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German Pages [407] Year 1945
NOVALIS GESAMMELTE WERKE
Mit einem Lebensbericht herausgegeben
von
CARL SEELIG
BtlHL-VERLAG/HERRLIBERG-ZURICH
Schutzumschlag von Waltet Kach
AUe Rechte
votbehalten.
Copyright 1945 by Buhl-Verlag AG., Herrlibetg-Ztirich
Dnick: Buchdnickerei Berichthaus Zurich Printed in Switzerland
ERSTER BAND
Hymnen an
die
Nacht
Geistliche Lieder / Gedichte
Heinrich von Ofterdingcn
Die Lehrlinge zu
Sais
Hymnen an
die
Nacht
I
Welcher Lebendige, Sinnbegabte
liebt nicht vor Wxmdererscheinungen alien des verbreiteten Raums um ihn das allerfrenliche Licht — mit seinen Farben, seinen Strahlen und Wogen; seiner milden Allgegenwart, als weekender Tag. Wie des Lebens innerste
Seele atmet es der rastlosen Gestirne Riesenwelt
schwimmt
tan5:end in seiner blauen Flut
und
— atmet
es
der funkelnde, ewigruhende Stein, die sinnige, sau-
gende P£lan5:e und das wilde, brennende, vielgestal— vor alien aber der herrliche Fremdling mit den sinnvollen Augen, dem schwebenden Gange und den zartgeschlossenen, tonreichen Lippen. Wie ein Konig der irdischen Natur ruft es jede Kraft 2u 2;ahllosen Verwandlungen, kniipft und lost unendliche Biindnisse, hangt sein himmlisches Bild jedem irdischen Wesen um. — Seine Gegenwart allein offenbart die Wunderherrlichkeit der Reiche der Welt. Abwarts wend ich mich 2u der heiligen, unaussprechlichen, geheimnisvollen Nacht, Fernab Hegt die Welt — in eine tiefe Gruft versenkt — wiist und einsam ist ihre Stelle, In den Saiten der Brust weht tiefe Wehmut. In Tautropfen will ich hinuntersinken und mit der Asche mich vermischen. — Fernen der Erinnerung, Wiinsche der Jugend, der Kindheit Traume, des ganizen langen Lebens kurze Freuden und vergebliche Hoffnungen kommen in grauen Kleidern wie Abendnebel nach der Sonne Untertige Tier
9
gang. In andern
Raumen schlug
die lustigen Gezelte
das Licht auf. SoUte es nie zu seinen Kindern wiederkommen, die mit der Unschuld Glauben seiner barren?
Was
quillt
auf eintnal so ahndungsvoU unterm
Wehmut weiche Luft? Herzen und uns, dunkle Nacht? an Hast auch du ein Gefallen Was h^tst du unter deinem Mantel, das mir unsichtverschluckt der
bar kraftig an die Seele geht? Kostlicher Balsam trauft aus deiner Hand, aus dem Biindel Mohn. Die
schweren Flugel des Gemiits hebst du empor. Dunkel und unaussprecMch fuhlen wir uns bewegt — ein emstes Antlitz seh ich froh erschrocken, das sanfit
imd andachtsvoU
sich
zu mir neigt und unter un-
endlich verschlungenen Locken der Mutter liebe
Jugend zeigt. Wie arm und kindisch diinkt mich das nun — wie erfreulich und gesegnet des Tages
Licht
Abschied.
—
Also nur darum, weil die Nacht dir
abwendig macht die Dienenden, saetest du in des
Raumes Weiten die leuchtenden Kugeln, zu verkiinden deine AUmacht — deine Wiederkehr — in den Zeiten deiner Entfernung. Himmlischer als jene blitzenden Sterne diinken uns die unendlichen Augen, die die Nacht in uns geoffnet. Weiter sehn sie als die biassesten jener zahllosen Heere — unbedurftig des Lichts, durchschaun sie die Tiefen eines liebenden
— was einen hohern Raum mit unsaglicher WoUust fiillt. Preis der Weltkonigin, der hohen Ver-
Gemiits
kundigerin hediger Weiten, der Pflegerin seliger
— sie sender mir dich — zarte Geliebte — liebliche Sonne der Nacht, — nun wach ich — denn ich bin dein und mein — du hast die Nacht mir zum Leben verkiindet - mich zum Menschen gemacht — Liebe
10
zehre mit Geisterglut meinen Leib, daB ich luftig mit
mich mische uad dann ewig die Braut-
dif inniger
nacht wahrt. II
MuB immer der Morgen wiederkommen ? Endet nie des Irdischen Gewalt? Unselige Geschaftigkeit verzehrt den himmlischen Anflug der Nacht.
Wird
nie
der Liebe geheimes Opfer ewig brennen ? Zugemessen ward
raumlos
dem
ist
Dauer des
Lichte seine Zeit; aber 2eitlos
und
— Ewig ist die Schlaf — begliicke zu
der Nacht Herrschaft. Schlafs. Heiliger
Nacht Geweihte in diesem irdischen Tagewerk. Nur die Toren verkennen dich und wissen von keinem Schlafe als dem Schatten, den du in jener Dammerung der wahrhaften Nacht mitleidig auf uns selten nicht der
wirfst. Sie fiihlen dich nicht in der
goldenen Flut der
Trauben — in des Mandelbaums Wunderol und dem braunen Safte des Mohns. Sie wissen nicht, daB du es bist, der des zarten Madchens Busen umschwebt und zum Himmel den SchoB macht — ahnden nicht, daB aus alten Geschichten du himmeloffnend entgegentrittst und den Schlussel tragst zu den Wohnungen der SeUgen, unendlicher Geheimnisse schweigender Bote.
m Einst, da ich bittre Tranen vergoB, da in Schmerz aufgelost meine
stand
am
HofFnung zerrann und ich einsam
durren Hiigel, der in engem, dunkeln
Raum die Gestalt meines Lebens barg — einsam, wie II
noch kein Einsamer war, von unsaglicher Angst getrieben — kraftlos, nur ein Gedanken des Blends noch, - wie ich da nach Hiilfe umherschaute, vor-
und ruckwarts nicht und am fliehenden, verloschten Leben mit unendlicher Sehnsucht hing: — da kam aus blauen Fernen — von den warts nicht konnte
Hdhen meiner alten Seligkeit ein Dammerungsschauer — und mit einem Male riB das Band der Geburt -* des Lichtes Fessel. Hin floh die irdische Herrlichkeit und meine Trauer mit ihr — 2;usammen floB die
Wehmut in
eine neue, unergriindliche
Welt
— du, Nachtbegeisterung, Schlummer des Himmels, kamst liber mich — die Gegend hob sich sacht empor Gegend schwebte mein entbundner, neu-
iiber der
geborner Geist. Zur Staubwolke wurde der Hugel
—
durch die Wolke sah ich die verklarten Ziige der
Augen ruhte die Ewigkeit — ich H^de, und die Tranen wurden ein fun-
Geliebten. In ihren faBte ihre
20gen Feme, wie Ungewitter. An ihrem Halse weint ich dem neuen Leben entziickende Tranen. — Es war der erste, einzige Traum — und erst seitdem fiihl ich ewigen, unwandelbaren Glauben an den Himmel der Nacht und sein Licht, die Geliebte. kelndes, unzerreiBliches Band. Jahrtausende
abwMs
in die
IV
Nun weiB ich, wenn der letzte Morgen sein wird — wenn das
Licht nicht
scheucht
— werm
mehr die Nacht und die Liebe der Schlummer ewig und nur ein unerschopflicher Traum sein wird. Himutnlische Mii12
digkeit fuhl ich in mir.
— Weit und ermudend ward
mir die Wallfahrt zum Heiligen Grabe, driickend das die, gemeinen Sinnen unvernehmlich, in des Hiigels dunkelm SchoB quillt, an dessen FuB die irdische Flut bricht, wer sie gekostet, wer oben stand auf dem Grenzgebiirge der Welt und hinubersah in das neue Land, in der Nacht Wohnsitz — wahrlich, der kehrt nicht in das Treiben der Welt zuriick, in das Land, wo das Licht in ewiger
Kreuz. Die kristallene Woge,
Unruh hauset. Oben baut er sich Hiitten, Hutten des Friedens, sehnt sich und liebt, schaut hinuber, bis die willkommenste
aller
Stunden hinunter ihn in den Brunnen
der Quelle zieht
— das Irdische
schwimmt obenauf,
wird von Sturmen zuruckgefiihrt, aber was heilig dutch der Liebe Beruhrung ward, rinnt aufgelost in verborgenen Gangen auf das jenseitige Gebiet, wo es, wie Dufte, sich mit entschlummerten Lieben mischt. Noch weckst du, muntres Licht, den Miiden zur Arbeit — floBest frohliches Leben mir ein — aber du lockst mich von der Erinnerung moosigem Denkmal nicht. Gern will ich die fleiBigen Hande riihren, •iiberall umschaun, wo du mich brauchst ruhmen deines Glanzes voile Pracht — unverdrossen verfolgen deines kiinstlichen Werks schonen Zusam-
menhang — gernbetrachtendeiner gewaltigen, leuchtenden Uhr sinnvollen Gang — ergriinden der Krajfte EbenmaB und die Regeln des Wunderspiels unzahliger Raume und ihrer Zeiten. Aber getreu der Nacht bleibt mein geheimes Herz, und der schaffenden Liebe, ihrer Tochter. Kannst du mir zeigen ein ewig treues Herz ? Hat deine Sonne freundliche Augen, die 13
mich erkennen? Fassen deine Sterne meine verlangende Hand? Geben mir wieder den zartlichen Dmck und das kosende Wort? Hast du mit Farben
und leichtem UmriB sie geziert - oder war sie es, die deinem Schmuck hohere, liebere Bedeutung gab? Welcbe WoUust, welchen GenuB bietet dein Leben, die aufwogen des Todes Entziickungen? Tragt nicht alles, was uns begeistert, die Farbe der Nacht ? Sie tragt dich miitterlidi, und ihr verdankst du all deine Herrlichkeit.
Du verflogst in dir selbst — in endlosen
Raum zergingst
du,
wenn
sie
dich nicht hielte, dich
du warm wiirdest und flammend die Welt zeugtest. Wahrlich, ich war, eh du warst — die Mutter schickte mit meinen Geschwistern mich, zu bewohnen deine Welt, sie zu heiligen mit Liebe, daB sie ein ewig angeschautes Denkmal werde — zu bepflanzen sie mit unverwelklichen Blumen. Noch reiften sie nicht, diese gottlichen Gedanken — Noch sind der Spuren unserer Oifenbarung wenig — Einst zeigt deine Uhr das Ende der Zeit, wenn du wirst wie unsereiner und voll Sehnsucht und Inbrunst ausloschest und stirbst. In mir fiihl ich deiner Genicht bande, daB
schaftigkeit
Ende
—
himmlische Freiheit, selige
Ruckkehr. In wilden Schmerzen erkenn ich deine
Entfemung von unsrer Heimat, deinen Widerstand gegen den alten, herrlichen Himmel. Deine Wut und dein Toben ist vergebens. Unverbreimlich steht das Kreuz
— eine
Siegesfahne unsers Geschlechts.
Hiniiber wall ich,
Und jede
Pein
Wkd einst ein
Stachel
Der WoUust sein. Noch wenig Zeiten, So bin ich
Und
liege
los
trunken
Der Lieb im SchoB. Unendliches Leben
Wogt machtig
in mir,
Ich schaue von oben
Herunter nach dir. An jenem Hiigel Verlischt dein Glanz
Ein Schatten bringet
Den OI
kiihlenden Kranz.
sauge, Geliebter,
Gewaltig mich an,
DaB ich entschlummern Und lieben kann. Ich
fiihle
des Todes
Verjiingende Flut,
Zu Balsam und
Ather
Verwandelt mein Blut
—
Ich lebe bei Tage
Voll Glauben und
Und
sterbe die
Mut
Nachte
In heiliger Glut.
V Uber derMenschen weitverbreitete Stamme herrschte vorzeiten ein eisernes Schicksal mit
Eine dunkle, schwere Binde lag
stummer Gewalt.
um ihre bange Seele 15
— unendlich wat die Erde —
der Gotter Autenthalt
Ewigkeiten stand ihr geheimMorgens roten Bergen, in des tJber Ban. nisvoUer wohnte die Sonne, das SchoB des Meeres heiligem aliziindende, lebendige Licht. Ein alter Riese trug
und
ihre Heimat. Seit
Bergen lagen die Ursohne Ohnmachtig in ihrer zerstoren-
die selige Welt. Fest unter
der Mutter Erde.
den Wut gegen das neue herrliche Gottergeschlecht und dessen Verwandten, die frohlichen Menschen.
Des Meets dunkle, griine Tiefe war einer Gottin SchoB. In den kristallenen Grotten schwelgte ein uppiges Volk. Fliisse, Baume, Blumen und Tiere batten menschHchen Sinn. SuBer schmeckte der Wein, von sichtbarer Jugendfiille geschenkt — ein Gott in den Trauben — eine liebende, miitterliche Gottin, emporwachsend in vollen goldenen Garben — der Liebe heilger Rausch ein siiBer Dienst der schonsten Gotterfrau — ein ewig buntes Fest der Himmelskinder und der Erdbewohner, rauschte das Leben, wie ein FriiliUng, dutch die Jahrhunderte hin
—
.
Alle
Geschlechter verehrten kindlich die zarte, tausendfaltige Flamme als das Hbchste
nur war
es, ein entsetzliches
der Welt. IBan Gedanke
Traumbild,
Das furchtbar zu den frohen Tischen
Und
das
Gemut
trat
in wilde Schrecken hiillte.
Hier wuBten selbst die Gotter keinen Rat,
Der
beklommne Brust roit Trost erfuUte. war dieses Unholds Pfad, Des Wut kein Flehn und keine Gabe stillte; Es war der Tod, der dieses Lustgelag Mit Angst und Schmerz und Tranen unterbrach. die
Geheinanisvoll
t6
Auf ewig nun von Was hier das Herz
allem abgeschieden. in siiBer Wollust regt,
Getrennt von den Geliebten, die hienieden
Vergebne Sehnsucht^ langes Web bewegt, Schien matter Traum dem Toten nur bescbieden, Ohnmachtges Ringen nur ihm auferlegt. Zerbrochen war die Woge des Genusses
Am Felsen des unendlichen Verdrusses. Mit kiihnem Geist und hoher Sinnenglut Verschonte sich der Mensch die grause Larve,
Ein
sanfter Jungling loscht das Licht
Sanft wird das Ende, wie ein
Wehn
und ruht — der Harfe.
•
Erinnrung schmikt in kiihler Schattenflut, So sang das Lied dem traurigen Bedarfe* Dock unentratselt blieb die ewge Nacht, Das ernste Zeichen einer fernen Macht.
2u Ende
neigte die alte Welt sich.
Geschlechts Lustgarten verwelkte freieren, wiisten
Raum
—
Des ungen j
hinauf in den
strebten die unkindlichen,
wachsenden Menschen. Die Gotter verschwanden mit ihrem Gefolge — einsam und leblos stand die Natur. Mit eiserner Kette band sie die diirre Zahl und das strenge MaB. Wie in Staub und Lxifte zerfiel in dunkle Worte die unermeBliche Blxite des Lebens. Entflohn war der beschworende Glauben und die allverwandelnde, allverschwisternde Himmelsgenossin,
die Phantasie,
Nordwind
Unfreundlich blies ein kalter
iiber die erstarrte Flur,
und
die erstarrte
Wunderheimat verflog in den Ather. Des Himmels Femen fiillten mit leuchtenden Welten sich. Ins tiefre 17
Heiligtum, in des Gemiits hohern Raum zog mit zu walten dort ihren Machten die Seele der Welt
—
bis
zum Anbruch
der tagenden Weltherrlichkeit.
Nicht mehr -wrar das Licht der Gotter Aufenthalt und TnimmligrTips Zeidien — den Schleier der Nacht warfen sie iiber sich. Die Nacht ward der OfFenbarungen machtiger SchoB
— schlummerten
— in ihn kehrten die Gotter zuriick ein, um in neuen, herriichem Ge-
V
auszugehn iiber die veranderte Welt. Im oik, vor alien verachtet, zu friih reif und der seligen
stalten
das,
Unschuld der Jugend trotzig fremd geworden war, erschien mit nie gesehenetn Angesicht die neue Welt
— In der Armut dichterischer Hiitte — Ein Sohn der und Mutter — Geheimnisvoller Um-
ersten Jungfrau
armiing imendliche Frucht.
Des Morgenlands ahn-
dende, bliitenreiche Weisheit erkannte zuerst der
neuen Zeit Beginn — Zu des Konigs demiitiger Wiege wies ihr ein Stern den Weg. In der weiten Zukunft
ihm mit Glanz und Dufit, den hochsten Wundem der Natur. Einsam entfaltete das
Namen
huldigten sie
himmlische Herz sich zu einem Bliitenkelch allmach-
— des Vaters hohem Antlitz zugewandt und ruhend an dem ahndungsselgen Busen der lieblich emsten Mutter. Mit vergotternder Inbrunst
tiger Liebe
schaute das weissagende Auge des bliihenden Kindes
auf die Tage der Zukunft, nach seinen Geliebten, den Sprossen seines Gotterstamms, unbekiimmert iiber seiner
Tage irdisches
Schicksal.
Bald sammelten die
kindlichsten Gemiiter, von inniger Liebe wundersam ergriffen, sich
um
ihn her. Wie Blumen keimte ein
Leben in
seiner Nahe. Unerschopfhche Worte und der Botschaften frohlichste fielen wie
neues, ftemdes
Fuaken
eines gottlichen Geistes
lichen Lippen.
Von
von
seinen freund-
ferner Kiiste, unter HeUas^ hei-
termHimmel geboren,kam ein S^ger nach Palastina und ergab sein gan2:es Hctz dem Wunderkinde: Der
Jiingling bist du, der seit langer Zeit
Auf unsem Grabern
steht in tiefem Sinnen;
Zeichen in der Dunkelheit ~ Der hohern Menschheit freudiges Beginnen.
Ein
trostlich
Was uns Zieht
gesenkt in tiefe Traurigkeit,
xins roit
suBer Sehnsucht nun
von hinnen.
Im Tode ward das ewge Leben kund, Du bist der Tod und machst uns erst gesund. Der Sanger zog voU Freudigkeit nach Indostan — von siiBer Liebe trunken; und schiittete in feurigen Gesangen es unter jenem milden Himmel aus, daB tausend Her2 en sich 2 u ihm neigten und die das Herz
frohliche Botscbaft tausend2weigig
emporwuchs.
Bald nach des Sangers Abschied ward das kostliche Leben ein Opfer des menschlichen tiefen Verfalls —
Er
starb in
jungen Jahren, weggerissen von der gevon der weinenden Mutter und seinen
liebten Welt,
2agenden Freunden.
Der unsaglichen Leiden dun-
keln Kelch leerte der liebliche
Mund —
In entset2-
Angst nahte die Stunde der Geburt der neuen Welt. Hart rang er mit des alten Todes Schrecken — Schwer lag der Druck der alten Welt auf ihm. Noch einmal sah er freundlich nach der Mutter — da kam der ewigen Liebe losende Hand — und er entschlief. Nur wenig Tage hing ein tiefer Schleier xiber das
licher
^9
bmusende Meer, uber das bebende Land
— -unzahlige
Tranen weinten die Geliebten — Entsiegelt ward das Geheimnis - himmlische Geister hoben den uralten Stein
vom
dunkein Grabe. Engel saBen bei
dem
Schlummernden ~ aus seinen Traumen 2:art gebildet — Erwacht in neuer Gotterherrlichkeit, erstieg er die Hohe der neugebornen Welt — begrub mit eigner
Hand den alten Leichnam in die verlaBne Hohle und legte mit allmachtiger Hand den Stein, den keine Macht
erhebt, darauf.
Noch weinen
deine Lieben Tranen der Freude,
Tranen der Riihrung
und
des unendlichen
Banks an
deinem Grabe — sehn dich noch immer, freudig erschreckt, auferstehn — und sich mit dir; sehn dich
weinen mit suBer Inbrunst an der Mutter seligem Busen, ernst mit den Freunden wandeln, Worte sagen, wie
yom Baum des Lebens
gebrochen; sehen
dich eilen mit voller Sehnsucht in des Vaters
Arm,
bringend die junge Menschheit und der goldnen Zukunft unversieglichen Becher. Die Mutter eilte bald dir
nach
— in himmlischem Triumph —
Sie
war
die
dir. Lange Zeiten entimmer hoherm Glanze regte deine neue Schopfung sich — und Tausende izogen aus Schmerzen und Qualen, voU Glauben und Sehnsucht und Treue dir nach — waken mit dir und der himrnlischen Jungfrau im Reiche der Liebe — dienen im Tempel des himrnlischen Todes und sind in Ewig-
erste in
der neuen Heimat bei
und
in
Gehoben
ist
flossen seitdem,
keit dein.
der Stein
Die Menschheit
Wir 20
alle
ist
—
erstanden
bleiben dein
—
Und Der Vor
fiihlen keine
herbste
Banden.
Kummer fleucht
deiner goldnen Schale,
Wenn Erd und Leben weicht Im letzten Abendmahle. Zur Hochzeit ruft der Tod — Die Lampen brennen belle — Die Jungfraun sind 2ur Stelle Um Ol ist keine Not — Erklange dock die Feme Von deinem Zuge schon,
Und
—
ruften iins die Sterne
Mit Menschenzung’ xmd Ton.
Nach
dir, Maria, heben Schon tausend Herzen sich.
In diesem Schattenleben
nur dich. Sie hoffen zu genesen Mit abndungsvoller Lust — Driickst du sie, heilges Wesen, Verlangten
An
sie
deine treue Brust.
So manche, die sich gluhend In bittrer Qual verzehrt
Und
dieser
Nach Die
Welt entfliehend
dir sich hingekehrt;
uns erschienen Not und Pein — Wir kommen nun zu ihnen, ewig da zu sein. hiilfreich
In mancher
Um
Nun weint an keinem Grabe Fur Schmerz, wer liebend glaubt. Der Liebe siiBe Habe Wird keinem nicht geraubt — Die Sehnsucht ihm zn lindern, Begeistert ihn die Nacht — Von treuen Himmelskindern Wird ihm sein Httz bewacht. Getrost, das
Zum ewgen Von
Leben schreitet Leben hin;
innrer Glut geweitet,
Verklart sich unser Sinn.
Die Sternwelt wird zerflieCen
Zum
goldnen Lebenswein,
Wir werden
Und
Die Lieb
Und Wie Nur
ist frei
22
gegeben
voile
Leben
ein unendlich Meer. eine
Nacht der Wonne
ewiges
Und Ist
genieBen
keine Trennung mehr.
Es wogt das
Em
sie
lichte Sterne sein.
unser
Gedicht — aller
Sonne
Gottes Angesicht.
—
VI
SEHNSUCHT NACH DEM TODE Hinunter in der Erde SchoB,
Weg
aus des Lichtes Reichen,
Der Schmer2en Wut und wilder StoB 1st
froher Abfahrt Zeichen.
Wir kommen Geschwind
in
dem engen Kahn
am Himmelsufer
an.
Gelobt sei xms die ewge Nacht, Gelobt der ewge Schlummer. Wohl hat der Tag uns warm gemacht
Und welk der lange Kummer. Die Lust der Fremde ging uns aus, Zum Vater woUen wir nach Haus. Was soUen wir auf dieser Welt Mit unsrer Lieb und Treue? Das Alte wird hintangestellt. Was soil uns dann das Neue? O einsam steht und tiefbetrubt, Wer heiB und fromm die Vorzeit I
liebt.
Die Vorzeit, wo die Sinne licht In hohen Flammen brannten, Des Vaters Hand und Angesicht Die Menschen noch erkannten.
Und hohen Sinns, einfaltiglich Noch mancher seinem Urbild glich.
23
Die Vor^eit, Uralte
wo noch
bliitenreich
Stamme prangten
fur das Himmelreich Nach Qual und Tod verlangten. Und wenn auch Lust und Leben sprach, Doch manches Herz fiir Liebe brach.
Und Kinder
Die Vor2:eit, wo in Jugendglut Gott selbst sich kundgegeben Und friihem Tod in Liebesmut Geweiht
sein siiBes
Leben.
Und Angst und Schmerz Damit
er
uns nur teuer
nicht
von
sich trieb,
blieb.
Mit banger Sehnsucht sehn wir
sie
In dunkle Nacht gehiillet; In dieser Zeitlichkeit wird nie
Der heiBe Durst gestillet. Wir miissen nach der Heimat gehn,
Um diese heilge Zeit zn sehn. Was halt noch unsre Riickkehr auf. Die Liebsten ruhn schon lange. Ihr Grab schlieBt unsern Lebenslauf, Nun wird uns weh und bange. 2u suchen haben wir nichts mehr — Das Hetz ist satt — die Welt ist leer. Unendlich und geheimnisvoll Durchstromt uns stiBer Schauer
Mir deucht, aus tiefen Fernen Ein Echo unsrer Trauer. 24
—
scholl
Die Lieben sehnen
Und
Hinunter zu der
Zu
sich
wohl auch
sandten uns der Sebnsucht Hauch.
siiJBen
Braut,
dem Geliebten — die Abenddammrung
Jesus,
Getrost,
Den
grant
Liebenden, Betriibten.
Ein Traum bricht unsre Banden
Und
los
senkt uns in des Vaters SchoB.
25
Geistliche Lieder
I
"Was war
Was
ich
ohne dich gewesen ?
wiird ich ohne dich nicht sein?
Zu
Furcht und Angsten auserlesen. Stand ich in waiter Welt allein.
Nichts wiiBt ich sicher, was ich
liebte,
Die Zukunft war ein dunkler Schlund; Und wenn mein Herz sich tief betriibte, Wem tat ich meine Sorge kund ?
Einsam verzehrt von Lieb und Sehnen, Erschien* mir nachtlich jeder Tag; Ich folgte nur mit heiBen Tranen Dem wilden Lauf des Lebens nach. Ich fande Unruh
Und Wer Wer
im Getiimmel
Gram zn Haus. ohne Freund im Himmel, da auf Erden aus ?
hoffnungslosen hielte hielte
Hat Christus
sich
mir kundgegeben
Und
bin ich seiner erst gewiB,
Wie
schnell ver2:ehrt ein lichtes
Und
Indian
Leben Die bodenlose Finsternis. Mit ihm bin ich erst Mensch geworden; Das Schicksal wird verklart durch ihn,
muB
selbst
im Norden
Um den Geliebten frohlich blxihn* 29
Das Leben wird znt Liebesstunde, Die ganze Welt spricht Lieb und Lust. Ein heilend Kraut wachst jeder Wunde^
Und
frei
Fur
und
voll klopft jede Brust.
tausend
alle seine
Gaben
Bleib ich sein demutvolles Kind,
GewiB, ihn unter uns zn haben, Wenn zwei auch nur versammelt sind.
O! geht hinaus auf alien Wegen
Und
holt die Irrenden herein,
Streckt
Und
jedem eure Hand entgegen zu uns ein.
ladet froh sie
Der Himmel
Im Glauben Die
eines
bei uns auf Erden,
Glaubens mit uns werden,
Auch denen Ein
ist
schauen wir ihn an;
alter,
ist
er aufgetan.
schwerer
War
fest
Wir
irrten in der
Wahn von
Sxinde
an unser Herz gebannt;
Nacht wie Blinde,
Von Reu und Lust zugleich entbrannt. Ein jedes Werk schien uns Verbrechen, Der Mensch
ein Gotterfeind
Und
Himmel uns zu sprechen. nur von Tod und Pein.
zu. sein,
schien der
So sprach er
Das Herz, des Lebens reiche Quelle, Ein b5ses Wesen wohnte drin; Und wards in unserm Geiste heUe, So war nur Unruh der Gewinn. Ein eisern Band hielt an der Erde
Die bebenden Gefangnen fest; Furcht vox des Todes Richterschwerte Verschlang der HoiFnung Uberrest.
Da kam
ein Heiland, ein Befreier,
Ein Measchensohn, voU Lieb und Macht, Und bat ein allbelebend Feuer In unserm Innem angefacht. Nun sahn wir erst den Himmel ofFen Als unser
altes Vaterland,
Wir konnten glauben
Und
nton
und
hoffen
fuhlten uns mit Gott verwandt.
Seitdem verschwand bei uns die Siinde^
Und frohlich wurde jeder Schritt; Man gab znm schonsten Angebinde Den Kindern diesen Glauben mit; Durch ihn geheiligt, 2og das Leben Voruber wie ein seJger Traum, Und ewger Lieb und Lust ergeben, Bemerkte man den Abschied kaum.
Noch
steht in wunderbarem Glam:e Der heiHge Geliebte bier, Geriihrt von seinem Dornenkran^e
Und
seiner Treue, weinen wir. Ein jeder Mensch ist uns willkommen, Der seine Hand mit uns ergreift Und, in sein Herz mit aufgenommen,
Zur Frucht des Paradieses
reift.
31
II
Fern im Osten wird es helle, Graue Zeiten werden jung;
Aus der
lichten Farbenquelle
Einen langen, tiefen Trunk! Alter Sehnsucht heilige
Gewahrung,
SiiBe Lieb in gottlicher
Verklarung.
Endlich
kommt
znt Erde nieder
Himmel selges Kind, SchafFend im Gesang weht wieder
Aller
Um die Erde Lebenswind, Weht
m neuen, ewig lichten Flammen
Langst verstiebte Funken hier zusammen. Uberall entspringt aus Griiften
Neues Leben, neues Blut, Ewgen Frieden uns zn stiften, Taucht er in die Lebensflut; Steht mit yoUen Handen in der Mitte, Liebevoll gewartig jeder Bitte.
Lasse seine milden Blicke
Tief in deine Seek gehn,
Und von
seinem ewgen Gliicke
SoUst du dich ergriffen sehn.
AUe Herzen,
Geister und die Sinnen Werden einen neuen Tanz beginnen.
3^
Greife dreist nach seinen Handen,
Prage dir sein Antlitz
ein,
MxiBt dich immer nach ihm wenden,
nach dem Sonnenschein; Wirst du nur das ganze Herz ihm ^eigen,
Blxite
Bleibt er wie ein treues
Unser
ist sie
Weib
dir eigen.
nun geworden,
Gottheit, die uns oft erschreckt,
Hat im Siiden und im Norden Himmelskeime rasch geweckt.
Und
so laBt
im
vollen Gottesgarten
Treu uns jede Knosp und
Bliite warten.
ni
Wer einsam sitzt in seiner Kammer Und
schwere, bittre Tranen 'weint,
Wem nur gefarbt von Not und
Jammer
Die Nachbarschaft umher erscheint;
Wer iif Wie
das Bild vergangner Zeiten
tief in
einen
Abgrund
sieht.
In welchen ihn von alien Seiten
Ein
Es
siiBes
ist, als
Da
Weh hinunterzieht; — lagen Wunderschatze
unten fur ihn aufgehauft,
Nach deren SchloB
in wilder Hetze
Mit atemloser Brust
5
Novalts^
Gcsammelte Werke
i
er greift.
33
:
Die Zukunft
liegt in
5der Diirre
und bang vor ihm umher, allein und irre,
Entsetzlich lang
Er schweift
Und
—
sucht sich selbst mit Ungestiim,
ihm weinend in die Arme: Auch mif war einst wie dir zumat, Doch ich genas von meinem Harme Ich
fall
Und weiB
nun,
wo man
ewig ruht.
Dich muB wie mich ein Wesen trosten. Das innig liebte, litt und starb, Das selbst fiir die, die ihm am wehsten Getan, mit tausend Freuden starb.
Er starb, und dennoch alle Tage Vernimmst du seine Lieb und ihn Und kannst getrost in jeder Lage Ihn zartlich in die
Mit ihm
kommt
Arme
ziehn.
neues Blut und Leben
In dein erstorbenes Gebein
Und wenn du ihm So
ist
—
dein Herz ge^eben.
auch seines ewig dein.
Was du verlorst,
hat er gefunden;
Du triffst bei ihm, was du geliebt
34
Und ewig
bleibt mit dir
Was
Hand
seine
verbunden.
dir wiedergibt.
IV Unter tausend frohen Standen, So im Leben ich gefunden, Blieb nuf eine mir getreu;
Eine,
wo
in tausend Schmerzen
Ich etfuhr in
Wer
fiir
meinem Herzen^
uns gestorben
sei.
Meine Welt war mir zerbrochen, Wie von einem Wurm gestochen, Welkte Her2 und Bliite mir; Meines Lebens ganze Habe, Jeder Wunsch lag mir im Grabe, Und zur Qual war ich noch hier.
Da ich
im stillen krankte, Ewig weint und wegverlangte Und nur blieb vor Angst xmd Wahn: Ward mir pldtzMch wie von oben so
Weg des Grabes Stein gehoben Und mein Innres aufgetan. Wen ich sah und wen an seiner Hand erblickte, frage keiner, Ewig werd ich dies nur sehn; Und von alien Lebensstunden Wird nur die, wie meine Wunden Ewig heiter oflen stehn.
35
V Wenn ich ihn nur habe, Wenn er mein nur ist, Wenn mein Hexz bis bin
zxxm Grabe
Seine Treue nie vergiCt:
WeiB
ich nichts
Fiihle nichts als
Wenn ich
von Leide, Andacht, Lieb und Freude.
ihn nur habe,
LaB ich alles gern, Folg an meinem Wanderstabe Treugesinnt nur meinem Herrn Lasse still die Andern Breite, lichte, voile StraBen wandern.
Wenn
ich ihn nur habe,
Schlaf ich frohlich ein,
Ewig wird zu
siiBer
Seines Herzens Flut
Labe mir sein.
Die mit sanftem Zwingen Alles wird erweichen
und durchdringen.
Wenn ich ihn nur habe, Hab Selig
ich auch die Welt,
wit ein Himmelsknabe,
Der der Jungfrau Schleier Hingesenkt im Schauen,
Kann mir vor dem
36
halt.
Irdischen nicht grauen.
Wo ich ihn nur habe, mein Vaterland; es fallt mir jede Gabe Wie ein Erbteil in die Hand; Langst vermiBte Bnider
1st
Und
Find ich nxin in seinen Jiingern wieder.
VI
Wenn
alle
untreu warden,
So bleib ich
dir
doch
treu,
DaB Dankbarkeit auf Erden Nicht ausgestorben
sei.
mich umfing dich Leiden, Vergingst fur mich in Schmer^; Drum geb ich dir mit Freuden Auf ewig dieses Herz. Fiir
Oft
muB
ich bitter weinen,
DaB du gestorben bist Und mancher von den Deinen Dich lebenslang vergiBt. Von Liebe nur durchdrungen. Hast du so viel getan, Und doch bist du verklungen,
Und
Du
keiner denkt daran.
stehst
voU
treuer Liebe
Noch immer jedem bei, Und wenn dir keiner bliebe. So
bleibst
du dennoch
treu;
37
Die treuste Liebe
sieget.
Am Ende fuhlt man sie, Weint
bitterlich
und schmieget
Sich kindlich an dein Knie.
Ich babe dich empfunden,
O! lasse nicht von mir; LaB innig mich verbunden
Auf ewig
sein mit dir.
Einst schauen meine Briider
Auch wieder bimmelwarts
Und Und
sinken liebend nieder fallen dir ans
Her^.
VII
HYMNE Wenige
wissen
Das Geheimnis der Liebe, Fiihlen Unersattlichkeit
Und ewigen Durst. Des Abendmahls Gottliche Bedeutung 1st
den irdischen Sinnen Ratsel;
Aber wer jemals
Von heiBen, Atem
geliebten Lippen
des Lebens sog,
Wem heilige Glut In zitternde Wellen das Herz schmok, Wem das Auge aufging. 38
!
DaB
er des
Himmels
Unergnindliche Tiefe maB,
Wird essen von seinem Leibe trinken von seinem Blute
Und
Ewiglich.
Wer hat des irdischen Leibes Hohen Sinn erraten? Wer kann sagen, DaB er das Blut versteht? Einst
ist alles
Leib,
Leib;
In himmlischem Blute
Schwimmt
O
!
das selige Paar.
—
daB das Weltmeer
Schon
Und
errdtete
in dufidges Fleisch
AufquoUe der Pels Nie endet das siiBe Mahl, Nie sattigt die Liebe sich. Nicht innig, nicht eigen genug Kann sie haben den Geliebten. Von immer ^arteren Lippen Verwandelt, wird das Genossene Inniglicher
und
naher.
