Gesamtausgabe (MEGA): Band 32 Friedrich Engels: Werke, Artikel, Entwürfe, März 1891 bis August 1895 9783050088570, 9783050045931

Der Band enthält Engels’ Werke, Artikel, Reden und Entwürfe von März 1891 bis zu seinem Tode am 5. August 1895. Dabei ha

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Gesamtausgabe (MEGA): Band 32 Friedrich Engels: Werke, Artikel, Entwürfe, März 1891 bis August 1895
 9783050088570, 9783050045931

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KARLMARX FRIEDRICH ENGELS GESAMTAUSGABE (MEGA) ERSTE ABTEILUNG WERKE · ARTIKEL· ENTWÜRFE BAND 32

HERAUSGEGEBEN VON DER INTERNATIONALEN MARX-ENGELS-STIFTUNG AMSTERDAM

KARLMARX FRIEDRICH ENGELS WERKE · ARTIKEL •• ENTWURFE •• MARZ 1891 BIS AUGUST 1895 APPARAT Bearbeitet von Peer Kösling Mit einer Einführung von Till Sehetz-Brandenburg

AKADEMIE VERLAG 2010

Internationale Marx-Engels-Stiftung Vorstand Beatrix Bouvier, Herfried Münkler, Oleg Naumov, Erik-Jan Zürcher

Redaktionskommission Georgij Bagaturija, Beatrix Bouvier, Terrell Carver, Galina Golovina, Lex Heerma van Voss, Jürgen Herres, Gerald Hubmann, Götz Langkau, Manfred Neuhaus, Izumi Omura, Teinosuke Otani, Fred E. Schrader, Ljudmila Vasina, Cari-Erich Vollgraf, Wei Jianhua

Wissenschaftlicher Beirat Shlomo Avineri, Gerd Callesen, Robert E. Cazden, Iring Fetscher, Eric J. Fischer, Patrick Fridenson, Francesca Gori, Andrzej F. Grabski, Carlos B. Gutierrez, Hans-Peter Harstick, Eric J. Hobsbawm, Hermann Klenner, Michael Knieriem, Jürgen Kocka, Nikolaj Lapin, Hermann Lübbe, Teodor Ojzerman, Bertell Ollman, Hans Pelger, Pedro Ribas, Bertram Schefold, Wolfgang Schieder, Hans Schilar, Walter Schmidt, Gareth Stedman Jones, Jean Stengers, Immanuel Wallerstein

Dieser Band wurde durch die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz im Akademienprogramm mit Mitteln des Bundes (Bundesministerium für Bildung und Forschung) und des Landes Berlin (Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung) gefördert.

ISBN 978-3-05-004593-1 ©Akademie Verlag GmbH, Berlin 2010 Das eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil des Buches darf ohne Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Fotokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Gesamtherstellung: pagina GmbH, Tübingen Printed in the Federal Republic of Germany

Inhalt Text Apparat

Verzeichnis der Abkürzungen, Siglen und Zeichen

551

Einführung

555

Der Publizist Friedrich Engels und seine Foren. März 1891 bis August 1895 Die Neue Zeit Vorwärts. Berliner Volksblatt Le Socialiste Arbeiter-Zeitung Critica Sociale

587 587 590 592 597 598

APPARAT ZU DEN EINZELNEN TEXTEN DES BANDES Einleitung zur dritten deutschen Auflage ( 1891) von Karl Marx' "Der Bürgerkrieg in Frankreich" Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Korrekturenverzeichnis Erläuterungen

3 603 609 609 609

533

Inhalt Text

a

Aux ouvriers fran~Yais l'occasion du vingtieme anniversaire de Ia Commune de Paris Entstehung und Überlieferung Korrekturenverzeichnis Erläuterungen

A l'edition espagnole de Ia "Misere de Ia philosophie" de Karl Marx Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Korrekturenverzeichnis Erläuterungen Au meeting international pour les droits du travail Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Korrekturenverzeichnis Erläuterungen

a Milan

Einleitung zur Neuauflage (1891) von Karl Marx' "Lohnarbeit und Kapital" Entstehung und Überlieferung Erläuterungen Vorwort zur vierten deutschen Auflage (1891) von "Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft" Entstehung und Überlieferung Korrekturenverzeichnis Erläuterungen Vorwort zur vierten deutschen Auflage (1891) von "Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats" Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Korrekturenverzeichnis Erläuterungen

534

Apparat

17 621 622 622

19 624 627 628 628 20 631 633 633 633

21 635 640

29 644 646 646

30 647 651 652 652

Inhalt Text

An den zweiten Parteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Erläuterungen

41 663 665 667

Zur Kritik des sozialdemokratischen Programmentwurfs 1891 Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Korrekturenverzeichnis Erläuterungen

42

A propos du congres de Bruxelles et de Ia Situation de I'Europe Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Korrekturenverzeichnis Erläuterungen

55

Le socialisme en Allemagne (Fragment du brouillon et article)

59

Fragment du brouillon de l'article " Le socialisme en Allemagne " Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Korrekturenverzeichnis Erläuterungen Le socialisme en Allemagne Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Korrekturenverzeichnis Erläuterungen An die Redaktion des "Volksfreunds". 13. November 1891 Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Erläuterungen The late Madam Karl Marx Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Erläuterungen

Apparat

670 684 691 691

703 710 712 713 718

61 724 724 725 725 62 727 728 732 732

72 742 745 745 73 747 749 750

535

Inhalt Text

Preface to the English edition (1892) of "The condition of the working-class in England in 1844" Entstehung und Überlieferung Erläuterungen Der Sozialismus in Deutschland Entstehung und Überlieferung Verzeichnis von Abweichungen der französischen von der deutschen Fassung Erläuterungen

a

Reponse !'honorable Giovanni Bovio Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Korrekturenverzeichnis Erläuterungen Vorwort zur zweiten polnischen Ausgabe (1892) von Karl Marx' und Friedrich Engels' "Manifest der Kommunistischen Partei" Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Korrekturenverzeichnis Erläuterungen

Apparat

74 751 758 88 767 772 777 101 782 786 786 786

103 789 792 796 796

a

Aux ouvriers fran9ais l'occasion du vingt et unieme anniversaire de Ia Commune de Paris Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Korrekturenverzeichnis Erläuterungen Zur zweiten deutschen Auflage (1892) von Karl Marx' "Das Elend der Philosophie" Entstehung und Überlieferung Deux fragments du manuscrit L'Eclair" relatifs !'interview accordee Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Korrekturenverzeichnis Erläuterungen

a

536

a"

105 801 803 806 806

107 809

108 812 817 818 818

Inhalt Text Apparat

lntroduction to the English edition (1892) of "Socialism: utopian and scientific" Entstehung und Überlieferung Korrekturenverzeichnis Erläuterungen An den dritten Parteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Erläuterungen

109 819 826 826

129 846 849 850

Über historischen Materialismus Entstehung und Überlieferung Verzeichnis von Abweichungen der "lntroduction" von "Über historischen Materialismus" Korrekturenverzeichnis Erläuterungen

130

Carl Schorlemmer Entstehung und Überlieferung Korrekturenverzeichnis Erläuterungen

149

Vorwort zur zweiten deutschen Auflage ( 1892) von "Die Lage der arbeitenden Klasse in England" Entstehung und Überlieferung Verzeichnis von Abweichungen der englischen von der deutschen Druckfassung Erläuterungen Bemerkungen zur englischen politischen Literatur und zum Einfluß des Kapitalexports auf den Krisenzyklus Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Erläuterungen Dokumente zur Verhinderung eines von den Trade Unions für 1893 vorgeschlagenen internationalen Sonderkongresses zum Achtstundentag

851 857 864 864

865 867 867

152 871 876 881

167 883 885 885

887

537

Inhalt

Text

Al Comite Nacional del Partido Socialista Obrero Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Korrekturenverzeichnis Erläuterungen Zusätze zum Artikel "Engels, Friedrich" in "Brockhaus' Konversations-Lexikon" Entstehung und Überlieferung Erläuterungen Die amerikanische Präsidentenwahl Entstehung und Überlieferung Erläuterungen An die Redaktion der "Berliner Volks-Tribüne". 15. November 1892 Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Korrekturenverzeichnis Erläuterungen

171 893 894 895 896

175 899 901 176 902 904

179 907 910 914 915

Marx, Heinrich Karl Entstehung und Überlieferung Korrekturenverzeichnis Erläuterungen

182

Ein neuentdeckter Fall von Gruppenehe Entstehung und Überlieferung Erläuterungen

189

An den Wiener Arbeiterbildungsverein Entstehung und Überlieferung Erläuterungen

193

Porträtskizze von Max Stirner Entstehung und Überlieferung

194

An den zweiten Parteitag der Ungarländischen Sozialdemokratischen Partei Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Erläuterungen

538

Apparat

923 929 929

941 944

947 948

950

195 954 955 956

Inhalt Text

Zum jüngsten Pariser Polizeistreich Entstehung und Überlieferung Korrekturenverzeichnis Erläuterungen

196

Vom italienischen Panama Entstehung und Überlieferung Korrekturenverzeichnis Erläuterungen

198

Preface a l'edition italienne (1893) du " Manifeste du Parti Communiste •• Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Korrekturenverzeichnis Erläuterungen

Apparat

958 959 959

963 970 970

205 981 984 988 989

Kann Europa abrüsten? Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Korrekturenverzeichnis Erläuterungen

209

Den Österreichischen Arbeitern zum 1. Mai 1893 Entstehung und Überlieferung Erläuterungen

234

Den deutschen Arbeitern zum 1. Mai 1893 Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Erläuterungen

237

Den tschechischen Genossen zu ihrer Maifeier 1893 Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Korrekturenverzeichnis Erläuterungen

239

Aux ouvriers espagnols a l'occasion du premier mai 1893 Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Korrekturenverzeichnis Erläuterungen

240

991 999 1001 1001

1010 1011

1013 1016 1019

1022 1024 1024 1025

1026 1028 1029 1029

539

Inhalt Text Apparat

a

Aux ouvriers fran9ais l'occasion du premier mai 1893 Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Korrekturenverzeichnis Erläuterungen An die Redaktion der Zeitschrift "COL.II1aJlb-AeMoKpaTb". 9. Juni 1893 Entstehung und Überlieferung Korrekturenverzeichnis Erläuterungen An den Kölner Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands Entstehung und Überlieferung Au congres international des etudiants socialistes Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Korrekturenverzeichnis Erläuterungen

241 1030 1032 1034 1035

242 1037 1039 1040

243 1041

a Geneve

Zu Engels' Arbeit an der Broschüre "Internationales aus dem ,Volksstaat' (1871-75)" Vorbemerkung (1894) zu "Die Bakunisten an der Arbeit. Denkschrift über den Aufstand in Spanien im Sommer 1873" Entstehung und Überlieferung Erläuterungen

244 1043 1047 1048 1048

245 247

1067 1067

Nachwort (1894) zu "Soziales aus Rußland" Entstehung und Überlieferung Korrekturenverzeichnis Erläuterungen

249

Vorwort zu "Internationales aus dem ,Volksstaat' (1871-75)" Entstehung und Überlieferung Erläuterungen

262

Über den Inhalt von Marx' "Kapital", drittes Buch Entstehung und Überlieferung

267

540

1049

1069 1069 1069 1078 1078

1081

Inhalt Text Apparat

La situation en ltalie Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Korrekturenverzeichnis Erläuterungen

269 1083 1092 1099 1100

a

Au Conseil National du Parti ouvrier l'occasion du vingt-troisieme anniversaire de Ia Commune de Paris Entstehung und Überlieferung An den vierten Parteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Erläuterungen An den dritten Parteitag der Ungarländischen Sozialdemokratischen Partei Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Korrekturenverzeichnis Erläuterungen Vorwort zur dritten deutschen Auflage (1894) von "Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft" Entstehung und Überlieferung Erläuterungen

273 1103

274 1104 1106 1106

275 1109 1111 1112 1112

276 1114 1116

Zur Geschichte des Urchristentums Entstehung und Überlieferung Erläuterungen

277

To the English working men's and socialist organizations Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Korrekturenverzeichnis Erläuterungen

300

To the Fabian Society Entstehung und Überlieferung Erläuterungen

302

1118 1126

1138 1140 1141 1141

1143 1143

541

Inhalt ·--·------ - - - - --

---

Text

Au troisieme congres du Parti socialiste des travailleurs italiens Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Korrekturenverzeichnis Erläuterungen Aux socialistes de Ia Sicile Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Korrekturenverzeichnis Erläuterungen A Ia redaction de Ia '' Critica Sociale ,, . 27 octobre 1894 Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Korrekturenverzeichnis Erläuterungen An die Redaktion des "Vorwärts". 12. November 1894 Entstehung und Überlieferung Korrekturenverzeichnis Erläuterungen

303 1145 1148 1149 1149 304 1151 1153 1155 1155

305 1156 1160 1163 1163

307 1164 1166 1166

Die Bauernfrage in Frankreich und Deutschland Entstehung und Überlieferung Korrekturenverzeichnis Erläuterungen

308

Zur Veröffentlichung von Buch 4 des "Kapitals" Entstehung und Überlieferung Erläuterungen

328

Den Österreichischen Arbeitern zum täglichen Erscheinen der "Arbeiter-Zeitung" Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Erläuterungen

542

Apparat

1168 1181 1181

1189 1190

329 1191 1193 1194

Inhalt .

·· ·--· --·-·

------

Text Apparat

Einleitung (1895) zu Karl Marx' "Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850" Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Korrekturenverzeichnis Erläuterungen

330 1195 1215 1238 1238

ANHANG Aufzeichnungen von Reden, Grußbotschaften und Interviews Grußbotschaft von Friedrich Engels an den Erfurter Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Zusammenfassende Wiedergabe aus dem Parteitagsprotokoll Entstehung und Überlieferung Interview de Frederic Engels. Aus der Zeitung "L'Eclair" Entstehung und Überlieferung Erläuterungen Speech by Frederick Engels at the meeting in memory of the Paris Commune in London on march 181h, 1893. Aus einem Bericht der Zeitung "The Daily Chronicle" Entstehung und Überlieferung Erläuterungen Conversation avec Frederic Engels. Aus der Zeitung "Le Figaro" Entstehung und Überlieferung Erläuterungen Interview with Frederick Engels. Aus der Zeitung "The Daily Chronicle" Entstehung und Überlieferung Korrekturenverzeichnis Erläuterungen Schlußrede von Friedrich Engels in französischer und deutscher Sprache auf dem Internationalen Sozialistischen Arbeiterkongreß in Zürich am 12. August 1893

355

1247

357 1249 358 1251 1251

362 1254 1258

363 1262 1265

368 1268 1271 1271

373

1277

543

Inhalt Text

Epilogue de Frederic Engels s'adressant au Congres International ouvrier socialiste Zurich le 12 aout 1893. Aus einem Bericht der Zeitung "La Justice" Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Korrekturenverzeichnis Erläuterungen

a

Schlußrede von Friedrich Engels auf dem Internationalen Sozialistischen Arbeiterkongreß in Zürich am 12. August 1893. Aus einem Bericht der Zeitung "Vorwärts". Entstehung und Überlieferung Variantenverzeichnis Erläuterungen Pozdravy od Bedricha Engeise ceskym socialnim demokratöm. 12. srpen 1893. Aus einem Bericht der Zeitung "Posel lidu" Entstehung und Überlieferung Rede von Friedrich Engels auf einer sozialdemokratischen Versammlung in Wien am 14. September 1893. Aus einem Bericht der "Arbeiter-Zeitung" Entstehung und Überlieferung Korrekturenverzeichnis Erläuterungen Rede von Friedrich Engels auf einer sozialdemokratischen Versammlung in Berlin am 22. September 1893. Aus einem Bericht der Zeitung "Vorwärts" Entstehung und Überlieferung Korrekturenverzeichnis Erläuterungen

375 1288 1288 1289 1289

376 1291 1292 1292

377 1295

378 1297 1302 1302

379 1304 1306 1309

Aufzeichnungen von Gesprächen mit Engels

381

Rapport sur un entretien d'Emile Vandervelde avec Frederic Engels vers le 1er janvier 1895. Aus der Zeitung "Le Peuple" Entstehung und Überlieferung Erläuterungen

383

544

Apparat

1311

1313 1315

Inhalt Text Apparat

Wiedergabe von Gesprächen Victor Adlers mit Friedrich Engels von Ende Juli bis Anfang August 1895. 384 Aus der "Arbeiter-Zeitung" Entstehung und Überlieferung

1316

Dubiosum

385

1319

Marx' "Kapital", drittes Buch Entstehung und Überlieferung Erläuterungen

387

Von Engels redigierte Übersetzungen

389

Karl Marx: Erste und Zweite Adresse des Generalrats über den Deutsch-Französischen Krieg. Übersetzung Louise Kautskys aus dem Englischen Entstehung und Überlieferung Korrekturenverzeichnis Erläuterungen Frederic Engels: L'origine de Ia famille, de Ia propriete privee et de I'Etat. (Pour faire suite aux travaux de Lewis H. Morgan). Übersetzung Henri Raves aus dem Deutschen Entstehung und Überlieferung Federico Engels a Giovanni Bovio. Übersetzung Filippo Turatis aus dem Französischen Entstehung und Überlieferung Erläuterungen Frederick Engels: Socialism: utopian and scientific. Übersetzung Edward Avelings aus dem Deutschen Entstehung und Überlieferung Verzeichnis von Abweichungen der englischen Übersetzung von der deutschen Vorlage Korrekturenverzeichnis Erläuterungen

1321 1325 1327

391 1329 1331 1332

401 1336

402 1337 1337

404 1338 1343 1345 1345

545

Inhalt Text Apparat

Frederick Engels: The Mark. Übersetzung Edward Avelings aus dem Deutschen Entstehung und Überlieferung Verzeichnis von Abweichungen der englischen Übersetzung von der deutschen Vorlage Korrekturenverzeichnis Erläuterungen Frederic Engels: Ludwig Feuerbach et Ia fin de Ia philosophie classique allemande. Übersetzung Laura Lafargues aus dem Deutschen Entstehung und Überlieferung Verzeichnis von Abweichungen der französischen Übersetzung von der deutschen Vorlage Korrekturenverzeichnis Erläuterungen Federico Engels: Proemio a Carlo Marx: Discorso sul Iibero scambio. Übersetzung von Unbekannt aus dem Englischen Entstehung und Überlieferung Korrekturenverzeichnis Erläuterungen Friedrich Engels: Die Lage in Italien. Übersetzung von Unbekannt aus dem Italienischen Entstehung und Überlieferung Erläuterungen Karl Marx/Frederic Engels: Le Manifeste du Parti Communiste. Übersetzung Laura Lafargues aus dem Deutschen Entstehung und Überlieferung Frederic Engels: Gontributions a l'histoire du christianisme primitif. Übersetzung Laura Lafargues aus dem Deutschen Entstehung und Überlieferung Korrekturenverzeichnis Erläuterungen

546

434

1355 1356 1358 1358

446

1362 1367 1373 1374

478

490

494

495

1401 1404 1405

1407 1410

1411

1415 1418 1418

Inhalt

Unter Mitwirkung von Engels verfaßte Artikel, Erklärungen und Dokumente Engels, Friedrich. Artikel im "Handwörterbuch der Staatswissenschaften". Verfaßt unter Verwendung autobiographischer Angaben von Friedrich Engels Entstehung und Überlieferung Korrekturenverzeichnis Erläuterungen

Text

Apparat

515

1419

517 1421 1422 1422

Louise Kautsky: Der 3. Mai in London Entstehung und Überlieferung Korrekturenverzeichnis Erläuterungen

519

Louise Kautsky: Erklärung gegen Ferdinand Gilles Entstehung und Überlieferung Korrekturenverzeichnis

523

1426 1429 1429

1434 1436

Declaration du dixieme congres du Parti ouvrier de Marseille (1892) contre le congres international propose par les Trades Unions sur Ia journee legale de huit heures Entstehung und Überlieferung Erläuterungen

524

Engels, Friedrich. Artikel in "Brockhaus' Konversations-Lexikon". Verfaßt unter Verwendung autobiographischer Angaben von Friedrich Engels Entstehung und Überlieferung Korrekturenverzeichnis Erläuterungen

525

Beschluß des Berliner Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (1892) gegen den von den Trade Unions vorgeschlagenen internationalen Kongreß zum Achtstundentag Entstehung und Überlieferung Erläuterungen

1437 1437

1439 1439 1439

527 1442 1443

547

Inhalt Text

Louise Kautsky/Friedrich Engels/Ludwig Freyberger: Gruß den Österreichischen Arbeitern zum 1. Mai 1893 Entstehung und Überlieferung

Apparat

528 1444

Verzeichnis nicht überlieferter Arbeiten

1445

REGISTER UND VERZEICHNISSE Namenregister

1451

Literaturregister

1499

1. Arbeiten von Marx und Engels a. Gedruckte Schriften b. Manuskripte 2. Arbeiten anderer Autoren 3. Periodika

1499 1499 1508 1509 1523

Verzeichnis der im Apparat ausgewerteten Quellen und der benutzten Literatur

1529

1. Archivalien a. IISG b. RGASPI c. Andere Archive 2. Gedruckte Quellen a. Quelleneditionen b. Periodika c. Zeitgenössische Publikationen 3. Nachschlagewerke und Bibliographien 4. Forschungsliteratur

1529 1529 1530 1532 1533 1533 1539 1543 1554 1557 1574

Sachregister Verzeichnis der Abbildungen Karl Marx: Der Bürgerkrieg in Frankreich . Berlin 1891. Titelblatt Friedrich Engels: Zur Kritik des sozialdemokratischen Programmentwurfs 1891 . Seite 1 Frederic Engels: Fragment du brouillon de l'article ••Le socialisme en Allemagne•• . Seite 5 Frederick Engels: The condition of the working-class in England in 1844. London 1892. Titelblatt Federico Engels: Al Comite Nacional del Parlido Socialista Obrero. Seite 1

548

5 43 63 75 169

Inhalt Text Friedrich Engels: Zusätze zu seiner Biographie auf dem Schreiben von F. A. Brockhaus an Engels vom 7. Oktober 1892 Friedrich Engels: Porträtskizze von Max Stirner Carlo Marx e Federico Engels: II Manifesto del Partito Comunista. Gon un nuovo proemio al Iettore italiano di Federico Engels. Milano 1893. Titelblatt mit Widmung von Filippo Turati an Engels Friedrich Engels: Kann Europa abrüsten? Nürnberg 1893. Titelblatt Maifestschrift der "Arbeiter-Zeitung" (Wien).Titelblatt Friedrich Engels: Internationales aus dem ,.Volksstaat" (1871-75). Berlin 1894. Widmungsexemplar für Petr Lavrov. Titelblatt Friedrich Engels: To the English working men's and socialist organizations. Entwurf Karl Marx: Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850. Berlin 1895. Titelblatt mit Widmung für Adelheid Popp Friedrich Engels: Einleitung zu Karl Marx' ,.Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850". Seite 13 Friedrich Engels: Zur Kritik des sozialdemokratischen Programmentwurfs 1891 . Beiblatt I ,.L'IIIustration" (Paris). Nummer 2566, 30. April 1892. Seite 358 Friedrich Engels: Korrekturfahne der Vorbemerkung zu Karl Marx' "Das Elend der Philosophie .. .". Stuttgart 1892 Friedrich Engels: Notizen zu ,.Vom italienischen Panama". Seite 1 Friedrich Engels: La situation en ltalie. Entwurf. Seite 1 Friedrich Engels: Einleitung zu Karl Marx' ,.Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850". Korrekturfahne. Seite 10 ,.Berliner lllustrirte Zeitung". Nummer 40, 1. Oktober 1893. Titelblatt

Apparat

173 194

207 211 235 263 301 331 345 689 799 813 965 1085 1197 1307

549

Verzeichnis der Abkürzungen, Siglen und Zeichen 1. Abkürzungen von häufig erwähnten Organisationen ADAV

Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein

BdK

Bund der Kommunisten

IAA

Internationale Arbeiterassoziation

ILP

Independent Labour Party

SAP

Sozialistische Arbeiterpartei

SDAP

Sozialdemokratische Arbeiterpartei

SDF

Social Democratic Federation

SPD

Sozialdemokratische Partei Deutschlands

TUC

Trades Union Congress

2. Abkürzungen von bibliographischen Angaben Adler-Briefwechsel

Victor Adler: Briefwechsel mit August Bebel und Karl Kautsky sowie Briefe von und an lgnaz Auer, Eduard Bernstein, Adolf Braun, Heinrich Dietz, Friedrich Ebert, Wilhelm Liebknecht, Hermann Müller und Paul Singer. Gesammelt und erläutert von Friedrich Adler. Hrsg. vom Parteivorstand der Sozialistischen Partei Österreichs. Wien 1954.

Adler 1

Victor Adlers Aufsätze, Reden und Briefe. Hrsg. vom Parteivorstand der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschösterreichs. Erstes Heft: Victor Adler und Friedrich Engels. Wien 1922.

Adler 11

Victor Adlers Aufsätze, Reden und Briefe. Hrsg. vom Parteivorstand der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschösterreichs. Heft 11 : Par-

551

Verzeichnis der Abkürzungen, Siglen und Zeichen

teigeschichte und Parteipolitik. Nachträge und Ergänzungen. Wien 1929. Bebei-KautskyBriefwechsel

August Bebeis Briefwechsel mit Karl Kautsky. Hrsg. von Karl Kautsky jr. Assen 1971.

FGF

Fondazione Giangiacomo Feltrinelli. Milano.

