bieter in seinem privatrechtlichen Dürfen ein.47 Die BaFin ist bei ihrer Entscheidung über die Angemessenheit der Gegenleistung in ihrer exekutiven Funktion unmittelbar durch Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden. Diese Bindung unterscheidet sich nicht von derjenigen, der die Zivilrechtsprechung unterliegt.48 Es ergeben sich also für die Wirkung der Grundrechte im Privatrecht keine Besonderheiten durch das Hinzutreten einer Verwaltungsbehörde; eine gesonderte Betrachtung der Exekutiventscheidungen der BaFin erübrigt sich.

VI. Bindung von Privatpersonen Normadressaten der Grundrechte sind grundsätzlich49 nur der Staat und seine Organe.50 Wer im Privatrechtsverkehr Grundrechtsverletzungen hinnimmt, ___________ 42

Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler § 15 Rn. 13. BT-Drucks 14/7034 S. 46; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler § 15 Rn. 13. 44 Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler § 15 Rn. 12; a. A. Seydel, in: KölnerKomm-WpÜG § 15 Rn. 47. 45 Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler § 15 Rn. 13: Das Verbot der Veröffentlichung erfüllt die Voraussetzungen des § 35 VwVfG. 46 Vgl. Oechsler, ZIP 2003, 1330, 1332. 47 Vgl. zur Unterscheidung von Gestaltungsmacht und Verbot Armbrüster, in: MüKo-BGB § 134 Rn. 5 f.; Wendtland, in: Bamberger/Roth § 134 Rn. 15; Heinrichs, in: Palandt § 134 Rn. 5. 48 Siehe C. IV. 49 Abgesehen von den Spezialvorschriften in Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG und Art. 48 Abs. 1 und Abs. 2 GG. Vgl. hierzu Stern, § 76 IV a und b. 50 Heute ganz herrschende Meinung: Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 34; ders., AcP 184 (1984) 201, 202 ff.; Hager, JZ 1994, 373; Hesse, Rn. 354 f.; Medicus, AcP 192 (1992) 43; Pieroth/Schlink, Rn. 175. 43

70

C. Wirkung der Grundrechte in der Privatrechtsordnung

ohne die Gerichte anzurufen, handelt wie bei der Hinnahme anderer Rechtsverletzungen im Rahmen seiner freien Willensentscheidung.51 Erst vor Gericht und ggf. im Verwaltungsverfahren der BaFin wird aktuell, ob und inwieweit sich Rechtssubjekte gegeneinander auch auf grundrechtliche Positionen berufen können. Die Handlungen Privater werden ebenfalls nicht dadurch Gegenstand einer Grundrechtsprüfung, dass sie dem Staat zugerechnet werden.52 In einer freiheitlichen Rechtsordnung besteht die rechtliche Ausgangslage darin, dass der Staat das Verhältnis seiner Bürger untereinander grundsätzlich nicht durch Ge- oder Verbote regelt; demgemäß ist zwischen diesen zulässig, was nicht verboten ist. Die gegenteilige Konzeption bedeutet, dass alles menschliche Handeln auf einem Akt staatlicher Delegation an den einen bei gleichzeitiger rechtlicher Duldungspflicht aller übrigen Bürger beruht. Dies wird von der herrschenden Lehre zu Recht als prinzipiell freiheitswidrig abgelehnt.53 Daraus folgt, dass Gegenstand der Prüfung von Grundrechtsverletzungen grundsätzlich nur staatliche Regelungen und Akte (z. B. Gerichtsentscheidungen) sind, nicht dagegen solche von Privatrechtssubjekten, vor allem nicht Rechtsgeschäfte und Delikte.54 Dies gilt ohne Einschränkung auch für einen beherrschenden Gesellschafter einer Aktiengesellschaft.55 Gleichwohl sind die Privatrechtssubjekte mittelbar an die Grundrechte gebunden: Die Schutzgebotsfunktion der Grundrechte hat der Staat auf der Ebene des Privatrechts zu erfüllen.56 Die Wirkung der Grundrechte zwischen Privaten ist also die Konsequenz oder Reflex der Grundrechtsbindung von Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung.57 Die Schutzgebotsfunktion greift grundsätzlich auch gegenüber der vertraglichen Selbstbindung Privater, weil einerseits der Schutz einzelner Grundrechte die Disposition seines Trägers ausschließt oder zumindest besonders enge rechtliche Bindungen erfordert und weil andererseits die ebenfalls verfassungsrechtlich gewährleistete Privatauto-

___________ 51

Stern, § 76 IV 7; Hesse, Rn. 353; von Falkenhausen, S. 12. So aber Schwabe, S. 26 ff., 62 ff., 70 ff. 53 Statt vieler: Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 40 f.; Isensee, in: Isensee/Kirchhof § 111 Rn. 119; Stern, § 66 III 2 b, § 67 V 2 a und § 69 IV 5 b. 54 Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 36; ders., AcP 184 (1984) 201, 202 ff.; ders., JuS 1989, 161; Stern, § 76 IV 2 a; a. A. Diederichsen, AcP 198 (1998) 203 f., 207 f., 213. 55 Jung, JZ 2001, 1004, 1007. 56 Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 37 ff. 57 Rüfner, in: Isensee/Kirchhof § 117 Rn. 59. 52

VI. Bindung von Privatpersonen

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nomie den Schutz der freien Willensentscheidung verlangt.58 Dass grundrechtliche Schutzpflichten generell im rechtsgeschäftlichen Bereich nicht wirken, weil es an einer Rechtsgutsverletzung durch den Vertragspartner fehle,59 lässt sich hiergegen nicht anführen. Diese Sichtweise ist allein dann zutreffend, wenn das geltende Privatrecht und seine Auslegung bereits vollumfänglich dem staatlichen Schutzauftrag entsprechen. Da dies angesichts der immer weiter entwickelten Erkenntnisse über den Schutzbereich der Grundrechte nicht ernsthaft angenommen werden kann, ergeben sich praktisch immer wieder Fälle, in denen ein „privatrechtlich zulässiges“ Rechtsgeschäft an genuin verfassungsrechtliche Grenzen stößt.60 Die Rechtsgutsverletzung liegt dann im staatlichen Unterlassen der Grundrechtsverteidigung. Es kann lediglich eine Rückwirkung auf das (Unter-)Maß des Grundrechtsschutzes in Einzelfall geben, insbesondere wenn das zu schützende Grundrechtsgut Kern der privatrechtlichen Beziehung ist, wenn der betroffene Grundrechtsträger es durch Grundrechtsgebrauch gleichsam in die Privatrechtsbeziehung einbringt.61 Im Ergebnis bedeutet dies indes keinesfalls, dass ein privatrechtlicher Interessenausgleich mit den Mitteln des Verfassungsrechts zu besorgen wäre.62 Es lässt sich allenfalls im jeweiligen Einzelfall feststellen, dass der Gesetzgeber oder das Gericht die Bedeutung eines Grundrechts für die privatrechtliche Interessenkollision verkannt hat,63 nicht aber andersherum, welcher staatliche Akt allein verfassungskonform ist.64 Denn innerhalb des beschriebenen Gestaltungsspielraums65 zwischen Übermaßverbot und Untermaßverbot ist der Staat frei in der Formung seiner Privatrechtsordnung. Die Suche nach dem gerechten Ausgleich der widerstreitenden Interessen Privater obliegt diesem „gestaltungsspielraumkonformen“ Privatrecht und, soweit dieses disponibel ist, den Vertragschließenden selbst. In diesem Gestaltungsspielraum bleibt jede privatrechtliche Lösung frei von verfassungsrechtlichen Bedenken.66 In methodischer ___________ 58

Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 48 ff; ähnlich Wiedemann, JZ 1994, 411; a. A. Isensee, in: FS Großfeld, S. 498 ff. 59 Isensee, in: FS Großfeld, S. 501; ders., in: Isensee/Kirchhof § 111 Rn. 128 ff.; im Ergebnis ebenso Zöllner, AcP 196 (1996) 1, 8 f. 60 Vgl. etwa die Anbringung einer Parabolantenne durch einen türkischen Mieter in BVerfGE 90, 27 – Parabolantenne. 61 Ruffert, S. 250 f. 62 In diesem Sinne BVerfGE 89, 214, 234 – Bürgschaftsverträge. 63 Vergleichbar einem Ermessensfehler im Bereich der öffentlichen Verwaltung. 64 Vergleichbar § 114 VwGO kann allein die Auslegung der Zivilgerichte auf Fehlerhaftigkeit untersucht, nicht jedoch eine bestimmte Auslegung aus der Verfassung deduziert werden. 65 Vgl. oben C. III.

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C. Wirkung der Grundrechte in der Privatrechtsordnung

Hinsicht setzt das Verfassungsrecht lediglich einen Rahmen (noch) zulässiger privatautonomer Bindung.67 Anders herum gewendet bedeutet Privatautonomie Schöpfungsfreiheit von Rechtsfolgen,68 die, soweit sie sich im verfassungsrechtlich (und einfachgesetzlich)69 Zulässigen bewegen, mit Rechtszwang ausgestattet sind.70 Aus ebendiesem Grunde stellt die vertragliche Bindung insofern keinen Grundrechtsverzicht dar, wie sich das eigene grundrechtlich geschützte Abwehrinteresse des Vertragspartners jeweils nur in dem Umfang mindert, der der eigenen Rechtsgeschäftsdisposition entspricht.71 Aus dem Gesagten folgt zugleich die grundsätzliche Anerkennung eines staatsfreien, vertraglichen Gestaltungsspielraumes der Privatrechtssubjekte.72 Das Verhältnis der Privaten untereinander liegt auf der Ebene der Gleichordnung;73 sie können durch Rechtsgeschäfte auch Bindungen begründen, die dem Einzelnen durch die staatliche Gewalt nicht auferlegt werden können.74 Eine vertragliche Selbstbindung auf der Grundlage der Privatautonomie stellt tatsächlich einen Grundrechtsgebrauch dar.75 Das gegen den Staat gerichtete generelle Freiheitsrecht in Art. 2 Abs. 1 GG beinhaltet deshalb die Freiheit gegenüber dem Staat, von ihm ungehindert unter gleichgeordneten Privaten Grundrechtspositionen unbeachtet zu lassen, die gegenüber staatlichem Handeln das Abwehrinteresse des Bürgers ___________ 66 Gegen eine Herleitung von Gerechtigkeitsinhalten aus der Verfassung auch Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S. 140 ff., 143. In diesem Sinne auch Oechsler, Schuldrecht BT, Rn. 40, wenn er den Grundrechten dort auch im Privatrecht Geltung verschaffen will, wo genuin verfassungsrechtliche Wertungen dies verlangen. Auch Medicus, AcP 192 (1992) 60 meint, dass bei der Abwägung grundrechtlich geschützter Positionen im Privatrecht mehrere Ergebnisse verfassungsgemäß sind. 67 Canaris spricht von Schutzminimum: Canaris, AcP 184 (1984) 201, 228. Ähnlich Medicus, AcP 192 (1992) 70. 68 Im Gegensatz zur delegierten Rechtssetzungsbefugnis nach Schwabe, S. 62 ff. 69 Die Reichweite der Privatautonomie wird in erster Linie durch die Schranken des bürgerlichen Rechts gesetzt. Flume, BGB-AT II § 1 5; Canaris, AcP 184 (1984) 201, 209 f., 219. 70 Vgl. Canaris, AcP 184 (1984) 201, 219 m. w. N.; Isensee, in: FS Großfeld, S. 491; zur Pflicht des Staates zur Schaffung eines solchen Rechtszwangs BVerfGE 89, 214, 232 – Bürgschaftsverträge. 71 So aber Hillgruber, AcP 191 (1991) 69, 74; Zöllner, AcP 196 (1996) 1, 13 f. mit anderer Schlussfolgerung. Ebenfalls gegen einen Grundrechtsverzicht durch vertragliche Selbstbindung Isensee, in: FS Großfeld, S. 499; Ruffert, S. 244 ff., 245. 72 Grundlegend BVerfGE 7, 198, 206 f. – Lüth; BVerfGE 81, 242, 254 – Handelsvertreter. 73 Isensee, in: FS Großfeld, S. 485, 490. 74 Flume, BGB-AT II § 1 10 b. 75 Rüfner, in: Isensee/Kirchhof § 117 Rn. 68; Hesse, Rn. 356.

VII. Fazit

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aktivieren.76 Allein die Schutzgebotsfunktion kann den Staat zu Eingriffen in das privatautonom gesetzte Vertragsrecht zwingen.77 Vor allem das Kriterium der Schutzbedürftigkeit im Einzelfall,78 welches zugleich die die Verfassungsbeschwerde eröffnende (Art. 93 Nr. 4a GG, § 90 BVerfGG) subjektivrechtliche Komponente des Schutzauftrags darstellt,79 bestimmt den Zwang zu staatliche Eingriffen in das privatautonom gesetzte Vertragsrecht.80

VII. Fazit Auslösender Tatbestand für die Rechtsfolge in § 31 Abs. 1 Satz 1 WpÜG ist die Erlangung bzw. das Anstreben der Kontrolle über die Zielgesellschaft (§ 29 WpÜG). Dabei handelt es sich grundsätzlich um Akte von Privatrechtssubjekten, die einer unmittelbaren Kontrolle anhand von Grundrechten nicht zugänglich sind. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob Akte der BaFin, der Zivilgerichte oder des Gesetzgebers in diesem Bereich einer Grundrechtsbindung unterliegen. Gegenstand der folgenden Untersuchung ist daher die Frage, ob sich dem Eigentumsgrundrecht ein Schutzgebot zugunsten der Minderheitsaktionäre vor Kontrollwechseln entnehmen lässt. Für die Annahme eines Schutzgebots wird zu fragen sein, ob das Eigentumsgrundrecht überhaupt tatbestandlich einschlä-

___________ 76

Dürig, in: FS Nawiasky S. 159; Flume, BGB-AT II § 1 10 b. Die Frage eines wirksamen Grundrechtsverzichts stellt sich demgegenüber nur bei staatlichen Eingriffen. (Isensee, in: FS Großfeld, S. 499; Ruffert, S. 244 ff., 245). Da der Schutzauftrag der Grundrechte aber Ausfluss der objektiven Funktion der Grundrechte ist (h. M.: BVerfGE 96, 56, 64 – Vaterschaftsauskunft; Stern, § 69 IV 4, 5 b und § 76 IV 5 a m. w. N.; Hesse, Rn. 350; Ruffert, S. 158 f.; ähnlich Canaris, AcP 184 (1984) 201, 225 ff.), und der Einzelne über die objektive Funktion nicht disponieren kann (Pieroth/Schlink, Rn. 135; Sturm, in: FS Geiger S. 192 ff.), kann der Bürger keinen rechtsverbindlichen Verzicht aussprechen. Allenfalls kann er einen Verzicht praktizieren, indem er den staatlichen Schutz durch Anrufung der Gerichte nicht in Anspruch nimmt. Dem widerspricht nicht, dass die objektive Funktion der Grundrechte akzessorisch zum subjektiven Abwehrrecht ist und dieses nur verstärken soll. Denn der Einzelne müsste zur Beseitigung des Schutzes aus der objektiven Funktion auch auf seine Abwehrrechte verzichten, weil er nicht individuell über den status positivus verfügen kann. Regelmäßig wird der Einzelne ausschließlich einen Willen zum Verzicht auf bestimmte Rechtspositionen gegenüber seinem Vertragspartner haben, ohne dass er sich seines status negativus dem Staat gegenüber begeben will; einen status negativus gegenüber einem privaten Vertragspartner enthält ein Grundrecht nicht. 78 Canaris, AcP 184 (1984) 201, 228. 79 Hierzu Canaris, AcP 184 (1984) 201, 224 f., 227. 80 Ruffert, S. 197. 77

74

C. Wirkung der Grundrechte in der Privatrechtsordnung

gig ist81 und ob ein Übergriff oder die Gefahr eines Übergriffs durch einen Privaten vorliegt82, 83.

VIII. Besonderheiten der mittelbaren Drittwirkung im Aktienrecht84 Die hier wegen des eingeschränkten Anwendungsbereichs (§§ 1, 2 Abs. 3 WpÜG) allein interessierenden Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien85 sind durch den Umstand geprägt, dass die Rechtsverhältnisse zwischen den Gesellschaftern durch den Gesellschaftsvertrag auf Dauer festgelegt sind. Wer am Abschluss des Gesellschaftsvertrages beteiligt war, später beigetreten ist oder durch Annahme einer Schenkung oder Erbschaft Aktien erlangt hat, wird grundsätzlich durch die Satzung gebunden. Diese Bindung wiederum kann durch Beschlüsse der Gesellschafterversammlung (§ 179 AktG) verändert werden. Aber auch die sonstigen Beschlüsse der Hauptversammlung wie z. B. zur Gewinnverwendung (§ 174 AktG) oder zur Übertragung des Gesellschaftsvermögens im Ganzen (§ 179a AktG)86 können auf die Rechtsstellung der Aktionäre einwirken. Im Unterschied zum „einfachen“ privatrechtlichen Austauschvertrag zwischen idealtypischerweise gleichgeordneten Privatrechtssubjekten besteht im Gesellschaftsrecht eine normative Bindung der Gesellschafter durch die gesetzte Ordnung des Gesellschaftsvertrages bzw. der Satzung. Anders als bei den meisten schuldvertraglichen oder sachenrechtlichen Rechten kann die Lösung eines Interessenkonfliktes nicht vollständig vom Gesetz geregelt werden, da ein Interessenausgleich zwischen den Gesellschaftern sich laufend und in Anpassung an wechselnde Notwendigkeiten zur bestmöglichen Verwirklichung des Gesellschaftszwecks vollziehen muss.87 Dies bewirkt, dass ausnahmsweise ein Gesellschafter auch gegen seinen aktuellen privatautonomen Willen einer ge___________ 81

Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 72 ff. Ruffert, S. 196 f., 201; Webering, S. 28 f.; A. A. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 74 ff. 83 Auf eine Rechtswidrigkeit des privaten Handelns oder einen Schutzbedarf kommt es dabei nicht an. Vgl. Ruffert, S. 195 ff. 84 Zu überkommenen Einwendungen gegen die verfassungsrechtliche Kontrolle von Gesellschaftsrecht vgl. von Falkenhausen, S. 8 ff. 85 Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes bleiben bei dieser Untersuchung unberücksichtigt. 86 Zu den weiteren gesetzlichen Entscheidungskompetenzen vgl. Eckardt, in: Geßler/Hefermehl § 119 Rn. 8 f. 87 Zöllner, in: KölnerKomm-AktG, 1. Aufl., § 243, Rn. 190; Zöllner, S. 343. 82

VIII. Besonderheiten der mittelbaren Drittwirkung im Aktienrecht

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sellschaftsvertraglichen Bindung unterworfen werden kann, nämlich durch Mehrheitsbeschluss. Letztlich bedeutet dies gegenüber dem für den „einfachen“ Austauschvertrag postulierten Schutz der freien Willensbildung als zentralem Punkt der verfassungsrechtlich garantierten Privatautonomie eine Einschränkung, die genauerer Betrachtung bedarf.

1. Satzungsrecht der Aktiengesellschaft Für das Satzungsrecht ist zunächst zwischen den dispositiven (ius dispositivum) und den zwingenden (ius cogens) Satzungsregelungen nach § 23 Abs. 5 AktG zu unterscheiden, soweit man hinsichtlich der zwingenden Regelungen überhaupt von Satzungsrecht sprechen will: Eingriffe der zwingenden Normen des AktG in Grundrechte gehen immer unmittelbar und allein vom Gesetzgeber aus.88 Sie sind entsprechend den oben über die Bindung des Gesetzgebers und der Rechtsprechung gemachten Aussagen zu beurteilen.89 Nichts anderes gilt für dispositives Recht,90 welches im Gesellschaftsvertrag nicht abbedungen wurde. Dabei ist es aus der Sicht des Verfassungsrechts gleichgültig, ob für die zivilrechtliche Dogmatik der Geltungsgrund des dispositiven Gesetzesrechts im hypothetischen Parteiwillen oder in der Konkretisierung des schutzwürdigen Gläubigervertrauens gesehen wird.91 Die zwei wesentlichen Funktionen des dispositiven Gesetzesrechts liegen in der Leitbildfunktion für die Inhaltskontrolle von Verträgen und der Vertragsergänzung für lückenhafte Vereinbarungen.92 Verfassungsrechtlich dient die Leitbildfunktion der Umsetzung des staatlichen Schutzauftrags; sie konkretisiert zunächst den politisch gewollten Schutz des Privatrechtssubjekts. Bei der Ausgestaltung des politisch gewollten Schutzes muss sich der Gesetzgeber in dem dem einfachen Recht überlassenen Spielraum bewegen, um die verfassungsrechtlich gebotene Schutzpflicht zu erfüllen. Bei der Vertragsergänzung ist verfassungsrechtlich stets zu beachten, dass die gesetzliche Regelung nicht auf dem tatsächlichen Willen der Parteien des Rechtsgeschäfts, sondern allenfalls nach der Willenstheorie auf einen hypothetischen Willen gründet.93 Gemessen an der primären ___________ 88

Pieroth/Schlink, Rn. 178; vgl. auch Canaris, AcP 184 (1984) 201, 213 ff. Im Ergebnis ebenso von Falkenhausen, S. 13. 90 Canaris, AcP 184 (1984) 201, 214, 222; Ruffert, S. 96; ähnlich Medicus, AcP 192 (1992) 47; a. A. Pieroth/Schlink, Rn. 178. 91 Vgl. zur Auseinandersetzung Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S. 291 ff. 92 Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S. 293. 93 Vgl. auch Flume, BGB-AT II § 6 2, der die naturalia negotii gerade nicht als einen Akt von Privatrechtssubjekten ansieht, sondern als eine gesetzliche Regelung, und Ca89

76

C. Wirkung der Grundrechte in der Privatrechtsordnung

Funktion der Grundrechte als Freiheitsgewährleistung liegt Fremdbestimmung Privater durch den Staat vor,94 die sich am Übermaßverbot messen lassen muss, weil nur dann eine optimale Wirkung der Freiheitsrechte gewährleistet ist. Hinsichtlich des privatautonom gesetzten Satzungsrechts wird von Jung vertreten, dass der Abschluss des Gesellschaftsvertrages bzw. der spätere Beitritt mit einem Verzicht auf grundrechtlich verbürgte Rechtspositionen einhergehe.95 Der von den Gesellschaftern gefundene Interessenausgleich sei von den Gerichten in aller Regel zu respektieren; eine erfolgreiche Berufung auf Grundrechte komme nur dann in Betracht, wenn die Verzichtswirkungen bei Vertragsschluss etc. nicht vorhersehbar waren oder der Verzicht aufgrund einer Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des betroffenen Gesellschafters unbeachtlich ist. Zutreffender ist allerdings, dass im Bereich der privatautonomen Bindung der Staat seine Schutzpflichten zu erfüllen hat, weil einerseits der Schutz einzelner Grundrechte die Disposition seines Trägers ausschließt oder zumindest besonders enge rechtliche Bindungen erfordert und weil andererseits die ebenfalls verfassungsrechtlich gewährleistete Privatautonomie den Schutz der freien Willensentscheidung verlangt.96 Von einem Verzicht auf Grundrechte kann nicht die Rede sein:97 Eine vertragliche Selbstbindung auf der Grundlage der Privatautonomie stellt vielmehr einen Grundrechtsgebrauch dar.98 Der freie Gebrauch des Eigentums zum Beispiel besteht gerade darin, das Eigentum rechtsverbindlich für frei gewählte Ziele einsetzen zu dürfen, ggf. auch durch Einbringung in eine Gesellschaft. Das gegen den Staat gerichtete generelle Freiheitsrecht in Art. 2 Abs. 1 GG beinhaltet auch die Freiheit dem Staat gegenüber, von ihm ungehindert unter gleichgeordneten Privaten von Grundrechtssätzen, die für staatliches Handeln unabdingbar sind, abweichen zu können.99 Soweit es die Beteiligung an einer Gesellschaft erfordert, ist der Gesellschafter gezwungen, den Mitgesellschaftern eine weitgehende und inhaltlich offene Einwirkungsmöglichkeit auf seine Interessen einzuräumen.100 Daraus folgt in aller Regel die Pflicht der öffentlichen Gewalt – einschließlich der Ge___________ naris, AcP 184 (1984) 201, 214 Fn. 43 sowie Ruffert, S. 96. Die Willenstheorie ebenfalls ablehnend Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S. 292. 94 Ähnlich Ruffert, S. 96. 95 Jung, JZ 2001, 1004, 1008. Ihm folgend Stumpf, NJW 2003, 9, 11. 96 Vgl. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 48 ff. 97 Im Ergebnis ebenso von Falkenhausen, S. 12 f.; Webering, S. 34 f.; grundsätzlich gegen einen Grundrechtsverzicht durch vertragliche Bindung Isensee, in: FS Großfeld, S. 499; Ruffert, S. 244 ff. 98 Rüfner, in: Isensee/Kirchhof § 117 Rn. 68; Hesse, Rn. 356; Ruffert, S. 249 ff.; Webering, S. 34. 99 Dürig, in: FS Nawiasky S. 159. 100 Zöllner, in: KölnerKomm-AktG, 1. Aufl., § 243, Rn. 190.

VIII. Besonderheiten der mittelbaren Drittwirkung im Aktienrecht

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richte – den vertraglichen Interessenausgleich zu respektieren.101 Denn der Grundrechtsgebrauch ist abwehrrechtlich gegenüber staatlicher Intervention abgeschirmt und grundsätzlich zulässig.102 Dieser Freiheitsraum wird allerdings nicht durch die Reichweite eines Grundrechtsverzichts bestimmt, sondern seine Grenzen liegen in der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte: Der (Minderheits-)Aktionär ist vor solchen gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen geschützt, vor denen die öffentliche Gewalt – wegen des aus der objektiven Funktion der Grundrechte folgenden Schutzgebots für den Einzelnen – unverzichtbar schützen muss. Entsprechend verbleiben dem einzelnen Mitglied zum Schutz gegenüber der Kollektivmacht schon nach den Regelungen des Gesellschaftsrechts anerkannte unentziehbare und unverzichtbare „mitgliedschaftliche Grundrechte“.103 Der wesentliche Unterschied zur Ansicht von Jung liegt darin, dass die (individuelle) Vorhersehbarkeit der Wirkungen des Gesellschaftsvertragsschlusses, des Beitritts etc. bezüglich der Grundrechte für den Aktionär keine Bedeutung hat.104 Seitdem die sog. Normentheorie überwunden ist, die die Satzung als einen besonderen, vom Individualrecht losgelösten sozialrechtlichen Konstitutivakt verstand,105 kann wegen des Vertragscharakters der Satzung106 eine Unterscheidung zwischen Beteiligung am Gründungsakt und späterem Beitritt unterbleiben. Die Grundrechte wirken sowohl für Gründer als auch für später Beitretende auf eine vertragliche Selbstbindung ein.

2. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung Besonders aktuell wird die Schutzfunktion der Grundrechte unter dem Gesichtspunkt des Minderheitenschutzes bei Mehrheitsbeschlüssen. Bemerkenswert ist, dass nicht nur die Beschlüsse des regelmäßigen Geschäftsablaufs (§ 133 Abs. 1 AktG), sondern auch Änderungen der Satzung dem Mehrheitsprinzip unterliegen und von der Minderheit hingenommen werden müssen ___________ 101

BVerfGE 81, 242, 254 – Handelsvertreter; Dürig, in: FS Nawiasky S. 159; Isensee, in: FS Großfeld, S. 490; so auch Jung, JZ 2001, 1004, 1008. Vgl. zu Schranken der Einwirkung Mülbert/Leuschner, ZHR 170 (2006) 615 ff. 102 Ruffert, S. 249. 103 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 7 I 1. 104 So aber Jung, JZ 2001, 1004, 1008. Siehe aber auch Fleischer, ZGR 2001, 1, 6 f. wegen des Phänomens der begrenzten Rationalität. 105 Insbesondere von Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 133 f.; heute abgeschwächt noch Reuter, in: MüKo-BGB, § 25 Rn. 16 ff. 106 Hüffer, in: FS Steindorff S. 59, 67; Raiser/Veil, § 26 Rn. 12 ff.; Kießling, in: FS Hadding S 477, 495.

78

C. Wirkung der Grundrechte in der Privatrechtsordnung

(§ 179 Abs. 2 AktG). Hier ist der Mehrheit gesetzlich das Recht zugewiesen, die vertragliche Bindung der Minderheit nachträglich und unabhängig von deren Willen zu verändern. Eine Bindung von Gesellschafterbeschlüssen an einen verfassungsrechtlich begründeten Minderheitenschutz wird nicht durch die Beitrittserklärung des Gesellschafters und eine generelle Unterwerfungserklärung107 unter die Satzungsregelungen aufgehoben.108 Jung geht demgegenüber für Gesellschafterbeschlüsse ebenfalls von einer Möglichkeit zum Grundrechtsverzicht durch Abschluss des Gesellschaftsvertrages bzw. durch Eintritt in die Gesellschaft aus,109 welche aus den bereits für das Satzungsrecht vertretenen Gründen abzulehnen ist. Damit ist allerdings nur geklärt, dass sämtliche Beschlüsse als Rechtsgeschäfte einer Kontrolle anhand von Grundrechten zugänglich sind. Daraus folgt nicht, dass alle Beschlüsse mit gleichem verfassungsrechtlichen Maß zu messen sind.

a) Beschlussgegenstände mit gesetzlicher Ermächtigung Einzelne Beschlussgegenstände wie die Auflösung, die Umwandlung, die Konzernbildung oder der Ausschluss von Minderheitsaktionären sind in gesetzlichen Ermächtigungen vorgeprägt, die die Herrschaft der Mehrheit über die Minderheit ausgestalten. Dabei ersetzt der Gesetzgeber mehr und mehr die Inhaltskontrolle strukturändernder Beschlüsse durch eine Kontrolle der Abfindung an den Minderheitsaktionär (§§ 304 Abs. 2, 305 Abs. 5, 320b Abs. 2, 327a ff. AktG, §§ 14 Abs. 2, 32, 34, 176 ff., 210, 212 UmwG). Die mit der jeweils notwendigen Mehrheit gefassten Beschlüsse selbst bedürfen nach Ansicht der Rechtsprechung keiner sachlichen Rechtfertigung, soweit das Gesetz nicht zusätzliche Erfordernisse aufstellt; sie tragen ihre Rechtfertigung in sich.110 In Teilen der Literatur wird dagegen vertreten, dass auch solche Beschlüsse auf Treuepflichtverletzungen hin überprüft werden können.111 ___________ 107 Gegen den Begriff der Unterwerfung: Lutter, AcP 180 (1980) 84, 97. Das Verhältnis des Mitglieds zu anderen Mitgliedern im Verband ebenso wie zum Verband selbst ist privatrechtlicher Natur, also auf einer Ebene der Gleichordnung. 108 Wiedemann, JZ 1994, 411, 412; vgl. auch BVerfGE 100, 214, 224 – Gewerkschaftsausschluss. 109 Jung, JZ 2001, 1004, 1009. 110 Für den Auflösungsbeschluss BGHZ 76, 352, 353; 103, 184, 190 f. – Linotype; für den Kapitalherabsetzungsbeschluss BGHZ 138, 71, 75 – Sachsenmilch. 111 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 II 3 a; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 8 II 3 b; ders., in: FS Heinsius S. 949, 963; Martens, in: FS R. Fischer S. 437 ff., 446; Schindler, S. 170 ff. Der Rechtsprechung folgen dagegen Lutter, ZGR 1979, 401, 411;

VIII. Besonderheiten der mittelbaren Drittwirkung im Aktienrecht

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Bezogen auf die Grundrechtspositionen der Minderheit bedeutet beides jedenfalls einen Verlust an Privatautonomie, also eine Schrankensetzung im Rahmen des Art. 2 Abs. 1 GG, weil der Interessenausgleich zwischen den Gesellschaftern staatlicherseits bestimmt wird. Der Ansicht der Rechtsprechung, die eine wie auch immer geartete Inhaltskontrolle solcher Beschlüsse ablehnt, folgend, kann Grundrechtsschutz allein durch die Prüfung der gesetzlichen Ermächtigung verwirklicht werden.112 Die Prüfung folgt dann den Maßstäben des verfassungsrechtlich zwingend gebotenen Eingriffsschutzes, d. h. die gesetzliche Ermächtigung der Mehrheit wird am Übermaßverbot gemessen.113 Demgegenüber erfordert die Literaturansicht eine erweiterte Prüfung. Die Möglichkeit von Treuepflichtverletzungen bei Beschlüssen, die auf einer gesetzlichen Ermächtigung der Mehrheit beruhen, dehnt den Prüfungsumfang aus: Neben der Beachtung des Übermaßverbots bei der Ausgestaltung der Ermächtigungsnorm tritt die Frage, ob der Staat seinem Schutzauftrag (mittels der Definition der Treuepflicht durch die Rechtsprechung) hinreichend Rechnung trägt.114 Diese zweite Prüfung folgt dann den Maßstäben für grundrechtliche Schutzpflichten gegenüber den Minderheitsaktionären, also dem Untermaßverbot, weil die Treuepflicht nur rechtsbegrenzende Funktion besitzt.115 Der Schutz des einen Privaten vor dem anderen durch die zivilrechtliche Treuepflicht als Grenze einer gesetzlichen Ermächtigung stellt ein Problem mittelbarer Drittwirkung dar, dessen verfassungsrechtliche Lösung anhand des Untermaßverbots erfolgt. Ein übermäßiger staatlicher Eingriff in Grundrechte durch eine Treuepflichtverletzung scheidet aus, weil gegen die Treuepflicht nur ein Privater116 verstoßen kann.117 Nach Ansicht der Rechtsprechung, besteht der Einfluss der Grundrechte allein im Bereich des Tatbestandes. Die Abwägung der widerstreitenden Interes-

___________ ders., ZGR 1981, 171, 174 ff.; Timm, JZ 1980, 665, 667; ders., ZGR 1987, 403, 421 f.; Hüffer, AktG, § 243 Rn. 27; Koppensteiner, in: KölnerKomm-AktG § 293 Rn. 62; noch weitergehend Mülbert, S. 324 ff. 112 A. A. Canaris, AcP 184 (1984) 201, 220 f., der aus der Schrankensetzung im Rahmen des Art. 2 Abs. 1 GG die Notwendigkeit einer Beschlusskontrolle folgert. Kritisch hierzu Webering, S. 80 f. Eingehend unten D. II. 2. 113 Vgl. oben C. III. 114 In diesem Sinne auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 12 III 2, wenn er eine Prüfung der dem Gesellschaftsrecht immanenten Pflichtbindung für verfassungsrechtlich vorgeschrieben hält. 115 Vgl. oben S. 42. 116 Abgesehen von staatlichem Handeln in den Formen des Privatrechts. 117 Vgl. oben C. VI.

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C. Wirkung der Grundrechte in der Privatrechtsordnung

sen nimmt bereits (abschließend) das Gesetz vor.118 Soweit möglich und nötig muss ggf. durch verfassungskonforme Auslegung ein fragwürdiger Beschluss aus dem Tatbestand der gesetzlichen Ermächtigung an die Mehrheit herausgenommen werden.119 Für die Literaturansicht beinhaltet die gesetzliche Ermächtigung außerdem auf der Rechtsfolgenseite der Ermächtigungsnorm (also bei der Beschlussfassung),120 die Pflicht der Mehrheit zur Beachtung der Treuepflicht, welche ihrerseits ein weiteres Einfallstor für Grundrechte ist.121 Verfassungsrechtlich ergeben sich dabei aus den unterschiedlichen Auffassungen allenfalls unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe (einerseits Übermaßverbot, andererseits Untermaß- und Übermaßverbot), nicht jedoch Unterschiede in der Reichweite des Grundrechtsschutzes. Eine Herausnahme fragwürdiger Beschlüsse aus dem Tatbestand der Ermächtigungsnorm würde erfolgen, wenn die Norm ansonsten verfassungswidrig in die Grundrechtsposition der Minderheit eingriffe. Eine Treuepflichtverletzung bestünde, wenn die Minderheit in ihrer Grundrechtsposition derart eingeschränkt wäre, dass eine Schutzpflicht des Staates bestünde. In beiden Fällen werden die Grenzen des verfassungsrechtlich zulässigen Ausgleichs privater Interessen bestimmt, die nicht durch die Zivilrechtsdogmatik verschoben werden.

b) Sonstige Beschlussgegenstände Das Aktienrecht bleibt im Übrigen in großem Umfang im Bereich formaler Organisation der Willensbildung der Aktionäre.122 Die §§ 118 ff. AktG präjudizieren den Inhalt von Entscheidungen nicht. Selbst für besonders einschneidende Maßnahmen der Hauptversammlung wie Satzungsänderungen, § 179 AktG, Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens, § 179a AktG, oder Nebenverpflichtungen der Aktionäre, § 180 AktG, legt das Gesetz keine inhaltlichen Vorgaben fest, sondern verlangt lediglich bestimmte qualifizierte Mehrheiten. Gleichwohl verlangen die Zivilgerichte in bestimmten Fällen eine sachliche Rechtfertigung für Hauptversammlungsbeschlüsse. Der Bundesgerichtshof hat die Möglichkeit einer umfassenden sachlichen Inhaltskontrolle bislang für den Fall des Bezugsrechtsausschlusses nach § 186 Abs. 3 AktG123 (und der ___________ 118

BGHZ 138, 71 – Sachsenmilch; grundsätzlich als unmöglich ablehnend: Fillmann, S. 158. 119 Soweit dies nicht möglich ist, verbleibt verfassungsrechtlich allein die Normenkontrolle der Ermächtigungsnorm. 120 Fillmann, S. 158 spricht vom Ermessensspielraum der Organe. 121 Dazu sogleich. 122 BVerfGE 14, 263, 275 – Feldmühle. 123 BGHZ 71, 40, 45 – Kali + Salz.

VIII. Besonderheiten der mittelbaren Drittwirkung im Aktienrecht

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Befreiung eines herrschenden Gesellschafters einer GmbH von einem Wettbewerbsverbot124) anerkannt. Eine sachliche Rechtfertigung ist gegeben, wenn der Bezugsrechtsausschluss einem Zweck dient, der im Interesse der Gesellschaft liegt, zur Erreichung des beabsichtigten Zwecks geeignet und überdies erforderlich sowie verhältnismäßig ist.125 Eine Rechtsgrundlage für die inhaltlich materielle Kontrolle der Mehrheitsbeschlüsse hat der Bundesgerichtshof dabei nicht genannt.126 Dogmatisch betrachtet werden Beschlussinhalte an der mitgliedschaftlichen Treuepflicht der Aktionäre untereinander gemessen,127 welche ihrerseits offen für Grundrechtseinflüsse ist.128 So kann es nicht verwundern, dass die Kriterien des Bundesgerichtshofs zur Beschlusskontrolle beim Bezugsrechtsausschluss inhaltlich nichts anderes als eine an die Grundrechtsdogmatik angelehnte Verhältnismäßigkeitsprüfung darstellen.129 Diese zivilrechtliche Dogmatik für Beschlussgegenstände ohne gesetzliche Ermächtigung eignet sich für die Beurteilung einer mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten zwischen Mehrheit und Minderheit nicht. Denn der Schutz der überstimmten Minderheit ergibt sich verfassungsrechtlich nur aus dem Untermaßverbot, weil es sich bei der Beschlussfassung um einen Akt Privater handelt, vor dem ein anderer Privater möglicherweise geschützt werden muss. Eine verfassungsrechtliche Prüfung wird nicht vorweggenommen, soweit der Bundesgerichtshof zivilrechtlich eine sachliche Rechtfertigung annimmt, wenn der Beschluss einem Zweck dient, der im Interesse der Gesellschaft liegt, zur Erreichung des beabsichtigten Zwecks geeignet und überdies erforderlich sowie verhältnismäßig ist. Die Frage nach einer Verletzung der an den Staat gerichteten Schutzpflicht beantwortet sich anders: Eine Treuepflichtverletzung liegt immer dann vor, wenn die Wirksamkeit eines Beschlusses den gebotenen Grundrechtsschutz für die Minderheit ___________ 124

BGHZ 80, 69, 74. Diese Entscheidung lässt sich auf AGs und KGaAs übertragen. BGHZ 71, 40, 46 – Kali + Salz (Sacheinlage); zuletzt BGHZ 125, 239, 241 – Deutsche Bank (genehmigtes Kapital). 126 Vgl. BGHZ 71, 40 ff.; 83, 319 ff.; 103, 184 ff; 120, 141 ff.; 125, 239 ff. – Kali + Salz. 127 Raiser/Veil, § 16 Rn. 160; Zöllner, in: KölnerKomm-AktG, 1. Aufl., § 243, Rn. 189 ff., 193; Lutter, AcP 180 (1980) 84, 102 ff., ders., ZHR 153 (1989) 446, 457 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 8 II 3; Fillmann, S. 157. Bei Zöllner, S. 344 und 350 f., wird deutlich, dass Verstöße gegen die Bindung an den Gesellschaftszweck und das Anstreben von Sondervorteilen lediglich Unterfälle der Treuepflichtverletzung sind. 128 Jung, JZ 2001, 1004, 1009. 129 Jung, JZ 2001, 1004, 1009; Verhältnismäßigkeitsprüfung als allgemeines Rechtsprinzip: Raiser/Veil, § 16 Rn. 163; Zöllner, in: KölnerKomm-AktG, 1. Aufl., § 243, Rn. 202, wobei er sich in AcP 196 (1996) 1, 4 ff., 7 f. dagegen ausspricht, dass dies Ausdruck einer Geltung der Grundrechte im Vertragsrecht ist; Fillmann, S. 157 f. Vgl. auch Ruffert, S. 99 ff. zum Verhältnismäßigkeitsprinzip im Privatrecht. 125

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C. Wirkung der Grundrechte in der Privatrechtsordnung

außer Acht lässt. Hierfür ist zu fragen, ob ein Grundrecht überhaupt tatbestandlich einschlägig ist130 und ob ein Übergriff oder die Gefahr eines Übergriffs durch einen Privaten vorliegt131. Die zivilrechtlich vom BGH aufgeworfene Frage, ob die beschlossene Maßnahme gemessen am Interesse der Gesellschaft den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahrt, erfüllt die Schutzgebotsfunktion der Grundrechte jedenfalls nicht, weil das Gesellschaftsinteresse kein staatlich zu schützendes Grundrecht darstellt.132 Das durch den Gesellschaftszweck bestimmte Interesse einer Gesellschaft ist privatautonom gesetzt und daher allein eine zivilrechtlich bedeutsame Rechtsposition. Verfassungsrechtliche Bedeutung erlangt das Gesellschaftsinteresse allenfalls dann, wenn aus ihm eine grundrechtlich geschützte Rechtsposition für den Einzelgesellschafter erwächst, etwa in Form eines Eigentumsrechts.

IX. Zusammenfassung: Verfassungsrecht und Aktienrecht Das Aktienrecht kennt einen weit verzweigten Minderheitenschutz In seiner systematischen Grundanlage setzt es auf einen formalisierten Schutz durch Verfahrensvorschriften (Mehrheitserfordernisse, Verbot bestimmter Beschlüsse oder Stimmverbote), die sämtlich am verfassungsrechtlichen Übermaßverbot gemessen werden können. Die Lehre von der Treuepflicht ergänzt diesen Schutz durch materielle Elemente, für die das Untermaßverbot gilt. Verfassungsrechtlich ist der (Minderheits-)Aktionär dadurch vor solchen gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen und Beschlüssen geschützt, vor denen die öffentliche Gewalt wegen des Schutzgebots der Grundrechte schützen muss. Grundsätzlich sind dabei die verfassungsrechtlichen Vorgaben getrennt von der zivilrechtlichen Dogmatik zu erarbeiten, weil der zivilrechtliche Interessenausgleich über den Grundrechtsschutz hinausreicht. Im Folgenden muss daher das Eigentumsgrundrecht daraufhin untersucht werden, ob es zwingend vorschreibt, dem Minderheitsaktionär beim Überschreiten der Schwelle des § 29 Abs. 2 WpÜG einen Anspruch auf ein Übernahmeangebot in angemessener Höhe zu geben.

___________ 130 Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 72 ff. Wie dargestellt, darf es sich bei dem Grundrecht nicht um die allgemeine Handlungsfreiheit handeln. 131 Ruffert, S. 196 f., 201; Webering, S. 28 f.; A. A. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 74 ff. 132 So aber Jung, JZ 2001, 1004, 1009.

D. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht Das Privateigentum nimmt im Katalog der Grundrechte eine dogmatische Sonderstellung ein. Der verfassungsrechtliche Schutz von Vermögensrechten setzt zunächst eine Definition dieser Vermögensrechte durch den einfachen Gesetzgeber voraus. Es gibt keine verfassungsunmittelbare oder der Verfassung vorgelagerte Definition des Eigentums, die der Gesetzgeber als apriorische Größe vorfindet. Die Legislative hat permanent eine Doppelfunktion inne: Sie errichtet einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich durch die Schaffung einer Eigentumsordnung und legt dabei zugleich die Grenzen dieses Freiraums fest.1 Besondere Komplexität entsteht für den Eigentumsschutz im Gesellschaftsrecht. Anders als beim Sacheigentum kann noch nicht einmal aus dem ‚Wesen‘ des Eigentumsobjekts, aus seinem in der natürlichen Beschaffenheit liegenden Verfügungs- und Nutzungspotential, ein verfassungsrechtlich gesicherter Kern einer mitgliedschaftlichen Stellung in einer Gesellschaft abgeleitet werden.2 Selbst ein Versuch, überzeugende historische Muster zu belegen, bereitet erhebliche Schwierigkeiten, weil die wirtschaftliche Funktion und ihre juristische Ausformung beträchtlichen Wandlungen unterlegen sind.3 Inhalt und Schranken der Mitgliedschaft ergeben sich allein aus der Tätigkeit des einfachen Gesetzgebers.4 Wenigstens in einer Hinsicht sollte dies die weitere Untersuchung erleichtern: Für den Bereich des Verfassungsrechts ist allein das System des aktuell geltenden Gesellschaftsrechts ausschlaggebend. Wirtschaftlich Sinnvolles oder Wünschenswertes muss der Gesetzgeber und nicht das Verfassungsrecht umsetzen.5 Mülbert vertritt die Auffassung, dass der Aktionär nicht Eigentümer im Sinne des Art. 14 GG bezüglich der in der Gesellschaft gebundenen Vermögenswerte sei, sondern lediglich die Mitgliedschaft in der Gesellschaft als Vermögensposition erlangt.6 Hiervon unberührt soll allerdings der Entzug der Mit___________ 1

Ruffert, S. 104 ff. Schön, in: FS Ulmer S. 1359, 1363. 3 Schön, in: FS Ulmer S. 1359, 1365. 4 Mülbert/Leuschner, ZHR 170 (2006) 615, 635 ff. 5 Mülbert/Leuschner, ZHR 170 (2006) 615, 643 f. 6 Mülbert, in: GroßKomm-AktG, vor §§ 118-147 Rn. 188. 2

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D. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht

gliedschaft durch Mehrheitsbeschluss nur gegen volle Entschädigung verfassungsrechtlich zulässig sein.7 Demgegenüber hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung die Vorstellung vom Anteilseigentum entwickelt, nach der dem Aktionär eine von Art. 14 GG geschützte Berechtigung an den Bestandteilen des Gesellschaftsvermögens zukommt.8 Nach ständiger Rechtsprechung erfasst die Eigentumsgarantie das in der Aktie verkörperte Anteilseigentum:9 „Das Anteilseigentum ist ... gesellschaftsrechtlich vermitteltes Eigentum ...; der Eigner kann sein Eigentum regelmäßig nicht unmittelbar nutzen und die mit ihm verbundenen Verfügungsbefugnisse wahrnehmen, sondern er ist hinsichtlich der Nutzung auf den Vermögenswert beschränkt, während ihm Verfügungsbefugnisse – abgesehen von der Veräußerung oder Belastung – nur mittelbar über die Organe zustehen.“10

Es gilt zu klären, ob sich die so beschriebenen Grundrechtspositionen der Minderheitsaktionäre eignen, beim Kontrollwechsel verfassungsrechtlich einen Anspruch auf Entschädigung zu begründen. Insbesondere interessiert die Frage, ob die angemessene Gegenleistung mit der „wirtschaftlich vollen Entschädigung“ i. S. d. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei Unternehmensverträgen11 (§§ 291 ff., speziell §§ 304, 305 AktG), Eingliederung12 (§§ 320 ff., speziell § 320b AktG), Umwandlungen13 (§§ 4 ff. und 60 ff., speziell §§ 29, 30 Abs. 1 UmwG) oder „übertragenden Auflösungen“14 (§§ 179a, 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG) oder Formwandlungen (§§ 190 ff., speziell 207 UmwG) gleichgesetzt werden muss.15 In diesem Fall könnten die Grundsätze der Rechtsprechung zur vollen Entschädigung, so wie sie im FeldmühleUrteil16 entwickelt wurden, zur Bestimmung der angemessenen Gegenleistung

___________ 7

Mülbert, in: GroßKomm-AktG, vor §§ 118-147 Rn. 189. BVerfGE 14, 263, 276 f. - Feldmühle; BVerfGE 25, 371, 407 – Rheinstahl; BVerfGE 50, 290, 341 – Mitbestimmung; BVerfGE 100, 289, 301 f. – DAT/Altana; BVerfG ZIP 1999, 1789, 1799 – Wenger/Daimler-Benz; BVerfG ZIP 2000, 1670, 1671 – Moto Meter. 9 BVerfGE 100, 289, 301 f. – DAT/Altana und D. Fn. 8. 10 BVerfGE 50, 290, 342 – Mitbestimmung. 11 BVerfGE 100, 289, 304 f. – DAT/Altana = ZIP 1999, 1436, 1440. 12 BVerfGE 100, 289, 304 f. – DAT/Altana = ZIP 1999, 1436, 1440. 13 BVerfGE 14, 263 ff. – Feldmühle. 14 BVerfG ZIP 2000, 1670 – Moto Meter. 15 Vgl. auch M. Henze, S. 112 f., der dies für das Delisting ablehnt, weil er eine unterschiedliche Auslegung des Begriffs der Angemessenheit je nach Art und Qualität des Eingriffs in die Rechte der Aktionäre für unvereinbar mit dem Gesetz hält. 16 BVerfGE 14, 263, 283 f. – Feldmühle. 8

I. Eigentumsschutz zwischen Mehrheit und Minderheit in der Aktiengesellschaft 85

herangezogen werden.17 Dies käme in Betracht, wenn die Gegenleistung als Ausgleich für den Verlust einer durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtsposition anzubieten wäre.

I. Eigentumsschutz zwischen Mehrheit und Minderheit in der Aktiengesellschaft Auslösender Tatbestand für die Rechtsfolge in § 31 Abs. 1 Satz 1 WpÜG ist die Erlangung bzw. das Anstreben der Kontrolle über die Zielgesellschaft (§ 29 WpÜG). Es geht um den Ausgleich zwischen Aktionären der Zielgesellschaft bzw. zwischen zukünftigen Aktionären und derzeitigen Aktionären. Deren eigentumsrechtliche Positionen hinsichtlich des gesellschaftsrechtlich verfassten Unternehmens sind prinzipiell gleichrangig,18 da es sich letztlich um aktienrechtlich vermitteltes Miteigentum an der Zielgesellschaft handelt. Anders als bei Konflikten zwischen den Aktionären und den Gesellschaftsorganen, außenstehenden Dritten oder dem Staat lässt sich dieses Verhältnis nicht durch Abwägung zwischen Eigentum einerseits und Gemeinwohl- oder Drittinteressen andererseits verfassungsrechtlich zum Ausgleich bringen. Daher bringt das Bundesverfassungsgericht in diesen Fällen weder die strengen Gemeinwohlkriterien staatlicher Enteignungen noch die milderen Anforderungen an die Enteignungsentschädigung in Analogie zu Art. 14 Abs. 3 GG zur Anwendung.19 Damit wirft sich die Frage auf, ob sich der Minderheitsaktionär überhaupt auf eine durch Art. 14 Abs. 1 GG gesicherte Position im Verhältnis zu einem Mehrheitsaktionär berufen kann, in die durch die Erlangung bzw. das Anstreben der Kontrolle über die Zielgesellschaft eingegriffen wird.20 Das Mehrheits___________ 17 Die Frage der Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung stellt auch Hüffer, AktG, § 305 Rn. 24i. 18 Die prinzipielle Gleichrangigkeit besteht für das verfassungsrechtliche Eigentum im Sinne des Art. 14 GG. Eine Beschreibung des Eigentums im Sinne des § 903 BGB enthält diese Aussage nicht. 19 BVerfGE 14, 263, 277, 278, 284 – Feldmühle; BVerfGE 100, 289, 302 – DAT/Altana; BVerfG ZIP 2000, 1670, 1672 – Moto Meter; vgl. auch BVerfGE 31, 229, 243 – Schulbuchprivileg; BVerfGE 49, 382, 393 – Kirchenmusikprivileg; BVerfGE 52, 1, 39 – Kleingarten zu ähnlichen Konstellationen im Privatrecht. Zustimmend Schön, in: FS Ulmer S. 1359, 1384; Hüffer/Schmidt-Aßmann/Weber, S. 51. Ganz allgemein lehnen die Anwendung von Art. 14 Abs. 3 GG im Bereich des Privatrechts ab SchulzeOsterloh, NJW 1981, 2537, 2544; Ehlers, VVDStRL 51 (1992) 211, 233 Fn. 118; Schwabe, JZ 1983, 273, 275; Wendt, S. 334 f.; Sellmann, NVwZ 2003, 1417, 1418; Bryde, in: vMünch/Kunig, Art. 14 Rn. 65. 20 Hiervon streng zu unterscheiden ist die Frage nach dem Bestehen einer eigentumsrechtlich geschützten Position aufgrund der Regelung des § 31 Abs. 1 Satz 1 WpÜG, weil es sich hierbei um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung handelt.

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D. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht

prinzip jedenfalls ist immanente Vorgabe kollektiver Eigentumsnutzung.21 Dies regelt schon § 745 Abs. 1 BGB für das nicht gesamthänderisch verfasste Miteigentum nach §§ 741 ff., 1008 ff. BGB. Für das Aktienrecht stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass das in der Aktie verkörperte gesellschaftsrechtliche Eigentum in seinem Bestand gegen Beschlüsse der Mehrheit nicht unbedingt gesichert sei.22

1. Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG Es gibt für Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG im Gegensatz zu vielen anderen Grundrechten keinen originär verfassungsrechtlich definierten Schutzbereich. Erst wenn das einfache Recht die Qualität und das Ausmaß der Eigentümerschaft in Bezug auf konkrete Eigentumsgegenstände generell und konstitutiv festgelegt hat, kann der Individualschutz des Eigentums „greifen“.23 Mit anderen Worten liegt die Besonderheit dieses so genannten normgeprägten Grundrechts darin, dass es ohne einfachgesetzliche Ausgestaltung inhaltsleer bleibt. Art. 14 macht keine Vorgaben über den Inhalt des Eigentums, sondern setzt einen einfachgesetzlich bestimmten Inhalt als gegeben voraus.24 Nach der heute herrschenden Meinung liegt Art. 14 GG ein weiter, zumindest alle vermögenswerten Rechte des Privatrechts beinhaltender Eigentumsbegriff zugrunde: Eigentum umfasst zu einem bestimmten Zeitpunkt alles, was das einfache Recht, gleich ob Gesetzes- oder Richterrecht, zu diesem bestimmten Zeitpunkt als Eigentum definiert.25 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Eigentumsschutz nur gegenüber Beeinträchtigungen denkbar, die den Eigentümer in seiner sich aus dem Eigentum ergebenden Rechtsposition berühren. Wenn eine

___________ 21 Schön, in: FS Ulmer S. 1359, 1384; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 12 III 2; Webering, S. 79 ff.; Kalss, S. 386 ff. 22 BVerfGE 14, 263, 278 – Feldmühle. Ebenso Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 12 III 2. 23 Wendt, S. 157 f. und 289. 24 Der Einfluss, den die Verfassung auf den Inhalt der Eigentumspositionen ausübt, ist lediglich steuernder, nicht konstituierender, inhaltsverleihender Natur. Verfassungsrechtlichen Prinzipien kommt lediglich ein maßgeblicher Determinationswert bei der Ausgestaltung des Inhalts von Eigentumspositionen – nicht bei ihrer Schaffung – durch den Gesetzgeber zu. Vgl. aber auch Webering, S. 89 ff. zur Bindung des Gesetzgebers an die Institutsgarantie des Art. 14 GG bei der Schaffung von Eigentumspositionen. 25 BVerfGE 58, 300, 336 – Nassauskiesung.