HeiBere WoUust
Durchbebt die Durstiger
Wird
Und Von
Seele.
und hungriger
das Hers;:
so wahret der Liebe
GenuB
Ewigkeit zn Ewigkeit. Hatten die Niichternen
Einmal gekostet. 39
AUes verlieBen
Und
An
sie
set2 ten sich 2u
uns
den Tisch der Sehnsucht,
Der
nie leer wird.
Sie erkennten der
Liebe
UnendHche FuUe Und priesen die Nahrung Von Leib und Blut.
VIII
Weinen muB Mocht
ich,
immer weinen:
er einmal nur erscheinen,
Einmal nur von feme mir. Wehmut! ewig wahren
Heilge
Meine Schmer^en, meine Zahren; Gleich erstarren mocht ich hier.
Ewig seh ich ihn nur leiden, Ewig bittend ihn verscheiden. O! daB dieses Herz nicht bricht, Meine Augen sich nicht schlieBen. Ganz in Tranen zu zerflieBen, Dieses Gliick verdient^ ich nicht.
Weint denn keiner nicht von aUen ? Soil sein 1st die
Werd
Name
so verhallen?
Welt auf einmal tot? ich nie aus seinen
Augen
Wieder Lieb und Leben saugen ? 1st er nun auf ewig tot? 40
Tot
O
“ was
so sagt
!
was soil das heiBen? mir doch, ihr Weisen,
katin,
Sagt mir diese
Er
Deutung
an.
stumm, xind alle schweigen, Keiner kann auf Erden zeigen. Wo mein Hetz ihn finden kann. ist
Nirgends kann ich hier auf Erden Jemals wieder gliicklich werden, Alles ist ein diistrer
Ich bin auch mit
Lag
ich
Traum.
ihm
verschieden.
doch mit ihm in Frieden
Schon im unterirdschen Raum.
Du, sein Vater und der meine, Sammle du doch mein Gebeine
Zu dem
seinigen nur bald.
Grxin wird bald sein Hugel stehen
Und der Wind dariiber wehen Und verwesen die Gestalt.
Wenn Alle
sie seine
Menschen wxirden
LieBen
alles
Liebten
alle
Wiirden
Und
Liebe wiiBten,
alle
Christen,
andre stehn;
nur den Eimn^ mit mir weinen
in bitterm
Weh vergehn.
41
IX Ich sag
es jedem,
daC er lebt
Und auferstanden ist, DaB er in xinsrer Mitte schwebt Und ewig bei uns ist. Ich sag es jedem, jeder sagt
Es seinen Freunden gleich, DaB bald an alien Orten tagt
Das neue Himmelreich. Jetet scheint die
Welt dem neuen Sinn
Erst wie ein Vaterland;
Ein neues Leben nimmt man hin Ent2:uckt aus seiner Hand. Hinunter in das
Meer
tiefe
Versank des Todes Graun,
Und
jeder
kann nun
leicht
und hehr
In seine Zukunft schaun.
Der dunkle Weg, den er betrat, Geht in den Himmel aus, Und wer nur hort auf seinen Rat,
Kommt auch in Vaters
Haus.
Nun weint auch keiner mehr allhie, Wenn eins die Augen schlieBt;
Vom Wiedersehn, Wird
4Z
dieser
spat oder friih,
Schmerz
versiiBt.
Es kann zu jeder guten Tat Ein jeder frischer gluhn,
Denn
herrlich wird
ihm
diese Saat
In schonern Fluren bliihn.
Er
lebt
und wird nun
bei uns sein,
Wenn alles uns verlaBt! Und so soli dieser Tag uns
sein
Ein Weltverjungungsfest.
X Es
gibt so bange Zeiten,
Es gibt so
Wo alles
triiben
sich
Mut,
von weitem
Gespenstisch zeigen
tut.
Es schleichen wilde Schrecken So angstlich leise her,
Und
tiefe
Nachte decken
Die Seele zentnerschwer. Die sichern Stiit^en schwanken, Kein Halt der Zuversicht; Der Wirbel der Gedanken Gehorcht dem Willen nicht.
Der Wahnsinn naht und
locket
Unwiderstehlich bin.
Der
Puls des Lebens stocket,
Und stumpf ist jeder
Sinn.
43
Wer
hat das Kreuz erhoben
Zum
Schutz far jedes Herz ?
Wer wohnt im Himmel droben Und hilft in Angst und Schmer2 ? Geh za dem Wunderstamme, Gib stiller Sehnsucht Raum, Aus ihm geht eine Flamme Und zehrt den schweren Traum. Ein Engel zieht dich -wieder Gerettet auf den Strand, Und schaust voll Freuden nieder In das gelobte Land,
XI Ich weiB nicht, was ich suchen konnte. War jenes liebe Wesen mein,
Wenn er mich seine Freude nennte Und bei mir war, als war ich sein. So viele gehn umher und suchen Mit wild verzerrtem Angesicht, Sie heiBen
immer
Und kennen Der
Gold; Welt umschiffen, ein Name wird sein Sold,
er hat, ist nichts als
will die ganze
Nichts
44
diesen
eine denkt, er hats ergriffen,
Und was Der
Klugen Schatz doch nicht.
sich die
als
Der
lauft
Und Und
nach einem Siegerkranze
der nach einem Lorbeerzweig, so wird
von verschiednem Glanze
Getauscht ein jeder, keiner reich.
Hat er sich euch nicht kundgegeben? VergaBt ihr, wer fiir euch erblich? Wer uns zulieb aus diesem Leben In bittrer Qual verachtet wich? Habt ihr von ihm denn nichts gelesen, Kein armes Wort von ihm gehort? Wie himmlisch gut er uns gewesen
Und
welches
Gut
er
uns beschert?
Wie er vom Himmel hergekommen, Der schonsten Mutter hohes Kind? Welch Wort die Welt von ihm vernommen, Wieviel durch ihn genesen sind ?
Wie
er,
von Liebe nur beweget,
Sich gan5: uns hingegeben hat
Und
in die
2um Kann
sich geleget
diese Botschaft
1st so ein
Und
Erde
Grundstein einer Gottesstadt?
euch nicht riihren, nicht genug,
Mensch euch
5fFnet ihr nicht eure Tiiren
Dem,
der den
Abgrund zu euch schlug ?
LaBt ihr nicht alles willig fahren. Tut gern auf jeden Wunsch Verzicht, 45
WoUt euer Keicz nur ihm bewahren, Wenn er eucb seine Huld verspricht?
Nimm du mich bin, du Held der Liebe! Du bist mein Leben, meine Welt; Wenn nichts vom Irdischen mir bliebe. So weiB
ich,
wer mich schadlos
halt.
Du gibst mir meine Liebe wieder, Du bleibst in Ewigkeit mir treu, Anbetend sinkt der Himmel nieder, Und dennoch wohnest du mir bei.
XII
Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt ? Herberg ist Verlangend
Und
offnet
dir
schon langst
bestellt.
sieht ein jedes dich
deinem Segen
sich.
GeuB, Vater, ihn gewaltig aus, Gib ihn aus deinem Arm heraus
Nur Unschuld, Lieb und
siiCe
Scham
Hielt ihn, daB er nicht langst schon
kam.
von dir in unsern Arm, von deinem Hauch noch warm; In schweren Wolken sammle ihn Treib ihn
46
DaB
er
Und
laB ihn so herniederziehn.
In kiihlen Stromen send ihn het, In Feuetflammen lodre
er.
In Luft und OI, in Klang und Tan
Durchdring er nnsrer Erde Ban.
So wird der heilge Kampf gekampft. So wird der HoUe Grimm gedampft, Und ewig bliihend geht allhier Das alte Paradies herfiir. Die Erde regt
Des Geistes
sich,
grunt und
lebt,
voll ein jedes strebt.
Den Heiland liebltch zu empfahn, Und bent die voUen Briist ihm an. Der Winter
weicht, ein neues Jahr
Steht an der Krippe Hochaltar.
Es ist das erste Jahr der Welt, Die sich dies Kind erst selbst bestellt. Die Augen sehn den Heiland wohl, Und doch sind sie des Heilands voU, Von Blumen wird sein Haupt geschmiickt, Aus denen er selbst holdselig blickt.
Er ist der Stern, er ist die Sonn, Er ist des ewgen Lebens Bronn, Aus Kraut und Stein und Meer und Licht Schimmert sein kindlich Angesicht. In alien Dingen sein kindlich Tun. Seine heiBe Liebe wird
nimmer ruhn, 47
Er schmiegt
sich seiner
unbewuBt
Unendlich fest an jede Bmst.
Ein Gott fiir uns, ein Kind fur sich, Liebt er uns all her2:inniglich, Wird unsre Speis und unser Trank, Treusinn
ist
ihm der
Das Elend wachst Ein
diistrer
je
liebste
Dank.
mehr und mehr,
Gram bedriickt uns
sehr,
LaB, Vater, den Geliebten gehn,
Mit uns wirst du ihn wiedersehn.
xni "Wenn
in bangen, triiben Stunden
Unser Her2 beinah ver^agt, Wenn von Krankheit liberwunden Angst in unserm Innern nagt,
Wir der Treugeliebten denken, Wie sie Gram und Kummer driickt, Wolken unsern Blick beschranken. Die kein Hoffnungsstrahl durchblickt:
01 dann
neigt sich Gott heriiber,
Seine Liebe
kommt uns
nah,
Sehnen wir uns dann hintiber, Steht sein Engel vor uns da, Bringt den Kelch des frischen Lebens, Lispelt Mut und Trost uns 2u; Und wir beten nicht vergebens
Auch fur 48
die Geliebten Ruh.
XIV Berge
Atme
jauchzet, Hiigel hxipfet,
Freude, was da lebt,
Christus Jesus
ist
erstanden
Aus dem Grabe,
Christus lebt!
Christus hat den
Tod besieget,
Der vorher ein Schrecken war, Hat die Lehre nun besiegelt, Macht sie durch dies Wunder wahr. Weicht hin stumm, ihr frechen Leugne dies. Philosophic!
Spotter,
Christ, der Sterblichen Erretter,
Hat voUendet
seine Miih’.
Herrlich strahlet durch
Aonen
Kunft’ger Zeit die Wohltat hin,
Engel staunen, Orionen
Donnern
dir ein Loblied hin.
Myriaden Kreaturen, Welche waren, werden, sind. Hat dein hohes Erdenleben Licht geschenkt, sie waren bhnd! Denn dein Beispiel, deine Lehren Zeigten uns Religion, Einfach und Jehovas wxirdig,
Hehr und Grausend
Mehr
fiir
heilig,
schxittelt
Nopahit Gcsammelte
nicht die Schwingen
Sterbende der Tod,
Und mit bangen 4
Gdttersohn.
Wcrke
i
Zweifeln wird uns
49
Nicht
vom Tode mehr gedtoht.
Heiter lachen die Gefilde
Grabs uns an, selger Ruhe, Frieden winkt Die uns Jesus Christ gewann. Jenseits unsres
m
Dankt und lobt und laBt Euer lautes Saitenspiel! Felsen
mogen
erschallen
widerhallen
Euer stromendes Gefuhl! Euer ganzes Menschenleben Sei ein einzger Lobgesang, Euer Denken sei nur Freude Und ein immer reger Dank.
MARIENLIEDER I
Wer einmal.
Mutter, dich erblickt,
Wird vom Verderben nie bestrickt. Trennung von dir muB ihn betriiben, Ewig wird er dich briinstig lieben, Und deiner Huld Erinnerung Bleibt fortan seines Geistes hochster Schwung. Ich mein es herdich gut mit
Was mir
gebricht, siehst
dir.
du in mir.
LaB, siiBe Mutter, dich erweichen,
Einmal gib mir ein frohes Zeichen. Mein ganzes Dasein ruht in dir, Nur einen Augenblick sei du bei mir. 50
wenn
Oft,
ich traumte, sah ich dich.
So schon, so her2:ensinniglich. Der kleine Gott auf deinen Atmen Wollt des Gespielen sich erbarmen;
Du
aber hobst den hehren Blick
Und
gingst in tiefe Wolkenpracht 2uruck,
Was hab ich, Armer, dir getan? Noch bet ich dich voU Sehnsucht
an.
Sind deine heiligen Kapelien Nicht meines Lebens Ruhestellen ?
Gebenedeite Konigin,
Nimm
dieses Hers: mit diesem
Du weiBt, Wie
Leben
hin.
geliebte Konigin,
ich so ganz dein eigen bin.
Hab ich nicht schon seit langen Jahren Im stUlen deine Huld erfahren ? Als ich kaum meiner noch bewuBt, Sog ich schon Milch aus deiner selgen Brust. Un^ahligmal standst du bei mir, Mit ICindeslust sah ich nach dir, Deiti Kicidlein gab mir seine Hande, DaB es dereinst mich wiederfande;
Du lacheltest yoll Und
Zartlichkeit
kuBtest mich, o himmelsiifie Zeit!
Fern steht nun diese selge Welt, hat sich langst zn mir gesellt, Betriibt bin ich umhergegangen, Hab ich xnich denn so schwer yergangen?
Gram
51
Kindlich benihr ich deinen Saum, Erwecke mich aus diesem schweren Traum*
Darf nur ein Kind dein Antlitz schaun Und deinem Beistand fest vertraun. So lose doch des Alters Binde Und mache mich :zu deinem Kinde. Die Kindeslieb und Kindestreu Wohnt mir von jener goldnen Zeit noch
bei.
II
Ich sehe dich in tausend Bildern, Maria, lieblich ausgedriickt,
Doch keins von alien kann dich Wie meine Seele dich erblickt.
schildern,
Ich weiB nur, dab der Welt Getiimmel
Traum verweht unnennbar suBer Himmel Mir ewig im Gemiite steht. Seitdem mir wie ein
Und
52
ein
Vermischte Gedichte
AN MEINE MUTTER I
Die mich einst mit Schmerz gebar Doch mit Mutterfreuden ~ Da ich noch ein Kiiablein war, Vieles
Stets
muBte
leiden,
mich doch mit Sorg’ gepflegt
Und mit Angst und Muhe, Und mich oft noch huldreich tragt Siehe,
wie ich
bliihe.
Und ein Liedchen singe ich Dir voll Dank und Freude. Nimm es an und freue dich, Hoi^ was ich heute Wiinsche dir voU Dankbarkeit:
Lebe uns 2:ufrieden Lange noch; was dich
erfreut,
Miisse dich hienieden
Stets begliicken;
Bliihen deine
ohne Rast
Wangen
Von Gesundheit, Sorgenlast M5ge dich nicht fengen.
Und mit froher Munterkeit Werd des Alters Beute, Schau der Kinder Seligkeit, Sieh, dies wiinsch ich heute.
II
Wenn unsre
Wiinsche Feen waren. Die mit gewaltgem Zauberstab Vom Firmament den Mond herab Geboten und uns Gold und Ehren
Nebst Malaga und Moselwein Im Nu in unsern SchoB bescherten. Da kutscht’ ich wahrUch mit sechs Pferden
Und
tafelte bei
Kerzenschein
Bis tief in diistre
Nacht
Ich neidete nicht Fiirst
hinein.
und Konig,
War nur der Freude untertanig Und woUte sicher gliicklich sein. Ich gahnte,
ritt
und
fiihr nicht
wenig
war M^en manche hungrige Poeten, Die mich um Reisefutter baten;
Und
tanzte, spielte,
Fiir
Und alles dies durch meine Feen. Doch hier, wo wir anjetzo stehn, Auf unserm lumpigen
Planeten,
Wo alles Hirngespinst und Traum Da wag ich,
gute Mutter,
Fiir dich ein
Wiinschdhen auszuhecken.
Das
kaum
Schicksal konnte, mich zu necken, Gerade nichts von allem tun.
Und mich geradezu mm Gecken Zu deklarieren leicht gerahn.
Dmm denke dir, was guter Willen, Um Kindespflichten zu erfuUen, Fur dich fiir Wiinsche konute tun. Und dann wird trotz des Gliickes Streben Unbestand Zum Wechsel und Den Kranz des Glucks dir Tugend geben. Den jedes edle Menschenleben
mm
Verdient von ihrer G5tterhand.
AN DIE WIPPERNYMPHE "Wippernymphe, die so freundlich Nie mit stoker Flut geprahlt, Jetzt soil mein Gesang dich tragen. Wo Orion und der Wagen An des Himmels Haupte strahlt. Unverganglich
hallt dein
Name
In des Zeitstroms Wogenklang;
Zu
der Folge femsten Sonnen
Tragt er dich,
wenn l^gst yerronnen
Deiner Urne Quellgesang.
57
AN DEN SOHN DBS HERRN PROF. BURGER Schlummre immer,
lieber Kleiner, deine
Jugendzeit in siiBer
Wonne
bin,
Unbekiimmert fuhle frohlich keine Mtonersorgen, von der Lehrerin Unschuld auf den Rosenpfad geleitet,
Der
Von
sich izwischen frohen
Maien
schlingt.
der Freude in der Brust besaitet,
Welche nimmer Triibsinn
singt.
Lache, springe, pfliicke Bliimchen, spiele, SiiBer Einfalt treu,
Denn
noch manches Jahr;
dir reichte gliickliche
Gefuhle
dem Busen dar. Wer 2uerst den Apfelbaum erklimmet, Welchen goldne Frucht rundum beschwert,
Deine Mutter aus
Sei dir,
noch
fiir
Menschensorg’ verstimmet,
Wichtig, mutvoU, groB
und
wert.
Noch
hat nicht Vernunft dir holde Freuden Mit der Zensormiene streng verdammt, Noch auch Leidenschaft zu bittern Leiden Deinen unbescholtnen Geist entflammt. Gern bist du mit trocknem Brot zufrieden,
Wenn
dir
Springen siiBen Hunger beut;
Selbst auf Stroke krankte nicht
den Miiden
Weichliche Bequemlichkeit.
Rollen dir mehr Jahre auf die Scheitel, Liebe doch stets Einfalt und Natur.
Rufe dann: „Ja, 58
alles ist
doch
eitel.
;
Ausgenommen meine Kindheit nur; Denn von allem bleibt mir Ekel uber. Was ich in dem Leben je genoB; Und nie denk ich an Vergangnes lieber Als an meiner Kindheit Los.
Wo ich 2wischen Veilchentraumen schwebte, AUes um mich sah im Rosenlicht, Keinem andern, nur mir selber lebte Und mich Freude, meine ein^ge Pflicht, Sanft durch ihre Lustgefilde fuhrte.
Wo sich keine Sorge an mich hing Und nicht strenge Weisheit mich regierte, Wenn ich Schmetterlinge fing."‘
AN HERRN
A.
W.
SCHLEGEL
I
Auch ich bin in Arkadien Auch mir hat
geboren;
Hetz Die Mutter an der Wiege ^ugeschworen Und MaB und Zahl in Freude und in Schmerz. ja ein heiBes voiles
gab mir immer freundlich himmelwarts Zu schaun, wenn selbst die Hoffnung sich verloren Und stahlte mich mit Frohsinn und mit Scherz; Auch ich bin in Arkadien geboren! Sie
Komm, reiche mir die briiderliche Hand! Zu Briidern hat uns die Natur erkoren, Und uns gebar ein mutterliches Land. 59
Ich habe dir langst Liebe 2ugeschworen,
Gem foigsam meinem bessem Gib
tnir die
Genius.
Hand und einen BruderkuB
II
Aucb
ich bin in Arkadien geboren,
Auch mir
hat mancher gate Genius
Am Mutterbusen Liebe 2ugeschworen, Und manchen Auch Das
ich
leise
siiBen, freundiichen
GenuB;
empfand in Ahndungen vetloren
Wehn
Und fiihlte
vor manchem GeisterkuB,
im
heiligen ErguB Mich 2u der Sonne reinem Dienst erkoren. oft
wenn mich mein eignes Hem nicht triigt Und mich auf Flxigein stoker Travune wiegt, DaB ich so kiihn in eure Reihen trete;
Verzeih,
Du
Und
fassest
Wie
ich dich liebe, mit dir
mich auch so reich und warm,
Arm
Um Ewigkeit fur unser Bundnis
in
Arm,
bete.
DER GEFUNDNE SCHATZ Feinliebchen, hast
Und
du mir
bin ich dir nie aus
nie Liebe gelogen,
dem
Sinne entflogen,
Bei rosiger Fruhe, in nachtKchem Graun,
So will ich dir heimlich was Liebes vertraun. 6o
Ehgestem, da
moosigen Tnimmern, horet zu Mitternacht wimmern.
sajB
ich bei
Wo man es oft Da sa6 ich und dachte voll liebendem Sinn Ohn Schaudern und Graun an was Liebes nur hin. Horch! naher da kam es mit Tosen und Sausen, Mir wehten die Locken vom bebenden Grausen, Es rauschte noch naher den nachtlichen Gang
Durch Liicken zerborstener Mauern
entlang.
Mit Sauseln und Lichtschein kam naher es immer, Und zitternd erschaut ich beim helleren Schimmer NichtHorner, nicht Klauen, nicht zackigen Schwanz, Nicht Schwefel und Flammen, nicht hollischen Tanz. Ich sahe bei
Ave Maria und Kreuzen,
Geschmiicket mit hohern, unsterbhchen Reizen,
Wohl
eine atherische Greisengestalt,
Die himmlische Giite und Wiirde umwallt. „Sohn‘% sprach
sie,
„man nannte mich Hermes im Leben,
Ich liebte dich lange, nun will ich dir geben,
Zum Lohne fur Und
deine unsterbHche Treu
stete Zufriedenheit, Silber
wie Heu.
Denn hier hat im KeUer ein geiziger Schacher Wohl Edelstein’, Silber und goldene Becher
Im blutigen
Kriege und Raube erspart,
Einst hier fur die jauchzende Nachwelt bewahrt.
Da geht er noch irre zu nachtlicher Stunde Und achzet wie Unken aus flammendem Munde 6i
Und jammert und wimmert und stohnet so bang Im fiirchtbaren Schutt schon Jahrhunderte kng. Und
hatte sich einer bei nachtlichem
Flimmern
Gewagt in des Kellers zerborstene Triimmern, Er hatte dem Armen mit hollischer Hand Den starrenden Nacken nach vorn umgewandt. Dir fugten sich aber so gunstig die Sterne, Du darfst bei dem sparlichen Schein der Laterne
Die Schatze
dir eignen,
ohn
zittern
und scheun,
Trotz Sausen, trotz Wimmern und Wehen undDraun.
Drum wandle,wenn morgen mit tauendem Und schimmerndem Umdammernd,
Und alles
Mantel, wie Tale so Hugel*
die Gottin des
Und hallenden
wo
und webt,
der dorten in grausen Ruinen
Dich schauerlich angahnt, und Bis da,
Dunkels herschwebt>
entschlummert, was lebet
Zum Gange,
Flugel
schreite mit kiihnen
Tritten die Hallen entlang
es flimmert
und dammert im Gang.
Da steht dann der Kasten im losen Gesteine, Den schleppe nach Hause beim mondlichen Scheine -* Hier schwand mir der Greis vor dem trunkenen Blick Und lieB mich in sixBer Betaubung zuriick. "
Nun schwebten mir Bilder der Zukunft im Herzen, So sinnenentzuckend, von Freuden und Scherzen,
Von Wohltun und Kosen und herzlichem KuB Und trauter Umarmung imd WonnegenuB. 62
Komm, Madel, ich habe das SchatzchenimStiibchen, Im wallenden Kleidchen, o goldenes Liebchen, was himmlisches Wesen beschert, Weil Treue wir immer und Freude geehrt. Sollst schauen,
Nun wankt ich nach Hause mit trunkenen Sinnen Und dachte nur, was ich nun wollte beginnen, DochwardichvonStolznichtundPrachtsinnvermckt,
Nur
siiB
von
elysischen
Traumen
entziickt.
Nach diesetn Verse werden die drei Verse von Hermes wiederholt, die beiden ersten nur etwas, im letzten die beiden let2:ten Strophen geandert.
Nun kauf ich ein Giitchen mit Hiittchen und
Weide,
Das Hiittchen gerade so recht fiir uns beide. Die Wiese und Flur fur zwei Kuhe wohl groB, Und sage, was neiden wir denn fur ein Los ?
Wir
hiipfen
im Len^e und
pfliicken uns
Blumen,
Gestort nicht von miirrischen Vettern und Muhmen,
Und scherizen bei schaumender Milch und bei Brot, Nie weinend und seufeend ob bitterer Not. Auch
halten wir heimlich
im
Keller verborgen
Ein FaBchen voll Rheinwein, das Labsal in Sorgen, Und alle festliche Tage da nippen wir draus, Geschmiicket mit
Bmdern und farbigem
Und jegliche rosige Tochter der
StrauB.
Friihe
Erschauet uns schon bei der landlichen Miihe,
Zu
jaten, 2ru gieBen,
Viel Neckens
doch treiben wir
und Tandelns und
frei
Kiissens dabei.
63
Dem Geber nachahmend, erquicken wir Bruder Mit Speis’ iind mit Trank, die vom Ungliick darnieder Gedriickt sind,
Und
teilen
und
helfen den
Waisen in Not
mit Witwen den Bissen
vom
Brot.
Und stopfen mit Brote den hungrigen Schluckern Den lechzenden Mnnd, den geehrten Nachdruckern, Dann rauben sie Recht und Belohnung dock nie, Die muhsam erkampften sich FleiB und Genie. So leben wir frohlich, entfernet vom Neide, Geweiht nur der Tochter der Liebe, der Freude Und geben dutch Wohltun, durch Leben und Sang
Dem Geber dort
oben den herzlichsten Dank.
GOTTLOB, DASS ICH AUF
ERDEN BIN
Gottlob daB ich auf Erden bin I
Und
Leib und Seele habe;
Ich danke Gott in
meinem Sinn
Fur diese groBe Gabe.
Der Leib
ist
mir doch her2lich
lieb
Trotz seiner Fehl und Mangel, Ich
nehme gem mit ihm
Und neide
vorlieb
keinen Engel.
gem mein braunes Weib Und meine lieben Kinder, Und das tut wahrlich doch mein Leib, Und mir ist es gesiinder,
Ich kiisse
64
wenn ich mit PhilosopHe
Als
Die Seele mix
Denn
verdiirbe,
ein klein
wenig Not macht
sie.
Die Hebe Weisheit, miirbe.
CHARAKTER MEINER Kt)NFTIGEN FRAU Die, welche einst mich fesseln soli Auf meine Lebens2:eit, Die miiBte sein Verstandes voll, Voll Witz, der mich erfreut.
Und
Herzensgute habe
Mildtatig sei
sie,
sie, treu,
Doch
froh und heiter auch so wie Det Morgentraum im Mai. Stets so
geschmuckt, wie die Natur
Und Grazie es lehrt, Und nicht ein Piippchen, Der Mode Grillen ehrt.
welche nur
Auch schon
dieses
sei sie,
denn
macht
Stets einen Vorzug aus. Die Kinder nehme sie in acht
Und
sorge fur das Haus.
Auch
reich schadt nichts,
Ist’s besser,
Zu
braucht
sorgen, hat ein
Mit nahrendem 5
Nopolts,
Gesammelte Werke
man
denn aUemal nicht
m^ig Mahl
Gericht. x
65
Doch
eine groBe Seltenheit
1st eine solche
Frau;
mein Gluck das als Frau schilderte Ich
Doch
Nur
sieh,
Lauren, die
von mir
In jenem Stadtchen
Und
die
Wie
ihr dort,
ist
nicht weit,
geliebt
ist
mich Frohen wieder Baume, wiBt.
liebt,
BURGUNDERWEIN
Mag Claudius Nur
dich tadeln,
seinen Rheinwein adeln,
Der mir den Hals verengt;
Mag jeder Thuiskone Verachten die Saone
Mit Trauben suBbehangt. Will ich allein dich siagen, Fxir dich die Fliigel
schwingen
Vom hohen Helikon, Wenn nur, der mich vergniiget. Dein Becher nie versieget Wie der des Oberon* Wie
leicht
Von
gallischem Gefilde
und wie so
milde.
Entsprossen, gleitest du
In meine Liederkehle,
66
Und hauchest neue
Seele
Mir UnmutsvoUem
zu.
!
Du machest mich nicht tmnken, Entflammst nur ScUummerfunken In meiner Phantasie, Als dein Gefahrte gehet SuBlachelnd Amor, wehet Mir Lust 2u spat und friih.
Die Sorgen treibt dein Lacheln, Machst Worte siiBer facheln Und gibst mir holde Ruh, Machst meinen Leib gesunder; Sieh, herrlicher
Dies
alles
Burgunder,
wirkest du
AN DIE DICHTKUNST Gespielin meiner Jugend,
Die ich nach Madchen suchend Oft unter Ulmen fand. Die mich durch ihre Reize Zu immerregem Geize
Nach Reimen
hat entbrannt.
Du schonste aller Kiinste, Die
ofters
zum Gewinste
Nur
siiBe
Lust mir gibst,
Mit Reichtum nicht belohnest, Nicht oft bei Golde wohnest
Und frohe Armut Hebst.
67
Noch
Ruhestunden,
jetzt in
Wenn Protokolls verschwunden Und Akten unterm Tisch^ Kommst du mit deinen Reimen Die Zeit
dir
zn vertraumen
In Helikons Gebusch.
GewiB, wenn Silberhaare
Mir
viele kur2e Jahre
Auf meinen
Scheitel streun.
Will ich in deinen
Und
warmen
sxiBen Freundschaftsarmen
Mich warmen und
erfreun.
Und wenn ich einst schon achzend Nach kiihlem Trunke lechzend Ersterbe, soil Petron
Mir
als
Exempel dienen,
Noch
dichten meine Mienen,
Wenn
schon mein Geist entflohn.
CYTHERE Die beste Muse
ist
Cythere;
Mein Weihrauch dampfet dir nicht mehr, Erato, dir gebuhrt die Ehre Der Dichterin nicht mehr. Seitdem
sie
mir Luisen schickte,
Entschlupft mein
Wie von
Reim
so siiB
und
der Rose, die ich pfliickte,
Ein Schmetterling
entfleucht.
leicht,
Am Bache murmle ich nur Reime, Mir
lehrt sie Liebe
Und wenn
und Natur, Myrten traume.
ich unter
So traum ich Lieder nur.
DIE LIEBE
Wenn sanft von Rosenhiigeln Der Tag nach Westen schleicht, Der Nacht mit Schlummerfliigeln
Und
Sternenchor entweicht.
Will ich die Liebe sitigen
Auf der Theorbe
hier.
Mein Lockenhaar umschlingen Mit suBen Myrten ihr. Es
soil
dann widertonen
In dieser Grotte Nacht
Das Loblied meiner Schonen, Wenn nur die Quelle wacht.
Und wenn vom Morgensterne Mir Wonne niederblinkt, Und sich die heitre Feme Mit Rosenkranz umschlingt.
Ton ich in kuhlen Kliiften Auch meiner Liebe Lied, Umtanzt von Blumenduften,
Wenn
aller
Schlummer
flieht.
69
Und mnd um mich erwachet Der Nachtigallen Chor Und jede Aue lachet Und jeder Hirt ist.Ohr: Nein, SiiBers
Empfand
Was
als die
Liebe
kein Sterblicher,
hie bevor
Wild durch
war
triibe.
sie lieblicher.
AN EIN FALLENDES BLATT Es
nahet sich der Winter wieder
Mit seinem Schnee und Sturm und Eis, diirren Hainen fliehn die Lieder,
Aus Es
kleidet sich die Flur in
Von
WeiB,
Eichen wehn die Blatter nieder,
Nicht mehr belebt
vom VogelfleiB,
Der Sturm mit traurigem Gefieder Durchhaust
sie
auf der Zeit GeheiB,
EntreiBet ihr das Blatt gewaltsam.
Das gamz
allein
noch an
ihr hing,
Und spielt damit nim unaufhaltsam Und wirft es, daB er’s wiederfing* So
haufen sich die Jahre nahet sich das stille Grab,
reiBt auch,
Und Und bleichen Der Nord
blonden Haare, Rose ab.
erst die
die letzte
!
O gliicklich! kann man dann mit Freuden Die
letzte
Rose fliegen sehn den Jungling nicht zu neiden,
Und braucht
Um den voUaufgebliiht sie stehn, Kann
sich auf andre
Blumen freuen
Die Tochter der Unstetblichkeit, Man braucht dann nicht den Sturm zu scheuen,
Der Erdenleben
tins verbeut.
MEIN WUNSCH Konig mochte sein, wer woUte Was ging mich der Konig an; Mochte
sitzen tief im Golde,
Wer es Hstig sich gewann! Wenn ich ruhig konnte lachen In Luischens weichem Arm, Ungestort von stolzen Hachen,
Unbetaubt
vom Torenschwarm.
Nur zum siiBesten Entziicken Von der Freude selbst gestimmt, Und aus ihren Feuerblicken StiBen Tod za ziehn bestimmt.
71
DER WETTSTREIT Jxingst
stritt
ich mit Lottchen
um Niisse,
Wer schneller die wumgen Kxisse Wohl gabe; die Probe fing an: Ich aber, ich zahlete
immer
Zu wenig, drum waren wir nimmer Vereint, so
daB keiner gewann.
BADELIED Auf, Freunde, herunter das heiBe Gewand
Und tauchet in
kuhlende Flut Die Gheder, die matt von der Sonne gebrannt, Und holt von neuem euch Mut.
Die Hitze erschlafFet, macht trage uns nur, Nicht munter und tatig und frisch, Doch Leben gibt uns und der ganzen Natur Die Quelle im kiihlen Gebiisch. daB sich hier auch ein Madchen gekiihlt Mit rosichten Wangen und Mund, Vielleicht
Am niedlichen Leibe dies Wellchen gespielt. Am Busen so weiB und so rund. Und welches Entziicken! Auch meine
dies
Wellchen bespult
entkleidete Brust.
O! wahrlich, wer diesen Gedanken nur fuhlt. Hat siiBe entzuckende Lust^
72
AN FILIDOR
Hab
Gold und
Giiter, viel,
wie Sand
am
Meere,
Sei eines Konigs Liebling auch,
Ein Madchen Hebe dich, gefuUet sei dein Bauch Mit Gotterkost und sattge dich mit Ehre, Die halbe Erde sei bedurftig deines Lichts, Du lebest doch mit alle dem vergebens,
Denn
hast
So hast du
du
nicht Philosophie des Lebens,
nichts.
DER ROSENSTOCK Rosenstockchen, wart ich will dich pflegen, Schiitzen dich vor Hitze und vor Regen, Welcher heftig aus Gewittern trauft, Bleib in Liebchens
Laube
hier verborgen,
Sanft begieBen will ich aUe
Morgen
Dich, bis du zur Blxite aufgereift.
Deine Rosen sollen dann bekranzen Liebchen, und an ihrem Busen glanzen, Dessen sanfte Rote dich beschamt, Dann noch soUst du immer fr5hHch griinen, Saitenlob noch oft von mir verdienen, Wenn der Zephir Nord und Reif be5:&mt.
ARMENMITLEID Sag an, mein Mund, warum gab dir 2um Sange Gott Dichtergeist imd siiBen Wohlklang 2u, Ja wahrHch auch, daB du im hohen Drange Den Reichen riefst aus tr%er, stumpfer Ruh. 75
Derm karm nicht Sang vomHerzeriHmmlisch rxihren, Hat
er nicht oft
Kann
Werm
vom Lasterschlaf erweckt; am Leitband fuhren,
er die Herzen nicht er sie aus der
Dumpfheit aufgeschreckt ?
Wohlauf hort mich, ihr schwelgerischen Reichen, Hdrt mich, dock mehr noch euren innren Ruf, Schaut um euch her, seht Arme hiilflos schleichen, Und fuhlt, daC euch ein Vater nur erschuf. !
AN DIE MUSE du
Und
bei der Geburt gelachelt
Dichtergaben zugewinkt,
Der, sufie Gottin, der erringt
Nicht Lorbeern,
Und Blut in
wo
das Schlachtfeld rochelt,
langen Stromen rinnt,
Der wird nicht im Triumphe 2iehen, Den ihm ein schwar^er Sieg gewinnt, Und nie von Stok und Ehrfurcht gliihen, Werm ^wanzig Heere vor ihm fliehen,
Dem Reiz des
Siegerruhmes blind.