GARF

rocyAapcraeHHbll1 apx~a Pocc~l1cKol1 eAepa(Staatsarchiv der Rußländischen Föderation, Moskau).

~~~

GOPB

rocyAapCTB9HHaR 06~eCTB9HHO-nOß~T~Y9CKaR 6~6n~oreKa (Staatliche gesellschaftspolitische Bibliothek, Moskau).

IISG

Internationaal lnstituut voor Sociale Geschiedenis, Amsterdam.

MEGAt

Textersetzung, Textumstellung (verändert in, wurde zu) Abbrechung

XXX

Unlesbare Buchstaben Abgrenzung der Wiederholung aus dem Edierten Text (Lemmazeichen)

I

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Absatz

Einführung Der vorliegende Band enthält die Arbeiten von Friedrich Engels aus dem Zeitraum von März 1891 bis zu seinem Tode am 5. August 1895 sowie weitere Texte, an deren Entstehung er in unterschiedlicher Weise beteiligt war. Es handelt sich im einzelnen um 16 Einleitungen sowie Vor- und Nachworte zu Schriften von Marx und Engels; 29 Abhandlungen zu zeitgeschichtlichen Themen, darunter drei Interviews, vier mitverfaßte beziehungsweise mitunterzeichnete Erklärungen sowie ein Dubiosum; sieben Dokumente biographischen Charakters; 32 Schreiben an Organisationen und Gruppierungen der Arbeiterbewegung, vornehmlich Grußbotschaften zu Jahrestagen und Parteitagen; zwei Aufzeichnungen von Gesprächen und zehn von Engels redigierte Übersetzungen eigener und Marxscher Arbeiten durch dritte Personen. Hinzu kommen die beiden der Ur- und Frühgeschichte gewidmeten Artikel "Ein neuentdeckter Fall von Gruppenehe" sowie "Zur Geschichte des Urchristentums". Von den genannten Arbeiten werden drei kurze Manuskripte (S. 61, 108 und 303) im vorliegenden Band erstmals veröffentlicht. Drei weitere Dokumente (S. 20, 173 und 240) werden erstmals in der Sprache des Originals publiziert. Einige Texte des Anhangs werden seit ihrer Erstveröffentlichung zu Engels' Lebzeiten nun erst wieder allgemein zugänglich. Bei etwa einem Viertel der Dokumente wurde die Datierung gegenüber früheren Ausgaben präzisiert. Bei 18 Arbeiten wurden im Unterschied zu anderen Ausgaben in der vorliegenden Edition die authentischen Textgrundlagen für den Abdruck gewählt, in der Regel die Originalhandschriften. Mit seinem Coup, im Januar 1891 - im Vorfeld des Erfurter Parteitages - die Kritik von Marx am Programmentwurf von 1875 in der "Neuen Zeit" zu veröffentlichen\ hatte Friedrich Engels die Parteileitung der deutschen Sozial1

Siehe Zur Kritik des sozialdemokratischen Parteiprogramms. Aus dem Nachlaß

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demokratie in Empörung versetzt. Was keine württembergisch-deutsche Regierungs- oder Polizeibehörde selbst unter dem Sozialistengesetz je versucht hatte, das versuchte nun nach Beratung mit dem Vorstand der Verleger der Zeitschrift, Heinrich Dietz, nämlich die Auslieferung dieser Ausgabe mit der scharfen Distanzierung Karl Marx' vom Gothaer Programm telegraphisch zu verhindern, aber vergeblich, die Auflage war schon versandt. 2 Es sei doch, echauffierte sich August Bebel, ein starkes Stück, daß vom geistigen Haupt der Partei das Programm von A bis Z als Dummheit und Verlogenheit bezeichnet werde.3 Noch zum 50. Todestag Lassalles schreibt Bebel, "die Massen fragen ganz einfach: Ja, wo wäre die Partei geblieben, wenn nicht Lassalle sie gründete; die M[arx] und E[ngels] in ihrer Londoner lsoliertheit hätten sie nie gegründet. Und das stimmt" 4 • Doch die Rolle als isolierter, praxisferner Theoretiker spielte Friedrich Engels wohl in keinem Abschnitt seines Lebens weniger als in seinem letzten Lebensjahrfünft, wofür seine in diesem Band dokumentierten Publikationen und auch die noch vorzulegende Korrespondenz aus der Zeit (MEGA® 111/34 und 111/35) Zeugnis ablegen. Es ist allerdings, zumindest für den größten Teil des hier betrachteten Zeitraums, nur das halbe Werk von Engels, das wir vor uns haben. Denn bis zum Oktober 1894 war er mit dem dritten Band des "Kapitals" beschäftigt. Ob er als politischer Schriftsteller eher zurückgehalten wurde durch die editorische Arbeit an den Manuskripten von Marx oder als Theoretiker sich, gleichsam gezwungen von den Unzulänglichkeiten der sozialistischen Parteien, insbesondere der deutschen, nur widerwillig ins politische Geschäft begab, ist im Rahmen dieser Einleitung nicht abschließend zu klären. Aber die schlichte Frage Bernsteins, ob Marxens offensichtliches Unvermögen, den dritten Band des "Kapitals", der doch den Schlußstein des gesamten Baus bilden sollte, in seinem letzten Lebensjahrzehnt fertigzustellen, nicht der Erkenntnis geschuldet sei, das Wesen kapitalistischer Wertbildung und -bestimmung letztinstanzlieh nicht enthüllen zu können 5 , muß auch Engels bevon Karl Marx. ln: Die Neue Zeit. Stuttgart. Jg. 9. 1890/1891 . Bd. 1. S. 561-575 (MEGA® 1/25. S. 3-25). Zur Geschichte der Titel dieses Textes siehe Götz Langkau: Kritik des Gothaer Programms? Bibliographische Beobachtungen zur Fernwirkung einer ideologischen Weichenstellung. ln: Das Spätwerk von Friedrich Engels. Zur Edition in der Marx-Engels-Gesamtausgabe. Harnburg 2008. S. 60-93 (Beiträge zur Marx-Engels-Forschung. N. F. 2008). 2 Siehe Karl Kautsky an Eduard Bernstein, 29./30. Januar 1891 . IISG, Nachlaß Karl Kautsky, Sign. C 82. 3 August Bebel an Karl Kautsky, 26. März 1891 . ln: August Bebeis Briefwechsel mit Karl Kautsky. Hrsg. von Karl Kautsky jr. Assen 1971 (im folgenden Bebei-KautskyBriefwechsel). S. 76. (Quellen und Untersuchungen zur Geschichte der deutschen und Österreichischen Arbeiterbewegung. N. F. Bd. 1.) 4 AugustBebelan Karl Kautsky, 18. März 1913. Ebenda. S. 333/334. 5 "Marx hatte ein zu starkes wissenschaftliches Gewissen, um sich über theoretische Schwierigkeiten mit bloßen Redensarten hinwegzusetzen, und so blieb sein Werk Torso." (Eduard Bernstein an Karl Kautsky, 1. September 1897. ln: Eduard Bernsteins Briefwechsel mit Karl Kautsky (1895-1905) . EingeL und hrsg. von Till Schelz-Brandenburg unter Mitarbeit von Susanne Thurn. Frankfurt a. M., New York 2003 (im

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schäftigt haben. Denn bei aller Berücksichtigung unvorhersehbarer Veränderungen sowohl seiner konkreten Lebensumstände, etwa des Todes von Helena Demuth und ihrer Ersetzung durch Louise Kautsky-Freyberger, und seines Gesundheitszustands als auch der europäischen Politik zu Beginn der 1890er Jahre - wie anders ließe sich die enorme Verzögerung bei der Herausgabe des dritten Bandes erklären, den Engels selbst schon 1891 zu präsentieren gedachte? 6 Die alte These, daß auch nach der - zudem mühselig und konfliktreich zustande gekommenen- Gründung der II. Internationale die tatsächliche Internationale der europäischen Arbeiterbewegung von Engels verkörpert wurde 7 , wird von den Arbeiten des vorliegenden Bandes bestätigt, wobei hinzuzufügen ist: ln der deutschen Sozialdemokratie, der Siegerin über Bismarck, sah Engels in seinem letzten Lebensabschnitt das endlich gefundene Instrument für den Sieg auch über den Kapitalismus. Seine taktischen wie strategischen Überlegungen waren hauptsächlich Empfehlungen für die Taktik und Strategie der deutschen Partei - an sie oder die Sozialisten anderer Länder. Nicht zuletzt gab es zu keinem sozialistischen Politiker ein engeres politisches und persönliches Verhältnis als zu August Bebel8 , und diejenigen, die er nach eigenem Bekenntnis einzig zur Fortsetzung seiner Arbeiten an Marx' literarischem Nachlaß gebrauchen konnte, waren zwei intellektuelle Repräsentanten der deutschen Partei, nämlich Eduard Bernstein und Karl Kautsky.9 So sind auch die wichtigsten Schriften dieses Bands - die Einleitung zur dritten deutschen Auflage von Marx' "Der Bürgerkrieg in Frankreich", die Artikelserie im "Vorwärts": "Kann Europas abrüsten?", die "Bauernfrage in Frankreich und Deutschland" und schließlich die Einleitung zu Marx' "Die Klassenkämpfe in Frankreich" - sämtlich im Original in deutschen Publikationen erstveröffentlicht worden.

folgenden Bernstein-Kautsky-Briefwechsel). S. 464. (Quellen und Studien zur Sozialgeschichte. Bd. 19.) Im Band 11/14 unserer Ausgabe wird detailliert Marx' Arbeit am dritten Band des .,Kapitals" dokumentiert (S. 443-456) und resümiert, beide Bücher, also auch der zweite Band des .. Kapitals" hätten .,allen Anzeichen nach in vielem anders ausgesehen als das, was Marx zwischen 1865 und 1881 niederschrieb und was Engels 1885 und 1894 zu präsentieren in der Lage war" (S. 456). 6 Siehe zum Beispiel: .,Hoffentlich werde ich dies Jahr fertig, es brennt mir auf den Nägeln, & ich mußfertig werden." (Engels an Max Oppenheim, 24. März 1891. Siehe auch Engels an August Bebel, 1./2. Mai 1891 .) Detailliert über die einzelnen Fragmente sowie über Engels' inhaltliche und technische Bearbeitung informiert die Einführung zu MEGA® 11/14, S. 381-431 . 7 Siehe Gustav Mayer: Friedrich Engels. Eine Biographie. Bd. 2: Friedrich Engels und der Aufstieg der Arbeiterbewegung in Europa. Frankfurt a. M., Berlin, Wien 1975 (im folgenden Mayer: Friedrich Engels). S. 526. 8 So formuliert Engels, ihre Übereinstimmung in .,Denkrichtung und Denkweise" sei .,förmlich wunderbar". (Engels an August Bebel (Entwurf), Anfang April 1891.) 9 Siehe Engels an Karl Kautsky, 28. Januar 1889.

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Die Einleitung zur Marxschen Analyse der Politik der Pariser Kommune war Engels zunächst einmal deshalb wichtig, weil Verlagsleiter Richard Fischer ihm angekündigt hatte, diese in einer Erstauflage von 10 000 Exemplaren herausbringen zu wollen, wie Engels gegenüber Sorge und Kautsky hervorhob 10 ; mit dem "Bürgerkrieg", mit "Lohnarbeit und Kapital" sowie der vierten Auflage seiner "Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft" hatte Engels gleich drei Schriften für das erste vollständige Geschäftsjahr des Parteiverlags Buchhandlung Vorwärts einzurichten, womit er mit Marx prominent unter den insgesamt 30 Titeln des Verlags für 1891 vertreten war, während Lassalle, dessen Broschüren er nicht "das Terrain" überlassen wollte 11 , lediglich mit seinem "Arbeiterprogramm" im Sortiment auftauchte 12 • Unter den erwähnten drei Titeln aber war die Einleitung zum "Bürgerkrieg" der brisanteste. Der Sieg der deutschen Sozialdemokratie über Bismarck und das Sozialistengesetz war ein Erfolg im Abwehrkampf, verteidigte die Organisation; jetzt mußte es darauf ankommen, die Frage nach den positiven Zielen der Sozialdemokratie zu beantworten, wonach sich auch das neu zu entwickelnde Programm zu richten hatte, das im Nachhinein so strapazierte Endziel der Sozialdemokratie. Dafür, und das ist die Kernaussage, liefere die Commune das Vorbild, nicht unbedingt in allen Maßnahmen, aber in der "endlich gefundenen Form" der Machtausübung der Arbeiterklasse. Dies ist aber nicht nur Negation des Staatsapparats, sondern auch Handeln als Einsicht in die Verhältnisse, ohne sie zu "modeln", also jenseits aller Parteiprogramme. Wenn Engels, wie zu Recht annotiert wird, sehr vereinfachend Blanquisten und Proudhonisten als die Parteien der Commune bezeichnet, dann vor allem in der Absicht, sie als lernende statt als lehrende darzustellen. Die Commune sei für die konstitutiven Grundsätze der Blanquisten - eine geheime, streng zentralistische Kaderpartei zu sein - ebenso zum Grab geworden wie für die Theorie der Proudhonisten, das heißt die wirkliche Bewegung war wichtiger als alle Programme. 13 Also auch beinahe ein halbes Jahrhundert nach der Publikation des "Kommunistischen Manifests" ist die Partei weder Zentrum noch Siehe Engels an Friedrich Adolph Sorge, 4. März 1891; Engels an Karl Kautsky, 17. März 1891. Kautsky gegenüber motivierte Engels in diesem Schreiben mit der - von ihm hier dreimal betonten - Auflagenhöhe die Notwendigkeit der Begriffsrevision in .Lohnarbeit und Kapital". 11 Engels an Karl Kautsky, 17. März 1891 . 12 Zum Programm des Verlages Buchhandlung Vorwärts für 1891 - für 1890 ist lediglich das Protokoll des Hallenser Parteitages verzeichnet- siehe Brigitte Emig [u. a.]: Literatur für eine neue Wirklichkeit. Bibliographie und Geschichte des Verlags J. H. W. Dietz Nacht. 1881 bis 1981 und der Verlage Buchhandlung Vorwärts, Volksbuchhandlung Hottingen/Zürich, German Cooperative Print. & Publ. Co., London, Berliner Arbeiterbibliothek, Arbeiterjugendverlag, Verlagsgenossenschaft "Freiheit", Der Bücherkreis. Berlin, Sonn 1981 . S. 283-285. Zu den insgesamt zwölf verschiedenen genauen Bezeichnungen des Verlages siehe ebenda. S. 281 . 13 "Jeder Schritt wirklicher Bewegung ist wichtiger als ein Dutzend Programme." (Marx an Wilhelm Bracke, 5. Mai 1875.) Es ist dies das Begleitschreiben zu Marx' Kritik am Gothaer Programm.

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höchster Ausdruck der Arbeiterbewegung, sondern ihr Instrument und durch sie veränderbar. Daß man diese Ausführungen Engels' als "Nachweis" interpretiert hat, "daß das Proletariat - hat es die Staatsmacht in seiner Hand - von einer theoretisch reifen, revolutionären proletarischen Partei geführt werden muß" 14 , zeigt nur, welch riesige Arbeit noch zu leisten ist, um die Werke von Marx und Engels von den darüber getürmten ideologischen Ablagerungen zu befreien.15 Es ist diese Entfaltung der Bewegung, die zur Klassenherrschaft der Arbeiterklasse führt, die, so die Schlußapotheose von Engels' Einleitung, letztendlich den "ganzen Staatsplunder'' von sich abtun wird - das ist die "Diktatur des Proletariats", später Markenzeichen des Leninismus, also jener Ideologie, die als ein extrem verselbständigter und ubiquitärer Staatsapparat Realität werden sollte. So wichtig insbesondere im Nachhinein Diskussion und Resultat politisch und dann historiographisch angesehen wurden: Friedrich Engels hat der Entstehung des Erfurter Programms nicht jene überragende Bedeutung beigemessen, die man erwarten würde, folgte man der Einschätzung, dieses Programm dokumentiere die Durchsetzung der Marxschen Theorie in der deutschen und dadurch schließlich auch der europäischen Arbeiterbewegung im Zeitalter der II. lnternationale. 16 "Laß die Leute mit ihrem Programme nur machen. Bebel wird schon dafür sorgen, daß die alten Liebknechtsehen vulgärdemokratischen & vulgärsozialistischen Phrasen nicht hineinkommen" 17 - so lautete die erste Reaktion von Engels auf die ihm von Kautsky mitgeteilten Gerüchte, Liebknecht schreibe an einem Programmentwurf 18, was um so bemerkenswerter ist, als er gerade Liebknecht in Aufarbeitung der Affäre um die "Randglossen" als Autor der "unklaren und verworrenen Phrasen" im Gothaer Programm be-

Vorwort. ln: MEW 22. S. XV. Das gilt auch ganz konkret für die Publikationsgeschichte dieses Textes, wenn in den MEW, basierend auf der zweiten russischen Werkausgabe (M3C 22. S. 613/614, Anm. 189) wahrheitswidrig behauptet wird, die Redaktion der "Neuen Zeit" habe im letzten Absatz "eigenmächtig" aus den "sozialdemokratischen" "deutsche Philister" gemacht (MEW 22. S. 588, Anm. 165). Tatsächlich intervenierte Verlagsleiter Fischer erfolgreich bei Engels. Siehe Richard Fischer an Engels, 17. März 1891 . IISG, Nachlaß Benedikt Kautsky, Nr. 134 (Abschrift). Siehe zur Publikationsgeschichte auch Till Schelz-Brandenburg: Eduard Bernstein und Karl Kautsky. Entstehung und Wandlung des sozialdemokratischen Parteimarxismus im Spiegel ihrer Korrespondenz 1878 bis 1932. Köln, Weimar, Wien 1992 (im folgenden Schelz-Brandenburg: Eduard Bernstein und Karl Kautsky). S. 202, Anm. 97. 16 Zur Vorgeschichte und Bewertung siehe ausführlich ebenda. S. 203-226. 17 Engels an Karl Kautsky, 13. Juni 1891. 18 Karl Kautsky an Engels, 4. Juni 1891. ln: Friedrich Engels' Briefwechsel mit Karl Kautsky. 2., durch die Briefe Karl Kautskys vervollständigte Ausgabe von "Aus der Frühzeit des Marxismus". Hrsg. u. bearb. von Benedikt Kautsky. Wien 1955 (im folgenden Engels-Kautsky-Briefwechsel). S. 299. (Quellen und Untersuchungen zur Geschichte der deutschen und Österreichischen Arbeiterbewegung. Bd. 1.) 14

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zeichnet hatte, wodurch "die Eisenacher thatsächlich Lassa/leaner geworden, wenigstens dem Programm nach" 19. Und Engels verzichtete auch darauf, seine Kritik am Entwurf des Parteivorstands zu publizieren, weshalb der Text erst 1901 aus dem Nachlaß von Wilhelm Liebknecht veröffentlicht wurde. 20 Den Text als internen zu behandeln, legt auch die skizzenhafte und unredigierte Form nahe, die ja auch verantwortlich ist für die ausführlich annotierte Schwierigkeit, welche der Überlieferungen nun als Ursprungstext zu gelten hat. Hauptinteresse des Verfassers war, den "friedfertigen Opportunismus des ,Vorwärts' & das frischfrommfröhlichfreie ,Hineinwachsen' der alten Sauerei ,in die soz!~!!1?!!1?9~~ Gesellschaft'"21 zu kritisieren. Hier setzt Engels mit großer Empathie auseinander, daß eine demokratische Republik ohne Föderalismus, also unter Auflösung auch Preußens, die notwendige politische Form sei, unter der die Arbeiterklasse nur zur Herrschaft kommen könne . "Diese ist sogar die specifische Form für die Diktatur des Proletariats" (S. 50). Gegenüber seinen Ausführungen zum "Bürgerkrieg" geht Engels also noch einen Schritt weiter oder chronologisch einen zurück: Die bürgerlich-demokratische Republik ist notwendige Voraussetzung für die Erringung der Macht durch die Arbeiterklasse. Wolle man schon nicht direkt die Republik fordern, um nicht ein neues Sozialistengesetz zu riskieren, so doch mindestens die Konzentration aller politischen Macht im Parlament sowie die Gemeindeselbstverwaltung nach dem Vorbild der französischen Revolution. Und um diese politische Kernforderung noch zusätzlich zu betonen und die tendenzielle Disparität zwischen dem theoretischen Teil, den "Erwägungen", und dem praktischen, den "politischen Forderungen", möglichst aufzuheben, sollten beide Teile mit der Feststellung verbunden werden, die Arbeiterbewegung habe in Deutschland erst noch Forderungen zu erheben, die in anderen Ländern schon die Bourgeoisie erledigt habe - eine politisch sehr viel prononciertere Formulierung als sie Bernstein zur Verbindung des theoretischen mit dem praktischen Teil in Kautskys und seinem Entwurf vorschlug 22 - beide aber blieben unberücksichtigt. Engels an August Bebel, 1./2. Mai 1891 . Siehe Friedrich Engels: Zur Kritik des sozialdemokratischen Programmentwurfes 1891. ln: Die Neue Zeit. Stuttgart. Jg. 20. 1901/1902. Bd. 1. S. 5-13. Siehe auch S. 67Q-682. Die neueste Forschung sieht Engels damit zufrieden, daß er die Grundgedanken seiner Kritik in den verschiedenen Entwürfen wiederfand, weshalb ihm auch nicht mehr viel an einer Veröffentlichung lag. (Mitteilung von Götz Langkau, IISG Amsterdam, an den Verfasser über die Ergebnisse der Auswertung des von ihm herausgegebenen und demnächst erscheinenden ersten Bandes des Briefwechsels zwischen Eduard Bernstein und Karl Kautsky 1879-1891 .) 21 Engels an Karl Kautsky, 29. Juni 1891. 22 "Sie [die Sozialdemokratie] tritt für alle Maßregeln und Einrichtungen ein, welche die materielle Lage der großen Masse der Bevölkerung zu verbessern, ihr geistiges Niveaus zu heben und dem ökonomischen und sozialen Fortschritt der Gesellschaft zu fördern geeignet sind." Siehe die Erstveröffentlichung dieses Entwurfs in Till SchelzBrandenburg: Programm und Bekenntnis. Karl Kautskys Manuskript des allgemeinen Teils des Erfurter Programms mit Eduard Bernsteins Korrekturen. ln: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung. Berlin. Jg. 35. 1993. H. 1. S. 51-58, hier S. 53/54. 19

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Dieses große Engagement von Engels für die nächsten Aufgaben, nämlich die Errichtung einer Republik und die daraus folgenden Konsequenzen, kontrastiert eigentümlich mit seiner Einschätzung des schließlich angenommenen, auf dem Kautsky-Bernstein-Entwurf basierenden Erfurter Programms. Nunmehr spielen für ihn die politischen Forderungen, insbesondere die auch dort fehlende nach Machtkonzentration auf das Parlament, so gut wie keine Rolle. Hervorgehoben wird statt dessen die Eliminierung aller lassalleanischen Parolen aus dem theoretischen Teil. Die viel zitierte Bemerkung "Wir haben die Satisfaktion daß die Marxsche Kritik komplett durchgeschlagen hat"23 , muß allerdings so relativiert werden, wie dies bereits in diesem Satz angelegt ist. Denn damit wird zunächst ausgesagt, daß die deutsche Partei 1891 jenes theoretische Niveau erreicht hatte, das sie schon 1875 hätte haben können, inkludierend, daß damit die bisherige Entwicklung unberücksichtigt geblieben war. Vor allem aber äußerte sich Engels dem Programmautor Kautsky gegenüber weit zurückhaltender, wobei die auch für den Briefautor Engels ganz ungewöhnliche Holperigkeil im Stil durchaus als Indiz für ein gewisses Unbehagen gewertet werden kann: "Jedenfalls kann sich der theoretische Theil des Programms jetzt überall sehn lassen, die Hauptsache ist, daß nichts theoretisch Anfechtbares darin ist, & das ist in der Hauptsache erreicht."24 Nun läßt sich zwar argumentieren, Engels' dreifacher Vorbehalt - die Hauptsache der Hauptsache des theoretischen Teils- rühre her von der Tilgung der noch ganz kurzfristig durch Bebel in Kautskys Entwurf eingefügten Lassalleschen Zentralparole von der "einen reaktionären Masse", die Engels kurz vor dem Parteitag erregte und die sich als taktischer Kamprarniß herausstellte, mit dem Kautsky auch Bebel als Antragsteller gewinnen wollte. 25 Doch Engels' eher nonchalante Zustimmung zum Erfurter Programm spiegelt die Intensität seines Interesses wider, das keineswegs Schritt halten kann mit der nachträglichen Interpretation des Erfurter Programms als Epochenwende in der Geschichte der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung. Immer wieder mußte etwa Bernstein, in fast täglichem persönlichen Verkehr mit Engels, Kautsky von dessen Zeitmangel berichten, selbst als es an die konkrete Formulierung und Begründung ihres Entwurfs ging.26

Engels an Friedrich Adolph Sorge, 24. Oktober 1891 . Engels an Karl Kautsky, 3. Dezember 1891 . 25 .,Im Abdruck Deines Entwurfs im Vorwärts finde ich zu meiner großen Verwunderung plötzlich die ,eine reaktionäre Masse' hineingeschneit [... ) Diese agitatorische Phrase verdirbt wie ein schriller Mißton den ganzen Akkord kurz & scharf gefaßter wissenschaftlicher Sätze." (Engels an Karl Kautsky, 14. Oktober 1891 .) .,Ich dachte mir, Paris vaut bien une messe und Augusts Unterstützung unseres Entwurfs wiegt im Nothfall einen solchen Passus auf." (Karl Kautsky an Eduard Bernstein, 9. Oktober 1891 . IISG, Nachlaß Karl Kautsky, Sign. C 85. Siehe dazu auch Schelz-Brandenburg: Eduard Bernstein und Karl Kautsky. S. 209-211 . 26 Siehe etwa Eduard Bernstein an Karl Kautsky, 26. Juni 1891 . IISG, Nachlaß Karl Kautsky, Sign. DV 163; 16. Juli 1891, ebenda, Sign . DV 165, und 7. September 1891, ebenda, Sign. DV 170. 23

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Einen Tag vor Beginn des Erfurter Parteitags war für Engels die gesamte Programmdebatte nur noch "Kram", der "abgetan" ist, wohingegen Bebeis Vermutung, Rußland werde im Frühjahr 1892 Deutschland angreifen und Frankreich werde folgen 27 , als das "einzig Wichtige" zu diskutieren sei. 28 Im Sommer und Herbst 1891 spitzte sich die politische Lage in Europa zu: Neben der Annäherung von Frankreich und Rußland mittels russischer Staatsanleihen auf dem französischen Finanzmarkt kam es auch zu symbolischen Manifestationen wie einem französischen Flottenbesuch in Kronstadt Hinzu kam eine Mißernte mit darauf folgender Hungersnot in Rußland. Im deutschen Reichstag wurde von einem möglichen Kriegsausbruch im nächsten Frühjahr gesprochen und deshalb zusätzliche Rüstungen gefordert. Wie rasant diese Zuspitzung erfolgte, zeigt die Entstehungsgeschichte des Textes "Der Sozialismus in Deutschland." (Siehe S. 718-723 und 767-771.) Zunächst wenig erbaut von der ihm von Laura Lafargue angetragenen Idee einer Information der französischen (sozialistischen) Öffentlichkeit im Rahmen eines Almanachs29 , erläutert Engels nicht einmal zwei Wochen später detailliert, wie sich die deutsche Partei zur Erhöhung der Militärausgaben verhalten sollte: Unter der Voraussetzung eines Kriegsbeginns im Frühjahr 1892 ablehnend zur Modernisierung der Bewaffnung wie zur Vergrößerung des stehenden Heeres, weil beides unwirksam bleibe in der kurzen Zeit, aber sehr wohl positiv "zur ausschließlichen Stärkung der Defensive", "wenn man die große Masse dienstfähiger, aber nicht ausgebildeter Leute jetzt so gut wie möglich ausbilden und in Kadres ordnen will- zum wirklichen Kampf, nicht zur Parade und Schikane-, so ist das eine Annäherung an unsre Volkswehr, die wir nur akzeptieren können". Und in diesem Zusammenhang teilt er en passant mit, er "mache den Franzosen etwas zurecht über den Kriegsfall" - und setzt ahnungsvoll hinzu, es sei "verdammt schwer", da nicht mehr Schaden als Nutzen zu stiften. 30 Aus zwei korrespondierenden Gründen war für Engels ein Krieg Rußlands und Frankreichs gegen Deutschland eine reale Gefahr: wegen des durch die deutsche Annexionspolitik befeuerten französischen Revanchismus, der nicht nur im aggressiven Soulangismus seinen Ausdruck fand, und der zaristischen Außenpolitik, die sich von dem politisch so fixierten Frankreich ökonomische Vorteile durch eine bereits aufgelegte große und eine noch größere geplante Staatsanleihe versprach und sich politisch zum Schiedsrichter in Mitteleuropa aufspielen konnte. Siehe August Bebel an Engels, 9. Oktober 1891 . ln: August Bebeis Briefwechsel mit Friedrich Engels. Hrsg. von Werner Blumenberg. London, The Hague, Paris 1965 (im folgenden Bebei-Engels-Briefwechsel). S. 449. (Quellen und Untersuchungen zur Geschichte der deutschen und Österreichischen Arbeiterbewegung. Bd. 6.) 28 Siehe Engels an August Bebel , 13. Oktober 1891. 29 "Now my dear Laura, what in the name of all that used to be sacred am I to write to that Almanac where, if the advertisements speak true, there is to be more than a Sammelsurium of men , principles & things? The progress of Socialism in Germany, why that's a book!" (Engels an Laura Lafargue, 2. Oktober 1891 .) 30 Engels an August Bebel, 13. Oktober 1891 .

