Gesammelte Werke: Band 5 Die Frage nach dem Unbedingten [2. Aufl. 1978. Reprint 2012]
 9783110853605, 9783771501952

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PAUL T I L L I C H · G E S A M M E L T E W E R K E BAND V

PAUL T I L L I C H

DIE FRAGE NACH DEM UNBEDINGTEN Schriften zur Religionsphilosophie

GESAMMELTE WERKE BAND V

EVANGELISCHES VERLAGSWERK

STUTTGART

Herausgegeben von Renate Albredit

ISBN 3 7715 0195 4 2. Auflage 1978 Erschienen 1964 im Evangelischen Verlagswerk Stuttgart © Alle Rechte, einschließlich dem der Übersetzung, vorbehalten Druck: J. F. Steinkopf KG, Stuttgart Bindearbeiten: Buchbinderei Riethmüller, Stuttgart

F R I E D R I C H SPIEGELBERG GEWIDMET

V O R B E M E R K U N G DES H E R A U S G E B E R S

Die in diesem Band vereinigten religionsphilosophischen Aufsätze sind innerhalb der drei Sachgebiete chronologisch geordnet. Dem Leser ist es dadurch möglich, bei manchen sich wiederholenden Themen die gedankliche Weiterentwicklung über nahezu vier Jahrzehnte zu verfolgen. Die Ubersetzungen der im Original englisch geschriebenen Aufsätze wurden vom Autor selbst überarbeitet und an manchen Stellen durch Neuformulierungen verändert. Dabei blieb der englische Text absichtlich oft unberücksichtigt. Für die Mitarbeit an diesem Bande sei gedankt: Herrn Dr. Heinz Emunds für eingehende Beratung und Vorschläge bei den philosophischen Partien der Ubersetzungen, Herrn Dr. Theodor Mahlmann für die sorgsame Herstellung des systematisch wertvollen Sachregisters, Frau Dr. Gertie Siemsen und Frau Gertraut Stöber für die Hilfe beim Korrekturlesen. Ein weiterer Dank gebührt dem Verlag J . C. B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen, für die Erlaubnis des Wiederabdrucks von „Mythos und Mythologie". Düren, im Januar 1964

Renate Albrecht

INHALT

ALLGEMEINE

BETRACHTUNGEN

NICHTKIRCHLICHE RELIGIONEN

13

1. Die nichtkirchlichen ausdrücklich religiösen Bewegungen

14

Das religiöse Prinzip der Kirche und der Sekte

15

Formen der Sekte

16

Der Mensch in der Sekte

17

Religiöse Bewegungen auf niditkirdilidiem

Boden

19

2. Die nichtkirchliche autonome Religion

22

Die Frage nadi dem Leben&inn

22

Das Zweideutige in Religion und Kultur

24

Vater-, Mutter- und Kind-Religion

26

Das Wesen der autonomen Religion

26

Typisdie Formen der autonomen Religion

;

.

28

D I E FRAGE NACH DER ZUKUNFT DER RELIGION

32

RELIGION ALS EINE FUNKTION DES MENSCHLICHEN GEISTES?

37

D I E VERLORENE DIMENSION

43

DAS CHRISTENTUM UND DIE BEGEGNUNG DER WELTRELIGIONEN . .

51

1. Ein Blick auf die gegenwärtige Lage: Religionen, Quasi-Religionen und ihre Begegnungen

51

2. Christliche Prinzipien in der Beurteilung nicht-christlicher Religionen

64

3. Ein christlich-buddhistischer Dialog

76

4. Das Urteil des Christentums über sich selbst im Licht seiner Begegnung mit den Weltreligionen 88 7

SYSTEMATISCHE

B E T R A C H T U N G E N

PHILOSOPHIE UND R E L I G I O N

101

PHILOSOPHIE UND T H E O L O G I E

110

Z W E I W E G E DER RELIGIONSPHILOSOPHIE

122

1. Das weltgeschichtliche Problem 2. Die Augustinische Lösung

123 124

3. Die Thomistische Auflösung

126

4. Konflikte und Mischungen der zwei Methoden in der modernen Religionsphilosophie 129 5. Das unmittelbare Gewahrwerden des Unbedingten

131

6. Das Wiedererkennen des Unbedingten in der Wirklichkeit ....

134

7. Unmittelbare Gewißheit und das Wagnis des Glaubens

135

BIBLISCHE R E L I G I O N UND DIE FRAGE NACH DEM S E I N

138

I. Grundbegriffe

·

138

1. Der Sinn des Begriffs „biblische Religion"

138

2. Der Sinn der Frage nach dem Sein

140

II. Menschliche Existenz und die Frage nach dem Sein

143

1. Der Mensch und die Frage nach dem Sein

143

2. Philosophische Einwände

145

3. Die philosophische Haltung

147

III. Die Grundlage des biblisdien Personalismus

149

1. Der personhafte Charakter der Erfahrung des Heiligen .. 149 2. Die Eigenart des biblischen Personalismus

152

IV. Personalismus und Gott>Mensch-Beziehung

153

1. Der Charakter der Gott-Mensch-Beziehung beziehung 2. Biblischer Personalismus und das Wort V. Personalismus und die Manifestationen Gottes

als Wechsel153 154 156

1. Personalismus und Sdhöpfung

156

2. Personalismus und Christologie

157

3. Personalismus, Geschid)te und Eschatologte

158

8

VI. Der Mensch im Lichte des biblischen Personalismus

160

1.Der biblische Personalismus und die ethisdie des Menschen

Existenz

2. Der biblische Personalismus des Menschen

Existenz

und die soziale

160 163

3. Glaube und Sünde in der biblischen Religion

165

4. Glaube, Zweifel und die ontologische Frage

169

VII. Die ontologisdien Probleme der subjektiven Seite der biblisdien Religion

171

1. Bekehrung in Religion und Philosophie

171

2. Ethik der Gnade und Ethik der Entscheidung

173

3. Einsamkeit und Liebe in biblischer Religion und Ontologie 175 VIII. Die ontologischen Probleme der objektiven Seite der biblisdien Religion

177

1. Die Manifestationen Gottes und die Frage nach dem Sein 177 2. Die Gott-Mensch-Beziehung und die Frage nach dem Sein 180 3. Gott als Grund des Seins in Ontologie und biblischer Religion 182

RELIGIÖSER MYTHOS DAS

SYMBOLISMUS

UND MYTHOLOGIE

RELIGIÖSE

187

SYMBOL

196

Das Symbol

196

2. Theorien des religiösen Symbols

198

3. Arten des religiösen Symbols

206

4. Werden und Vergehen der religiösen Symbole

210

DAS

WESEN

DER RELIGIÖSEN

EXISTENTIALANALYSE RECHT

SPRACHE

UND RELIGIÖSE

UND BEDEUTUNG

RELIGIÖSER

213

SYMBOLE

223

SYMBOLE

237

Bibliographische Anmerkungen

245

Namen- und Sachregister

247 9

ALLGEMEINE BETRACHTUNGEN

NICHTKIRCHLICHE

RELIGIONEN1

Das Thema „Nichtkirchlidie Religionen" ist negativ formuliert; und negative Themata haben den Nachteil, innerlidi unendlich zu sein. Denn was man darüber sagt, ist immer orientiert an dem, was im H i n tergrunde positiv gedacht ist, hier also an dem, was unter Kirche verstanden ist. Diese Schwierigkeit wird sich im Laufe des Vortrags darin bemerkbar madien, daß eine außerordentliche Fülle von Gegenständen, die unter unseren allgemeinen Begriff fallen, im Fluge berührt werden müssen. Es waren zwei Riditungen des Gedankens, die sowohl in meiner Erwägung als audi gesprächsweise in diesem Kreis von dem Vortrag gefordert wurden: eine, die die Kirche auffaßt als eine bestimmte Art religiöser Wirklichkeit und Gegenstände betraditen will, die zur religiösen Wirklichkeit gehören, aber nicht in der Art, wie es die Kirche ist. Der Gegensatz, um den es sich hier handelt, ist der, den man etwa bezeichnen könnte als Großkirche und Sekte. - Der andere Gegensatz ist der, daß man die Kirche auffaßt als Inbegriff desjenigen religiösen Lebens, das ausdrücklich religiös sein will, um ihm gegenüber ein religiöses Leben aufzuweisen, das nicht ausdrücklich religiös sein will, es aber seinem innersten Wesen nach ist. Wenn wir in dieser Richtung sdiauen, so würde sichtbar werden eine religiöse Haltung, die in der äußeren Erscheinungsform sich nicht als religiös gibt, die aber bei genauer Analyse als religiös angesprochen werden muß. Dem Wunsch und auch der Sache gemäß möchte ich nun beide Riditungen in meinem Referate behandeln, und zwar so, daß das Hauptgewicht auf die mir entscheidend scheinende, nämlich auf die zweite Richtung gelegt wird. Ist doch die überwältigende Mehrzahl der gegenwärtig mit uns lebenden Menschen verhältnismäßig wenig berührt von dem ersten Gegensatz, steht aber mitten in den Problemen des zweiten Gegensatzes. Unser Thema könnte nodi anders aufgefaßt werden. Man könnte von der Kirche bloß die soziologische Seite in Betradit ziehen und sagen: Kirche ist diejenige Form der Religion, die in Gemeinschaft 1

Das Stenogramm der gesprochenen Rede ist nur wenig verändert. Vielleicht ersetzt der Eindruck, daß wirklich gesproAen ist, den Mangel an stilistischer Formung. 13

sich vollzieht. Demgegenüber wären die nichtkirchlichen Religionen solche, die als subjektive bezeichnet werden müßten, die in der Innerlidikeit des Einzelnen bleiben. Aber dieser Gegensatz ist unmöglich; es gibt ihn in Wirklichkeit nicht. Es gibt keine religiöse Ergriffenheit, die nicht immer zugleich bezogen wäre auf einen religiösen Gegenstand. Dieser religiöse Gegenstand mag als das „Unaussprechliche" ausgesprochen werden, aber er wird ausgesprochen; und in dem Ausgesprochen-Sein ist enthalten eine Gemeinschaft, ein Hören, ein Vernehmen, ein Weitergeben. Es ist eine Selbsttäuschung, wenn man meint, in irgendeiner religiösen Regung, in einem Ergriffensein, nur in sich zu schwingen. Es gibt keine in sich schwingende Ergriffenheit, sondern jede Ergriffenheit ist bezogen auf einen Sachgehalt, von dem sie ergriffen ist. Vieles Reden von subjektiver Religion, von Religion der bloßen Innerlichkeit, ist nichts anderes als die Feigheit, das, was man tatsächlich als objektive Religion in sich hat, unter das Feuer der Kritik zu stellen und unter das Urteil, das sich erhebt, wenn das Objektive auch objektiv ausgesprochen wird. Also dieser Gegensatz, der sehr modern ist: der Gegensatz von Religion und Religiosität, von objektiver und subjektiver Religion, muß völlig aus der Diskussion bleiben. Um ihn kann es sich nicht handeln, weil es ihn in Wahrheit nicht gibt, weil er eine Selbsttäuschung ist.

1. Die nichtkirchlichen ausdrücklich religiösen

Bewegungen

Und nun zu der ersten Richtung, die unserer Betrachtung vorgeschrieben ist, zu der Richtung, die sich in der religiösen Sphäre hält, die auf dem Boden steht, wo ausdrücklich Religion gemeint ist. Auch hier kann man zwei Gruppen unterscheiden: die eine Gruppe, die auf kirchlichem Boden entstanden ist, die kirchlichen Sekten im eigentlichen Sinn, und die andere Gruppe, die außerhalb der Kirche entstanden ist, die religiösen Bewegungen, die sich ausdrücklich als solche geben, aber nicht auf dem Boden der Kirche gewachsen sind. Diese beiden Gruppen wollen wir der Reihe nach betrachten. Und zwar möchte ich diese Betrachtung nicht so vornehmen, daß ich Ihnen gleichsam alle die Skurrilitäten unseres modernen religiösen Bewußtseins aufzeige, sondern ich werde versuchen, die Struktur, die lebendige Gestaltung dieser Gruppen, als solche anschaulich zu machen, ohne auf die einzelnen Gruppen weiter einzugehen als nötig ist, um das Beispiel lebendig und konkret zu machen. Denn das ist ja ein sinnloses Unterfangen, sich als Zuschauer solcher Wirklichkeit gegenüberzustel14

len und dann zum Sdiluß innerlich zu sagen: Das alles geht mich im Grunde gar nichts an. Sinnvoll ist es, auf dem Boden der religiösen Wirklichkeit von Dingen zu reden, wo das heimliche Bewußtsein mitschwingt: tua res agitur, das geht dich etwas an! Das wird wohl für die meisten unter uns redit schwierig sein bei dem, was man Sekten nennt - Sekten, die auf kirchlichem Boden gewachsen sind - und doch ist das, wie ich zu zeigen hoffe, nicht durchaus der Fall. Das religiöse Prinzip der Kirche und der Sekte Wenn ich die Aufgabe hätte, als katholischer Theologe über die Sekten zu reden, so wäre es verhältnismäßig einfach, insofern nämlich vom Standpunkt des katholischen kirchlidien Bewußtseins aus die Sekte im wesentlichen charakterisiert werden müßte als Häresie oder Abweichung von der Wahrheit, die mit der Kirche identisdi ist. Als Vertreter einer Kirche, die sich selbst als Kirche unter das Gericht stellt, kann ich so nicht sprechen. Ich könnte es nicht verantworten, unmittelbar schon durch den Begriff Häresie jene Bewegungen als im Irrtum befindlich gegenüber der in der Wahrheit stehenden Kirche aufzufassen. Der Weg muß ein anderer sein, der Weg muß der sein, daß wir aus dem Wesen des Religiösen zu verstehen suchen, um was es sich im Großkirchlichen auf der einen und um was es sich im Sektenhaften auf der anderen Seite handelt, um dann unter Umständen das so gewonnene Prinzip auch kritisch anzuwenden auf die Kirche selbst. Das Prinzip, von dem aus dieser Gegensatz verstanden werden kann, ist, wie ich zu sehen glaube, folgendes: In jedem religiösen Bewußtsein ist das Erste und Grundlegende, das alles Tragende, ein Bewußtsein der Unbedingtheit, der Unabschiebbarkeit dessen, was in der religiösen Wirklichkeit gegeben ist, ein Bewußtsein des „Mich-konkret-undunbedingt-Angehens", der Entscheidung über Leben und Tod in einem Sinn, der noch über das physische Sein oder Nichtsein hinausgeht. Wo in dieser Weise die Unbedingtheit des Religiösen erlebt wird, da bricht sie herein in alle bedingten Beziehungen unseres Lebens und hat die Tendenz, uns zu lösen aus diesen Beziehungen und uns hinzustellen allein vor diese Unbedingtheit, alles vor diesem Letzten zu entwerten. Das ist die eine Seite. Aus dieser einen Seite folgt nun von selbst die andere. Wenn jeder Mensch, wenn alle Seiten unseres Lebens getroffen werden sollen von dem, was im Religiösen gemeint ist, so wird damit das Religiöse in seiner Unbedingtheit von selbst zum Universalen, zu dem, was alle Seiten der Wirklichkeit und alle Menschen in der Wirklichkeit trifft. 15

Unbedingtheit und Universalität, das ist die Spannung, um die es sich hier handelt. Und die Kirche ist der Ort, wo auf dem Boden der prophetisdien, unbedingten Verkündigung die Universalität in allen Lebenszeiten und Lebensrichtungen zur Verwirklichung gelangen soll. Demgegenüber ist die Sekte der Ort, an dem die Gefahr, die auf kirdilichem Boden entsteht - daß die Unbedingtheit verraten wird zugunsten der Universalität - , gesehen und wo dagegen protestiert wird. Es ist das Ideal und das Selbstbewußtsein insonderheit der katholischen Kirche, daß sie complexio oppositorum, Zusammenfassung des Entgegengesetzten ist, daß sie in universalster Weise alle Elemente des kulturellen und des menschlichen Daseins, des psychischen und des soziologischen in sich umfasse. Gerade der gestrige Vortrag ist ja ein Beweis und sollte ein Beweis für diesen Tatbestand sein. Das ist in der Tat eine Aufgabe kirchlichen Bewußtseins. Wo das aber geschieht, da besteht nun die andere Gefahr, daß die Unbedingtheit, die in der prophetischen Grundlage des Religiösen gegeben ist, verlorengeht, daß sie zugunsten der Universalität, zugunsten des Ausgleichens und Abglättens, des Einordnens und Zusammenfassens, der Akkommodation, der Anpassung an die menschliche Relativität und Bedingtheit, an die nationalen und die sozialen Gestalten abgeschwächt wird. Gegen diese Möglichkeit steht das religiöse Bewußtsein mit seiner Unbedingtheit. Und das kann auf doppelte Weise geschehen: Wenn es geschieht vom Prophetischen her, so ist darin immer Recht gegenüber der Großkirche. Wenn es aber geschieht von dem, was wir typisch Sekte nennen, so ist darin immer Unrecht gegenüber der Kirche. Warum? Das, was die Sekte charakterisiert, ist der Versuch, die Unbedingtheit darzustellen mit Hilfe eines Speziellen, einer Sonderung. In der Sekte wird Sonderung und Unbedingtheit miteinander verknüpft, in der prophetisdien Verkündigung wird jede Sonderung durchbrochen durch die Unbedingtheit. Formen der Sekte Wenn wir das näher betrachten, so können wir eine Fülle von Tatbeständen nennen, in denen diese eigentümliche Haltung der Sekte, „die Sonderung mit dem Pathos der Unbedingtheit", zum Ausdruck kommt. Es kann eine Sekte sein, in der der prophetische Gedanke dazu benutzt wird, um einer begrenzten Gruppe Geist zuzusprechen als ihr spezielles Besitztum im Gegensatz zur Kirche. Es kann eine Sekte sein, in der Besonderheiten dessen, was mit dem Geistesbesitz verbunden ist, als das Unbedingte hingestellt werden, so etwa die Macht des Gebetes oder die Fähigkeit zu heilen oder Wunder zu tun; und viele andere 16

Einzelheiten, wie sie in zahlreichen Sekten vorliegen. Oder es kann eine Sekte sein, die auf das Ende hofft und die in dieser Hoffnung auf das Ende einer bestimmten Gruppe von Menschen das Bewußtsein gibt, daß sie das Ende wüßten, während in der verrotteten Großkirche die Spannung des Endes verlorengegangen sei. Oder es können Einzelheiten des Kultus und der Tradition sein, von denen behauptet wird, daß die Kirche sie verloren hätte und die nun von der Sekte leidenschaftlich ergriffen werden bis in für uns unverständliche kultische Einzelheiten, ζ. B. der russischen Sekte. Parallelen auf dem Gebiet, dem wir vielleicht alle näherstehen, können wir jetzt noch finden, wo immer dieser typische Geist der Besonderung mit dem Anspruch der Unbedingtheit zusammentrifft. Denken wir an die vegetarische Bewegung, sofern sie sektenhaft wird, sofern sie von einem Punkt aus das gesamte Leben und die gesamte Wirklichkeit in sich einschließen will, oder an gewisse Tanzgruppen in der modernen Tanzbewegung, die sich als kultische Wirklichkeit fühlen und von diesem einen Punkt her, von der Formung des Leibes, die gesamte Wirklichkeit bis hin zum Unbedingten ändern wollen, oder an die individualpsychologische Bewegung, die mit bestimmten Methoden der seelischen Beeinflussung meint, die gesamte Wirklichkeit heilen zu können. In allen derartigen Dingen sind strukturelle Analogien, Ähnlichkeiten des Gestaltenaufbaues zur kirchlichen Sekte vorhanden: die Besonderung, die mit Unbedingtheit auftritt und sich selbst an die Stelle des Unbedingten setzt. Der Mensch in der Sekte Daraus folgt natürlich, daß nun auch die Menschen, die diese Wirklichkeit repräsentieren, eine ganz besondere Struktur haben. Die Intensität des Einzelnen wird aufs höchste gespannt, das Auserwähltheitsgefühl derer, die zu diesen engen Gruppen gehören im Gegensatz zur indifferenten Kirchenmasse, wird angestachelt. Es besteht eine eigene Aktivität, die gegen Hierarchie und Priestertum sich wendet und alles auf jeden Einzelnen stellt. Was bedeutet das seelisch-soziologisch? Es bedeutet eine außerordentliche Steigerung des Wertbewußtseins des Einzelnen, eine religiöse Überkompensierung eines gewissen Minderwertigkeitsgefühls. Es bedeutet infolgedessen, daß derartige Bewegungen am stärksten auf einem Boden mittelständischen Bewußtseins ihren Ort finden, wo in irgendeiner Weise Minderwertigkeitsgefühle religiös überkompensiert werden. Es ist etwas Eigentümliches: Für den Menschen der Großkirche und besonders für den Menschen der staatskirchlich geformten Großkirche 17

hat die Sekte etwas Unheimliches. Er empfindet in der Sekte etwas ihn Bedrohendes. Und das ist begründet. Denn das, was hier bedroht wird, ist ja dasselbe, was vom Prophetischen bedroht wird: nämlich die Ausgeglichenheit, die Ausbalanciertheit der ganzen Existenz. Zugleich hat das Unheimlichkeitsgefühl gegenüber der Sekte darum etwas Berechtigtes, weil immer Dämonisches im Spiel ist, wenn eine Besonderung des Lebens Unbedingtheit in Anspruch nimmt, sidi selbst absolut setzt. Nun mödite ich hinzufügen: Wenn wir so allgemein über die Sekte sprechen, wollen wir uns nicht verhehlen, daß unsere ganze Zeit und wir alle ständig in der Gefahr sind, selber Sekte zu werden, sobald uns der Geist des Religiösen in unserem Kern trifft, sobald wir Unbedingtes verwirklichen wollen gegenüber der Relativität aller Lebensgebiete. Es entsteht audi jetzt noch auf dem Boden der autonomen Kultur leicht ein Esoterismus, ein Sichabschließen, ein Bewußtsein der Umgrenzung und eine Ubersteigerung des Bewußtseins in dieser Begrenzung. Wir haben den George-Kreis, einen Kreis von Mensdien, der sich um diesen großen Dichter gesammelt hat, der diesen eigentümlichen, an Sekte grenzenden Esoterismus, diese Abgeschlossenheit, dieses Verwirklidienwollen des Geistes in sich trägt. Wir haben, als wir vor Jahren um die religiöse Begründung des Sozialismus kämpften, ständig die Gefahr abwenden müssen, selbst Sekte zu werden, weil der Wille zur Verwirklichung in dem Augenblick, wo er den Mensdien packt, die Gefahr des Esoterismus mit sich bringt, der dann — also hier den Sozialismus unbedingt setzt und damit die Macht des Unbedingten antastet. Wenn ich mit einem letzten Wort diese Dinge berühren soll, so mödite ich sagen: Das, was die Sekte von der Kirche unterscheidet, ist eine verschiedene Fassung der Verwirklichung des Unhedingten. In der Sekte mit ihrer Intensität, mit ihrem leidenschaftlichen Willen zur Verwirklidiung ist enthalten das, was die Theologie „Gesetz" nennt, während die Kirche weiß, daß die Unbedingtheit sich gerade nicht darstellt zuerst als Forderung, sondern zuerst als Gnade, und daß das Teilhaben an der Gnade immer nur relativ sein kann, und daß niemals von einem Bedingten, von einer Schicht, von einer Seelenhaltung Unbedingtheit ausgesagt werden kann. So steht trotz aller Fragwürdigkeit die Kirche mit Recht auf dem Boden der Universalität, weil sie die Unbedingtheit als Gnade und nicht als Gesetz erfaßt. Das ist die tiefste Kritik an der Sekte überhaupt.

18

Religiöse Bewegungen auf nichtkirchlichem Boden Damit verlasse ich dieses Gebiet und komme nun zur zweiten Gruppe von religiösen Bewegungen, zu denen, die außerhalb der Kirche gewachsen sind, und zwar auf einem anderen Boden, nämlich auf einem Boden, den ich ganz allgemein als philosophischen bezeichnen möchte. Zunächst diejenigen Bewegungen, die auf dem Boden einer reinen Weltanschauungsphilosophie geboren sind. Hier wäre zunächst zu nennen der Monistenbund. Er wäre zu nennen, wenn er noch wäre, das heißt, wenn er noch eine geistige Existenz hätte. Aber er hat sie verloren. In dem Moment, als sein Führer das monistische Jahrhundert eröffnete, schon da gab es ihn als geistige Wirklichkeit im letzten Grunde nicht mehr. Das, um was er sich bemüht hatte, die Uberwindung des logischen Dualismus, jene falsche Auffassung, die man der Theologie vorgeworfen hatte, einen Gott zu haben und daneben eine Welt und dazwischen eine unüberwindliche Kluft, sodaß Gott selbst zu einer Welt und einem Gegenstand wurde, dieses Problem ist längst versunken. Dafür ist ein anderes Problem der Dualität aufgetaucht und im Bewußtsein des modernen Menschen zutiefst verankert: das Bewußtsein von einem Gegensatz zwischen Göttlichkeit und Dämonie. Von der Wirklichkeit des Dämonischen in der Welt kann jeder, der die letzten Jahrzehnte geistig und seelisch mitgemacht hat, sprechen, und vor diesem Dualismus ist der Optimismus des Monistenbundes längst zerbrochen. Eine andere Bewegung ist die Freidenkerbewegung, die aufgebaut war auf der Aufklärungsphilosophie und auf der rein negativen Opposition gegen das kirchliche Dogma. Auch sie ist in ihrem innersten Wesen erledigt, denn wir wissen, daß es nicht nur kirchliche, sondern auch rationale Dogmen gibt, und diese rationalen Dogmen, die letzten Hypothesen der Wissenschaft, die letzten Voraussetzungen einer ma thematisch-naturwissenschaftlich begründeten Philosophie, sind uns allen, insonderheit unseren großen Physikern selbst, das eigentlich Fragwürdige geworden. Hier ist nirgends ein Dogma, von dem aus man das Dogma der Kirche kritisieren kann. Freilich muß ich hier eine Bemerkung machen: Die Freidenkerbewegung ist auf den Boden des Proletariats gekommen und hat hier mit Hilfe eines ganz anderen religiösen Enthusiasmus, von dem ich nachher reden will, in der Tat eine sehr große neue Bedeutung bekommen. Von hier aus eine Bemerkung über Weltanschauung überhaupt: Der moderne Mensch ist dadurch charakterisiert, daß er ohne Weltanschauung ist und daß er das Weltanschauungs-Haben ablehnt, we19

nigstens ablehnt im Sinne des Schauens eines Hauses, dessen Zimmer und Einrichtungen man kennt, dessen Fundamente und dessen Dach man kennt und in dem man wohnt. So steht der moderne Mensch den Dingen nicht mehr gegenüber, sie sind für ihn das Rätsel, zu dem er hier und da einen Vorstoß macht, von dem er hier und da etwas erringt, sidi etwas offenbaren läßt von dem undurchdringlichen Geheimnis. Aber es gibt kein Haus des Geistes, in dem man gemütlich wohnen kann. Darum sind alle von der Weltanschauungsphilosophie ausgehenden religiösen Bewegungen im Grunde vor dem Forum des modernen Menschen negativ zu beurteilen. Statt dessen hat sich in letzter Zeit eine andere Art Philosophie in weitesten Kreisen durchgesetzt, eine Philosophie, die ich mit einem neuen Wort als „physiognomische Philosophie" bezeichnen möchte, eine Philosophie, deren Interesse es ist, die Gestalt des Seins und insbesondere des seelischen Seins, des fremden und eigenen seelischen Seins, anzuschauen, es aus allen möglichen Zusammenhängen der Wirklichkeit zu entnehmen wie aus einem Buch, in dem geschrieben steht, was ich bin, und eventuell auch, was ich werden kann. Hierher gehört die astrologische Bewegung, die eine ungeheure Wirkung bekommen hat, die chiromantische, die graphologische Bewegung, die Fragen: Was sagen die Sterne darüber, was ich bin, was sagt meine Schrift darüber? Wir dürfen diese Bewegung nicht unterschätzen, denn in ihr kommen urmensdiliche religiöse Instinkte zum Durchbruch, die im späten Heidentum und auch wieder in der Renaissancezeit eine ungeheure Bedeutung bekommen haben; es erwächst ein gestaltliches Sdiauen der Welt und das Bewußtsein um ein Eingefügtsein des Einzelnen und des eigenen Schicksals in diesen Zusammenhang. Ein dritter Boden, von dem aus solche religiösen Bewegungen sich offenbaren, ist die okkulte Philosophie, die theosophische und die anthroposophisdie Bewegung, die eine erhebliche Bedeutung gewonnen haben. Sie gehören in gewisser Beziehung in die gleiche Linie wie jene eben genannten Bewegungen; audi sie haben ihre Wurzel in der Spätantike. Von dieser okkulten Philosophie, wie sie in der Steinerschen Anthroposophie vertreten ist und wie sie ihre religiöse Gestalt in der sogenannten Christengemeinschaft, deren Führer Rittelmeyer ist, bekommen hat, möchte ich nur zwei Gedanken sagen. Die Tendenz ist die: die naturwissenschaftlich-gegenständlidie Widerlegung des Geistigen und Religiösen dadurch zu überwinden, daß man einen naturwissenschaftlich-gegenständlichen Geistesbegriff faßt, das heißt also auf dem Boden des naturwissenschaftlich-gegenständlichen Denkens versucht, an den Geist heranzukommen. Jene Geisteswelten, von denen 20

die sich so nennende „Geisteswissenschaft" spricht, sind nidit Geist, sondern höhere Natur, sind Anschauung höherer Natur. Das ist die erste und fundamentale Verwechslung. Es war zwar eine Durchbrechung des Materialismus der rein mathematisch-physikalischen Wissenschaft, aber es bedeutet noch nichts für die Religion. Denn das, was im Religiösen gemeint ist, steht genauso über den natürlichen Welten wie über den geistigen. Die Stufenwelt, die man durchlaufen muß, um in der Anthroposophie zu Gott zu kommen, ist durchbrochen von der Verkündung des Evangeliums, daß das Wort Fleisch ward. Und diesen Kampf um die Fleischwerdung hat die alte Kirche geführt und müssen wir mit anderen Begriffsmitteln von neuem führen. Damit käme idi noch auf eine vierte Gruppe zu sprechen, nämlich diejenige, die auf dem Boden fremder Religionen sich religiös erfüllen will. Diese letzte Gruppe, glaube ich aber, kann als verhältnismäßig bedeutungslos bezeichnet werden. Der „Asiatismus", der bei uns augenblicklich weitgehend herrscht, hat zwei Seiten. Die eine ist das Mitschwingen mit der asiatischen Mystik auf Grund der alten Mystik, die wir in uns selbst haben. Die andere ist der Versuch, die asiatische Seelenhaltung der Wirklichkeit gegenüber zu verstehen. Und nun meine ich: Dieses Verstehen wollen der asiatischen Seelenhaltung auf literarischem Wege - und den anderen Weg gibt es für uns zur Zeit so gut wie nicht - ist eine Illusion. Es ist nicht möglich, eine geistige Wirklichkeit zu verstehen, mit der nicht ein Blutszusammenhang geschaffen ist. Als das Christentum religiöse Elemente aus der ganzen Antike in sich aufnahm, da war der soziologische Zusammenhang mit allen Welten der Antike da. Ein solcher Zusammenhang bahnt sich vielleicht an, vielleicht kommen wir in einen lebendigen, blutsmäßigen Zusammenhang mit Asien. Dann mag auch die Möglichkeit eines Zusammenwachsens mit jenen Traditionen bestehen. Der Versuch aber, ehe ein solcher Zusammenhang vorliegt, durch die Güte unserer Editionen, unserer Philosophie und Historie, durch die Übersetzung des Sanskrit und dergleichen heranzukommen an die ungeheure Wirklichkeit asiatischer Religion, das scheint mir Literatenillusion und ästhetische Spielerei zu sein, die dem Ernst der asiatischen Religion und ihrer ungeheuren Größe und Bedeutsamkeit nicht gerecht wird. Damit schließe ich diese ganze Seite der Betrachtung ab. Sie sehen, es ist ein reiches Gebiet, das unendliches Eingehen ins Einzelne ermöglichte. Aber es kam mir nur darauf an, Ihnen zu zeigen, was hier vorliegt und wie bedeutungsvoll dodi alle diese Bewegungen irgendwie für jeden von uns sind.

21

2. Die nichtkirchliche autonome Religion Und nun zu der anderen, wichtigeren, für die Gegenwart, den gegenwärtigen Menschen entscheidenderen Seite: Die Wirklichkeit des modernen Menschen, die sowohl den Kirchen fremd gegenübersteht als auch den Sekten, als auch den übrigen Bewegungen religiöser Art, ist sowohl in den Massen des Proletariats als auch in der Bildungsschicht, als audi in den geistigen Führerschichten weit überwiegend repräsentiert. Und weil das so ist, darum ist es das allerdringlichste Anliegen, die religiöse Frage auf diese Menschen anzuwenden, das heißt in ganz besonderem Sinne die religiöse Frage als das uns unbedingt Angehende zu fassen. Denn das ist ja hier die Alternative: Entweder sagen wir, das Religiöse ist eine Sache von besonderer Begabung, besonderer Neigung und dergleichen, das man haben kann und das man nicht zu haben braucht. Dann ist es bedeutungslos. Denn wenn das, was Unbedingtheit beansprucht, was über Sein und Nichtsein des Menschen zu entscheiden beansprucht, eine Sadie der Begabung oder gar der Genialität ist, dann soll man es denen überlassen, die dafür Begabung haben, und soll sich dieser Unbedingtheit entziehen. Oder es ist in Wahrheit das, was jeden unbedingt angeht. Dann kann es niemand geben, in dem nicht die religiöse Frage lebte und negativ oder positiv beantwortet würde. Und dann kann es niemand geben, in dem sich nicht geltend macht entweder eine Spur der Verbrennung an dem Feuer, das vergeblich gedämpft wurde, oder eine Spur des Einlassens dieses Feuers in ganz andere Dinge, wo man glaubte, daß es nicht hingehört. Und weil ich nur so denken kann und für midi die Religion das absolut Nutzlose in der Kultur wäre, wenn sie nicht diese Unbedingtheit hätte, die jeden angeht, darum stelle ich die Frage nach der nichtkirchlichen Religion gegenüber dem Menschen der Gegenwart.

Die Frage nadi dem Lebenssinn Welches ist die Frage des modernen Menschen? Es ist nicht die Frage des antiken Menschen, audi des spätantiken der christlichen Zeit - die Frage nach der Erlösung. Es ist nicht die Frage des griechisch-russischen Menschen - die Frage nach dem Leben, das den Tod überwindet. Es ist nicht die Frage des Mittelalters nach der höheren Natur, in der diese Natur aufgehoben und vollendet ist. Es ist nicht die Frage nach dem gnädigen Gott, die der Protestantismus stellte, sondern es ist die Frage nach dem Sinn. Nun ist das nicht so gemeint, als ob diese Fragen alle gegeneinander 22

stünden. In der Frage nach dem Sinn des Seins, die der moderne Mensch stellt, sind irgendwie die anderen Fragen enthalten, wie umgekehrt in jeder der anderen Fragen die Frage nach dem Sinn irgendwie enthalten ist. In jedem Menschen ist beobachtbar eine tiefe Lebensangst, eine Angst, die nicht etwa darauf beruht, daß man das Leben verlieren kann, die etwa mit Todesangst übersetzt werden könnte. Das gerade ist sie nicht, sondern sie ist Lebensangst, nämlich Angst, seinen Lebenssinn zu verlieren. Diese Frage ist begründet in dem, was den Menschen zum Menschen macht, nämlich darin, daß er überhaupt fragen kann und daß er überhaupt fordern kann, daß er nicht bloß da ist, wie etwa die Natur, sondern daß er auch da ist als einer, der gegen sein Dasein Fragen und Forderungen stellt, der im Sinn leben kann. Menschliches Leben ist Leben im Sinnhaften. Der Mensch hat sein Sein nur dadurch, daß er sinnhaft formt, daß er im Sinn lebt: im praktischen Sinn des Rechts, der Sittlichkeit, des Staates, im theoretischen Sinn des Ansdiauens, der Wissenschaft, der Kunst. Dieses Leben im Sinn aber ist begründet in der Freiheit, in der Möglichkeit, den Sinn zu erreichen und den Sinn zu verlieren. Und diese Möglichkeit ist die Doppelmöglichkeit, in der jeder Mensdi steht. Und diese Möglichkeit, sein Sein zu verlieren, den Sinn zu verfehlen, den das Sein hat, ist das, was im tiefsten die Lebensangst schafft. Diese Möglichkeit kommt zum Ausdruck in der letzten, sich und alles andere in Frage stellenden Frage nach dem Sinn überhaupt. Das Hinsdiauen in den faszinierenden und dämonischen Abgrund der absoluten Sinnlosigkeit des Lebens, das ist die Situation des Menschen und darum auch die Situation des modernen Menschen. Was macht der Mensch in dieser Situation? Er macht folgendes: Er verwandelt die Angst in Furcht. Die Angst ist unbestimmt. Die Angst hat keinen Gegenstand, mit ihr kann man nicht fertig werden. Die Furcht hat einen Gegenstand, mit jeder Furcht kann der Tapfere fertig werden. Der Mensch wird tapfer, er macht die Angst zur Furcht. Er nimmt sich einen Gegenstand, vor dem er sich fürchtet, die Natur oder die Gesellschaft, einen anderen Menschen oder sonst etwas, und wird damit fertig; und indem er fertig wird mit dem Gegenstand der Furcht, verliert er oder glaubt er zu verlieren die verborgene Angst, mit der er nicht fertig werden kann. Das kann auf verschiedene Weise geschehen. Es kann geschehen durch die Betäubung, die etwa das Vergnügen gibt, es kann geschehen und geschieht meist durch die Hingabe an die Sache. In der Hingabe an die Sache zeigt sich weithin in unserer Zeit der Versuch, der Lebensangst zu entgehen durch den Mut, der die Sache 23

meistert. Keine Zeit hat vielleicht die Sachen so gemeistert wie die unsere, keine hat vielleicht so viel ungelöste Lebensangst gehabt wie die unsere, die sie in Furcht verwandelt hat, um mit Hilfe des Mutes die Furcht zu überwinden. Oder es wird die Angst überwunden durch die Sachlichkeit des Lebens, die Sachlichkeit des Daseins. Das ist besonders interessant in der jüngsten Generation, die von nichts anderem wissen will, die alle Probleme, in die die Angst vergangene Zeiten getrieben hat, von sich weg tut. Man kann das bei unseren Zwanzigbis Fünfundzwanzigjährigen vielfach anschauen, die eine scheinbar überaus sachliche Gestaltung des Lebens, sachliche Lebensformung anstreben und auch haben. Das ist so erstaunlich, daß Menschen unserer Generation wie vor einem Rätsel stehen. Da ist wieder ein außerordentlicher Mut vorhanden, aber ein Mut, der die Angst verdeckt dadurch, daß er das Leben anpackt, oder auch - und das ist vielleicht die höchste Form - dadurch, daß er schöpferisch wirkt und gestaltet. Das ist die eine Antwort, die Antwort, in der die Wunden sichtbar werden, die heimliche Unsicherheit, die immer neuen, oft bewundernswerten Mut hervorruft, die aber niemals stilles Überwundenhaben geben kann und die infolgedessen stetig weitertreibt zu neuem Anpacken der Dinge der Welt. Das Zweideutige in Religion und Kultur Und nun die andere Antwort: Es wird angeschaut ein unbedingter, ein ewiger Sinn, ein Sinn jenseits alles einzelnen Sinnes, ein Jenseits von Sein und Sinn, von Sein und Freiheit. Dieses wird angeschaut, aber es wird angeschaut als mitten im Sein liegend. Das ist die eigentümliche Zweideutigkeit des religiösen Menschen der Gegenwart. In seinem Leben des Rechtes, der Gemeinschaft, des Staates, der Kunst, der Wissenschaft schaut er das an, was gerade davon befreien soll, daß in allen diesen Gebieten das Verfehlen ständig droht. Er sucht seine Bedrohtheit, die er empfindet in seiner Lebensangst, zu überwinden auf den Gebieten, die selber unter der Bedrohung stehen. Er sucht das, was jenseits der Freiheit steht und ihn von der Bedrohung der Freiheit befreien soll, mitten in den Wegen der Freiheit selbst wieder. Die autonome Religion, wenn wir sie so nennen wollen, ist eine Religion mit dieser Zweideutigkeit. Nun könnte die Frage entstehen: Wie kann diese Zweideutigkeit sich überhaupt erheben? Warum das Weggehen von der kirchlichen Religion zur nichtkirchlichen? Warum das Weggehen, wo doch in der

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kirchlichen Religion jener Seinssinn, jenes Jenseits des Seins und der Freiheit ausdrücklich hingestellt ist als das Jenseits der Kultur? Nun, hier ist vielleicht der tiefste Punkt unseres abendländischen Kulturkonflikts überhaupt angerührt, nämlich die Frage: Warum war es innerlich möglich, daß zu einer Zeit der abendländischen Entwicklung auf dem Boden der christlichen Kultur die autonome Kultur sich erhob gegen die kirchliche? Die Antwort kann nur die sein: Audi in der kirchlichen Form ist eine Zweideutigkeit enthalten. Die kirchliche Form will das Jenseits des Seins und der Freiheit verwirklichen. Wenn sie es aber verwirklichen will, so kann sie es nur verwirklichen in Formen des Lebens, im Sinn, also durch Formen, die durch Freiheit gesetzt sind, in Erkenntnis, in sozialen Formen, im Gemeinschaftsleben, in Ausdrucksformen. Und in dem Augenblick, wo sie das tut und nun diesen Formen die Unbedingtheit des Jenseits des Seins zuerteilt, steht sie vor der Frage: Sind nicht auch diese Formen vielleicht bedroht von der Möglichkeit alles Menschlichen, den Sinn zu verfehlen? Und hier antwortet der Protestantismus: Sie sind es! Und der Katholizismus antwortet: Sie sind es nicht! Das ist der entscheidende Unterschied. Und weil diese Zweideutigkeit besteht, darum erhob sich die autonome Kultur im Namen der Wahrheit gegen eine heiliggesprochene Wahrheit, in der Verfehlen der Wahrheit war. Es erhob sich die autonome Kultur gegen eine Gerechtigkeit, gegen eine geheiligte Gerechtigkeit, in der Verfehlen der Gerechtigkeit war. Und das ist der tiefste Grund und das innerste Recht des autonomen religiösen Menschen, daß er in diesem Protest steht. Sein Unrecht aber, seine Grenze, seine eigene Zweideutigkeit ist die, daß er nun meint, auf diesem Boden, auf diesem Boden des Verfehlenkönnens, der Bedrohtheit des Lebenssinnes eine Erlösung von dieser Bedrohtheit, eine Antwort auf die Frage nach dem Lebenssinn finden zu können. Beide also, Kirche und Nichtkirche, innerreligiöse und autonome Religion stehen in einer Zweideutigkeit, in einer Zweideutigkeit, die die Forderung nach einem Dritten heraustreibt, aber nicht nach einem Dritten, das wir hätten, das wir nennen könnten, von dem wir sagen könnten: die dritte Religion, sondern nach etwas, was uns vielleicht hat, wenn es uns haben will, nach dem, was ich vorher prophetisch nannte, das sowohl befreit von der Zweideutigkeit des Kirchlichen, weil es auch die Kirche unter das Nein stellt, als auch von der Zweideutigkeit der Kultur, weil es der Kultur zeigt, daß sie das Jenseits ihres Lebens im Sinn nicht wieder in sich selbst, im Leben, im Sinn auffinden kann.