Auch Hofintrigen und Kabalen Kennt
seine heitre Seele nicht,
Und bleibt
selbst bei
Ministerwahlen
Ehre
ihn nicht,
Gleichgtiltig,
Und selbst
reizt
die hochsten Ehrenstellen
Vermogen nie was uber ihn. Auch strebt er nimmer uber Wellen
2u fernen Zaelen hinzuziehn,
Um mit Gefahren seines Lebens 74
Zu holen Purpur oder Gold Und Perlen und was Sina 2ollt; Denn Eigennntz ttht ihaci vergebens. Doch hupft er gem auf griiner Flur Mit jungen, frohen Schaferkmen Und stimmt um Liebe zu gewinnen Voll sxiBer Einfalt und Natur Die kleine Silbersaitenleier Zur sanften, holden Friihlingsfeier: Und singt, wie Liebe ihm es lehrt,
Auf heitem,
landlichen Gefilden,
Von
seinem Madchen nur gehort, Ihr suBes Lob xind ktmzt die wilden
EntroUten Locken wonnevoU. sanft und milde, HaB und bittern Groll, Lacht kummerlos und gleicht im Bilde Dem Quell, der aus dem Felsen quoll; Nicht Sturme wiiten ihm im Busen, Kein Kummer scheucht ihm sanfte Ruh,
Sein
mhig Auge,
Blickt keinen
Er
sieht des Schicksals
Wechsel zu
Voll Gleichmut und bleibt treu den Musen.
AM GRABE HEINES VATERS Segen
sei
an deinem Grabe,
Bester Vater, hingestreut,
Wenn nach langen, langen SiiBe
Ahndung zu
Tranen
dir ein
Jahren,
erfahren,
frommer Enkel weiht.
75
GeuB ihm himmlische
Gefiihle
In das jugendliche Herz, Lehr ihm, so wie du empfinden, Ernst mit frohem Sinn verbinden,
Waffne seinen Busen ihm mit
Er^:.
Bieder warst du, gastfrei, freutest
Dich, des edien Wohltuns
Und Erbarmen
Drang
aus2;uuben,
Alle briiderlich zn lieben
Ohne
Blick auf Adel,
Gold und Rang.
O Du lebst bei vielen Edien !
Noch, unsterblicher dutch dich Als gekronte Bdsewichter
Dutch Geschichte, Stein und Dichter, Schwach besungen nur allein dutch mich. Aber her2;licher gesungen Hat kein Mund, kein Harfenklang, Weil aus lieberfulltem Busen
Musen Schmeichlerlob wohl nimmer
Selbst die siiBeste der Feiles
sang.
AN MEINE STERBENDE SCHWESTER Deinen Wangen entflohn Rosen des Jugendmais, Und es welkte dein Lenz, Fatbe des Todes liegt
Auf dem hageren Antlitz, Nur dein Auge strahlt Heiterkeit.
76
Leiden wurden dir fnih, Pilgerin, vorgestreut, Fiihltest selten die Lust, welche uns Jugend reicht,
Doch
trug heiteren Mutes
Sie dein reifer, gexibter Geist.
Schon winkt
Der
dir aus der
Fern seKger Ewigkeit
unsterbliche Kran^:, barret der Siegerin,
Bald
flieht
Leiden und Leib der
Fessellose, gepriifte Geist.
Schaue, Selige, dann, bist
du von Gott
verklart,
Freudenreicheren BHcks auf die Gefilde her.
Wo im Maine des Abends Die Erinnening mich umschwebt. Lisple leiser
Schau
um mich, wenn ich bei Mondenschein
schimmernden Flur, hdhere Lieder sing mit Freuden verweile
Und Bei dem
blumigen, griinen Grab.
AN DEN SKLAVEN muntre MMchen, Welche flinken FuBes zum Reihentanze, Welchen braune Locken und blonde auf der
Eile, Knabe, hole uns
Schulter sich krauseln,
Deren Busen weiBer als Marmor, aber VoU wie eine knospende Ros’ dem Jiingling Sanft entgegen bluhe, wenn seine Lippen Ihren begegnen.
77
DER HARZ du Muttergebirg, welchem die andre Schar der Eiche das Laub entsproBt, Adler zeugest du dir hoch auf der Felsenhoh" Hats:,
Wie
Und dem
Dichter Begeisterung.
Weit im deutschen Gefild sieht man der Felsen Haupt Spat im Sommer vom Schnee noch schwer, Tiefer Fichten
bekr^t,
diister
vom
Der vor Zeiten den Deutschen
Eichenwald,
hehr.
Strome rauschen herab, die in das finstre Tal Brechen zwischen den Lasten sich,
Welche spielende Flut von dem Gebirge
Und
des eilenden Sturmes
riB
Grimm.
Oft umringen dich auch Blitz und des Donners Hall, Schrecken unten das
Doch mit
tiefre Tal,
heitrer Stirn lachst
du des Ungestxims,
Traufst nur furchtbare Flut herab.
Eber btausen im Wald, Eber mit Morderzahn, Die der SpieB zu bestehn nur wagt, Du auch hegest den Hirsch trotzend auf sein Geweih Und noch mehrerer Tiere Heer,
du zu, daB dir deiti Eingeweid Mit der emsigen Hand durchwuhlt Nach verderbendem Gold und nach dem Silbererz Gixtig lieBest
Unersattlicher Menschendurst,
78
Aber schenkest uns auch Kupfer imd totend Eisen niitzlich
dem
Das den Acker durchfurcht, SterbKchen Und dem giitigen Ofen HoLz,
Wean
Blei,
Menschengeschlecht,
mit schneidender Axt
Baume
Speise gibt
der Hauer
fallt.
Die dein nahrender SchoJS erhob. Aber bauet^s nicht auch Hauser znm Schutz uns auf ? Schiitzfs uns nicht
Lob
dir,
denn
es
vor der Feinde
Wut?
besang dich der Unsterblichkeit
Sanger Klopstock mit Harfenklang,
DaB
es
In
schoU im Gebirg und in
dem
dem Eichenwald
felsichten Widerhall.
Deutsche Freiheit so wert, werter dem Biedermann Als des ziasenden Perns Gold, Stehe furchtbar und hehr und unerschiitterlich Wie dein donnerndes Felsenhaupt*
BEI
DEM FALKENSTEIN
cinem alten RitterschloB am Harze
Geist der Vorzeit, der mich mit siiBen Bildern erfiillte,
Wenn
Wo
ich Sagen las
von hehren,
silbernen Zeiten,
hoherem Sinn Tuiskons Enkel begeistert Lauschten der Stimme des Vaterlandes, die voll
herrlichem Sie entgegenriB,
von
Tode
unsterblichen Lorbeern
umschattet.
79
Hore den Jxingling, der dich mit flammendet Wange
und Same Ruft, daB
du mit Begeistrung,
der hohen,
entziickenden Gottin,
Auf den Flugein des Wests von
heiligen Schauern
Tomringet
Her zu mir
fleuchst, daJ3
Eichen und himmelanstrebende Klippen
Beben, und 'wie der Unsterblichen eine die Seele sich aufschwingt
Mit den Flugein des Schwans, im Schwung wie
ein
Laufer des Eises,
Zu der Versammlung Und
der Vater, der Greise mit
schneeigem Haupthaar mit langer Erfahrung getrankt, wie mit himmlischem Tranke,
Frohlicher wiird ich alsdann zuriick zur
Erde mich
schwingen,
Wenn ich die
Greise gesehn, die in diesen
Triimmem
gehauset.
GOTT Ich singe Gott
im Hochgesang
Mit hohen Seraphs Plug; Nicht Ruhm und Lob, nur heiBen Dank Ihm, der mich machtig trug Durch mancher Klippen Fahrlichkeit, Durch ICrankheit und durch Not, Es flohen Angst und Banglichkeit Wohl auf sein Machtgebot. 8o
Im Wiirmchen
schaut der Seher
Des Seele machtig
ihii,
gliiht,
Im Lenz, wenn alle Erden bliihn Und Frost und Schlummer jSieht, Er wohnt im Tropfchen Silbertau, Das auf dem Veilchen glamt, Und webt auf jeder Flur und Au, An die der Himmel grenzt. Orion
zittert,
wenn
er winkt,
Und neigt gehorsam sich, Und wie er will, so steigt und Die Waage endelich.
sinkt
Die Konige und Volker wagt
Und Und
jede
hobe Tat
strenges Recht
Dem fnih
fiir
jeden hegt,
\ind jenem spat.
O! Gott! vernimm mein Flehgebet,
und inniglich! Hor mich, du Gott voU So heiB
Wie jeden
Majestat,
vaterlich!
Erleuchte mich durch einen Strahl Der Wahrheit durch und durch
Und bleibe
gnadig uberall
Mir eine feste Burg.
Gib mir Vertraun und Zuversicht Auf meinem Lebenspfad Und gib in banger Nacht mir Licht Und festen Mut und Rat. Die Ruh der Seele sei mein Lohn: S Nomlu,
Gcsanarnelte
Wcrlce
i
Mich Die Sei
lehre die Natur:
gottlichste Religion
Menschenliebe nur.
ALLMACHTIGER geist, urquell aller wesen Allmachtiger Geist, Urquell
aller
Wesen,
Zeus, Oramazes, Brahma, Jehova;
Vom ersten Aon bist
du schon gewesen Und nach dem letzten bist du auch noch
Du rufst aus odem Dunkel Licht und
da.
Helle,
Aus wildem Chaos ein Elysium, Du winkst und sieh! ein Tempel wird zur Holle Und eine Sonne hiillet Nacht ringsum.
Mund flieBt Leben und Gedeihen Baum und in den Sirius
Aus deinem In diesen
Und Nahrung
streust
du Myriaden Reihen
Geschopfen aus und freudigen GenuB.
Ein Kind ruft seinen Vater an um Speise, Ward es auch gleich schon tausend Tage satt, Wenn ihm der Vater gleich den Trunk und Speise Auch ungebeten stets gegeben hat.
Warum soil ich, kh Kind,
dich Vater
nimmer
Um Nahrung flehn, die du mir so schon gabst? Fur SeeF und Leib, um hoher Wahrheit Schimmer Mit dem du nur geweihte Manner labst ? . .
82
2UFRIEDENHEIT Sei stets mit deinem Los zufrieden.
Das dir der AUmacht Milde lieh. So manches Gliick keimt noch hienieden Fur manche Kummerlast und Miih; Verwiinsche rdcht dies Pilgerleten, In Stunden voll Melancholic:
O Mensch! Natur xmd Tugend geben Noch Ein
viele
Freuden, suche
sie!
Halmchen, das auf oden Wiesen einsam lacht,
griines
Bereiften
Entwolkt oft mehr als Freundesreden Die Stirn, auf der stets Kummer wacht;
Doch ach!
ein Blick auf Fruhlingsfluren Sohnt stracks uns mit dem Leben aus, Und loscht des tiefsten Kummers Spuren
Sogleich aus Sinn
Doch
oft
und Busen
aus.
wenn du gekrankt vom Neide
Dem Menschenhasse nahe bist Und jede
siiCe Menschenfreude Dir unschmackhaft geworden ist: Wenn Zweifel dich an Menschentugend Mit driickendem Gefiihl umschlingt
Und jede Kraft von deiner Jugend Mit Stumpfheit und mit Ohnmacht
ringt,
Wenn Krankheit dich in schwere Bande Von immerregen Leiden zwangt Und dich Verzweifelung zum Rande
Des bodenlosen Grabes drangt Dann hilft Natur und Lenz dir nimmer, Nicht FrexHidschaft und Philosophic, Sie machen leider oft nur schlimmer Die schreckliche MelanchoKe.
Drum fleuch, Der
o Mensch! allein
zum Buche
gottlichsten Religion,
Dem heiligsten der Bucher,
suche
Da nur
den Trost, der dir geflohn; Aus ihm trauft dir die Fiille, Segen Ins Hers:
Und
und
innre Seligkeit,
dich umlacht auf rauhen Stegen
Dann
gottliche Zufriedenheit.
AN DEN HERRN REKTOR JANI bei IJberschickung einiger tlbersetzungen aus Theoktit
Oft trieb mich in den einsamen Stunden der heiligen Friihe,
Wenn balsamischer Tau lachende Taler umschlang, Oder wenn Hespers Strahlen vom falben gewolke Glitten, Begeisterung hin
Silber-
znm Aganippischen
Quell;
Leclrzend erlabt ich die Seele mir dann in
amystischem Zuge, Bis ich vonmachtigerGlutsanft inGesmge zerfloB,
OI dann sah
ich die Musen,
vernahm der
Unsterblichen Lieder, Ewiglieblich tmd jung saBen sie dort in
84
dem Hain.
Um sie gaukelte Amor mitSchaten lachelnder Gotter, Abet mitten im Kreis saBen
Und
Graven
die
drin.
sie sangen die Weisen des alten, sizilischen Hirten,
Welchen
die
Nymphen
mit Tau oder mit Honig genahrt.
Siehe ich lispelte sie mit rauher, germanischer Zunge !
Nach und sende sie dir; welchemHorazischer Geist Und die lachende Laune die jiingste der Musen verliehen,
Welchem
der Hirtengesang oft schon die Seele entziickt.
DIE NACHTIGALL
Auch uns
sing
Her im fernen
Schattentale
Du kleine, frohe Liederkonigin Dein wirbelnd Lied, wenn aus der vollen Schale
VoU Milch wit
schopfen frohen Sinn
Und
xons,
Der
Scherz, die Freude
mit unserm ScHcksal
woH zufrieden,
Her im KuHen
bluht,
Wenn
drauBen noch vom fernen Flammensiiden Der Hundsstern die Gefilde gluht.
O, streite mit dem wachen Echo immer, Ergdtze uns, dein Weib, den Hain und dich. So lange bis mit blasser Wangen ScHmmer
Der Mond von seinem Lager
schlich.
85
Wir
wenn auch mit bunten Farben
lieben dich;,
Die grauen Fliigelchen nicht ausgeschmuckt Rnhm des Vogelchens erwarben.
Dir nicht den
Das
als
das schonste nns entziickt.
Denn du
bist reich
an siiBen Harmonien,
Die wonnevoll und seelenschmekend sind, Dich einen guter Seelen Sympathien,
Du wirkst auf^s
Hers: so siiB
und
lind.
DIE KAHNFAHRT Knaben, rudert geschwind, haltet den raschen Takt; Jener Insel dort zu, welche der Lenz bewohnt,
Wo die Grazien tanzen Bei Apollos Seht die Sonne
geMigem -
Spiel.
sie sinkt hinter
Immer milde hinab
dem Buchenwald
in die entferntste Luft,
Roter glanzen die Hiigel,
Die des Abends Erroten gruBt. Becherfreude beim
KuB rosiger Madchenschar
Harret meiner daselbst; sehet, sie winken schon!
Uns Bis
86
soli
Hesperus leuchten
zum neidischen Morgenstern.
WIE SELIG WAR DIE ZEIT DER KNABENSPIELE
Wie selig war die
Zeit der Knabenspiele
Kummer noch nicht nachtlich roich umschlang; Und harmlos ich mit gliicklichem Gefxihle
Als
Fiir
Gegenwart dutch Tal und Wiesen sprang
Und flink und froh ich 2nm gewahlten Ziele Den Wur^feil warf und nach dem Kran2:e rang. Noch honigsuB sind die Erinnerungen Und Wunder! daB ich sie noch nie besungen. ELEGIE AUF EINEN KIRCHHOF Kirchhof, wetter mir als Goldpalaste, Wetter einem jeden Menschenfreund, Birgest manches Edlen Uberreste, Abet auch wohl manchen Tugendfeind.
Trink die Tranen, welche meinen Lieben, Die hier ungestdret ruhnj geweint; Stunden sagt^, wo seid ihr denn geblieben. Die ihr uns als Junglinge vereint? Sprosset auf
Jsu
dunklen Trauermyrten,
Tranen, die die Liebe hier vergoB; Griint, um meine welke Stirn zu giirten, Meine Laute, der nur Schmerz entfloB.
Kirchhof, Freund der triiben Knabentage,
Die mir schwanden trmexivoll dahin, Hottest du nicht oft auch meine Klage,
Wenn mich eine
Freundin muBte fliehn? 87
GESCHICHTE DER POESIE "Wie
Erde voller Sch5nheit
die
bliihte,
von dem Rosenglaniz Ihrer Jngend, und noch brautlich gliihte Aus der Weihumarmung, die den Kram: Sanftumschleiert
Ihrer unenthullten Kindheit raubte,
Jeder Wintersturm die Holde mied.
Oh! da
sauselte
Myrte Zephir
Eva
lauschte
Und
Tone
die
sanft das erste Lied.
im Gebiisch daneben
Und empfand Dieser
dnrch die belaubte
mit Jugendphantasie
jugendliches
Leben
neugeborne Harmonic.
SiiBen Trieb
empfand auch Philomele
Leise nach^ubilden diesen Klang,
Mixhelos entstr5mte ihrer Kehle Sanft der gottliche Gesang.
Himmlische Begeistrung floB hernieder In der Huldin rein gestimmte Brust, Und ihr Mund ergoB in Freudenlieder
Und
in
Dankges^gen
ihre Lnst,
Tiere^ Vogel, selbst die Palmenaste
Neigten staunender zn ihr sich hin,
AUes schwieg, es buhiten nur die Weste Froh nm ihre Schiilerin. Gottin Dichtknnst
kam in
Rosenblute
Hoher Jugend eingehuUt herab Aus dem Ather, schon wie Aphrodite,
Da ihr Ozean
das Dasein gab.
Goldne Wolkchen trugen sie hernieder, Sie umfloB der reinste Balsamduft, Kleine Genien ertonten Lieder In der trMenlosen Luft.
KLAGEN EINES JtlNGLINGS Nimmer schwanden undankbar die
Freuden
Traumgleich mir in ode Fernen bin; Jede farbte, lieblicher im Scheiden, Mit Erinnrung meinen trunknen Sinn; ermiiden, Mit Erinnrung, die, statt Neue, hedge Wonne mir entschloB, Und mir siiBen jugendlichen Frieden
Um die rebengriinen Schlafe goB. Seit ich mehr aus schoner Wangen Rote, Mehr aus sanften, blauen Augen las. Oft, wenn schon die scharfe Nachtluft wehte, Im beseeltern Traume mich yergaB; Meinem Herzen nachbarlicher, warmer
Da den Schlag der Nachtigall empfand, Und entfernt von meinem Klarchen armer Mich
als jeder dxirftge
Pdger fand:
Lachet, ewge Gottheit in dem Blicke, Mich mein sonnenschones Leben an. Amor tauscht mich xiicht mit List und Tucke, Ganymeda nicht mit kurzem Wahn;
Jedes Liiftchen nahert sich mir mdder.
89
Das dort tJppig
Bliiten wild herimterhaucht;
dr^gen immer
frische Bilder
Sich 2u mir, in Rosenol getaucht.
Zypris
Tauben warten schon mit Ktanzen
Und mit Traubenbechern meiner dort, Und in leichtverschlungnen Freudentanzen Amors Bruderschwarm mich fort. und Musen Lippen Schmachtet mir entgegen mancher KuB;
ReiBet
Von
der Grazien
Gotterwonne kann ich selig nippen, Schwelgen da im freundlichsten GenuB.
Dennoch lodern ofters Purpurgluten Mir um meine Wang’ und meine Stirn,
Wenn Wie
sich unter Stiirmen, unter Fluten,
des
Abends leuchtendes Gestirn, von echter Freiheit Kranze,
Mir, umstrahlt
Eines edlen Dulders Seele zeigt.
Den
der
Himmel nicht
in seinem Glanze,
Nicht die HoU’ in ihren Nachten beugt. Kraftlos fiihl ich
mich von dem Geschicke
Zum unmannlichern GenuB verdammt; Vor Gefahren beb Weil nicht
ich feig zuriicke,
Mut in meinem Busen flammt.
Weibisch hat das Schicksal mich erzogen, Nicht sein Liebling, nur sein Sklav bin ich; Amor hat mich schmeichlerisch umflogen Statt der Sorge, die
90
mir
stets
entwich.
Lanze Wieget einen Hirtenstab mein Arm; Nimmer wurde mir im WaflFentanze Aber oft im bnnten Reigen warm: Alle groBen, strahlenden Gefahren Hat mein Schicksal von mir abgewandt, Und nur unter frohe Madchenscharen Statt in Feindes Haufen mich gesandt, Statt der ernstern, riihmlicheren
Parze, hast
du
jemals deine Spindel
Nach dem Flehn
des Erdensohns gedreht,
Dem kein bald entwichner Zauberschwindel
Um die flammendheiBen Schlafe weht: O so nimm, was Tausende begehrten. !
Was mir
Milde lieh^ Gib mir Sorgen, Elend und Beschwerden
Und
xippig deine
dafiir
dem
Geiste Energie.
Ungeduldig soil die Flamme lodern Meines Dankes dann von dem Altar: Nichts mehr sollen meine Wunsche fordern, Frei und gniigsam macht mich die Gefahr; Doch versagest du mir diese Bitte,
O
I
so kxirze,
weim du
streng nicht bist,
Mindestens geschwind nur meine Schritte,
Nimm dies Leben,
das nicht Leben
ist.
91
IN DAS
STAMMBUCH I
Zart
ist
der Faden der Freundschaft, doch unzertrennlich wie jene
Kette, die
Himmel und Meet und
die Gestirne
umschlingt,
Aber auch dehnbar wie Gold, er windet in
lieblichen
Knoten Selbst
um die
Freunde sich
leicht,
welche das
Schicksal getrennt.
n Immer hinuber den Strom, schon
reichet
von jenem
Gestade Dir die Muse des mannlichen Alters die freundliche Rechte,
Aber
die Freiheit
verl^t auch den Landenden; siehe, die
Weisheit
Lehrt Dich Resignation, der Sterblichen kostbarstes
Kleinod:
Wer es hat, der ist reicher und weiser als
Fiirsten und
Weise,
Denen
die Leidenschaft
noch und
rastlose
gebietet.
92
Unruh
ALS ICH
AN
G...
HOLTYS GEDICHTE SCHICKTE
Freund, Her scHcke ich dir den holden Sanger, einer Nachtigall ward und gleich ihr Klagend Lieb’ und Tugend besang, auch gleich ihr
Der aus
Friihe verstummte.
WALZER Hinunter
die Pfade des
Lebens gedreht,
noch geht* Dnickt fester die Madchen ans klopfende Herz Ihr wisset, wie fliichtig ist Jugend und Scherz. Pausiert nicht, ich bitt euch, solang es
LaBt fern von uns Zanken und Eifersucht sein Und nimmer die Stunden mit Grillen entweihn. Dem Schutzgeist der Liebe nur glaubig vertraut: Es findet noch jeder gewiB eine Braut.
ALLE MENSCHEN SEH ICH LEBEN Alle Menschen seh ich leben, Viele leicht voriiberschweben,
Wenig muhsam vorwartsstreben, Doch nur einem ist gegeben Schwebend Leben, leichtes Streben. Wahrlich, der
An
GenuB ziemt Toren,
der Zeit sind
sie verloren,
Gleichen ganz den Ephemeren.
In
dem
Streit
mit Sturm und
Wogen 93
Wird der Weise
fortge2:ogen,
Kampft, um niemals aufeuhoren, Und so wird die Zeit betrogen, Endlich unters Joch gebogen, MxiB des Weisen Macht vermehren.
Ruh
ist
Gottern nur gegeben,
Ihnen ziemt der UberfluB, Doch fiir uns ist Handeln Leben,
Macht zu
xiben
nur GenuB.
AM SONNABEND ABEND Bin
ich
noch
Dem Gott Und
der, der gesterri
des Leichtsinns
liber alien
Morgen
Hymnen
sang
Ernst und Sorgen
Der Freude leichte GeiBel schwang Der jeder Einladung entgegen, Das Herz in beiden Hmden, flog Und wie ein junges Blut yerwegen Auf jedes Abenteuer zog? Der mit den Kinderschuhen lange Der Liebe Kartenhaus yerlieB, Und wie das Gliick in seinem Gange
An Reiche
wie an Karten
stieB,
Im Kampf der neuen Elemente Im Geist schon Sieger sang: 5,^a ya*^^, Und schon die Schopfung im Konyente Und Gott als Prasidenten sah?
94
Der schlauer noch als ein Berliner In Madchen Jesuiten spiirt
Und Vater Adams
Gattin kiihner
Als wahren Stifter denunziert? In dessen Stube langst vergessen Das Bild des Aberglaubens hing
Und der zam Spott nur in die Messen Von den elftausend Jungfern ging? Derselbe kanns nicht sein, der heute
Beklemmt weit auf die Weste kn5pft
Und
scbweigend an der Morgenseite So emsig Luft von dorther schopft.
Den vier^ehn
Jahre so entziicken
(Bald siad die sieben
Und Was
Wochen voU)
der in jeden Augenblicken
anders will, was anders
1st das
der
soil.
Mann, der sieben Weisen
Im Umsehn in Den schon die
die Tasche steckt.
kurzeste der Reisen
So wundersam im Schlafe weckt, Und der noch kaum die stoken Traume Der Weisheit lahm fortschleichen sieht, Als aus
dem hofFnungsvollsten Keime
Fiir ihn der
01 immer
Rosenstock schon bluht?
fort der
Was kiimmert
Mann von gestern.
seine Flucht
denn mich -
Die guten Stunden haben Schwestern
Und
Schwestern - die gesellen
Damit
sie
immer
sich.
sich erkennen
95
Und immer froh beisammen Will ich ein
Sophie
sein,
Wort zut Losung nennen
soli die
Losung
-
sein.
ZV SOPHIENS GEBURTSTAG
Wer ein holdes Weib
errungen,
Stimme seinen Jubel ein. Mir ist dieser Wurf gelungen: Tone Jubel - die ist mein. So hat nie das Herz geschlagen, Nie so hoch und nie so gut. Kxinftig neigt vor meinen Tagen Selbst der Gliicklichste den Hut. Fest umschlingt den
Bund
der Herzen
Nun der Ring der Ewigkeit, Und es bricht der Stab der Schmerzen
Am Altar der Einigkeit. O! im Himmel
ist
geschlossen
Unsrer Herzen suBer Bund, Ist ein
beBrer Spruch entflossen
Je des Schicksals weisem
Mund ?
Dk gehort nun, was ich habe, Was ich denke, fxihle, bin, Und du nimmst nun jede Gabe Meines Schicksals fur dich hin. Was ich sucht, hab ich gefunden.
Was Und
ich fand, das fand auch mich, die GeiBel meiner Stunden,
Zweifelsucht
96
und
Leichtsinn, wich.
mein Mund dich loben, zu warm dich ehrt. Weil mein Tief im Busen aufgehoben Wohne heimlich mir dein Wert. Wenn ich wunde Herzen heile,
Nimmer
soli
Her^:
Jede Stunde besser bin,
Nie im Guten Dieses
lassig weile;
Lob nimm
dir
dann
bin.
Liebes Madchen, deiner Liebe
Dank ich Achtxing noch und Wert,
Wenn
sich unsre Erdenliebe
Schon
Ohne
in Hhnmelslust verklart.
dich
war
ich
noch lange
Trostlos auf und ab geschwankt
Und auf meinem Lebensgange Oft am tiberdruB erkrankt.
Wenn nur unsre
Mutter wieder
und ledig bei uns steht Und im Kreise unsrer Briider Frisch
Stolz die Friedensfahne weht.
Wenn dann noch ein
SuBer, Trauter
Unsre LoUy fest umschlang O dann tont noch zehnfach lauter Unsres Jubels Hochgesang. !
Wenig
still
durchhoffte Jahre
Leiten unTcrwandt
zum
Ziel,
Wo am gliicklichen Altare Endet unsrer Wiinsche Spiel, Uns, auf ewig eins, verschwinden 7
Nopalts^
Gcsammclte Werke
i
97
Wolkchen
Und um
gleich, des
Lebens
Muhn
unsre Herzen winden
Kr^e sich von Immergriin. ES
KANN KEIN RAUSCH SEIN
- oder ich ware nicht Fiir diesen Stern geboren - nur so von ohngefahr In dieser toUen Welt zu nah an Meinen magnetischen Kreis gekommen.
Es kann kein Rausch
sein
Ein Rausch war wirklich
sittlicher
Grazie
- Glauben an Menschheit war Nur Spielwerk einer frohen Stunde - ? Ware dies Rausch, was ist dann das Leben?
Vollendetes BewuBtsein?
Soil ich getrennt sein
ewig? -
ist
Vorgefiihl
Der kunftigen Vereinigung, dessen, was Wir hier fur unser schon erkannten, Aber nicht ganz noch besitzen konnten auch Rausch? so bliebe der Niichternheit, Der Wahrheit nur die Maske, der Ton, und das Ist dies
Gefuhl der Leere, des Verlustes
Und
der vernichtigenden Entsagung,
Womit wird denn belohnt fur die Anstrengung Zu leben widerwillen, feind von sich selbst zu sein Und tief sich in den Staub getreten Lachelnd zu sehn - und Bestimmung meinen ?
9^
Was
fuhrt den Weisen denn dutch des Lebens Tal
Als Fackel zu
dem hoheren
Sein hinauf
-
nur hier geduldig bauen, Nieder sich legen und ewig tot sein? Soil er
Du bist nicht Rausch - du Stimme des Genius, Du Anschaun dessen, was uns unsterblich macht, Und du BewuBtsein Der nur erst
jenes Wettes,
einzeln allhier erkannt wird.
Einst wird die Menschheit sein, was Sophie mir
- voUendet - sittliche Grazie Dann wird ihr hoheres BewuBtsein
Jetzt ist
Nicht mehr verwechselt mit Dunst des Weines.
DER FREMDLING Der Frau Bergratin von Charpentier gewidmet
Miide bist du und kalt, Fremdling, du scheinest nicht Dieses Hitnmels gewohnt, - warmere Liifte wehn Deiner Heimat, und freier
Hob
sich vormals die junge Brust.
Streute ewiger Len^ dort nicht auf stiller Flur Buntes Leben uroher? spann nicht der Frieden dort
Feste Weben? und bliihte Dort nicht ewig, was einmal wuchs ?
- untergegangen ist Land - keiner der Sterblichen WeiB den Pfad, den auf immer Unzugangliches Meer verhxillt.
O! du
suchest umsonst
Jenes himrolische
99
Wenig haben
Noch
nur deines verwandten Volks
sich
entrissen der Flut
Sie gesat
- hierhin und dorthin
sind
und erwarten
BeJSre Zeiten des Wiedersehns.
Folge willig mir nach - wahrlich ein gut Geschick
Hat hieher dich
gefiihrt
Hier, die eben,
Heut
im
- Heimatsgenossen sind
Stillen,
ein hausliches Fest begehn.
Unverkennbar erscheint dort dir die innige Herzenseinheit - es strahlt Unschuld und Liebe
dir
Klar von alien Gesichtern,
Wie
vor2eiten
im Vaterland.
- wahrlich, der Abend wird, Wie ein freundUcher Traum, schnell dir voriibergehn,
Lichter hebt sich dein Bllck
Wenn in
siiBem Gesprache
Sich dein Herz bei den
Seht - der Fremdling Sich verbannt
fiihlt,
ist
Guten
hier
lost
- der
-
aus demselben Land
wie Ihr; traurige Stunden sind
Ihm geworden - es neigte Fruh der frohliche Tag sich ihm. noch gern, wo er Genossen trifFt, munter das Fest hauslicher Freuden mit; Ihn entziicket der Fruhling,
Doch
er weilet
Feiert
Der
100
so frisch
um die Eltern bliiht.
DaB
das heutige Fest oft
noch zuruckekehtt,
Eh den Weinenden sich ungem Und auf nachtlichen Pfaden Folgt
DaB
dem
die Mutter raubt
Fiihrer ins Vaterland
-
der Zauber nicht weicht, welcher das
Band
begliickt
Eures Bundes - und daB auch die Entfernteren Des genieBen und wandern Einen frohlichen Weg mit Euch Dieses wiinschet der Gast
Euch
- aber der Dichter
fur ihn; denn er schweigt gern,
freudig
Und
er sehnet so
wenn
sagt’s
er
ist,
eben
Seine fernen Geliebten her.
Bleibt
Ihm
dem Fremdlinge hold - sparlicheFreuden sind
hienieden gezahit
Menschen
- doch
bei so freundlichen
sieht er geduldig
Nach dem groBen Geburtstag
DER Mt)DE FREMDLING
1ST
hin.
VERSCHWUNDEN
Der miide Fremdling ist verschwunden Und hat dem Freunde Plats: gemacht, Der
aus so vielen truben Stunden Ein treues Herz dayongebracht. Auf immer nun mit euch yerbunden. Von keinem Kummer mehr bewacht. Hat er sich wieder selbst gefunden Und manches, was er nicht gedacht. lOI
.
Ein Jahr mit seinen bunten Wochen Verstrich, wit
Und
wuBten
selbst nicht wie.
anders, als wit uns versprochen,
Klang
oft:
des Lebens Melodic.
Doch fester ward
tnit jedem Tage Band um unsern StranB, Und immer lauter ward die Sage, Ein blinder Knabe war im Haus.
Das
liebe
Es wuBte eine von euch beiden GewiB, was an der Sage war .
.
DER STERBENDE GENIUS Willkommen,
Lieber,
nun und
nicht wieder ruft
Dich meine Stimme; nah ist der Abschied mir. Gefunden hab ich, was ich suchte, Und der Bezauberung Bande schmelzen.
Das schone Wesen ~ siehst du die Konigin Hebt Bann und Zauber; lange vergebens flog Um jeden Thron ich, aber endlich Winkte dutch sie mir die alte Heimat. Schon lodert machtig jene geheime Glut Mein altes Wesen - tief in dem irdischen Gebilde: Sein
102
Du
soUst Opferpriester
und das Lied der Zuriickkehr
singen.
Nimm diese
Zweige, decke mit ihtien mich,
Nach Osten
singe dann das erhabne Lied,
Bis auf die
Sonne geht und zuxidet der Urwelt ofBiet.
Und mir die Tore Der Duft des
Schleiers, der
mich vordem nmgab,
Sinkt dann vergoldet iiber die Ebenen,
Und wer ihn atmet, schwdrt begeistert Ewige Liebe der schonen Fiirstin.
KENNE DICH SELBST Bins nur ist, was der Mensch za alien Zeiten gesucht bat;
Hobn, bald in dem Tiefsten der Welt Unter verschiedenen Namen - umsonst - es vertJberall,
bald auf den
steckte sich
immer,
Immer empfand er es noch - dennocb
erfaBt er
es nie.
Langst schon fand sich ein Mann, der den Kindern in freundlichen Myrten
Weg und Schlussel verriet zn des Verborgenen SchloB.
Wenige deuteten sich die leichte Chiflfre der Losung, Aber die wenigen auch waren nun Meister des Ziels.
Lange Zeiten verflossen
- der Irrtum
scharfte
den
Sinn uns -
DaB uns
der Mythus selbst nicht
mehr die
Wahrheit verbarg. 103
Gliicklich,
wer weise geworden und
mehr
Wer von
sich selber
joicht die
Welt
durchgfiibelt,
den Stein ewiger Weisheit begehrt.
Nuf der verniinftige Mensch ist der echte Adept er verwandelt
Alles in
Leben und Gold - braucht
Elixiere
nicht mehr.
In
ihm dampfet der heilige Kolben - der K5nig ist in ihm Delphos auch, und er faBt endlich das Kenne dich selbst!
LETZTE LIEBE Also noch
ein freundlicher Blick
am Ende der
Wallfahrt,
Ehe
die Pforte des
Hains
leise sich hinter
mir
schlieBt.
Dankbar nehmich das Zeichen der treuen Begleiterin Liebe Frohlichen Mutes an, ofFne das Herz ihr mit Lust. Sie hat
mich durch das Leben
allein
ratgebend
geleitet,
Ihr ist das ganze Verdienst,
wenn ich dem Guten
gefolgt,
Wenn manch zartliches Herz dem Friihgeschiedenen nachweint
Und dem
erfahrenen
Mann Hoffnungen welken mit mir.