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So alarmierend erschien Engels die Kriegsgefahr, daß er in seinem Artikel über den Sozialismus in Deutschland den umfangreicheren Teil seiner Ausführungen der Rechtfertigung für die dann nötige Politik der deutschen Partei verwandte, nämlich "bis aufs Aeußerste Rußland bekämpfen und alle seine Bundesgenossen, wer sie auch seien" (S. 95). Nach Engels würde die Sozialdemokratie damit nicht das Vaterland, sondern die avancierteste Position des internationalen Sozialismus verteidigen ; es sei nicht ausgeschlossen, erläuterte er Bebel, daß "gegenüber der Feigheit der Bourgeois & Junker, die ihr Eigenthum retten wollen, wir die einzige wirkliche energische Kriegspartei sind" 31 • Den französischen Sozialisten erklärt Engels damit, daß ein Krieg mit der Konstellation eines Angriffs Rußlands und Frankreichs auf Deutschland auch ein Angriff auf die internationale Arbeiterbewegung sei mit der impliziten Folge, daß die französischen Sozialisten ihrer Bourgeoisie in den Arm fallen müßten, während die deutschen das Recht zur Verteidigung ihres Landes hätten , daß gleichsam die deutsche Partei, ihr Land verteidigend, den Internationalismus verteidigt. Gegenüber allen imperialistischen und sozialimperialistischen Argumentationsfiguren, die knapp ein Vierteljahrhundert später gerade in Deutschland üppig ins Kraut schießen sollten, war für den "General" die absolute conditio sine qua non, daß es sich in einem solchen Fall um einen Verteidigungskrieg handeln müsse. Diese eindeutige prospektive Parteinahme resultierte vor allem daraus, daß Engels die deutsche Sozialdemokratie in Reichweite der politischen Macht sah: Es sei "mit fast mathematisch genauer Berechnung" möglich, diesen Zeitpunkt anhand der Wahlergebnisse zu bestimmen, wobei er von den 1,4 Millionen Stimmen 1890 auf "mindestens 2 112 Millionen Stimmen" für 1895 und 3 112 bis 4 Millionen für 1900 bei rund zehn Millionen Wählern rechnet. (S. 90 und 91 .) Aber nicht nur die schieren Wählerstimmen würden zur Macht führen , sondern in noch höherem Maße die Gewinnung der Soldaten für die Sozialdemokratie, so daß zur Jahrhundertwende "die Armee, das preußischste Element des Landes, in ihrer Majorität sozialistisch sein" werde. Auch später hat Engels immer wieder öffentlich solche Berechnungen angestellt, so in den Interviews mit "Le Figaro" (S. 366) und "The Daily Chronicle" (S. 368/369) . Seine beiden Meisterschüler Bernstein und Kautsky waren viel zurückhaltender in der Deutung der Wahlergebnisse. Bernstein erklärte nach der vorgezogenen Wahl 1893, er habe nie begriffen, wo so schnell eine Million Stimmen mehr herkommen sollten 32 , während Kautsky einen Unterschied machte zwischen Stimmen für die Sozialdemokratie und sozialdemokratischen Stimmen. Die Hauptursache der Zuwächse für die Partei liege in ihrer Rolle als einzige ernsthafte Oppositionspartei, und deshalb hielt er es sogar für notwendig, "wenn nicht die S[ozial]d[emokratie] ihren grundsätzlichen Charakter aufgeben will , daß neben ihr eine Partei der energischen Unzufriedenen ersteht, 31

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Ebenda. Eduard Bernstein an Karl Kautsky, 30. Juni 1893. IISG, Nachlaß Karl Kautsky, Sign . DV 249.

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die, ohne revolutionär zu sein, doch eine entschiedenere Opposition macht als die bankerotte bürgerliche Demokratie"33 • Bei Engels ist die Stimmabgabe für die Sozialdemokratie also durchgehend Manifestation sozialistischen Bewußtseins, bei Kautsky auch Demonstration allgemeiner Opposition gegen die Verhältnisse im Kaiserreich. Wie sehr Engels Rüstung und Kriegsgefahr auch ein gutes Jahr später noch bewegten, obwohl inzwischen Mißernte und Hungersnot in Rußland sowie der Mißerfolg der ersten und die daraufhin gänzlich zurückgezogene zweite russische Staatsanleihe auf dem französischen Kapitalmarkt die kriegerischen Ambitionen des Zarenreiches gedämpft hatten, zeigen seine Artikelserie "Kann Europa abrüsten?" und mehr noch deren Entstehungsgeschichte. August Bebel war unmittelbar nach der berühmten "Zukunftsstaat-Debatte" mit dem Regierungsvorstoß zur Erhöhung der Militärausgaben zwecks Heraufsetzung der Mannschaftsstärke des Heeres konfrontiert, dem größten Aufrüstungsprogramm seit 1872. Dazu lag ein Antrag der Freisinnigen vor, für die Infanterie die Dienstzeit auf zwei Jahre zu begrenzen. Bebel plante, diesen Antrag auf die gesamte Armee auszudehnen und fragte beim "General" an, ob er ihm Argumente dafür liefern könne, daß auch die Kavallerie in diesem Zeitraum "vollkommen felddienstfähig" auszubilden sei. Und das Mitglied der Militärkommission des Deutschen Reiches schließt: "Du könntest, wenn Du Zeit hast, mir überhaupt eine kleine Lektion geben, ich wäre Dir sehr dankbar."34 Engels muß sich sofort an die Arbeit gemacht haben, denn schon nach zwölf Tagen schickte er den kompletten Text, den er als achtteilige Artikelserie im "Vorwärts" zu publizieren empfahl, an Bebel. 35 Dabei spielt die Ausgangsfrage nach der Ausbildung der Reiterei nur noch eine marginale Rolle. Was Engels hier entwickelt, ist eine komplette sozialdemokratische Militärvorlage, was er selbst übrigens als Titel für angemessener gehalten hätte als den von ihm tatsächlich gewählten. 36 Ausgangspunkt seines Vorschlags ist die Überlegung, bei einer Begrenzung der Wehrpflicht in Deutschland würde der außenpolitische Druck insbesondere auf Frankreich so stark, daß die Regierung in Paris sich nicht gegen eine vergleichbare Beschränkung stemmen könnte, worauf andere Länder sich nur allzu bereitwillig anschlössen. Ausnahme bleibe wohl allein Rußland, was aber zu vernachlässigen wäre, da es dann isoliert und zu kriegerischen Aktionen zur Zeit ohnehin nicht in der Lage sei. Zudem könnte so die franko-russische Allianz gesprengt und die Grundlage einer Verständigung zwischen Frankreich und Deutschland insbesondere über Elsaß-Lothringen geschaffen werden.

Karl Kautsky an Eduard Bernstein, 14. November 1894. IISG, Nachlaß Karl Kautsky, Sign. C 102. 34 August Bebel an Engels, 11 . Februar 1893. ln: Bebei-Engels-Briefwechsel. S. 664. 35 Engels an August Bebel, 24. Februar 1893. 36 Siehe ebenda. 33

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Aber Engels beschäftigte sich natürlich nicht nur mit dem politischen Einwand, eine einseitige Beschränkung der Militärausgaben komme wegen der Aufrüstung der anderen europäischen Mächte nicht in Frage. Er diskutiert auch den militärtechnischen Einwand, in zwei Jahren lasse sich Feldtauglichkeit nicht erzielen. Er geht hier detailliert auf die Anachronismen etwa des Exerzierreglements ein, dessen Eliminierung Raum für gefechtsnahe Ausbildung schaffen würde. Und dann formuliert er noch einen überraschenden Vorschlag: Ein Teil der Ausbildungszeit werde auch deshalb vergeudet, weil in der Soldatenausbildung erst die schulischen Defizite in der Sportausbildung und die körperlichen Verkümmerungen durch die kapitalistische Produktion korrigiert werden müßten. Statt dessen sollte militärkompatible Sportausbildung in den Schulen erfolgen und zwar durch dafür qualifiziertes Personal, nämlich die Unteroffiziere außer Dienst, deren Eingliederung ins Zivilleben als Sportlehrer sinnvoll und effektiv erfolgen könne. Und vor Drillexzessen sieht er die Schüler ausreichend durch Strafrecht und Öffentlichkeit geschützt. Solcherart vorgebildeten jungen Männern ließe sich die militärische Fachschulung in so kurzer Zeit beibringen, daß auch eine weitere Verkürzung der Wehrpflicht nicht utopisch sei, die zur Volksmiliz sozialdemokratischer Provenienz führen könne. Erstaunlich erscheint an diesem Vorschlag, daß Engels, der sich doch einst mit Marx über Fragen der Ideologie auf die Grundlagen ihres historischen Materialismus verständigt hatte und der noch wenige Monate zuvor einen brillanten Essay über Entstehung und Wirkung von Philanthropie und Religiosität der englischen Bourgeoisie verfaßt hatte (siehe S. 109-128/13Q-148), nun die Inkarnation des Militarismus schlechthin, den preußischen Unteroffizier, nur als Fachmann für körperliche Ertüchtigung durch Turnen und Waldmärsche, nicht aber als Agenten einer nach innen wie außen aggressiven Ideologie ansieht. Noch erstaunlicher mutet freilich an, daß Engels bei seiner Analyse die Rüstung nicht in der kapitalistischen Produktion verortet Der einjährig-freiwillige Artillerist, also ausgebildet an einem Industrieprodukt, beschreibt zwar den waffentechnischen Fortschritt, aber nicht das Profitinteresse der Rüstungsindustrie. ln seinen Betrachtungen fand insbesondere das erste maritime Rüstungsprogramm keinen Platz, aufgelegt unmittelbar nach der Thronbesteigung Wilhelms II. mit den vier Panzerschiffen der Brandenburg-Kiasse, den ersten hochseetüchtigen Großkampfschiffen der deutschen Marine, obwohl dieses Projekt in mehrjährigen Bauzeiten Anfang der 1890er Jahre Werften in Stettin, Kiel und Wilhelmshaven beschäftigte. Überhaupt ist zu konstatieren, daß das hochentwickelte militärische Interesse von Engels sich sehr weitgehend auf die Armee konzentrierte - der "General" war eben kein Admiral. 37 37

Engels' Arbeiten über Kriegsschiffbau und Seekrieg stammen aus den 1850er und 1860er Jahren. (Siehe Ships and forts. ln: MEGA"' I/13. S. 259-263; Navy. ln: The New American Cyclopeedia. Vol. 12. New York, London 1861 . S. 143-149; Artilleristisches aus Amerika. ln: Friedrich Engels 182Q-1970. Referate - Diskussionen - Dokumente. Internationale wissenschaftliche Konferenz in Wuppertal vom 25.-29. Mai 1970. Red. Hans Pelger. Hannover 1971 (im folgenden Friedrich Engels 182Q-1970). S. 69-71 . Daher kann sich auch die Arbeit von Heinz-Ludger Borgert

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Das weitere Schicksal des wohl politisch-taktisch konkretesten Vorschlags, den Engels je der Partei machte, erscheint durchaus typisch für das Politikverständnis der deutschen Sozialdemokratie: Bebel fand zwar die Artikel "wie alles, was Du schreibst, sehr gut", hielt den Vorschlag aber gleichzeitig für unpraktikabel: "[ ... ] für durchführbar von jenen, die ihn durchführen sollen, halte ich ihn nicht". Und er hängt gleich die Salvatorische Klausel an, die Partei werde eventuell erklären müssen, daß sie ein solcher Vorschlag nicht binde.38 14 Tage später hieß es noch entschiedener: "Mit Deinem Militärplan können wir unmöglich operieren." Dies sei schon aus dem taktischen Grund unmöglich, weil doch der Freisinn bereits die Begrenzung der Dienstzeit auf zwei Jahre fordere -was ja, wie geschildert, die Ausgangslage war, aus der heraus Bebel um Rat gebeten hatte. Nun heißt es, es sei überhaupt ganz generell nötig, prinzipiell gegen das Militär und seine Kosten zu opponieren, schließlich brauche man sich "den Kopf der Herren da oben nicht zu zerbrechen". Denn - und hier sieht Bebel die Verbindung von Militär und Politik in Deutschland viel realer als Engels -: "Die stecken bei allen Revolutionen in der technischen Ausrüstung der Armee auf allen anderen Gebieten bis über die Ohren im dicksten Konservatismus. [. .. ] Auf der einen Seite vollkommen klare Einsicht in das Wesen der Dinge, auf der anderen borniertester, vorjenaischer Geist". Und dann folgt gleichsam ein Kernsatz Bebelseher Politik: ,Wir können nichts tun als aufklären, und lassen den Dingen ihren Lauf."39 "Zu solcher Resignation sah sich fortan auch Engels gezwungen", bemerkt sein Biograph 40 • Der aber hatte in seinem Vorwort zur anschließenden Broschürenausgabe seiner Artikelserie, die für die wegen der Ablehnung der Militärvorlage vorgezogenen Wahlen 1893 als Agitationsmittel eingesetzt wurde, ungerührt formuliert, daß seine Vorschläge möglich seien "auch für die heutigen Regierungen und unter der heutigen politischen Lage" (S. 209). Die von Bebel bei Engels erbetene "kleine Lektion" hatte damit folgendes Ergebnis gebracht: Engels' Vorschlag war "sehr gut", aber undurchführbar, die Partei müsse sich eventuell davon distanzieren, verwandte ihn aber in der Wahlagitation zur Darlegung ihrer Politik, wobei die nötige Debatte um seine Praktikabilität nur intern geführt wurde. Diese eigentümliche Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis in der Sozialdemokratie ist mit dem Begriff "Revolutionärer Attentismus" zu beschreiben versucht worden 41 , sie ließ auf jeden Fall diese singuläre Initiative von Engels ins Leere laufen, die weder als politischer Vorschlag befolgt noch auch nur konkret diskutiert wurde. (Die Marineplanungen in Deutschland 186D-1867 und Friedrich Engels. Frankfurt a. M. 1977) nicht mit dem Großkampfschiffbau und seinen militär- und politikstrategischen Folgen befassen. 38 August Bebel an Engels, 28. Februar 1893. ln: Bebei-Engels-Briefwechsel. S. 670. 39 August Bebel an Engels, 12. März 1893. Ebenda. S. 673. 40 Mayer: Friedrich Engels. S. 518. 41 Siehe Dieter Groh: Negative Integration und revolutionärer Attentismus. Die deutsche Sozialdemokratie am Vorabend des Ersten Weltkrieges. Frankfurt a. M., Berlin, Wien 1973.

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Möglicherweise in Folge der danach von Bebel und Engels unabhängig von einander angestrebten 42 und kurzfristig verwirklichten Zusammenkunft Ende März/Anfang April 189343 hat sich Engels nie mehr so prononciert zur politischen Taktik geäußert, auch dann nicht, als er ein gutes Jahr später - und endlich befreit von der Arbeit am dritten Band des "Kapitals" - von Georg von Vollmar in eine höchst brisante Debatte verwickelt wurde. Auf dem Frankfurter Parteitag 1894 hatten Vollmar und Bruno Schoenlank eine Resolution vorgelegt, die Grundsätze für einen einzurichtenden "AgrarAusschuß" formulierte, wobei es nicht nur um Landarbeiter-, sondern auch um Bauernpolitik ging, besonders um die Frage, ob die in wirtschaftliche Bedrängnis geratenen Kleinbauern auf konkrete Hilfe durch die Sozialdemokratie auch vor der sozialistischen Umwälzung zu hoffen hätten. Unter anderem mit der Vorgabe: "Der Bauernschutz soll den Bauern als Steuerzahler, als Schuldner, als Landwirthe vor Nachtheilen bewahren'144 , wurde dies von den Antragstellern sehr weitgehend bejaht, der Vorschlag von Leo Arons, den zitierten Satz zu streichen, wird "mit großer Mehrheit abgelehnt", die komplette Resolution gegen "einige 30 Stimmen" angenommen. 45 ln seiner Begründung verwies der bayerische Parteiführer auf das Agrarprogramm des Parti Ouvrier. Dies habe "die mächtigsten Erfolge auf dem Lande" erzielt und seine Vervollständigung auf dem Parteitag von Nantes dazu geführt, "daß die Sozialisten sich den Bauern als alleinige Vertheidiger gegen Ausbeutung und Proletarisirung zeigten'"'6 • Vollmar zitiert dann zustimmende Stellungnahmen von Paul Lafargue, Jules Guesde und Jean Jaures und fährt fort: "Hinzufügen will ich, daß sich die französischen Genossen meines Wissens der Billigung ihres Vorgehens durch Friedrich Engels versichert haben."47 Diese Bemerkung erfuhr Engels prompt aus dem "Vorwärts", denn schon vier Tage nach der Vollmar-Rede und der Verabschiedung der Agrarresolution vertraute Bernstein Kautsky an, Engels werde Vollmar wahrscheinlich im zentralen Parteiorgan antworten.48 Damit ließ sich Engels dann doch noch Zeit, denn knapp zwei Wochen später mußte ihn Bebel, der sich inzwischen, ungeachtet seiner Mitarbeit an der Resolution und seiner Zustimmung zu ihr49 , Siehe August Bebel an Engels, 12. März 1893. ln: Bebei-Engels-Briefwechsel. S. 673. 43 Siehe Engels an Julie Bebel, 31. März 1893. 44 Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Abgehalten zu Frankfurt am Main vom 21 . bis 27. Oktober 1894. Berlin 1894 (im folgenden Protokoll Frankfurt 1894). S. 134/135, hier S. 135. 45 Ebenda. S. 157. 46 Ebenda. S. 150. 47 Ebenda. S. 151. 48 "Übrigens wird - ganz entre nous gesagt - dem Vollmar wahrscheinlich der General im ,Vorwärts' antworten. General hat sich noch mit keiner Silbe für das Programm von Nantes erklärt." (Eduard Bernstein an Karl Kautsky, 29. Oktober 1894. IISG, Nachlaß Karl Kautsky, Sign. DV 296.) 49 Siehe Hans Georg Lehmann: Die Agrarfrage in der Theorie und Praxis der deutschen und internationalen Sozialdemokratie. Vom Marxismus zum Revisionismus und Bol42

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auf dem Kriegspfad gegen die "Vollmariade" befand, noch einmal anstoßen: "Ich glaube, Du wirst Veranlassung nehmen müssen, Dich gegen Vollmar zu verwahren, der seine opportunistische Politik mit Deiner Autorität zu decken suchte."50 Erst daraufhin ließ Engels die Mitteilung im "Vorwärts" publizieren, Vollmar müsse falsch unterrichtet worden sein, er werde seinen Standpunkt in einem eigenen Artikel in der "Neuen Zeit" darlegen. 51 Schon diese Chronologie läßt die Darstellung, Engels sei im "Machtkampf zwischen Marxismus und Reformismus" als "Gralshüter der internationalen Sozialdemokratie" der Initiator der nun kommenden scharten Debatte um die Agrarpolitik gewesen52 , zumindest als anfechtbar erscheinen. Denn ganz im Gegensatz zur Abrüstungsfrage, bei der eine beiläufige Bitte Bebeis sofort zu einem vorlagereifen Text führte, dauerte es jetzt nicht nur wesentlich länger, war Bebeis Aufforderung nicht nur erheblich dringender, sondern Engels war auch noch seit der Abgabe seines "Vorworts" Anfang Oktober 1894 von der Last der Herausgabe des dritten Bandes des "Kapitals" befreit. Der schließliehe Text, "Die Bauernfrage in Frankreich und Deutschland", seine letzte eigenständig publizierte Arbeit, blieb dann auch zunächst im Rahmen der theoretischen Betrachtung, also des Nachweises, daß ein konkreter Bauernschutz, das heißt eine Bestandsgarantie für kleinen Landbesitz, so wenig mit dem Programm und den Grundsätzen der Sozialdemokratie vereinbar sei wie eine solche etwa für Handwerksmeister. Und Engels kritisiert im ersten Teil seiner Abhandlung expressis verbis das Bauernprogramm von Nantes, das just das verspreche, was es zuvor für unmöglich erklärt habe. Einmal so weit - wie "leicht und angenehm es sich doch abwärts rutscht, ist man erst einmal auf der schiefen Ebene" (S. 316) -komme man schließlich sogar zu Garantien auch für Mittelbauern, das heißt auch dazu, daß diese ihre Mägde und Knechte weiter ausbeuten dürften. Die zu allgemeinen beziehungsweise ungenauen Formulierungen des Programms von Nantes kritisierend, kann Engels die aktuellen französischen Verhältnisse mit dem Resümee verlassen, man könne eben die Masse der Kleinbauern von heute auf morgen, also zum Beispiel bei Wahlen, "nur gewinnen, wenn wir ihnen etwas versprechen, wovon wir selbst wissen, daß wir es nicht halten können" (S. 320). Weil aber "gegen den Kleinbauern (. ..) in Frankreich keine dauernde Umwälzung möglich (ist]" (S. 319), sei es zu diesem Zweck die Hauptsache, ihm begreiflich zu machen, daß seine einzige Zukunft im genossenschaftlichen Großbetrieb liegt, der selbstverständlich als freiwilliger Zusammenschluß zu schewismus. Tübingen 1970 (im folgenden Lehmann: Agrarfrage). S. 116. (Tübinger Studien zur Geschichte und Politik. Bd. 26.) 50 AugustBebelan Engels, 10. November 1894. ln: Bebei-Engels-Briefwechsel. S. 781 . 51 Siehe S. 307 und S. 308-327. 52 So Lehmann (Agrarfrage. S. 116-118) der den entsprechenden Abschnitt überschreibt: "Der politische Machtkampf zwischen Marxismus und Reformismus wegen der Agrarfrage".

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verstehen ist. Ja, man könne, so Engels, "sehr liberal" mit diesem Bauern verfahren, indem man ihm sogar "eine verlängerte Bedenkzeit auf seiner Parzelle" (S. 322) ermögliche. Allerdings sei hier nicht der Ort, bestimmte Vorschläge zu machen, weil es nur um die allgemeinen Grundzüge gehe. Nicht sehr verschieden davon sieht Engels die Politik gegenüber den sogenannten Mittelbauern, in Deutschland die hauptsächliche Klientel von Vollmars. Für sie sei ebenfalls die Genossenschaft die Lösung und auch bei ihnen könne man von "einer gewaltsamen Expropriation" absehen und darauf vertrauen, "daß die ökonomische Entwicklung auch diese härteren Schädel der Vernunft zugänglich machen wird" (S. 325). Und auch an dieser Stelle läßt Engels durchaus Raum für mehr als die Propaganda vom rettungslosen Untergang dieser Schicht. Und bei den ostelbischen Großgrundbesitzern, die natürlich analog zu den Großindustriellen zu behandeln seien, käme unter Umständen sogar eine Entschädigung in Frage: "Marx hat mir - wie oft! - als seine Ansicht ausgesprochen, wir kämen am wohlfeilsten weg, wenn wir die gesamte Bande auskaufen könnten." (S. 325.) Auf jeden Fall seien die großen Güter unter noch zu klärenden Bedingungen den Landarbeitern zu überlassen. Und nachdem Engels die prägende Rolle des Junkerturns für das spezifisch Preußische dargestellt hat, kann er auch die gesamte Debatte um die Bauernfrage relativieren , gleichsam auf sicheren Boden zurückkehrend: "Darum aber ist die Gewinnung der ostelbischen Landproletarier von weitaus größerer Wichtigkeit als die der westdeutschen Kleinbauern oder gar der süddeutschen Mittelbauern." (S. 326.) Trotz dieser Relativierung hat Engels sogar einzelne Maßnahmen angedeutet für ein sozialdemokratisches Agrar-Aktionsprogramm, etwa Forderungen nach Zinserlaß und/oder staatliche Subventionen für Genossenschaftsgründungen durch Kleinbauern, wie er das in einem längeren Exkurs von den dänischen Sozialisten berichtet. (S. 321 .) Der Autor, der aktuell Bebel in seiner nachträglichen Kritik an der Agrarresolution des Frankfurter Parteitags unterstützte, mußte nicht mehr erleben, wie auf dem Breslauer Kongreß 1895 die Agrarfrage rein vom theoretischen Prinzip her beantwortet wurde, das heißt durch Wortführer Kautsky nicht nur das vorgelegte Programm, sondern überhaupt jedes Agrarprogramm im Kapitalismus abgelehnt wurde.53 Demgemäß spielten Engels' Ausführungen auch nur noch eine recht marginale Rolle in Breslau, wobei auffällig ist, daß die Befürworter des Agrarprogramms, neben 53

Siehe "[ ... ] es [das vorgelegte Programm] erklärt das Interesse der Landeskultur in der heutigen Gesellschaftsordnung für ein Interesse des Proletariats und doch ist das Interesse der Landeskultur ebenso wie das Interesse der Industrie unter der Herrschaft des Privateigenthums an den Produktionsmitteln ein Interesse der Besitzer der Produktionsmittel, der Ausbeuter des Proletariats". So der von Kautsky eingebrachte, strittige Teil der Resolution, der mit 158 gegen 63 Stimmen angenommen wurde. (Siehe Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Abgehalten zu Breslau vom 6. bis 12. Oktober 1895. Berlin 1895 (im folgenden Protokoll Breslau 1895). S. 204 (Antrag Kautsky). Siehe auch ebenda. S. 176/177, und Lehmann: Agrarfrage. S. 186.

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Bebel auch Quarck und David, sich auf Engels beriefen, wozu ihnen Kautsky recht pauschal die Berechtigung absprach. 54 Bebel selbst mußte nach Breslau feststellen, mit der nunmehrigen Entscheidung habe sich die Partei unter anderem "durch den Doktrinarismus Ia Kautsky" "auf dem Lande auf Jahre den Pass gründlich verrammelt"55 • Statt dessen wurde beschlossen, die Angelegenheit gründlich zu studieren, und so bekam die Partei statt eines Aktionsprogramms für die Bauernfrage vier Jahre später Kautskys dickleibige "Agrarfrage"56 • Ahnungsvoll hatte wenige Wochen vor dem Parteitag der erfahrene Parteisekretär lgnaz Auer Engels' Rolle gerade für die deutsche Partei gewürdigt: "Wo aber der Alte unersetzlich ist, das ist die Bibelauslegung. Bei allem Respekt vor den jüngeren Kirchenvätern , aber die reiche Erfahrung und Autorität Engels fehlt eben doch auch Kautsky, Ede aber zweifelt an sich selbst u. Plechanow ist den Massen zu fremd[ . . .] Wir werden uns also bis auf Weiteres ohne ,Urquell der Wahrheit' behelfen müssen & das mag manchesmal sich sehr unangenehm bemerkbar machen. Wir sehen es ja jetzt an unserem Agrarstreit, wie leicht ein Kuddelmuddel entsteht."57 Auer läßt allerdings unberücksichtigt, daß zur Agrarfrage eine solche letztinstanzliehe Exegese vorlag, die aber offenbar selbst deutungsfähig war. Verglichen mit seinen Vorschlägen zur Abrüstung bleibt Engels also in seinem Aufsatz zur Agrarpolitik generell auf der grundsätzlichen, theoretischen Ebene, aber er läßt im Gegensatz zur Position des Breslauer Parteitags durchaus Raum für eine praktische Bauernpolitik der Sozialdemokratie im Kapitalismus, bewertet einige konkrete Forderungen aus Frankreich und Dänemark sogar positiv. Deutlich wird aber auch, daß Engels' Erwartung einer recht unmittelbar bevorstehenden politischen Umwälzung insbesondere in Deutschland, die er noch 1893 hegte, nunmehr gedämpft ist.

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Die Untersuchung der Frage, welche neuerlichen Schwierigkeiten einer Revolution im Wege stehen und wie diese dennoch zu bewerkstelligen sei, war das Thema der letzten größeren Publikation von Friedrich Engels, seiner "Einleitung" zu Marx' "Die Klassenkämpfe in Frankreich". Bebel: .,Auch unser verstorbener Freund Engels war [... ) über die Nothwendigkeit, dem kleinen Bauern, soweit möglich, unter die Arme zu greifen, auf unserer Seite." (Protokoll Breslau 1895. S. 123.) .,Engels (steht) unzweifelhaft auf Seiten der Gedanken, aus welchem unser Agrarprogramm entsprungen ist." (Ebenda. S. 103 (Max Quarck als Berichterstatter für die Agrarkommission.) Siehe auch ebenda. S. 126 (Karl Kautsky) und 136 (Eduard David).) 55 August Bebel an Victor Adler, 20. November 1895. ln: Victor Adler: Briefwechsel mit August Bebel und Karl Kautsky sowie Briefe von und an lgnaz Auer, Eduard Bernstein, Adolf Braun, Heinrich Dietz, Friedrich Ebert, Wilhelm Liebknecht, Hermann Müller und Paul Singer. Ges. und erl. von Friedrich Adler. Wien 1954 (im folgenden Adler-Briefwechsel). S. 193. 56 Karl Kautsky: Die Agrarfrage. Eine Uebersicht über die Tendenzen der modernen Landwirthschaft und die Agrarpolitik der Sozialdemokratie. Stuttgart 1899. 57 lgnaz Auer an Victor Adler, 26. September 1895. ln: Adler-Briefwechsel. S. 189/190. 54