I. Eigentumsschutz zwischen Mehrheit und Minderheit in der Aktiengesellschaft 87

Rechtsposition nicht betroffen sei, werde dem Eigentümer eigentumsrechtlich nichts „genommen“.26 Das verfassungsgeschützte Eigentum endet deshalb dort, wo es an einer Umschreibung konkreter Rechtspositionen durch das unterverfassungsrechtliche Recht fehlt.27 Die Eigentumsgarantie schützt nicht die bloße faktische Herrschaft, sondern die in einzelnen subjektiven Vermögensrechten Gestalt gewinnende rechtliche Herrschaft in Bezug auf Vermögensgegenstände. An dieser Sichtweise ändert sich auch nichts durch die Anerkennung des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs als Eigentumsposition.28 Unter Gewerbebetrieb wird in diesem Zusammenhang die Gesamtheit der sachlichen, persönlichen und sonstigen Mittel in allen ihren Erscheinungsformen und Ausstrahlungen verstanden, die in der Hand des Betriebsinhabers zu einem einheitlichen Organismus zusammengefasst sind.29 Problematisch ist an dieser Betrachtungsweise, dass dem Unternehmen als tatsächliche, nicht aber als rechtliche Zusammenfassung der zu seinem Vermögen gehörenden Sachen und Rechte, die an sich schon vor verfassungswidrigen Eingriffen geschützt sind, Eigentumsschutz gewährt wird.30 Allerdings muss bedacht werden, dass die Zivilgerichte in ständiger Rechtsprechung ein (Privat-)Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb anerkennen.31 Diese Rechtsprechung hat eine lange und ungebrochene Tradition, so dass hinreichende richterrechtliche Verfestigung als Voraussetzung für die Bildung von Richterrecht ohne Zweifel besteht.32 Als richterrechtlich entwickeltes privates Vermögensrecht fällt es aber – zumindest bei grundsätzlicher Anerkennung der Zulässigkeit der Schaffung ___________ 26

BGHZ 62, 96, 98 f.; 64, 382, 392 ff.; 66, 173, 176 ff.; 72, 211, 218; 72, 289, 292; 80, 360, 362 f.; 135, 192, 199 f. 27 Wendt, S. 37 ff.; vgl. auch Papier, in: Maunz/Dürig Art. 14 Rn. 35 ff. 28 BGHZ 23, 157, 162 f.; 67, 190, 192; 81, 21, 33; 92, 34, 37. 29 Papier, in: Maunz/Dürig Art. 14 Rn. 95. 30 BVerfGE 51, 193, 221 f. – Schlossberg. Das BVerfG hat die Frage des Eigentumsschutzes allerdings bisher eher offen gelassen: BVerfGE 66, 116, 145 – Springer/Wallraff; BVerfGE 68, 193, 222 f. – Zahntechniker-Innungen; BVerfGE 77, 84, 118 – Arbeitnehmerüberlassung; BVerfGE 81, 208, 228 – ausübender Künstler; BVerfGE 84, 212, 232 – Aussperrung; BVerfGE 96, 375, 397 – Kind als Schaden; BVerfGE 105, 252, 278 – Glykol. 31 RGZ 58, 24, 29 f.; 101, 335, 337; 102, 223, 225; 126, 93, 96; BGHZ 3, 270, 279; 8, 387, 394; 23, 157, 162; 24, 200; 29, 65; 34, 188; 36, 18, 23; 36, 252, 256; 40, 355, 364; 45, 150, 154; 45, 251, 255; 49, 231; 50, 73, 76; 55, 153; 59, 30, 34; 62, 29; 65, 325, 333; 66, 388, 393; 69, 1, 24; 70, 212, 217, 222; 71, 86, 90; 74, 9; 76, 387, 395; 78, 41, 44; 81, 21, 33; 86, 152, 156; 87, 321, 336; 92, 34, 49; 95, 28, 31; 98, 341, 351; 102, 350, 364; 107, 117, 122; 111, 349, 356; 132, 181, 186; 138, 311, 314; 156, 144, 153. 32 BGHZ 69, 128, 139: „Der richterrechtlich entwickelte Schutz des Gewerbebetriebs als ‚sonstiges Recht‘ im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB ist nicht zuletzt deshalb eingeführt worden ...“.

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D. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht

von Recht durch den Richter – unter den Schutz der Verfassung.33 Diese Eigentumsposition wurde vom Staat, der Judikative, auf der Ebene des einfachen Rechts geschaffen, anerkannt und inhaltlich bestimmt.

2. Gesetzgeberisches Unterlassen und Bestehen einer Schutzpflicht Wenn der Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts von dem jeweils geltenden einfachen Recht bestimmt wird, wird die ganz besondere Problematik des normgeprägten Grundrechts offenbar: Wie kann sich aus der Ausgestaltung und Anwendung des einfachen Rechts und speziell in diesem Fall des Aktienrechts ein Verfassungsverstoß ergeben? Für staatliche Akte existiert eine weitgehend gesicherte Dogmatik. Nach der modernen Definition umfasst ein Eingriff in ein Grundrecht jedes staatliche Handeln, das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, unmöglich macht, gleichgültig ob diese Wirkung final oder unbeabsichtigt, unmittelbar oder mittelbar, rechtlich oder tatsächlich (faktisch), mit oder ohne Befehl und Zwang erfolgt.34 Da Art. 14 GG keine Vorgaben über den Inhalt des Eigentums macht, sondern einen einfachgesetzlich bestimmten Inhalt als gegeben voraussetzt, können Änderungen des eigentumsrelevanten einfachen Rechts zugleich Inhalt und Schranke (den Schutzbereich der Eigentums) bestimmen und Eingriffe (in das Eigentum) darstellen.35 Eine aufgrund bereits geltender Gesetze bestehende Individualrechtsgarantie des Art. 14 GG wird dann zum zentralen Maßstab der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit bzw. Rechtfertigung eines späteren Eingriffs in diese Rechtsposition durch neue Gesetze. Im Falle des Erlasses von Gesetzen bedarf jedes spätere gesetzgeberische Handeln – anders als die anfängliche Inhaltsbestimmung – der Rechtfertigung vor der Individualrechtsgarantie des Eigentums. Das Bundesverfassungsgericht bringt diesen Zusammenhang zum Ausdruck, wenn es den Gesetzgeber an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bindet:36 Das Wohl der Allgemeinheit ist nicht nur Grund, sondern auch Grenze für die dem Eigentum aufzuerlegenden Belastungen. Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse dürfen nicht weitergehen, als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient. Der Kernbereich der Eigentumsgarantie darf dabei nicht ausgehöhlt werden. Zu ___________ 33

BGHZ 23, 157, 162; 40, 355, 364; 45, 83, 87; 45, 150, 154; 48, 65, 66; 49, 231, 236; 70, 212, 217, 222; 76, 387, 395; 78, 41, 44; 81, 21, 33; 98, 341, 351; 102, 350, 364; 111, 349, 356. 34 Pieroth/Schlink, Rn. 240. 35 Vgl. hierzu noch näher unten D. IV. 2. a). 36 St. Rspr. zuletzt BVerfGE 100, 226, 240 m. w. N. – Denkmalschutz; BVerfGE 102, 1, 15 – Altlasten; BVerfGE 104, 1, 8 f. – Baulandumlegung.

I. Eigentumsschutz zwischen Mehrheit und Minderheit in der Aktiengesellschaft 89

diesem gehört sowohl die Privatnützigkeit, also die Zuordnung des Eigentumsobjekts zu einem Rechtsträger, dem es als Grundlage privater Initiative von Nutzen sein soll, als auch die grundsätzliche Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand. Die Frage nach der Verletzung eines staatlichen Schutzgebots für den Minderheitsaktionär lässt sich mit dieser Dogmatik nicht beantworten, da es um die „Abwehr“ privaten Handelns geht. Die Definition eines Grundrechtseingriffs umfasst nur Akte, deren Wirkung von einem ursächlichen und zurechenbaren Verhalten der öffentlichen Gewalt ausgeht.37 Eine Schutzpflicht des Staates zugunsten der Minderheit besteht dagegen, wenn die tatsächliche Funktionsfähigkeit eines tatbestandlich einschlägigen Grundrechts durch tatsächliche Beeinträchtigungen anderer Privatrechtssubjekte nicht mehr gewährleistet ist.38 Nur dann muss der Minderheitsaktionär verfassungsrechtlich vor dem Mehrheitsaktionär geschützt werden. Das Unterlassen dieses gebotenen Schutzes stellt eine Grundrechtsverletzung dar. Um die Reichweite des Eigentumsschutzes zwischen Mehrheit und Minderheit zu ermitteln, muss also anhand des einfachen Rechts der Schutzbereich der Eigentumsgrundrechts definiert, sodann daraus auf die Reichweite der staatlichen Schutzpflicht geschlossen und gegebenenfalls ein gesetzgeberisches Unterlassen festgestellt werden. Wenn allerdings das im Aktienrecht angelegte Mehrheitsprinzip bereits zum Inhalt des Aktieneigentums gehörte, gäbe es keinen verfassungsrechtlich garantierten Schutz vor einer Kontrolle der Aktiengesellschaft durch die Mehrheit. Die tatsächlichen Möglichkeiten, Kontrolle auch über das aktienrechtlich vermittelte Eigentum der Minderheit auszuüben, wären schon vom Tatbestand der Minderheitseigentumsposition nicht erfasst. Die Schaffung des 4. Abschnitts des WpÜG zu Übernahmeangeboten könnte, wenn überhaupt, nur eine gesetzliche Neudefinition des Eigentums an einer Aktiengesellschaft darstellen, ohne dass hierzu eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit bestand. Die bisherige Rechtsprechung zum Eigentum soll daher anhand ihrer Aussagen zur Reichweite der Eigentumsgarantie, insbesondere zum Schutzbereich und zu den Schutzgebote des Art. 14 GG, daraufhin untersucht werden, ob die Regelungen zu Übernahmeangeboten ein bisheriges gesetzgeberisches Unterlassens aufarbeiten.

___________ 37 38

BVerfGE 66, 39, 60 – Nachrüstung. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 75.

90

D. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht

II. Feldmühle-Urteil Das Bundesverfassungsgericht hatte in der Feldmühle-Entscheidung die Zulässigkeit einer so genannten Mehrheitsumwandlung zu beurteilen: Das damalige, inzwischen vollständig novellierte und in diesem Punkt geänderte Umwandlungsgesetz von 1956 erlaubte dem mit mehr als drei Viertel des Grundkapitals beteiligten Hauptaktionär, durch Hauptversammlungsbeschluss das gesamte Vermögen der Kapitalgesellschaft auf sich zu übertragen – mit der Folge, dass alle Minderheitsaktionäre gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung ausscheiden mussten. Auf eine Zustimmung oder einen Widerspruch der betroffenen Minderheitsaktionäre kam es nicht an.

1. Schutzbereich In seinem Urteil vom 7.8.196239 hat das Bundesverfassungsgericht erstmals das „mittelbare“ Eigentum des Aktionärs an den gesellschaftsrechtlich gebundenen Vermögensgütern unter den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG gestellt: Die Aktie gewähre dem Aktionär neben den Mitgliedschaftsrechten vermögensrechtliche Ansprüche auf Gewinnbeteiligung, gegebenenfalls auf Bezug junger Aktien und auf die Abwicklungsquote; sie sei insofern gesellschaftsrechtlich vermitteltes Eigentum.40 Die wichtigsten Mitgliedschaftsrechte41 des Aktionärs sind in § 118 Abs. 1 AktG (Recht zur Teilnahme an der Hauptversammlung), in § 131 AktG (Auskunftsrecht) und in § 134 AktG (Stimmrecht) einfachgesetzlich normiert, die vermögensrechtlichen Ansprüche auf Gewinnbeteiligung in § 60 Abs. 1 AktG, Bezugsrechte in § 186 Abs. 1 Satz 1 AktG und die Abwicklungsquote in § 271 Abs. 1 und 2 AktG. Vorläufig lässt sich festhalten, dass sich das Bundesverfassungsgericht mit der Unterstellung des „mittelbaren“ Eigentums an den gesellschaftsrechtlich gebundenen Vermögensgütern im Rahmen der allgemeinen Definition des Schutzbereiches von Art. 14 Abs. 1 GG bewegt,42 weil es gerade die Rechtspositionen von Art. 14 Abs. 1 GG erfasst sieht, die einfachgesetzlich ausgestaltet sind.

___________ 39

BVerfGE 14, 263 – Feldmühle. BVerfGE 14, 263, 276 f. – Feldmühle. 41 Im Sinne der Terminologie dieser Entscheidung, vgl. dazu noch unten D. IV. 1. 42 Vgl. die Definition unter D. I. 1. 40

II. Feldmühle-Urteil

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2. Eingriff Für den Fall der übertragenden Umwandlung durch Mehrheitsbeschluss nach dem damals geltenden § 15 UmwG 195643 stellte das Gericht den Verlust dieser Rechtspositionen fest. Der ausscheidende Aktionär erhält einen Entschädigungsanspruch, während sein Anteil am Gesellschaftsvermögen dem Großaktionär zuwächst.44 Der Rechtsverlust beschränke sich nicht lediglich auf die Mitgliedschaftsrechte (Mitverwaltungsrechte), sondern erfasse auch alle vermögensrechtlichen Ansprüche. Diesen Eingriff in die Eigentumsposition des Minderheitsaktionärs macht das Verfassungsgericht aber nicht an dem jeweiligen Hauptversammlungsbeschluss fest; es überprüft vielmehr die Vereinbarkeit des § 15 UmwG 1956 mit Art. 14 Abs. 1 GG.45 Eingriffsakt und Gegenstand der Prüfung war die Umgestaltung von Privatrecht durch Gesetzesänderung, wobei die unmittelbare Bindung des Gesetzgebers an das Grundrecht aus Art. 14 GG als Maßstab diente.46, 47

3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Maßstab für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist nach dem Feldmühle-Urteil das Übermaßverbot.48 Dieses sieht das Gericht nicht als verletzt an, weil gewichtige Gründe des Allgemeinwohls vorlägen, nämlich die freie ___________ 43 Gesetz über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften vom 12. November 1956 (BGBl. I S. 844). 44 BVerfGE 14, 263, 278 – Feldmühle. 45 BVerfGE 14, 263, 277 f. – Feldmühle. 46 Stern, § 76 IV 3 a Į; vgl. oben C. III. 47 Canaris hingegen sieht auch in dem Umwandlungsbeschluss selbst einen Eingriff, der an den Prinzipien der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit zu messen sei (Canaris, AcP 184 (1984) 201, 220 f.). Er betrachtet eine Umwandlung als materielle Enteignung, die unmittelbar an Art. 14 GG zu messen ist. Weil Canaris den Umwandlungsbeschluss unmittelbar am Verfassungsrecht misst, tut sich hier ein Widerspruch zu der ansonsten von ihm vertretenen Dogmatik auf: Akte von Privaten können grundsätzlich nicht an Grundrechten gemessen werden, also auch kein Umwandlungsbeschluss, weil die Beschlussfassung eben nicht auf einem Akt staatlicher Delegation an die Mehrheit bei gleichzeitiger rechtlicher Duldungspflicht an die Minderheit beruht. Entsprechend der von Canaris selbst zu §§ 74 ff. HGB vertretenen Auffassung (Canaris, AcP 184 (1984) 201, 228 f.) und der Vorgehensweise des Verfassungsgerichts beschränkt sich die Prüfung also darauf, ob die vom Gesetzgeber erlassene Vorschrift hinter den verfassungsrechtlichen Anforderungen zurückbleibt. 48 Vgl. oben C. III.

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D. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht

Entfaltung der unternehmerischen Initiative im Konzern.49 Als weitere Voraussetzung der Einhaltung der Verhältnismäßigkeit nennt das Gericht die Wahrung der berechtigten Interessen der zum Ausscheiden gezwungenen Minderheit. Dazu gehöre vornehmlich die wirtschaftlich volle Entschädigung für den Verlust der Rechtsposition.50 Darauf, dass die Entziehung des Aktieneigentums durch öffentliche oder legitime Interessen der Gesellschaft auch in Einzelfall geboten ist, komme es demnach nicht an, weil der Gesetzgeber den Schutz des Eigentums der Minderheitsaktionäre gegenüber der freien unternehmerischen Initiative im Konzern zurücktreten lassen dürfe.51 § 12 UmwG 195652, dessen entsprechende Anwendung § 15 UmwG 1956 anordnete, gab den ausscheidenden Aktionären einen Anspruch auf „angemessene“ Abfindung. Das Gericht hält nur eine Auslegung dieser Norm für mit Art. 14 GG vereinbar, die Zahlung dessen vorschreibt, was die gesellschaftliche Beteiligung des ausscheidenden Aktionärs am arbeitenden Unternehmen wert ist.53 Eine geringere als die volle Entschädigung etwa unter Abwägung zwischen den Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten entsprechend Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG scheide aus, weil jeder Grund für eine solche Abwägung zwischen gleichstehenden Aktionären fehle. Dies gelte umso mehr, als der den Entschädigungsanspruch begründende Sachverhalt im eigenen Interesse des Großaktionärs liege und von ihm herbeigeführt werde.

4. Schutzgebot Weil die Schutzpflicht des Staates neben dem Eingriffsverbot als selbständiger Aspekt desselben Grundrechts steht, deren Inhalt sich eigenständig aus den grundrechtlich geschützten Rechtsgütern erschließt,54 bleibt fraglich, ob das Gericht in seiner Entscheidung auch Aussagen zur Reichweite eines verfassungsrechtlichen Schutzgebots machte.55 Die Prüfung des Gerichts befasste sich mit der Verfassungsmäßigkeit des § 15 UmwG 1956, insbesondere mit der von dieser Vorschrift vorgenommenen Umgestaltung des Aktieneigentums. Der in Rede stehende Eingriff in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG betrifft aber aus___________ 49

BVerfGE 14, 263, 282 f. – Feldmühle. BVerfGE 14, 263, 283 – Feldmühle. 51 BVerfGE 14, 263, 279 ff., 282 – Feldmühle. 52 Gesetz über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften vom 12. November 1956 (BGBl. I S. 844). 53 BVerfGE 14, 263, 284 – Feldmühle. 54 Stern, § 69 IV 5 c. 55 Vgl. auch Webering, S. 41 ff. 50

III. Mitbestimmungsurteile

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schließlich Personen, die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Vorschrift Aktieneigentümer waren.56 Aus der Besonderheit, dass das Privatrecht zugleich Inhalts- und Schrankenbestimmung des Art. 14 GG ist, ergibt sich für später begründete Eigentumspositionen von vorneherein, dass sie nur in den Grenzen des § 15 UmwG 1956 begründet wurden. Das damalige Gesetz verlangte auch für den Entzug einer bereits solchermaßen begrenzten, zeitlich nach dessen InKraft-Treten begründeten Eigentumsposition eine angemessene Entschädigung. Da das Verfassungsgericht auch für den Entzug dieser Rechtsposition Auslegungsvorgaben machte, liegt der Schluss nahe, dass es in der vollen wirtschaftlichen Entschädigung des ausscheidenden Aktionärs einen verfassungsrechtlich gebotenen Mindestschutz sah.57 Eine Beschränkung dieser Auslegungsanforderung auf unmittelbar beim In-Kraft-Treten bestehende Eigentumspositionen nahm das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung jedenfalls nicht vor,58 worauf zurückzukommen sein wird.59

III. Mitbestimmungsurteile Da der die Rechtsfolge des § 31 WpÜG auslösende Tatbestand des § 29 WpÜG in der Kontrollerlangung bzw. im Anstreben der Kontrolle liegt, lohnt ein Blick auf die Urteile des Bundesverfassungsgerichts zur Mitbestimmung vom 7.5.196960 und 1.3.197961. In dem zeitlich früheren Rheinstahl-Urteil von 1969 spielten die Fragen der Binnenstruktur der Gesellschaft zunächst nur eine Nebenrolle. In der nachfolgenden Entscheidung hatte das Gericht über das Mitbestimmungsgesetz vom 4.5.1976 zu entscheiden. Das Mitbestimmungsgesetz erfasste62 nach § 1 MitbestG Unternehmen, die in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien, Gesellschaft mit beschränkter Haftung, bergrechtlichen Gewerkschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit oder Erwerbsgenossenschaft und Wirtschaftsgenossenschaft betrieben wurden und in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigten. Nach § 7 ___________ 56

43. 57

Eine vergleichbare Differenzierung findet sich bei Kammergericht DB 2005, 41,

Ähnlich Webering, S. 43 f. BVerfGE 14, 263, 284 – Feldmühle. 59 Unten D. IV. 2. 60 BVerfGE 25, 371 – Rheinstahl. 61 BVerfGE 50, 290 – Mitbestimmung. 62 Durch Artikel 1 des Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat vom 23. März 2002 (BGBl. I S.1130) wurden zwischenzeitlich die bergrechtlichen Gewerkschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit aus dem Anwendungsbereich herausgenommen. 58

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D. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht

MitbestG setzte sich der – gegebenenfalls nach § 6 noch zu bildende – Aufsichtsrat der erfassten Unternehmen je zur Hälfte aus Mitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer zusammen. Dabei wurden63 als Anteilseigner je nach der Rechtsform des Unternehmens die Aktionäre, Gesellschafter, Gewerken oder Genossen verstanden (§ 2). Arbeitnehmer im Sinne des Mitbestimmungsgesetzes waren64 Arbeiter und Angestellte mit Ausnahme bestimmter, in § 5 Abs. 2 BetrVG genannter Personen. Die Einführung der Mitbestimmung hat also vergleichbar mit einem Mehrheitserwerb die Stimmverhältnisse in gesellschaftsrechtlichen Kontrollorganen verschoben – in diesem Fall zugunsten der Arbeitnehmer. Besonders charakteristisch für diese Konstellation ist, dass der Zuwachs an Kontrollmöglichkeit auf Seiten der Arbeitnehmer völlig ohne eigenen (zusätzlichen) Kapitaleinsatz erfolgt.

1. Schutzbereich In beiden Urteilen geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass das Mitgliedschaftsrecht bezogen auf die jeweils betroffene Gesellschaftsform durch die gesetzliche Regelung eine Einschränkung erfährt.65 Es geht dabei vom bereits im Feldmühle-Urteil gefundenen Grundverständnis vom „mittelbaren“ Eigentum des Aktionärs an den gesellschaftsrechtlich gebundenen Vermögensgütern aus und wendet dieses auf alle vom Mitbestimmungsgesetz erfassten Gesellschaftsformen an.66 Das Anteilseigentum sei sowohl Mitgliedschaftsrecht als auch Vermögensrecht.67 Der Anteilsinhaber könne hinsichtlich der gesellschaftsrechtlich gebundenen Vermögensgüter sein Eigentum nicht unmittelbar nutzen und die mit ihm verbundenen Verfügungsbefugnisse wahrnehmen, sondern er sei hinsichtlich der Nutzung auf den Vermögenswert beschränkt. Verfügungsbefugnisse stünden ihm – abgesehen von der Veräußerung oder Belastung seines Anteils – nur mittelbar über die Organe der Gesellschaft zu.68 Die Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes wirkten sich in erster Linie auf die mittelbaren Verfügungsbefugnisse der Anteilseigner aus und allenfalls in zweiter Linie auf den Vermögenswert des Anteilsrechts. Die ___________ 63

D. Fn. 62. Der Arbeitnehmerbegriff ist zwischenzeitlich durch Artikel 12 des Gesetzes zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes vom 23. Juli 2001 (BGBl. I S.1852) geändert worden. 65 BVerfGE 25, 371, 407 – Rheinstahl; BVerfGE 50, 290, 344 und 349 – Mitbestimmung. 66 BVerfGE 25, 371, 407 – Rheinstahl; BVerfGE 50, 290, 342 – Mitbestimmung. 67 BVerfGE 14, 263, 278 – Feldmühle; BVerfGE 50, 290, 342 – Mitbestimmung. 68 BVerfGE 50, 290, 342 – Mitbestimmung. 64

III. Mitbestimmungsurteile

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§§ 769, 2770, 2971 und 3172 MitbestG, in denen die Organzusammensetzung und -beschlussfassung geregelt sind, beträfen sogar ausschließlich die mitgliedschaftlichen Verfügungsbefugnisse.73 Zur tatsächlichen Tragweite der Befugnisse der Anteilseigner und damit zum Schutzbereich von Art. 14 GG macht das Gericht insgesamt nur allgemeine und einzelne beispielhafte, nicht systematische Ausführungen.74

2. Funktion des Kapitalmarktes als Schutzgut des Art. 14 GG Die Funktion(-sfähigkeit) des Kapitalmarktes als Einrichtung unserer Wirtschaftsordnung fällt nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts nicht in den Schutzbereich des Art. 14 GG. Zwar beinhalten die Grundrechte ___________ 69 Nach § 7 MitbestG setzt sich der – gegebenenfalls nach § 6 MitbestG noch zu bildende – Aufsichtsrat der erfassten Unternehmen je zur Hälfte aus Mitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer zusammen. Dabei werden als Anteilseigner je nach der Rechtsform des Unternehmens die Aktionäre, Gesellschafter, Gewerken oder Genossen verstanden (§ 2 MitbestG). 70 Der Vorsitzende des Aufsichtsrats wird nach § 27 MitbestG aus der Mitte des Aufsichtsrats mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder gewählt. Gleiches gilt für den Stellvertreter des Vorsitzenden. Wird diese Mehrheit im ersten Wahlgang nicht erreicht, wählen in einem zweiten Wahlgang die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner den Aufsichtsratsvorsitzenden und die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer den Stellvertreter jeweils mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. 71 Beschlüsse des Aufsichtsrats bedürfen nach § 29 Abs. 1 MitbestG im Regelfall der Mehrheit der abgegebenen Stimmen; ergibt sich bei einer Abstimmung Stimmengleichheit, hat bei einer erneuten Abstimmung über denselben Gegenstand – wenn auch sie Stimmengleichheit ergibt – gemäß § 29 Abs. 2 MitbestG der Aufsichtsratsvorsitzende zwei Stimmen. 72 Für das Verfahren der Bestellung und Abberufung des zur Vertretung befugten Organs der erfassten Unternehmen (mit Ausnahme der Kommanditgesellschaft auf Aktien), das sich grundsätzlich nach den §§ 84 und 85 AktG bestimmt, enthält § 31 MitbestG eine Sonderregelung: Zur Bestellung oder Abberufung bedarf es einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der Mitglieder des Aufsichtsrats. Kommt diese Mehrheit nicht zustande, hat ein Ausschuss innerhalb eines Monats einen Vorschlag für die Bestellung zu machen; dieser Vorschlag schließt andere nicht aus. Dem Ausschuss gehören nach § 27 Abs. 3 MitbestG der Aufsichtsratsvorsitzende, sein Stellvertreter sowie je ein von den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer und der Anteilseigner mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gewähltes Mitglied an. Liegt der Vorschlag des Ausschusses vor oder sind seine Bemühungen ohne Ergebnis geblieben, genügt für die Bestellung oder Abberufung der Mitglieder des Vertretungsorgans die Mehrheit der Stimmen der Aufsichtsratsmitglieder. Kommt auch in diesem zweiten Wahlgang die erforderliche Mehrheit nicht zustande, hat der Aufsichtsratsvorsitzende, nicht sein Stellvertreter, bei der erneuten Abstimmung zwei Stimmen. 73 BVerfGE 50, 290, 349 – Mitbestimmung. 74 BVerfGE 50, 290, 342 f. – Mitbestimmung.

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D. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht

auch eine objektive Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gilt (sog. objektiv-rechtliche Funktion).75 Der objektiv-rechtlichen Funktion lässt sich jedoch keine unmittelbare Festlegung und Gewährleistung einer bestimmten Wirtschaftsordnung entnehmen.76 Die Ansammlung des zum Betrieb moderner Wirtschaftsunternehmen erforderlichen Kapitals, eine differenzierte privatrechtliche Organisation von Kapitalgesellschaften oder die Funktionsfähigkeit einer auf Dezentralisierung sowie Verteilung von Macht, Chancen, Risiko und Herrschaft beruhenden Wirtschaftsordnung genießen deshalb für sich genommen und losgelöst von den Freiheitsrechten einzelner Grundrechtsträger nicht den Schutz des Grundgesetzes. Bezogen auf den Anwendungsbereich des WpÜG lässt sich aus diesem Verständnis der objektivrechtlichen Funktion der Grundrechte ableiten, dass die Funktion(-sfähigkeit) des Kapitalmarktes als Institution keinen Eigentumsschutz genießt. Die Funktion des Kapitalmarktes ist vielmehr allenfalls dann als Eigentum geschützt, wenn und soweit dem einzelnen Aktionär hierdurch individuelle Freiheit zukommt. Denn der Einzelne soll durch das Eigentumsgrundrecht geschützt am Aufbau und an der Gestaltung der Wirtschaftsordnung eigenverantwortlich, autonom und mit privatnütziger Zielsetzung mitwirken können,77 ohne das diesem Freiheitsrecht bereits eine Vorfestlegung auf eine bestimmte Wirtschaftsordnung entnommen werden kann. Ausschlaggebend ist der Schutz des Anteilsrechts des Aktionärs, was einen individuellen Anspruch des Aktionärs auf einen funktionsfähigen Kapitalmarkt durchaus denkbar erscheinen lässt.78

3. Eingriff: Qualitative Veränderung und quantitative Beschränkung des Anteilseigentums In den Mitbestimmungsurteilen sieht das Bundesverfassungsgericht ebenso wie im Feldmühle-Urteil den möglichen Eingriff in der gesetzlichen Regelung und nicht in dem aufgrund der Regelung gefassten Aufsichtsratsbeschluss.79 Da es sich bei der Gesetzgebung zur Mitbestimmung um eine Sozialverpflichtung des Eigentums handelt, die mit Mitteln der Privatrechtsgesetzgebung umgesetzt wurde, musste hier in erster Linie die Abwehrfunktion des Art. 14 GG zum ___________ 75

BVerfGE 7, 198 – Lüth. BVerfGE 50, 290, 336 f. – Mitbestimmung. 77 BVerfGE 50, 290, 344 f. – Mitbestimmung. 78 Vgl. hierzu noch E. II. 79 Stern, § 76 IV 3 a Į; vgl. oben C. III. 76

III. Mitbestimmungsurteile

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Tragen kommen.80 Im Weiteren wendet sich das Gericht im zweiten Mitbestimmungsurteil aus dem Jahr 1979 der Frage zu, ob das Anteilseigentum Struktur- und Substanzveränderungen erfährt. Dabei unterscheidet es quantitative Beschränkungen und qualitative Veränderungen des Anteilsrechts. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang die später entwickelte Formel des Verfassungsgerichts von einem notwendigen Kernbereich des Eigentums, zu dem auch die grundsätzliche Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand gehört.81 Dies legt nahe, dass qualitative Veränderungen des Anteilsrechts, wie etwa durch die Wirkung der Eingliederung gemäß § 323 AktG, den vollständigen Entzug mittelbarer Verfügungsbefugnisse über die gesellschaftsrechtlich gebundenen Vermögensgegenstände bedeuten. Quantitative Beschränkungen liegen dann in der Änderung oder Umgestaltung dieser Verfügungsbefugnisse. Die Unterscheidung des Verfassungsgerichts in qualitative Veränderung und quantitative Beschränkungen des Anteilsrechts bleibt für den Eingriff in den Schutzbereiches von Art. 14 Abs. 1 GG im Ergebnis ohne Bedeutung, da beides grundrechtsrelevant ist. Das Gericht hat diese Unterscheidung verschiedener Eingriffsformen vielmehr dafür genutzt, unterschiedlich hohe Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung eines Eingriffs auf der einen oder anderen Stufe zu stellen.82 Diese Linie hat es in späteren Entscheidungen weiter verfolgt, indem es von dem Grundsatz abrückte, dass eine Inhaltsbestimmung im Unterschied zur Enteignung entschädigungslos zu sein habe: „Der Gesetzgeber muss danach die Umgestaltung oder Beseitigung eines Rechts zwar nicht durchweg mit einer Entschädigungs- oder Übergangsregelung abmildern. Die völlige, übergangs- und ersatzlose Beseitigung einer Rechtsposition kann jedoch nur unter besonderen Voraussetzungen in Betracht kommen.“83

Das Verfassungsgericht prüft zuerst, ob eine qualitative Veränderung des Anteilseigentums, d. h. ein Eingriff höherer Stufe, vorliegt. Es beginnt mit der Überlegung, dass die Mehrheit der Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat bei Zusammengehen einer Minderheit mit den Arbeitnehmervertretern überstimmt werden kann und dass bei einigen der erfassten Gesellschaftsformen die Bestellung und Abberufung der Mitglieder des Vertretungsorgans der Anteilseignerversammlung entzogen wird. Den hier allein interessierenden Fall des Überstimmens der Anteilseigner im Aufsichtsrat sieht es nicht als qualitative Veränderung des Anteilseigentums. Infolge seiner gesellschaftsrechtlichen Vermitt___________ 80

Stern, § 76 IV 6 d; Canaris, AcP 184 (1984) 201, 212 f. St. Rspr. BVerfGE 100, 226, 241 m. w. N. – Denkmalschutz. 82 BVerfGE 50, 290, 349 ff. – Mitbestimmung. 83 BVerfGE 83, 201, 213 – Bundesberggesetz. Die Pflicht zum Ausgleich sonst unverhältnismäßiger Inhalts- und Schrankenbestimmungen wurde erstmals in BVerfGE 58, 137, 150 ff. („Pflichtexemplare“) angesprochen. 81

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D. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht

lung gehöre es von vornherein nicht zu den Strukturmerkmalen des Anteilseigentums, dass es dem einzelnen Rechtsinhaber stets die autonome Durchsetzung seines Willens ermögliche. Verfügungsrechte könnten immer gegen den Willen in der Minderheit bleibender Anteilseigner durchgesetzt werden. Daran ändere sich im Prinzip nichts, wenn nach dem Mitbestimmungsgesetz zu der überstimmenden Mehrheit Nicht-Anteilseigner gehören können. Die „Fremdbestimmung“, die sich damit ergäbe, beträfe regelmäßig die mittelbaren Verfügungsbefugnisse der Anteilseigner. Vor allem setze sie voraus, dass auf der Seite der Arbeitnehmervertreter auch Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner stimmen. Da die Anteilseignerseite auf Grund der rechtlichen Regelungen im Mitbestimmungsgesetz stets das Übergewicht habe, könne allein in dem Umstand, dass sie dieses bei Zusammengehen einer Minderheit der Anteilseigner mit der Arbeitnehmerseite verlieren kann, keine rechtlich relevante Strukturoder Substanzveränderung des Anteilseigentums erblickt werden; dies um so weniger, als das Mitbestimmungsgesetz weder die Privatnützigkeit des Anteilseigentums beseitige noch das Zuordnungsverhältnis berühre.84 Eine quantitative Beschränkung des Anteilseigentums hält das Gericht für gegeben, allerdings sei der Eingriff in das Eigentumsrecht im Ergebnis gerechtfertigt. Das Gesetz führe zu einer weitgehenden Einschränkung der mitgliedschaftlichen Position der Anteilseigner: Das Gesellschaftsrecht verleihe der Gesamtheit der Anteilseigner mit dem Recht zur Wahl der Aufsichtsratsmitglieder eine Herrschaftsbefugnis von Gewicht. Diese Befugnis werde durch das Mitbestimmungsgesetz verringert, wenn auch nicht „halbiert“, weil die Anteilseigner in ihrer Gesamtheit den maßgeblichen Einfluss im Unternehmen behielten.85

4. Bedeutung für das WpÜG Dem zweiten Mitbestimmungs-Urteil lässt sich deutlich entnehmen, dass das Gericht in einer Kontrollerlangung oder einem Kontrollwechsel innerhalb einer Aktiengesellschaft keine qualitative Veränderung des Anteilseigentums, keinen Eingriff höherer Stufe, sieht: Das grundsätzliche Bestehen einer mittelbaren Verfügungsbefugnis des Minderheitsaktionärs über das Sacheigentum der Gesellschaft wird durch einen Kontrollwechsel nicht berührt. Aus richterlicher Sicht gehört es von vorne herein zu den Strukturmerkmalen des Anteilseigentums, dass der einzelne Aktionär nicht autonom seinen Willen durchsetzen kann. Mit anderen Worten hält das Gericht das Mehrheitsprinzip für ein ___________ 84 85

BVerfGE 50, 290, 345 f. – Mitbestimmung. BVerfGE 50, 290, 347 – Mitbestimmung.

III. Mitbestimmungsurteile

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Merkmal des Aktieneigentums. Anders als beim Sacheigentum, bei dem die Freiheit zum Eigentumsgebrauch, die Entscheidung über diesen und die Zurechnung der Wirkungen des Gebrauchs in der Person des Eigentümers zusammenfallen, ist diese Konnexität beim Anteilseigentum weitgehend gelöst.86 Ob hingegen eine quantitative Beschränkung des Anteilseigentums, ein Eingriff niederer Stufe, im Fall der Kontrollerlangung oder des Kontrollwechsels auf Grundlage dieser Rechtsprechung gegeben ist, bedarf genauerer Betrachtung. Denn das Bundesverfassungsgericht befasst sich im zweiten Mitbestimmungsurteil ausschließlich mit der Verfügungsbefugnis der Anteilsinhaber als Gesamtheit, ohne dass das Innenverhältnis der Anteilsinhaber oder die Vorgänge in einer Hauptversammlung entscheidungserheblich waren. Für entscheidend in der Mitbestimmungsfrage hielt das Gericht letztlich das Maß an Fremdbestimmung durch Nichtaktionäre – und zwar in Gegenüberstellung zur Gesamtheit der mit Vermögen engagierten Anteilseigner. Andererseits liegt das für das Verfassungsgericht entscheidende Kriterium in der Verminderung der Herrschaftsbefugnis der Anteilseigner, also der Änderung oder Beschränkung der Befugnisse, mittelbar über die gesellschaftsrechtlich gebundenen Vermögenswerte zu verfügen. Dies könnte auch für das Innenverhältnis der Aktionäre untereinander bedeuten, dass in einer Kontrollerlangung oder einem Kontrollwechsel eine Beschränkung der Befugnisse der Minderheitsaktionäre liegt.

a) Schutzbereich der Aktionärsstellung des Minderheitsaktionärs Um dieser Frage nachgehen zu können, muss zunächst der Schutzbereich des Art. 14 GG genauer definiert werden. In den Mitbestimmungsurteilen genügte noch eine recht allgemeine Beschreibung des Schutzbereichs,87 weil es um den Schutz der Gesamtheit der Anteilseigner vor Nichtanteilseignern ging. Im Gegensatz dazu muss für das Innenverhältnis der Aktionäre darauf abgestellt werden, wie die „mittelbare“ Verfügungsbefugnis in der hier allein zu untersuchenden Aktiengesellschaft im Einzelnen ausgeübt wird. Entsprechend der eingangs getroffenen Feststellung, dass Eigentum dasjenige umfasst, was das einfache Recht zu einem bestimmten Zeitpunkt als Eigentum definiert, ist hierfür vorrangig bestimmend das Aktiengesetz: Das Organisationsrecht der Aktiengesellschaft beruht auf einer strikten Trennung der Kompetenzen der drei notwendigen Gesellschaftsorgane, Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung. Das Aktiengesetz stellt in § 118 Abs. 1 AktG das Prinzip auf, dass die Aktionäre ihre Rechte in der Hauptversammlung durch Wahlen und Abstim___________ 86 87

BVerfGE 50, 290, 342 – Mitbestimmung. Vgl. soeben D. III. 1.

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D. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht

mungen ausüben.88 Die Kompetenzzuweisung an die Aktionäre ist in § 119 AktG festgelegt. Nach dessen Abs. 1 entscheidet die Hauptversammlung nur in den im Gesetz89 und in der Satzung ausdrücklich bestimmten Fällen.

b) Wahlen als mittelbare Verfügungsbefugnis Der zwingende Ausschluss der Hauptversammlung von fast allen Maßnahmen der Geschäftsführung in § 119 Abs. 2 AktG beschränkt die Einflussmöglichkeit der Anteilseigner auf gesellschaftsrechtlich gebundene Vermögenswerte. Die Hauptversammlung kann über Fragen der Geschäftsführung nur entscheiden, wenn der Vorstand dies verlangt.90 Die Leitung des Unternehmens91 liegt nach § 76 Abs. 1 AktG allein und eigenverantwortlich beim Vorstand; er nimmt die Unternehmerfunktion in der Aktiengesellschaft kraft eigener Verantwortung wahr; er bestimmt die Unternehmenspolitik, namentlich die grundlegenden Entscheidungen über Zielkonzeption, Organisation, Führungsgrundsätze, Geschäftspolitik (Finanzierung, Personalwesen, Verwaltung, Investitionen, Beschaffung, Entwicklung, Produktion und Vertrieb) und Besetzung der ihm unmittelbar nachgeordneten Führungsstellen.92 Auch die Satzung kann wegen der Schranke des § 23 Abs. 5 AktG93 diese Kompetenzverteilung nicht zu Gunsten der Hauptversammlung verschieben. Insbesondere kann die Bestellung der Vorstandsmitglieder nicht vom Aufsichtsrat auf die Hauptversamm___________ 88

BVerfG ZIP 1999, 1798, 1799 f. – Wenger/Daimler-Benz; Hüffer, AktG, § 118 Rn. 5. 89 Zu den einzelnen gesetzlichen Entscheidungskompetenzen vgl. Eckardt, in: Geßler/Hefermehl § 119 Rn. 8 f. 90 BVerfG ZIP 1999, 1798, 1799 f. – Wenger/Daimler-Benz; Diese Aussage ist jedoch für die im Übrigen umstrittenen Fälle nach der Holzmüller-Doktrin entsprechend BGHZ 83, 122 – Holzmüller und BGH NZG 2004, 575 – Gelatine I sowie BGH NZG 2004, 571 – Gelatine II einzuschränken (vgl. auch BVerfG ZIP 2000, 1670, 1671 – Moto Meter), welche jedoch als Umgehungsfälle gesetzlicher Kompetenzzuweisungen an die Hauptversammlung zu qualifizieren sind und deshalb gerade im Licht der GelatineEntscheidungen nichts am Regel-Ausnahme-Schema ändern. So auch Schön, in: FS Ulmer S. 1359, 1372. 91 Das Gesetz verwendet hier zwar den Begriff der Gesellschaft, gemeint ist jedoch das Unternehmen. Die Leitungsaufgabe des Vorstandes bezieht sich offensichtlich nicht auf den Verband der zusammengeschlossenen Aktionäre, sondern auf die soziale und wirtschaftliche Organisationseinheit. Mertens, in: KölnerKomm-AktG, § 76 Rn. 6. 92 Mertens, in: KölnerKomm-AktG, § 76 Rn. 4. 93 Die Satzung darf von den Vorschriften des Aktiengesetzes nur abweichen, wenn dies ausdrücklich zugelassen ist; ergänzende Bestimmungen sind nur zulässig, soweit das Gesetz keine abschließende Regelung enthält. Röhricht, in: Großkomm-AktG, § 23 Rn. 167 ff.

III. Mitbestimmungsurteile

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lung, die Anteilseigner, übergeleitet werden.94 Sie obliegt vielmehr nach § 84 AktG dem Aufsichtsrat, der den Vorstand auch abberuft und nach § 111 Abs. 1 AktG bei seiner Geschäftsführung überwacht. Zwecks Überwachung ist der Vorstand dem Aufsichtsrat gegenüber berichtspflichtig (§ 90 AktG) und es bestehen Einsichts- und Prüfungsrechte für Letzteren in § 111 Abs. 2 AktG. Der Aufsichtsrat wird seinerseits gemäß § 101 Abs. 1 Satz 1 AktG von der Hauptversammlung gewählt. Maßnahmen der Geschäftsführung können ihm nach § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG nicht übertragen werden. Zusammengefasst ergibt sich ein Bild einer „Aktionärsdemokratie“95, in der die Aktionäre keine unmittelbare Kontrollfunktion gegenüber der Geschäftsführung haben. Nach der zwingenden Organisationsverfassung können sie nur mittelbar Einfluss auf die Geschäfte der Gesellschaft nehmen.96 Diese Einflussnahme ist sogar zweistufig vermittelt, da der Aufsichtsrat zwischen Hauptversammlung und Vorstand geschaltet ist. Das Mitbestimmungsgesetz hat die Befugnisse der Aktionäre innerhalb der Hauptversammlung unberührt gelassen: Die Hauptversammlung wählt auch weiterhin die von ihr zu bestellenden Aufsichtsratsmitglieder (§ 101 Abs. 1 Satz 1 AktG) und zwar nach § 133 AktG wohl zwingend in Mehrheitswahl.97 Allein die Veränderung der Zusammensetzung des Aufsichtsrats durch Erweiterung um Arbeitnehmervertreter führt dazu, dass sich der Wille jedes Aktionärs, d. h. auch eines Mehrheitsaktionärs, nicht mehr in gleicher Weise wie zuvor bei der Bestellung, Abberufung und Überwachung des Vorstandes und den übrigen Aufgaben des Aufsichtsrats (z. B. §§ 111 Abs. 2, 112 AktG) auswirkt. Der Zählwert der Beteiligung des Aktionärs nach § 134 Abs. 1 Satz 1 AktG blieb zwar unverändert, nur das daraus resultierende Maß an Einflussnahme minderte sich. Wobei nicht ganz klar ist, auf welcher Stufe (Aufsichtsrat oder Vorstand) das Gericht die maßgebliche Veränderung verortet, weil sich die Entscheidung nicht allein mit der Gesellschaftsform der Aktiengesellschaft auseinanderzusetzen hatte. Es lässt sich jedoch aus der Formulierung, „[d]as Gesellschaftsrecht verleiht der Gesamtheit der Anteilseigner mit dem Recht zur Wahl der Aufsichtsratsmitglieder eine Herrschaftsbefugnis von Gewicht“, für die Aktiengesellschaft der Schluss ziehen, dass es bereits bei der Wahl des Aufsichtsrats zur Minderung der Einflussnahme kommt, indem der Aktionärs___________ 94

K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 IV 1 c. BVerfG ZIP 1999, 1798, 1800 – Wenger/Daimler-Benz; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 IV 1 a. 96 BVerfG ZIP 1999, 1798, 1800 – Wenger/Daimler-Benz. 97 Geßler, in: Geßler/Hefermehl § 101 Rn. 29 f.; Mertens, in: KölnerKomm-AktG, § 101 Rn. 14; Meyer-Landruth, in: Großkomm-AktG § 101 Rn. 4; a. A. Hüffer, AktG, § 133 Rn. 33; Zöllner, in: KölnerKomm-AktG, 1. Aufl., § 133 Rn. 94. 95

102

D. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht

wille verhältnismäßig weniger Aufsichtsratsmitglieder bestellt und somit weniger repräsentiert wird.

c) Abstimmungen als mittelbare Verfügungsbefugnis Daneben übt die Hauptversammlung Einfluss auf die Verfügung über das gesellschaftsrechtlich gebundene Sacheigentum durch Abstimmungen aus, die zu Hauptversammlungsbeschlüssen führen. Als ganz wesentliche Beschlussgegenstände seien hier nur die Satzungsänderung (§ 179 AktG), die Gewinnverwendung (§ 174 AktG) und die Übertragung des Gesellschaftsvermögens im Ganzen (§ 179a AktG) genannt.98 Hierzu äußert sich das Gericht in seiner Entscheidung nicht. Zwar bestehen gerade über die Satzungsänderung erhebliche Möglichkeiten, auf die Verwendung des Gesellschaftsvermögens Einfluss zu nehmen, etwa Änderungen des Unternehmensgegenstandes nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG oder Beschränkungen des Vorstandes nach § 82 Abs. 2 AktG, jedoch hat das Mitbestimmungsgesetz hier keine Änderungen eingeführt.

d) Fazit Für das Innenverhältnis zwischen den Aktionären gilt, dass durch eine Kontrollerlangung oder einen Kontrollwechsel die gesetzlichen Regelungen über Wahlen und Abstimmungen nach dem AktG, die als einfache Gesetze den Schutzbereich des Eigentums definieren, unberührt bleiben. Damit verändert die Kontrolle durch einen Mehrheitsaktionär die mittelbare Verfügungsbefugnis über das Sacheigentum rechtlich nicht. Das staatliche Schutzgebot wird jedoch auch gegenüber faktischen Grundrechtsbeeinträchtigungen wirksam. Eine durch die Mehrheit eines Großaktionärs geminderte Verfügungsbefugnis könnte deshalb in den Bereich des Schutzgebots fallen, wenn sie sich allein aus den jeweiligen Abstimmungsergebnissen tatsächlich ergibt. Hierfür spricht zunächst die Gesetzesbegründung: Die Kontrollschwelle wurde bei 30 Prozent der Stimmrechte festgelegt, da die Präsenzen in den Hauptversammlungen börsennotierter deutscher Unternehmen für diese Stimmrechtsanzahl in den meisten Fällen eine Hauptversammlungsmehrheit ergeben.99 Damit nehmen 30 Prozent der Stimmrechte faktisch den Minderheitsaktionären jeglichen Einfluss auf den Ausgang von Abstimmun___________ 98 Zu den weiteren gesetzlichen Entscheidungskompetenzen vgl. Eckardt, in: Geßler/Hefermehl § 119 Rn. 8 f. 99 BT-Drucks. 14/7034 S. 53 linke Spalte.

III. Mitbestimmungsurteile

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gen. Da es aber nach der zutreffenden Ansicht des Gerichts von vorneherein nicht zu den Strukturmerkmalen des Anteilseigentums gehört, dass der einzelne Rechtsinhaber autonom seinen Willen durchsetzen kann,100 erstreckt sich der Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG lediglich auf Fremdbestimmung durch Nicht-Aktionäre. Eine Fremdbestimmung durch Überstimmung ist der Gesellschaft wesensimmanent. Die gesamte Verfassung der Aktiengesellschaft ist darauf ausgelegt, dass durch Wahlen und Abstimmungen ein einheitlicher und damit durchführbarer „Gesellschaftswille“ gebildet wird. Der Einzelaktionär ist daher unter keinem Aspekt in seiner mitgliedschaftlichen Eigentumsposition betroffen, wenn er lediglich überstimmt wird. Das Mehrheitsprinzip ist formgebend für die mitgliedschaftliche Stellung und kann daher keinen in sie eingreifenden Charakter besitzen.101 Damit ist noch keine Aussage darüber getroffen, ob Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG dem Minderheitsaktionär in vermögensrechtlicher Hinsicht Schutz vor Überstimmung – insbesondere in Fällen der Gewährung von Sondervorteilen – bietet. Der Teil des Schutzbereichs, den die (mitgliedschaftlichen) Vermögensrechte des Anteilseigentums ausmachen, bleibt in dieser Entscheidung vage und wird von Bundesverfassungsgericht erst im DAT/Altana-Beschluss näher behandelt.102 Die Angemessenheit der Gegenleistung wird aus einem weiteren Grund nicht durch ein Schutzgebot aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zur Abwehr von Überstimmung bestimmt: Für den Kontrollwechsel, bei dem Stimmrechte von mehr als 30 Prozent als Paket den Inhaber wechseln, ist eine Minderung der mittelbaren Verfügungsbefugnis über das Sacheigentum jedenfalls im Tatsächlichen untypisch, denn der Minderheitsaktionär ist durch diese Transaktion nicht in dem Erfolgswert seines Stimmrechts betroffen.103 Die Relevanz dieser Feststellung ist allerdings abhängig von der überwiegend mit Ja beantworteten

___________ 100

Webering, S. 34 f., 80 ff.; Hüffer/Schmidt-Aßmann/Weber, S. 49. Webering, S. 35, 80. 102 BVerfGE 50, 290, 347 – Mitbestimmung. Vgl. dazu auch sogleich D. IV. 1. 103 Zwar sind Fälle denkbar, in denen es tatsächlich zu einer Minderung kommt, weil der bisherige Inhaber der Kontrollmehrheit diese Kontrolle nicht ausgeübt hat, jedoch kann diese Betrachtung für die Auslegung des § 31 WpÜG nicht entscheidend sein. § 29 WpÜG setzt nämlich in Gegensatz zu § 17 AktG eine schematische Schwelle (in der juristischen Ausformung als unwiderlegbare Vermutung: Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler § 29 Rn. 17), ab der Kontrolle anzunehmen ist. Da das WpÜG insoweit die tatsächlichen Verhältnisse nicht berücksichtigt, besitzen diese auch keine Relevanz für die Frage, ob die angemessene Gegenleistung allgemein Ausgleich für einen Verlust einer Eigentumsposition darstellt. 101

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D. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht

Frage, ob der Fall des Austausches des Mehrheitsaktionärs zum Anwendungsbereich der §§ 29 ff. WpÜG gehört.104 Keine Schlussfolgerung lässt sich allerdings aus dem Umstand ziehen, dass die Verpflichtung zum Angebot einer angemessenen Gegenleistung auch gegenüber Inhabern stimmrechtsloser Vorzugsaktien besteht (§§ 31 Abs. 1 WpÜG, §§ 11 Satz 2, 139 ff. AktG, § 3 Satz 3 AngebotsVO). Hierin könnte eine Übererfüllung des verfassungsrechtlichen Schutzgebots liegen, indem der Kreis der durch die Regelung Begünstigten über das erforderliche Maß hinaus ausgeweitet wurde. Dafür spräche zumindest, dass das WpÜG in § 31 und in §§ 3 ff. AngebotsVO eine nach Gattungen getrennte und voneinander unabhängige Bestimmung der Preisuntergrenze vornimmt.105 Ginge es sowohl bei Stamm- als auch bei Vorzugsaktien gleichermaßen um Ausgleich von Eigentumspositionen, müsste sich wegen der für beide Aktiengattungen bestehenden Beteiligung am Grundkapital eigentlich eine gewisse Verhältnismäßigkeit der Preisuntergrenzen ergeben.106

IV. DAT/Altana-Beschluss Mit dieser Entscheidung vom 27. 4. 1999 hat das Bundesverfassungsgericht neue Vorgaben für die Bestimmung von Abfindung und Ausgleich bei Unternehmensverträgen und bei der Eingliederung gemacht. Es hat entschieden, dass es mit Art. 14 Abs. 1 GG unvereinbar sei, bei der Bestimmung der Abfindung oder des Ausgleichs für außenstehende oder ausgeschiedene Aktionäre nach §§ 304, 305, 320b AktG den Börsenkurs der Aktien außer Betracht zu lassen. Vielmehr dürfe die Abfindung grundsätzlich nicht unter dem Börsenkurs der Aktie liegen.

___________ 104 Aus ökonomischen Überlegungen heraus dafür Houben, WM 2000, 1873, 1877 f.; wegen möglicher Interessenkonflikte mit dem neuen Mehrheitsgesellschafter dafür Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler § 29 Rn. 8; Hommelhoff, in: FS Semler S. 455, 460 f.; Habersack, in: Emmerich/Habersack Vor § 311 Rn. 25; Kleindiek, ZGR 2002, 546, 558; dagegen Wymeersch, ZGR 2002, 520, 543; differenzierend nach Konzernsachverhalt Noack, in: Schwark § 35 Rn. 8 ff. 105 Habersack, ZIP 2003, 1123, 1127 ff.; a. A. Körner, S. 213 ff. 106 Vgl. auch Körner, S. 101 ff., 133.

IV. DAT/Altana-Beschluss

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1. Schutzbereich Das Verfassungsgericht definiert im DAT/Altana-Beschluss107 als Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG das in der Aktie verkörperte Anteilseigentum, welches im Rahmen seiner gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung durch Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis gekennzeichnet sei.108 Der Schutz erstrecke sich auf die mitgliedschaftliche Stellung in einer Aktiengesellschaft, die das Aktieneigentum vermittle. Aus der mitgliedschaftlichen Stellung erwüchsen dem Aktionär im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Gesellschaftssatzung sowohl Leitungsbefugnisse als auch vermögensrechtliche Ansprüche. Die Leitungsbefugnis beruhe darauf, dass das Aktienrecht die Aktionärsversammlung als zentrales Organ der Gesellschaft vorsehe. Die vermögensrechtliche Stellung sei in dem gesetzlichen Anspruch auf den Bilanzgewinn, soweit er zur Verteilung komme, in dem Recht zum Bezug neuer Aktien bei Kapitalerhöhungen sowie dem Recht auf Teilnahme an dem Liquidationserlös begründet. Die Bedeutung der Entscheidung liegt darin, dass sich das Verfassungsgericht erstmals mit der vermögensrechtlichen Seite der mitgliedschaftlichen Stellung, so wie sie in der Aktie verkörpert ist, zu befassen hatte. Für die hier zu untersuchenden Ausgleichs- und Abfindungsansprüche beim Unternehmensvertrag oder bei der Eingliederung gilt dies uneingeschränkt, weil bereits abgespaltene Ansprüche (Dividendenzahlungsansprüche etc.) nicht ausgeglichen bzw. abgefunden werden. Die folgenden Überlegungen werden allerdings aufzeigen, dass das Bundesverfassungsgericht die vermögensrechtliche Seite der mitgliedschaftlichen Stellung bisher zu weit gefasst hat. Zum einen beschränkt das Abspaltungsverbot das mitgliedschaftliche Vermögensrecht auf den ideellen Anteil an der juristischen Person, da alle sonstigen Vermögensrechte von der mitgliedschaftlichen Stellung des Aktionärs trennbar sind. Zum anderen existiert eine strikte Trennung der Vermögenssphären des Verbandes und seiner Mitglieder im Aktienrecht. Diese spezielle Ausformung des Eigentumsgrundrechts durch das einfache Recht schließt einen verfassungsrechtlichen Schutz einer Zuweisung des Verbandsvermögens an das Mitglied aus.

___________ 107 108

BVerfGE 100, 289, 301 f. – DAT/Altana. BVerfGE 100, 289 ff. – DAT/Altana.