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Vater-, Mutter- und Kind-Religion Wenn ich es wagen darf, diesen Gegensatz einmal mit psychologischen Begriffen zu schildern - wir dürfen das ja jetzt wieder, nachdem die Psychologie eine ganz andere Wendung genommen hat - , dann würde ich sagen: In der kirchlichen Religion findet sich ausgeprägt der Vater- und Muttertypus des Religiösen. Hingabe an das ewige Sein als den Mutterschoß in der Mystik, Sichformenlassen durch die ewige Forderung im Sinne des Vaterbildes. Die autonome Religion dagegen ist das Herausbrechen aus dem Vater- und dem Muttertypus des Religiösen zum Kindestypus, der sich freimacht, der sich empört gegen Vater- und Mutterbild, um zu sich selbst kommen zu können. Das ist das Erleben jedes Einzelnen, der aus einer kirchlichen Situation einmal zu einer autonomen durchgebrochen ist: daß es ganz analog war dem Sichformen durch sich selbst im Gegensatz zu dem geformten Sein durch Vater- und Mutterbild. Es ist wichtig, die Menschheitsgeschichte, nicht nur die jedes Einzelnen, Unter diesem Gesichtspunkt zu sehen. Das bedeutet nun nicht etwa, daß der Kindestypus einfach und unmittelbar recht hätte gegenüber den beiden anderen. Im ewigen Wesen des Seins ist sowohl das Vater- wie das Mutterverhältnis auf der einen als auch das Kindesverhältnis - des Kindes, das frei werden will - auf der anderen Seite vorgebildet. Und diese ewige Wirklichkeit behält Macht über jede seelische Struktur, und weil sie es tut, darum wird es dem autonomen Menschen auf die Dauer unmöglich sein, dem Vater- und Mutterbild, der Hingabe an das Jenseits des Seins und der Freiheit zu entgehen, wie es dem Vater- und Mutterbild unmöglich war, auf die Dauer die Menschheit in ihren ausschließlichen Banden zu halten und das In-die-eigene-Hand-Nehmen und Formen der Wirklichkeit zu verbieten. Das Wesen der autonomen Religion Wenn auf dem Boden der autonomen Kultur Religiöses verwirklicht wird, so gibt es der Kultur eine besondere Qualität. Wenn wir nur etwa als Richter, als Wissenschaftler, als Beamte, als Politiker tätig sind, so sind wir gerichtet auf den Sinn dieser Sache. Wenn wir aber in diesen Dingen religiös sind, so ist ein Mehr in diesen Dingen für uns, und dieses Mehr, das ist das Element der Unbedingtheit. Denken Sie an die Heiligkeit des Rechtes: Was heißt das? Das Recht hat in sich seine Gesetzlichkeit. Nennen wir es aber heilig, so meinen wir damit, es hat in sich eine Unbedingtheit, die unabhängig ist von aller Auslegung, die in sich schwingt in einer Majestät, die niemand antasten 26

kann, auch wenn tausend Rechtsbrüchige faktisch das Recht brechen. Von der subjektiven Seite her ist das Religiöse eine Ergriffenheit, die in den höchsten Fällen bis zur Ekstase gehen kann, bis zu einem Herausgehen über das bloß Sachhafte in den Dingen zu dem, worin der tiefere Grund, die Seinswurzel der Dinge, den Menschen anpackt, zu ihm spricht, ihn ergreift. Wenn also ein Mensdi auf dem Boden seines autonomen Kulturlebens, in seinem Erkennen, in seinem Handeln, oder was es sein mag, dieses Moment des Heiligen, dem Unbedingtheit zukommt, dieses Ergriffensein bis zu dem Punkte, wo er selbst nicht ausweichen kann, wo es für ihn um Sein und Nichtsein geht, erlebt, dann steht er im Religiösen auf dem Boden der autonomen Kultur. Aus dieser allgemeinen Wesensbestimmung folgen nun mancherlei Merkmale. Eines dieser Merkmale möchte ich vor allem erwähnen. Da der autonome Mensch nicht herausgeht über Sein und Sinn zu jenem Jenseits des Sinnes, zu jenem unbedingten Sinne, der nicht mehr durch Freiheit von ihm geschaffen ist — weil er das nicht tut, darum kennt er nicht die religiöse Gegenstandswelt, darum kennt er keine Götterwelt, keinen gegenständlichen Gott. Diese Gesamtwirklidikeit liegt im Hintergrunde. Sie ist im Kern da, in dem Augenblick, wo das Erlebnis der Unbedingtheit da ist. Aber sie ist nicht entfaltet, ist nicht zu einem Gegenstand geworden. Und darum kann die moderne autonome Religion nicht reden zu jenem Gegenstand, sie kann nicht beten. Die moderne autonome Religion ist wesensmäßig gebetslos. Aber es wäre sehr falsch, wenn man ihr, wie es oft geschieht, weil sie ohne gegenständlichen Gott ist, Gottlosigkeit vorwerfen wollte, oder wenn man ihr, weil sie ohne Gebet ist, Unfrömmigkeit vorwerfen wollte. Denn die kirdiliche Vergegenständlichung Gottes ist ja selbst etwas, was in der Zweideutigkeit steht. Sie haben gehört, daß Luther diese Zweideutigkeit empfunden hat, daß man Gott zu einem Gegenstand machen will. Die Mystik hat jederzeit den Versuch gemacht, sich über diese Gegenständlichkeit zu erheben. Anderseits ist allein in dieser Form, in dieser Anschauung die gewaltige Durchschlagskraft, die Unmittelbarkeit der religiösen Anschauung gegeben. So haben wir auch hier wieder jene Zweideutigkeit beider Haltungen, jene Zweideutigkeit des kirchlichen Redens und Betens zu einem gegenständlichen Gott und die Zweideutigkeit des autonomen Nur-in-der-Andadit-Stehens einem letzten Lebenssinn gegenüber. Beides ist zweideutig, beides drängt über sich hinaus. Und wieder muß ich sagen: nicht zu einem Dritten, das wir zur Verfügung hätten, von dem wir sagen könnten, hier oder dort ist es, sondern zu etwas, was uns gegeben wird im Moment der wirklichen Erhebung zum Le27

benssinn, im Moment des wirklichen Hörens des prophetischen Wortes und der Antwort, die darauf unser Innerstes gibt. Typische Formen der autonomen Religion Und nun möchte ich noch etwas über die besonderen Gestaltungen sagen, die in unserer Zeit die autonome Religion erfahren hat, und an denen sie überhaupt erst Konkretheit hat gewinnen können. Nidit mehr zu reden ist im eigentlichen Sinne von jenem Typus, den man vielleicht als den klassisch-humanistischen bezeichnen kann, von jenem Typus, der in Goethe verwirklicht war, der in der Bildung während des neunzehnten Jahrhunderts ständig herabgedrüdtt worden ist bis zu dem Niveau des „Gebildeten", der teils zu einer Machtwirklichkeit geworden ist im sozialen Leben, teils zu einer Uberintellektualisierung bei einzelnen Höchstgeformten, teils zu einem Durchschnitt, in dem die Heiligkeit jenes ursprünglichen Bewußtseins, wie es in Goethe verwirklicht war, auch nicht von fern mehr zu finden ist. Da wir von der Gegenwart reden, möchte ich diesen Typus nicht weiter berühren. Dagegen haben wir vier Typen zu nennen, die für die Gegenwart wichtig sind. 1. Das Heilige wird angeschaut in dem, was ist. Dann haben wir den romantisch-konservativen Typus. 2. Das Heilige wird angeschaut in dem, was gefordert ist, was nicht ist, aber verwirklicht werden soll. Dann haben wir den utopisch-revolutionären Typus. 3. Das Heilige bleibt völlig im Hintergrund, und alle einzelnen Wirklichkeiten werden ihrer Heiligkeit entkleidet. Dann haben wir den kritisch-skeptisdien Typus. 4. Endlich - und das ist nicht mehr ein Typus, sondern ein Ideal, das ich kennzeichnen möchte - eine gläubigrealistische Form, die Wirklichkeit anzuschauen, in der die Negativitäten dieser verschiedenen Seiten überwunden sind. Der romantisch-konservative Typus wurzelt wie alle diese Typen in einer bestimmten religiös-kirchlichen Haltung, nämlich in der sakramentalen. Das Sakrament bedeutet ja Anschauung eines Gegebenen, Vorhandenen, Greifbaren, hier und dort Wirklichen, Heiligen. Wenn nun dieser Sakramentalismus gleichsam aus dem Sakramentskästlein der Kirche herausleuchtet in alle Wirklichkeit, wenn er jede Wirklichkeit unter seine Weihe stellt und seinen ursprünglichen Ort verliert, dann entsteht das, was romantische Weihe des Seienden ist. Insonderheit richtet sie sich auf die Natur, weil die Natur das relativ konservative Element gegenüber der Geschichte ist. Darum war die romantische Jugendbewegung durchaus auf die Natur gerichtet und auf die Religion der Natur. Aber sie kann sich darüber hinaus auch richten 28

auf Gemeinschaftsverhältnisse, auf Blutbeziehungen. Die Heiligkeit der Blutzusammenhänge, die einst sakramentale Bedeutung hatten, klingt nach in der konservativen Bejahung dieser Zusammenhänge. Aber auch Auffassungen der Geschichte aus romantisdi-konservativer Haltung gibt es: die Anschauung, daß alles geschichtlich Gewordene eine Heiligkeit, eine Weihe hat, oder die Ansdiauung, die die gegebenen Kultur- und Machtzusammenhänge in der Nation als das Heilige betrachtet. Hier entsteht einer der wichtigsten Typen der religiösen Haltung der Gegenwart, nämlich die national-religiöse Haltung, das heißt die Stellung zur Nation, die in der Nation das Unbedingte als solches anschaut und von ihm ergriffen ist bis hin zu derjenigen Schicht, die noch tiefer ist als die bloß physische. Wo das vorliegt, da haben wir die nationalistische Form des Religiösen in der Gegenwart vor uns. Freilich kann in ihr besonders deutlich angesdiaut werden die Zweideutigkeit der autonomen Religion: Ein Endliches, ein Begrenztes, ein durdi Freiheit Gesetztes, aber audi durch Freiheit zu Verlierendes erhält diejenige Weihe, die allein dem Jenseits des Seins zukommt. Sie wissen, daß auf diesem Boden eingesetzt hat ein Suchen nach einem „deutschen Gott", das heißt aber in Wahrheit nach einem Dämon. Denn nur der Gott, der in der Unbedingtheit des Jenseits steht und zu jedem Handeln in gleicher Weise richtend und erfüllend sich verhält, ist der Gott, der nicht Dämon ist. Das ist der eine Gott, nicht etwa der Gott der Juden, sondern der Gott, der das jüdische Volk zertritt, wie man das in jedem Propheten nachlesen kann, und ebenso der Gott, der jedes Volk zertreten kann, der an kein Volk gebunden ist. Es gibt noch viele Formen der romantischen Religion, die ich nicht alle nennen möchte. Wo sie auftritt und zu Enttäuschungen führt, aber innerlich nicht gebrochen wird, tritt leidit ein Gegenschlag ein, nämlich eine bewußt dämonische Regung, eine bewußte Auffassung des Seienden als etwas endgültig Bösen, als endgültig Zerspaltenen, als endgültig Sinnlosen, dem Verfall Anheimgegebenen. In gewisser Weise können wir das anschauen bei Schopenhauer. Einen gewaltigen Kampf gegen diese seine eigene Haltung hat Nietzsche geführt, und in sehr viel offenerer Form, aber doch im Hintergrunde stehend, ist sie bei Spengler vorhanden in der Auffassung von dem sinnlossen Wachsen und Verfallen der Kulturen, ohne eine transzendente Lebenserfüllung. Ich komme zum zweiten, zum utopisch-revolutionären Typ. Für ihn ist das Heilige das, was werden soll, was geschaffen werden soll, was nicht ist, was kommen soll. Wir denken da sofort an revolutionären Sozialismus, Kommunismus und dergleichen. In dem, was kommen 29

soll, liegt der ganze Ton, die ganze Gewalt der Ergriffenheit, die den Sinn so erfüllt, daß hier durchaus ein Ergriffensein in den letzten Schichten vorliegt. Aber schon mit dem W o r t „utopisch" ist die Kritik gesagt: wieder der Versuch, irgendwo auf dem Boden einer Gesellschaftsordnung das Unbedingte, das Sinngebende zu verwirklichen mit Hilfe der Freiheit, mit Hilfe der Tat. Die Reaktion gegen die Utopie ist die Enttäuschung. Wir sehen ja bei allen von der Utopie begeisterten Menschen, nadidem die Utopie scheinbar erfüllt ist, eine große Enttäuschungssituation, die sidi mühsam verdeckt, teils durch Indifferenz, teils durch sich künstlich entfachenden Fanatismus. Es muß zu Enttäuschungen führen, weil die endliche Gesellschaftsordnung zur Grundlage des Unbedingten gemacht wird. Der religiöse Sozialismus will diese Bewegung nidit weihen, so wie sie ist, sondern er will ihr zeigen, daß, wenn sie ihr Ziel mit aller Leidenschaftlichkeit bejaht, sie es nur darf im Hinblick auf das Jenseits des Seins, vor dem jede Verwirklichung, auch die kommende sozialistische, wieder unter dem Gericht steht. Und der dritte, der kritisch-skeptische Typ. Er will keine Heiligkeitsqualität lassen in irgendeiner Wirklichkeit. Er ist kritisch gegenüber dem romantischen und kritisch gegenüber dem utopischen T y p . Für ihn gilt das Wort „Sachlichkeit", Sachlichkeit im Sinne der Hingabe an die Notwendigkeit. Im Hintergrunde freilich schwingt auch hier ein heimliches Bewußtsein um den Lebenssinn, der unbekannt sich verwirklicht, wenn die sachlichen Aufgaben erfüllt werden. Dieser Typus ist besonders vertreten in denjenigen Kreisen, die unser technisches Wirtschaftsleben tragen. Er entstand letztlich aus der kalvinistischen Form des Protestantismus, aus jenem Anheimstellen des letzten Lebenssinnes - bei den Kalvinisten hieß er „Gnadenwahl" - an einen verborgenen Ratschluß Gottes. Dieser bleibt im Verborgenen. Aber aus der K r a f t des Bewußtseins um ihn handelt der Mensch und gestaltet die Dinge dem göttlichen Willen gemäß. Göttlicher Wille aber ist Erfüllung des sachlich Geforderten, im sittlichen, im politischen, im wirtschaftlichen Leben. Was aber heißt Sachlichkeit, was heißt Hingabe an das Sachliche? Soweit ihr Gegenstand die autonome Wirtschaft und ihre Gipfelung im Kapitalismus ist, wird Sachlichkeit zum Dämonendienst. Es ist das Eigentümliche dieser kritisch-skeptischen Haltung, daß sie die Religion nur als Hintergrund gelten lassen will und dabei, weil ihr das Bewußtsein der dämonischen Besessenheit des Wirklichen fehlt, nicht nur diesen Hintergrund verliert, sondern unter die H e r r schaft dieser dämonischen Wirklichkeit gerät. Demgegenüber steht nun die Forderung eines gläubigen 30

Realismus,

der die Zweideutigkeit der romantisch-utopischen und der kritischskeptischen Haltung vermeidet, der hinausführt über die Zweideutigkeit der autonomen Kultur überhaupt. Nicht etwa in die Zweideutigkeit der Kirche, sondern zu dem, wozu wir uns freilich nicht selbst führen können, zu dem wir aber hinschauen können als auf das, was allein uns aus der Zweideutigkeit befreien kann. „Gläubiger Realismus", das heißt Wirklichkeitssinn, der sowohl Romantik als Utopie verneint, der kritisch ist allen Formen der Wirklichkeit gegenüber, der jede, die sozialistische wie die nationalistische, Idee unter die Fragwürdigkeit stellt, der darum aber nicht skeptisch ist, der nidit bloß im Hintergrund das Religiöse sieht - so daß es, weil es nur im Hintergrund bleibt, verschwinden muß - , sondern der es im Vordergrund haben und es in der Wirklichkeit anschauen will. Freilich nicht so, daß eine Endlichkeit, welche es auch sein mag, die Grundlage wird für das Unbedingte und Heilige und damit zum Dämonischen, sondern so, daß mit der antidämonischen Kritik sich das Bewußtsein um die Gegenwart des Heiligen verbindet. Damit ist schon der Punkt angedeutet, wo die autonome Religion notwendig über sich hinausführen muß. Denn wo ist antidämonische Wirklichkeit? Im Erscheinen dessen, was jenseits des Seins und der Freiheit ist. Und wo ist dieses Erscheinen? Nicht da, wo ich, wo irgend jemand es in diesem Moment sieht, sondern da, wo es sich erweist in der Vollmacht des prophetischen Geistes. Und als christlicher Theologe muß ich sagen: in dem in Jesus Christus angeschauten neuen Sein, das freilich nicht gebunden ist an irgendein historisches Faktum, das wirklich ist in allen Wirklichkeiten, das aber seinen Maßstab findet an jenem Ort, wo das Dämonische überwunden ist durch das Göttliche.

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DIE FRAGE NACH DER ZUKUNFT DER R E L I G I O N

Die Rede von der „Zukunft der Religion" erfüllt midi mit tiefem Unbehagen. Denn die Zukunft der Religion bedenken setzt voraus, daß die Religion ein historisches Phänomen sei, mit oder ohne Zukunft, mit längerem oder kürzerem Leben und mit der Möglichkeit ihres Untergangs oder ihrer Auflösung in andere Phänomene. Eine solche Auffassung der Religion ist theoretisch möglich, ebenso wie es möglich ist, den Menschen als einen Mechanismus, der automatisch auf Reize reagiert, zu betrachten, und ihn entsprechend zu behandeln. Aber der Mensch setzt sich gegen diese Verleugnung seines Wesens und seiner Würde zur Wehr. Ebenso muß sich die Religion gegen die Verkennung ihres Wesens wehren, die in der Rede von der „Zukunft der Religion" enthalten ist. Denn das Wesen der Religion besteht gerade darin, daß sie die zeitlichen Formen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft transzendiert. Der Religion als lebendiger Erfahrung geht es nicht um ihre eigene Zukunft, sondern um ihren Inhalt (und um unser Verhältnis zu ihm); und dieser Inhalt ist das Ewige. Innerhalb der Geschichte ist eine Vergangenheit oder Zukunft unvorstellbar, in der der Mensch nicht nach dem Sinn seines Lebens fragte, das heißt aber, in der er ohne Religion lebte; denn in dieser Frage drückt sich das Wesen des Menschen aus. Der Mensch braucht diese Frage nicht bewußt zu stellen; er kann sie sogar unterdrücken und ihr aus dem Wege gehen aus Angst vor der Erschütterung, die das Ergriffensein von dem Unbedingten auslöst. Er kann das Unbedingte in mystischen, symbolischen oder dichterischen Bildern oder in theologischen, philosophischen oder politischen Begriffen ausdrücken. Er kann religiöse Symbole im engeren wörtlichen Sinn vermeiden, aber er kann nicht ohne Religion in ihrer tieferen, universellen Bedeutung existieren. Religion in diesem Sinn lebt, solange der Mensch lebt; sie kann aus der menschlichen Geschichte nicht verschwinden, denn Geschichte ohne Religion wäre nicht mehr menschliche Geschichte. Wenn man verstanden hat, daß es keine menschliche Zukunft ohne Religion gibt, kann und muß man die Frage nach der Zukunft der 32

Religion aufwerfen. Die Religion selbst muß diese Frage stellen. Sie ist in jeder religiösen Deutung der Geschichte, in jeder Analyse der gegenwärtigen Lage und in jeder Arbeit an den theoretischen und praktischen Problemen der Kirche enthalten; denn ohne Ausrichtung auf die Zukunft ist kein Handeln in der Gegenwart möglich. Das Verhältnis zwischen dem Ewigen und dem Zeitlichen kann durch zwei räumliche Metaphern ausgedrückt werden: die Vertikale und die Horizontale. Beide finden sich in jeder Religion, und es ist entscheidend, welche Dimension in einer Religion vorherrscht. Vertikal und horizontal sind räumliche Metaphern für religiöse Erfahrungen. In dem, was wir die vertikale religiöse Richtung nennen, erlebt der Mensdi das Ewige a b den immer gegenwärtigen Seins- und Sinngrund seines Lebens. Er erfährt das Ewige in der geistigen Fähigkeit, sich über die Angst der Endlichkeit und die Verzweiflung der Schuld zu erheben, sowohl in der persönlichen Existenz wie im Leben in der Gemeinschaft. Religiöser Kult, Gebet und Meditation, künstlerische Intuition und philosophischer Eros, mystische Versenkung und überlegene Ruhe angesichts der Unbeständigkeit alles Existierenden sind Ausdruck dieses religiösen Erlebnisses. Dagegen bedeutet horizontal, daß man das Ewige als die Kraft erlebt, die verwandelt, was von ihr ergriffen wird. „Horizontal" in diesem Sinn ist der prophetische Kampf um soziale Gerechtigkeit und persönliche Verwirklichung, der Kampf gegen die Strukturen des Bösen in unserem Innern wie in unserer Gesellschaft. Ethik, Erziehung, Politik, Medizin, Technik sind Ausdruck des horizontalen Elements im menschlichen Dasein. Wenn immer der Mensdi sich auf das Unbedingte richtet, wirken beide Elemente in ihm, das vertikale und das horizontale, denn das Seiende und das Seinsollende sind eins im Grunde des Seins. Eine Religion, die das Unbedingte nur als Sein begreift, wird zu einer statischen, weitabgewandten Mystik ohne ethische Dynamik und ohne Willen und Kraft, die Welt zu verwandeln. Eine Religion, die das Unbedingte nur als das Seinsollende begreift, wird zu einem Aktivismus, der nach der moralischen Vervollkommnung im Sozialen wie im Persönlichen strebt, aber ohne tragende Substanz ist und ohne die geistige Kraft, über das Endliche hinauszugreifen. Die 500 Jahre westlicher Kultur, die wir als „Neuzeit" zu bezeichnen pflegen und die in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts zu Ende gegangen sind, zeichnen sich durch den meistens erfolgreichen Versuch des westlichen Menschen aus, Natur und Gesellschaft mit Hilfe rationaler Methoden zu regeln und zu beherrschen. J e ausschließlicher sich der Mensch diesem Ziel widmete, und je mehr er sich 33

die Wirklichkeit unterwarf, um so mehr verlor er das vertikale Element in seiner Sinndeutung des Lebens. Er bewegte sich vorwärts, ohne stille zu stehen. Wissenschaftlicher und technisdier Fortschritt, moralische Ideale, erzieherische und gesellschaftliche Ziele wurden sein höchstes Anliegen. Gott wurde zum „Grenzbegriff" entwertet und aus dem Bereich der wirklichen Existenz verbannt. Das Unbedingte, das, was dem Leben seinen Sinn gibt, wurde als vor dem Menschen liegend gesehen, und nicht als über ihm stehend. Diese Haltung hatte Größe und erforderte Mut, besonders in ihrer revolutionären Periode. In den Anklagen von Voltaire und Marx gegen die bestehenden Kirchen ist prophetisches Pathos hörbar. Sie warfen den Kirchen vor, daß sie das vertikale Element der Religion zur Aufrechterhaltung sozialer Ungerechtigkeit und tyrannischer Macht mißbrauchten, daß sie das Ewige als Bollwerk gegen den Fortschritt in der Zeit verwandten und das vertikale Element der Religion mit Konservatismus und Reaktion identifizierten. In dieser Lage war der Protest des vorwärts gerichteten Denkens nicht nur gerechtfertigt, sondern für die Religion selbst notwendig; denn es war ein religiöser Protest, obwohl er sich oft religionsfeindlich äußerte. Er war prophetisch, selbst wenn er den kirchlichen Glauben angriff. Aber der prophetische Geist verschwand, als der Sieg errungen war. An seine Stelle trat eine selbstzufriedene Diesseitigkeit, die unzählige Dinge produzierte, ohne zu fragen: wozu? und die unzählige Interessen verfolgte, ohne nach dem Gegenstand unendlichen Interesses zu fragen. Die Ausschaltung des vertikalen Elements — wenn auch historisch erklärlich - beraubte das horizontale Element seiner Tiefe und seiner geistigen Substanz. Eine unbestimmte Angst, ein Gefühl von Leere und Sinnlosigkeit des Lebens, eine zynische Verachtung von Grundsätzen und Idealen und die Verzweiflung an einer erfüllten Zukunft waren die Folge. Dieser Zustand wurde bis zu einem gewissen Grade verdeckt durch den Anschein eines durchschnittlich normalen und wohlgeordneten Lebens, das in Routinearbeit und Routinevergnügungen aufging. Gelegentlich brachen auch alte optimistische Erwartungen wieder auf. Aber auf die Dauer konnten die Gefühle der Leere nicht verdeckt werden; ihre Macht über den Einzelnen und die Massen ist noch immer im Wachsen. Selbst der totale Sieg der Alliierten im zweiten Weltkrieg und die Entdeckung der Atomenergie haben keine neue Hoffnung aufkommen lassen. Im Gegensatz zu den großen Erwartungen, die man nach dem ersten Weltkrieg hegte, hat sich nach dem zweiten Weltkrieg das Bewußtsein von der tragischen Begrenztheit unserer geistigen Kraft verbreitet - im Gegensatz zu unserer fast 34

unbeschränkten technischen Macht. Dies zeigt, wie stark sich die geistige Situation in den letzten fünfundzwanzig Jahren verändert hat. Unser letztes Anliegen ist nicht mehr die Verwandlung der Wirklichkeit, sondern die Besinnung auf den Seins- und Sinngrund unseres Lebens. Das Pendel hat angefangen, in die vertikale Richtung der Religion zurückzuschwingen. Doch ist nicht alles, was für diese Änderung der Richtung zu sprechen scheint, ein echter Beweis. Das große Sterben während des Krieges hat diejenigen, die es miterlebt haben, dazu geführt, sich dem Ewigen zuzuwenden. Aber das allein bedeutet noch keine Änderung in der religiösen und kulturellen Grundhaltung. Von mehr Gewicht ist der wachsende Einfluß der diristlichen Kirchen auf das soziale und politische Leben der Völker, sichtbar in der Teilnahme der Kirchen an den Widerstandsbewegungen in Europa, in der Rolle des Katholizismus in den Vereinigten Staaten und — allerdings in wesentlich geringerem Grade - in der Wiedererrichtung der orthodoxen Kirdie in Rußland. Aber diese Ereignisse lassen sich auch als natürliche Reaktion auf revolutionäre Katastrophen oder als zeitweise politische Maßnahmen erklären. Sie beweisen ebensowenig wie das Interesse kleinerer Gruppen an mystischen Uberlieferungen eine religiöse Hinwendung in die vertikale Richtung. In Zeiten großer innerer Unsicherheit und tiefer Angst sind solche Bewegungen immer zu finden. Aber es gibt auch echte Symptome, die eine allgemeine Hinwendung zum Vertikalen in der Religion bezeugen. Uber diese Zeugnisse und ihre Bedeutung für ein richtiges Verständnis unserer Zeit wäre viel zu sagen. Hier kann ich nur auf das Wichtigste hinweisen: Der Sinn des Glaubens als religiöser Grundhaltung ist sowohl von mystischer wie von personalistischer Seite neu verstanden worden. Man hat gesehen, daß Glaube nicht das Für-wahr-Halten von Feststellungen mit unzureichender Beweiskraft ist, sondern daß Glaube das ErgrifFensein vom Ewigen ist, das in das Zeitliche einbricht und es verwandelt. Das gilt von allen Formen religiöser Erfahrung, und sie alle repräsentieren das vertikale Element in der Religion. - Im Zusammenhang damit stehen neue Erkenntnisse über das Wesen des Menschen. Einblicke in die Tiefenschicht des Menschen durch die Tiefenpsychologie und Soziologie - mehr noch als durch die Theologie - haben gezeigt, daß der Mensch ein Kampfplatz uneindeutiger, unbewußter Mächte ist - individueller wie kollektiver - und daß sein bewußtes Verhalten abhängig ist von universellen Strukturen des Bösen und des Guten. Die Erkenntnis der tragischen Situation des Menschen macht jeden Utopismus unmöglich, den evolutionären wie den revolutionären. 35

In die gleiche Richtung weist die neue Auffassung von der Funktion der Kirche. Ihre Bedeutung wird nicht so sehr in ihrem Zweck - also in ihrer horizontalen Funktion - als in ihrem Fundament gesehen, und damit in ihrer vertikalen Funktion. Man ist sich wieder bewußt, daß die Kirche das Ewige in sich aufnehmen muß, ehe sie verwandelnd in die Geschichte eingreifen kann, d. h. daß die vertikale Bewegung der horizontalen vorangehen muß. Daraus haben sich Reformen der protestantischen wie der katholischen Liturgie entwickelt, die aus der vertikalen Richtung Kräfte empfangen wollen. Das Problem der Zukunft der Religion ist nicht mehr das Verhältnis von Religion und Wissenschaft. Auch in dieser Hinsicht ist mit dem Beginn des Jahrhunderts eine Epoche zu Ende gegangen. Die Autonomie der historisdi-kritischen Forschung, der Naturwissenschaft und der Psychologie wird heute von der herrschenden protestantischen Theologie unbeschränkt anerkannt. Ebenso hat die "Wissenschaft gelernt, ihre vorwissensdiaftlidien Voraussetzungen und ihre philosophischen Grundlagen von ihren wissenschaftlichen Erkenntnissen zu unterscheiden. Beide Seiten haben erkannt, daß die Symbole, in denen die Religion Wahrheit ausdrückt, auf einer anderen Ebene liegen als wissenschaftliche Feststellungen über das Vorhandensein oder NichtVorhandensein von natürlichen Objekten. Die Religion der Zukunft wird frei sein von dem sinnlos gewordenen Konflikt zwischen Glauben und Wissen. Das Pendel schwingt in die vertikale Riditung der Religion zurück, und es besteht die Gefahr, daß es zu weit ausschlägt. Humanisten und sozial verantwortliche Christen fürchten zu Redit, daß eine einseitige Betonung der vertikalen Linie der Religion die soziale Stoßkraft nehmen wird. Das ist möglich und muß verhütet werden. Die Zukunft der Religion verlangt eine Verbindung ihres vertikalen und ihres horizontalen Elementes.

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R E L I G I O N ALS E I N E F U N K T I O N DES M E N S C H L I C H E N

GEISTES?

Dieser Titel ist in sich selbst ein Problem. E r fordert von zwei Seiten Kritik heraus, noch ehe inhaltliche Aussagen gemadit sind. Gewisse christliche Theologen werden fragen, ob Religion hier nicht aufgefaßt sei als ein schöpferisches Element des menschlichen Geistes und nicht als göttliche Offenbarung. Und wenn man die Religion als eine Funktion des menschlichen Geistes auffaßt, wird man von den betreffenden Theologen abgelehnt. Diese Situation gibt eine fast schizophrene Spaltung unseres Kollektivbewußtseins wieder, eine Spaltung, die unsere geistige Freiheit gefährdet, weil sie den modernen Geist zu einer irrationalen und zwangshaften Bejahung oder Verneinung der Religion treibt. Und die Reaktion ist auf der wissenschaftlichen Seite nicht weniger zwangshaft als auf der religiösen Seite. Jene Theologen, die verneinen, daß die Religion ein Element des menschlidien Geistes sei, haben mit ihrem Einwand recht. Nach ihnen ist Religion etwas, das der Mensch empfängt, etwas, das nicht von ihm selbst stammt, sondern ihm gegeben ist, und das gegen ihn stehen kann. Die Theologen betonen ausdrücklich, daß die Beziehung des Menschen zu Gott keine menschliche Möglichkeit ist, sondern daß Gott sich zuerst mit dem Menschen in Beziehung setzen müsse. Diese theologische Ansicht ließe sich in den Satz zusammenfassen, daß die Religion keine Schöpfung des menschlichen, sondern eine Gabe des Heiligen Geistes sei. Der Geist des Mensdien kann zwar in Beziehung zu sich selbst und zu seiner Welt schöpferisch sein, nicht aber in Beziehung zu Gott. In Beziehung zu Gott ist der Mensch ein Empfangender und nur Empfangender. Er hat nicht die Freiheit, sich Gott zuzuwenden. Das ist, würden die Theologen hinzufügen, der Sinn der klassischen Lehre von der Knechtschaft des Willens, wie sie Paulus, Augustin, Thomas, Luther und Calvin entwickelt haben. Angesichts dieser Zeugen müssen wir ernsthaft die Frage stellen: Kann überhaupt von Religion als einer Funktion des menschlichen Geistes gesprochen werden? Aber die Kritik der anderen Seite, die von den Wissenschaften, ζ. B. von der Psychologie, Soziologie, Anthropologie und Geschidite, geübt 37

wird, hat mit ihrem Einwand ebenfalls redit. Diese Wissenschaften weisen auf die unendliche Vielfalt der religiösen Ideen und Praktiken hin, auf den mythologischen Charakter aller religiösen Begriffe und das Vorhandensein von vielen Formen der Nidit-Religion bei Individuen und Gruppen. Mit Comte sagen sie, daß die Religion zu einer bestimmten Stufe der menschlichen Entwicklung gehört, der mythologischen Stufe, daß es aber für sie keinen Platz gibt auf der wissenschaftlichen Stufe, auf der wir leben. Nach dieser Auffassung ist die Religion lediglich eine zeitweilige Schöpfung und keineswegs eine Wesenseigenschaft des menschlichen Geistes. Untersuchen wir diese beiden Gruppen von Argumenten genauer, so machen wir eine überraschende Entdeckung: Beide haben etwas Entscheidendes gemeinsam, obwohl sie von entgegengesetzten Richtungen kommen. Beide, sowohl die theologischen wie die wissenschaftlichen Kritiker der Behauptung, daß die Religion eine Funktion des menschlichen Geistes sei, definieren die Religion als das Verhältnis des Menschen zu göttlichen Wesen, nur daß die theologischen Kritiker deren Existenz bejahen und die wissenschaftlichen sie leugnen. Eben dieser Religionsbegriff ist es jedoch, der einem wirklichen Verständnis der Religion im Wege steht. Beginnt man mit der Frage nach der Existenz oder Nicht-Existenz Gottes, kann man Gott niemals erreichen. Und wenn man die Existenz Gottes behauptet, kann man ihn noch weniger erreichen, als wenn man seine Existenz leugnet. Ein Gott, über dessen Existenz oder Nicht-Existenz man streiten kann, ist im Universum existierender Dinge ein Ding neben anderen Dingen. Und es ist durchaus gerechtfertigt, nach der Existenz eines soldien Dinges zu fragen, und ebenso gerechtfertigt ist die Antwort, daß es nicht existiert. Bedauerlich ist, daß die Wissenschaftler glauben, die Religion widerlegt zu haben, wenn sie mit vollem Recht gezeigt haben, daß für die Existenz eines solchen Wesens keinerlei Wahrscheinlichkeit vorhanden ist. In Wirklichkeit haben sie die Religion nicht nur nidit widerlegt, sondern ihr einen großen Dienst erwiesen. Sie haben die Religion gezwungen, die überwältigende Macht des Wortes »Gott« neu zu verstehen und zu formulieren. Unglücklicherweise begehen viele Theologen denselben Fehler. Sie beginnen ihre Verkündigung mit der Behauptung von der Existenz eines höchsten Wesens, Gott genannt, dessen autoritäre Offenbarungen ihnen zuteil geworden seien. Diese Theologen sind für die Religion gefährlicher als die sogenannten atheistischen Wissenschaftler. Sie tun den ersten Schritt auf dem Weg, der zwangsläufig zu dem führt, was man Atheismus nennt. Sobald Gott von den Theologen zu einem höchsten Wesen gemacht wird, das einigen 38

Menschen Mitteilung über sich zukommen ließ, ruft das zwangsläufig den Widersund derer hervor, die sich der Autorität dieser Mitteilung beugen sollen. Wir behaupten gegen beide Gruppen von Kritikern die Gültigkeit unseres Themas: „Religion als eine Funktion des menschlichen Geistes", nehmen aber zugleidi beider Kritik und die darin enthaltenen Elemente der Wahrheit auf. Wenn wir sagen, daß die Religion eine Funktion des menschlichen Geistes sei, so heißt das, daß sich uns der menschliche Geist, unter einem besonderen Blickpunkt betrachtet, als religiös darstellt. Was für ein Blickpunkt ist das? Es ist der, von dem aus wir in die Tiefe des menschlichen Geisteslebens blicken können. Die Religion ist keine spezielle Funktion, sie ist die Dimension der Tiefe in allen Funktionen des mensdilidien Geisteslebens. Aus dieser Behauptung ergeben sidi für die Interpretation der Religion weitreichende Folgerungen, und jeder der in ihr verwandten Begriffe bedarf der Erläuterung. Die Religion ist keine besondere Funktion des Geisteslebens! Aus der geschichtlichen Entwicklung lernen wir, wie die Religion von einer geistigen Funktion zur anderen wandert, um eine Heimat zu finden, und wie sie abgewiesen oder verschlungen wird. So kommt die Religion zur ethischen Funktion und klopft an, überzeugt, daß man sie empfangen wird. Sind nicht das Ethische und das Religiöse am nächsten miteinander verwandt? Wie kann man die Religion abweisen? Und tatsächlich wird die Religion nicht abgewiesen, sondern aufgenommen. Aber man nimmt sie als „arme Verwandte" auf, und um sich ihre Stelle im Reidi des Sittlichen zu verdienen, soll sie der Sittlichkeit dienen. Solange sie mithilft, gute Bürger, gute Ehegatten und Kinder, gute Angestellte, Beamte und Soldaten zu schaffen, wird sie geduldet. In dem Augenblick aber, in dem die Religion einen eigenen Anspruch stellt, bringt man sie entweder zum Schweigen oder wirft sie als überflüssig oder gefährlich für die Moral hinaus. Wieder hält die Religion Ausschau nach einer Funktion im Geistesleben, und diesmal wird sie von der Funktion des Erkennens angezogen. Die der Religion eigentümliche Art der Erkenntnis - mythologische Phantasie oder mystische Schau - scheint ihr ein Heimatrecht zu verleihen. Wieder wird die Religion aufgenommen, aber sie muß sich der „reinen Erkenntnis" unterordnen und wird nur für kurze Zeit geduldet. Erstarkt durch den ungeheuren Erfolg der wissenschaftlichen Arbeit, widerruft die „reine Erkenntnis" bald ihre nur mit halbem Herzen vollzogene Aufnahme der Religion und erklärt, die Religion habe mit der Erkenntnis nichts zu schaffen. 39

Wiederum ist die Religion im menschlichen Geistesleben ohne Heimat. Sie sucht nach einer anderen Funktion des Geistes, der sie sich anschließen könnte. Sie findet sie in der ästhetischen Funktion. Warum sollte sie nicht innerhalb der künstlerisch-schöpferischen Produktivität des Menschen einen Platz finden? so fragt sich die Religion durch den Mund der Religionsphilosophen. Und durch den Mund vieler Künstler, toter und lebender, antwortet das Reich der Kunst mit einem begeisterten Ja; die Religion wird nicht nur eingeladen sich anzuschließen, sie soll darüber hinaus anerkennen, daß die Kunst Religion sei. Aber jetzt ist es die Religion, die zögert. Ist nicht die Kunst ein Ausdruck der Begegnung des Künstlers mit dem Seienden, während Religion das Seiende verwandeln will? Und lebt nicht alle Kunst im Bild frei von den Zwängen der alltäglich begegnenden Wirklichkeit? Die Religion entsinnt sich ihrer einstigen Beziehungen zum Reich der Ethik und Erkenntnis, zum Guten und Wahren, und sie widersteht der Versuchung, sich in Kunst aufzulösen. Aber wohin könnte die Religion sich noch wenden? Das ganze Feld des Geisteslebens ist besetzt, und kein Teilgebiet will der Religion einen angemessenen Platz einräumen. So wendet sidi die Religion zu dem, was jede Tätigkeit des Menschen und jede Funktion des Geisteslebens begleitet, zu dem, was man Gefühl nennt. Religion als Gefühl — das sdieint ihrem Umherirren ein Ende zu setzen. Und dieses Ende wird von all denen beifällig begrüßt, die nicht wünschen, daß sich die Religion in das Reich der Ethik und der Erkenntnis einmischt. Ist die Religion in das Reich des bloßen Gefühls verbannt, dann hört sie auf, dem Denken und Handeln des Menschen gefährlich zu sein. Aber, muß ergänzt werden, sie verliert auch ihren Ernst, ihre Wahrheit und ihren letzten Sinn. In der Atmosphäre der reinen Subjektivität des Gefühls, ohne ein bestimmtes Objekt der Emotion, ohne einen letzten Inhalt geht die Religion zugrunde. Auf die Frage nach der Religion als einer Funktion des menschlichen Geistes ist also auch das keine Antwort. In dieser Situation - ohne Heimat, ohne einen Ort zum Verweilen erkennt die Religion plötzlich, daß sie einen solchen Ort nicht braucht, daß sie gar nicht nach einer Heimat suchen muß. Sie ist überall zu Haus, nämlich in der Tiefe aller Funktionen des menschlichen Geisteslebens. Die Religion ist die Tiefendimension, sie ist die Dimension der Tiefe in der Totalität des mensdilichen Geistes. Was bedeutet diese Metapher der Tiefe? Sie bedeutet, daß die religiöse Dimension auf dasjenige im menschlichen Geistesleben hinweist, das letztlich, unendlich, unbedingt ist. Religion ist im weitesten und tiefsten Sinne des Wortes das, was uns unbedingt angeht. Und das, was 40

uns unbedingt angeht, manifestiert sich in allen schöpferischen Funktionen des menschlichen Geistes. Es wird offenbar in der Sphäre des Ethischen als der unbedingte Ernst der ethischen Forderung; verwirft man die Religion im Namen der ethischen Funktion des menschlichen Geistes, so verwirft man die Religion im Namen der Religion. Das, was uns unbedingt angeht, wird offenbar in dem Reich des Erkennens als das leidenschaftliche Verlangen nach letzter Realität; verwirft man die Religion im Namen der Erkenntnisfunktion des menschlichen Geistes, so verwirft man die Religion im Namen der Religion. Das, was uns unbedingt angeht, wird offenbar in der ästhetischen Funktion des menschlichen Geistes als die unendliche Sehnsucht nach dem Ausdruck des letzten Sinnes; verwirft man die Religion im Namen der ästhetischen Funktion des menschlichen Geistes, so verwirft man die Religion im Namen der Religion. Man kann die Religion nicht mit letztem Ernst verwerfen, weil der Ernst oder das Ergriffensein von dem, was uns unbedingt angeht, selbst Religion ist. Die Religion ist die Substanz, der Grund und die Tiefe des menschlichen Geisteslebens. Das ist die religiöse Dimension des menschlichen Geistes. Aber nun erhebt sich die Frage: Was hat es mit der Religion im engeren und üblichen Sinne des Wortes auf sich, sei sie die Religion der offiziellen Kirche oder die Religion persönlicher Frömmigkeit? Weshalb hat die Menschheit, wenn die Religion in jeder Funktion des Geisteslebens gegenwärtig ist, sie als eine besondere Sphäre neben anderen in Mythos, Kultus, Anbetung und kirchlichen Institutionen entwickelt? Die Antwort lautet: Weil das Geistesleben des Menschen seinem eigenen Grund und seiner Tiefe tragisch entfremdet ist. Nach den Worten des Sehers, der das letzte Buch der Bibel schrieb, wird es im himmlischen Jerusalem keinen Tempel geben, denn Gott wird alles in allem sein. Es wird keinen profanen Bereich geben und eben darum keinen religiösen Bereich. Die Religion wird wieder das sein, was sie wesensmäßig ist: der allbestimmende Grund und die Substanz des Geisteslebens des Menschen. Aber das ist Vision, nicht Realität. In der realen Welt, die unser Schicksal ist, erhielt die Religion eine engere Bedeutung. Sie wurde zu einer Funktion unter anderen Funktionen des menschlichen Geistes und ist oft im Widerstreit mit ihnen. Diese Situation ist unvermeidlich, sie ist ein Element der tragischen Situation des Menschen. Religion ist wie alles Menschliche zugleich groß und tragisch. Und da sie Ausdruck dessen ist, was uns unbedingt angeht, ist sie größer und tragischer als alles andere. Sie öffnet die Tiefe des menschlichen Geisteslebens, die zumeist vom Staub unseres Alltagslebens und vom Lärm unserer profanen Arbeit 41

verdeckt ist. Die Religion läßt uns das Heilige erfahren, etwas, das unberührbar, Ehrfurcht gebietend, letzter Sinn, Quelle des höchsten Mutes ist. Das ist die Größe dessen, was wir Religion nennen. Aber neben ihrer Größe liegt ihre Schande. Sie macht sich selbst zu dem Höchsten und verachtet den profanen Bereich. Sie macht ihre Mythen und Lehren, ihre Riten und Gesetze zu etwas Letztem, Unbedingtem und verfolgt jene, die sich ihnen nicht unterwerfen. Sie vergißt, daß sie ihre eigene Existenz dem Faktum zu verdanken hat, daß der Mensch seinem wahren Sein tragisch entfremdet ist. Sie vergißt ihren Ursprung aus der Not. Das ist der Grund für die leidenschaftliche Reaktion der profanen Welt gegen die Religion, eine Reaktion, die für den profanen Bereich selbst tragische Folgen nach sich zieht. Denn der religiöse und der profane Bereich stehen in derselben Situation. Keiner sollte von dem anderen getrennt sein. Ihre Not liegt in eben dieser getrennten Existenz, und beide wurzeln in der Religion im umfassenden Sinn, in der Erfahrung dessen, was uns unbedingt angeht. Das müssen sich beide vergegenwärtigen. Die Konflikte zwisdien dem Religiösen und dem Profanen können nur dann überwunden werden, wenn dies verstanden wird, und nur dann hat die Religion ihren wahren Ort im Geistesleben des Menschen wiederentdeckt, nämlich in seiner Tiefe. Und aus dieser Tiefe gibt sie allen Funktionen des menschlichen Geistes Substanz, letzten Sinn, Gericht und schöpferischen Mut.