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Gut 20 Jahre nach dem Erscheinen dieses Textes wird Rosa Luxemburg auf dem Gründungsparteitag der KPD erklären, diese Ausführungen seien "mit dafür verantwortlich[ .. .], daß wir den 4. August 1914 erlebt haben"58 . Deshalb verkündete sie offiziell die Revision des sozialdemokratischen Marxismus, daß die Arbeiterklasse zunächst in sozialistischer Theorie geschult werden müsse, bevor sie revolutionär tätig werden könne .59 War Engels ein Protorevisionist? Die grundsätzliche Intention seiner "Einleitung" erläuterte der Autor Paul Lafargue: Es habe erklärt werden müssen, warum man damals berechtigt gewesen sei, auf einen bevorstehenden und endgültigen Sieg des Proletariats zu rechnen, warum es nicht dazu kam und inwieweit die Ereignisse dazu beigetragen haben, daß man die Dinge heute anders sehe als damals. Dann beschreibt Engels Substanz und Auswirkungen der gerade im Reichstag eingebrachten sogenannten Umsturzvorlage und schließt daraus, es sei sicher, daß es neue Verfolgungen geben werde. "Quant nous, notre politique devra etre de ne pas nous laisser provoquer en ce moment; nous nous battrions sans aucune chance de succes, & nous serions saignes comme Paris en 1871 , tandis que dans deux ou trois ans nos forces pourront se doubler comme sous Ia loi d'exception . Aujourd'-hui notre Parti lutterait seul contre tous les autres reunis au gouvernement sous le drapeau de l'ordre social ; dans deux ou trois ans nous aurons de notre cöte les paysans & les petits bourgeois ecrases par l'impöt. Le corps de bataille ne Iivre pas des combats d'avant-poste, il se reserve pour le moment critique."60 Engels intendierte also keineswegs, eine neue politische Strategie für die Sozialdemokratie zu entwerfen, er zieht hier gleichsam aus seinen eigenen enttäuschten Erwartungen die Konsequenz, die durch die Marx-Texte mit ihrer Aufarbeitung der gescheiterten Revolution von 1848 in Frankreich ihre historische Dimension und Legitimität gewinnt. Dazu paßt auch, daß der Entschluß, die Marx-Artikel wieder zu publizieren, nicht von Engels kam, sondern von Richard Fischer, und zwar sehr kurzfristig : Am 30. Januar 1895 machte der Chef des Verlags Buchhandlung Vorwärts Engels mit seinem Plan bekannt, daß er die "Kiassenkämpfe" "für die März-Tage spätestens erscheinen lassen möchte"; dazu sollte "diese in unseren Parteikreisen fast völlig unbekannte Schrift mit einem Vorwort eingeführt" werden .61 Drei Tage später akzeptierte Engels, beschwerte sich aber über den Zeitdruck und kündigte außerdem an, dafür die schon begonnene Bearbeitung der Korrespondenz Lassalles mit Marx und ihm selbst zur Veröffentlichung bei der Buchhandlung verschieben zu müssen.62

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Rosa Luxemburg: Gründungsparteitag der Kommunistischen Partei Deutschlands vom 30. Dezember 1918 bis 1. Januar 1919 in Berlin. ln: Gesammelte Werke. Bd. 4. 6., überarb. Aufl. Berlin 2000. S. 490. 59 Ebenda. S. 510. 60 Engels an Paul Lafargue, 26. Februar 1895. Ähnliche Formulierungen finden sich auch im Text selbst. 61 Richard Fischer an Engels, 30. Januar 1895. 62 Engels an Richard Fischer, 2. Februar 1895. 58

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Außerdem hatte Engels noch eine ganz besondere Schwierigkeit zu überwinden: Seit dem Einzug von Ludwig Freyberger, dem frisch angetrauten Ehemann Louise Kautskys, der Geburt von Tochter Louise-Frederica und dem damit motivierten Umzug von Engels in ein größeres Haus hatte Eleanor Marx zunehmend den Verdacht, daß die Freybergers das blinde Vertrauen von Engels zu Louise ausnutzen würden, sich des literarischen Nachlasses ihres Vaters zu bemächtigen 63 , zu dem sie offenbar freien Zugang hatte. Darüber war Eleanor so verärgert, daß sogar Bebel sie zu beruhigen suchte.64 Vor allem aber war sie alarmiert von der Mitteilung des "Vorwärts" bei der Annoncierung des dritten Bandes des "Kapitals", der immer angekündigte vierte Band könne nicht erscheinen, da sich dafür kein Manuskript gefunden habe65 , was Engels dann umgehend, allerdings anonym, dementierte. (S. 328.) Schließlich schaltete sich auf Drängen Eleanors auch noch deren Schwester Laura Lafargue ein und schrieb verabredungsgemäß ihr einen Brief, in dem sie sich nach den hinterlassenen Manuskripten ihres Vaters erkundigte, welchen Edward Aveling dann Engels zeigte.66 Betroffen versicherte der daraufhin Laura, er werde alles tun, um ihre und die Rechte ihrer Schwester an den nachgelassenen Schriften vollständig zu wahren. 67 Um so vorsichtiger verfuhr er jetzt mit dem Marx-Text. Erst als die Tantiemen detailliert festgelegt waren 68 , begann er mit der "Einleitung", die er in weniger als zwei Wochen niederschrieb. Daß es sich dabei nicht um eine Revolutionsstrategie handelt, gleichsam als letztwillige Verfügung des noch lebenden Originaltheoretikers des Marxismus zur gesellschaftlichen Umwälzung, beweist schon die Schlußmetapher mit dem Hinweis auf die rasante Entwicklung des Christentums im römischen Reich von einer verfolgten Sekte zur privilegierten Religion. Denn zwischen der Herrschaft des Diokletian, des Organisators der letzten imperiumweiten Christenverfolgung, und Constantinus' liegt keine Revolution, keine Aufhebung des Caesarentums oder gar der Sklavenhaltergesellschaft, sondern nur ein, wenn auch fundamentaler Wechsel der Legitimationsideologie des römischen Kaisertums. Siehe zum Beispiel Eleanor Marx an Laura Lafargue, 5. und 22. November 1894. ln: Olga Meier (Hrsg.): Die Töchter von Karl Marx. Unveröffentlichte Briefe. Frankfurt a. M. 1983 (im folgenden Meier: Oie Töchter von Karl Marx). S. 279-283 und 286-289. 64 "Wenn nun dieses ganze Material in bester Ordnung sorgl. gesichtet vorliegt, so ist dieses nur Louise zu verdanken, die diese Arbeit mit Geschick gemacht hat. Ohne sie läge noch heute alles in schönster Unordnung." (August Bebel an Eleanor Marx, 20. September 1894. Ebenda. S. 345.) 65 Siehe Das Grundwerk des wissenschaftlichen Sozialismus. ln: Vorwärts. Berlin. Nr. 266, 13. November 1894. S. 2., Sp. 2. 66 Siehe Edward Aveling an Laura und Paul Lafargue, 25. Dezember 1894. ln: Meier: Die Töchter von Karl Marx. S. 292. 67 Siehe Engels an Laura Lafargue, 19. Januar 1895. Schon mit Datum vom 14. November 1894 hatte Engels in einem Brief an seine Testamentsvollstrecker sein Testament im Hinblick auf die Marx-Papiere präzisiert. Siehe Engels an seine Testamentsvollstrecker. 68 Siehe Engels an Richard Fischer, 12. Februar 1894. 63

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Engels erklärt in seiner "Einleitung" nicht nur die Erwartung einer Revolution 1848, sondern auch für die Zeit der Pariser Kommune als verfrüht: Es habe sich gezeigt, "wie unmöglich auch damals noch, zwanzig Jahre nach der in unsrer Schrift geschilderten Zeit, diese Herrschaft der Arbeiterklasse war" (S. 339). Die friedlichen, gar "gesetzlichen Mittel" seien nicht nur zur Aufklärung der Massen nötig, damit sie "verstehen, was zu tun ist", sie sind auch der Reflex auf die friedliche industrielle Entwicklung, die garantiert wird durch waffentechnischen Fortschritt und die durch die Wehrpflicht riesig angeschwollene Massenhaftigkeit und das Zerstörungspotential moderner Armeen , was "jeden andren Krieg unmöglich machte als einen Weltkrieg von unerhörter Greuelhaftigkeit und von absolut unberechenbarem Ausgang" (S. 340). Dreh- und Angelpunkt der von Engels empfohlenen Politik ist die Wahrnehmung des Stimmrechts bis hinunter zu Gemeinderäten und Gewerbegerichten, wie sie die deutsche Sozialdemokratie praktiziert, "eine ganz neue Kampfweise des Proletariats" (S. 342). Wie auch bei anderen Gelegenheiten gibt es dabei einen Fixpunkt in seiner Analyse: die doppelte Einheitlichkeit der organisierten Arbeiterbewegung. Sie ist in ihrer Gesamtheit revolutionär und internationalistisch. Dabei spielt es für Engels auffälligerweise so gut wie keine Rolle, daß das Sein der Redakteure und Funktionsträger nicht mehr unmittelbar von der Ausbeutung ihrer Arbeitskraft durch den Kapitalisten bestimmt wird, und dies bei verschiedenen Gelegenheiten zu Richtungsauseinandersetzungen geführt hatte, etwa 1882 bei dem Versuch der Reichstagsfraktion, den "Sozialdemokrat" unter Kuratel zu stellen, bei der Dampfersubventionsdebatte von 1885 oder jüngst wieder in der Agrardebatte. Auch sein optimistisches Urteil, die Annexion des Elsaß und Lothringens "mochte die französische und deutsche Bourgeoisie gegeneinander chauvinistisch verhetzen; für die Arbeiter beider Länder wurde sie ein neues Band der Einigung", formulierte er, obwohl doch der "achtzehnte Brumaire", im selben Text erwähnt, schon eindringlich darlegt, daß die Bourgeoisie ihren Chauvinismus durchaus nicht für sich behält und mit der modernen Presse ein wirksames Mittel zum Transport ihrer Ideologien entwickelt hatte. Es war Engels' Tod wenige Monate später, der diesem Text jene exzeptionelle Bedeutung verlieh, die der Autor selbst seinen Ausführungen nicht zumaß. Der viel gebrauchte Begriff des "politischen Testaments" erweist sich in jeder Beziehung als unangemessene Applikation. Was seinen sachlichen Gehalt angeht, so nennt Kautsky ganz zu Recht die "Einleitung" ein "taktisches Programm", weshalb er auch eine separate Publikation befürwortete. 69 Wenige Tage später veröffentlichte dann Liebknecht im "Vorwärts" nichtautorisierte Auszüge aus der "Einleitung" unter der in jeder Hinsicht mißverständlichen Schlagzeile: "Wie man heute Revolutionen macht."70 ln seinen Einleitungszeilen erklärt er Engels' Text als Beweis dafür, 69

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Karl Kautsky an Engels, 25. März 1895. ln: Engels-Kautsky-Briefwechsel. S. 428. Vorwärts. Berlin. Nr. 76, 30. März 1895. S. 1, Sp. 2, bis S. 2, Sp. 2. Siehe auch s. 1204/1205.

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daß die alte "Barrikadenrevolution" abgelöst werde vom "allmähligen Durchdringen der absterbenden kapitalistischen Gesellschaft mit dem sozialistischen Gedanken". Damit hat Liebknecht die zentrale These der Fabier in England formuliert, die mit ihrer Strategie des Durchdringens ("permeating") der liberalen Partei mit Arbeiterpolitik und Sozialismus gerade den Verzicht auf eine separate Arbeiterpartei begründete, was von Engels natürlich immer scharf kritisiert wurde. Erst nach dieser Veröffentlichung protestierte Engels zunächst bei Kautsky71 , dann schränkte er die zeitliche und nationale Gültigkeit seiner Ausführungen so weitgehend ein, wie es der Text selbst durchaus nicht hergibt: "Mais cette tactique, je ne Ia preche que pour I'AIIemagne d'aujourd'hui et encore sous bonne reserve. Pour Ia France, Ia Belgique, l'ltalie, I'Autriche cette tactique ne saurait etre suivie dans son ensemble, et pour I'AIIemagne elle pourra devenir inapplicable demain."72 Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß er diese übertriebene Minimierung nur gegenüber Paul Lafargue vornimmt, als linker französischer Sozialist für Engels Repräsentant der klassischen Revolutionstradition, und zu der Zeit nur die "Vorwärts"-Auszüge öffentlich vorlagen.73 Edouard Vaillant etwa, dem er die "Kiassenkämpfe" zuschickte, entdeckte in der "Einleitung" durchaus Anwendungsmöglichkeiten auch für die französischen Sozialisten .74 Aber davon abgesehen wird die Intention von Engels bestätigt, sich zu einer konkreten, zeitgebundenen, taktischen Frage geäußert zu haben, Begrenzungen, die dem Anspruch an ein politisches Vermächtnis wohl nicht genügen. Und zweifellos war sich Engels nicht bewußt, mit der "Einleitung" den letzten zu Lebzeiten publizierten größeren Text verfaßt zu haben. Noch in seinem letzten Brief an Kautsky rund zwei Monate später zeigt er sich "pikirt" davon, nicht von vornherein in das Projekt der "Geschichte des Sozialismus in Einzeldarstellungen" eingebunden worden zu sein, spricht von seiner "Neubearbeitung des Bauernkrieges"75 , plant die Herausgabe der LassaUe-Korrespondenz mit Marx und ihm selber76 und entwickelt direkt nach Vollendung der "Einleitung" den Aufriß einer Marx-Biographie.77 Es ging ihm vielmehr darum, unter Berücksichtigung der Veränderungen der politischen und militärischen Der Text sei "derartig zurechtgestutzt daß ich als friedfertiger Anbeter der Gesetzlichkeit quand meme dastehe" (Engels an Kautsky, 1. April 1895). 72 Engels an Paul Lafargue, 3. April 1895. 73 Steinberg berücksichtigt diese Einschränkung zu wenig. Siehe Hans-Josef Steinberg: Friedrich Engels' revolutionäre Strategie nach dem Fall des Sozialistengesetzes: ln: Friedrich Engels 1820-1970. S. 115-126, hier S. 123. 74 "Vous avez eu bien raison de le dire c'est en effet l'ironie de l'histoire de nous montrer et aussi bien en France qu'en Allemagne le partis de l'ordre effrayes du developpement croissant du socialisme dans l'ordre legal qu'ils ont cree et forces de recourir aux mesures d'exception contre les menees revolutionnaires et le droit de coalition." (Edouard Vaillant an Engels, 16. April1895.) 75 Engels an Karl Kautsky, 21 . Mai 1895. 76 Siehe dazu zuletzt Engels an Laura Lafargue, 17. April1895. 77 Siehe Engels an Karl Kautsky, 25. März 1895. 71

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Kräfteverhältnisse in den Industriestaaten seit 1848 die große gesellschaftliche Umwälzung von Barrikaden- und Pulverrauchromantik zu befreien. Ungeachtet dessen erfuhr dieser Text aber nicht nur eine Überhöhung ins Strategische, er wurde auch wissenschaftspolitisch zurechtgemacht; in den MEW wird in Anlehnung an die Moskauer M3C® behauptet, "es bedurfte einer groben Fälschung, um dieses Dokument im reformistischen Sinne auszulegen, wie es nach Engels' Tod Bernstein und andere Vertreter des Revisionismus und Opportunismus taten"78 . Die "grobe Fälschung" wird allerdings nicht mitgeteilt, wenn damit nicht gemeint sein soll, Bernstein & Co "enthielten dem Leser den Text der Einleitung in seiner vollständigen Fassung vor". Dann aber hätte Engels selbst die "grobe Fälschung" sanktioniert, denn er hatte die Änderungswünsche Richard Fischers akzeptiert, wenn auch nicht ohne Bedauern.79 Offensichtlich aber hielten die sowjetischen Herausgeber und in ihrem Gefolge dann die Redaktion der MEW auch die Ausführungen , wie sie in der "Neuen Zeit" und der Broschüre selbst erschienen, für so bedenklich, daß sie abweichend von ihrer sonstigen Praxis den Text mitsamt den von Engels gestrichenen Passagen veröffentlichten, was sie bei der "Einleitung zu Karl Marx' ,Bürgerkrieg in Frankreich"' im selben Band noch unterlassen hatten, obwohl, wie gezeigt, auch dort Fischer den Autor zu einigen Abmilderungen veranlaßte. Die weitere annotierte Behauptung, Bernstein hätte diesen Text als Rechtfertigung für seine "Abkehr vom Marxismus" benutzt, muß zumindest relativiert werden. Zum einen hat Bernstein in seinen "Voraussetzungen des Sozialismus", der Programmschrift des Revisionismus, Engels' "Einleitung" kritisiert, sie habe Marx' prinzipiellen Irrtum, nämlich in der "Erzeugung der Konterrevolution" den "revolutionären Fortschritt" zu sehen, gerade nicht aufgedeckt. 80 Zum anderen war es nicht Bernstein, sondern Kautsky - im Kanon des Leninismus für diese Zeit ja noch echter Marxist -, der in ihrer internen Diskussion über die gerade laufende Artikelserie "Probleme des Sozialismus" feststellte: "Daß wir kein Interesse an dem baldigen oder überhaupt an dem Kommen einer Revolution haben, das hat ja Engels schon in seiner Einleitung zu den ,Kiassenkämpfen' gesagt, ich schon früher (Revolution u. Anarchismus, N. Z. XII, 2, S. 402), ohne daß jemand dagegen protestirt hätte; dieser Standpunkt gilt heute allgemein in der Partei."81 Der schiere Zufall, der die "Einleitung" zu Engels' letztem größeren Text machte, hat sicher dazu beigetragen, daß er so prominent in die Mühlen ideo78 MEW 22. S. 644/645, Anm. 433. (M3C® 22. S. 676/677, Anm . 508.) 79 "Mein Text hat einiges gelitten unter umsturzvorlagenfurchtsamlichen Bedenken unsrer Berliner Freunde, denen ich unter den Umständen wohl Rechnung tragen mußte." (Engels an Karl Kautsky, 25. März 1895.) 80 Eduard Bernstein: Die Voraussetzung des Sozialismus und die Aufgaben der Sozialdemokratie. EingeL von Dieter Schuster. 5. Aufl. Berlin, Bonn-Bad Godesberg 1973.

S . 67. 81 Karl Kautsky an Eduard Bernstein, 26. Februar 1898. ln: Bernstein-Kautsky-Briefwechsel. S. 570/571 .

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logischer Auseinandersetzungen über rund ein Jahrhundert geraten ist. Seine Kernaussage, daß der Barrikadenkampf eine Zeiterscheinung der Revolutionsepoche von 1789 bis 1848 war, wurde seither bestätigt, wie es mangels konkreter Beispiele unbestätigt blieb, daß die Erringung der Mehrheit der Arbeiter in Stadt und Land zu einer sozialistischen Umwälzung führen werde, ohne daß notwendig Blut fließen müsse. Die bislang betrachteten Dokumente zeigen Friedrich Engels als Autor politischer Schriften. Aus diesem Rahmen fällt eine Arbeit, mit der er sich rund ein Jahrhundert, bevor dieser Begriff Karriere machte, als Kulturwissenschaftler präsentiert: Seine .,lntroduction to the English edition (1892) of ,Socialism: utopian and scientific"', die er selbst für die .,Neue Zeit" übersetzte, betrachtet die Abneigung des englischen Bürgertums gegen den Materialismus im Zusammenhang mit der Philanthropie als Ausdruck von Religiosität zwecks Dämpfung der Klassengegensätze. Um den Standpunkt des .,historischen Materialismus" genauer darzulegen, greift Engels in seiner .,Einleitung" für die englischen Leser auf eine frühere theoriegeschichtliche Rekonstruktion des neuzeitlichen Materialismus von Marx zurück (S. 111-113), die ihrem gemeinsamen Werk .,Die heilige Familie", das heißt der noch stark von Feuerbach geprägten Entstehungsphase ihres geschichtsmaterialistischen Ansatzes entstammt. Marx hatte den neuzeitlichen Materialismus darin als den .,eingeborene[n] Sohn Großbritanniens" bezeichnet. Die Marxsche Textpassage fortsetzend, geht der Autor auf die weitere Entwicklung bis zur Gegenwart ein, wobei er in Kritik des zeitgenössischen Agnostizismus - und auch Neukantianismus - seinen eigenen materialistischen Standpunkt darlegt, wie er ihn bestimmter in .,Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft (Anti-Dühring)" sowie der .,Dialektik der Natur" entwickelt hatte. Als Ergebnis und Vermächtnis der englischen Revolution im 17. Jahrhundert sieht er einen Kompromiß der neuen, nach der Konfiszierung und Neuverteilung der katholischen Kirchengüter entstandenen Aristokratie mit der Finanzund lndustriebourgeoisie. Mit Hilfe ihrer durch die industrielle Revolution enorm gestiegenen wirtschaftlichen Macht habe die Bourgeoisie dann den verbliebenen Einfluß der Aristokratie weiter beschnitten, aber nie die ungeteilte Herrschaft ausgeübt, weil, so Engels, sie ungebildet sei: .,Ja bis heute ist die englische Bourgeoisie so tief durchdrungen vom Gefühl ihrer eignen gesellschaftlichen Inferiorität, daß sie auf ihre eignen und des Volkes Kosten eine Zierkaste von Faulenzern unterhält, die die Nation bei allen Prunkgelegenheiten würdig repräsentiren muß" (S. 145). Mit der Zurückdrängung der Aristokratie mittels des Parlamentarismus habe aber die Bourgeoisie auch dem Volk, insbesondere den Arbeitern, Einfluß einräumen müssen, suche diese aber jetzt durch moralische Mittel im Zaum zu halten, deren wichtigstes die Religion sei: .,Daher stammen die Pfaffenmajoritäten in den Schulbehörden, daher die wachsende Selbstbesteuerung der Bourgeoisie für alle möglichen Sorten frommer Demagogie, vom Ritualismus bis zur Heilsarmee." (S. 146.)

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Und nun, mit der Ausbreitung des Sozialismus unter den Arbeitern des Kontinents, kam "der Triumph des britischen respektablen Philisteriums über die Freigeisterei und religiöse Indifferenz des kontinentalen Bourgeois" (S. 146), der als letzte Hilfsquelle gegen diese Entwicklung die Religiosität neu entdeckte: "Französische Bourgeois wiesen am Freitag Fleisch zurück, und deutsche Bourgeois schwitzten in ihren Kirchenstühlen ganze endlose protestantische Predigten durch." (S. 147.) Diese geistesgeschichtliche Tour d'horizon steckt zudem voller geradezu Marxscher Apercus, etwa wenn es um den Materialismus des Agnostikers geht: "[ . .. ] soweit er etwas weiß, soweit ist er Materialist; außerhalb seiner Wissenschaft, auf Gebieten, wo er nicht zu Hause ist, übersetzt er seine Unwissenheit ins Griechische und nennt sie Agnostizismus" (S. 135). Die Texte aus dem diesen Band bestimmenden Zeitraum, der eher nach editorischer Plausibilität als inhaltlich-historischer Zäsur definiert wurde, zeigen einen Autor, der die gesellschaftspolitischen Schlußfolgerungen aus der historisch-materialistischen Analyse des Kapitalismus durch Marx und ihn selbst Masseneinfluß gewinnen sieht, insbesondere in Gestalt der deutschen Sozialdemokratie. Engels versteht sich hier als Heger und Hüter einer Theorie, die er nie hermetisch, sondern immer historisch, also der Veränderung bedürftig sieht. ln den hier vorgelegten Texten geht es evident nicht ums Zurechtstutzen, sondern um Anregung, die stets vom hohen Respekt vor den Verantwortlichen der einzelnen sozialistischen Parteien gekennzeichnet ist, der wiederum auf der festen Überzeugung fußt, Struktur und Persönlichkeiten dieser Parteien seien adäquater Ausdruck der jeweiligen Arbeiterbewegung. Der Imperativ des "Kommunistischen Manifests", die Kommunisten wollten die Arbeiterbewegung nicht nach ihrem Bilde modeln, ist für Engels ebenso unverändert gültig wie seine Überzeugung, es sei ein Mißverständnis, bei Marx nach fix und fertigen, ein für allemal gültigen Definitionen zu suchen, wie er in seinem "Vorwort" zum dritten Band des "Kapitals" schrieb. 82 Die materialistische Theorie ist für Engels vor allem historisch, also konkret. Das Lob für Kautskys Artikelserie über die Bergarbeiter und den Bauernkrieg in Thüringen - "Deine Artikel [.. .] sind das Beste, was Du noch gemacht, wirkliches, die entscheidenden Punkte erschöpfendes Studium, & zwar auf einfache Erforschungen der Thatsachen, nicht [... ] auf Bestätigung einer vorgefaßten Meinung gerichtet"83 - demonstriert anschaulich sein Selbstverständnis.

82

Siehe Friedrich Engels: Vorwort [zum dritten Band des .Kapitals"]. ln: MEGAa> 11/15.

83

Engels an Karl Kautsky, 15. September 1889.

s. 16.

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Um so mehr aber fallen jene Bereiche auf, in denen Engels seinen Grundsätzen untreu geworden ist. Dies scheint besonders in der Militärpolitik, sozusagen seinem analytisch-theoretischen Alleinstellungsmerkmal, der Fall zu sein. ln der Artikelserie "Kann Europa abrüsten?", in der er ja als Militärexperte ein beinahe tagespolitisches Gutachten lieferte, heißt es unmittelbar nach Erläuterung der These, es gebe "heute kaum ein andres Gebiet, das so revolutionär ist wie das militärische" (S. 217): "Wir brauchen frischere, kühnere Köpfe, und ich müßte mich sehr täuschen, wenn es deren nicht genug gäbe unter unsern fähigsten Offizieren, nicht genug, die sich nicht sehnten nach Befreiung aus der Routine und Kamaschenwirthschaft, die in den zwanzig Friedensjahren wieder üppig emporgewuchert. Aber bis diese den Muth und die Gelegenheit finden, ihre Ueberzeugung gelten zu machen, solange müssen wir andern von draußen her in den Riß treten und unser Möglichstes thun, zu beweisen, daß wir beim Militär auch etwas gelernt haben." (S. 218.) Zunächst einmal bleibt zu konstatieren, daß der "General" offenbar inmitten einer Diskussion um Abrüstung Friedenszeiten als nachteilig für die Qualität einer Armee hält. Vor allem aber fühlt sich der Artillerist, ausgebildet zu Beginn der Regentschaft Friedrich Wilhelms IV., in der Lage, das damals Gelernte auf eine Zeit anzuwenden, in der das erste Großkampfschiffgeschwader in Dienst gestellt und die gesamte Armee nicht nur gewaltig vergrößert, sondern auch hoch technisiert war. Die Haltung, gleichsam unbeschadet der Weltanschauung zu einem erlauchten Expertengremium zu gehören, läßt Engels zu Formulierungen kommen, die er auf anderen Gebieten wohl kaum hingenommen hätte, wie etwa dem "eigenthümliche[n] Reichthum an Offizieren" (S. 222) in Deutschland, oder zum Vorschlag, die zivilversorgungsberechtigten Unteroffiziere dafür zu verwenden, als "Schulmeister" "Turnen und Exerziren" zu lehren, "das wird ihnen und den Jungen gut thun" (S. 220). Dieser Glaube an isolierte Sekundärtugenden bestimmt erkennbar Engels' Anschauung auch dort, wo er die Arbeiterbewegung mit militärischen Metaphern beschreibt, etwa: Die Franzosen eröffnen das Gefecht, die Deutschen stellen das Hauptkorps und entscheiden die Schlacht. Solche Bilder schienen Engels offenbar auch deshalb angemessen, weil er wie eben in einer funktionierenden Armee Binnendifferenzen nicht für möglich hielt, sondern in den zahlreichen scharfen internen Debatten nur Fehlleistungen einzelner erkannte. Allerdings, und hier war auch für Engels die militärische Analogie zu Ende, sah er sich gerade nicht als Oberkommandierender, weil seiner festen Überzeugung nach Theorie und Methode, die er vertrat, nicht zum Kommandieren taugten. So mahnte er nach der Affäre um die Publikation der Marxschen Programmkritik, als der Parteivorstand versuchte, die Auslieferung der entsprechenden Nummer der "Neuen Zeit" zu verhindern: "Ihr - die Partei brauchtdie soz!~!!l?~!l?9~~ Wissenschaft, & diese kann nicht leben ohne Freiheit der Bewegung."84

84

Engels an August Bebel, 1./2. Mai 1891 .

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Zu berücksichtigen bei seinen Einschätzungen der Verhältnisse insbesondere in Deutschland und Österreich-Ungarn ist Engels' doch inzwischen eingeschränkte Vertrautheit mit den ganz konkreten Verhältnissen dieser Länder in seinem letzten Lebensjahrfünft Als er 1893 anläßlich des Züricher Kongresses den Kontinent nach langen Jahren wieder einmal besucht hatte, zeugen seine Briefe von der Überraschung über die dortige Entwicklung: "Aitogether the Continent has undergone a complete revolution since I last saw it. "85 Und gegenüber Sorge resümiert er: "Sonst habe ich Deutschland nach 17jähriger Abwesenheit vollständig revolutionirt gefunden [. .. ] Im Übrigen sind Berlin & Wien neben Paris die schönsten Städte der Welt geworden, London wie New York sind Drecknester dagegen, namentlich London, das uns ganz verwunderlich vorkommt nach unsrer Rückkehr."86 Dieses für einen Materialisten doch nicht unerhebliche Defizit wurde noch verstärkt durch die heimische Herrschaft des "Governors", wie Louise KautskyFreyberger sehr bald nach ihrem Einzug bei Engels als Nachfolgerin der verstorbenen Haushälterin Helena Demuth von Bernstein und Kautsky getauft wurde.87 Der harmlos-herzlichen Schilderung, die Gustav Mayer liefert88 , wird von anderen Quellen recht heftig widersprochen. Die rasche Karriere der Haushälterin und Sekretärin zur Wächterin über den Zugang zu Engels schildern besonders eindringlich Regina und Eduard Bernstein in ihren Briefen an Louises ersten Mann, der seinerseits sich einen "Krieg um den Kriegsnamen'189 mit ihr lieferte, als er ihr nämlich den Vorschlag machte, Louise Kautsky möge in der Österreichischen sozialistischen Presse mit Rücksicht auf seine zweite Frau Luise ihren Geburtsnamen Strasser hinzufügen. Auch wenn man berücksichtigt, daß Karl Kautsky Anfang der 1890er Jahre noch nicht jenen Namen hatte wie etwa nach der Jahrhundertwende, so ließ ein mit "Kautsky, Engels, Freyberger" unterzeichneter Gruß ausgerechnet an die Österreichischen Arbeiter (S. 528) doch nicht sofort an Louise denken und konnte durchaus für Verwechselungen sorgen. Trotzdem lehnte Engels Kautskys Ansinnen vehement ab, wonach sich eine persönliche Auseinandersetzung zwischen ihm und Louise einerseits und Kautsky andererseits entspann, die mit der Ankündigung seiner Exfrau, ihn künftig nur noch zu siezen, und einer nachhaltigen Eintrübung des persönlichen Verhältnisses zwischen Kautsky und Engels endete, was wohl dazu beitrug, daß dieser neben Bernstein Bebel und eben nicht Kautsky zum Erbe seines literarischen Nachlasses machte. 90 Bernstein, als Freund Kautskys und als Vertrauter und ständiger Engels an Laura Lafargue, 18. September 1893. Engels an Friedrich Adolph Sorge, 7. Oktober 1893. 87 Die erste Erwähnung dieses Spitznamens findet sich in Eduard Bernstein an Karl Kautsky, 10. August 1892. JJSG, Nachlaß Karl Kautsky, Sign. DV 215. 88 Siehe Mayer: Friedrich Engels. S. 474/475. 89 So betitelte Kautsky ein Kapitel seiner Ausgabe des Briefwechsels mit Engels. Siehe Karl Kautsky: Aus der Frühzeit des Marxismus. Prag 1935. S. 317-334. 90 Übrigens begann Louise Kautsky-Freyberger im Frühjahr 1895 tatsächlich, ihre Artikel mit "L. F." zu zeichnen. 85