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a) Terminologie zur Beschreibung des Schutzbereichs Die soeben dargestellte Definition des Gerichts beinhaltet zumindest eine veränderte Terminologie gegenüber seiner bisherigen Rechtsprechung: Bisher unterschied es zwischen Mitgliedschaftsrechten und Vermögensrechten,109 während es nun mitgliedschaftliche Herrschaftsrechte und mitgliedschaftliche Vermögensrechte110 als Bestandteile des Aktieneigentums definiert. Die Terminologie ist dabei nicht einheitlich, sondern in diesem Zusammenhang werden auch „vermögensrechtliche Ansprüche“ und „vermögensrechtliche Stellung“ gebraucht.111 Es ist allgemein unstreitig, dass die Mitgliedschaftsrechte ein mitverwaltungsrechtliches und ein vermögensrechtliches Element aufweisen112 bzw. eine personen- und eine vermögensrechtliche Seite113. Der Klarheit halber soll daher hier einheitlich zwischen Verwaltungsrechten und Vermögensrechten unterschieden werden.114

b) Einheitlichkeit des Schutzbereichs und Abspaltungsverbot Fraglich ist, ob mit der veränderten Terminologie auch inhaltlich eine neue Sichtweise einhergeht. In den bisher besprochenen drei Urteilen hatte das Gericht den vollständigen Verlust der gesamten Mitgliedschaft und eine Beeinträchtigung der mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechte zu beurteilen; der Gewinnabführungsvertrag und auch der Beherrschungsvertrag (§ 308 Abs. 1 Satz 2 AktG) lassen im Gegensatz dazu das Dividendenrecht des § 58 Abs. 4 AktG praktisch leer laufen115 und betreffen damit nach Ansicht des Verfassungsgerichts spezifisch die „mitgliedschaftlichen Vermögensrechte“. Das Verfassungsgericht führt dazu aus, dass der Ausgleich gemäß § 304 AktG die Beeinträchtigung der vermögensrechtlichen Stellung kompensiert und dass die Abfindung gemäß § 305 AktG ein Ausscheiden aus der Gesellschaft nach dem Verlust der Leitungsbefugnisse ermöglicht.116 Der an der entsprechenden Stelle angebrachte Verweis auf einen Beschluss des Bundesge___________ 109

BVerfGE 14, 263, 278 – Feldmühle; BVerfGE 50, 290, 342 – Mitbestimmung. BVerfGE 100, 289, 305 – DAT/Altana. 111 BVerfGE 100, 289, 301, 304 und passim – DAT/Altana. 112 Zöllner/Hanau, AG 1997, 206, 207; Hadding, in: FS Steindorff S. 31, 38. 113 Habersack, S. 100. 114 Die noch differenziertere Terminologie bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 3 c aa ist für die hier gegebene Fragestellung zunächst nicht notwendig. 115 Hüffer, AktG, § 304 Rn. 1. 116 BVerfGE 100, 289, 304 – DAT/Altana. 110

IV. DAT/Altana-Beschluss

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richtshofs117 lässt verstärkt den Eindruck entstehen, dass die Mitgliedschaft in isolierte Teilaspekte zerfällt. Nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofs bezweckt die Vorschrift des § 304 AktG die Sicherung der außenstehenden Aktionäre vor der Beeinträchtigung ihrer sich aus der Mitgliedschaft ergebenden vermögensrechtlichen Stellung: Es sollen die Verluste kompensiert werden, die ihnen durch die Ausübung der Weisungskompetenz des herrschenden Unternehmens entstehen können. § 305 AktG habe den Schutz der aus der Mitgliedschaft folgenden Verwaltungsrechte im Auge. Diese werden aufgrund des Beherrschungsvertrags weitgehend von dem herrschenden Unternehmen ausgeübt (§ 308 AktG). Da die Beeinträchtigung und der Verlust dieser Rechte nicht kompensiert werden könne, gebe das Gesetz den außenstehenden Aktionären die Möglichkeit, aus diesem Umstand die Konsequenzen zu ziehen und gegen Abfindung durch den anderen Vertragsteil aus der Gesellschaft auszuscheiden.118 Der Schluss, dass es sich bei Verwaltungsrechten und „mitgliedschaftlichen Vermögensrechten“ um zwei voneinander getrennte Schutzbereiche handelt, deren Beeinträchtigung isoliert betrachtet werden kann, wäre allerdings verfehlt. Beispielhaft kann hier angeführt werden, dass der mitgliedschaftliche Gewinnbeteiligungsanspruch119 nicht isoliert abtretbar ist.120 Da das einfache Recht den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG bestimmt, führt der Umstand, dass zivilrechtlich kein von der Mitgliedschaft isolierter mitgliedschaftlicher Gewinnbeteiligungsanspruch bestehen kann, verfassungsrechtlich notwendig zu einem einheitlichen Schutzbereich der mitgliedschaftlichen Stellung. Terminologisch setzt dies voraus, dass unter den „mitgliedschaftlichen Vermögensrechten“ lediglich solche zu verstehen sind, die untrennbar mit der Stellung als Mitglied verbunden sind. Dieses Verständnis ist geboten, weil nur solche den Schutzbereich des in der „Aktie verkörperten Anteilseigentums“121 bestimmen: Der Dividendenzahlungsanspruch ist selbständig abtretbar und daher als Einzelrecht von der mitgliedschaftlichen Stellung unabhängig beim jeweiligen Inhaber von Art. 14 GG geschützt. Er kann sogar z. B. durch Vorausabtretung bei einem Nichtmitglied zur Entstehung gelangen.122 Der zwingende Spezialitätsgrundsatz des Zivilrechts erlaubt und erzwingt verfassungsrechtlich eine gesonderte Bestimmung der jeweiligen Schutzbereiche, soweit Spezialität vor___________ 117

BGHZ 138, 136. BGHZ 138, 136, 139. 119 Oft wird dieser auch als Dividendenanspruch bezeichnet, wobei hier ausdrücklich vom Dividendenzahlungsanspruch unterschieden werden soll und muss. 120 Statt vieler Bayer, in: MüKo-AktG § 58 Rn. 100; Hüffer, AktG, § 58 Rn. 26. 121 BVerfGE 100, 289, 301 – DAT/Altana. 122 Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl § 58 Rn. 129; Hüffer, AktG, § 58 Rn. 28. 118

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D. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht

liegt. Im Ergebnis übereinstimmend äußert sich das Verfassungsgericht auch in seinen früheren Entscheidungen dahingehend, dass „der Charakter [der Aktie] als Vermögensrecht [...] von dem als Mitgliedschaftsrecht123 nicht getrennt werden“ kann.124 Im Sinne eines allgemeinen Gesellschaftsrechts kann der Schutzbereich der mitgliedschaftlichen Stellung folgendermaßen beschrieben werden: Im gesamten Gesellschaftsrecht gilt der in § 717 Satz 1 BGB ausgedrückte Rechtsgedanke, dass die Mitgliedschaft einem Abspaltungsverbot unterliegt.125 Da dieses Dogma sogar Umgehungstatbestände umfasst,126 sind sowohl mitgliedschaftliche Verwaltungsrechte als auch untrennbare mitgliedschaftliche Vermögensrechte Teil der einheitlichen Rechtsposition mitgliedschaftliche Stellung.127 Nur diese Rechtsposition ist durch die Mitgliedschaft (das Aktieneigentum) vermittelt und unterfällt dem Schutz von Art. 14 GG in der Person des Mitglieds. Hiervon zu unterscheiden sind die hieraus entstehenden selbständigen Zahlungs- oder Bezugsansprüche, die nicht die vermögensrechtliche Seite der mitgliedschaftlichen Stellung darstellen, sondern Aktualisierungen des mitgliedschaftlichen Stammrechts sind.128 Diese sind unabhängig von einer Verfügung über die Aktie (scil. mitgliedschaftliche Stellung) selbständigen Verfügungen zugänglich und daher auch beim Nichtmitglied mit einem eigens zu bestimmenden Schutzbereich gemäß Art. 14 Abs. 1 GG ausgestattet.129 An dieser Sichtweise vermag auch der Streit in der zivilrechtlichen Literatur, ob die Verbandsmitgliedschaft nur die Stellung als Beteiligter eines Rechtsverhältnisses130 und damit Sammelbezeichnung für einzelne mit der Gesellschafterstellung verbundene Rechte und Pflichten131 ist oder zugleich als subjektives Recht das Rechtsverhältnis verkörpert und damit einen einheitlichen Verfü___________ 123

So noch die damalige Terminologie. BVerfGE 25, 371, 407 – Rheinstahl; BVerfGE 14, 263, 285 – Feldmühle. 125 BGHZ 43, 261, 267 (GmbH); BGHZ 3, 354, 357 und 20, 363, 364 (Personenhandelsgesellschaft); Habersack, S. 78 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 4; Hüffer, AktG, § 8 Rn. 30; Ulmer, in: MüKo-BGB § 705 Rn. 188; Raiser/Veil, § 12 Rn. 13; Wiedemann, S. 276. 126 BGHZ 3, 354, 358; BGH NJW 1987, 780. 127 Habersack, S. 78 ff., 100 f. Die zivilrechtliche Terminologie ist in diesem Zusammenhang personen- und vermögensrechtliche Seite der Mitgliedschaft. 128 Habersack, S. 88; Huber, S. 1 f., 5 ff.; Ulmer, in: MüKo-BGB § 717 Rn. 14 f.; wohl auch BGHZ 97, 392, 394; a. A. hinsichtlich der Qualifizierung als Stammrecht Hadding, in: FS Steindorff S. 31, 36, 38. 129 Hinsichtlich der Vielzahl von Verfügungen übereinstimmend Hadding, in: Soergel § 719 Rn. 5. 130 Zuletzt Hadding, in: FS Steindorff S. 31, 37; ders., in: FS Reinhardt S. 249, 255 ff. m. w. N. S. 254. 131 Hadding, in: FS Reinhardt S. 249, 251 ff. 124

IV. DAT/Altana-Beschluss

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gungsgegenstand132 darstellt, nichts zu ändern. Denn auch wenn die mitgliedschaftliche Stellung kein tauglicher Gegenstand einer Verfügung ist, gilt umso mehr, dass die „einzelnen übertragbaren Mitgliedschaftsrechte“ wegen ihrer Übertragbarkeit nicht Teil der Stellung des Mitglieds im Rechtsverhältnis zu der Gesellschaft sind.133 Einigkeit besteht außerdem dahingehend, dass die Übertragung der Verbandsmitgliedschaft einer hier primär zu untersuchenden Aktiengesellschaft durch einheitliche Verfügung über die Aktienurkunde gemäß §§ 929 ff. BGB erfolgt, ohne dass es auf die Qualifizierung als subjektives Recht ankommt.134 Soweit zusätzlich bereits entstandene abspaltbare Rechte übertragen werden sollen, bedarf es auch der gesonderten Übertragung der jeweiligen Verkörperung, z. B. in einem Kupon,135 oder zumindest der Abtretung gemäß §§ 413, 398 ff. BGB.136 Das Abspaltungsverbot wird mit der Einheitlichkeit der Mitgliedschaft,137 dem Wesen der Gesamthandsgemeinschaft,138 dem Grundsatz der Selbstbestimmung des Verbandsgeschehens139 bzw. der Richtigkeitsgewähr der verbandsrechtlichen Willensbildung140 begründet. Welcher dieser Begründungsansätze zutreffend ist, ist für die verfassungsrechtliche Beurteilung unerheblich. Allenfalls die Reichweite, nicht jedoch das Bestehen des Abspaltungsverbots wird hierdurch beeinflusst. Der verfassungsrechtliche Schutzbereich der mitgliedschaftlichen Stellung in einer Gesellschaft, so wie sie in einer Aktie verkörpert ist, muss als Einheit begriffen werden.

c) Begrenzung der mitgliedschaftlichen Stellung in vermögensrechtlicher Hinsicht durch das Abspaltungsverbot Die unterschiedlichen Begründungsansätze lenken jedoch den Blick auf die Frage nach dem Zuweisungsgehalt der mitgliedschaftlichen Stellung in der Ak___________ 132 Habersack, S. 104 ff.; Wiedemann, S. 39 f., 60 f.; ders., Gesellschaftsrecht I, § 2 I 1 b, Huber, S. 164; Flume, BGB-AT I/2 § 8 I, ders., BGB-AT I/1 § 9; Lutter, AcP 180 (1980) 84, 101 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 I 3; ders., NJW 2001, 991, 998. 133 A. A. Hadding, in: FS Steindorff S. 31, 36. 134 Habersack, S. 104; Hadding, in: FS Steindorff S. 31, 40. 135 Lutter, in: KölnerKomm-AktG § 58 Rn. 115 ff., § 186 Rn. 11; Hüffer, AktG, § 58 Rn. 29. 136 Lutter, in: KölnerKomm-AktG § 186 Rn. 11. 137 BGHZ 43, 261, 267; Habersack, S. 78 ff., 81; Wiedemann, S. 278 ff., 287; ders., Gesellschaftsrecht II, § 3 III 5 d bb. 138 BGHZ 3, 354, 357. 139 Flume, BGB-AT I/1 § 14 IV, VII, Raiser/Veil, § 12 Rn. 13. 140 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 4.

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tiengesellschaft in vermögensrechtlicher Hinsicht. Dabei muss zunächst – auch terminologisch – geklärt werden, welche Aspekte der als einheitlich erkannten Rechtsposition ‚mitgliedschaftliche Stellung‘ Vermögensrechte und welche Verwaltungsrechte sind,141 um anschließend den Zuweisungsgehalt der Mitgliedschaft als Vermögensrecht bestimmen zu können.142 Nach bisher ganz überwiegend vertretener Auffassung zählen die Ansprüche auf Bilanzgewinn (Dividende), Bezugsrecht, Rückzahlungsanspruch bei Kapitalherabsetzung und Beteiligung am Liquidationserlös zu den „mitgliedschaftlichen Vermögensrechten“.143 Werden unter diesem Begriff die gemäß § 717 Satz 2 BGB selbständigen Ansprüche verstanden, können diese „mitgliedschaftlichen Vermögensrechte“ aus den bereits dargelegten Gründen nicht Teil der mitgliedschaftlichen Stellung sein.144 Diese von der Mitgliedschaft abstrahierten Ansprüche entstehen nicht als Sozialanspruch145, sondern immer als Individualanspruch146.147 Sie haben lediglich ihren Ursprung in der Mitgliedschaft als Stammrecht und können daher nicht Teil der mitgliedschaftlichen Stellung sein. Die bisherige Anschauung geht trotzdem übereinstimmend von einheitlichen mitgliedschaftlichen Vermögensrechten aus, die allenfalls zeitlich und sachlich ___________ 141 Allgemein zur Unterscheidung von Vermögens- und Verwaltungsrechten vgl. z. B. Kraft, in: KölnerKomm-AktG § 11 Rn. 11 f. 142 Dies zu klären ist unter anderem deshalb von Wichtigkeit, weil die – im Ansatz sinnfällige – Unterscheidung zwischen (mit-)unternehmerischem und finanziellem Element der Beteiligung leicht zu folgenreichen Missverständnissen führt, wenn diese Trennung für den Schutz der Mitgliedschaft strikt durchgehalten wird und beiden Elementen grundsätzlich unterschiedliche – und für den Vermögensschutz damit typischerweise schwächere – Schutzmechanismen zugeordnet werden. Hanau, NZG 2002, 1040, 1041. 143 Habersack, S. 86, 88; Huber, S. 1 f., 5 ff., 163; Raiser/Veil, § 12 Rn. 12; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 3 c aa; Flume, BGB-AT I/2 § 8 IV; für die Personengesellschaft: Hadding, in: Soergel § 719 Rn. 5; ders., in: FS Steindorff S. 31, 36; Flume, BGB-AT I/1 § 11 I und III; Kießling, in: FS Hadding S. 489; Wiedemann, Gesellschaftsrecht II, § 3 III 3; Hüffer/Schmidt-Aßmann/Weber, S. 27. In einschlägigem verfassungsrechtlichen Zusammenhang Webering, S. 122 ff.; Stumpf, NJW 2003, 9, 11; Mülbert, ZHR 165 (2001) 104, 114. 144 Vgl. oben D. IV. 1. b). Im Ergebnis übereinstimmend Habersack, S. 88. 145 In dem Sinne, dass jemand ihn nur deshalb hat, weil er Gesellschafter ist. Vgl. zur Terminologie Hadding, in: Soergel § 705 Rn. 46. 146 In dem Sinne, dass ihn jeder außenstehende Dritte innehaben könnte unabhängig von seiner Beziehung zur Gesellschaft. 147 Die Terminologie ist nicht ganz einheitlich: Wiedemann, S. 276, spricht von „Fremdrechten“; ders., Gesellschaftsrecht II, § 3 III 3, von „echten Gläubigerrechten“ oder „einfachen schuldrechtlichen Ansprüchen“; Huber, S. 150, von „reinen Auszahlungsansprüchen“; Flume, BGB-AT I/2 § 8 Abs. 4, von „gewöhnlichem Forderungsrecht“; Ulmer, in: MüKo-BGB § 717 Rn. 30, von „selbständigen Geldforderungen“.

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aufzufächern sind.148 Im Einzelnen gehören zu ihnen (1) das Recht, von den anderen Mitgliedern zu verlangen, dass es zu einer Vermögensausschüttung kommt, wenn die vertraglichen oder gesetzlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind; (2) das Recht, an der Ausschüttung nach dem jeweils geltenden Verteilungsschlüssel teilzuhaben; (3) der angesprochene Individualanspruch. Für die dem Abspaltungsverbot unterliegenden „mitgliedschaftlichen Vermögensrechte“ im engeren Sinn gilt aber ganz allgemein, dass sie, richtig verstanden, nicht Vermögensrechte, sondern Verwaltungsrechte sind. Denn sie zielen lediglich auf die Herbeiführung des jeweiligen Beschlusses, der einen neuen, von der Mitgliedschaft abstrahierten vermögenswerten Anspruch entstehen lässt.149 Für (fast)150 alle „mitgliedschaftlichen Vermögensrechte“ gilt, dass sie erst durch einen Beschluss Vermögenswert erlangen bzw. mit Vermögenswert neu entstehen: 1.

Bei dem mitgliedschaftlichen Gewinnbeteiligungsanspruch gemäß § 58 AktG151 handelt es sich um einen abstrakten Anspruch152 ohne Vermögenswert. Dieses mitgliedschaftliche – Mehrheitsentscheidungen unterworfene – Recht des Aktionärs auf Gewinnbeteiligung verwandelt sich in einen vermögenswerten Zahlungsanspruch gegen die Aktiengesellschaft erst durch den Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung.153 Mit der Billigung durch den Aufsichtsrat ist der Jahresabschluss festgestellt (§ 172 AktG). Damit ist zwar ein Gewinnbeteiligungsanspruch rechtlich existent geworden.154 Die Vermögenslage der Aktiengesellschaft und der Aktionäre hat sich jedoch noch nicht verändert; denn die Verpflichtung, einen Teil des Gewinns an die Aktionäre oder sonstige Forderungsinhaber auszuschütten, ist dadurch nicht begründet worden. Nach wie vor kann die Hauptversammlung beschließen, den gesamten Bilanzgewinn in offene Rücklagen einzustellen oder als Gewinn vorzutragen (§§ 58 Abs. 3, 174 Abs. 2 Nr. 3 und 4 AktG). Inhaltlich handelt es sich bei dem Gewinnbeteiligungsanspruch um einen Anspruch auf Herbeiführung des Gewinn-

___________ 148

Wiedemann, Gesellschaftsrecht II, § 3 III 3. Vgl. auch die Aufzählung bei Hadding, in: Soergel § 717 Rn. 3. 150 Vgl. hierzu sogleich Punkt 4. 151 Nicht anders stellt sich die Lage für die GmbH gem. § 29 GmbHG dar. 152 BGHZ 124, 27, 31; Bayer, in: MüKo-AktG § 58 Rn. 97. 153 BGHZ 7, 263, 264; 23, 150, 154; 65, 230, 235; 124, 27, 31; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl § 58 Rn. 116 f.; Lutter, in: KölnerKomm-AktG § 58 Rn. 89 f; Wiedemann, S. 298. 154 BGHZ 65, 230, 235; 124, 27, 31; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl § 58 Rn. 116. 149

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verwendungsbeschlusses gemäß §§ 174, 58 Abs. 3 AktG.155 § 291 Abs. 2 AktG suspendiert nun allerdings § 58 AktG bei Vorliegen eines Gewinnabführungsvertrages.156 Dies zeigt, dass selbst der in diesem Beschluss des Verfassungsgerichts mitbehandelte (isolierte)157 Gewinnabführungsvertrag hintergründig betrachtet keine mitgliedschaftlichen Vermögensrechte, sondern lediglich mitgliedschaftliche Verwaltungsrechte beeinträchtigt.158 2.

Das konkrete Bezugsrecht gemäß §§ 186 Abs. 1, 203 Abs. 1, 221 Abs. 4 AktG entsteht ebenfalls erst durch eine Mehrheitsentscheidung der Verbandsmitglieder. Die Kapitalerhöhung gegen Einlagen gemäß § 182 Abs. 1 Satz 1 AktG – auch als genehmigtes Kapital gemäß § 202 Abs. 1 AktG und über Wandelschuldverschreibungen gemäß § 221 Abs. 1 Satz 1 AktG – erfordert einen Hauptversammlungsbeschluss. Auch bei Bezugsrechten muss zwischen dem abstrakten Bezugsrecht ohne Vermögenswert für den Fall einer Kapitalmaßnahme und dem konkreten Bezugsanspruch unterschieden werden.159 Der konkrete Bezugsanspruch entsteht frühestens mit einem wirksamen Erhöhungsbeschluss.160 Der tatsächliche Bezug jun___________ 155 Bayer, in: MüKo-AktG § 58 Rn. 99; Hüffer, AktG, § 58 Rn. 26; Lutter, in: KölnerKomm-AktG § 58 Rn. 97. Nicht anders stellt sich die Situation bei einer Abschlagsdividende nach § 59 AktG dar, denn auch diese Zahlung geht auf einen Ermächtigungsbeschluss zurück. 156 Hüffer, AktG, § 291 Rn. 36 f. 157 Dieser verdeutlicht besonders die mitgliedschaftlichen Vermögensrechte, weil er scheinbar keine Verwaltungsrechte betrifft, und ist als solcher mit der h. M. als zulässig zu betrachten. OLG Karlruhe AG 2001, 536, 537; Altmeppen, in: MüKo-AktG § 291 Rn. 148 f.; Koppensteiner, in: KölnerKomm-AktG § 291 Rn. 3, 53; Hüffer, AktG, § 291 Rn. 24. 158 Auch im Recht der GmbH ist dem Auszahlungsanspruch ein Gewinnverwendungsbeschluss vorgeschaltet (§ 29 GmbHG). Das Personengesellschaftsrecht geht in seinen gesetzlichen Regelungen vom Prinzip der Vollausschüttung aus (§§ 721 BGB, 121, 168 HGB), was regelmäßig einen Gewinnverwendungsbeschluss überflüssig macht. Da jedoch diese Vorschriften abdingbar sind (Ehricke, in: Ebenroth/ Boujong/Joost § 121 Rn. 14 ff.; Ulmer, in: MüKo-BGB § 722 Rn. 5 f.), können die Gesellschafter jederzeit durch Beschluss mit der jeweils erforderlichen Mehrheit eine abweichende Gewinnverwendung beschließen (Ehricke, in: Ebenroth/Boujong/Joost § 120 Rn. 64). Dies lässt den Charakter des abstrakten Gewinnbeteiligungsanspruchs als Verwaltungsrecht ohne Vermögenswert auch für die Personengesellschaft deutlich hervortreten. 159 Hüffer, AktG, § 186 Rn. 6; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl § 186 Rn. 14, 16. 160 Lutter, in: KölnerKomm-AktG § 186 Rn. 15; mit Durchführung der Kapitalerhöhung: Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl § 186 Rn. 16; mit Wirksamwerden des Kapitalerhöhungsbeschlusses gem. §§ 189 AktG: Hüffer, AktG, § 186 Rn. 6. Hier kommt es u. a. darauf an, ob das konkrete Bezugsrecht hinsichtlich des Anspruchs auf den Abschluss eines Zeichnungsvertrages oder hinsichtlich des Bezuges junger Aktien weiter differenzieren will. Bei beiden handelt es sich jedenfalls nicht um das abstrakte Bezugsrecht.

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ger Aktien steht zudem unter der Bedingung, dass die Kapitalerhöhung tatsächlich durchgeführt wird.161 Im Falle der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln gemäß § 207 Abs. 1 AktG liegt hingegen überhaupt kein Bezugsrecht vor, sondern die neuen Aktien entstehen gemäß § 212 Satz 1 AktG unmittelbar in der Person des Aktionärs ohne dessen Wissen oder Wollen.162 Gleichwohl erfordert auch diese Form der Kapitalerhöhung einen entsprechenden Hauptversammlungsbeschluss, ohne den ein Recht mit Vermögenswert nicht entsteht.163 3.

Ein Zahlungsanspruch des Aktionärs im Rahmen einer Kapitalherabsetzung (§ 225 Abs. 2 AktG) kann neben den übrigen Voraussetzungen des § 225 Abs. 1 AktG gemäß § 222 Abs. 1 Satz 1 AktG immer nur aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses zur Entstehung gelangen. Der Aktionär hat einen Anspruch auf die Verwirklichung des Zwecks der Kapitalherabsetzung, so wie er im Beschluss festgelegt wurde,164 dem je nach Zweck – insbesondere bei Rückzahlung von Grundkapital – auch Vermögenswert zukommen kann. Nicht diskutiert ist bisher, ob es in diesem Fall einen abstrakten und einen konkreten Beteiligungsanspruch gibt. Rechtssystematisch folgt aus dem Verbot der Einlagenrückgewähr in § 57 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 AktG, dass ein Zahlungsanspruch nur entstehen kann, wenn erstens die gemäß § 240 AktG zwingend erfolgte Einstellung der durch die Herabsetzung gewonnenen Beträge in die Gewinn- und Verlustrechnung einen Jahresüberschuss ergibt165 und zweitens ein entsprechender Verwendungsbeschluss wie soeben unter 1. beschrieben gefasst wird, der eine Ausschüttung ermöglicht. Da eine Ausschüttung nur über den Gewinnbeteiligungsanspruch gemäß § 58 AktG zu Stande kommt, besteht hier ebenfalls ein zunächst nur abstrakter Beteiligungsanspruch ohne Vermögenswert.166

___________ 161

Lutter, in: KölnerKomm-AktG § 186 Rn. 10; Hüffer, AktG, § 186 Rn. 6. Zum Nichtbestehen einer Durchführungspflicht Lutter, in: KölnerKomm-AktG § 185 Rn. 34; Hüffer, AktG, § 185 Rn. 4; a. A. vGodin/Wilhelmi, § 185 Anm. 1. 162 Lutter, in: KölnerKomm-AktG § 212 Rn. 3; Hüffer, AktG, § 212 Rn. 2. 163 Auch im Recht der GmbH ist dem konkreten Bezugsrecht ein Kapitalerhöhungsbeschluss vorgeschaltet (§ 55 GmbHG). Das Personengesellschaftrecht enthält keine ausdrücklichen Regelungen zum Bezugsrecht. Sollen jedoch dem Verband neue Mittel zugeführt werden, bedarf es hierfür eines Beschlusses bzw. einer Vereinbarung der Mitglieder (Hadding, in: Soergel, § 707 Rn. 3 f.; Ulmer, in: MüKo-BGB § 707 Rn. 6 ff.), ohne den bzw. die nur ein abstrakter Anspruch auf Beteiligung besteht. 164 Oechsler, in: MüKo-AktG, § 225 Rn. 31; Lutter, in: KölnerKomm-AktG § 225 Rn. 42. 165 Oechsler, in: MüKo-AktG, § 240 Rn. 3. 166 Im Recht der GmbH erfolgt eine Ausschüttung nicht über die Gewinn- und Verlustrechnung, sondern gem. § 58 GmbHG unmittelbar aus einem freien Posten in der Bilanz (Waldner, in: Michalski, GmbHG, Vor § 58 Rn. 8). Der konkrete Zahlungsanspruch setzt aber neben einem Herabsetzungsbeschluss einen entsprechenden Verwen-

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4.

Die Beteiligung am Liquidationserlös gemäß § 271 AktG setzt einen Auflösungsbeschluss gemäß § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG voraus. Erst wenn dieser gefasst ist und die weiteren Verteilungsvoraussetzungen vorliegen, besteht ein vermögenswerter Zahlungsanspruch. Nichts anderes gilt für den Fall der Befristung der Aktiengesellschaft gemäß § 262 Abs. 1 Nr. 1 AktG, denn hier wird lediglich die Ausübung des Verwaltungsrechts zeitlich vorverlegt, im Extremfall bis auf den Zeitpunkt der Gründung der Gesellschaft. Eine Besonderheit besteht bezüglich der Qualität als Verwaltungsrecht für die Fälle der Abwicklung ohne Hauptversammlungsbeschluss gemäß § 262 Abs. 1 Nr. 3 bis 6 und Abs. 2 AktG. In diesen Fällen ist den Gesellschaftern gesetzlich bereits die Verwaltungsmacht über die Gesellschaft aufgrund der besonderen Schutzvorschriften zu Gunsten von Gläubigern der Gesellschaft vollständig entzogen bzw. es besteht wegen der gesetzlichen Mindestanforderungen an die Satzung kein Verwaltungsrecht, weil die Liquidation von Amts wegen gesetzlich angeordnet ist. Dieser Umstand lässt kein „mitgliedschaftliches Vermögensrecht“ im engeren Sinne entstehen, denn der nicht abspaltbare abstrakte Beteiligungsanspruch am Liquidationserlös bzw. –überschuss wird durch Fremdverwaltung zu einem konkreten Zahlungsanspruch.167 Durchbrochen werden könnte die Regel von „mitgliedschaftlichen Vermögensrechten“ im engeren Sinn als Verwaltungsrechten, wenn die den einzelnen Aktionären zustehenden Schadensersatzansprüche gemäß §§ 117 Abs. 1 Satz 2, 317 Abs. 1 Satz 2, 309 Abs. 4, 317 Abs. 4, 318 Abs. 4 AktG zu den mitgliedschaftlichen Vermögensrechten zu zählen wären.168 Für die Ansprüche aus §§ 309 Abs. 4, 317 Abs. 4, 318 Abs. 4 ergibt sich bereits aus § 309 Abs. 4 Satz 2 AktG, dass es sich nicht um ein eigenes Vermögensrecht des Mitglieds, sondern um einen Fall gesetzlicher Prozeßstandschaft handelt.169 Der Anspruch ___________ dungsbeschluss voraus (§ 58 Abs. 2 S. 2 GmbHG), ohne den es bei einem abstrakten Beteiligungsanspruch bleibt. Im Recht der Personengesellschaften erfordert die Rückgewähr von Beiträgen einen Beschluss bzw. eine Vereinbarung der Mitglieder, ohne den bzw. die allenfalls ein abstrakter Anspruch auf gleichmäßige Beteiligung besteht. 167 Ganz ähnliche Struktur weist für die GmbH § 60 GmbHG und für die Personengesellschaft §§ 723, 728, 737 BGB, 131, 132, 140 HGB auf: Die Entstehung eines vermögenswerten Anspruchs eines Mitglieds ist von der Ausübung eines Verwaltungsrechts abhängig. In der GmbH verlangen § 60 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GmbHG einen Beschluss. Bei den Personengesellschaften muss entweder ein einzelnes Mitglied kündigen (§§ 723 BGB, 132 HGB) oder ein Beschluss gefasst werden (§§ 737, 727 BGB, 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 3, 140 HGB). In den übrigen Fällen der Entstehung eines Zahlungsanspruchs (§§ 60 Abs. 1 Nr. 3 bis 7 GmbHG, §§ 728 BGB, 131 Abs. 1 Nr. 3 und 4, Abs. 2) besteht auch bei diesen Gesellschaftstypen aus den dargelegten Gründen kein Verwaltungsrecht der Gesellschafter, weil es ihnen gesetzlich entzogen wurde, wohl aber Fremdverwaltung. 168 So Raiser/Veil, § 12 Rn. 12. 169 Hüffer, AktG, § 309 Rn. 21; a. A. Altmeppen, in: MüKo-AktG § 309 Rn. 123 f.

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nach § 117 Abs. 1 Satz 2 AktG ist zwar in seiner Entstehung von einer Mitgliedschaft abhängig,170 unterliegt jedoch weder dem Abspaltungsverbot noch einer sonstigen Bindung durch die Mitgliedschaft, sondern er ist abtretbarer Anspruch. Nach seiner Entstehungsgeschichte und der Textfassung handelt es sich um einen Tatbestand des Deliktsrechts, der seinen Ursprung wohl in der Treuepflicht der Aktionäre hatte.171 Wie das Verhältnis zu Satz 1 der Vorschrift zeigt, können Schäden (z. B. Wertminderung einer Aktie), die über das Gesellschaftsvermögen ausgeglichen werden können (sog. Reflexschäden), hier nicht liquidiert werden.172 Es handelt sich nur um einen Anspruch für die Verletzung von „auf die Mitgliedschaft oder Gesellschaft bezogenen“ Rechtspositionen „im innergesellschaftlichen Bereich“.173 Allerdings ist zu bezweifeln, dass eine Verletzung der Mitgliedschaft selbst existiert, die gleichzeitig im „innergesellschaftlichen Bereich“ liegt und nicht über das Gesellschaftsvermögen ausgeglichen werden kann. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, nach der ein ausgefallener Überbrückungskredit bei gleichzeitigen Liquiditätsschwierigkeiten einen solchen Schaden darstellen soll,174 betrifft nicht die Rechtsposition Mitgliedschaft. Der eigenkapitalersetzende Charakter des Darlehens beseitigt nicht den Umstand, dass der Geschädigte in seiner Eigenschaft als Darlehensgeber nicht den Bindungen des Gesellschaftsvertrages unterliegt. Bindungen entstehen lediglich zu Gunsten der sonstigen Gläubiger der Gesellschaft (nachrangige Befriedigung des Gesellschafters). Solche Schäden im sonstigen Vermögen eines Mitglieds sind keine Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis nach § 717 Satz 1 BGB (Sozialanspruch), also der Mitgliedschaft, sondern Ansprüche, wie sie auch jeder Dritte haben kann (Individualanspruch). Ausnahmsweise unterfallen derartige Schadenspositionen abweichend von § 117 Abs. 5 AktG dem § 117 Abs. 1 Satz 2 AktG,175 wodurch sie nicht in das Rechtsverhältnis Mitgliedschaft einbezogen sind. Es besteht daher weder ein Abspaltungsverbot noch sind die Ansprüche in ihrem Bestand oder ihrer Durchsetzbarkeit vom Gesellschaftsvertrag beeinflusst; der Schadensersatzanspruch aus § 117 Abs. 1 Satz 2 ist nicht mitgliedschaftliches Vermögensrecht. Für § 317 Abs. 1 Satz 2 AktG gilt dasselbe, da die Norm § 117 Abs. 1 Satz 2 AktG nachgebildet ist.176 Bei sonstigen Schadensersatzansprüchen, z. B. aus Treuepflichtverletzungen, bei denen – wie im Girmes-Fall177 – ein Schadensan___________ 170

BGH NJW 1992, 3167, 3171; Hüffer, AktG, § 117 Rn. 9. BGH NJW 1992, 3167, 3172; Hüffer, AktG, § 117 Rn. 2. 172 BGH NJW 1992, 3167, 3171; Hüffer, AktG, § 117 Rn. 1, 9. 173 BGH NJW 1992, 3167, 3172. 174 BGHZ 94, 55. 175 BGHZ 94, 55, 59. 176 Hüffer, AktG, § 317 Rn. 8. 177 BGHZ 129, 136, 164 – Girmes. 171

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teil nicht der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens unterliegt, d. h. keinen Reflexschaden darstellt, ist dieser Anteil nicht als mitgliedschaftliches Vermögensrecht anzusehen, weil diese Rechtsprechung sich gerade an den Regelungen der §§ 117 und 317 ausrichtet.178 Zusammengefasst ergibt das Abspaltungsverbot einen ersten Begründungsteil dafür, dass sich das mitgliedschaftliche Vermögensrecht (im eigentlichen engeren Sinn) auf den ideellen Anteil am Verband als Objekt des Rechtsverkehrs beschränkt.179 Denn sonstige mit der Stellung als Aktionär untrennbar verbundene Vermögensrechte sind nicht ersichtlich. Es gilt daher zu klären, was dem Aktionär vermögensmäßig aufgrund seiner Stellung als Mitglied zugewiesen ist.

d) Zuweisungsgehalt der mitgliedschaftlichen Stellung in vermögensrechtlicher Hinsicht Wie Kießling überzeugend nachgewiesen hat, steht das Abspaltungsverbot in keinem Zusammenhang mit dem jeweiligen Vermögensregime eines Verbandes.180 Sinn und Zweck des Abspaltungsverbotes hängen nicht vom jeweils im Verband geltenden Vermögensregime ab, weil es bereits in dem rein schuldrechtlich konzipierten Gesellschaftsrecht des ersten Entwurfs zum BGB enthalten war und daher lediglich die schuldrechtliche Verpflichtung zwischen den Mitgliedern zur gemeinsamen Zweckverfolgung fördert; seine unterschiedlichen Begründungsansätze, Einheitlichkeit der Mitgliedschaft,181 Wesen der Gesamthandsgemeinschaft,182 Grundsatz der Selbstbestimmung des Verbandsgeschehens183 und Richtigkeitsgewähr der verbandsrechtlichen Willensbildung184 sind nicht geeignet, die vermögensrechtliche Stellung des Mitglieds – weitergehend als soeben geschehen – zu erhellen. Das Vermögensregime eines Verbandes dient auf dinglicher Ebene der Sicherung der gemeinsamen Zweckerreichung: Besitzt der Verband (Teil-) Rechtsfähigkeit, wird er grundsätzlich zum Zuordnungssubjekt des Verbands___________ 178

H. Henze, in: FS Lutter S. 1101, 1107. Weiter dazu sogleich D. IV. 1. d). 180 Kießling, in: FS Hadding S. 477, 482 ff., 488 f. 181 BGHZ 43, 261, 267; Habersack, S. 78 ff., 81; Wiedemann, S. 278 ff., 287; ders., Gesellschaftsrecht II, § 3 III 5 d bb. 182 BGHZ 3, 354, 357. 183 Flume, BGB-AT I/1 § 14 IV, VII, Raiser/Veil, § 12 Rn. 13. 184 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 4. 179

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vermögens.185 Die mitgliedschaftliche Stellung bedeutet dann – wie es das Verfassungsgericht formuliert – mittelbares Eigentum am gesellschaftsrechtlich gebundenen Vermögen.186 Wie genau diese Mediatisierung des Eigentums verfassungsrechtlich zu begreifen ist, ist in der bisherigen Rechtsprechung offen geblieben. Tendenziell erhebt das Verfassungsgericht den Aktionär zum Eigentümer der in der Gesellschaft gebundenen Vermögenswerte und begreift die Rechte der Mitaktionäre als Eigentumsbeschränkungen.187 Aus der zivilrechtlichen Dogmatik heraus lässt sich allerdings nachweisen, dass das Verbandsvermögen ausschließlich dem Verband zugeordnet ist und der verfassungsrechtlich verbürgte Schutzbereich der mitgliedschaftlichen Stellung nur nicht dem Verband als Rechtssubjekt zugeordnete Vermögenspositionen umfasst. Art. 19 Abs. 3 GG ermöglicht es dem Verband, gleichgültig ob voll- oder teilrechtsfähig,188 den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG für sich in Anspruch zu nehmen.189 Der Verband selbst ist somit Grundrechtsträger und genießt eigenen Grundrechtsschutz.190 Da der Verband eigene, nicht notwendig mit allen seinen Mitgliedern übereinstimmende Interessen verfolgen kann, tritt der Grundrechtsschutz des Verbandes mit selbständigem, möglicherweise entgegengesetztem Inhalt neben den seiner Mitglieder.191, 192 Der Schutzbereich von ___________ 185 Kießling, in: FS Hadding S. 477, 478 ff., 484 f., 498; Huber, in: FS Lutter S. 107, 125 f. Im Übrigen auch der Gesellschaftsschulden: Huber, in: FS Lutter S. 107, 128 ff.; ähnlich wohl Zöllner, GesRZ Sonderheft 2004, 5, 6. 186 Ebenso Zöllner, GesRZ Sonderheft 2004, 5, 6 ff. 187 BVerfGE 50, 290, 342 – Mitbestimmung. 188 Auch (nach klassischer Terminologie) teilrechtsfähige Organisationseinheiten genießen Grundrechtsschutz, allerdings nicht weitergehend als die ihnen gesetzlich zugewiesene Teilrechtsfähigkeit reicht. Krüger/Sachs, in: Sachs, GG, Art. 19 Rn. 62; Stern, § 71 V 3 m. w. N. (insbesondere c); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 8 IV 5; ders., NJW 2001, 991, 997; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 12 II 1. Aber auch bei vollrechtsfähigen Verbänden reicht der Grundrechtsschutz nicht weiter als ihre Rechtsfähigkeit. Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 12 II 1 a. 189 Krüger/Sachs, in: Sachs, GG, Art. 19 Rn. 57 ff.; Stern, § 71 V m. w. N. zur Rechtsprechung des BVerfG. 190 Webering, S. 81, 124; Stumpf, NJW 2003, 9, 10. Vgl. zum eigenständigen Eigentumsschutz der Gesellschaft auch BVerfGE 50, 290, 341, 351 – Mitbestimmung. Die von Mülbert, NZG 2004, 633, 641 aufgeworfene Frage, ob der deutsche Gesetzgeber auch bei ausländischen Zielgesellschaften, bei denen er nach Maßgabe des Art. 4 Abs. 2 lit. e ÜRL zur Regelung der Gegenleistung, insbesondere des Preises, zuständig ist, die Anforderungen des Art. 14 GG zu wahren hat, kann allerdings nach dem Wortlaut des Art. 19 Abs. 3 GG eindeutig nur verneint werden. 191 BVerfGE 3, 383, 391 – Gesamtdeutscher Block; Krüger/Sachs, in: Sachs, GG, Art. 19 Rn. 10; Stern, § 71 IV 3; in diesem Sinne auch Hellwig/Bormann, ZGR 2002, 465, 476; Stumpf, NJW 2003, 9, 11 (Verwaltungsrechte sind durch Art. 14 GG auch gegenüber der Gesellschaft abgesichert). Zu kurz greifen die BVerfGE 21, 362, 369, 61, 82, 100 f. und 68, 193, 205 f. und Dürig, in: Maunz/Dürig Art. 19 Abs. 3 Rn. 1 ff. sowie Schön, in: FS Ulmer S. 1359, 1375, wenn sie die Grundrechtsberechtigung der juristi-

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Art. 14 Abs. 1 GG zugunsten der Mitglieder kann und muss daher vom Schutzbereich zugunsten der Gesellschaft (Artt. 14 Abs. 1 i. V. m. 19 Abs. 3 GG) unterschieden werden.193 Da sich für diese Unterscheidung keinerlei Vorgaben in der Verfassung finden lassen und Art. 14 Abs. 1 GG inhaltlich durch das einfache Recht bestimmt wird, muss die erforderliche Abgrenzung aus der Dogmatik des Gesellschaftsrechts gewonnen werden.194 Heute ist wohl unbestritten, dass alle Verbände des Privatrechts der Erreichung eines überindividuellen Zwecks dienen. Beabsichtigt ist die Trennung der (gemeinsamen) Belange des Verbandes von der Privatsphäre der (einzelnen) Gesellschafter. Jeder Personenzusammenschluss des Privatrechts führt zu einer Abstrahierung der Verbandsverhältnisse gegenüber den Angelegenheiten der Mitglieder.

aa) Vermögen des Verbandes Das Verbandsvermögen ist zu diesem Zweck der Aktiengesellschaft als mit Rechtsfähigkeit ausgestatteter juristischer Person zugeordnet.195 Die hier primär für die Aktiengesellschaft zu treffenden Feststellungen gelten im Übrigen für alle juristischen Personen. Darüber hinaus sind alle weiteren Formen rechtsfähiger Verbände betroffen, weil sie ebenfalls Träger des Verbandsvermögens sind.196 Soll nämlich der Verband seinen ihm von den Mitgliedern aufgegebenen Zweck verwirklichen können, so bedarf es regelmäßig eines eigenen, von ___________ schen Person nur im „Durchgriff“ oder „Durchblick“ auf die dahinter stehenden Menschen gewähren, denn sie können nicht die Berechtigung auch nichtkörperschaftlicher juristischer Personen, wie z. B. Stiftungen, erklären. 192 Problematisch ist diese Sicht allein für rechtsfähige Verbände, die keine juristischen Personen sind, denn hier lassen sich keine zwei Rechtspersönlichkeiten feststellen. Der Verband könnte sich möglicherweise nicht gegenüber der Gesamtheit seiner Mitglieder auf einen Grundrechtsschutz berufen. Vgl. Huber, in: FS Lutter S. 107, 113 ff., 139. 193 Dass Art. 14 dem Wesen nach auf Verbände anwendbar ist, ist unbestritten. Er gehört zu den Bestimmungen, für die Art. 19 Abs. 3 GG in erster Linie geschaffen wurde. Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 12 II 2 d. 194 Dies bedeutet freilich nicht, dass die Gesellschaft gegenüber den Beschlüssen ihrer Mitglieder ein eigenständiges Gesellschaftsinteresse verfassungsrechtlich durchsetzen könnte. Die eigenständige Grundrechtsfähigkeit beschränkt sich auf das in der Satzung und in Beschlüssen formulierte und gebündelte Interesse der Mitglieder, welches sich dann allerdings gegenüber einem Einzelinteresse gemäß dem Mehrheitsprinzip durchsetzt. Vgl. hierzu Schön, in: FS Ulmer S. 1359, 1374 f. 195 Für den Gewerbebetrieb einer Aktiengesellschaft vgl. RGZ 158, 248, 255. 196 Kießling, in: FS Hadding S. 477, 478 ff., 498 f.; Huber, in: FS Lutter S. 107, 125 f. Näher dazu sogleich unten D. IV. 1. d) bb).

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dem Vermögen seiner Mitglieder getrennten Sondervermögens.197 Die sich ergebende Eigenschaft des Verbandes als selbständigem Zuordnungsobjekt von Rechten und Pflichten verlangt zudem für jedwede Beeinträchtigung des Verbandsvermögens einen Vorrang der Wiederauffüllung des Sondervermögens vor einem Ausgleich zugunsten der Privatvermögen der Mitglieder, um auch zukünftig die Mittel der gesellschaftsvertraglich vereinbarten Zweckverfolgung zur Verfügung zu stellen.198

bb) Vermögen des Mitglieds Die vermögensrechtliche Stellung des Mitglieds ist demgegenüber völlig unabhängig von der dinglichen Zuordnung des Verbandsvermögens.199 Sie wird ausschließlich durch den Gesellschaftsvertrag bestimmt. Es ist ein allgemeiner Grundsatz des Verbandsrechts, dass eine unmittelbare Beziehung zwischen Verbandsvermögen und Mitglied nicht besteht, die vermögensrechtliche Zuständigkeit beim Verband endet.200 Für die juristischen Personen versteht sich dies im Hinblick auf § 1 Abs. 1 AktG und § 13 Abs. 1 und Abs. 2 GmbHG von selbst. Insbesondere auf der Grundlage der neueren Gesamthandslehre, der zufolge der Personenverband der Gesellschafter als solcher Träger der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten ist,201 gilt dies im gesamten Gesellschaftsrecht.202 Dem Mitglied steht lediglich ein Recht auf Entwidmung zu.203 Dieses wiederum und ganz allgemein die mitgliedschaftlichen Rechte sind verbandstypisch nach der jeweiligen Zwecksetzung (mehr ideell oder mehr erwerbswirtschaftlich) in Satzung und/oder Gesetz ausgestaltet. Die dem Mitglied durch seine mitgliedschaftliche Stellung vermittelten Gestaltungs- und Einwirkungsbefugnisse (Verwaltungsrechte) sind gerade dazu bestimmt, die vermögens___________ 197

Lutter, AcP 180 (1980) 84, 92. Habersack, S. 158. 199 Flume, BGB-AT I/2 § 8 IV 1, ders., BGB-AT I/1 § 5, § 11 I. 200 Habersack, S. 84; Flume, BGB-AT I/2 § 8 IV 1. 201 Jedenfalls für Außengesellschaften BGHZ 146, 341, 345; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 8 IV, § 46 II 2, § 60 II 1; ders., NJW 2001, 991, 998. Dezidiert für beinahe alle Erscheinungsformen von Gesamthandsgesellschaften Flume, BGB-AT I/1 § 5, § 7 II Fn. 12, § 8 (S. 118 f.). Ohne spezifische Differenzierung Habersack, S. 84 f.; Hadding, in: Soergel § 718 Rn. 3, § 719 Rn. 5; Huber, in: FS Lutter S. 107, 113 ff. (unter Aufgabe seiner früheren Ansicht S. 125 Fn. 57). In Abhängigkeit von der Verfestigung der Verbandsstruktur Kießling, in: FS Hadding S. 477, 478 ff., 484 f., 498 f. Zur älteren Lehre Huber, S. 61 ff., 89 ff. und weitere Nachweise bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 8 III 2 Fn 80. 202 So denn nicht ausnahmsweise etwa Bruchteilseigentum als Vermögensverfassung gewählt wurde. Zu dieser Möglichkeit Kießling, in: FS Hadding S. 477, 482 ff. 203 Habersack, S. 84 ff. 198

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D. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht

rechtliche Verselbständigung des Sondervermögens zu kompensieren. Mitgliedschaft bedeutet zugleich einen privatautonom gewollten Verlust an Souveränität und zumeist auch Vermögen zugunsten des Verbandes und Erweiterung des Aktionsradius des einzelnen Mitglieds zugunsten einer Teilhabe am nur gemeinschaftlich zu verwirklichenden Zweck.204 Dies muss sich systemgerecht auf den Schutz der mitgliedschaftlichen Stellung auswirken, so dass ein Ausgleich einer Beeinträchtigung der einzelnen Mitgliedschaft zugunsten des Sondervermögens konstruktiv ausscheidet.205 Kann auf der dinglichen Ebene so eindeutig eine Zuordnung des Verbandsvermögens zum Mitglied verneint werden, umfasst der Schutzbereich der mitgliedschaftlichen Stellung, so wie sie in der Aktie verkörpert wird,206 nicht die dem Verband als Rechtssubjekt zugeordnete Rechte. Die dem Verband zugeordneten Rechte werden gem. Artt. 14 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG beim Verband als Rechtsträger geschützt. In vermögensrechtlicher Hinsicht ist das gesamte Verbandsvermögen dem Mitglied daher vollständig „entzogen“ und es ergeben sich aus ihm keinerlei Vermögensrechte des Mitglieds. Wird das angesprochene Gebot zum Ausgleich von Beeinträchtigungen des Verbandes nur zugunsten seines Vermögens hinzugenommen, kann eine Vermögenseinbuße des Mitglieds nur mittelbar beseitigt werden; eine Schädigung allein des Verbandes stellt keine Verletzung der Mitgliedschaft dar.207 Veränderungen im Verbandsvermögen stellen niemals einen Eingriff in den Schutzbereich des Eigentums eines Mitglieds dar. Die Trennung der Vermögenssphären von Mitglied und Verband erfolgt durchgängig sowohl zwischen Mitglied und Verband als auch gegenüber Dritten. Demnach ist die Vorstellung des Bundesverfassungsgerichts, nach der dem Aktionär eine von Art. 14 GG geschützte Berechtigung an den Bestandteilen des Gesellschaftsvermögens zukommt,208 dogmatisch nicht haltbar.209 Sie trägt dem Umstand, dass der Verband selbständiger Vermögensträger ist, nur unzureichend Rechnung,210 indem sie zwei voneinander zu trennende Schutzberei___________ 204

Habersack, S. 142 f. Habersack, S. 158 f. 206 BVerfGE 100, 289, 301 – DAT/Altana. 207 Habersack, S. 156; Flume, BGB-AT I/2 § 8 V 3 (Fn. 188); Raiser/Veil, § 12 Rn. 5. 208 BVerfGE 50, 290, 342 – Mitbestimmung. 209 Ablehnend Schön, in: FS Ulmer S. 1359, 1369, weil dies den Aktionär in nahezu beliebigem Umfang einer Verdünnung seiner herrschafts- und vermögensrechtlichen Befugnisse aussetze. Dem wird unter D. IV. 1. f) aa) jedoch durch einen korrespondierenden Eigentumsschutz der Verwaltungsrechte Rechnung getragen. Vgl. auch Hüffer/Schmidt-Aßmann/Weber, S. 47 ff. 210 Mülbert, S. 64; ders., in: GroßKomm-AktG, vor §§ 118-147 Rn. 188. 205

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che zugunsten zweier Grundrechtsträger vermengt. Die entscheidende Fehlinterpretation des Verfassungsgerichts liegt in der Aussage, dass dem Mitglied „Verfügungsbefugnisse – abgesehen von der Veräußerung oder Belastung – nur mittelbar über die Organe zustehen.“211 Die Vermögensmassen von Mitglied und Verband sind nicht nur sachenrechtlich unterschiedlichen Rechtssubjekten zugeordnet, sondern für die Aktiengesellschaft regelt § 76 Abs. 1 AktG außerdem, dass weder dem Mitglied noch der Gesamtheit der Mitglieder eine Verfügungsbefugnis über das Verbandsvermögen zukommt.212 Beiträge der Mitglieder müssen zur freien Verfügung des Vorstands geleistet werden (§§ 36 Abs. 2 S. 1, 54 Abs. 3 AktG),213 was mindestens das Ausscheiden der Mittel aus dem Vermögen des Mitglieds erfordert.214 § 83 Abs. 2 AktG beinhaltet in keinem Fall für sich genommen eine Verfügungsbefugnis.215 Probleme bereitet diese Sichtweise dem Verfassungsgericht vor allem deshalb, weil es in seiner Rechtsprechung die grundsätzliche Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand als kennzeichnend für das verfassungsrechtliche Eigentum ansieht.216 Dies entspricht inhaltlich einer Auffassung, die das Gesamthandsprinzip als Vermögensprinzip auffasst und daher eine dingliche Berechtigung der Verbandsmitglieder annimmt.217, 218 Jedenfalls für die Aktiengesellschaft steht einer solchen Sichtweise aber § 1 Abs. 1 S. 1 AktG entgegen. Zudem ergibt sich auf der Grundlage der im Vordringen befindlichen neueren Gesamthandslehre, dass auch der Verband selbst als Eigentumsgegenstand und die Mitglied-

___________ 211

BVerfGE 50, 290, 342 – Mitbestimmung. Huber, in: FS Lutter S. 107, 113; vgl. dazu noch näher D. III. 4. b). Dies erkennt auch BVerfGE 50, 290, 343 – Mitbestimmung. 213 Hüffer, AktG, § 36 Rn. 2; Lutter, in: KölnerKomm-AktG § 36 Rn. 28 ff.; Bungeroth, in: MüKo-AktG § 54 Rn. 67 f. 214 Lutter, in: KölnerKomm-AktG § 54 Rn. 46; Bungeroth, in: MüKo-AktG § 54 Rn. 68. 215 Vgl. zu den Durchsetzungsmöglichkeiten Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl § 83 Rn. 14. 216 Im einschlägigen Zusammenhang BVerfGE 50, 290, 339 – Mitbestimmung. Zuletzt in ständiger Rechtsprechung BVerfGE 105, 252, 277 – Glykol; BVerfGE 104, 1, 8 – Baulandumlegung; BVerfGE 102, 1, 15 – Altlasten m. w. N. 217 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 5 I 1 a m. w. N.; Hadding, in: Soergel vor § 705 BGB Rn. 20; Ulmer, in: MüKo-BGB § 718 Rn. 2. 218 Eine gegenläufige Entwicklung hat sich im ökonomischen Denken vollzogen. Ausgehend von der Annahme, dass ausschließlich natürliche Personen ökonomisch handeln, wird von der Theorie der Unternehmung die Gesellschaft immer mehr als Instrument zur Verfolgung der originären Vermögensinteressen der Anteilseigner verstanden. (Fleischer, ZGR 2001, 1, 22 ff.; Schön, in: FS Ulmer S. 1359, 1369; Mülbert, in: FS Röhricht S. 421, 427 ff., 431 ff.). 212

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schaft als Eigentumsposition in Betracht kommen und so das aufgezeigte Problem für das gesamte Gesellschaftsrecht einheitlich zu lösen sein könnte.219 Die aufgezeigte strikte Vermögenstrennung von Verband und Mitglied ergibt den zweiten Begründungsteil dafür, dass sich das mitgliedschaftliche Vermögensrecht in engeren Sinn auf den ideellen Anteil am Verband als Objekt des Rechtsverkehrs beschränkt. Eine Zuweisung des Verbandsvermögens an das Mitglied existiert nicht.

e) Mitglied als wirtschaftlicher Eigentümer des Gesellschaftsvermögens Neben den Urteilen des Verfassungsgerichts gab es in der Vergangenheit auch in der gesellschaftsrechtlichen Dogmatik Bestrebungen, den Gesellschafter als „wirtschaftlichen Eigentümer“ des Gesellschaftsvermögens zu begreifen.220 Zuvorderst ist hier die Regierungsbegründung zum Aktiengesetz zu nennen.221 Ausgehend vom wirtschaftlichen Eigentümer fragt sie, welche Beschränkungen der einzelne Aktionär in seiner Eigentümerstellung hinzunehmen hat. Die Beschränkungen aufgrund der Existenz von Mitgesellschaftern werden dabei den Beschränkungen aufgrund öffentlicher Interessen wirtschafts- und gesellschaftspolitischer Art gleichgestellt. Diese Sicht geht von dem Aktionär als Alleineigentümer der Gesellschaft aus, der durch das Vorhandensein von Mitgesellschaftern möglichst wenig in seinem Eigentumsrecht gestört werden soll.222 Ein solcher Denkansatz muss fehlgehen, weil sich das Spannungsverhältnis, dass sich durch die Einbindung in den Verband zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks und den Freiheitsrechten des Grundgesetzes nicht durch eigentumsrechtliche Kategorien lösen lässt:223 Die Einbringung von Eigentum in eine Gesellschaft stellt einen Grundrechtsgebrauch dar, der seine Grenzen in der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte und nicht im status negativus findet.224 Es widerspricht der Qualität der Grundrechte als Freiheitsgewährleistung, wenn die Privatautonomie der Verbandsmitglieder durch ein Abwehrrecht aus Art. 14 GG gegen staatliches Handeln begrenzt werden soll. ___________ 219

Ebenso für die Aktiengesellschaft Mülbert, in: GroßKomm-AktG vor §§ 118-147 Rn. 188. Näher sogleich unten D. IV. 1. f). 220 Ausführlich zur Historie Zöllner, GesRZ Sonderheft 2004, 5. 221 RegBegr. Kropff, S. 14 ff. 222 Mülbert, S. 64. 223 Mülbert, S. 64. 224 Vgl. oben C. VIII. 1.