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DIE VERLORENE DIMENSION

Jedem Beobachter unserer westlichen Kultur muß auffallen, daß sich im religiösen Leben etwas verändert hat. Es zeigt sich deutlich in Amerika, wo man von einem Wiederaufleben der Religion spricht oder, bescheidener, von einem neu erwachten Interesse an religiösen Fragen. Das schnelle Anwachsen der Mitgliederzahlen in den Kirchen und das Aufkommen immer neuer Sekten sind ebenso Anzeidien dafür wie die Errichtung neuer religionswissenschaftlicher Abteilungen in den Colleges und neuer theologischer Fakultäten an den Universitäten. Am auffallendsten ist der ungeheure Erfolg von Predigern, die Sonntag für Sonntag die Massen anziehen und in Begeisterung versetzen. Die Tatsachen sind offensichtlich, aber wie sind sie zu erklären? Ich will versuchen, sie als Ausdruck der problematischen Lage zu deuten, in der sich der westliche Mensch in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts befindet. Und ich will nodi einen Schritt weitergehen, indem idi behaupte, daß diese gegenwärtige Lage einen Einbilde gewährt in die menschliche Situation schlechthin, wie sie überall und immer besteht. Es gibt zahlreiche Analysen des heutigen Menschen und der modernen Gesellschaft. Aber die meisten gehen nicht über eine Diagnose wichtiger Einzelzüge hinaus, und nur wenigen ist es gelungen, einen Schlüssel für das Gesamtverständnis unserer gegenwärtigen Lage zu finden. Obwohl dies nicht leicht ist, will idi es doch versuchen und mit einer Behauptung beginnen, die zunächst unverständlich klingen mag: Das entscheidende Element in der gegenwärtigen Situation des westlichen Menschen ist der Verlust der Dimension der Tiefe. „Dimension der Tiefe" ist eine räumliche Metapher — was bedeutet sie, wenn man sie auf das geistige Leben des Menschen anwendet und sagt, daß sie ihm verlorengegangen sei? Es bedeutet, daß der Mensch die Antwort auf die Frage nadi dem Sinn seines Lebens verloren hat, die Frage danach, woher er kommt, wohin er geht, was er tun und was er aus sich machen soll in der kurzen Spanne zwischen Geburt und Tod. Diese Fragen finden keine Antwort mehr, ja, sie werden nicht einmal mehr gestellt, wenn die Dimension der Tiefe verlorengegangen ist. 43

Und genau dies hat sich in unserer Zeit ereignet. Unsere Generation hat keinen Mut mehr, solche Fragen mit unbedingtem Ernst zu stellen, wie es frühere Generationen taten, und sie hat audi keinen Mut mehr, auf irgendwelche Antworten auf diese Fragen zu hören. Ich will die Dimension der Tiefe im Menschen als seine „religiöse Dimension" bezeichnen. Religiös sein bedeutet, leidenschaftlich nadi dem Sinn unseres Lebens fragen und für Antworten offen sein, auch wenn sie uns tief erschüttern. Eine solche Auffassung macht die Religion zu etwas universal Menschlichem, wenn sie auch von dem abweicht, was man gewöhnlich unter Religion versteht. Religion als Tiefendimension ist nicht der Glaube an die Existenz von Göttern, auch nicht an die Existenz eines einzigen Gottes. Sie besteht nicht in Handlungen und Einrichtungen, in denen sich die Verbindung des Menschen mit seinem Gott darstellt. Niemand kann bestreiten, daß die geschiditlidien Religionen „Religion" in diesem Sinne sind. Aber Religion in ihrem wahren Wesen ist mehr als Religion in diesem Sinne: Sie ist das Sein des Menschen, sofern es ihm um den Sinn seines Lebens und des Daseins überhaupt geht. Viele Menschen sind von etwas ergriffen, was sie unbedingt angeht; aber sie fühlen sich jeder konkreten Religion fem, gerade weil sie die Frage nach dem Sinn ihres Lebens ernst nehmen. Sie glauben, daß ihr tiefstes Anliegen in den vorhandenen Religionen nicht zum Ausdruck gebradit wird, und so lehnen sie die Religion ab „aus Religion". Diese Erfahrung lehrt uns zu unterscheiden zwischen Religion als Leben in der Dimension der Tiefe und den konkreten Religionen, in deren Symbolen und Einrichtungen das religiöse Anliegen des Menschen Gestalt gewonnen hat. Wenn wir die Situation des heutigen Menschen verstehen wollen, müssen wir von dem Wesensbegriff der Religion ausgehen und nicht von einer spezifischen Religion, auch nicht dem Christentum. Wenn wir Religion als das Ergriffensein von einem letzten, unbedingten Anliegen verstehen, müssen wir eingestehen, daß der typische moderne Mensch sich keines solchen Anliegens bewußt ist. Was man für ein Wiederaufleben der Religion gehalten hat, ist der oft verzweifelte und meist vergebliche Versuch, das Verlorene wiederzugewinnen. Wenn wir uns nun fragen, wie die Dimension der Tiefe verlorengegangen ist, so müssen wir sagen, daß hier, wie bei jedem wichtigen Ereignis, viele Gründe mitspielen; aber bestimmt nicht der eine, den Pfarrer und Massenprediger immer wieder anführen: nämlich die angebliche allgemeine Verderbnis unserer Zeit. Die Menschen sind heute weder besser noch schlechter als früher. Daß der Mensch die Dimension

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der Tiefe verloren hat, liegt vielmehr in seinem Verhältnis zur Welt und zu sich selbst. Er hat sidi mittels der Wissenschaft die Welt unterworfen und nützt sie mit Hilfe der Technik aus. Dabei drängen ihn die treibenden Kräfte der industriellen Gesellschaft, von der er selbst ein Teil ist, in horizontaler Richtung voran. Sein Leben vollzieht sich nicht mehr in der Dimension der Tiefe, sondern in der horizontalen Dimension. Redensarten wie „immer mehr", „immer größer" und „immer besser" sind für diese Richtung symptomatisch. Man darf die Kraft, die dieser Bewegung zugrunde liegt, nicht geringschätzen. Der Mensch besitzt die Fähigkeit, die Welt zu verstehen und zu verwandeln; und heute ist er sich bewußt, daß dieser Fähigkeit keine sichtbaren Grenzen gesetzt sind. Ein deutlicher Ausdruck für das Vorwärtsdringen in der horizontalen Richtung ist die Durchbrechung des Schwerefeldes der Erde und die Eroberung des Weltraums. Es ist bezeichnend, daß man den Weltraum einfach „Raum" nennt und von „Raumschiffahrt" spricht, als ob Fortbewegung nicht immer im Raum stattfände. Vielleicht spürt man, daß die wahre Natur des Raumes erst durch den Eintritt in den Weltenraum entdeckt worden ist. Auf jeden Fall hat die Eroberung des Raumes jenseits des Erdenraumes die Vorherrschaft der horizontalen Dimension über die vertikale ungeheuer verstärkt. Die Frage, was den Menschen in der horizontalen Richtung vorwärts treibt, ist schwer zu beantworten. Manchmal ist man versucht, den Antrieb in dem Rausch der bloßen uneingeschränkten Bewegung zu sehen. Aber das ist keine genügende Erklärung. Auf seinem Weg in Raum und Zeit verändert der Mensch die Welt, der er begegnet, und diese Veränderung verwandelt wiederum ihn selbst. Indem er in seinem Drang nach vorwärts alles ihm Begegnende zum Werkzeug macht, wird er schließlich selbst zum Werkzeug. Aber auf die Frage, wozu das Werkzeug dienen soll, weiß er keine Antwort. Man braucht nicht weit nach Beispielen für diese Situation zu suchen: Unser tägliches Leben in Beruf und Familie, mit Auto- und Flugreisen, bei Gesellschaften und Konferenzen, beim Lesen von Unterhaltungsblättern und Reklamen, beim Fernsehen und am Radio ist ein einziges großes Beispiel für ein Leben ohne die Dimension der Tiefe, für ein Leben, das vergeht, indem es jeden einzelnen Augenblick mit etwas ausfüllt, das getan, gesagt, gesehen oder geplant werden muß. Aber der Mensch kann nicht erfahren, was Tiefe ist, ohne stille zu stehen und sich auf sich selbst zu besinnen. Nur wenn er sich nicht mehr um das Nächste sorgt, kann er die Fülle des Augenblicks hier und jetzt erleben, des Augenblicks, in dem die Frage nach dem Sinn seines Lebens in ihm erwacht. Solange die Sorge um das Vorläufige und Vergängliche (wie 45

wichtig und interessant es im einzelnen auch sein mag) nicht zurücktritt, kann die Sorge um das Ewige nicht Besitz von ihm ergreifen. Hier liegt der tiefste Grund für den Verlust der Tiefendimension in unserer Zeit, für den Verlust der Religion in ihrer eigentlichen und universalen Bedeutung. Mit dem Verlust der Tiefendimension gehen auch die Symbole verloren, die Ausdruck dieser Tiefe sind. Dies gilt für die großen Symbole der westlichen Religionen, die Symbole des Judentums und des Christentums. An ihrem Untergang ist nicht in erster Linie die wissenschaftliche Kritik schuld, sondern die Tatsache, daß Theologen wie Laien die Bedeutung der biblisdien Symbole nicht mehr verstanden und sie als Berichte tatsächlicher Geschehnisse wörtlich nahmen. Dadurch wurde der Angriff der Wissenschaft gegen sie möglich und notwendig. Den ersten Schritt zur Zerstörung der Religion tat die Religion selbst. Als sie ihre Symbole zu retten versuchte, indem sie sie als Beschreibung tatsächlicher Ereignisse verteidigte, hatte sie den Kampf mit der Wissenschaft bereits verloren. Symbole sind nur lebendig, solange sie als Ausdruck für das Leben in der Dimension der Tiefe verstanden werden. Wenn sie in die horizontale Ebene übertragen werden und ihre Inhalte auf eine Ebene neben endliche Gegenstände und Tatsachen gestellt werden, verlieren sie ihre Macht und Bedeutung und werden eine leichte Beute für die Angriffe der biologischen und historischen Wissenschaften. Wenn das Symbol der Schöpfung, das auf den göttlichen Grund alles Seins hinweist, auf die horizontale Ebene übertragen wird, wird es zu einer Erzählung weit in der Vergangenheit liegender Ereignisse, für die es keine Belege gibt und die jeder wissenschaftlichen Erkenntnis widersprechen. Wenn man das Symbol vom Sündenfall, das Ausdruck für die Entfremdung des Menschen und seiner Welt von ihrem wahren Wesen ist, auf die horizontale Ebene verlegt, wird aus ihm die Geschichte eines Menschenpaares, das vor Tausenden von Jahren in einem Land lebte, das heute Irak heißt. Eine der tiefgründigsten psychologischen Beschreibungen der menschlichen Situation wird auf der horizontalen Ebene zu einer Absurdität. Wenn man die Symbole des Heilands und der Erlösung, die auf die heilende K r a f t im menschlichen Leben und in der Geschichte hindeuten, auf die horizontale Ebene überträgt, werden sie zu Berichten von einem halbgöttlichen Wesen, das aus dem Himmel stammt und in ihn zurückkehrt. So entstellt haben die Symbole keinen Sinn mehr für Menschen, deren Weltbild durch die Naturwissenschaft geprägt ist. Die Idee von Gott und die Symbole, deren man sich zu seiner Be46

Schreibung bedient, sind Ausdruck für das tiefste Anliegen des Menschen. Wenn man sie auf die horizontale Ebene überträgt, wird aus Gott ein Wesen neben anderen Wesen gemacht, dessen Existenz oder Nicht-Existenz bewiesen werden soll. Vielleicht ist nichts so symptomatisch für den Verlust der Tiefendimension wie der Streit um die Frage, ob Gott existiere oder nicht, ein Streit, in dem beide Seiten unrecht haben; denn die Frage selbst ist falsch und konnte überhaupt erst aufgeworfen werden, nachdem die Dimension der Tiefe verloren war. Nachdem der Mensch sich von der Dimension der Tiefe abgeschnitten und sich ihrer Symbole beraubt hat, wird er selbst zu einem Teil der horizontalen Ebene. Er verliert seine Identität und wird zu einem Ding unter Dingen, zu einem Faktor in dem Prozeß von errechneter Produktion und berechnetem Verbrauch. Dies ist heute allgemein bekannt. Wir wissen, daß die Rolle jedes einzelnen im Gesellschaftssystem berechenbar ist, und wir können uns diesem Spiel nicht entziehen, selbst wenn wir die Regeln kennen und selbst zur Spielleitung gehören. Der Einfluß der Mentalität der Führenden in Jugendgruppen, der Einfluß des Betriebsgeistes auf die höheren Angestellten, die geistige Nivellierung, die von den öffentlichen Kommunikationsmitteln, von Reklame und Propaganda ausgeht, zum Teil mit Hilfe wissenschaftlich berechneter Reklamemethoden - all dies ist oft genug beschrieben worden. Unter solchem Druck kann kaum jemand dem Geschick entgehen, mit den Dingen, die er produziert, selbst zum Ding zu werden, zu einem Bündel bedingter Reflexe, das keine Selbständigkeit mehr hat, keine Entscheidungskraft und kein Verantwortungsbewußtsein. Der ungeheure Mechanismus, den der Mensch in Gang gesetzt hat, um Gegenstände für seinen Gebrauch zu produzieren, verwandelt ihn selbst in einen Gegenstand zum Gebrauch in dem gleichen Mechanismus. Aber der Mensch hat trotzdem nicht aufgehört, Mensch zu sein. Er setzt sich zur Wehr gegen dieses Schicksal - mit Angst, Verzweiflung und Mut. Er stellt noch immer die Frage nach dem Wozu, aber er weiß keine Antwort darauf. Er fühlt die Leere und die Sinnlosigkeit seines Lebens unter dem ununterbrochenen Betrieb, der Produktion von Mitteln für Zwecke, die selbst wieder zu Mitteln werden und auf kein endgültiges Ziel hinweisen. Ohne zu verstehen, was geschehen ist, empfinden viele, daß sie den Sinn des Lebens, die Dimension der Tiefe, verloren haben. In diesem Zustand wird die religiöse Frage laut. Was dabei im Innern des Menschen vorgeht, hat seinen Ausdruck in der Kunst unserer 47

Zeit gefunden, in der bildenden Kunst wie in der Literatur, und wenn audi in geringerem Maße - in der Philosophie. Wir müssen uns also diesen Gebieten zuwenden, wenn wir die religiöse Haltung des heutigen Menschen verstehen wollen. Im Stil der modernen Kunst sowie in ihren Gegenständen spricht sich die leidenschaftliche und oft tragische Suche nach einem Sinn des Lebens aus, in einer Zeit, in der die Dimension der Tiefe verdeckt ist. Moderne Kunst und Philosophie sind nicht religiös im engeren Sinn des Wortes; aber die religiöse Frage wird in ihnen radikaler und dringlicher aufgeworfen als in der sogenannten religiösen Literatur. Wenn der Romanschriftsteller den vergeblichen Versudi des Menschen beschreibt, den Ort zu finden, der die Antwort auf die Frage nach dem Sinn seines Lebens geben könnte; oder wenn er einen Menschen darstellt, den sein Sdiuldbewußtsein verfolgt und schließlich zerstört; oder einen Menschen, dessen Tod ebenso sinnlos ist wie sein Leben; oder einen, der von der Leere seines Lebens angeekelt ist - so geht es ihm im Grunde um die religiöse Frage. Wenn der Dichter die dämonischen und doch faszinierenden Mächte in der Tiefe seiner Seele enthüllt; oder wenn er uns in die Leere und Wüste unseres Daseins führt; oder wenn er den physischen und moralischen Schmutz unter der sauberen Oberfläche aufdeckt; oder wenn er das Lied von der Vergänglichkeit singt, das die immer gegenwärtige Angst in unserem Herzen ausspricht - dann geht es ihm um die religiöse Frage. Wenn der Dramatiker uns in grotesken Symbolen die menschlichen Illusionen vorführt, wenn er ein leeres Leben im Selbstmord enden läßt, wenn er das unausweichliche Verstricktsein in Haß und Schuld darstellt oder wenn er uns in die dunklen Tiefen verlorener Hoffnung und langsamen Verwesens führt — dann geht es ihm um die religiöse Frage. Wenn der Maler die äußere Oberfläche der Welt zerbricht und aus den Stücken eine neue Welt aufbaut, die keine Ähnlichkeit mehr mit der Welt hat, wie wir sie zu sehen gewohnt sind, die aber unsere Angst ausdrückt und unseren Mut, dieser Angst standzuhalten - dann geht es ihm um die religiöse Frage. Wenn der Architekt den Zierrat vergangener Stile verschmäht, weil er nicht mehr ehrlicher Ausdruck des eigenen Anliegens ist, und ein nüchternes, scheinbar verarmtes Gebäude hinstellt an Stelle des trügerischen Reichtums bloß nachgeahmter Stile, dann gibt er zwar keine endgültige Antwort auf die religiöse Frage, aber er bleibt ehrlich in dem, was er sagt. 48

In den beiden Schulen der modernen Philosophie finden sich die gleichen verborgenen religiösen Züge. Die analytische Philosophie befaßt sich mit der Logik und der logisch-symbolischen Struktur der Sprache, die allen Wissenschaften zugrunde liegen. Man kann sie mit der Malerei vergleichen, die die natürliche Form der Körper in geometrische Figuren auflöst; oder mit der Architektur, die es ablehnt, das architektonische Gerippe mit Verzierungen zu überdecken. Dieser Philosophie ist die gleiche Enthaltsamkeit eigen wie der eben beschriebenen Kunst, und ihre Demut und ihre Bescheidenheit verleihen ihr religiöse Bedeutung. Im Gegensatz zu dieser Philosophie befaßt sich die existentialistische Philosophie ausdrücklich mit dem Problem der menschlichen Existenz. Was Schriftsteller und Dichter, Maler und Architekten künstlerisch gestalten, übersetzt sie in philosophische Begriffe. Wie die Kunst handelt auch sie von der menschlichen Situation in der endlichen Welt, in Angst und Schuld und Verzweiflung über die Sinnlosigkeit des Lebens. Von Pascal im 17. Jahrhundert bis zu Heidegger und Sartre haben die Philosophen auf den Widerspruch zwischen der Würde des Menschen und seinem Elend hingewiesen und damit die religiöse Frage aufgeworfen. Einige haben versucht, diese Frage zu beantworten; aber sie haben keine neuen Antworten gefunden, sondern sich mit traditionellen Antworten begnügt, die den Fragen unserer Zeit nicht mehr gemäß sind. Aber gibt es auf unsere Fragen Antworten, die aus der gegenwärtigen Situation geboren sind? Solche Antworten haben die gefährliche Tendenz, die gegenwärtige, verhängnisvolle Lage zu bestätigen anstatt sie zu transzendieren. In vielen Fällen bedeutet das Anwachsen des Kirchenbesuchs und das zunehmende Interesse an kirchlichen Aktivitäten nichts als die Bejahung des Zustandes, in dem die wirklich religiöse Dimension abhanden gekommen ist. Die Teilnahme an Institutionen, die gesellschaftlich anerkannt sind, gibt vielen schwachen Menschen ein gewisses Maß äußerer und innerer Sicherheit. Dies zu sudien, ist an sich nicht bedenklich, aber es ist keine Antwort auf die religiöse Frage unserer Zeit. Gibt es eine solche Antwort? Eine Antwort ist immer vorhanden, aber es ist fraglich, ob wir sie hören können. Vielleicht sind wir zu sehr in die Situation verstrickt, aus der die Frage hervorgeht, als daß wir eine Antwort finden können. Es ist gewiß besser, daß wir uns dieses Zustandes bewußt werden, als daß wir ihn mit falschen Antworten verdecken, die uns den Weg zu einer wahren Antwort endgültig versperren. Vielleicht ist in diesem Zugeständnis die wahre Antwort schon enthalten. Bestimmt liegt sie nidit in häufigerem Kirchenbesuch, in Be-

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kehrungen und in Heilakten. Aber die Einsicht, daß wir die entscheidende Dimension des Lebens, die Dimension der Tiefe, verloren haben und daß wir sie nicht leicht wiederfinden können, kann eine Wendung zu ihr hin sein. Wer versteht, daß er von dem Sinngrund seines Lebens getrennt ist, ist durdi dieses Verstehen in gewissem Sinne mit ihm vereint. Deswegen ist uns vor allem die radikale Erkenntnis unserer Situation nötig ohne den Versuch, sie durch säkulare oder religiöse Ideologien zu verdecken. Die Wiederbelebung der Religion kann sich zu einer schöpferischen Kraft auswirken, wenn sie uns zur Suche nach der verlorenen Dimension der Tiefe treibt. Dies alles soll nicht bedeuten, daß wir die traditionellen religiösen Symbole aufgeben müssen. In der wörtlichen Ausdeutung, in der sie weitgehende Ablehnung herausgefordert haben, sind sie allerdings sinnlos geworden. Aber damit haben sie noch nicht ihre echte Bedeutung eingebüßt: nämlich die, auf die Frage zu an Worten, die in der Existenz des Menschen beschlossen liegt. Anstatt voreilige und trügerische Antworten anzubieten, müßte die Religion zu einem neuen Verständnis der alten Symbole und ihrer Bedeutung für unsere gegenwärtige Situation verhelfen. Dann könnte ihre Wiedergeburt eine schöpferische Macht in unserer Kultur und eine heilende Kraft für die Menschen werden, die in Entfremdung, Angst und Verzweiflung leben. Jede religiöse Antwort hat den Charakter eines „Trotzdem". Auch in ihrem Verschwinden ist die Kraft der Tiefe wirksam, und am mächtigsten dort, wo der Verlust am tiefsten empfunden wird.

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DAS C H R I S T E N T U M U N D D I E B E G E G N U N G DER WELTRELIGIONEN

1. Ein Blick auf die gegenwärtige Lage: Religionen, und ihre Begegnungen

Quasi-Religionen

1. Als erstes möchte ich für die ehrenvolle Einladung danken, an dieser Universität zu sprechen, an der ich vor mehr als 27 Jahren meine erste philosophische Vorlesung auf amerikanischem Boden hielt. Damals spradi idi über die neuen Ideen des Existentialismus, die sich in Europa gerade zu verbreiten begannen, und verglich sie mit den bereits klassisch gewordenen Ideen des Pragmatismus, die das amerikanische Denken beherrschten. Inzwischen hat Amerika und hat der Geist seiner zwei großen Universitäten — Columbia University (einsdiließlidi Union Theological Seminary) und Harvard University — mein Denken im allgemeinen von bewußtem und unbewußtem europäischem Provinzialismus befreit, und ich hoffe, daß idi dafür nicht die amerikanische Form dieses Übels eingetauscht habe. Ein spätes Ergebnis dieser Entprovinzialisierung ist mein wachsendes Interesse - als Theologe wie als Religionsphilosoph — an der Begegnung der heutigen Hodireligionen mit anderen Hochreligionen und mit den verschiedenen Ausprägungen säkularer Quasi-Religionen. Diesem Interesse sind die gegenwärtigen Vorlesungen entsprungen, deren Titel darauf hinweist, daß ich mein Thema vom Standpunkt des Christentums behandeln will. Diese Absicht bedarf der Rechtfertigung und Erklärung. Man kann ein Phänomen wie das der Begegnung der Weltreligionen entweder als außenstehender Beobachter so objektiv wie möglich beschreiben, oder man kann als ein an dem dynamischen Geschehen Teilnehmender bestimmte Tatsachen als besonders bedeutsam auswählen, sie nach eigenem Verstehen interpretieren und im Hinblick auf ihr telos bewerten, das heißt auf das innere Ziel, das man in der allgemeinen Geschichte und in der Religionsgeschichte im besonderen erkennt. Wir folgen hier der zweiten Methode, machen aber darauf aufmerksam, daß die beiden Methoden nicht gänzlich von einander getrennt werden 51

können, sondern sich weitgehend überschneiden. Der außenstehende Beobachter ist immer mit einem Teil seines Wesens audi ein innerlich Beteiligter, denn auch er hat Antworten auf die Fragen, die aller Religion zugrundeliegen, ganz gleich ob er sie ausspricht oder verschweigt. Wenn er sich auch zu keiner Religion im engeren Sinne bekennt, so gehört er doch einer Quasi-Religion an, nach deren Kriterien er auswählt, verwirft und bewertet. Der Theologe, der bewußt vom Standpunkt einer bestimmten Religion ausgeht, versucht ebenfalls, die Tatsachen so genau wie möglich zu erfassen; zugleich zeigt er, daß es in der menschlichen Natur Elemente gibt, die in allen religiösen Symbolen zum Ausdruck kommen und die denen seiner eigenen Religion verwandt sind. Dies jedenfalls ist die Art, in der ich midi mit der religiösen Lage in universaler Sidit befassen möchte.

2. Worauf müssen wir unser Augenmerk richten, wenn wir ein Bild von der Begegnung des Christentums mit den Weltreligionen gewinnen wollen? Die Antwort auf diese Frage steht keineswegs fest; denn der Begriff „Religion" kann entweder eng oder weit gefaßt werden, je nach dem theologischen oder philosophischen Standpunkt des Definierenden. Man kann die Bedeutung des Wortes „Religion" einengen auf den „cultus deorum" (die Verehrung der Götter) und dabei die vormythologischen wie die nachmythologisdien Stadien der Religion ausschließen, also einerseits diejenigen, in denen es nodi keine Götter gab, und andrerseits die, in denen es keine Götter mehr gab, das heißt zum Beispiel den Schamanismus auf der einen und den Zen-Buddhismus auf der anderen Seite. Oder man kann diese beiden Stufen der Religion miteinbeziehen. Dann muß man Religion so definieren, daß das Verhältnis zu Göttern kein notwendiger Bestandteil der Definition ist. Man kann aber noch einen Schritt weiter gehen und in den Begriff „Religion" diejenigen säkularen Bewegungen einschließen, die gewisse Züge mit den eigentlichen Religionen gemeinsam haben, während sie in anderen Zügen entschieden von ihnen abweichen. Hier soll der Begriff „Religion" im letzteren, weitesten Sinne des Wortes gebraucht werden. Das entspricht sowohl den protestantischen Grundlagen meiner eigenen Religionsphilosophie wie der gegenwärtigen religiösen Lage, wie sie hier dargelegt werden soll. Der Begriff „Religion" kann solch weite Bedeutung annehmen, wenn wir unter Religion den Zustand des Ergriffenseins von einem letzten Anliegen verstehen, einem Anliegen, das alle anderen Anliegen zu bloß 52

vorläufigen macht und das in sich selbst die Antwort auf die Frage nadi dem Sinn unseres Lebens enthält. Ein solches Anliegen hat den Charakter unbedingter Ernsthaftigkeit, und es fordert, daß jedes endliche Anliegen geopfert wird, das mit dem unendlichen in Konflikt gerät. Die geläufigste Bezeichnung für den Inhalt eines solchen Anliegens ist Gott — ein Gott oder mehrere Götter. In den nidit-theistischen Religionen werden die göttlichen Eigenschaften einem heiligen Gegenstand, einer alles Sein erfüllenden Macht oder einem höchsten Prinzip wie dem Brahman oder dem „Einen" zugeschrieben. In den säkularen Quasi-Religionen werden Gegenstände wie die Nation, die Wissenschaft, eine besondere Form oder ein bestimmtes Stadium der Gesellschaft zu letzten Anliegen erhoben und vergöttert. Wenn wir Religion so verstehen, kann ich die scheinbar paradoxe Behauptung wagen, daß in der gegenwärtigen Situation die Bedeutung der Weltreligionen am deutlichsten in ihrer Begegnung mit den Quasi-Religionen unserer Zeit zum Ausdruck kommt. Selbst die Beziehungen der eigentlichen Religionen zueinander werden entschieden beeinflußt von ihrer Haltung zum Säkularismus und zu den Quasi-Religionen, die aus dem Säkularismus hervorgegangen sind. Gelegentlich wird das, was idi „Quasi-Religion" nenne, als „PseudoReligion" bezeichnet. Aber das ist ungenau und unzutreffend, „pseudo" bezieht sich auf eine beabsichtigte, vorgetäuschte Ähnlichkeit, „quasi" dagegen auf eine unbeabsichtigte, tatsächlich vorhandene Ähnlichkeit auf Grund bestimmter, gemeinsamer Züge. Eine solche Ähnlichkeit mit der Religion besteht offenbar beim Faschismus und Kommunismus, den extremsten Vertretern der Quasi-Religionen in unserer Zeit. Sie sind radikalisierte und verwandelte Formen des Nationalismus und des Sozialismus, die einen potentiellen, wenn auch nicht immer aktuellen, religiösen Charakter besitzen. Im Faschismus erhält das nationale, und im Kommunismus das soziale Anliegen unbedingte Bedeutung. Beide Anliegen, das nationale wie das soziale, sind an sich menschlich groß und wert, daß der Mensch sein Leben für sie einsetzt, aber keines von ihnen ist ein letztgültiges Anliegen; man kann sich für etwas opfern, was seinem Wesen und seiner Bedeutung nach bedingt ist, wie es viele Deutsdie taten, die unter Hitler aus nationalen Beweggründen für Deutschland kämpften, obwohl sie den Nationalsozialismus haßten und im Geheimen die Niederlage erhofften. Dieser Konflikt ist nidit vorhanden, wenn in einem nationalen Krieg die Verteidigung des nationalen Sendungsbewußtseins die treibende Kraft ist. Aber selbst dann ist nidit die Nation selbst, sondern die Idee der Berufung (zum Beispiel die Verteidigung der Gerechtigkeit oder der Freiheit) Gegenstand des 53

letztgültigen Anliegens. Völker und gesellschaftliche Ordnungen an sich sind in ihrer Mischung von schöpferischen und zerstörerischen Kräften vergänglich und zweideutig. Sobald man ihnen letztgültige Bedeutung und absolutes Sein zuschreibt, verneint man die Tatsache, daß sie vergänglich sind. Das geschah in Deutschland, als man das alte eschatologische Symbol des tausendjährigen Reiches, das ursprünglich das Ziel der gesamten Menschheitsgeschichte bedeutete, auf Hitlers Reich anwandte. Das gleiche geschah in Rußland, als der Marxismus die prophetisch-eschatologische Hoffnung in die Erwartung der klassenlosen Gesellschaft umprägte. In beiden Fällen wurde notwendigerweise die Zweideutigkeit des Lebens innerhalb jedes sozialen Systems geleugnet, und die negativen Seiten des eignen Systems wurden unkritisch und bedingungslos hingenommen, die Unterdrückung der individuellen Kritik wurde verherrlicht, die Lüge und der Massenmord gerechtfertigt und organisiert, in Italien und Deutschland ebenso wie in Rußland. Der quasi-religiöse Charakter jeder Herrschaft einer Ideologie — oder „Ideokratie", wie man sie auch nennen könnte — führt unvermeidlich zu diesen Folgen. Aber in solchen Extremen kommt etwas zum Ausdruck, was in geringerem Maße alle ideologisch bestimmten Bewegungen und Gesellschaften kennzeichnet: nämlich die Heiligsprechung der eigenen Gruppe und ihrer Selbstbehauptung, ganz gleich ob sie sich in religiösen oder säkularen Symbolen vollzieht. Sie ist ein Element in allen Formen des Nationalismus, bei den alten Völkern Asiens wie bei den jungen Afrikas, in kommunistischen wie demokratischen Ländern. Dieses quasi-religiöse Element im Nationalismus gibt ihm seine Leidenschaftlichkeit und Kraft, führt aber auch zu dem radikalisierten Nationalismus, für den wir hier den allgemeinen Begriff „Faschismus" gebrauchen. Dieselbe Dialektik wirkt auch im Sozialismus. Für ihn ist die Erwartung einer „neuen Ordnung der Dinge" die treibende religiöse Kraft, ganz gleich ob das Ziel der Geschichte in christlichen Symbolen wie dem „Ende der Geschichte" oder in säkular-utopischen wie der „klassenlosen Gesellschaft" ausgedrückt wird. Dieses quasi-religiöse Element, das in allen Formen des Sozialismus enthalten ist, wurde in der revolutionären Epoche des Kommunismus radikalisiert und in der Zeit seiner Herrschaft auf die unpersönliche Unterwerfung unter ein neo-kollektivistisches System reduziert. Aber selbst in diesen Fällen blieb der quasi-religiöse Charakter erhalten. An dieser Stelle möchte ich eine persönliche Bemerkung machen, die zugleich sachlich wichtig ist. Ich möchte an eine Bewegung erinnern, in der eine frühe Begegnung zwischen Religion und Quasi-Religion stattfand, den religiösen Sozialismus der zwanziger Jahre in Mitteleuropa. 54

Er war ein Versuch, die sozialistische Ideologie von dem Absolutismus, dem Utopismus und den zerstörerischen Folgen einer selbstgerechten Ablehnung aller von außen kommenden Kritik zu befreien. W i r wollten damals die „prophetische Kritik" oder das „protestantische Prinzip", das jeden religiösen oder quasi-religiösen Absolutismus verwirft, als Kriterium für die sozialistische Selbst-Interpretation einführen — ein vergeblicher Versuch in jener Zeit, völlig vergeblich, was die kommunistische Ideokratie betraf, aber nicht ganz vergeblich für die sozialistischen Bewegungen im heutigen Europa. W i r haben den Nationalismus und seine faschistische Radikalisierung und den Sozialismus und seine kommunistische Radikalisierung als die beiden deutlichsten Beispiele für quasi-religiöse Bewegungen in unserer Zeit bezeichnet. Man könnte fragen, ob sie die einzigen Beispiele sind oder ob der liberale Humanismus, wie er in vielen westlichen Ländern herrscht, als eine Quasi-Religion von ähnlicher Bedeutung verstanden werden muß. Das ist mehr als eine theoretische Frage, denn sie enthält die weitere Frage, ob der Westen dem Ansturm der Quasi-Religionen in unserer heutigen Welt Widerstand leisten kann. Der liberale Humanismus und seine demokratische Ausprägung sind fragile (leicht zerstörbare) Lebensformen, die in der Geschichte selten sind und leicht von innen her untergraben oder von außen her zerstört werden. In den Zeiten ihres heldenhaften Kampfes gegen den Absolutismus der Vergangenheit trat ihr quasi-religiöser Charakter ebenso deutlich zutage wie ihre religiöse Basis. In den Zeiten ihres Höhepunktes und ihrer Herrschaft trat ihr säkularer Charakter in den Vordergrund. Aber sobald sie in die Verteidigung gedrängt wurden (wie im Kampf um die Autonomie der Wissenschaft, die Freiheit der Erziehung, die soziale Gleichheit und die staatsbürgerlichen Grundrechte), bewiesen sie immer wieder ihre quasi-religiöse Kraft. Es handelte sich hier um einen Kampf zwischen zwei verschiedenen Formen des Glaubens. Der quasi-religiöse Glaube konnte dabei in einem Maße radikalisiert werden, daß er sein eigenes Ziel zunichte machte, wenn er zum Beispiel in dem Kampf um die Autonomie der Wissenschaft zu einem Wissenschaftsglauben führte, der alle nicht-wissenschaftlichen, schöpferischen Funktionen wie Kunst und Religion ihrer Autonomie beraubte. Wenn in absehbarer Zeit der liberale Humanismus im Kampf gegen den Kommunismus oder Faschismus zu einem Kampf auf Leben und T o d gezwungen werden sollte, so würde er dadurch selbst zu einem Absolutismus getrieben werden, in dem das liberal-humanistische Element, das gerettet werden soll, fast unvermeidlich geopfert werden müßte. Hier wird eine bedeutsame Verwandtschaft zwischen liberalem 55

Humanismus und Protestantismus siditbar. Sowohl der Protestantismus wie das frühe Christentum können als Religionen des Geistes bezeichnet werden, die frei von bedrückenden Gesetzen und oft sogar ganz und gar ohne Gesetze sind. Aber wenn sie in die Verteidigung gedrängt wurden — das frühe Christentum in die Verteidigung gegen das römische Reidi und dessen quasi-religiöse Selbstvergöttlichung, der frühe Protestantismus in die Verteidigung gegen den Absolutismus der Gegenreformation, der moderne Protestantismus gegen den Absolutheitsanspruch des quasi-religiösen Nazismus und Faschismus —, dann mußten sie viel von ihrer Geistigkeit preisgeben und nicht-christliche und nicht-protestantische Elemente des Legalismus und des autoritären Denkens in sich aufnehmen. Religionen des Geistes sind in der Begegnung mit legalistisdien und zentralistisdi organisierten Religionen ebenso gefährdet wie die liberal-humanistischen Quasi-Religionen. Zwischen beiden besteht ein enger Zusammenhang, in vielen Fällen sogar eine gegenseitige Abhängigkeit. Darum müssen wir uns, wenn audi zögernd und besorgt, die Frage stellen, ob die geschichtliche Menschheit die Freiheit einer geistigen Religion und einer humanistischen Quasi-Religion auf die Dauer ertragen kann. Die eindeutige Antwort der Geschichte ist, daß sie es nicht kann. Die Gefahr ist nicht, daß die geistige Religion und die humanistische Quasi-Religion von weniger labilen Religionen oder Quasi-Religionen verdrängt werden, sondern daß die Selbstverteidigung sie dazu zwingt, ihr eigenes Wesen zu vergewaltigen und sich der Natur ihrer Angreifer anzugleichen. In dieser Gefahr leben wir heute. Wir haben die Frage gestellt: Wohin sollen wir blicken, um die Begegnung der Weltreligionen zu sehen? Und wir antworten: auf die Quasi-Religionen in ihren verschiedenen Ausprägungen. Denn sie sind das dynamische Element in den meisten Begegnungen, auch denjenigen zwischen den eigentlichen Religionen. Die Betrachtung der beiden Typen der eigentlichen Religion — der theistischen und der nichttheistischen — wurde bis jetzt bewußt zurückgestellt. Sie sollen im Folgenden beschrieben werden, aber sie werden mehr in ihrer Rolle als Objekt denn als Subjekt in der Begegnung der Weltreligionen im Laufe der Geschichte erscheinen. (Ihre genaue Beschreibung und Würdigung erfolgt in den späteren Kapiteln.)

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3. Die gegenwärtige Begegnung der Weltreligionen erhält ihren dramatischen Charakter durch den Angriff der Quasi-Religionen auf die eigentlichen Religionen, die theistisdien wie die nicht-theistischen. Die Hauptwaffe in diesem Angriff war und ist die moderne Technik. Sie hatte eine Serie von industriellen Revolutionen zur Folge und mit ihnen die Säkularisation und Zerstörung der kulturellen und religiösen Traditionen. Das zeigt sich am deutlichsten in einem Land wie Japan. Die diristlichen Missionare dort sagten mir, daß sie sich weit weniger Sorge über den Buddhismus und den Schintoismus machten als über die wachsende Indifferenz gegenüber jeder Art von Religion. Und wenn wir die religiöse Lage in Europa in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ins Auge fassen, finden wir dort das gleiche Phänomen vor. In einer Gemeinde von 100 000 Menschen in Berlin zog der Hauptgottesdienst oft nicht mehr als hundert Mensdien an — meist ältere Frauen — keine Männer, keine Jugendlichen. Das Christentum war auf die Invasion der Technik mit ihrer säkularisierenden Wirkung nicht vorbereitet, und die Religionen im heutigen Japan sind es genauso wenig. Dasselbe gilt von der griechisch-orthodoxen Kirche in Osteuropa und vom Konfuzianismus, Taoismus und Buddhismus in China. Es gilt, wenn audi mit Einschränkungen, für den Hinduismus und die afrikanischen Stammesreligionen und — mit erheblichen Einschränkungen — für die mohammedanisdien Völker. Von führenden Christen wurde die Bedrohung, die in dieser Situation liegt, zum ersten Mal während der Tagung des internationalen Missionsrates in Jerusalem im Jahre 1928 erkannt; aber es dauerte Jahrzehnte, bis diese Einsicht sich auswirkte und die christlichen Kirchen ihre Aufgabe gegenüber den Weltreligionen und dem internationalen säkularen Bewußtsein der Menschheit verstanden. Heute können die Probleme, die sich aus dieser Situation ergeben haben, nicht länger unbeachtet bleiben. Die erste Wirkung, die die Invasion der Technik auf die traditionellen Kulturen und Religionen ausübte, kommt im Säkularismus und in der religiösen Indifferenz zum Ausdruck. Indifferenz gegenüber der Frage nach dem Sinn der eigenen Existenz ist jedoch nur ein vorübergehender Zustand. Er hat immer nur die kurze Zeit angehalten, in der eine geheiligte Tradition ihre Bedeutung verloren hatte und eine neue Antwort noch nicht gefunden war. Diese Zeit ist so beschränkt, weil in der Tiefe des technischen Schaffens und des säkularen Denkens religiöse Elemente vorhanden sind, die zutage treten, sobald die traditionelle Religion ihre Kraft verloren hat. Elemente dieser Art

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sind die wissenschaftliche Ehrlichkeit, der Wunsdi nadi Befreiung von autoritären Fesseln, das leidenschaftliche Verlangen nach Gerechtigkeit und einer realen Humanität und die Hoffnung auf die allmähliche Entwicklung einer besseren Gesellschaftsordnung. Aus diesen Elementen, die auf ältere Traditionen zurückgehen, haben sich die quasi-religiösen Systeme aufgebaut, die neue Antworten auf die Frage nach dem Sinn unseres Lebens geben wollen. Der Säkularismus in der Gestalt der tedmischen Zivilisation hat — allerdings oft nur innerhalb kleiner Gruppen der höheren Gesellschaft — den Weg für die Quasi-Religionen gebahnt, die eine Alternative sowohl zu den alten religiösen Traditionen wie zum reinen Indifferentismus darbieten. 4. Wir wollen als erstes den Nationalismus betrachten und die Wege, auf denen er in religiöse und kulturelle Ordnungen eindringt. Der Nationalismus fußt letzten Endes auf der Selbstbehauptung, die jeder Gesellsdiaftsgruppe notwendig und natürlich und mit der aller Lebewesen vergleichbar ist. Selbstbehauptung ist nicht Selbstsucht, obwohl sie es werden kann. Sie ist vielmehr „Selbstliebe" im Sinne der Worte Jesu: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!" Die Selbstbehauptung der Gruppe wird in vorsäkularen Zeiten durch sakramentale Riten geheiligt und durch Eide geschützt. Soziale und religiöse Gemeinschaft sind dann identisch. Der Nationalismus in seiner modernen Ausprägung wird erst möglich, wenn die säkulare Kritik diese Identität aufgelöst hat, die Religion beiseite gedrängt ist und das so entstandene Vakuum durch die zur Unbedingtheit erhobene nationale Idee ausgefüllt wird. Im Westen setzte sich diese Entwicklung nach der Renaissance und der Aufklärung weiter fort — von Männern wie Machiavelli und Hobbes vertreten; sie wurde noch verstärkt durch das Aufkommen der säkularen Staaten, die als Sieger aus dem selbstzerstörerischen Kampf zwischen den christlichen Konfessionen hervorgingen. Eine Nation wird durch zwei Elemente bestimmt: ihre natürliche Selbstbehauptung als lebendiges und wachsendes Machtgebilde und ihr Bewußtsein, berufen zu sein, ein Prinzip von unbedingtem Wert zu vertreten, zu verwirklichen und zu verteidigen. Der quasi-religiöse Charakter des Nationalismus beruht auf der Einheit dieser beiden Elemente. Es gibt zahlreiche Beispiele für das Sendungsbewußtsein eines Volkes: Die Griechen fühlten sich als Kulturträger im Gegensatz zu den Barbaren; Rom vertrat die Rechtsidee; die Juden bezeugten den Bund Gottes mit den Menschen, und das mittelalterliche Deutsdi58

land verkörperte — religiös und politisch — das corpus cbristianum. Die Italiener waren das Volk des Rinascimento, in dem der Westen aus dem Geist der Antike wiedergeboren wurde. Die Engländer brachten allen Nationen, besonders den primitiven Völkern, den christlichen Humanismus. Frankreich repräsentierte die höchste Kulturstufe seiner Zeit, während Rußland die Erlösung des Westens durch den Osten versprach. China war das Land der Mitte, um das sich alle kleineren Völker scharten. Und Amerika gilt noch immer als Land des Neubeginns und als Hüter der Freiheit. Heute hat die nationale Idee fast alle Teile der Welt erreicht und ihre schöpferischen wie ihre zerstörerischen Möglichkeiten offenbart. Das wichtigste Problem im Leben eines Volkes ist die Spannung zwischen Macht und Sendungsbewußtsein. Es gibt kein Volk, in dem das Element der Macht fehlte, Macht verstanden als Fähigkeit, sich als organisierte Gruppe an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit zu behaupten. Doch gibt es Fälle, wenn auch nur seltene, in denen das Sendungsbewußtsein eines Volkes von seinem Machtbewußtsein unterdrückt wird. Das Deutschland Bismarcks und das Japan Tojos gehören hierher. Hitler empfand das Fehlen eines Sendungsbewußtseins und erfand den Mythus von der Erlösung durch die nordische Rasse. Das heutige Japan sucht nach einem Berufungs-Symbol, dem seine Macht dienen könnte. Die Zukunft aller asiatischen und afrikanischen Nationalbewegungen hängt vom Charakter ihres Sendungsbewußtseins ab und von dessen Verhältnis zu ihrem Machtwillen. Wenn ihr quasi-religiöser Nationalismus nur im Dienst der nationalen Macht steht, dann ist er dämonisch und selbstzerstörerisch. Verbindet er sich aber mit einem starken Sendungsbewußtsein, so kann sich der Imperialismus mit gutem Gewissen entwickeln und Staaten begründen, in denen schöpferische und zerstörerische Elemente miteinander verbunden sind. Wird das nationale Bewußtsein eines Volkes humanisiert und ist es fähig, sowohl seine eigene begrenzte Bedeutung wie den unendlichen Wert dessen zu erkennen, wofür es sich berufen fühlt (wenn es dieses auch nur unvollkommen verwirklichen kann), so kann dieses Volk zum Vertreter der übernationalen Einheit der Menschheit werden — in religiöser Sprache ausgedrückt: zum Vertreter des Reiches Gottes. Es gibt Völker, in denen das Sendungsbewußtsein dem Machtwillen die Waage hält; aber sie sind in Gefahr, dem Machtwillen zu unterliegen, wenn sie von Völkern mit überwiegendem Machtwillen bedroht werden. Im Verhältnis Amerikas zu Rußland spielt sich heute derartiges ab (trotz des russischen Berufungsbewußtseins). 59

5. Die „Invasion" Rußlands durch seine eigene kommunistische I n telligenz war eines der großen Ereignisse in der Begegnung der Weltreligionen. Sie schuf die Dynamik in dem Kampf der Quasi-Religionen mit vielen der eigentlichen Religionen. Die Invasion Rußlands durch den Kommunismus kann mit der Invasion des östlichen Christentums durch den Islam verglichen werden. Die Ähnlichkeit liegt in der Identität der unterworfenen Gruppe und in der strukturellen Analogie zwischen der mohammedanischen Religion und der kommunistischen Quasi-Religion. Beide Religionen haben ihre Wurzeln im alttestamentlidien Prophetismus und im späten jüdischen Legalismus. Beide griffen statische, sakramentale Systeme an, die es versäumt hatten, ihre geistige Kraft an die Kritik zu wenden und gegen die sozialen Zustände und die eigene Entartung zum Aberglauben anzukämpfen. Deshalb konnten diese Systeme dem Ansturm eines Glaubens nicht widerstehen, der durch die in ihm enthaltene Zukunftsvision eine ungeheure Dynamik besaß. Allerdings besteht ein Unterschied zwischen der religiösen und der quasi-religiösen Zukunftsvision, indem die religiöse Hoffnung transzendent und die quasi-religiöse immanent ist; aber dieser Unterschied ist vom psychologischen Standpunkt aus wesentlich geringer als vom theologischen. In der Identifikation mit dem Kollektivum, in der Verachtung der individuellen Existenz und in dem utopischen Geist sind beide gleich. Dieser Geist hat auch das sozial-ethische System des Konfuzianismus und die sakramentalen und mystischen Religionen des Taoismus und des Buddhismus in China besiegt. Die Situation der letzten beiden war der der russischen Orthodoxie ähnlich: Der Mangel an prophetischer Kritik entsprang aus der Art des religiösen Glaubens und aus dem Mangel an Selbstkritik gegenüber der eigenen Entartung zu Formalismus und Aberglauben. Im Konfuzianismus begegnete der Kommunismus einem System, das trotz seiner kosmisch-religiösen Basis in erster Linie sozialen und ethischen Charakter hatte. Diese Züge waren aber durch den Verfall der Beamtenhierarchie und durch die gleichzeitige Auflösung der Großfamilien, auf denen das soziale Zusammengehörigkeitsgefühl beruht hatte, verloren gegangen. Wenn wir die kommunistische Invasion in den russischen SatellitenStaaten Osteuropas betrachten, zeigt sich uns ein anderes Bild. Hier stieß der Kommunismus in vielen Fällen auf den römischen Katholizismus, eine Weltorganisation unter streng zentralisierter, autoritärer Führung. Doch bestehen hier neben dem autoritären Element auch 60

andere Elemente, die aus der antiken Philosophie, dem modernen liberalen Humanismus und dem religiösen Sozialismus stammen. Durch den Krieg wurden diese Länder zwar äußerlich besiegt, aber einen geistigen Sieg hat die kommunistische Quasi-Religion in ihnen nie errungen. Dasselbe trifft auf die protestantisdie Bevölkerung Osteuropas zu, die heute die bewundernswerteste Kirche innerhalb des Protestantismus besitzt. (Man darf dabei nicht vergessen, daß Osteuropa, obwohl weite Gebiete nicht von der Reformation und der Renaissance erreicht worden waren, unter dem dauernden Einfluß liberal-humanistischer Bewegungen aus dem Westen stand.) Ich habe auf die Analogie zwischen Islam und Kommunismus in ihrem Angriff auf das östliche Christentum hingewiesen. Daraus wird ohne weiteres deutlich, warum der Islam dem Kommunismus fast vollkommen widerstehen konnte und noch immer kann. Die soziale und rechtliche Organisation des gesamten Islam ebenso wie die des täglichen Lebens unter dem Islam gibt jedem einzelnen das Gefühl der sozialen und persönlichen Sicherheit, das ihn wenigstens vorläufig für die kommunistische Ideologie unempfänglich macht. (Aber ich muß hinzufügen, daß es ihn im selben Maße auch dem Christentum unzugänglich macht.) Dagegen ist er dem Säkularismus in Gestalt von Wissenschaft und Technik nicht verschlossen, und gegen den Einbruch des Nationalismus ist er völlig ungeschützt. Außer der Begegnung des Kommunismus mit den Weltreligionen muß noch der Einfluß des Kommunismus auf Religionen betrachtet werden, die keine Weltreligionen sind, nämlich die primitiven Religionen, die immer noch das Fundament der vor kurzem unabhängig gewordenen afrikanischen Staaten bilden. Hier wird um die sakramentalen Traditionen gekämpft, die nicht nur von Medizinmännern, Ältesten und anderen Stammesvertretern am Leben erhalten werden, sondern auch von der Angst der Massen, die erleben müssen, wie Riten und Glaubensvorstellungen, die ihnen Schutz und Sicherheit gewährten, unter dem Einfluß des Säkularismus zusammenbrechen. Als Folge dieses Verfalls der Tradition strömen fremde Religionen und QuasiReligionen ein und kämpfen um die Leiber und Seelen der Eingeborenen. Wenn wir Angriff und Verteidigung in diesen Kämpfen beobachten, können wir im allgemeinen die folgende Feststellung machen: Die bloße Tatsache, daß die Eingeborenen sich eben erst von der Kolonialherrschaft befreit haben, verleiht der nationalen Idee quasi-religiöse Bedeutung. Andrerseits stößt das Nationalgefühl auf eine Grenze, denn Stämme sind keine Völker. Die gegenwärtigen Staatsgrenzen beruhen auf Grenzziehungen aus der Kolonialzeit. Aus 61

diesem Grunde gibt es kein genügendes Gefühl der Zusammengehörigkeit innerhalb der bestehenden politischen Grenzen; eher noch ein Zugehörigkeitsgefühl zu Gebieten außerhalb dieser Grenzen. Trotz dieser Beschränkung bildet die nationale Idee ein starkes Bollwerk gegen die kommunistische Quasi-Religion. Andrerseits bedeutet die Armut der Massen eine Versuchung in der entgegengesetzten Richtung. In dieser Situation sind weder die Aussichten für den liberalen Humanismus noch die für das Christentum besonders günstig. Auf die Gebiete südlich der Sahara hat unter den Weltreligionen der Islam den stärksten Einfluß, ähnlich wie vor 1300 Jahren auf Nordafrika. Als eine Religion mit einfachen Gesetzen und mit einem ebenso einfachen Mythus, ohne rassische Diskriminierung, bildet der Islam den angemessenen Glauben für Menschen, die durch ihre kollektivistische Vergangenheit den personalen Problemen der Sünde und Gnade, die im Christentum zentral sind, fremd gegenüber stehen. Was die Religionen indischen Ursprungs betrifft, so scheint es, als ob sie mit ihrer Ausrichtung auf das Jenseits Menschen nicht anziehen können, die selbst unter den härtesten Lebensbedingungen ihre Vitalität und Lebensbejahung bewahrt haben. Ein Problem, das früher oder später weltgeschichtliche Bedeutung annehmen wird, stellen Indien und große Gebiete Südostasiens dar, in denen indische, malayische und chinesische Einflüsse zusammenkommen. Hier bilden Hinduismus und Buddhismus noch immer die wichtigste religiöse Tradition. Dazu kommt aber in allen diesen Ländern der Einbruch des Islam, der Indien in dem Augenblick, in dem es unabhängig wurde, gespalten hat. In den oberen Klassen Indiens herrscht ein begrenzter Nationalismus, verbunden mit christlichen und liberalhumanistischen Einflüssen. Doch die hinduistische Tradition ist in allen Schichten des Volkes noch immer das überwiegende Element. Aber weder der Hinduismus noch der Buddhismus enthalten — wie wir später deutlicher sehen werden — Kräfte, die eine soziale Reform bewirken können. Diese Schwäche hat in dem hinduistischen Indien und dem buddhistischen Ostasien der kommunistischen Quasi-Religion mit ihrer Hoffnung auf eine neue Ordnung den Boden bereitet. Die Frage ist, ob Indiens mystische Geistigkeit einer kommunistischen Invasion nur passiv oder auch aktiv widerstehen wird. Die Begegnung des Kommunismus mit der westlichen Kultur kann hier nicht von der politischen oder militärischen Seite behandelt, sondern muß als Begegnung zwischen kulturellen und geistigen Bewegungen betrachtet werden. Die Lage ist so: Judentum, Christentum und Islam sind gegen den Vorstoß des Kommunismus verhältnismäßig 62

immun, da sie alle, besonders das prophetische Judentum, die eigentliche Quelle der revolutionären Bewegungen im Westen sind, aus denen sich letzten Endes auch der Kommunismus entwickelt hat. In den drei Religionen, die aus Israel stammen, ist trotz des Säkularismus, des Nationalismus und der organisierten Ungerechtigkeit, die es in ihr gibt, die prophetische Forderung nadi sozialer Gereditigkeit immer noch eine treibende Kraft. Diese Religionen sind der Boden, aus dem der Kommunismus entsprang; aber sie leisten andrerseits audi den stärksten Widerstand gegen ihre eigene späte und entstellte Erscheinungsform und werden es tun, solange das Prinzip der Gerechtigkeit in ihnen wirksam bleibt. In den Begegnungen, von denen wir bis jetzt gesprodien haben, spielten die beiden Formen der Religion, die ich als fragil bezeichnete — die geistig-protestantisdie Religion und die liberal-humanistisdie Quasi-Religion —, nur eine geringe Rolle; sie zeichneten sich nur durch ihren starken Widerstand gegen den Kommunismus und durch ihren mangelnden Widerstand gegen den Nationalismus aus. Aber in einem asiatischen Land, das idi aus eigener Anschauung kenne, ist die Begegnung dieser beiden Religionen mit der schintoistisch-buddhistischen Wirklichkeit bedeutsam geworden — in Japan. In kaum einem anderen Land Asiens haben die technische Zivilisation und der religiös indifferente Säkularismus solche Fortschritte gemacht. Andrerseits sind auch die liberal-humanistisdien und die christlich-protestantischen Ideen wichtige Realitäten im heutigen Japan, wenn man ihre Stärke auch nicht statistisch feststellen kann. Japan hat die Demokratie dankbar aus den Händen der Sieger entgegengenommen; aber die Demokratie bedarf der geistigen Verwurzelung ebensosehr wie günstiger gesellschaftlicher Voraussetzungen. Und die geistigen Wurzeln der Demokratie fehlen in Japan. Weder der Schintoismus noch der Buddhismus — und die meisten Japaner sind gleichzeitig Anhänger beider Religionen — haben Symbole oder Ideen, welche die Entwicklung und die Erhaltung der Demokratie unterstützen. Hierin liegt auch der Grund dafür, daß der dämonisch radikalisierte, militaristische Fasdiismus an die Macht gelangen konnte. Heute ist er in Japan ebenso verhaßt wie der Nazismus in Deutschland. Denkende Menschen in Japan wollen die geistigen Grundlagen der Demokratie verstehen (und sie baten mich immer wieder, darüber Vorlesungen zu halten). Man befürchtet nicht, daß sich der Kommunismus in Japan durchsetzen werde. Dem hochentwickelten Individualismus der Bauern und des unteren und oberen Mittelstandes in den Städten erscheint der kommunistische Neokollektivismus unerträglich. Aber die Japaner sind sich dessen 63

bewußt, daß in ihrer heutigen Kultur ein Vakuum besteht, und sie fragen sich besorgt, wie es ausgefüllt werden soll. Und diese Frage bewegt heute große Teile der Menschheit.