Noch als das Kind, im suBen Gefiihl sich entfaltender Kr^te, 104
:
WahrHch
als
Sonntagskind
trat in
den siebenten
Lenz,
Hand den jungen Busen die Liebe, Anmut schmiickt jene Vergangenheit
Riihrte mit leiser
Weibliche
reich.
dem Scblummer
Wie
aus
Was
bisher nur ein Spiel der
Mutter den Liebling weckt roit dem Kusse, Wie er zuerst sie sieht und sich verstandigt an ihr Also die Liebe mit mir - dutch sie erfuhr ich die Welt erst, Fand mich selber und ward, was man als die
Liebender wird.
Jugend war, das verkehrte
Nun
dennoch verlieB mich nicht Zweifel und Unruh suchten mich oft von ihr zn sich in ernstes Geschaft, sie
entfernen,
Endlich erschien der Tag, der die Erziehung
voUzog, Welcher mein Schicksal mir zur Geliebten gab und auf ewig Frei mich gemacht und gewiB eines unendlichen Glucks.
AN ADOLF SELMNITZ ^Was paBt, das
muB
sich riinden,
Was sich versteht, sich finden. Was gut ist, sich verbinden. Was liebt, zusammen sein. Was hindert, muss entweichen. 105
Was krumm ist, muB sich gleichen. Was fern ist, sich erreichen. Was keimt, das muJB gedeihn. Gib
treulich
mir die Hande,
Bruder mir, und wende Den Blick vor deinem Ende Sei
Nicht wieder
weg von
mir.
Ein Tempel, wo wir knieen, Ein Ort, wohin wir ziehen, Ein Gliick, fur das wir gliihen, Ein Himmel mir und dir.
AN DIE FUNDGRUBE AUGUSTE zu ihrem
49.
Geburtstag
Sakulum um. Viel edle Geschicke hast du beschert Und gute Wetter uns immer gewahrt. Zum Gliick des Bergmanns streiche dein Gang Geschart mit freundlichen Gangen noch lang. Gliickauf, Fundgrube, das
1st
nun zur Halfte
fur dich bald
ZUR WEINLESE
Wir haben Weinmond, liebe Leute, Und weil nicht immer Weinmond ist. So sag ichs euch in Versen heute,
Damit
es keiner nicht vergiBt.
Wenn Weinmond ist,
so miiBt ihr wissen,
!
Da gibt es Trauben, Most und Wein, Und weil die armen Beeren miissen. So
sprit2:en sie ins
FaB
hinein.
Es gibt gar unterschiedne Beeren,
Von alien Farben triffi: man sie, Und manche halt man hoch in Ehren, Und manche wirft man vor das Vieh. Sie sind
im Temprament verschieden
Und von Doch
gar mancherlei Statur;
alien ist der
Wein beschieden
Als Lieblingskindern der Natur.
Zu einem Das
ist
Stock will ich euch fuhren,
ein Stockchen wie ein Taus
Um seine SiiBigkeit zn spxiren, Sucht ein Traube euch heraus. Ich lobe mir die braven Wenden, Sie langen zu.
und
sind nicht faul,
gern mit beiden Handen Die blauen Trauben in das Maul. Sie stecken
Nicht wahr, das schmeckt nicht herb und sauer?
Was gut
schmeckt, weiB der
Wende wohl,
und geht gern auf die Dauer Und nimmt die beiden Backen voll. Drum kann er auch nicht Worte machen, Er steht voU Eifer da und kaut, Er
iBt
Doch
sieht
man ihn
Als kaut’ er
still
so schamig lachen, an einer Braut.
107
!
den Trank anjetzt im gansien Verkauft, dafdr kann ich euch stehn.
DaB
er
Oft wird er
um den
Stock noch tanzen
Und sick mit seinem Taubchen drehn. Wer weiB, ob er nicht aus dem Kerne Ein neues Mutterstdckchen
Das
viele Jahre in der
Zum Ruhm Der
alte
zieht.
Feme
des alten Stockes bliiht.
Stock wird bliihn und wachsen,
Wenn man den tJberfluB ilim nimmt Und uberall im Lande Sachsen Sein Wein auf guten Tischen schwimmt. Er hat noch manche reife Traube Von andrer Art und ihm zur Last; Es bitten Geier oder Taube Vielleicht sich bald bei ihm zu Gast.
DaB
Ob
noch lange bliiht, das weiB ich, wohl manches Jahr schon steht;
er
er
Denn
dafiir, liebe
Leute, heiB ich
Ein Dichter oder ein Poet. Ihr denkt
wohl
Traubchen, an sich schniirt? Ich bins zufrieden, wenn ein Weibchen, Ob ich gut schmecke, sacht probiert. gar, ich sei ein
Weil mich der Stock
fest
Drum weil nicht Weinmond
aUe Tage,
Kein solcher Stock nicht uberall. So denkt nicht heut an eure Plage, Zieht eure Sorgen in den Stall, LaBt unsern alten Weinstock leben io8
Und Und
Winder da!
sekien lieben
einen KxiB soli
Als Kandidat
man ihm geben
zm GroBmama.
ES FARBTE sigh die WIESE GRt)N
Es
farbte sich die
Und
lutn die
Wiese griin
Hecken sah
ich’s bliihn;
Tagtaglich sah ich neue Kjrauter,
Mild war die
Lxift,
der
Himmel
heiter:
Ich wuBte nicht, wie mir geschah,
Und wie
das wurde,
was ich
Und immer dunkler ward Auch bunter Sanger
sah.
der Wald,
Aufenthalt,
Es drang mir bald auf alien Wegen Ihr Klang in siiBem Duft entgegen.
Ich wuBte nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah.
Es quoU und trieb nun uberall, Mit Leben, Farben, Duft und Schall; Sie schienen
DaB
gern sich
zxi
vereinen,
mochte lieblich scheinen. Ich wuBte nicht, wie mir geschah Und wie das wurde, was ich sah. alles
So dacht
ich: ist ein Geist erwacht,
Der
so lebendig macht,
Und Und
alles
der mit tausend schonen
Waren
Blxiten sich will oJSFenbaren?
109
Ich wiiBte nicht, wie mir geschah,
Und
wie das wurde, was ich sah.
Vielleicht beginnt ein neues Reich,
Der lockre Staub wird 2 um Gestrauch, Der Baum nimmt tierische Gebarden, Das Tier soli gar 2um Menschen warden. Ich wuBte nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah. ich so stand und bei mir sann, machtger Trieb in mir begann. Ein
Wie
Ein freundlich Madchen kam gegangen Und nahm mir jeden Sinn gefangen. Ich wuBte nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah.
Uns barg der Wald vor Sonnenschein. Das ist der Fnihlingl fiel mir ein; Und kur2, ich sah, daB jet2t auf Erden Die Menschen soUten Gotter warden.
Nun wuBt’ ich wohl, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah.
DER HIMMEL WAR UMZOGEN Der Himmel war umzogen, Es war so triib und schwiil, HeiB kam der Wind geflogen
Und trieb
no
sein seltsam Spiel.
Ich scWich in tiefem Sinnen,
Von
stillem
Gram
verzehrt.
-
Was soil ich nun beginnen? Mein Wunsch blieb unerhort.
Wenn Menschen konnten Wie
So woUt^ ich 2u
ihr
Und frohlich mit War War
leben
kleine Vogelein,
hier nichts
schweben
ihr sein.
mehr zn
Feld und Staude
finden.
leer.
So flogen gleich den Winden Wir -libers dunkle Meer.
Wir
blieben bei
dem Lemie
Und von dem Winter
weit,
Wir hatten Frucht^ und Kranze Und immer gute Zeit. Die Myrte sproBt im Tritte
Der Wohlfahrt
Doch um
leicht hervor,
des Blends Htitte
SchieBt Unkraut nur empor.
Mir war so bang zumute. Da sprang ein Kind heran, Schwang frohlich seine Rute Und sah mich freundlich an:
III
;
„Wamm miiBt du dich gramen? O weine doch nicht so, !
Kannst meine Gerte nehmen, Dann wirst du wieder froh/' Ich
nahm
sie
und
es hiipfte
Mit Freuden wieder
Und
stille
fort,
Ruhrung knupfte
Sich an des Kindes Wort.
Wie ich so bei mir dachte: „Was soli die Rute dir?“ Schwankt aus den. Biischen sachte Ein griiner Gians: zu mir. Die Konigin der Schlangen Schlich dutch die Dammerung Sie schien gleich goldnen Spangen In wunderbarem Prunk. Ihr
Kronchen sah ich funkeln
Mit bunten Strahlen weit, Und alles war im Dunkeln Mit griinem Gold bestreut. Ich nahte mich ihr
Und
traf sie
mit
leise
dem Zweig,
So, wunderbarerweise.
Ward
II2
ich unsaglich reich.
AN TIECK Ein Kind voU Wehmut und
voll Treue,
VerstoBen in ein fremdes Land, LieB gern das Glanzende und Neue
Und
dem Alten mgewandt.
blieb
Nach langem Suchen, langem Warten, Nach manchem muhevollen Gang, Fand
es in
Auf einer Ein
altes
Und Und
einem oden Garten
langst verfallnen
Bank
Buch mit Gold verschlossen Worte drin;
nie gehorte
wie des Fnihlings 2arte Sprossen,
So wuchs in ihm ein innrer Sinn.
Und wie
es sitzt
und
liest
und schauet
In den Kristall der neuen Welt,
An
Gras und Sternen sich erbauet dankbar auf die Kniee fallt:
Und
So hebt
sich sacht aus
Bedachtiglich ein alter
Im
Mann
Rock und kommt mit fromme Kind heran.
schlichten
Gesicht ans
Gras und Krautern heitern
Bekannt, doch heimlich sind die Ziige,
So kindHch und so wunderbar; Es spielt die Fruhlingsluft der Wiege Gar seltsam mit dem Silberhaar.
8
Nopaltf,
Gcsammeltc Werke
i
113
Das Kind faBt bebend seine Hande, Es ist des Buches hoher Geist, Der ihm der sauern Wallfahrt Ende
Und
seines Vaters
„Du
kniest auf
So
Wohnung
weist.
meinem oden Grabe'', Mund,
ofFnet sich der heilge
„Du
bist der
Erbe meiner Habe,
Dir werde Gottes Tiefe kund.
Auf jenem Berg
als
armer Knabe
Buck gesehn Und konnte nun durch diese Gabe Hab’ ich ein himmlisch In
alle
Kreaturen sehn.
Es sind an mir dutch Gottes Gnade Der hochsten Wunder viel geschehn; Des neuen Bunds geheime Lade Sahn meine Augen offen stehn. Ich habe treulich aufgeschrieben,
Was innre Lust mir ofFenbart, Und bin verkannt und arm geblieben. Bis ich za Gott gerufen ward.
Die Zeit Soli das
ist da,
und
nicht verborgen
Mysterium mehr
sein.
In diesem Buche bricht der Morgen Gewaltig in die Zeit hinein. Verkiindiger der Morgenrdte,
Des Frieden^ Bote 114
sollst
du
sein.
Harf ^ und Flote, meinen Atem ein.
Sanft wie die Luft in
Hauch
ich dir
Gott sei mit dir, geh bin und wasche Die Augen dir mit Morgentau Sei treu dem Buch und meiner Asche
Und bade
Du
dich
im ewgen
Blau,
wirst das letzte Reich verkianden.
Das tausend Jahre
soil
bestehn;
Wirst xiberschwenglich Wesen jEinden Und Jakob Bdhmen wiedersehn."
AN JULIEN
DaB ich mit namenloser
Freude
Gefahrte deines Lebens bin
Und mich
mit tiefgeriihrtem Sinn
Am Wunder deiner Bildung weide DaB wir aufs innigste vermahit Und ich der Deine, du die Meine, DaB ich vor alien nur die Fine Und diese Fine mich gewahlt. Dies danken wir dem suBen Wesen, Das
sich uns liebevoll erlesen.
O, laB uns treulich ihn verehren. So bleiben wir uns einverleibt. Wenn ewig seine Lieb’ uns treibt. So wird nichts unser Biindnis storen.
An
seiner Seite
konnen wir
Getrost des Lebens Lasten tragen
Und
einander sagen:
selig
Sein Himmelreich beginnt schon bier,
Wir werden, wenn wir In seinem
Arm xins
hier verschwinden.
wiederfinden.
AN DORA Zum Dank
fur das reizende Bild meiner Julie
Huld und Giite verglommner Funken sein ?
Soil dieser Blick voll
Ein schnell
Webt
keiner diese Madchenbliite
In einen ewgen Schleier ein ? Bleibt dies Gesicht der
Zum Trost Verklto
Nur
dies hinimlische Gebilde
einen Ort
und Augenblick ?
Wehmut flieBt in
Die
Treu und Milde
der Nachwelt nicht zuriick ?
tiefen
Tonen
Ins frohe Lied der Zartlichkeit.
Niemals wird sich ein Herz gewohnen
An die Mysterien der
O
Zeit.
Knospe siiBer Stunden, Dies edle Bild im Heilgenschein, Dies soil auf immer bald verschwunden. !
diese
Bald ausgeloscht auf ewig sein ?
Der Dichter klagt, und die Geliebte Naht der Zypresse, wo er liegt.
Kaum birgt die Tranen Wie
sie sich
der Betriibte,
innig an ihn schmiegt.
Er
heftet
unverwandte Blicke
Auf diese liebliche Gestalt, DaB er in sein Gemiit sie driicke.
Eh
sie
zm Nacht hiniiberwallt.
„Wie'‘, spricht die Holde,
„du in Tranen?
Sag, welche Sorge flog dich an?
Du bist so
wahnen,
gut, ich darf nicht
DaB meine Hand
dir wehgetan.
Sei heiter, denn es kommt soeben Ein Madchen, wie die gute Zeit. Sie wird ein seltsam Blatt dir geben, Ein Blatt, das dich vielleicht erfreut.“ -
„Wie‘''',
mft der Dichter, halb erschrocken, jetzt zumute ward!
„Wie wohl mir
Den Und
Puls des Trubsinns
fiihl
ich stocken,
eine schone Gegenwart.“
Die Muse Als hatte
tritt
ihm schon entgegen,
sie ein
Und
reicht,
Das
Blatt
wie
Gott gesandt, Freunde pflegen,
alte
ihm und
die Lilienhand.
„Du kannst nun
deine Klagen sparen. Dein irmrer Wunsch ist dir gewahrt. Die Kunst vermag das za bewahren. Was einmal die Natur verklart;
Nimm hier die festgehaltne Bliite, Sieh ewig die Geliebte jung,
und Himmel, Frucht und In reizender Vereinigung. Einst Erd^
Bliite
„Wirst du geruhrt vor diesen Ziigen
Im
spaten Herbst noch stillestehn. So wirst du leicht die Zeit besiegen
Und
einst das
ewge Urbild
sehn.
Die Kunst in ihrem Zauberspiegel Hat treu den Schatten aufgefaBt, Nur ist der Schimmer seiner Flxigel Und auch der Strahlenkranz verblaBt.“
Kann Er
jetzt
der Liebende wohl danken?
sieht die Braut, er sieht das Blatt.
VoU liberschwenglicher Gedanken ewig hier nicht satt. hinweg und hort von weiten Noch freundlich seinen Nachgesang; Doch bleibt ihr wohl 2xl alien Zeiten Der Freundin Gliick der liebste Dank. Sieht er sich Sie schliipft
AN KARL VON HARDENBERG In
stiller
Treue
sieht
man
Nicht wie die meisten
gern ihn walten,
mag
er sinnlos schweifen,
Er will die dargebotne Recht’ ergreifen Der bessern Zukunft, um sie fest^zuhalten. Reichfarbig wird sich diese Knosp’ entfalten.
Das Auge
sich fur
feme Weiten
schleifen,
Zum Meister wird der treue Lehrling reifen, Und um sich her ein neues Reich gestalten.
Wie
frdhlich
karm dankbar ein Freund verkxinden.
Was seinem
Wenn
Geist sich langst vergnuglich zeigte,
er des Jiinglings
O! mochte
Wandel
still
bedachte.
jede Treue Treue linden,
Und daB
zu
dem
der Lilienstab sich neigte,
Der Lust und Leben kranken Herzen
brachte.
DISTICHEN I
LaBt
die Libellen ziehn, unschuldige
Fremdlinge
sind es,
Folgen dem Doppelgestirn froh, mit Geschenken, hierher.
n Einem
gelang
es,
-
er
hob den zu
Schleier der G5ttin Sais
-
Aber was sah er? - Er sah - Wunder des Wunders, sich
selbst.
ni Freunde, der Boden
ist
arm, wir miissen reichlichen
Samen Ausstreun, daB uns doch nur maBige Ernten gedeihn.
IV Welten bauen
genxigt
dem
tiefer
dringenden Sinn
nicht:
Aber
ein Hebendes
Herz
sattigt
den strebenden
Geist.
V Fiirsten sind
NuUen -
sie
gelten an sich nichts,
aber mit Zahlen, Die sie beliebig erhdhn, neben sich, gelten sie viel.
VI Hypothesen sind Netze, nur der wird fangen, der auswirft. 1st nicht
Amerika
selbst
dutch Hypothese
gefunden ?
Hoch undvor alien lebe die Hypothese, nursiebleibt Ewig neu, so oft sie auch schon sich selber besiegte.
VII 1st es nicht king fiir die
Nacht ein
geselliges
Lager
2X1 suchen?
Datum ist
kliiglich gesinnt, der
auch Ent-
schlummerte
120
liebt.
VIII
Quintus bin ich geblieben, geplackt und arm, wie die Landmaus. Freudig sterb’ ich: gewiB, Tertius driiben
m
sein.
FRAGMENT Die
sind sicher vor des Schicksals Neide,
Denen holde
Und
und Freude Herz im Busen klopft.
Jugendlieb’
ein stoLzes
.
Hire Seufizer gingen nie verloren,
Ihren frommen Bitten hat die Ohren
Nie sich die Vergelterin verstopft. Eh^ noch wenig kurze Jahre schwinden
Werden wit vereint uns wiederfinden Unter einem helleren Gestirn. Unsre Sprache wird uns dann nicht armer, Unsre Herzen schlagen dann noch warmer, Hohre Glut umflieget unsre Stirn!
CHOR DER JUNGFRAUEN aus
dem
fragmentarischen Schauspiel „Marpissa“ I
Eros, welchen im Lenz Cypris geboren hat! Kleiner, lachelnder Gott, Nemesis schenkte dir Damals Bienennatur, welcher vom Stachel trauft
SxiBableckender Honigseim.
Donner zahmet der Gott, welchen Olympia Weihrauchend verehrt. Sieg und Gewalt ist sein: Doch du hast ihn schon oft, kleiner Allmachtiger, Mit dem Netze der Liebe umstrickt.
n Ja, der Gottinnen selbst, waren sie noch so streng, Schonst du nimmer und war’ silbern die Locke schon, Fernhintreifer
!
Schon oft warfst du den goldnen Pfeil
In der rosigen Mutter SchoJB.
Hat dich Idas erziimt, welchen der Lorbeer friih Und die Myrte bekranzt, daB du Apoll entflammst Fur das herrliche Weib weil er den Rosenkranz Um die Fackel des Hymen gab ? :
122
Heinrich von Ofterdingen
ZUEIGNUNG
Du hast in mir den edien Trieb erregt, Tief ins Gerniit der weiten Welt
z\i
schauen;
Mit deiner Hand ergrifF xnich ein Vertrauen, Das sicher mich dutch alle Sturme tragt. Mit Ahndungen hast du das Kind gepflegt Und zogst mit ihm dutch fabelhafte Auen; Hast, als das Utbild zartgesinnter Frauen,
Des
Was
Jiinglings
Herz zum hochsten Schwung bewegt.
mich an irdische Beschwerden ? 1st nicht mein Her2 und Leben ewig dein ? Und schirmt mich deine Liebe nicht auf Erden? fesselt
Ich datf fur dich der edien Kunst mich weihn;
Denn du, Geliebte, willst die Muse werden Und stiller Schutzgeist meiner Dichtung sein.
125
In ewigen Verwandiungen begriiBt Uns des Gesangs geheime Macht hienieden^ Dort segnet sie das Land als ewger Frieden^ Indes
sie hier als
Jugend uns umflieCt.
Sie ists, die Licht in unsre
Augen
gieBt,
Die uns den Sinn fur jede Kunst beschieden Und die das Herz der Frohen und der Muden In trunkner Andacht wunderbar genieBt.
An
ihrem vollen Busen trank ich Leben;
Ich ward dutch
Und
durfte ftoh
zn allem, was ich bin, mein Angesicht erheben.
sie
Noch schlummerte mein
allerhochster Sinn;
Da sah ich sie als Engel zu mir schweben Und flog, erwacht, in ihrem Arm dahin.
126
ERSTER TEIL
ERWARTUNG
DIE
Efstcs Kapitel
Die Eltern kgen schon und schliefen,
die
Wanduhr
schlug ihren einformigen Takt, vor den klappemden Fenstern sauste der Wind; abwechselnd wurde die Stube hell von dem Schimmer des Mondes. Der Jiingling lag unruhig auf seinem Lager und gedachte
des
Fremden und
Schatze sind
es^
seiner
Erz^ungen. ^Nicht
die
die ein so unaussprecbliches Ver-
langen in roir geweckt haben‘, sagte er
sich selbst;
Habsucht aber die blaue Blume sehn^ ich mich erblicken. Sie liegt mir unaufhorlich im Sinn, und ich kann nichts anders dichten und denken. So ist mir noch nie zumute gewesen: es ist, als hatt ich vorhin getraumt, oder ich ware in eine andere Welt hinubergeschlummert; denn in der Welt, in der ich sonst lebte, wer hatte da sich um Blumen ,fernab liegt mir alle
:
m
bekiimmert, und gar von einer so seltsamen Leiden-
Blume hab ich damals nie gehort* Wo Fremde herkam? Keiner von uns einen ahnlichen hat je Menschen gesehn; doch weiC ich nicht, warum nur ich von seinen Reden so crgriffen worden bin; die andern haben ja das namliche gehdrt, und keinem ist so etwas begegnet. DaB ich auch nicht einmal von meinem minderlichen Zustande reden kann Es ist mir oft so enteuckend wohl, und nur dann, wenn ich die Blume nicht recht gegenwartig habe, befallt mich so ein tiefes, inniges schaft fur eine
eigentlich nur der
I
127
und wird keiner verstehn. Ich ware wahtisinnig, wenn ich nicht so klar
Treiben: das kann glaubte, ich
und
hell sahe
und
dachte, nair ist seitdem alles viel von alten Zeiten reden;
bekannter. Ich horte einst
wie da die Tiere und
Baume und
Felsen mit den
Menschen gesprochen hatten. Mir ist gerade so, als woUten sie allaugenblicklich anfangen und als konnte ich es ihnen ansehen, was sie mir sagen wollten. Es muB noch viel Worte geben, die ich nicht weiB: wuBte ich mehr, so konnte ich viel besser alles begreifen. Sonst tan2:te ich gern; jetzt denke ich lieber nach der Musik/ Der Jungling verlor sich allmahlich in siiBen Phantasien und entschlummerte. Da traumte ihm erst von unabsehlichen Fernen und wilden, unbekannten Gegenden. Er wanderte xiber Meere mit unbegreiflicher Leichtigkeit; wunderliche Tiere sah er; er lebte
mit mannigfaltigen Menschen, bald im
Kriege, in wildem Getiimmel, in stillen Hiitten. Er geriet in Gefangenschaft und die schmahlichste Not. AUe Empfindungen stiegen bis 2u einer nie gekannten Hohe in ihm. Er durchlebte ein unendlich buntes Leben; starb und kam wieder, liebte bis 2ur hochsten
war dann wieder auf ewig von gegen Morgen, wie drauBen die Datnmerung anbrach, wurde es stiller in seiner Seele, klarer und bleibender wurden die Bilder. Es kam ihm vor, als ginge er in einem dunklen Walde allein. Nur selten schimmerte der Tag durch das griine Nete. Bald kam er vor eine Felsenschlucht, die bergan stieg. Er muBte iiber bemooste Steine klettern, die ein ehemaliger Strom
Leidenschaft xind
seiner Geliebten getrennt. Endlich,
heruntergerissen hatte. Je hdher er kam, desto lichter 128
wurde der WaJd. Endlich gelangte erm einer kleinen Wiese, die am Hange des Berges lag. Hinter der Wiese erhob sich eine hohe Klippe, an deren FuC er eine OfFnung erblickte, die der Anfang eines in den Felsen gehauenen Ganges 2u sein schien. Der
Gang bis
fxihrte ihn gemachlich eine Zeitlang eben fort 2u einer groBen Weitung, aus der ihm schon von
fern ein belles Licht entgegenglanzte. trat,
ward
Wie
er binein-
er einen macbtigen Strabl gewabr, der
wie
aus einem SpringqueU bis an die Decke des Gewolbes stieg
und oben
in unzablige
Funken
zerstaubte, die
einem groBen Becken sammelten; der Strabl glanzte wie enteiindetes Gold; nicbt das mindeste Gerauscb war zu boren, eine beilige Stille umgab das berrlicbe Scbauspiel. Er n^erte sicb dem Becken, das mit unendlicben Farben wogte und 2itterte. Die Wande der Hoble waren mit dieser Flussigkeit uberzogen, die nicbt beiB, sondern kiibl war und an den Wanden nur ein mattes, blauUcbes Licbt von sicb warf. Er taucbte seine Hand in das Becken und benetzte seine Lippen. Es war, als durcbdrange ibn ein geistiger Haucb, und er fiiblte sicb innigst gestarkt und erfriscbt. Ein unwidersteblicbes Verlangen ergriff ibn, sicb zu baden, er entkleidete sicb und stieg in das Becken. Es diinkte ibn, als umfiosse ibn eine Wolke des Abendrots; eine bimmliscbe Empfindung iiberstromte sein Inneres; mit inniger Wollust strebten unzablbare Gedanken in ibm, sicb zu vermiscben; neue, nie gesebene Bilder entstanden, die aucb ineinanderflossen und zu sicbtbaren Wesen um ibn wurden, xind jede Welle des lieblicben Elements scbmiegte sicb wie ein zarter Busen an ibn. sicb unten in
9
NopahSj Gcsammelte
Wcrke
i
129
Die Flut schien eine Auflosung rekender Madchen, die an dem Jiinglinge sich augenblicklich verkorperten.
Berauscht
von Entmcken und dock jedes Einschwamm er gemach dem leuchten-
drucks bewTiBt,
den Stfome nach, der aus dem Becken in den Felsen hineinfloB. Eine Art von siiBem Schlummer befiel
welchem er unbeschreibliche Begebenheiten traumte und woraus ihn eine andere Erleuchtung
ihn, in
Er fand
einem weichen Rasen am Rande und sich darin zu ver^ehren schien. Dunkelblaue Felsen mit bunten Adern erhoben sich in einiger Entfernung; das Tageslicht, das ihn umgab, war heller und milder als das gewohnliche, der Himmel war schwarzblau und voUig rein. Was ihn aber mit voller Macht anzog, war eine hohe, lichtblaue Blume, die zunachst an der Quelle stand und ihn mit ihren weckte.
sich auf
einer Quelle, die in die Luft hinausquoll
breiten,
glanzenden Blattern beriihrte.
Rund um
sie
Blumen von alien Farben, und der kosthchste Geruch erfuUte die Luft. Er sah nichts als die blaue Blume und betrachtete sie mit unnennher standen unzahlige
barer Zartlichkeit. Endlich wollte er sich ihr nahern, als sie
auf einmal sich zu bewegen und
zvl
verandern
wurden glanzender und schmiegten sich an den wachsenden Stengel, die Blume neigte sich nach ihm zu, und die Blxitenblatter zeigten einen blauen ausgebreiteten Kragen, in welchem ein zartes Gesicht schwebte. Sein siiBes Staunen wuchs mit der aniing; die Blatter
sonderbaren Verwandlung,
als
ihn plotzlich die
Stimme seiner Mutter weckte und er sich in der elterMorgensonne ver-
lichen Stube fand, die schon die
130
goldete.
Er war zu
entsriickt,
um unwillig iiber diese
Stoning zu sein; vielmehr bot er seiner Mutter freundlich Guten liche
Morgen und
erwiderte ihre herz-
Umarmung.
„Du Langschlafer"^, sagte der Vater, ^wie lange sit2e ich schon bier und feile. Ich babe deinetwegen nicbts
haromern
diirfen; die
Mutter wollte den lieben Sobn
scblafen lassen. Aufs Fnibstuck babe icb aucb warten
Klugbcb bast du den Lebrstand erwablt, fiir den wir wacben und arbeiten. Indes ein tucbtiger Gelebrter, wie icb mir babe sagen lassen, muB aucb Nacbte zu Hilfe nebmen, um die groBen Werke der weisen Vorfabren zu studieren/^ ~ „Lieber Vater‘", antwortete Heinricb, „werdet nicbt unwillig xiber meinen langen Scblaf, den Ibr sonst nicbt an mir gewobnt seid. Icb scblief erst spat ein und babe viele unrubige Traume gebabt, bis zuletzt ein anmutiger Traum mir erscbien, den ich lange nicbt vergessen werde und von dem mich diinkt, als sei es mehr als miissen.
ein bloBer
Traum gewesen/^
—
„Lieber Heinrich"^
spracb die Mutter, „du hast dich gewiB auf den
Riicken gelegt oder beim Abendsegen fremde Ge-
danken gebabt. lich aus. 16
und
Du
aucb noch ganz WunderdaB du munter wirst.“
siehst
trink,
Die Mutter ging hinaus, der Vater arbeitete emsig fort und sagte: „Traume sind Scbaume, mogen aucb die hochgelahrten Herren davon denken, was sie wollen, und du tust wohl, wenn du dein Gerniit von dergleicben unniitzen und schadlichen Betracbtungen
abwendest. Die Zeiten sind nicbt mehr,
wo
zu den
Traumen gdttliche Gesichte sicb gesellten, und wir kdnnen und werden es nicbt begreifen, wie es jenen
von denen die Bibel emhlt, zumute gewesen ist. Damals mnB es eine andere BeschaiSFenheit mit den Traumen gehabt haben, so wie mit den menschlichen Dingen. In dem Alter der Welt, wo wit leben, findet der auserwahlten Mannern,
dem Himmel nicht mehr Die alten Geschichten und Schriften sind jetzt die einzigen Quellen, dutch die uns eine Kenntnis von der uberirdischen Welt, soweit wir sie ndtig unmittelbare Verkehr mit statt.
haben, zuteil wird; und statt jener ausdriicklichen
Offenbarungen redet jetzt der Heilige Geist unmittelbar dutch den Verstand kluger
und wohlgesinnter und die Schick-
Manner und sale frommer Menschen zu uns. Unsre heutigen Wunderbilder haben mich nie sonderlich erbaut, und dutch die Lebensweise
groBen Taten geglaubt, die unsre davon erzahlen. Indes mag sich daran erbauen, wer will, und ich hute mich wohl, jemanden in seinem Vertrauen irre zu machen."' — „Aber, lieber Vater, aus welchem Grunde seid Ihr so den Traumen entgegen, deren seltsame Verwandlungen und leichte, zarte Natur doch unset Nachdenken gewiSlich rege machen miissen? Ist nicht jeder, auch der verworrenste Traum, eine sonderliche Erscheinung, die auch, ohne noch an gottliche Schickung dabei zu denken, ein bedeutsamer RiB in den geheimnisvoUen Vorhang ist, der mit tausend Falten in unset Inneres
ich habe nie jene
Geistlichen
hereinfallt? In
den weisesten Biichern findet man
von glaubhaften Menund erinnert Euch nur noch des Traums, den uns neulich der ehrwurdige Hofkaplan erzahlte und der Euch selbst so merkwurdig vorkam.
unzahlige Traumgeschichten schen,
'
132
Aber, auch ohne diese Geschichten, -wenn Ihr cueist in
Eurem Leben einen Traum hattet, wie wiirdet und Each die Wunderbarkeit
Ihr nicht erstaunen
dieser uns nur alltaglich
gewordenen Begebenheit gewiB nicht abstreiten lassen! Mich diinkt der Traum eine Schutewehr gegen die RegelmaBigkeit und Gew5hnlichkeit des Lebens, eine freie Erholung der gebundenen Phantasie, wo sie alle Bilder des Lebens durcheinanderwirft keit des
und
die bestandige Ernsthaftig-
erwachsenen Menschen durch ein frohliches
Ohne die Traume wiirden und so kann man den Traum, unmittelbar von oben gegeben,
Kinderspiel unterbricht.
wir gewiB
friiher alt,
wenn auch nicht doch
als
Mitgabe, einen freundlichen
als eine gottliche
Begleiter auf der Wallfahrt trachten.
GewiB
ist
zum Heiligen Grabe
be-
der Traum, den ich heute nacht
traumte, kein unwirksamer Zufall in
gewesen, denn ich fiihle
es,
meinem Leben
daB er in meine Seele wie
Rad hineingreift und sie in machtigem Schwunge forttreibt,“ Der Vater lachelte freundlich und sagte, indem er
ein weites
die Mutter, die eben hereintrat, ansah: „Mutter,
Heinrich kann die Stunde nicht verleugnen, durch
In seinen Reden kocht der den ich damals von Rom mitgebracht hatte und der unsern Hochzeitabend verherrlichte. Damals war ich auch noch ein andrer Kerb Die sxidliche Luft hatte mich aufgetaut, von Mut und Lust floB ich uber, und du warst auch ein heiBes, kdstliches Madchen. Bei deinem Vater die er in der
Welt
ist.
feurige welsche Wein,
und Sanger herzugekommen, und lange
gings damals herrlich zn; Spielleute
waren weit und
breit
135
war
Augsburg keine
in
lustigere
Hochzeit gefeiert
warden/^
von Traumen'', sagte die du wohl, daB du mir damals auch von einem Traume erzahltest, den du in Rom gehabt hattest und der dich izuerst auf den Gedanken ge~ bracht, zn uns nach Augsburg zn kommen und urn mich zn werben?“ — „Du erinnerst mich eben znt „Ihr spracht vorhin
Mutter, „wei6t
rechten
Zeit"^,
sagte der Alte; „ich babe diesen
selt-
samen Traum ganz vergessen, der mich damals lange genug beschaftigte; aber eben er ist mir ein Beweis dessen, was ich von den Traumen gesagt habe. Es unmoglich, einen geordneteren und helleren zn haben; noch jetet entsinne ich mich jedes Umstandes
ist
ganz genau; und doch, was hat er bedeutet? DaB ich von dir traumte und mich bald darauf von Sehnsucht ergriffen fuhlte, dich zu besitzen, war ganz naturlich: denn ich kannte dich schon. Dein freundliches, hoides Wesen hatte mich gleich anfangs lebhaft geruhrt, und nur die Lust nach der Fremde hielt damals meinen Wunsch nach deinem Besitz noch zuriick. Um die Zeit des Traums war meine Neugierde schon ziemlich gestillt, und nun konnte die Neigung leichter durchdringen/^ „Erzahlt uns doch jenen seltsamen Traum^‘, sagte der Sohn.
— „Ich war eines Abends^, fing der Vater
Der Himmel war rein, und der und Mauern mit seinem bleichen, schauerlichen Lichte. Meine Gesellen gingen den Madchen nach, und mich trieb das Heimweh und die Liebe ins Freie. Endlich ward ich durstig und ging ins erste beste Landhaus hinein.
an, „umhergestreift.
Mond
134
bekleidete die alten Saulen
Trunk Wein oder Milch zu fordern. Ein heraus, der mich wohl fiir einen verdachtigen Besuch halten mochte, Ich trug ihm mein Anliegen vor; und als er erfuhr, daB ich ein Auslander und ein Deutscher sei, lud er mich freundlich in die Stube und brachte eine Flasche Wein. Er hieB mich niedersetzen und fragte mich nach meinem Gewerbe. Die Stube war voll Bucher und Altertiimer. Wir gerieten in ein weitlauftiges Gesprach; er erzahlte mir viel von alten Zeiten, von Malern, Bildhauern und Dichtern. Noch nie hatte ich so davon reden horen. Es war mir, als sei ich in einer neuen Welt ans Land gestiegen. Er wies mir Siegelsteine und andre alte Kunstarbeiten; dann las er mir mit lebendigem Feuer herrliche Gedichte vor, und urn einen alter
Mann kam
so verging die Zeit wie ein Augenblick.
Noch
jetzt
mein Herz sich auf, wenn ich mich des bunten Gewiihls der wunderlichen Gedanken und Empfindungen erinnere, die mich in dieser Nacht erfullten. In den heidnischen Zeiten war er wie zu Hause und
heitert
sehnte sich mit unglaublicher Inbrunst in dies graue
Altertum an,
wo
zuriick.