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Umgang von Engels, geriet dabei zuerst zwischen die Fronten und schließlich auch auf Louises Index: "[. .. ] wir wie andere Intime von früher werden ganz sachte hinausgedrängt und, offen gestanden, verlieren wir bei dem jetzigen Zustand der Dinge nicht viel. Es ist doch gar zu traurig mitanzusehen, wie solch Mann wie General sich krümmt und wehrlos wird und all die, die es ehrlich mit ihm meinen, vor den Kopf stößt. Es ist zu traurig, den Verfall aller Energie, aller Selbständigkeit mit ansehen zu müssen bei Einem, den man so hoch hält und lieb hat."91 Zuvor schon war Mary Rosher, die Nichte von Engels' verstorbener Frau Lydia Burns, die er adoptiert hatte, aus dem Haus gewiesen worden 92 , und, wie erwähnt, sogar Eleanor Marx sandte schließlich Alarmbriefe wegen der Herrschaft des "Governors" an ihre Schwester Laura Lafargue in der Furcht, nicht nur Engels entfremdet, sondern sogar um die Manuskripte ihres Vaters betrogen zu werden. Und dies alles geschah keineswegs unbemerkt: "Immerhin läuft hier in London in Kreisen englischer Sozialisten (SDFLeute) schon das Gerücht, daß General Avelings das Haus verboten habe, ,his housekeeper, that Mrs. K~t,J!~~y or Fr~y~~rQ~r does now keep the air clear'."93 Als dann Louise ihre Tochter Louise-Frederica gebar, war zumindest laut Clara Zetkin auf keinen Fall der zuvor mit ihr vermählte Arzt Ludwig Freyberger, sondern wahrscheinlich Bebel der Vater.94 Dieser Verdacht lag nahe, hatte Bebel doch allem Anschein nach eine Affäre mit Louise, im Briefwechsel mit Engels "Hexe" genannt95 , wobei ihm Engels Regina Bernstein an Luise Kautsky, 11 . November 1894. IISG, Nachlaß Karl Kautsky, Sign. DV 298. 92 "Pumps [i. e. Mary Ellen Rosher], an der er so hing, ist aus dem Haus geworfen, sie durfte erst noch in 122 [Regent's Park Road, dem letzten Wohnsitz von Engels in London] nur unten in den Parterreräumen vorsprechen, und da sie dagegen natürlich aufbegehrte, flog sie ganz heraus - denke Gen~r~!s Adoptivtochter!" (Eduard Bernstein an Karl Kautsky, 29. Oktober 1894. IISG, Nachlaß Karl Kautsky, Sign. DV 296.) Hunt führt als Anlaß neben den permanenten Finanzproblemen von Ehemann Percy Rosher Marys Alkoholprobleme an. (Tristam Hunt: The Frock-Coated Communist. The revolutionary life of Friedrich Engels. London 2009. S. 338.) 93 Ebenda. Siehe auch: "Wenn ich Dir sage, daß Freyberger durch Bax und andere [ ...) überall in London (soweit unser Bekanntenkreis oder unsere politischen Beziehungen reichen) verbreiten läßt, daß ,die Avelings vom General an die Luft gesetzt worden sind und daß jetzt, wo die Freybergers für alles zuständig sind, alles anders wird', daß Louise denselben Bericht (mit Verleumdungen meiner Person, die niederzuschreiben ich mich schäme) in ganz Deutschland verbreitet, wird Dir wohl klar, wie sehr die Lage sich zugespitzt hat." (Eieanor Marx an Laura Lafargue, 5. November 1894. ln: Meier: Die Töchter von Karl Marx. S. 280.) 94 Siehe Heinrich Gemkow, Rolf Hecker: Unbekannte Dokumente über Marx' Sohn Frederick Demuth. ln: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung. Berlin. Jg. 36. 1994. H. 4. S. 43-59. Dort wird ein Brief Clara Zetkins an David Borisovic Rjazanov vom 27. Februar 1929 zitiert, in dem die Autorin dies- als weniger wahrscheinlich führt sie noch Engels und Adler an - als Meinung des Ehepaares Bernstein und von Eleanor Marx wiedergibt. 95 Siehe zum Beispiel: "Ich habe mich in Wien noch mehr in sie verliebt, als ich es vorher schon war, und am liebsten liesse ich sie gar nicht mehr fort. [ ...) Am liebsten wäre ich ihr am Schlusse vor versammeltem Kriegsvolk um den Hals gefallen und hätte sie 91

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nach eigenen Angaben nur aus Altersgründen das Feld überließ. 96 Dies verstärkte nicht nur Louises Stellung bei Engels, sondern vertiefte auch sicherlich Engels' Vertrauen zu Bebel und dem seine Haushälterin und Sekretärin ebenfalls verehrenden Victor Adler, so daß Kautsky spotten konnte, seit er sehe, welch bedeutende Männer unter Louises Pantoffel schmachten, fange er an, Respekt vor sich selbst zu bekommen.97 Louise kontrollierte nicht nur insbesondere in den letzten beiden Lebensjahren Engels' Lebensumstände98 , sie wurde auch in schon grotesk übertriebener Weise von ihm gefördert. So ist die Wiener "Arbeiterinnen-Zeitung" "Louises Hyänen-Zeitung", wobei ihre Artikel neben denen von Laura Lafargue und Eleanor Marx nichts weniger als "eine Sensation hervorrufen"99 , Engels versucht, Laura mehrfach für eine weitere Mitarbeit zu gewinnen 100 und führt auch ihren Mann Ludwig Freyberger in seinen Freundeskreis überschwanglich ein: "Er hat den Engländern bereits gezeigt, daß man auf dem Kontinent mehr Medizin lernt als hier." 101 Wie übertrieben diese Einschätzungen waren, zeigte sich sofort nach Engels' Tod, als die Aktivitäten des Ehepaars Freyberger in der internationalen Sozialdemokratie recht schlagartig aufhörten. Mit der Anstellung Louise Kautsky-Freybergers bei Engels ist eine zunehmend einschneidendere Veränderung seiner Privatsphäre verbunden. Unter ihrem Kommando verkümmern seine gesellschaftlichen Kontakte mehr und mehr102 , um so nötiger und wichtiger sind ihm die verbliebenen insbesondere zu Bebel und Adler. abgeküsst. Ich hab's aber später nicht daran fehlen lassen . Dies wieder entre nous." (August Bebelan Engels, 7. September 1892. ln: Babel-Engels-Briefwechsel. S. 581 .) 96 So reagierte Engels selbstironisch auf Bebeis Bemerkung, Louise müsse eine gute Haustrau sein, und er würde vorschlagen, sie unter die Heiligen zu versetzen, wäre er nicht von ihrer Unheiligkeil überzeugt: "Ich bin aber nicht ganz sicher, ob diese Hausträulichkeit nicht mit darauf beruht daß wir zwei nicht verheirathat sind, & sollte dies sich bestätigen, so wäre dies ein Glück für mich von wegen des Umstandes, daß bei unserem Altersunterschied Eheliches & Außereheliches gleichmäßig ausgeschlossen ist & daher nichts übrigbleibt als eben die Hausträulichkeit." (Engels an August Bebel, 2. Februar 1892.) 97 Karl Kautsky an Eduard Bernstein, 14. November 1894. IISG, Nachlaß Karl Kautsky, Sign. C 102. 96 "Kurz, GenE;lr;;t! ist jetzt so gut dressirt, daß er sich selbst in Gegenwart Fremder in einer Weise bei Tisch bevormunden läßt, wie ich es unserem Ernst [Bernsteins Stiefsohn] nicht zumute, wenn wir Gäste haben ." (Eduard Bernstein an Karl Kautsky, 29. Oktober 1894. IISG, Nachlaß Karl Kautsky, Sign. DV 296.) 99 Johanna Meditz kennt diese herausragende Rolle Kautsky-Freybergers in ihrer einschlägigen Dissertation nicht, erwähnt sie lediglich als Mitarbeiterin für die ersten Jahre der Zeitschrift, allerdings als "Luise Kautsky". (Johanna Meditz: Die "Arbeiterinnen-Zeitung" und die Frauenfrage. Ein Beitrag zur Geschichte der Österreichischen Frauenbewegung der Jahre 189Q-1918. Diss., Wien 1979. S. 172.) 100 Siehe Engels an Laura Latargue, 6. Januar 1892, 20. Januar 1892 und 5. März 1892. 101 Engels an Friedrich Adolph Sorge, 23. Februar 1894. 102 Für die Isolation Engels' von einem Teil der englischen Sozialisten macht Hunt vor allem dessen Wertschätzung für Edward Aveling verantwortlich: "ln tact out ot a toolishly misplaced sense ot loyality to the Marx clan, Engels decided to back one ot the most reviled and distrusted characters in British Socialism." So habe Hyndman "re-

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Diese Abschirmung verstärkte seinen ohnehin vorhandenen Respekt vor der konkreten Politik der einzelnen Arbeiterparteien, der zunächst einmal Respekt vor der Eigenständigkeil der Arbeiterbewegung ist. Und er war immer "Feuer und Flamme" dagegen, wenn einer "von der Stube aus Weltgeschichte machen" wolle. Das war so, als Bernstein 1893 die Beendigung des Boykotts der preußischen Landtagswahlen forderte oder als er inmitten der Zuspitzung der innenpolitischen Lage in Österreich-Ungarn durch die fast putschartige Initiative des daraufhin bald abgesetzten Ministerpräsidenten Taaffe für eine weitreichende Wahlreform als Reaktion auf die entsprechende Kampagne der dortigen Partei eine Erörterung über die Nützlichkeit politischer Streiks erwog.1o3 Die konkrete Politik der Sozialisten wird nicht von einem allwissenden Zentrum, sondern von den gewählten jeweiligen Parteivertretern an Ort und Stelle gemacht, davon war Engels überzeugt - und das galt insbesondere für die deutsche Sozialdemokratie, die er in seinen letzten Lebensjahren zeitweilig kurz vor der Erfüllung ihrer welthistorischen Mission sah, die kapitalistische Gesellschaft umzuwälzen. ln dieser Überzeugung kehrt Engels in seinem letzten Lebensjahrfünft gleichsam nach Deutschland zurück, ist die deutsche auch seine Partei. Jene Umwälzung aber sah er in den hier vorgelegten Beiträgen als Ergebnis von Aufklärung über die wahren Verhältnisse. Tempo und Dynamik dieser Aufklärung überschätzte er auch und besonders für Deutschland zweifelsohne. Die rasante ökonomische Entwicklung des Landes wie die konkrete Gestalt der ebenso rasant gewachsenen Sozialdemokratie waren ihm nicht vollständig bekannt, deshalb taugte er nicht als Prophet. Daß Revolutionen blutig sein müssen, galt ihm als überholt, wo es um die klassischen Formen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ging. Und daß die Verluste gescheiterter Kämpfe die Anzahlung auf kommende Siege sein könnten, ist seinem Denken ebenso peatedly used his SDF paper, Justice, to attack the lofty detached Engels and his ,Marxist clique' for failing to support him, the SDF and a unified socialist party in Britain". Engels wiederum sei überzeugt gewesen, "that behind Hyndman's socialist veneer there lurked an old-fashioned Tory chauvinist" (Tristam Hunt: The FrockCoated Communist. The revolutionary life of Friedrich Engels. London 2009. S. 326.) 103 Siehe: ,.Der (i. e. Engels] aber ist Feuer und Flamme dagegen, daß ich den Artikel schreibe. Victor habe in Wien schon große Noth, die Leute von unüberlegtem Proklamiren des großen Streiks abzuhalten, nur mit Mühe sei es ihm gelungen, den Beschluß darüber zu vertagen, und wie ich auch den Artikel fassen würde, selbst die bedingte Anerkennung des Gen~r~!-Streik würde von den Heißsporns in Wien gegen Victors Ermahnungen ausgenutzt werden. Jedenfalls solle ich die Hand vom Spiel lassen; obwohl er auch Dir sehr abrathen würde, den Artikel zu schreiben, seiest Du doch wenigst~Q~ der Sache näher. Ich aber hätte schon durch den LandtagswahlArtikel meinem Ansehen sehr geschadet, käme ich nun gar noch mit dem Gen~r~!­ Streik bezj~~!,Jr:J9~W~!~~ dem politischen Streik, so sei es gar gefehlt - ich würde in den Geruch eines Spintisirers kommen, der von der Stube aus Weltgeschichte machen wollte etc. etc. Du weißt ja, wie General in solchen Sachen ist." (Eduard Bernstein an Karl Kautsky, 4. November 1893. IISG, Nachlaß Karl Kautsky, Sign. DV 259.)

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fremd wie die Vorstellung, Sozialismus sei ein System der Mangelverwaltung und nur mit einem ubiquitär wuchernden Staatsapparat zu haben. Die dogmatische Kanonisierung zu einem der unantastbaren Marxismuspäpste wurde gerade seiner facettenreichen Persönlichkeit in keiner Weise gerecht. Sicherlich war Engels die Erschließung des Marxschen Erbes und seine adäquate Präsentation ein wichtiges Anliegen. Aber er paßt nicht in das Schema des grobschlächtigen Popularisators der Marxschen Theorie, sondern bemühte sich gerade in seinen letzten Lebensjahren insbesondere in den einschlägigen Briefen rund um den von ihm eingeführten Begriff des "negativ Ökonomischen" um die Weiterentwicklung des historischen Materialismus. 104 Der "General" wollte nie der Oberkommandierende der Theorie sein und war es tatsächlich auch nicht. Jenseits aller Ikonographie zeigt sich in diesem Band ein politischer Schriftsteller von weiter Bildung und Kenntnis, der bestrebt ist, im besten Sinne immer radikal, an die Wurzel gehend, zu denken 105 - und zu formulieren. Denn nicht zuletzt ist Friedrich Engels ein Stilist von hohen Graden, dessen Gedanken niemals in phrasenhafter Form daherkommen - nicht unwichtig in einer Gegenwart, in der Sozialismus nach 70jähriger Herrschaft des MarxismusLeninismus mit realitätsferner, formelhafter Sprache konnotiert wird. Wenn er etwas auszusetzen habe an dessen "Lessing-Legende", speziell an den Ausführungen über den historischen Materialismus, gab Engels Franz Mehring am 14. Juli 1893 zu bedenken, dann sei es, daß er ihm mehr Verdienst zuschreibe als ihm zukomme: "Wenn man das Glück hatte, vierzig Jahre lang mit einem Mann wie Marx zusammen zu arbeiten, so wird man bei dessen Lebzeiten gewöhnlich nicht so anerkannt, wie man es zu verdienen glaubt; stirbt dann der Größere, so wird der Geringere leicht überschätzt - & das scheint mir grade jetzt mein Fall zu sein; die Geschichte wird das alles schließlich in Ordnung bringen, & bis dahin ist man glücklich um die Ecke & weiß nichts mehr von nichts."106

Siehe die anregenden Thesen von Altred Schmidt: Historischer Materialismus in den späten Arbeiten von Engels. ln: Friedrich Engels 1820-1970. S. 221-224. 105 Oder in Gustav Mayers Worten: "Seine ökonomische Geschichtsbetrachtung befähigte ihn, durch die politische Haut hindurch auch den sozialen Blutkreislauf und das ökonomische Knochengerüst des neuen Reichs zu beobachten ." (Mayer: Friedrich Engels. S. 265.) 106 Engels an Franz Mehring, 14. Juli 1893. 104

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Editorische Hinweise Der vorliegende Band ist nach den seit 1993 geltenden Editionsrichtlinien der MEGA@ bearbeitet worden. Der Edierte Text folgt den in den Zeugenbeschreibungen genannten Textgrundlagen. Die Dokumente des Bandes sind chronologisch nach dem Zeitpunkt ihrer Abfassung geordnet. Eine Vereinheitlichung oder Modernisierung der Orthographie wurde nicht vorgenommen. Eindeutige Schreibversehen oder fehlende Satzzeichen wurden nur korrigiert, wenn es für das Textverständnis erforderlich ist. Alle derartigen Veränderungen werden im Korrekturenverzeichnis mitgeteilt. Gebräuchliche Abkürzungen werden beibehalten. Schreibverkürzungen und nicht übliche Abkürzungen in den handschriftlichen Vorlagen werden ausgeschrieben und durch Unterpunktieren gekennzeichnet. Das von Engels häufig verwendete "&" für "und" wurde mit "und" wiedergegeben. Notwendige redaktionelle Textergänzungen sind in der Herausgeberschrift (Helvetica) gedruckt und in eckige Klammern eingeschlossen. Der Band enthält auch Texte, die der Form nach von Engels als Briefe verfaßt wurden. Ihre Aufnahme geschah unter der Voraussetzung, daß sie entweder für eine Veröffentlichung gedacht waren oder durch Adressaten und Inhalt den Charakter eines offiziellen Schreibens besitzen. Am augenfälligsten wird das an den zahlreichen Grußbotschaften und an Engels' "Kritik des sozialdemokratischen Programmentwurfs 1891". Es wurden nur solche Gesprächsaufzeichnungen als Auszüge ausgewählt, die zeitnah (1895) veröffentlicht worden sind, wobei ein Kriterium für die Aufnahme war, daß der Textzeuge in einem bestimmten Umfang direkte Äußerungen von Engels wiedergibt. Übersetzungen der Arbeiten von Marx und Engels durch dritte Personen wurden in den Anhang aufgenommen, wenn neben Engels' Zustimmung zur Veröffentlichung eine intensive Prüfung des Manuskripts oder der Korrekturabzüge und eine daraus resultierende Einflußnahme auf den Übersetzungstext nachweisbar war, was zumindest einen Vergleich der Übersetzung mit dem Originaltext einschloß. Erstmals konnten Sachverhalte ermittelt werden, die zur Aufnahme einer deutschen Übersetzung von "La situation en ltalie" berechtigten. Bei zwei Übersetzungen (S. 401 und 494) wird auf die entsprechenden MEGA@·Bände verwiesen, in denen die Texte ediert beziehungsweise über Vergleichsverzeichnisse erschlossen sind. Alle von einem Dokument überlieferten autorisierten Textzeugen werden zugänglich gemacht. Entweder bilden sie die Grundlage für den Edierten Text, oder sie sind - in den abweichenden Stellen - in den Variantenverzeichnissen wiedergegeben. Bei den Texten, von denen sowohl autorisierte Handschriften als auch autorisierte Drucke überliefert sind, gestatteten die textkritischen Analysen in der Regel, den Druck als Textgrundlage zu bestimmen. Wohingegen bei dem Artikel "Le socialisme en Allemagne" und der "Einleitung (1895) zu Karl Marx' ,Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850"' die Handschriften als Textgrundlage dienten.

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Einführung Ein Verzeichnis nicht überlieferter Arbeiten informiert über die Artikel von Engels aus dem Zeitraum von März 1891 bis zu seinem Tode am 5. August 1895, die entweder nur geplant waren oder aber nicht überliefert sind. (S. 1445-1447.) Um die Mitarbeit von Engels an verschiedenen Publikationsorganen der internationalen Arbeiterbewegung zusammenhängend darstellen zu können, enthält der Band im Anschluß an die Einführung dazu eine verallgemeinernde Darstellung. Für entstehungsgeschichtlich nicht voneinander zu trennende editorische Einheiten wurden Sammeltextgeschichten verfaßt, die dem Apparat der jeweils ersten Arbeit vorangestellt sind. Der wissenschaftliche Apparat zu den einzelnen Dokumenten besteht aus der Entstehung und Überlieferung (einschließlich Zeugenbeschreibung), dem Varianten- und Korrekturenverzeichnis, den Erläuterungen und- bei den edierten Übersetzungen - aus dem Verzeichnis von Abweichungen der Übersetzung von der ursprünglichen Fassung. Das Variantenverzeichnis enthält von Engels vorgenommene Veränderungen. Die Varianten treten auf als Textreduzierungen, Textergänzungen (Einfügungen, Zusätze), Textersetzungen, Textumstellungen und Textabbrechungen und werden mit diakritischen Zeichen dargestellt (siehe das Verzeichnis der Abkürzungen, Siglen und Zeichen). Bei den edierten Übersetzungen werden nur solche Erläuterungen geboten, die sich aus dem Charakter der Übersetzung ergeben oder als Brücken zum Namen- beziehungsweise Literaturregister gedacht sind. Der Erschließung des Bandes dienen die Register und Verzeichnisse. Das Namenregister erfaßt alle direkt oder indirekt genannten Personen, wobei literarische und mythologische Figuren und ebenso Firmen und Verlage einbezogen sind. Alle von der authentischen Form abweichenden Schreibweisen im Edierten Text werden in runden Klammern hinzugefügt. Die Annotationen im Namenregister werden im wesentlichen auf den Zeitraum des Bandes beschränkt. Das Literaturregister enthält die Literatur (Bücher, Broschüren, Zeitschriftenaufsätze, Zeitungsartikel, Gesetze usw.), die direkt oder indirekt zitiert oder erwähnt wird. Das Verzeichnis der im Apparat ausgewerteten Quellen und der benutzten Literatur faßt sowohl zeitgenössische als auch Forschungsliteratur zusammen. Das Sachregister umfaßt die Begriffe, die den wesentlichen Inhalt der Texte widerspiegeln, wobei die Schlagworte in der Regel dem Edierten Text entnommen sind oder sich weitgehend an diesen anlehnen. Der vorliegende Band war zunächst von 1986 bis 1993 von Herbert Schwab, Peer Kösling, Ursula Becker, Eva Blaha (t). Kurt Kozianka, Sandy Möser, Jürgen Nitsche und Frank Skorsetz an der Friedrich-Schiller-Universität Jena vorbereitet worden. Seine Fertigstellung erfolgte nach mehrjähriger Unterbrechung an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Dabei wurden von Peer Kösling die vorhandenen Vorarbeiten gemäß den revidierten Editionsrichtlinien grundlegend überarbeitet, wesentlich ergänzt und durch neue Forschungsergebnisse bereichert. Das von ihm vorgelegte Gesamtkonvolut begutachteten und überarbeiteten Manfred Neuhaus, Claudia Reiche! und Hanno Strauß. Bei der darauf fußenden Endredaktion und den erforder-

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Einführung

Iichen Korrekturdurchsichten aller Teile des Bandes wurden sie von Gerald Hubmann, Uwe de Ia Motte, Richard Sperl (Berlin), Till Schelz-Brandenburg (Bremen) und Christine Weckwerth durch spezielle Expertisen und die Prüfung einzelner Kommentarteile unterstützt. Henriette Nötzoldt übernahm die satztechnische Aufbereitung des Textes, Daniel Neuhaus (Leipzig) die von Apparat und Registern. Für die Digitalisierung von Text- und Apparatentwürfen, Korrekturdurchsichten, Kollationierungen und Recherchen ist Ursula Albert (Leipzig), Silke Brosinski, Rosemarie Giese und Claudia Nießler-Baumgart (alle Berlin) zu danken. Mit konstruktiven Vorschlägen, kritischen Kommentaren , Übersetzungshilfen und durch Materialbeschaffungen unterstützten die Editionsarbeiten Wolfgang Meiser (Berlin), Marlis Wisniewski, Gerlinde Schilicke und Andrea Schubert (alle Jena), Vera Morozova (t) und Natalija Kondrasova (beide Moskau), Hans-Dieter Krause (Berlin), Philippe Blanchet und Danielle Wache (Paris) für die französischen, Nigel Price (Nottingham) und Thomas Schweibold (Berlin) für die englischen, Beatrice de Gerloni (Trient) für die italienischen Texte, Sonja Borrmann-Brevis (Jena) für den spanischen, Zita Hunger (Leipzig) für den tschechischen und Blagovesta Kassabova (Berlin) für den bulgarischen Text. Ebenfalls zu danken ist Detlev Jena und Erhard Lange (beide Jena), Hans-Peter Harstick (Braunschweig), Hansulrich Labuske (t), Götz Langkau (Amsterdam), Renate Merkei-Melis, Waldtraut Opitz (beide Berlin) und Willi Tonn (Merseburg). Wichtige Auskünfte erteilten Joyce M. Bellamy (Hull), Gerd Gallesen (Kopenhagen, Wien), Svetlana Gavril'cenko (Moskau), lrina Kurbatova (St. Petersburg), Ljudmila Vasina (Moskau), Wolfgang Maderthauer (Wien), Aurelio Martin Najera (Madrid) und Herbert Steiner (Wien). Wertvolle Unterstützung gewährten die Friedrich-Schiller-Universität Jena, das lnternationaal lnstituut voor Sociale Geschiedenis Amsterdam, das Rossijskij gosudarstvennyj archiv social'no-politiceskoj istorii Moskau und die Bibliothek der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften . Ferner seien folgende Einrichtungen dankend erwähnt: Thüringische Universitäts- und Landesbibliothek Jena, Arbeiderbevegelsens Arkiv og Bibliotek (Oslo), Arbejderbevaegelsens Bibliotek of Arkiv (Kopenhagen), Arbetarrörelsens Arkiv och Bibliotek (Stockholm), Archiv des Vereins für Geschichte der Arbeiterbewegung (Wien), Fundacion Pablo lglesias (Madrid), Orszagos Szechenyj Könyvtar (Budapest), Österreichische Nationalbibliothek (Wien), Österreichisches Staatsarchiv (Wien), Schweizerisches Staatsarchiv (Zürich), Staatsarchiv Hamburg, Stadtarchiv Darmstadt, Statni Vedecka Knihovna (Oiomouc), Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin, Universitäts- und Stadtbibliothek Köln und die Zentralbibliothek Zürich. Die Arbeit an dem Band wurde 2009 abgeschlossen.

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Der Publizist Friedrich Engels und seine Foren März 1891 bis August 1895

Die Neue Zeit Unter allen Zeitschriften des europäischen Sozialismus zu Ende des 19. Jahrhunderts hatte die "Neue Zeit" eine herausragende Bedeutung: Sie war sein intellektuelles Forum geworden (Schelz-Brandenburg: "Die Neue Zeit" - Einleitung. Online-Edition der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, http://library. fes.de/nz/nz-intro.html), ihr geistiger, wenn auch nicht ökonomischer Gründer und Mentor (zur Gründungsgeschichte siehe Schelz-Brandenburg: Bernstein und Kautsky. S. 20-60), Karl Kautsky, hatte das Kunststück fertig gebracht, die Zeitschrift nicht nur unbeschadet über die Zeit des Sozialistengesetzes zu bringen, sondern auch schon 1885 Friedrich Engels als Autor zu gewinnen (siehe Friedrich Engels: Marx und Rodbertus. ln: Die Neue Zeit. Jg. 3. 1885. S. 1-10, ein Vorabdruck seiner Vorrede zu Karl Marx: Das Elend der Philosophie. Stuttgart 1885. S. V-XXII) - immerhin fünf Jahre, bevor Eduard Bernstein Mitarbeiter der Zeitschrift wurde. (C. Ockney [Eduard Bernstein]: Der gegenwärtige Stand der englischen Arbeiterbewegung. ln: Die Neue Zeit. Jg. 8. 1890. S. 1-11 .) Damit war nicht nur Engels' ursprüngliche Ablehnung einer Mitarbeit -"Es ist mir[ ... ] platterdings unmöglich, an Ihrer Zeitschrift, der ich sonst alles Gedeihen wünsche, mich zu betheiligen" (Engels an Karl Kautsky, 15. November 1882) - aufgehoben; Engels wurde im hier in Rede stehenden Zeitraum durchaus zu einem festen freien Mitarbeiter der Zeitschrift: Bis auf die im "Vorwärts" veröffentlichte Artikelserie "Kann Europa abrüsten?" finden sich die wichtigsten Texte aus seinen letzten fünf Lebensjahren sämtlich in der "Neuen Zeit". Engels hatte seine Mitarbeit an der Zeitschrift von zwei Bedingungen abhängig gemacht: Zum einen erlaubte er keinerlei Änderungen an seinen Artikeln ohne ausdrückliche Zustimmung; zum anderen sollten anfallende Honorare der Parteikasse zugute kommen. Ab Januar 1892 wurde der zweite Punkt noch modifiziert. Nach einer Vereinbarung mit Engels übermittelte Dietz von nun an die Honorare für alle in seinem Verlag veröffentlichten Arbeiten von Engels, einschließlich der "Neuen Zeit"-Artikel, an Victor Adler nach Wien (siehe Engels an Karl Kautsky, 26. Januar 1892, an Victor Adler, 19. Februar und 19. Mai 1892).