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Huber225 entwickelte die sog. Wertrechtslehre, die den Wert aller Vermögenspositionen eines Gesellschafters an der Gesellschaft zu einem selbständigen Vermögensgegenstand, einem Recht am Verbandsvermögen, aufwertete. Dieser Ansatz begegnet allerdings entscheidenden Bedenken, da der Wert eines Verbandsvermögens als solcher kein tauglicher Zuordnungsgegenstand der Rechtsordnung ist.226 Lediglich einzelne Vermögensgegenstände oder -rechte sind Zuordnungsobjekte des Zivilrechts, nicht jedoch Inbegriffe derselben. Auch stellt sich schon bei Huber selbst das Problem, dass hierdurch nicht die dingliche Zuordnung des Verbandsvermögens zum Verband aufgehoben wird, sondern eine „regelwidrige“ Aufspaltung in Eigentum und Wert stattfindet.227 Ulmer entwickelte diesen Ansatz zum „Vermögenswert der Beteiligung“ fort.228 Dieser umfasse alle Vermögensrechte eines Mitglieds und sei von der Mitgliedschaft unterscheidbarer Inbegriff aller dem Mitglied aufgrund des Gesellschaftsvertrages zustehenden Vermögensrechte.229 Von dieser Auffassung ist Ulmer inzwischen zu Recht abgerückt, da er ebenfalls die hierin enthaltenen Einzelpositionen dem Abspaltungsverbot unterwirft230 und zudem kein Bedürfnis mehr für eine solche Rechtsfigur sieht.231 K. Schmidt sieht übereinstimmend mit der hier vertretenen Ansicht überhaupt keine dingliche Berechtigung des Mitglieds am Gesellschaftsvermögen. Allerdings bezeichnet er die Beziehung des Gesellschafters zum Gesellschaftsvermögen im Anschluss an Huber232 als Wertanteil.233 Gleichzeitig erblickt er im Gegensatz zu Huber hierin lediglich eine Rechengröße. Damit postuliert er im Ergebnis wohl keine rechtliche Zuordnung des Verbandsvermögens zum Mitglied, zumal er ausdrücklich eine dingliche Zuordnung ablehnt.234 Speziell zum Übernahmerecht werden auf der Grundlage einer Berechtigung des Aktionärs am Gesellschaftsvermögen Begründungen übernahmerechtlicher ___________ 225

Vermögensanteil, S. 156 ff., 164, 165 ff., 365. Habersack, S. 90 f. m. w. N. 227 S. 166. Bezeichnenderweise kommt er dann zu dem Schluss: „([A]uf dieser Regelwidrigkeit scheinen, nebenbei gesagt, die Schwierigkeiten zu beruhen, die das Verständnis der vermögensrechtlichen Stellung des Gesellschafters, vor allem des Aktionärs, auch heute noch bereitet)“. 228 Ulmer, in: MüKo-BGB 2. Aufl. § 717 Rn. 15, § 719 Rn. 5. 229 Dem folgend BGHZ 97, 392, 394. 230 Vgl. oben D. IV. 1. b) und D. IV. 1. c). 231 Ulmer, in: MüKo-BGB seit 3. Aufl. § 705 Rn. 153b. Ursprünglich sah er ein Bedürfnis für diese Rechtsfigur, weil er nur so eine Nießbrauchsbestellung am Gewinnanteil eines Gesellschafters oder eine Pfändung für dogmatisch begründbar hielt. 232 S. 145 und 228. 233 K. Schmidt, NJW 2001, 991, 998; ders., Gesellschaftsrecht, § 47 III 2. 234 K. Schmidt, ebenda und § 46 II 2. 226

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Rechtssätze und ihrer Auslegung entwickelt. Busch vertritt die Auffassung, dass strukturelle Funktionsstörungen des Kapitalmarktes die Einzelaktionäre im Falle eines Übernahmeangebots daran hindern, den vollen Wert ihrer Beteiligung am Gesellschaftsvermögen zu realisieren. Dies stelle eine Beeinträchtigung ihrer durch das Grundgesetz geschützten Eigentumsrechte dar.235 Die strukturellen Funktionsstörungen des Kapitalmarktes lägen darin, dass der jeweilige Börsenwert einer Aktie den rechnerisch auf diese Aktie entfallenden Anteil am Gesellschaftsvermögen unterschreiten kann.236 Verursacht werde dies zum einen durch Spekulationen auf Wertsteigerungen. Der Handel an den Börsen sei häufig völlig losgelöst von den „fundamentalen“ Daten bezüglich der Zielgesellschaft.237 Historisch liegt dieser Vorstellung eine Entwicklung in der Rechtsprechung zugrunde, die die Methode zur Bewertung von Personengesellschaftsanteilen auch Kapitalgesellschaftsanteilen zur Anwendung brachte.238 Neben dem Fehlen dinglicher Rechte des Aktionärs am Gesellschaftsvermögen gilt es hier folgendes zu beachten: Die Aktie verkörpert allenfalls einen – untechnisch gesprochen – rechnerischen Anteil am Gesellschaftsvermögen in seiner gesellschaftsvertraglichen Gebundenheit. Soweit hier postuliert wird, dem Aktionär sei die Realisierung des vollen Wertes seiner Beteiligung durch den Kapitalmarkt verwehrt, ist damit vom Gesellschaftsrecht her eine, bezogen auf den Idealtypus der Aktiengesellschaft, falsche Grundannahme verbunden: Der Aktionär hat kein jederzeitiges Recht zur Kündigung der Gesellschaft. Das Aktienrecht kennt in § 262 Nr. 2 AktG lediglich die Liquidation durch Mehrheitsbeschluss; ein Kündigungsrecht ist nicht vorgesehen. Wenn dem Aktionär das Gesellschaftsrecht keine rechtliche Befugnis zur jederzeitigen Liquidierung seines Anteils einräumt, ist dies ein Kriterium für die Preisbemessung bei der Veräußerung einer solchen Rechtsstellung. Folgt daraus ein niedrigerer Erlös, als bei einer Liquidation zu erwarten wäre, spiegelt sich darin je nach Lage der Dinge im konkreten Fall die Unsicherheit, die ein gesellschaftsrechtliches Liquidationsverfahren hinsichtlich seiner Initiierbarkeit für den jeweiligen Aktionär und der Erlöshöhe mit sich bringt. Eine Beeinträchtigung einer Eigentumsposition lässt sich so jedenfalls nicht überzeugend begründen, denn zumindest einige Faktoren, die der Realisierung des rechnerischen Liquidationserlöses am Markt entgegenstehen, sind privatautonom durch den Gesellschaftsvertrag ge-

___________ 235

Busch, S. 91. Busch, S. 82. 237 Busch, S. 81. 238 Zu den Einzelheiten H. Henze, in: FS Lutter S. 1101, 1104 f. 236

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setzt. Die Beeinflussung des Marktpreises durch diesen Umstand ist zu allem Überfluss nicht messbar, weil es eine Gesellschaft ohne Vertrag nicht gibt.239

f) Positive Beschreibung der Eigentumsposition i. S. d. Art. 14 GG aa) Verwaltungsrechte als Eigentumsposition(en) Nachdem bisher alleine nach dem Ausschlussprinzip festgestellt wurde, dass zum einen die mitgliedschaftliche Stellung keinerlei untrennbare Vermögensrechte beinhaltet und dass das Verbandsvermögen in keiner Weise den Mitgliedern zugeordnet ist, verbleibt die Aufgabe, die Eigentumsposition, so wie sie in der Aktie verkörpert ist, positiv neu zu definieren. Ausgangspunkt ist die Funktion der Eigentumsgarantie als Element der Freiheitssicherung: Der Eigentumsgarantie kommt im Gefüge der Grundrechte die Aufgabe zu, dem Träger des Grundrechts einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern und ihm dadurch eine eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens zu ermöglichen.240 Das verfassungsrechtlich gewährleistete Eigentum ist durch Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers über den Eigentumsgegenstand gekennzeichnet.241 Es soll ihm als Grundlage privater Initiative und in eigenverantwortlichem privatem Interesse von Nutzen sein242 und genießt einen besonders ausgeprägten Schutz, soweit es um die Sicherung der persönlichen Freiheit des Einzelnen geht.243 Die besondere Herausforderung für eine Beschreibung des Eigentumsschutzes im Gesellschaftsrecht besteht darin, dass die für das Sacheigentum typische Koinzidenz von Rechtsinhaberschaft, Herrschafts- und Nutzungsmacht einerseits, Herrschaft und Verantwortung andererseits aufgelockert zu sein scheint.244 Wird jedoch im Verfassungsrecht Ernst mit der strikten Trennung der zwei Rechtssubjekte, rechtsfähiger Verband und Mitglied, gemacht, ver___________ 239

Vgl. auch die Auseinandersetzung um die Bedeutung des Börsenkurses unten D. IV. 2. c) cc). 240 Ständige Rechtsprechung BVerfGE 102, 1, 15 – Altlasten; BVerfGE 97, 350, 370 f. – Euro. 241 Ständige Rechtsprechung BVerfGE 105, 252, 277 – Glykol; BVerfGE 102, 1, 15 – Altlasten; BVerfGE 100, 226, 241 – Denkmalschutz; BVerfGE 50, 290, 339 – Mitbestimmung. 242 Ständige Rechtsprechung BVerfGE 102, 1, 15 – Altlasten; BVerfGE 100, 226, 241 – Denkmalschutz. 243 Ständige Rechtsprechung BVerfGE 102, 1, 15 – Altlasten; BVerfGE 50, 290, 340 – Mitbestimmung. 244 BVerfGE 50, 290, 343, 348 – Mitbestimmung; Suhr, S. 83 ff.; Papier, in: Maunz/Dürig Art. 14 Rn. 195; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 12 III 1.

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D. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht

schwinden diese Schwierigkeiten. Dann endet die vermögensrechtliche Zuständigkeit für das Verbandsvermögen beim Verband245 und dies bedeutet, dass das Mitglied mit dem Verband nur über seine Mitgliedschaft verbunden ist.246 Diese Rechtsposition ist es, die Art. 14 Abs. 1 GG schützt. Im Unterschied zu Sachen und Immaterialgüterrechten ist der Verband allerdings nicht nur Objekt dieser Zuweisung, sondern zugleich selbst Subjekt des Rechtsverkehrs.247 Diese Besonderheit macht es erforderlich, die untrennbar mit der Mitgliedschaft verbundenen (Mit-)Verwaltungsrechte explizit mit in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie einzustellen, da sie wesentlich für die Freiheitssicherung des Mitglieds sind.248 Denn auszugehen ist von der Überlegung, dass die Einbringung von Beiträgen in eine Gesellschaft einen Grundrechtsgebrauch darstellt,249 der dem Mitglied neue Freiheiten eröffnet: Mitgliedschaft bedeutet zugleich einen privatautonom gewollten Verlust an Souveränität und zumeist auch Vermögen zugunsten des Verbandes und Erweiterung des Aktionsradiuses des einzelnen Mitglieds zugunsten einer Teilhabe am oft nur gemeinschaftlich zu verwirklichenden Zweck.250 Die dem Mitglied durch seine mitgliedschaftliche Stellung vermittelten Gestaltungs- und Einwirkungsbefugnisse (Verwaltungsrechte) sind gerade dazu bestimmt, die vermögensrechtliche Verselbständigung des Verbandsvermögens zu kompensieren.251 Die mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechte sind verbandstypisch nach der jeweiligen Zwecksetzung (mehr ideell oder mehr erwerbswirtschaftlich) in der Satzung zusammen mit den gesetzlichen Regelungen zum jeweiligen Verbandstyp ausgestaltet. Insoweit besteht eine vom Staat geschaffene und rechtliche anerkannte Willensmacht des Mitglieds über den Verband als Objekt des Rechtsverkehrs, die in ihrem Bestand durch Art. 14 GG zu schützen ist,252 weil alle wesentlichen Merkmale eines Eigentumsrechts erfüllt sind. ___________ 245

Oben D. IV. 1. d) bb). Mülbert, S. 64; ders., in: GroßKomm-AktG, vor §§ 118-147 Rn. 188; Kießling, in: FS Hadding S. 477, 492. Nach Verbandsform differenzierend, für die Publikumsgesellschaft zustimmend Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 12 III 1. 247 Habersack, S. 155. 248 Zu gleichem Ergebnis kommen für den aktienrechtlichen Auskunftsanspruch (§ 131 AktG) BVerfG ZIP 1999, 1798, 1799 – Wenger/Daimler-Benz; BVerfG ZIP 1999, 1801, 1802 – Scheidemandel II und für das Stimmrecht Zöllner/Hanau, AG 1997, 206, 207 ff. sowie Jung, JZ 2001, 1004, 1012 für die unternehmerische Bestimmungsbefugnis. 249 Vgl. oben C. VIII. 1. 250 Habersack, S. 142 f. 251 Ähnlich aber mit anderer Begründung Schön, in: FS Ulmer S. 1359, 1376. 252 Man wird sogar so weit gehen können, die Verwaltungsrechte im Gesellschaftsrecht einer Institutsgarantie zu unterstellen. Da die Eigentumsrechte durch den inhaltsbestimmenden Gesetzgeber geschaffen werden, vermag die Rechtsstellungsgarantie des 246

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Diese Sichtweise fügt sich nicht völlig problemlos in die eingangs erwähnte Funktionsbeschreibung der Eigentumsgarantie ein.

bb) Privatnützigkeit des Eigentumsgegenstandes Verwaltungsrecht Das Bundesverfassungsgericht sieht die wesentlichen Merkmale des verfassungsrechtlich geschützten Eigentums darin, dass ein vermögenswertes Recht dem Berechtigten ebenso ausschließlich wie Eigentum an einer Sache zur privaten Nutzung und zur eigenen Verfügung zugeordnet ist.253 Auf dieser Grundlage hat es im Einzelnen den Schutz der Eigentumsgarantie nicht nur für dingliche oder sonstige absolute, gegenüber jedermann wirkende Rechtspositionen bejaht,254 sondern auch für Forderungen.255 Der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz beschränkt sich nicht auf bestimmte vermögenswerte Rechte. Aus der Funktion der Eigentumsgarantie folgt vielmehr, dass unter deren Schutz im Bereich des Privatrechts grundsätzlich alle vermögenswerten Rechte fallen, die dem Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, dass er die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf.256 Ein Recht ist schon dann privatnützig, wenn es zum eigenen Vorteil ausgeübt werden kann und damit dem Berechtigten „von Nutzen“ ist.257 Die Verwaltungsrechte erfüllen diese Anforderungen, denn grundsätzlich darf sie jeder Gesellschafter nach eigenem Ermessen aus___________ Eigentums, die nur bereits konstituierte vermögenswerte Rechte schützen kann, keinen Schutz gegenüber dem den Inhalt des Eigentums (erstmals) bestimmenden Gesetzgeber zu bieten. Zur Bestimmung der Reichweite der deshalb allgemein anerkannten Einrichtungsgarantie (Papier, in: Maunz/Dürig Art. 14 Rn. 11 ff.) können sowohl ein traditionsbezogener als auch ein funktionsbezogener Garantiegehalt herangezogen werden (Wendt, S. 187 ff., 249.). Eine traditionell vorhandene Grundstruktur des gesamten Gesellschaftsrechts sind Mitverwaltungsrechte allemal. Da Inhalt und Umfang der Verwaltungsrechte durch Grundrechtsgebrauch (im Rahmen der Satzungsautonomie) bestimmt werden, lässt sich aus der Historie keine Institutsgarantie für bestimmte Verwaltungsrechte ableiten. Dies kann jedoch unter Hinzunahme des funktionsbezogenen Garantiegehalts geschehen: Freiheitssicherung und Privatnützigkeit erfordern zumindest Einfluss auf den gemeinsamen Gesellschaftszweck. 253 Ständige Rechtsprechung BVerfGE 78, 58, 71 m. w. N. – Ausstattungsschutz. 254 Vgl. etwa BVerfGE 51, 193, 216 ff. – Schlossberg (Warenzeichen); BVerfGE 78, 58, 71 – Ausstattungsschutz; BVerfGE 79, 174, 191 – Straßenverkehrslärm (Erbbaurecht). 255 Vgl. BVerfGE 45, 142, 179 – Kaufpreisanspruch; 70, 278, 285 – steuerlicher Erstattungsanspruch. 256 BVerfGE 83, 201, 209 – Bundesberggesetz. 257 BVerfGE 83, 201, 209 – Bundesberggesetz; BVerfGE 53, 257, 290 – Versorgungsausgleich I; vgl. auch Mülbert/Leuschner, ZHR 170 (2006) 615, 638 f. zum abweichenden Bedeutungsgehalt von Privatnützigkeit im Bereich des § 903 BGB.

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üben.258 An der Privatnützigkeit ändert sich nichts dadurch, dass den Verwaltungsrechten bestimmte Grenzen gezogen sind, etwa beim Stimmrecht insbesondere durch den gemeinsamen Gesellschaftszweck259, durch Auskunftsverweigerungsgründe nach § 131 Abs. 3 AktG260 oder Redezeitbegrenzungen auf der Gesellschafterversammlung.261 Die Existenz gewisser Schranken bei Verwaltungsrechten bedeutet nicht, dass sich ihr Charakter von privatnützig in gemeinnützig wandelt; innerhalb rechtmäßiger Schranken sind die Verwaltungsrechte allein dem Mitglied von Nutzen, darüber hinaus bestehen sie nicht.

cc) Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand Verwaltungsrecht Nach allgemeinem Verständnis ist das verfassungsrechtlich gewährleistete Eigentum durch eine grundsätzliche Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand gekennzeichnet.262 Damit sind entgegen der zivilrechtlichen Terminologie sowohl Befugnisse aus dem Recht als auch über das Recht gemeint.263 Diese Grundaussage ist offensichtlich geprägt von dem traditionsbezogenen Verständnis des Eigentums als universellem Herrschaftsrecht.264 Jedoch rückte das Verfassungsgericht von diesem Interpretationsansatz bereits zu Gunsten eines mehr funktionsbezogenen Verständnisses ab:265 „Voraussetzung des Schutzes ist [...] nicht, dass über die Rechte uneingeschränkt verfügt werden kann, diese insbesondere auch beliebig übertragbar sind. Zwar ist die grundsätzliche Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand ein wesentliches Merkmal des Eigentums. Jedoch ist dem Gesetzgeber die Schaffung vermögenswerter Rechte, bei denen die Verfügungsmöglichkeit – die sich von der sonstigen Nutzung des Rechts ohnehin nicht immer deutlich abgrenzen lässt – eingeschränkt ist, nicht ohne weiteres verwehrt. Es besteht kein sachlicher Grund, derart ausgestaltete Rechte vom Schutz der Eigentumsgarantie auszunehmen.“266

___________ 258

Für das Stimmrecht Raiser/Veil, § 33 Rn. 67. Vgl. hierzu Zöllner, S. 287 ff., 318 ff.; Zöllner/Hanau, AG 1997, 206, 208. 260 Im Ergebnis übereinstimmend BVerfG ZIP 1999, 1801 – Scheidemandel II. 261 Im Ergebnis übereinstimmend BVerfG ZIP 1999, 1798 – Wenger/Daimler-Benz. 262 Ständige Rechtsprechung BVerfGE 102, 1, 15 – Altlasten; BVerfGE 100, 226, 241 – Denkmalschutz; BVerfGE 50, 290, 339 – Mitbestimmung. 263 Vgl. BVerfGE 52, 1, 30 f. – Kleingarten. 264 Vgl. Wendt, S. 17 ff. und 194 ff. 265 Den funktionellen Ansatz beschreibt und bevorzugt auch Wendt, S. 75 ff., da er imstande ist, sozialen, ökonomischen und sonstigen Realbezüge des Eigentums in die verfassungsrechtliche Gewährleistung mit einzubringen und eine unbegründete Festschreibung überkommener Freiheitsstrukturen vermeidet (S. 78). 266 BVerfGE 83, 201, 209 – Bundesberggesetz; bestätigt durch BVerfGE 91, 294, 307 – Mietpreisbindung. 259

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Demnach steht die auf dem Abspaltungsverbot fußende Unübertragbarkeit isolierter Mitverwaltungsrechte ihrer Anerkennung als Schutzobjekt des Art. 14 GG nicht entgegen.267 Ebenso wie beim bergrechtlichen Vorkaufrecht nach § 141 ABG, um das es in der zitierten Entscheidung geht, können die Verwaltungsrechte nur zusammen mit einem Hauptrecht – dort Grundstück, hier Mitgliedschaft – übertragen werden. Zwar taucht hier wieder die bereits angesprochene Fragestellung auf,268 ob es sich bei der Mitgliedschaft um ein einzelnes subjektives Recht handelt, das die Mitverwaltungsrechte in sich verkörpert, oder nur um eine Stellung im Rechtsverhältnis. Für das Verfassungsrecht bleibt dies an dieser Stelle ohne Bedeutung, da Art. 14 GG sowohl absolut geschützte Rechte als auch relative Rechte schützt, so sie denn zu Eigentum ausgeformt sind. Mit der ersten Auffassung stimmt wohl das Verfassungsgericht überein, da es Auskunftsansprüche als (wesentlichen) Bestandteil des Mitgliedschaftsrechts bezeichnet.269 Dennoch bedarf es einer weitergehenderen Begründung als dem vom Gericht angeführten praktischen Leerlaufen der Dispositionsfreiheit über den Eigentumsgegenstand für die Qualifizierung dieser Verwaltungsrechte als Eigentumsrecht.270 Denn dies beinhaltet eine petitio principii: Fehlen qualifizierende Rechte für eine echte Dispositionsfreiheit des Mitglieds, liegt in der Mitgliedschaft eben kein Eigentumsrecht, weil es an der grundsätzlichen Verfügungsbefugnis aus dem Recht fehlt.271 Für die Verfechter einer subjektivrechtlich ausgestalteten Mitgliedschaft gilt es also zu klären, ob die Verwaltungsrechte als Bestandteil der Mitgliedschaft geschützt werden, für die Übrigen, ob ein eigenständiger Schutz in Betracht kommt. Beides kann als gesichert angesehen werden, wenn den Verwaltungsrechten sogar als eigenständigen (relativen) Rechten Eigentumsqualität nachgewiesen sein wird. Dies wird im Folgenden zu zeigen sein.

___________ 267 Ohne nähere Begründung übereinstimmend für den aktienrechtlichen Auskunftsanspruch (§ 131 AktG) BVerfG ZIP 1999, 1798, 1799 – Wenger/Daimler-Benz; BVerfG ZIP 1999, 1801, 1802 – Scheidemandel II. 268 Oben D. IV. 1. b). 269 BVerfG ZIP 1999, 1798,1799 – Wenger/Daimler-Benz; BVerfG ZIP 1999, 1801, 1802 – Scheidemandel II. 270 BVerfG ZIP 1999, 1798,1799 – Wenger/Daimler-Benz. 271 Jedenfalls wenn einmal als richtig erkannt ist, dass neben dem Verband als Objekt des Rechtsverkehrs das Verbandsvermögen nicht als Eigentumsgegenstand des Mitglieds in Betracht kommt.

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D. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht

dd) Verwaltungsrechte als vermögenswerte Rechte Die durch das Abspaltungsverbot eingeschränkte Verfügungsbefugnis des Grundrechtssubjekts über Verwaltungsrechte führt zur abschließenden Problematik bei der Bestimmung ihrer Eigentumsqualität: Sichern sie trotzdem einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich? Für die Einordnung als vermögenswertes Recht kommt es nach der Bergbaugesetz-Entscheidung des Verfassungsgerichts nicht auf die objektive wirtschaftliche Günstigkeit der Rechtsposition an.272 Eine vermögenswerte Natur eines Rechts ergibt sich bereits dann, wenn der Berechtigte sein Interesse durchsetzen kann. Darunter kann nur die Interessendurchsetzung zu verstehen sein, die das jeweilige Recht zu gewähren bestimmt ist. Ein relevanter Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich kann sich daher ebenso gut aus einer Verfügungsbefugnis aus dem Recht wie über das Recht ergeben.273 Auf das Vorhandensein eines (eigenen) Marktwertes kommt es demzufolge nicht an.274 Die Ausübung und Durchsetzbarkeit der Verwaltungsrechte im eigenen Interesse wurde bereits nachgewiesen.275

g) Fazit Nach der hier vertretenen Auffassung sind im Gegensatz zu der herrschenden Meinung in der mitgliedschaftlichen Stellung keine trennbaren Vermögensrechte wie zum Beispiel der Dividendenzahlungsanspruch verkörpert.276 Die durch das Aktieneigentum vermittelten abspaltbaren vermögensrechtlichen Ansprüche unterfallen zwar dem Schutz der Eigentumsgarantie, jedoch wegen der Reichweite des zivilrechtlichen Abspaltungsverbots gemäß § 717 Abs. 1 BGB sind sie nicht in der Aktie verkörpert.277 Verfassungsrechtlich ist beim Mitglied der Ursprung, das Verwaltungsrecht, durch die Eigentumsgarantie geschützt. Der Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG erfasst sämtliche Verwaltungsrechte eines Verbandsmitglieds und die Zuordnung des Verbandes als Objekt des Rechtsverkehrs zum Mitglied.278 Dies spiegelt die traditionell anerkannten Eigentumsbefugnisse des „Habens“ und „Gebrauchens“ an einem ___________ 272

BVerfGE 83, 201, 210 – Bergbaugesetz. Als Beispiel seien hier nur die beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten gem. §§ 1090 ff. BGB genannt. 274 Für das Stimmrecht Zöllner/Hanau, AG 1997, 206, 208. 275 Oben D. IV. 1. f) bb). 276 So aber BVerfGE 100, 289, 302 – DAT/Altana; BVerfG ZIP 2000, 1670, 1671; Papier, in: Maunz/Dürig Art. 14 Rn. 195. 277 Oben D. IV. 1. b). 278 Ähnlich Jung, JZ 2001, 1004, 1012. 273

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konkreten Gegenstand auf die weniger traditionell verfestigte, unkörperliche Rechtsfigur Verband.279 Das Rechtsverhältnis zwischen Mitglied und Verband ist das Ergebnis der jeweiligen privatautonomen Ausgestaltung des Innenverhältnisses der Gesellschafter sowie der gesellschaftsrechtlichen (scil. einfachgesetzlichen) Rechtssetzung entsprechend Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Es lässt sich gleichermaßen als subjektives Recht und als Inbegriff von Einzelrechten unter den Eigentumsbegriff des Grundgesetzes subsumieren. Ein „Durchgriff“ auf das Verbandsvermögen ist nicht nur überflüssig, sondern leugnet den Umstand, dass nur das unterverfassungsrechtliche Recht verfassungsgeschütztes Eigentum ausformt. Die zivilrechtliche Vermögenszuordnung zur juristischen Person entzieht dem Mitglied jegliche Berechtigung am Verbandsvermögen für die Zeit der gemeinsamen Zweckverfolgung. In dieser Zeit ersetzen die Verwaltungsrechte die Verfügungsbefugnisse über die gesellschaftsrechtlich gebundenen Vermögensgegenstände nur wirtschaftlich, nicht rechtlich.280 Weil dem so ist, kommen dem Aktionär originäre und unentziehbare Verwaltungsrechte bezogen auf das Gesellschaftsvermögen zu, ohne dass damit Vermögensrechte oder Verfügungsbefugnisse verbunden wären. Hier seien nur das besondere Verfahren zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft in § 147 AktG, die Geltendmachung von Ersatzansprüchen in Prozeßstandschaft bzw. als actio pro socio in § 309 Abs. 4 Satz 1 und 2 AktG281 und die besondere Hauptversammlungszuständigkeit nebst Durchsetzung der Rückübertragung bei Missachtung der Hauptversammlungskompetenz im Holzmüller-Fall282 genannt.

2. Schutzgebot für angemessene Abfindung und angemessenen Ausgleich Nachdem eine Neudefinition des Schutzbereichs von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG im Gesellschaftsrecht versucht wurde, gilt es zu klären, ob und welche Schutzpflichten des Staates sich aus einem so verstandenen Eigentum ergeben.

___________ 279

Ähnlich Webering, S. 10. Vgl. zur Verwandtschaft von Verwaltungs- und Verfügungsbefugnissen im Zivilrecht Wiedemann, S. 283. 281 Die Rechtsnatur des Klagerechts ist streitig. Vgl. Altmeppen, in: MüKo-AktG § 309 Rn. 122. 282 BGHZ 83, 122 – Holzmüller. 280

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D. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht

a) Unterscheidbarkeit von inhaltsbestimmenden und schrankenziehenden Gesetzen Für das Verfassungsgericht handelt es sich bei dem DAT/Altana-Beschluss lediglich um die Bestätigung seiner Rechtsprechung im Feldmühle-Urteil.283 Konsequenterweise ergeht die Entscheidung auch als Beschluss nach §§ 93c, 93a Abs. 2 lit. b BVerfGG mit der zentralen Aussage, dass dem Aktionär für seinen Verlust an Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG „volle Entschädigung“ gewährt werden muss.284 Das Gericht ordnet an anderer Stelle285 die Vorschriften der §§ 304 f. AktG als Schrankengesetz im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 2. Var. ein. Für § 320b AktG dürfte angesichts der identischen Beurteilung der Vorschrift mit den §§ 304 f. AktG im DAT/Altana-Beschluss286 nichts anderes gelten. Die Einordnung als Schrankengesetz hat nach seiner ständigen Rechtsprechung eine äußerst weitgehende Wirkung: Die einfachen Gerichte müssen sich bei der Auslegung und Anwendung dieser eigentumsbeschränkenden Vorschriften im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG innerhalb der Grenzen halten, die dem Gesetzgeber durch Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 GG bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Eigentümerbefugnisse gezogen sind. Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse müssen danach der verfassungsrechtlichen Anerkennung des Privateigentums sowie dem Gebot einer sozialgerechten Eigentumsordnung gleichermaßen Rechnung tragen und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Die einfachen Gerichte haben die Aufgabe, die im einfachen Gesetz auf verfassungsmäßiger Grundlage zum Ausdruck gekommene Interessenabwägung zu beachten und nachzuvollziehen.287 Es drängt sich dabei der Verdacht auf, dass das Verfassungsgericht hier – jedenfalls heuristisch – von einem von ihm ansonsten abgelehnten288 absoluten Eigentumsbegriff ausgeht,289 der durch jede einzelne Strukturmaßnahme nach dem AktG beschränkt wird. Dem steht dogmatisch der Befund entgegen, dass die gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahme nicht staatliches Handeln, son___________ 283

BVerfGE 100, 289, 303 – DAT/Altana. BVerfGE 100, 289, 305 – DAT/Altana. 285 Die Beurteilung wird bestätigt durch BVerfG NZG 1999, 302, 303; NZG 1999, 397. 286 BVerfGE 100, 289, 304 f. – DAT/Altana. 287 BVerfGE 68, 361, 371 f. – Eigenbedarf I.; BVerfG NZG 1999, 302, 303. 288 BVerfGE 58, 300, 335 f. m. w. N. – Nassauskiesung. 289 Schön, in: FS Ulmer S. 1359, 1385. Webering, S. 45 f. meint dagegen, das BVerfG ginge nur von einem Leitbild einer aktienrechtlichen Mitgliedschaft aus. Vgl. genauer D. Fn. 339. 284

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dern privates Handeln ist, welches nicht Gegenstand verfassungsrechtlicher Prüfung sein kann.290 Gedanklich setzt das Gericht voraus, dass zwischen inhaltsbestimmenden und schrankenziehenden Gesetzen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG materiell unterschieden werden kann.291 Denn formten die §§ 304 f., 320b AktG den Inhalt des Eigentums aus, bedürften sie jedenfalls nicht in jedem Einzelfall einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung, sondern allenfalls wenn ihnen bei ihrem Erlass auch beschränkende Wirkung hinsichtlich bestehender Eigentumspositionen zukäme.292 Die Frage der materiellen Unterscheidbarkeit eines Gesetzes dahingehend, ob es inhaltsbestimmenden oder schrankensetzenden Charakter besitzt, ist umstritten.293 Vornehmlich Wendt sieht Inhaltsnormen als solche, die die Eigentumsrechte und die damit verbundenen Befugnisse generell und pflichtneutral festlegen. Schrankennormen hätten hingegen die aus der Innehabung und Ausübung von solcherart zuerkanntem Eigentum sich ergebenden Bürger-Bürgerund Bürger-Staat-Konflikte zum Regelungsgegenstand.294 Völlig unabhängig von der Überzeugungskraft dieser Unterscheidung im Hinblick auf andere Fälle, in denen die Gestaltungsbefugnisse des Gesetzgebers wirksam dadurch kontrolliert werden sollen, dass man mit dieser Unterscheidung einen grundrechtstypischen Anspruch auf eine Sphäre grundsätzlich unantastbarer Gewährleistung postuliert,295 lassen sich die Probleme beim Ausgleich privater Interessen innerhalb des gesellschaftsrechtlich verfassten Eigentums nicht lösen.296 Denn die verfassungsrechtlich zulässige Eingliederung beispielsweise lässt als Rechtsfolge des § 320a AktG für die betroffenen Minderheitsaktionäre vom Inhalt ihres Eigentums nichts übrig. Der Übergang des Eigentums zum Abfindungsanspruch stellt sich nicht als Begrenzung des Eigentums dar – ein Forderungsrecht lässt sich nicht als lediglich beschränkte mitgliedschaftliche Stellung begreifen. Es handelt sich bei den Eingliederungsvorschriften tendenziell eher um eine Inhaltsbestimmung des Eigentums. ___________ 290

Oben C. VI. Vgl. auch Mülbert/Leuschner, ZHR 170 (2006) 615, 626 f. Dafür Wendt, S. 147 ff.; ders., in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 55 m. w. N.; a. A. Papier, in: Maunz/Dürig Art. 14 Rn. 307; Bryde, in: vMünch/Kunig, Art. 14 Rn. 51 m. w. N. 292 Vgl. BVerfGE 72, 9, 22 f. – Arbeitslosengeldanspruch. 293 Ruffert, S. 110 ff. 294 Wendt, S. 147 ff.; ders., in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 55. Ausführlich auch Limpens S. 100 ff. 295 Wendt, S. 147 ff., 157 f.; ders., in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 56. 296 A. A. Webering, S. 14. 291

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D. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht

Für die Unternehmensverträge gilt aus weiteren Überlegungen heraus nichts anderes. Die mitgliedschaftliche Stellung hat einen umfassenden, durch den Gesellschaftszweck in seiner Richtung bestimmten und „nach vorne offenen“ Charakter,297 der eine quantitativ, inhaltlich und zeitlich gänzlich unbestimmte Gesamtheit von Mitwirkungs- und Gestaltungsbefugnissen zusammen mit den sonstigen mitgliedschaftlichen Elementen zu einer einheitlichen Position bündelt.298 Die Beeinträchtigung einzelner Verwaltungsrechte durch einen Unternehmensvertrag kann nicht als bloße Beschränkung begriffen werden, weil die zukünftigen Auswirkungen dieser Beschränkung auf die Gesamtheit der Mitwirkungs- und Gestaltungsbefugnissen völlig offen ist. Der langfristige Zeithorizont eines Gesellschaftsvertrages macht es unmöglich, in ihm ex ante nur wohldefinierte Verpflichtungen festzulegen, und birgt so in besonderem Maße die Gefahr eines Ex-Post-Opportunismus: Ein Minderheitsgesellschafter kann nicht ausschließen, dass die Gesellschaftermehrheit ihn im Zeitablauf auf die eine oder andere Weise benachteiligen wird. Seine Verwaltungsrechte können hiergegen wirken. Eine Beseitigung einzelner Verwaltungsrechte hat daher eine mitgliedschaftliche Stellung neuen Inhalts zur Folge. Und ganz prinzipiell erscheint vor dem Hintergrund der Nassauskiesungsentscheidung eine materielle Unterscheidung zwischen Inhalts- und Schrankennormen fragwürdig.299 Selbst wenn dem Gericht darin gefolgt wird, dass eigentumsgeschützt eine Berechtigung des Aktionärs am Gesellschaftsvermögen ist, lässt sich doch nicht leugnen, dass diese Berechtigung lediglich in den einfachgesetzlichen, verfassungsrechtlich zulässigen300 Schranken der Vorschriften zu Unternehmensverträgen und zur Eingliederung besteht. Da Eigentum zu einem bestimmten Zeitpunkt alles umfasst, was das einfache Recht zu diesem bestimmten Zeitpunkt als Eigentum definiert,301 lässt es sich immer nur bezogen auf diesen Zeitpunkt begründen, warum eine eigentumsrelevante Regelung (neue) Schranken setzt oder (neues) Eigentum inhaltlich bestimmt.302 Für alle Zukunft definiert dann diese Regelung allenfalls, soweit sie zulässig ist bzw. war, das Eigentum anders.303 Eine Prüfung der Grenzen, die dem Gesetzgeber durch Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 GG bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Eigentümerbefugnisse gezogen sind, findet nicht mehr statt, weil die Regelung zu ___________ 297

Lutter, AcP 180 (1980) 84, 91 f. Habersack, S. 99. 299 Papier, in: Maunz/Dürig Art. 14 Rn. 307; Bryde, in: vMünch/Kunig, Art. 14 Rn. 51 m. w. N. 300 BVerfGE 100, 289, 304 – DAT/Altana. 301 BVerfGE 58, 300, 336 – Nassauskiesung. 302 Ehlers, VVDStRL 51 (1992) 211, 224 f.; Pieroth/Schlink, Rn. 920. 303 Pieroth/Schlink, Rn. 899. 298

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jeder Zeit nach ihrer rechtmäßigen Einführung keine fortwährende Schrankensetzung, sondern eine fortgeltende Inhaltsbestimmung darstellt.304 Auch ist zu konzedieren, dass eine Unterscheidung zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmung ohne rechtsdogmatische und sachliche Bedeutung ist,305 weil es häufig reiner Zufall ist, ob Eigentum vom Gesetzgeber von vorne herein durch eine restriktive Inhaltsbestimmung oder durch eine Schrankenregelung bei zunächst extensiver Inhaltsfestlegung definiert wird.306

b) Ausgleichspflichtigkeit von Inhaltsbestimmungen Die Zielsetzung des Verfassungsgerichts, die hinter der Unterscheidung von Inhaltsbestimmung und Schrankensetzung steckt, dürfte darin liegen, der im Feldmühle-Urteil formulierten Bedingung für die Zulässigkeit einer eigentumsrelevanten gesetzgeberischen Maßnahme im Bereich des Aktienrechts auch knapp 37 Jahre später noch Geltung zu verschaffen. Damals hielt das Verfassungsgericht den Eingriff in das Eigentum der Minderheitsaktionäre nur für zulässig, weil deren berechtigte Interessen gewahrt wurden.307 Dahinter steht die heute weitgehend anerkannte Einsicht, dass die vom Gesetzgeber zu beachtende Gewährleistung des Eigentums ihn auch bei einer generellen Bestimmung des Eigentumsinhalts und nicht nur bei einer Enteignung zwingen kann, eine Eigentumsaufopferungsentschädigung vorzusehen, falls das Gesetz ohne Entschädigungsregelung z. B. einzelne Eigentümer unverhältnismäßig belasten oder berechtigtes Vertrauen enttäuschen würde.308 Die Anerkennung verfassungsrechtlicher Entschädigungspflichten neben Art. 14 Abs. 3 GG im Geltungsbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG hat vor allem Bedeutung für den Bereich, für den der enge Enteigungstatbestand im Sinne der Rechtsprechung ___________ 304 Methodisch ebenso BGHZ 70, 117, 126 – Mannesmann; Hanau, NZG 2002, 1040, 1044 ff. 305 Papier, in: Maunz/Dürig Art. 14 Rn. 307; Bryde, in: vMünch/Kunig, Art. 14 Rn. 51. 306 BVerfGE 58, 300, 336 – Nassauskiesung. 307 BVerfGE 14, 263, 283 – Feldmühle. 308 Erstmals BVerfGE 58, 137, 149 f. – Pflichtexemplar; deutlicher dann schon BVerfGE 79, 174, 192 – Straßenverkehrslärm; BVerfGE 83, 201, 213 – Bundesberggesetz; BVerfGE 100, 226, 244 – Denkmalschutz; explizit auch für das Feldmühle-Urteil Schulze-Osterloh, NJW 1981, 2537, 2544; ders., S. 262; Schwabe, JZ 1983, 273, 276; Roller, NJW 2001, 1003, 1004; allgemein Schulze-Osterloh, S. 276 ff.; Ehlers, VVDStRL 51 (1992) 211, 232 ff.; Bryde, in: vMünch/Kunig, Art. 14 Rn. 65; Pieroth/Schlink, Rn. 934 ff.; Webering, S. 12; Jung, JZ 2003, 1004, 1013; kritisch wegen prinzipiell entschädigungsloser Sozialbindung Papier, in: Maunz/Dürig Art. 14 Rn. 347 ff. und Wendt, S. 315 ff.; ders., in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 83, der nur bei Überschreiten der Sozialpflichtigkeit eine Entschädigungspflicht anerkennt.

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D. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht

des Bundesverfassungsgerichts309 als verfassungsrechtlicher Zulässigkeitsmaßstab ausscheidet, also für die Frage „in sich“ verfassungsrechtlich zulässiger Ausgestaltung eigentumsrechtlicher Rechtspositionen für die Zukunft.310 Dies betrifft zuvorderst die zivilrechtliche Eigentumsgesetzgebung, die nach herrschender Meinung überhaupt nicht an dem auf öffentlich-rechtliche Eigentumsbeeinträchtigungen beschränkten Art. 14 Abs. 3 GG zu messen ist.311 Zu beantworten bleibt damit, wo die Grenzen einer im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dem Eigentümer entschädigungslos zumutbaren Inhaltsbestimmung liegen und, falls diese Grenzen überschritten werden, wie die Höhe einer Entschädigung beeinflusst wird. Teile der Literatur sehen allein die Intensität einer Eigentumsbeschränkung als das maßgebliche Kriterium zur Bestimmung einer Ausgleichspflicht an.312 Die Bedeutung öffentlicher Interessen sei bei der Beurteilung einer finanziellen Ausgleichspflicht nicht maßgebend. Vielmehr seien bei Beeinträchtigungen von Eigentümerinteressen zwei Abwägungen vorzunehmen, die voneinander zu trennen seien. Zunächst müsse geprüft werden, ob eine Beschränkung überhaupt im Hinblick auf die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentümerinteressen zulässig sei. Es sei zu beurteilen, ob der öffentliche Belang so schwer wiege, dass auch gewichtige Eigentümerinteressen eingeschränkt werden könnten.313 In einer zweiten Abwägung sei zu entscheiden, ob diese Beschränkung ohne Ausgleich erfolgen könne.314 Bei der zweiten Abwägung sei das Gewicht der öffentlichen Belange nicht mehr zu berücksichtigen. Die Frage, ob eine solche Eigentumsbeschränkung zu einem Ausgleich führen müsse, stelle sich nämlich nur bei entsprechend gewichtigen öffentlichen Belangen, da sich andernfalls die Inhalts- und Schrankenbestimmung schon angesichts der Bestandsgarantie des Eigentums als verfassungswidrig erweise. Wegen der Wertgarantie des Art. 14 GG sei nunmehr zu prüfen, ab welcher Intensität der Ei___________ 309 BVerfGE 52, 1, 27 f. – Kleingarten: Enteignung i. S. des Art. 14 III GG ist der staatliche Zugriff auf das Eigentum des Einzelnen. Ihrem Zweck nach ist sie auf die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver Rechtspositionen gerichtet, die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet sind ... Demgegenüber versteht das Grundgesetz unter Inhaltsbestimmung i. S. des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG die generelle und abstrakte Festlegung von Rechten und Pflichten durch den Gesetzgeber hinsichtlich solcher Rechtsgüter, die als Eigentum im Sinne der Verfassung zu verstehen sind. Sie ist auf die Normierung objektiv-rechtlicher Vorschriften gerichtet, die den ‚Inhalt‘ des Eigentumsrechts vom Inkrafttreten des Gesetzes an für die Zukunft bestimmen ... 310 Hierzu deutlich BVerfGE 49, 382, 393, 398 ff. – Kirchenmusikprivileg. 311 Vgl. oben D. I. und Nachweise in D. Fn. 19. 312 Schönfeld, NVwZ 1999, 380, 382; Schulze-Osterloh, NJW 1981, 2537, 2542; ähnlich Papier, in: Maunz/Dürig Art. 14 Rn. 375; Leisner, DÖV 1991, 781, 787. 313 Leisner, DÖV 1991, 781, 786. 314 Leisner, DÖV 1991, 781, 786; Schulze-Osterloh, NJW 1981, 2537, 2543.

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gentumsbeeinträchtigung ein Ausgleich zu erfolgen habe. Das hänge aber nur noch von Umfang und Gewicht der Einschränkung der Eigentümerbelange ab. Deshalb gebe es keinen Grundsatz des Entschädigungsrechts, wonach umso weniger entschädigt werden müsse, je gewichtiger die Allgemeinwohlbelange zu bewerten seien. Diese Auffassung kann nicht überzeugen, weil sie der Bedeutung der Ausgleichspflicht zur Wiederherstellung der Verhältnismäßigkeit und damit dem Wesen der darin eingeschlossenen Abwägung nicht gerecht wird.315 Ein Ausgleich ist unmittelbar mit der Eigentumsbeschränkung verbunden und damit Teil einer gesetzgeberischen Gesamtregelung, die im Ganzen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen muss. Die Aufgabe des Ausgleichs liegt dabei darin, eine Beschränkung dahingehend abzumildern, dass die Verhältnismäßigkeit der Eigentumsbeschränkung wiederhergestellt wird. Ein möglicher Ausgleich ist folglich eng mit dem zu beurteilenden staatlichen Eingriff verknüpft und darf nicht einem anderen Prüfungsmaßstab unterliegen als der übrige Teil der Gesamtregelung. Die Prüfung der Grundrechtsbeeinträchtigung am Maßstab der Verhältnismäßigkeit darf sich nicht auf eine einseitige Zumutbarkeitsprüfung beschränken und lediglich danach fragen, ob unabhängig von den verfolgten öffentlichen Interessen eine Mindestposition des Betroffenen beachtet wird. Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung und die damit verbundene Abwägung können nicht ohne Berücksichtigung des Zwecks der Maßnahme und der mit ihr verfolgten öffentlichen Interessen erfolgen.316 Im Ergebnis sind die öffentlichen Belange auch bei der Entscheidung zu berücksichtigen, ob im Einzelfall zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ein Ausgleich i. S. des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu gewähren ist. Der mit der Maßnahme intendierte Zweck und der Grad der Zweckerreichung können ein entscheidender Einflussfaktor im Rahmen der Abwägung über Ausgleichspflichten sein.317 Eine Tendenz zur Berücksichtigung öffentlicher Belange bei der Bestimmung einer Ausgleichspflicht besteht auch in der Rechtsprechung. In Fällen wie dem des Aktienrechts, in denen der Nutzen einer Eigentumsbeeinträchtigung nicht vorrangig der Allgemeinheit zukommt, lehnt sie eine Entschädigungslosigkeit ab, weil sich eine Unentgeltlichkeit in derartigen Fällen weder mit der Sozialbindung des Eigentums noch mit dem mit der gesetzlichen Regelung verfolgten Zweck rechtfertigen lässt.318 Sellmann möchte daraus ganz all___________ 315

Sellmann, NVwZ 2003, 1417, 1420. BVerfG, NJW 2003, 196, 198. 317 Sellmann, NVwZ 2003, 1417, 1420. 318 BVerfGE NJW 2003, 196, 198; BGHZ 145, 16, 32 ff. 316

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D. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht

gemein folgern, es sei dem betroffenen Eigentümer ein Ausgleich in voller Höhe zu gewähren, wenn insbesondere private Dritte von einer Eigentumsbeeinträchtigung profitierten. Ein Ausgleich in voller Höhe sei geboten, weil mit der Beeinträchtigung der betroffenen Eigentümerinteressen in erster Linie den widerstreitenden Interessen anderer Privater Rechnung getragen wird.319 Die Grenzen des durch eine Inhaltsbestimmung des Eigentums entschädigungslos Zumutbaren sind damit für die Normen des Privatrechts klar dahingehend umrissen, dass eine Entschädigung vom Gesetzgeber vorgesehen werden muss, wenn die Maßnahme auch einem Privaten von Nutzen ist. Es erscheint aber widersprüchlich, wenn das Bundesverfassungsgericht320 und Sellmann321 in diesen Fällen immer eine Entschädigung in voller Höhe, d. h. im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls nicht unter dem Verkehrswert,322 annehmen. Da das öffentliche Interesse an der eigentumsrelevanten Maßnahme, wie soeben dargestellt, in die Abwägung hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Inhaltsbestimmung einfließt, hängt auch die Höhe der Entschädigung von dem öffentlichen Interesse an der Maßnahme ab. Es kann z. B. nicht generell ausgeschlossen werden, dass die Begünstigung eines Privaten zu Lasten eines anderen Privaten im öffentlichen Interesse liegt und deshalb die (gebotene) Abfindungshöhe sinkt.323 Das Ausmaß der Absenkung muss in einem solchen – hier sicher nicht gegebenen – Fall als entschädigungsfreie Sozialbindung hingenommen werden (Sozialbindungsabzug)324. Dies führt zu der Frage, in welcher Höhe die Verfassung einen Ausgleich vorschreibt.

c) Höhe des angemessenen Ausgleichs und der angemessenen Abfindung Offen ist, ob der Gesetzgeber prinzipiell im einfachen Gesetz auch Art und Umfang des Ausgleichs bzw. der Abfindung zu regeln hat, oder ob dies den Gesellschaftern im Einzelfall überlassen bleibt. Das Bundesverfassungsgericht ___________ 319 Sellmann, NVwZ 2003, 1417, 1421. So auch Stilz, ZGR 2001, 875, 882; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 83 f.; Klöhn, ZBB 2003, 208, 216; wohl auch Hüttemann, ZGR 2001, 454, 456 f. 320 BVerfGE 14, 263, 284 – Feldmühle; BVerfGE 100, 289, 303 – DAT/Altana. 321 Sellmann, NVwZ 2003, 1417, 1421 f. 322 BVerfGE 14, 263, 281 f. – Feldmühle; BVerfGE 100, 289, 302 f. – DAT/Altana. Der Verkehrswert ist dabei nicht mit dem Börsenkurs zu verwechseln. Vgl. BVerfGE 100, 289, 309 – DAT/Altana. 323 Auf diese Weise würde der sonst bei wirtschaftspolitischen Entscheidungen übliche Weg über den Staatshaushalt gespart, sofern dies nach Lage der Dinge mit den übrigen Grundrechten, insbesondere Art. 3 GG, vereinbar ist. 324 Vgl. Papier, in: Maunz/Dürig Art. 14 Rn. 613 zur Enteignung.