Endlich wies er mir eine
Kammer
ich den Rest der Nacht zubringen kdnnte,
weil es schon zu spat
sei,
um noch zuriickzukehren.
Ich schlief bald, und da diinkte michs, ich sei in
meiner Vaterstadt und wanderte aus war,
als
dem
miiBte ich irgendwohin gehn,
besteUen, doch
wuBte ich
nicht,
verrichten solle. Ich ging nach
aus schnellen Schritten,
Tore. Es
um etwas
wohin und was
zu ich
dem Harze mit iiber-
und wohl war
mir, als sei es
zur Hochzeit. Ich hielt mich nicht auf
dem Wege,
sondern immer feldein, durch Tal und Wald, und 155
hohen Berg. Als ich oben Aue vor mir und uberund breit, also daJS kein Berg weit Thuringen schaute in der N^e umher mir die Aussicht wehrte. Gegeniiber lag der Harz mit seinen dunklen Bergen, und ich sah unzahlige Schlosser, Kloster und Ortschaften. Wie mir nun da innerlich recht wohl ward, fiel mir der alte Mann ein, bei dem ich schlief, und es gedeuchte mir, als sei das vor geraumer Zeit geschelm, daB ich bei ihm gewesen sei. Bald gewahrte ich eine Stiege, die in den Berg hineinging, und ich machte mich hinunter. Nach langer Zeit kam ich in eine groBe Hohle, da saB ein Greis in einem langen Kleide vor einem eisernen Tische und schaute unverwandt nach einem wunderschdnen Madchen, das in Marmor gehauen vor ihm stand. Sein Bart war durch den eisernen Tisch gewachsen und bedeckte seine FiiBe. Er sah ernst und freundlich aus und gemahnte mich wie ein alter Kopf, den ich den Abend bei dem Manne gesehn hatte. Ein glanzendes Licht war in der Hohle verbreitet. Wie ich so stand und den Greis ansah, klopfte mir plotzlich mein Wirt auf die Schulter, nahm mich bei der Hand und fiihrte mich durch bald
kam
•war,
sab ich die Goldne
ich an einen
Gmge
fort. Nach einer Weile sah Dammerung, als woUte das Tageslicht einbrechen, Ich elite darauf zu und befand
lange ich
mit sich
von weitem
eine
mich bald auf einem griinen Plane; aber es schien mir alles ganz anders als in Thuringen. Ungeheure Baume mit groBen glanzenden Blattern verbreiteten weit umher Schatten. Die Luft war sehr heiB und doch nicht driickend. Uberall Quellen und Blumen, und unter alien Blumen gefiel mir eine ganz beson136
ders,
und es kam mir vor, als neigten
gegen 5
sich die
andem
sie/‘
,Ach! liebster Vater, sagt mir dock, welche Farbe
sie hatte^, rief
der Sohn mit heftiger Bewegxing.
„Das entsinne ich roich nicht mehr, so genau ich mir auch sonst alles eingepragt habe.“
„War
sie nicht blau?"'
„Es kann
ohne auf Heinzu geben. „So viel weiB ich nur noch, daB mir ganz unaussprechlich zumute war und ich mich lange nicht nach meinem sein“, fuhr der Alte fort,
richs seltsame Heftigkeit Achtung
Begleiter umsah.
Wie
ich mich endlich zu
ihm
daB er mich aufmerksam betrachtete und mir mit inrdger Freude zxilachelte. Auf welche Art ich von diesem Orte wegkam, erinnere ich mich nicht mehr. Ich war wieder oben auf dem wandte, bemerkte
ich,
Mein Begleiter stand bei mir und sagte: ,Du Wunder der Welt gesehn. Es steht bei dir, das gliicklichste Wesen auf der Welt imd noch liber das ein beriihmter Marm zu werden. Nimm wohl in acht, was ich dir sage: Wenn du am Tage Johannis^ gegen Abend wieder hieher kommst und Gott herzBerge,
hast das
um das Verst^dnis dieses Traumes bittest, so wird dir das hochste irdische Los zuteil werden; dann gib nur acht auf ein blaues Bliimchen, das du hier oben finden wirst, brich es ab, und iiberlaB dich dann demutig der hinmilischen Fiihrung/ Ich war darauf im Traume unter den herrlichsten Gestalten und Menschen, und unendliche Zeiten gaukelten mit mannigfaltigen Veranderungen vor meinen Augen voriiber. Wie gel5st war meine Zunge, und was ich sprach, klang wie Musik. Darauf ward aUes wieder lich
137
dunkel und eng ixnd gewdhnlich; ich sah deine Mutter roit freundlichem, verschamtem Blick vor mir; sie Melt ein glanzendes Kind in den Armen und reichte
mir es Mn,
immer
auf einmal das Kind zusehends wuchs, und glam:ender ward und sich endlich
als
heller
mit blendend weiBen Fliigeln liber uns erhob, uns beide in seinen Arm nahm und so hoch mit uns flog, daB die Erde nur wie eine goldene Schiissel mit dem saubersten Schnitzwerk aussah.
Dann
erinnere ich
mich nur, daB wieder jene Blume und der Berg und der Greis vorkamen; aber ich erwachte bald darauf und fiiMte mich von heftiger Liebe bewegt. Ich nahm AbscMed von meinem gastfreien Wirt, der mich bat, ihn oft wieder zu besuchen, was ich ihm zusagte und auch Wort gehalten haben wiirde, wenn ich nicht bald darauf Rom verlassen hatte
Augsburg
und ungestiim nach
gereist ware/‘
Zweites Kapitel
Johannis war vorbei, die Mutter hatte langst einmal nach Augsburg ins vaterliche Haus kommen und
dem GroBvater den noch unbekannten
lieben Enkel
mitbringen sollen. Einige gute Freunde des alten Ofterdingen, ein paar Kaufleute, muBten in Handels-
daMn reisen. Da faBte die Mutter den EntscMuB, bei dieser Gelegenheit jenen Wunsch auszufuhren, und es lag ihr dies um so mehr am Herzen, weil sie seit einiger Zeit merkte, daB Heinrich
geschaften
und
war als sonst. Sie glaubte, er sei miBmutig oder krank, und eine weite Reise, der Anblick neuer Menschen und Lander und,
weit
138
stiller
in sich gekehrter
wie
sie
verstohlen ahndete, die
Reke
einer jungen
Landsmannin wurden die tnibe Laune ihres Solines und wieder einen so teilnehmenden und
vertreiben
lebensfrohen Menschen aus ihm machen, wie er sonst
Der Alte willigte in den Plan der Mutter^ und Heinrich war iiber die MaBen erfreut, in ein Land 5:u kommen, das er schon lange, nach den Er^ahlungen seiner Mutter und mancher Reisenden, wie ein irdisches Paradies sich gedacht und wohin er gewesen.
oft vergeblich sich gewiinscht hatte.
Heinrich war eben zwamiig Jahre
alt
geworden,
Gegenden seiner Vaterstadt hinausgekommen; die Welt war ihm nur aus Erzahlungen bekannt. Wenig Bucher waren ihm 2u Gesichte gekommen. Bei der Hofhaltung des
Er war
nie liber die undiegenden
Landgrafen ging Zeiten einfach
es
und
nach der
still
zu;
Sitte
und
der damaligen
die Pracht
und Be-
quemlichkeit des furstlichen Lebens diirfte sich schwerlich mit den Annehmlichkeiten messen, die in spatern Zeiten ein bemittelter Privatmann sich
und
ohne Verschwendung verschafFen den konnte. Dafur war aber der Sinn fur die GeratSeinigen
schaften
und Habseligkeiten,
die der
mannigfachen Dienst seines Lebens
Mensch 5:um
um sich her ver-
sammelt, desto carter und defer, Sie waren den Menschen werter und merkwurdiger. Zog schon das Geheimnis der Natur und die Entstehung ihrer Korper den ahndenden Geist an: so erhohte die seltnere Kunst ihrer Bearbeitung, die romantische Feme, aus der man sie erhielt, und die Heiligkeit ihres Altertums,
da
sie,
sorgfaltiger bewahrt, oft das
Besitztum mehrerer Nachkommenschaften wurden.
139
Neigung zu diesen stummen Gefahrten des Lebens. Oft wurden sie zu dem Rang von geweibten die
Pfandern eines besondern Segens und Schicksals erWohl ganger Reiche xind weitver-
hoben, und das
breiteter Familien
hing an ibrer Erhaltung, Eine
Armut
schmiickte diese Zeiten mit einer liebliche eigentiimlichen ernsten und unscbuldigen Einfalt;
und die sparsam verteilten Kleinodien glan^ten desto bedeutender in dieser sinniges
Getniit
Dammerung und
erfiillten ein
mit minderbaren Erwartungen. daB erst eine geschickte Verteilung
Wenn es wahr ist, von Licht, Farbe und Schatten lichkeit der sichtbaren
die verborgene HerrWelt ofienbart und sich bier
Auge aufeutun scbeint: so war damals uberall eine abnliche Verteilung und Wirtschaftlicbkeit wabf2unebmen; dabingegen dieneuere
ein neues, boheres
woblbabendere Zeit das einformige und unbedeutendere Bild eines allgemeinen Tages darbietet. In alien
wie in einem Zwiscbenreiche, eine hohere, geistliche Macbt durchbrechen zu wollen; und wie auf der Oberflache unseres Wohnplatges
Ubergangen
scbeint,
und uberirdiscben Schatzen den wdden, unwirtlicben Urgebirgen und den unermeJBlichen Ebenen liegen, so hat sich auch 2:wischen den roben Zeiten der Barbarei und dem kunstreichen, vielwissenden und begiiterten Weltalter eine tiefsitimge und romantische Zeit niedergelassen, die die an unterirdiscben
reicbsten
Gegenden
in der Mitte zwiscben
unter schHchtem Kleide eine hobere Gestalt verbirgt.
Wer
wandelt nicht gern im Zwielicbte,
am
wenn
die
und das Licht an der Nacbt in hobere Schatten und Farben ^erbricht; und also ver-
Nacht
140
Lichte
wir uns willig in die Jahre, wo Heinrich lebte und jetzt neuen Begebenheiten mit voUem Herzen
tiefen
nahm Abs^hied von seinen Geund seinem Lehrer^ dem weisen alten Hof-
entgegenging. Er spielen
kaplan, det Heinrichs fruchtbare Anlagen kannte und
und einem stillen Gebete Die Landgrafin war seine Patin; er war oft
ihn mit geruhrtem Herzen entiieB.
auf der Wartburg bei ihr gewesen.
Auch
jetzt
beur-
ihm gute Lehren und eine goldene Halskette verehrte und mit freundlichen AuBerungen von ihm schied. In wehmutiger Stimmung verlieB Heinrich seinen Vater und seine Geburtsstadt, Es ward ihm jetzt erst deutlich, was Trennung sei; die Vorstellungen von der Reise waren nicht von dem sonderbaren Gefuhle laubte er sich bei seiner Beschiitzerin, die
begleitet gewesen, das er jetzt
seine bisherige
empfand,
als zuerst
Welt von ihm gerissen und er wie auf
ein fremdes Ufer gespult ward. Unendlich
ist
die
jugendliche Trauer bei dieser ersten Erfahrung der
Verganglichkeit der irdischen Dinge, die
fahrnen Gemixt so notwendig fest
verwachsen mit
dem
und so unveranderlich wie sen.
Eine
erste
und
dem
uner-
unentbehrlich, so
eigentiimlichsten Dasein dieses
vorkommen
mils-
Ankiindigung des Todes, bleibt die
erste Trennung unvergeBIich und wird, nachdem sic lange wie ein nachtliches Gesicht den Menschen be-
angstigt hat, endlich bei abnehmender Freude an
den
Erscheinungen des Tages und zunehmender Sehnsucht nach einer bleibenden sichern Welt zu einem freundlichen Wegweiser
und
einer trostenden Be-
Die Nahe seiner Mutter trostete den Jungling sehr. Die alte Welt schien noch nicht ganz
kanntschaft.
und er umfaBte sie mit verdoppelter InnigEs war friih am Tage, als die Reisenden aus den Toren von Eisenach fortritten, und die Dammerung begiinstigte Heinrichs geriihrte Stimmung. Je heller verloren, keit.
ward, desto bemerklicher wurden
ihm die neuen, auf einer Anhohe die verlassene Landschaft von der aufgehenden Sonne auf einmal erleuchtet wurde, so fielen dem
es
unbekannten Gegenden; und
liberraschten Jungling alte in den triiben
als
Melodien
seines Innern
Wechsel seiner Gedanken
ein.
Er
sah
an der Schwelle der Feme, in die er oft vergebens von den nahen Bergen geschaut und die er sich mit sonderbaren Farben ausgemalt hatte. Er war im Begriff, sich in ihre blaue Flut zu tauchen. Die Wunderblume stand vor ihm, und er sah nach Thxisich
ringen, welches er jetzt hinter sich lieB, mit der selt-
samen Ahndung hiniiber, als werde Wanderungen von der Weltgegend
nach langen nach welcher sie jetzt reisten, in sein Vaterland zunickkommen und als reise er daher diesem eigentlich zu. Die er
her,
Ursachen an aufzuwachen und sich mit allerhand Gesprachen und Erzahlungen die Zeit zu verkurzen. Heinrichs Mutter glaubte ihren Sohn aus den Traumereien reiBen zu miissen, in denen sie ihn versunken sah, und jSng an, ihm von ihrem Vaterlande zu erzahlen, von dem Hause ihres Gesellschaft, die anfanglich aus ahnlichen
still
gewesen war,
und dem
fing nachgerade
Leben in Schwaben. Die Kaufleute stimmten mit ein und bekraftigten die
Vaters
frohlichen
miitterlichen Erzahlungen, riihmten die Gastfreiheit
und konnten nicht aufhdren, Landsmanninnen ihrer Reisegefahrtin
des alten Schwaning die schonen
142
2u preiseti,
„IIir tut
wohl", sagten sie, „daB Ihx Euren
Sohn dorthin fuhrt. Die Sitten Eures Vaterlandes und gefalliger. Die Menschen wissen das Nuteliche 2u befordern, ohne das Angenehme 2u verachten. Jedermann sucht seine Bedurfnisse auf eine gesellige und reizende Art zn befriedigen. Der Kaufmann befindet sich wohl dabei und wird geebrt. Die Kiinste und Handwerke vermehren und versind milder
edeln sich, den FleiBigen diinkt die Arbeit leichter, weil sie ihm zu. mannigfachen Annehmlichkeiten ver-
und er, indem er eine einformige Miihe iibernimmt, sicher ist, die bunten Friichte mannigfacher
hilft
und belohnender Beschaftigungen dafur mitzugenieBen. Geld, Tatigkeit und Waren erzeugen sich gegenseitig xind treiben sich in raschen Kreisen, und das Land und die Stadte bliihen auf. Je eifriger der ErwerbfleiB die Tage benutzt, desto ausschlieBlicher ist der Abend den reizenden Vergniigungen der schonen Kiinste und des geselligen Umgangs gewidmet. Das Gemiit sehnt sich nach Erholung und Abwechselung, und wo sollte es diese auf eine anst^digere und reizendere Art finden
als in
der Besch^tigung mit den
freien Spielen und Erzeugnissen seiner edelsten Kraft,
des bUdenden Tiefsinns ? Nirgends hort man so anmutige Sanger, findet so herrliche Maler, und nirgends sieht man auf den Tanzsalen leichtere Be-
wegungen und lieblichere Gestalten. Die Nachbarschaft von Welschland zeigt sich in dem ungezwungenen Betragen und den einnehmenden Gesprachen. Euer Geschlecht darf die Gesellschaften schmiicken und ohne Furcht vor Nachrede mit holdseligem Bezeigen einen lebhaften Wetteifer, seine Aufmerksam145
Die rauhe Ernsthaftigkeit
keit
za
und
die wilde Ausgekssenlieit der
fesseln, erregen.
einer milden Lebendigkeit
Freude
Platz,
und
und
die Liebe
Manner macht
sanfter, bescheidner
wird in tausendfachen
Gestalten der leitende Geist der gliicklichen Gesellschaften. Weit entfernt, daB Ausschweifungen und unziemende Grundsatze dadurch soUten herbeigelockt werden, scheint es, als flohen die bosen Geister die Nahe der Anmut, und gewiB sind in ganz
Deutschland keine unbescholtenere Madchen und keine treuere Frauen als in Schwaben. Ja,
warmen Luft des Deutschlands werdet Ihr Eure ernste
junger Freund, in der klaren
siidlichen
wohl ablegen; die frohlichen Madchen werdenEuchwohl geschmeidig und gesprachig machen. Schon Euer Name als Fremder und Eure Schuchternheit
nahe Verwandtschaft mit die
dem alten
Schwaning, der
Freude jeder frohlichen Gesellschaft
ist,
werden
Augen der Madchen auf sich ziehen; und wenn Ihr Eurem GroBvater folgt, so werdet Ihr die reizenden
gewiB unsrer Vaterstadt eine ahnliche Zierde in einer holdseligen Frau mitbringen wie Euer Vater,“ Mit freundlichem Erroten dankte Heinrichs Mutter fur das schone Lob ihres Vaterlandes und die gute Meinxing von ihren Landsmanninnen, und der gedanken-
umhin gekonnt, aufmerksam und mit innigem Wohlgefallen der Schilderung des Landes, dessen Anblick ihm bevorstand, zuzu-
volle Heinrich hatte nicht
horen.
„Wenn Ihr auch^^ fuhren die Kaufleute fort,
„die Kunst Eures Vaters nicht ergreifen und lieber, wie wir gehort haben, Euch mit gelehrten Dingen befassen woUt: so braucht Ihr nicht Geistlicher zu
144
werden und Verzicht auf die schSnsten Geniisse des leisten. Es ist eben schlimm genug, daB die Wissenschaften in den Handen eines so von dem weltlichen Leben abgesonderten Standes iind die Fiirsten von so ungeselHgen und wahrhaft unerfahrenen Mannern beraten sind. In der Einsamkeit, in welcher sie nicht selbst teil an den Weltgeschaften nehmen, miissen ihre Gedanken eine unniitae Wendung erhalten und konnen nicht auf die wirklichen Vorfalle passen. In Schwaben trefft Ihr auch wahrhaft kluge xind erfahrne Manner unter den Laien; und Ihr mogt nun wahlen^ vrelchen Zweig menschlicher Kenntnisse Ihr woUt: so wird es Euch nicht an den besten Lehrern und Ratgebern fehlen/^ Nach einer Weile sagte Heinrich, dem bei dieser Rede sein Freund, der Hofkaplan, in den Sinn gekommen war Lebens zn
:
„ Wenn ich bei meiner Unkunde von der BeschafFenheit der Welt Euch eben nicht abfallig sein kann in
dem, was ihr von der Unfahigkeit der Geistlichen zu Fiihrung und Beurteilung weltlicher Angelegenhei-
doch wohl erlaubt, euch an unsern trefflichen Hofkaplan 2u erinnern, der gewiB ein Muster eines weisen Mannes ist und dessen Lehren und Ratschlage mir xmvergessen sein warten behauptet, so ist mirs
den/^
„Wir
ehren"^, erwiderten die Kaufleute, „diesen
Mann von ganzem Herzen; aber dennoch konnen wir nur insofern Eurer Meinung Beifall geben, daB er ein weiser Mann sei, wenn Ihr von jener Weisheit sprecht, die einen Gott wohlgefalligen Lebenswandel angeht. Haltet Ihr ihn fur ebenso weltklug, als er in den Sachen des Heils gexibt und
trefflichen
lo
Nopalu^ Gcsamnwlte
Werke
i
145
unterrichtet ist: so
erkubt uns, daB wir Euchnicht
beistimmen. Doch gkuben wir, daB dadurch der heilige Mann nichts von seinem verdienten Lobe verliert, da er viel zvl vertieft in der Kunde der uberirdischen Welt
ist, als
daB er nach Einsicht und An-
sehn in irdischen Dingen streben sollte/' „Aber'‘, sagte Heinrich, „sollte nicht jene hobere
Kunde
ebenfalls geschickt machen, recht unparteiden Ziigel menschlicher Angelegenheiten zu fuhren? Sollte nicht jene kindliche unbefangene Einfait sicherer den richtigen Weg durch das Labyrinth der hiesigen Begebenheiten treffen als die durch
isch
Rxicksicht auf eigenen Vorteil irregeleitete
und
ge~
hemmte, von der unerschopflichen Zahl neuer Zu~ falle und Verwickelungen geblendete Klugheit? Ich weiB nicht, aber mich diinkt, ich sahe zwti Wege,
um
zur Wissenschaft der menschlichen Geschichte
2u gelangen. Der
eine,
muhsam und unabsehlich, mit
unzahhgen Kriimmungen, der Weg der Erfahrung; der andere, fast ein Sprung nur, der Weg der innern Betrachtung. Der Wanderer des ersten muB eins aus dem andern in einer langwierigen Rechnung finden, wenn der andere die Natur jeder Begebenheit und jeder Sache gleich unmittelbar anschaut
und
sie in
ihrem lebendigen, mannigfaltigen Zusammenhange betrachten und leicht mit alien ubrigen wie Figuren auf einer Tafel vergleichen kann. Ihr miiBt verzeihen,
wenn ich wie aus kindischen Traumen vor euch rede; nur das Zutrauen zu eurer Giite und das Andenken meines Lehrers, der den zweiten eignen dreist*^"
146
von weitem
Weg
mir
gezeigt hat, machte
als
seinen
mich so
„ Wir gestehen Euch gem% sagten die gutmiitigen Kaufleute, „daB wir Eurem Gedankengange nicht
zu folgen vermogen: doch freut es uns, daB Ihr so
warm Euch
des treiflichen Lehrers erinnert
seinen Unterricht
wohl gefaBt zu haben
nnd
scheint.
Es diinkt uns, Ihr habt Aniage zum Dichter. Ihr von den Erscheinungen Eures Gemiits, und es fehlt Euch nicht an gewahlten Ausdnicken und passenden Vergleichungen. Auch neigt Ihr Euch izum Wunderbaren als dem Elemente der sprecht so gelaufig
Dichter/" nicht"", sagte Heinrich, „wie es kommt. habe ich von Dichtern und Sangern sprechen gehort und habe noch nie einen gesehn. Ja, ich
„Ich weiB
Schon
oft
kann mir nicht einmal einen BegrifF von ihrer sonderbaren Kunst machen, und doch habe ich eine groBe Sehnsucht, davon zu horen, Es ist mir, als wiirde ich manches besser verstehen, was jetzt nur dunkle Ahndung in mir ist. Von Gedichten ist oft er^ahlt worden, aber nie habe ich eins zu sehen bekommen, und mein Lehrer hat nie Gelegenheit gehabt, Kenntnisse von dieser Kunst einzuziehn. Alles, was er mir davon gesagt, habe ich nicht deutlich begreifen konnen. Doch meinte er immer, es sei eine edie Kunst, der ich mich gams ergeben wiirde, wenn ich sie einmal kennen lernte. In alten Zeiten sei sie weit gemeiner gewesen und habe jedermann einige Wissenschaft davon gehabt, jedoch einer von dem andern. Sie sei noch mit andern verloren gegangenen herrlichen Kiinsten verschwistert gewesen. Die Sanger hatte gottliche Gunst hoch geehrt, so daB sie, begeistert durch unsichtbaren Umgang, hunrolische
Weisheit auf Erden in lieblichen
Tonen
verkiin-
digen konnen/'
Die Kaufleute sagten darauf: „Wir haben uns freilich nie um die Geheimnisse der Dichter bekiimmert, wenn wir gleicb mit Vergnxigen ihrem Ge» sange zugehort. Es
mag wohl wahr sein, daB eine wenn ein Dichter
besondere Gestirnung da2:u gehort, 2ur Welt
kommen
soil;
denn
es ist
gewiB eine recht
wunderbare Sache mit dieser Kunst.
Auch
sind die
andern Knnste gar sehr davon unterschieden und lassen sich welt eher begreifen. Bei den Malern und
Tonkunstlern kann
man
leicht einsehn,
und mit Geduld und FleiB laBt lernen. Die Tone liegen schon in den geht,
es
gehort nur eine Fertigkeit
um
jene in einer
den Bildern sterin. Sie
ist
daizu, diese
wie
es zur
sich beides Saiten, und zn bewegen,
rekenden Folge aufizuwecken. Bei Natur die herrlichste Lehrmei-
die
und wunderliche Licht und den Schat-
erzeugt unzahlige schone
Figuren, gibt die Farben, das
und so kann eine geiibte Hand, ein richtiges Auge und die Kenntnis von der Bereitung und Verten,
mischung der Farben die Natur auf das vollkommenste nachahmen. Wie naturlich ist daher auch die Wirkung dieser Kiinste, das Wohlgefallen an ihren Werken 2u begreifen. Der Gesang der Nachtigall, das Sausen des Windes und die herrlichen Lichter, Farben und Gestalten gefallen uns, weil sie unsere SLtine angenehm besch^tigen; xmd da unsere Sinne dazu von der Natur, die auch jenes hervorbringt, so eingerichtet sind, so muB uns auch die kiinstliche Nachahmung der Natur gefallen. Die Natur will selbst auch einen GenuB von ihrer groBen Kiinst148
damm hat sie sich in Menschen nun selber sich iiber ihre Herrlichkeit freut, das Angenehme und Liebliche von den Dingen absondert und es auf solche Art allein hervorbringt, daB sie es auf mannigfaltigere Weise und zn alien Zeiten und alien Orten haben und genieBen kann. Dagegen ist von der Dichtkunst sonst nirlichkeit haben, iind
verwandelt,
wo
sie
gends auBerlich etwas anzutreffen.
Auch
schafFt sie
Werkzeugen und Handen; das Auge und das Ohr vernehmen nichts davon: denn das bloBe Horen der Worte ist nicht die eigentliche Wirkung dieser geheimen Kunst. Es ist alles innerlich, und wie jene Kxinstler die auBern Sinne mit angenehmen Empfindungen erfiillen, so erfiillt der Dichter das inwendige Heiligtum des Gemuts mit neuen, wunderbaren und gefalligen Gedanken. Er weiB jene geheimen Krafte in uns nach Belieben 2u erregen und gibt uns durch Worte eine unbekannte, herrliche ''\*^elt zu vernehmen. Wie aus tiefen Hohlen steigen alte und kiinftige Zeiten, unzahlige Menschen, wunderbare Gegenden und die seltsamstenBegebenheiten in uns herauf und entreiBen uns der bekannten Gegenwart. Man hort fremde Worte und weiB doch, was sie bedeuten soUen. Eine magische Gewalt iiben nichts mit
die Spniche des Dichters aus; auch die gewohnlichen
Worte kommen in reizenden Klangen vor und berauschen die festgebannten Zuhorer.“ „Ihr verwandelt meine Neugierde in heiBe geduld""^, sagte
von
Un-
Heinrich. „Ich bitte euch, erzahlt mir
kann genug von diesen besondern Menschen horen. Mir ist auf einmal, als hatte ich irgendwo schon daalien Sangern, die ihr geh5rt habt. Ich
nicht
149
in meiner tiefsten Jugend reden horen, doch kann ich xnich schlechterdings nichts mehr davon entsinnen. Aber mir ist das, was ihr sagt, so klar, so bekannt, und ihr macht mir ein auBerordentliches
von
Vergniigen mit euren schonen Beschreibungen/^
„Wir erinnern uns selbst gern“, fuhren die Kauf„mancher frohen Stunden, die wir in Welschland, Frankreich und Schwaben in der Gesellschaft von Sangern zugebracht haben, und freuen uns, daB Ihr so lebhaften Anteil an unsern Reden leute fort,
nehmet.
Wenn man
so in Gebirgen
reist,
sich mit doppelter Annehmlichkeit,
und
spricht es die Zeit
vergeht spielend. Vielleicht ergotzt es Euch, einige
Geschichten von Dichtern zu horen, die wir auf unsern Reisen erfuhren. Von den Gesangen
artige
konnen wir wenig und der Rausch des Augenblicks das Gedachtnis hindert, viel zu behalten, und die unaufhorlichen Handelsgeschafte manches Anselbst,
die wir gehort haben,
sagen, da die Freude
denken auch wieder verwischt haben. In alten Zeiten muB die ganze Natur lebendiger und sinnvoUer gewesen sein als heutzutage, Wirkungen, die scheinen
jetzt
und
kaum noch
die
Menschen
bemerken allein noch
die Tiere zu eigentlich
empjSnden und genieBen, bewegten damals leblose Korper; und so war es moglich, daB kunstreiche
Menschen aUein Dinge moglich machten und Erscheinungen hervorbrachten, die uns
und
jetzt vollig
fabelhaft diinken. So sollen vor den Landern des jetzigen griechischen Kaisertums, wie uns Reisende berichten, die diese Sagen noch dort xmter dem gemeinen Volke
unglaublich
uralten Zeiten in
150
angetroffen haben, Dichter gewesen sein, die durch
den seltsamen Klang wnnderbarer Werkzeuge das geheime Leben der Walder, die in den Statnmen verborgenen Geister aufgeweckt, in wiisten, verodeten Gegenden den toten Pflanzensamen erregt und blxihende Garten hervorgemfen, grausame Tiere
gezahmt und verwilderte Menschen zn Ordnung und Sitte gewohnt, sanfte Neigungen und Kiinste des Friedens in ihnen rege gemacht, reiBende Fliisse in
milde Gewasser verwandelt und selbst die totesten
Bewegungen
hin-
gerissen haben. Sie sollen zugleich Wahrsager
und
Steine in regelmaBige tanzende
Priester,
Gesetzgeber und Arzte gewesen sein, indem
hohern Wesen durch ihre zauberische Kunst herabgezogen worden sind und sie in den Geheimnissen der Zukunft unterrichtet, das EbenmaB und die natiirliche Einrichtung aller Dinge, auch die innern Tugenden und Heilkrafte der Zahlen, Gewachse und aller Kreaturen ihnen offenbart. Seitdem selbst die
sollen,
wie die Sage
lautet, erst die
mannigfaltigen
Tone und die sonderbaren Sympathien und Ordnungen in die Natur gekommen sein, indem vorher alles wild, unordentlich und feindselig gewesen ist. Seltsam ist nur hiebei, daB zwar diese schonen Spuren zum Andenken der Gegenwart jener wohltatigen Menschen geblieben sind, aber entweder ihre Kunst oder jene zarte Gefiihligkeit der Natur verloren gegangen ist. In diesen Zeiten hat es sich unter
andern einmal zugetragen, daB einer jener sonderbaren Dichter oder mehr Tonkiinstler
—
wiewohl Musik und Poesie wohl ziemlich eins sein mogen und vieUeicht ebenso zusamnaengehoren wie Mund die
und Ohr, da der worteades
Ohr
nur ein bewegliches und antdaB also dieser Tonkiinsder ,
erste
ist
—
in ein fremdes Land reisen woUte. Er war reich an schonen Kleinodien und kostlichen Dingen, die ihm aus Dankbarkeit verehrt worden libers
Meet
waren.
Er fand
ein SchifF
darin schienen bereitwillig,
am
Ufer, und die Leute ihn fur den verheiBenen
Lohn nach der verlangten Gegend zn fahren. Der Glanz und die Zierlichkeit seiner Schatze reizten aber bald ihre Habsucht so sehr, daB sie unterein-
ander verabredeten, sich seiner zn bemachtigen, ihn ins Meer zn werfen und nachher seine Habe untereinander zn verteilen.
Wie
sie also
mitten im Meere
ihn her und sagten ihm, daB er sterben miisse, weil sie beschlossen hatten, ihn ins
waren, fielen
sie liber
Meer zn werfen. Er bat sie auf die
um
riihrendste Weise
sein Leben, bot ihnen seine Schatize
znm
Lose-
geld an und prophezeite ihnen groBes Ungliick, sie
ihren Vorsatz ausfuhren wiirden,
eine
noch das andere konnte
sie
wenn Aber weder das
bewegen: denn
sie
furchteten sich, daB er ihre bosliche Tat einmal verraten mochte.
Da er sie nun einmal so fest entschlos-
sie, ihm wenigstens zu erlauben, daB noch vor seinem Ende seinen Schwanengesang spielen diirfe, dann wolle er mit seinem schlichten holzernen Instrumente vor ihren Augen freiwillig ins Meer springen. Sie wuBten recht wohl, daB, wenn sie seinen Zaubergesang h5rten, ihre Herzen erweicht und sie von Reue ergriffen werden wiirden; daher nahmen sie sich vor, ihm zwar diese letzte Bitte zu gewahren, wahrend des Gesanges aber sich die Ohren fest zu verstopfen, daB sie nichts davon
sen sah, bat er er
vemahmen und
so bei ihrem Vorhaben bleiben
konnten. Dies geschah.
Der Sanger stimmte einen Das
herrHchen, unendlich dihrenden Gesang an.
ganze SchifF tonte mit, die Wellen klangen, die Sonne
und die Gestirne erschienen zugleich am Himmel, und aus den griinen Fluten tauchten tanzende Scharen von Fischen und Meerungeheuern hervor. Die
Schiffer standen feindselig allein
mit festver-
Ohren und warteten voll Ungeduld auf das Ende des Liedes. Bald war es voriiber. Da sprang der Sanger mit heitrer Stirn in den dunkeln Abgrund bin, sein wundertatiges Werkzeug im Arm. Er hatte kaum die glanzenden Wogen beriihrt, so hob sich der breite Riicken eines dankbaren Untiers unter ihm hervor, und es schwamm schnell mit dem erstaunten Sanger davon. Nach kur5:er Zeit hatte es mit ihm die Kiiste erreicht, nach der er hingewollt hatte, und setzte ihn sanft im Schilfe nieder. Der Dichter sang seinem Retter ein frohes Lied und ging dankbar von dannen. Nach einiger Zeit ging er einmal am Ufer des Meers allein und klagte in sxiBen Tonen uber seine verlorenen Kleinode, die ihm als Erinnerungen gliicklicher Stunden und als Zeichen der Liebe und Dankbarkeit so wert gewesen waren. Indem er so sang, kam plotzlich sein alter Freund im Meere frohlich dahergerauscht und lieG aus seinem Rachen die geraubten Schat^ze auf den Sand fallen. Die Schiffer hatten, nach des Sagers Sprunge, sich sogleich in seine Hinterlassenschaft zn teilen angefangen. Bei dieser Teilung war Streit unter ihnen entstanden und stopften
hatte sich in einen morderischen
Kampf
geendigt,
der den meisten das Leben gekostet; die wenigen, die
ubrig geblieben, batten allein das Schiff nicht regieten
konnen, und es war bald auf den Strand geraten, wo und unterging. Sie brachten mit genauer
es scheiterte
Not das Leben davon und kamen mit leeren Handen und zerrissenen Kleidern ans Land, und so kehrten durch die Hiilfe des dankbaren Meertiers, das Schatze
im Meere
aufsuchte, dieselben in die
die
Hande
ihres alten Besitzers zuruck.“
Drittes Kapitel
andere Geschichte*", fuhren die Kaufleute nach einer Pause fort, „die freilich nicht so wunder-
bar und auch aus spatern Zeiten
wird Euch vielleicht doch gefallen und Euch mit den Wirkungen jener wunderbaren Kunst noch bekannter machen.