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Aber nicht nur quantitativ, auch qualitativ hatte sich die Beziehung von Engels zur Zeitschrift verändert: Anfangs fungierte er noch als Unterstützer für das Blatt und seinen Redakteur, was sich am deutlichsten wohl im gemeinsamen, anonym erschienenen Aufsatz "Juristen-Sozialismus" ([Friedrich Engels, Karl Kautsky]: Juristen-Sozialismus. ln: Die Neue Zeit. Jg. 5. 1887. S. 49-62; MEGA® 1/31. S. 397-413 und 1147-1157) dokumentiert. Spätestens nach der sehr umstrittenen Publikation von Marx' "Kritik des Gothaer Programms" (siehe dazu S. 555/556) nutzte Engels die "Neue Zeit" als Forum, wodurch er die singuläre Position dieses Periodikums als Theorieorgan des europäischen Sozialismus ausnutzte wie stärkte. Dabei verfügte er schließlich ganz selbstverständlich über das Blatt. So wurde Redakteur Kautsky von ihm erst nach der Veröffentlichung im "Vorwärts", er werde seine Position zur Bauernfrage in der "Neuen Zeit" darlegen, direkt darüber informiert: "Bei Ankunft dieses wirst Du vielleicht schon aus dem Vorwärts ersehn haben, daß ich zu einem Bauernartikel genöthigt bin, den ich grade schreibe & den ich die Ehre haben werde Dir baldigst zur Verfügung zu stellen." (Engels an Kautsky, 15. November 1894. Siehe auch S. 1168.) Wie privilegiert die "Neue Zeit" bei Engels schließlich war, zeigt die Veröffentlichung des dritten Bandes des "Kapitals". Um die Erstrezension in der "Neuen Zeit" zu ermöglichen, sagte Engels schon ein knappes Jahr vor dem Erscheinen die Aushängebögen des Manuskripts zu (Eduard Bernstein an Karl und Luise Kautsky, 7. Januar 1894. IISG , Nachlaß Karl Kautsky, Sign. DV 272), als noch nicht einmal entschieden war, ob Bernstein oder Kautsky die Besprechung schreiben würde. Und er war offensichtlich Leser des umfangreichen Rezensionsmanuskripts von Bernstein (Ed[uard] Bernstein: Der dritte Band des ,Kapital'. ln: Die Neue Zeit. Jg. 13. 1894/1895. Bd. 1. S. 333-338, 364-371, 388-398, 426-432, 485-492, 516-524 und 624-632), der sich bei unklaren Fragen gern rückversicherte . So war sich Bernstein nicht im Klaren, ob seine Schlußbemerkung zur zweiten Folge seiner Rezension korrekt war und wollte deshalb Engels den Text vorlegen (Eduard Bernstein an Karl Kautsky, 23. Dezember 1894. IISG, Nachlaß Karl Kautsky, Sign. DV 311), der aber offenbar nichts daran auszusetzen hatte (siehe Eduard Bernstein an Karl Kautsky, 26. Dezember 1894. Ebenda, DV 305). Das oft zitierte Urteil von Engels, Bernsteins Artikelserie sei "sehr konfus" gewesen (Engels an Victor Adler, 16. März 1895), hat er jedenfalls weder Bernstein selbst noch Kautsky mitgeteilt; außerdem ist es vor dem Hintergrund zu relativieren, daß Engels in diesem Schreiben Adler Lesetips für dessen erstmalige Lektüre der Bände II und 111 des "Kapitals" gab. Im Zeitraum von März 1891 bis August 1895 erschienen von Engels in der Zeitschrift acht wissenschaftliche Abhandlungen, von denen er vier direkt für das Blatt schrieb (S. 88-100, 130-148 und 189-192) beziehungsweise als erweiterte Übersetzung (S. 767) veröffentlichte. Auch die Übernahme der Einleitungen zu Neuausgaben früherer Schriften von Marx und ihm selbst (S. 3-16, 30-40, 88-100 und 330-351) durch die "Neue Zeit" erfolgte in enger und teilweise früher Abstimmung zwischen Kautsky und Engels.

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Hinzu kamen zwei das "Kapital" betreffende Notizen (S. 267 und 328; MEGA~ 11/14. S. 347) von Engels sowie ein Vorabdruck zweier Kapitel aus dem von ihm bearbeiteten dritten Band des "Kapital" (MEGA~ 11/14. S. 811 ).

Darüber hinaus plante Engels, in der "Neuen Zeit" auch noch Ergänzungen und Nachträge zum dritten Band des "Kapitals" in Form von zwei Artikeln zu veröffentlichen (Engels an Karl Kautsky, 21 . Mai 1895), konnte dieses Vorhaben jedoch nur noch zum Teil verwirklichen. Der erste Artikel, "Wertgesetz und Profitrate", erschien kurz nach seinem Tod unter dem Titel "Fr. Engels' letzte Arbeit. Ergänzung und Nachtrag zum dritten Buch des ,Kapital'." (ln: Die Neue Zeit. Jg. 14. 1895/1896. Bd. 1. S. 6-11 und 37-44; MEGA~ 11/14. S. 323-340), vom zweiten existiert nur eine Disposition mit dem Titel "Die Börse. Nachträgliche Anmerkungen zum dritten Band des ,Kapital"' (MEGA~ 11/14. S. 262-264); nach Auskunft Bernsteins sollte sich diese Arbeit vor allem mit den Termingeschäften befassen. ([Eduard Bernstein:] "Vorbemerkung." [zu: Fr. Engels' letzte Arbeit: . .. ]. ln: Die Neue Zeit. Jg. 14. 1895/1896. Bd. 1. S. 5.) Auch wenn die Zeitschrift die unmittelbar nach dem Ende des Sozialistengesetzes und ihrer Umstellung auf eine wöchentliche Erscheinungsweise erreichte Auflagenhöhe von rund 10 000 Exemplaren (Karl Kautsky an Engels, 21. Dezember 1890. ln: Engels-Kautsky Briefwechsel. S. 267; Karl Kautsky an Victor Adler, 29. November 1890. ln: Victor-Adler-Brietwechsel. S. 65) wieder verlor- sie halbierte sich bis 1896 (Schelz-Brandenburg: Bernstein und Kautsky. S. 285) -, so stieg sie dennoch zum herausragenden Diskussionsforum der sozialistischen Intelligenz Europas auf. Auch nach Engels' Tod blieb sie zunächst das Periodikum für Veröffentlichungen aus seinem und Marx' Nachlaß (Schelz-Brandenburg: Die Neue Zeit als Publikationsforum für Schriften von Marx und Engels- eine Skizze. S. 95-105), bis die Auseinandersetzungen der Revisionismus-Debatte auch die literarischen Nachlaßverwalter heillos zerstritt, womit die "Neue Zeit" gleichzeitig ihre Stellung als führendes Theorieorgan des internationalen Sozialismus verlor. Zeit seines Lebens aber konnte Engels beliebig über den Raum des Blattes verfügen, Konflikte mit dem Redakteur, der sich ja als sein Schüler verstand, tauchten im Unterschied zur Situation beim "Vorwärts" nie auf.

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Vorwärts. Berliner Volksblatt Außer in der "Neuen Zeit" wurden noch im Zentralorgan der deutschen Sozialdemokratie, dem "Vorwärts", Originalbeiträge von Friedrich Engels veröffentlicht. Die nach dem Ende des Sozialistengesetzes wiedergegründete Zeitung war schon von ihrer Erscheinungsweise her in erster Linie der Aktualität verpflichtet, was noch verstärkt wurde durch die Zusatzaufgabe, auch als Berliner Lokalblatt der Partei zu fungieren, wie das der Nebentitel beschreibt. Der "Vorwärts" erschien seit dem 1. Januar 1891 täglich außer montags mit manchmal zwei und selten drei Beilagen. Die einzelnen Nummern und die Beilagen umfaßten in der Regel vier Seiten. Der SPD gelang es nicht, die Auflagenhöhe des Blattes entscheidend zu steigern. So erhöhte sich die Zahl der Abonnenten nicht wesentlich von 41 000 (1891) auf 50 000 (1895), und außerhalb Berlins wurde die Zeitung nur von wenigen Sozialdemokraten gelesen. Engels erhielt regelmäßig ein Exemplar der Zeitung. Selbstverständlich hatte Engels keinerlei Schwierigkeiten, hier Artikel unterzubringen, auch wenn er politisch und journalistisch nach anfänglichem Optimismus (Engels an Wilhelm Liebknecht, 7. Oktober 1890) schnell ein scharfer Kritiker des Chefredakteurs Liebknecht wurde (Engels an Friedrich Adolph Sorge, 4. März 1891, und Engels an Victor Adler, 14. Dezember 1894), womit er sich in Gesellschaft etwa Bebels, Kautskys und Bernsteins befand. Doch der "Vorwärts" als Zentralorgan jener Partei, in die Engels so viel Hoffnung setzte, war bei aller Kritik an Ausrichtung und Aufmachung selbstverständlich nicht zu ignorieren. Von den 19 Engels-Texten, die im "Vorwärts" vom März 1891 bis zu seinem Tod veröffentlicht wurden, sind sieben direkt für die Zeitung geschrieben: "Carl Schorlemmer" (S. 149-151), "Die amerikanische Präsidentenwahl" (S. 176178), "Zum jüngsten Pariser Polizeistreich" (S. 196/197), "Vom italienischen Panama" (S. 198-204), "Kann Europa abrüsten?" (S. 209-233), "An die Redaktion des ,Vorwärts'" (S. 307) sowie das Dubiosum "Marx' ,Kapital', drittes Buch" (S. 387). Außerdem publizierte das Blatt als Erstdruck die "Rede von Friedrich Engels auf einer sozialdemokratischen Versammlung in Berlin am 22. September 1893" (S. 379/380) und die "Schlußrede von Friedrich Engels auf dem Internationalen Sozialistischen Arbeiterkongreß in Zürich am 12. August 1893" (S. 376). Alle diese Beiträge zeichnet die Tagesaktualität aus. Dies gilt nicht immer für die restlichen Beiträge, die der "Vorwärts" von Engels veröffentlichte. Zum Teil wurden Übersetzungen oder Auszüge aus anderen Publikationen zu eher theoretischen Themen publiziert, wobei eine ausdrückliche Genehmigung des Autors meist nicht vorlag, jedoch auch kein nachträglicher Protest erfolgte, so daß von einem stillschweigenden Einverständnis ausgegangen werden kann . Dabei wird die Entscheidung für die Veröffentlichung dieser Texte zumeist vom Chefredakteur getroffen worden sein. Der "Vorwärts" brachte neun im vorlie-

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genden Band enthaltene Arbeiten als nichtautorisierte Nachdrucke beziehungsweise Übersetzungen. (S. 55-57, 72, 246, 275, 306/307, 309-328, 375 und 399.) ln einem Fall, nämlich des Abdrucks von Auszügen aus Engels' letzter größerer Arbeit, der "Einleitung (1895) zu Karl Marx' ,Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850"' (S. 330-351) unter dem Titel ,,Wie man heute Revolutionen macht" (Vorwärts. 30. März 1895. S. 1/2), protestierte Engels heftig gegen die seiner Meinung nach sinnentstellende Kürzung der zudem ungenehmigten Erstveröffentlichung seines Textes. Er werde Liebknecht "sehr bestimmt darüber meine Meinung sagen & auch denjenigen, die, wer sie auch seien, ihm diese Gelegenheit gegeben haben, meine Meinung zu entstellen, & das, ohne mir ein Wort mitzutheilen." (Engels an Karl Kautsky, 1. April1895.) Engels' Einfluß auf den "Vorwärts" war sowohl quantitativ als auch qualitativ minimal. Seine unablässige Kritik an Wilhelm Liebknecht, dem er jahrelang Schematismus und Harmoniesucht vorwarf - der gute Mann glaube, es sei seine Pflicht, auf alles, was in Frankreich vor sich gehe, Loblieder zu singen (oder die Schandtaten zu verbergen), weil es eine Republik sei (Engels an Paul Lafargue, 10. Februar 1891 ); oder: "Aber was dem Redakteur unangenehm, sollte dem Parteiführer erwünscht sein: dass es Leute gibt, welche [ .. .] den Redakteur daran erinnern, dass er in seiner Eigenschaft als Parteiführer gut tut von Zeit zu Zeit über die Harmoniebrille weg sich die Welt mit seinen natürlichen Augen zu betrachten." (Engels an Wilhelm Liebknecht, 24. November 1894) - , blieb ebenso folgenlos wie die anderer leitender Sozialdemokraten. Allerdings scheint dessen konkreter Einfluß auf die Redaktion nicht sehr bedeutend gewesen zu sein. Victor Adler, Ende 1894 gleichsam als Hospitant beim "Vorwärts", wo er für die ab Januar 1895 täglich erscheinende "ArbeiterZeitung" lernen wollte , meinte, Liebknecht, "Leitartikler aber nie Journalist", habe "in der Redaktion absolut keine Autorität" (Victor Adler an Engels, 12. November 1894. IISG, Marx-Engels-Nachlaß, Sign. L 33/L 12-6). Der "Alte", in der deutschen Partei eine sehr populäre Symbolfigur sozialistischer Unbeugsamkeit, blieb aber bis zu seinem Tod Chefredakteur des Zentralorgans und beratungsresistent Trotz aller kritischen Vorbehalte war der "Vorwärts" für Engels, der das Blatt abonniert hatte, die erste Informationsquelle über die Ereignisse in Deutschland, insbesondere natürlich über die Sozialdemokratie. Sowohl ihre Parteitage als auch die Parlamentsdebatten konnte er dank der protokollarischen Berichte zeitnah verfolgen und in seiner Korrespondenz kommentieren.

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Le Socialiste "Le Socialiste" enthält 14 Arbeiten von Engels, die in der Zeit von März 1891 bis zu seinem Tode entstanden sind. Keine von ihnen wurde direkt für die Zeitung geschrieben. ln fünf Fällen handelt es sich allerdings um Erstveröffentlichungen von Schreiben, die Engels an die Führung des Parti Ouvrier gerichtet hat und bei denen er davon ausgehen konnte, daß sie im Zentralorgan der Partei publiziert würden (S. 17/18, 55-57, 105/106, 241 und 273). Hinzu kommt die Übernahme seiner drei Interviews aus anderen Zeitungen (S. 358-361, 363-367 und 368-371 ). Neben solchen größeren Arbeiten wie Engels' Einleitung zur Neuauflage (1891) von Marx' "Lohnarbeit und Kapital" (S. 21-28) und der aus der "Neuen Zeit" (Stuttgart) übernommenen Studie "Über historischen Materialismus" (S. 130-148) veröffentlichte das Blatt das knappe Vorwort zur spanischen Ausgabe von "Misere de Ia philosophie" (S. 19), die im "Handwörterbuch der Staatswissenschaften vom 27.0ktober'' (Jena) erschienene Marx-Biographie von 1892 (S. 182-188) und den Brief an die Redaktion der "Critica Sociale" vom 27. Oktober 1894 (S. 306/307). Darüber hinaus druckte "Le Socialiste" Engels' Brief an Paul Lafargue vom 2. September 1891 (S. 55-57) ab und gab seine deutsch gehaltene Schlußrede auf dem Züricher Internationalen Arbeiterkongreß (S. 373) wieder. Außer diesen genannten Arbeiten enthält Nummer 2 der 4. Serie des "Socialiste" (14. April 1895) einen Artikel von Charles Bonnier, in dem dieser unter der Überschrift "La provocation" Teile von Engels' "Einleitung (1895) zu Karl Marx' ,Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850"' vorstellte und kommentierte (siehe s. 1210/1211). Laut dem 1890 in Lilie beschlossenen "Reglement du Parti", titre VI, Art. 1er (Le Socialiste. Paris. Nr. 5, 19. Oktober 1890. S. 1, Sp. 2) zeichnete der Sekretär des Conseil National du Parti Ouvrier für die Redaktion des Zentralorgans verantwortlich. Diese Funktion übte zwischen 1890 und 1895 Jules Guesde aus. Da Paul Lafargue parallel dazu Secretaire pour l'exterieur und seit 1894 auch Secretaire pour l'interieur war, so zeichnete er neben Guesde für "Le Socialiste" mit verantwortlich. Einer der Hauptmitarbeiter des Blattes war Charles Bonnier. Er war ein enger Freund von Guesde, lebte in dieser Zeit in Oxford und gehörte zum näheren Bekanntenkreis von Engels. Von ihm stammen vor allem die aktuellen politischen Berichte über Großbritannien und Deutschland sowie auch Arbeiten zu theoretischen Fragen. Engels charakterisierte Bonnier gegenüber Karl Kautsky, der ihn als Korrespondenten für "Die Neue Zeit" (Stuttgart) vorgesehen hatte, folgendermaßen: "BQ~~!~r ist ein kreuzbraver Kerl, aber seine deutschen Studien haben in ihm den Franzosen etwas verdorben. [... ] Er lebt in einer Bücherwelt, & es wird ihm schwer, Thatsachen der lebendigen Bewegung richtig gegeneinander abzuwägen. Dabei sitzt er in Oxford von aller Bewegung getrennt und hat obendrein einen felsenfesten Glauben an Guesde. Guesdes Illusionen & Optimismus sind in vie-

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ler Beziehung sehr werthvoll in der Bewegung selbst (... ) aber zur Berichterstattung über laufende Bewegungen sind diese Eigenschaften nicht gerade geeignet. lndeß wird BQQ!~r bei seinem natürlichen Verstand schon allmählich abschleifen" (Engels an Karl Kautsky, 5. September 1892). Darüber hinaus gab es eine Vielzahl von Mitarbeitern, die für Berichte aus den einzelnen Departements Frankreichs verantwortlich waren, wobei es sich in der Regel um die Führer der lokalen Parteiorganisationen handelte. Als Auslandskorrespondenten hatte die Redaktion eine Reihe prominenter Sozialisten vorgesehen, doch da die Informationen aus dem Ausland in der Regel keine Unterschriften tragen, ist es allerdings nicht möglich festzustellen, inwieweit diese ebenfalls in den ersten Nummern angekündigten Korrespondenten tatsächlich Berichte geliefert haben. Die Zeitung wurde in der Parteidruckerei in Lilie gedruckt, in der auch die Schriften der "Bibliotheque du Parti" hergestellt wurden. Sie erschien als Wochenblatt; spätere Versuche, sie als Tageszeitung herauszugeben, schlugen fehl. Die finanzielle Absicherung des Blattes war immer gefährdet. Die Zeitung war ohne jegliche Rücklage gegründet worden. Redaktion und Geschäftsführung arbeiteten unentgeltlich. Das Blatt gelangte nicht in den öffentlichen Verkauf, sondern wurde über ein Abonnementsystem vertrieben. Der Preis betrug sechs Francs im Jahr. Bei Deckung der Kosten durch die Abonnements war vorgesehen, weitere Exemplare der Zeitung kostenlos beziehungsweise zum Selbstkostenpreis den Propagandakomitees der Partei zur Verfügung zu stellen (Les progras du Parti ouvrier . . . ln: Le Socialiste. Paris. Nr. 1, 21. September 1890. S. 1, Sp. 1). Zur besseren finanziellen Sicherstellung des Unternehmens und auch für den Aufbau einer Schriftenreihe (Bibliotheque du Parti) wurde in Nummer 14 vom 14. Januar 1891 eine ständige Subskription eröffnet. Engels hat die Zeitung vermutlich auch finanziell unterstützt. (Siehe zum Beispiel Engels an Paul Lafargue, 12. November 1892.) Nach Claude Willard, der sich auf handschriftliche Notizen des Leiters der Pariser Bibliotheque Nationale beruft (Ciaude Willard: Avant-propos. ln: L'Egalite - Le Socialiste. Collection complete. Vol. 1. Note 40), begann die 3. Serie des "Socialiste" mit 200 Abonnements im Jahre 1890. Danach nahm die Abonnentenzahl, die wegen des geschilderten Vertriebssystems weitgehend mit der Auflagenhöhe übereinstimmen dürfte, folgende Entwicklung: 1100 (1891 ), 600 (1892), 1500 (1893), 1300 (1894), 1200 (1895). Die geringe Zahl von Abonnements und damit die ständige Existenzbedrohung der Zeitung hatte verschiedene Ursachen. Neben den von Engels wiederholt beklagten Mängeln in der Geschäftsführung (siehe zum Beispiel Engels an Laura Lafargue, 17. April 1895) war das auch den begrenzten finanziellen Möglichkeiten der Adressaten geschuldet. Dies fiel um so mehr ins Gewicht, als der Parti Ouvrier eine beachtliche Zahl an regionalen Blättern herausgab, die ihren überregionalen Inhalt weitgehend dem "Socialiste" entnahmen. Hinzu kommt, daß die sozialistische Arbeiterbewegung in Frankreich sehr zersplittert war und es deshalb eine ganze Reihe von Konkurrenzzeitun-

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gen auf nationaler Ebene gab. Diese Konkurrenz verstärkte sich noch im Zusammenhang mit der Bildung einer gemeinsamen großen Fraktion aller sozialistischen Gruppierungen in der Nationalversammlung nach den Wahlen von 1893 (Erl. 241.8-1 0), da nun erst recht auch die Zeitungen der anderen Richtungen für die Anhänger des Parti Ouvrier akzeptabel wurden. Mit Bezug auf diesen Umstand schrieb Engels am 30. Dezember 1893 an Sorge: "Die erste Folge dieser Allianz ist die daß unsre Leute die Chance so gut wie verloren haben, ein eignes Tagblatt zu bekommen. Millerands' Petite Republ!ql,l~ fran9aise hat diesen Platz bereits eingenommen, da wird's schwer sein 'ein Konkurrenzorgan zu schaffen - die Finanzen sind schwerer zu beschaffen und die Andern würden schimpfen: das hieße die Partei spalten! Um so mehr als die Petite R$p1,JI;>!!ql,l~ fr~r:t9~!~~ schlau genug ist, jeder soz. Fraktion ihre Spalten zu öffnen.'" · Wie allein die Zahl der Abonnenten zeigt, war der "Socialiste" hinsichtlich seiner Wirksamkeit an Multiplikatoren gebunden. Als solche wirkten, wie schon im anderen Zusammenhang erwähnt, vor allem die regionalen Zeitungen, die einige Artikel und Mitteilungen des Zentralorgans übernahmen. ln seinen Briefen an Engels vom 11 . Januar und 7. Februar 1891 teilte Paul Lafargue mit, daß etwa ein Dutzend Provinzzeitungen die Seiten zwei bis vier des "Socialiste" übernehmen würden. Im Ausland besaß "Le Socialiste" besondere Bedeutung für die Madrider Zeitschrift des Partido Socialista Obrero Espafiol, "EI Socialista", die einen großen Teil ihres Inhalts aus dem französischen "Bruderorgan" übernahm. (Siehe Castillo: Vom Kommunistischen Manifest zum Kapital ... S. 123-126.) Gestaltung, Vertriebssystem und Format des "Socialiste" weisen bereits auf seine spezifische Funktion hin. Er war weniger für die unmittelbare Wirksamkeit unter denen gedacht, die man zu gewinnen suchte, sondern eher ein internes Parteiorgan, mit dem vor allem die ständige Verbindung zwischen dem Conseil National , den Föderationen und den Gruppen des Parti Ouvrier aufrechterhalten werden sollte. Besonders bis zur Herausgabe einer eigenen theoretischen Zeitschrift des Parti Ouvrier, die in Gestalt von "L'Ere nouvelle" ab Juli 1893 erschien und dann im Zusammenhang mit dem Erscheinen der 4. Serie durch "Le Devenir social" abgelöst wurde, bot "Le Socialiste" auch Raum für theoretische Erörterungen. Zu den aktuellen politischen Problemen, die über einen längeren Zeitraum in der Zeitung behandelt wurden, gehörten das Verhältnis des Parti Ouvrier zu den anderen sozialistischen Strömungen in Frankreich, die Haltung zu den Gewerkschaften und zu Streiks, die Vorbereitung und Durchführung der Feiern zum 1. Mai, die Jahreskongresse des Parti Ouvrier und die internationalen Arbeiterkongresse, die Agrarfrage sowie die verschiedenen Wahlkämpfe. Die Auseinandersetzung mit der aktuellen Politik Frankreichs konzentrierte sich in dieser Zeit besonders auf den Kampf um menschenwürdigere Arbeitsbedingungen, auf Fragen der französischen Außenpolitik, das Streben nach Revanche für den verlorenen Krieg 1870/71 , die damit zusammenhängenden Annäherung des Landes an Rußland sowie auf die Vorgänge, die mit dem Panamaskandal (Erl. 196.21) verbunden waren.

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Neben den Leitartikeln waren für die Position der Zeitung zu diesen Fragen die abgedruckten Reden der Abgeordneten des Parti Ouvrier in der Nationalversammlung von Bedeutung. "Le Socialiste" widerspiegelt das Bemühen der Führungsriege des Parti Ouvrier, Marxsche Auffassungen zu rezipieren und verbreiten. Neben den Artikeln von Engels, die im vorliegenden Band enthalten sind, wird dies auch durch den Abdruck einiger weiterer früherer Schriften von Marx und Engels deutlich. Das betrifft Marx' Arbeiten "Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte" (MEGNl> 1/11 . S. 96-189; Le Dix-huit Brumaire de Louis Bonaparte. ln: Le Socialiste. Nr. 15 bis 29, 7. Januar bis 8. April1891, und Nr. 37 bis 61 , 3. Juni bis 21 . November 1891) und seinen 1848 in Brüssel erschienenen "Discours sur Ia question du libre echange" (ebenda. Nr. 194 bis 196, 23., 30. Juni und 7. Juli 1894) sowie längere Auszüge aus Engels' Artikel "Über den Antisemitismus" aus der Wiener "Arbeiter-Zeitung" vom 9. Mai 1890 (MEGA@1/31. S. 249-251; L'antisemitisme demasque. ln: Le Socialiste. Nr. 93, 3. Juli 1892. S. 1, Sp. 4, bis S. 2, Sp. 2) und einen Abschnitt aus seinem Werk "Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates" (MEGA@I/29. S. 1-114), das 1893 in französischer Übersetzung erschienen war (ebenda. S. 447-568; Le mariage monogamisque bourgeois. ln: Le Sodaliste. Nr. 167, 2. Dezember 1893. S. 3, Sp. 4, bisS. 4, Sp. 3). Mit dem Schreiben "Au Conseil national du Parti ouvrier" (MEGA® 1/31 . S. 287; Le Socialiste. Nr. 14, 25. Dezember 1890. S. 1, Sp. 2) und dem übersetzten Vorwort zur dritten deutschen Auflage der Marxschen Schrift "Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte" (Le Socialiste. Nr. 15, 7. Januar 1891 . S. 2) enthält die 3. Serie des "Socialiste" in den ersten Wochen ihres Bestehens zwei weitere Arbeiten von Engels, die allerdings noch nicht in den Zeitraum des vorliegenden Bandes fallen . Engels versuchte auf die Auswahl der Mitarbeiter einzuwirken. So drängte er wiederholt darauf, daß Laura Lafargue am Blatt mitarbeiten sollte. Er hatte Bonnier vorgeschlagen, sie für den deutschen Teil der Zeitung zu engagieren (Engels an Laura Lafargue, 8. Januar 1890), kam darauf aber zunächst nicht mehr zurück, als sich herausstellte, daß die Mitarbeit unentgeltlich sein würde. Als das Projekt einer Tageszeitung in Angriff genommen wurde, schrieb Engels an Laura Lafargue: "ln that new daily paper you are an absolutely necessary factor. lf the thing is to be superior to the usual run of Parisian dailies, there must be somebody who follows closely from day to day, and reports on, from time to time, the English and German movement. And you are the only person in toute Ia belle France who can do this." (Engels an Paul und Laura Lafargue, 27. Mai 1892.) Da im Zusammenhang mit den Plänen, die Zeitung in ein Tageblatt umzugestalten, der Bedarf an Korrespondenten stieg, empfahl Engels eindringlich, für die Berichte aus Deutschland Bebel zu gewinnen und begründete das wie folgt: "Pendant Ia loi anti-socialiste Bebel ecrivait un rapport hebdomadaire dans I'Arbeiterzeitung de Adler a Vienne. Ces rapports etaient tels qu'avant de me former une opinion determinee sur un fait important ou une question importante concernant I'AIIemagne pendant cette periode, j'ai

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toujours täcM de Iire ce que Bebel disait dans sa correspondance. C'etait clair, netto the point et toujours juste." (Ebenda.) An Bebel schrieb er in gleicher Angelegenheit am 7. Oktober 1892: "Ich werde mein möglichstes thun zu verhindern daß die Franzosen auf Deine Mitarbeiterschaft verzichten. Es ist zu wichtig daß wenigstens von Zeit zu Zeit wahrheitsgetreue Berichte über die deutsche Bewegung in Paris erscheinen und namentlich, daß den Leuten die allgemeine politische Situation klargemacht wird in der ihr zu kämpfen habt." Da Engels die politischen Ansichten Bebeis in der Regel teilte, empfahl er den Herausgebern der Zeitung darüber hinaus gelegentlich Reden von Bebel zum Abdruck. Das betraf zum Beispiel Bebeis Reichstagsrede vom 3. Februar 1893 (Engels an Laura Lafargue, 12. Februar 1893). Tatsächlich erschienen Teile dieser Rede in einer Kommentierung von Bonnier in der nachfolgenden Nummer 126 des "Socialiste" vom 19. Februar 1893 (S. 3, Sp. 1, bisS. 4, Sp. 1). Außerdem ging die Zeitung auch noch auf die Reichstagsrede Bebeis vom 6. Februar 1893 ein. Einen ähnlichen Hinweis hatte Engels bereits mit Bezug auf Bebeis Reichstagsrede zum Militärbudget vom 28. November 1891 gegeben (Engels an Laura Lafargue, 1. Dezember 1891 ). Engels war auch sehr daran gelegen, daß Friedrich Adolph Sorge die Zeitung erhielt, er vermittelte auch die finanzielle Regelung des Abonnements (Engels an Friedrich Adolph Sorge, 24. Oktober 1891 ). Im Interesse der Popularisierung von "Le Socialiste" ist Engels' Hinweis an Liebknecht zu verstehen, daß dieser die für den Abdruck im "Vorwärts" (Berlin) vorgesehenen französischen Artikel über Rußland nicht von Edouard Vaillant, sondern aus dem "Socialiste" übernehmen solle, da sie bedeutend besser seien (Engels an Paul Lafargue, 13. Oktober 1893). Von Engels' Beiträgen für "Le Socialiste", bei denen es sich um Erstveröffentlichungen handelt, sind in zwei Fällen auch die Entwürfe der jeweiligen Druckvorlage überliefert ("Aux ouvriers fran9ais l'occasion du vingt et unieme anniversaire de Ia Commune de Paris", S. 105/106, und "Aux ouvriers fran9ais a l'occasion du premier mai 1893", S. 241 ). Wie besonders die Textentwicklung der erstgenannten Arbeit zeigt (hier ist zusätzlich ein Teil der Druckvorlage als Faksimile erhalten; siehe dazu S. 799), hat die Redaktion des "Socialiste" die Texte von Engels verändert. Dies wird auch durch die Veröffentlichung des Briefes von Engels an Paul Lafargue vom 2. September 1891 unter dem Titel "Le congres de Bruxelles et Ia situation de I'Europe" (S. 55-57) bestätigt (siehe S. 801/802). Obwohl keine kritischen Bemerkungen von Engels zu dieser Verfahrensweise vorliegen, wurden die beiden genannten Grußschreiben nach den handschriftlichen Entwürfen ediert, da es sich bei ihnen um die authentischen Texte handelt. Demgegenüber ist bei "Le congres de Bruxelles . . ." anders verfahren worden, weil der zugrunde liegende Brief von Engels in der 111. Abteilung der MEGA® ediert wird.