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betont jedenfalls für den Bereich öffentlich-rechtlicher Regelungen, dass Ausgleichsregelungen im Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG einer gesetzlichen Grundlage bedürfen. Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, sei grundsätzlich Sache des Gesetzgebers. Er sei gehalten, die verfassungsrechtlichen Grenzen inhaltsbestimmender Gesetze zu wahren, und dürfe nicht darauf vertrauen, dass die Gerichte Verletzungen der Eigentumsgarantie gegebenenfalls durch ausgleichende Geldleistungen vermeiden.325 Der Gesetzgeber habe auf normativer Ebene mit der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums auch Voraussetzungen, Art und Umfang des Ausgleichs sonst unverhältnismäßiger Belastungen zu regeln.326 Dies wurde bereits seit längerem in der Literatur gefordert327 und hat nunmehr weitgehend Zustimmung gefunden.328 Offen ist, inwieweit dies auch für privatrechtliche Normen gilt.329 Jedenfalls normiert das einfache Gesetz eine „angemessene Abfindung“ in §§ 305 bzw. 320b AktG den Anforderungen der Rechtsprechung und Literatur entsprechend: Die Art der Abfindung legt es detailliert in § 305 Abs. 2 und Abs. 3 AktG sowie § 320b Abs. 1 AktG fest; dort wird geregelt, wann Aktien der Hauptgesellschaft, eine Barabfindung oder beides anzubieten sind. Der Umfang der Abfindung wird gleichfalls festgelegt. Die §§ 305 Abs. 3 Satz 1 und 2 bzw. 320 Abs. 1 Satz 4 und 5 AktG bestimmen die Verschmelzungswertrelation und die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung als maßgeblich. Damit hat der Gesetzgeber Privatrechtsnormen geschaffen, die den Anforderungen an eine verfassungsrechtlich zulässige Inhaltsbestimmung des Eigentums generell gerecht werden.330 Dogmatisch ist ein Abrücken von der Einordnung dieser Inhaltsbestimmung als Schrankennorm erforderlich, weil eine Unterscheidung zwischen Inhaltsbestimmung und Schrankennorm nicht zeitunabhängig erfolgen kann.331 Die deshalb allein zu beantwortende Frage „in sich“ verfassungsrechtlich zulässiger Ausgestaltung eigentumsrechtlicher Rechtspositionen muss positiv beantwortet werden, wenn der Gesetzgeber durch Aus___________ 325

BVerfGE 100, 226, 245 – Denkmalschutz. BVerfGE 100, 226, 246 – Denkmalschutz. 327 Ehlers, VVDStRL 51 (1992) 211, 233 m. w. N. 328 Roller, NJW 2001, 1003, 1009; Papier, in: Maunz/Dürig Art. 14 Rn. 570; Bryde, in: vMünch/Kunig, Art. 14 Rn. 100a. 329 Nicht gefordert in BVerfG ZIP 2000, 1670, 1672 f. – Moto Meter, wobei dort in § 179a AktG eine Ausgleichsregelung überhaupt nicht vorhanden ist. Vgl. auch Armbrüster, ZGR 2006, 683, 699, der eine Konkretisierung der Angemessenheit von Abfindungen weder für verfassungsrechtlich geboten noch sachgerecht hält. 330 BVerfGE 100, 289, 303 f. – DAT/Altana; für die Normen des UmwG 1956 ebenso BVerfGE 14, 263, 283 f. – Feldmühle. 331 Vgl. soeben D. IV. 2. a). 326

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gleichsregelungen das Übermaßverbot gewahrt hat, was wiederum an den im Zeitpunkt der Schaffung der gesetzlichen Regelung mit ihr verfolgten Zwecken zu messen ist. Werden, wie es das Verfassungsgericht tut,332 unbestimmte Rechtsbegriffe in einer Ausgleichsregelung zugelassen,333 muss die Frage zunächst losgelöst vom Einzelfall im Sinne einer (abstrakten) Normenkontrolle positiv beantwortet werden. Denn der Gesetzgeber darf sich damit begnügen, generell eine grundrechtsgemäße Privatrechtsordnung zur Verfügung zu stellen und Grundrechtsverletzungen im Einzelfall durch die Zivilgerichte ausgleichen zu lassen.334 Es genügt daher, wenn der Gesetzgeber den Mehrheitsgesellschaftern generell aufgibt, für einen angemessenen Ausgleich im Beschluss bzw. Unternehmensvertrag zu sorgen. Die Einzelfallentscheidung hat der Gesetzgeber für den Fall der Unangemessenheit den Zivilgerichten im Spruchverfahren zugewiesen.

aa) Festlegung mittels Kontrolle der Inhaltsbestimmung Wie im Einzelfall ein verfassungskonformes Ergebnis durch die Zivilgerichte gefunden werden kann, ist fraglich.335 Das Bundesverfassungsgericht ging in seinem Beschluss den Weg der Teilkassation der Beschlüsse des Oberlandesgerichts Düsseldorf, indem es bestimmte Auslegungen der §§ 304, 305, 320b AktG als verfassungswidrig ausschließt.336 Es beantwortet dabei die Frage „in sich“ verfassungsrechtlich zulässiger Ausgestaltung eigentumsrechtlicher Rechtspositionen für (je)den Einzelfall erneut durch Anwendung des Verhält___________ 332

BVerfGE 14, 263, 281 f. – Feldmühle; BVerfGE 100, 289, 302 f. – DAT/Altana. Allgemein zur Zulässigkeit unbestimmter Rechtsbegriffe in Privatrecht Ruffert, S. 130 ff., 132. 334 Ruffert, S. 122 ff.; Stern, § 76 IV 5 c ȕ und Ȗ; Hesse, Rn. 356. So wohl auch BVerfGE 89, 214, 232 ff. – Bürgschaftsverträge. 335 Eine Bindung der Zivilgerichte an das Feldmühle-Urteil gem. § 31 BVerfGG besteht nicht. Dort handelte es sich um eine konkrete Normenkontrolle einzelner Bestimmungen des UmwG 1956, während im DAT/Altana-Beschluss im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde die Auslegung von Normen des Aktiengesetzes durch das OLG Düsseldorf geprüft wurde. Die Bindung einer Verfassungsgerichtsentscheidung erstreckt sich nach herrschender Meinung nicht auf Parallelnormen anderen Inhalts (Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 31 Rn. 165). Um solche handelt es sich hier, weil zwar vergleichbare Interessenlagen bei einer übertragenden Umwandlung und einer konzernrechtlichen Strukturmaßnahme vorliegen, jedoch führt das Verfassungsgericht selbst aus, dass beim Unternehmensvertrag die außenstehenden Aktionäre nicht „aus der Gesellschaft gedrängt“ werden, sondern nur einen wirtschaftlich gleichstehenden Verlust erleiden (BVerfGE 100, 289, 303 – DAT/Altana). 336 BVerfGE 100, 289, 304 ff. – DAT/Altana unter II. 2. der Gründe. 333

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nismäßigkeitsgrundsatzes.337 Dabei betont es zwar, dass es Sache der Zivilgerichte sei, Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums auszulegen und anzuwenden, gleichzeitig müssten diese aber dem durch die zivilrechtlichen Normen ausgestalteten und eingeschränkten Grundrecht Rechnung tragen.338 Eine wohl nicht zu leistende Aufgabe: Denn was soll Ausgangspunkt der Beurteilung sein? Das von den Normen des Zivilrechts ausgestaltete Grundrecht oder das durch das Grundrecht geprägte Zivilrecht? Ohne die Hinzunahme entweder eines abzulehnenden absoluten Eigentumsbegriffs in der Verfassung selbst oder einer temporalen Betrachtungsweise lässt sich dieser Gedankenzirkel nicht auflösen.339 Das Bundesverfassungsgericht postuliert, dass von Verfassungs wegen die grundrechtlich relevante Einbuße eines außenstehenden Aktionärs vollständig kompensiert werden müsse. Auszugleichen sei, was dem Minderheitsaktionär an Eigentum verloren geht. Wenn die zivilrechtlichen Inhaltsbestimmungen des Eigentums den Verlust der mitgliedschaftlichen Stellung durch Mehrheitsbeschluss vorsehen, kann nicht ohne nähere Begründung angenommen werden, dass der Aktionär nicht nur seine mitgliedschaftliche Stellung, sondern auch Eigentum verliert, weil diese Verlustmöglichkeit Inhalt des Eigentums sein könnte.340 Laut Bundesverfassungsgericht ist eine Auslegung mit Art. 14 Abs. 1 GG unvereinbar, die einen existierenden Kurswert einer Aktie außer Betracht lässt.341 Die Abfindung müsse so bemessen sein, dass die Minderheitsaktionäre ___________ 337 Hüffer/Schmidt-Aßmann/Weber, S. 56 f. sehen hierin dagegen einen Vorgang praktischer Konkordanz. 338 BVerfGE 100, 289, 304 – DAT/Altana. 339 Webering, S. 45 ff. interpretiert hingegen das Verfassungsgericht völlig anders: Es gehe unausgesprochen von einem grundrechtlich zu schützenden Leitbild einer aktienrechtlichen Mitgliedschaft aus. Die Annahme eines solchen Leitbildes sei zulässig, weil es den objektivrechtlichen Gehalt der Aktionärsstellung als Eigentumsposition ausmache. Papier, ZGR 1979, 444, 455 f. meint in Gegensatz dazu, das Bundesverfassungsgericht lehne eine überhöhende Objektivierung (im Mitbestimmungsurteil) gerade ab. Ein verfassungsrechtliches Leitbild ist jedoch nicht unproblematisch, weil die Gefahr einer Durchbrechung der Gewaltenteilung besteht. Zwar ist Webering insofern zuzustimmen, dass hierin das Spannungsverhältnis von Parlamentsouveränität und Verfassungsbindung durch die Grundrechte zum Ausdruck kommt und es der Aufgabe des Verfassungsgerichts entspricht, objektivrechtliche Grundrechtsgehalte zu erarbeiten. (S. 50 ff.) Ein Leitbild der mitgliedschaftlichen Stellung geht jedoch weit über diese Aufgabe hinaus, weil es sich nicht aus der Verfassung selbst entwickeln lässt und deshalb das Politische vom Parlament zum Verfassungsinterpreten verlagert. Grundsätzlich zu dem Dilemma bei der Prüfung von Privatrecht anhand von normgeprägten Grundrechten Ruffert, S. 104 ff. 340 Das dann freilich kaum noch diesen Namen verdiente. 341 BVerfGE 100, 289, 307 – DAT/Altana.

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jedenfalls nicht weniger erhalten, als sie bei einer freien Desinvestitionsentscheidung zum Zeitpunkt des Unternehmensvertrages oder der Eingliederung erlangt hätten. Eine geringere Abfindung würde der Dispositionsfreiheit über den Eigentumsgegenstand und damit seiner Verkehrsfähigkeit nicht hinreichend Rechnung tragen. Argumentativ handelt es sich bei dieser Rechtsauffassung um eine in der Verfassung nicht vorgesehene Eigentumswertgarantie.342 Eine verfassungsrechtliche Wertgarantie besteht nur im Falle einer unter den Voraussetzungen der Artt. 14 Abs. 3, 15 GG zulässigen Enteignung und Sozialisierung.343 Nur dann verlangt die Verfassung eine Entschädigung, die durch eine am Verkehrswert orientierte Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen ist.344 Aus diesen Vorschriften lässt sich keine allgemeine Vermögens(wert)garantie herleiten.345 Soweit bei der Inhaltsbestimmung des Eigentums eine Eigentumsaufopferungsentschädigung überhaupt erforderlich ist,346 wird deren Höhe durch das öffentliche Interesse an der eigentumsrelevanten Maßnahme mitbestimmt.347 Sie muss daher nicht in jedem Fall dem (Verkehrs-)Wert der Eigentumsaufopferung entsprechen.348 Im Gegensatz dazu soll nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts das Vermögen der Minderheitsaktionäre nicht durch Eingliederung oder Unternehmensvertrag beeinflusst werden. Der Ausgleich sei so zu bemessen, dass die Aktionäre die Renditen erhalten, die sie ohne die Strukturmaßnahme erhalten hätten; die Abfindung müsse dem Gegenwert der Gesellschaftsbeteiligung ohne Strukturmaßnahme entsprechen.349 Besonders deutlich wird dies daran, dass das Gericht weder eine Wertminderung noch eine Werterhöhung im Zusammenhang mit der Strukturmaßnahme für verfassungsrechtlich beachtlich hält. Denn der vom Mehrheitsaktionär an Minderheitsaktionäre im Vorfeld einer Strukturmaßnahme gezahlte Erwerbspreis sei ohne Beziehung zum Verkehrswert, weil sich darin der Grenznutzen des Mehrheitsaktionärs nicht aber der wahre Wert der Aktie in der Hand des Minderheitsaktionär spiegele. Eben-

___________ 342 Damit ist noch kein abschließendes Urteil über die Aussage getroffen. Vgl. unten D. IV. 2. c) cc). 343 Papier, in: Maunz/Dürig Art. 14 Rn. 10. 344 Bryde, in: vMünch/Kunig, Art. 14 Rn. 92 ff. 345 BVerfGE 105, 252, 277 – Glykol; BVerfGE 105, 17, 30 – Sozialpfandbriefe; Papier, in: Maunz/Dürig Art. 14 Rn. 10 m. w. N.; Bryde, in: vMünch/Kunig, Art. 14 Rn. 24. 346 Vgl. oben S. 135 bei Fn. 308. 347 Vgl. oben S. 138 bei Fn. 323. 348 A. A. Pieroth/Schlink, Rn. 934. 349 BVerfGE 100, 289, 306 – DAT/Altana.

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so wenig dürfe eine geringere Abfindung zugesprochen werden, als bei einem Verkauf zum Zeitpunkt der Strukturmaßnahme zu erzielen gewesen wäre.350 Zuletzt ist noch methodisch zu kritisieren, dass das Gericht im vorliegenden Fall nach der hier vertretenen Dogmatik zur Drittwirkung von Grundrechten351 und zu Art. 14 Abs. 1 GG352 nur die Reichweite eines staatlichen Schutzgebots ausgeurteilt haben kann. Anders als im Feldmühle-Urteil lassen sowohl die Beschlüsse des OLG Düsseldorf353 als auch der Tatbestand dieses Beschlusses das Eintrittsdatum der Beschwerdeführerin in die Gesellschaft unerwähnt. Dies lässt unmittelbar den Schluss zu, dass diese Tatsache von den Gerichten nicht für entscheidungserheblich gehalten wurde, obwohl es methodisch für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung eines inhaltsbestimmenden Gesetzes sehr wohl von Bedeutung ist.354

bb) Festlegung mittels Schutzgebot des Grundrechts (1) Allgemeingültigkeit des Schutzgebots für die Auslegung des Zivilrechts Als Konsequenz dieser dogmatischen Schwierigkeiten zeigt sich, dass eine Beurteilung der Abfindungshöhe nicht unabhängig vom Zeitablauf erfolgen kann:355 Wird der Inhalt des Eigentums durch Änderung des Zivilrechts umgestaltet, muss dies ausgehend vom bisherigen Recht „in sich“ verfassungsgemäß geschehen. Eigentum, welches zum Zeitpunkt der Rechtsänderung existierte, wird durch das Übermaßverbot geschützt. Gegebenenfalls genügen hierfür unbestimmte Rechtsbegriffe in einer Ausgleichsregelung zur Gewährleistung der Verhältnismäßigkeit.356 Hat der Gesetzgeber bei der Inhaltsneubestimmung eine Ausgleichsregelung mit unbestimmten Rechtsbegriffen vorgesehen, müssen diese von den ordentlichen Gerichten ausgelegt werden. Ein Nachvollziehen der gesetzgeberischen Interessenabwägung im Einzelfall kommt dann ausnahmsweise in Betracht, wenn der Betroffene den Eigentumsgegenstand bereits vor der Inhaltsneube___________ 350

BVerfGE 100, 289, 306 f. – DAT/Altana. C. IV. 352 D. I. 1. 353 AG 1995, 84 f. und 85 ff. 354 A. A. Webering, S. 41 ff. 355 Insofern bleibt es bei den Gedanken zur Unterscheidung von Schrankennorm und Inhaltsbestimmung. Oben D. IV. 2. a). Ebenso Mülbert/Leuschner, ZHR 170 (2006) 615, 627 f., 646 f. 356 Vgl. soeben D. IV. 2. c). 351

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stimmung innehatte und durch die Neubestimmung in seinem bisherigen Eigentum verletzt wird. Um die Verhältnismäßigkeit im Einzelfall zu gewährleisten, kann das Verfassungsgericht auf eine Verfassungsbeschwerde hin eine bestimmte Gesetzesauslegung der ordentlichen Gerichte verwerfen, weil diese einen unverhältnismäßigen Eingriff in bereits vor der Inhaltsneubestimmung existierende Eigentumsrechte bedeutet. Die damit verbundene Aussage über die Verhältnismäßigkeit des gesetzgeberischen Eingriffs in bestehendes Eigentum gleichsam in der Ausgestaltung, die er durch die Entscheidung des ordentlichen Gerichts erhalten hat, kann aber keine allgemeine Geltung für Eigentumsgegenstände beanspruchen, die erst unter dem ‚neuen‘ Zivilrecht zu existieren begonnen haben. Der besondere verfassungsrechtliche Schutz von Eigentum, das sich einer Inhaltsneubestimmung ausgesetzt sieht, ist nicht Maßstab für eine allgemeingültige Auslegung des Zivilrechts, sondern erfordert ausnahmsweise einen gesteigerten Bestandsschutz durch das Übermaßverbot mit Blick auf die frühere Rechtslage.357 Als Folge der Normgeprägtheit des Eigentumsgrundrechts muss die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe nach erfolgter Inhalts(neu)bestimmung nur in diesen seltenen Fällen die bei der Gesetzgebung zum Ausdruck gekommene verfassungsrechtliche Interessenabwägung nachzuvollziehen. Als allgemeingültige Auslegungsmaxime kann nur das Schutzgebot des Eigentumsgrundrechts, so wie es zum Entscheidungszeitpunkt besteht, herangezogen werden. Die Ausübung der grundsätzlich als verfassungskonform erkannten gesetzlichen Ermächtigung, die Rechte der Minderheitsaktionäre umzugestalten, zu beschränken oder zu entziehen, wird im Einzelfall anhand des Untermaßverbots geprüft.358 Nur mit seiner Hilfe kann die rechtsbegrenzende Funktion der Ausgleichsregelung erfasst werden, wenn die gesetzliche Ermächtigung als solche bereits als verhältnismäßige Inhaltsneubestimmung des Eigentums erkannt wurde. Besonders deutlich wird dies, wenn eine völlig neu geschaffen Gesellschaftsform eine den §§ 304, 305, 320b AktG vergleichbare Regelung enthielte. Für die Minderheitsgesellschafter hätten zu jeder Zeit nur die durch diese Regelungen des einfachen Rechts ausgestalteten Eigentumsrechte bestanden. Ein übermäßiger staatlicher Eingriff in subjektive Rechte würde ausscheiden.359 Zwischen den Privatrechtssubjekten wirkten die Grundrechte ausschließlich durch ihre Schutzgebotsfunktion.

___________ 357

Schön, in: FS Ulmer S. 1359, 1363 f., 1386. Vgl. oben C. VIII. 2. 359 Mülbert/Leuschner, ZHR 170 (2006) 615, 646. 358

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(2) Inhalt des Schutzgebots Welches Schutzgebot das Eigentumsgrundrecht enthält, erschließt sich über seinen objektiven Gehalt. Denn der Schutzauftrag der Grundrechte ist Ausfluss ihrer objektiven Funktion, Ausfluss der in ihnen enthaltenen objektiven Werteordnung.360 Es ist anerkannt, dass neben dem subjektiven Recht des Einzelnen, das sich aus den einfachgesetzlichen und vertraglichen Vorgaben ergibt, noch ein objektiver Gehalt des Eigentums unter den Schutzbereich des Art. 14 GG fällt.361 Der Verfassung lässt sich diese objektive Ordnung des Eigentums entnehmen: Es besteht ein Vorrang des Eigentumsbestandsschutzes (und der Privatnützigkeit)362 vor dem Eigentumswertschutz.363 Die allgemeingültige Auslegungsmaxime für alle Strukturmaßnahmen zu Lasten der Minderheitsaktionäre liegt darin, den Mehrheitsaktionär in seinen Handlungen, zu denen er gesetzlich ermächtigt ist, gemäß dem aus dem objektiven Gehalt des Eigentumsgrundrechts fließenden Bestandsschutzgedanken zu beschränken. Dies kann völlig unabhängig vom Zeitpunkt der gesetzlichen Normierung einer Strukturmaßnahme erfolgen. Vergleichbare Lösungen für einen zivilrechtlichen Interessenausgleich im Gesellschaftsrecht gibt es bereits: Dem Aktienrecht selbst geht es teilweise um so genannten Primärschutz und nicht nur Vermögensausgleich,364 weil dem Aktionär die Fortsetzung seiner mitgliedschaftlichen Stellung durch Abfindung in Aktien vorrangig anzubieten ist (§ 305 Abs. 2 AktG). Dem Umwandlungsgesetz lässt sich eine Wertentscheidung des Gesetzgebers entnehmen, nach der ein Verlust der Mitglied-

___________ 360

H. M.: BVerfGE 96, 56, 64 – Vaterschaftsauskunft; Stern, § 69 IV 4, 5 b und § 76 IV 5 a m. w. N.; Hesse, Rn. 350; Ruffert, S. 158 f.; ähnlich Canaris, AcP 184 (1984) 201, 225 ff. 361 Webering, S. 35 ff.; allgemein Ruffert, S. 61 ff.; Stern, § 69 I, II. 362 Papier, in: Maunz/Dürig Art. 14 Rn. 375 m. w. N.; Vgl. auch BVerfGE 100, 226, 243 – Denkmalschutz. 363 So eindeutig BVerfGE 24, 367 ff. – Hamburgisches Deichordnungsgesetz; BVerfGE 38, 175, 181, 184 f. – Rückenteignung; BVerfGE 56, 249, 260 f. – Gondelbahn; BVerfGE 58, 300, 323 – Nassauskiesung; BVerfGE 78, 58, 75 – Ausstattungsschutz; BVerfGE 100, 226, 245 f. – Denkmalschutz; Papier, in: Maunz/Dürig Art. 14 Rn. 9 und 160 ; Ehlers, VVDStRL 51 (1992) 211, 233; Suhr, S. 19 ff.; Böhmer, NJW 1988, 2561, 2563; Webering, S. 12 f.; anders Schulze-Osterloh, NJW 1981, 2537, 2543. Vgl. auch Mülbert/Leuschner, ZHR 170 (2006) 615, 625 f. 364 Hüffer, AktG, § 305 Rn. 1; Maier-Reimer/Kolb, in: FS W. Müller S. 92, 107 f.

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D. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht

schaft nach Kräften vermieden werden und die Entscheidung über Gehen oder Bleiben beim Minderheitsgesellschafter liegen soll (§ 29 UmwG).365 Ausgangspunkt der Überlegung, wie der Mehrheitsaktionär durch den Eigentumsbestandsschutz bei der Ausübung seiner Ermächtigung aus verfassungsrechtlichen Gründen beschränkt werden muss, ist die Tendenz des Gesetzgebers, die Inhaltskontrolle von strukturändernden Beschlüssen durch eine Kontrolle des Ausgleichs bzw. der Abfindung zu ersetzen.366 §§ 304 Abs. 3 S. 2, 305 Abs. 5 S. 1, 320b Abs. 2 S. 1 AktG schließen eine Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage bezogen auf den Hauptversammlungsbeschluss zur Durchführung der Strukturmaßnahme aus, soweit es um die Ausgleichs- oder Abfindungshöhe geht. Der Gesetzgeber sieht hierin eine Spezialregelung zu § 243 Abs. 2 S. 2 AktG und möchte so die Nichtigkeit der Strukturmaßnahme verhindern.367 Das Verfassungsgericht hat bereits in seinem Feldmühle-Urteil festgestellt, dass diese Klagen notwendige Schutzvorkehrungen für das Eigentum darstellen,368 und dies im DAT/Altana-Beschluss bestätigt.369 Allerdings hat es an gleicher Stelle immer betont, dass das unternehmerische Interesse an Konzernierungs- und Strukturmaßnahmen aus gewichtigen Gründen des Gemeinwohls Vorrang vor den Interessen der Minderheitsaktionäre genießen kann. Der Bestand der jeweiligen Strukturmaßnahme gegenüber unangemessenem Ausgleich oder unangemessenen Abfindungen lässt sich mit einem Bedürfnis nach klaren Verhältnissen innerhalb kurzer Zeit und der Schwierigkeit der Bestimmung der tatsächlich angemessenen Abfindungshöhe begründen. Primären materiellrechtlichen Bestandsschutz des Eigentums durch Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage schließt diese Regelung notwendig aus – was auch verfassungsrechtlich zulässig ist, weil das Spruchverfahren ausreichenden materiellen ___________ 365 Lutter/Drygala, in: FS Kropff, S. 191, 210; Decher, in: Lutter/Winter, UmwG, § 207 Rn. 3. Vgl. auch Grunewald, in: Lutter/Winter, UmwG, § 29 Rn. 32; Schindler, S. 109. 366 Allgemein zu dieser Entwicklung Hanau, NZG 2002, 1040 ff. Stellvertretend für ebendiese Tendenz auch im Schrifttum Mülbert, passim und zusammenfassend S. 513 ff.; ders., in: FS Röhricht S. 421 ff. Vgl. aber auch die Kritik von Habersack, AG 2005, 137, 139 ff. In jüngster Zeit ist mit dem Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22. September 2005 (BGBl. I S. 2802) allerdings ein Antagonismus zu konzedieren (Einführung eines Klagezulassungsverfahrens auf Antrag von Aktionären, deren Anteile zusammen 1 % des Grundkapitals oder einen Börsenwert von 100000 € erreichen, in § 148 AktG; Einführung eines Aktionärsforums zum Zwecke der verbesserten Kommunikation zwischen Minderheitsaktionären in § 127a AktG; Neuregelung der Anmeldung und Legitimation zur Hauptversammlung zur Anhebung niedriger Hauptversammlungspräsenzen in § 123 AktG). 367 RegBegr. Kropff, S. 395. 368 BVerfGE 14, 263, 283 – Feldmühle. 369 BVerfGE 100, 289, 304 – DAT/Altana.

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und formellen Rechtsschutz bietet.370 Zusammengefasst können gesetzliche Ermächtigungen zu Strukturmaßnahmen gegen Ausgleichszahlungen als grundsätzlich verhältnismäßige Inhalts(neu)bestimmung des Eigentums angesehen werden. Zur Durchsetzung der Gemeinwohlziele ist es gleichzeitig im Allgemeinen nicht erforderlich, zusätzlich auf der Rechtsfolgenseite wirtschaftliche Anreize zur möglichst häufigen Durchführung von Konzernierungs- und Strukturmaßnahmen zu setzen. Eine Strukturmaßnahme fördert das Gemeinwohl dann, wenn die Neuordnung eines Unternehmens eine zusätzliche Wertschöpfung ermöglicht, die den Wert eines Anteils in der Hand des Mehrheitsaktionärs den bisherigen Wert in der Hand des Minderheitsaktionärs übersteigt.371 Es besteht also kein generelles öffentliches Interesse an der Durchführung jedweder Konzernierungsmaßnahme. So heißt es bereits in der Regierungsbegründung zum Aktiengesetz von 1965, dass es den Konzern als eine Erscheinungsform unseres Wirtschaftslebens hinnehmen muss. Es kann aber nicht entscheiden, ob eine Unternehmensverflechtung im Einzelfall aus technischen, volkswirtschaftlichen oder sonstigen anzuerkennenden Gründen erwünscht oder etwa wegen der Gefahr einer Beschränkung des Wettbewerbs oder einer übermäßigen Machtzusammenballung unerwünscht ist.372 Da die Rechtsordnung kein abstraktgenerelles Kriterium besitzt, mit dem sich die Nützlichkeit einer individuellen Strukturmaßnahme feststellen ließe, geht es entsprechend der allgemeinen Aufgabe des Aktienrechts lediglich um eine rechtliche Erfassung der wirtschaftlichen Erscheinung Konzern und nicht um seine Förderung. Es gehört zu den Konzepten einer Marktwirtschaft, dass eine ökonomische Abwägung zwischen den beteiligten wirtschaftlichen Interessen bei einer Strukturmaßnahme nur privat(autonom) erfolgen kann. Als Grundregel gilt: Eine unterschiedliche gesetzliche Behandlung von Mitgliedschaftsrechten je nach Zugehörigkeit zu Mehrheit oder Minderheit in der Aktiengesellschaft überschritte die Grenze zur Willkür, wenn die Differenzierung über das für ein leistungsfähiges Gesellschaftsrecht Erforderliche und Gebotene hinausginge.373 Demzufolge dürfen die rechtlichen Regeln im Allgemeinen keine aus ihnen selbst heraus entstehenden wirtschaftlichen Anreize zu Konzernierungs- und Strukturmaßnahmen ___________ 370 Vgl. auch zum verfassungsrechtlichen Erfordernis formellen Rechtsschutzes von Falkenhausen, S. 237 ff. 371 Schön, in: FS Ulmer S. 1359, 1387. 372 RegBegr. Kropff, S. 16. 373 von Falkenhausen, S. 119 ff.; a. A. Webering, S. 101 ff., 129 f. und 133, die lediglich eine angemessene Abwägung der betroffenen Interessen verlangt. Eine Verhältnismäßigkeitprüfung im weiteren Sinne hält dagegen auch Jung, JZ 2001, 1004, 1013 für erforderlich.

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D. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht

schaffen,374 sondern müssen dem Grundgedanken von Art. 14 Abs. 1 GG folgend auf Bestandssicherung zu Gunsten der Minderheitsaktionäre aus sein, soweit dies der Gesetzeszweck zulässt.375 Aus ökonomischer Sicht kann ebenso nur dann eine marktwirtschaftliche Entscheidung über die Durchführung einer Strukturmaßnahme getroffen werden, wenn ausreichender Bestandsschutz gewährt wird. Denn nach der Property-Rights-Theorie müssen Eigentumsrechte so spezifiziert sein, dass dem Minderheitsaktionär durch das Verhalten der Mehrheit (scil. die Strukturmaßnahme) keine Kosten zum Nutzen der Mehrheit entstehen.376 Rechtlich kann dies im Spruchverfahren mit dem Tatbestandsmerkmal Angemessenheit durchgesetzt werden. Um dieser Norm eine Bestandsschutzfunktion und nicht nur eine Eigentumswertgarantie zu geben, muss sie Strukturmaßnahmen unterbinden, die alleine aus sich selbst heraus wirtschaftlich motiviert sind, d. h. die dem Mehrheitsaktionär neben der unmittelbaren vom Gesetzeszweck gedeckten Rechtsfolge der Strukturmaßnahme, Leitungsmacht bzw. Gewinnabführung, weitere wirtschaftliche Vorteile bescheren. Dies bedeutet, dass die Strukturmaßnahme für den Mehrheitsaktionär nicht wirtschaftlich günstiger durchzuführen sein darf als alternative Maßnahmen gleicher Wirkung. In der Regel entspricht dies dem Erwerb sämtlicher Aktien von den Minderheitsaktionären in einer typisierenden hypothetischen Betrachtung, in der z. B. der Aufwand für das Auffinden unbekannter Aktionäre377 oder die Überwindung der Verkaufsunwilligkeit des einzelnen Minderheitsaktionärs außer Betracht bleibt.378 Ferner kommt der Erwerb des Unternehmens der Gesellschaft379 in Betracht. ___________ 374

Tendenziell ebenso, aber nicht so weitgehend auch Schön, in: FS Ulmer S. 1359, 1388, wenn er nicht unternehmensbezogene Überlegungen hinter der Entscheidung für eine Strukturmaßnahme zu Lasten der Minderheitsgesellschafter unterbinden will. 375 Eine darüber hinausgehende Förderung von Konzernierungs- und Strukturmaßnahmen durch eine von diesen Grundsätzen abweichende Festlegung von Ausgleich oder Abfindung würde eine grundsätzlich zulässige staatliche Vermögensumverteilung darstellen, die nur ausnahmsweise unter Berücksichtigung des Zwecks der Konzernierungs- und Strukturmaßnahmen und der mit ihr verfolgten öffentlichen Interessen angenommen werden kann, wenn das Gesetz dies eindeutig erkennen lässt und die gesetzliche Regelung trotzdem insgesamt verhältnismäßig bleibt (vgl. oben D. IV. 2. b) bei Fn. 323). 376 Vgl. oben B. I. Letztlich handelt es sich bei einer Strukturmaßnahme ebenso wie bei einem Kontrollwechsel ökonomisch um unterschiedliche Zwangssituationen der Minderheit, bei denen der Preis rechtlicher Kontrolle unterliegt. 377 Vgl. RegBegr. Kropff, S. 424. 378 Vgl. zu diesem Gedanken Lutter/Drygala, in: FS Kropff, S. 191, 220. 379 Wobei natürlich der Preis in einem (hypothetischen) Bieterverfahren zu ermitteln wäre.

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Eine Meistbegünstigung der Minderheitsaktionäre ist angezeigt:380 Eine lediglich an einem Wertschutz ausgerichtete Auslegung führt gemessen an dem verfolgten Gemeinwohlinteresse zu einem unverhältnismäßig niedrigen Schutz des Minderheitsaktionärs durch das Eigentumsgrundrecht und wäre daher als verfassungswidrig anzusehen.381 Eine Bestandsschutzpflicht besteht, weil jeder Grundrechtsträger vor dem Übergriff auf seine mitgliedschaftliche Stellung entsprechend dem Schutzgebot des Eigentumsgrundrechts zu schützen ist, d. h. sein grundrechtliches Gut vor übermäßigen tatsächlichen Beeinträchtigungen durch andere Privatrechtssubjekte zu bewahren und dessen tatsächliche Funktionsfähigkeit zu gewährleisten ist.382 Das Maß des zu gewährenden grundrechtlichen Schutzes wird bestimmt durch die Angewiesenheit auf ein bestimmtes Verhalten des grundrechtsbeeinträchtigenden Privaten.383 Die tatsächliche Funktionsfähigkeit der mitgliedschaftlichen Stellung des Minderheitsaktionärs ist angewiesen auf Mitverwaltung und regelmäßige Unentziehbarkeit. Die Minderheitsaktionäre sind daher für den Fortbestand ihrer Rechtsposition davon abhängig, dass die Mehrheit keine Strukturmaßnahme beschließt. Der verfassungsrechtlich mindestens erforderliche Schutz besteht daher bei Anerkennung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Strukturmaßnahmen in einer Meistbegünstigung bei den Rechtsfolgen bis zu dem Punkt, an dem der verfassungsrechtlich als zulässig erkannte Zweck der Strukturmaßnahme vereitelt wird. Dieses Prinzip der Meistbegünstigung zum Schutz der mitgliedschaftlichen Stellung kommt neuerdings384 ebenfalls in den §§ 186 Abs. 3 Satz 4, 243 Abs. 2, 255 Abs. 2 AktG zu Ausdruck, denn ein Bezugsrechtsausschluss bei ___________ 380 Ähnlich aber mit abweichender Begründung Schön, in: FS Ulmer S. 1359, 1371; Hüffer/Schmidt-Aßmann/Weber, S. 58. 381 Ähnlich Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 12 III 3, der den Ausschluss der Minderheit für unverhältnismäßig hält, wenn der Fortbestand der Beteiligungsverhältnisse der Mehrheit zugemutet werden kann. A. A. BVerfG ZIP 2000, 1670, 1673 – Moto Meter; näher hierzu unten D. V. 2. Vgl. zur Bedeutung des Gemeinwohls für die Ausgleichsregelung schon oben D. IV. 2. b). 382 Vgl. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 75. Die von Canaris auf den folgenden Seiten postulierten Kriterien, Rechtswidrigkeit einer Beeinträchtigung und Gefährdung grundrechtlich geschützter Güter sowie Angewiesenheit des Grundrechtsträgers auf die Mitwirkung eines Privaten zur effektiven Grundrechtsausübung, helfen für das Eigentum nicht weiter, denn die Aussage der Nassauskiesungsentscheidung gilt auch hier – die zulässige Eingliederung ist weder rechtswidrig, noch grundrechtsgefährdend, noch grundrechtsausübungsbeschränkend. Die Eigentumsposition des Minderheitsaktionärs beinhaltet keinen primären materiellrechtlichen Schutz vor einer Eingliederung durch Mehrheitsbeschluss, sondern nur sekundären Bestandsschutz auf der Rechtsfolgenseite. 383 Ruffert, S. 197. 384 § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG wurde eingefügt durch das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts vom 2. August 1994 (BGBl. I S. 1961).

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D. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht

einer börsennotierten Aktiengesellschaft zugunsten des Mehrheitsaktionärs kann angefochten werden, wenn der Ausgabepreis der neuen Aktien unangemessen niedrig oder385 wesentlich unter dem Börsenkurs liegt.386 Zur Verdeutlichung sei kurz der Unterschied aufgezeigt, der zwischen der Wirkung des Eigentumsgrundrechts im Verhältnis Privater untereinander bei Strukturmaßnahmen nach dem Aktiengesetz und der Wirkung einer Enteignung besteht. Die Enteignung verkürzt besonders drastisch die Eigentumsfreiheit zu Gunsten hoheitlicher Güterbeschaffung, denn der Bestandsschutz des Eigentums wird durch einen Eigentumswertschutz substituiert.387 Dies ist berechtigt, da die Enteignung einen gezielten Hoheitsakt zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben darstellt,388 der hinsichtlich seiner sachlichen Rechtfertigung vollständiger gerichtlicher Kontrolle unterliegt. Im Übrigen widerspräche ein residualer Bestandsschutz bei der Bemessung der Entschädigung dem Ziel der gemeinwohlorientierten Güterbeschaffung. Im Gegensatz dazu wird bei den Strukturmaßnahmen nach dem Aktiengesetz abstrakt ein Interessenausgleich zwischen Privaten (abschließend) vom Gesetz vorgenommen, der den Bestandsschutz nicht vollständig beseitigen, sondern nur derart gestalten muss, dass eine Strukturmaßnahme sinnvoll durchgeführt werden kann. Gegen eine am Bestandsschutzgedanken ausgerichtete Auslegung spricht nicht, dass der Gesetzgeber die mitgliedschaftliche Stellung gegenüber Beschlüssen der Mehrheitsgesellschafter generell nicht mit Bestandsschutz ausgestattet habe, weil er die Auflösung der Gesellschaft auch gegen den Willen der Minderheitsgesellschafter gestattet.389 Zunächst sind die Gestaltungsmöglichkeiten, Auflösung aber auch Vermögensübertragung gemäß § 179a AktG, nicht zu dem Zweck geschaffen worden, der Mehrheit einen Ausschluss der Mitgesellschafter zu ermöglichen,390 sondern um die gemeinsame Zweckverfolgung für alle Beteiligten gleichermaßen beenden und das eingesetzte Kapital liquide machen zu können. Zudem beseitigen sie nicht das Eigentumsrecht der Gesellschafter, denn in diesen Fällen setzt sich das Eigentum an der Gesellschaft in Liquidation und zusätzlich bei der Vermögensverteilung fort. Im Un___________ 385 Hüffer, AktG § 186 Rn. 39e m. w. N. zum Streit über das Verhältnis von § 186 Abs. 3 Satz 4 und § 255 Abs. 2 AktG. 386 Vgl. zur verfassungsrechtlichen Notwendigkeit dieser Regelung beim Bezugsrechtsausschluss zu Gunsten eines Mehrheitsaktionärs, weil analog zur Moto-MeterMethode eine Verdrängung der Minderheit aus der Gesellschaft stattfindet, Bayer, ZHR 168 (2004) 133, 168 ff., 170 f. 387 Papier, in: Maunz/Dürig Art. 14 Rn. 608. 388 BVerfGE 58, 300, 330 f. – Nassauskiesung. 389 So aber Weiss, S. 158. 390 von Falkenhausen, S. 230; Lutter/Drygala, in: FS Kropff, S. 191, 217. Wenngleich § 179a Abs. 3 AktG in dieser Weise genutzt werden kann. Vgl. unten D. V.

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terschied zur Strukturmaßnahme sind alle mitgliedschaftlichen Stellungen gleichmäßig betroffen und der zuvor gemeinsam verfolgte Zweck wird von allen Gesellschaftern gleichermaßen aufgegeben.391 Ebenso wenig kann der Auffassung gefolgt werden, dass der Schutzgebotsfunktion der Grundrechte im Rahmen des Art. 14 GG keine eigenständige Bedeutung zukommt. Ruffert vertritt die Ansicht, die Anforderung an das Privatrecht, dass jegliche Inhaltsbestimmung des Eigentums „in sich“ verfassungsgemäß sein muss, mache ein eigenständiges Schutzgebot undenkbar.392 Sind aber alle Inhaltsbestimmungen nur dann „in sich“ verfassungsgemäß, wenn der Schutz des einen Privaten gegenüber Beeinträchtigung durch einen anderen Privaten bereits in der einfachgesetzlichen Regelung abschließend geregelt wird, müsste der Gesetzgeber eine ideale Eigentumsrechtsordnung schaffen.393 Alle unbestimmten Rechtsbegriffe im Bereich des Eigentums stünden unter dem Verdikt des Verfassungsverstoßes, weil der Gesetzgeber Verfassungskonformität für jeden Einzelfall sicherstellen müsste. Sein gesetzgeberischer Freiraum zwischen Übermaßverbot und Untermaßverbot wäre für die Eigentumsordnung verloren.394 Deshalb darf er sich bei der Gesetzgebung zunächst damit begnügen, dass er generell eine grundrechtsgemäße Privatrechtsordnung zur Verfügung stellt und Grundrechtsverletzungen im Privatrechtsverkehr im Einzelfall durch die Gerichte ausgeglichen werden.395 Benutzt er dafür unbestimmte Rechtsbegriffe, darf deren Anwendung im Einzelfall schon wegen der Bindung der Gerichte durch Art. 1 Abs. 3 GG nicht ohne Beachtung der Schutzgebotsfunktion des Eigentumsgrundrechts, des Vorrangs des Bestandsschutzes, erfolgen.396

cc) Einzelaspekte zur Festlegung der Ausgleichs-/Abfindungshöhe Nach überwiegender und vom Verfassungsgericht gebilligter397 Ansicht ist die Angemessenheit von Ausgleich oder Abfindung nur gewahrt, wenn sie ___________ 391

Vgl. BGHZ 103, 184, 192 – Linotype. Ruffert, S. 362. 393 Dagegen spricht sich auch von Falkenhausen, S. 229, aus. Vgl. auch Klöhn, ZBB 2003, 208, 217, der eine unmittelbare Ableitung von Ansprüchen und Pflichten originär aus Art. 14 GG ablehnt. 394 Vgl. oben C. III. 395 Stern, § 76 IV 5 c ȕ und Ȗ; Hesse, Rn. 356. So wohl auch BVerfGE 89, 214, 232 ff. – Bürgschaftsverträge. 396 Oben C. IV. 397 BVerfGE 100, 289, 306 – DAT/Altana. Vgl. auch zur Widersprüchlichkeit Schwark, in: FS Lutter S. 1529, 1541 f. 392

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D. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht

„den ‚wirklichen‘ oder ‚wahren‘ Wert der Unternehmensbeteiligung an dem arbeitenden Unternehmen unter Einschluss der stillen Reserven und des inneren Geschäftswerts widerspiegelt“.398 Dieser entspricht dem „quotalen Wertanteil am objektivierten Gesamtwert des Unternehmens“.399 Der theoretisch richtige Unternehmenswert wird überwiegend nach der Ertragswertmethode ermittelt.400 Das Ergebnis dieser Bewertung und damit die Höhe der Abfindung gilt als angemessen, wenn die Wahl und Anwendung der herangezogenen Methode der Bewertung aus betriebswirtschaftlicher Sicht lege artis erfolgte. Dies wird – in rechtlichen Kategorien gesprochen – als gegeben angenommen, wenn die Auswahl der Methode und der Parameter durch den Bewertungsgutachter ermessensfehlerfrei und ihre Anwendung rechenfehlerfrei erfolgte. Von der vorrangigen Ableitung des Wertes der mitgliedschaftlichen Stellung (Anteilswerts) aus dem „wahren“ oder „inneren“ Wert des Unternehmens muss abgerückt werden.401 Zwei hier bereits entwickelte Argumente sprechen dagegen:402 Erstens umfasst der Schutzbereich des Art. 14 GG zugunsten des Minderheitsaktionärs nicht das Unternehmen der Gesellschaft, sondern nur die Gesellschaft als Objekt des Rechtsverkehrs.403 Die gängige Begründung für die Anwendung der Ertragswertmethode zur Ermittlung des Verkehrswerts liegt darin, dass ein Käufer sich bei seinen Kaufpreisüberlegungen an dem Nutzen ausrichten wird, den er in Zukunft aus dem zu erwerbenden Unternehmen ziehen kann. Ein Preismechanismus ordnet jedoch nur das Gut optimal zu, das auch bezahlt wird. Wie bereits oben dargestellt, vermittelt die Aktie keinerlei Berechtigung an dem Unternehmen der Aktiengesellschaft. Es lässt sich daher nicht behaupten, dass mit dem Erwerb einer Aktie ein Teil des Unternehmens der Aktiengesellschaft bezahlt wird. Es wird die in der Aktie verkörperte ___________ 398

BGHZ 71, 40, 51 – Kali und Salz. So IDW Standard 1, WPg 2005, 1303, 1305; statt aller OLG Düsseldorf AG 1999, 89, 91 – Guano; Emmerich, in: Emmerich/Habersack § 305 Rn. 75 f.; Hüffer, AktG, § 305 Rn. 24; Koppensteiner, in: KölnerKomm-AktG § 305 Rn. 94; Hüffer/SchmidtAßmann/Weber, S. 17 ff.; differenzierend Großfeld, Bewertung, S. 227 ff. 400 BGHZ 140, 35, 38. 401 So auch W. Müller, in: FS Bezzenberger S. 705, 715 ff.; Emmerich, in: Emmerich/Habersack § 305 Rn. 43 ff.; Stilz, ZGR 2001, 875, 881; Piltz, ZGR 2001, 185, 193 ff.; Luttermann, ZIP 2001, 869, 871; Busse von Colbe, in: FS Lutter S. 1053, 1055 ff.; Maier-Reimer/Kolb, in: FS W. Müller S. 92, 96; Götz DB 1996, 259 ff., 262. A. A. Riegger, DB 1999, 1889 ff.; Hüffer/Schmidt-Aßmann/Weber, S. 17 ff.; tendenziell auch Koppensteiner, in: KölnerKomm-AktG § 305 Rn. 53 ff. 402 Ein drittes liegt in den bisher nicht gelösten Schwierigkeiten bei der Bewertung unterschiedlich ausgestatteter Gesellschaftsrechte. Siehe W. Müller, in: FS Bezzenberger S. 705, 714; Emmerich, in: Emmerich/Habersack § 305 Rn. 75a. 403 D. IV. 1. d). 399

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mitgliedschaftliche Stellung im Verband gehandelt.404 Der Ertragswert dieses Wirtschaftsgutes kann, muss aber nicht verhältnismäßig zum Ertragswert des Unternehmens sein. Denn bei diesen beiden unterschiedlichen Wirtschaftgütern, Aktie und Unternehmen, die jeweils auf unterschiedlichen Märkten gehandelt werden, kommen voneinander abweichende Bewertungsmethoden bzw. -faktoren405 zur Anwendung.406 Die direkte Ermittlung des Anteilswertes aus den Zahlungsströmen zwischen der Gesellschaft und dem einzelnen Anteilseigner nach gängigen Bewertungsmethoden wird allgemein anerkannt, wenn es um die Ermittlung des Wertes einer Aktie in den Händen eines bestimmten Aktionärs geht.407 Jedwede Bewertung des Unternehmens, gleich ob die sich jeweils stellende Tatfrage nach der Ertragswertmethode oder der moderneren Discounted-Cash-Flow-Methode beantwortet wird, kann daher keine materiellrechtliche Bewertungsgrundlage, sondern nur eine nach § 738 Abs. 2 BGB, § 287 Abs. 2 ZPO zulässige Schätzung408 bezogen auf den „wahren“ Wert der mitgliedschaftlichen Stellung darstellen (sog. indirekte Bewertung)409.410 Die Genauigkeit dieser Schätzung ist dann auch abhängig von der Effizienz des Kapitalmarktes,411 denn je größer die Diskrepanz der dem Gutachter und den Kapitalmarktteilnehmern zu Verfügung stehenden Informationen sind, umso divergenter fallen theoretisch die Ergebnisse aus.

___________ 404 Jedenfalls für den Minderheitsaktionär ebenso Busse von Colbe, in: FS Lutter S. 1053, 1064 f. 405 Ein besonders instruktives Beispiel entstammt dem Steuerrecht: Ein Aktionär in einem Hochsteuerland bewertet den Ertragswert desselben Aktie gegenüber einem Aktionär in einem Niedrigsteuerland geringer. Bei der Bewertung von Unternehmen können Steuern immer nur als Durchschnittssteuer berücksichtigt werden. Regelmäßig werden dabei unterschiedslos deutsche Steuersätze zu Grunde gelegt (IDW Standard 1, WPg 2005, 1303, 1308 Ziffer 4.4.2.5). 406 Körner, S. 46: Für beide Wirtschaftsgüter lassen sich nach unterschiedlichen Methoden Ertragswerte berechnen. Vgl. Steinhauer, AG 1999, 299, 303 ff. zum Ertragswert der Aktie und IDW Standard 1, WPg 2005, 1303 ff. zum Ertragswert von Unternehmen. Koppensteiner, in: KölnerKomm-AktG § 305 Rn. 53 meint, dass der Wert einer Aktie nur subjektiv bestimmt sei. 407 Steinhauer, AG 1999, 299, 303 ff.; Körner, S. 46, 58 ff. 408 Vgl. Fleischer, ZGR 2001, 1, 27 f. 409 IDW Standard 1, WPg 2005, 1303, 1305 Ziffer 2.4. 410 Im Ergebnis übereinstimmend BGHZ 147, 108 – DAT/Altana; Busse von Colbe, in: FS Lutter S. 1053, 1064 f.; W. Müller, in: FS Bezzenberger S. 705, 706 f., 714 ff.; Stilz, ZGR 2001, 875, 883 ff., 892. A. A. (Bewertungsgegenstand nicht Aktie, sondern quotale Beteiligung am Unternehmen) Hüffer, AktG, § 305 Rn. 24c; ders., in: FS Hadding S. 461, 466 ff. 411 Steinhauer, AG 1999, 299, 304 ff.

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D. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht

Zweitens trägt der Leitgedanke, dass der Aktionär nur eine Entschädigung für das erhalten soll, „was er verliert“,412 dem Bestandsschutzinteresse der Minderheitsaktionäre nicht hinreichend Rechnung. Zur Bestimmung der Angemessenheit von Abfindung und Ausgleich muss ein existierender Verkehrswert der mitgliedschaftlichen Stellung gegebenenfalls Vorrang gegenüber anderen Bewertungsergebnissen besitzen. Denn dem Bestandsschutzinteresse ist bestens mit einer Meistbegünstigung der Minderheitsaktionäre gedient. Die Minderheitsaktionäre sind für den Fortbestand ihrer Rechtsposition davon abhängig, dass die Mehrheit keine Strukturmaßnahme beschließt. Um der Abfindung eine Bestandsschutzfunktion und nicht nur eine Eigentumswertgarantie zu geben, muss sie tendenziell solche Strukturmaßnahmen behindern, die alleine aus sich selbst heraus wirtschaftlich motiviert sind, d. h. die dem Mehrheitsaktionär neben der unmittelbaren vom Gesetzeszweck gedeckten Rechtsfolge der Strukturmaßnahme, Leitungsmacht bzw. Gewinnabführung, weitere wirtschaftliche Vorteile bescheren. Dem Mehrheitsaktionär sollten alle wirtschaftlichen Vorteile genommen werden, die den Erwerb des Gesellschaftsanteils durch Beschluss einer Strukturmaßnahme wirtschaftlich vorteilhaft gegenüber alternativen Maßnahmen gleicher Wirkung machen. Eine verfassungsrechtlich generell zulässige Unterschreitung des Verkehrswerts aus Gemeinwohlgründen bei der Bestimmung der Angemessenheit413 ist für die §§ 304, 305, 320b AktG ausgeschlossen, da ein öffentliches Interesse an Vermögensumverteilung nicht erkennbar ist.

(1) Börsenkurse Der verfassungsrechtlichen Bestandsschutzpflicht entspricht die Auslegung des Verfassungsgerichts, nach der es mit Art. 14 Abs. 1 GG unvereinbar ist, bei börsennotierten Unternehmen einen existierenden Kurswert einer Aktie außer Betracht zu lassen.414 Zur exakten Bedeutung des Börsenkurses werden drei Ansichten vertreten: 1.

Der Börsenkurs bestimmt im Regelfall die Untergrenze der Abfindung, die bei höherem Ertragswert auch höher festzusetzen ist.415 Denn die Abfin-

___________ 412

BVerfGE 100, 289, 304 f. – DAT/Altana. Oben D. IV. 2. b). 414 BVerfGE 100, 289, 307 – DAT/Altana. 415 BGHZ 147, 108, 115 – DAT/Altana; BayObLG AG 2002, 388, 389 – Rieter I; BayObLG AG 2002, 390, 391 – Rieter II; BayObLG AG 2002, 392, 393 – Ytong; OLG Düsseldorf AG 2000, 422, 423 – DAT/Altana III; OLG Düsseldorf AG 2003, 329, 332 – Siemens/SNI; OLG Frankfurt a. M. AG 2002, 404, 405 – Nestlé; OLG Frankfurt a. M. AG 2003, 581, 582 – Henninger Bräu; OLG Hamburg AG 2001, 479, 480 – Bauverein 413

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dung muss so bemessen sein, dass die Minderheitsaktionäre keinesfalls weniger erhalten, als sie bei einer freien Desinvestitionsentscheidung zum Zeitpunkt des Unternehmensvertrages oder der Eingliederung erlangt hätten (absolute Untergrenze). 2.

Der Börsenkurs bestimmt nicht die Untergrenze, sondern im Normalfall die Abfindungshöhe selbst. Konsequenz ist, dass eine Ertragsbewertung im Allgemeinen ausscheidet, auch dann, wenn sich davon eine höhere Bewertung erwarten lässt.416 Einschränkungen werden im Anschluss an das Bundesverfassungsgericht417 nur dann gemacht, wenn Zweifel an einer funktionierenden Börse die Aussagekraft der festgestellten Börsenkurse beeinträchtigen.418

3.

Der Börsenkurs hat weder die eine noch die andere richtungweisende Bedeutung, sondern muss nur als bloßer Abwägungsfaktor unter anderen berücksichtigt werden.419 Nur die erste Betrachtungsweise wird dem Bestandsschutzinteresse in Teilen gerecht. Zunächst ist festzuhalten, dass § 305 Abs. 3 Satz 2 AktG den Börsenkurs als alleinigen Maßstab grundsätzlich ausschließt.420 Da für den Mehrheitsaktionär nach der hier vertretenen Auslegung des Eigentumsgrundrechts die Strukturmaßnahme zudem nicht wirtschaftlich günstiger durchzuführen sein darf als alternative Maßnahmen gleicher Wirkung, ist der Börsenkurs das maßgebliche Kriterium, wenn sich aus ihm die höchste Bewertung der mitgliedschaftlichen Stellung ergibt. Gleiches gilt für andere Verkehrspreise. Diese Bewertung entspricht einem Ankauf am Markt. Die Unternehmensbewertungsmethoden sichern dem Minderheitsaktionär systematisch die Teilhabe am „inneren Wert“ seiner mitgliedschaftlichen Stellung. Dieser wäre z. B. durch ___________ zu Hamburg/Wünsche; OLG Stuttgart NZG 2000, 744, 745 – Schwaben Zell/Hannover Papier; LG Bremen AG 2003, 214, 215; LG Dortmund AG 2001, 544, 545; LG München I AG 2001, 99 f.; Hüffer, AktG, § 305 Rn. 20d, 24c; Bilda, in: MüKo-AktG § 305 Rn. 66; ders., NZG 2000, 296, 297; Hüttemann, ZGR 2001, 454, 458; MaierReimer/Kolb, in: FS W. Müller S. 92, 110; Emmerich, in: Emmerich/Habersack § 305 Rn. 46a. 416 Krieger, in: MünchHdb-AG § 70 Rn. 106; Aha, AG 1997, 26, 27 f.; Busse von Colbe, in: FS Lutter S. 1053, 1064 f.; Luttermann, ZIP 1999, 45, 47 f.; ders., JZ 1999, 946; Steinhauer, AG 1999, 299, 306 f; Stilz, ZGR 2001, 875, 892 f.; Zeidler, NZG 1998, 949 f.; Piltz, ZGR 2001, 185, 195 f.; siehe aber auch LG München I AG 2002, 563, 564: Ertragswert statt Börsenwert bei einem Rückversicherer. 417 BVerfGE 100, 289, 309 – DAT/Altana. 418 Aha, AG 1997, 26, 28; a. A. Busse von Colbe, in: FS Lutter S. 1053, 1065 f.; früher auch Emmerich, in: Emmerich/Habersack (3. Aufl.) § 305 Rn. 46e. 419 Großfeld, Bewertung, S. 186 f., 190 f.; ders., BB 2000, 261, 266; Vetter, AG 1999, 570, 571; ders., ZIP 2000, 561, 566. 420 RegBegr. Kropff, S. 399; Großfeld, Bewertung, S. 16.

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eine Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens (§ 179a AktG) zu realisieren und ggf. als höchster Wert der mitgliedschaftlichen Stellung angemessener Ausgleich bzw. angemessene Abfindung. Im Unterschied zu einigen Vertretern421 der unter 1. dargestellten Ansicht und im Einklang mit dem Bundesverfassungsgericht422 kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob ein effizienter Kapitalmarkt ohne Marktverzerrungen vorliegt,423 denn aus der Sicht des Mehrheitsaktionärs hätte dieser die tatsächlichen Preise bezahlen müssen, wollte er die identische Wirkung der Strukturmaßnahme zu dem von ihm gewählten Zeitpunkt erreichen.424 Anhaltspunkte, dass die Vorschriften des Konzernrechts ihn hiervor schützen sollen, sind dem Gesetz und der Regierungsbegründung425 nicht zu entnehmen;426 das dritte Buch des AktG enthält ausschließlich Abschnitte zur Sicherung der außenstehenden Aktionäre und Gläubiger und im ersteren dieser Abschnitte sind die Ausgleichs- und Abfindungsregelungen enthalten.427 Das (Vertrags-)Konzernrecht soll nur die Beherrschung der abhängigen Unternehmen erleichtern, nicht jedoch den Preis hierfür senken.428 Das Aktienrecht soll keine wirtschaftlichen Anreize zur Konzernierung setzten, weil kein öffentliches Interesse an der Durchführung jedweder Konzernierungsmaßnahme besteht.429 Dem entspricht die Auffassung des Bundesverfas___________ 421 BGHZ 147, 108, 116 – DAT/Altana; BayObLG AG 1999, 43, 45 – EKU/März; Hüttemann, ZGR 2001, 454, 470 f.; Wilm, NZG 2000, 234, 238; Maier-Reimer/Kolb, in: FS W. Müller S. 92, 98 ff.; angedeutet bei OLG Hamburg AG 2001, 479, 480 – Bauverein zu Hamburg/Wünsche, denn es stellte nur auf die Kursentwicklung bis zur Bekanntgabe des Unternehmensvertrages ab und klammerte den späteren sprunghaften Anstieg aus. Vgl. Stilz, ZGR 2001, 875, 879. 422 BVerfGE 100, 289, 306 – DAT/Altana stellt lediglich auf die Desinvestitionsmöglichkeit zum Zeitpunkt des Unternehmensvertrages oder der Eingliederung ab. 423 Vgl. zur Hypothese von der Kapitalmarkteffizienz (Efficient Capital Market Hypothesis) Steinhauer, AG 1999, 299, 302 ff., 304 ff. 424 Diese Betrachtung ist nicht zu verwechseln mit der Marktenge, bei der überhaupt kein oder nur zufälliger Handel bzw. Schätzkurse zustande kommen. Vgl. BVerfGE 100, 289, 309 – DAT/Altana; LG Frankfurt am Main AG 2006, 757, 758. Dann kann nur auf eine Unternehmensbewertung ausgewichen werden. In diese Richtung auch Mülbert, in: FS Röhricht S. 421, 435; a. A. Schwark, in: FS Lutter S. 1529, 1548. 425 RegBegr. Kropff, S. 16 ff., 376 ff. 426 Anders wohl BVerfGE 100, 289, 309 – DAT/Altana, wo der Mehrheitsaktionär vor ‚in die Höhe getriebenen Preisen‘ geschützt werden soll. 427 A. A. Maier-Reimer/Kolb, in: FS W. Müller S. 92, 96, die die Eigentümer des Mehrheitsaktionärs über Art. 14 GG schützen wollen, obwohl diese allenfalls mittelbar an der Strukturmaßnahme beteiligt sind. 428 Ebenso Behnke, NZG 1999, 934 (kein Schutz vor mangelnder Marktmacht); Reul, S. 246 ff. m. w. N. (konzentrationsneutrales Gesellschaftsrecht); a. A. Großfeld, S. 50 ff.; Hüffer/Schmidt-Aßmann/Weber, S. 58 (jederzeitiges Entzugsrisiko); rechtspolitische Bedenken äußert Koppensteiner, in: KölnerKomm-AktG § 305 Rn. 56. 429 Siehe oben S. 147 bei Fn. 371.