Konig
Ein
alter
und
breit stromten
hielt einen
ist,
glanzenden Hof. Weit
Menschen herzu,
um
Herriichkeit seines Lebens zu haben,
und
teil
an der
es gebrach
weder den taglichen Festen an "DberfluB kostlicher Waren des Gaumens noch an Musik, prachtigen Verzierungen und Trachten und tausend abwechselnden Schauspielen
und
Zeitvertreiben,
noch end-
lich an sinnreicher Anordnung, an klugen, gefalligen und unterrichteten Mannern zur Unterhaltung und
Beseelung der Gesprache und an schoner, anmutiger
Jugend von beiden Geschlechtern, die die eigentSeele reizender Feste ausmachen. Der alte Konig, der sonst ein strenger und ernster Mann war, hatte zwei Neigungen, die der wahre AnlaB dieser prachtigen Hofhaltung waren und denen sie ihre schone Einrichtung zu danken hatte. Eine war die
liche
154
Ztolichkeit
fiir
seine Tochter, die
seiner friih verstorbenen
ihm als Andenken
Gemahiin und
als ein
un-
Madchen unendlich war und fur die er gern aUe Schatze der Natur und alle Macht des menschlichen Geistes aufgeboten hatte, um ihr einen Himmel auf Erden zu verschaffen. Die andere war eine wahre Leidenschaft fur die Dichtkunst und ihre Meister. Er hatte von Jugend auf die Werke der Dichter mit innigem Vergniigen gelesen, an ihre Sammiung aus alien Sprachen groBen FleiB und groBe Sununen gewendet und von jeher den Umgang der Sanger liber alles geschatzt. Von alien Enden zog er sie an seinen Hof und iiberhaufte sie mit Ehren. Er ward nicht miide, ihren Gesangen zuzuhoren, und yergaB oft die wichtigsten Angeaussprechiich liebenswiirdiges teuer
legenheiten, ja die Bedxirfnisse des Lebens iiber
einem neuen, hinreiBenden Gesange. Seine Tochter war unter Gesangen aufgewachsen, und ihre ganze Seele war ein zartes Lied geworden, ein einfacher Ausdruck der Wehmut und Sehnsucht. Der wohl-
und geehrten Dichter im ganzen Lande, besonders aber am
tatige EinfluB der beschiitzten
zeigte sich
Hofe.
Man genoB
das
Leben mit langsamen, kleinen
Ziigen wie einen kostlichen Trank und mit desto
reinerem Wohlbehagen, da
alle
widrigen gehassigen
Leidenschaften wie MiBtone von der sanften harmonischen Stimmung verscheucht wurden, die in alien Gemiitern herrschend war. Frieden der Seele und inneres seliges Anschauen einer selbstgeschaffenen, gliicklichen Welt war das Eigentum dieser wunderbaren Zeit geworden, und die Zwietracht erschien nur in den alten Sagen der Dichter als eine 155
ehmalige Feindin der Menschen. Es schien,
als
hatten
Gesanges ihrem Beschutzer kein liebZeichen der Dankbarkeit geben konnen als
die Geister des licheres
seine Tochter, die alles besaB,
was
die siiBeste Ein-
bildungskraft nur in der zarten Gestalt eines
chens vereinigen konnte.
Wenn man
sie
Mid-
an den
schonen Fasten unter einer Schar reizender Gespielen,
im weiBen gl^zenden Gewande
erblickte,
den Wettgesangen der begeisterten Sanger jtnit tiefem Lauschen zuhdrte und errotend einen duftenden Kranz auf die Locken des Glucklichen dnickte, dessen Lied den Preis gewonnen hatte: so
wie
hielt
sie
man
sie
fur die sichtbare Seele jener herrlicben
Kunst, die jene Zauberspriiche beschworen batten,
und horte
auf,
sich xiber die
Entzuckimgen und
Melodien der Dichter zu wundern. Mitten in diesem irdischen Paradiese schien jedoch ein geheimnisvoUes Schicksal
zu schweben. Die
ein-
Gegenden betraf die Vermahlung der aufbliihenden Prinzessin, von der die Fortdauer dieser seligen Zeiten und das Verhangnis des ganzen Landes abhing. Der Konig ward immer Hter. Ihm selbst schien diese Sorge lebhaft am Herzen zu liegen, und dock zeigte sich keine Aussicht zu einer Vermahlung fur sie, die alien Wiim schen angemessen gewesen ware. Die heilige Ehrfurcht fur das konigliche Haus erlaubte keinem zige Sorge der
Bewohner
dieser
Untertan, an die Moglichkeit zu denken, die Prin-
zu besitzen. Man betrachtete sie wie ein liberWesen, und alle Prinzen aus andern Landern, die sich mit Anspriichen auf sie am Hofe gezeigt batten, schienen so tief unter ihr zu sein, daB kein
zessin
irdisches
156
Mensch auf den Einfall kam, die Prinzessin oder der Kdnig werde die Augen auf einen unter ihnen richten. Das Gefiihl des Abstandes hatte sie auch allmahlicli aUe verscheucht, und das ausgesprengte Geniclit des ausschweifenden Stokes dieser kdniglichen Familie schien andern alle Lust zn benehmen, sich ebenfalls gedemiitigt 2u sehn. Gan^: unbegriindet
war auch
dieses Geriicht nicht.
Der Konig war
bei
Milde beinah unwiilkurlich in ein Gefuhl der Erhabenheit geraten, was ihm jeden Gedanken an
aller
seiner Tochter mit einem Manne von niedrigerem Stande und dunklerer Herkunft
die
Verbindung
unmdglich oder unertraglich machte. Ihr hoher, einWert hatte jenes Gefuhl in ihm immer mehr bestatigt. Er war aus einer uralten morgenlandischen Konigsfamilie entsprossen. Seine Gemahlin war der letzte Zweig der Nachkommenschaft des beruhmten Helden Rustan gewesen. Seine Dichter hatten ihm unaufhorlich von seiner Verwandtschaft mit den ehemahgen xibermenschlichen Beherrschern der Welt ziger
vorgesungen, und in
dem Zauberspiegel ihrer Kunst seiner Herkunft von dem Ur-
war ihm der Abstand
sprunge der andern Menschen, die Herrlichkeit seines
Stammes noch
heller erschienen, so daB es ihn nur durch die edlere Klasse der Dichter mit dem ubrigen Menschengeschlechte zusammenzuhangen. Vergebens sah er sich mit voller Sehnsucht nach einem zweiten Rustan um, indem er fiihlte, daB dxinkte,
das Herz seiner aufbliihenden Tochter, der Zustand seines Reichs
mahlung
in
und
sein
aller
zunehmendes Alter ihre Ver-
Absicht
sehr
wiinschenswert
machten. 157
Nicht weit von der Hauptstadt lebte auf einem abgelegenen Landgute ein alter Mann, der sich ausschlieBlich mit der Er2iehung seines ein^igen Sohnes
und nebenher den Landleuten in wichDer junge Mensch war ernst und ergab sich einzig der Wissenschaft der Natur, in welcher ihn sein Vater von Kindheit auf unterrichtete. Aus fernen Gegenden war der Alte vor ^mehreren Jahren in dies friedliche und bliihende Land gezogen und begniigte sich, den wohltatigen Frieden, den der Konig um sich verbreitete, in der Stille 2u genieBen. Er benutzte sie, die Krafte der Natur 2u erforschen und diese hinreiBenden Kenntbeschaftigte
tigen Krankheiten Rat erteilte.
nisse seinem verriet
Sohne
mitzuteilen, der viel Sinn dafiir
und dessen tiefem Gemiit
willig ihre
die Natur bereitGeheimnisse anvertraute. Die Gestalt des
jungen Menschen schien gewohnlich und unbedeu-
wenn man
tend,
nicht einen hohern Sinn
fiir
die
geheimere Bildung seines edlen Gesichts und die ungewohnliche Klarheit seiner Augen mitbrachte. Je langer man ihn ansah, desto anziehender ward er, und man konnte sich kaum wieder von ihm trennen, wenn man seine sanfte, eindringende Stimme und
anmutige Gabe, zu sprechen, horte. Eines Tages hatte die Prinzessin, deren Lustgarten an den
seine
Wald
stieBen, der das
Landgut des Alten in einem
kleinen Tale verbarg, sich allein zu Pferde in den
Wald begeben,
um
desto ungestorter ihren Phanta-
nachhangen und einige schone Gesange sich wiederholen zu konnen. Die Frische des hohen Walsien
des lockte sie
kam 158
sie
immer
tiefer in seine Schatten,
endlich an das Landgut,
wo
und so
der Alte mit
seinem Sohne
zn trinken,
Baum und
Es kam ihr die Lust an, Milch stieg ab, band ihr Pferd an einen
lebte.
sie
um sich einen Trunk war gegenwmig und Sohn Der
trat in das
Milch aus2ubitten.
Haus,
erschrak beinah iiber diese ^auberhafte Erscheinung
Wesens, das, mit Reizen der Jugend und Schonheit geschmuckt und von einer unbeschreiblich anziehenden Durchsichtigkeit der zartesten, unschuldigsten und edelsten'' eines majestatischen weiblichen alien
beinah vergottlicht wurde. Wahrend er elite, ihre wie Geistergesang tonende Bitte zu erfullen, trat ihr der Alte mit bescheidner Ehrfurcht entgegen Seele,
und lud sie ein, an dem einfachen Herde, der mitten im Hause stand und auf welchem eine leichte blaue Flamme ohne Gerausch emporspielte, Platz zu nehmen. Es fiel ihr gleich beim Eintritt der mit tausend seltenen Sachen gezierte Hausraum, die Ordnung und Reinlichkeit des Ganzen und eine seltsame Heideren Eindruck noch durch den schlicht gekleideten ehrwiirdigen Greis und den bescheidnen Anstand des Sohnes erhohet wurde. Der
ligkeit des Ortes auf,
Alte hielt
sie gleich fur eine
zum Hof gehorige
Per-
wozu ihre kostbare Tracht und ihr edles Betragen ihm AnlaB genug gab. Wahrend der Abson,
wesenheit des Sohnes befragte
sie
ihn
um
einige
Merkwurdigkeiten, die ihr vorziiglich in die Augen Helen, worunter besonders einige alte, sonderbare
Bilder waren, die neben ihrem Sitze auf standen,
und
er
war
dem Herde
bereitwillig, sie auf eine an-
mutige Art damit bekannt zu machen. Der Sohn kam bald mit einem Kruge voll frischer Milch zunick reichte ihr denselben
und
mit ungekiinsteltem und ehr159
furchtsvoUem Wesen. Nach einigen anziiehenden Gesprachen mit beiden dankte sie auf die lieblichste
Weise
fiir
die freundliche Bewirtung, bat errotend
um
wiederkommen und Gesprache iiber die vielen mindetbaren Sachen genieBen zu diirfen, und ritt 2uruck, ohne ibren Stand verraten zu haben, da sie merkte, den Alten
die Erlaubnis,
seine lehrreichen
daB Vater und Sohn sie nicht kannten. Ohnerachtet die Hauptstadt so nahe lag, batten beide, in ihre
Gewiihl der Menschen zu vermeiden gesucbt, und es war dem Jungling nie eine Lust angekommen, den Festen des Hofes bei-
Forscbungen
vertieft, das
zuwobnen; besonders da er seinen Vater bocbstens auf eine Stunde zu verlassen pflegte, um zuweilen im Walde nacb Schmetterlingen, Kafern und Pflanzen umberzugebn und die Eingebungen des stillen Naturgeistes dutch den EinfluB seiner mannigfaltigen auBeren Lieblichkeiten zu vernehmen. Dem Alten, der Prinzessin und dem Jungling war die einfache Begebenheit des Tages gleich wichtig. Der Alte hatte leicht den neuen, tiefen Eindruck bemerkt, den die Unbekannte auf seinen Sohn machte. Er kannte diesen genug, um zu wissen, daB jeder tiefe Eindruck bei ihm ein lebenslanglicher sein wurde. Seine Jugend und die Natur seines Herzens muBten die erste Empfindung dieser Art zur unuberwindlichen Neigung machen. Der Alte hatte eine solche Begebenheit herannahen sehen. Die hohe Liebenswiirdigkeit der Erscheinung fldBte lich eine innige
liches
Teilnahme
Gemiit entfernte
ein,
alle
und
ihm
unwillkiir-
sein zuversicht-
Besorgnisse iiber die
Entwickelung dieses sonderbaren Zufalls. Die Prin-
Tessin hatte sich
tiie
in einem ahnlichen Zustande
befunden, wie der war, in welchem
sie langsam nach Hause ritt. Es konnte vor der einaigen, helidunkien, wunderbar beweglichen Empfindung einer neuen Welt kein eigentlicher Gedanke in ihr entstehen. Ein
magischer Schleier dehnte sich in weiten Fallen ihr klares BewuBtsein.
Es war ihr,
als
wurde sie
um
sich,
wenn er aufgeschlagen wiirde, in einer uberirdischen Welt befinden. Die Erinnerung an die Dichtkunst, war zn einem fernen Gesange geworden, der ihren seltsam lieblichen Tranm mit den ehemaligen Zeiten verband. Wie sie zuriick in den Palast kam, erschrak sie die bisher ihre ganze Seele beschaftigt hatte,
beinah iiber seine Pracht und sein buntes Leben,
noch mehr aber bei der Bewillkoxnmnung ihres 2um ersten Male in ihrem Leben eine scheue Ehrfurcht in ihr erregte. Es schien
Vaters, dessen Gesicht
ihr eine unabanderliche Notwendigkeit, nichts
ihrem Abenteuer zn erwahnen.
von
Man war ihre schwar-
merische Ernstliaftigkeit, ihren in Phantasien und tiefes
Sinnen verlornen Blick schon zn gewohnt,
um
etwas AuBerordentliches darin zn bemerken. Es war
mehr so
lieblich zumute; sie schien Fremden, und eine sonderbare Banglichkeit begleitete sie bis an den Abend, wo das frohe Lied eines Dichters, der die Hoffnung pries und von den Wundern des Glaubens an die Erfullung unsrer Wiinsche mit hinreiBender Begeisterung sang, sie mit siiBem Trost erfuUte und in die angenehmsten Traume wiegte. Der Jungling hatte sich gleich nach ihrem Abschiede in den Wald verloren. An der Seite des Weges war er in Gebiischen bis an
ihr jetzt nicht
sich unter lauter
II
Nomhst Gesamnaelte Wexfce
i
i6i
die Pforten des Gartens ihr gefolgt
dem Wege
zuriickgegangen.
Wie
und dann
auf
er so ging, sah er
m seinen FiiBen einen hellen Glanz. Er buckte sick
danach und hob einen dunkelroten Stein auf, der auf und auf der anunverstandliche eingegrabene Chiffern zeigte. dern
einer Seite auBerordentlich funkelte
Er erkannte ihn fur einen kostbaren Karfunkel und glaubte ihn in der Mitte des Halsbandes an der Unbekannten bemerkt zn haben. Er eilte mit befliigelten
noch dort, und brachte den Stein seinem Vater. Sie wurden einig, daB der Sohn den andern Morgen auf dem Weg zuriickgehn und warten sollte, ob der Stein gesucht wiirde, wo er ihn dann 2:uruckgeben konnte; sonst wollten sie ihn bis 2u einem 2weiten Besuche der Unbekannten aufheben, um ihr selbst ihn zu iiberreichen. Der Jiingling betrachtete fast die ganze Nacht den Karfunkel und fiihlte gegen Morgen ein unwiderstehliches Verlangen, einige Worte auf den Zettel 2u schreiben;, in welchen er den Stein einwickelte. Er wuBte selbst nicht genau, was er sich bei den Worten dachte, die er hinschrieb Schritten nach Hause, als
ware
sie
:
Es
ist
dem
Stein ein ratselhaftes Zeichen
Tief eingegraben in seicugluhend Blut,
Er
ist
In
dem
mit einem Herzen zn vergleichen, das Bild der Unbekannten ruht.
Man sieht um
jenen tausend
Funken
streichen,
Um dieses woget eine lichte Flut. In jenem liegt des Glances Licht begraben,
Wird
dieses
auch das Httz des Herzens haben?
Kaum
daB der Morgen anbrach, so begab er sich schon auf den Weg und eilte der Pforte des Gartens 2U.
Unterdessen hatte die Prinzessin abends beim Auskleiden den teuren Stein in ihrem Halsbande verrniBt,
der ein
Andenken ihrer Mutter und noch dazu
ein Talisman war, dessen Besitz ihr die Freiheit ihrer
Person
sicherte,
indem
sie
damit nie in fremde Ge-
walt ohne ihren Willen geraten konnte.
Dieser Verlust befremdete sie mehr,
als
daB er
sie
erschreckt hatte. Sie erinnerte sich, ihn gestern bei
dem fest,
dem
Spazierritt noch gehabt 2u haben, und glaubte daB er entweder im Hause des Alten oder auf Riickwege im Walde verloren gegangen sein
miisse ; der Weg war ihr noch in frischem Andenken, und so beschloB sie, gleich friih den Stein aufzusuchen, und ward bei diesem Gedanken so heiter, daB es fast das Ansehn gewann, als sei sie gar nicht
dem
AnlaB gabe, jenen Weg sogleich noch einmal 2u machen. Mit dem Tage ging sie durch den Garten nach dem Walde, un2ufrieden mit
und weil
Verluste, weil er
ging als gewohnlich, so fand daB ihr das Her2 lebhaft schlug und ihr die Brust beklomm. Die Sonne fing eben an, die Wipfel der alten Baume 2u vergolden, die sich mit sanftem Fliistern bewegten, als woUten sie sich sie es
sie eilfertiger
gan2
natiirlich,
gegenseitig aus nachtlichen Gesichtern erwecken,
um die Sonne gemeinschaftlich 2u begriiBen, als
die
Prin2 essin, durch ein femes Gerausch reranlaBt, den
Weg
und den Jungling auf sich 2ueilen demselben Augenblick ebenfalls sie be-
hinunter
sah, der in
merkte. 163
Wie
Weile stehn und
angefesselt blieb er eine
blickte unverwaixdt sie
m,
gleichsam
um
sich zn
uber2eugen, daB ihre Efscheinung wirklich und keine Tauschung sei. Sie begriiBten sich mit einem zuriickgehaltenen Ausdruck
von Freude,
schon lange gekannt und geliebt.
als
batten sie sich
Noch ehe
die Prin-
zessin die Ursache ihres friihen Spazierganges
ihm
entdecken konnte, iiberreichte er ihr mit Erroten
und Herzklopfen den Stein in dem beschriebenen ZetteL Es war, als ahndete die Prinzessin den Inhalt
nahm ihn stillschweigend mit zitternHand und hing ihm zur Belohnung fur seinen gliicklichen Fund beinah unwillkurlich eine goldne
der Zeilen. Sie
der
Kette um, die er
sie
um den Hals trug. Beschamt kniete
vor ihr und konnte, da
sie sich
erkundigte, einige Zeit keine
nach seinem Vater
Worte finden.
Sie sagte
und mit niedergeschlagenen Augen, daB sie bald wieder zu ihnen kommen und die Zusage
ihm
halbleise
des Vaters, sie mit seinen Seltenheiten bekannt zu
machen, mit vieler Freude benutzen wiirde. Sie dankte
dem
Junglinge noch einmal mit un-
gewohnlicher Innigkeit und ging hierauf langsam, zuriick. Der Jungling konnte Wort vorbringen. Er neigte sich ehrfurchtsvoU
ohne sich umzusehen, kein
den Baumen verschwand. Nach dieser Zeit vergingen wenig Tage bis Zu ihrem zweiten Besuche, dem bald mehrere folgten. Der Jungling ward unvermerkt ihr Begleiter bei diesen Spaziergangen, Er holte sie zu bestimmten Stunden am Garten ab und brachte sie dahin zuruck.
und sah
ihr lange nach, bis sie hinter
Sie beobachtete ein unverbriichliches Stillschweigen fiber ihren Stand, so zutraulich sie
164
auch sonst gcgen
ihren Begleiter wurde,
dem
bald kein Gedanke in
ihrer himmlischen Seele verborgen blieb. Es war, als fldBte ihr die Erhabenheit ihrer Herkunft eine geheime Furcht ein. Der Jungling gab ihr ebenfalls
seine ganze Seele, Vater und Sohn hielten sie fiir ein vornehmes Madchen vom Hofe. Sie hing an dem
Alten mit der ZartHchkeit einer Tochter. Ihre Lieb-
kosungen gegen ihn waren die enteiickenden Vorboten ihrer Zartlichkeit gegen den Jungling, Sie ward bald einheimisch in dem wunderbaren Hause;
und wenn sie dem Alten und dem Sohne, der zn ihren FuBen saB, auf ihrer Laute reizende Lieder mit einer uberirdischen Stimme vorsang und letzteren in dieser lieblichen Kunst unterrichtete so erfuhr sie dagegen von seinen begeisterten Lippen die Entrat:
selung der iiberall verbreiteten Naturgeheimnisse,
Er
^
lehrte ihr, wie durch wundervoUe Sympathie die Welt entstanden sei und die Gestirne sich zu melodischen Reigen vereinigt hatten. Die Geschichte der Vorwelt ging durch seine heiligen Erzahlungen in ihrem Gemut auf; und wie entziickt war sie, wenn ihr Schiiler, in der FuUe seiner Eingebungen, die Laute ergrilF xmd mit unglaublicher Gelehrigkeit in die wundervoUsten Gesange ausbrach, Eines Tages, als
ein besonders kiihner
Schwnng
sich seiner Seele
in ihrer Gesellschaft bemachtigt hatte tige Liebe auf
dem Riickwege
Zuriickhaltung
mehr
und
die
mach-
ihre jungfrauliche
gew5hnlich xiberwand, so daB sie beide, ohne selbst zu wissen wie, einander in die Arme sanken und der erste gliihende KuB sie auf ewig zusammenschmelzte, fing mit einbrechenals
der Dammerung ein gewaltiger Sturm in den Gipfeln
der
Baume plotelich zn toben
an.
Drohende WetterDunkel iiber
wolken zogen mit tiefem nachtlichen sie her.
Er
eilte, sit
in Sicherheit
vor dem
fiirchter-
und den brechenden Baumen zu bringen: aber er verfehlte in der Nacht und voll Angst wegen seiner Geliebten den Weg und geriet immer defer in den Wald hinein. Seine Angst wuchs, lichen Ungewitter
wie er seinen Irrtum bemerkte. Die Prin5:essin dachte an das Schrecken des Konigs und des Hofes; eine unnennbare Angstlichkeit fuhr zuweilen wie ein zerstorender Strahi durch ihre Seele,
und nur
die
Stimme ihres Geliebten, der ihr unaufhorlich Trost
Mut und Zutrauen zuruck und beklommne Brust. Der Sturm wiitete fort; alle Bemxihungen, den Weg zn finden, waren vergeblich, und sie priesen sich beide gliickzusprach, gab ihr erleichterte ihre
lich,
bei der Erleuchtung eines Blitzes eine
nahe
Hohle an dem
steilen
Abhang eines waldigen Hiigels
zu entdecken,
wo
eine sichere Zuflucht
sie
gegen die
Gefahren des Ungewitters zu finden hofften und eine Ruhestatte
fiir
ihre erschopften Krafte.
begiinstigte ihre Wiinsche.
Das Gliick
Die Hohle war trocken
und mit reinlichem Moose bewachsen. Der Jiingling Feuer von Reisern und Moos an, woran sie sich trocknen konnten, und die beiden Liebenden sahen sich nun auf eine wunderbare Weise yon der Welt entfernt, aus einem gefahrvollen Zustande gerettet und auf einem bec^uemen, warmen
ziindete schnell ein
Lager
allein
nebeneinander.
Ein wilder Mandelstrauch hing mit Frxichten beladen in die Hohle hinein, und ein nahes Rieseln lieB sie frisches Wasser zur Stillung ihres Durstes finden.
Die Laute hatte der Jiingling mitgenommen, und sie gewahrte ihnen jetzt eine aufheiternde und beruhigende Unterhaltung bei dem knisternden Feuer. Eine hohere Macbt schien den Knoten schneller losen zu wollen und btachte sie unter sonderbaren Umstanden in diese romantische Lage.
zen, die 5:auberhafte
Die Unschuld ihrer
Stimmung
ihrer Gemiiter
Her--
und
verbundene unwiderstehliche Macht ihrer siiBen Leidenschaft und ihrer Jugend lieB sie bald die Welt die
und ihre Verhaltnisse vergessen und wiegte sie unter dem Brautgesange des Sturms und den Hochzeitsfackeln der Blitze in den siiBesten Rausch ein, der je
Der Anbruch das Erwachen
ein sterbliches Paar beseligthabenmag.
des lichten blauen Morgens war fiir
sie
Ein Strom heiCer Tranen, der jedoch bald aus den Augen der Prinzessin hervorbrach, verriet ihrem Geliebten die erwachenden tausendfachen Bekummernisse ihres Herzens. Er war in dieser Nacht um mehrere Jahre alter, aus einem Junglinge zum Manne geworden. Mit xiberschwenglicher Begeisterung trostete er seine Geliebte, erinnerte sie an die Heiligkeit der wahrhaften Liebe und an den hohen Glauben, den sie einfldBe, und bat sie, die heiterste Zukunft von dem Schutzgeist ihres Herzens mit Zuversicht zu erwarten. Die Prinzessin fiihlte die Wahrheit seines Trostes und entdeckte ihm, sie sei die Tochter des Konigs und nur bange wegen des Stolzes und der Bekummernisse ihres Vaters. Nach langen reiflichen Uberlegungen wurden sie fiber die zu fassende EntschlieBung einig, und der Jiingling machte sich sofort auf den Weg, um seinen Vater aufzusuchen und diesen mit ihrem
in einer neuen seligen Welt.
Plane bekannt 2u machen.
wieder bei ihr zn sein,
und
Er versprach, in kur^em verlieB sie bemhigt und
in siiBen Vorstellungen der kiinftigen Entwicklxing dieser Begebenheiten.
Der Jiingling hatte bald seines
Wohnung erreicht, und der Alte war sehr erfreut, ihn unverlet2:t ankommen zu sehen. Er erfuhr Vaters
nun die Geschichte und den Plan der Liebenden und bezeigte sich nach einigem Nachdenken bereitwillig, ihn zn unterstiitzen. Sein Haus lag ziemlich versteckt und hatte einige unterirdische Zimmer, die nicht leicht aufzufinden
Wohnung
waren. Hier sollte die
der Prinzessin sein. Sie ward also in der Dammerung
abgeholt
und mit
tiefer
Riihrung von
dem Alten
empfangen. Sie weinte nachher oft in der Einsamkeit,
wenn sie ihres
verbarg
sie
ihren
sagte es nur
traurigen Vaters gedachte:
doch
Kummer vor ihrem Geliebten und
dem
Alten, der sie freundlich trdstete
und ihr die nahe Riickkehr zu ihrem Vater vorstellte. Unterdes war man am Hofe in groBe Bestiirzung geraten, als abends die Prinzessin
vermiBt wurde.
Der Konig war ganz auBer sich und schickte iiberall Leute aus, sie zu suchen. Kein Mensch wuBte sich
kam
ein
heimliches Liebesverstandnis in die Gedanken,
und
ihr
Verschwinden zu erklaren. Keinem
so ahndete
man keine
Entfohrung, da ohnedies kein
Mensch waiter fehlte. Auch nicht zu der entferntesten Vermutung war Grund da. Die ausgeschickten Boten kamen unverrichteter Sache zuriick, und der Konig fiel in tiefe Traurigkeit. Nur wenn abends seine Sanger vor ihn kamen und sch 5 ne Lieder mitbrachten, war es, als lieBe sich die alte Freude wieder vor ihm blicken; seine Tochter diinkte ihn nah, und i6S
er schopfte HofFnung, sie bald wieder^usehen. er aber wieder allein, so 2:erriB es
das Herz,
und
er weinte laut.
War
ihm von neuem
Dann
gedachte er bei
,Was hilft mir nun alle die Herrlichkeit und meine hohe Geburt? Nun bin ich doch elender als die andern Menschen. Meine Tochter kann mir nichts ersetzen. Ohne sie sind auch die Ges^ge nichts als leere Worte und Blendwerk. Sie war der Zauber, der ihnen Leben und Freude, Macht und Gestalt gab. Wollt ich doch lieber, ich ware der geringste meiner Diener. Dann hatte ich meine Tochter noch; auch wohl einen Eidam dazu und Enkel, die mir auf den Knien saBen: dann ware ich ein anderer sich selbst:
Konig als jetzt. Es ist nicht die Krone und das Reich, was einen Konig macht. Es ist jenes voile, iiberflieBende Gefuhl der Gliickseligkeit, der Sattigung
mit irdischen Giitern, jenes Gefiihl der tiberschweng-
So werd ich nun fur meinen Ubermut Der Verlust meiner Gattin hat mich noch nicht genug erschiittert. Nun hab ich auch ein grenzenloses Elend,^ So klagte der Konig in den Stunden
lichen Geniige. bestraft.
der heiBesten Sehnsucht. Zuweilen brach auch seine alte
Strenge und sein Stolz wieder hervor.
Er ziirnte
Konig woUte er dulden
Kkgen; und schweigen. Er meinte dann, er leide mehr als alle anderen und es gehore ein groBer Schmerz zum Konigtum; aber wenn es dann dammerte und er in die ZHmmer seiner Tochter trat und sah ihre Kleider hmgen und ihre kleinern Habseligkeiten stehn, als habe sie eben das Zimmer verlassen: so vergaB er iiber seine
wie ein
seine Vorstoe, gebardete sich wie ein triibseliger
Mensch und rief seine geringsten Diener um Mideid 169
Die ga£i2 e Stadt und das gan5:e Land weinten und klagten von ganzem Her2 en mit ihm. Sonderlich war es, daB eine Sage umherging, die Prin2essin lebe noch xmd werde bald mit einem Gemahl wiederkommen. Kein Mensch wuBte, woher die Sage kam: aber alles lung sich mit frohem Glauben daran und an.
sah mit ungeduldiger Erwartung ihrer baldigen Wie-
Monde, ,Was gilts", sagten einige in wunderlichem Mute, ,nun kommt auch die Prinzessin wieder." Selbst der Konig ward heitrer und hoffnungsvoller. Die Sage diinkte ihn wie die VerheiBung einer giitigen Macht. Die ehemaligen Feste fingen wieder an, und es schien zum volligen Aufbluhen der alten Herrlichkeit nur noch die Prinderkunft entgegen. So vergingen mehrere
bis das Frulijahr wieder herankam.
zessin
zu
fehlen. Eines
wurde, daB
sie
Abends, da
Garten versammelt. Die Luft war ein leiser
Wind
es
gerade jahrig
verschwand, war der ganze tonte nur
Hof im
warm und
heiter;
oben in den alten Wipfeln
wie die Ankiindigung eines fernen frohlichen Zuges.
Ein machtiger Springquell stieg zwischen den vielen Fackeln mit zahllosen Lichtern hinauf in die Dunkeltonenden Wipfel und begleitete mit melodischem Platschern die mannigfaldgen Gesange, die unter den Baumen hervorklangen. Der K5nig saB
heit der
auf einem kostlichen Teppich, der
Hof
und
um ihn her war
in festlichen Kleidern versammelt. Eine
zahlreiche
Menge erfullte den Garten und umgab
das
prachtvoUe Schauspiel. Der Konig saB eben in tiefen
BM
Gedanken. Das seiner verlornen Tochter stand mit ungew5hnlicher Klarheit vor ihm; er gedachte der gliicklichen Tage, die
um diese
Zeit
im vergan-
genen Jahre ein plotzliches Ende nahmen. Eine heiBe Sehnsucht xibermaonte ihn, und es flossen haufige
Tranen von seinen ehrwiirdigen Wangen, docli empfand er eine ungewohnliche Heiterkeit. Es diinkte ihn das traurige Jahr nur ein schwerer Traum zu sein, und er hob die Augen auf, gleichsam urn ihre hohe, heilige, enteuckende Gestalt unter den Men™ schen und den Baumen aufeusuchen. Eben hatten
und eine tiefe Stille schien das Zeichen der allgemeinen Ruhrung zn sein, denn die
die Dichter geendigt,
Dichter hatten die Freuden des Wiedersehns, den Fruhling und die Zukunft besungen, wie sie die HofFnung 2u schmiicken pflegt. Plotzlich wurde die Stille durch leise Laute einer unbekannten schonen Stimme unterbrochen, die von einer uralten Eiche
herzukommen schienen. AUe und man sah einen Jiing-
Blicke richteten sich dahin,
ling in einfacher, aber fremder Tracht stehen, der
Arm hielt und ruhig in seinem Gesange indem er jedoch, wie der Konig seinen Blick nach ihm wandte, eine tiefe Verbeugung machte. Die Stimme war auBerordentlich schon, und der Gesang trug ein fremdes, wunderbares Geprage. Er handelte von dem Ursprunge der Welt, von der eine Laute im fortfuhr,
Entstehung der Gestirne, der Pflanzen, Tiere und Menschen, von der allmachtigen Sympathie der Na™ tur, von der uralten goldenen Zeit xind ihren Be-
und Poesie, von der Erscheinung des Hasses und der Barbarei und ihren Kampfen mit jenen wohltatigen Gottinnen, und endlich von dem zukunftigen Triumph der letztern, dem Ende der Triibsale, der Verjtingung der Natur herrscherinnen, der Liebe
und der Wiederkehr eines ewigen goldenen ZeitDie alten Dichter traten, selbst von Begeisterung hingerissen, wahrend des Gesanges naher urn den seitsamen Fremdiing her. Ein niegefiihltes alters.
und der Konig selbst fiihlte sich "wie auf einem Strom des Himmels •weggetragen. Ein solcher Gesang war nie vernommen worden, und alle glaubten, ein himmlisches Entzucken
Wesen
sei
ergriff die
Zuschauer,
unter ihnen erschienen, besonders da der
Jtingling unterm Singen immer schoner, licher
immer herr-
und seine Stimme immer gewaltiger zu werden
Die Luft spielte mit seinen goldenen Locken. Die Laute schien sich unter seinen Handen zu beseelen, und sein Blick schien trunken in eine geheimere scbien.
Welt hiniiberzuschauen.
Auch
die Kinderunschuld
und
Einfalt seines Gesichts schien alien ubernatiir-
lich.
Nun war
der herrliche Gesang geendigt. Die
den Jungling mit Freustilles inniges Jauchzen ging dutch die Versammlung. Der Konig kam geriihrt auf ihn zu. Der Jungling warf sich ihm bescheiden zu FuBen. Der Konig hob ihn auf, umarmte bejahrten Dichter driickten
dentranen an ihre Brust. Ein
ihn herzlich
Da
und hieB
ein Lied
Gabe ausbitten. Wangen den Konig, noch
ihn, sich eine
bat er mit gliihenden
gnadig anzuhoren und dann iiber seine Bitte
zu entscheiden. Der Konig trat einige Schritte zuruck, tmd der Fremdiing fing an:
Der Sanger geht auf rauhen Pfaden, ZerreiSt in Dornen sein Gewand; Er muB durch FluB und Sumpfe baden, Und keins reicht hulfreich ihm die Hand.
nz
Einsam imd pfadlos
flieBt in
IGagen
Jetzt liber sein ermattet Her2;
Er kann Ifan
die Laute
ubermannt ein
kaum noch
tragen,
tiefer Schmers:.
jEin traurig Los ward mir beschieden,
Ich
irre
ganz veriassen
Ich brachte alien
Dock
Lixst
hier,
und Frieden,
keiner teiite sie mit mir.
Es wird
ein jeder seiner
Habe
Und seines Lebens frok durch mich; Dock weisen sie mit karger Gabe Des Herzens Forderung von
sick.
Man IdBt mich rukig Abschied
nehmen, Wie man den FruhJing wandern sieht; Es wird sick keiner um ikn gr^en, Wenn er betrubt von dannen zieht. Verlangend sehn sie nach den Friichten Und wissen nicht, daB er sie sat; Ick kann den Himmel fiir sie dichten. Gebet, Dock meiner denkt nicht dankbar Zaubermachte Lippen festgebannt. O! kniipfte nur an meine Rechte Sick auch der Liebe Zauberband.
Ich
fiihle
An
diese
Es kummert keine sick des Armen, Der diirftig aus der Feme kam; Welch Herz wird sein sick noch erbarmen Und losen seinen tiefen Gram?‘
173
Er
sinkt
im hohen Grase nieder
Und schltft mit nassen Wangen ein; Da schwebt der hohe Geist der Lieder In die beklemmte Brust hinein: jVergiB anjetzt, was
du
gelitten,
In kurzem schwindet deine Last, Was du umsonst gesucht in Hiitten,
Das wifst du j&nden im
Palast.
Du nahst dem hochsten Erdenlohne, Bald endigt der verschlungne Lauf;
Der Myrtenkranz wird Dir
setzt die treuste
eine Krone,
Hand
Ein Herz voll Einklang
ist
sie auf.
berufen
Zur Glorie um einen Thron; Der Dichter steigt auf rauhen Stufen Hinan und wird des Konigs Sohn/ So weit war er in seinem Gesange gekommen, und ein sonderbares Erstaunen batte sich der Versammlung bemachtigt, als wahrend dieser Strophen ein alter stalt
Mann
mit einer verschleierten weiblichen Ge-
von edlem Wuchse, die ein wunderschones Kind
dem Arme
fremden Versammlung umhersah und lachelnd nach dem blitzenden Diadem des Konigs die kleinen Handchen streckte, zum Vorschein kamen und sich hinter den auf
Sanger
stellten;
trug, das freundlich in der
aber das Staunen wuchs, als pldtzlich
aus den Gipfeln der alten
Baume
der Lieblingsadler
immer um sich hatte, mit einer goldenen Stirnbinde, die er aus seinen Zimmern entwandt haben muBte, herabflog und sich auf das des Konigs, den er
174
.