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Arbeiter-Zeitung Unter denjenigen Periodika, für die Engels speziell keinen größeren Beitrag schrieb, nimmt die Österreichische "Arbeiter-Zeitung" eine besondere Stellung ein. Sie ist nämlich das einzige sozialistische Blatt, das von ihm direkte finanzielle Zuwendungen erhielt und dessen Berichterstattung aus Großbritannien von ihm dort, wo nicht angeregt, zumindestens angesehen wurde. Beides bewerkstelligte Louise Kautsky-Freyberger, als Nachfolgerin Helena Demuths seit 1890 Haushälterin und Sekretärin bei ihm und rasch die bestimmende Person seiner engsten Umgebung in den letzten Lebensjahren (siehe S. 579). Ab Mai 1891 verfaßte "L. K." Korrespondenzen aus Großbritannien für das Blatt, das ab dem 31. Oktober 1893 zweimal wöchentlich, ab dem Jahr 1895 täglich erschien, mit einer Auflagenhöhe von 18 000 Exemplaren (1893) und etwa 24 000 um die Jahrhundertwende. (Kunz: Die Geschichte der "ArbeiterZeitung" ... S. 101/102.) Daß Engels die Beiträge der zuvor als Journalistin nicht hervorgetretenen Autorin zumindest gegengelesen hat, läßt sich mit großer Wahrscheinlichkeit vermuten, in einzelnen Fällen auch belegen. Bei dem geschilderten Eifer, mit dem er sich der sonstigen politischen und privaten Angelegenheiten der Korrespondentin der "Arbeiter-Zeitung" annahm, gibt es keinen Grund, ausgerechnet diese Tätigkeit davon ausgenommen zu wähnen. Inwiefern Louise Kautsky-Freyberger, auch mit Victor Adler gut befreundet, Einfluß hatte auf Engels' Entscheidung, das Honorar für seine Publikationen im Verlag J. H. W. Dietz ab 1892 Adler zukommen zu lassen, läßt sich nicht dokumentieren. Aber die Finanzspritze für die Umwandlung der "ArbeiterZeitung" in ein Tageblatt in Höhe von ursprünglich 4000 Gulden ist mit großer Wahrscheinlichkeit von Engels initiiert und finanziert, auch wenn zunächst Louise als Geschäftsführerin eines anonymen "Konsortiums" aufgetreten war. Es war aber Engels, der die geschäftlichen Bedingungen - Adler müsse auf jeden Fall die Leitung des Blattes haben, Zinsen gezahlt und die geschäftlichen Be· ziehungen ausschließlich zwischen Louise Kautsky-Freyberger und Adler abgewickelt werden- festlegte (Engels an Adler, 14. Dezember 1894), nachdem Adler die entsprechenden Schreiben Kautsky-Freybergers als vermißt gemeldet hatte. Und Adler selber deutete diplomatisch den wahren Initiator an, wenn er in seinem Dankesschreiben an Engels formuliert: "Daß Du an uns gedacht, denn ganz außerhalb Deiner Initiative ist es ja doch wohl nicht geworden. Es ist uns ein ganz ungeheurer Dienst." (Victor Adler an Engels, 17. Dezember 1894. ln: Adler 1. S. 112.) Im Zeitraum, den der vorliegende Band umfaßt, veröffentlichte die "ArbeiterZeitung" von Engels drei Grußbotschaften (S. 41, 129 und 329) und eine Gesprächsaufzeichnung (S. 384) als Erstdrucke. Hinzu kommen neun zumeist kleinere Arbeiten als Nachdrucke aus anderen Periodika. Darüber hinaus wurden drei seiner Reden veröffentlicht, davon die Rede in Wien (S. 378) als Erstdruck. Außerdem verfaßte Engels 1893 eine Grußadresse für die Maifestschrift des Blattes (S. 234).

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Ausschließlich als Förderar von Louise Kautsky-Freyberger trat Engels bei der "Arbeiterinnen-Zeitung" auf, dem 14täglich erscheinenden Frauenblatt der Österreichischen Sozialdemokratie. Nach Engels' Zeugnis erwarb sich "Louises Hyänen-Zeitung" (Engels an Laura Lafargue, 2. Oktober 1891) dadurch Ruhm, daß sie "die eine weibliche Seite der Arbeiterbewegung allein" vertritt (Engels an August Bebet, 29. September - 1. Oktober 1891) - und das drei Monate vor dem Erscheinen der ersten Nummer. Und er versuchte hartnäckig, allerdings offenbar vergeblich, Laura Lafargue zur regelmäßigen Mitarbeit zu bewegen (Engels an Laura Lafargue, 6. und 20. Januar sowie 5. März 1892) und das Blatt auch dadurch gegen die soeben erschienene "Gleichheit" Clara Zetkins in Stellung zu bringen, deren erste beiden Ausgaben er als "sehr dürftig und langweilig" bezeichnete (Engels an Laura Lafargue, 20. Januar 1892). Bebet brachte diese Aktivitäten auf den Punkt: "Auf die Österreichische Arbeiterinnenzeitung bin ich recht neugierig geworden, will doch sehen, was unter Deiner Inspiration zusammengebraut worden ist." (August Bebet an Engels, 9. Oktober 1891. ln: Bebet-Engels-Briefwechsel. S. 449.) Er hatte allerdings schon zuvor eine Anfrage von Engels, auch bei der deutschen Partei für das Blatt zu werben, negativ beschieden: "Für das Österreichische Arbeiterinnenblatt wird sich in Deutschland nicht viel tun lassen." (August Bebet an Engels, 29. September 1891. Ebenda. S. 435.) Mit dem Übergang der Herausgeberschaft von Victor Adler an Anna Boschek, verbunden mit dem selbständigen Erscheinen der bis dato als Beilage der "Arbeiter-Zeitung" publizierten Zeitschrift wurde es, was Engels' und auch Louise Kautsky-Freybergers Engagement angeht, rasch recht still um dieses Projekt.

Critica Sociale Die "Critica Sociale", das theoretische Organ des Partito socialista dei Lavoratori italiani, veröffentlichte in dem Zeitraum, den der vorliegende Band umfaßt, insgesamt 18 Arbeiten von Marx und Engels, wobei sich einige über mehrere Nummern der Zeitschrift erstreckten. Von diesen Artikeln sind (einschließlich Übersetzungen früherer Schriften) zwölf in der Zeit vom März 1891 bis zu Engels' Tod entstanden . Der überwiegende Teil der Beiträge war von anderen Publikationsorganen übernommen worden ; im einzelnen wird darauf im Apparat zu den jeweiligen Artikeln unter der Rubrik Entstehung und Überlieferung eingegangen. Das betrifft folgende Texte: "Einleitung zur Neuauflage (1891) von Karl Marx' ,Lohnarbeit und Kapital"' (S. 21-28), "Le Socialisme en Allemagne" (S. 62-71 ), die Ergänzung dieses Artikels in der deutschen Fassung (S. 96.33-100.26), "Preface to the English edition (1892) of ,The condition of the working-class in England in 1844'" (S. 74-87), die Ergänzung dieses Vorworts in seiner deutschen Übersetzung (S. 165/166), "Über historischen

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Materialismus" (S. 130-148), das Interview aus dem "Daily Chronicle" (S. 368-371) und die "Einleitung (1895) zu Karl Marx' ,Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850'" (S. 330-351). Bei "Protezionismo e Iibero scambio" (S. 1403/1404) handelt es sich um die 1894 entstandene autorisierte italienische Übersetzung dieser Arbeit von Engels aus dem Jahre 1888. Lediglich die Beiträge "Federico Engels a Giovanni Bovio" (S. 101/102 und 420/421), "La futura rivoluzione italiana e il partito socialista" (S. 269-272 und 1088/1 089) und "II socialismo internazionale e il socialismo italiano" (S. 305/306 und 1158) hat Engels direkt für die "Critica Sociale", allerdings in französischer Sprache, geschrieben. Von diesen Artikeln hat nur die italienische Übersetzung des Beitrages über Bovio Engels zur Durchsicht vorgelegen. Schließlich sei in dieser Übersicht erwähnt, daß die "Critica Sociale" in ihrer der Erinnerung an Engels gewidmeten Nummer 16 vom 16. August 1895 Engels' Schreiben "Aux socialistes de Ia Sicile" vom 26. September 1894 veröffentlichte (S. 304 und 1152) und noch im gleichen Jahr (Nr. 21 bis 24 vom 1. und 16. November sowie vom 1. und 16. Dezember 1895) Engels' in der "Neuen Zeit" postum erschienene Ergänzung zum dritten Band des "Kapitals" in einer Übersetzung von Pasquale Martignetti dem italienischen Publikum präsentierte. ln dieser Übersicht zeigt sich recht genau Engels' Position gegenüber der Zeitschrift, wie er sie Turati im erwähnten Brief vom 7. März 1891 mitteilte, nachdem dieser ihm bei Eröffnung ihrer Korrespondenz die ersten drei Nummern der "Critica Sociale" zugesandt hatte (Filippo Turati an Engels, 23. Februar 1891 ). ln seinem Brief wertete Engels das Erscheinen dieses theoretischen Organs als Fortschritt in der sozialistischen Bewegung Italiens. Er stellte es Turati frei, den einen oder anderen seiner Artikel zu veröffentlichen. Gleichzeitig ließ er ihn aber auch wissen , daß er keine Zeit habe, für die Zeitschrift spezielle Beiträge zu liefern. Die "Critica Sociale" erschien unter Turatis Leitung ab 15. Januar 1891 als Fortsetzung der "Cuore e Critica" (Savona), die 1884 von dem Republikaner Arcangelo Ghisleri gegründet worden war. Zunächst erschien sie alle 28 Tage und trug den Untertitel "Rivista politici e letterari", ab 1. Januar 1892 "Rivista quindicinale di studi sociali, politici, filosofici e letterari" und vom 1. Januar 1893 bis Ende Juni 1899 "Rivista quindicinale del socialismo scientifico". (Zur Gründung der Zeitschrift siehe Masini: Le origini di "Critica Sociale" ... ; siehe auch I Periodici di Milano. S. 139-144.) Die Zeitschrift erschien bis 1926, wurde im eigenen Verlag herausgegeben und in Mailand in einer Genossenschaftsdruckerei hergestellt. ln der Zeitschrift publizierten neben bekannten Vertretern der lombardischen Demokratie vor allem Intellektuelle, die verschiedene sozialistische Strömungen repräsentierten . Die Auflagenhöhe der Zeitschrift, die das Format 21 x 30 cm hatte, 16 Seiten umfaßte und vor allem in Kreisen der Intelligenz gelesen wurde, konnte nicht ermittelt werden. Sie dürfte aber deutlich unter der der "Neuen Zeit" (siehe S. 589) gelegen haben. Engels' Einfluß auf die "Critica Sociale" erfolgte in erster Linie über Filippo Turati, Pasquale Martignetti und Antonio Labriola. Allerdings erschwerten die gespannten Beziehungen zwischen Turati einerseits und Martignetti, beson-

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ders aber Labriola andererseits eine koordinierte Zusammenarbeit der vier Akteure (siehe zum Beispiel Antonio Labriola an Filippo Turati, 22. August 1892. ln: Filippo Turati. Attraverso le lettere di correspondenti (1880-1925). S. 94-96; Filippo Turati an Engels, 1. Juli 1895). Der oben erwähnte Brief Turatis an Engels vom 23. Februar 1891, mit dem er Engels die "Critica Sociale" erstmals zusandte, war gleichzeitig der Ausgangspunkt einer nicht allzu dichten, aber doch regelmäßigen Korrespondenz zwischen beiden, die sich nach Gründung des Partito dei Lavoratori italiani intensivierte. Die Briefe hatten vorrangig Angelegenheiten zum Inhalt, die unmittelbar mit Turatis Zeitschrift oder mit anderen publizistischen Vorhaben des Verlags der Zeitschrift verbunden waren (zum Beispiel II Manifesto del Partito Comunista. Con un nuova proemio al Iettore italiano di Federico Engels. Milano 1893; Capitale e salario. Colla biografia dell'autore e con una introduzione di Federico Engels. Milano 1893; Discorso sul Iibero scambio. Milano 1894). Aus diesem Briefwechsel ragen jene Schreiben heraus, die Engels auf drängende Bitten Turatis direkt für die Zeitschrift verfaßt hatte, und diejenigen Briefe, die damit in Zusammenhang stehen. Einen hinsichtlich seines inhaltlichen Gewichts mit diesen drei veröffentlichten Schreiben vergleichbaren Brief vom 16. August 1894 zu Problemen der britischen Arbeiterbewegung hat Engels ausdrücklich als nur für die interne Information gedacht gekennzeichnet, was Turati auch respektierte. Und als Turati in seinem Artikel "Crispi re" (Critica Sociale. Nr. 10, 16. Mai 1895. S. 148-151) ohne Erlaubnis aus Engels' Brief an Martignetti vom 8. Januar 1895 zitierte, beschwerte sich Engels, der von Labriola auf den Sachverhalt aufmerksam gemacht worden war (Antonio Labriola an Engels, 18. Mai 1895), bei Turati darüber (Engels an Filippo Turati, 28. Juni 1895). Am 1. Juli entschuldigte sich Turati bei Engels. Auch der Briefwechsel zwischen Engels und Labriola setzte unmittelbar während des Herausbildungsprozesses der italienischen sozialistischen Partei im Frühjahr 1890 ein, nachdem Labriola sich als Anhänger der Ideen von Marx und Engels bereits einen Namen gemacht hatte. Labriola, selbst laut Engels "strikter Marxist" (Engels an Friedrich Adolph Sorge, 30. Dezember 1893), war Professor für Philosophie an der Universität in Rom und stand der entstehenden sozialistischen Partei Italiens skeptisch gegenüber (siehe zum Beispiel Antonio Labriola an Engels, 3. August und 2. September 1892). Mit Martignetti, einem Angestellten aus Benevento, stand Engels seit 1883 im Briefwechsel. Während die von Engels direkt an Turati gerichteten und französisch geschriebenen Briefe von diesem für die "Critica Sociale" übersetzt wurden, stammen alle anderen im Band enthaltenen Übersetzungen aus dieser Zeitschrift mit Ausnahme von "Protezionismo e Iibero scambio" von Martignetti. Inwieweit Martignetti seine Mitarbeit an der "Critica Sociale" auch der stetigen Beihilfe durch Engels verdankte, läßt sich unter anderem daraus ersehen, daß bald nach Engels' Tod von ihm keine Übersetzung mehr erschien. Drei größere Arbeiten des Bandes, die Martignetti ebenfalls in der Hoffnung übersetzte, daß sie in der "Critica Sociale" oder in der vom Verlag der Zeit-

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schritt herausgegebenen "Biblioteca populare del socialismo scientifico" veröffentlicht würden, hat Turati nicht in die Zeitschrift aufgenommen. Dabei handelt es sich um die "Einleitung zur dritten deutschen Auflage (1891) von Karl Marx' ,Bürgerkrieg in Frankreich"' (S. 3-16), "Kann Europa abrüsten?" (S. 209-233) und "Die Bauernfrage in Frankreich und Deutschland" (S. 308-327). (Näheres siehe S. 608, 996 und 1178.) Geht man von Ernesto Ragioneri aus (Socialdemocrazia tedesca e Socialisti italiani . .. S. 202, 303/304, 350 und 449), so bildeten Turatis Zweifel an Martignettis Übersetzerqualitäten (siehe auch Filippo Turati an Engels, 14. Mai 1894), das Bestreben, die junge sozialistische Partei für eine Vielfalt sozialistischer Ideen offenzuhalten, sowie eine zunehmende Reserviertheil gegenüber theoretischen Fragen den Hintergrund für diese Vorgehensweise, zu der auch der nachfolgend etwas genauer beleuchtete Umgang mit Engels' Vorwort zum dritten Band des "Kapitals" gehört. Generelle Urteile von Engels zur "Critica Sociale" sind nicht überliefert. Im Frühjahr 1894 beklagte er sich zwar über die schlechte Wiedergabe von Marx' "Discours sur Ia question du libre echange" in der Zeitschrift vom 1. und 16. April 1894 (siehe S. 1401-1404), trotzdem war er der Auffassung, daß die Redaktion ihr Bestes gäbe (Engels an Laura Lafargue, 11 . Mai 1894). 1894/ 1895 griff Engels in eine von Achille Loria ausgelöste Debatte über die Marxsche Werttheorie in der Zeitschrift ein, die bereits mit einem zweiteiligen Artikel von Jakob Stern (La teoria del valore di Carlo Marx) in der "Critica Sociale" vom 16. Mai und 1. Juni 1892 (Nr. 10 und 11 , S. 149-151 und 170-172) eröffnet worden war und die sich nun im Zeitraum um das Erscheinen des dritten Bandes des "Kapitals" intensivierte. Engels, durch Antonio Labriola nachdrücklich auf diese Debatte und dessen Meinung zu Loria hingewiesen (Antonio Labriola an Engels, 11 . und 16. August sowie 24. September 1894), bat daraufhin Gonrad Schmidt, dessen Artikel "Der dritte Band des ,Kapitals"' im "Sozialpolitischen Centralblatt" vom 25. Februar 1895 Antonio Labriola und Paul Lafargue zur Verfügung zu stellen. Im Brief an Turati vom 28. Juni 1895 äußerte Engels sich kritisch zum Beitrag des "Labriolinos", Arturo Labriolas, in dieser Auseinandersetzung und bezeichnete diesbezügliche Diskussionen in der sozialistischen Bewegung Italiens, die er ja hauptsächlich aus der "Critica Sociale" kannte, als "pullulation de dilettantisme litteraire". Seinen entscheidenden Beitrag zu dieser Debatte in der Zeitschrift lieferte Engels mit dem Vorwort zum dritten Band des "Kapitals", in dem er Loria scharf kritisierte (MEGA®11/15. S. 18-21; siehe auch ebenda. S. 939/940). Anfang Dezember 1894 schickte er das Vorwort mit der Bemerkung an Turati, daß man sich für die Passage über Loria in Italien vielleicht interessieren würde. (Engels an Filippo Turati, 4. Dezember 1894.) Turati, mit Loria seit ihrer gemeinsamen Studienzeit gut bekannt, veröffentlichte den Text jedoch nicht in der "Critica Sociale". Das Vorwort erschien, übersetzt von Martignetti und durchgesehen von Antonio Labriola, der die Publikation auch vermittelt hatte, in der Zeitschrift "La Rassegna. Agraria, lndustriale, Commerciale, Letteraria, Politica, Artistika" (Napoli. Nr. 112 (Januar/Februar) 1895. S. 72-100; siehe auch Pasquale Martignetti an Engels, 1. Januar 1895). Gegenüber Martignetti quittierte Engels im

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Brief vom 8. Januar 1895 die von diesem beklagte Verhaltensweise Turatis mit Verständnis, indem er auf die schwierige Situation der Partei unter den Turati, wie bereits erwähnt, ohne Engels' Einverständnis für die öffentliche Rechtfertigung seiner Haltung in dieser Angelegenheit. Ein Hauptanliegen, das führende italienische Sozialisten wie Turati auch mit der "Critica Sociale" verfolgten, war der Aufbau einer Partei, die sich an der deutschen Sozialdemokratie und deren Selbstverständnis orientierte. (Siehe Ragionieri: Socialdemocrazia tedesca e Socialisti italiani . .. ; Keller: Modell SPD? Italienische Sozialisten und deutsche Sozialdemokratie bis zum Ersten Weltkrieg.) Vermutlich stieß deshalb Engels' Artikel "Le Socialisme en Allemagne" und die daraus entstandene Kontroverse mit Giovanni Bovio auf besonderes Interesse bei italienischen Sozialisten. Ein spezifisches Problem, das damals auch für Italien relevant war und die Stellung der Sozialisten zu den Schutzzöllnerischen und freihändlerischen Fraktionen der herrschenden politischen Parteien betraf, behandelte Engels in "Protezionismo e Iibero scambio". War die Redaktion der "Critica Sociale" mit Engels' Auffassungen jedoch nicht einverstanden und wagte es aber nicht, ihm offen zu widersprechen, verhinderte sie eine Veröffentlichung seiner Arbeiten. Das war beispielsweise bei dem Artikel "Die Bauernfrage in Frankreich und Deutschland" der Fall, obwohl der Text bereits übersetzt vorlag und Fragen zur Agrarpolitik in der italienischen sozialistischen Bewegung besonders intensiv diskutiert wurden. (Siehe auch S. 1177/1178.)

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Einleitung zur dritten deutschen Auflage (1891) von Karl Marx' "Der Bürgerkrieg in Frankreich" Zwischen Anfang und 14. März 1891 (S. 3-16)

ENTSTEHUNG UND ÜBERLIEFERUNG Mit einem Brief vom 20. Februar 1891 setzte Richard Fischer, Geschäftsführer des Verlags der Expedition des "Vorwärts", Engels davon in Kenntnis, daß auf Beschluß des Parteivorstandes der SPD neben "Lohnarbeit und Kapital" (S. 21-28) und "Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft" (S. 29) auch "Der Bürgerkrieg in Frankreich" neu aufgelegt werden sollte (siehe auch MEGA® 1/22. S. 1026). Er bat Engels, sich mit Eleanor Marx darüber zu verständigen, und unterbreitete ihm den Vorschlag, zur Arbeit von Marx, deren Übersetzung aus dem Englischen Engels im Jahre 1871 besorgt hatte (MEGA® 1/22. S. 179-226), eine Einleitung zu schreiben. Noch im selben Brief bat Fischer um Mitteilung, ob und bis wann Engels die Einleitung liefern könnte. Der Antwortbrief von Engels ist, wie alle seine Briefe an Fischer in dieser Angelegenheit, nicht überliefert. Doch aus dem nachfolgenden Brief Fischers vom 27. Februar 1891 geht hervor, daß Engels mit diesem wie den beiden anderen Projekten einverstanden war. Er bestand aber, insbesondere weil Fischer diese Texte jeweils in einer Auflage von 10 000 Exemplaren drucken lassen wollte und "dem ewigen Wiederabdruck Lassalleschen Kohls entgegengetreten werden muß" (Engels an Friedrich Adolph Sorge, 4. März 1891 ), darauf, die Revision des Textes vom "Bürgerkrieg in Frankreich" selbst zu übernehmen und diesem Text neben einer Einleitung auch die beiden von Marx verfaßten Adressen des Generalrats der IAA über den DeutschFranzösischen Krieg (1870/71) voranzustellen (S. 391-400). Nach Erhalt des Briefes vom 27. Februar, in dem Fischer auch die Zusendung eines Exemplars von "Der Bürgerkrieg in Frankreich" ankündigte, also Anfang März 1891, könnte Engels mit der Arbeit an der "Einleitung" begonnen haben. Am 14. März 1891 schickte er sie Fischer (Engels an Karl Kautsky, 17. März 1891), der ihm am 17. März den Empfang bestätigte. Im gleichen Brief drängte Fischer Engels, im letzten Absatz den Ausdruck "Der sozialdemokratische Philister" durch "Der deutsche Philister" (S. 16.3) zu ersetzen, denn man dürfe von der heutigen Sozialdemokratie erwarten, "daß sie in Bezug auf das Wollen nicht bloß einiger, sondern auch etwas klarer ist, als die Kommune war, wenn sie in die Zwangslage der Diktatur des Proletariats getrieben würde, sonst braucht man doch wohl kein Philister zu sein, um nach solcher Diktatur des Proletariats keine allzugroße Sehnsucht zu hegen."

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Einleitung zur dritten deutschen Auflage von Karl Marx' "Der Bürgerkrieg ... "

(Richard Fischer an Engels, 17. März 1891 .) Diesem Anliegen hat Engels spätestens bei Durchsicht der Korrekturbogen, die, wie auch die Druckvorlage, nicht überliefert sind, entsprochen. Äußerungen von Engels sind zu diesem Vorgang nicht bekannt. Spätere Interpretationen dieses Sachverhalts als von Engels mißbilligte Eigenmächtigkeit der Redaktion der "Neuen Zeit" (siehe zum Beispiel noch MEW 22, Seite 188, Anmerkung 165, und Das Werk von Marx und Engels in der Literatur der deutschen Sozialdemokratie (1869-1895). S. 307) sind nicht zutreffend. Unmittelbarer Anlaß für die Herausgabe der Broschüre durch den Parteivorstand der SPD dürfte der 20. Jahrestag der Pariser Kommune gewesen sein. Durch die Datierung der Einleitung auf den 18. März 1891 (S. 16.8-9) machte Engels das sehr augenfällig. Engels gliederte seinen Text in zwei relativ selbständige Teile: Einer knappen Einführung in die Arbeit von Marx, in der Engels die darin enthaltene Bewertung der Pariser Kommune aus der sehr verzweigten Darstellung bei Marx zusammenfaßt, folgen (ab S. 12.23) Ausführungen, die Engels selbst als "Zusätze" zur "im Bürgerkrieg in Frankreich gegebnen Darstellung" (S. 12.21-22) bezeichnete. Außerdem versuchte er, im Unterschied zur Darstellung im "Bürgerkrieg in Frankreich" einige der wichtigsten Dekrete, die die Kommune erlassen hatte und von denen er den "entschieden proletarischen Charakter" (S. 10.38) der Kommune ableitete, genauer zu benennen. Die meisten dieser Dekrete hatte Marx bereits im ersten Entwurf von "The Civil War in France" zusammengestellt (siehe MEGA@1/22. S. 45-50), in die veröffentlichte Endfassung aber nur einige wenige und diese zumeist nur sehr allgemein einbezogen. Engels nutzte hier die Gelegenheit, um die Datierung dieser Dekrete, die Marx damals vorwiegend aus englischen Zeitungen zugänglich waren (siehe RGASPI, Sign. f. 1, op. 1, d. 2809), zu präzisieren. Auf Grundlage welcher Quellen Engels diese Präzisierung vornahm, konnte nicht ermittelt werden. Die in den Erläuterungen enthaltenen bibliographischen Nachweise für die Dekrete wurden deshalb einheitlich auf das offizielle Organ der Kommune, das Pariser "Journal officiel de Ia Republique fran9aise", bezogen, soweit sie dort auffindbar waren. Mit seinen Aussagen zur Eroberung der politischen Macht und dem abschließenden Satz, "Seht euch die Pariser Kommune an. Das war die Diktatur des Proletariats" (S. 16.5-6), griff Engels in die laufende Diskussion in der Sozialdemokratie und in die Auseinandersetzung zwischen ihr und den politischen Gegnern zu dieser Frage ein. Besonders mit seinem ursprünglichen Terminus vom "sozialdemokratischen Philister'' reagierte Engels mit diesem Schlußpassus sehr wahrscheinlich auf Karl Grillenbergars Auftritt im Deutschen Reichstag am 28. Februar 1891, bei dem dieser erklärt hatte, daß sich die deutsche Sozialdemokratie von der in der "Kritik des Gothaer Programms" enthaltenen Idee der Diktatur des Proletariats distanziere (Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages. 8. Legislaturperiode. 1. Session 1890/91 . Bd. 3. S. 1805).

604

Entstehung und Überlieferung ·------· -

-

-