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sungsgerichts vom lediglich organisatorisch-formalen Charakter des Aktienrechts.430 In diesem Punkt handelt es sich nicht nur um die Frage, wie man die Stellung des Zivilrechts zu Konzentration und Wettbewerb sieht,431 denn die Interessen der Allgemeinheit an Strukturmaßnahmen müssen verfassungsrechtlich dann zusätzlich eine Vermögensumverteilung erforderlich, geeignet und verhältnismäßig erscheinen lassen. Gegebenenfalls steht es dem Mehrheitsaktionär im Übrigen frei, mit der Strukturmaßnahme so lange zu warten, bis sich der Börsenpreis auf ein für ihn akzeptables Niveau eingependelt hat.432 Nichtsdestotrotz erscheint es sinnvoll und mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar, nicht allein den oder die Börsenkurse am Bewertungsstichtag (§§ 305 Abs. 3 S. 2, 320b Abs. 1 S. 5 AktG) heranzuziehen.433 Ein alternativer Aufkauf von Aktien durch den Mehrheitsaktionär über die Börse oder außerbörsliche Geschäfte werden regelmäßig ebenfalls nicht an einem Stichtag zu nur einem der dann festgestellten Kurse erfolgen.434

(2) Außerbörslich vom herrschenden Unternehmen gezahlte Preise Das Bundesverfassungsgericht435 und Teile der Literatur436 wollen von einem herrschenden Unternehmen tatsächlich außerbörslich gezahlte Preise für Aktien der abhängigen Gesellschaft unberücksichtigt lassen. Der Preis, den ein Mehrheitsaktionär zu zahlen bereit sei, habe zu dem „wahren“ Wert des Anteilseigentums in der Hand des Minderheitsaktionärs regelmäßig keine Beziehung. Der erhöhte Grenznutzen, den der Mehrheitsaktionär aus den wenigen ihm zum Erreichen eines bestimmten Stimmenquorums fehlenden Aktien ziehen kann, führe zu einem überhöhten Preis und sei allein für den Mehrheitsaktionär bestimmend, da ihm sonst die beabsichtigte Konzernierungsmaßnahme unmöglich wäre. So spiegele sich in diesem (subjektiven) Preis sein Grenznut___________ 430

BVerfGE 14, 263, 275 – Feldmühle. So Großfeld, Bewertung, S. 17. 432 Busse von Colbe, in: FS Lutter S. 1053, 1066. 433 BVerfGE 100, 289, 309 – DAT/Altana (Referenzzeitraum vor Bekanntgabe der Maßnahme); BGHZ 147, 108, 118 – DAT/Altana (Referenzzeitraum vor Hauptversammlungsbeschluss); Behnke, NZG 1999, 934; für Stichtagskurs mit Korrekturen Piltz, ZGR 2001, 185, 200 f.; ähnlich Busse von Colbe, in: FS Lutter S. 1053, 1063. Zur Kritik Stilz, ZGR 2001, 875, 888. 434 Vgl. zum Problem des Referenzzeitraums BVerfG NZG 2007, 228; Stilz, ZGR 2001, 875, 883 ff.; Maier-Reimer/Kolb, in: FS W. Müller S. 92, 102 ff.; Wilm, NZG 2000, 235, 238 f. 435 BVerfGE 100, 289, 306 f. – DAT/Altana. 436 Piltz, ZGR 2001, 185, 198 f.; Hüffer, AktG, §305 Rn. 21; Bilda, in: MüKo-AktG § 305 Rn. 65. 431

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zen, jedoch nicht der wahre Wert (objektive Preis) dieser strategischen Aktie in der Hand des Minderheitsaktionärs. Gerade diesen spezifischen (subjektiven) Preis zu erzielen, habe der Minderheitsaktionär verfassungsrechtlich keinen Anspruch, weil er für einen Minderheitsaktionär nur dann zu erzielen sei, wenn gerade er seine Aktien an den Mehrheitsaktionär veräußern könnte. Diese Argumentation erscheint auf den ersten Blick wenig überzeugend, weil der Mehrheitsaktionär dieses Ziel gleichermaßen natürlich außerbörslich wie auch über die Börse erreichen kann.437 Bedeutender ist jedoch, dass das Gericht einen argumentativen Zirkelschluss vollzogen hat. Aus verfassungsrechtlicher Sicht war über die zuvor in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte438 vertretene Auffassung zu entscheiden. Ökonomisch betrachtet waren unter Geltung dieser OLG-Rechtsprechung vom Mehrheitsaktionär im Vorfeld einer Strukturmaßnahme außerbörslich gezahlte Preise bedeutungslos, da diese (subjektiven) Preise für die Bestimmung der Ausgleichszahlung (des objektiven Preises) nicht herangezogen wurden. Sie führten nicht zu einer Erhöhung der Ausgleichszahlung. Aus dieser ökonomischen Realität schließt das Verfassungsgericht auf einen überhöhten Preis, der nicht den Wert der Aktie in der Hand des Minderheitsaktionärs darstelle. Sähen die rechtlichen Rahmenbedingungen allerdings eine Berücksichtigung solcher „überhöhten“ Preise vor, wäre bereits der im Vorfeld einer Strukturmaßnahme gezahlte (subjektive) Preis tendenziell niedriger bzw. „nicht überhöht“. Denn in einer Rechtsordnung, die „überhöhte“ Preise später bei der Höhe der Ausgleichszahlung berücksichtigt, bezieht der Mehrheitsaktionär diese Rechtsfolge in seine subjektive Preiskalkulation ein. In diesem Fall ließe sich mit Fug und Recht behaupten, dass der Mehrheitsaktionär unter Ausnutzung aller ihm zu Verfügung stehenden Informationen einen Preis zahlt, der näher am „wahren“ Wert des Anteilseigentums liegt, weil er sonst (subjektiv und objektiv) überhöhte Ausgleichszahlungen leisten müsste. Hätte das Verfassungsgericht ihn rechtlich an die eigenen (subjektiven) Preise als Mindestwert des Anteils gebunden, wären diese Preise von höherer Aussagekraft. Denn Aufschläge für strategische Aktien würde der Mehrheitsaktionär bei der Festlegung seines subjektiven Preises nur insoweit berücksichtigen, wie er bereit wäre, diesen Aufschlag allen Aktionären gleichermaßen zu zahlen. Die Rechtsprechung vertauscht daher Ross und Reiter, wenn die bisher geltenden ökonomischen Realitäten die anstehenden Rechtsfragen beantworten. Die hier vertretene Meistbegünstigung verlangt es, den Mehrheitsaktionär an seine im Vorfeld getroffene rechtsgeschäftliche Disposition zu binden.439 Muss näm___________ 437

W. Müller, in: FS Bezzenberger S. 705, 714. A. A. Wilm, NZG 2000, 234, 240. OLG Celle NZG 1998, 987 f.; OLG Düsseldorf AG 1995, 85, 86 f. 439 Im Ergebnis übereinstimmend Emmerich, in: Emmerich/Habersack § 305 Rn. 50 (besonders deutlich in der 3. Aufl.); Behnke, NZG 1999, 934; Busse von Colbe, in: FS 438

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lich der Mehrheitsaktionär mit der Berücksichtigung seiner Vorerwerbe für einen bestimmten Zeitraum440 rechnen und hat er in Kenntnis dessen durch einen Vertragsabschluss seine Bewertung der mitgliedschaftlichen Stellung zum Ausdruck gebracht, dient es dem Bestandsinteresse des Minderheitsaktionärs bestens, wenn dieser Preis die Untergrenze der Anteilsbewertung darstellt. Beinahe zwingend erscheint diese Sicht, wenn der Strukturmaßnahme ein Übernahmeangebot vorausging, denn der dort gezahlte Preis spiegelt gerade die Wertschätzung des Mehrheitsaktionärs für die gesamte Gesellschaft wider.441 Zudem ergäben sich nach der derzeitigen Rechtslage erhebliche Wertungsinkonsistenzen zwischen dem WpÜG (§ 4 AngebotsVO) und dem Abfindungsrecht, weil entgegen dem Ziel, außenstehende oder ausscheidende Aktionäre zu schützen, das Äquivalent zur Übernahmeprämie dem herrschenden Aktionär zugesprochen wird.442

d) Folgerungen für den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag Im Folgenden sollen anhand des Beherrschungsvertrages und des Gewinnabführungsvertrages noch kurz die Konsequenzen der hier neu entwickelten Dogmatik zum verfassungsrechtlichen Schutzbereich der Mitgliedschaft und Ausgleichs- bzw. Abfindungshöhe in concreto aufgezeigt werden. Nach § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG kann eine Aktiengesellschaft durch einen Unternehmensvertrag die Leitung ihrer Gesellschaft einem anderen Unternehmen unterstellen (Beherrschungsvertrag) oder sich verpflichten, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen (Gewinnabführungsvertrag).443 Sie bedarf dazu der Zustimmung einer Mehrheit ihrer Hauptversammlung, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfassen muss (§ 293 Abs. 1 AktG). Der Beherrschungsvertrag und der Gewinnabführungsvertrag werden in der Praxis regelmäßig zu einem Vertrag verbunden. ___________ Lutter S. 1053, 1061 f.; W. Müller, in: FS Bezzenberger S. 705, 713 f.; Großfeld, Bewertung, S. 200 ff. 440 Angemessen erscheinen drei bis sechs Monate, weil sich innerhalb eines solchen Zeitraums die Bewertungsfaktoren generell nicht sehr stark verändern dürften. Ein längerer Zeitraum dürfte den Zurechnungsgedanken nicht tragen. 441 Busse von Colbe, in: FS Lutter S. 1053, 1063 f., aber mit abweichender Schlussfolgerung. 442 Schmidt/Prigge, DBW 2002, 225, 235. 443 Die anderen Unternehmensverträge nach § 292 AktG waren nicht Gegenstand des DAT/Altana-Beschlusses.

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D. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht

Mit dem Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags entsteht zwischen der abhängigen Gesellschaft und dem herrschenden Unternehmen ein Vertragskonzern (§ 18 Abs. 1 Satz 2 AktG). Das herrschende Unternehmen ist gemäß § 308 Abs. 1 AktG berechtigt, dem Vorstand der abhängigen Gesellschaft auch „nachteilige Weisungen“ zu erteilen. Das Gesellschaftsvermögen der abhängigen Gesellschaft unterliegt schwächeren Bindungen (§ 291 Abs. 3 AktG). Kraft seiner Weisungsbefugnis kann das herrschende Unternehmen die abhängige Gesellschaft ihrer Vermögenswerte weitgehend entkleiden und vollständig dem Konzerninteresse unterwerfen. Anders als im Fall der Eingliederung verliert ein Gesellschafter durch den Abschluss eines Unternehmensvertrages seine mitgliedschaftliche Stellung nicht vollständig. Im Fall des Beherrschungsvertrages sind lediglich die mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechte im Rahmen des § 308 AktG geschmälert; im Fall des Gewinnabführungsvertrages entfällt das mitgliedschaftliche Verwaltungsrecht aus § 58 AktG. Eine eigentumsrelevante Maßnahme liegt damit bereits vor, weil die einzelnen Verwaltungsrechte durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt werden.444 Zum Schutz der Minderheitsaktionäre, die vom Gesetz als „außenstehende Aktionäre“ bezeichnet werden, enthält das Aktiengesetz zwei Vorkehrungen: Gemäß § 304 Abs. 1 AktG muss der Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag einen angemessenen Ausgleich für die außenstehenden Aktionäre in Form einer wiederkehrenden Geldleistung (Ausgleichszahlung) vorsehen. Der Ausgleich soll die Minderheitsaktionäre für den aufgrund der Gewinnabführungsverpflichtung weggefallenen Gewinnbeteiligungsanspruch entschädigen.445 Gemäß § 305 Abs. 1 AktG muss der Unternehmensvertrag zudem die Verpflichtung des herrschenden Unternehmens enthalten, auf Verlangen eines außenstehenden Aktionärs dessen Aktien gegen eine im Vertrag bestimmte angemessene Abfindung zu erwerben. Dadurch soll der Minderheitsaktionär in die Lage versetzt werden, ohne Vermögensverlust aus der Gesellschaft, an der er keine Herrschaftsmacht mehr besitzt, auszuscheiden.446 Die Abfindung kann entweder durch Gewährung eigener Aktien der herrschenden Gesellschaft oder ihrer Muttergesellschaft oder durch eine Barabfindung erfolgen (§ 305 Abs. 2 AktG). Sind der vertraglich bestimmte Ausgleich oder die zugesagte Abfindung nach Auffassung der Minderheitsaktionäre unangemessen niedrig, so haben diese gemäß § 304 Abs. 3 Satz 3 und Abs. 4, § 305 Abs. 5 Satz 2 bis 4 AktG ___________ 444

D. IV. 1. f). Hüffer, AktG, § 304 Rn. 1. 446 Hüffer, AktG, § 305 Rn. 1. 445

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die Möglichkeit, den angemessenen Ausgleich oder die angemessene Abfindung in einem Spruchverfahren nach dem Spruchverfahrensgesetz gerichtlich bestimmen zu lassen. Nach dem Prinzip der Meistbegünstigung ist für die Angemessenheit der Abfindung im Spruchverfahren Ausgangspunkt der höchste Wert für die mitgliedschaftliche Stellung, der sich beim Vergleich (1) eines durchschnittlichen gewichteten Börsenkurses und/oder anderer Verkehrspreise im Vorfeld447 der Maßnahme, (2) dem Anteilswert nach einer wissenschaftlich anerkannten, vom Gericht auch inhaltlich zu prüfenden Unternehmensbewertung und (3) Preisen für eine Aktie, die vom Mehrheitsaktionär im Vorfeld selbst gezahlt wurden, ergibt. Dies wirft zwei Fragen auf: Erfüllt bereits allein die Ausgleichszahlung gemäß § 304 Abs. 1 AktG das Schutzgebot aus Art. 14 Abs. 1 GG und warum verlangt ein verfassungsrechtliches Schutzgebot in gleicher Weise volle wirtschaftliche Entschädigung (§ 305 Abs. 5 Satz 2 bis 4 AktG) wie in Fällen des totalen Verlustes der Mitgliedschaft (§ 320b Abs. 1 Satz 1 AktG, § 15 UmwG 1956)? Das Bundesverfassungsgericht selbst stellt fest, dass von Verfassungs wegen die grundrechtlich relevante Einbuße vollständig kompensiert werden muss. Auszugleichen ist, was dem Minderheitsaktionär an Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG verloren geht.448 Von der Konzeption des Gesetzes her ist die Regelung in § 304 AktG darauf ausgerichtet, dem Minderheitsaktionär eine Kompensation für seinen „Verlust an Mitgliedschaft“ zu gewähren und ihm dabei gleichzeitig einen „sinnvollen“ Verbleib in der Gesellschaft zu ermöglichen.449 Die Untergrenze der Kompensation richtet sich gemäß § 304 Abs. 2 AktG nach dem voraussichtlichen durchschnittlichen Gewinnanteil pro Aktie. Nach der hier vertretenen Auffassung gebietet Art. 14 Abs. 1 GG keinen Verlustausgleich, sondern einen möglichst weitgehenden Bestandsschutz. Die mitgliedschaftliche Stellung hat einen umfassenden, durch den Gesellschaftszweck in seiner Richtung bestimmten und „nach vorne offenen“ Charakter,450 der eine quantitativ, inhaltlich und zeitlich gänzlich unbestimmte Gesamtheit von Mitwirkungs- und Gestaltungsbefugnissen zusammen mit den sonstigen mitgliedschaftlichen Elementen zu einer einheitlichen Position bündelt.451 Die Beeinträchtigung einzelner Verwaltungsrechte durch einen Unternehmensver___________ 447

Die Länge des Referenzzeitraumes ist nach den Verhältnissen des jeweiligen Einzelfalles festzulegen. 448 BVerfGE 100, 289, 305 – DAT/Altana. 449 RegBegr. Kropff, S. 394. 450 Lutter, AcP 180 (1980) 84, 91 f. 451 Habersack, S. 99.

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trag kann daher nicht als bloße Beschränkung begriffen werden, weil die zukünftigen Auswirkungen dieser Beschränkung auf die Gesamtheit der Mitwirkungs- und Gestaltungsbefugnissen völlig offen ist. Der langfristige Zeithorizont eines Gesellschaftsvertrages macht es unmöglich, in ihm im vorhinein nur wohldefinierte Verpflichtungen zu bestimmen und birgt so in besonderem Maße die Gefahr eines Ex-Post-Opportunismus: Ein Minderheitsgesellschafter kann nicht ausschließen, dass die Gesellschaftermehrheit ihn im Zeitablauf auf die eine oder andere Weise benachteiligen wird. Seine Verwaltungsrechte können dem entgegenwirken. Eine Beseitigung einzelner von ihnen hat daher eine mitgliedschaftliche Stellung neuen Inhalts zur Folge. Deshalb entspringt die Ausgleichszahlung gemäß § 304 Abs. 1 AktG nicht dem (Bestands-)Schutzgebot aus Art. 14 Abs. 1 GG,452 sondern sie kann nur als einfachgesetzlicher, hinter den verfassungsrechtlichen Anforderungen zurückbleibender Kontrahierungszwang des anderen Vertragsteils zu Gunsten der Minderheitsaktionäre verstanden werden.453 Dieser Kontrahierungszwang entschädigt die Minderheitsaktionäre nicht für den Verlust des Vermögensrechts der Gewinnbeteiligung, sondern sichert ihnen bestimmte Mindestkonditionen für einen freiwilligen Verbleib in der abhängigen Gesellschaft unter Hinnahme der inhaltlichen Veränderung ihrer Mitgliedschaft zu. Wegen der inhaltlichen Umgestaltung der mitgliedschaftlichen Stellung verlangt das verfassungsrechtliche Schutzgebot daneben eine meistbegünstigende Abfindung (§ 305 Abs. 5 Satz 2 bis 4 AktG) wie in Fällen des totalen Verlustes der Mitgliedschaft (§ 320b Abs. 1 Satz 1 AktG, § 15 UmwG 1956). Der Stellungnahme des Bundesverfassungsgerichts in seinem Nichtannahmebeschluss im Fall Hartmann & Braun454 zum so genannten variablen Ausgleich nach § 304 Abs. 2 Satz 2 AktG kann aus diesem Grunde nicht zugestimmt werden. Gegenstand der Entscheidung war ein aktienrechtliches Spruchstellenverfahren nach § 306 a. F. AktG zur Überprüfung der Angemessenheit der Abfindung und Ausgleichszahlung, die in dem im Jahr 1983 zwischen der Hartmann & Braun AG als abhängigem Unternehmen und der herrschenden Mannesmann AG abgeschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag festgelegt worden war. Die variable Ausgleichszahlung hängt vom Gewinn der Obergesellschaft ab und es muss der Betrag zugesichert werden, der unter Herstellung eines angemessenen Umrechnungsverhältnisses auf ___________ 452 Spindler/Klöhn, Konzern 2004, 511, 514 f. Zweifelnd auch Schön, in: FS Ulmer S. 1359, 1380, weil der Ausgleich nach § 304 AktG kraft Verfassungsrecht nicht weiter reichen könne als der Gewinnausschüttungsanspruch im faktischen Konzern. 453 Vgl. auch zur ganz ähnlichen Situation im Umwandlungsrecht Lutter/Drygala, in: FS Kropff, S. 191, 198: „Mitgliedschaft gegen angemessene Abfindung abkaufen lassen“. 454 BVerfG ZIP 1999, 1804 – Hartmann & Braun.

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Aktien der Obergesellschaft jeweils als Gewinnanteil entfällt. Die Angemessenheit des Umrechnungsverhältnisses ist nach der Verschmelzungswertrelation zwischen den Aktien beider Gesellschaften zu ermitteln. Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung ist für die Ermittlung des variablen Ausgleichs nicht auf den Jahresüberschuss der Obergesellschaft gemäß § 275 Abs. 2 Nr. 20 bzw. Abs. 3 Nr. 19 HGB, sondern auf den von der Obergesellschaft nach Bildung von Gewinnrücklagen als Dividende tatsächlich ausgeschütteten Betrag abzustellen.455 Im Spruchstellenverfahren war eine Anhebung der Ausgleichszahlung im Hinblick auf die Möglichkeiten der Mannesmann AG zur Rücklagenbildung mit dem Hinweis abgelehnt worden, die Dividendenpolitik der Obergesellschaft könne für die außenstehenden Aktionäre auch mit Vorteilen verbunden sein. Sie nähmen im Positiven wie im Negativen an der Dividendenpolitik der Obergesellschaft teil. Das Bundesverfassungsgericht hebt in der Begründung seines Nichtannahmebeschlusses ausdrücklich hervor, dass auch bei der Bestimmung des variablen Ausgleichs den außenstehenden Aktionären in jedem Fall das gewährt werden muss, was ihnen an Eigentum im Sinne von Art. 14 GG verloren geht. Vor einem dahinter zurückbleibenden variablen Ausgleich müssten die außenstehenden Aktionäre von Verfassungs wegen effektiv geschützt werden.456 Unabhängig von der Auslegung des einfachen Gesetzes lässt sich aus der Verfassung jedoch nach der hier vertretenen Auffassung457 nicht herleiten, dass sowohl Ausgleich als auch Abfindung für sich gesehen zur vollen Entschädigung führen müssen.458 Dem Bestandsschutzinteresse der außenstehenden Aktionäre wird hinreichend entsprochen, wenn die Obergesellschaft nach deren Wahl eine meistbegünstigende Abfindung zahlen muss. Wegen des nach vorne offenen Charakters der mitgliedschaftlichen Stellung lässt sich der ‚volle‘ bzw. ‚wahre‘ Wert eines einzelnen Mitverwaltungsrechts nicht ex ante objektiv bestimmen. Eine Ausgleichszahlung für den Verlust eines Mitverwaltungsrechts kann daher nicht als teilweiser Bestandsschutz plus Teilentschädigung, sondern nur als freiwillig akzeptierte Gegenleistung für die Inhaltsänderung der Mitgliedschaft verstanden werden. Im Ergebnis kann dem LG Frankfurt a. M. zugestimmt werden, wenn es im zugrunde liegenden Spruchstellenverfahren die außenstehenden Aktionäre darauf verwiesen hat, dass sie mit der Annahme des variablen Ausgleichs freiwillig unter Ver___________ 455 OLG Düsseldorf AG 1978, 238; OLG Düsseldorf ZIP 1984, 586; Hüffer, AktG, § 304 Rn. 15; Bilda, in: MüKo-AktG § 304 Rn. 66, 95; vGodin/Wilhelmi, § 304 Anm. 6; a. A. Koppensteiner, in: KölnerKomm-AktG § 304 Rn. 69 ff., 81; Emmerich, in: Emmerich/Habersack § 304 Rn. 49. 456 BVerfG ZIP 1999, 1804, 1806 – Hartmann & Braun. 457 Siehe soeben S. 162 bei Fn. 453. 458 A. A. BVerfG ZIP 1999, 1804, 1806 – Hartmann & Braun; Vetter, ZIP 2000, 561, 563.

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D. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht

zicht auf die Abfindung spezielle damit verbundene Risiken bzw. genauer eine neue mitgliedschaftliche Stellung unter Einschluss der unternehmerischen Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten bei der Obergesellschaft akzeptiert haben.459 Die verfassungsgerichtliche Ansicht, dass sowohl Abfindung als auch Ausgleich zur ‚vollen‘ Entschädigung führen müssen, lässt sich bestenfalls auf der Grundlage von Art. 2 Abs. 1 GG begründen, wenn die Minderheit eine strukturell unterlegene Gruppe bildet.460 Ein Ergänzungsbedarf zu der von Mülbert vertretenen Position wird ebenfalls offenbar: Übereinstimmend mit den hier gefundenen Ergebnissen vertritt er, dass der einzelne Aktionär als Vermögensposition überhaupt nur die Mitgliedschaft in der Gesellschaft erlangt und die daraus resultierenden mitgliedschaftlichen Verwaltungs- und Vermögensrechte auf die Gesellschaft selbst als Verband und Vermögensträger bezogen sind, nicht auf die der Gesellschaft zugeordneten Vermögenswerte.461 Völlig zuzustimmen ist ihm deshalb darin, dass der Topos des „wirtschaftlichen Eigentümers“ für die rechtsdogmatische Fortbildung der mitgliedschaftlichen Aktionärsrechte ungeeignet ist.462 Die Grenzziehung zwischen Mehrheitsherrschaft und Minderheitenschutz kann nicht durch Rückgriff auf den inhaltlich völlig offenen Art. 14 GG konkretisiert werden.463 Ergänzt werden muss die Aussage, dass nur der Entzug der Mitgliedschaft entschädigungspflichtig sein soll.464 Die Konsequenz aus der Erkenntnis, dass die Mitgliedschaft in der Gesellschaft Eigentumsgegenstand ist, muss lauten, dass nicht nur ihr Entzug, sondern jedwede Beeinträchtigung vom Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG erfasst wird. Zwar kann die Grenze der einzelnen Mitverwaltungsrechte nicht mit Hilfe des Art. 14 Abs. 1 GG bestimmt werden,465 ein völliger Entzug eines Mitverwaltungsrechts stellt aber in jedem Fall eine Eigentumsbeeinträchtigung dar. Deshalb folgt das für den Gesetzgeber geltende Gebot, Eingriffe der Mehrheit in Mitverwaltungsrechte möglichst nur gegen bestandsschützende Meistbegünstigung vorzusehen, aus Art. 14 Abs. 1 GG und nicht daraus, dass die Minderheit eine strukturell unterlegene Gruppe bildet.466 ___________ 459

LG Frankfurt a. M. WM 1987, 559, 562. Vgl. BVerfGE 89, 214 – Bürgschaftsverträge; BVerfGE NJW 2005, 2363 – Bestandsübertragung Lebensversicherung; BVerfG NJW 2005, 2376 – Überschussbeteiligung Lebensversicherung; Mülbert/Leuschner, ZHR 170 (2006) 615, 661 ff. 461 Mülbert, in: GroßKomm-AktG, vor §§ 118-147 Rn. 188. 462 Mülbert, in: GroßKomm-AktG, vor §§ 118-147 Rn. 189. 463 Vgl. oben D. I. 2. 464 Mülbert, in: GroßKomm-AktG, vor §§ 118-147 Rn. 190. 465 A. A. BGH NZG 2003, 280 – Macrotron. Dazu im Einzelnen unten E. II. 466 Fragend Mülbert, in: GroßKomm-AktG, vor §§ 118-147 Rn. 190 Fn. 318. Vgl. auch BVerfGE 89, 214 – Bürgschaftsverträge und Fleischer, DNotZ 2000, 876, 878. 460

IV. DAT/Altana-Beschluss

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Dieses Gebot gilt daher im Grundsatz auch für die Abfindungsregeln im GmbH-Recht und Personengesellschaftsrecht. Dahinter verbirgt sich kein von Hüffer deutlich abgelehnter Konzeptionswechsel hinsichtlich des Bewertungsgegenstandes bei börsennotierten Aktiengesellschaften.467 Ganz allgemein gilt für Verbandsformen, die nicht durch Verfügung über die Mitgliedschaft übertragbar sind, dass der Verkehrswert Null beträgt. Dies wird jedoch regelmäßig, unter Ausnahme des Idealvereins, durch ein Verwaltungs- bzw. Herrschaftsrecht des Mitglieds kompensiert, das ihm entweder die Kündigung der Gesellschaft (vgl. § 723 BGB) verbunden mit der Auflösung der Gesellschaft und der Auseinandersetzung (vgl. § 730 BGB) oder verbunden mit seinem Ausscheiden (vgl. § 736 BGB) und einem Abfindungsanspruch (vgl. § 738 BGB) vermögensrechtlich entschädigt. Die Grundsätze zur Bewertung eines Geschäftsanteils sind vor diesem Hintergrund zunächst für den Abfindungsanspruch entwickelt worden, um dann von der Rechtsprechung für das Aktienrecht übernommen zu werden.468 Die Frage nach dem richtigen Bewertungsgegenstand – quotale Beteiligung am Gesellschaftsunternehmen oder Mitgliedschaft als selbständig handelbares Gut – stellte sich anfänglich nicht oder wurde nicht gestellt. Gerade die neuere Entwicklung bei Zweitmärkten für geschlossene Fonds,469 die häufig als KG oder GbR organisiert sind, verdeutlicht aber, dass die rechtstatsächliche Entwicklung in Richtung auf Handelbarkeit vieler Mitgliedschaften hinausläuft. Besteht erst einmal – aus welchen rechtlichen Gründen auch immer470 – die vom Verfassungsgericht bereits für das Aktieneigentum anerkannte471 Doppelnatur als quotale Beteiligung am Gesellschaftsunternehmen und selbständig handelbares Wirtschaftsgut, können beide Aspekte tauglicher Bewertungsgegenstand sein. Es gilt dann lediglich die Frage ihres Verhältnisses zueinander zu klären, die hier für den Fall des Eingriffs in die mitgliedschaftliche Stellung im Sinne einer Meistbegünstigung beantwortet wird.

___________ 467 Hüffer, in: FS Hadding S. 461, 466 ff., ders., AktG, § 305 Rn. 24c; Hüffer/Schmidt-Aßmann/Weber, S. 25 ff. 468 Henze, in: FS Lutter S. 1101, 1104 ff. m. w. N.; Hüffer, in: FS Hadding S. 461, 464 f.; Hüffer/Schmidt-Aßmann/Weber, S. 23. 469 Vgl. Paul, Zweitmarkt für geschlossenen Immobilienfonds. 470 Z. B. entsprechende Satzungsvereinbarung zur Übertragbarkeit. 471 BVerfGE 100, 289, 305 – DAT/Altana.

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D. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht

V. Moto Meter-Beschluss Die DAT/Altana-Entscheidung wird durch vier weitere Judikate zum gleichen Bereich flankiert.472 In zwei Nichtannahmebeschlüssen geht es im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit um weniger bedeutende Konkretisierungen der DAT/Altana-Entscheidung. Zum einen war zu entscheiden, wie sich eine Änderung des Körperschaftssteuersatzes ab dem 1. Januar 1999 und der damit zusammenhängenden Reduzierung der Körperschaftssteuergutschrift auf die Höhe der angemessenen Abfindung auswirkt,473 zum anderen ging es um die Frage, ab welchem Zeitpunkt eine Nichtbeachtung der DAT/Altana-Entscheidung von den Zivilgerichten wegen grober Verkennung des durch ein Grundrecht gewährten Schutzes oder eines geradezu leichtfertigen Umgangs mit grundrechtlichen Positionen einer Verfassungsbeschwerde zur Durchsetzung von Verfassungsrechten angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 lit. b BVerfGG).474 Ein dritter Nichtannahmebeschluss wurde soeben bereits erörtert.475 In dem vierten Nichtannahmebeschluss ging es um die Rechte der Minderheitsaktionäre bei der „übertragenden Auflösung“ der Moto Meter AG.476 Das Gericht musste sich im Jahr 2000 – knapp vier Jahrzehnte nach der FeldmühleEntscheidung – erneut mit der Beendigung der mitgliedschaftlichen Stellung der Minderheitsgesellschafter auf Veranlassung des Mehrheitsgesellschafters befassen – dieses Mal galt es, die Zulässigkeit der sog. übertragenden Auflösung477 zu beurteilen. Bei diesem Moto-Meter-Methode genannten Vorgehen stimmt der Mehrheitsaktionär gemäß § 179a AktG dem Vertrag über den Verkauf des gesamten oder wesentlicher Teile des Gesellschaftsvermögens an sich bzw. eine dazu bestimmte Tochtergesellschaft zu. Zugleich fasst er mit satzungsändernder Mehrheit einen Auflösungsbeschluss nach § 262 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 1, 179a Abs. 3 AktG. Die Minderheit erhält einen Anteil des Kaufpreises als Liquidationserlös und scheidet mit Beendigung der Liquidation aus. Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet unter verfassungsrechtlichen Aspekten zwei Fragen, nämlich zum einen, ob ein solcher mittelbarer Zwangsausschluss überhaupt zulässig ist (primärer Bestandsschutz), und zum ___________ 472 BVerfG ZIP 2000, 1670 – Moto Meter; BVerfG ZIP 1999, 1804 – Hartmann & Braun; BVerfG NZG 2000, 420 – EURAG Holding AG; BVerfG AG 2000, 321 – Hoffmann’s Stärkefabriken. 473 BVerfG AG 2000, 321 – Hoffmann’s Stärkefabriken. 474 BVerfG NZG 2000, 420 – EURAG Holding AG. 475 D. IV. 2. d); BVerfG ZIP 1999, 1804 – Hartmann & Braun. 476 BVerfG ZIP 2000, 1670 – Moto Meter. 477 Bezeichnung im Anschluss an Lutter/Drygala, in: FS Kropff, S. 191 ff.

V. Moto Meter-Beschluss

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anderen, welcher Schutz bei Bejahung hinsichtlich der Modalitäten des Ausscheidens bestehen muss (Vermögensschutz bzw. sekundärer Bestandsschutz).

1. Primärer Bestandsschutz In der ersten Frage verneint das Gericht zutreffend einen Bestandsschutz durch Anfechtbarkeit des zum Verlust der mitgliedschaftlichen Stellung führenden Beschlusses (primärer Bestandsschutz). Die §§ 179a, 262 AktG werden den Anforderungen an eine verfassungsrechtlich zulässige Inhaltsbestimmung des Eigentums generell gerecht.478 Denn Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG schließt nicht grundsätzlich aus, eine Aktionärsminderheit gegen ihren Willen aus einer Aktiengesellschaft zu drängen. Der Gesetzgeber darf sich damit begnügen, generell eine grundrechtsgemäße Privatrechtsordnung zur Verfügung zu stellen und Grundrechtsverletzungen im Einzelfall durch die Zivilgerichte ausgleichen zu lassen.479 § 179a AktG wirft im Regelfall keine verfassungsrechtlichen Probleme auf, weil bei einer Veräußerung des Gesellschaftsvermögens an einen unbeteiligten Dritten ein Schutzbedürfnis für die Minderheitsaktionäre nicht entsteht. Der Schutz der Minderheitsaktionäre besteht regelmäßig darin, dass auch der Großaktionär einen möglichst hohen Preis für das Gesellschaftsvermögen erzielen will. Dieser Schutz versagt aber in grundsätzlicher Weise, wenn das Gesellschaftsvermögen letztlich an den Großaktionär verkauft wird und dadurch zwischen den Gesellschaftergruppen in Bezug auf den Veräußerungserlös keine Interessenhomogenität, sondern ein Interessenkonflikt besteht.480 Die Verfassung verlangt nicht, den Anwendungsbereich von § 179a AktG auf Fälle zu beschränken, in denen das gesamte Vermögen an einen „unbeteiligten Dritten“ veräußert wird.481 Die Rechtsordnung muss nur hinreichende Schutzvorkehrungen für die Minderheitsaktionäre bereithalten.482 Hierzu können die Regelungen über das Spruchverfahren nach dem Spruchverfah-

___________ 478

BVerfG ZIP 1999, 1670, 1672 – Moto Meter; für §§ 320 ff. AktG BVerfGE 100, 289, 303 f. – DAT/Altana; für die Normen des UmwG 1956 ebenso BVerfGE 14, 263, 283 f. – Feldmühle. A. A. Hanau, NZG 2002, 1040, 1042 f. 479 Vgl. oben D. IV. 2. c). 480 BVerfG ZIP 1999, 1670, 1672 – Moto Meter; Lutter/Drygala, in: FS Kropff, S. 191, 202 f.; Wilhelm/Dreier, ZIP 2003, 1369, 1370. 481 BVerfG ZIP 1999, 1670, 1673 – Moto Meter. A. A. Wilhelm/Dreier, ZIP 2003, 1369, 1372 f. 482 Neye, BVerfG EWiR Art. 14 GG 1/2000, 913, 914.

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D. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht

rensgesetz auf die übertragende Auflösung analog angewandt werden oder eine gerichtliche Kontrolle kann im Rahmen einer Anfechtungsklage erfolgen.483

2. Sekundärer Bestandsschutz In der zweiten Frage nach dem Vermögensschutz bleibt das Verfassungsgericht in dieser Entscheidung erneut hinter dem nach der hier vertretenen Ansicht erforderlichen Bestandsschutz durch Anforderungen an die Gegenleistung zurück (sekundärer Bestandsschutz). Wiederum verlangt das Verfassungsgericht lediglich die volle wirtschaftliche Kompensation für den Verlust der Gesellschaftsbeteiligung.484 Es ist aber für die übertragende Auflösung gleichfalls eine Meistbegünstigung der Minderheitsaktionäre angezeigt. Es handelt sich bei der übertragenden Auflösung um einen echten Konflikt zwischen Mehrheit und Minderheit: Die Gestaltungsmöglichkeiten, Auflösung und Vermögensübertragung gemäß § 179a AktG, sind nicht zu dem Zweck geschaffen worden, der Mehrheit einen Ausschluss der Mitgesellschafter zu ermöglichen,485 sondern um die gemeinsame Zweckverfolgung für alle Beteiligten gleichermaßen beenden und das eingesetzte Kapital liquide machen zu können. Ähnlich wie bei der Strukturmaßnahme sind zumindest tatsächlich nicht alle mitgliedschaftlichen Stellungen gleichmäßig betroffen und teilen kein gemeinsames Schicksal. Soweit der Minderheitsgesellschafter nicht in die Lage ist, in gleicher Weise wie der Mehrheitsgesellschafter das Unternehmen oder Teile des Gesellschaftsvermögens im Zuge der Liquidation der Gesellschaft zu erwerben und fortzuführen, befindet er sich in einer Situation, die einem Ausschluss aus seiner Gesellschaft gleichzustellen ist.486 Während der Mehrheitsgesellschafter die Unternehmung fortführen kann, wird der Minderheitsaktionär von der weiteren Verfolgung des unternehmerischen Zwecks faktisch ausgeschlossen. Da auch tatsächliche Beeinträchtigungen grundrechtsrelevant sind,487 muss Art. 14 Abs. 1 GG an dieser Stelle Wirkung entfalten. Allerdings sind die vom Verfassungsgericht angeführten Argumente, die zu einer Abschwächung des (primären) Bestandsschutzes führen können, nicht ___________ 483

Vgl. zur aktienrechtlichen Diskussion über die ‚richtige‘ Methode BayObLG ZIP 1998, 2002, 2004 – Magna Media; Lutter/Drygala, in: FS Kropff, S. 191, 215; Lutter/Leinekugel, ZIP 1999, 261, 266; Wiedemann, ZGR 1999, 857, 863 ff. 484 BVerfG ZIP 2000, 1670, 1673 – Moto Meter. 485 von Falkenhausen, S. 230; Lutter/Drygala, in: FS Kropff, S. 191, 217. 486 BVerfG ZIP 2000, 1670, 1672 f. – Moto Meter; a. A. BGHZ 103, 184, 192 – Linotype; OLG Stuttgart AG 1997, 136, 137 – Moto Meter II; OLG Stuttgart AG 1994, 411, 413 – Moto Meter I. 487 Oben D. I. 2.

V. Moto Meter-Beschluss

169

geeignet, den Schutz der Minderheitsaktionäre auf einen reinen Vermögensschutz zu reduzieren. Das Verfassungsgericht führt dazu aus: „Das Anliegen, eine kleine Zahl von Minderheitsaktionären aus der Gesellschaft auszuschließen, hat der Gesetzgeber – etwa in den Bestimmungen zur Eingliederung – als grundsätzlich berechtigt anerkannt. Dies beruht auf der Einschätzung, dass Minderheitsaktionäre die Durchsetzung unternehmerischer Entscheidungen gegen die Stimmenmehrheit des Hauptaktionärs im Regelfall zwar nicht verhindern können, dass aber schon ihre Existenz für den Großaktionär erheblichen Aufwand, potenzielle Schwierigkeiten und unter Umständen die Verzögerung der von ihm als sinnvoll erachteten unternehmerischen Maßnahmen mit sich bringt: Nach dem Aktien- und Umwandlungsgesetz ist eine Vielzahl von Aktionärsrechten, etwa das Recht, eine Anfechtungsklage gemäß §§ 243 ff. AktG zu erheben, nicht an ein Quorum gebunden, sondern kann auch von Aktionären mit nur einer einzigen Aktie wahrgenommen werden. Umgekehrt sind zahlreiche Maßnahmen, die im Interesse eines Großaktionärs liegen können, erheblich erleichtert, wenn sich alle Aktien in der Hand eines Aktionärs befinden oder jedenfalls mit Gegenstimmen von Minderheitsaktionären nicht zu rechnen ist (vgl. nur im Zusammenhang mit Unternehmensverträgen die Vorschriften der §§ 293a Abs. 3, 304 Abs. 1 Satz 3 AktG, die Möglichkeit der Eingliederung nach § 319 Abs. 1 Satz 1 AktG oder die umwandlungsrechtlichen Erleichterungen der Verschmelzung in §§ 5 Abs. 2, 8 Abs. 3 Satz 1, 9 Abs. 3 UmwG). Wenn (noch) Minderheitsaktionäre vorhanden sind, müssen zudem nach der so genannten Holzmüller-Rechtsprechung des BGH grundlegende Strukturveränderungen der Gesellschaft durch einen Beschluss der Hauptversammlung gebilligt werden [...]. Das Zustimmungserfordernis eröffnet den Minderheitsaktionären die Möglichkeit, den erforderlichen Beschluss mit der Anfechtungsklage anzugreifen und kann so zu einer manchmal mehrjährigen Verzögerung der gewünschten unternehmerischen Maßnahme führen.“

Ebenso wenig wie bei den konzernrechtlichen Strukturmaßnahmen besteht bei der übertragenden Auflösung ein generelles öffentliches Interesse, erheblichen Aufwand, potenzielle Schwierigkeiten und eine Verzögerung bei unternehmerischen Maßnahmen zu beseitigen. Deshalb besteht auch kein öffentliches Interesse, wirtschaftliche Anreize zum Herausdrängen der Minderheit aus der Gesellschaft zu schaffen. Die Rechtsordnung besitzt hier ebenso wenig wie bei anderen Strukturmaßnahmen ein abstrakt-generelles Kriterium, die Nützlichkeit solcher Maßnahmen zu bestimmen. Es darf für die Rechtsordnung zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit nur darum gehen, im Bedarfsfall dem Mehrheitsaktionär die rechtliche Möglichkeit zu eröffnen, sich der Minderheit zu entledigen. Dies gilt in noch stärkerem Maße, seitdem durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts488 die missbräuchliche Ausnutzung der Anfechtungsklage gegen Hauptversamm-

___________ 488 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22. September 2005 (BGBl. I S. 2802).

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D. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht

lungsbeschlüsse erschwert wird.489 So ist das Minderheitenquorum zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen490 der Gesellschaft im eigenen Namen bei 100.000 Euro Nennbetrag festgelegt worden. In § 243 Abs. 4 AktG wurde die Anfechtungsklage wegen mangelhafter Information bei Bewertungsfragen erschwert und die Anfechtungsbefugnis in § 245 Nr. 1 bis 3 AktG eingeschränkt. § 246a AktG führt das aus dem Umwandlungsgesetz (§ 16 Abs. 3 UmwG) und § 319 Abs. 6 AktG bekannte Freigabeverfahren für kapitaländernde Hauptversammlungsbeschlüsse und Unternehmensverträge neu ein. Mit diesen gesetzgeberischen Maßnahmen wird deutlich, dass im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung sehr genau abzuwägen ist, wie weit eine Beschneidung des Bestandsschutzes für den Minderheitsaktionär erforderlich ist, wenn das (behindernde) Schutzniveau der Minderheitsbeteiligung abgesenkt werden kann.491 Der Aussage des Verfassungsgerichts, dass die Schutzrechte für die Minderheitsaktionäre auf die Vermögenskomponente der Beteiligung konzentriert werden dürfen,492 kann daher hier nicht gefolgt werden.493 Werden Minderheitsaktionäre durch die „übertragende Auflösung“ aus der Aktiengesellschaft gedrängt, beeinträchtigt dies die mit jeder Mitgliedschaft verbundenen, bei Minderheitsaktionären nicht nur begrenzt bedeutsamen Mitverwaltungsrechte, denn diese können gegen den Missbrauch von Mehrheitsmacht wirken.494 Eine Schutzbedürftigkeit entfällt keineswegs wegen eines Charakters der Gesellschafterstellung als bloßer Kapitalanlage. Im Vordergrund kann zwar für den einzelnen Aktionär die Vermögenskomponente der Anlage, nämlich die Auswahlentscheidung des Aktieneigentümers hinsichtlich seiner Kapitalanlage, stehen. Der Hinweis des Bundesverfassungsgerichts, es sei den zwangsweise ausgeschiedenen Anlegern in aller Regel möglich, eine Kapitalanlage in einem Unternehmen gleicher oder ähnlicher Ausrichtung zu finden, steht zunächst unter dem Vorbehalt eines funktionierenden Kapitalmarktes. Vor allem wird jedoch verkannt, dass Aktionäre keine Wertanteile an einem abstrakten Kapitalmarktsegment, sondern Mitgliedschaftsrechte an einer konkreten Kapitalgesell___________ 489 Vgl. auch Hanau, NZG 2002, 1040, 1043 noch zu dem vorausgegangenen Bericht der Regierungskommission Corporate Governance. 490 Aus der Gründung gegen die nach den §§ 46 bis 48, 53 AktG verpflichteten Personen oder aus der Geschäftsführung gegen die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats oder aus § 117 AktG. 491 Früher schon Hanau, NZG 2002, 1040, 1044. 492 BVerfG ZIP 2000, 1670, 1671 f. – Moto Meter. 493 Kritisch auch Jung, JZ 2001, 1004, 1011 f.; Stumpf, NJW 2003, 9, 11; Schön, in: FS Ulmer S. 1359, 1373, 1389; a. A. Webering, S. 122 ff. 494 In dieser Konstellation etwas durch Anfechtung der Zustimmung zum Übertragungsvertrag nach § 179a Abs. 1 AktG.

V. Moto Meter-Beschluss

171

schaft innehaben.495 Dies missachtet die Auswahlentscheidung hinsichtlich der Kapitalanlage und nimmt dem Minderheitsaktionär die Freiheit, seine Einschätzung hinsichtlich des wirtschaftlichen Potentials verschiedener Kapitalanlagen umzusetzen.496 Dem Aktionär ist daher soweit möglich Bestandsschutz zu gewähren. Hierdurch werden nicht, wie das Verfassungsgericht vielleicht meint,497 bloße, in dem aktuellen Wert des konkreten Eigentums noch nicht abgebildete Gewinnerwartungen und in der Zukunft liegende Verdienstmöglichkeiten sowie Chancen und Gegebenheiten, innerhalb derer ein Unternehmer seine Tätigkeit entfaltet, in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie einbezogen. Der Marktwert von Wertpapieren unterliegt keiner allgemeinen Wertgarantie vermögenswerter Rechtspositionen aus Art. 14 Abs. 1 GG;498 der Tauschwert vermögenswerter Rechte unterfällt für sich genommen nicht dem Schutzbereich der Eigentumsfreiheit.499 Hoheitlich bewirkte Minderungen des Tauschoder Marktwertes eines Eigentumsgutes berühren daher in der Regel nicht das Eigentumsgrundrecht.500 Allerdings liegen in der aus der konkreten mitgliedschaftlichen Stellung fließenden Rechtsposition die wertbildenden Faktoren der Kapitalanlage. Ein typisches, erfolgreiches Investment verläuft für einen Kleinaktionär in der Form einer J-curve:501 anfänglich fallen Transaktionskosten an, die erst mit Zeitablauf ‚verdient‘ werden. Relativiert man den Bestandsschutz für die Mitverwaltungsrechte, mindert man daher das Vermögen des Kleinaktionärs. Denn zum einen wird Bestandsschutz benötigt, um die anfängliche Verlustphase jeden Investments mit einiger Sicherheit überwinden zu können. Zum anderen wandeln sich bei wirtschaftlicher Betrachtung mit steigender Beteiligung eines Mehrheitsgesellschafters die Aktien schleichend in Genussrechte mit Eigenkapitalcharakter, weil der Minderheit jederzeit ein Hinausdrängen droht, wenn sie ihre Mitverwaltungsrechte gegen die Interessen der Mehrheit einzusetzen versucht. In der Hand des Minderheitsaktionärs verlieren die Aktien so zunehmend an Wert,502 und in die Hand des Mehrheitsaktionärs gelangen sie dann umso leichter und preisgünstiger, je weniger Bestandsschutz gewährt ___________ 495

Fleischer, DNotZ 2000, 876, 877; a. A. BVerfG ZIP 1999, 1670, 1672 – Moto Meter. 496 Lutter/Drygala, in: FS Kropff, S. 191, 210; Schön, in: FS Ulmer S. 1359, 1389. 497 BVerfG ZIP 2000, 1670, 1672 – Moto Meter. 498 BVerfGE 105, 252, 277 – Glykol; BVerfGE 105, 17, 30 – Sozialpfandbriefe. 499 Bryde, in: vMünch/Kunig, Art. 14 Rn. 24. 500 Papier, in: Maunz/Dürig Art. 14 Rn. 164. 501 Eine J-förmige, extrem asymmetrische Häufigkeitsverteilung, bei der sich die Beobachtungswerte an einem Ende der Verteilung ‚knubbeln‘. 502 Hanau, NZG 2002, 1040, 1045.

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D. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht

wird.503 Das in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung entwickelte Bild vom Aktionär als reinem Anleger, der Inhaber eines Rechts mit ‚verdünnter‘ freiheitssichernder Komponente zwar kaum Bestandsschutz genießt, dafür aber effektiven Vermögensschutz erhält,504 läuft wegen des aus diesem Konzept ökonomisch folgenden Vermögensverlustes den zu schützenden Anlegerinteressen zuwider. Es ist daher nicht eine zukünftige Gewinnchance, die durch einen sekundären Bestandsschutz geschützt wird, sondern die gegenwärtige Mitgliedschaft. Ob im aktuellen Wert des konkreten Eigentums Gewinnerwartungen und in der Zukunft liegende Verdienstmöglichkeiten abgebildet werden, entscheidet dabei allein der Markt bzw. die Bewertungsmethode. Nur in der Weise, wie diese die zukünftigen Ertragsaussichten der Mitgliedschaft in ihrer Bewertung diskontieren, werden Ertragsaussichten bereits im aktuellen Wert des konkreten Eigentums abgebildet. Im Übrigen wird der wirtschaftliche Wert einer Unternehmensbeteiligung nach moderner betriebswirtschaftlicher Lehre mit Hilfe der Ertragswertmethode oder des Discounted-Cash-Flow-Verfahrens ermittelt, die beide an zukünftig zu erwartende Einnahmeüberschüsse anknüpfen und vom Verfassungsgericht505 als „verfassungsrechtlich unbedenklicher Ansatz“ eingeordnet werden.506 Folgt man der hier vertretenen Ansicht von Bestandsschutz durch Meistbegünstigung entfällt ein ansonsten bestehender grundrechtsimmanenter Abgrenzungs- und Abstimmungsbedarf.507 Nach einer wissenschaftlich anerkannten Bewertungsmethode berechtigte Gewinnerwartungen fließen dann nicht in die Bestimmung der angemessenen Gegenleistung ein, weil in sie eingegriffen wurde, sondern weil dies dem Bestandsschutz dient.

___________ 503 Es handelt sich im Übrigen um dieselbe Problematik, die bereits im Zusammenhang mit der Bedeutung von außerbörslich durch das herrschende Unternehmen gezahlten Preisen besprochen wurde. Vgl. D. IV. 2. c) cc) (2). 504 Entsprechende Einschätzungen der Rechtsprechung finden sich bei Drygala, WuB Abs. 2 A. § 179a AktG 1.01; Fleischer, DNotZ 2000, 876, 878, Saenger, AG 2002, 536, 543; Klöhn, ZBB 2003, 208, 215. 505 BVerfGE 100, 289, 307 – DAT/Altana. 506 Fleischer, DNotZ 2000, 876, 878. 507 Vgl. Fleischer, DNotZ 2000, 876, 878 und vertiefend im Zusammenhang mit dem Recht am Gewerbebetrieb Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 47 ff.

E. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im WpÜG Die bei der Aufarbeitung der Rechtsprechung gewonnenen Erkenntnisse gilt es nun auf die Situation des Kontrollwechsels zu übertragen. Dabei wird entsprechend dem verfassungsgerichtlichen Verständnis dem Aktieneigentum eine Doppelnatur zugemessen.1 In einem ersten Schritt werden die Ergebnisse bezüglich der mitgliedschaftlichen Vermögens- und Verwaltungsrechte entwickelt. Sodann gilt es zu klären, ob die zweite Natur der Aktie als „Sphäre individueller Freiheit in finanzieller Hinsicht“ beeinträchtigt ist.

I. Aktie als mitgliedschaftliches Vermögens- und Verwaltungsrecht 1. Beeinträchtigung des Eigentums an der Gesellschaft Aus der Rechtsprechungsanalyse lässt sich vorläufig destillieren, dass ein Kontrollwechsel im Sinne des § 29 WpÜG keinen Eingriff in ein verfassungsrechtlich als Eigentum geschütztes subjektives Recht der Minderheitsaktionäre in Bezug auf die Gesellschaft darstellt. Nach der hier vertretenen Auffassung erfasst der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG für die mitgliedschaftliche Stellung, so wie sie in der Aktie verkörpert ist, die Zuordnung des Verbandes als Objekt des Rechtsverkehrs zum Mitglied und sämtliche Verwaltungsrechte eines Mitglieds.2 Durch einen Wechsel der Kontrolle über eine börsennotierte Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaften auf Aktien mit Sitz in Inland (§ 2 Abs. 3 WpÜG) wird die vermögensrechtliche Zuordnung des Verbandes zu den übrigen Minderheitsaktionären nicht berührt. Weiterhin büßen sie keine mit ihrer mitgliedschaftlichen Stellung untrennbar verbundenen Verwaltungsrechte ein. Die einzelnen Mitverwaltungsrechte sind zu jeder Zeit vor und nach einem Kontrollwechsel dem Mehrheitsprinzip als einer fundamentalen Ordnung gemeinschaftlicher Eigentumsnutzung unterworfen.3 Eine Beeinträchtigung durch ein Weisungsrecht vergleichbar dem des § 308 AktG oder durch eine Aufhebung der Vermögensbindung entsprechend § 291 Abs. 3 AktG ist ___________ 1

BVerfGE 100, 289, 305 – DAT/Altana. Oben D. IV. 1. g). 3 Vgl. D. III. 4. d); im Ergebnis ebenso Körner, S. 119. 2

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E. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im WpÜG

nicht erkennbar.4 Die Regelung des § 311 AktG gestattet keinen Eingriff in die Eigentumsposition der außenstehenden Aktionäre,5 da weder die Zuordnung des Verbandes zum Minderheitsaktionär noch dessen Verwaltungsrechte betroffen sind. Die §§ 311 ff. AktG regeln vielmehr grundsätzlich das Rechtsverhältnis zwischen dem kontrollierenden Mehrheitsaktionär und dem Verband als Subjekt des Rechtsverkehrs; § 317 Abs. 1 Satz 2 AktG bildet in diesem Zusammenhang nur eine zwar auf die Mitgliedschaft bezogene, aber außerhalb des Verbandsrechtsverhältnisses liegende Sonderregelung, weil lediglich Schäden liquidiert werden können, die nicht an der Mitgliedschaft entstanden sind.6 Die vom Verfassungsgericht in seinen Entscheidungen geäußerte Auffassung, mit der es den Aktionär zum Eigentümer der in der Gesellschaft gebundenen Vermögenswerte erhebt und die Rechte der Mitaktionäre als Eigentumsbeschränkungen begreift,7 führt bei dieser Frage wohl zu keinem anderen Ergebnis. Das Gericht hat mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass es das im Aktienrecht angelegte Mehrheitsprinzip zum Inhalt des Aktieneigentums rechnet. So hält es die Ambivalenz der aktienrechtlichen Normen, die im Interesse der Gesellschaft oder der Gesamtwirtschaft Beschlüsse ermöglichen sollen, für verfassungsrechtlich unbedenklich.8 Einen Preisunterschied zwischen die Kontrolle vermittelnden Aktien und sonstigen Aktien sieht es ebenfalls keinen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt.9 Darüber hinaus ergab die hier durchgeführte Analyse der Mitbestimmungsurteile ganz eindeutig, dass dem einzelnen Aktionär aus seiner Mitgliedschaft keine (Rechts-)Macht zur autonomen Durchsetzung seines Willens erwächst.10 Mit anderen Worten: Kontrollwechsel beeinträchtigen das Aktieneigentum nicht. Die Sicht der Rechtsprechung zugrunde gelegt bereitet der Umstand, dass ein nachteiliger Einfluss des Kontrollaktionärs auch gesellschaftsrechtlich gebundenes Eigentum der Minderheitsaktionäre schädigt, allerdings dogmatische Probleme. Die in § 31 WpÜG und in §§ 3 ff. AngebotsVO nach Gattungen getrennte und voneinander unabhängige Bestimmung der Preisuntergrenze11 begegnet

___________ 4

Habersack, ZIP 2003, 1123, 1127; Körner, S. 120. Habersack, ZIP 2003, 1123, 1127; zweifelnd Mülbert/Schneider, WM 2003, 2301, 2315. 6 Vgl. oben D. IV. 1. c) am Ende. 7 BVerfGE 50, 290, 342 – Mitbestimmung. 8 BVerfGE 14, 263, 275 – Feldmühle. 9 BVerfGE 100, 289, 306 – DAT/Altana. 10 BVerfGE 50, 290, 342 – Mitbestimmung und oben D. III. 4. 11 Habersack, ZIP 2003, 1123, 1127 ff. 5

I. Aktie als mitgliedschaftliches Vermögens- und Verwaltungsrecht

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folglich nach der hier vertretenen Ansicht keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.12 Im Einklang mit diesem Ergebnis steht die in der Literatur geäußerte Auffassung, dass die Überschreitung der Kontrollschwelle in § 29 Abs. 2 WpÜG dem Kontrollerwerber keine zusätzlichen Rechte gegenüber der Zielgesellschaft oder deren Aktionären verschafft.13 Gleichzeitig wird das von Nietsch verwendete Argument teilweise14 entkräftet, eine tatsächliche Verschlechterung der Stellung außenstehender Aktionäre, die den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG berührt, würde vorliegen, weil ein Verbleib in der Zielgesellschaft mit schweren Verlusten verbunden sei und der Aktionär so faktisch aus der Eigentümerstellung gedrängt werde.15 Neben einer rechtlichen kann ebenfalls eine tatsächliche Beeinträchtigung der mitgliedschaftlichen Stellung nach der Analyse der Mitbestimmungsurteile ganz eindeutig ausgeschlossen werden, weil dem einzelnen Aktionär typischerweise aus seiner Mitgliedschaft keinerlei tatsächliche Macht zur autonomen Durchsetzung seines Willens erwächst.16 Die Vor- und Nachteile, die dem einzelnen Aktionär aus dem Mehrheitsprinzip im Einzelfall erwachsen können, sind Inhalt seines Eigentums an der Gesellschaft. Zu einem gleichlautenden Ergebnis kommt auch Haarmann, wenn ihm zweifelhaft erscheint, dass die Angemessenheit der Gegenleistung durch Eigentumsschutz des Einzelaktionärs aus Art. 14 Abs. 1 GG beeinflusst werden soll.17 Ihnen stehe es im Übernahmeverfahren nämlich grundsätzlich frei zu verkaufen oder Aktionär zu bleiben. In Hinblick auf den weiterhin bestehenden Schutz durch das Aktiengesetz (§§ 291 ff. AktG, insbesondere §§ 311 ff. AktG) ließe sich vertreten, dass die Angebotsempfänger gerade wegen ihrer Freiheit zu verkaufen oder Aktionär zu bleiben nicht geschützt seien. Diese Begründung griffe jedoch zu kurz, wenn der Minderheitsaktionär nur die Freiheit hätte, unter Hinnahme einer Beeinträchtigung für seine Eigentumsposition Aktionär zu bleiben.