Haupt des Junglings niederlieB, so daB die Binde sich um seine Locken schlug. Der Fremdling er« schrak einen Augenblick; der Adler flog an die Seite des Konigs
und lieB
reichte sie
dem
die
Binde
znriick.
Der
Jiingling
Kinde, das darnach verlangte^, lieB
Knie gegen den K5nig nieder nnd fuhr Gesange mit bewegter Stimme fort:
sich auf ein
in seinem
Der Sanger
fahrt aus
schonen Traumen
Mit froher Ungeduld empor; Er wandelt nnter hohen Baumen Zu des Palastes ehrnem Tor. Die Manern sind wie Stahl geschliffen,
Doch Es
erklimmt sein Lied geschwind,
sie
steigt,
Zu ihm
von Lieb und Weh
Die Liebe
driickt sie fest
Der Klang der Pan2 er
zusammen,
treibt sie fort;
Sie lodern auf in siiBen
Im
ergriffen,
hinab des Konigs Kind.
Flammen
nachtlich stillen Zufluchtsort.
Sie halten furchtsam sich verborgen,
Weil
sie
der Zorn des Konigs schreckt,
Und werden nun von jedem Morgen Zu Schmeriz und Lust Mgleich erweckt. Der Sanger spricht mit sanften Klangen Der neuen Mutter Hofihung ein; Da tritt, gelockt von den Gesangen, Der Konig in die Kluft hinein. Die Tochter
reicht in
Den Enkel von
goldnen Locken
der Brust
ihm
hin;
175
Sie sinken reuig
Und
und erschrocken,
mild zergeht sein stranger Sinn*
Der Liebe weicht und dem Gesange Auch auf dem Thron ein Vaterher2 Und wandelt bald in suBem Drange Zu ewger Lust den tiefen Schmerz. Die Liebe gibt, was sie entrissen, Mit reichem Wucher bald zuriick,
Und
unter den Versohnungskussen
Entfaltet sich ein liimmlisch Gliick.
Geist des Gesangs,
Und
komm
du hernieder
steh auch jet2t der Liebe bei;
Bring die verlorne Tochter wieder,
DaB ihr der Konig Vater sei! — DaB er mit Freuden sie umschlieBet Und seines Enkels sich erbarmt Und, wenn das Htxz ihm uberfiieBet, Den Sanger auch als Sohn umarmt* Der Jungling hob mit bebender Hand bei diesen Worten, die sanft in den dunklen Gangen verhallten, den Schleier. Die Prinzessin fiel mit einem Strom von Tranen zu den FiiBen des Konigs und hielt ihm das sch 5 ne Kind hin. Der Sanger kniete mit gebeugtem Haupte an ihrer Seite. Eine mgstliche Stille schien
jeden
Atem
festzuhalten.
Der Konig war
einige
Augenblicke sprachlcs und ernst; darm zog er die Prinzessin an seine Brust, driickte sie lange fest an sich und weinte laut. Er hob nun auch den Jungling zu sich auf und umschloB ihn mit herzlicher Zart-
176
iichkeit.
Ein helles Jauch2en flog durch die Versamm-
Der Kdnig nahm das Kind xmd reichte es mit riihrender Andacht gen Himmel; dann begniBte er freundlich den Alten. Unendlung, die sich dicht zudrangte.
Freudentrmen flossen. In Ges^ge brachen die Dichter aus, und der Abend ward ein heiliger Vorabend dem ganzenLande, dessen Leben fortan nur ein schones Fest war. KeinMensch wei6,wo das Land bingekommen ist. Nur in Sagen heiBt es, daB Atlantis Yon machtigen Fluten den Augen entzogen worden sei.^*^ liche
Viertes Kapitel
Einige Tagereisen waren ohne die mindeste Unterbrecbung geendigt. Der Weg war fest und trok-
und die Gegenden, durch die sie kamen, fruchtbar, bewohnt und mannigfaltig. Der furchtbare Thiiringer Wald lag im Rxicken; die Kaufleute batten den Weg ken, die Witterung erquickend
ofterer gemacht,
waren
iiberall
und
heiter
mit den Leuten be-
kannt und erfuhren die gastfreiste Aufnahme. Sie
vermieden die abgelegenen und durch Raubereien bekannten Gegenden und nahmen, wenn sie je ge^wungen waren, solche zu durchreisen, ein hinlangbcbes Geleite mit. Einige Besitzer benachbarter
gutem wurden besucht und bei ihnen nachgefragt, ob sie Bestellungen nacb Augsburg zu macben batten. Eine freundliche Bewirtung ward ihnen zuteil, xmd die Frauen und Tocbter drangten Bergscblosser standen mit den Kaufleuten in
Vemehmen.
Sie
sicb mit berzlicber Neugier
um
die Fremdlinge.
Heinrichs Mutter gewann sie bald durch ihre gutxt
NopaiiSy
Gesammelte Wetke
i
177
miltige Bereitwilligkeit
und Teilnahme.
Man war
erfreut, eine Frau aus der Residen2:stadt zu sehn, die
ebenso willig die Neuigkeiten der Mode als die 2ubereitung einiger schmackhafter Schiisseln mitteilte.
Der junge Ofterdingen ward von Rittern und Frauen wegen seiner Bescheidenheit und seines ungezwungenen milden Betragens gepriesen, und die letetern verweilten gern auf seiner einnehmenden Gestalt, die wie das einfache Wort eines Unbekannten war, das man fast liberhort, bis langst nach seinem Abschiede es seine tiefe, unscheinbare Knospe immer mehr auftut und endlich eine herrliche Blume in allem zeigt, es
Farbenglanze so daB
man
dichtverschlungener
es nie vergiBt, nicht
Blatter
miide wird,
zu wiederholen, und einen unversieglichen, immer
gegenwartigen Schatz daran hat.
Man
besinnt sich
nun genauer auf den Unbekannten und ahndet und ahndet, bis es auf einmal klar wird, daB es ein Bewohner der hohern Welt gewesen sei. — Die Kaufleute erhielten eine
man
groBe
Menge
Bestellungen,
trennte sich gegenseitig mit herzlichen
und
Wun~
Auf einem dieser gegen Abend hinkamen, ging es frohlich zu. Der Herr des Schlosses war ein alter Kriegsmann, der die MuBe des Friedens und die schen, einander bald wiederzusehn. Schlosser,
wo
sie
Einsamkeit seines Aufenthalts mit oftern Gelagen
und unterbrach und auBer dem Kriegsgetiimmel und der Jagd keinen andern Zeitvertreib kannte als den gefxillten Becher.
feierte
Er empfing
die
Ankommenden mit
briiderlicher
larmenden Genossen. Die Mutter ward zur Hausfrau gefuhrt. Die Kaufleute
Herziichkeit, mitten unter
und Heinrich muBten sich an die lustige Tafel setzen, der Becher tapfer umherging. Heinrichen ward
wo
auf vieles Bitten in Riicksicht seiner Jugend das jedesmalige Bescheidtun erlassen, dagegen die Kauf-
den alten Frankenwein tapfer schmecken heBen. Das Gesprach
leute sich nicht faul fanden, sondern sich
lief liber
ehmalige Kriegsabenteuer hin. Heinrich
horte mit groBer Aufmerksamkeit den neuen Er-
zahlungen zu. Die Ritter sprachen vom Heiligen Lande, von den Wundern des Heiligen Grabes, von
den Abenteuern ihres Zuges und ihrer Seefahrt, von den Sarazenen, in deren Gewalt einige geraten gewesen waren, und dem frohlichen und wunderbaren Leben im Felde und im Lager. Sie auBerten mit groBer Lebhaftigkeit ihren Unwillen, jene himmlische Geburtsstatte der Christenheit noch im freveh haften Besitz der Unglaubigen zu wissen. Sie erhoben die groBen Helden, die sich eine ewige Krone durch ihr tapfres, unermiidliches Bezeigen gegen dieses ruchlose Volk erworben hatten. Der SchloBherr zeigte das kostbare Schwert, das er einem Anfiihrer derselben mit eigner
Hand abgenommen, nachdem
und seine Frau und Kinder zu Gefangenen gemacht, welches ihm er sein Kastell erobert, ihn getotet
der Kaiser in seinem hatte.
Wappen zu
fuhren vergonnet
AUe besahen das prachtige nahm es in seine Hand und
Heinrich
Schwert, auch fiihlte sich
einer kriegerischen Begeisterung ergriffen. es
Er
von
kiiBte
mit inbriinstiger Andacht. Die Ritter freuten sich Der Alte umarmte ihn und mun-
liber seinen Anteii.
auch seine Hand auf ewig der Befreiung des Heiligen Grabes zu widmen und das wunder-
terte ihn auf,
179
tMge Kreuz auf seine Schnltern befestigen za kssen. Er war uberrascht, und seine Hand schien sich nicht von dem Schwerte losmachen 2u konnen. „Besinne dich, mein Sohn'', tief der alte Ritter. „Ein neuer Krenzzug ist vor der Tiir. Der Kaiser selbst wird unsere Scharen in das Morgenland fiihren. Durch ganz Enropa schallt yon neuem der Ruf des Kreuzes, und heldenmutige Andacht regt sich allerorten. Wer weiB, ob wir nicht iibers Jahr in der groBen, weltherrlichen Stadt Jerusalem als frohe Sieger beiein-
ander sitzen
und uns
bei vaterlandischem
unsere Heimat erinnern.
Wein an
Du kannst auch bei mir ein
morgenlandisches Madchen sehn. Sie dunken uns
Abendlandern gar anmutig, und wenn du das Schwert gut zn fuhren verstehst, so kann es dir an schonen
Gefangenen nicht fehlen.^^ Die Ritter sangen mit Stimme den Kreuzgesang, der damals in ganz Europa gesungen wurde: lauter
Das Grab steht unter wilden Heiden; Das Grab, worin der Heiland lag, MuB Frevel und Verspottung leiden
Und wird Es
entheiligt jeden
klagt heraus mit
Wer
rettet
Tag.
dumpfer Stimme:
mich von diesem Grimme!
Wo bleiben seine Heldenjunger? Verschwunden
ist die
Christenheit!
Wer ist des Glaubens Wiederbringer? Wer nimmt das Kreuz in dieser Zeit? Wer bricht die schimpflichsten der Ketten Und wird das Heilge Grab erretten ?
Gewaltig geht auf Land und Meeren tiefer Nacht ein heilger Sturm; Die tragen Schlafer aufizustdren, Umbraust er Lager, Stadt und Turm, Ein Klaggeschrei um aUe Zinnen:
In
Auf, trage Christen, zieht von hinnen.
Es lassen Engel allerorten Mit ernstem Antlits; stumm sich sehn, Und Pilger sieht man vor den Pforten Mit kummervoUen Wangen stehn; Sie klagen mit den bangsten T5nen Die Grausamkeit der Sarazenen.
Morgen rot und trube Im weiten Land der Christen an. Der Schmerz der Wehmut und der Liebe Es
bricht ein
Verkiindet sich bei jedermann.
Ein
jedes greift
Und zieht
nach Kreuz und Schwerte von seinem Herde.
entflammt
Ein Feuereifer tobt im Heere, Das Grab des Heilands za befrein. Sie eilen frohlich
nach dem Meere,
Um bald auf heilgem Grund za sein. Auch Kinder kommen noch
Und mehren den
gelaufen
geweihten Haufen^
Hoch weht das Kreuz im Siegspaniere, Und alte Helden stehn voran. Des Paradieses selge Tiire Wird frommen Kriegem aufgetan;
Ein jeder
will das Glxick genieBen,
Sein Blut
fiir
Christus za vergieBen.
Zum Kampf, ihr Christen! Gottes Scharen Ziehn mit in das gelobte Land. Bald wird der Heiden Grimm erfahren Des Christengottes Schreckenshand. Wir waschen bald in frohem Mute Das heilige Grab mit Heidenblute. Die heilge Jungfrau schwebt, getragen Von Engeln, ob der wilden Schlacht, Wo jeder, den das Schwert geschlagen. In ihrem Mutterarm erwacht. Sie neigt sich mit verklarter
Herunter 2 u
dem
Wange
Waffenklange.
Hiniiber 2 u der heilgen Stattel
Des Grabes dumpfe Stimme tontl Bald wird mit Sieg und mit Gebete Die Schuld der Christenheit versohnt! Das Reich der Heiden wird sich enden, 1st erst das Grab in unsern Handen. Heinrichs gan^e Seele war in Aufruhr, das
kam ihm wie
Grab
eine bleiche, edle, jugendhche Gestalt
vor, die auf einem
groBen Stein mitten unter wildem
P5bel saBe und auf eine entsetzliche Weise gemiBhandelt wiirde, als
wenn
sie
mit kummervollem Ge-
sichte nach einem Kreuze blicke, das
im Hintergrunde
mit lichten Zxigen schimmerte und sich in den bewegten Wellen eines Meeres unendlich vervielfaltigte.
um ihn zu holen und der Hausfrau des Ritters vorzustellen. Die Seine Mutter schickte eben heriiber,
Ritter waren in ihr Gelag
und ihre Vorstellungen des bevorstehenden Zuges vertieft und bemerkten nicht, daB Heinrich sich entfernte. Er fand seine Mutter in traulichem Gesprach mit der alten, gutmutigen Frau des
Schlosses,
die ihn freundlich bewiilkommte.
Der Abend war heiter; die Sonne begann sich zu neigen, und Heinrich, der sich nach Einsamkeit sehnte und von der goidenen Feme gelockt wurde, die durch die engen, tiefen Bogenfenster in das diistre
Gemach
hineintrat, erhielt leicht die Erlaubnis, sich
Er
eilte
rege, er sah
von
auBerhalb des Schlosses besehen zu diirfen. ins Freie, sein ganzes Gerniit
der
Hohe
des alten Felsen zunachst in das waldige
Tal, durch das ein
Miihlen
war
trieb,
Bach
herunterstiirzte
deren Gerausch
und
man kaum
einige
aus der
gewaltigen Tiefe vernehmen konnte, und dann in eine unabsehliche
Feme von
Bergen, Waldern und
Niederungen, und seine innere Unruhe wurde be-
Das kriegerische Getiimmel verlor sich, und nur eine klare bilderreiche Sehnsucht zunick. Er fiihlte, daB ihm eine Laute mangelte, so wenig er auch wuBte, wie sie eigentHch gebaut sei und welche sanftigt.
es blieb
Wirkung
sie
hervorbringe.
Das
heitere Schauspiel
Abends wiegte ihn in sanfte PhantaBlume seines Herzens lieB sich zuweilen wie ein Wetterleuchten in ihm sehn. — Er schweifte durch das wilde Gebiisch und kletterte uber bedes herrlichen
sien: die
mooste
Felsenstiicke, als auf einmal aus einer
Tiefe ein zarter, lichen Stimme,
nahen
eindringender Gesang einer weib-
von wunderbaren Tonen
begleitet,
Es war ihm gewiB, daB es eine Laute sei; verwandemngsvoll stehen und horte in ge-
erwachte. er blieb
brocbener deutscher Aussprache folgendes Lied: Bricht das matte Herz
noch immer
Unter fremdem Himmel nicht?
Kommt
der HoflFnung bleicher
Schimmer
Immer mir noch zn Gesicht? Kann ich wohl noch Riickkehr wahnen ? Stromweis
stiirsien
mein Herz in
Bis
Konnt
Und
ich dir die
bricht.
Myrten zeigen
der Zeder dunkles Haar!
Fiihren dich
Der
meine Tranen,
Kummer
zum
frohen Reigen
geschwisterlichen Schar!
du im gestickten Kleide, Stok im kostlichen Geschmeide
Sahst
Deine Freundin, wie
sie
war.
Edle Junglinge verneigen Sich mit heiBem Blick vor ihr; Zartliche Gesange steigen Mit dem Abendstem zu mir.
Dem
Geliebten darf man trauen;
Ewge 1st
Lieb und Treu den Frauen
der
Manner Losung
hier.
wo um kristallne Quellen Liebend sich der Himmel legt Hier,
Und
mit heiBen Balsamwellen
Um den Hain OTsammenschlagt,
!
Der
in seinen Lustgebieten,
Unter Friichten, xinter Bliiten Tausend bunte Sanger hegt. Fern sind jene Jugendtraume
Abwtos Langst
Und
liegt das
Vaterland!
gefallt sind jene
Baume
das alte SchloB verbrannt,
Fiirchterlich,
wie Meereswogen
Kam ein rauhes Heer gezogen^ Und
das Paradies verschwand.
Fiirchterliche Gluten flossen
In die blaue Luft empor,
Und
es
drang auf stoken Rossen
Eine wilde Schar
ins Tor.
Sabel klirrten, unsre Briider,
Unser Vater kam nicht wieder, Und man riB uns wild bervor.
Meine Augen warden triibe; Femes, miitterliches Land, Achl sie bleiben dir voU Liebe
Und
voll Sehnsucht zugewandt!
Ware
nicht dies
Kind vorhanden,
Langst hatt ich des Lebens Banden Aufgeldst mit kxihner Hand. Heinrich horte das Schluchzen eines Kindes und Er stieg tiefer dutch das Ge-
eine trostende Stimme. biisch hi nab
und fand ein bleiches, abgeharmtes Madsitzen. Ein schones
chen unter einer alten Eiche
Kind hing 'weinend an ihrem Halse, auch ihre Ttanen und eine Laute lag neben ihr auf dem Rasen. Sie erschrak ein wenig, als sie den fremden Jnngling erblickte, der mit wehmiitigem Gesicht sich ihr naherte. „Ihr habt wohl meinen Gesang gehort?'' sagte sie freundlich. „Euer Gesicht diinkt mich bekannt, laBt mich besinnen. ~ Mein Gedachtnis ist schwach geworden, aber Euer Anblick erweckt in flossen,
mir eine sonderbare Erinnerung aus frohen Zeiten. O! mir ist, als glicht Ihr einem meiner Briider, der
noch vor unserm Ungliick von uns schied und nach Persien 2u einem beriihmten Dichter zog. Vielleicht lebt er noch und besingt traurig das Ungliick seiner Geschwister. WiiBt ich nur noch einige seiner herrlichen Lieder, die er uns hinterlieB!
Er war
edel
und
und kannte kein groBeres Gliick als seine Kind war ein Madchen von zehn bis 2wolf Jahren, das den fremden Jiingling aufmerksam betrachtete und sich fest an den Busen der ungliicklichen Zulima schmiegte. Heinrichs Herz war von Mitleid durchdrungen; er trostete die S^gerin mit freundlichen Worten und bat sie, ihm umstandlicher
zartlich
Laute/^ Das
ihre Geschichte
zn erzahlen. Sie schien es nicht un-
und von haufigen Tranen unterbrochne Erzahlung. Vor^iiglich hielt sie sich bei dem Lobe ihrer Landsleute und ihres Vaterlandes auf. Sie schilderte den Edelmut derselben und ihre reine, starke Empfanglichkeit fiir die Poesie des Lebens und die
gern za tun. Heinrich setzte sich ihr gegeniiber
vernahm
ihre
wunderbare, geheimnisvoUe
Anmut
der Natur. Sie
beschrieb die romantischen Schdnheiten der frucht-
baren arabischen Gegenden, die wie gliickliche In-
seln in
unwegsamen Sandwiisteneien lagen, wie ZuBedrmgten und Ruhebediirftigen,
fluchtsstatten der
wie Kolonien des Paradieses, voll frischer Quellen, die liber dichten Rasen und funkelnde Steine durch alte, ehrwiirdige Haine rieselten, voll bunter Vogel mit melodischen Kehlen und anziehend dutch mannigfaltige
ehemaliger denkwiirdiger
tJberbleibsel
Zeiten. „Iht wiirdet mit Verwunderung^^, sagte sie,
„die buntfarbigen, hellen, seltsamen Ziige
und Bilder
au£ den alten Steinplatten sehn. Sie scheinen so bekannt und nicht ohne Ursach so wohl erhalten zu sein,
ahnet
Man
sinnt
und
sinnt, einzelne
man und wird um
Bedeutungen
so begieriger, den tiefsin-
nigen Zusammenhang dieser uralten Schrift zu
er-
Det unbekannte Geist derselben erregt ein ungewohnliches Nachdenken, und wenn man auch ohne den gewiinschten Fund von dannen geht, so raten.
hat
man doch
tausend merkwiirdige Entdeckungen
in sich selbst gemacht, die
Glanz und
dem Gemiit
schaftigung geben.
dem Leben
einen neuen
eine lange, belohnende Be-
Das Leben auf einem
langst be-
wohnten und ehemals scbon durch FleiB, Tatigkeit und Neigung verherrlichten Boden hat einen besondern Reiz. Die Natur scheint dort menschlicher
und
verstandlicher geworden, eine dunkle Etinnerung unter der durchsichtigen Gegenwart wirft die Bilder der Welt mit scharfen Umrissen zuriick, und so genieBt man eine doppelte Welt, die eben dadurch das Schwere und Gewaltsame verliert und die zauberische Dichtung und Fabel unserer Sinne wird. Wer weiB, ob nicht auch ein unbegreiflicher EinfluB der ehemaligen, jetzt unsichtbaren Bewohner mit ins
kommt, und vielleicht ist es dieser dunkle Zug, Menschen aus neuen Gegenden, sobald eine gewisse Zeit ihres Erwachens kommt, mit so 5:erstorender Ungeduld nach der altenHeimat ihres Geschlechts treibt und sie Gut und Blut an den Beste dieser L^der zu wagen anregt/' Nach einer Pause fuhr sie fort: „Glaubt ja nicht, was man euch von spiel
der die
den Grausamkeiten meiner Landsleute erzahlt
hat.
Nirgends wurden Gefangene groBmutiger behandelt, und auch cure Pilger nach Jerusalem wurden mit Gastfreundschaft aufgenommen, nur daB sie selten derselben wert waren. Die meisten
waren
nichts-
Menschen, die ihre Wallfahrten mit Bnbenstucken beizeichneten und dadurch freilich oft gerechter Rache in die Hande fielen. Wie ruhig hatten die Christen das Heilige Grab besuchen konnen, ohne nutzige, bose
notig zn haben, einen fiirchterlichen, unnutzen Krieg
anzufangen, der verbreitet
alles
erbittert,
unendliches Elend
und auf immer das Morgenland von
Europa getrennt
hat.
Was
lag an
dem Namen
des
Besitzers? Unsere Fursten ehrten andachtsvoU das
Grab eures Heiligen, den auch wir fiir einen gottund wie schon hatte sein heiliges Grab die Wiege eines gliicklichen Einverstandnisses, der AnlaB ewiger wohltatiger Bxindnisse werden konnen Der Abend war unter ihren Gesprachen herbeigekommen. Es fing an Nacht zu werden, und der Mond hob sich aus dem feuchten Walde mit beruhigendem Glanze herauf. Sie stiegen langsam nach dem Schlosse; Heinrich war voll Gedanken, die kriegerische Begeisterung war g^lich verschwunlichen Propheten halten;
Er merkte
Verwirmng in der Welt; der Mond zeigte ihm das Bild eines tr5stenden Zuschauers und erhob ihn liber die Unebenheiten
den.
eine wunderliche
der Erdoberflache, die in der Hohe so unbetrachtlich
und unersteiglich sie auch dem Wanderer vorkamen. Zulima ging still neben ihm
erschienen, so wild
her und fuhrte das Kind. Heinrich trug die Laute. Er suchte die sinkende HoflBiung seiner Begleiterin, ihr Vaterland dereinst wiederzusehen, 2u beleben,
indem
er innerlich einen heftigen
Beruf
fuhlte, ihr
Better zu sein, ohne zu wissen, auf welche Art es
geschehen konne. Eine besondere Kraft schien in seinen einfachen Worten zu liegen, denn Zulima empfand eine ungewohnte Beruhigung und dankte
ihm
fiir
seine Zusprache auf die nihrendste Weise.
Die Ritter waren noch bei ihren Bechern und die Mutter in hauslichen Gesprachen. Heinrich hatte keine Lust, in den larmenden Saal zuriickzugehn. Er fiihlte sich miide und begab sich bald mit seiner Mutter in das angewiesene Schlafgemach. Er erzahlte vor dem Schlafengehn, was ihm begegnet sei,
ihr
imd schlief bald zu unterhaltenden Traumen ein. Die Kaufleute hatten sich auch zeitig fortbegeben und waren friih wieder munter. Die Ritter lagen in tiefer Ruhe, als sie abreisten; die Hausfrau aber nahm zartlichen Abschied. Zulima hatte wenig geschkfen, eine innere Freude hatte sie wach erhalten; sie erschien beim Abschiede und bediente die Reisenden demutig und emsig. Als sie Abschied nahmen, brachte sie mit vielen Tranen ihre Laute zu Heinrich und bat ihn mit riihrender Stimme, sie zu Zulimas Andenken mitzunehmen. „Es war meines Bmders Laute^^, sagte 189
sic,
„der
sie
mir beim Abschied schenkte; es
ist
das
einzige Besitztum, das ich gerettet babe. Sie schien
und Ihr laBt mir ein urn Geschenk zuriick, siiBe HofFnung. Nehmt dieses geriage Zeichen meiner Dankbarkeit und laBt es ein Pfand Eures Andenkens an die arme Zulima sein. Wir werden uns gewiB wiedersehn, und dann gestern zu gefallen,
Euch
schatzbares
bin ich vielleicht glucklicher.“ Heinrich weinte; er
weigerte sich, diese ihr so unentbehrliche Laute an-* zunehmen: „Gebt mir"", sagte er, „das goldene Band mit den unbekannten Buchstaben aus Euren Haaren, wenn es nicht ein Andenken Eurer Eltern oder Geschwister ist, und nehmt dagegen einen Schleier an,
den mir meine Mutter gern abtreten wird."" Sie wich
Zureden und gab ihm das Band, „Es ist mein Name in den BuchMuttersprache, den ich in bessern meiner staben endlich seinem
indem
sie sagte:
Zeiten selbst in dieses Band gestickt habe.Betrachtet es
gern und denkt, daB es eine lange, kummervolle
Zeit meine
Haare festgehalten hat und mit seiner ist."" Heinrichs Mutter zog den
Besitzerin verbleicht
und reichte ihr ihn hin, indem zog und weinend umarmte.
Schleier heraus
an sich
sie sie
Fiinftes Kapitel
Nach
einigen Tagereisen
am FuBe
kamen
einiger spitzen Hugel,
sie
an ein Dorf
von tiefen Gegend war
die
Schluchten unterbrochen waren. Die
und angenehm, ohngeachtet die Ansehn Das Wirtshaus war reinlich, die Leute bereit-
ubrigens fruchtbar
Riicken der Hiigel ein totes, abschreckendes hatten.
IQO
willig, teils
und
eine
Menge Menschen,
teils
Reisende,
bloBe Trinkgaste, saBen in der Stube und unter-
von allerhand Dingen. Unsre Reisenden gesellten sich zn ihnen und naischten sich in die Gesprache. Die Aufmerksam-
hielten sich
keit der Gesellschaft
Mann
war vor2ugIich auf einen alten fremder Tracht an einem
gerichtet, der in
Tische saB und freundlich die neugierigen Fragen beantwortete, die an ihn geschahen.
Er kam aus
fremden Landen, hatte sich heute friih die Gegend umher genau betrachtet und er2ahlte nun von seinem Gewerbe und seinen heutigen Entdeckungen. Die Leute nannten ihn einen Schat2graber, Er sprach aber sehr bescheiden von seinen Kenntnissen und seiner Macht, doch trugen seine Erzahlungen das Geprage der Seltsamkeit und Neuheit, Er erzahlte, daB er aus Bdhmen gebiirtig sei. Von Jugend auf habe er eine heftige Neugierde gehabt 2u wissen, was in den Bergen verborgen sein miisse, wo das Wasser in den Quellen herkomme und wo das Gold und Silber und die kostHchen Steine gefunden warden, die den Menschen so unwiderstehlich an sich 25gen. Er habe in der nahen Klosterkirche oft diese festen Lichter an den Bildern und Reliquieq betrachtet und nur gewiinscht, daB sie 2u ihm reden konnten, um ihm von ihrer geheimnisvollen Herkunft 2U er2ahlen. Er habe wohl zuweilen gehort, daB sie aus weit entlegenen Landern kamen; doch habe er immer gedacht, warum es nicht auch in diesen Gegenden solche Schat2e und Kleinodien geben konne. Die Berge seien doch nicht umsonst so weit im Umfange und erhaben und so fest ver-
wahrt; auch habe es ihn gediinkt, wie weilen auf den Gebirgen glanzende
wenn er zuund flimmernde
Er sei fleiBig in den Felsenund Hohlen umhergeklettert und habe sich
Steine gefunden hatte. ritzen
mit unaussprechlichem Vergniigen in diesen uralten Hallen und Gewolben umgesehn. — Endlich sei ihm
ihm Bergmann werden, da konne er
einmal ein Reisender begegnet, der zu
gesagt,
er miisse ein
die Be-
Bohmen gabe Bergwerke. Er soUe nur immer an dem Flusse hinuntergehn, nach zehn bis zwolf Tagen werde er in Eula sein, und dort diirfe er nur sprechen, daB er
friedigung seiner Neugier finden. In es
gern ein Bergmann werden wolle. Er habe sich dies nicht zweimal sagen lassen und sich gleich den andern Tag auf den Weg gemacht. „Nach einem beschwerlichen Gauge von mehreren Tagen”, fuhr er fort,
„kam ich nach Eula. Ich kann euch nicht sagen, wie herrlich mir zumute ward, als ich von einem Hiigel die Haufen von Steinen erblickte, die mit griinen Gebuschen durchwachsen waren, auf denen bretterne Hiitten standen, und als ich aus dem Tal unten die Rauchwolken iiber den Wald heraufziehn sah, Ein femes Getdse vermehrte meine Erwartungen, und mit unglaublicher Neugierde und voil stiller Andacht stand ich bald auf einem solchen Haufen, den man Halde nennt, vor den dunklen Tiefen, die im Innern der Hiitten steil in den Berg hineinfiihrten. Ich eilte nach dem Tale und begegnete bald einigen schwarzgekleideten Mannem mit Lampen, die ich nicht mit Unrecht fur Bergleute
hielt
und mit
schiichterner
mein Anliegen vortrug. Sie horten mich freundlich an und sagten mir, daB ich Angstlichkeit ihnen
nur hinunter nach den Schmelzhutten gehn und nach dem Steiger fragen soUte, welcher den Anfxihrer und Meister unter ihnen vorstellt; dieser werde mir Bescheid geben, ob ich angenommen werden 5 ge. Sie meinten, daB ich meinen Wunsch wohl erreichen wurde, und lehrten mich den iiblichen GruB ,Gluck zvl£\ womit ich den Steiger anreden soUte. Voll frohlicher Erwartungen setzte ich meinen Weg fort und konnte nicht aufhoren, den neuen bedeutungSTollen GruB mir best^dig za wiederholen. Ich fand einen alten, ehrwiirdigen Mann, der mich mit vieler Freundlichkeit empfibig und, nachdem ich ihm meine Geschichte er2ahlt und ihm meine groBe Lust, seine seltne, geheimnisvoUe Kunst za erlernen, bezeugt hatte, bereitwillig versprach, mir meinen Wunsch 2u gewahren. Ich schien ihm 2u gefallen, und er behielt mich in seinem Hause. Den Augenblick konnte ich kaum erwarten, wo ich in die Grube fahren und mich in der rei2enden Tracht sehn wiirde. Noch denselben Abend brachte er mir ein Grubenkleid und erklarte mir den Gebrauch einiger Werk2 euge, die in einer Kammer aufbewahrt waren. Abends kamen Bergleute 2u ihm, und ich verfehite
m
kein Wort von ihren Gesprachen, so unverstandlich und fremd mir sowohl die Sprache als der groBte Teil des Inhaits ihrer Er2ahlxmgen vorkam. Das wenige jedoch, was ich 2u begreifen glaubte, erhohte die Lebhafidgkeit meiner Neugierde und beschaftigte
mich des Nachts in seltsamen Traumen. Ich erwachte bei2eiten und fand mich bei meinem neuen Wirte ein, bei
dem sich allroahlich die Bergleute versammelten,
um seine Verordnungen 2u vernehmen. Eine Neben-
stube war zu einer kleinen Kapelle vorgerichtet. Ein Monch erscMen und las cine Messe, nachher sprach
worin er den Himmel anrief, Obhut zn nehmen, sie zn unterstiiteen, vor Arbeiten gefahrlichen bei ihren Anfechtungen und Tiicken boser Geister sie zu schiltzcn und ihnen reiche Anbriiche zn bescheren. er ein feierliches Gebet,
die Bergleute in seine beilige
Ich hatte nie mit
mehr Inbrunst gebetet und
nie die
hobe Bedeutung der Messe lebhafter empfunden. Meine kiinftigen Genossen kamen mir wie unterirdische Helden vor, die tausend Gefahren zn uberwinden batten, aber aucb ein beneidenswertes Gliick an ibren wunderbaren Kenntnissen besaBen und in dem ernsten, stillen Umgange mit den uralten Felsen-
s5bnen der Natur, in ibren dunkeln, wunderbaren
Kammern zum Empfangnis bimmliscber Gaben und zur freudigen Erbebung iiber die Welt drangnisse ausgeriistet wiirden.
Der
und
ihre Be-
Steiger gab mir
Lampe und ein und ging mit mir nacb
nacb geendigtem Gottesdienst eine kleines holzernes Krxizifix
dem
Scbacbte, wie wir die scbroifen Eingange in die
Gebaude zu nennen pflegen. Er lebrte micb die Art des Hinabsteigens, machte micb mit den notwendigen VorsicbtsmaBregeln sowie mit den Namen der mannigfaltigen Gegenstande und Teile
unterirdiscben
Er fuhr voraus und den Balken binunter, indem
bekannt.
Hand an einem Seil
festbielt,
scburrte auf
spiel,
Lampe
run-
er sich mit der einen
das in einem Knoten an
einer Seitenstange fortglitscbte,
die brennende
dem
und mit der andern
trug; ich folgte seinem Bei-
und wir gelangten so mit ziemhcher Scbnelle war seltsam
bald in eine betracbtliche Tiefe, Mir
feierlich 2:umute,
und das vordere Licht fiinkelte wie den Weg za den ver-
ein gliicklicher Stern, der mir
borgenen Schatzkammern der Natur zeigte. Wir kamen unten in einen Irrgarten von Gangen, nnd
mein freundlicher Meister ward nicht miide, meine neugierigen Fragen zn beantworten und mich iiber seine Kunst zu unterrichten. Das Rauschen des Wassers, die Entfernung von der bewohnten Oberflache, die Dunkelheit und Verschlungenheit der Gange und das entfernte Gerausch der arbeitenden Bergleute
mich ungemein, und ich fiihlte nun mit Freuden mich im voUen Besitz dessen, was von jeher mein sehnlichster Wunsch gewesen war. Es laBt sich auch diese voile Befriedigung eines angebornen Wunsches, diese wundersame Freude an Dingen, die ein naheres Verhaltnis zu unserm geheimen Dasein haben mogen, 2u Beschaftigungen, fiir die man von der Wiege an bestimmt und ausgerxistet ist, nicht erklaren und beschreiben. Vielleicht, daB sie jedem andern gemein, unbedeutend und abschreckend vorgekommen waren; aber mir schienen sie so unentbehrlich 2u sein wie die Luft der Brust und die Speise dem Magen. Mein alter Meister freute sich iiber meine innige Lust und verhieB mir, daB ich bei diesem FleiBe und dieser Aufmerksamkeit es weit bringen und ein tiichtiger Bergmann werden wiirde. Mit welcher Andacht sah ich zum erstenmal in meinem Leben am sechzehnten Mirz vor nunmehr fiinfundvierzig Jahren den Konig der Metalle in 2arten Blattchen 2 wischen den Spalten des Gesteins Es kam mir vor, als sei er hier wie in festen Gefangnissen ergot^zte
!
eingesperrt
und
glan2 e freundlich
dem Bergmann
entgcgen, der mit so viel Gefahren keiten sich den
gebrochen,
und
Miihselig-
Weg zn ihm durch die starken Mauern
nm
ihn an das Licht des Tages zu for-
dem, damit er an koniglichen Kronen und Gef^en und an heiligen Reliquien zu Ehren gelangen und in geachteten und wohlverwahrten Miinzen, mit Bildnissen geziert, die Welt beherrschen und leiten moge. Von der Zeit an blieb ich in Eula und stieg allmahlich bis
zum
mann ist,
Hauer, welches der eigentliche Berg-
der die Arbeiten auf dem Gestein betreibt,
nachdem ich anfanglich bei der Ausforderung der losgehauenen Stufen in Korben angestellt gewesen war.“
Der
alte
Bergmann ruhte
ein
wenig von
seiner
Erzahlung aus und trank, indem ihm seine aufmerk-
samen Zuhorer ein frohliches ,Gluck auf ten.
zubrach-
Heinrichen erfreuten die Reden des alten Mannes
ungemein, und er war sehr geneigt, noch mehr von
thm zu horen. Die Zuhorer unterhielten sich von den Gefahren und Seltsamkeiten des Bergbaus und erzahlten wunderbare Sagen, iiber die der Alte oft lachelte und freundlich ihre sonderbaren Vorstellungen zn berichtigen bemiiht war.