2. Christliche Prinzipien in der Beurteilung nidht-m/O/MC&-ree//5iiso&e Theorie des Mythos, die vom Verfasser dieses Artikels namentlich in seiner Religionsphilosophie1 vertreten wird. Danach ist der Mythos das aus Elementen der Wirklichkeit aufgebaute Symbol für das im religiösen Akt gemeinte Unbedingte oder Seins-Jenseitige. Der Mythos hat Realität; denn er ist gerichtet auf das Unbedingt-Reale. Das ist die Wahrheit der metaphysischen Auffassung. Aber er hat nidit die Realität des Abbildes: denn er lebt in Symbolen, die freilich nicht willkürlich sind, sondern je nadi der Erfassung des Unbedingten einer bestimmten — und darüber hinaus 1

Gesammelte Werke, Bd. I. 188

einer allgemeinen - Gesetzmäßigkeit unterworfen sind. Das ist die Wahrheit der erkentnistheoretischen Auffassung. Damit aber führt die allgemeine Theorie des Mythos zu der Frage nadi dem Verhältnis von Mythos und Religion. 4. Die besonders enge Verbindung von Mythos und Religion ist immer gesehen worden, obgleich über die Art dieser Verbindung sehr verschiedene Auffassungen bestanden und gelegentlich Tendenzen sidi bemerkbar machten, die die Verbindung lösen wollten, neben solchen, die eine völlige Gleichsetzung versuchten. Beides freilich ohne Erfolg. Denn das Verhältnis von Mythos und Religion enthält eine eigentümliche, schwer faßbare Dialektik. - Die intellektualistische Auffassung der Religion neigt dazu, das Wesentliche der Religion im Mythos zu sehen. Religionsgeschichte wird als Mythengeschichte betrieben. Eine Religion gilt als bekannt, wenn ihre Mythologie bekannt ist. - Demgegenüber sucht die emotionale Auffassung der Religion den Mythos zu entwerten. Sie weist auf wissensdiaftliche und künstlerische Elemente im Mythos hin, die mit Religion nichts zu tun haben. Das Wesentliche einer Religion sucht sie in Kultus und Frömmigkeit. Der Mythos sei ein durchaus sekundäres Gebilde. - Beide Auffassungen sind einseitig und unzulänglich. Zutreffend ist die Theorie der Korrelation. Sie besagt, daß jeder religiöse Akt auf einen religiösen Gegenstand bezogen ist und religiöser Gegenstand nur das im religiösen Akt Gemeinte ist. Es gibt keinen Kult, keinen Frömmigkeitsakt ohne mythischen Inhalt. Und umgekehrt: kein Mythos ist religiös, der nicht in Kultus und Frömmigkeit lebendig ist. Damit wäre das Verhältnis von Mythos und Religion bestimmt, wenn nicht die Religion in sich selbst einen Protest gegen den Mythos entwickelt hätte. Die im Mythos enthaltene Vergegenständlichung des Göttlichen in Raum, Zeit und Menschenbildlichkeit wird von der prophetischen Frömmigkeit bekämpft, von der mystischen überboten, von der philosophischen als unwürdig und widersinnig dargetan. Die Korrelation von Akt und Gegenstand, von Kultus und Mythos scheint von der Religion selbst zerbrochen zu werden. Aber so wenig die prophetischen Angriffe auf den Kultus den Kultus aufheben, so wenig heben ihre Angriffe auf den Mythos den Mythos auf. Beides bleibt bestehen, und ihre Korrelation bleibt bestehen. Auch in der antimythischen Religion sind die mythischen Stoffe lebendig, freilich in neuer Wendung: Das Göttliche ist erfaßt als das Unbedingte, Seins-Jenseitige; es geht nicht ein in Raum und Zeit. Aber es ist nur anschaubar in Symbolen, die raum-zeitlichen Charakter haben. Der Mythos ist überwunden, aber die mythische Substanz ist geblieben. So ist es in der alttestament189

lichen Prophetie, so im christlichen Dogma, so in der Mystik und religiösen Metaphysik. An Stelle der Göttergesdiiditen sind Bestimmungen getreten über das Wesen Gottes und sein Verhältnis zu Natur und Geschichte. An Stelle des ungebrochenen ist der gebrochene Mythos getreten, gebrochen durch das Bewußtsein um die unbedingte Transzendenz des Göttlichen. Vom Standpunkt des ungebrochenen Mythos aus muß die Religion gegen den Mythos protestieren. Vom Standpunkt des gebrochenen Mythos aus ist das Mythische ein Element aller Religion, ist Mythos religiöse Kategorie. 5. Das wird nach beiden Seiten hin deutlich durdi den Blick auf die Gegenstände des Mythos. Göttergeschichten, die die Entstehung und den Charakter der Götter beschreiben, heißen Theogonien. Göttergesdiiditen, in denen durch den Kampf zweier gottheitlicher Wesen oder durch Handlungen eines Gottes die Entstehung der Welt und ihrer Gestalt erklärt wird, heißen Kosmogonien. Göttergesdiiditen, die besondere Vorgänge in der Welt verständlich machen sollen, können als kosmologische, und sofern sie sich auf den Menschen beziehen, als anthropologische Mythen bezeichnet werden. Erzählungen von dem heilbringenden Auftreten von Göttern überhaupt oder besonderen Heilsgöttern können soteriologische Mythen genannt werden. Sofern die Mythen Vorstellungen vom Ende der Welt enthalten, sind sie eschatologisch. Diesen verschiedenen Richtungen des mythischen Vorstellens entsprechen die verschiedenen Grundbeziehungen, in denen das religiöse Bewußtsein das Verhältnis des Seienden zum Seins-Jenseitigen anschaut. Es ist darum notwendig, daß die christliche Dogmatik, aber auch die religiöse Metaphysik die gleichen Gegenstände hat, daß die Thematik sich nicht unterscheidet. Der Unterschied liegt in der Durchführung. In allen jenen Symbolen ringt der gebrochene Mythos um die Wahrung der reinen Transzendenz, um Unbedingtheit des Göttlichen trotz aller Anschaulichkeit der Symbole, während der ungebrochene Mythos in jeder seiner Aussagen die Transzendenz verleugnet, das Göttliche in den Widerspruch und Wechsel des Bedingten hereinzieht. 6. In jedem Mythos ist mit der Anschauung der Götter eine Anschauung der Welt verbunden. Ja, im ungebrochenen Mythos, der die Götter in den Umkreis des Seienden, in die Welt, einschließt, gibt es nicht einmal diesen Gegensatz. Das heißt aber: es gibt nicht nur eine unlösliche Verbindung von Mythos und Religion, sondern auch eine solche von Mythos und Wissenschaft. Ja, die wissenschaftliche Mythenforschung hat überwiegend diesen Zusammenhang betrachtet. Die Auffassung des Mythos als primitive, phantasievolle und subjektive Natur190

erklärung ist auch zur Zeit noch die häufigste. Für sie sprechen mancherlei Tatsachen: so die Art gewisser Mythen, die ausdrücklich der Erklärung bestimmter Vorgänge dienen, die ätiologischen Mythen; so die Herstellung von inneren Zusammenhängen durch die aus der vormythischen Geisteslage stammenden totemistischen Mythen; so das Erwachsen nicht nur der Astrologie, sondern audi der Astronomie aus den Astralmythen; so die Entstehung der griechischen Naturphilosophie aus den kosmogonischen Mythen; so die Entwicklung der weltgeschichtlichen Periodenmythologie zur Geschichtswissenschaft; so endlich die Teilung der Welt in irdische, überirdische und unterirdische durch die Über- und Unterweltsmythen als Grundlage des antiken Weltbildes. - Diese Tatsachen zeigen deutlich, daß im Mythos Welterkenntnis eingehüllt ist, daß im ungebrochenen Mythos Gottes- und Weltanschauung ineinander liegen. Aber bewiesen ist nicht, daß beide das gleiche sind. Vielmehr: wie das Transzendenzbewußtsein den Mythos religiös bricht, so bricht das Immanenzbewußtsein ihn wissenschaftlich. Und wie in der Anschauung des Transzendenten die mythische Substanz erhalten bleibt, so audi in der Anschauung des Immanenten. Gottes- und Weltanschauung trennen sich; aber sie behalten eine oft nur noch geheime Verbindung in der mythischen Substanz. Denn auch in allem wissenschaftlichen Erkennen ist der bleibende Hintergrund gebrochener Mythos. Je mehr die Wissenschaft sich auf sich selbst zurückzieht, je mehr sie die Welt vergegenständlicht und rational durchdringt, desto mehr drängt sie das mythische Element in den Hintergrund. Ihr Ziel ist eine unmythische Weltanschauung. Um dieses Zieles willen nimmt sie den Dingen nicht nur ihre Göttlichkeit, sondern audi ihre Lebendigkeit, ihre Individualität, ihre Qualität. Sie löst sie in quantitativ bestimmbare Funktionen auf. Aber ihrem Bemühen ist eine absolute Grenze gesetzt: In jedem Ding ist ein Element „Sein", ein Unauflösliches, Urgegebenes, eine Mächtigkeit, die auch in der rationalsten Durchdringung noch aufleuchtet, die den mythischen Hintergrund des Erkennens zeigt und die Verbindung mit dem mythischen Element der Religion ermöglicht. 7. Dieser Hintergrund wird nun ausdrücklich zum Gegenstand gemacht und damit in den Vordergrund gehoben in der Metaphysik. Mythos und Metaphysik sind aufs engste verwandt. Denn Metaphysik ist Mythos auf dem Boden und mit den Mitteln der Wissenschaft. Das ist die eigentümliche Spannung der Metaphysik, daß sie Mythos schafft mit rationalen Mitteln. Aus dieser Spannung wird ihr Schicksal verständlich, daß sie als Ganzes und in jeder ihrer Schöpfungen jederzeit rational widerlegbar und auch widerlegt ist und daß sie doch unvergänglich alle wissenschaftliche Erkentnis überdauert. Die Kraft der 191

Metaphysik ist der Mythos in ihr. Ihre Schwäche ist ihre rationale Form, die auf dem Boden der nachmythisdien Geisteslage, des wissenschaftlich gebrochenen Mythos unvermeidlich ist. - Vermittels der Metaphysik kann die heimliche mythisdie Verbindung von Religion und Wissenschaft zur offenbaren werden. Das geschieht im Dogma. Mythos und Dogma sind nicht identisch; Dogma ist nicht einfach christliche Mythologie, sondern Dogma ist Mythos auf dem Boden der nadimythischen Geisteslage, ist religiös und wissenschaftlich gebrochener Mythos und ist die Form, in der die unzerreißbare mythische Verbindung von "Wissenschaft und Religion manifest wird. Am Dogma wirken mit die unmittelbar religiöse Rede mit ihren gebrochen mythischen Symbolen und die rational metaphysische Rede mit ihren gebrochen mythischen Begriffen. Im Dogma schließt sich wieder zusammen, was im nachmythischen Bewußtsein auseinandergerissen war: Gottes- und Seinsanschauung, freilich unter dem Primat der Gottesanschauung, während in der Metaphysik die Seinsanschauung maßgebend ist. Beide aber, Metaphysik und Dogma können nur verstanden werden von dem in ihnen wirkenden gebrochenen Mythos aus. 8. Die starke Mitwirkung der Phantasie bei der Ausgestaltung des Mythos führt zu der Frage nach dem Verhältnis von Mythos und Dichtung und damit zu der Frage nach der Form des Mythos. Es muß zunächst unterschieden werden: das mythische Motiv, der Einzelmythos und die Mythologie im Sinne einer systematischen Verbindung der Mythen (das Wort Mythologie kann audi Wissenschaft vom Mythos heißen). Im mythischen Motiv lebt die eigentliche mythensdiaffende Kraft; in ihm ist Anschauung und Begriff, Phantasie und Denken, Dichtung und Wissenschaft noch ungeschieden. Die Funktionen haben sich noch nicht verselbständigt. Darum ist das Motiv mit Recht der Hauptgegenstand der vergleichenden Mythenforsdiung. In mannigfacher Verkleidung kehren die gleichen Motive immer wieder; denn sie sind der unmittelbare Ausdruck des mythischen Bewußtseins. - Als sehr fruchtbar für das Verständnis der mythischen Motive hat sich die psychoanalytische Theorie gezeigt, und das würde in noch höherem Maße der Fall sein, wenn sie die unterbewußten Tendenzen, die sich im mythischen Motiv darstellen, nicht nur als subjektive, sondern auch als objektive sach- und sinnhaltige Vorgänge werten würde. - Das mythische Motiv kommt zur Entfaltung im Einzelmythos. Dieser ist nicht nur ein Produkt der mythischen Kraft des Geistes; sondern das dichterische und wissenschaftliche Element gewinnen in ihm schon Ansätze zu einer selbständigen Entfaltung. Noch weniger wirkt unmittelbar mythische Kraft in der Verknüpfung der Mythen zur Mythologie. In ihr 192

ist der diditerisdie Gestaltungswille schon verhältnismäßig frei, und neben ihm wirkt gleichfalls, oft ohne wirkliche Verbindung mit den mythischen Urimpulsen, der logische Trieb der Systematisierung und Zusammenfassung. - Immerhin ist in all diesen Formen das Dichterische noch letztlich gebunden an das Mythisdie. Das kommt auch darin zum Ausdruck, daß das dichterisdie Urwort wie das Urwort der Sprache überhaupt aus dem mythisdien Bewußtsein seine Kraft zieht. Unmöglich ist dagegen die Ableitung des Mythos aus der Sprache, obwohl natürlich auf die Ausformung einzelner Mythen das schon vorhandene Wort Einfluß haben kann. Sobald nun das mythisdie Bewußtsein gebrochen ist, kann sich das diditerisdie und später auch das wissenschaftliche Element verselbständigen. Die mythisdien Inhalte können sich in poetisdie verwandeln. Dieser Übergang liegt ζ. B. bei Homer vor. In der weiteren Entwicklung verlieren die alten mythischen Stoffe ihre Kraft und werden zu realitätslosen Allegorien. Das mythische Bewußtsein aber bleibt im Hintergrund des dichterischen Schaffens; es gibt ihm fort und fort die Mächtigkeit des Wortes und hält die verborgene Beziehung der Dichtung zur Religion aufrecht. Ausdrücklich tritt das Mythische hervor in metaphysischen Dichtungen wie Dantes „Göttlicher Komödie", Goethes „Faust", Nietzsches „Zarathustra", die den verborgenen Mythos einer Zeit neben Dogma und Metaphysik zu eigentümlicher Gestaltung bringen und die ursprüngliche Einheit von Religion, Dichtung und Wissenschaft in der nachmythischen Geisteslage wiederherstellen. 9. Nicht einfach dem Problem Mythos und Wissenschaft unterzuordnen ist das Verhältnis von Mythos und Geschichte. Denn die Betrachtung der Geschichte ist immer ein Mitschaffen des Sinnes der Geschichte. Der Sinn der Geschichte aber weist ins Transzendente und hat darum, wenn er sich manifestiert, mythischen Charakter. Daher die enge Verbindung von Mythos und Geschichte, die Form der Mythen als Geschichte und das leichte Emporwachsen geschichtlicher Persönlichkeiten und Vorgänge zu mythischer Bedeutung. Je ungebrochener das mythisdie Bewußtsein, desto stärker bestimmt es das historische Bild bis in den Tatsachenbericht; je gebrochener, desto mehr behaupten sich die Tatsachen gegen den Mythos. Aber selbst in der wissenschaftlich geformtesten Geschichtsschreibung ist der Mythos nicht ausgeschaltet. Er ist es so wenig, daß man gegenwärtig den Mythos der „Gestalt" als historisches Ideal hingestellt hat. - Am stärksten mythisch durchsetzt ist naturgemäß der religiöse Geschichtsbericht. Freilich bleibt auf dem Boden der nachmythischen Geisteslage das Mythische mehr im Hintergrund, bricht (so ζ. B. in den Evangelien) nur an wenigen Stellen deut193

lieh hervor. Im Vordergrund steht das mensdiliche Geschehen, das in der religiösen Anschauung zur Legende wird, aber audi Märchen- und Sagen-Motive in sich aufnimmt, deren letzte Wurzeln gleichfalls im Mythos liegen. - Notwendig mythische Züge trägt die Gesamtdeutung der Geschichte. In ihr wird der mythische Hintergrund auch der rationalen Geschichtsschreibung manifest. Typische Gesdiichtsmythen in metaphysischer Hülle sind ζ. B. Hegels und Marx' Dialektik der Geschichte, der Fortschrittsgedanke, der historische Pessimismus. In ihnen zeigt sich die ursprüngliche und immer, wenn auch oft im Verborgenen wirkende Einheit von Geschichtsbetrachtung und Religion im Mythos. 10. Da sich im Mythos die Hinwendung zu dem im religiösen Akt gemeinten Unbedingten, Transzendenten ausdrückt, dieses aber niemals nur das Angeschaute, sondern immer auch das Fordernde ist, so stehen Mythos und Ethos in strenger Korrelation. In jeder mythischen Anschauung ist ein das Handeln bestimmendes Moment enthalten, und keine ursprünglich mythische Anschauung ist möglich ohne einen Akt sittlicher Selbstbestimmung. Das wird nur da anders, wo das wissenschaftliche oder dichterische Element sich frei macht und eine wenigstens teilweise sittlich indifferente Anschauung ermöglicht. Sobald jedoch ζ. B. in metaphysischer Form das Mythische manifest wird, ist es getragen von einem Ethos und trägt selbst ein solches. Man vergleiche dazu die Benennung seiner Metaphysik als „Ethik" durch Spinoza oder das sozialethische Pathos und die unermeßlichen ethischsozialen Wirkungen des marxistischen Geschichtsmythos. - Die strenge Korrelation von Mythos und Ethos bewirkt naturgemäß die gemeinsame Wandlung von Ethos und Mythos. Der ältere Mythos ist erfüllt von dämonisch-vitalen Kräften, die der Kritik am Mythos durch spätere Zeiten die entscheidenden Angriffspunkte gaben. (Vgl. die Homerkritik der griechischen Philosophen.) Die Brechung des Mythos in der Prophetie geschieht im Namen der Gerechtigkeit. Jahve wird als der gerechte Gott in die reine Transzendenz erhoben und damit als einziger und wahrer Gott erkannt. Das unmittelbar mythische Bewußtsein wird religiös gebrochen durch die Unbedingtheit der sittlichen Forderung, die jede Vermischung von Gott und Welt unmöglich macht. Unbedingte Transzendenz und sittliche Heiligkeit entsprechen sich und erzwingen die nachmythische Geisteslage. Von ihr aus gesehen hat die ganze ungebrochen mythische Welt dämonischen Chrakter. Auch die im Mythos selbst als dämonen-überwindend aufgefaßten Götter sind Dämonen, sofern ihnen die Transzendenz und ethische Unbedingtheit mangelt. 11. Die Reihe der Einzelanalysen schließt sich zusammen zu einer 194

Geistesgeschichte des Mythos. Sie hat zunächst die Eigenart des vormythischen Zeitalters herauszuarbeiten. Diese ist im ganzen darin zu finden, daß die göttliche Macht nicht als personal, sondern als neutral gedadit wird, aber so, daß dieses Neutrale nicht im Gegensatz steht zum Personalen, sondern daß es mit ihm eins ist: die Persönlichkeit hat sich als soldie noch nicht über die Dingwelt erhoben; darum gibt es weder Persönlichkeit noch Ding als gesonderte. Das eigentlich mythische Zeitalter entwickelt sich durch Erhebung des Personalen über das Dingliche und die Zusammenfassung des Göttlichen in einzelnen iimfassenden Götterpersönlichkeiten. Das nachmythische Zeitalter beginnt mit dem Zerbrechen der mythischen Götterwelt durch die verschiedenen aufgezeigten Kräfte, entscheidend und endgültig durch den exklusiven Monotheismus der jüdisch-christlidien Entwicklung. Der Mythos ist gebrochen und in den Hintergrund gedrängt, aber er verschwindet nicht. Eine wirklich unmythische Geisteslage gibt es nicht. Und in immer neuen Schöpfungen religiöser und kultureller Art, auch in der Gegenwart, wird der verborgene Mythos manifest: vielleicht immer unsymbolischer, immer realistischer und wirklichkeitsnäher. Aber er bleibt Mythos. Und es kann nicht anders sein: denn in ihm kommt zum Ausdruck der tragende Grund des menschlichen Geisteslebens und des Seins überhaupt, die Gebundenheit an das Unbedingte, an das Jenseits des Seins.

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DAS RELIGIÖSE SYMBOL

1. Das Symbol Das religiöse Symbol vereinigt die Merkmale des Symbols überhaupt mit den besonderen Merkmalen, die ihm als religiösem Symbol zukommen. Das erste und grundlegende Merkmal des Symbols ist die Uneigentlidokeit. Sie besagt, daß der innere Akt, der sich auf das Symbol richtet, nidit das Symbol meint, sondern das in ihm Symbolisierte. Dabei kann das Symbolisierte selbst wieder Symbol sein für ein Symbolisiertes höheren Ranges. So kann das Schriftzeidien Symbol für das Wort, das "Wort Symbol für den Sinn genannt werden. Die dem Holzkreuz erwiesene Devotion gilt eigentlich der Kreuzigung auf Golgatha, und die ihr bezeugte Devotion gilt eigentlich dem erlösenden Handeln Gottes, das selbst symbolischer Ausdruck ist für eine Erfahrung des Unbedingt-Transzendenten. Das zweite Merkmal des Symbols ist die Anschaulichkeit. Sie besagt, daß ein wesensmäßig Unansdiaulidies, Ideelles oder Transzendentes im Symbol zur Anschauung und damit zur Gegenständlichkeit gebracht wird. Die Anschaulichkeit braucht keine sinnliche zu sein. Sie kann ebensogut eine vorgestellte sein, wie in obigem Beispiel die Kreuzigung, oder wie die dichterischen Gestalten. Auch abstrakte Begriffe können zu Symbolen werden, sofern ihr Vollzug mit einem anschaulichen Moment verbunden bleibt. So etwa der Begriff des „Mehrwertes" als Symbol der wirtschaftlichen Ausbeutung im Bewußtsein des Proletariats, oder der Begriff des „Höchsten "Wesens" als Symbol des Unbedingt-Transzendenten im Bewußtsein der Gemeinde. Das dritte Merkmal des Symbols ist die Selbstmächtigkeit. Sie besagt, daß das Symbol eine ihm selbst innewohnende Macht hat, die es von dem bloßen in sich ohnmächtigen Zeichen unterscheidet. Dieses Merkmal ist maßgebend für die Trennung von Zeichen und Symbol. Das Zeichen ist willkürlich austauschbar. Es hat keine Notwendigkeit, weil es keine innere Macht hat. Das Symbol hat Notwendigkeit. Es kann nidit ausgetauscht werden. Es kann nur versdiwinden durch Verlust seiner inneren Mächtigkeit, durch Symbolzerfall. Und es kann nicht 196

erfunden, sondern nur geschaffen werden. Worte und Schriftzeichen hatten ursprünglich Symbolcharakter. Sie trugen den Sinn, den sie meinten, in unvertauschter Selbstmächtigkeit. Im Laufe der Entwicklung, durch den Ubergang der mythischen zur gegenständlich-technischen Weltauffassung, verloren sie den Symbolcharakter, wenn auch nicht völlig. Mit dem Verlust der Selbstmächtigkeit wurden sie zu Zeichen. Die Bildsymbole der religiösen Kunst hatten ursprünglich eine magische Kraftgeladenheit, mit deren Verlust sie zu einer konventionellen Zeichensprache wurden und den echten Symbolcharakter fast einbüßten. Das vierte Merkmal des Symbols ist die Anerkanntheit. Sie besagt, daß das Symbol sozial eingebettet und getragen ist. Es ist also nicht so, daß eine Sache erst Symbol ist und dann Anerkennung findet, sondern Symbolwerdung und Anerkennung gehören zusammen. Der symbolschaffende Akt ist ein Sozialakt, auch wenn er in einem Einzelnen zuerst durchbricht. Der Einzelne kann sich Zeichen machen für seine privaten Bedürfnisse; Symbole kann er nicht machen; wird ihm etwas zum Symbol, so immer im Hinblick auf die Gemeinschaft, die sich darin wiedererkennen kann. Diese Tatsache kommt besonders deutlich in den konfessionellen Symbolen zum Ausdruck, die zunächst nichts anderes sind als Erkennungszeichen der Konfessionen. „Symbolik" ist Wissenschaft von den Erkennungszeichen der Konfessionen, ist Konfessionskunde. Aber auch alle übrigen Symbole könnten unter diesem Gesidistpunkt behandelt werden. Es wäre eine universale Symbolik als Konfessionskunde aller Gruppen, Richtungen und Gemeinschaften denkbar. Diese allgemeinen Merkmale des Symbols gelten - wie die Einzelbeispiele zeigten - auch für die religiösen Symbole. Die religiösen Symbole sind vor den übrigen dadurch ausgezeichnet, daß sie Veranschaulichung dessen sind, was die Sphäre der Anschauung unbedingt übersteigt, des im religiösen Akt Letztgemeinten, des Unbedingt-Transzendenten. Alle übrigen Symbole stehen entweder für etwas, das außer der ideellen Bedeutung auch eine unsymbolisch-gegenständliche Existenz hat; so etwa die Fahne für die Wehrmacht und diese für den Staat. Oder sie sind Existenzform eines Unanschaulichen, das — abgesehen von ihnen - keine Existenz hat; so die geistigen Gebilde, wie Kunstwerke, wissenschaftliche Begriffe, rechtliche Formen. Das Symbol ist hier die notwendige Existenzform der Sadie selbst. Wesentlich anders liegen die Dinge bei den religiösen Symbolen. Diese haben einen Gegenstand auszudrücken, der wesensmäßig jede Gegenständlichkeit transzendiert, der aber ebensowenig durch einen 197

geistigen Akt Gegenständlichkeit erhalten kann. Die religiösen Symbole sind weder gegenständlich, noch geistig-sinnhaft fundiert, sie sind unfundiert, religiös gesprochen, sie sind Gegenstand des Glaubens. Sie haben kein anderes Recht als das der Vertretung des UnanschaubarTranszendenten, das ihrer nidit bedarf, um zur Existenz zu kommen. Auf dieser Tatsache beruht die eigentümliche Zweischichtigkeit der religiösen Symbole. Sie sind in der grundlegenden Schicht gegenständliche Vertretungen des Unbedingt-Transzendenten und der Beziehungen zu ihm, und sie sind in den übrigen Schichten Veranschaulichungen der jener ersten Schicht angehörigen Symbole. Damit brechen wir an diesem Punkt ab, um bereichert durch weitere Untersuchungen zu ihm zurückzukehren. 2. Theorien des religiösen Symbols Die Theorien des religiösen Symbols gelten weithin für das Symbol überhaupt. Ihre Betrachtung wird uns aber überall an einen Punkt führen, an dem die selbständige Problematik des religiösen Symbols entsteht und ihre Lösung verlangt. - Die Theorien des Symbols können in negative und positive eingeteilt werden. Negativ sind diejenigen Theorien, die das Symbol aus einer Wirklichkeitsschicht erklären, die nicht im Symbol gemeint ist. Sie bestreiten dem Symbol die Sachhaltigkeit und sprechen ihm lediglich Seinshaltigkeit zu: ein bestimmtes subjektives Sein drückt sich im Symbol aus, nicht aber der im Symbol gemeinte Sachverhalt. Diese Theorien sind besonders bedrohlich für die religiöse Symbolik, die gegenständlich nicht fundiert ist und doch meint, eine „Sache" auszudrücken und nicht bloß das Sein eines meinenden Subjekts. Es hat prinzipielle wissenschaftssystematische Gründe, daß diese Theorien immer auf zwei Arten zurückführbar sind, auf die psychologische und auf die soziologische Theorie des Symbols. Beide haben geschichtliche Bedeutung gewonnen, weil sie eine Seite aller Symbolbildung mit wirksamer Einseitigkeit zur Anerkennung gebracht haben: sie haben gezeigt, daß die seelische und gesellschaftliche Lage bestimmend ist für die Symbolwahl in allen Gebieten. Darüber hinaus versuchen sie zu zeigen, daß die Symbole keine andere Realität haben als die, Ausdruck zu sein der seelischen und gesellschaftlichen Lage; d. h. sie geben eine genetische Theorie des Symbols selbst. Den entscheidenden Impuls gaben dieser Richtung die beiden prophetischen Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts, Nietzsche und Marx. Schon diese Tatsache weist darauf hin, daß diese Theorien Kampftheorien sind, deren 198

Sinn es ist, etwas zu beseitigen, eine Symbolwelt zu stürzen. Gegenstand ihres Angriffs ist die Symbolik der bürgerlichen Gesellschaft einschließlich der von ihr durchsetzten Kirdien. Mittel ihres Angriffs ist der Nachweis, daß jene Symbole Ausdruck eines bestimmten Maditwillens sind und keine andere Realität haben als die ihnen vom Machtwillen verliehene. Marx hat für diese Funktion der Symbole den Ausdruck Ideologie gebraucht und ihn zu einem unerhört wirkungskräftigen politischen Symbol gemacht. Symbole sind Ideologien. Der ideelle Gehalt, die Sachbezogenheit der Symbole, das in ihnen Gemeinte ist ein politischer Vorwand, der unbewußt oder bewußt um der Machtstellung willen geschaffen wird. Dieser These ist freilich keine erprobende Durchführung in den einzelnen Symbolgebieten gefolgt. Wo Ansätze dazu vorhanden sind (nicht bei Marx), wirken sie abschreckend in ihrer Gedankenlosigkeit. Auch finden sich im ältesten und neuesten Marxismus Einschränkungen, die den Sinn der Theorie aufheben. Wo von einem Eigenleben und einer Rückwirkung der Symbole auf die Gesellschaftslage gesprochen wird, da ist die strenge Theorie verlassen und eine Sachhaltigkeit der Symbole anerkannt. Dieser Rückzug aber ist unvermeidlich. Denn eine konsequente Durchführung würde die Theorie selbst nebst ihrer politischen Symbolkraft zu einer Ideologie stempeln, die nur den Anspruch erheben dürfte, Ausdruck der proletarischen Gesellschaftslage zu sein, keineswegs aber Erkenntnis realer Zusammenhänge. Auch das Symbol „Ideologie" wäre Ideologie. Auch bliebe es unbegreiflich, wie der Machtwille sich der verschiedenen Symbolgebiete bedienen könnte, wenn nicht den Symbolen eine zwingende Sadihaltigkeit innewohnte. Mächtige Unterstützung hat die von Nietzsche herkommende Symboltheorie durch die 7ie/e«/>i^cfeo/og»e erfahren. Die Freudsche Analyse des Unbewußten macht geistige und religiöse Symbole in gleicher Weise zu Umsetzungen unbewußter Prozesse. Das rätselhafte Gebiet des Traumes wird als ein Symbolgebiet erster Ordnung erkannt. Auf die nicht minder rätselhaften Symbole des Mythos fällt ein helles Licht aus der Schau des Unbewußten. Alle Symbole werden als Sublimierungen vitaler, in ihrer Wirkung gehemmter Triebimpulse gedeutet, mit größtem Erfolg die gegenständlich unfundierten wie Traum und Mythos. Damit ist ihnen der Sadigehalt genommen. Aber audi diese Theorie ist nie rein zur Durchführung gekommen. Im Begriff der Sublimierung ist das Problem mehr verstedct als gelöst; denn dieser Begriff besagt hier nicht nur eine Zuspitzung oder Verfeinerung der Triebimpulse, sondern er spricht von der Hinwendung der Im199

pulse zu Sachgebieten, die ihrem Gehalt nach mit den Impulsen nichts zu tun haben. Für die gegenständlich fundierten Symbole hat man darum auch nie ernsthaft den Versuch einer Durchführung der Theorie gemacht. Insbesondere gilt das für die "Wissenschaft, deren eigengesetzliche Sachhaltigkeit zu evident der Boden ist, der die ganze Theorie trägt. Vor ihr macht man — wie aus dem gleichen Grunde die Ideologienlehre — regelmäßig halt. Um so ernsthafter aber ist durch die Tiefenpsychologie die Frage nach den unfundierten Symbolen gestellt. Wenn die Psychoanalyse ζ. B. die Anwendung des Vatersymbols auf Gott als Ausdruck des analytischen Vaterkomplexes wertet (wie etwa die Soziologie als Ausdruck der Männerherrschaft), so ist zu fragen, wie weit die Bedeutung dieser Erklärung reicht. Offenbar nicht weiter als ihre nächste Aussage: daß die Symbolwahl durch den Vaterkomplex zu erklären ist, nicht aber, daß die Setzung eines religiösen Symbols überhaupt durch Komplexe bedingt ist. Das heißt: nicht eine Theorie des religiösen Symbols ist gegeben, sondern eine Theorie der religiösen Symbolwahl. Das ist auch nicht anders möglich; denn die Setzung eines Unbedingt-Transzendenten läßt sich auf keine Weise aus den bedingten und immanenten Impulsen des Unbewußten erklären. Aber auch zur Frage der religiösen Symbolwahl ist noch nicht das Letzte gesagt; es ist die Möglichkeit nicht in Betracht gezogen, daß die vitalen Impulse, die zur Wahl des Vatersymbols führen, selbst Ausdruck einer Urformung des Lebens sind und darum die Anschauung des Unbedingten unter diesem Symbol eine wenn auch begrenzte, so doch letzte, also religiöse Wahrheit hat. Das gleiche würde auch für die soziologische Theorie der Symbolwahl gelten. Die psychischen und sozialen Impulse lenken die Symbolwahl; aber sie selbst können als Symbole angeschaut werden für eine letzte metaphysische Struktur des Seienden. — Diese Erwägung nimmt den Theorien das Negative auch da, wo sie im Recht sind: in der Erklärung der Symbolwahl. Ein Ubergang von der negativen Theorie zu den positiven und diesen schon zuzurechnen ist die kultur-morphologische Deutung der Symbole. Sie hat mit den negativen Theorien dieses gemeinsam, daß sie die Symbolwahl abhängig macht von einem subjektiven Sein, von der Kulturseele. Aber dieses Sein steht nicht beziehungslos zu den Sachgehalten der Symbole wie bei den negativen Theorien, sondern es hat eine wesensmäßige Bezogenheit auf sie. Es ist definiert durch diese Beziehung, eben als „Kulturseele". Vitales und Geistiges fallen nicht auseinander, sondern sind eins in dem schöpferischen Gestaltungsprinzip einer Kultur. Alle geistigen Schöpfungen sind Symbole für ein bestimmtes seelisches Gestaltungsprinzip. Ihr Symbolcharakter hebt aber ihre 200

Gegenständlichkeit nidit auf. - Das Zentralphänomen der kulturmorphologischen Theorie ist der Stil. Im Stil der Kunstwerke, der Begriffe, der Rechtsformen usw. kommt das Seelische zum Ausdruck, dem sie entstammen. Durch den Stil werden alle geistigen Gebilde zu Symbolen. Der Kulturmorphologe kümmert sidi um den Stil, nicht um den Sadigehalt, um das Symbolische, nicht um das Eigentliche der Kulturschöpfung. Dabei kann er in die Grenzen der negativen Theorie geraten, und er muß es, wenn er die Morphologie absolut setzt, d. h. jeden Sachzusammenhang zwischen den Schöpfungen der einzelnen Kulturkreise leugnet. Er setzt sich damit der Gefahr aus, daß seine Theorie selbst nur als Symbol gedeutet wird für eine seelisch-kulturelle Lage. Auch er muß zum mindesten bei der eigenen Wissenschaft haltmachen. Am meisten bedroht sind von hier aus wieder die unfundierten Symbole, die als unmittelbare, von jedem Sachgebiet losgelöste Ausdrucksformen des Seelischen gedeutet werden können. Gegen diese Bedrohung gilt es festzustellen: die Tatsache, daß die Seele sich da, wo sie sich unmittelbar ausdrückt, religiös ausdrücken muß, kann gar nicht anders erklärt werden als dadurch, daß sie religiös ist, daß die Beziehung zum Unbewußt-Transzendenten für sie konstitutiv ist. Und die Tatsache, daß die religiösen Symbole an Ausdruckskraft und Unmittelbarkeit von allen anderen unterschieden sind, kann wieder nur so erklärt werden, daß das Seelische, auch das Seelische einer Kultur, geradezu durch die Beziehung auf das Unbedingt-Transzendente definiert werden muß. Da, wo das Seelische - abgesehen von allen Sachbeziehungen - sich selbst ausspricht, spricht es sich religiös aus. - Von hier aus kann das Zusammen von Vitalem und Geistigem in der Seele verstanden werden, so nämlich, daß beides transzendiert und im Transzendenzpunkt mit dem anderen zusammentrifft: das Vitale, indem es seine Unmittelbarkeit durchbricht (wofür vielleicht der aus dem Vitalen selbst schlechthin unverständliche, von Freud behauptete Todestrieb ein Ausdruck ist), das Geistige, sofern es keine seiner Formen der Krisis entziehen kann, die gleichzeitig von der Sachforderung und vom Lebenssinn über sie ergeht. - Endlich dient diese Erkenntnis dazu, dem „Stil" im Sinne der Kulturmorphologie religiöse Symbolkraft zu geben. Sofern sich Seelisches im Stil ausdrückt, drückt sich die Beziehung auf das Unbedingt-Transzendente in ihm aus. Das religiöse Symbolgebiet schließt die gesamte autonome Kultur ein. Eine Kultursymbolik unter religiösem Gesichtspunkt wird zu einer notwendigen Aufgabe. Natürlich trifft diese Betrachtung nur eine Seite der Kultur. Die selbständigen Sachgebiete bleiben erhalten; der Symbolcharakter der Geistesschöpfung ist gebrochen durch ihren Gegenstandscharakter. Die Symbolik der Stile 201

ist gebrochene, indirekt-religiöse Symbolik. Aber als solche hat sie ihre fundamentale Bedeutung für das Verständnis des religiösen Symbols überhaupt. Wir haben den Unterschied von Symbolcharakter und Sachcharakter der geistigen Schöpfungen vorausgesetzt. Gegen diese Auffassung erhebt sich nun die kritisch-idealistische Theorie des Symbols. Sie setzt beides gleich und gibt damit dem Symbolbegriff eine neue Wendung und ungeheure Erweiterung. Durch die Arbeiten von Cassirer steht sie im Vordergrund der Symboltheorie. Wir wollen Darstellung und Kritik verbinden mit einer Darstellung und Kritik seiner Theorie der mythischen Symbole. Der Mythos wird aufgefaßt als eine bestimmte Form geistiger Seinsdeutung und damit der idealistischen Voraussetzung entsprechend als Gegenstandsschöpfung. Den Gesetzen der mythischen Formgebung wird eine symbolische Realität zugesprochen. Der Mythos wird in die übrigen Geistesgebiete eingereiht, die gleichfalls im Symbol leben, wie Sprache, Philosophie, Kunst usw. Die mythischen Inhalte sind also nicht in besonderem Maße als symbolische zu betrachten. Sie haben das Symbolische mit allen geistigen Sinnschöpfungen gemeinsam; denn geistige Realität ist nirgends anders als in Symbolen. Wohl gibt es eine vorgeistige und vorsymbolisdie Anschauungswelt, nicht aber eine symboltranszendente Realität. Geistige Wirklichkeit ist wesensmäßig symbolische Wirklichkeit; aber sie ist es nicht deswegen, weil sie eine Wirklichkeit an sich abbildet, sondern weil sie frei von der Beziehung auf irgendein An-Sich über der sinnlichen eine geistige Gegenstandswelt schafft. Wir sehen zunächst von den erkenntnistheoretischen Problemen ab und stellen die Frage, wie sich mythische und religiöse Symbolik zueinander verhalten. Die Antwort, die der kritische Idealismus gibt, lautet: Ursprünglich sind mythische und religiöse Symbolik ineinander verschmolzen. Allmählich erhebt sich die religiöse über die mythische, bekämpft und überwindet sie. — Diese Antwort sieht und formuliert das Problem. Aber sie enthält nicht die Lösung: Wenn die Mythologie eine wesenhafte Geistesschöpfung ist wie Wissenschaft, Kunst, Recht, so ist nicht einzusehen, warum sie sich auflösen soll, ja, es ist dann unmöglich, daß sie abnimmt, denn sie hat ihren wesensmäßigen Ort im Sinnaufbau des Geistes. Wenn aber die Religion ein eigenes Sinngebiet ist, so ist zu fragen, wie es möglich ist, daß sie ursprünglich in den Mythos eingebettet war. Kurz: die entwicklungsgeschichtliche und die transzendentale Auffassung des Mythos stehen in Spannung. Die Spannung ist gelöst, sobald feststeht, daß der Mythos überhaupt nicht aufgehört hat, sondern daß er nur seine Form geändert hat. Der 202