___________ 12

Im Ergebnis übereinstimmend Körner, S. 133. Mülbert/Schneider, WM 2003, 2301, 2315; M. Hecker, S. 16 f.; ähnlich Krieger, in: Gesellschaftsrecht 2001, 289, 298; H. Krause, in: Assmann/Pötzsch/Schneider § 31 Rn. 14. 14 Vgl. unten E. II. 1. 15 Nietsch, BB 2003, 2581, 2587. 16 BVerfGE 50, 290, 342 – Mitbestimmung und oben D. III. 4. d). 17 Ebenso im Ergebnis: Haarmann, in: Haarmann/Schüppen § 31 Rn. 23. 13

176

E. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im WpÜG

2. Grundrechtsgefährdung Man könnte auf den Gedanken verfallen, den eingangs der Arbeit erörterten Präventivschutzcharakter des WpÜG gegenüber einer Mehrheitskontrolle als verfassungsrechtliche Pflicht zum Schutz vor einer Gefährdung des Eigentums durch Konzernierungen zu begreifen.18 Diese Überlegung kann jedoch nicht verfangen. Die Notwendigkeit, den Staat zum Schutz vor Gefahren zu verpflichten, sieht das Bundesverfassungsgericht bei privatrechtlichen Konflikten, wenn eine Seite mit ihren grundrechtlich geschützten Interessen gegenüber der anderen keine Chance hat.19 Das Mehrheitsprinzip ist allerdings immanente Vorgabe kollektiver Eigentumsnutzung.20 Deshalb stellt eine Kontrollposition – wie soeben gezeigt – (noch) keine Beeinträchtigung des Schutzbereichs des Eigentums durch einen Privaten dar.21 Hinzu kommt, dass eine Verletzung einer Schutzpflicht nur festgestellt werden kann, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffenen Regelungen und Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen oder erheblich dahinter zurückbleiben.22 Das Aktienrecht kennt einen ausdifferenzierten Minderheitenschutz; die zivilrechtlichen Inhaltsgrenzen der Mehrheitsherrschaft sind zwingendes Recht und gute Sitten, Gleichbehandlungsgrundsatz, Treuepflicht sowie mehrheitsfeste Minderheitenrechte.23 Das Recht der Aktiengesellschaft setzt dabei vor allem auf eine perfekte Legalordnung und versucht des Problems durch viele Einzelregelungen Herr zu werden.24 Zu diesen Einzelregelungen zählen für das Konzernrecht insbesondere die formellen Grenzen der Mehrheitsbefugnisse durch qualifizierte Mehrheiten (§§ 293 Abs. 1 Satz 2, 320 Abs. 1 Satz 1 AktG) und Abfindungs- bzw. Ausgleichsregelungen. Dass diese Regelungen und Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, den gebotenen Schutz der Minderheit zu erreichen, lässt sich weder bei der hier favorisierten Auslegung der Vorschriften mit dem Ziel von Bestandsschutz durch Meistbegünstigung noch bei der Auslegung des Verfassungsgerichts mit dem Ziel der vollen Entschädigung für den Eigentumsverlust feststellen. ___________ 18

Vgl. oben B. II. 2. a) bb). BVerfGE 81, 242, 255 – Handelsvertreter. 20 Schön, in: FS Ulmer S. 1359, 1384; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 12 III 2. 21 Vgl. oben D. III. 4. d). 22 BVerfGE 92, 26, 46 – Zweitregister; BVerfGE 77, 170, 214 f. m. w. N. – Lagerung chemischer Waffen; BVerfGE 88, 203, 251 ff., 254 f. – Schwangerschaftsabbruch II. 23 Oben C. IX. 24 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 III 1 b. 19

II. Aktie als ‚Sphäre individueller Freiheit in finanzieller Hinsicht‘

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II. Aktie als ‚Sphäre individueller Freiheit in finanzieller Hinsicht‘ 1. Beeinträchtigung des Eigentums an der Aktie Nur am Rande wurde bisher die Frage behandelt, ob es einen speziellen Eigentumsschutz der Aktie als Vermögensgegenstand gegenüber einem Kontrollwechsel gibt.25 Die zweite Dimension ihrer Doppelnatur, die „Sphäre individueller Freiheit in finanzieller Hinsicht“,26 könnte hier betroffen sein. Sie liegt in der Eigenschaft der Aktie, ein verkehrsfähiger Vermögensgegenstand in der Hand des Aktionärs zu sein.27 In diese Richtung könnte das von Nietsch verwendete Argument gehen, dass eine tatsächliche Verschlechterung der Stellung außenstehender Aktionäre vorliegt, die den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG verletzt. Ein Verbleib in der Zielgesellschaft sei mit schweren Verlusten verbunden ist und der Aktionär werde so faktisch aus der Eigentümerstellung gedrängt, denn die Verluste drohen wegen einer erfahrungsgemäß geringeren Bewertung eines beherrschten Unternehmens am Kapitalmarkt.28 Ganz eindeutig zielen Zschocke und Rahlf in diese Richtung. Sie entnehmen dem Macrotron-Urteil29 des Bundesgerichtshofs, dass sich der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG im Aktienverfassungsrecht über die Herausdrängung von Aktionären aus der Gesellschaft hinaus auf wesentliche Belange des Aktieneigentums erstreckt.30 Über den Schutz der Börsennotierung hinaus sei auch die mit einem Kontrollwechsel einhergehende Konzernbildung ein solcher wesentlicher Belang.31 Oechsler geht verfassungsrechtlich von einem Eingriff in die Fungibilität der Aktie und damit in den Schutzbereich von Art. 14 GG aus. Die Einschränkung der Fungibilität der Aktie könne sich daraus ergeben, dass sie mit zunehmendem Bietererfolg unverkäuflich werden, weil der Markt bereits den Minderheitenstatus der übrigen Aktionäre antizipiert. Der damit verbundene Wertverlust, der nur börsennotierte Aktien betreffen kann, sei in den §§ 311 ff. AktG nicht berücksichtigt.32 ___________ 25

Schön, in: FS Ulmer S. 1359, 1381. BVerfGE 100, 289, 305 – DAT/Altana. 27 Siehe auch oben B. III. 28 Nietsch, BB 2003, 2581, 2587. 29 BGH NZG 2003, 280 – Macrotron. 30 Zschocke/Rahlf, DB 2003, 1375, 1376; ders., DB 2003, 1785. 31 Zschocke/Rahlf, DB 2003, 1785. 32 Oechsler, in: FS Hadding S. 1027, 1031; ders., in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler § 4 Rn. 11, § 31 Rn. 10; a. A. Seibt, ZIP 2003, 1865, 1873; M. Hecker, S. 17. 26

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E. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im WpÜG

2. Fungibilität der Aktie als Vermögensgegenstand a) Fungibilität durch Übertragbarkeit Unbestreitbar ist die Aktie als Wertpapier und damit körperlicher Gegenstand von der Eigentumsgarantie erfasst. Durch die Verkörperung wird die Übertragung der mitgliedschaftlichen Stellung erheblich erleichtert und Börsenfähigkeit i. S. d. § 30 BörsG hergestellt.33 Allerdings ist die freie Übertragbarkeit der Aktie keine ‚apriorische‘ verfassungskräftige Eigenschaft dieser Beteiligung, weil es die Möglichkeit zur Vinkulierung von Namensaktien in § 68 Abs. 2 AktG gibt. Verdeutlicht wird dies durch die gesetzliche Ausgestaltung anderer Gesellschaftsformen, die regelmäßig die Unübertragbarkeit der Beteiligungsrechte vorsieht.34 Es ist die Entscheidung des Gesetzgebers gewesen, die Aktiengesellschaft für den anonymen Kapitalmarkt auszugestalten und mit beschränkter Haftung zu versehen sowie folgerichtig eine freie Übertragbarkeit der Aktie vorzusehen. Es besteht nach dem gesetzlichen Leitbild des Aktienrechts weder eine persönliche Nähebeziehung der Gesellschafter untereinander noch sind mit der Übertragung von Aktien systematische Nachteile für Gläubiger verbunden. Die Dispositionsfreiheit des Gesellschafters im Hinblick auf sein Aktieneigentum ergibt sich mit natürlicher Konsequenz:35 Er kann sie nach den Vorschriften der §§ 929 ff. BGB übertragen.36 Die freie Übertragbarkeit der Aktie, insbesondere die Börsenfähigkeit nach § 30 BörsG, werden allerdings durch einen Kontrollwechsel in keiner Weise berührt.

b) Fungibilität durch Handelbarkeit Weitere wesentliche Eigenschaft der Aktie als Wirtschaftsgut ist ihre leichte Handelbarkeit. Dies beruht zum einen auf der freien Übertragbarkeit, die einen Eigentumsübergang denkbar einfach ausgestaltet. Auf der anderen Seite kommt zumindest für den Anwendungsbereich des WpÜG hinzu, dass für diese Aktien eine organisierte Handelsmöglichkeit besteht.37 Gemäß §§ 1, 2 Abs. 7 WpÜG werden nur solche Gesellschaften erfasst, deren Aktien an einem organisierten Markt zugelassen sind. Unter organisiert ist dabei öffentlich-rechtlich geregelt ___________ 33

Claussen, § 9 Rn. 110; Heidelbach, in: Schwark § 30 BörsG Rn. 11. Schön, in: FS Ulmer S. 1359, 1381. 35 Schön, in: FS Ulmer S. 1359, 1381. 36 Ggf. zusätzlich durch Indossament (§ 68 Abs. 1 Satz 1 AktG). 37 Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler § 1 Rn. 7, § 2 Rn. 20 ff.; Wackerbarth, in: MüKo-AktG § 1 WpÜG Rn. 18 ff. 34

II. Aktie als ‚Sphäre individueller Freiheit in finanzieller Hinsicht‘

179

zu verstehen,38 wobei es nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht auf einen Handel, sondern nur auf die Zulassung zum Markt ankommt.39

aa) Macrotron-Urteil des Bundesgerichtshofs Die zentrale Entscheidung zum verfassungsrechtlichen Schutz organisierter Handelsmöglichkeiten ist das Macrotron-Urteil des Bundesgerichtshofs.40 Vereinfacht dargestellt fochten in diesem Rechtsstreit Minderheitsaktionäre den Hauptversammlungsbeschluss einer zum amtlichen Handel (§ 30 ff. BörsG) zugelassenen Gesellschaft an, durch den der Vorstand ermächtigt worden war, die Beendigung der Börsennotierung der Aktien sowie den Widerruf ihrer Zulassung zu beantragen (§ 38 Abs. 4 BörsG). Der Bundesgerichtshof entschied, dass drei Voraussetzungen für den Rückzug von der Börse erfüllt sein müssen: 1.

Es muss ein Hauptversammlungsbeschluss über das Delisting gefasst werden.

2.

Den Minderheitsaktionären muss ein Angebot zum Erwerb ihrer Aktien durch die Aktiengesellschaft selbst oder einen Aktionär gemacht werden.

3.

Inhalt und Höhe des Abfindungsangebots müssen dem Wert des Gesellschaftsanteils angemessen sein. Die Angemessenheit ist in einem gerichtlichen Verfahren analog zum Spruchverfahren überprüfbar. Abweichend von der zuvor herrschenden Meinung im Schrifttum41 verankert der Bundesgerichtshof die Zuständigkeit der Hauptversammlung nicht in einem Eingriff in die Struktur der Gesellschaft im Sinne der HolzmüllerRechtsprechung. Vielmehr leitet er unter Hinweis auf den DAT/Altana___________ 38

Wackerbarth, in: MüKo-AktG § 1 WpÜG Rn. 20. Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler § 1 Rn. 7; Wackerbarth, in: MüKo-AktG § 1 WpÜG Rn. 18 ff. 40 BGH NZG 2003, 280 – Macrotron. 41 Lutter, in: FS Zöllner, S. 363, 376 ff., 381 f.; Lutter/Drygala, in: FS Raisch S. 239, 241; Grupp, S. 146 ff., 191 ff.; Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459, 466, 475; M. Henze, S. 133 ff., 147; Schwark/Geiser, ZHR 161(1997) 739, 761 f.; Klenke, WM 1995, 1089, 1099; Steck, AG 1998, 460, 461; Hellwig, ZGR 1999, 781, 799; Pluskat, WM 2002, 833, 834 f.; Hüffer, in: FS Ulmer S. 279, 294; a. A. Schiessl, AG 1999, 442, 452; Wirth/Arnold, ZIP 2000, 111, 114 f.; Streit, ZIP 2002, 1279, 1287; Bungert, BB 2000, 53, 55; Groß, ZHR 165 (2001) 141, 163 ff.; Mülbert, ZHR 165 (2001) 104, 129 ff.; Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 235 ff.; H. Henze, in: FS Ulmer S. 211, 242. Vgl. auch Schlitt, ZIP 2004, 533, 535, 541; Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 800; Benecke, WM 2004, 1122, 1124 f.; Heidel, DB 2003, 548 ff.; Ekkenga, ZGR 2003, 878, 887 ff.; Habersack, in: Habersack/Mülbert/Schlitt S. 873 f.; ders., AG 2005, 137, 141 ff. zur nachfolgenden Diskussion. 39

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E. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im WpÜG

Beschluss42 und zwei flankierende Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts43 aus Art. 14 Abs. 1 GG ab.44 Die zentrale Aussage besteht darin, dass die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie nicht nur das Aktieneigentum selbst schütze, sondern auch den Verkehrswert der Aktie sowie die Möglichkeit seiner Realisierung durch Verkauf über die Börse. Dies erfordere über den Hauptversammlungsbeschluss hinaus, dass den Aktionären der volle Wert ihrer Aktien ersetzt werde.45 Das Landgericht und das Oberlandesgericht München verneinten in den vorangegangenen Instanzen einen Eingriff in das Eigentum, weil ein Sondervorteil für den Mehrheitsaktionär nicht entstehe. Die Möglichkeit, Anteile über die Börse zu verkaufen, sei nicht ‚Kern‘ des Eigentums. Der Börsenkurs sei nur ein Instrument, um den Wert zu ermitteln, und es gebe einen außerbörslichen Handel in „nennenswertem Umfang“.46 In der Literatur ist nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs überwiegend die Auffassung vertreten worden, bei dem Verlust der Fungibilität handele es sich nicht um eine relevante Beeinträchtigung des durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Aktieneigentums.47

___________ 42

BVerfGE 100, 289, 305 f. – DAT/Altana. BVerfG ZIP 2000, 1670 – Moto Meter; BVerfG ZIP 1999, 1804 – Hartmann & Braun. 44 BGH NZG 2003, 280, 282 – Macrotron; jetzt auch LG München I NZG 2004, 193, 194. Klöhn, ZBB 2003, 208, 214; Streit, ZIP 2003, 392, 394; Schlitt, ZIP 2004, 533, 534; Heidel, DB 2003, 548; Adolff/Tieves, BB 2003, 797; Süßmann, BKR 2003, 157, 158; Bürgers, NJW 2003, 1642, 1643; Holzborn, WM 2003, 1105, 1107; Benecke, WM 2004, 1122, 1123. 45 BGH NZG 2003, 280, 283 – Macrotron. 46 OLG München NZG 2001, 519, 522 – Macrotron; LG München I NZG 2000, 273, 275 – Macrotron. 47 Habersack, in: Habersack/Mülbert/Schlitt S. 873; ders., AG 2005, 137, 141; Webering, S. 123; Schlitt, ZIP 2004, 533, 535; H. Henze, in: FS Ulmer S. 211, 240; Beck/Hedtmann, BKR 2003, 190, 191 f.; Bürgers, NJW 2003, 1642, 1643; Süßmann, BKR 2003, 257, 258; Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 798 ff.; Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 229; Klöhn, ZBB 2003, 208, 214 f.; Ekkenga, ZGR 2003, 878, 883 f. Vgl. auch K. Schmidt, NZG 2003, 601, 603; Holzborn, WM 2003, 1105, 1106 ff.; Lutter, JZ 2003, 684 ff.; Wilsing/Kruse, NZG 2002, 807, 811 Fn. 32; ders., WM 2003, 1110 ff.; Geyrhalter/Gänßler, NZG 2003, 313, 315; Schlößer, S. 50 ff. A. A. Kruse, WM 2003, 1843, 1845; noch vor der Entscheidung Zetzsche, NZG 2000, 1065, 1066; Kruse, BB 2000, 2271, 2272; Hellwig/Bormann, ZGR 2002, 465, 473; Heidel, DB 2003, 548 ff.; Schön, in: FS Ulmer S. 1359, 1382 f. 43

II. Aktie als ‚Sphäre individueller Freiheit in finanzieller Hinsicht‘

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bb) Wirkung des Delisting auf die mitgliedschaftliche Stellung Bei einem Delisting wird die Möglichkeit, am staatlich geregelten Handel teilzunehmen, beendet;48 ein weitergehender Einschnitt in die mitgliedschaftliche Beteiligung erfolgt gerade nicht.49 Dies stellt auch der Bundesgerichtshof ausdrücklich fest, wenn er verneint, dass „… mit [der Entscheidung zum Delisting] in die Innenstruktur der Aktiengesellschaft oder in die Mitverwaltungsrechte der Aktionäre eingegriffen würde. Denn die innere Struktur der Gesellschaft wird dadurch, dass sie sich von der Börse zurückzieht, nicht verändert (...). Ebenso wenig werden der Bestand des Mitgliedschaftsrechts – wie etwa bei der Regelung des ‚Squeeze out‘ i. S. der §§ 327a ff. AktG – oder das Mitgliedschaftsrecht als relatives Beteiligungsrecht (Dividendenrecht, Anspruch auf Liquidationsanteil) berührt, der Vermögenswert der Beteiligung verwässert (…) bzw. ausgezehrt oder die mitgliedschaftliche Stellung des Aktionärs durch Mediatisierung seiner Mitwirkungsrechte geschwächt (…).“50

Dieser scheinbare Widerspruch in der Argumentation des Bundesgerichtshofs lässt sich nur mit der Doppelnatur der Aktie erklären. Die Eigentumsposition ‚mitgliedschaftliche Stellung des Aktionärs‘ ist durch ein Delisting nicht betroffen. Insbesondere fallen nach der hier vertretenen Ansicht in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG für die mitgliedschaftliche Stellung neben der Zuordnung des Verbands als Objekt des Rechtsverkehrs zum Mitglied dessen Mitverwaltungsrechte.51 Demnach ist höchstens eine aus der Mitgliedschaft folgende Mitwirkung bei einem Hauptversammlungsbeschluss über das Delisting52 verfassungsrechtlich geschützt,53 weil ein Anspruch des Aktionärs gegen die Gesellschaft auf Beibehaltung der Börsennotiz jedenfalls in der idealtypischen Aktiengesellschaft nicht besteht.54 Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Börsenzulassung in der Satzung als Vorzugsrecht entsprechend § 35 BGB ___________ 48

Schlitt, ZIP 2004, 533, 535; Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 229. M. Henze, S. 59 f.; Schlößer, S. 50; Schlitt, ZIP 2004, 533, 535; Bürgers, NJW 2003, 1642, 1644; Wirth/Arnold, ZIP 2000, 111, 115; Streit, ZIP 2002, 1279, 1287; Mülbert, ZHR 165 (2001) 104, 114 f.; Benecke, WM 2004, 1122, 1123; Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 229. 50 BGH NZG 2003, 280, 282 – Macrotron. 51 D. IV. 1. f). 52 Die Notwendigkeit eines solchen Beschlusses ist nicht ganz unumstritten. Vgl. oben S. 179 Fn. 41. 53 Allerdings ist äußerst zweifelhaft, dass aus Art. 14 Abs. 1 GG ein Mitverwaltungsrecht dieses Inhalts abgeleitet werden kann, da das Eigentum durch das einfache Recht ausgeformt wird und nicht umgekehrt. So aber wohl BGH NZG 2003, 280, 282 f.; ablehnend Bürgers, NJW 2003, 1642, 1643; Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 800 ff.; kritisch auch Marsch-Barner, LMK 2003, 108, 109. 54 Wirth/Arnold, ZIP 2000, 111, 115. 49

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E. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im WpÜG

verankert ist.55 Allein die zweite Dimension der Doppelnatur, die „Sphäre individueller Freiheit in finanzieller Hinsicht“56 könnte durch ein Delisting betroffen sein.57 Sie liegt in der Eigenschaft der Aktie als körperlicher Gegenstand im Sinne des § 90 BGB, ein verkehrsfähiger Vermögensgegenstand in der Hand des Aktionärs und damit selbständiges Wirtschaftsgut zu sein.58

cc) Wirkung des Delisting auf die Aktie Das Bundesverfassungsgericht macht in seiner DAT/Altana-Entscheidung keine Ausführungen zu der Frage, ob das Eigentum an der Aktie als körperlichem Gegenstand über Art. 14 Abs. 1 GG gegen Beeinträchtigungen der Verkehrsfähigkeit geschützt ist.59 Es begründet nur die Maßgeblichkeit des Börsenkurses für die Höhe der Abfindung bzw. des Ausgleichs damit, dass das besondere Charakteristikum des Aktieneigentums dessen ausgeprägte Verkehrsfähigkeit sei. Dies gelte besonders für börsennotierte Aktien und in Zeiten eines funktionierenden Kapitalmarktes.60 Diese Ausführungen zur Verkehrsfähigkeit erfolgen allein im Zusammenhang mit der Bestimmung der richtigen Abfindungsleistung bei einer zuvor festgestellten Betroffenheit der Eigentumsposition ‚mitgliedschaftliche Stellung‘.61 Ein Rückschluss von einer real existierenden, besonders ausgeprägten Verkehrsfähigkeit auf den Schutzbereich des Eigentums ist aber nur in dem Umfang zulässig, wie die Verkehrsfähigkeit einfachgesetzlich abgesichert ist. Denn ansonsten wird – jedenfalls heuristisch – ein vom Bundesverfassungsgericht abgelehnter62 absoluter Eigentumsbegriff zugrunde gelegt.63 Aus der Entscheidung des Verfassungsgerichts kann ___________ 55

Vgl. zur Zulässigkeit einer Satzungsklausel hinsichtlich einer Börsennotierung Lutter, in: FS Zöllner, S. 363, 377; Wirth/Arnold, ZIP 2000, 111, 115; Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459, 467 ff. und zur Bedeutung der Satzung, falls das Delisting als Geschäftsführungsmaßnahme einzustufen ist, Habersack, in: Habersack/Mülbert/Schlitt S. 874. 56 BVerfGE 100, 289, 305 – DAT/Altana. 57 M. Henze, S. 60. 58 Vgl. zu dieser Unterscheidung Mülbert/Schneider, WM 2003, 2001, 2010; Hüffer, in: FS Hadding S. 461, 463 ff.; Hüffer/Schmidt-Aßmann/Weber, S. 23. 59 M. Henze, S. 60; zweifelnd auch Körner, S. 110. 60 BVerfGE 100, 289, 305 – DAT/Altana. 61 Klöhn, ZBB 2003, 204, 214; ähnlich Ekkenga, ZGR 2003, 878, 884; Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 799; Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 229 f.; Schlößer, S. 51. 62 BVerfGE 58, 300, 335 f. m. w. N. – Nassauskiesung. 63 Schön, in: FS Ulmer S. 1359, 1385. Webering, S. 45 f. meint dagegen, das BVerfG ginge nur von einem Leitbild einer aktienrechtlichen Mitgliedschaft aus. Vgl. genauer S. 141 bei Fn. 339.

II. Aktie als ‚Sphäre individueller Freiheit in finanzieller Hinsicht‘

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also nicht unmittelbar gefolgert werden, dass eine Beeinträchtigung der Verkehrsfähigkeit der Aktie den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG berührt,64 sondern der Schutz der Börsenzulassung und der damit verbundenen Desinvestitionsmöglichkeit durch das einfache Recht gibt den Ausschlag.

(1) Einfachgesetzlicher Schutz der Börsenzulassung Die Eigentumsgarantie könnte die Börsenzulassung erfassen, weil sie sich auf ein privatrechtliches Substrat, den körperlichen Gegenstand Aktie, bezieht. Der Zulassungsbescheid der Zulassungsstelle könnte sich als „dinglicher“ Verwaltungsakt begreifen lassen, der das Eigentum an der Aktie ausformt.65 Es ist zwar umstritten, ob sachbezogene staatliche Erlaubnisse bereits für sich genommen durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Positionen sind. Da aber der Bestandsschutz solcher subjektiv-öffentlichen Rechte durch ihre Zuordnung zur Eigentumsgarantie nicht erweitert wird, besteht keine Rechtfertigung für ein von der Sache gesondertes Eigentumsrecht, wenn dem Grundrecht bei der Interpretation eines spezialgesetzlichen oder in §§ 48, 49 VwVfG normierten Bestandsschutzes hinreichend Bedeutung beigemessen wird.66 Da § 31 Abs. 5 BörsG subjektiv-öffentliche Rechte für den Anleger wohl nicht gänzlich ausschließen kann,67 zumal § 38 Abs. 4 Satz 2 BörsG eindeutig die Anleger in individualisierter Weise als abgrenzbaren Personenkreis schützt, könnte die Börsenzulassung eine öffentlich-rechtliche Inhaltsbestimmung des privatrechtlich geschaffenen Eigentums an der Aktie sein. Gegen ein Eigentumsrecht des Aktionärs an der Börsenzulassung sprechen jedoch mehrere Aspekte. Zunächst stellt bereits die Börsenfähigkeit – wie gezeigt – keine der Aktie a priori immanente Rechtsposition dar.68 Ihre Verkehrs___________ 64 OLG München NZG 2001, 519, 522 – Macrotron; LG München I NZG 2000, 273, 276 – Macrotron. M. Henze, S. 60 f.; Schlößer, S. 51 f.; Mülbert, ZHR 165 (2001) 104, 113 ff. A. A. BGH NZG 2003, 280, 282; jetzt auch LG München I NZG 2004, 193, 194; Zetzsche, NZG 2000, 1065, 1066; Kruse, BB 2000, 2271, 2272; Hellwig/Bormann, ZGR 2002, 465, 474. 65 Vergleichbar einer Baugenehmigung auf einem Grundstück. 66 Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 36 m. w. N.; Bryde, in: vMünch/Kunig, Art. 14 Rn. 30. 67 Heidelbach, in: Schwark § 38 BörsG Rn. 48 und § 30 BörsG Rn. 12; Wilsing/Kruse, EWiR § 43 BörsG a. F. 1/2002, 953, 954; Streit, ZIP 2003, 392, 395; a. A. Beck/Hedtmann, BKR 2003, 190, 192 f.; Habersack, in: Habersack/Mülbert/Schlitt S. 882. Vgl. auch zum Recht vor Einführung des § 31 Abs. 5 BörsG VG Frankfurt a. M. ZIP 2002, 1446, 1448; Groß, ZHR 165 ( 2001) 141, 157 ff.; Wirth/Arnold, ZIP 2000, 111, 117 und zur ähnlichen Problematik im WpÜG Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler § 3 Rn. 29, § 4 Rn. 9 ff. 68 Oben E. II. 2. a); Schlitt, ZIP 2004, 533, 535.

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fähigkeit muss zum Beispiel bei vinkulierten Namensaktien durch besondere Maßnahmen69 bei der Zustimmungserteilung nach § 68 Abs. 2 Satz 2 AktG gesichert werden,70 die nach dem Aktiengesetz in die alleinige Kompetenz des Vorstandes fallen.71 Die Börsenzulassung hingegen könnte nach einer vielfach im Schrifttum geäußerten Auffassung lediglich die Vermögensinteressen der Aktionäre berühren, die nicht von der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG geschützt sind:72 Einerseits bleiben Börsenfähigkeit und Handelbarkeit der Aktie nach einem Delisting grundsätzlich bestehen;73 die Aktien können nach Beendigung einer Notierung im amtlichen Markt regelmäßig im Freiverkehr zu Börsenpreisen verkauft werden.74 Deshalb stellt die Beschränkung bzw. Beseitigung der Veräußerungsmöglichkeit im amtlichen Handel keine Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundstücksverkehrsgesetz dar.75 Dort behandelte das Gericht eine hier wegen der fortbestehenden Börsenfähigkeit nicht einmal faktisch gegebene Beschränkung der Verfügungsbefugnis.76 Im praktischen Ergebnis führt der Wegfall der Börsennotiz ebenfalls zu keiner Aufhebung der Veräußerungsmöglichkeit im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Kleingartenpacht, weil die Veräußerung der Aktie z. B. im Freiverkehr wirtschaftlich sinnvoll realisierbar bleibt.77 Andererseits bildet der Börsenpreis einen Bewertungsmaßstab für den in der Aktie enthaltenen Unternehmenswert. Hierdurch wird die Notierung an der Börse jedoch nicht Teil des Aktieneigentums,78 selbst wenn die Börsenzulas___________ 69 Der Vorstand muss regelmäßig eine pauschale Zustimmungserklärung nach § 68 Abs. 2 Satz 2 AktG hinterlegen. Ekkenga, ZGR 2003, 878, 886 m. w. N. 70 Heidelbach, in: Schwark § 30 BörsG Rn. 8 ff., § 5 BörsZulV Rn. 3. 71 Hüffer, AktG, § 68 Rn. 15. 72 Schlößer, S. 50 f.; Schlitt, ZIP 2004, 533, 535; Beck/Hedtmann, BKR 2003, 190, 192; vgl. auch Papier, in: Maunz/Dürig Art. 14 Rn. 160. A. A. Zetzsche, NZG 2000, 1065, 1066; Hellwig/Bormann, ZGR 2002, 465, 473. 73 Benecke, WM 2004, 1122, 1123 und Ekkenga, ZGR 2003, 878, 886 sprechen von fortbestehender Verfügungsbefugnis. Ähnlich Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 229. 74 Das Bundesverfassungsgericht macht die Verkehrsfähigkeit als solche überhaupt nicht an einer Börsennotierung fest. BVerfGE 100, 289, 305 – DAT/Altana; Mülbert, ZHR 165 (2001) 104, 115. Im Ergebnis ebenso Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 229; Ekkenga, ZGR 2003, 878, 886. 75 So aber Hellwig/Bormann, ZGR 2002, 465, 475. 76 BVerfGE 21, 73, 79 – Grundstücksverkehrsgesetz; in diesem Sinne auch Benecke, WM 2004, 1122, 1123. 77 Vgl. BVerfGE 52, 1, 31 – Kleingarten. 78 Beck/Hedtmann, BKR 2003, 190, 192; Benecke, WM 2004, 1122, 1123; Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 230; Holzborn/Schlösser, BKR 2002, 486, 487; a. A. Körner, S. 111 f.

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sung ein wertbildender Faktor ist. Eine allgemeine Wertgarantie vermögenswerter Rechtspositionen folgt aus Art. 14 Abs. 1 GG nämlich nicht;79 der Tauschwert vermögenswerter Rechte unterfällt für sich genommen nicht dem Schutzbereich der Eigentumsfreiheit.80 Minderungen des Tausch- oder Marktwertes eines Eigentumsgutes berühren daher in der Regel nicht das Eigentumsgrundrecht.81 Dies gilt grundsätzlich auch für den Marktwert von Wertpapieren. Nicht zuletzt deshalb hat wohl das Bundesverfassungsgericht seine Ausführungen zur Frage der Verkehrsfähigkeit unter den Vorbehalt des Bestehens eines funktionierenden Kapitalmarktes gestellt.82 Letztendlich entscheidend ist, dass nach der hier vertretenen Auffassung von der strikten Trennung des Schutzes durch Art. 14 Abs. 1 GG zu Gunsten des Verbandes und zu Gunsten des Mitglieds83 die Börsenzulassung als solche in das Eigentum des Verbandes fällt, weil dieser als Emittent Inhaber der Erlaubnis zur Nutzung der Börseneinrichtungen für den Handel in seinen Wertpapieren ist.84 Eine weitergehende Verknüpfung der dem Emittenten erteilten Börsenzulassung mit dem Eigentum an dem jeweiligen Wertpapier sieht das Börsengesetz nicht vor. Mit den Regelungen in §§ 30 ff. BörsG trägt der Gesetzgeber vielmehr gerade einem Auseinanderfallen von Emittent und Wertpapiereigentümer Rechnung. Mit der Börsenzulassung wird entschieden, ob ein bestimmter Emittent und ob ein bestimmtes Wertpapier für den Börsenhandel geeignet sind. Treffen allein den Emittenten nach §§ 39 ff. BörsG die Pflichten aus der Börsenzulassung, ist kein Grund ersichtlich, warum ihm nicht auch die Rechte zustehen sollten. Dass dem Aktionär die aus der Zulassung folgenden Benutzungsrechte der Börseneinrichtungen vom Nutzen sind, bedeutet nicht, dass er Inhaber dieser Rechte ist. Der typische Anlegeraktionär kann kein öffentlich-rechtlich Berechtigter sein, da er als bloßer Anleger nicht zur Börse zugelassen ist (§ 16 Abs. 2 BörsG).85 Es ist ihm also anders als bei sonstigen begünstigenden sachbezogenen Verwaltungsakten unmöglich, das eingeräumte Recht selbst auszuüben.86 Die Börsenzulassung besitzt deshalb keinen dingli___________ 79

BVerfGE 105, 252, 277 – Glykol; BVerfGE 105, 17, 30 – Sozialpfandbriefe. Bryde, in: vMünch/Kunig, Art. 14 Rn. 24; Benecke, WM 2004, 1122, 1123; Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 230. 81 Papier, in: Maunz/Dürig Art. 14 Rn. 164. 82 BVerfGE 100, 289, 305 – DAT/Altana; Ekkenga, ZGR 2003, 878, 884; Holzborn, WM 2003, 1105, 1107. 83 Oben D. IV. 1. d). 84 A. A. wohl Hellwig/Bormann, ZGR 2002, 465, 475. 85 A. A. wohl Schlößer, S. 47 f.; vgl. auch Heidelbach, in: Schwark § 38 BörsG Rn. 15; Hellwig/Bormann, ZGR 2002, 465, 477. 86 Zwar kommt es allgemein bei sachbezogenen Verwaltungsakten nicht darauf an, dass der Antragsteller selbst davon Gebrauch machen kann (vgl. OVG Münster NVwZ80

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chen Charakter. Mit anderen Worten fehlt es für eine Eigentumsposition an der Privatnützigkeit, weil der Anleger die mit der Zulassung verbundenen Rechte nicht nach seiner eigenverantwortlichen Entscheidung ausüben darf.87 Der in § 38 Abs. 4 Satz 2 BörsG vorgesehene Schutz der Anleger stellt daher lediglich ein einfachgesetzliches Abwägungsgebot dar, das dem Anleger ein subjektives Recht auf gerechte Abwägung seiner rechtlich geschützten Interessen vermittelt.88 Einen einfachgesetzlichen Anspruch des Aktionärs auf Fortführung der Börsenzulassung sieht das Börsengesetz nicht vor.

(2) Einfachgesetzlicher Schutz der Desinvestitionsmöglichkeit Die konkrete Desinvestitionsmöglichkeit über den durch eine bestimmte Börsenzulassung vermittelten Börsenhandel könnte allerdings in den Schutzbereich des Aktieneigentums fallen. Basierend auf den Überlegungen von Hirschman89 zu voice und exit hat Kalss in ihrer Schrift zum Anlegerschutz die Vorteile der Desinvestitionsmöglichkeit über den Kapitalmarkt gegenüber der Kündigungsmöglichkeit des Gesellschaftsvertrages für den Anleger herausgearbeitet.90 Während sich der mitunternehmerisch tätige Gesellschafter auf der Grundlage seines Mitgliedschaftsrechts (voice) an den Entscheidungen der Gesellschaft mitwirke, ist der (typische) Anleger in seinem Einfluss auf die Veräußerung (exit) seiner Beteiligung begrenzt. Dem Anleger lassen die Mehrheitsverhältnisse in der Gesellschaft in der Regel keine Möglichkeit, seine Interessen ausreichend durch die Ausübung seines Stimmrechts durchzusetzen. Eine (gesicherte) Desinvestitionsmöglichkeit ermöglicht es dem Anleger, sich vor den Folgen von Mehrheitsentscheidungen, die seinen Interessen zuwiderlaufen, durch Verkauf zu schützen.91 Die zentrale Überlegung von Kalss lautet, dass ein zwischen Vertrag und Delikt liegendes rechtliches Näheverhältnis die Begründung dafür liefert, warum ein Emittent die Übertragbarkeit einer Kapitalanlage sicherstellen muss.92 ___________ RR 1997, 70, 71; VGH München NJW 1999, 2914, 2915; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn. 193), aber in diesem Fall ist der Begünstigte weder Antragsteller noch kann er das Recht selbst ausüben. 87 BVerfGE 83, 201, 209 – Bundesberggesetz. Vgl. auch oben D. IV. 1. f) bb). 88 VG Frankfurt a. M. ZIP 2002, 1446, 1448 f.; A. A. Beck/Hedtmann, BKR 2003, 190, 192 f.; Habersack, in: Habersack/Mülbert/Schlitt S. 881 f. Vgl. oben S. 183 bei Fn. 67. 89 Hirschman, Exit Voice and Loyalty. 90 Kalss, S. 1 ff., 339 ff. und grundlegend Hirschman, Exit Voice and Loyalty. 91 Kalss, S. 451 ff. 92 Kalss, S. 268 f., 455 ff., 458.

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Denn bei seiner Finanzierung durch Ausgabe von Anlageinstrumenten habe er deren Handelbarkeit intendiert, damit ihm das Kapital langfristig zur Verfügung steht. Dies begründe ein Vertrauen in die Lösungsmöglichkeit vom Investment durch exit, dass besonders augenfällig bei der Beendigung der Notierung eines Wertpapiers betroffen sei.93 Folglich müsse im Wege der Analogie zu bestehenden Vorschriften94 auch beim Delisting von Aktien ein abgesichertes Austrittsrecht zu garantierten Bedingungen eingeräumt werden.95 Diese auf der Rechtsfortbildung gründende Auffassung besitzt eine weitaus bessere dogmatische Fundierung als die unmittelbare Ableitung aus dem Grundrecht durch den Bundesgerichtshof im Macrotron-Urteil. Es bleibt trotzdem zweifelhaft, ob die Börsenzulassung deshalb in den Schutzbereich des Aktieneigentums fällt.96 Eine positivrechtliche Ausgestaltung dieser Rechtsposition des Aktionärs durch das einfache Recht fehlt. Es kann nicht als geklärt gelten, dass das Austrittsrecht zu den dem Abspaltungsverbot unterliegenden (Verwaltungs-)Rechten und damit zur mitgliedschaftlichen Stellung gezählt werden kann. Es liegt näher, eine Sonderverbindung aufgrund der Inanspruchnahme besonderen Vertrauens zwischen Emittent und Anleger anzunehmen, die dem Anleger einen Individualanspruch auf eine Verkaufsgelegenheit seiner unverändert fortbestehenden Mitgliedschaft sichert.97 Die Rechtsfortbildung durch die Gerichte in Richtung auf ein Austrittsrecht besitzt bisher keine lange und ungebrochene Tradition, die die Entstehung einer richterrechtlich entwickelten Eigentumsposition begründen könnte.98 Die Annahme verfassungsrechtlich geschützten Eigentums an der Börsennotierung als Teil der Mitgliedschaft erzwänge zudem den Umkehrschluss aus der negativen Eigentumsfreiheit, dass auch die Aufnahme einer Börsennotierung der Zustimmung der Gesellschafter und eines Abfindungsrechts bedarf. Dies wird zwar von Wiedemann angenommen,99 von Kalss100 selbst aber z. B. für das österreichische Recht und von Lutter101 für die Nicht-Privatgesellschaft ohne ausdrückliche Satzungsregelung abgelehnt. Rechtsprechung hierzu fehlt soweit ersichtlich. Das Verfassungsrecht mit seinem Gestaltungsspielraum für den Gesetzgeber und die Rechtsprechung steht einer Weiterentwicklung bzw. Verfestigung des ___________ 93

Kalss, S. 489 ff. Kalss, S. 496 f. 95 Kalss, S. 499 ff. 96 A. A. Körner, S. 111. 97 Tendenziell ebenso Kalss, S. 500. 98 Vgl. BVerfGE 50, 300, 336 – Nassauskiesung; oben D. I. 1. 99 Wiedemann, GroßKomm-AktG, § 186 Rn. 159. 100 Kalss, S. 499 Fn. 299. 101 Lutter, in: FS Zöllner, S. 379. 94

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E. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im WpÜG

einfachen Rechts durch die Gerichte in Richtung auf ein Eigentum des Aktionärs an der Börsenzulassung zwar nicht im Wege, es liefert aber auch keine zwingenden Vorgaben dafür.

c) Fungibilitätsverlust durch Kontrollwechsel Nachdem gezeigt wurde, dass die Beendigung einer Börsennotiz den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG (bisher) nicht berührt, erscheint dies auch für den Kontrollwechsel ausgeschlossen. Im Übrigen bleibt ein Kontrollwechsel weit hinter den Wirkungen eines Delisting zurück.102 Beim Kontrollwechsel wird dem Aktionär nicht die Möglichkeit genommen, seine Aktie jederzeit über die Börse zu veräußern und so den Verkehrswert der Aktie zu realisieren.103 Kern der Überlegungen der Autoren, die durch einen Kontrollwechsel die Fungibilität der Aktie betroffen sehen, ist der unbestreitbar sowohl mit dem Delisting als auch mit dem Kontrollwechsel verbundene Wertverlust durch faktisch vergrößerte Schwierigkeiten beim Aktienhandel (d. h. durch Liquiditätsverlust).104 Die Verkäuflichkeit einer Aktie lässt sich nicht einfach mit der Zulassung zum Börsenhandel oder der Verkehrsfähigkeit gleichsetzen. Maßgeblich für die jederzeitige Verkäuflichkeit ist vielmehr die Liquidität des Marktes, auf dem der Aktionär handeln möchte, nicht die Fungibilität der Aktie.105 Dabei kommen im Übrigen nicht allein Börsen als Markt in Frage. Die Liquidität ist ein Maß für die impliziten Transaktionskosten auf verschiedenen Märkten. Diese Kosten entstehen neben den offensichtlichen Transaktionskosten, die bei einer Geschäftsabwicklung durch Börsen und Makler in Rechnung gestellt werden, wenn ein Wertpapier nicht in gewünschter Menge ge- oder verkauft werden kann, ohne dass sich der Preis zum Nachteil des Käufers oder des Verkäufers verändert.106 Deshalb ist das Verhältnis der Liquidität zur Höhe der Be___________ 102

Seibt, ZIP 2003, 1865, 1873. Vgl. BVerfGE 100, 289, 305 – DAT/Altana. 104 Genau in diese Richtung argumentiert Körner, S. 121 ff. 105 Undeutlich Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 229, die Verkehrsfähigkeit mit einer real bestehenden Veräußerungschance gleichsetzen. Vgl. auch Körner, S. 123 f. 106 Die Frankfurter Börse misst z. B. das Xetra-Liquiditätsmaß (XLM), indem für einen hypothetischen Round Trip (ein Kauf mit anschließendem sofortigem Verkauf) der jeweils durchschnittliche Ausführungspreis für die Kauf- und Verkaufsseite ermittelt wird. Dabei wird getrennt für die Kauf- und Verkaufseite die jeweilige Abweichung vom Mittelpunkt des bis dahin besten Geld- oder Briefkurses festgestellt. Durch Zusammenfassen dieser beiden Werte in einer einzigen Kennzahl (XLM) ergeben sich die impliziten Transaktionskosten für die betrachtete Ordergröße. Das XLM ist umso größer und die Liquidität umso geringer, je größer die Abweichung vom Mittelpunkt der besten Geld-Briefspanne ist. Wenn ein Anleger beispielsweise für 20.000 Euro Aktien kauft 103

III. Fazit

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teiligung eines Aktionärs von entscheidender Bedeutung. Ein Minderheitsgesellschafter, der eine vergleichsweise große Position in einem engen Markt hält – beispielsweise 1 % bei einem Free Float von 4 % –107, wird regelmäßig feststellen, dass er sich hiervon über die Börse nicht trennen kann, ohne einen Kurssturz auszulösen. In ungünstig gelegenen Fällen kann es sogar dazu kommen, dass die Liquidität des Sekundärmarktes trotz Börsenzulassung zu gering ist, um selbst Aktionären mit sehr kleinen Positionen eine verlässliche Verkaufsmöglichkeit zu bieten.108 Die jederzeitige Verkäuflichkeit der Aktie hängt also maßgeblich von außerrechtlichen Determinanten ab. Aus diesem Grund bietet das Pflichtangebot des WpÜG einen gesetzlichen Schutz der Liquidität.109 § 31 Abs. 2 WpÜG bringt dies besonders deutlich zum Ausdruck: Nur liquide Aktien, die zudem noch an einem organisierten Markt zugelassen sein müssen, sind als Gegenleistung zulässig.110 Hier hat schon der Gesetzgeber durch kumulative Nennung zweier Tatbestandsmerkmale klar zwischen Börsennotierung und Liquidität unterschieden.111 Der gesetzliche Schutz wird einseitig nur zu Gunsten der Minderheitsaktionäre gewährt. Handelte es sich bei der Liquidität tatsächlich um eine verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition, so genösse auch der Mehrheitsaktionär ihren Schutz. Dem Minderheitsaktionär wäre ein Verkauf seiner Beteiligung bei mangelnder Liquidität, also in erster Linie bei fallenden Kursen, verboten. Ebenso wäre es ein verfassungsrechtlich relevanter Vorgang, wenn die Liquidität nicht durch ein Delisting oder einen Kontrollwechsel, sondern durch ein anderes Ereignis, wie etwa die Streichung der Aktie aus einem Index beeinträchtigt wird.112 Dies käme einer verfassungsrechtlichen Garantie steigender Kurse an den Börsen gleich – ein absurdes Ergebnis.

III. Fazit Da weder ein Kontrollwechsel als solcher noch ein Liquiditätsverlust a priori in ein verfassungsrechtlich als Eigentum geschütztes subjektives Recht der ___________ und sofort wieder verkauft und dabei 20 Euro Verlust macht (ohne offensichtliche Transaktionskosten), beträgt das XLM 10 Basispunkte (1000 Basispunkte = 1 Prozentpunkt). 107 Wobei nicht notwendig die übrigen 96 % in der Hand eines einzelnen Großaktionärs liegen müssen. 108 Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 799. 109 Zschocke/Rahlf, DB 2003, 1375, 1376. 110 Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler § 31 Rn. 48 f. 111 Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler § 31 Rn. 49. 112 Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 799; Körner, S. 125 ff.

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E. Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG im WpÜG

Minderheitsaktionäre in Bezug auf die Gesellschaft oder die Aktie eingreifen, stellt die Regelung über die Angemessenheit der Gegenleistung in § 31 WpÜG keine Erfüllung eines verfassungsrechtlichen Schutzgebots zu Gunsten der Minderheitsaktionäre dar.113 Die Preisregeln des § 31 WpÜG i. V. m. §§ 3 ff. AngebotsVO greifen deshalb nicht über das Kapitalmarktrecht hinaus. Weder Mindestpreisregel noch Gleichpreisregel besitzen subjektiv-rechtlichen Charakter. Vor dem Hintergrund der Blockadewirkung für eine gesamtwirtschaftlich optimale Ressourcenallokation verursacht durch die Verteilung von Paketzuschlägen114 sollte die Gleichpreisregel jedenfalls in Grenzen die Zahlung von Paketzuschlägen zulassen.115

___________ 113

Im Ergebnis ebenso Körner, S. 128, 129 f., 133. Oben B. II. 2. b) aa). 115 Wirtz, S. 321 plädiert mit guten Gründen gegen jegliche Begrenzung von Paketzuschlägen. A. A. Körner, S. 174 f. 114

F. Ausblick I. Europarecht Im Mai 2004 trat die europäische Übernahmerichtlinie in Kraft.1 Art. 21 Abs. 1 ÜRL gab den Mitgliedstaaten bis zum 20. Mai 2006 Zeit, die nationalen Rechtsvorschriften an die Vorgaben der Richtlinie anzupassen. Die Bundesregierung legte einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der Übernahmerichtlinie vom 15. Februar 20062 vor und brachte ihn in Bundesrat3 und Bundestag4 ein. Das von Bundesrat und Bundestag beschlossene Gesetz wurde am 13. Juli 2006 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.5

1. Übernahme-Preisregel Für das Pflichtangebot erklärt die in Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 ÜRL statuierte Preisregel allein den höchsten Vorerwerbspreis im Referenzzeitraum für maßgeblich, statt wie § 31 WpÜG (auch) auf den volumengewichteten Durchschnittskurs im Referenzzeitraum abzustellen. Es bleibt nach Art. 3 Abs. 2 lit. b ÜRL den Mitgliedstaaten allerdings freigestellt, strengere Anforderungen vorzusehen, so dass unter diesem Gesichtspunkt eine (inhaltliche)6 Änderung der

___________ 1

Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. 4. 2004 betreffend öffentliche Übernahmeangebote, ABlEG Nr. L 142, S. 12 vom 30. 4. 2004. 2 Entwurf des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote (Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz). 3 BR-Drucks. 154/06. 4 BT-Drucks. 16/1003 (Gesetzentwurf) und 16/1541 (Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung). 5 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote (ÜbernahmerichtlinieUmsetzungsgesetz) vom 8. Juli 2006 (BGBl. I S. 1426). 6 Dies soll nicht ausschließen, dass die Fassung des Gesetzes aus anderen Gründen geändert werden muss.

192

F. Ausblick

Mindestpreisregel für Pflichtangebote im Sinne des § 31 i. V. m. §§ 35 Abs. 3, 39 WpÜG unnötig erscheint.7 Uneinigkeit besteht demgegenüber in der Frage, ob jede Form der Mindestpreisregel für freiwillige Übernahmeangebote im Widerspruch zur jetzigen Konzeption der Richtlinie steht und daher ungeachtet des Art. 3 Abs. 2 lit. b ÜRL als richtlinienwidrig anzusehen ist.8 Wenig Gewicht scheint hierbei dem Argument zuzukommen, gleiche Preisregeln für freiwillige und pflichtige Übernahmeangebote widersprächen der Konzeption der Richtlinie, weil die für das Pflichtangebot in Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 ÜRL statuierte Preisregel allein den höchsten Vorerwerbspreis im Referenzzeitraum für maßgeblich erklärt, statt wie § 31 WpÜG (auch) auf den volumengewichteten Durchschnittskurs im Referenzzeitraum abzustellen. Bei freiwilligen Übernahmeangeboten könne und werde es vielfach an einem Vorerwerb des Bieters im Referenzzeitraum fehlen und damit entfalle auch die Möglichkeit, für freiwillige Übernahmeangebote und Pflichtangebote identische Preisregeln vorzusehen.9 In den Mindestpreisregeln sowohl für freiwillige als auch für pflichtige Übernahmeangebote kann unproblematisch eine strengere Anforderung im Sinne des Art. 3 Abs. 2 lit. b ÜRL gesehen werden.10 Ein Vorerwerb ist für ein Pflichtangebot nicht zwingende Voraussetzung: Die Kontrollschwelle kann unter anderem durch acting in concert überschritten werden. Wesentlich gewichtiger ist das Argument, die Richtlinienwidrigkeit von Mindestpreisregeln für freiwillige Angebote folge daraus, dass die Regelungen zur angemessenen Abfindung im Rahmen des Ausschluss- und Andienungsrechts danach differenzieren, ob ein Pflichtangebot oder ein freiwilliges Angebot vorausging.11 Beim vorangegangenen Pflichtangebot gilt stets die Vermutung, dass der Angebotspreis gleichzeitig die angemessene Abfindung darstellt; beim freiwilligen Übernahmeangebot nur dann, wenn mindestens 90 % der vom freiwilligen Angebot betroffenen Aktionäre dieses angenommen haben (Art. 15 Abs. 5 Unterabsatz 2 und 3, 16 Abs. 3 ÜRL). Diese Unterscheidung basiert offenkundig darauf, dass sich der Aktionärsschutz beim freiwilligen Angebot durch Marktmechanismen und nicht durch gesetzliche Mindestpreis___________ 7 Glade/Haak/Hellich, Konzern 2004, 455, 458; in diese Richtung H. Krause, BB 2004, 113, 117. 8 Dafür Mülbert, NZG 2004, 633, 640; dagegen Kindler/Horstmann, DStR 2004, 866, 872; Seibt/Heiser, ZIP 2002, 2193, 2195. 9 Mülbert, NZG 2004, 633, 640. 10 Glade/Haak/Hellich, Konzern 2004, 455, 458. Auf Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 2 ÜRL, wonach die Mitgliedstaaten die Aufsichtsbehörde zur Vornahme von Preiskorrekturen ermächtigen können, kommt es dafür nicht an (a. A. Mülbert, NZG 2004, 633, 640). 11 Mülbert, NZG 2004, 633, 641; Hopt/Mülbert/Kumpan, AG 2005, 109, 111.

I. Europarecht

193

regeln verwirklichen soll.12 Nur so erklärt es sich, dass der freiwillig gebotene Preis für das anschließende Ausschluss- oder Andienungsverfahren nicht durchweg als angemessen gilt, sondern lediglich bei besonders hoher Akzeptanz des Angebots. Eine Preisregel für freiwillige Übernahmeangebote wäre nur dann systematisch widerspruchsfrei im nationalen Recht möglich, wenn eine spezielle Vermutungsregel in der Richtlinie13 vorhanden wäre. Diese müsste beim freiwilligen Übernahmeangebot den Eintritt der Vermutung bei Einhaltung der Preisregel nach Art. 5 Abs. 4 ÜRL (für ein Pflichtangebot) anordnen, ohne dass es auf eine bestimmte Annahmequote ankommt. Eine Analogie zu Art. 15 Abs. 5 Unterabsatz 3 ÜRL mit diesem Inhalt scheidet aus, weil der Unterabsatz 2 eine Regelungslücke für freiwillige Angebote ausschließt. Das Fehlen einer solchen Vermutungsregel belegt also schlüssig, dass die Richtlinie nach ihrer Konzeption Mindestpreisregeln für freiwillige Übernahmeangebote nicht vorgesehen hat.14 Es bleibt zu konstatieren, dass der europäische Richtliniengeber die eingangs erhobenen ökonomischen Einwände gegen eine völlige Freigabe des Angebotspreises bei freiwilligen Übernahmeangeboten15 nicht für erheblich hielt und der deutsche Gesetzgeber wird dem folgen müssen. Aktienverfassungsrechtliche Bedenken bestehen hiergegen jedenfalls nicht. Gleichwohl hält der Gesetzgeber bisher ausdrücklich an einer Mindestpreisregel für freiwillige Übernahmeangebote fest.16

2. Squeeze-out-Preisregel Art. 15 ÜRL enthält erstmals europarechtliche Anforderungen an den Ausschluss von Minderheitsaktionären aus einer börsennotierten Aktiengesellschaft (Squeeze-out). Diese sind für den speziellen Fall geschaffen, dass der Bieter im Anschluss an sein erfolgreiches Angebot einen verbleibenden Rest Minderheitsaktionäre, der maximal bis zu 10 % der stimmberechtigten Anteile ausmachen darf, aus der Gesellschaft ausschließen möchte. Art. 15 Abs. 5 ÜRL legt dabei Mindestanforderungen an die Regelung über die Angemessenheit der Gegenleistung fest, die in den Unterabsätzen 2 und 3 an die Preise des vorangegangenen Übernahmeangebots gekoppelt sind. Handelte es sich um ein freiwilliges Übernahmeangebot, gilt der im Übernahmeverfahren gezahlte Preis als ___________ 12 Seibt/Heiser, ZIP 2002, 2193,2201. Vgl. auch Lutter, in: FS Zöllner, S. 363, 375: Gesellschaftsrechtliche Schutzinteressen können zurückgenommen werden, wenn der Markt das Gleiche oder annähernd das Gleiche leistet wie – bisher – die Rechtsordnung. 13 Art. 15 Abs. 5 Unterabsatz 2 ÜRL. 14 Vgl. auch Austermann/Mennicke, NZG 2004, 846, 849. 15 B. II. 1. 16 BR-Drucks. 154/06, S. 35; BT-Drucks. 16/1003, S. 19 linke Spalte.