Für die in relativ kurzer Zeit entstandene Einleitung hat Engels vermutlich kaum neue spezielle Studien betrieben. Statt dessen griff er umfassend auf Fakten und Wertungen zurück, die bereits in vorausgegangenen Arbeiten von ihm und Marx enthalten waren. Das betrifft zum Beispiel Marx' Untersuchung "Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte" (MEGA@1/11 . S. 96-189). Eine Beschreibung der Herrschaft Napoleons 111 hatte Engels schon 1865 in der in Harnburg erschienenen Schrift "Die preußische Militärfrage und die deutsche Arbeiterpartei" verhältnismäßig ausführlich gegeben (siehe MEGA@1/20. S. 102-104) und zum Beispiel 1872 in seiner Arbeit "Zur Wohnungsfrage" wiederum aufgegriffen (siehe MEGA@1/24. S. 52). Auf die expansionistischen Bestrebungen des Zweiten Kaiserreichs (S. 8.10-25) hatte er auch in seinen anonym erschienenen Arbeiten "Po und Rhein", Berlin 1859, und "Savoyen, Nizza und der Rhein", Berlin 1860 (MEGA@1/18. S. 347-385), hingewiesen. Für die Darstellung der wichtigsten historischen Ereignisse von der Ausrufung der Dritten Republik bis zur Errichtung der Pariser Kommune (S. 8.37-9.19) stand Engels seine umfangreiche Artikelserie "Notes on the War" zur Verfügung, die vom 29. Juli 1870 bis zum 18. Februar 1871 in der Londoner "Pali Mall Gazette" erschienen war (MEGA@1/21). Im letzten großen Absatz des ersten Teils der "Einleitung" (S. 11 .8- 12.18), in dem Engels die entscheidenden Stationen der Niederlage der Kommune im Kampf mit den Versailler Truppen markierte, stützte er sich vermutlich auf Prosper Olivier Lissagarays Buch "Histoire de Ia Commune de 1871", Bruxelles 1876, das er gut kannte. Zu dessen militärstrategischen Positionen hatte er Lissagaray die "Note a Ia page 29" zukommen lassen, als dieser im Jahr 1877 an eine Überarbeitung seines Werkes ging, auf deren Grundlage noch im gleichen Jahr eine von Marx redigierte deutsche Übersetzung erschienen war. (Siehe MEGA@ 1/25. S. 83-86 und 607-611 .) Für die Passage über Pierre-Joseph Proudhon (S. 13.8-18) besaß Engels umfangreiches eigenes Material (Erl. 13.8-18). Bei den zur Charakterisierung der Blanquisten angeführten Dezentralisierungsbestrebungen der Kommune (S. 14.1-11) konnte Engels sich an Marx' ersten Entwurf zu "The Civil War in France" anlehnen (siehe MEGA@1/22. S. 69.473.10). Die diesen beiden Hinweisen zugrunde liegende Ansicht, daß den meisten Maßnahmen der - wie Engels vereinfachend resümiert - von Proudhonisten und Blanquisten beherrschten Kommune "nicht irgendwelche Prinzipien", sondern "das einfache praktische Bedürfnis" zugrunde lag und sie damit "im Geist . .. des deutschen wissenschaftlichen Sozialismus" gewesen seien, hatte Engels bereits 1872 in seiner Arbeit "Zur Wohnungsfrage" ausgesprochen (MEGA@1/24. S. 61/62). Für die im zweiten Teil der Einleitung behandelte Frage nach der Stellung der Pariser Kommune in der Entwicklung des bisherigen und zukünftigen Staatswesens griff Engels auch auf seine 1884 erschienene Schrift "Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats" zurück. Anhaltspunkte dafür sind die übereinstimmenden Verweise auf die Staatsauffassung bei Hegel (siehe S. 15.22-26 und Erl. sowie MEGA@ 1/29. S. 106.30-33) und auf die Besonderheiten der nordamerikanischen Demokratie (siehe S. 14.26-15.5 und MEGA@1/29. S. 109.13-20). Begünstigend

605

Einleitung zur dritten deutschen Auflage von Karl Marx' "Der Bürgerkrieg ... "

für die sichtbar enge Verbindung dieser beiden Schriften war gewiß der Umstand, daß Engels eine Neuauflage seines Textes von 1884 vorbereitete (Engels an Karl Kautsky, 23. Februar 1891), als Fischer mit seinem Anliegen bezüglich einer Einleitung zum "Bürgerkrieg in Frankreich" an ihn herantrat. Schon im Brief vom 17. März 1891 hatte Engels Kautsky die "Einleitung" als Vorabdruck für die "Neue Zeit" angeboten. Ende März schickte er ein Exemplar der revidierten Korrekturbogen nach Stuttgart. Am 5. April meldete Kautsky Engels, daß die "Einleitung" gedruckt sei. Unmittelbar darauf erschien sie in Nr. 28 der Zeitschrift (J 1 ) . Auf Bitten von Engels (Engels an Karl Kautsky, 2. April 1891) hatte Kautsky den Autornamen mit folgender Fußnote versehen: "Vorliegendes bildet die Einleitung zu der nächstens im Verlag unseres Zentralorgans erscheinenden dritten Auflage der von Marx verfaßten Adresse des Generalraths der Internationale über ,den Bürgerkrieg in Frankreich '. - Durch die Freundlichkeit von Engels sind wir in Stand gesetzt, seine Einleitung in der ,Neuen Zeit' jetzt schon für sich zu veröffentlichen." Da sich die Herstellung der Broschüre verzögerte (Richard Fischer an Engels, 17. März und 14. April 1891 ; siehe auch Richard Fischer an Engels, 18. Juni 1891 ), gelangte die "Einleitung" zum "Bürgerkrieg in Frankreich" erst etwa Anfang Mai 1891 an die Öffentlichkeit (MEGA® 1/22. S. 1027; siehe auch Vorwärts. Berlin. Nr. 115, 21 . Mai 1891 . Beil. S. 3, Sp. 3). Oie dritte Auflage des "Bürgerkriegs in Frankreich" erschien in einer Höhe von 10 000 Exemplaren (Richard Fischer an Engels, 27. Februar 1891). Die Auflagenhöhe der "Neuen Zeit" ging zwar nach ihrem Höhenflug von etwa 10 000 Exemplaren Ende 1890 gerade merklich zurück, lag aber dennoch wohl über dem Durchschnitt der Jahre 1891-1895 (siehe S. 589). Einige Broschüren schickte Engels, dem die "Vorwärts"-Buchhandlung zwölf Exemplare zur Verfügung gestellt hatte (Richard Fischer an Engels, 18. Juni 1891 ), an Freunde und frühere Wegbegleiter. Friedrich Leßner bedankte sich am 14. Juli 1891 für die Zusendung und kennzeichnete die "Einleitung" zusammen mit der Vorrede zu "Lohnarbeit und Kapital" (S. 21-28) als so erfrischend, unübertrefflich und klar, daß sie ihre gute Wirkung unter den Arbeitern nicht verfehlen werde. Ferdinand Wolff, der ebenfalls ein Exemplar von Engels erhalten hatte, nahm in einem Brief an Engels vom 9. Mai 1891 darauf Bezug und zitierte in seinem Artikel "Sucher, Bismarck und v. Poschinger" die bereits erwähnte Passage zu Hegels Staatsauffassung (Oie Neue Zeit. Jg. 10. 1891/ 1892. Bd. 2. S. 527). Fischer fand die Arbeit von Engels so aktuell, daß er sie auch gern für den "Vorwärts" vom 18. März, dem Jahrestag der Pariser Kommune, genutzt hätte. (Richard Fischer an Engels, 17. März 1891 .) Engels hatte sie jedoch ausdrücklich der "Neuen Zeit" vorbehalten, und für eine neue Absprache kam sie wahrscheinlich zu spät in Berlin an. Wegen des absehbaren Erscheinans der Broschüre verzichtete der Parteivorstand der SPD entgegen einer früheren Absicht darauf, Wilhelm Liebknechts Artikel "Eine Geschichte der Kommune" in den "Vorwärts"-Beilagen Nr. 64 und 65 vom 17. und 18. März 1891 (ein

606

Entstehung und Überlieferung Wiederabdruck einer Besprechung des oben genannten Buches von Lissagaray aus dem Jahre 1877) separat erscheinen zu lassen (lgnaz Auer an Wilhelm Liebknecht, 19. März 1891. IISG, Nachlaß Wilhelm Liebknecht, Sign. 61/81-82). Der "Vorwärts" meldete am 11 . April 1891 (Nr. 84. 1. Beil. S. 3, Sp. 1), daß das letzte Heft der "Neuen Zeit" einen "vortrefflichen Aufsatz von Engels über die Kommune" enthalte, "welcher der in den nächsten Tagen erscheinenden Ausgabe des Marxschen ,Bürgerkrieg in Frankreich' als Einleitung vorausgeschickt werden wird". ln der Beilage zu Nummer 115 vom 21 . Mai 1891 vermerkte die gleiche Zeitung redaktionell, daß die erschienene Neuauflage der Marxschen Schrift "durch eine Einleitung von Engels" bereichert würde, "in der er eine Darstellung der Kommune giebt, wie sie lichtvoller bis nun nicht existirt" (S. 3, Sp. 3). ln seiner ersten "Eidorado"-Rede vom 1. Juni 1891 verwendete Georg von Vollmar Engels' Darstellung zur Kapitulation von Parisam 28. Januar 1871 (S. 9.3-19) als Beispiel für eine "verkehrte Behandlung nationaler Dinge". (Vollmar: Über die nächsten Aufgaben der deutschen Sozialdemokratie. S. 10/11; siehe auch Engels an Karl Kautsky, 29. Juni

1891.) Auch Zeitungen außerhalb der Sozialdemokratie nahmen die "Einleitung" sofort zur Kenntnis. Wie bereits im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der "Kritik des Gothaer Programms" zwei Monate zuvor artikulierten sie dabei vor allem ihren Widerspruch zur Formel von der Diktatur des Proletariats. So heißt es in der Morgenausgabe der Berliner "Norddeutschen Allgemeinen Zeitung", Nr. 165 vom 10. April 1891, auf Seite 2 (Die Sozialdemokratie beabsichtigt ... ): "Herr Engels hat ganz Recht: die Pariser Kommune war die Diktatur des Proletariats und als sie sah, daß die Tage ihrer Herrlichkeit vorbei waren, erschoß sie die Geiseln, den Erzbischof von Paris an der Spitze - so sieht die Diktatur des Proletariats aus." (Siehe auch Germania. Zeitung für das deutsche Volk. Berlin . Nr. 81 , 11 . April 1891. 1. BI. S. 2, unter der Überschrift "Die Diktatur des Proletariats".) Auch der sozialistische Publizist Stanisfaw Mendelson nutzte neben Marx' "Bürgerkrieg in Frankreich" ebenso Engels' Einleitung für seinen Nachtrag zu Lissagarays .,Geschichte der Kommune von 1871 ", Illustrierte Ausgabe, Stuttgart 1894. Unter der Nachtragsüberschrift .,Die Vorgeschichte und die inneren Triebkräfte der Kommune" bezog Mendelson sich vor allem im Kapitel über "Die prinzipielle Bedeutung der Kommune" auf Engels (siehe zum Beispiel ebenda. S. 525/526). Übersetzungen der "Einleitung" erschienen bis 1895 in polnischer, russischer, bulgarischer und englischer Sprache. Die polnische Übersetzung brachte die Londoner Zeitschrift der im Ausland lebenden polnischen Sozialisten "Przedswit" (S. 791) unter dem Titel "Wojna domowa we Francyi" in Nr. 5 vom Mai 1893, S. 1Q-14. Die weiteren Übersetzungen erfolgten im Rahmen folgender Ausgaben : Kapn MapKc: rpa>KAaHCKaR Boii!Ha BO paHUi111 (1870-1871). V13A. 2. )f(eHeea 1893. S. 111-XVI; K[apnb] MapKCb: rpa>KAaHCKaTa BOIIIHa Bb paHUI!1R (187ü-1871). TbpHOBO 1894. S. 111-XX. (Von Dimitür Blagoev nach der russischen Ausgabe von 1893

607

Einleitung zur dritten deutschen Auflage von Karl Marx' "Der Bürgerkrieg ... "

besorgt); The Commune of Paris. Being the addresses of the International Workingmen's Association of the Franco-German War of 1870, and the pamphlet of the same body, the "Civil War in France" of 1871. London 1895. S. 1-X. (Übersetzung der dritten deutschen Auflage von Ernest Belfort Bax.) Pasquale Martignetti übersetzte die Arbeit von Engels Ende August/Anfang September 1891 auch ins Italienische (Pasquale Martignetti an Engels, 29. August 1891) in der Hoffnung, daß sie von Filippo Turati in der "Critica Sociale" beziehungsweise, zusammen mit der Marxschen Adresse des Generalrates der IAA über den Deutsch-Französischen Krieg, in einer geplanten sozialistischen Bibliothek abgedruckt werden würde (Pasquale Martignetti an Engels, 14. August und 11. November 1891 ). Zu einer Veröffentlichung ist es zu Lebzeiten von Engels aber vermutlich nicht mehr gekommen (Pasquale Martignetti an Engels, 5. April 1892).

Zeugenbeschreibung X1 Druckvorlage zu 0 2 .

-

Handschrift- Schreiber: Engels.

X2 Autorkorrektur von 0 2 , gleichzeitig Vorlage zu J 1 . Schreiber: Engels.

-

Korrekturbogen . -

J1 Ueber den Bürgerkrieg in Frankreich. Von Friedrich Engels. ln: Die Neue Zeit. Revue des geistigen und öffentlichen Lebens. Stuttgart. Jg. 9. 189ü-91. Bd. 2. Nr. 28. S. 33-41 . - Vorabdruck: Exemplar der ThULB Jena, Sign. Cam. IX (s. p.), o. 858-3.

0 2 Einleitung. ln: Der Bürgerkrieg in Frankreich. Adresse des Generalraths der Internationalen Arbeiter-Association. ([Nebst:] Beilagen 1.2.) Dritte deutsche Auflage vermehrt durch die beiden Adressen des Generalraths über den deutsch-französischen Krieg und durch eine Einleitung von Friedrich Engels. Berlin 1891 . Verlag der Expedition des "Vorwärts", Berliner Volksblatt. (Th. Glocke.) (Druck: Max Bading, Berlin SW.) 71 S. Br. 8°. S. 3-14.- Erstdruck: Exemplar der ThULB Jena, Sign. Cam. IX (s. p.), o. 10/128 (1). Der Edierte Text folgt 0 2 , dem Erstdruck, der, wie die Beibehaltung des flüchtigen "e" zeigt, der Druckvorlage von Engels wohl auch näher liegt. J 1 ist im Variantenverzeichnis berücksichtigt. Da davon auszugehen ist, daß J1 und 0 2 die gleichen von Engels durchgesehenen Korrekturbogen zugrunde liegen, so handelt es sich bei den nachfolgenden Varianten wahrscheinlich um Veränderungen durch die Redaktion der "Neuen Zeit" oder den Verlag des "Vorwärts", die Engels hingenommen hat. Die orthographischen Eigenheiten in J1 gegenüber 0 2 , darunter die durchgängige Einfügung des für Engels typischen flüchtigen "e" oder die Schreibung "Rassen" statt "Racen" und "Herd" statt "Heerd", werden im Variantenverzeichnis nicht ausgewiesen.

608

Erläuterungen

VARIANTENVERZEICHNIS

4.40

jeder, durch] J1 jeder durch

7.12

Republik, und] J1 Republik und

7.37

Nationalversammlung, zu] J1 Nationalversammlung zu

8.18

ihnen, als] J 1 ihnen als

11 .10

von] J1 vom

11.24

frech, drohend] J1 frech und drohend

11.32

Versaillern über] J1 Versaillern, über

12.6

ein stumm-beredtes] J 1 als stumm beredtes

12.23

Majorität, die] J1 Majorität: die

14.23

Zeit, im] J1 Zeit im

14.27-28

Nation, als] J 1 Nation als

14.35

diesen] J 1 den

14.39

Heer, außer] J1 Heer außer

15.39-40

es, ebensowenig] J1 es ebensowenig

KORREKTURENVERZEICHNIS

10.18 11.26

April wurde beschlossen] 0 2 April beschlossen Korrektur nach J 1 . Yendomeplatzes] 0 2 Yendomeplatzes geschossene] 0 2 geschossenen

11 .29

21.] 0 2 II.

10.3

Korrektur nach J 1 .

Siehe Erl. 11 .29-31.

ERLÄUTERUNGEN

3.2-3

[Karl Marx:] Der Bürgerkrieg in Frankreich. Adresse des Generalraths der Internationalen Arbeiter-Assoziation an alle Mitglieder in Europa und den Vereinigten Staaten. Leipzig 1871 (MEGA@1/22. S. 179-226).

3.6

die beiden kürzern Ansprachen] S . 409-418.

3.9

MEGA@1/22. S. 183.13-15.

609

Einleitung zur dritten deutschen Auflage von Karl Marx' "Der Bürgerkrieg ... "

3.18-24

S. 411 .27-31 .

3.21

Mit den Kriegen von 1813/14 wurde in den deutschen Staaten die jeweils sehr unterschiedlich ausgestaltete und empfundene Herrschaft Napoleons 1er beseitigt. Marx' und Engels' Relativierung dieses "Befreiungskrieges" berücksichtigt die mit ihm verbundenen dynastischen und restaurativen Intentionen, die die darauffolgenden gesellschaftlichen Verhältnisse in Deutschland nachhaltig prägten.

3.23

Die sogenannten Demagogenverfolgungen richteten sich gegen jene, die sich vom nationalen und liberalen Standpunkt aus gegen die politischen Verhältnisse in Deutschland wandten , wie sie im Ergebnis des Wiener Kongresses von 1814/15 entstanden waren. Sie basierten vor allem auf den Karlsbader Beschlüssen, die am 20. September 1819 von den Bevollmächtigten der deutschen Einzelstaaten im Bundestag angenommen wurden. Nachdem die Verfolgungen 1825/1826 zunächst verebbt waren , setzte Anfang der 1830er Jahre eine zweite Welle ein.

3.24

Das "Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" trat am 21. Oktober 1878 in Kraft und behielt nach viermaliger Verlängerung (Beschlüsse des Reichstages vom 4. Mai 1880, 12. Mai 1884, 2. April 1886 und 17. Februar 1888) bis zum 30. September 1890 Gültigkeit (Erl. 56.23-24). Das Gesetz verbot Vereine (§ 1), Versammlungen (§ 9), Druckschriften (§ 11) und Geldsammlungen (§ 16), "welche durch sozialdemokratische, sozialistische oder kommunistische Bestrebungen den Umsturz der bestehenden Staats- oder Gesellschaftsordnung bezwecken" (Deutscher Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischer Staats-Anzeiger. Berlin. Nr. 249, 22. Oktober 1878. Abends) . Von besonderer Bedeutung war § 28, nach dem der kleine Belagerungszustand verhängt und Sozialdemokraten ausgewiesen werden konnten. Das Gesetz war Bestandteil der allgemeinen antiliberalen Wende, die Bismarck 1878/1879 vollzog.

3.26-4.2

s. 416.32-40.

3.26-27

Die Annexion des Elsaß und Lothringens durch Deutschland war ein Ergebnis des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 (Erl. 8.23-25) und Bestandteil des Frankfurter Friedensvertrages vom 10. Mai 1871 . Der Vertrag verpflichtete Frankreich außerdem zur Zahlung von fünf Milliarden Goldfrancs als Kriegsentschädigung an Deutschland innerhalb von drei Jahren. Bis dahin sollten die östlichen Departments Frankreichs in Abhän-

610

Erläuterungen

gigkeit von der Einhaltung des vereinbarten Zahlungsmodus besetzt bleiben.

4.4-5

Wie Aussagen von Engels und Marx an anderer Stelle nahelegen, meint Engels mit Bismarcks Buhlen um die Gunst des Zaren nach 1870/71 zum Beispiel Preußens Haltung während des Russisch-Türkischen Krieges von 1877/78 (siehe Karl Marx: Über die orientalische Frage. ln: MEGA®1/25. S. 124), das im Januar 1885 geschlossene Abkommen zwischen Preußen und Rußland, wonach russische politische Flüchtlinge an Rußland ausgeliefert werden mußten (siehe Friedrich Engels: Kaiserlich Russische Wirkliche Geheime Dynamiträthe. ln: Der Sozialdemokrat. Zürich. Nr. 5, 29. Januar 1885. S. 1, Sp. 1/2) sowie Bismarcks Rolle in der bulgarischen Krise von 1885/86, als er im Interesse Rußlands auf Österreich einwirkte (siehe Engels an Paul Lafargue, 25. Oktober 1886 beziehungsweise MEGA® 1/31 . S. 3-9). Diese und andere Schritte Bismarcks konnten jedoch die Annäherung zwischen Rußland und Frankreich nicht verhindern (S. 92-100). Differenzierter als hier beurteilte Engels Bismarcks Rußlandpolitik unter anderem in einem Brief an August Bebel vom 13./14. September 1886.

4.21-22

Siehe Meeting of the General Council May 30, 1871. ln: MEGA®1/22. S. 558. Zur gesamten Entstehungsgeschichte der Generalratsadresse siehe ebenda. S. 789-792.

7.1-3

Die großen politischen Bankette zur Durchsatzung der Wahlrechtsreform wurden seit Mitte 1847 veranstaltet. Bereits über das erste vom Pariser zentralen Wahlkomitee der Opposition am 9. Juli 1847 abgehaltene Bankett im Chäteau-Rouge hatte er im "Northern Star", London, Nr. 508 vom 17. Juli 1847 einen Bericht veröffentlicht. Zwischen November 1847 und Januar 1848 hatte er diese Berichterstattung über die Bankettbewegung im "Northern Star" und in der "Deutschen-Brüsseler-Zeitung" (Erl. 183.40) fortgesetzt.

7.13

als "soziale" bezeichnete Republik] Zum Verständnis dieses Begriffes bei Marx siehe [Karl Marx:] Der Bürgerkrieg in Frankreich . ln: MEGA®1/22. S. 201 .21-25. Siehe auch ebenda. s. 64.23-28.

7.18-23

Zu den Maßnahmen der Nationalversammlung und der Exekutivkommission, die zum Aufstand des Pariser Proletariats vom 23. bis zum 26. Juni 1848 führten , sowie zur Bewertung des Verlaufs und des Charakters dieser Insurrektion durch Marx siehe auch Karl Marx: Die Klassenkämpfe in Frankreich

611

Einleitung zur dritten deutschen Auflage von Karl Marx' ,.Der Bürgerkrieg ... "

1848 bis 1850. ln: MEGA® 1/10. S. 137-140. Siehe dazu unter anderem Leveque: Die revolutionäre Krise von 1848-1851 in Frankreich. S. 98-102. 7.24-25

Damit greift Engels folgende Passage aus dem ,.Bürgerkrieg in Frankreich" auf: .. Um ein Seitenstück zu finden für das Benehmen des Thiers und seiner Bluthunde, müssen wir zurückgehen zu den Zeiten des Sulla und der beiden römischen Triumvirate." (MEGA® 1/22. S. 217.36-38.) Unter den Diktaturen des Sulla (82-79 v. Chr.) sowie des ersten (60-53 v. Chr.) und des zweiten Triumvirats (46-43 v. Chr.) wurde gegenüber den politischen Gegnern vor allem die Methode der physischen Vernichtung (Proskriptionen, Straßenkämpfe) angewandt.

7.30-31

Siehe [Karl Marx:] Der Bürgerkrieg in Frankreich. ln: MEGA® 1/22. s. 200.41-201.3.

7.33

Die drei dynastischen Parteien der Legitimisten, Orleanisten und Bonapartisten sowie die Republikaner charakterisierte Marx beispielsweise in seiner Arbeit .. Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte" (MEGA® 1/11 . S. 179.33-35 und 107.14-21). Siehe auch S. 88.10-12.

7.34-37

Im Ergebnis des Staatsstreichs vom 2. Dezember 1851 wurde mit der Verfassung vom 14. Januar 1852 eine zehnjährige Amtszeit des französischen Staatsoberhaupts, das bereits alle entscheidenden exekutiven und legislativen Befugnisse besaß, eingeführt. Nach einem mit großer Zustimmung ausgefallenen Plebiszit vom 20./21 . November 1852 ließ sich Louis Bonaparte am 2. Dezember 1852 unter dem Namen Napoleon 111 zum Kaiser ausrufen und begründete das Zweite Kaiserreich (1852-1870). Marx hat sich dazu ausführlich geäußert in: Der achtzehnte Brumaire ... ln: MEGA®I/11. S. 174-189.

8.12-15

Durch die Pariser Verträge vom 30. Mai 1814 und 20. November 1815 verlor Frankreich alle Gebiete, die es in den Kriegen zwischen 1790 und 1814 erobert hatte. Bezogen auf die Ausdehnung der Ersten Republik (bis 1804) betraf das im Nordosten vor allem die Österreichischen Niederlande (Belgien) und die deutschen Gebiete westlich des Rheins etwa zwischen Speyer und Kleve sowie im Südosten Nizza, Savoyen, Piemont und einige Gebiete der westlichen Schweiz. Gemessen am Besitzstand des Kaiserreichs in seiner größten Ausdehnung gingen auch die Niederlande, ein breiter deutscher Küstenstreifen bis zur Lübecker Bucht, die Toskana, Katalonien und das an

612

Erläuterungen

der östlichen Adria gebildete Gouvernement lllyrien verloren. Darüber hinaus mußte Frankreich noch kleinere bis 1789 zur Monarchie gehörende Landstriche im Norden an das neugeschaffene Königreich der Vereinigten Niederlande und an Preußen abtreten.

8.21-22

Der Preußisch-Österreichische Krieg 1866 erwuchs aus der Rivalität beider Mächte um die Vorherrschaft in Deutschland und endete mit einer Niederlage Österreichs. Der Prager Frieden, der am 23. August 1866 zwischen beiden Seiten geschlossen wurde, legte die Auflösung des Deutschen Bundes, die Annexion des Königreichs Hannover, des Kurfürstentums Hessen-Kassel, des Herzogtums Nassau, der Freien Stadt Frankfurt am Main sowie der Herzogtümer Schleswig und Holstein durch Preußen fest (Erl. 68.27). Österreich schied aus dem deutschen Staatsverband aus. Der Krieg war ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur staatlichen Einheit Deutschlands durch eine "Revolution von oben" (Erl. 51.4-5) . (Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte. Bd. 2.

s. 217-220.)

8.22-23

Um für den bevorstehenden Preußisch-Österreichischen Krieg eine wohlwollende Neutralität Frankreichs zu erreichen, stellte Bismarck im Frühjahr 1866 über verschiedene diplomatische Kanäle in unverbindlich gehaltener Form die Möglichkeit territorialer Zugeständnisse auf dem linken Rheinufer als Entschädigung für den erstrebten Machtzuwachs Preußens in Aussicht. (Siehe zum Beispiel Graf Goltz an Bismarck, 6. März 1866. ln: Oncken: Die Rheinpolitik Kaiser Napoleons 111. von 1863 bis 1870 und der Ursprung des Krieges von 1870/71 . Bd. 1. S. 94-98.) Auf diese Angebote ging Napoleon 111 lange Zeit nicht konkret ein, da er offensichtlich den Umfang seiner Kompensationsforderungen von Verlauf und Ergebnis der innerdeutschen Auseinandersetzung abhängig machen und eine weitere nicht in seinem Interesse liegende Steigerung der nationalen Stimmung in Deutschland vermeiden wollte. Als er im Zusammenhang mit den durch seine Intervention zustandegekommenen Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen zwischen Preußen und Österreich Ende Juli und Anfang August 1866 entsprechende Ansprüche geltend machte, wurden sie von Bismarck abgewiesen. (Bismarck: Die gesammelten Werke. Bd. 7. Gespräche. Bd. 1. S. 148/149. Zum gesamten Komplex siehe Burckhard: "Deutschland, England, Frankreich. Die politischen Beziehungen Deutschlands zu den beiden westeuropäischen Großmächten 1864-1866", wo auf eine Reihe von Schwierigkeiten bei der Deutung der einschlägigen Quellen

613

Einleitung zur dritten deutschen Auflage von Karl Marx' "Der Bürgerkrieg .. ."

hingewiesen wird. Einen neuen Überblick bietet Baumgart Europäisches Konzert und nationale Bewegung. S. 379 und 386/387.) Engels äußerte sich ausführlicher zu diesem Sachverhalt in seinem hinterlassenen Manuskript für die geplante Broschüre "Die Rolle der Gewalt in der Geschichte" von 1887/1888 (MEGA@1/31 . S. 87.31-89.31 ). 8.23-25

Der Deutsch-Französische Krieg (1870/71 ), zu dessen Ausbruch beide Seiten beitrugen, begann mit der Kriegserklärung Frankreichs vom 19. Juli 1870. Mit dem Krieg setzten sich in Frankreich jene politischen Gruppen durch, die eine Einigung Deutschlands unter preußischer Hegemonie, in der sie eine Gefährdung der dominierenden Rolle Frankreichs auf dem europäischen Festland sahen, verhindern und womöglich Frankreich in seinen Grenzen von 1814 (Erl. 8.12-15) wiederherstellen wollten. Der zögerliche Napoleon 111 stellte sich nicht zuletzt im Interesse der Sicherung seiner Macht und Erhaltung seiner Dynastie an ihre Seite. Die Kriegserklärung wurde durch die Veröffentlichung einer von Bismarck bearbeiteten Depesche des preußischen Königs Wilhelm I. aus Bad Ems vom 13. Juli 1870 veranlaßt ln ihr hatte Wilhelm I. die französische Forderung abgelehnt, niemals einer hohenzollernschen Thronkandidatur in Spanien zuzustimmen. ln der Schlacht von Sedan (1./2. September 1870) erlitt Frankreich eine entscheidende Niederlage. Zusammen mit etwa 100 000 französischen Soldaten, Offizieren und Generalen geriet dabei auch Napoleon 111 in Gefangenschaft. Diese verbrachte er vom 5. September 1870 bis zum 19. März 1871 auf Schloß Wilhelmshöhe bei Kassel. Siehe auch Erl. 3.26-27 und Erl. 233.1-2.

8.26-27

Am 4. September 1870 drang, nachdem die Nachricht von der Kapitulation der französischen Truppen bei Sedan und der Gefangennahme Napoleons 111 bekannt geworden war, eine aufgebrachte Menschenmenge in den Sitzungssaal des Palais Bourbon ein, löste die dort tagende Deputiertenversammlung auf und proklamierte die Republik.

8.32

Die provisorische Regierung der nationalen Verteidigung konstituierte sich unmittelbar im Ergebnis der Ereignisse vom 4. September 1870 und stand unter der Leitung des Generalgouverneurs von Paris General Louis Jules Trochu. Ihr Mandat erlosch mit der Bildung der neuen exekutiven Gewalt, mit der die in Bordeaux tagende neu gewählte Nationalversammlung am 17. Februar 1871 Adolphe Thiers beauftragte. Zu Marx' An-

614

Erläuterungen

sieht siehe [Karl Marx:] Der Bürgerkrieg in Frankreich. ln: MEGA 2 d'avoir 3 de produire un effet

19.7-8

Espagne. (Quoique Ia)1

19.8

dans > par

19.10

dont > d'ou

19.1G-11

radicaux (et) pseudo-socialistes

19.11

1: des pays occidentaux > en France, en Italie > de I'Europe occiden-

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19.11

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19.12

ouvriers. (Et)1 (Et comme)1 (Oe l'ant)1 (Comme les)1

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19.13-14

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19.14

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19.17

parmi les republicains de vos Cortes> dans vos Cortes et dans votre presse

19.18

socialistes (et qui)1

19.18

quelques idees > les idees

19.19

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19.19-21

un socialisme bourgeois de faux aloi au vrai socialisme, expression rationnelle 1: et concise :1 des aspirations du proletariat > au vrai bis aloi

19.21

bourgeois 1: et :1de

l'opposi!iC?~

> tout trouve d'opposer

627

A l'edition espagnole de Ia

"Misere de Ia philosophie" de Karl Marx

KORREKTURENVERZEICHNIS 19.6-7 19.9 19.10 19.16 19.22

Espagne.] H Espagne chute] H chute arsenal] H arsenal soi-disant] H soidisant Salut] H Saluts

ERLÄUTERUNGEN 19.8

628

ln Pierre-Joseph Proudhon kritisierte Marx einen Sozialisten, der, wie viele vor und neben Marx, seine auf Abschaffung der Ausbeutung und Sicherung von Gleichheit und Gerechtigkeit gerichteten Anschauungen auf die egalitäre Anwendung der Werttheorie Ricardos gründete, die Herstellung des individuellen, aus persönlicher, unmittelbarer Arbeit hervorgegangenen gleichen Besitzes und die Emanzipation des Proletariats durch den Mutualismus (gegenseitige Hilfeleistung) erreichen wollte und in den politischen Formen dieses Emanzipationskampfes einen Irrweg sah. ln seinem Brief an Johann Baptist von Schweitzer "Über Proudhon" vom 24. Januar 1865 (MEGA