Kampf der Religion gegen den Mythos wäre dann nicht ein Kampf gegen den Mythos überhaupt, sondern der Kampf eines bestimmten Mythos gegen einen anderen. So scheint es mir nun in der Tat zu sein. Der Kampf der jüdischen Propheten gegen die heidnische Mythologie war ein Kampf des ethischen Henotheismus der Wüstenreligion gegen den ekstatischen Polytheismus der Agrarreligion, ein Kampf Jahwes gegen die Baale. Aber das Mythische ist in der Jahwereligion ebenso lebendig wie in der Baalreligion. Freilich ist etwas geschehen, was den Mythos in seiner Unmittelbarkeit in Frage gestellt hat: Der Jahwemythos ist Geschichtsmythos, d. h. er ist bezogen auf empirische Tatsachen der Geschichte. Er hat den Realismus des Historischen. Und in das mythische Bild Jahwes ist die Transzendenz in radikaler Fassung eingedrungen. Jahwe erhält die Unbedingtheit, die im religiösen Akt gemeint ist. Aber damit ist der Mythos nicht aufgehoben. Die empirische Geschichte bleibt immer bezogen auf eine überempirische, eine transzendente Geschichte, die sich vom Urständ über die Erwählung des Volkes bis zum Ende spannt. Und die unbedingte Transzendenz ist als solche nicht anschaubar. Soll sie angeschaut werden - und sie muß es ja in der Religion - , so kann es nur sein in mythischen Vorstellungen. Freilich sind die mythischen Vorstellungen dabei innerlich gebrochen, sie weisen über sich hinaus, wie umgekehrt die mythisch angeschaute Geschichte immer zugleich gegenwartsmächtigen, Entscheidung fordernden Charakter hat. - Auch die Mystik, wie sie ζ. B. in Indien das unmittelbar mythische Bewußtsein gebrochen hat, hebt den Mythos nicht auf. Der höchste Begriff jeder abstrakt transzendenten Mystik hat notwendig noch ein mythisches Element in sich. Die niederen Gestalten des Mythos werden nicht verneint, sondern mit der gesamten Wirklichkeit entwirklicht, ihrer letzten Realität beraubt. Das mythische Bewußtsein kann also ungebrochen sein oder gebrochen, es schwindet jedenfalls nicht. Entschließt man sich, nur das ungebrochene mythische Bewußtsein mythisch zu nennen, so findet in der Religion eine Überwindung des Mythos statt, und der Mythos ist als nicht wesenhaft erwiesen. Nennt man dagegen jede Anschauung des Transzendenten mythisch, so gibt es keine unmythische Geisteslage, und der Mythos ist wesenhaft. Der Sprachgebrauch ist schwankend, vermutlich nicht wegen mangelnder wissenschaftlicher Klärung, sondern wegen der inneren Dialektik, in die der Mythos notwendig gerät. Die Inhalte des mythischen Bewußtseins sind nun zugleich die Inhalte der wissenschaftlichen Weltbetrachtung. Als solche geraten sie mit Auftreten der Wissensdiaft in eine neue Dialektik: es setzt eine Transponierung der mythischen Inhalte in dinglich-rationale Gegen203

stände ein. Es entsteht eine Gegenstandswelt, der ein rationales, erkennendes Subjekt gegenübersteht; das Subjektive, das allen unmittelbar mythischen Inhalten eignet, der innere lebendige Zusammenhang des Bewußtseins mit allem Seienden, mit der Innerlichkeit jedes Wirklichen, ist entschwunden oder zurückgedrängt. Soweit die Wissenschaft die Dingwelt aufbaut, vertreibt sie den Mythos. Aber die Wissenschaft braudit zum Zwecke des Aufbaues der Dingwelt auch Begriffe, die wirklichkeitstranszendent sind. Damit kommt sie in eine neue mythische Situation, sie selbst wird mythenschaffend; Begriife wie Entwicklung, Wille zur Macht, Leben usw. haben mythischen Charakter. Sie dienen nicht mehr nur dem Aufbau der Dingwelt, sondern sie bezeichnen die transzendenten Voraussetzungen der Dingwelt. Da aber in jeder dieser Voraussetzungen das Element der Unbedingtheit steckt, und da die Voraussetzung jedes Denkens, das „unvordenkliche Sein", die Grenze und den Abgrund der Verdinglichung bedeutet, so kommt in die Wissenschaft ein Element religiös-mythischen Bewußtseins; und es ist möglich, daß sich die letzten Voraussetzungen der Wissenschaft einen mit dem höchsten Begriff der abstrakten Mystik oder des abstrakten Monotheismus. Auf diese Weise entsteht ein abstrakter Mythos, der nicht weniger Mythos ist als ein konkreter, wenn er audi in seiner Unmittelbarkeit gebrochen ist. Der lebendige Sinn der schöpferischen Metaphysik ist der, daß sie solch abstrakter Mythos ist. Daher ihre wissenschaftliche Fragwürdigkeit und ihre religiöse Kraft. Unter diesen Umständen wird man davon Abstand nehmen müssen, die Mythologie als eine der Wissenschaft und Religion gegenüber selbständige Symbolschöpfung zu betrachten. Sie ist ein Element in beiden, das zwar gebrochen, aber nicht überwunden werden kann. Wie auch Plato die Wissenschaft einerseits in Gegensatz zum Mythos stellt, andererseits die Unentbehrlichkeit des Mythos in der Wissenschaft anerkennen muß und alle Metaphysik einen Punkt erreicht, wo ihre Begriffe nicht nur der Sache, sondern auch dem Klang ihrer Worte nach Mythos sind. Der Mythos ist also ein konstitutives Element des Geistigen überhaupt. Dennoch ist es notwendig, zwischen der ungebrodoenen und gebrochenen Form des Mythos zu unterscheiden. Im ungebrochenen Mythos liegen drei Elemente ineinander: das religiöse, das wissenschaftliche und das eigentlich mythische. Das religiöse als Beziehung auf das Unbedingt-Transzendente, das wissenschaftliche als Beziehung auf die gegenständliche Wirklichkeit, das eigentlich mythische als Vergegenständlichung des Transzendenten mit Anschauungen und Begriffen der Wirklichkeit. Diese Einheit war nur möglich, solange die Unbedingt204

heit der religiösen Transzendenz und die Rationalität der Dingwelt dem Bewußtsein verborgen waren. Solange konnten die mythisdien Inhalte den Anschein erwecken, gleichzeitig dem religiösen und dem wissenschaftlichen Anspruch zu genügen (ein Gegensatz, der als solcher noch gar nicht vorhanden war). Diese Lage konnte sich auf die Dauer nicht halten. Ihre Auflösung bedeutet die Entwicklung zur autonomen Religion, zur autonomen Wissenschaft, und er bedeutet eben darum die Brechung des ursprünglichen mythischen Bewußtseins. Gleichzeitig jedodi tritt das Mythische in seiner Reinheit und seinem Charakter als notwendiges Element im Aufbau der Sinnwirklichkeit hervor. Es wird deutlich, daß Mythos Inbegriff derjenigen Symbole ist, in denen mittelbar oder unmittelbar das Unbedingt-Transzendente angeschaut wird. Von diesem seinem Charakter aus wird nun nicht nur seine ursprüngliche Verbindung mit Religion und Welterkenntnis verständlich, sondern es zeigt sich audi, daß der Mythos gar nicht anders kann, als diese Einheit ständig von neuem zu erstreben. Da wo die Gegenstandswelt angeschaut wird in ihrer Beziehung auf das Unbedingt-Transzendente, und da, wo das Unbedingt-Transzendente angesdiaut wird mit den Mitteln der Gegenstandsbetrachtung, ist die Einheit von Religion und Welterkenntnis im mythischen Symbol hergestellt. Die Wissenschaft wird unbeschadet ihrer rationalen Autonomie zum Mythos, und die Religion nimmt unbeschadet ihrer transzendenten Autonomie Inhalte der Welterkenntnis auf, um durch sie hindurch das Transzendente zu schauen. Diese Entwicklung ist freilidi zur Zeit mehr Tendenz als Wirklichkeit. Die Bedingungen ihres Gelingens sind tiefgehende Umwälzungen des wissenschaftlichen und religiösen Bewußtseins. Die mythischen Symbole sind also keine Symbolsphäre neben anderen. Sie sind im Unterschied von den anderen unfundierte Symbole, d. h. sie sind wesentlich durch ihren Symbolcharakter bestimmt. - Wird im Sinne des kritischen Idealismus vorausgesetzt, daß die geistigen Schöpfungen nicht ein An-Sich zum Ausdruck bringen, sondern daß Realität die von ihnen konstituierte geistige Gegenstandssphäre ist, so ist ohne weiteres deutlich, daß die mythische Gegenstandswelt eine völlig andere Uneigentlichkeit hat als etwa die künstlerische. Das Kunstwerk drückt die Realität, die es ausdrücken will, ganz eigentlich aus. Das Kunstwerk weist nicht als Uneigentliches über sidi hinaus auf Eigentliches. Wo es das versucht — wie in der symbolistischen Kunst - , da liegt eine besondere Absicht vor, deren Besonderheit zeigt, daß die Kunst als solche eben nicht Symbole, sondern Sinnwirklichkeiten schafft. Wo sie symbolisch wirkt, nähert sie sich dem Mythos. Sie macht sich 205

selbst uneigentlidi zugunsten eines eigentlidi gemeinten Transzendenten. - Ebenso liegt es in der Wissenschaft. Der Versuch, eine historische Gestalt als Symbol darzustellen, hebt diese Gestalt ins Mythische, gibt dem Empirisch-Historischen eine gewisse Uneigentlichkeit zugunsten seines transzendenten Sinnes. Die Tatsache, daß es sich hier um eine Sonderrichtung in der Geschichtswissenschaft handelt, zeigt wieder, daß die Wissenschaft zwar eigentümliche Sinngebilde, aber keine Symbole schafft. (Die sekundäre Schicht sprachlicher und schriftmäßiger Zeichensymbole kommt für unsere Frage nicht in Betracht.) Will man dennoch die Sinngebilde von Kunst und Wissenschaft Symbole nennen, so ist dagegen nichts weiter einzuwenden, als daß man dann ein neues Wort für Symbol im engeren Sinne suchen muß. - Die Kategorie des Mythischen schließt also wesenhaft die des Symbolischen ein, und zwar im Unterschied von den übrigen Sinngebieten, die genau in dem Maße Symbolisches aufnehmen, als sie in den Dienst des Mythischen treten. Daß dieser Zusammenhang nie ganz fehlt, hat die Erörterung über den symbolischen Charakter der Stile gezeigt. Der Nachweis, daß die mythischen Symbole gegenständlich unfundiert sind, auch im Sinne einer geistigen Gegenstandsschöpfung, und daß sie eben darum im echten Sinne Symbol sind, bedeutet die Durchbrechung des kritischen Idealismus. An seine Stelle tritt ein transzendenter Realismus. Das im mythischen Symbol Gemeinte ist das Unbedingt-Transzendente, Sein- und Sinn-Gebende, das in gleicher Weise das Sein-an-sich und das Sein-für-uns überschreitet. Von dieser Voraussetzung, die hier nicht weiter erörtert werden kann, soll die weitere Untersuchung der religiösen Symbole ausgehen.

3. Arten des religiösen Symbols Wir unterscheiden zwei Schichten der religiösen Symbole, eine fundierende Schicht, in der die religiöse Gegenständlichkeit gesetzt wird, und die selbst unfundiert ist; und eine fundierte Schicht, die auf jene Gegenstände hinweist. Demgemäß nennen wir die erste Schicht die religiösen Gegenstandssymbole und die zweite Schicht die religiösen Hinweissymbole. Im Mittelpunkt unserer Betrachtung stehen die religiösen Gegenstandssymbole. Auf sie haben alle bisherigen Erörterungen hingeführt. Sie selbst sind wieder mehrfach gegliedert. Die erste und grundlegende Schicht der religiösen Gegenstandssymbolik ist die Welt der göttlichen Wesen und ist nach Brechung des Mythos das „Höchste Wesen": Gott. Die göttlichen Wesen und das 206

höchste Wesen, Gott, sind Vertretungen des im religiösen Akt Letztgemeinten. Sie sind Vertretungen; denn das Unbedingt-Transzendente geht über jede Setzung eines Wesens, auch eines höchsten Wesens, hinaus. Sofern ein soldies gesetzt ist, ist es im religiösen Akt auch wieder aufgehoben. Diese Aufhebung, dieser dem religiösen Akt immanente Atheismus ist die Tiefe des religiösen Aktes. Wo sie verlorengeht, entsteht eine Vergegenständlichung des Unbedingten, nie Gegenständlichen, die zerstörend ist ebenso für das religiöse wie für das geistige Leben. Es entsteht ein „Ding" mit widerspruchsvollen Merkmalen, das in Wahrheit ein „Unding" ist und dessen Setzung zu einem religiösen Werk, zu einem Opfer, zu einer Askese und Selbstzerstörung des Geistes wird. Es ist die religiöse Funktion des Atheismus, immer wieder daran zu erinnern, daß es im religiösen Akt um das Unbedingt-Transzendente geht und daß die Vertretungen des Unbedingten nicht Gegenstände sind, über deren Dasein oder Nichtdasein eine Diskussion möglich wäre. Dieses Schweben zwischen Setzung und Aufhebung des religiösen Gegenstandes drückt sich im lebendigen Gottesgedanken unmittelbar aus. Zwar der religiöse Akt meint, was er meint, eigentlich. Er meint Gott, aber im Worte „Gott" schwingt ein doppeltes: das Unbedingt-Transzendente, Letztgemeinte, und ein irgendwie gedachtes Objekt mit Eigenschaften und Handlungen. Das erste ist nicht uneigentlich, ist nidit symbolisch, sondern ist eigentlichst das, was es sein soll. Das zweite dagegen ist in der Tat symbolisch, uneigentlich. Dieses zweite aber macht den anschaulichen Inhalt des religiösen Bewußtseins aus. Die Vorstellung eines höchsten Wesens mit bestimmten Eigenschaften steht vor dem Bewußtsein. Aber es steht bei dem Hören des Wortes „Gott" auch dieses im Bewußtsein, daß diese Vorstellung uneigentlich ist, daß sie keinen Gegenstand begründet, daß sie überstiegen werden muß. Das Wort „Gott" läßt also im Bewußtsein einen Widerspruch erscheinen zwischen einem uneigentlich Gemeinten, das Bewußtseinsinhalt ist, und einem eigentlich Gemeinten, das von diesem Inhalt vertreten wird. Im Wort „Gott" ist enthalten zugleich das Vertretende, und dieses, daß es ein Vertretendes ist. Es hat die Eigentümlichkeit, seinen eigenen Vorstellungsinhalt zu transzendieren: darauf beruht der numinose Charakter, den das Wort trotz alles gegenständlichen Mißbrauchs in Wissenschaft und Leben hat. Gott als Gegenstand ist eine Vertretung des im religiösen Akt Letztgemeinten, aber im Worte „Gott" ist diese Gegenständlichkeit zugleich negiert, dieser Vertretungscharakter mitgemeint. Die zweite Gruppe der religiösen Gegenstandssymbole enthält die Bestimmungen über Wesen und Handlungen Gottes. Hier ist Gott als Gegenstand vorausgesetzt. Und doch haben diese Bestimmungen ein 207

Element in sich, das aüf die Uneigentlidikeit jener Voraussetzung hinweist. Es kommt religiös und theologisch in dem Bewußtsein um den Gleichnischarakter aller Gotteserkenntnis zum Ausdruck. Die Frage nach der Realität und realen Unterschiedenheit der Eigenschaften Gottes weist gleichfalls darauf hin, daß es sich hier um Symbole handelt. Damit ist keineswegs gesagt, daß es diesen Aussagen an Wahrheit mangelt, oder daß die Symbole beliebig austauschbar sind. Echte Symbole sind überhaupt nicht austauschbar, und richtige Symbole geben zwar keine gegenständliche, aber eine wahre Erkenntnis. Darum zweifelt das religiöse Bewußtsein auch nidit an der Möglichkeit wahrer Gotteserkenntnis. Das Kriterium der Wahrheit eines Symbols kann natürlich nicht der Vergleich mit der Wirklichkeit sein, auf die es hinweist, wenn diese Wirklichkeit gerade das schlechthin Unfaßbare ist. Die Wahrheit eines Symbols ruht in seiner inneren Notwendigkeit für das symbolschaffende Bewußtsein. Zweifel an seiner Wahrheit zeigen eine Änderung des Bewußtseins, eine neue Stellung zum UnbedingtTranszendenten an. Das einzige Kriterium, das überhaupt in Frage kommt, ist dieses, daß das Unbedingte in seiner Unbedingtheit rein erfaßt wird. Ein Symbol, das dieser Anforderung nicht genügt, das ein Bedingtes zur Würde des Unbedingten erhebt, ist zwar nicht unrichtig, aber dämonisch. Die dritte Gruppe der gegenständlichen Symbole sind die natürlichen und historischen Objekte, die als heilige in die Sphäre der religiösen Gegenstände einbezogen und dadurch zu religiösen Symbolen werden. Im Vordergrund stehen die historischen Persönlichkeiten, die Gegenstand eines religiösen Aktes geworden sind. Es würde dem religiösen Bewußtsein freilich durchaus widersprechen, wollte man sie, ihre Handlungen und Widerfahrnisse Symbole nennen. Denn gerade auf der historischen Realität, auf der Eigentlidikeit im gegenständlichen Sinne beruht die Eigenart dieser Inhalte des religiösen Bewußtseins. Symbolismus gegenüber dieser Welt des Gegenwärtig-Heiligen wäre Bestreitung seiner Gegenwart und damit Aufhebung seiner Existenz. Und doch ist diese Bestreitung unvermeidlich, sobald jene heiligen Wirklichkeiten im Sinne rationaler Gegenständlichkeit aufgefaßt werden. Denn im Zusammenhang der rationalen Dingwelt haben sie keinen Platz. Und wenn es möglich wäre, ihnen etwa mit Hilfe des Okkultismus einen solchen zu geben, so würde damit doch nicht erreicht sein, was der religiöse Akt meint: Anschauung des Unbedingt-Transzendenten. Es ist also nicht nur so, daß sie in der Gegenstandswelt keinen Platz haben, sondern so, daß sie ihn um ihrer selbst willen nicht einmal haben dürfen. Das bedeutet aber: jene heiligen Wirklichkeiten 208

sind nicht empirisch, wenn sie auch nur am Empirischen zu schauen sind. Das heißt, sie sind Symbole, sie vertreten die Gegenwärtigkeit des Unbedingt-Transzendenten in der Erscheinung. D a ß diese Gegenwärtigkeit als empirischer Vorgang (etwa die Auferstehung) angeschaut wird, ist die Uneigentlichkeit, die jeder Vergegenständlichung des Transzendenten anhaftet. Man hat darum ein Recht zu sagen, daß ζ. B. Christus oder Buddha Symbole sind, sofern in ihnen das Unbedingt-Transzendente angeschaut werden kann. Aber sie sind Symbole, die zugleich eine empirisch-historische Seite haben und in deren Symbolsinn das Empirische enthalten ist. Darum schwingen in ihrem Namen beide Seiten, die empirische und die transzendente, und darauf beruht ihre Symbolkraft. Es gilt für sie das gleiche wie für den Gottesnamen: sie sind symbolisch, aber so, daß darin zugleich - hier die empirische, dort die transzendente - in beiden Fällen die unsymbolische Realität zum Ausdruck kommt. Es ist die Aufgabe der historischen Kritik, die der atheistischen Kritik parallel läuft, zu verhindern, daß diese Gruppe von Symbolen der falschen Vergegenständlidiung anheimfällt. Es ist die religiöse Größe der Leben-Jesu-Forschung, daß sie diese Aufgabe gelöst, das Empirische in die Fragwürdigkeit gerückt, das Symbolische in seiner Bedeutung aufgedeckt hat. Niemals möglich ist es dagegen, mit Hilfe der historischen Kritik das Symbol zu ändern oder neu zu schaffen. Auch diese Gruppe von Symbolen kann allein gerichtet werden nach dem Maßstab der Ausdruckskraft für das Unbedingt-Transzendente. Ihr Werden und Vergehen ist Sache des religiösen, nicht des wissenschaftlichen Bewußtseins. Die dritte Gruppe der religiösen Gegenstandssymbolik leitet über zu derjenigen Symbolschicht, die wir als Hinweissymbole bezeichnet haben. Es ist die ungeheuer breite Schicht der Zeichen und Ausdruckshandlungen, die einen Hinweis auf die religiösen Gegenstände der ersten Schicht enthalten. Man kann die ganze Schicht aufteilen in Ausdruckssymbole des religiösen Handelns und Ausdruckssymbole der religiösen Anschauung. Zur ersten Schicht gehören ζ. B. alle kultischen Gebärden, zur zweiten alle bildhaften Symbole wie Kreuz, Pfeile und dergleichen. Eine Bearbeitung dieser Symbolschicht käme einer Erscheinungslehre der Religion überhaupt gleich. Sie ist zur Zeit überhaupt nicht durchführbar. Nur eine für das Prinzipielle wichtige Bemerkung mag an dieser Stelle Platz finden. Alle diese Symbole können aufgefaßt werden als depotenzierte Gegenstandssymbole der dritten Gruppe. Sie alle hatten ursprünglich mehr als hinweisende Bedeutung. Sie waren heilige, mit magisch-sakramentaler Kraft geladene Gegenstände oder Handlungen. In dem Maße, in dem sie zugunsten der unbedingten

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Transzendenz einerseits, der Verdinglichung der Wirklichkeit andererseits ihre magisch-sakramentale Kraft verloren, sanken sie in die Schicht der hinweisenden Symbole herab. Ganz ist dieser Prozeß niemals zu Ende gekommen. Der Konservatismus des religiösen Bewußtseins hat selbst in radikal-kritischen Religionen wie Judentum und Protestantismus magisch-sakramentale Wirklichkeitsanschauung bewahrt. Von den übrigen großen Religionsformen zu schweigen. Und auch in den bloßen Hinweissymbolen klingt, solange sie lebendig sind, etwas nach von ihrer ursprünglichen sakralen Mächtigkeit. Geht diese ganz verloren, so ist es nicht mehr berechtigt, von Symbolen zu reden; es tritt dann an die Stelle des Symbols die konventionelle Zeichensprache, die von der religiösen Kunst in die rein ästhetische Sphäre gehoben werden kann. Und diesen Weg können, wie die Geschichte gezeigt hat, nicht nur gottheitliche Zeichen und Attribute, sondern ebenso gottheitliche Wesen selbst geben. Diese Beobachtung führt zu dem Ergebnis, daß die zweite Schicht der religiösen Symbole, die Hinweissymbole, eine Ubergangserscheinung sind. Und das liegt im Wesen der Sache begründet. Solange sie erfüllt sind von sakraler Mächtigkeit, richtet sich der religiöse Akt auf sie. Hört der religiöse Akt auf, sich auf sie zu richten, d. h. verlieren sie ihre sakrale Mächtigkeit, so sinken sie zu Zeichen herab. Dieser Übergang jedoch macht eine so breite Schicht des wirklichen religiösen Lebens aus, daß es begründet ist, ihm einen besonderen Platz anzuweisen. Jedenfalls geht daraus hervor, daß das eigentliche religiöse Symbol das Gegenstandssymbol ist, das in seinen drei Gruppen das Unbedingt-Transzendente vertritt.

4. Werden und Vergehen der religiösen Symbole Die religiösen Symbole werden geschaffen im religionsgeschichtlichen Prozeß. Der innere Antrieb des religionsgeschichtlichen Prozesses hat sich bei Betrachtung des Mythos enthüllt. Es ist die Doppeltendenz zur religiösen Transzendenz und zur kulturellen Vergegenständlichung. Die religiöse Kritik stellt sich dar in dem Gegensatz von Göttlichem und Dämonischem. In ihr werden ununterbrochen religiöse Symbole ins Dämonische gedrängt. Ihre Realität wird zunächst nicht aufgehoben, aber sie wird abgeschwächt, die eigentliche Symbolkraft lebt in der Sphäre des Göttlichen. Die so abgeschwächten dämonischen Symbole können noch eine lange Dauer haben, irgendwann pflegen sie zurückzutreten, zu bloßen Zeichen zu werden oder gänzlich zu verschwinden. - Die wissenschaftliche Kritik hat in sich selbst nicht die Kraft, 210

religiöse Symbole zum Schwinden zu bringen. Wo sie scheinbar diese Kraft zeigt, ist schon ein Bruch im religiösen Bewußtsein vorhergegangen. Wo die wissenschaftliche Kritik wirksam ist, führt sie nicht zu einer Dämonisierung, sondern zu einer Profanisierung der Symbole. Das entscheidende Mittel zur Profanisierung von Symbolen ist die Aufdeckung ihres Symbolcharakters. Aus diesem Grunde wehrt sich das religiöse Bewußtsein ständig gegen die Anwendung des Symbolbegriffs auf seine Gegenstände. Daran wird audi nichts geändert durch den Nachweis, daß das Symbol durchaus realitätshaltig sein kann, ja wesensmäßig ist. Das Schwebende, das durch den Symbolbegriff in alle Gegenstände kommt, auf die er angewandt wird, kann von dem religiösen Realitätsgefühl nur als Entwirklichung empfunden werden. Damit ist die Frage gestellt, was in der gegenwärtigen Geisteslage religiöses Symbol sein oder werden kann. Fast durchweg liegen die Dinge so, daß die Inhalte der wissenschaftlichen Begriffsbildung die unmittelbare Uberzeugungskraft haben, die sie geeignet sein läßt, Symbole zu werden. Daß in den Schichten höchster Bildung diese Gewißheit erschüttert ist, der mythische Charakter dieser Begriffe erkannt ist, ändert selbst hier meistens nicht viel an der selbstverständlichen Symbolkraft dieser Begriffe. Die religiösen Symbole dagegen, also grundlegend der Gottesgedanke, hat durch seinen vergegenständlichenden Mißbrauch in solchem Maße an Symbolkraft eingebüßt, daß er weithin eher als eine Verhüllung des Unbedingt-Transzendenten, denn als ein Symbol für dasselbe empfunden wird. Der Nachweis seines ungegenständlich-symbolischen Charakters hat nur da Aussicht auf Wirkung, wo jener Klang der unbedingten Transzendenz im Worte „Gott" noch gehört werden kann. Wo das nicht der Fall ist, kann der Aufweis des Symbolcharakters der Vorstellungsinhalte im Gottesgedanken nur die Entmächtigung fördern. Diese überaus gefahrvolle Lage der religiösen Symbole kann zu dem Wunsch führen, symbollos von dem im Symbol Gemeinten zu reden. Das kann natürlich nicht bedeuten, daß man jenseits aller Symbole das Unbedingt-Transzendente selbst anschauen will. Es bedeutet vielmehr umgekehrt, daß man die Wirklichkeit nicht mehr zum Material für Symbole benutzen will, sondern sie selbst unmittelbar anschauen und so von ihr reden, daß ihr Stehen in und vor dem Unbedingt-Transzendenten unmittelbar zum Ausdruck käme. Zweifellos wäre dieses das höchste Ziel einer theologischen Arbeit: den Punkt zu finden, wo die Wirklichkeit selbst unsymbolisch zugleich von sich selbst und dem Unbedingten spricht, den Punkt zu finden, wo die Wirklichkeit selbst ohne Symbol zum Symbol wird, wo der Gegensatz von Wirklichkeit und 211

Symbol aufgehoben ist. Wäre das möglich, so würde damit die tiefste Forderung des religiösen Bewußtseins selbst erfüllt sein: die Aufhebung des Religiösen als eines Gesonderten. Das bedeutet nidit etwa, daß die Religion sidi auflösen sollte in künstlerische oder wissenschaftliche Anschauung der Wirklichkeit, sondern gemeint ist ein unmittelbares Reden von den Dingen, sofern sie uns unbedingt angehen, sofern sie im Transzendenten stehen. Aber gegen diesen Gedanken, der namentlich in der Gegenwart eine ungeheure Entlastung des religiösen Bewußtseins bedeuten würde, eine Befreiung von der Last fragwürdiger Symbolik, erhebt sich ein schwerwiegender Einwand: Voraussetzung eines unmythischen Redens vom Unbedingt-Transzendenten ist die religiöse Möglichkeit, gleichsam durch die Wirklichkeit hindurchzureden. Diese Möglichkeit aber setzt eine in Gott stehende Wirklichkeit voraus, d. h. diese Wirklichkeit ist eschatologisch und nicht gegenwärtig. Für die Gegenwart gilt, daß bestimmte Wirklichkeiten mit Symbolkraft über die anderen gestellt werden müssen und in diesem Darüberstehen Ausdruck dafür sind, daß die Wirklichkeit an sich nicht im Unbedingten steht. Nur sofern das eschaton im Gegenwärtigen als lebendige Macht wirkt, könnte diese Macht zu Worten führen, in denen die Wirklichkeit nicht überschritten ist, sondern in der Wirklichkeit durch die Wirklichkeit hindurchgesprochen wird. Wo diese Möglichkeit Wirklichkeit wird, da ist das religiöse Symbol nicht aufgelöst, sondern aufgehoben.

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DAS W E S E N DER RELIGIÖSEN SPRACHE

In Europa wie in Amerika ist heute eine heftige Diskussion über die Bedeutung der Symbole im Gange. Sie ist ein Symptom dafür, daß wir in der Theologie, in der Philosophie und in den ihnen verwandten Wissenschaftsgebieten in eine Sprachverwirrung geraten sind, die bisher in der Geschichte kaum erreicht wurde. Die Worte vermitteln uns nidit mehr den Sinn, den sie ursprünglidi hatten und den sie uns übermitteln sollten. Zum Teil liegt dies daran, daß unsere Periode kein sprachliches „clearing house" entwickelt hat, wie es die mittelalterliche Scholastik war, wie es die protestantische Scholastik des 17. Jahrhunderts wenigstens zu sein versuchte und wie es Philosophen wie Leibniz und Kant gern neu errichtet hätten. Wir haben nichts Entsprechendes, und wir begrüßen daher die Bemühungen der symbolischen, analytischen und semantischen Logistiker unserer Tage, die es versuchen, reinigend auf die Sprache einzuwirken. Das Unbefriedigende daran ist, daß dieses heutige „clearing house" einem sehr kleinen Raum gleicht, eher dem Winkel eines Hauses als einem ganzen Haus. Der größte Teil des Lebens bleibt draußen. Doch könnte es brauchbar gemacht werden, wenn es audi für jene Wirklichkeitsschichten in Anspruch genommen würde, die über die reine Logik hinausgehen. Das positive Ergebnis dieser Bemühungen ist, daß wir durch sie etwas Wichtiges wiederentdeckt haben: Es gibt Wirklichkeitssdiichten, die qualitativ so verschieden sind, daß man sie nur mit verschiedenen sprachlichen Systemen erfassen kann. Nicht alles Wirkliche kann ζ. B. durch die Sprache der mathematischen Wissenschaften erfaßt werden. Die Einsicht in diese Situation ist die positive Seite der Tatsache, daß das Symbol-Problem wieder ernst genommen wird. I. Wir wollen den Versuch machen, selbst möglichst weitgehende Begriffsklärungen vorzunehmen, und zwar nach fünf Gesichtspunkten. Der erste ist das Problem „Symbol und Zeichen". In einer entscheidenden Hinsicht sind Symbole und Zeichen einander gleich: beide weisen 213

auf etwas hin, das außerhalb ihrer selbst liegt. Das typische Zeichen, ζ. B. das rote Licht beim Straßenübergang, weist nicht auf sich selbst hin, sondern drückt den Befehl aus, daß die Fahrzeuge halten sollen. Auch jedes Symbol weist über sich hinaus und auf eine Wirklichkeit hin, die es vertritt. Diese teilweise Identität von Symbol und Zeichen hat zur Folge gehabt, daß beide Begriffe seit Jahrhunderten verwechselt werden. Deshalb ist der erste Schritt zur Klärung des Symbolbegriffs, es vom Zeichen zu unterscheiden. Dies ist der fundamentale Unterschied: Zeichen haben keinen Anteil an der Wirklichkeit und Mächtigkeit dessen, was sie bezeichnen. Symbole - obwohl sie selbst nidit dasselbe sind, was sie symbolisieren partizipieren an Sinn und Macht dessen, was sie symbolisieren. Geschriebene Buchstaben, etwa ein „ A " oder ein „ R " , haben keinen Anteil am Klang, auf den sie hinweisen. Im Gegensatz dazu partizipiert die Fahne an der Macht des Königs oder der Nation, für die sie weht und die sie symbolisiert. Deshalb streitet man sich von jeher darüber, wie man sich in Gegenwart der Fahne zu verhalten habe. Das wäre sinnlos, wenn die Fahne als Symbol nicht an der Macht des Symbolisierten teilhätte. Die ganze Idee der Monarchie ist unverständlich, wenn man nidit begreift, daß der König immer zweierlei ist: einerseits das Symbol für die Macht der Nation, dessen König er ist, andererseits die Instanz selbst, die diese Macht - wenn auch beschränkt - ausübt. Allerdings sind unsere Bemühungen, ein „clearing house" für die Begriffe Symbol und Zeichen zu finden, dadurch gefährdet, daß die Mathematiker den Ausdruck „Symbol" für das mathematische Zeichen verwandt haben. Das macht die Entwirrung der Verwirrung fast unmöglich. Wir helfen uns damit, daß wir Zeichen, die fälschlich Symbole genannt werden, und echte Symbole unterscheiden. Die Sprache selbst liefert ein gutes Beispiel für den Unterschied von Zeichen und Symbol. Die Worte einer Sprache sind Zeichen für einen von ihnen ausgedrückten Sinn. Das Wort „Schreibtisch" ζ. B. weist als Zeichen auf etwas von ihm ganz Verschiedenes hin, auf den Gegenstand nämlich, auf dem das Papier liegt und worauf wir blicken können. Dieser Gegenstand an sich hat nichts mit dem Wort „Schreibtisch", mit diesen zwölf Buchstaben, zu tun. Es gibt jedoch in jeder Sprache Worte, die mehr als Zeichen sind, die in dem Augenblick zu Symbolen werden, in dem sie Assoziationen erhalten, die über das hinausgehen, worauf die Worte als Zeichen hinweisen. Diese Unterscheidung ist für jeden Redner wichtig. Er kann sich fast vollständig in Zeichen ausdrücken, indem er den Sinn seiner Worte quasi in mathematische Zeichen zu fassen versucht- eine Reduktion, die für den logischen Positivisten das ab-

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solute Ideal ist. Audi das Umgekehrte ist möglich: der Redner kann die Worte als Symbole gebrauchen, in denen sie, wie etwa in der liturgischen und poetischen Sprache, oft seit vielen Jahrhunderten ihre eigene Mächtigkeit besitzen. Solche Worte erzeugen Assoziationen an die Situationen, in denen sie vorher gebraucht wurden und mit denen sie so verhaftet sind, daß sie nicht ersetzt werden können. Sie sind nidit nur Zeichen, die auf einen definierten Sinn hinweisen, sondern sie stehen als Symbole für eine Wirklichkeit, an deren Mäditigkeit sie teilhaben. II. Unsere zweite Überlegung befaßt sich mit den „Funktionen der Symbole". Die erste, die repräsentative Funktion, ist in dem bereits Gesagten enthalten. Das Symbol repräsentiert etwas, was es nicht selbst ist, das es aber vertritt und an dessen Mächtigkeit und Bedeutung es teilhat. Das ist die jedem Symbol zugrunde liegende Funktion, und man könnte sogar „symbolisch" mit „repräsentativ" übersetzen, wenn das Wort nicht sehr oft in ganz anderer Beziehung gebraucht würde. Wenn die Symbole etwas repräsentieren, was sie selbst nicht sind, erhebt sich die Frage: Wieso haben wir das, was sie repräsentieren, nicht direkt? Wozu brauchen wir überhaupt Symbole? Damit kommen wir zu der wohl wichtigsten Funktion des Symbols. Es soll uns die Wirklichkeitsschichten eröffnen, die sonst verborgen sind und die auf keine andere Weise sichtbar gemacht werden können. Jedes Symbol eröffnet eine Wirklichkeitsschicht, die der niditsymbolischen Redeweise unzugänglich ist. Man kann das an Hand der künstlerischen Symbole näher erläutern: J e mehr wir in die Bedeutung der Symbole eindringen, desto mehr erkennen wir, daß in der Kunst - in der Dichtung, in Malerei und Musik - Wirklichkeitssdiichten aufgedeckt werden, die anderweitig nicht sichtbar werden. Insofern die Kunst diese Funktionen erfüllt, können wir von ihr sagen, daß sie symbolischen Charakter hat. Nehmen wir ζ. B. eine Landschaft von Rubens: Ein bestimmtes Erlebnis wird nur durch dieses von Rubens geschaffene Gemälde vermittelt. Die Landschaft mag etwas Heroisches haben, eine charakteristische Komposition, bestimmte Farben in bestimmter Verteilung und Ausgewogenheit. All das ist äußerlich. Aber was diese Elemente vermitteln, kann in keiner anderen Weise erfahren werden als nur durch das Gemälde selbst. Dasselbe gilt für das Verhältnis von Dichtung und Philosophie. Die Versuchung liegt oft nahe, die dichterischen Symbole durch philosophische Begriffe zu ersetzen. Aber der Sinn der Dichtung wird dadurch verfälscht. Denn die philo215

sophische oder die wissenschaftliche Sprache vermitteln nidit dasselbe wie die unverfälschte poetische Sprache. Das erwähnte Beispiel mag zeigen, was mit „Eröffnen von 'Wirklichkeitsschichten'* gemeint ist. Damit dies geschehen kann, müssen auch die Schichten unserer Seele, unserer inneren Wirklichkeit, geöffnet werden. Sie müssen mit den Schichten der äußeren Wirklichkeit, die durdi das Symbol eröffnet werden, korrespondieren. So wirkt jedes Symbol in zwei Richtungen: es öffnet tiefere Schichten der Wirklichkeit und der Seele. In Hinsicht auf diese Funktion der Symbole wird deutlich, daß sie sich nicht durch andere, mehr oder weniger adäquate Symbole ersetzen lassen. Das unterscheidet sie von den Zeichen, die ausgewechselt werden können. Hielte man etwa ein blaues Licht für wirkungsvoller als ein grünes, dann könnte das grüne Licht durch das blaue Licht ersetzt werden, und nichts hätte sich an der Funktion des Zeichens geändert. Aber ein Symbol kann nicht ersetzt werden, wenn es in seiner ihm eigenen Funktion gebraucht wird. Daher ist die Frage berechtigt: Auf welche Weise entstehen Symbole, und wie vergehen sie? Im Untersdiied zu den Zeichen werden Symbole geboren und sterben. Zeichen können eingeführt und wieder entfernt werden. Darin liegt ihr fundamentaler Unterschied zu den Symbolen. Aus welchem schöpferischen Grund werden die Symbole geboren? Sie stammen aus dem, was heute allgemein das „kollektive Unbewußte" genannt wird. Sie sind nicht absichtlich erfunden worden, sondern in einer Gruppe enstanden, die in diesem besonderen Symbol, diesem Wort, dieser Fahne oder was immer es sein mag, ihr eigenes Sein wiedererkennt. Und selbst, wenn jemand, wie es manchmal geschieht, versuchen würde, ein neues Symbol zu erfinden, kann er nur dann Erfolg haben, wenn das Unbewußte einer Gruppe es akzeptiert. Das bedeutet, daß das Symbol etwas in dem eben beschriebenen Sinn aufgedeckt hat. Das schließt ferner ein, daß das Symbol in dem Augenblick stirbt, in dem die innere Beziehung der Gruppe zu dem Symbol aufhört. Das Symbol „sagt" dann nichts mehr „aus". Auf diese Weise starben die Symbole des Polytheismus. Sie waren in einer Situation geboren, die später nicht mehr bestand. Deshalb mußten sie sterben. In diesen Vorgängen spielt absichtliche Erfindung keine Rolle.

III. In einer dritten Überlegung wollen wir uns mit dem „Wesen der religiösen Symbole" befassen. Wie alle anderen decken die religiösen 216

Symbole eine verborgene Wirklichkeitsschicht auf, die auf keine andere Weise sichtbar gemacht werden kann. Es ist die Tiefendimension der Wirklichkeit selbst, nidit eine Schicht neben anderen, sondern die fundamentale, die allen anderen zugrunde liegende Schicht, die des Seins-Selbst oder die der letzten Seinsmächtigkeit. Die religiösen Symbole ermöglichen der menschlichen Seele die Erfahrung dieser Dimension der Tiefe. Wenn ein religiöses Symbol diese Funktion nicht mehr erfüllt, stirbt es. Neue Symbole entstehen aus einer veränderten Beziehung des Menschen zum letzten Seinsgrund, d. h. zum Heiligen. Die Dimension der letzten Wirklichkeit ist die Dimension des Heiligen, weshalb wir die religiösen Symbole Symbole des Heiligen nennen können. Unserer Definition gemäß haben sie an der Heiligkeit des Heiligen teil. Doch Teilhabe ist keine Identität. Symbole sind nicht selbst das Heilige. Was unbedingt transzendent ist, läßt jedes Symbol seiner selbst hinter sich. Religiöse Symbole sind dem unbegrenzten Material der erfahrbaren Wirklichkeit entnommen. Fast alle Formen des Daseins sind irgendwann in der Geschichte der Religion zum Symbol geworden. Das ist nicht überraschend, weil in der Welt, der wir begegnen, alles auf dem letzten Seinsgrund ruht. Daraus gewinnen wir einen Schlüssel zum Verständnis der sonst so verwirrenden Geschichte der Religion. Die zentrale Einsicht ist, daß alles Wirkliche zum Symbolträger werden kann und daß die Auswahl des Materials von dem speziellen Verhältnis des menschlichen Geistes zu seinem letzten Seins- und Sinngrund abhängt. U m die anscheinend verschlossene T ü r zu dem Chaos der religiösen Symbole zu öffnen, braucht man nur zu fragen: Welche Beziehung haben diese Symbole zum Letzten, Unbedingten, das durch sie symbolisiert wird? Dann hören sie auf, phantastisch und unverständlich zu sein, sie werden die aufsdilußreichsten, echtesten und mächtigsten Schöpfungen des menschlichen Geistes, die das Bewußte, vielleicht sogar das Unbewußte im Menschen beherrschen und die deshalb die gewaltige Beharrlichkeit haben, die f ü r alle Symbole in der Religionsgeschichte charakteristisch ist. Wie alles im Leben unterliegt auch die Religion dem Gesetz der Zweideutigkeit, jener Zweideutigkeit, die gleichzeitig schöpferisch und zerstörerisch ist. Religion ist zugleich heilig und unheilig, was aus dem bisher über den religiösen Symbolismus Gesagten verständlich wird. Die religiösen Symbole weisen auf das hin, was sie alle transzendiert. D a sie aber als Symbole an dem teilhaben, auf das sie hinweisen, setzt sie der menschliche Geist an die Stelle dessen, worauf sie hinweisen sollen, und verabsolutiert sie. In dem Augenblick, wo das geschieht, wer217

den sie zu Götzen. Götzendienst ist nichts anderes als die Verabsolutierung der Symbole des Heiligen und ihre Identifizierung mit dem Heiligen selbst. Auf diese Weise können z.B. heilige Personen zu Götzen werden. Kultische Handlungen können Unbedingtheitsanspruch erlangen, obwohl ihre Entstehung an bestimmte geistige Situationen gebunden ist. Alle sakramentalen Handlungen, alle heiligen Gegenstände, Bücher und Lehrsätze unterliegen dieser Gefahr, die wir „Dämonisierung" nennen wollen. Sie werden in dem Augenblick dämonisch, in dem sie Unbedingtheitscharakter erlangen und dadurch mit dem Heiligen auf eine Stufe erhoben werden.