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F. Ausblick

angemessen, wenn der Bieter durch die Annahme des Angebots Wertpapiere erworben hat, die mindestens 90 % des vom Angebot betroffenen stimmberechtigten Kapitals entsprechen. Bei einem vorangegangenen Pflichtangebot gilt die Gegenleistung des Angebots immer als angemessen. Dieses Regelungskonzept hat auch Eingang in das ÜbernahmerichtlinieUmsetzungsgesetz gefunden. Unter Fortschreibung der für das WpÜG typischen Gleichbehandlung von Übernahme- und Pflichtangebot ordnet § 39a Abs. 3 Satz 3 WpÜG eine unwiderlegliche Vermutung der Angemessenheit der Abfindung eines Squeeze-out an, wenn bei einem vorangegangenen Übernahme- oder Pflichtangebot der Bieter auf Grund des Angebots mindestens 90 % des vom Angebot betroffenen Grundkapitals erworben hat.17 An dieser Stelle taucht erneut ein bereits aus dem Gesetzgebungsverfahren zum nationalen Squeeze-out im Aktienrecht bekanntes verfassungsrechtliches Problem auf. Eine auf einer Mindestannahmequote beruhende Angemessenheitsvermutung war bereits in § 327b Abs. 1 Satz 3 AktG-E in der Fassung des Regierungsentwurfs des WpÜG vorgesehen.18 Die dortige Regelung sollte die Bemessung der Abfindung dadurch erleichtern, dass die Gegenleistung eines vorangegangenen öffentlichen Angebots „als angemessene Barabfindung“ angesehen werden konnte. Vorgesehen war allerdings eine Annahmequote von mindestens 90 %, die im Gegensatz zur Übernahmerichtlinie nicht auf Kapitalanteile, sondern auf die Kopfzahl der annehmenden Aktionäre abstellte.19 Die in diesem Zusammenhang besonders aufschlussreiche Kritik des Bundesrates lautete:20 „Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass im Einzelfall der wahre Wert der Beteiligung höher ist, als er sich im Übernahmeangebot widerspiegelt.“ Der Finanzausschuss verlangte daraufhin und auf heftige, auch auf Art. 14 GG gestützte Kritik21 der Aktionärsschutzvereinigungen die ersatzlose Streichung der Angemessenheitsvermutung des Regierungsentwurfs.22 Die verfassungsrechtliche Kritik entzündete sich daran, dass eine gerichtliche Überprüfung der Angemessenheit der angebotenen Abfindung in einem Spruchver-

___________ 17

BR-Drucks. 154/06, S. 42; BT-Drucks. 16/1003, S. 22 linke Spalte. BT-Drucks. 14/7034, S. 24; hierzu Möller/Pötzsch, ZIP 2001, 1256, 1262. 19 Zur Kritik an der Maßgeblichkeit der Kopfzahl der annehmenden Aktionäre Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV zum RegE-WpÜG, NZG 2001, 1003, 1008. 20 BT-Drucks. 14/7034, S. 87. 21 Rühland, NZG 2001, 448, 453 ff.; Wenger/Kaserer/R. Hecker, ZBB 2001, 317, 332; Heidel/Lochner, DB 2001, 2031, 2032 f.; Wirth/Arnold, AG 2002, 503 ff.; Ehricke/Roth, DStR 2001, 1120, 1127; zweifelnd auch Habersack, ZIP 2001, 1230, 1238. 22 BT-Drucks. 14/7477, S. 42 und 54. 18

I. Europarecht

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fahren deutlich eingeschränkt gewesen wäre.23 Denn nach dem Willen des Gesetzgebers sollte es sich bei der Angemessenheitsvermutung des Regierungsentwurfs um eine unwiderlegliche Vermutung handeln.24 Im Spruchverfahren wären dann lediglich die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vermutung zu überprüfen gewesen.25 Ähnliche Kritik wiederholt der Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der Übernahmerichtlinie.26 Die vorgesehene Regelung, die angemessene Abfindung des ausscheidenden Aktionärs unabhängig vom wirtschaftlichen Wert der Beteiligung und unabhängig vom Börsenkurs festzulegen und gleichzeitig eine gerichtliche Kontrolle der Höhe der Abfindung auszuschließen, erscheint dem Bundesrat verfassungsrechtlich sehr bedenklich. In ihrer Gegenäußerung stellt sich die Bundesregierung auf den Standpunkt, dass aus europäischer Sicht die die Vorgaben der Übernahmerichtlinie für den deutschen Gesetzgeber bindend und zwingend in nationales Recht umzusetzen seien.27 Mögliche Bedenken des nationalen Verfassungsrechts könnten dagegen nicht vorgebracht werden. Der Vorrang des Europarechts vor dem nationalen Verfassungsrecht sei vom Bundesverfassungsgericht in seiner ständigen Rechtsprechung anerkannt. An dieser Rechsprechung habe auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2005 – 2 BvR 2236/04 – zum Europäischen Haftbefehl nichts geändert. Später hat der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages die Kritik des Bundesrates in diesem Punkt in seiner Beschlussempfehlung dann unberücksichtigt gelassen.28 Bisher blieb unklar, ob es sich bei den in Art. 15 Abs. 5 Unterabsätze 2 und 3 ÜRL enthaltenen Angemessenheitsregelungen tatsächlich um unwiderlegliche Vermutungen handelt, die die im Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz enthaltene Fassung des § 39a Abs. 3 Satz 3 WpÜG erforderlich macht.29 Die deutsche Fassung deutet auf eine Unwiderleglichkeit hin und im deutschen Schrifttum scheint dies weitgehend akzeptiert.30 Mülbert hat bereits erhebliche Argumente dafür zusammengetragen, dass es sich tatsächlich um eine wider___________ 23 Rühland, NZG 2001, 448, 453 ff.; zweifelnd auch Habersack, ZIP 2001, 1230, 1238. 24 BT-Drucks. 14/7034, S. 72; Möller/Pötzsch, ZIP 2001, 1256, 1262. 25 Rühland, NZG 2001, 448, 454. 26 BT-Drucks. 16/1342, S. 3. 27 BT-Drucks. 16/1342, S. 6 f. 28 BT-Drucks. 16/1541. 29 Seibt/Heiser, ZGR 2005, 200, 243. 30 H. Krause, BB 2004, 113, 118; ders., BB 2002, 2341, 2346; Wiesner, ZIP 2004, 343, 349; unentschieden Seibt/Heiser, ZIP 2002, 2193, 2201; ders., ZGR 2005, 200, 243 ff.

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F. Ausblick

legliche Vermutung handelt:31 Die verschiedenen Sprachfassungen sind mehrdeutig. Während etwa die italienische Fassung ebenfalls eine unwiderlegliche Fiktion nahe legt („da considerare“), sprechen etwa die englische („presumed“) und die französische („présumée“) Fassung für eine bloße widerlegliche Vermutung. Gänzlich unterschiedliche Termini für die beiden Unterabsätze verwenden etwa die spanische („se presumirá/se considerará“) und die niederländische („wordt verwezen/wordt aangenomen“) Fassung. Wird berücksichtigt, dass das Ausschlussrecht und das Andienungsrecht jeweils auf eine entsprechende Anregung der Hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts zurückgehen und dass diese für beide Institute widerlegliche Vermutungen vorschlug,32 spricht Vieles dafür, dass die Vorgaben der nunmehr in Kraft befindlichen Richtlinie auf widerlegliche Vermutungen zielen.33 In Kreisen der Kommission wird offensichtlich ganz selbstverständlich von der Widerleglichkeit ausgegangen.34 Handelte es sich allerdings tatsächlich für das Squeeze-out um eine unwiderlegliche Vermutung, ergäben sich aus dem Schutzgebot der Eigentumsgarantie erhebliche Rückwirkungen auf die Preisregeln für vorangehende Übernahmeangebote.35 Denn der vollständige Entzug der Mitgliedschaft gegen den Willen des Mitglieds ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur gegen den Ausgleich dessen, was das Mitglied verliert,36 bzw. nach hier vertretener Auffassung gegen Meistbegünstigung beim Ausgleich zulässig.37 Gleichwohl wird die Meinung vertreten, dass eine Angemessenheitsvermutung, die tatbestandlich eine Mindestannahmequote voraussetzt, als unbedenklich in Bezug auf die Eigentumsgarantie anzusehen sei.38 Das Bundesverfassungsgericht habe in der Moto-Meter-Entscheidung eine gerichtliche Überprüfung der Abfindung dann für entbehrlich erklärt, wenn auf Grund von Marktmechanismen ein Schutzbedürfnis für die Minderheitsaktionäre nicht entstehe. Dem liegt ___________ 31

Mülbert, NZG 2004, 633, 634. Bericht der Hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über die Abwicklung von Übernahmeangeboten vom 10. 1. 2002, S. 14 (Empfehlung III 3./5.) und 76. 33 Rühland, NZG 2006, 401, 407. 34 Maul/Muffat-Jeandet, AG 2004, 306, 307, 317. 35 Mülbert, NZG 2004, 633, 634; Maul, NZG 2005, 151, 157. 36 BVerfGE 14, 263, 284 – Feldmühle; BVerfGE 100, 289, 304 – DAT/Altana; BGH NZG 2006, 117 – Squeeze-out. 37 D. IV. 2. c) bb). 38 BT-Drucks. 16/1342, S. 6 rechte Spalte; Austermann/Mennicke, NZG 2004, 846, 850; Hopt/Mülbert/Kumpan, AG 2005, 109, 117; Krieger, BB 2002, 53, 57; Stumpf, NJW 2003, 9, 12 Fn. 42; ebenso die Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV zum RefE-WpÜG, NZG 2001, 420, 431 f.; eingeschränkt auch Rühland, NZG 2006, 401, 404. 32

I. Europarecht

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entgegen der wohl herrschenden Meinung39 die Auffassung zugrunde, dass der ‚wahre Wert‘ eines Gesellschaftsanteils allein aus dem Marktwert abgeleitet werden darf. Wird jedoch berücksichtigt, dass der europäische Richtliniengeber die eingangs erhobenen ökonomischen Einwände gegen eine völlige Freigabe des Angebotspreises bei freiwilligen Übernahmeangeboten nicht für erheblich hält und der deutsche Gesetzgeber dem entgegen seinem derzeitigen Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie folgen sollte,40 ergeben sich erhebliche Bedenken gegenüber einem funktionierenden Markt bei vorangehenden freiwilligen Übernahmeangeboten.41 Gerade wenn der Mehrheitsaktionär bereits einen erheblichen Teil der Aktien vor Beginn des Übernahmeverfahrens besaß, besteht wegen einer drohenden Minderheitsposition ein erheblicher Verkaufsdruck.42 Die Aussagekraft des Übernahmepreises muss deshalb ebenso wie in vergleichbaren Beispielen des Bundesverfassungsgerichts43 in Zweifel gezogen werden.44 Ein relevantes Marktversagen kann ebenfalls vorliegen, wenn nach §§ 15, 13 WpHG (ad hoc-)publizitätspflichtige Informationen nicht veröffentlicht werden.45 Die hier vertretene Auffassung von einer meistbegünstigenden Preisfindung bei Verlust der Mitgliedschaft wider Willen erfordert in jedem Fall, dass ein ‚Marktpreis‘ eines vorangegangenen Übernahmeangebots gerichtlich daraufhin überprüfbar sein muss, ob dem Aktionär der denkbar beste Bestandsschutz gewährt wird. Die Beurteilung ändert sich grundsätzlich nicht dadurch, dass Europarecht betroffen ist. Da die entsprechenden Vorschriften des übernahmerechtlichen Squeeze-out auf einer Europäischen Richtlinie beruhen, wären sie nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts voraussichtlich vom Europäischen Gerichtshof an den entsprechenden Grundrechtsgewährleistungen des Europarechts zu messen,46 jedoch nicht vom Bundesverfassungsgericht am Grundgesetz.47 Insbesondere für den Bereich der hier betroffenen Eigentumsgarantie kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Bundesverfassungsgericht ___________ 39

Oben S. 154 Fn. 415. Soeben F. I. 1. 41 Seibt/Heiser, ZGR 2005, 200, 245. 42 Oben B. II. 1. A. A. auch in einschlägigem Zusammenhang Seibt/Heiser, ZGR 2005, 200, 221 f., 245. 43 BVerfGE 100, 289, 309 – DAT/Altana. 44 Im Ergebnis ebenso Seibt/Heiser, ZGR 2005, 200, 245. 45 Rühland, NZG 2006, 401, 405. 46 BVerfGE 73, 339, 378 ff. – Solange II; BVerfGE 89, 155, 175 – Maastricht. 47 Austermann/Mennicke, NZG 2004, 846, 850; Hopt/Mülbert/Kumpan, AG 2005, 109, 117; H. Krause, S. 163 ff.; ders., BB 2004, 113, 118; ders., BB 2002, 2341, 2346; Seibt/Heiser, ZGR 2005, 200, 246, dies., ZIP 2002, 2193, 2202 Fn. 98. Vgl. auch BTDrucks. 16/1342, S. 6. 40

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F. Ausblick

die Kompetenz an sich zieht.48 Auf europäischer Ebene ist grundsätzlich nicht zu erwarten, dass der dort vom Europäischen Gerichtshof gewährte Grundrechtsschutz hinter dem nationalen zurückbleiben könnte. Denn er greift als Rechtserkenntnisquelle für die Herleitung der Gemeinschaftsgrundrechte neben den Grundrechten der Europäischen Menschenrechtskonvention49 und deren Auslegung und Ausgestaltung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte50 auf die Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten51 zurück. Versucht wird, eine größtmögliche Homogenität zwischen dem auf nationaler Ebene, auf Gemeinschafts- und auf Völkerrechtsebene bestehenden Grundrechtsstandard zu gewährleisten.52 Zusammengefasst hätte dies zwingend zur Folge, dass eine unwiderlegliche Vermutung der Angemessenheit von Preisen aus einem vorangegangenen Übernahmeverfahren in einem Squeeze-out-Verfahren die Angleichung der Preisregeln im WpÜG an die sonstigen verfassungsrechtlich determinierten Ausgleichs- und Abfindungsansprüche, also auch die Berücksichtigung des ‚wahren Wertes‘ im WpÜG, erfordert.

II. Wettbewerblicher Ansatz Von einem wettbewerbstheoretischen Standpunkt aus wurde dieser Gedanke zur Angleichung der Preisregeln bereits von Oechsler in die Diskussion gebracht.53 Er schlägt vor, den nach § 31 WpÜG zu zahlenden Preis als Surrogat für die gemäß § 305 AktG zu gewährende Abfindung nach Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages aufzufassen. Das Gesetz müsse mit der Preisregel sicherstellen, dass nicht durch unterschiedliche Maßstäbe im Rahmen beider Vorschriften ein Anreiz hin zum öffentlichen Übernahmeangebot oder zum Abschluss eines Beherrschungsvertrages geschaffen werde. Der Erhalt des Marktmechanismus gebiete, dass nicht die zufällige Wahl einer Transaktionsform, sondern der wahre Wert der Mitgliedsrechte für die Höhe der Bieterleistung ausschlaggebend sein muss. ___________ 48

Austermann/Mennicke, NZG 2004, 846, 850. Vgl. auch Loritz/Wagner, WM 1991, 709, 712 und BVerfG NJW 2005, 2289 – Europäischer Haftbefehl. 49 Ständige Rechtsprechung seit EuGH Slg. 1975, 1219, 1232 – Rutili. 50 Beispielsweise beruft sich der EuGH im Urteil Slg. 1997, I-3689, 3717 – Familiapress ausdrücklich auf das Urteil des EGMR EuGRZ 1994, 549 – Informationsverein Lentia. 51 Ständige Rechtsprechung seit EuGH Slg. 1970, 1125, 1135 – Internationale Handelsgesellschaft; vgl. zudem Art. 6 Abs. 2 EU. 52 Hilf/Hörmann, NJW 2003, 1, 2; H. Krause, S. 164 ff. 53 Oechsler, in: FS Hadding S. 1027, 1030 f.

II. Wettbewerblicher Ansatz

199

Ein Übernahmeangebot setzt die individuelle Entscheidungsmöglichkeit über seine Annahme oder Ablehnung voraus und unterscheidet sich deshalb von alternativen Rechtstechniken, bei denen sich Begründung oder Wechsel der Kontrolle als Konsequenz ex lege eintretender Rechtsfolgen ergeben. Für jene unterschiedlichen Techniken hält der Gesetzgeber jeweils eigenständige Regelwerke mit jeweils spezifischen Kautelen für den Aktionärsschutz vor. Selbst Kauf- oder Tauschangebote sind, soweit sie auf anderen Gesetzen als dem WpÜG beruhen, vom übernahmerechtlichen Angebotsbegriff ausgenommen (§ 2 Abs. 1 WpÜG). Dabei verfolgen die verschiedenen Modelle des Aktionärsschutzes ganz unterschiedliche Grundkonzeptionen. So steht dem marktrechtlich konzipierten Modell des Übernahmerechts das mitgliedschaftsrechtlich konzipierte Konzernrecht gegenüber. Letzteres steht einem (die Konzernierung vorbereitenden) Aktienerwerb neutral gegenüber, setzt aber auf die Mitsprache der Aktionäre bei der Konzernierung, die das Umtauschverhältnis der Anteile bzw. die Höhe einer gegebenenfalls anzubietenden Abfindung zudem gerichtlich überprüfen lassen können. Vorläufig entspricht es dem Anliegen des Gesetzgebers, die verschiedenen Rechtstechniken der Kontrollerlangung an den „jeweils einschlägigen Rechtsvorschriften“ zu messen.54 Eine Angleichung der Vorschriften zur Abfindungshöhe an die Preisregeln des WpÜG scheidet aus verfassungsrechtlichen Gründen aus, weil das WpÜG regelmäßig nur Marktpreise als Mindestpreise bestimmt. Eine Angleichung in Richtung auf die Abfindung würde die Bemühungen des WpÜG um eine Steigerung der Allokationseffizienz unterlaufen. Eine ‚Unterbewertung‘ am Markt, d. h. ein Börsenkurs unter dem ‚wahren‘ Wert der Unternehmensbeteiligung, vermag einen potentiellen Bieter nicht mehr in dem Maße anzuziehen, denn er dürfte zu diesem Preis die Kontrolle nicht erwerben. Wird gleichzeitig bedacht, dass ein verbandsrechtliches Austrittsrecht immer auch die Pflicht zum Vollangebot darstellt, so wären die Überlegungen zur Theorie vom Markt für die Unternehmenskontrolle weitgehend hinfällig: Eine Unterbewertung ist das Signum für die Fehler der gegenwärtigen Geschäftsführung und bildet den entscheidenden ökonomischen Anreiz für einen möglichen Übernehmer.55 Muss der Bieter trotzdem wegen der Vollangebotspflicht den ‚wahren‘ Wert des gesamten Unternehmens zahlen, wird diese Anreizwirkung mehr oder weniger stark gemindert – je nachdem, ob der hier vertretenen Auffassung von einer meistbegünstigenden Abfindungshöhe gefolgt oder nur von einer durch den Ertrags- oder Liquidationswert nach unten begrenzten Abfindungshöhe ausgegangen wird. Es wäre daher verfehlt, die Preisregeln der beiden unterschiedlichen Konzepte zur Kontrollerlangung anzugleichen. Denn die §§ 291 ff. AktG ___________ 54 55

BT-Drucks 14/7034 S. 31 rechte Spalte bei 8. Vgl. oben B. I.

200

F. Ausblick

sind von der gesamten gesetzgeberischen Konzeption her bisher nicht darauf ausgelegt, einen Markt für die notwendige Zustimmung zum Konzernierungsbeschluss zu organisieren. Die Grundannahme des Gesetzes ist eher, dass Kontrolle im Sinne des § 29 Abs. 2 WpÜG bereits besteht, so dass die Transaktionsformen nicht in Konkurrenz zueinander stehen, zumal ihnen unterschiedliche Kontrolltiefen zu Eigen sind. Die Aushebelung des Marktes für Unternehmenskontrolle durch eine Angleichung der Abfindungshöhe bildet ein letztes Argument gegen die Unwiderleglichkeit der Vermutungen in Art. 15 Abs. 5 Unterabsatz 2 und 3 ÜRL. Es kann nicht dem Sinn und Zweck der Richtlinie entsprechen, den deutschen Gesetzgeber durch die Regeln zum Squeeze-out bei der Umsetzung zu zwingen, in der Preisregel des WpÜG einen allein für den Ausschluss von Minderheitsaktionären von der Verfassung geforderten Preis vorzusehen und so den Markt für Unternehmenskontrolle zum Erliegen zu bringen.

G. Schlussbetrachtung Die Untersuchung des Mitbestimmungsurteils hat ergeben, dass ein Schutz des Kapitalmarktes als solchem aus dem objektiven Gehalt des Eigentumsgrundrechts nicht abgeleitet werden kann, weil ein vom individuellen Anteilsrecht losgelöster Schutz objektivrechtlicher Funktionen wie Ansammlung des zum Betrieb moderner Wirtschaftsunternehmen erforderlichen Kapitals, eine differenzierte privatrechtliche Organisation von Kapitalgesellschaften oder die Funktionsfähigkeit einer auf Dezentralisierung sowie Verteilung von Macht, Chancen, Risiko und Herrschaft beruhenden Wirtschaftsordnung nicht vom Schutzbereich umfasst ist.1 Die Funktion des Kapitalmarktes ist allenfalls dann als Eigentum geschützt, wenn und soweit dem einzelnen Aktionär hierdurch individuelle Freiheit zukommt. Ausschlaggebend ist also immer der Schutz des Anteilsrechts beim Aktionär. Solange der Gesetzgeber die Entstehung subjektiver Rechte wie zum Beispiel in § 4 Abs. 2 WpÜG bei der Schaffung von kapitalmarktrechtlichen Gesetzen vermeidet, kommt kein verfassungsrechtlich zu schützendes Eigentum des Anlegeraktionärs zu Stande. Auf den Kapitalmarkt ausgerichtete Rechte des Anlegeraktionärs können daher nur aus den Bindungen des Gesellschaftsvertrags und -rechts entwickelt werden. Nach dem hier gefundenen Ergebnis besteht eine solche Bindung hinsichtlich der Kontrolle über eine Aktiengesellschaft derzeit nicht. Selbst wenn die neueren Tendenzen in der Wissenschaft, die dem Aktienrecht eine Anlegerorientierung zumessen wollen,2 eine Zukunft haben, ist es noch ein weiter Weg bis zur notwendigen Verfestigung dieser Rechtsauffassung durch die Gerichte, die Voraussetzung für einen verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz wäre.3 Der umgekehrte Weg von der Verfassung ins Gesellschaftsrecht ist jedenfalls nicht gangbar.4 Selbst dann nicht, wenn die Aktie in ihrer Funktion, dem Anlegeraktionär eine „Sphäre individueller Freiheit in finanzieller Hinsicht“ zu gewähren, als selbständiges Wirtschaftgut betrachtet wird. Das Spannungsverhältnis zwi___________ 1

D. III. 2. Zuletzt Mülbert, in: FS Röhricht S. 421 ff. und die Kritik daran von Habersack, AG 2005, 137, 139 ff. 3 Vgl. die Ausführungen zum Gewerbebetrieb unter D. I. 1. 4 Diesen Gedanken erwägend Mülbert, in: FS Röhricht S. 421, 427. 2

202

G. Schlussbetrachtung

schen dieser Betrachtungsweise und der anderen Natur der Aktie als Beteiligung an der Gesellschaft als Objekt der Rechtsordnung ist für das Verfassungsrecht zu Gunsten der anderen Natur aufzulösen. Die Mitgliedschaft ist lediglich in den Grenzen ihrer jeweiligen Ausformung durch das einfache Recht freiheitsstiftend. Dies gilt auch in finanzieller Hinsicht.

H. Thesen –

§ 31 WpÜG stellt nicht die Erfüllung eines verfassungsrechtlichen Schutzgebots dar, sondern die Ausgestaltung von Eigentum durch den Gesetzgeber im Rahmen des ihm gegebenen Gestaltungsspielraums.



Die Reichweite des Eigentumsschutzes zwischen Mehrheit und Minderheit im Verband muss anhand des einfachen Rechts ermittelt werden. Das Eigentumsgrundrecht ist normgeprägt. Deshalb bestimmen die die jeweilige Mitgliedschaft im Verband ausgestaltenden Verträge und Rechtsnormen den Inhalt des Eigentums. Einen verfassungsimmanenten absoluten Eigentumsbegriff kennt das Grundgesetz nicht.



Die Kontrollerlangung durch einen Mehrheitsaktionär beschränkt weder Verwaltungs- noch die Vermögensrechte der Minderheitsaktionäre. Das Mehrheitsprinzip ist zentrales Element der einfachgesetzlichen Ausgestaltung des Aktienrechts. Eine staatliche Schutzpflicht gegenüber einer Kontrolle des Verbandes durch den Mehrheitsaktionär besteht nicht.



Akte von Mehrheitsaktionären, insbesondere Beschlussfassungen, können nicht unmittelbar am Eigentumsgrundrecht gemessen werden. Die herrschende Grundrechtsdogmatik unterwirft privates Handeln nur dann verfassungsrechtlichen Schranken, wenn ein verfassungsrechtliches Schutzgebot ein staatliches Einschreiten erfordert.



Das mitgliedschaftliche Vermögensrecht beschränkt sich auf den ideellen Anteil am Verband als Objekt des Rechtsverkehrs. Eine Zuordnung der gesellschaftsrechtlich gebundenen Vermögensgegenstände zum Mitglied sieht das einfache Recht nicht vor. Bei den sonstigen so genannten Vermögensrechten (Gewinnanspruch, Liquidationserlös etc.) handelt es sich bei genauerem Hinsehen um Verwaltungsrechte.



Die mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechte ersetzen wirtschaftlich die unmittelbare Verfügungsbefugnis des Mitglieds über seine Vermögensgegenstände, nachdem er sie in den Verband eingebracht hat. Die Verwaltungsrechte sind verfassungsrechtlich geschütztes Eigentum.



Ermächtigungen der Mehrheit im Aktiengesetz, Verwaltungsrechte der Minderheit zu entziehen oder deren Mitgliedschaft zu beenden, sind Inhaltsbestimmungen des Eigentums. Die Ausübung der Ermächtigung bedeutet keinen Eingriff in das Eigentum.

204

H. Thesen



Soweit der Gesetzgeber bei der Schaffung einer Ermächtigungsgrundlage zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit eine Entschädigungsregelung vorgesehen hat, ergeben sich verfassungsrechtliche Anforderungen an die Höhe der Entschädigung unterschiedslos für alle Minderheitsaktionäre nur aus der Schutzgebotsfunktion des Eigentumsgrundrechts. Das Übermaßverbot eignet sich nicht zur Bestimmung der Abfindungshöhe, da eine Inhaltsbestimmung des Eigentums nicht als fortdauernder Eingriff aufgefasst werden kann.



Das Schutzgebot des Eigentums verlangt einen Vorrang des Bestandsschutzes vor anderen Entschädigungskonzepten. Dem Minderheitsaktionär ist deshalb eine Meistbegünstigung zu gewähren: Eine Strukturmaßnahme darf für den Mehrheitsaktionär wirtschaftlich nicht günstiger ausfallen als alternative Maßnahmen gleicher Wirkung. Die höchste vernünftigerweise zu erwartende Bewertung im Rahmen alternativer Maßnahmen bestimmt die Mindestentschädigung. Sie entspricht dem höchsten Wert, der sich beim Vergleich (1) eines durchschnittlichen gewichteten Börsenkurses und/oder anderer Verkehrspreise im Vorfeld der Strukturmaßnahme, (2) dem Anteilswert nach einer wissenschaftlich anerkannten, vom Gericht auch inhaltlich zu prüfenden Unternehmensbewertung und (3) Preisen für eine Aktie, die vom Mehrheitsaktionär im Vorfeld selbst gezahlt wurden, ergibt.



Eine Reduktion des Minderheitenschutzes auf einen reinen Vermögensschutz des Anlegeraktionärs verkennt die Bedeutung des Bestandsschutzes. Die Freiheit der Auswahlentscheidung hinsichtlich der Kapitalanlage und der Schutz vor einem ungewollten Risiko einer anderweitigen Investition am Kapitalmarkt sind Teil der Eigentümerstellung.



Die derzeitige Ausgestaltung des Aktieneigentums durch das einfache Recht und die Rechtsprechung erlauben es nicht, das Vertrauen des Aktionärs in eine bestimmte Desinvestitionsmöglichkeit verfassungsrechtlich zu schützen. Die Börsenzulassung gewährt dem Aktionär kein eigenes subjektives Recht und der Handel1 mit oder der Tauschwert von Eigentum wurden bisher weder vom einfachen Recht noch von der ständigen Rechtsprechung zu Eigentum ausgeformt.

___________ 1

Im Gegensatz zur Verfügung über das Eigentum.

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Festschrift

für

Peter

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Stichwortverzeichnis Abfindung 31, 45–49, 78, 90–92, 104–106, 131–166, 182, 192–199 – Abfindungshöhe 21, 48, 138–159, 199, 200, 204 – Bestimmung 21, 204 – Abfindungsleistung 182 – Abfindungsrecht 52, 159 – Abfindungsregelungen 156, 176 – angemessene 31, 90, 131–166, 192, 195 – Barabfindung 17, 139, 160, 194 – meistbegünstigende 162, 163, 199 – Sozialbindungsabzug 138 Abschöpfungsgedanke 46 Abspaltungsverbot 105–116, 123, 129, 130, 187 Abwägungsfaktor 155 Abwägungsgebot 186 Abwicklungsquote 90 Aktie 17, 21, 22, 28–60, 84–93, 104– 115, 124–130, 139–163, 169–190, 197, 201, 204 – Börsenwert 124 – Doppelnatur 181 – Eigentumsschutz 177 – Fungibilität 49, 177, 178, 188 – Gattung 104 – Handelbarkeit 165, 178, 184, 187 – Kurswert 141, 154 – quotaler Unternehmenswertanteil 48, 152 – strategische 158 – wahrer Wert 158 – Urkunde 109 – Verkehrsfähigkeit 60, 142, 182, 184, 185, 188 – Verkehrspreis 21, 155, 161, 204 – Verkehrswert 32, 59, 142, 152, 154, 180, 188 – verkörperte mitgliedschaftliche Stellung 153

– verkörpertes Eigentum 84, 86, 105, 107 – Vermögensgegenstand 153, 165, 178, 182 – verkehrsfähiger 177, 182 – wahrer Wert 59, 142, 157, 158, 194, 197 – Wirtschaftsgut 153, 165, 178, 182 Aktionär – Anlegeraktionär 185, 201 – außenstehender 50, 160, 175, 177 – Minderheitsaktionär, siehe auch Minderheitsaktionär 18–59, 73, 78–103, 133–179, 189, 190, 193, 196, 203, 204 Aktionäre – Innenverhältnis 99, 102, 131 Aktionärsdemokratie 101 Allgemeinwohl 91, 137 Allokationseffizienz 26–31, 46, 51, 52, 61, 199 Anfechtungsbefugnis 170 Anfechtungsklage 146, 168, 169 Angebot 26–36, 53–58, 68, 104, 179, 192–194 – Angebotspreis 17, 32, 42, 47, 192, 197 – gerichtliche Angemessenheitsprüfung 27 – Angebotsunterlage 68 – Angebotsverfahren 33, 37, 52 – öffentliches 23, 30, 194 Anlegeraktionär 185, 201 Anteilseigentum 19, 59, 84, 94–99, 103, 157 – qualitative Veränderungen 97, 98 – quantitative Beschränkungen 97 – Struktur- oder Substanzveränderung 97, 98 Ausbeutungshypothese 25–28, 37

Stichwortverzeichnis Ausgleich – angemessener 131, 138, 140, 156, 160, 161 – Ausgleichsanspruch 105, 198 – Ausgleichshöhe 151 – Ausgleichspflicht 136, 137 – Intensität der Eigentumsbeschränkung 136 – Ausgleichsregelung 139–144, 156, 176 – unbestimmte Rechtsbegriffe 143 – Ausgleichszahlung 147, 158–162 Auskunftsanspruch 129 Ausschluss von Minderheitsaktionären, siehe auch Squeeze-out 78, 193, 200 außerbörslicher Handel 157, 180 BaFin 31, 67–73 – Exekutiventscheidung 69 Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag 49, 159–162, 198 Beherrschungsvertrag 106, 107, 159, 160 – Abschluss 49, 198 Bergbaugesetz-Entscheidung 130 Beschluss – Beschlussfassung 80, 81, 139, 159, 203 – Beschlussgegenstände 78–81, 102 – Gesellschafterbeschluss 18, 43, 78 – strukturändernder 78 – Inhaltskontrolle 146 Bestandsschutz – angemessener 21 – Bestandsschutzfunktion 148, 154 – Bestandsschutzgedanke 145, 150 – Bestandsschutzinteresse 154, 155, 163 – Bestandsschutzpflicht 149, 154 – bester 197 – Eigentum 146, 150, 162 – gesteigerter 144 – Meistbegünstigung 172, 176 – primärer 166–168 – residualer 150 – sekundärer 167, 168, 172 – teilweiser 163 – Vorrang 20, 145, 204

225

Beteiligung – quotale 165 – wahrer Wert 50, 51, 152, 199 Bewertung – Bewertungsfaktor 153 – Bewertungsgutachter 152 – Bewertungsmethode 153, 172 – indirekte 153 Bezugsrecht 90, 110, 112 Bezugsrechtsausschluss 80, 81, 149 Bilanzgewinn 105, 110, 111 Blocktransaktion 54 Börse 32, 54, 124, 157, 158, 179– 189 – Börsenkurs 32, 34, 48–51, 57, 104, 150, 154, 155, 180, 195, 199 – durchschnittlicher 17, 21, 35, 161, 204 – Börsenliquidität 189 – Börsennotierung 177–189 – Aufnahme 187 – Beendigung 179 – Börsenwert der Aktie 124 – Börsenwesen 54 – Börsenzulassung 22, 40, 181–189, 204 – dringlicher Charakter 186 – Fortführung 186 – Freiverkehr 56, 184 – funktionierende 155 City Code 27, 35, 39, 40 Common Law 39 Companies Act 39 Control-as-a-Corporate-Asset-Theorie 57, 58 Corporate-Opportunities-Lehre 58 DAT/Altana-Beschluss 19, 44, 50, 103–166, 180, 182 Dawn Raid 35 Delisting 56, 179–189 – Pflichtangebot 56 Desinvestitionsentscheidung 142, 155 Desinvestitionsmöglichkeit 22, 183, 186, 204 Discounted-Cash-Flow-Methode 153, 172 Disziplinierungshypothese 23 Diversifizierung 24

226

Stichwortverzeichnis

Dividende 57, 110, 163 – Dividendenpolitik 163 – Dividendenrecht 106, 181 – Dividendenzahlungsanspruch 107, 130 Dogmatik – Gesellschaftsrechtsdogmatik 118 – Grundrechtsdogmatik 18, 81, 203 – Zivilrechtsdogmatik 18, 75, 80, 81 Effizienzgewinn 55 Eigentum – absoluter Eigentumsbegriff 132, 141, 182, 203 – Dispositionsfreiheit 60, 129, 142, 178 – Eigentumsbeschränkung 117, 136, 137, 174 – Eigentumsbestandsschutz 146 – Eigentumsentschädigung 29, 31, 53, 61 – Eigentumsfreiheit 150, 171, 185 – negative 187 – Eigentumsgarantie 60, 84–89, 125– 130, 139, 171, 178–184, 196, 197 – Eigentumsgrundrecht 18–21, 73, 82, 88, 89, 96, 105, 144–155, 171, 185, 201, 203 – Eigentumsordnung 83, 151 – Sozialgebot 132 – Eigentumswertgarantie 136, 142, 148, 154, 171, 185 – Sozialisierung 142 – Eigentumswertschutz 145, 150 – gesellschaftsrechtlich vermitteltes 84, 90 – grundsätzliche Verfügungsbefugnis 89, 97, 121, 125, 128 – Individualschutz 86 – Inhalt und Schranke 83, 88, 139 – Inhaltsbestimmung 133, 138–142, 151, 167, 204 – Kernbereich 88, 97, 180 – Mediatisierung 117 – mittelbares 117 – Privateigentum 83, 132 – Sozialbindung 96, 137 – Spezifizierung der Eigentumsrechte 29, 32, 52

Eigentumsaufopferungsentschädigung 135, 142 Eigentumsgrundrecht 18–21, 73, 82, 88, 89, 96, 105, 144–155, 171, 185, 201, 203 – Bestandsschutz 146, 150 – Bestandsschutzgebot 162 – dogmatische Sonderstellung 83 – Eingriff durch Kontrollerwerb 50, 52 – Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich 125 – Normgeprägtheit 18, 86, 88, 144, 203 – objektiver Gehalt 145, 201 – Schutzgebot 144, 149 – Übererfüllung 104 – Schutzgebotsfunktion 20, 151, 204 – Tauschwert 22, 171, 185, 204 eigentumsrelevante Maßnahme 134– 142, 160 Eigentumsschutz 18, 83–87, 96, 125, 175, 177 – Aktie 177 – Gesellschaftsrecht 83, 125 – Reichweite 18, 89, 203 – verfassungsrechtlicher 127, 201 – zwischen Mehrheit und Minderheit 18, 85 eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb 87 Eingriff – Eingriffsakt 91 – Eingriffsschutz 64 – Grundrechtseingriff 88 Einheitlichkeit der Mitgliedschaft 109, 116 Emittent 185–187 Empire-Building-Hypothese 24 Enteignung 85, 97, 135, 142, 150 – Enteignungsentschädigung 85 Entschädigung – Entschädigungspflicht 135 – Entschädigungsrecht 137 – volle 52, 84, 92, 132, 138, 163, 168, 176 – Eigentumsverlust 92, 176 Ermächtigung – der Mehrheit 79 – gesetzliche 78–81, 144, 147

Stichwortverzeichnis Ermächtigungsnorm 80 – Ausgestaltung 79 – Rechtsfolgenseite 80 Erpressungshypothese 26, 36, 52 Ertragsbewertung 155 Ertragswert 153, 154 Ertragswertmethode 152, 172 Europäischer Haftbefehl 195 Exekutive 67, 68 – legislative Funktion 67 Ex-Post-Opportunismus 134, 162 Feldmühle-Urteil 19, 84, 90, 91, 94, 96, 132, 135, 143, 146, 166 Finanzintermediäre 54 Free-Cash-Flow-Hypothese 25 Freigabeverfahren 170 Fremdbestimmung 19, 76, 98, 103 – Ausmaß 99 – Privater 76 Fungibilität 49, 177–180, 188 Gefangenendilemma 26, 32, 33 Gegenleistung – angemessene 17, 23, 27, 50, 67– 69, 84, 103, 104, 172, 175, 190, 193 Gemeinwohlziel 147 Genussrecht mit Eigenkapitalcharakter 21, 171 Gesamthandslehre 119, 121 Gesamthandsprinzip 121 Geschäftschancenlehre 58 Gesellschaft – Auflösung 150, 165 – Auflösungsbeschluss 114, 166 – Austrittsrecht 22, 27, 37, 40, 51, 52, 187, 199 – Befristung 114 – börsennotierte 150, 165, 173, 193 – freiwilliger Verbleib 162 – Gesellschaftsanteil 154, 179, 197 – Gesellschaftsinteresse 39, 43, 45, 81, 92, 174 – Gesellschaftsorgane 99 – Gesellschaftsvermögen 57, 91, 115, 123, 124, 131, 134, 160, 167 – Sondervermögen 119, 120 – Übertragung im Ganzen 74, 102

227

– Gesellschaftsvertrag, siehe auch Satzung 74, 75, 115, 119, 124 – Gesellschaftswille 103 – Gesellschaftszweck 45, 82, 128, 134, 161 – Objekt des Rechtsverkehrs 20, 116, 122, 126, 130, 152, 173, 181, 203 – Subjekt des Rechtsverkehrs 126, 174 Gesellschaftsrecht – mitgliedschaftliche Grundrechte 77 – normative Bindung der Gesellschafter 74 Gesetz – inhaltsbestimmend 132, 133, 139, 143 – schrankenziehend 132, 133 gesetzgeberisches Misstrauensvotum 49 gesetzgeberisches Unterlassen 89 Gestaltungsspielraum, Über-/Untermaßverbot 151 gestaltungsspielraumkonformes Privatrecht 71 Gewinn – Gewinnabführungsverpflichtung 160 – Gewinnabführungsvertrag 106, 112, 159 – Gewinnbeteiligung 90, 111, 162 – Gewinnbeteiligungsanspruch 107, 111, 113, 160 – Gewinnerwartung 171 – berechtigte 172 – Gewinnverwendung 74, 102 – Gewinnverwendungsbeschluss 111 – mitgliedschaftlicher Gewinnbeteiligungsanspruch 107 Girmes-Fall 115 Gleichbehandlungsgrundsatz 36, 176 Gleichpreisregel 27, 35, 47, 53–57, 190 Grenznutzen 55, 59, 142, 157 Grenzpreis 34, 56 Grundrecht 18, 62–83, 91, 95, 96, 122, 125, 141–145, 166, 183, 187 – Abwehrfunktion 65, 96 – europarechtliche Gewährleistung 197

228

Stichwortverzeichnis

– faktische Grundrechtsbeeinträchtigung 102 – Grundrechtseingriff 88 – Grundrechtsgebrauch 71, 72, 76, 122, 126 – Grundrechtsgefährdung 21, 176 – Grundrechtsträger 20, 71, 96, 117, 121, 149 – Grundrechtsverteidigung 71 – normengeprägtes 18, 86, 88, 144 – objektive Funktion 77, 96, 145 – objektive Wertordnung 96 – Schutzauftrag 71–79, 145 – Schutzgebot 18–22, 73, 77, 82, 89, 92, 102, 103, 131, 143–151, 161, 162, 190, 196, 203, 204 – Schutzgebotsfunktion 20, 65, 66, 70, 73, 82, 144, 151, 204 – unmittelbare Geltung 63 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 88, 132 Guano-Entscheidung 46 Hartmann & Braun-Beschluss 162 Hauptversammlung 19, 39, 74, 80, 90, 99–102, 111, 159, 169, 179 – Hauptversammlungsbeschluss 80, 90, 91, 102, 112, 114, 146, 170, 179–181 – Hauptversammlungsmehrheit 102 Herrschaftsrechte – mitgliedschaftliche, siehe auch Verwaltungsrechte 106, 165 hoheitliche Güterbeschaffung 150 Hoheitsakt 150 Holzmüller-Rechtsprechung 131, 169, 179 Individualanspruch 110, 111, 115, 187 Industry Rules Governing Substantial Acquisition of Shares 35 Informationshypothese 25 Inhalts- und Schrankenbestimmung 93, 135, 136, 141 Inhalts- und Schrankennormen 134 Inhaltsbestimmung 20, 88, 97, 133– 151, 167, 183, 203, 204 – fortgeltende 135 Inhaltsneubestimmung 143, 144, 147

Inhaltsnormen 133 innerer Wert, siehe auch wahrer Wert 23, 52, 155 – Geschäftswert 50, 152 – mitgliedschaftliche Stellung 52, 155 – Unternehmen 152 Interessenausgleich 71–82, 145, 150 Interessenhomogenität 167 Interessenkonflikt 39, 74, 167 Investitionsvertrag, Bruch 43, 45 Investment 171, 187 – Investmentaktionär 38 – Investmententscheidung 40 ius cogens 75 ius dispositivum 75 Judikative 88 juristische Person 118, 119, 131 – ideeller Anteil 105 Kapital 39, 51, 54, 96, 150, 168, 187, 194, 201 – genehmigtes 112 – Grundkapital 90, 104, 113, 159, 194 – Kapitalanlage 21, 170, 186, 204 – Kapitalanteil 194 – Kapitalerhöhung 39, 45, 58, 105, 112 – Kapitalherabsetzung 113 – Rückzahlungsanspruch 110 – Kapitalkosten 56 – Kapitalmaßnahme 112 Kapitalanlage – Auswahlentscheidung 21, 170, 204 – Mitgliedschaft als wertbildender Faktor 171 Kapitalgesellschaftsanteil 124 Kapitalmarkt 21–58, 124, 177, 178, 186, 201, 204 – Effizienz 24, 34, 153, 156 – Funktion 26, 95, 96, 201 – funktionierend 22, 170, 182, 185 – Funktionsfähigkeit 95, 96 – Kapitalmarktrecht 23, 29, 37, 190 – strukturelle Funktionsstörungen 124 Klador-Hicks-Effizienz 28 Kleingartenpacht-Entscheidung 184

Stichwortverzeichnis Konditionenkontrolle 45, 47 Kontrahierungszwang 162 Kontrollerlangung 18, 29, 42, 45, 93, 98–102, 199, 203 – privater Akt 18, 81 Kontrollerwerb 24, 26, 34, 47, 52 – Eingriff in das Eigentumsgrundrecht 50 Kontrollfreiheit 51 Kontrollprämie, siehe auch Paketzuschlag 53, 57, 58, 59 Kontrollwechsel 21–41, 50, 56, 61, 84, 98–103, 173–189 Kontrollwert 57, 58 Konzern 25, 32, 92, 147 – Konzernbildung 39, 50, 78, 177 – Konzerneingangsschutz 36–39 – Konzernfolgenschutz 55 – Konzernierung 36, 176, 199 – Konzernierungsanreiz 37, 147, 156 – Konzernierungsmaßnahme 60, 146, 147, 156, 157 – Konzerninteresse 160 – Konzernleitungsmacht 51 – Konzernrecht 29, 40, 43, 156, 176, 199 – Konzernrechtsnormen 37 – Vertragskonzern 160 Legislative 83 Leitungsbefugnis, siehe auch Verwaltungsrechte 105, 106 Liquidation 114, 124, 150, 166, 168 – Abwicklungsquote 90 – Liquidationserlös 57, 105, 114, 166, 203 – Beteiligung 110, 114 – Liquidationsverfahren 124 – Mehrheitsbeschluss 124 Liquidität 54, 188, 189 – Liquiditätsverlust 188, 189 Macrotron-Urteil 56, 177, 179, 187 market for corporate governance control, siehe auch Markt für Unternehmenskontrolle 23, 51 Markt – funktionierend 197 – Marktergebniskontrolle 29, 33, 52

229

– Marktmechanismus 49, 192, 196, 198 – Marktpreis 125, 197, 199 – Marktversagen 28, 29, 35, 47, 197 – organisierter 40, 56, 178, 179, 189 Markt für Unternehmenskontrolle 23, 200 – Theorie 51, 199 – Unterbewertung 25, 51, 199 Marktmachthypothese 24 Marktwert 33, 51, 53, 171, 185, 197 Mehrheit 19, 20, 39, 78–81, 86, 89, 97, 102, 147–164, 166–171, 203 – Mehrheitsbeschluss 19, 75–77, 84, 91, 141 – Mehrheitsgesellschafter 59, 140, 150, 166–171 – Mehrheitsherrschaft 39, 164, 176 – qualifizierte 80, 176 Mehrheitsprinzip 19, 53, 77, 86, 89, 98, 103, 173–176, 203 Meistbegünstigung 21, 149–168, 196, 204 – Abfindung 162, 163, 199 – Minderheitsaktionär 149, 154, 168 Minderheit 19, 20, 32, 38, 40, 77–81, 89, 92, 97, 147, 164–176, 203 – mehrheitsfeste Minderheitenrechte 176 – Minderheitenquorum 170 – Minderheitenschutz 21, 38–40, 55, 77–82, 164, 176, 204 – Überschießen 55, 56 – Verfahrensvorschriften 82 Minderheitsaktionär 18–59, 73, 78– 103, 133–161, 166–170, 173–190, 193, 196, 203, 204 – Ausbeutung 52, 55 – Ausbeutungshypothese 25–28, 37 – Ausschluss, siehe auch Squeeze-out 78, 193, 200 – Meistbegünstigung 149, 154, 168 Mindestpreisregel 27, 30–47, 190, 192 – freiwilliges Übernahmeangebot 36, 192, 193 – Marktergebniskontrollfunktion 35 Mitbestimmung 93, 96 – Mitbestimmungsgesetz 93–102 – Mitbestimmungsurteil 19, 93–99, 174, 175, 201

230

Stichwortverzeichnis

Mitglied – Erweiterung des Aktionsradius 120, 126 – vermögensrechtliche Stellung 105, 106, 116, 119 – vermögensrechtlicher Anspruch 90, 91, 105, 106, 130 Mitgliedschaft, siehe auch mitgliedschaftliche Stellung 29, 41–46, 59, 61, 83, 106–129, 146, 159–165, 170–175, 181, 187, 196, 202, 203 – Einheitlichkeit 109, 116 – Ertragsaussichten 172 – gemeinsame Zweckverfolgung 43, 52, 116, 131, 150, 168 – Handelbarkeit 165 – Institut 61 – totaler Verlust 161, 162 – Verbandsmitgliedschaft 61, 108 – wahrer Wert 49, 198 – Zuweisungsgehalt 110 mitgliedschaftliche Herrschaftsrechte, siehe auch Verwaltungsrechte 106, 165 mitgliedschaftliche Stellung, siehe auch Mitgliedschaft 60, 83, 103, 105–187 – einheitlicher Schutzbereich 107 – Funktionsfähigkeit 149 – mittelbares Eigentum 117 – Mitverwaltung 149 – Schutzbereich 108, 109, 117, 120 – Unentziehbarkeit 149 – Verkehrswert 154 – Verkörperung Aktie 153 – wahrer Wert 153 – Zuweisungsgehalt 109, 116 mitgliedschaftliche Vermögensrechte 19, 106–114 mitgliedschaftliche Verwaltungsrechte 19, 126, 160, 203 Mitgliedschaftsrecht, siehe auch Verwaltungsrechte 45, 58, 90, 94, 106, 108, 129, 147, 181, 186 mittelbare Drittwirkung 62, 74, 77, 81, 122 Mitverwaltungsrechte, siehe auch Verwaltungsrechte 91, 126, 129, 163–181 – Beeinträchtigung 173

– wahrer Wert 163 Moto-Meter-Beschluss 21, 196 Moto-Meter-Methode 166 Nassauskiesungsentscheidung 134 Normenkontrolle 140 – abstrakte 140 – konkrete 66 Normentheorie 77 öffentliches Interesse 138, 142, 147, 154, 156, 169 Paketzuschlag 57, 59 – Klumpenrisiko 54 – kritische Emissionsquote 56 – Risikoprämie 54 – Verteilung 54, 190 Pareto-Optimalität 28 pauschalierter Verzugszins 46 Personengesellschaftsanteil 124 petitio principii 129 Pflichtangebot 30–41, 189–194 – Liquiditätsschutz 189 – vorangegangenes 192, 194 Preis – außerbörslich gezahlter 59, 157 – objektiver 158 – subjektiver 157, 158 – überhöhter 157, 158 Preisregel 17–61, 190–200 – Angemessenheitsvermutung (bei Squeeze-out) 194, 196 – Angleichung von Preisregeln 198 – Eigentumsentschädigungsfunktion 29, 36, 53 – Referenzzeitraum 191, 192 – relevanter Vorerwerb 27, 35 – Vorerwerb 159 – Vorerwerbspreis 191, 192 – Äquivalent zur Übernahmeprämie 159 Prinzipal-Agent-Problem 24, 35 Privatautonomie 60, 66–79, 122 Privatnützigkeit 89, 98, 105, 125–128, 145, 186 privatrechtsgestaltende Wirkung – unmittelbare 68 – Verwaltungsakt 69 Property-Rights-Theorie 28, 51, 148

Stichwortverzeichnis – Kosten-Nutzen-Verteilung 28 Prozeßstandschaft, gesetzliche 114 public limited company 40 Recht – dispositives 75 – eigentumsrelevantes 18, 88 – zwingendes 75, 176 Rechtsbegriff, unbestimmter 66, 67, 140–144, 151 Ressourcenallokation 26–31, 53, 54, 190 Ressourcentransfer 29, 52 Rheinstahl-Urteil 93 Richterrecht 67, 86, 87 Satzung – Normentheorie 77 – Satzungsänderung 39, 80, 102 – Satzungsrecht 75–78 Satzung, siehe auch Gesellschaftsvertrag 74, 77, 100, 114, 119, 126, 181 Schranken – Schrankenbestimmung 79, 135 – fortwährende 135 – Schrankengesetz 132 – Schrankennormen 133, 139 Schuldverhältnis 45, 47 – gesetzliches 41, 45, 46 Sondervorteil 19, 55–58, 103, 180 Sozialanspruch 110, 115 Sozialbindung 137 – entschädigungsfreie 138 – Sozialbindungsabzug 138 Spruchstellenverfahren 162 Spruchverfahren 140, 146, 148, 161, 167, 179, 195 – Spruchverfahrensgesetz 161, 168 Squeeze-out 193–200 – Ausschluss- und Andienungsrecht 31, 192 status negativus 122 stille Reserve 50, 152 Stimmenquorum 59, 157 Stimmrecht 90, 128 Strukturmaßnahme 21, 22, 132, 142– 158, 168, 169, 204 – Nützlichkeit 147 Süssen-Entscheidung 43

231

Synergiehypothese 24 Transaktionsform 49, 53, 198, 200 Transaktionskosten 21, 24, 28, 54, 57, 171, 188 Treuepflicht 39–47, 58–60, 79–82, 115, 176 – kursbeeinflussende Signalsetzung 45 – Leistungstreuepflicht 47, 48 – mitgliedschaftliche 81 – Präventivschutz 41, 43 – Rechtsausübungsschranke 42 – rechtsbegrenzende Funktion 42, 79 – Treuepflichtverletzung 78–81, 115 Übermaßverbot 20, 63–82, 91, 140– 144, 204 Übernahmeangebot – freiwilliges 27–33, 192, 193, 197 – Mindestpreisregel 36, 192, 193 – obligatorisches 27, 37, 39, 192 – Barangebot 39 – öffentliches 23, 49, 198 – vorangegangenes 193–197 Übernahmerichtlinie 31, 35, 191–195 – Sprachfassungen 196 – Umsetzung 191, 195 übertragende Auflösung 84, 166–170 Umwandlungsgesetz 90, 145, 169, 170 Unterbewertung 25, 51, 199 Unterlassen, gesetzgeberisches 89 Untermaßverbot 64–82, 144 Unternehmensbewertung 21, 161, 204 – Unternehmensbewertungsmethoden 155 Unternehmensvertrag 46, 84, 134, 140–162, 169, 170 – Abfindung und Ausgleich 104, 105 Verband – (Teil-)Rechtsfähigkeit 116 – gemeinsame Zweckverfolgung 43, 52, 116, 122, 131, 150, 168 – Grundrechtsschutz 117 – ideeller Anteil 20, 116, 122, 203 – Objekt des Rechtsverkehrs 20, 116, 122, 126, 130, 152, 173, 181, 203

232

Stichwortverzeichnis

– Subjekt des Rechtsverkehrs 117, 120, 126, 174 – Verbandsvermögen 20, 105, 117– 126, 131 – vermögensrechtliche Verselbstständigung 120, 126 – Vermögensregime 116 Verfügungsbefugnis – grundsätzliche 89, 97, 121, 125, 128, 129 – mittelbare 19, 94, 98, 100, 102 – über das Sacheigentum 98, 103 – unmittelbare 20, 203 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 63, 82, 137 Verkaufsdruck, siehe auch pressure to tender 26, 32, 33, 197 Verkehrspreis 21, 155, 161, 204 Verkehrswert 32, 59, 138, 142, 154, 165, 180, 188 – Aktie 32, 59, 142, 152, 154, 180, 188 – mitgliedschaftliche Stellung 154 Vermögensschutz 21, 167–172, 204 Vermögensumverteilung 154, 157 Verschmelzungswertrelation 139, 163 Verwaltungsakt 69, 183 – privatrechtsgestaltende Wirkung 69

Verwaltungsrechte 19–22, 91, 106– 114, 120, 125–130, 134, 160–173, 181, 203 – Beeinträchtigung einzelner 106, 134, 161 – originäre und unentziehbare 131 Vollangebotspflicht 51, 199 – Umgehung 48 Vorzugsaktie 104 wahrer Wert – Aktie 142, 157, 158, 197 – Aktie 59 – Beteiligung 50, 51, 152, 199 – Mitgliedschaft 49, 198 – mitgliedschaftliche Stellung 153 – Mitverwaltungsrechte 163 – strategische Aktie 158 – WpÜG 198 Wertrechtslehre 123 Wettbewerbsbeschränkung 24, 147 Willensbildung 28, 75, 80, 109, 116 wirtschaftlicher Eigentümer 122, 164 Wirtschaftsordnung 95, 96, 201 Wohlstandsgewinn 28 Wohlstandsverlust 28 Zaunkönigregel 31, 33