IV. In der vierten Betrachtung geht es um die „Schichten der religiösen Symbole". Wir unterscheiden zwei grundlegende Sdiichten, die transzendente, die über die empirische Wirklichkeit hinausgeht, und die immanente, die wir innerhalb der uns begegnenden Wirklichkeit finden. Wir wollen zuerst die transzendente Schicht betrachten. Ihr grundlegendes Symbol ist das Wort „Gott". Aber wir können nicht einfach sagen, daß Gott ein Symbol ist, sondern wir müssen immer auf zweifache Weise von ihm reden - nichtsymbolisch und symbolisch. Wenn wir nichtsymbolisch reden, sagen wir, daß er die letzte Wirklichkeit, das Sein-Selbst, der Grund des Seins, die Macht des Seins ist. Wenn wir symbolisch reden, nennen wir ihn das höchste Wesen, in dem alles Endliche in höchster Vollkommenheit vereinigt ist. Es ist widitig, diese zwei Elemente im Gottesbegriff zu unterscheiden. Diese Unterscheidung beendet die unfruchtbare Diskussion, ob Gott Person ist oder nicht. Solche Diskussionen wirken religiös zerstörerisch durch falsche Interpretation der religiösen Erfahrung. Wir können ihnen entgegenhalten: Wenn man vom „Unbedingten" spricht, so meint man das, wovon man spricht, im eigentlichen Sinne. Man könnte es mit den Scholastikern das Sein-Selbst (esse qua esse, esse ipsum) nennen. Eine solche Aussage ist nicht-symbolisch. Aber in unserer Beziehung zum Unbedingten müssen wir symbolisch reden. Wir könnten nie in Kommunikation mit Gott treten, wenn er nur das „Sein-Selbst" wäre. In unserer Beziehung zu ihm begegnen wir ihm in der höchsten Stufe unseres Seins: als Person. Es wird also in der symbolischen Redeweise über Gott zweierlei ausgesagt: Er ist das, was unsere Erfahrung des Person-Seins unendlich transzendiert, und zugleich das, was unserm Person-Sein so adäquat ist, daß wir „DU" zu ihm sagen und zu 218

ihm beten können. Beide Elemente müssen erhalten bleiben. Haben wir nur das Element des Unbedingten, so ist keine Beziehung zu Gott möglich. Bleibt nur die Ich-Du-Beziehung, wie wir heute sagen, so verlieren wir das Element des Göttlidien, des Unbedingten, das Subjekt und Objekt und alle anderen Polaritäten transzendiert. Dies ist das erste Element der transzendenten Schicht. Beim zweiten Element handelt es sich um die Attribute Gottes, um das, was über ihn ausgesagt werden kann: daß er Liebe, Barmherzigkeit und Kraft sei, allwissend, allgegenwärtig und allmächtig. Diese Attribute haben wir von unseren eigenen Eigenschaften entlehnt. Sie können daher nicht buchstäblich auf Gott angewandt werden. Tut man es, so führt es zu unzähligen Absurditäten, die eine der Ursachen für das Mißtrauen gegenüber der Religion sind. Der symbolische Charakter dieser Eigenschaften muß erhalten bleiben, andernfalls wird alles Reden über das Göttliche absurd. Ein drittes Element der transzendenten Schicht befaßt sich mit den Handlungen Gottes. Wir sagen z . B . : Er hat die Welt erschaffen; er hat seinen Sohn gesandt, er wird die Welt vollenden. In all diesen temporalen, kausalen und ähnlichen Ausdrucksweisen sprechen wir ebenfalls symbolisch von Gott. Betrachten wir beispielsweise den einen kurzen Satz: „Gott hat seinen Sohn gesandt." Das Wort „hat" impliziert Zeitlichkeit. Gott aber ist über unserer Zeitlidikeit, obwohl er nicht über jeder Zeitlichkeit ist. Der Satz enthält auch eine Metapher des Raumes. „Jemanden senden" heißt, ihn von einem Ort zum andern bewegen. Audi das ist symbolische Ausdrucksweise, obwohl Räumlichkeit ein Element in Gottes schöpferischem Grund ist. Sagt man weiter, er „hat gesandt", so bedeutet das, wörtlich genommen, daß er etwas verursacht hat. Gott ist dadurch der Kategorie der Kausalität unterworfen. Und wenn wir schließlich von „ihm und seinem Sohn" sprechen, so sprechen wir von zwei verschiedenen Wesen und wenden damit die Kategorie der Substanz auf ihn an. Dies alles ist sinnlos, wenn wir es wörtlich auffassen. Wenn es dagegen symbolisch genommen wird, ist es ein tiefer Ausdruck der christlichen Erfahrung, ja der höchsten christlichen Erfahrung im Hinblick auf das Verhältnis von Gott und Mensdi. Wenn es uns nicht gelingt, den heutigen Menschen klarzumachen, daß wir symbolisch sprechen, wenn wir die oben angegebenen Ausdrücke benutzen, werden sie uns mit Recht ablehnen als Menschen, die noch in abergläubischen und absurden Vorstellungen leben. Als nächstes muß die immanente Schicht, die Schicht der Erscheinungen des Göttlichen in Zeit und Raum, betrachtet werden. Hierbei haben wir es mit den Inkarnationen des Göttlichen zu tun, mit den mannig219

faltigen Wesen, die in Tier- oder Menschengestalt in Zeit und Raum erscheinen. Das wird oft von Christen vergessen, die in theologischen Diskussionen das Wort „Inkarnation" verwenden. Sie vergessen, daß Inkarnationen nicht etwas spezifisch Christliches sind, sondern sich auch ständig im Heidentum ereignen. Das göttliche Sein verkörpert sich in immer verschiedenen Formen. Wir müssen nunmehr die Beziehung zwischen der transzendenten und der immanenten Schicht untersuchen. Historisch gesehen ging der Trennung eine Situation voraus, in der beide nicht unterschieden waren. Im polynesischen „Mana", einer die gesamte "Wirklichkeit durchdringenden mystischen Macht, ist die göttliche Gegenwart beides: immanent in allem als eine verborgene Macht und gleichzeitig transzendent als etwas, das nur durch schwieriges kultisches, allein dem Priester bekanntes Ritual erfaßt werden kann. Aus dieser Identität des Immanenten und des Transzendenten sind die Götter der großen Mythologien in Griechenland, Indien und bei den semitischen Völkern hervorgegangen. Hier finden wir Inkarnation als das immanente Element des Göttlichen. J e transzendenter die Götter werden, um so mehr Inkarnationen sakramentalen oder personhaften Charakters sind nötig, um das allmähliche Verschwinden des Göttlichen, das mit dem Stärkerwerden des transzendenten Elements zunimmt, zu überwinden. Hieraus ergibt sich als zweites Element des immanenten religiösen Symbolismus das Sakramentale. Im Sakramentalen ist etwas Wirkliches unter bestimmten Umständen und in einer bestimmten Art zum Träger des Heiligen geworden. In diesem Sinn ist das Abendmahl, oder besser, sind die Elemente des Abendmahls symbolisch. Daraus erhebt sich die Frage: Sind sie nur symbolisch? Der Frage liegt die Auffassung zugrunde, als gäbe es etwas, das mehr ist als symbolisch, nämlich „buchstäblich". Doch buchstäblich ist nicht mehr, sondern weniger als symbolisch. Wenn wir von den Dimensionen der Wirklichkeit reden, die wir auf keine andere Weise als durch Symbole erreichen können, dann sind Symbole notwendig und allein adäquat, und die Phrase „nur symbolisch" ist eine falsche Redeweise. Man kann sagen, „nur ein Zeichen", aber nicht „nur ein Symbol". Im berühmten Marburger Religionsgespräch von 1529 zwischen Luther und Zwingli ging es in der Diskussion gerade um diesen Punkt. Luther wollte den echt symbolischen Charakter der sakramentalen Elemente aufrechterhalten; Zwingli aber sagte, die sakramentalen Elemente, Brot und Wein, seien „nur symbolisch". Was er in Wirklichkeit meinte, war, daß sie „nur Zeichen" seien, die auf eine in der Vergangenheit liegende Begebenheit hinwiesen. Die semantische Verwirrung bestand also schon 220

damals. Nadi unserer semantischen Klärung jedoch sind die sakramentalen Elemente Symbole. Es gibt noch ein drittes Element in der immanenten Schicht. Viele Dinge, ζ. B. gewisse Gegenstände innerhalb des kirchlichen Raumes: die Kerzen, das Weihwassergefäß, das Kreuz waren ursprünglich nur Zeichen. Dann aber wurden sie durch den Gebrauch zu Symbolen. Wir wollen sie Zeichen-Symbole nennen, d.h. Zeichen, die zu Symbolen wurden. V. Es folgt die Schlußbetrachtung über die „Wahrheit der religiösen Symbole". Hier müssen wir eine negative, eine positive und eine absolute Aussage unterscheiden. Wir beginnen mit der negativen Aussage: Symbole können von empirischer Kritik nicht angetastet werden. Man kann ein Symbol nicht dadurch zerstören, daß man es mit Kategorien kritisiert, die in das Gebiet der Naturwissenschaft oder der Geschichtsforschung gehören. Wie bereits ausgeführt wurde, können Symbole nur sterben, wenn die Situation, in der sie entstanden, nicht mehr existiert. Zwei Beispiele können das verdeutlichen, die sich beide auf die Jungfräulichkeit der Maria, der Mutter Jesu, beziehen. Die Jungfräulichkeit der Maria ist ein Symbol, das im Protestantismus nicht mehr vorhanden ist, weil durch eine veränderte Beziehung zu Gott eine neue Situation entstanden war. Die direkte und unmittelbare Beziehung zu Gott machte eine vermittelnde Instanz unnötig. Ein weiterer Grund für das Sterben dieses Symbols ist die Ablehnung des asketischen Elements, das in der Verherrlichung der Jungfräulichkeit enthalten ist. Solange die protestantische religiöse Situation anhält, kann das Symbol auch nicht zu neuem Leben erweckt werden. Das Symbol ist nicht etwa gestorben, weil die Anhänger des Protestantismus geltend gemacht haben: „Für die Jungfräulichkeit der Maria ist auf empirische Weise keine Begründung zu geben." Wie die katholische Kirche wohl weiß, gibt es eine solche Begründung nicht. Aber die katholische Kirche hält an der Jungfräulichkeit der Maria fest wegen ihrer ungeheuren symbolischen Macht, die sie besonders im letzten Jahrzehnt Stufe um Stufe der Dreieinigkeit nähergebracht hat. Sollte diese Entwicklung noch weiterführen, was nach manchen Diskussionen in einzelnen Gruppen der katholischen Kirche in letzter Zeit anzunehmen ist, dann wird Maria zur Mit-Erlöserin neben Jesus werden. Damit wäre sie, ob zugegeben oder nicht, in die Gottheit hineingenommen. Das zweite Beispiel ist die Geschichte von der Jungfrauen-Geburt 221

Jesu. Vom Standpunkt der historisdien Forschung aus hat diese Erzählung einen eindeutigen legendären Charakter; Paulus und Johannes haben sie nicht gekannt. Sie ist eine späte Schöpfung und versucht, verständlich zu madien, daß Jesus den göttlichen Geist in seiner ganzen Fülle besessen hat. Dodi ist der legendäre Charakter audi hier nicht der Grund dafür, daß dieses Symbol für viele Gruppen von Menschen, sogar für konservative Gruppen innerhalb der protestantischen Kirche, sterben wird oder bereits gestorben ist. Die Ursache ist eine andere: Dieses Symbol steht theologisch an der Grenze des Ketzerischen. Denn es setzt eine der fundamentalen Lehren des Konzils von Chalzedon außer Kraft, die klassische christliche Lehre, daß die volle Menschlichkeit Jesu neben seiner vollen Göttlichkeit bestehen müsse. Ein menschliches Wesen, das keinen menschlichen Vater hat, hat audi keine volle Menschlichkeit. Also muß dieses Symbol aus innersymbolisdien, nicht aber aus historischen Gründen abgelehnt werden. Aus der vorangegangenen Untersuchung folgt das positive Wahrheitskriterium: Die Wahrheit der Symbole liegt darin, daß sie der religiösen Situation, in der sie entstanden sind, entsprechen. Daraus folgt auch das Umgekehrte: Sie werden unwahr, wenn sie in einer Situation gebraucht werden, der sie nicht mehr entsprechen. Uber der negativen und der positiven Aussage über die Wahrheit der Symbole steht die absolute Aussage: Religion ist zweideutig, und jedes religiöse Symbol kann dämonisiert (vergötzt) werden. Es kann zu letzter Gültigkeit erhoben werden, obwohl kein religiöser Lehrsatz und kein religiöser Kult letztgültig ist, sondern nur das Unbedingte selbst letzte Gültigkeit hat. Wenn das Christentum den Anspruch erhebt, in seinem Symbolismus eine Wahrheit zu besitzen, die jeder anderen Wahrheit überlegen ist, so findet es sie im Symbol des Kreuzes, im Kreuz Jesu Christi. Er, der in sich die Fülle göttlicher Gegenwart verkörpert, opfert sich selbst, um nicht ein Götze, ein Gott neben Gott, ein Halbgott zu werden, zu dem seine Jünger ihn gern gemacht hätten. Und deshalb ist der entscheidende Text im Markusevangelium und vielleicht im ganzen Neuen Testament die Geschichte, in der Jesus den ihm von Petrus angebotenen Namen „Christus" nur unter der Bedingung annimmt, daß er nach Jerusalem gehen und dort leiden und sterben müsse. Und das bedeutet, daß er die Vergötzung seiner selbst verneint. Dies ist das Kriterium für alle Symbole, und es ist das Kriterium, dem sich jede christliche Kirche unterwerfen sollte.

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EXISTENTIALANALYSE UND RELIGIÖSE

SYMBOLE

£s ist ein bekanntes gesdiiditlidies Phänomen, daß eine bestimmte Philosophie durch ein Problem geprägt ist, das audi früheren Philosophen nicht unbekannt war, jedoch nicht im Zentrum ihres Denkens stand. Wenn diese Philosophie oder ihre Schulen versicherten, daß die Behandlung eines spezifischen Problems nicht neu für sie sei, so ist das sowohl richtig wie audi unrichtig. Es ist richtig, weil die meisten Probleme und vielleicht sogar die meisten Möglichkeiten zu ihrer Lösung so alt sind wie die philosophische Frage selbst. Und doch ist jene Aussage gleichzeitig falsch, weil das mensdiliche Denken vorwärtsschreitet und alte Probleme neu werden und von der Peripherie ins Zentrum rücken. Genau das ist bei dem Problem der Existenzphilosophie geschehen. Es wurde nach der Renaissance und der Reformation in den Hintergrund gedrängt, genauer gesagt nach dem Sieg des Cartesianismus und theologischen Rationalismus. Erst die moderne Existenzphilosophie hatte die Möglichkeit, die Bedeutung der existentiellen Fragen wieder zu entdecken und sie im Lidit heutiger Erfahrungen und Einsichten neu zu formulieren. Es ist die Absidit der folgenden Ausführungen aufzuzeigen, daß der Zugang zur Erkenntnis religiöser Symbole in einer Zeit, in der die existentiellen Fragen beiseite geschoben wurden oder vergessen waren, weitgehend versperrt war, und weiterhin, daß die Hinwendung zu existentiellen Fragen von vielen Vertretern des 20. Jahrhunderts auf dem Gebiet der Philosophie, der Literatur und der Kunst auch den Zugang zu den religiösen Symbolen neu eröffnet hat. Die religiösen Symbole sind teilweise Ausdrude der menschlichen Situation, mit der sich die Existentialanalyse befaßt, und teilweise sind sie Antworten auf die Fragen, die in dieser Situation enthalten sind. Das erstere gilt, wenn sie vom Menschen und seiner Situation spredien; das zweite, wenn sie sidi auf die Antwort Gottes auf die Fragen beziehen, die sich aus der menschlichen Situation ergeben. Auf jeden Fall hilft die Existentialanalyse zum Verständnis der religiösen Symbole und gibt ihnen für unsere Zeit und für die heutige Philosophie eine neue Bedeutung. Jede Existentialanalyse setzt die Unterscheidung von Essenz und 223

Existenz voraus. Die Begriffe „Existentialanalyse" und „Essentialanalyse" sind Abkürzungen für „Analysen der existentialen Strukturen" und „Analysen der essentialen Strukturen", während die Worte „existentialistisch" und „essentialistisdi" sich auf die entsprechenden Philosophien beziehen. Da die Analyse der existentialen Strukturen eine Analyse der menschlichen Situation ist, so ist der Unterschied zwischen existentialen und essentialen Analysen am deutlidisten hinsichtlich ihrer Lehren vom Menschen. Man hat viele Probleme der mensdilichen Situation im Laufe der Philosophiegeschichte in rein essentialen Begriffen behandelt. Sie alle beschäftigen sich mit der Frage: Was ist das „Wesen" des Menschen? Was ist seine ούσία ? Was macht ihn zu dem, was er in jeder Gestalt ist, die den Namen „Mensch" verdient? Weder Nominalismus noch Prozeßphilosophie, weder philosophischer Empirismus noch Existenzphilosophie können dieser Frage ausweichen. Immer bleibt es eine Aufgabe des Denkens, das Wesen des Menschen in seinen essentialen Strukturen zu bestimmen, sei es in statischen oder dynamischen Begriffen. Die Essentialphilosophie stellt die Frage nach der differentia specified zwischen dem Menschen und der nicht-menschlichen Natur. Wenn sie diese Frage in der Weise beantwortet, daß der Mensch das animal rationale ist, so könnte dagegen geltend gemacht werden, daß diese Bestimmung nicht spezifisch genug, oder daß hier das Wesen des Rationalen nicht genügend definiert sei. Aber die Methode an sich ist korrekt und eindeutig essentialistisdi. Viele Theologen reagieren gegen diese Definition, nicht etwa um sie in dieser oder jener Hinsicht zu verbessern, sondern um die Methode selber im Namen einer angeblich existentialistischen Analyse des Menschen abzulehnen. Sie definieren den Menschen nur von seiner existentialen Beziehung zu Gott her und halten diesen Bezug für das Wesen des Menschen schlechthin. Das ist nur möglich, wenn man den biblischen Begriff der Gottesebenbildlichkeit des Menschen falsch auslegt. In biblischer Sicht bleibt der Mensch trotz seiner Entfremdung von seinem essentialen Sein das Ebenbild Gottes, und zwar wegen seiner leiblichen und geistigen Gaben, die ihm Macht über die Natur verleihen. Das ist eine wichtige Einsicht. Wird sie negiert, so bekommt die neuorthodoxe Theologie die Möglichkeit, alle Beziehungen zur Essentialphilosophie abzuschneiden und alle rationalen Kriterien im theologischen Denken aufzugeben. Die Frage nach der essentialen Natur des Menschen führt weiter zum Leib-Seele-Problem. Wenn wir die verschiedenen monistischen und dualistischen Antworten erörtern, die es auf diese immer aktuelle Frage gibt, und wenn wir selbst versuchen, eine Lösung zu finden, so ist das 224

eine Essentialanalyse. Und wir sollten die Theologen zurückweisen, die diese Essentialanalyse mit existentialen Problemen vermengen. Ihnen geht es um das Problem der Endlichkeit des Menschen und um die Frage nach dem Unendlichen, die in der Endlichkeit einbesdilossen ist. Aber sie antworten mit einer essentialistischen Psychologie, die einen unsterblichen Teil am Menschen postuliert. Diese Vermengung der Bereiche ist der Grund, warum Thomas von Aquin scheitern mußte, als er versuchte, die essentialistische Lehre des Aristoteles von der Seele als der Form des Leibes mit der platonischen Trennung der unsterblichen Seele vom sterblichen Leib zu verbinden. Ein drittes Problem, das in Essentialanalysen der menschlidien Natur erörtert wird, ist die Relation des Individuums zur Gemeinsdiaft. Audi hier wiederum ist die Definition des Aristoteles, daß der Mensch ein zoon politikon sei, sicherlich ihrem Wesen nach eine essentialistische Antwort, die gültig bleibt, wie sehr sie auch erweitert und vervollkommnet werden könnte. Heute wird dieses Problem meist in Martin Bubers berühmter Formulierung als „Ich-Du-Beziehung" behandelt. Diese Formulierung kann in essentialistischem Sinn aufgefaßt werden und zur Erläuterung dafür dienen, daß der Einzelne nur in der Begegnung mit einem anderen Selbst zu seinem eigenen Selbst kommen kann und daß das Selbst in dieser Begegnung zugleich seine Begrenzung erfährt und auf sich selbst zurückgeworfen wird. Deshalb ist alles sittliche und kulturelle Leben des Menschen nur in der Gemeinschaft möglich, in der auch die Sprache entstand. In diesem Sinn ist die wechselseitige Abhängigkeit in der Idi-Du-Beziehung ein Stück Essentialanalyse. Andererseits war es ein Einbruch existentialistischen Denkens, als Buber versuchte, die Essenzen aus der Begegnung von Ich und Du auszuschalten und damit sprachlos zu machen, weil es keine Worte für das absolut Einmalige gibt. Es ist auch eine Verkehrung des Sinnes von Gemeinschaft, wenn Heidegger sie weitgehend als eine „uneigentliche" Form des Daseins darstellt, als Leben im „man". Das Gemeinschaftsleben der Gruppe ist nicht das Ergebnis einer Flucht in „uneigentliches" Sein. Die Essentialphilosophie hat recht, wenn sie derartige Gedanken als einen Einbruch der Existentialphilosophie in ihre Domäne auffaßt. Als letztes Beispiel sei die sittliche Struktur des Menschen genannt. Die Essentialanalyse hat sie entweder, wie ζ. B. Kant, in Formalkategorien beschrieben, die den sittlichen Bereich konstituieren, oder den sittlichen Charakter und seine Tugenden wie Thomas von Aquin dargestellt, oder aber wie Hegel die sittliche Struktur in den Rahmen umfassender Sozialstrukturen eingeordnet. Kierkegaard hat dann Hegel vorgeworfen, daß er die sittliche Problematik des Einzelnen, der die 225

Entscheidung zu fällen hat, außer acht gelassen habe. Aber obwohl Hegel offensichtlich die Strukturen, die den einzelnen Menschen als solchen zum sittlichen Subjekt machen, zu wenig beachtet, kann man ihm keinen Vorwurf daraus machen, daß er im Zusammenhang seiner Essentialanalysen die existentialistische Frage ausließ, die Frage der Angst um die richtige Entscheidung, um die es Kierkegaard ging. Wenn neuorthodoxe Theologen leugnen, daß die Bibel essentialistisch-ethische Partien in der Art des Aristoteles und der Stoiker enthält, so können sie einerseits durch stoische Elemente in den Paulinischen Briefen und andererseits durch die Tatsache widerlegt werden, daß der Gehalt des sittlichen Gesetzes im Neuen Testament niemals verneint worden ist. Nur den Charakter als Gesetz hat es für die verloren, in denen die existentielle Entfremdung überwunden ist. Es kann keine Ethik ohne eine essentialistische Analyse der sittlichen Natur des Menschen und ihrer Strukturen geben. Bisher haben wir Beispiele essentialistisdier Analysen vom "Wesen des Menschen aufgezeigt und gleichzeitig auf die existentialistischen Angriffe auf diese Art des Philosophierens Bezug genommen und die Verwechslung beider Methoden zurückgewiesen. Dabei hat sich ein erster Hinweis ergeben, was existentialistische Analyse ist, nämlich eine Beschreibung des antiessentiellen, d. h. des entfremdeten Zustandes des Menschen und seiner Welt. Im Gegensatz zur Haltung der essentialistischen Philosophie ist die existentialistische Analyse auf die konkrete Situation des Menschen gerichtet, und ihr Ausgangspunkt ist das unmittelbare Bewußtsein des Menschen von seiner Situation. Daher hat die Existentialanalyse diejenigen Elemente innerhalb der Erfahrung zu beschreiben, in denen der Gegensatz zwischen dem, was der Mensch wesenhaft ist, und dem, was er in seinem aktuellen Dasein ist, zum Ausdruck kommt. Die Existentialanalyse spricht ζ. B. von der Endlichkeit, die nur im unmittelbaren Gewahrwerden innerhalb der Situation selbst erfaßt werden kann. Die Endlichkeit ist die Erfahrung meiner Endlichkeit im Gegensatz zu einer Endlichkeit, die ich objektiv wahrnehme. Man könnte hierbei an den Unterschied zwischen der Erfahrung des Todes von jemand anderem und der Vorwegnahme des eigenen Todes denken. Im ersteren Fall handelt es sich um eine objektivierende Erfahrung, im anderen Falle manifestiert sich die eigene existentielle Situation in der Angst. Ein weiteres Beispiel ist die Erfahrung der Schuld. Eine objektivierende essentialistische Analyse liegt dann vor, wenn man verschiedene Typen von Rechtsbrechern beschreibt, oder wenn das Schuldmaß einer kriminellen Handlung erörtert wird. Aber „Schuld" wird zu 226

einem existentialistischen Begriff, wenn sie von innen her erlebt wird als Widerspruch zu dem, was man wesenhaft ist und darum audi sein sollte. „Schuld" ist dann verbunden mit der Angst, das eigene Sein zu verlieren. Ein drittes Beispiel ist die Erfahrung der Sinnlosigkeit. Wir haben oft den mehr oder weniger zutreffenden Eindruck, daß jemand ein leeres und sinnloses Leben führt, ohne daß er sich dessen in vollem Umfang bewußt ist. Von dieser objektivierenden Aussage ganz verschieden aber ist die Erfahrung, in der man sidi selbst von jedem Lebenssinn abgeschnitten und in einer Wüste der Sinnlosigkeit verloren sieht und zugleich die Angst dieses Zustandes fühlt. In diesen Beispielen, denen später weitere hinzugefügt werden sollen, wurde die „existentielle" Angst erwähnt, ein Begriff, der in allem existentialistischen Denken seit Augustin und Pascal eine entscheidende Rolle gespielt hat. Dabei muß man allerdings den Unterschied zwischen Angst und Furdit kennen. Das wichtigste Moment dieser oft diskutierten Unterscheidung besteht darin, daß „Furcht" ein bestimmtes Objekt hat, während die „Angst" kein bestimmtes Objekt hat. In diesem Zusammenhang möchte ich auf einige Symbole der Angst in der Literatur aufmerksam machen. Dantes Schilderungen des Inferno sind Strukturen der Zerstörung im Menschen selbst, d. h. der existentiellen Erfahrung von Entfremdung, Schuld und Verzweiflung. Dante symbolisiert Formen der Verzweiflung in der Gestalt von äußeren Strafen. Wörtlich genommen sind diese Schilderungen ebenso absurd wie die Symbole in Kafkas Romanen „Das Schloß" und „Der Prozeß". Im „Schloß" werden Symbole der Angst vor der Sinnlosigkeit des Lebens dargestellt, im „Prozeß" Symbole der Schuld-Angst. Als Begriff und als Symbol hat die Angst zentrale Bedeutung für die existentialistische Haltung. Im folgenden sollen weitere Beispiele von existentialistisdien Analysen gebracht werden; ihre Darstellung geschieht jedoch in umgekehrter Reihenfolge wie am Anfang, d. h. wir beginnen jetzt mit der essentialistischen Kritik an der Existentialanalyse und bringen hinterher die existentialistische Verteidigung. Die essentialistisdie Kritik wendet sich dagegen, daß im Existentialismus die Angst und verwandte Begriffe zu stark in den Vordergrund treten, und sie lehnt die These ab, daß ein qualitativer Unterschied zwischen diesen Phänomenen und anderen inneren Erfahrungen bestehe. Die sogenannten Existentialanalysen seien, so sagt man, in Wirklichkeit Essential-Analysen mit vorwiegend psychologischem Charakter. Erlebte Angst sei ebenso wie erlebter Zorn, Traurigkeit oder 227

Freude Gegenstand der Psychologie der Gefühle, also Teil der allgemein üblichen Beschreibung der menschlichen Natur. Es wird behauptet, daß keine nachweisbaren Fakten in den Existenzanalysen gegeben seien, die nicht schon in jeder essentialistisdien Beschreibung enthalten wären. Wenn diese Argumente gültig sind, ist der existentialistische Anspruch widerlegt. Aber sie sind nicht gültig. Denn es besteht ein strenger qualitativer Unterschied zwischen zwei Arten von Affekten (Affekte hier im Sinn von Descartes und Spinoza). Die eine Art gehört zur essentiellen Natur des Menschen und umschließt die Gesamtheit aller Affekte, die auf die Reize aller Objekte innerhalb der raum-zeitlichen Kontinuität antworten. Die meisten Erörterungen der Affekte in der antiken und modernen Philosophie haben diesen Charakter. Daneben gibt es die Affekte, die nicht auf aus der Objekt-Welt stammende Reize antworten, sondern die in der Existenz des Menschen gründen. Die Existenz als Existenz erfahren, bedeutet in Angst sein. Denn Existenz schließt Endlichkeit ein, und Angst ist das Gewahrwerden der eigenen Endlichkeit. Auf den Unterschied zwischen Furcht und Angst wurde schon hingewiesen; Furcht hat einen Gegenstand, Angst hat ihn nicht. Aber wir müssen noch einen Schritt weitergehen. Angst ist ihrem Wesen nach fundamentaler als Furcht; denn die Furcht als Furcht vor etwas Bestimmtem geht zurück auf die Tatsache, daß wir als endliche Wesen der Vernichtung preisgegeben sind, dem Sieg des Nichtseins in uns. Darum ist die Angst der Endlichkeit die Wurzel der Furcht. Die Bedeutsamkeit beider Affekte ist nicht gleichartig. Die Angst hat den Vorrang. Sie offenbart die Situation des Menschen in ihrer fundamentalen Eigenschaft, nämlich der Endlichkeit. Die Relation zwischen Furcht und Angst ist repräsentativ für andere ähnliche Relationen, repräsentativ für all die Fälle, wo zwei Begriffe, die bis zu einem gewissen Grad synonym sind, etwas qualitativ Verschiedenes meinen, der eine nämlich eine rein psychologische Struktur, der andere ein Existential. Da eine umfassende Erörterung der Existentialanalyse in diesem Zusammenhang nicht durchgeführt werden kann, sollen nur die Grundbegriffe herangezogen werden, die für das Verständnis der religiösen Symbole besonders aufschlußreidi sind. Ein solcher Grundbegriff ist die Entfremdung. Der Mensdi in seiner existentiellen Angst fühlt sich von dem entfremdet, wozu er eigentlich gehört. Der Begriff der Entfremdung wurde von Hegel gebraucht, um den Ubergang des absoluten Geistes zur Natur verständlich zu machen; aber er erhielt bald existentielle Bedeutung und wurde seitdem gegen 228

Hegel verwandt. Der Mensch fühlt sidi entfremdet von dem, was er essentiell ist; er steht in dauerndem Kampf und 'Widerspruch zu sich selbst und ist voll Feindschaft gegen die Welt. Diese Erfahrung muß jedoch unterschieden werden von dem Gefühl der Fremdheit, das jedes lebende Wesen, das Tier ebenso wie der Mensch, den meisten anderen Wesen und oft auch sich selbst gegenüber hat. Das Gefühl der Fremdheit und ebenso sein Gegenteil, die Vertrautheit, gehören in den Bereich der essentiellen Bezüge zwischen endlichen Wesen. Aber „Entfremdung" ist die Zerreißung der essentiellen Zugehörigkeit. Sie hat existentialen Charakter. Existentielle Entfremdung drückt sich in Vereinsamung aus. Diese Vereinsamung muß von der essentiellen Einsamkeit, deren Korrelat die essentielle Gemeinsdiaft ist, klar unterschieden werden. „Vereinsamung" ist der Ausdruck für anti-essentielle Trennung von dem, wozu ein Mensdi gehört. Diese Vereinsamung kann sich darstellen als Flucht aus der Einsamkeit in das „Man" (Heidegger). Endlichkeit schließt Ungesichertheit ein. Es gibt essentielle Ungesidiertheit im biologisdien, sozialen und psychologischen Bereich als das Korrelat zur essentiellen Gesichertheit. Der Gegensatz hierzu ist die letzte Ungeborgenheit der Existenz, die in der Angst erfahren wird in der Angst, in der der Mensdi heimatlos und verloren in seiner Welt dasteht, voll Sorge um das Morgen. Diese Sorge der Angst muß unterschieden werden von dem, was sprachlich als Vorsorge bezeichnet wird. Im ersten Fall ist ein existentialistisdier und im zweiten Fall ein essentialistisdier Begriff gemeint. Essentielle Ungesichertheit kann zwar das Gefühl letzter Ungeborgenheit hervorgerufen; umgekehrt kann aber auch in einer äußerlich gesicherten Lage die existentielle Ungeborgenheit als plötzlicher Schock da sein und in die Welt endlidier Relationen einbrechen. Die Angst der Entfremdung trägt den Stempel existentieller Schuld. Wir haben schon von „Schuld" gesprochen und diesen Begriff als Beispiel für den Unterschied zwischen einer essentialistischen und einer existentialistischen Analyse herangezogen. Diese Unterscheidung muß in verschiedenen Richtungen weitergeführt werden. Zunächst sei der existentialistische Begriff des Wagnisses oder der wagenden Entscheidung genannt. In jeder Entscheidung ist ein Wagnis enthalten, jemand oder etwas zu gewinnen oder zu verlieren. Das gehört zum essentiellen Charakter des Menschen oder der endlichen Freiheit. Der Mensch prüft und wägt, dann wagt er die Entscheidung. Er kann sogar sein Leben wagen. Aber es gibt noch eine ganz andere Art von Wagnis, die zum Menschen gehört, und die die Ursache von Schuld und Entfremdung 229

ist. Es ist das Wagnis, sich selbst zu verwirklichen oder nicht zu verwirklichen, das heißt im zweiten Fall, sein wahres eigentliches Sein zu verlieren. Diese Situation ist immer dann gegeben, wenn der Mensch vor die Entscheidung gestellt ist, entweder im Stand nidit-verwirklichter Möglichkeiten zu bleiben oder aber sidi selbst zu überschreiten, um Möglichkeiten zu verwirklichen. In beiden Fällen geht etwas verloren: im ersten Fall das voll-verwirklichte Menschsein, im zweiten Fall die „Unschuld", die die bloße Potentialität ist. Das klassische Beispiel hierfür ist die sexuelle Angst des jungen Menschen. Wie Mythos und Erfahrung wissen, wagt die Menschheit als solche ihre Selbst-Verwirklichung und befindet sich daher im Stand universaler existentieller Entfremdung. Diese Tatsache führt zur Situation der tragischen Schuld, an der jeder trotz seiner persönlichen Verantwortlichkeit teilhat. Das Fragment des Anaximander ist ein früher philosophischer Ausdruck dafür, daß der Mensch schicksalhaft in dieser universalen Situation steht, gleichzeitig aber selbst verantwortlich ist. Wie man es im einzelnen auslegt, bleibe dahingestellt. Jedenfalls sind in ihm Trennung, Endlichkeit und Schuld in einer kosmischen Vision verbunden. Diese Sicht geht über jede essentialistische Beschreibung von Verantwortlichkeit in der Beziehung zwischen einzelnen hinaus. Sie bezieht sich auf die Situation des Menschen und seiner Welt im ganzen. Als letztes Beispiel der Gegenüberstellung eines gleichzeitig essentialistischen und existentialistischen Begriffs sei der Zweifel genannt, ein Beispiel aus der Erkenntnisfunktion des Menschen. Die Entfremdung des Denkens wird im Zweifel offenbar. Zweifel gehört zur endlichen Freiheit und ist ein essentielles Element im Akt des Erkennens. Essentieller Zweifel ist die Voraussetzung aller Erkenntnis. Der methodische Zweifel des Descartes war die Eingangspforte für das moderne wissenschaftliche Bewußtsein. Ganz verschieden davon ist der existentielle Zweifel, der Zweifel am Sinn des eigenen Seins. Essentieller Zweifel ist ein Ausdruck des Mutes; existentieller Zweifel ist Ursache und Ausdruck der Verzweiflung. Er ist weder Zweifel an bestimmten Behauptungen und Aussagen noch am Gesamt aller Aussagen, sondern der Zweifel am Sinn des Seins. Er ist der Zweifel, der das Sein dessen, der zweifelt, betrifft; er wendet sich gegen sich selbst, gegen den Zweifler und seine Welt. D a er mit der drohenden Sinnlosigkeit kämpft, kann er nicht durch wissenschaftliche Argumente aufgehoben werden. Dies alles sind Beispiele von existentialistischen Analysen, die die qualitative Eigenart und Unabhängigkeit der existentialistischen Begriffe zur Genüge dartun. Sie sollen und können auch als Schlüssel zur Interpretation der religiösen Symbole dienen, ja sie geben für deren 230

Verständnis die notwendige Grundlage ab. Die Feststellung, daß die religiöse Sprache symbolisch ist, ist ein Gemeinplatz geworden. Aber weniger verbreitet ist die Erkenntnis, daß die religiöse Sprache Wahrheit in ihren Symbolen ausdrückt, eine Wahrheit, die in keiner anderen Sprache ausgedrückt und mitgeteilt werden kann. Am wenigsten verbreitet ist die Erkenntnis, daß viele Irrtümer in der Religion und viele Angriffe auf die Religion aus der Vermengung von Symbolsprache und gegenständlicher Sprache herrühren. Diese Vermengung muß von jedem, der sich Gedanken über die Religion macht, besonders beachtet werden. Denn sie ist nicht nur ein Versagen des Intellekts, sondern auch ein Symptom für die dämonische Verzerrung, die sich in allen Religionen findet: die Verzerrung, durch die das Göttliche zu einem Objekt neben anderen gemacht wird und der Mensch als Subjekt die Macht erhält, im Erkennen und Handeln darüber zu verfügen. Wenn dieser Tatbestand einmal erfaßt ist, läßt sich der Bezug zwischen den Erkenntnissen der Existentialanalyse und den religiösen Symbolen leicht einsehen. Die Existentialanalyse drückt in Begriffen das aus, was der religiöse Mythos zu allen Zeiten über die Situation des Menschen ausgesagt hat. Und sofern sie das tut, macht sie alle jene Symbole verständlich, in denen eine Antwort auf die Frage nach der menschlichen Situation in religiöser Form gegeben wird. Sie lehrt jene Symbole und Mythen verstehen, die um die Beziehung des Menschen zu Gott zentriert sind. Die Existentialanalyse behandelt die Endlichkeit des Menschen, die in der Angst erfahren wird. Das mythologische Symbol für diese Erfahrung ist die Geschöpflichkeit des Menschen. Der Mensch und seine Welt sind „geschaffen". Gewisse Züge dieses Symbols finden sich in allen Religionen. Der Mensch ist nicht durch sich selbst; er hat keine aseitas wie Gott, wenn man die Sprache der mittelalterlichen Theologie gebrauchen will. Der Mensch ist eine Mischung von gegensätzlichen Elementen, göttlichen und dämonischen, geistigen und materiellen, himmlischen und irdischen, von Sein und Nicht-Sein. Das finden wir sowohl in den östlichen als auch in den westlichen Religionen, obwohl der Unterschied in der Auffassung beider sofort deutlich wird, je nachdem, wie man im Osten oder im Westen nach dem Sinn der kreatürlichen Existenz fragt. Die Antwort, die der Osten gibt, ist negativ und ungeschichtlich. Kreatürliche Existenz ist etwas, was nicht sein sollte, und wovon man befreit zu werden wünscht. Im Westen ist die Antwort positiv und geschichtlich. Kreatürliches, geschaffenes Dasein wird als solches bejaht; aber es muß erlöst werden, nicht von seinem kreatürlichen Sein, wohl aber von seiner Selbst-Entfremdung. 231

Die Konsequenz aus dieser westlichen Haltung ist die Überzeugung, daß „Schöpfung" etwas Positives ist und bejaht werden muß als Antwort auf die Frage, die in der Erfahrung der Kreatürlidhkeit enthalten ist. Die Antwort besteht nicht in der Annahme einer alten Geschichte, nach der vor undenklichen Zeiten ein göttliches oder halbgöttliches Wesen sich entschloß, anderes Seiendes hervorzubringen. „Schöpfung" und „Geschaffensein" drücken in symbolischer Sprache die Partizipation des Endlichen an seinem unendlichen Grund aus; oder, existentialistisch ausgedrückt, das Symbol der Schöpfung weist hin auf die Quelle des Mutes, aus dem heraus der Mensch das eigene Sein als Macht und Sinn bejaht trotz der beständigen Drohung des Nidit-Seins. In diesem Mut ist die Angst des Kreatur-Seins nicht beseitigt, wohl aber in den Mut hineingenommen. Und in ihm ist die Vereinsamung des entfremdeten Einzelnen in eine Einheit aufgenommen, die die Drohung dieser Vereinsamung und ihres Korrelates, der Flucht in das „Man", zwar nicht beseitigt, wohl aber edite Einsamkeit und echte Gemeinschaft zu schaffen vermag. Im Symbol der Schöpfung ist die existentielle Ungesichertheit in eine Gesichertheit aufgenommen, die zwar die Ungewißheit über die Dauer des menschlichen Lebens in Zeit und Raum nicht beseitigt, aber die Gewißheit verleiht, daß der Mensch an der letzen Macht des Seins teilhat. Die Symbole: Allmacht, Allgegenwart und Vorsehung bestätigen diese Deutung. Sie werden absurd und sinnwidrig, wenn man sie wörtlich nimmt; aber sie strahlen existentielle "Wahrheit aus, wenn sie mit Hilfe der Existentialanalyse gedeutet werden. Im Mittelpunkt der Mythologie vieler Religionen steht zusammen mit einer größeren Gruppe ergänzender Symbole der Gegensatz von „Fall" und „Erlösung". Auch hier kann die Existentialanalyse denen, die diese Art symbolischer Sprache ablehnen, als Hilfe zum Verständnis dienen. Die Symbole, die sich auf die „Versuchung" beziehen, wurden im Zusammenhang mit der Analyse der Angst schon einmal erwähnt - der Angst vor der existentiellen Entscheidung. „Versuchung" ist Möglichkeit. Die Angst, Entscheidungen treffen zu müssen, ist das Gewahrwerden dieser Möglichkeit. Es gibt viele Mythen und Legenden von der Versuchung, deren tiefste wohl die biblische Geschichte ist. In ihr wird die Situation der Menschheit, die in Adam und Eva symbolisch verkörpert ist, als Entscheidung begriffen. Adam und Eva werden gefragt, ob sie in der träumenden Unschuld bleiben oder die Selbstverwirklichung der Erkenntnis, der Macht und des Geschlechts wählen wollen. Der Mensch wählt die Selbstverwirklidiung und verfällt damit dem Zustand der Entfremdung. Audi seine "Welt nimmt am Fall teil. Wenn 232

man die Paradiesesgeschichte, für die es analoge Beispiele in den meisten Religionen gibt, in dieser Weise versteht, wird sie zum klaren Bild der menschlichen Situation des Überganges aus der Unschuld der bloßen Möglichkeit in die tragische Schuld der Selbstverwirklichung. Der Mythos des Falls ist also eine echte Beschreibung der Situation des Menschen hier und jetzt und sollte nicht durch absurde wörtliche Auslegungen verfälscht werden. Der traditionelle Ausdruck für den Zustand der Entfremdung ist „Sünde", ein Begriff, dessen Sinn mehr Verzerrung und Mißdeutung erfahren hat als jede andere religiöse Aussage und der darum auch mehr zum Widerspruch reizt als irgendein anderer Begriff. „Sünde" ist im Licht der Existentialanalyse die Entfremdung des Menschen von seinem eigentlichen Sein, eine Entfremdung, die sowohl tragische Notwendigkeit als auch persönliche Schuld bedeutet. Der außerordentlich fragwürdige Begriff „Erbsünde" drückt das tragische Element, aktuelle Sünde das persönliche Element in dieser Verflochtenheit von tragischer Notwendigkeit und persönlicher Schuld aus. Das Wort „Erbsünde" sollte gänzlich fallengelassen werden. Es ist wahrscheinlich nicht mehr zu retten (andere Ausdrücke, besonders theologische und philosophische Begriffe, können und sollen jedoch gerettet werden) und sollte durch existentiale Beschreibungen des universalen und tragischen Charakters der menschlichen Entfremdung ersetzt werden. Der Begriff „Sünde" könnte und sollte gerettet werden, indem man ihn interpretiert als den Zustand der Entfremdung, für den wir trotz seines ursprünglich tragischen Charakters persönlich verantwortlich sind. Denn aus ihm entspringen die konkreten Handlungen der Entfremdung, der Entfremdung von uns selbst, von den anderen und vom Sinn unseres Seins. Wenn wir das Wort „Sünde" gebrauchen, so sollte es nie im Plural, sondern immer nur im Singular geschehen, ohne Artikel, wie bei Paulus, der von „Sünde" als Macht der Entfremdung spricht. „Entfremdung" ist der Zustand, in dem die Angst der Schuld mit der Angst der Endlichkeit verschmilzt. Die wichtigsten religiösen Symbole für diese Angst sind Gericht, Verdammnis, Strafe und Hölle, über die schon im Zusammenhang mit Dantes Dichtung gesprochen wurde. Sie erscheinen gewöhnlich in dramatischer Umrahmung mit einem göttlichen Wesen als Richter, dämonischen Mächten als Vollstrecker und einem besonderen Ort für langdauernde oder ewige Strafen. Obwohl diese bildliche Darstellung schon von vielen älteren Theologen als das erkannt wurde, was sie ist, nämlich ein Symbol, sollte auch hier die existentialistische und die tiefenpsychologische Analyse als Schlüssel zur Deutung herangezogen werden. Maler wie Pieter Brueghel haben 233

diese Zusammenhänge schon klar durchschaut. Brueghels Bilder aus dem dämonischen Bereich sind nur verständlich, wenn man sie existentiell versteht, d. h. als Ausdruck und Folge der Schuldangst. So verstanden wird das göttliche Gesetz, nach dem das Urteil vollstreckt wird, eindeutig zum Gesetz unseres eigenen essentiellen Seins, das uns wegen der Entfremdung von uns selbst verurteilt. Nur aus diesem Grund hat das Gesetz unbedingten Charakter, ganz gleich wie sehr sein Inhalt sich wandelt. So gesehen sind Urteil und Strafe nicht Dinge, die uns durch ein Gericht von oben her treffen, sondern Symbole des Gerichts, das wir unweigerlich über uns selbst abhalten, über die schmerzvolle Spaltung in uns selbst, über die Verzweiflung, die uns immer wieder überfällt, in der wir uns selbst abschütteln möchten, ohne dazu imstande zu sein, über das Gefühl, von Mächten der Selbstzerstörung besessen zu sein - kurz, des Gerichts über alles, was der Mythos „dämonisch" nennt. Das Fragen und leidenschaftliche Suchen, das in diesem Zustand enthalten ist, sowie die Antwort darauf werden im Mythos ausgedrückt durch Symbole wie Heil, Erlösung, Wiedergeburt und Rechtfertigung oder durch personhafte Symbole wie Erlöser, Mittler, Messias oder Christus. Solche Symbole finden sich in den meisten großen Religionen, wenn auch die Darstellung des Weges der Erlösung verschieden ist. Die Existentialanalyse hat entscheidend dazu beigetragen, diese Symbole zu deuten, deren dramatische Ausgestaltung der dramatischen Ausgestaltung des Symbols der Entfremdung entspricht. Eine semantische Überlegung führt uns zu der Bedeutung des ersten wichtigen Symbols dieser Art, des Begriffs des Heils als: etwas ganzmachen, das zerbrochen, zerspalten war: salvus und saos bedeuten ganz und geheilt. Heilung ist der Akt, durch den die Kluft zwischen dem essentiellen Sein des Menschen und seiner existentiellen Situation geschlossen wird. Heil ist die religiöse Antwort auf zahllose Formen der entfremdeten Existenz, die etwa unter dem Titel von Menningers Buch „Man against himself" zusammengefaßt werden könnten. Nur von der Existentialanalyse her kann auch die andere Wahrheit verstanden werden, nämlich daß die Situation der Existenz nicht aus der Kraft dieser Existenz selbst bewältigt und überwunden werden kann. Jeder derartige Versuch verschärft nur die Situation (vgl. Sartres Drama „Huis-clos"). In ähnlicher Weise müssen die religiösen Symbole, die heilende Kräfte personhafter und nicht-personhafter Art verkörpern, verstanden werden. Die tragische Gefangenschaft der entfremdeten Existenz führt zu der Frage nach dem, was die Existenz transzendiert, nach etwas, das in der Existenz erscheint und doch ein 234

neues Sein schafft. Dies und dies allein: in der Existenz und doch darüber hinaus, ist der religiöse Sinn des Begriffs „Paradox", der keinesfalls eine logisch-sinnlose Aussage bedeutet. Auch das Verständnis des Begriffs der Versöhnung wird von der Existentialanalyse her erleichtert. Diesem Symbol liegt der Gedanke zugrunde, daß es für ein menschliches Wesen das allerschwerste ist, sich selbst zu bejahen, und daß der erste Schritt im Heilungsprozeß darin besteht, dem Menschen das Gefühl zu geben, daß er bejaht ist und deshalb auch sich selbst bejahen kann. N u r noch wenige Menschen heute verstehen, was „Rechtfertigung durch den Glauben" bedeutet. Aber leichter ist es, verständlich zu machen, was es heißt: sich selbst zu bejahen als bejaht. Bei der Analyse des existentiellen Zweifels, im Gegensatz zum essentiellen Zweifel, berührten wir schon den Begriff der Verzweiflung, genauer der Hoffnungslosigkeit. Besonders in einer bestimmten Periode seiner Entwicklung hat das existentialistische Denken dem Problem des Nihilismus, der Sinnlosigkeit und der Nichtigkeit einen großen Teil seiner Aufmerksamkeit gewidmet. In Europa wie audi in Amerika gibt es viele Zeugnisse dafür, wie sehr sich dieses Gefühl der Hoffnungslosigkeit in der Menschheit ausgebreitet hat. Seine Analyse eröffnet uns den Zugang zu einem lange vernachlässigten Bereich des religiösen Symbolismus, zum Bereich der Symbole der Hoffnung. Die meisten Religionen sind voll von mythologischen, meist sehr phantasievollen Symbolen der Hoffnung. Wenn man sie wörtlich nimmt, so erscheinen sie als zwar blasse, aber sehr schöne Abbilder unserer täglich erfahrenen Welt. Faßt man sie aber symbolisch auf, so enthalten sie die Gewißheit, daß es in der Realität unseres alltäglichen Daseins eine Dimension des Sinnes gibt, trotz aller scheinbaren Sinnlosigkeit, Vergänglichkeit und Leere - eine Dimension des Sinnes, die auf einen letzten oder ewigen Sinn hinweist, an dem das Dasein hier und jetzt teilhat. Hier liegt die Wurzel zum Symbol des „Ewigen Lebens". Es kann in unserer Interpretation leichter verwendet werden als andere, die zwar dramatischer, aber auch gefährlicher sind, denn sie sind einer unangemessenen wörtlichen Auslegung eher ausgesetzt als das Symbol des „Ewigen Lebens". Mißverständliche Symbole sind: Leben nach dem Tod, Unsterblichkeit, Reinkarnation, Himmel. Das Symbol „Ewiges Leben" hingegen besagt, daß die irdische Seligkeit eine Dimension hat, die ihr einen überzeitlichen Sinn verleiht. Bei unseren Bemühungen, religiöse Symbole mit Hilfe der Existentialanalyse zu erschließen, eröffnet sich uns zugleich implizit das grundlegende und allumfassende Symbol der Religion, nämlich das Symbol „Gott". In bezug auf die Schöpfung ist er der Schöpfer; in bezug auf 235

die Erlösung ist er der Erlöser, in bezug auf die Vollendung ist er der Ewige. - So gelangen wir von verschiedenen Gesichtspunkten aus und mit Hilfe vieler Analysen jetzt am Ende zum zentralen Symbol. Das ist die notwendige Folge der existentialistischen Methode, die nach meiner Auffassung audi für die Theologie durchaus gültig ist. Denn die Religion gehört zur existentiellen Situation des Menschen. Wir müssen von unten beginnen und nicht von oben. Wir müssen mit den Erfahrungen anfangen, die der Mensch in seiner Situation hier und jetzt macht, und mit den Fragen, die in ihr ihren Grund haben und aus ihr entstehen. Dann erst können wir zu den Symbolen weitergehen, die Anspruch darauf erheben, die Antwort zu enthalten. Aber wir dürfen nicht mit der Frage nach dem Wesen Gottes beginnen, die, wenn man sie als Frage der Existenz oder Nicht-Existenz Gottes behandelt, einen Rückfall darstellt in eine unsymbolische, dinghafte Interpretation. Wenn wir aber die Methode anwenden, die von unten nach oben fortschreitet, gelangen wir zu einer Idee von Gott, die frei ist von absurden Elementen und gerade aus diesem Grunde die Wirklichkeit enthält, in der die Antworten auf die Fragen der menschlichen Existenz gegeben sind. Gott ist im Licht dieser Frage die Macht des Seins-Selbst, die über das Nicht-Sein herrscht, die Entfremdung überwindet und uns den Mut sdienkt, die Angst von Endlichkeit, Schuld und Zweifel auf uns zu nehmen. Diese Erfahrung wird in unzähligen personhaften Symbolen ausgedrückt, die das Wesen Gottes umschreiben. Symbole sind nicht Zeichen. Sie partizipieren an der Macht dessen, was sie symbolisieren. Sie sind nicht wahr oder falsch im Sinn kognitiver Urteile, sondern sie sind authentisch oder nicht-authentisdi im Hinblick auf ihren Ursprung; sie sind angemessen oder nicht angemessen im Hinblick auf ihre Ausdruckskraft; sie sind göttlich oder dämonisch im Hinblick auf den letzten Grund des Seins. Das weite Gebiet der Symbole und ihrer Problematik liegt aber außerhalb des Rahmens dieser Erörterung. Hier wollten wir aufzeigen, daß die Existentialanalyse es dem modernen Menschen sdiwerer macht, den religiösen Symbolen wie bisher gegenüberzutreten. Er kann sie nicht mehr einfach wörtlich verstehen und dann als absurd ablehnen. Will er sie angreifen, so muß der Angriff in einer tieferen Sdiicht geführt werden, nämlich im Bereich der Symbole selbst. Echte Symbole können nur durch andere echte Symbole überwunden werden und nicht durch Kritik an den Absurditäten wörtlichen Verständnisses.

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RECHT UND BEDEUTUNG RELIGIÖSER SYMBOLE I. Das Symbol ist die Sprache der Religion. Es ist die einzige Sprache, in der sich die Religion direkt ausdrücken kann. Indirekt und reflektiert kann sie auch in theologischen und philosophischen Begriffen und in künstlerischen Bildern Ausdruck finden, aber ihr primärer Ausdruck ist das Symbol oder eine Gruppe von Symbolen, die wir Mythos nennen. Ist diese Grundthese verstanden, bedarf es keiner besonderen Rechtfertigung der religiösen Symbole. Um zu verstehen, was ein religiöses Symbol ist, müssen wir zunächst verstehen, was ein Symbol überhaupt ist. Das ist nicht leicht, weil heute der Begriff Symbol in Bereichen angewandt wird, in denen er nicht angewandt werden sollte. Man sollte beispielsweise Zeichen und Metaphern von Symbolen unterscheiden, und man sollte auch nicht von Traumsymbolen, sondern von Symptomen sprechen. Aber da eine sprachliche Entwicklung nicht rückgängig gemacht werden kann, läßt sich das Wort Symbol in seiner ursprünglichen Bedeutung nur retten, wenn man ihm das Beiwort .repräsentativ" gibt und es so von Symbolen unterscheidet, die bloße Zeichen sind wie die mathematischen und logischen Symbole, die man im Gegensatz zu den „repräsentativen" Symbolen „diskursive" Symbole nennen könnte1. Wir begegnen repräsentativen Symbolen nicht nur in der religiösen Sprache, sondern auch in der Dichtung und den bildenden Künsten, in der Geschichte und dem Gemeinschaftsleben. Diese Symbole haben gemeinsame Wesenszüge, und wir dürfen in all diesen Bereichen von Symbolen nur sprechen, wenn sie diese Wesenszüge aufweisen. Das erste und fundamentale Merkmal aller repräsentativen Symbole ist ihre Eigenschaft, über sich hinauszuweisen. Symbole enthalten einerseits einen symbolischen Stoff. Dieser kann ein Wort in seiner gewöhnlichen, konkreten Bedeutung sein, oder die empirische Gestalt einer historischen Persönlichkeit, oder die konkreten Züge eines Menschengesichts (in der Malerei), oder ein menschlicher Konflikt (im Drama), oder ein menschliches Ideal (in der Beschreibung des Göttlichen). Aber dieser Stoff in Ich verdanke diese Beiworte dem Philosophen John Randall, der sie gelegentlich eines gemeinsamen Seminars an der Columbia-Universität vorschlug. 1

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seiner wörtlichen Bedeutung oder seinem konkreten Dasein ist nicht das, worum es im Symbol geht. "Wenn der Stoff symbolisch gebraucht wird, weist er auf etwas hin, das nicht unmittelbar ergriffen, sondern nur indirekt ausgedrückt werden kann. Dieses eigentlich Gemeinte ist das zweite Element, das in einem Symbol enthalten ist. Es kann ζ. B. ein Komplex von Assoziationen sein, die mit einem Wort verbunden sind, oder das Wesen eines Menschen, das die empirische Beobachtung transzendiert, oder eine Dimension der Wirklichkeit, die sich uns im täglichen Leben entzieht und in einem künstlerischen Werk zum Ausdruck kommt. Oder es kann - in einem religiösen Symbol - der letzte Seinsgrund sein, der nicht anders als durch Symbole, deren Stoff der endlichen Welt entnommen ist, ausgedrückt werden kann. Das zweite Merkmal der repräsentativen Symbole ist, daß sie an der Wirklichkeit teilhaben, auf die sie hinweisen. Dies ist durch das Beiwort „repräsentativ" ausgedrückt. Der Repräsentant einer Person oder einer Institution partizipiert an der Ehre derer, die er „repräsentiert". Die Ehre in diesem Fall steht nicht dem Vertreter selbst zu, sondern der Person oder der Sache, die er vertritt. Dies Beispiel zeigt, daß das Symbol an der Wirklichkeit partizipiert, die es repräsentiert und deren Sinn und Seinsmächtigkeit es ausstrahlt. Dieser Gedanke bringt uns zu dem dritten Merkmal aller repräsentativen Symbole: sie können nicht willkürlich erfunden werden. Ihre Entstehung ist nicht wie die der bloßen Zeichen eine Sache der Zweckmäßigkeit und der Konvention. Bildlich gesprochen kann man daher sagen, daß Symbole geboren werden und sterben. Selbst wenn ein Symbol seine Entstehung der Erfindung eines Einzelnen verdankt, ζ. B. eines Künstlers oder eines Propheten, so wird es zum Symbol erst dadurch, daß es von einer Gemeinschaft akzeptiert wird. Ohne diese Anerkennung kann kein repräsentatives Symbol entstehen und lebendig bleiben. Wenn die Gemeinschaft aufhört, es anzuerkennen, dann sinkt es zu einer Metapher oder einem poetischen Bild herab, wie es mit den alten Göttern geschah, als sie ihre religiöse Bedeutung verloren hatten. Das vierte Merkmal repräsentativer Symbole ist ihre Macht, Dimensionen der Wirklichkeit zu erschließen, die gewöhnlich durch die Vorherrschaft anderer Dimensionen verdeckt sind. Aber der menschliche Geist könnte diese neuen Dimensionen nicht ergreifen, wenn das Symbol nicht gleichzeitig auch in ihm eine neue Dimension öffnete. Historische Symbole erschließen Möglichkeiten, die von dem täglichen historischen Geschehen verdeckt sind. Künstlerische Symbole - und das heißt, alle echte Kunst - erschließen dem menschlichen Geist eine Dimension, die allem Wirklichen als sein Sinngrund innewohnt, die der Mensch 238

aber nur in dem ästhetischen Erlebnis erfassen kann. Religiöse Symbole vermitteln die Erfahrung der letzten Wirklichkeit durch Dinge, Personen und Ereignisse, die durch ihre vermittelnde Rolle selbst „heilig" werden. In der Begegnung mit heiligen Orten, heiligen Zeiten, heiligen Personen und heiligen Bildern erfährt der Mensch etwas von dem Heiligen selbst - eine Erfahrung, die durch keine Erkenntnis mittels philosophischer oder theologischer Begriffe ersetzt werden kann. Symbole können in ihrer Wirkung auf einzelne Menschen und Gemeinschaften sowohl aufbauende, integrierende, wie zerstörerische, zersetzende Gewalt ausüben. Die Religionsgeschidite enthält eine Fülle von Beispielen für die erhebende, beruhigende und stabilisierende Kraft religiöser Symbole. Man kann geradezu von der heilenden Kraft religiöser Symbole sprechen, und nicht nur religiöser. Symbole wie das Symbol des Königs, eines historischen Ereignisses oder Dokumentes, einer Dichtung oder eines Kunstwerks, einer heiligen Gestalt, eines heiligen Buches oder einer heiligen Handlung üben eine einigende Kraft aus, die die Einzelnen zu einem Ganzen zusammenschließt. Symbole können audi zerstörerische Kraft ausüben; sie können Depressionen, Angst und Fanatismus in einzelnen Menschen und in gesellschaftlichen Gruppen erzeugen. Politische Symbole wie das des „Führers" oder des Hakenkreuzes, religiöse Symbole wie das eines Moloch-artigen Gottes, der Menschenopfer verlangt, aber audi der Drude religiöser Dogmen, der das Bewußtsein spalten kann, weil er zur Unwahrhaftigkeit zwingt, zeigen, was mit dieser zerstörerischen Kraft gemeint ist. Ob ein Symbol positive oder negative Wirkung hat, hängt einerseits vom Charakter dessen ab, auf das das Symbol hinweist, andererseits von der Haltung, in der es aufgenommen wird. Wir dürfen die Macht von Symbolen nicht unterschätzen; sie sind keineswegs harmlose Zeichen. II. Nach der allgemeinen Definition des Symbols wollen wir uns jetzt dem Problem des religiösen Symbols zuwenden. Hier ist die Frage nadi dem, was mit einem Symbol gemeint und worauf es bezogen ist, von entscheidender Bedeutung. Wenn das religiöse Symbol auf etwas hinweist, das auf keine andere Weise ergriffen werden kann, wie können wir dann wissen, ob es überhaupt auf etwas bezogen ist? Und wie erlangen wir Gewißheit darüber, daß das Gemeinte auch erreicht wird? Diese berechtigten Fragen führen zu der prinzipiellen Frage: Gibt es nicht-symbolische Aussagen über das im religiösen Symbol Gemeinte? Wenn wir auf diese Frage keine positive Antwort finden könn239

ten, dann würde unsere ganze Symbollehre zusammenfallen, weil ein Bezugspunkt fehlte, von dem aus man begründen könnte, warum symbolische Aussagen notwendig sind. Unsere Überlegungen würden sich im Kreis bewegen. Unsere Frage ist also: Was ist das in der religiösen Symbolspradie Gemeinte, und wie kann es erfaßt werden außer durch Symbole? Es gibt zwei Methoden zur Erfassung des Heiligen, auf das das religiöse Symbol hinweist: die phänomenologische und die ontologische, denn die induktive Methode ist nicht anwendbar, da sie sidi nur auf die Beobachtung endlicher Beziehungen richtet und die aus dieser Beobachtung gewonnenen Ergebnisse, und nicht über die endliche Wirklichkeit hinausführt. Das im religiösen Symbol Gemeinte aber transzendiert alles Endliche unendlich. Die Phänomenologie beschreibt das Heilige als die Qualität einer bestimmten Begegnung mit der Wirklichkeit. Das Heilige ist eine „Begegnungsqualität", nicht ein Gegenstand neben anderen Gegenständen und auch kein Produkt subjektiver Einbildung. Im Erlebnis des Heiligen wird die Subjekt-Objekt-Struktur der gewöhnlichen Erfahrung transzendiert. Das Subjekt wird in das Heilige selbst hineingezogen, das sich in einem endlichen Objekt verkörpert, ζ. B. in einem Kirchengebäude, einem Christusbild oder einem Hymnus. Die phänomenologische Analyse dieses Vorganges zeigt, daß, wo immer das Heilige sich offenbart, es zu einem letzten Anliegen des Mensdien wird - sei es, daß es ihn anzieht oder abstößt, mysterium fascinosum oder mysterium tremendum ist — und zu einer Mächtigkeit, deren Gabe und deren Forderung gleich unbedingt sind. Rudolf Otto und andere haben das Phänomen des Heiligen und die Funktion religiöser Symbole in klassischer Weise beschrieben. Aber die Phänomenologie führt nidit über die reine Beschreibung hinaus zu der Frage nach der Gültigkeit der beschriebenen Phänomene. Die Ontologie analysiert das Wesen des Menschen und seine Beziehung zu seiner Welt. Sie analysiert die Endlidikeit des Endlichen. Sie deckt das Innere der Endlichkeitserfahrung auf: die Angst des Menschen in seiner Begegnung mit dem Nicht-Sein, auf Grund derer er die Frage nach dem Sein-Selbst, dem Grunde alles dessen, was ist, erhebt. Die Ontologie sudit das im religiösen Symbol Gemeinte nidit in der Sondersphäre des Heiligen, sondern sie sucht es im Charakter des Seienden als solchen. Das bedeutet nidit, daß sie die Existenz eines Wesens voraussetzte, über das in der Religion symbolische Aussagen gemacht werden. Die Ontologie deckt vielmehr in ihrer Analyse der Welt die Endlichkeit der Welt auf und offenbart damit deren selbsttranszendie240

renden Charakter. Worauf die Analyse hinführt, ist der Bezugspunkt aller religiösen Symbole. Man kann es metaphorisch benennen als „Sein-Selbst", als „Seinsmäditigkeit", als „letzte Wirklichkeit" oder als „das, was uns unbedingt angeht". Dies sind keine Namen für ein Seiendes, sondern Bezeichnungen für eine Qualität des Seins. Der religiöse Symbolismus gibt dieser Qualität göttliche Namen. Aber die klassische Theologie hat immer betont, daß das mit diesen Namen Bezeichnete alle Namen und Bilder unendlich transzendiert. Die Wege der Phänomenologie und der Ontologie ergänzen sich: Das, was in der phänomenologischen Beschreibung impliziert ist, ist auch das, was die ontologische Analyse aufzeigt - nämlich das, was im religiösen Symbol gemeint ist.

III. Die Religionsgeschichte zeigt eine fast endlose Zahl von Symbolen. Das erweckt den Eindruck, als sei die Geschichte der Religion eine chaotische Masse von Produkten ungezügelter menschlicher Phantasie. Aber der Reichtum der Symbole hat seinen Grund in der Dynamik des Glaubens. Prinzipiell kann jedes Ding oder Ereignis oder jede Person zum Träger des Heiligen werden. Ob es jeweilig zum Symbol wird, hängt von der besonderen historischen Situation ab. Nichts im Bereidi der endlichen Welt ist prinzipiell davon ausgeschlossen. Bevor ich auf den Grund für die Mannigfaltigkeit der religiösen Symbolik eingehe, will ich gewisse Grundarten von religiösen Symbolen unterscheiden, damit semantische wie auch sachliche Mißverständnisse ausgeschaltet sind. Die erste Unterscheidung, die gemacht werden muß, ist die zwischen primären und sekundären Symbolen. Primäre Symbole weisen direkt auf den transzendenten Seinsgrund aller religiösen Symbole hin. Auf einer ersten Ebene versuchen sie, diesen zu erfassen, indem sie ihn mit Qualitäten umschreiben, die aus dem Bereich menschlicher Erfahrung und kosmischer Erscheinungen genommen sind. Diese werden „via eminentiae" auf das angewandt, worauf alle Religion gerichtet ist und das alle diese Eigenschaften unendlich transzendiert. So wird symbolisch von einem „höchsten Wesen" gesprochen, dem menschliche Eigenschaften wie Personalität, Macht, Liebe und Gerechtigkeit zugesprochen werden. Man hat die Frage aufgeworfen (C. Hartshorne), ob man die Qualitäten Essenz und Existenz, Sein und Werden nicht-symbolisch als Qualitäten Gottes bezeichnen könne. Damit wäre aber aus dem, was alles Seiende transzendiert, ein Seiendes höherer Ordnung geworden, und deshalb muß diese Frage ver241

neint werden. Die klassische Theologie hat immer darauf bestanden, daß Gott jenseits der Spaltung von Essenz und Existenz, von Sein (statisch verstanden) und Werden ist. Das Wort „Jenseits" drückt aus, daß diese Begriffe - als Qualitäten Gottes gebraucht - symbolisch gemeint sind. Auf einer zweiten Ebene versuchen die primären religiösen Symbole Gott als den lebendigen Gott zu erfassen, indem sie sich auf ein göttliches Tun beziehen in Ausdrücken, wie „Schöpfung", „Vorsehung", „Inkarnation" und „Erfüllung". In diesen Symbolen unterwirft die religiöse Phantasie das Transzendente den Kategorien von Raum, Zeit, Substanz und Kausalität. Die Symbolhaftigkeit dieser Aussagen muß besonders betont werden, denn gerade sie werden oft wörtlich verstanden, geraten so in Widerspruch mit der wissenschaftlichen Erkenntnis der Wirklichkeit und führen zu absurden Vorstellungen vom Verhältnis Gottes zur Welt, ζ. B. der göttlichen Vorsehung und Allmacht, die in die weltlichen Geschehnisse eingreift und sie bestimmt. Auf einer dritten Ebene versuchen primäre Symbole, das Göttliche in seiner Inkarnation in der endlichen Welt zu begreifen. Im Leben der Religionen ist dieses die älteste Schicht, denn die Erfahrung des Heiligen in konkreten Dingen, Personen und Handlungen hier und jetzt ist das fundamentale religiöse Erlebnis. Die Transzendierung dieser sakramentalen Haltung ist erst eine spätere Entwicklung und das Ergebnis eines Kampfes der höheren Religionen gegen dämonische Verzerrungen sakramentaler Religionen. Primäre religiöse Symbole auf diesen drei Ebenen sind mit sekundären Symbolen verschmolzen, wie denen des göttlichen Lichts, des heiligen Öls und Wassers, oder auch mit poetischen Symbolen, die primäre religiöse Symbole in Parabeln oder poetische Metaphern umsetzen. Diesen Symbolen darf nidit die Bedeutung von primären Symbolen zugesprochen werden. In dem Ausspruch des Psalmisten „Der Herr ist mein Hirte" z.B. ist das Wort „Herr" ein echtes primäres Symbol, während das Wort „Hirte" eine poetische Metapher ist. Aber diese Unterschiede sind weder eindeutig noch endgültig. Die verschiedenen Ebenen gehen ineinander über, und Symbole können von einer Ebene in eine andere absinken oder aufsteigen. Trotzdem bleibt die prinzipielle Unterscheidung von primären und sekundären Symbolen bestehen. IV. Wenn wir nach Kriterien für die „Wahrheit" der religiösen Symbole fragen, müssen wir zwei Kriterien nennen: die Authentizität und die 242

Angemessenheit. Ein Symbol ist authentisch, wenn es eine lebendige religiöse Erfahrung ausdrückt, und es ist nicht-authentisch, wenn es diese Erfahrungsgrundlage verloren hat und sein Weiterbestehen nur noch der Tradition und seiner ästhetischen Wirkung verdankt. Das Kriterium der Authentizität ist Vorbedingung, aber es ist nicht hinreichend. Es beantwortet nicht die Frage nach der spezifischen „Wahrheit" eines bestimmten Symbols. Die Frage nach der »Wahrheit" eines Symbols in diesem engeren Sinne wird beantwortet durch das Kriterium der Angemessenheit. Mit anderen Worten, es ist zu fragen, ob das Symbol das im Symbol Gemeinte angemessen zum Ausdruck bringt. Die Frage der Angemessenheit kann auf zweierlei Weise, nämlich negativ und positiv, beantwortet werden. Negativ erweist sich seine Angemessenheit dadurch, daß es sich selbst in seiner Konkretheit negiert und dadurch für das, worauf es hinweist, transparent wird. Positiv erweist sie sidi durch die Art des symbolischen Stoffs. Erläutern wir zunächst das negative Kriterium: Es ist die beinahe unvermeidbare Gefahr aller religiösen Symbole, daß der symbolische Stoff verwechselt wird mit dem, worauf sie hinweisen. Die religiöse Sprache bezeichnet das als „Götzendienst". Dieser Begriff drückt die Gefahr aus, die in allen Religionen gegenwärtig ist, nämlich ihre Symbole absolut zu setzen. Andererseits muß jede Religion auf die Bewahrung ihrer Symbole bedacht sein, denn sie selber bleibt nur so lange am Leben, wie ihre Symbole lebendig bleiben, die sie als Ausdruck ihres Wesens geschaffen und immer wieder umgeschaffen hat. Wenn die Symbole einer Religion ihre Macht verloren haben, stirbt auch die Religion ab. Solange aber die Symbole lebendig sind, ist ihr Mißbrauch als Idole unvermeidlich. Im Symbol des Kreuzes, das im Mittelpunkt aller christlichen Symbolik steht, ist wohl die radikalste Kritik an der Verabsolutierung von heiligen Gegenständen und Personen dargestellt. Und selbst dieses Symbol ist im Laufe der Geschichte immer wieder zum Gegenstand götzendienerischer Verehrung abgesunken. Negativ kann man also sagen, daß ein religiöses Symbol um so „wahrer" ist, je mehr es der Verabsolutierung und der wörtlichen Interpretation widersteht und je entschiedener es dadurch, daß es sich selbst negiert, über sich hinausweist auf das „Heilige-Selbst", die tragende Mächtigkeit des Seins und Sinns. Das positive Kriterium für die Wahrheit eines religiösen Symbols ist bestimmt durch den symbolischen Stoff. Es ist ein Unterschied, ob ein religiöses Symbol seinen Stoff aus der unbelebten Natur, der Pflanzen- und Tierwelt oder aus dem Bereich des Menschlichen genommen hat. Nur im letzten Fall enthält das Symbol alle Dimensionen der 243

Wirklichkeit, denn nur im Mensdien sind diese vereinigt. Deshalb haben alle großen Religionen ihre Symbole auf der Darstellung eines Menschenlebens aufgebaut. In ihm kann die tragende Macht des Seins voll in Erscheinung treten und zugleid) über die Grenzen des Menschlichen hinausweisen. Der religiöse Wert eines Symbols hängt also davon ab, in welchem Maße es das letzte mensdiliche Anliegen in einem konkreten Menschenleben zum Ausdruck bringt. Negative und positive Kriterien für die Wahrheit religiöser Symbole zeigen, daß diese nichts zu tun hat mit der faktischen Riditigkeit des symbolischen Stoffs. Wie fragwürdig der symbolische Stoff in seiner empirischen Gültigkeit auch immer sein mag, sein symbolisdier Charakter und sein Wert als Symbol werden dadurch in keiner Weise beeinträchtigt. Ich glaube, daß eine Interpretation der religiösen Symbolsprache, wie ich sie hier versucht habe, die Voraussetzung für eine angemessene Auffassung der Religion ist und für eine wechselseitige Durchdringung und Erhellung theologischer und philosophischer Erkenntnisse.

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ANMERKUNGEN

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NAMEN- U N D SACHREGISTER Bearbeitet von Theodor Mahlmann

Abendland 25, 107, 143 Abendmahl 220 Abgrund 23, 204; s. a. Grund Abraham 159,161 Absolute, das 54, 55, 56, 66, 94 f., 124 f., 126, 127, 130, 132, 133, 148, 217 f., 243 — die zwei Absoluten 123 f., 129,131, 133 — s. a. Christentum; Sein, absolutes Abstraktion 98, 124 f., 129, 204 Ägypten 74 Ästhetische, das 40, 41, 146, 238 f. Ätiologie 191 Affekt 228 Afrika 54, 57, 59, 61 f. Agape 85 f., 164 f., 175, 176 f. Akkommodation 16 Aktivismus 33 Alexander von Haies 124, 125, 126, 127 Allegorie 187,193 Allgemeine, das — und das Einzelne 134 — und das Individuelle 139, 158,164 Amerika (35), 43, 51, 59, 69 f., 76, 139, 213, 235 Analogie 171,172 Anaximander 141, 230 Andadit 27 Angst 23, 24, 33, 34, 35, 48, 49, 50, 134, 161, 170 f., 226, 227, 227 f., 228, 229, 230, 231, 233 f., 239, 240 — und Mut 23 f., 47, 48, 232, 236 - u n d Fur A t 23 f., 227, 228

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Anliegen, letztes 35, 44, 46 f., 52 f., 53 f., 70,96 f., 162,165,169,171 f., 173, 240, 244 Anschauung 27, 192, 196, 197, 198, 200,202,203,204,207,208,211,212 Anselm von Canterbury 126 Anthropologie 37 f., 116, 134 f., 190 Anthroposophie 20 f. Antike 21, 22, 59, 69 — Spätantike 20, 22,156 — s. a. Philosophie, antike Antisemitismus 70; s. a. Judentum Apologeten, altchristliche 105 Apologetik 111 Apostel 154, 157,163 Architektur 48, 49 Aristoteles 112, 113, 118, 124, 140, 141,183, 225, 226 Aristotelismus 111, 125 Asien 21, 54, 59,62,63, 80, 81 Askese 86 f., 118,221 Astrologie 20,191 Astronomie 191 Atomenergie 34 Aufklärung 19, 58, 71, 74, 88, 96, 107 f., 118 f., 132 Augenblick 45 Augustin 37, 67, 93, 124, 125, 126, 127, 129, 130, 132, 137, 148, 167, 175, 177 f., 179,181,227 Autonomie 18, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 30 f., 36, 55, 166, 205 Autorität 38 f., 56, 57 f., 89 f., 91, 125, 127, 128, 129, 165, 166, 170 Axiom 124

Barth, Karl 73, 73 f., 111, 118, 138 Begegnung 122, 145, 150-152, 240 Begriff 164, 192, 196, 197, 201, 204, 211, 215, 237, 239 Bekehrung 49 f., 97,172 f. Berufungsbewußtsein 53 f., 58, 59 Bewußtsein 35, 124, 130, 208, 209, 210, 217 - S p a l t u n g 37, 131,239 — s. a. Mythos Beziehung 133 Bibel; s. a. Religion V ; Symbol, biblisches — Altes Testament 69,91,93,156,163 — Genesis 1,26: 85 1,31: 83 2 - 9 : 161 3: 232f. - E x o d u s 2 0 , 2 - 1 7 : 161 - P s a l m 23,1: 242 — J e s a j a 6 , 1 0 : 176 10,21: 159 — Arnos: 66 — Neues Testament 69, 85, 164, 176, 226 — Evangelien 140,193 f. — Synoptiker 83, 95 — Matthäus 3 , 8 : 161 5,17—48: 161 5,48: 68 10,29 f.: 183 2 5 , 3 1 - 4 6 : 66 - M a r k u s 1,15: 159 3 , 1 - 5 : 95 8 , 2 7 - 3 3 : 222 9 , 3 8 - 4 0 : 66 f. 12,31: 58 - L u k a s 1 , 2 6 - 3 8 : 221 f. 1 0 , 3 0 - 3 7 : 66 — Johanneisdie Schriften 70, 72, 222 — Johannes 1,1—18: 178 1,14: 2 1 , 1 1 8 , 1 4 0 , 1 5 8 3,19: 95 3,34: 158 4,21.23: 67

Bibel 5 , 2 4 : 95 - R ö m e r 10,4: 95 — 1. Korinther 2 , 1 1 f.: 168 15,28: 41, 84 — Galater 4 , 4 : 219 - P h i l i p p e r 2,12: 174 — Jakobus: 161 - 2 . Petrus 3,13: 86 — 1. Johannes 4,20: 161 — Offenbarung des Johannes 21,22: 41 Bild 40, 197, 209, 237, 238 Bildungssdiidit 22, 28, 211 Biologie 46 Bismarck, Otto von 59 Blut 28 f. Böse, das 29, 33, 35, 93, 156, 162 Bonaventura 124,127 Bonhoeffer, Dietrich 97 Brahman 53,151 f. Brueghel, Pieter 233 f. Buber, Martin 225 Buddhismus 52, 57, 60, 62, 63, 77, 7 8 - 8 8 , 89, 97, 209 Bund 58, 157, 159, 161 Calvin, Johannes 37,181 Calvinismus 30, 83, 85 Cassirer, Ernst 188, 202 China 57, 59, 60, 62, 69, 81, 85, 151 Chiromantik 20 Christengemeinschaft 20 Christentum — christliches Prinzip 65, 67, 77, 88, 90, 91,158 — Urteil über sich selbst 89, 90, 91, 92, 97 — partikulare Religion und Aufhebung der Religion 44, 46, 90, 91, 92, 94, 96, 97 — Partikularität und Universalität 90,98 — Exklusivität 66, 70, 71 f., 72 f. — Absolutheit 72, 73, 78, 90, (222)

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Christentum — und niditchristliche Religionen 51, 52, 57, 60, 61, 62, 64, 65 f., 67 f., 69, 70-74, 76, 77, 88, 89, 90, 91, 92, 93,94, 97 dialektisches Verhältnis 65, 67, 72, 73 f., 78 — und Antike 21 — und Judentum 67, 70, 93, 97, 195 - f r ü h e s 56, 67f., 83, 92, 134, 156, 159 — corpus christianum 58 f. — und Humanismus 70,93, 138 — und moderner Geist 168 — und säkularer Bereich 57, 74 f., 97 — und Quasi-Religionen 51,62,62 f., 64, 65, 66, 69, 74, 74 f., 88 f., 90 — und Buddhismus 78—88, 89 — Ende der christlichen Ära 98 — s. a. Apologeten, altchristlidie; Symbol, christliches; Theologie, christliche Compassio 85, 86, 87 Complexio oppositorum 16 Comte, Auguste 38,107

Dämonische, das 18, 19, 23, 29, 30, 31, 48, 59, 63, 66, 73, 75 f., 83, 92, 102, 115, 118, 123 139, 174, 194, 208, 210, 218, 222, 231, 233 f., 236, 242 Dante Alighieri 193, 227, 233 Demokratie 54, 55, 63, 86, 87, 88, 89, 93 Denken 108, 126, 184, 192; s.a. Sein Descartes, Ren^ 130,228,230 — Cartesianismus 107,223 Determinismus 179,181 Deutschland 29, 53, 54, 58 f., 59, 63, 75 Dialektik 65, 67, 72, 73 f., 75, 78, 108, 140,189, 194, 203 Dichtung 32, 48, 142, 148 f., 150, 192 f., 194,215 f., 237, 239

Dimension — vertikale und horizontale 33—36, 45,46 f., 87,181 — der Tiefe (der Wirklichkeit) 34,39, 40, 41 f., 43—45, 45 f., 47 f., 49, 50, (57), 74, 217, 220, 235, 238, 243 f. Ding 20, 26 f., 34, 38, 47, 112, 144, 150,152,165, 171, 191, 195, 203 f., 204 f., 207, 208, 209 f., 236 Dogma, Dogmatik 19, 81, 91, 105, 107, 164, 170, 189 f., 192, 193, 239 Do ut des 152 Drama 48, 142 Dualismus 19, 93 f., 156, 157, 177, 224 f. Duns Scotus, Johannes 126, 128 f., 179 Dynamik 33, 77 f., 146, 224, 241 Eckehart, Meister 125 Einheit s. Trennung Einmalige, das 164,179 Einsamkeit 163 f., 175 f. — und Vereinsamung 229,232 Einzelne, der 14, 17, 20, 26, 34, 47, 87, 144, 163, 197, 225, 225 f., 232, 238, 239 Ekstase 27, 103, 107, 108, 151, 166, 203 Elan vital 135 Emotion 40, 146,189 Empirie 72,106,107,114,130 f., 147, 208 f., 221, 224 Enderwartung 17 Endliche, das; Endlichkeit 29, 31, 33, 53, 82, 83, 92, 95, 128 f., 134, 139, 144, 145, 150, 157, 169, 172, 175, 178, 182, 218, 225, 226, 228, 229, 230, 231, 232, 233, 236, 238, 240 England 59, 75,106 Entfremdung 41,42,46,50,115,122, 125, 137, 167, 168, 172, 177, 224, 226, 227, 228 f., 229 f., 231, 232, 233 f., 236

249

Entscheidung 15, 22, 47, 102, 133, 136, 153, 155, 162, 166, 173 f., 203, 225 f., 229 f., 232 Enttäuschung 29, 30 Entwicklung 38, 204 Epos 142 Erasmus v. Rotterdam, Desiderius 71 Erfahrung 112,113,114,130f., 131 f., 182, 226 f., 229, 230, 236, 240, 241; s.a. Religion III Erfüllung 82, 103,115,117, 136,159, 242 Erkennen 25, 27, 39, 40, 41, 64 f., 104, 107,114,124 f., 125,126,127, 128,131,131 f., 132, 133, 141, 142, 145, 146,148, 148 f., 150, 151, 155, 162, 166,172, 173, 176 f., 191, 204, 208,230 — Erkenntnistheorie 113 f., 114, 116, 123, 126, 139, 140, 146, 188, 202 Erlösung 22,25, 46,67, 72 f., 86,156, 159, 168, 180, 183, 196, 231, 232, 234, 235 f. Eros 33, 148, 162, 164 f., 175, 176 f. Erscheinung 114,136, 209 Erwartung 54, 87 Erziehung 33, 34, 55 Eschatologie 54, 160, 177, 179, 190, 212 Esoterisch 18 — und exoterisch 104 f., 105 Essenz — und Existenz 83,175, 223f., 241 f.; s. a. Mensch; Wesen — Essentialanalyse 224—226, 227 f. und Existentialanalyse 223—230 Ethik 33, 39,40, 41,64, 79, 84,161 f., 163, 165, 173 f., 174, 175, 194, 203, 226 Europa 35, 51, 54, 55, 57, 60 f., 69, 72,151, 213, 235 Evidenz 126 Ewige, das 24, 26, 32, 33, 34, 35, 36, 45f., 127, 179f., 235; s.a. Leben, ewiges

Existenz 18, 33, 34, 42, 49, 50, 57, 77, 82, 82 f., 86, 108,115, 120, 152, 156, 158, 161, 163, 165, 166, 172, 173 f., 175, 176, 228, 231, 234 f.; s. a. Gott -existentiell 102, 104 f., 105, 106, 109, 115 f., 117, 118, 119-121, 132 f., 136, 147 f., 148, 169, 173, 178, 223, 226 f., 228-230, 236 — Existential 228 — Existentialanalyse 223 f., 224, 225, 226-230, 231, 232, 233, 234, 235, 236 — Existentialismus 51, 94 — Existenzphilosophie 223, 224; s.a. Philosophie, existentialistisdie Fahne 197,214,216 Fall, der 46, 83,159, 178, 232 f. Faschismus 53, 54, 55, 56, 63, 64, 70, 75, 88 Fichte, Johann Gottlieb 72,119 Forderung 18, 23, 26, 28, 41, 102, 103, 115, 130, 132, 133, 136, 152, 162, 194 Form 25, 26, 27, 104 f., 107, 117 f., 119,129,177 Fortschritt 34,194 Frage 22 f., 32, 45, 101-104, 106, 107, 108, 108 f., 125, 143 f., 176 — und Antwort 24, 43 f., 47, 49, 50, 52, 52 f., 57, 58, 68, 98, 101, 117, 123 f., 140 f., 150, 172, 223, 231 f., 234, 236 — s. a. Sein, Frage nach dem Frankreich 59 Franziskaner - d e s 13. Jahrhunderts (122), 124, 126,127, 130,131 — englische 106 Freidenkerbewegung 19 Freiheit 23, 24 f., 26, 27, 29, 30, 31, 37, 53 f., 55, 56, 59, 91, 98, 115, 117, 119, 150, 153, 155, 160, 166 — endliche 178, 182, 229, 230 — und Schicksal 174, 178, 181

250

Freud, Sigmund 199,201 Friede 82 Friedrich II., Kaiser 70 Frömmigkeit 41, 103,104,189 Fundamentalismus 73,140,143 Furdit 23 f., 227, 228 Ganzheit 131,135 Gaunilo von Marmoutiers 126 Gebet 16, 27, 33, 41, 151, 152, 181 Gebot 155, 161, 162, 162 f., 174, 175 Gefühl 40, 132, 146, 166,167, 227 f., 229 Gegenstand 14, 19,20, 23, 27, 46, 47, 181 f., 189, 191, 196, 197, 197 f., 200, 201, 202, 203 f., 204, 205, 206 bis 2 0 9 , 2 1 0 , 2 1 1 , 2 3 1 , 2 4 0 Gegenwart s. Zeit Gehorsam 161, 162 f., 166, 169, 174, 175 Geist — s. Sein - u n d Natur 20f., 228 — und Materie 93, 231 — und das Vitale, Seelisdie 200 f., 201 — schöpferisch 37,38, (55), 135,141 f., 187, 188, 200, 201, 202, 205, 206, 217 — und Freiheit 37, 56, 98 — und das Unbedingte 195 — Geistesfunktionen 37, 38, 39—42, (55), (104), 124, 125, 138, (142), 147 f., 166, 173,192 - S i n n a u f b a u 188, 202, 205f. — und Symbol 202, 217, 238 f. — s. a. Mythos; Religion II — Geisteshaltung 168 f. - G e i s t e s l a g e 105, 191, 192,193,194, 195, 203,211 — Geistesgesdiidite 194 f. - h e i l i g e r (Gottes) 16, 37, 120, 157, 158, 165, 168, 172, 175, 176, 180, 181,222 — und Buchstabe 90 Gemeinde 163

251

Gemeinschaft 24, 25, 28 f., 33, 58, 88,157,164,164 f., 166,175 f., 229, 237 — und Einzelner, Individuum 13 f., 150, 163, 174, 197, 225, 232, 238, 239 Gemüt 107 George-Kreis 18 Gerechtigkeit 33, (34), 53 f., 57 f., 63, 66, 76, 82, 123, 136, 162, 194, 241 Gericht 15, 30, 42, 95, 163, 233, 234 Gesdiidite 26, 28 f., 32, 33, 36, 37 f., 39, 44, 46, 51, 54, 56, 67, 72, 73 f., 83, 86 f., 89, 90, 115 f., 118 f., 120, 150, 155, 157, 158-160, 163, 171, 174, 179 f., 187, 190, 191, 193 f., 203, 206, 221, 231, 237; s.a. Religion V Gesellschaft 23, 30, 33, 34, 43, 45, 47, 53, 54, 58, 85, 86, 87, 119, 198 f., 199 Gesetz 18, 56, 90, 95, 155, 157, 159, 161,174 f., 226, 234 Gestalt 14, 16, 17, 20, 24, 132, 135, 193 Gewissen 168 Gewißheit 64 f., 101, 122, 125, 126, 127, 128, 129, 130, 132, 133, 135, 136, 232 Gilson, Etienne 128 Glaube — Ergriffensein vom Unbedingten 35, 101, 102, 135, 136, 165, 166 f., 167, 168, 169 f., 170, 173, (176), 178 — Selbst-Hingabe 166 — Kontingenz, Entscheidung, existentielles Wagnis konkreten Glaubens 102, 120, 129, 132 f., 135 f., 167, 178 — Lehrgehalt, Glaube der Kirche 120, 160 f., 164,166 f. — Gegenstand 198 — Wille zum Glauben 132 — Dynamik 241 — und Unglaube, Sünde 167 f.

Glaube — und Zweifel 136, 167,169,170 bis 172,184 — philosophischer 173 — und Vernunft 130 f., 166 — und Wissen 36,127 f. — Wissenschaftsglaube 55 — Aberglaube 60,123 —fidesimplicita 104 — s. a. Realismus, gläubiger Gleichheit 55 Gnade 18, 22, 30, 129, 160,174 Gnosis 93,176 Goethe, Johann Wolfgang von 28, 193 Götzendienst 169 f., 217 f., 222, 243 Gott — Lehre von 182 — Gotteserkenntnis 124, 127, 129, 131, 136 f., 167 f., 172, 175, 208 — Symbol des Unbedingten 46 f., 53, 95, 133, 135, 169, 189, 190, 196, 206-208, 210, 211, 218 f., 235 f. - u n d Sein 83f., 115, 117, 120, 123, 125, 126, 127, 131, 144, 161, 163, 192, 236, 241 f. - G r u n d 46,156, 183,219 und Abgrund 95, 151 — Macht des Seins 183,236 - T i e f e 178,184 — das Göttliche und das Dämonische 19, 29, 31, 92, 115, 123, 194, 210, 231, 233, 236 -Polytheismus 71, 92, 94, 95, 203, 216 — Göttergeschichte 187, 190; s. a. Mythos — Theogonie 188,190 — absoluter, universaler Gott Israels 66,94 f., 123 — Monotheismus 66,195, 204 — Henotheismus 95, 203 — Theismus 130 — als Gegenstand, Objekt 27, 189, 207, 231

Gott — hödistes Wesen 107, 130, 135,196, 206 f., 218, 241 — Name 134,209, 241 — Person 83 f., 94, 95, 135, 149, 151, 152, 156, 157, 158, 160,178, 182 f., 184, 195, 218, 220, 236, 241 — über Gott 95,134 — Gottesbeweis 117,133 kosmologischer 128 f., 130, 134, 142 teleologischer 134,135 ontologischer 125 f., 128, 130 moralischer 130 - E x i s t e n z 38, 44, 47, 117, 126, 128,131, 133,182, 236 -Atheismus 38, 75, 92, 131, 133f., 135, 207, 209 — Grenzbegriff 34, 96 - W e s e n 183,190, 207, 236 — Eigenschaften (181), 207, 208, 219, (232), 241 f. -Selbst-Manifestation 67, 89, 92, 115, 116, 138, 139, 156, 157 f., 177, 178,179, 180 - W o r t Gottes 154f., 156, 156f., 157 f., 180 - T r i n i t ä t 180,221 - V a t e r 68,200 — Transzendenz 95, 102, 178, 190, 194, 196, 203, 207, 211, 218 f., 241, 241 f. und Immanenz 220 - u n d Welt 19, 21, 92, 113, 115, 177 f., 190, 191, 194, 242 -Offenbarung 79,111,138,140,149, 150, 155 f., 157 f., 158,172 — Gegenwart 98 — und Wirklichkeit 212 — Handlungen 158 f., 207, 219, 242 - W i l l e 30,157, 181 — Erscheinung in Zeit und Raum 219 — und Mensch 37, 44, 58, 85, 92, 113, 122, 128 f., 130 f., 132, 132 f., 133, 138 f., 151, 153 f., 157, 160,

252

Gott und Mensch 161, 173 f., 174 f., 178, 180, 180 bis 183, 188, 219, 224, 237 — Menschwerdung Gottes 127, 158 — Inkarnation 219 f., 242 — gnädiger 22 — s. Geist Gottes Graphologie 20 Griechentum 22, 58, 68, 74, 92, 119, 143, 170, 182, 220; s. a. Philosophie, griechische Grund 27, 33, 35, 41, 46, 50, 82, 84, 126, 145, 148, 154, 156, 157, 165, 169,174,177 f., 181, 183, 195, 216, 217, 218, 219, 232, 236, 238, 238 f., 240,241 - u n d Abgrund 95, 115, 151, 182 - u n d Z i e l 89,115 Gruppe 14, 16, 17, 54, 58, 59, 64 f., 104, 167, 216, 225,239 Gute, das 40, 83, 125, 126, 127, 175, 176 — und das Böse 35, 93, 156, 162 Häresie 15,66,222 Handeln 27, 133, 194 Harnatk, Adolf von 91,170 Hartshorne, Charles 241 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 72, 108, 119, 148, 163, 168, 183, 194, 225 f., 228 f. Heidegger, Martin 49, 109, 112, 225, 229 Heidentum 20, 67, 68, 93, 94, 203, 220 Heil 234 Heiland 46 Heilung 16, 49 f., 50, 234, 235, 239 Heilige, das 26 f., 28, 29, 30, 31, 53, 54, 79, 83, 84, 123, 150-152, 194, 208f., 209, 217, 217f., 220, 239, 240, 241, 242, 243 — und das Profane 42, 74 Heilige, der 68,92,148 f. Hellenismus 170

253

Heraklit 118,164 Heteronomie 106 Hierarchie 91,157 Himmel 235 Hinduismus 57, 62, 80, 85, 97, 151 Hingabe 166,167,169, 172, 181 Historie 32, 89, 139, 140, 158, 179, 206, 208, 209,241 — historisch-kritische Forschung 36, 46,148, 209,222 — s. a. Symbol, historisches Hobbes, Thomas 58 Hölle 233 Hoffnung 17, 54, 58, 60, 62, 160, 165, 235 Homer 143, 187,193, 194 Humanismus 28, 36, 55 f., 58, 60 f., 62, 63, 69, 70, 71, 72, 75, 76, 77, 80,88, 93, 110,112,138 Hume, David 71,148 Hypostasis, Hypostase 68, 92 Idi-Du-Beziehung 150,151, 152, 153, 182,183, 218 f., 225 Idealismus — und Realismus 147, 150, 205, 206 -deutscher 107, 130, 133 — kritischer 202,205,206 Idee 118, 148, 165,196, 197 Identität 84 f., 88, 133,157, 171, 217 Ideokratie 54, 55 Ideologie 50, 54, 55, 119, 199, 200 Idol 243 Immanenz s. Transzendenz Imperialismus 59 Indien 62, 64, 74, 79, 80, 85, 94, 118, 151,203, 220 Individuelle, das 60, 77, 83, 88, 129, 139, 147, 150, 158, 164, 165, 174, 175,191, 225 Induktion 240 Inkarnation 219 f., 242 — Reinkarnation (85), 235 Innozenz III., Papst 70 Institution 49

Intellekt 28, 128, 132, 155, 165, 166, 167,189 Interesse 34 Intuition 33, 112, 129, 131 f., 163 Islam 57, 60, 61, 62, 62 f., 69, 70, 88,93, 97 Israel 63, 64, 66, 79, 95, 123, 157, 158 f., 161 Italien 54,59 James, William 131 Japan 57, 59, 63 f., 80, 81, 85, 87, 88 Jenseits 242 Jesus der Christus 65, 66 f., 68, 69, 70, 72 f., 88, 89, 90, 95, 118, 120, 121,135 f., 154, 156, 157,158, 159, 161, 162,163, 177, 178 f., 183, 184, 234 — das Neue Sein 31,159 — Jungfrauengeburt 221 f. - K r e u z Christi 92, 196, 209, 222, 243 — Auferstehung 209 — Gott und Mensdi 222 — Christologie 111,178 — Leben-Jesu-Forsdiung 209 Johannes der Täufer 161 Judentum 29,46, 58,60,62 f., 67,92, 93, 97, 134, 156,195, 210 — Anti-Judaismus 70, 88 — s. a. Prophetie, jüdische Jugendbewegung 28 Julian, Kaiser 94 Jungfräulichkeit 221 Kafka, Franz 227 Kant, Immanuel 71, 72, 96, 126,130, 142,183, 213, 225 Kapitalismus 30 Karma 85 Kategorien 113, 120, 124, 148, 150, 154, 175,182, 219, 221, 242 Katholizismus 15, 16, 25, 35, 36, 60, 74, 75, 76, 87, 91, 104, 106, 130, (170), 221

Kausalität 128, 154, 219, 242 Kerygma 110 f., 114,116; s. a. Theologie, kerygmatisdie Kierkegaard, Sören 115, 132 f., 163, 225 f. Kirche 127,163 — und Religion 33, 34, 35,36, 41, 43, 49, 57, 66, 67, 68, 70, 71, 73, 74, 90, 91, 94, 97, 140,182, 222 — und niditkirdilidie religiöse Bewegungen, autonome Religion 13 f., 19, 22, 25 f., 27, 28, 30 f., 86, 87 — und säkulares Bewußtsein, QuasiReligion 57, 61, 74 f., 88 f., 91, 93, 96, 97,199 — und Sekte 1 3 , 1 4 , 1 5 , 1 6 - 1 8 , 2 2 , 6 6 — und Theologie 120, 121 - G l a u b e der 120,166 f. — frühe 21, 67, 68, 95, 156,163, 170, 178 — Kirdienväter 67 f., 88, 95 — mittelalterlidie 118,119 — s.a. Katholizismus; Protestantismus — südindisdie 80 Kollektivismus 54, 60 Kommunismus 29, 53, 54, 55, 60 f., 62, 62 f., 64, 69, 69 f., 75, 76, 77, 88, 98 Konfessionen 58, 140, 197 Konfuzianismus 57, 60 Konkretheit 44, 69, 71, 79, 84, 90, 98, 102 f., 103, 107, 115, 118, 119, 120, 123, 129, 133, 135, 136, 139, 140,158, 162, 164 f., 167, 171, 172, 178, 204, 242, 243, 244 Konservativismus 28, 29, 34, 76, 86, 87,163, 210, 222 Kontingenz 129,179 Konvention 176 Korea 85 Korrelation 189 Kosmogonie 190,191 Kosmologie 159, 190; s. a. Gottesbeweis; Religion I Kraemer, Hendrik 73 f.

254

Kreatur 231 f. Kreislauf 83,159, 179 Kreuz 221; s. a. Jesus der Christus Kreuzzug 69 f. Krisis 201 Kritik 14, 15, 18, 28, 30, 30 f., 46, 54, 55, 58, 60, 94, 102, 103, 107, 108,167, 210 f. — prophetische 55, 60, 95, 176 — Kritizismus 107 — s. a. Idealismus, kritischer Kultur 18, 22, 24 f., 26, 27, 29, 30 f., 33, 35, 43, 50, 57, 58, 59, 62, 68, 69, 72, 74, 80, 98, 119, 122, 131, 137,143, 150, 210 — Kulturmorphologie 200 f. — Theologie der 135 Kultus 17, 33, 41, 71, 94 f., 96, 143, 189, 209, 218, 220 Kunst 23, 24, 33, 40, 47 f., 49, 55, 85, 142, 143, (150), 188,189,197, 201, 202, 205 f., 210, 212, 215, 223, 237, 238, 239 Laotse 183 Leben 15 f., 22, 23 f., 46, 54, 58, 83, 120, 144 f., 148, 154, 157, 158, 177, 191, 200, 204, 217 - S i n n 23, 25, 27f., 30, 32, 33, 34, 43 f., 45, 47 f., 49, 50, 52 f., 58, 97, 98,136, 201, 227, 235 - e w i g e s 84,95, 179, 180,235 — Lebensphilosophie 179 Leere 34, 47, 48, 235 Legalismus 56, 60, 67 Lehre 166 f., 167 Leib 17 - u n d Seele 112, 224f. Leibniz, Gottfried Wilhelm 213 Liberalismus 55 f., 60 f., 62, 63, 64, 69, 75, 76, 77, 86, 88, 89, 93, 168 Libertinismus 67 Licht 124, 127 Liebe 85 f., 90, 161, 162, 164, 165, 174 f., 176 f., 241

Literatur 48,223,227 Liturgie 36 Locke, John 71 Logik 49, 124, 133, 139, 140, 146, 148, 170, 193, 213; s.a. Positivismus, logischer Logos 67, 68, 71, 73, 111,113, 117f., 119, 120, 121, 141, 158, 176, 177, 178,180 Luther, Martin 27, 37, 75, 85, 95 f., 167, 174, 178, 181, 183, 220 Luthertum 87 Madiiavelli, Nicolo 58 Macht 29, 58, 59, 66, 83, 89 f., 123, 129,132, 134,150, 152, 183, 196 f., 199, 204, 210, 212, 214, 215, 220, 221,233,236,238,241,243; s.a. Sein Magie 123, 155, 209 f. Malebranche, Nicolas 107 Malerei 48, 49, 215, 237 Mana 220 Manichäismus 93 Marburger Religionsgespräch 220 Maria 221 Marx, Karl 34,119, 194, 198, 199 Marxismus 54, 199 Masse 22, 34 Materie 93, 177, 231 — Materialismus 21 Mathematik 21, 124, 148, 213, 214 Matthäus von Aquasparta 124, 125 Medianismus 32, 47 Meditation 33 Medizin 33 Mehrwert 196 Menninger, Karl 234 Mensch - u n d Natur 117,224 — Person (Individualität) 68, 87, 150, 164, 165, 171,218, 241 — Person-Zentrum (Vernunft, Freiheit, Entscheidung, Verantwortung) 102, 132, 150, 151, 152, 153, 155, 158, 160, 162, 163, 165, 166, 167, 173, 243 f.

255

Mensch — Totalität, Ganzheit 104, 105, 148 — Selbst- und Weltverhältnis 44 f., 117,145, 150,175 f., 229,240 — Geist 33, 37; s.d. — Freiheit 23, 24 f., 27, 37,115 — Möglichkeit und Verwirklichung 103, 173, 230,232 f. -Endlichkeit 33, 169, 225, 228, 231, 232, 240 — Dasein im Sinn 22 f., 25, 33, 44, 114,115 f., 118, 165,169, 232, 233, 235 — und Seinsfrage, ontologische Frage 103, 112, 113, 142, 143 f., 145, 145 f., 147,169,170, 172,173,240; s. a. Philosophie — essentiales, wahres Sein, Natur, Wesen 32, 35, 38, 52, 78 f., 224, 240 und Existenz 115, 224—227, 227 f., 228-230, 234, 235 und aktuelles Dasein 226 und Widerspruch 174, (178), 226 f., 229 und Entfremdung 42, 46, 115, 167, (168), 172, 224, 226, 229, 233, 234 - E x i s t e n z 17f., 33, 50, 132f., 161, 163, 165, 169, 172, 173 f., 176, 227, 228, 231, 236 und neues Sein 234 f. — Situation 23, 35, 41, 43, 44, 45, 46, 49, 50, 76, 103, 115, 139, 145, 147, 160, 161, 170, (171), 172, 173 f., 223, 224, 226, 228, 230, 231, 232 f., 234, 236 — Freiheit, Verantwortlichkeit und Sdiidcsal; Tragik 117, 174, 229 f., 233 - T r a g i k 41,42 -Entfremdung 41, 227, 231, 232, 232 f., 236 — dualistische Auffassung vom Menschen 93 f.

Mensch — moderner, autonomer, westlicher 19 f., 22, 23, 24, 25, 26, 27, 33 f., 43 f., 84 f., 123,236 -Menschheit 15, 26, 59, 64, 97f., 123, 158 f., 230, 232 — s. a. Gott; Mythos; Religion II, V ; Symbol, religiöses Metapher s. Symbol Metaphysik 68, 107, 108, 113, 141 f., 157, 188, 189 f., 190, 191 f., 193, 194, 200, 204 Methode 148; s.a. Religion I Mission 57, 72, 73, 73 f., 80, 91 Mittel und Zwedt 47 Mittelalter 22, 58 f., 66, 69, 74, 93, 106,111, 118, 119, 147,231 Mittelstand 17 Möglichkeit und Wirklichkeit, Verwirklichung 103, 128, 173, 230, 232 f. Mönditum 95 f. Monarchie 214 Monismus und Dualismus 19, 157, 224 f. Moral 34, 39, 68, 115, 117, 130, 164, 166 Morphologie 200 f. Mut 23 f., 42, 44, 47, 48, 170, 172, 230, 232, 236 Mysterien, dionysische 143; s.a. Religion V Mystik 21, 26, 27, 32, 33, 35, 39, 60, 62, 64, 72, 79, 83 f., 85, 87, 94, 95, I I I , 112, 116, 118, 125, 127, 130, 134,136, 147, 151,161, 162 f., 164, 165, 174 f., 176, 189, 189 f., 203, 204, 220 Mythos — Wortdefinition 187 — mythisches Motiv, Mythos, Mythologie 192 f. — Wesen 187,188 — Theoriedes 187,188 negative

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Mythos allegorische Deutung 187,193 psychologische Deutung 187 f. psychoanalytische Deutung 188,192 positive metaphysische Deutung 107, (112), 113, 188, 189 f., 190, 191 f., 193, 194, 204 erkenntnistheoretisdie, transzendentale Deutung 188 f., 202 entwicklungsgeschichtliche Deutung 202 symbolisch-realistische Deutung 188 f. — konstitutives, notwendiges Element im Sinnaufbau des menschlichen Geistes 142, 187, 188, 192, 195, 202, 203,204, 205 — Geistesgesdiidite des 187, 194 f. — vormythisdie Bewußtseins-, Geisteslage 52,187,191,195 — mythisches Bewußtsein 192, 193, 194, 203, 204, 205 — s. a. Religion IV — und Kultus 189 — und Ethos 194 — und religiöses Symbol 135, 180, 188 f., 190, 192,195,197, 199, 202, 204, 205, 206, 220, 230, 231, 232, 234, 235, 237 — Inhalt, Gegenstand 188, 189 f., 204 f., 205,206 — und Welterkenntnis 190 f., 205 — innere Dialektik 203 — ungebrochener und gebrochener 187, 190 f., 193, 194, 204 f. — gebrochener 192, 195, 204, 206 — Entmythologisierung 95, 96 — und Geschichte 193 f., 203 — nachmythische Bewußtseins-, Geisteslage 52, 187, 192, 193 f., 194, 195 — und Dichtung 192, 194

Mythos — und Wissenschaft 187, 189, 190 f., 192, 193, 194, 203 f., 204, 204 f., 205, 206,211 — abstrakter und konkreter 204 — und Dogma 190,192 — und Kunst 189,205 — säkularer 59, 96 — unmythische Bewußtseins-, Geisteslage 187,191, 195, 203, 212 Nationalismus 29, 31, 53, 53 f., 54, 55, 58 f., 61, 61 f., 62, 63, 64, 70, 75, 75 f., 77, 94 f., 119, 150,214 Nationalsozialismus 53, 56, 59, 63, 73, 75 f. Natur 20 f., 22, 23, 28, 33, 68, 84 f., 92 f., 115, 116, 117, 135, 150, 159, 179, 180, 190, 224, 228, 243 — Naturphilosophie 92 f., 187, 191 Naturwissenschaft 19,20,36,46,187, 190 f., 221 Neue, das 86, 87, 159, 160, 179; s.a. Sein, Neues Neuzeit 33 Nichts 84,109,177, 235 Niederlande 75 Nietzsche, Friedrich 29, 148, 193, 198,199 Nihilismus 235 Nikolaus von Kues 70 f., 183 Nirvana 82 f., 84, 87, 89 Nominalismus 106, 107, 129, 134, 147, 224 Norm 115, 164 Notwendigkeit 30, 103, 188, 196, 205, 233 — und Freiheit 160, 178 - u n d Zufall 131 Numinose, das 207 Objekt, Objektivität 36, 167, 207, 228; s.a. Subjekt Objektivierung 188 — und existentielle Situation 226 f.

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Ockham, Wilhelm von 126,129 Offenbarung 143 — und Verborgenheit des Sinnes des Seins 117 f., 141,173, 240 f. - u n d Vernunft 71, 111, 118, 118f., 120,172 — universale 71, 88,139 — natürliche 106 — geschichtliche 89 — s. a. Gott; Religion IV Okkultismus 20,208 Ontologie - W e s e n der 160 — und menschliche Situation 144 f., 147,170,171,172,173 — und Begriff des Seins, Frage nach dem Sein 129, 133, 134, 141, 142, 145, 146 f., 152 f., 154, 155 f., 157, 158, 160, 160 f., 162 f., 163 f., 165, 168,171, 174,177 f., 240 f. — ontologisches Prinzip 84, (85), 123, 124, 125, 126, 127, 131, 133, 134, 135, 142, 148, 162 — ontologische Kategorien 175 — und das Unbedingte 135 — und Erkenntnistheorie 113,145 f. — und religiöse Symbole 240 f. — s. a. Gottesbeweis, ontologischer; Religion I, V; Symbol, ontologisches Optimismus 19, 34 Orthodoxe Kirche des Ostens 35, 57, 60, 61, 69 Osten, der: s.Westen, der Otto, Rudolf 80,240 Paradox 125, 133, 235 Parmenides 113,118 Partizipation 84 f., 85, 89 f., 147, 155,156, 157, 160,162 f., 167,171, 172, 174, 175, 180 f., 183, 232 Pascal, Blaise 49, 184, 227 Paulus, Apostel 37, 67, 68, 84, 95, 161, 167, 222, 226, 233 Persien 93,151

Person - u n d Ding 152,195 — und das Unterpersönlidie 151,152, 158 — s. Mensch -Persönlichkeit 33, 136, 155, 157, 195, 208, 237 — Personifizierung 150, 151; s. a. Religion IV — s. Gott — Personalismus 35; s.a. Religion V; Symbol, personalistisdies — und Transzendierung des Personhaften 83, 83 f., 94, 151 f., 182 f., 184, 218 — und Impersonalismus 94, 157, 158, 160 Pessimismus 194 Phänomenologie 240, 241 Phantasie 192 Philosophie - u n d Vorphilosophie (111 f.), 142f., 171,182 — Wesen 101,138,147 — Definition 140, (145) — radikales Fragen 101 f., 102—104, 106,107,108 — und Menschsein 102,103,104,112, 113, 118, 142, 143, 145, 145 f., 147f.; s.a. Mensch und Seinsfrage — und Situation 102, 103, 104, 105, 118,119,133, 145,171 — existentiell 102, 104, 105, 106, 108 f., 116, 117, 118, 119, 132 f., 147 f., 169 — existentialistische 49, 134 f., 223, 224, 225, (235) -theoretisch 116, 147 f., 148 f., 169 — und (reines) Erkennen 104, 148 f., 162 — und die Wahrheit selbst 119, 148 — Frage nadi dem Sein, ontologische Frage 112 f., 114, 116, 118, 119, 140 f., 142, 145, 145 f., 147, 148, 182

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Philosophie — essentialistisdie 224,225,226 - e r s t e 112,113,117,141 — und Metaphysik 107, 108, 113, 141 f., 157 — schöpferische 116,163 f. — und Prophetie 116, 148 f., 163 f., 175 f. — und Theologie 104 f., 106,107,110, l l l f . , 113, 114 f., 116 f., 117, 118, 119, 120, 124, 133, 135, 141 f., 143, 175, 179, 180, 181, 182, 213, 244; s.a. Theologie, philosophische — philosophischer Glaube 173 — und Religion s. Religion I, V — und Symbol, Sprache 202, 213, 215 f., 223 — und Erkenntnistheorie 113 f., 116, 139,146 — und Logik (108), 116,139,146 — formale 106,107 — empirisdie; als Wissenschaft 106, 107,108, 113,147,224 — Schulphilosophie 116, 119 — Geschichte der 117, (140), 143, 146, 147, 172, 224 — antike 60 f., 228 — griechische 68, 82, 107, 140, 177, 187,194 — christliche 118 — mittelalterliche 118 - d e r Aufklärung 19, 96, 118f. — kritische 106; s.a. Kritizismus — Prozeßphilosophie 224 — moderne 187,228 — s. a. Lebensphilosophie; Naturphilosophie Physik 19, 21,148 Physis 68 Pietismus 72 f. Piaton 82, 118, 164, 173, 176, 183, 187, 204, 225 Plotin, Neuplatonismus 94, 118 Polarität 78, 79, 219 Polemik 91

259

Politik 32, 33, 35, 116; s. a. Symbol, politisches Positivismus 72,106,107,114 -logischer 116,146, 214f. — religiöser 130 Pragmatismus 51,114,131 Praktische, das: s. Theoretische, das Primitive Völker 93; s.a. Religion V Prinzip 150; s. Christentum; Ontotogie; Protestantismus; Religion VI Profanität, Profanisierung 41 f., 74, 92 f., 96, 103, 122,135, 136, 211 Proletariat 19, 22,119,196,199 Prophetie 16, 18,25, 27 f., 33,34, 55, 60, 69, 105, 116, 136, 138, 148 f., 164, 176, 198, 238 — jüdische 29, 54,60, 62 f., 66, 83, 88, 93, 94, 95, 107, 123, 140, 154, 157, 158, 161, 163, 164, 175, 176, 189, 189 f., 194, 203 — prophetischer Geist 31, 34, 93 Protest 16, 25, 34, 83, 96, 103, 138, 189,190 Protestantismus 22, 25, 30, 52, 55 f., 61, 63, 74, 75, 75 f., 83, 85, 98,106, 129, 130, 132, 171, 210, 221 — protestantisches Prinzip 55, 74, 91 — s. a. Theologie, liberal-protestantische Psychologie 36, 37 f., 60, 132, 187 f., 198, 225, 227 f., 228 — Psychoanalyse 188,192, 200 — Individualpsychologie 17 — Tiefenpsychologie 26, 35, 134 f., 144 f., 199,200, 233 Qualität und Quantität 191 Randall, John 237 Rasse 59, 70, 93 Rationale, das 19, 33, 68, 113, 117, 125, 127,129,133, 168, 191,191 f., 194, 203 f., 204 f., 205, 208, 224 Rationalismus 108, 223 Raum 33, 45, 77, 150, 154, 178, 187, 189, 219, 219 f., 228, 242

Realismus 126, 134, 147, 150, 205, 206 — gläubiger 28, 30 f. Realität 4 1 , 1 8 8 , 2 1 1 , 2 3 5 ; s. a. Wirklichkeit Recht 23, 24, 26 f., 55, 58, 68, 197, 201, 202 Rechtfertigung 234,235 Reflexion 125 Reformation 61, 72 f., 75, 95 f., 111, 154 f., 163,174,223 — und Gegenreformation 56, 91 Reidi Gottes 59, 82 f., 83, 84, 86, 89, 120,158 f., 162,163 Reich, tausendjähriges 54 Reinheit 102 Relativismus 71 f., 73 Religion I. Religionsphilosophie — und Philosophie 19, 20, 32, 33, 36, 47 f., 49, 138 f., 140, 141, 145, 146, 183 Verhältnis 101, 103, 105, 108 Gegensatz, Konflikt, Widerspruch, Spaltung 101 f., 103, 104,106,122 Spannung, Strukturunterschied 104 f., 106,107 Gleichheit, letzte Identität, wesenhafte Nähe, gemeinsames Obergeordnetes 103, 103 f., 105,106, 124 Rezeption 105 f., 107, 108 Koordination 105, 106, 107, 108 Subordination 105,106,107 f., 108 — und Metaphysik 68, 107, 189 f., 190,192,193,200,204 - u n d Theologie 32, 60, 81 f., 104f. — Religionsphilosophie 40, 51, 52, 71, 72,96,101,110,111,188 Zentralproblem 103, 109, 123, 129,131 Methode der 51 f., 7 7 - 7 9

Religion ontologische 122, 123, 124, 126, 127,128,129 f., 130,131, 134, 136 f. kosmologische 122, (126 f.), 128, 129 f., 130, 131, 132, 134 - B e g r i f f 38, 71, 72, 73, 96, 108, (139) II. Religion und Menschsein — und Mensch 19 f., 20, 22, 24, 25, 27,32,33,37 f., 39,40—42,44,47 f., 49, 50, 52, 77, 78 f., 98, 101 f., 103, 104, 105, 132, 138 f., 145, 149, 236 — und Seele 201 — Funktion des menschlichen Geistes (20 f.), 37, 38, 39, 40, 41, 55, 138 — und Erkenntnis (Intellekt) 39, 40, 41, (107), 132,167,189 — und Ethik (Sittlichkeit) 39, 40, 41, 167 - u n d Wille 132 — und das Ästhetische 41 — und Kunst 40, 47 f. — und Dichtung 48,193 — als Gefühl 40,132 — subjektive (Gemüt, Emotion) 14, 40, 107, 189 — Tiefendimension des menschlichen Geistes 39, 40 f., 41, 41 f., 42, 44, 46, 49, 50,57, 74 — und Kultur 22,24 f., 25,26, 27, 43, 50, 74, 98, 122, 131, 135, 137, 201, 210 III. Wesen, universaler Begriff — Wesen der 15, 27, 32, 44, 101, 135 — Ergriffensein vom Unbedingten 15 f., 18, 22, 26 f., 29, 32, 33, 40 f., 42, 44, 52 f., 101, 102, 103, 104, 107, 108, 135, 188, 194, 197, 203, 204,204 f., 207,208 — Erfahrung des Heiligen 27, 42, 79, 150 f., 152,239,242 — Universalität 15 f., 44, 46, 52, 66, 71, 98,152 IV. Existenz, engerer Begriff

260

Religion — Unbedingtheit der Religion und existentielles Wagnis konkreten Glaubens 104, 135 f., 165, 166 f. — vertikale und horizontale Dimension in der 33, 34, 36, 46 — vertikale Dimension in der 35 — Elemente, typische (polare) der 52, 56, 77, 78 f., 84 — Wesen und gesdbiditliche, spezifisdie, konkrete, vorhandene Religion 44 — umfassender und engerer Sinn von 41 f., 52 f. — engerer Sinn von 94 — Existenz der 42,108 — aktuelle Frömmigkeit 103, 104, 189 — Verwirklichung 18,104 — religiöse Situation 221, 222 — besondere Sphäre 41, 103, 212 — konkrete, bestimmte, partikulare 52, 66, 84, 90, 98, 102, 103, 107, 136 — konkret-exklusive 71 — und Offenbarung 37, 38, 71, 73, 77, 78 f., 81, 84, 88, 96, 138-140, 149,150 — s. Christentum; Kirche — Akt und Gegenstand 14, 188, 189, 207, 208 - u n d Gott 27, 38, 44, 52, 53, 71, 94, 107, 131, 134, 151, 183, 206 f., 208,231 — Personifizierung in der 150—152, 156,183 — und Anschauung 27, 207, 208 — und Mythos 38,39,41,42,52,94 f., 96, 123, 133 f., 151, 188-190, 191, 194, 202 f., 204 f., 210, 231 - u n d Kultus 33, 41, 94f., 96, 189, 209 — Erscheinungslehre der 136, 209 — Gegenstandswelt, Vergegenständlichung in der 27, 210 261

Religion — und das religiöse Symbol 244; s.d. — religiöse Sprache s. Symbol, religiöses V. Religionsgeschidite — Religionsgeschichte 51, 72, 89, 91, 149, 150, 155, 189, 210, 217, 239, 241 — Religionswissenschaft 38, 43, 77 — zeitliches, historisches Phänomen; Zukunft der 32, 36, 38, 64 — lebende und tote 78 f. — Stufender 52 — sakramentale 28, 60, 61, 64, 242 — primitive 61, 64, 78, 81, 88, 151 — Hochreligionen 51, 78, 88, 242 - g r o ß e 71, 151, 183, 210, 234, 244 — Weltreligionen 51, 52, 53, 56, 57, 60, 61, 62, 64, 68, 69, 70, 71,72, 73, 73 f., 77, 88, 89, 92, 97 — östliche 231 -mystische 33, 60, 64, 94, 134, 151 — asiatische 21 — indische 62, 64, 74, 94 — westliche 46,231 — ethische 33, 64 — griechische 182 — biblische und Religionsgeschichte 149,155 und Offenbarung 138,139,139 f., 149 dialektischer Begriff 140 radikaler Personalismus der GottMensch-Beziehung 83, 149, 152, 153, 153 f., 156 f., 160, 173 f., 180-183 Manifestation Gottes durch das Wort 154 f., 156-158,177, (178), 180 Biblizismus 111, (127), 154, 170 — geschichtliche Auffassung der Wirklichkeit 158 f., 163,179 f. objektive und subjektive Seite 160 f., 168,172

Religion ethische Existenz des Menschen 161 f., 163, 165, 173 bis 175 soziale Existenz des Menschen 82, 163, (164 f.), 176 religiöse Existenz des Menschen 165 konkreter Glaube 165—167, 171 Sünde 167 f. biblische Symbole 46, 183; s. a Symbol, religiöses Objektivationen 157 Entmythologisierung 94 f. Tiefe 160 und Philosophie 138, 140, 141, 143, 145, 146, 164, 168, 173, 183 und Ontologie 138, 144, 145, 149,152, 154,156,157, 158, 160, 160 f., 162 f., 164, 165, 167, 168, 168 f., 170, 171 f., 173 f., 174, 176, 177, 178, 179, 180 f., 182, 183,184, 226 — prophetische 66 — Mysterienreligionen 68 — geistige 56, 63 -niditkirdiliche 13, 14, 19, 20, 21, 22, 24, 25 — autonome 24, 25, 26, 27, 28, 29, 31 — als Hintergrund 30, 31 — Quasi-Religion 51, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 59,60, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 69, 69 f., 70, 73, 7 4 - 7 6 , 76 f., 77, 81, 82, 88, 88 f., 8 9 , 9 0 , 9 6 , 9 6 f., 97, 97 f. — Pseudo-Religion 38 — Indifferenz gegenüber der 57, 58 — Verlust der 123 -Nicht-Religion 38 — s. a. Sozialismus, religiöser VI. Kritik der Religion — und Wissenschaft 36, 37, 38, 39,46, 191,192, 204 f., 242 -Zweideutigkeit 25,27, 29,217,222

262

Religion — Dämonisierung der 102,231 - K r i t i k der 71, 94, 95, 9 6 , 1 0 2 , 1 0 7 , 136, 210 — kritisches Prinzip der 15, 55, 66, 98,103,107,108 — und das Prophetische 16, 25, 27 f., 34, 66 — Tiefe der 98, 207 — und Atheismus 38,134 Renaissance 20, 58, 59, 61, 74, 88, 140, 223 Revolution 28, 29, 34, 35, 57, 62 f., 86,87 Ritsehl, Albrecht 111, 115,170 Rittelmeyer, Friedrich 20 Romantik 28, 29, 30, 30 f., 85, 92 f. Rom 5 6 , 5 8 , 6 8 , 7 4 Roman 48,227 Rußland 17, 22, 35, 54, 59, 59 f., 69 Sachlichkeit 23 f., 26, 27, 30 Säkularismus 51, 52, 53, 54, 55, 57, 58, 61, 63, 64, 74 f., 75, 81, 88, 88 f., 90, 91, 92 f., 96, 96 f., 97, 97 f., 136 Sakramentalismus 28, 29, 58, 60, 61, 64, 79, 83, 87, 95, 136, 157, 162, 180, 209 f., 218, 220 f., 242 Santayana, George 112 Sartre, Jean Paul 49, 234 Schamanismus 52 Sdielling, Friedrich Wilhelm Joseph 72, 188 Schicksal 20, 41, 47, 97, 114 f., 136, 162, 164, 172, 174, 178, 181, 182, 230 Schintoismus 57, 63, 87 Schizophrenie 37 Schleiermacher, Friedrich 72, 105, 132,168 schöpferisch 24, 50, 54, 55, 59, 90, 111, 116,164, 195; s.a. Geist Schöpfung 46, 83, 93, 135, 156 f., 177 f., 180, 219, 231 f., 235, 242

Scholastik 106,111,213,218 Schopenhauer, Arthur 29,80 Schrift 196,197, 206 - H e i l i g e 125, (127), 157; s.a. Bibel Schuld 33, 48, 49, 83, 161, 171, 176, 226 f., 227, 229, 229 f., 230, 233, 234, 236 Schwärmer 95 Seele 17, 20, 21, 26, 104, 112, 118, 128, 132, 150, 198, 200f., 216, 217, 224 f. Sein -Sein-Selbst 82, 83f., 112f., 114, 115, 117, 119, 125, 126, 129, 134, 142, 145, 146 f., 148, 152 f., 154, 155, 157, 158, 160, 161, 168, 177, 180, 182, 217, 218, 236, 240, 241 — und Gott s. d. — Grund 27, 33, 35, 46, 82, 84, 145, 154, 157, 165, 169, 174, 177 f., 181, 183, 195, 217, 218, 236, 238, 240, 241 und Abgrund 115,182 und Ziel 89,115 - M a d i t 53, 115f., 117, 125, 133, 142, 144, 145, 146 f., 147, 152 f., 155 f., 172, 180, 183, 218, 232, 236, 244 — Seinsmäditigkeit 68, 125, 134,191, 217, 238, 241,243 — und Sinn 15, 23, 24 f., (26), 29, 33, 35, 44, 92, 101, 112, 113, 114, 114 f., 115, 115 f., 117, 117f., 119, 165, 169, 206, 217, 230, 232, 233, 235, 238, 243 Jenseits von 24, 27 — und Sollen 33, 79, 83, 174 — unbedingt-transzendentes 206 — das Seins-Jenseitige 101, 188, 189, 190,195 — Seinswurzel 27 — absolutes 54, 92 — erstes 127 — ewiges 26 — universales 172

Sein — an sich und Sein für uns 114, 206 - u n d Seiendes 112f., 114, 116, 117, 118, 125, 126, 140 f., 142, 152 f., 154, 156, 157, 158, 171, 181, 182, 190, 240, 241 - T e i l h a b e am 112, 133, 142, 147, 155 - u n d Niditsein 15, 22, 27, 83, 112, 114 f., 142,144, 145, 146, 150, 162, 164, 168, 169, 171, 172, 177, 228, 231,232, 236,240 — und Erscheinung 114 — und Existenz 42,115,120 — und Gestalt 20 — und Person 182 f., 218 — und Werden 146, 241 f. — und Freiheit 117 Jenseits von 24, 24 f., 25, 26, 29, 30,31 - u n d Geist 126, 127, 157, 195, 202, 217 - u n d Denken 112, 148, 164, 173, 204, 230 — das unvordenkliche 204 — und Erkennen 113 f., 141 - u n d Form 117f., 119 - u n d Logos 117-119, 121, 141 - u n d Wort 117f., 158 — Frage nach dem Sein (ontologisdie Frage) 112, 113, 114, 116, 119, 138, 140 f., 142, 142 f., 144, 145 f., 146, 147, 148, 149, 150,152 f., 158, 159 f., 161, 162, 163, 164, 165, 168, 168 f., 169, 170, 171, 172, 172 f., 175, 178 f., 182, 183, 183 f., 240 — Natur des Seins 141, 142, 148 - S t r u k t u r 112, 113, 114, 115, 116, 117, 118, 127, 129, 142, 145, 147, 149,200 — Kategorien 113,120 - T i e f e 115,148,168 - N e u e s 31, 159, 167f., 234f. Sekte 13, 14, 15, 16-18, 22, 43, 116

263

Selbst 102, 117, 155, 158, 166, 225, 231 — Selbstbehauptung 54, 58, 64 f. — Selbstverwirklichung 230, 232 f. Semantik 213, 234, 241 Sendungsbewußtsein 58 f. Sensualismus 128 Sicherheit 49, 61, 229, 232 Sinn — Frage nach dem 22 f., 57, 58,98 — s. tieist; Leben; Sein — Sinngrund 33, 35,50, 238 f. — und Sinnlosigkeit 23,25, 29, 34,40, 47, 48, 49, 134, 175, 227, 230, 235 — unbedingter 24, 27,29 f., 92 — letzter 41, 42, 98, 235 — der Geschichte 159 — und Symbol 214 - u n d Wort 155, 180, 196, 197 Sittlichkeit 23, 39, 130, 162 f., 167, 174 f., 194, 225 f. Situation 23, 35, 41, 43, 44, 45, 46, 49, 50, 76, 102, 103, 104, 105, 114, 115, 116, 118, 119, 120, 133, 139, 145, 147, 160, 161, 170, 171, 172, 173 f., 221, 222, 223, 226, 228, 230, 231, 232 f., 234, 236,241 — Grenzsituation 108 f. Skepsis 28, 30, 30 f., 65,114,124,164 Sokrates 118, 134,164 Solon 143 Sorge 45 f., 134, 229 Soteriologie 190 Soziale, das 25, 28, 33, 34, 35, 36,60, 62, 76, 79, 82, 83, 143, 163, 164 f., 165,176,194,197,225 — Soziologie 35, 37 f., 198, 200 Sozialismus 29, 31, 53, 54, 55, 64, 75, 86 — religiöser 18, 30, 54 f., 60 f., 76, 93 Sozinianer 71 Spekulation 111,141 f. Spengler, Oswald 29 Spinoza, Baruch de 107,118,148,164, 183,194, 228

Sprache 13, 14, 49, 142, 143, 188, 193, 202, 206, 213, 214 f., 215 £., 225, 231, 232, 237, 243, 244 Staat 23, 24, 58, 59, 197 Statik und Dynamik 33, 77 f., 146, 224 Steiner, Rudolf 20 Stil 201, 201 f., 206 Stoa 68, 95, 118, 136, 148, 159, 164, 226 Strafe 233, 234 Subjekt 114, 181, 198, 200, 204 - u n d Objekt 40, 107, 113, 124, 125, 130, 131, 132, 133, 151, 153, 156, 160 f., 168, 219, 231,240 Sublimierung 199 f. Substanz 33, 34, 41, 42, 68, 87 f., 145, 148, 154, 156 f., 189, 191, 219, 242 Sünde 46, 83, 160, 167 f., 172, 174, 178, 233 Suggestion 155 Supranaturalismus 110 Symbol — Definition 239 — repräsentatives 215, 237,238 Uneigentlidikeit 196, 205 f. 237 f. Anschaulichkeit 196,197 Selbstmächtigkeit 196f.,214,215, 221, 236 Eröffnung verborgener Wirklichkeitssdiichten 215 f., 216 f., 220, 238 gesellschaftliche Anerkanntheit 197,198, 216, 238, 239 Entstehen und Vergehen 196 f., 216, 221, 238 fundiertes und unfundiertes 198, 199, 200, 201, 205, 206 — diskursives 237 Zeichen 196 f., 206, 209, 210, 213-215, 216, 220 f., 236, 237, 238, 239 Metapher 237,238,242

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Symbol und Spradie, Wort 49,196,197, 206,213, 214 f. — Theorie negative, genetische (Seins-, nidit Sachhaltigkeit) 198, 199, 200, 201 soziologische 198 f., 200 Ideologie 199 psychologische 198,199 f. positive 198,200 kulturmorphologische 200 f. kritisch-idealistische 202, 206 — historisches 206, 237, 238, 239 — künstlerisches 48,197,205 f., 215 f., 227,237, 238, 239, 242 -politisches 59, 63, 82, 199, 239 — soziales 82 — s.a. Kreis; Religion I (Religionsphilosophie, Methode der 122) — religiöses nichtsymbolischer Bezugspunkt 207,218, 239 f., 240 f. Vertretung des UnanschaubarTranszendenten, Unbedingten 32, 196, 197 f., 200, 201 f., 206, 207, 208, 209,210, 211,217,240, 241 Ausdruck der Tiefendimension der Wirklichkeit 44, 46, 46 f., 216 f., 238, 239, 240 f. Spradie der Religion 231, 232, 237, 244 und menschliche Natur 52, 217, 243 f. Entstehen und Vergehen (Veränderung der religiösen Situation) 208, 209, 210f., 217, 221 f., 241, 243 Wahrheit 36, 200, 208, 221,222, 231, 232, 236, 242 f., 243, 244 Authentizität 242 f. und Existentialanalyse 46, 50, 223, 228, 230—236

265

Symbol und wissenschaftliche Kritik, Profanisierung 209, 210 f., 221, 222 wissenschaftliche Begriffe als 196, 211 indirekt-religiöses 201 f. Absolutsetzung, Unbedingtheitsansprudi, Dämonisierung 136, 208, 209, 210, 211, 217 f., 222, 231, 236,243 wörtliche Auslegung 46, 50,232, 233, 235, 236, 242, 243, 244 Kriterium 208, (209), 222,242 f. Selbstnegation, Transparenz 243 Vereinigung der Dimensionen der Wirklichkeit 243 f. — — Aufhebung des Gegensatzes von Wirklichkeit und Symbol 211 f. Zweischichtigkeit 198, 206, 218 Gegenstandssymbole (primäre) 198, 206, 210, 241, 242 erste, grundlegende, zentrale Gruppe (Gott) 206 f., 218 f., 235 f., 241, 241 f. zweite Gruppe (Wesen und Handlungen Gottes) 207 f., 219, 242 transzendente Schicht 218 f., 220 — dritte Gruppe (natürliche und historische heilige Gegenstände) 208 f., 209 f., 242 immanente Schicht 219 f., 221 Sakrament 220 f. Hinweissymbole (sekundäre) (religiöse Handlungen und Zeichen) 198, 206, 209 f., 210, 218, 219, 221, 241, 242 konkretes 84, (104), 133, (164), 171, 172, (175), 244 mythisches 135, 192, 202, 205, 206, 231, 235; s. Mythos

Symbol heidnisches 68 biblisches 46, 163, 166, 183 christliches 72,169 personalistisdies 82, 83, 236 eschatologisches 54; s. a. Eschatologie konfessionelles 197 ontologisches 82, (83), 180 s.a. Bund; Erlösung; Fall; Gericht; Gnade; Gott; Hoffnung; Jesus der Christus; Nirvana; Reich Gottes; Schöpfung; Sünde; Versöhnung Symptom 237 Synkretismus 69 Tanzbewegung 17 Taoismus 57, 60, 97 Technik 30, 33, 34, 34 f., 45, 57 f., 61, 63, 84 f., 92 f., 197 Teilhabe 217; s. a. Sein Telos 82; s.a. Gottesbeweis, teleologischer Theologie 18,19, 35,43, 97,135,177, 208, 225, 233, 241,242 — s. a. Religion I — Wesen 110 — Aufgabe, Methode 136, 211, 236 — und existentielle Situation 104 f., 114 f., 116,119,120, (172) — kerygmatisdie 110 f., 117, 118, 120 -philosophische 110, 110 f., 115 f., 117,118,120f.; s.a. Philosophie — mystische 112 — Geschichte der 105 — jüdische 156 — christliche 31, 51, 52, 68, 71 f., 77, 94, 95, 120, 121, 156 — mittelalterliche 231 — reformatorische 72 f., (93 f.), 95 — orthodoxe (71 f.), 72 f., (165 f.) — pietistische 72 f. — rationalistische 223 — spekulative 111

Theologie — Vermittlungstheologie 105 f. — liberal-protestantische 36, 71 f. — des Wortes, der Krisis (neureformatorische, neuorthodoxe, dialektische) 37, 38 f., 46, 73, 78, 108, 138 f., 154 f., 180, 224 Theoretische, das 127, 132, 163 — und das Praktische 23, 104, 106, 115,131 — und das Existentielle 104,115,116, 136,147-149,169 Theosophie 20 Thomas von Aquin 37, 106, 124 f., 126, 127 f., 129, 132, 181, 225 Tiefe 34, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 44 f., 45, 46, 47, 48, 49, 50, 74, 115, 148, 160, 168, 178, 184, 217, 220, 235, 238, 243 f. Tod 15, 22, 23, 48, 171, 176, 201, 226 Tojo, Hideki 59 Totalitäre Bewegungen 96 Totemismus 191 Toynbee, Arnold J . 73 f. Tradition 57 f., 89, 91, 98, 140, 157, 163, 164,170,175 Tragik 34 f., 35, 41, 42, 48, 117, 230, 233, 234 f. Transcendentalia 126, 127 Transzendenz 95,102,160, 164,165, 178, 182, 183, 190, 194, 196, 197, 197 f., 201, 203, 204, 204 f., 205, 205 f., 206, 207, 208, 209, 209 f., 210, 211, 212, 217, 218 f., 240, 240 f., 241 f. — und Immanenz 60, 191, 200, 218, 219 f. Traum 199,237 Trennung 131, 133, 144, 163, 171, 230 — und Einheit 50, 82, 88,174 f. Troeltsdi, Ernst 72, 73, 73 f. Typologie 26, 7 7 - 7 9 , 89, 101 f.

266

Überlieferung 90 Unbedingte, das 17, 18, 24, 25, 26 f., 27, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 42, 53, 58, 74, 83, 87, 92, 101, 103, 104, 107,108,118, 127, 130,131 f., 133, 134, 134 f., 136, 152, 158, 163, 169 f., 170, 171 f., 173, 178, 181, 188 f., 189, 190,194,195, 196,197, 201, 203, 204, 204 f., 205, 206, 207, 208 f., 209, 209 f., 210, 211, 217, 218, 218 f., 222, 234, 240 — was unbedingt angeht 15, 22, 40 f., 41, 42, 44, 114, 115, 117, 133, 135, 150 f., 165, 166 f., 167, 169, 173, 178, 212, 241 — und das Bedingte 15, 16,18, 53, 84, 102,135,136,167,190, 200, 208 Unbewußte, das 35, 129, 144 f., 188, 192, 199, 200, 201, 216, 217 Unendlidie, das 84,130 — und das Endlidie 53, 128 f., 144, 157, 169, 172, 225, 232, 240, 240 f. Ungeborgenheit 229 Unitarier 71 Universale, das 15 f., 18, 35, 44, 46, 52, 71 f., 73, 77, 95, 104, 121, 123, 139, 145 f., 147, 150, 152, 165, 170, 172, 178, 230, 233 — und das Partikulare 66, 67, 88, 90, 98 Universum 79, 85, 129, 131, 134, 155, 159,177, 179 Unmittelbarkeit 95, 119, 124, 127 128, 129, 130, 131, 132, 133, 134, 135, 136, 170 Unschuld 230, 232 f. Unsterblichkeit 225,235 Utopie 28, 29 f., 30 f., 35, 54, 60 Vater 200 Vater-, Mutter-, Kindestypus 26 Vegetarische Bewegung 17 Verantwortung 47, 115, 150, 153, 155, 160, 174,181,230,233 Vergangenheit — s. Zeit

Vetgangenheit -Vergänglichkeit 134, 144, (179), 235 Vergebung 167 f. Verheißung 115,152,163 Verkündigung 138,157 Vernunft 130, 130 f., 148, 150, 155, 166, 167, 168, 169; s. a. Offenbarung Versöhnung 235 Verstand 132,164 Verstehen 21,155 Versuchung 161, 232 Vision 118,128,131 Vitale, das 199,200,201 Volk 29, 54, 58 f., 162,163, 166 Vollendung 156, 162, 219, 235 f. Voltaire 34 Voluntarismus 165 Vorsehung 232, 242

Wagnis 90, 116, 135, 136, 170, 229 f. Wahrheit 15, 36, 40, 64, 83, 101 f., 106, 107, 115, 116, 117, 118, 119, 124, 125, 126, 127, 132, 143, 148, 167, 167 f., 168, 169, 172, 176, 177, 200, 208, 221 f., 231, 232, 236, 242 f., 243, 244 Weihe 28,29 Weisheit 125,127, 140, 142, 148, 173 Welt 19, 21, 44 f., 46, 48, 68, 83, 92, 112 f., 114, 115 f., 117, 123, 136, 141, 145, 159, 160, 175 f., 177 f., 190, 191, 194, 197, 202, 203 f., 204 f., 229, 230, 240 f., 242 - Weltanschauung 19 f., 164,172,191 - Weltkrieg 34 f., 61 Werden 146, 179, 241 f. Werkzeug 45, 106, 150 Wert 112, 130, 150 Wesen 26,150,165, 171 — und Existenz 140 f. — s.a. Essenz; Mensdi; Religion III, IV

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Westen, der 46, 55, 62 f., 72, 86, 87, 89,123, 126 - und der Osten 59, 61, 69, 80, 231 Whitehead, Alfred North 141, 183 Widerstandsbewegung 35 Wiedergeburt 234 Wiederholung 179 Wille 37, 80, 128, 129, 132, 148,155, 166,167 - zur Macht (148), 199, 204 - W i l l k ü r 136 Wirklichkeit 15, 20, 21, 28, 30, 31, 33 f., 35, 83, 86,104, 133,146,148, 159, 173, 179,188, 202, 211 f., 214, 215,220, 238,243 f. - S t r u k t u r der 17,147, 160, 182 - Schichten der 144 f., 213, 215, 216, 216 f., 218; s. a. Dimension - l e t z t e 128, 144 f., 158, 159 f., 161, 164,165,167 f., 169, 170, 171, 172, 172 f., 175, 176, 176 f., 180, 182, 217, 218, 239, 241 -Verwirklichung 18, 25, 30, 230, 232 f. Wirtschaft 30 Wissen 36, 127 f., 132 Wissenschaft 19, 23, 24, 34, 36, 37, 37 f., 39, 45, 46, 49, 53, 55, 57 f., 61, 108, 113, 123, 124 f., 127, 128, 136, 170, 188,189, 190, 191, 191 f., 192, 193, 194, 198, 200, 202, 203 bis 205, 206, 209, 210f., 211, 212, 213, 215 f., 230, 242; s. a. Naturwissenschaft; Religion V

Wort 27 f., 67, 68, 113, 117 f., 141, 154-156, 156 f., 157 f., 177, 180, 193,196,197, 212, 213, 214 f., 237, 238 Wundt, Wilhelm 188 Wurzel 103

Zauber 155 Zeichen s. Symbol Zeit 38, 144,179 - u n d Raum 45, 77, 150, 154, 187, 189, 219, 219 f., 228, 242 - u n d E w i g k e i t 33,34,35,127,179f., 235 — Zeitalter 159 — Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft (Dimensionen) 32,179 — Vergangenheit 89 f., 144 f. — Gegenwart und Zukunft 33 — Zukunft 32 f., 34, 36, 60, 179 Zeugnis 89 f., 139 Zivilisation 58, 63, 80 Zufall 131,134 Zukunft s. Zeit Zweideutigkeit 24, 25, 27, 29, 30 f., 54, 70, 75, 88 f., 90, 217, 222 Zweifel 103, 124, 125, 136, 164, 167, 168, 169, 170 f., 171 f., 172, 184, 208, 230, 236 — Verzweiflung 33, 34, 47, 49, 50, 162, 227, 230, 234, 235 Zwingli, Huldrydi 71, 220 Zynismus 34

Beteiligt an der Obersetzung dieses Bandes waren: Nina Baring, Hildegard Behrmann, Ingeborg Henel, Gertie Siemsen.