Nach einer Weile sagte Heinrich: „Ihr mogt seitdem viel seltsame Dinge gesehn und erfahren haben; hoffentlich hat Euch nie Eure gew^te Lebensart gereut? Wart Ihr nicht so gef^g und erz^tet uns, wie es Euch seitdem ergangen und auf welcher Reise Ihr jetzt begriffen seid?
Euch
Es
scheint, als hattet Ihr
weiter in der Welt umgesehn,
ich vermuten, daB Ihr jetzt
mehr
als
und gewiB darf einen gemeinen
Bergmann vor stellt/'
~ „Es ist mir selber lieb'^, sagte
der Alte, „mich der verflossenen Zeitea
zu.
erinnem,
in denen ich Anlfcse finde,
mich der gottlichen Barmher2;igkeit mid Giite zn erfreun. Das Geschick hat mich dutch ein frohes und heitres Leben gefiihrt, und es ist kein Tag voriibergegangen, an welchem ich mich nicht mit.dankbarem Herzen znt Ruhe gelegt hatte, Ich bin immer gliicklich in meinen Verrichtungen gewesen, und unset
allet
Vatet
im Him-
mel hat mich vor dem Bosen behiitet und in Ehren gtau werden lassen. Nachst ihm habe ich alles meinem alten Meistet zu vetdanken, der nun lange zu seinen Vatem versammelt ist und an den ich nie ohne Ttanen denken kann. Er war ein Mann aus der alten Zeit, nach dem Her2en Gottes. Mit tiefen Einsichten war er begabt und doch kindhch und demiitig in seinem Tun. Dutch ihn ist das Bergwerk in groBen Plot gekommen und hat dem Herzoge von Bohmen 2u ungeheuren Schatzen verholfen. Die ganze Gegend ist dadurch bevolkert und wohlhabend mid ein bliihendes Land geworden. Alle Bergleute verehrten ihren Vater in ihm, und solange Eula steht, wird auch sein Name mit Riihrung und Dankbarkeit genannt werden. Er war seiner Geburt nach ein Lausitzer und hieB Werner. Seine einzige Tochter war noch ein Kind, wie ich zu ihm ins Haus kam. Meine Emsigkeit, meine Treue und meine leidenschaftliche Anhmglichkeit an ihn gewannen mir seine Liebe mit jedem Tage mehr. Er gab mir seinen Namen und machte mich zu seinem Sohne. Das Heine Madchen ward nachgerade ein wackres, muntres Geschopf, dessen Gesicht so freundlich glatt und weiB war wie
Der Alte sagte mir oft, wenn er sah, daB mir zugetan war, daB ich gern mit ihr schakerte und kein Auge von den ihrigen verwandte, die so sein Gemiit.
sie
blau
und
oflFen
wie der Himmel waren und wie die
gluten: wenn
Kristalle
ich^ein rechtlicher Berg-
mann werden wiirde, wolle er sie mir nicht versagen; und er hielt Wort. — Den Tag, wie ich Hauer wurde, legte er seine H^de auf uns und segnete uns als Braut und Brautigam ein, und wenig Wochen darauf fiihrte ich sie als meine Frau auf meine Kammer. Denselben Tag hieb ich in der Friihschicht noch als Lehrhauer, eben wie die Sonne oben aufging, eine reiche
Ader
an.
Der Herzog
schickte mir eine
gob
dene Kette mit seinem Bildnis auf einer groBen Miinze und versprach mir den Dienst meines Schwiegervaters.
Wie gliicklich war ich, als ich sie am Hoch-
um
den Hals hangen konnte Unser alter Vater erlebte noch einige muntre Enkel, und die Anbriiche seines Herbstes waren reicher, als er gedacht hatte. Er konnte mit Freudigkeit seine Schicht zeittage
und
meiner Braut
aller
Augen auf sie
beschlieBen fahren,
und
um in
gerichtet waren!
aus der dunkeln
Grube dieser Welt und den groBen
Frieden auszuruhen
Lohntag zu erwarten.^^ „Herr"‘, sagte der Alte, indem er sich zu Heinrichen
wandte und einige Tranen aus den Augen trocknete, „der Bergbau muB von Gott gesegnet werden! Denn es gibt keine
und
Kunst, die thre Teilhaber gliicklicher
mehr den Glauben an eine und Fiigung erweckte und die
edler machte, die
hinunlische Weisheit
Unschuld und ICmdlichkeit des Herzens reiner erhielte als der Bergbau. Arm wird der Bergmann
!
geboren, und arm gehet er wieder dahin. Er begtiiigt sich,
zu wissen,
wo
den werden, und
die metallischen
sie
Machte gefun-
zutage zu fordern; aber ihr
blendender Glanz vermag nichts fiber sein lautres
von gefahrlichem Wahnsinn, mehr fiber ihre wunderlichen Bildungen und die Seltsamkeiten ihrer Herkunft und ihrer Wohnungen als fiber ihren alles verheiBenden Besitz. Sie haben ffir ihn keinen Reiz mehr, wenn sie Waren geworden sind, und er sucht sie lieber unter tausend Gefahren und Mfihseligkeiten in den Festen der Erde, als daB er ihrem Rufe in die Welt folgen und Herz. Unentzundet freut er sich
auf der Oberflache des Bodens durch tauschende,
nach ihnen trachten sollte. Jene Mfihseligkeiten erhalten sein Herz frisch und seinen Sinn wacker; er genieBt seinen karglichen Lohn mit inniglichem Danke und steigt jeden Tag mit verjfingter Lebensfreude aus den dunkeln Grfiften seines Berufs. Nur er kennt die Reize des Lichts und der Ruhe, die Wohltatigkeit der freien Luft und Aussicht um sich her; nur ihm schmeckt Trank und Speise recht erquicklich und andachtig wie der Leib des Herrn; und mit welchem liebevollen und empfanglichen Gemfit tritt er nicht unter seinesgleichen oder herzt seine Frau und Kinder und ergdtzt sich dankbar an der schonen Gabe des traulichen Gesprachs
hinterlistige Kfinste
Sein einsames Geschaft sondert ihn
vom Tage und
dem Umgange mit Menschen einen groBen Teil seines Lebens ab. Er gewohnt sich nicht zu einer stumpfen Gleichgfiltigkeit gegen diese fiberirdischen tiefsinnigen Dinge und behalt die kindliche Stimmung, in der ihm alles mit seinem eigentfimlichsten Geiste und 199
in seiner urspriinglichen scheint. sits;
Die Natur
bunten Wxxnderbarkeit
eines einzigen sein. AIs
sie sich
er-
will nicht der ausschlieBliche Be-
Eigentum verwandelt
in ein boses Gift, das die
Ruhe verscheucht
und die verderbliche Lust, alles in diesen Kreis des Besitsiers
zn ziehn, mit einem Gefoige von unend-
licben Sorgen und wilden Leidenschaften herbeilockt.
So untergrabt tiimers
Abgmnd, ihre
sie
heimlich den
um
Grund
des Eigen-
den einbrechenden aus Hand in Hand zn gehen und so
und begrabt ihn bald
in
Neigung, alien anzugehoren, aUmahlich zu be-
friedigen.
Wie ruhig arbeitet dagegen der arme, geniigsame Bergmann in seinen tiefen Einoden, entfernt von dem unruhigen Tumult des Tages und einzig von WiJBbegier und Liebe zur Eintracht beseelt! Er gedenkt in seiner Einsamkeit mit inniger Herzlichkeit seiner
Genossen und seiner Familie und
erneuert die
fiihlt
immer
Unentbehriichkeit und
gegenseitige
Blutsverwandtscbaft der Menschen. Sein Beruf lehrt
und laBt nicht zu, daB sich Aufmerksamkeit in unniitze Gedanken zerstreue. Er hat mit einer wunderlichen harten und unbiegsamen Macht zu tun, die nur dutch hart-
ihn unermudliche Geduld seine
nacfcigen FleiB und bestandige Wachsamkeit zu liberwinden ist. Aber welches kdstliche Gewachs bliiht ihm auch in diesen schauerlichen Tiefen, das wahrhafte Vertrauen zu seinem himmlischen Vater, dessen
Hand und Vorsorge ihm
alle
Tage
in unverkenn-
Wie unzahligemal habe ich nicht vor Ort gesessen und bei dem Schein meiner Lampe das schlichte Kruzifix nait der inrdgsten Anbaren Zeichen sichtbar wird.
200
Da babe ich erst den heiligen
dacht betrachtet!
dieses ratselhaften Bildnisses recht gefaBt
edelsten
Gang meines Herzens
eine ewige Ausbeute
erschiirft,
der mir
gew^t hat/^
Der Alte fuhr nach „Wahrhaftig, das
Sinn
nnd den
muB
nnd
einer Weile fort ein gottlicher
sagte:
Mann gewesen
sein, der den Menschen zuerst die edle Knnst des Bergbaus gelehrt nnd in dem SchoBe der Felsen
Lebens verHier ist der Gang machtig nnd gebrech,
dieses ernste Sinnbild des menschlichen
borgen
hat.
aber arm, dort driickt ihn der Felsen in eine armselige,
unbedeutende
Kluift
znsammen, nnd gerade
hier brechen die edelsten Geschicke ein.
Andre
Gange verunedlen ihn, bis sich ein verwandter Gang ihm schart nnd seinen Wert nnend-
freundlich mit lich erhoht.
mann l^t
dem
Oft zerschlagt er sich vor
Berg-
in tansend Triimmern: aber der Geduldige
sich nicht schrecken, er verfolgt
Weg nnd
bald wieder in ansrichtet.
mhig
seinen
indem er ihn nener Machtigkeit nnd Hoflichkeit
sieht seinen Eifer belohnt,
Oft lockt ihn ein betnigliches
Tmm aus
der wahren Eichtnng; aber bald erkennt er den
schen
Weg nnd
bricht mit
Gewalt querfeldein,
fal-
bis
den wahren erzfiihrenden Gang wiedergeftinden hat. Wie bekannt wird hier nicht der Bergmann mit alien Lannen des Znfalls, wie sicher aber anch, daB er
Eifer
nnd
Bestandigkeit die einzigen nntruglichen
Mittel sind, sie zn bemeistern
nnd
die
von ihnen
hartnackig verteidigten Schatze zn heben.*'
„Es fehlt Ench gewiB nicht'", sagte Heinrich, „an ermunternden Liedern. Ich soUte meinen, daB Ench Ener Bemf unwillknrlich zn Gesangen begeistern nnd 201
die
Musik
leute sein
eine
willkommene Begleiterin der Berg-
muBte/‘
wahr gesprochen'^, erwiderte der „Gesang xind Zitherspiel gehort zum Leben des Bergmanns, und kein Stand kann mit mehr Ver,yDa habt Ihr
Alte;*
gnxigen die Reize derselben genieBen
als
der unsrige.
Musik und Tanz sind eigentliche Freuden des Bergmanns; sie sind wie ein frohliches Gebet, und die Erinnerungen und HofFnungen desselben helfen die
muhsame Arbeit
erleichtern
und
die lange Einsam-
keit yerkiirzen. ,
Wenn
es
Euch
gefallt,
so will icb
Euch
gleich
einen Gesang zum besten geben, der fleiBig in meiner
Jugend gesungen wurde:
Der
Wer Und
ist
der Herr der Erde,
ihre Tiefen miBt jeglicher
Beschwerde
In ihrem SchoB vergiBt.
Wer ihrer
Felsenglieder
Geheimen Bau versteht
Und unverdrossen nieder Zu ihrer Werkstatt geht. Er
ist
mit ihr verbiindet
Und inniglich vertraut Und wird von ihr entziindet, Als war
Er
sie seine Braut.
Tage Mit neuer Liebe zu 20Z
sieht ihr alle
Und
scheut nicht FleiB
Sie laBt
und Plage
ihm keine Ruh.
Die machtigen Geschichten
Der
langst verfloBnen Zeit
ihm zn berichten Mit Freimdlichkeit bereit.
1st sie
Der Vorwelt
heilge Liifte
Umwehn sein Angesicht, Und in die Nacht der Kliifte Strahlt
ihm
ein ewges Licht.
Er trifFt auf alien Wegen Ein wohlbekanntes Land,
Und gern kommt sie entgegen Den Werken seiner Hand. Ihm
folgen die Gewasser
Hiilfreich
den Berg hinanf,
Und alle Felsenschlosser Tun ihre Schat2 ihm au£ Er
fiihrt
des Goldes Strome
In seines Kdnigs Haus
Und
schmiickt die
Mit edlen Steinen
Zwar
Diademe aus.
reicht er treu
dem Konig
Den gliickbegabten Arm, Doch fragt er nach ihm wenig
Und
bleibt mit
Freuden arm.
mogea sich erwiirgen Am FuB um Gut und Geld, Sie
Er bleibt auf den Geblirgen Der frohe Herr der Welt/^ Heinrichen
gefiel das
Lied ungemein, und er bat
den Alten, ihm noch eins mitzuteilen. Der Alte war auch gleich bereit und sagte: „Ich weiB gleich noch ein Wunderliches Lied, von dem wir selbst nicht wissen,
wo
es
Es brachte weit herkam
her
ist.
es ein reisender
und
Bergmann
ein sonderlicher
Das Lied fand groBen
Beifall,
mit, der
Rutenganger war.
weil es so seltsam
und unverstandlich wie die Musik selbst, aber eben datum auch so unbegreiflich anzog und im wachenden Zustande wie ein Traum klang, beinah so dunkel
unterhielt,
Ich kenne
wo
ein festes SchloB,
Ein stiller Konig wohnt darinnen Mit einem wunderlichen TroB;
Doch
steigt er nie
Verborgen
ist
sein
auf seine Zinnen.
Lustgemach,
Und unsichtbare Wachter lauschen; Nur wohlbekannte Quellen rauschen Zu ihm herab vom bunten Dach. Was ihre hellen Augen sahn In der Gestirne weiten SHen, Das sagen sie ihm treulich an Und konnen sich nicht satt erzahlen. Er badet sich in ihrer Flut, 104
Wascht sauber seine marten Glieder,
Und
seine Strahlen blinken wider
Aus
seiner Mutter
weiBem
Blut.
ScHoB
ist alt und wunderbar, Es sank herab aus tiefen Meeren, Stand fest und steht noch immerdar.
Sein
Die Flucht 2um Himmel 2u verwehren.
Von
innen schlingt ein heimlich Band
Sich
um des
Reiches Untertanen,
Und Wolken wehn wie
Siegesfahnen
Herunter von der Felsenwand,
Ein unermeBliches Geschlecht
Umgibt
die festverschloBnen Pforten,
den treuen Knecht Und ruft den Herrn roit siiBen Worten. Sie fuhlen sich durch ihn begliickt Und ahnden nicht, daB sie gefangen; Berauscht von tnighchem Verlangen, WeiB keiner, wo der Schuh ihn driickt. Ein jeder
spielt
Nur wenige sind schlau und wach Und diirsten nicht nach seinen Gaben; Sie trachten unablassig nach.
Das alte SchloB zu untergraben. Der Heimlichkeit urmachtgea Bann
Kann nur
die
Hand
der Einsicht losen;
Gelingts, das Innre zu entbloBen,
So bricht der Tag der
Freiheit an.
Dem FleiB ist keine Wand m fest, Dem Mut kein Abgmnd un^zuganglich; Wer
sich auf
Herz und Hand
verlaBt,
Spxirt nach dem Konig unbedenklich. Aus seinen Kammern holt er ihn,
Vertfeibt die Geister dutch die Geister^
Macht
Und Je
sich der wilden Fluten Meister
heiBt sie selbst heraus sich 2:iehn.
mehr
er
Und wild
nun zum Vorschein kommt
uniher sich treibt auf Erden:
mehr wird seine Macht gedammt, Je mehr die Zahl der Freien werden. Am Ende wird, von Banden los, Das Meer die leere Burg durchdringen Je
Und
tragt auf w'eichen griinen
Schwingen
Zuriick uns in der Heimat SchoB/^
Es
diinkte Heinrichen, wie der Alte geendigt
habe er das Lied schon irgendwo gehort. Er lieB es sich wiederholen und schrieb es sich auf. I Der Alte ging nachher hinaus, und die Kaufleute sprachen unterdessen mit den andern Gasten liber
hatte, als
,
die Vorteile des Bergbaues
und
seine Miihselig-
ist gewiB nicht umEr ist heute zwischen den Hiigeln umhergeklettert und hat gewiB gute Anzeichen gefunden. Wit wollen ihn doch fragen, wenn er wieder hereinkommt."'' ~ „ WiBt ihr wohl"*, sagte ein andrer, „daB wit ihn bitten konnten, eine Quelle fur unser Dorf 2u suchen? Das Wasser ist weit, und ein guter Brunnen ware uns sehr willkommen.^^ — „Mir fallt
keiten.
Einer sagte: „Der Alte
sonst Her.
ein% sagte ein
dritter,
„daB ich ihn fragen mochte,
von meinen Sohnen mit sich nehmen will, der mir schon das ganze Haus voll Steine getragen bat. Der Junge wird gewiB ein tiicbtiger ob
er einen
Bergmann,
xind der Alte scheint ein guter
Mann zn
sein, der wird schon was Rechtes aus ihm ziehn."^*^ Die Kaufleute redeten, ob sie vielleicht durch den Bergmann einen vorteilhaften Verkehr mit Bohmen anspinnen und Metalle daher zu guten Preisen er-
halten mochten.
Der Alte trat wieder in die Stube, und alle wiinschten seine Bekanntschaft zu benutzen. Er fing an und sagte: „Wie dumpf und angstlich ist es doch bier in der engen Stube! Der Mond stebt drauBen in voller Herrlichkeit, und ich hatte groBe Lust, noch einen Spaziergang zu macben. Ich babe heute bei Tage einige merkwiirdige Hohlen bier in der Nahe ge~ sehn. Vielleicbt entschlieBen sich einige mitzugehn;
und wenn wir nur Licht mitnehmen, so werden wir ohne Schwierigkeiten uns darin umsehn konnen.'^ Den Leuten aus dem Dorfe waren diese Hdhlen schon bekannt, aber
bis jetzt hatte keiner
gewagt
hineinzusteigen; vielmehr trugen sie sich mit fiirch-
von Drachen und andern Untieren, die darin hausen sollten. Einige woUten sie selbst gesehn haben und behaupteten, daB man Knochen an ihrem Eingange von geraubten und verzehrten Menschen und Tieren fande. Einige andre vermeinterlichen Sagen
ten,
daB ein Geist dieselben bewohne, wie
einigemal aus der
Feme
Gestalt gesehn, auch zur Nachtzeit fiber gehort
sie
denn
eine seltsame menschliche
haben wollten.
Ges^ge da
her-
Der Alte schien ihnen keinen groBen Glauben beizumessen und versicberte lachead, daB sie unter dem Schutze eines Bergmarms getrost mitgehn kdnnten, indem
die
Ungeheuer
sich
vor ihm scheuen miiBten,
ein singender Geist aber gewiB ein wohltatiges
Die Neugier machte
Wesen
genug, auf seinen Votschlag einzugehn auch Heinrich wunschte sei.
viele behersit ;
ihn zu begleiten, und seine Mutter gab endlich auf das Zureden
und Versprechen des
Alten, genaue
Acht auf Heinrichs Sicherheit zu haben, seinen Bitten nach. Die Kaufieute waren ebenso entschlossen. Es wurden lange Kienspane zu Fackeln zusammengeholt; ein Teil der Gesellschaft versah sich noch zum llberfluB mit Leitern, Stangen, Stricken
und
aller-
hand Verteidigungswerkzeugen, und so begann endlich die Wallfahrt nach den nahen Hiigeln. Der Alte ging mit Heinrich und den Kaufleuten voran. Jener Bauer hatte seinen wiBbegierigen Sohn herbeigeholt, der roller Freude sich einer Fackel bemachtigte und den Weg zu den Hohlen zeigte. Der Abend war heiter und warm. Der Mond stand in mildem Glanze liber den Hiigeln und lieB wunderliche Traume in alien Kreaturen aufsteigen. Selbst wie ein Traum der Sonne, lag er iiber der in sich gekehrten Traumwelt und fiihrte die in unzahlige Grenzen geteilte Natur in jene fabelhafte Urzeit zuriick, wo jeder Keim noch fiir sich schlummerte und einsam und unberiihrt sich vergeblich sehnte, die dunkle Fiille seines
unermeBHchen Daseins zu
entfalten.
In Hein-
Gemiit spiegelte sich das Marchen des Abends. Es war ihm, als ruhte die Welt aufgeschlossen in
richs
ihm und zeigte ihm, wie einem Gastfreunde, alle ihre
ScMtze und verborgenen
Liebiichkeiten.
die groBe einfache Efscheinung
Dm diinkte
um ihn so verstand-
Die Natur schien ihm nur deswegen so unbeNachste und Traulichste mit einer solchen Verschwendung von mannigfachen Ausdriicken um den Menschen her tiirmte. Die Worte des Alten hatten eine versteckte Tapetentiir in ihm geoffnet. Er sah ein Heines Wohnzimmer dicht an ein erhabenes Munster gebaut, aus dessen steinernem Boden die ernste Vorwelt emporstieg, wahrend von der Kuppel die klare, frohliche Zu~ kunft in goldnen Engelskindern ihr singend ent~ gegenschwebte. Gewaltige Klange bebten in den silbernen Gesang, und zu. den weiten Toren traten alle Kreaturen herein, von denen jede ihre innere Natur in einer einfachen Bitte und in einer eigentiimlichen Mundart vernehmlich aussprach. Wie wunderte er sich, daB ihm diese Hare, seinem Dasein schon unentbehrliche Ansicht so lange fremd ge-
lich.
greiflich, weil sie das
blieben war!
Nun
iibersah er auf einmal alle seine
Verhaltnisse mit der weiten Welt
um ihn her, fiihlte,
sie ihm werden und die Vorstellungen begriff alle seltsamen wurde, und Antegungen, die er schon oft in ihrem An-
was
er durch sie
geworden und was
schauen gespiirt hatte.Die Erzahlung der Kaufleute
von dem Jiinglinge, der die Natur so emsig betrachtete imd der Eidam des Konigs wurde, kam ihm wieder zu Gedanken, und tausend andere Erinnerungen seines Lebens knxipften sich von selbst an einen zauberischen Faden. Wahrend der Zeit, daB Heinrich seinen Betrachtungen nachhing, hatte sich die Gesellschaft der 14
Nopalts,
Gcsammelte Wcrice
Hohle genahert. Der Eingang 1
209
war
niedrig,
und der Alte nahm
eine Fackel
kletterte iiber einige Steine 2:uerst hinein. lich fiihlbarer
Luftstrom
und Ein ziem-
kam ihm entgegen, und der
Alte versicherte, daB sie getrost folgen konnten. Die
Furchtsamsten gingen zuletztundhieltenihre WafFen
und die Kaufleute waren hinter dem Alten, und der Knabe wanderte munter an seiner Seite. Der Weg lief anfanglich in einem in Bereitschaft. Heinrich
ziemlich schmalen Gange, welcher sich aber bald in eine sehr weite
und hohe Hohle
endigte, die der
Fackelglanz nicht vollig zu erleuchten vermochte;
doch sah
man im Hintergrunde
sich in die
Felsenwand
weich und ziemlich eben; die
waren
ebenfalls nicht rauh
was die Aufmerksamkeit tigte,
war
die unzahlige
einige Cffnungen
Der Boden war Wande sowie die Decke
verlieren.
und unregelmaBig; aber
aller
vorzuglich beschaf-
Menge von Knochen und
Zahnen, die den Boden bedeckten. Viele waren vollig erhalten,
wesung, und
an andern sah man Spuren der Ver~ welche aus den Wanden hin und
die,
wieder hervorragten, schienen steinartig geworden sein. Die meisten waren von ungewohnlicher GroBe und Starke, Der Alte freute sich iiber diese Uberbleibsel einer uralten Zeit; nur den Bauern war nicht wohl dabei zumute, denn sie hielten sie fiir
zu
deutliche Spuren daher Raubtiere, so iiberzeugend
ihnen auch der Alte die Zeichen eines undenklichen
Altertums daran aufwies und
sie fragte, ob sie je von Verwiistungen unter ihren Herden und vom Raube benachbarter Menschen gespiirt hatten und ob sie jene Knochen fur Knochen bekannter Tiere oder Menschen halten kdnnten, Der Alte
etwas
^TO
woUte nun weiter
den Berg, aber die Bauern ratsam, sich vor die Hohle zuniclbiuziehn und dort seine Ruckkunft abzuwarten. Heinrich, die
fanden
in
fiir
Kaufleute und der Knabe blieben bei dem Alten und versahen sich mit Stricken und Fackeln. Sie gelangten bald in eine ^weite Hohle, wobei der Alte
dem sie hereingekomwaren, durch eine Figur von Knochen, die er davor hinlegte, zu bezeichnen. Die Hohle glich der vorigen und war ebenso reich an tierischen Resten. nicht vergaB, den Gang, aus
men
Heinrichen war schauerlich und wunderbar zumute; es
gemahnte
ihn, als
wandle er durch die Vorhofe
des innern Erdenpalastes.Himmel und Leben lag
ihm
auf einmal weit entfernt, und diese dunkeln, weiten Hallen schienen zu einem unterirdischen seltsamen
Reiche zu gehoren. ,Wie‘, dachte er bei sich
selbst,
,ware es moglich, daB unter unsern FuBen eine eigene Welt in einem ungeheuern Leben sich be-
wegte, daB unerhorte Geburten in den Festen der
Erde ihr Wesen trieben, die das innere Feuer des dunkeln SchoBes zu riesenmaBigen und geistesgewaltigen G.stalten auftriebe? Konnten dereinst diese schauerlichen
Fremden, von der eindringenden
Kalte hervorgetrieben, unter uns erscheinen, wah-
rend vielleicht zu gleicher Zeit himmlische Gaste, lebendige, redende Krafte der Gestirne iiber unsern
Hauptern sichtbar wiirden? Sind diese Knochen tiberreste ihrer Wanderungen nach der Oberflache Oder Zeichen einer Flucht in die Tiefe?^^ Auf einmal rief der Alte die andern herbei und zeigte ihnen eine ziemlich frische
dem Boden. Mehrere konnten
Menschenspur auf
sie nicht finden,
und
so gkubte der Alte, ohne fiirchten zu mussen, auf Rauber zu stoBen, det Spur nachgehen zu konneti. Sie
waren eben im BegrijfF, dies aus2:ufuhren, als auf wie unter ihren FuBen, aus einer fernen Tiefe
eiiimal,
ein ziemlich vernehmlicher
Gesang
anfing. Sie er-
staunten nicht wenig, doch horchten sie genau auf:
Gern verweil
ich
noch
ira Tale,
Lacheind in der tiefen Nacht,
Denn
der Liebe voile Schale
Wird mir
taglich dargebracht.
Ihre heilgen Tropfen heben
Meine
Und
Seele
hoch empor, Leben
ich steh in diesem
Trunken an des Hirornels Tor. Eingewiegt in selges Schauen, Angstigt mein Gemiit kein Schmer2 .
0
1
die
Konigin der Frauen
Gibt mir ihr getreues Herz. Bangverweinte Jahre haben Diesen schlechten Ton verklart
Und
ein Bild
ihm eingegraben.
Das ihm Ewigkeit gewahrt. Jene lange Zahl von Tagen Diinkt mich nur ein Augenblick;
Werd
ich einst
von
hier getragen,
Schau ich dankbar noch 2uruck.
Alle waren auf das angenehmste iiberrascht und wunschten sehnlichst, den Sanger zn entdecken. Nach einigem Suchen trafen sie in einem Winkel
der rechten Seitenwand einen abwarts gesenkten
Gang, in welchen Bald dunkte
die FuBstapfen zn fubren schienen.
es ihnen, eine
Hellung zu bemerken, die
starker wurde, je naher sie kamen.
Es
tat sich ein
neues Gewolbe von noch groBerm Umfange
vorherigen auf, in dessen Hintergrunde
als die
sie bei einer
Lampe eine menschliche Gestalt sitzen sahen, die vor sich auf einer steinernen Platte ein groBes Buch liegen hatte, in
welchem
sie
zu lesen schien.
Sie drehte sich nach ihnen zu, stand auf
und ging
ihnen entgegen. Es war ein Mann, dessen Alter
man
Er sah weder alt noch jung aus, keine Spuren der Zeit bemerkte man an ihm als
nicht erraten konnte,
schlichte silberne Haare, die auf der Stirn gescheitelt
waren. In seinen
Augen
lag eine unaussprechliche
Heiterkeit, als sahe er von
einem hellen Berge in einen unendlichen Friihling hinein. Er hatte Sohlen an die FuBe gebunden und schien keine andere Kleidung zu haben als einen weiten Mantel, der um ihn her geschlungen war und seine edle, groBe Gestalt noch mehr heraushob. Uber ihre unvermutete Ankunft schien er nicht im mindesten verwundert; wie ein Bekannter begruBte er sie. Es war, als empfing er erwartete Gaste in seinem Wohnhause. „Es ist doch schon, daB ihr mich besucht'", sagte er; „ihr seid die ersten Freunde, die ich hier sehe, solange ich auch
schon hier wohne, Scheint es doch, als finge man an, unset groBes, wunderbares Haus genauer zu betrachten/‘ Der Alte erwiderte „ Wir haben nicht ver:
mutet, einen so freundlichen Wirt hier
Von
wilden Tieren und Geistern war
m
finden.
xins erzahlt,
nnd nun sehen wir uns auf das anmutigste getauscht. Wenn wir Euch in Eurer Andacht und in Euren tiefsinnigen Betrachtungen gestort haben, so verzeiht es
unsrer Neugierde.“ freulicher
sein'',
— „Konnte eine Betrachtung er-
sagte der Unbekannte,
„als
die
uns zusagender Menschengesichter? Haltet mich nicht fur einen Menschenfeind, weil ihr mich in dieser Einode trefft. Ich babe die Welt nicht gefroher,
flohen,
sondern ich habe nur eine Ruhestatte gesucht,
wo ich ungestort meinen Betrachtungen nachhangen konnte.“ — „Hat Euch Euer EntschluB nie gereut, und kommen nicht zuweilen Stunden, wo Euch bange wird und Euer Herz nach einer Menschenstimme verlangt?“ — „Jet2t nicht mehr. Es war eine Zeit in meiner Jugend, wo eine heiBe Schwarmerei mich veranlaBte, Einsiedler zu werden. Dunkle Ahndungen beschaftigten meine jugendliche Phantasie. Ich hoffte,
Nahrung meines Herzens in der Einsamkeit zu finden. Unerschopflich diinkte mich die Quelle meines innern Lebens. Aber ich merkte bald, daB man eine Fiille von Erfahrungen dahin mitbringen muB, daB ein junges Herz nicht allein sein kann, ja, daB der Mensch erst durch vielfachen Umgang mit seinem voile
Geschlecht eine gewisse Selbstandigkeit erlangt/"
„Ich glaube
selbst^",
erwiderte der Alte, „daB es
einen gewissen natiirlichen Beruf zu jeder Lebensart
und vieUeicht, daB die Erfahrungen eines zunehmenden Alters von selbst auf eine Zuriickziehung
gibt,
aus der menschlichen Gesellschaft fuhren. Scheint es
doch,
als sei dieselbe
der Tatigkeit, sowohl
zum Ge-
winst als zur Erhaltung, gewidmet. Eine groBe HoiFnung, ein gemeinschaftlicher Zweck treibt sie mit Macht, und Kinder und Alte scheinen nicht dazu za gehdren. Unbehiilflichkeit und Unwissenheit schlieBen die ersten davon aus, jene Hoifnung eifulltj jenen
und nun,
nicht
wahrend die
Zweck
mehr von ihnen
in
letztern
erreicht sehen
den Kreis jener
Gesellschaft verflochten, in sich selbst zunickkehren
und genug zu tun
linden, sich auf eine
hohere Ge-
meinschaft wurdig vorzubereiten. Indes scheinen bei
Euch noch besondere Ursachen
stattgefonden zu
haben, Euch so ganzhch von den Menschen abzu-
sondern und Verzicht auf alle Bequemlichkeiten der
Mich dunkt, daB die Spannung Eures Gemiits doch oft nachlassen und Euch Gesellschaft zu leisten.
dann unbehaglich zumute werden muBte/^ „Ich fiihlte das wohl, indes habe ich es gliicklich durch eine strenge Regelm^igkeit meines Lebens zu vermeiden gewuBt. Dabei suche ich mich durch Bewegung gesund zu erhalten, xind dann hat es keine
Not. Jeden Tag gehe ich mehrere Stunden herum und genieBe den Tag und die Luft, soviel ich kann. Sonst hake ich mich in diesen Hallen auf und be-
mich zu gewissen Stunden mit Korbflechten Waren tausche ich mir in entlegenen Ortschaften Lebensmittel ein, Bucher hab ich mir mitgebracht, und so vergeht die Zeit wie ein Augenblick. In jenen G^genden habe ich einige Bekannte, die urn meinen Aufenthalt wissen und von denen ich erfahre, was in der Welt geschieht. Diese werden mich begraben, wenn ich tot bin, und meine Biicher zu sich nehmen.“ schaftige
und
Schnitzen. Fiir meine
211
Er ftihrte sie naher an semen Sitz, der nahe an der Hohlenwand war. Sie sahen mehrere Bucher auf der Erde liegen, auch eine Zither, und an der Wand hing eine vdllige Rxistung, die ziemlich kostbar schien.
zu
sein
Der Tisch bestand aus fiinf groBen steinernen
wie ein Kasten zusammengesetzt waren. Auf der obersten lagen eine mannliche und weibliche Flatten, die
Figur in LebensgroBe eingehauen, die einen Kranz
von Lilien und Rosen angefaBt hatten; an den
Seiten
stand: 'Friedrich
und Marie von Hohen^ollern
kehrten auf dieser Stelle in ihr Vaferland V(uruck.
Der
Einsiedler fragte seine Gaste nach ihrem Va-
und wie sie in diese Gegenden gekommen waren. Er war sehr freundlich und offen und verriet eine groBe Bekanntschaft mit der Welt. Der Alte sagte: „Ich sehe, Ihr seid ein Kriegsmann gewesen, die Riistung verrat Euch.‘‘ — „Die Gefahren und Wechsel des Krieges, der hohe poetische Geist, der ein Kriegsheer begleitet, rissen mich aus meiner jugendlichen Einsamkeit und bestimmten die Schick-
terlande
sale
meines Lebens. Vielleicht, daB das lange Getiim-
mel, die unzahligen Begebenheiten, denen ich bei~
wohnte, mit den Sinn fur die Einsamkeit noch mehr
Die zahllosen Erinnerungen sind eine unterhaltende Gesellschaft, und dies urn so mehr, je veranderter der Blick ist, mit dem wir sie liberschauen und der nun erst ihren wahren Zusammenhang, den Tiefsinn ihrer Folge und die Bedeutung ihrer Erscheinungen entdeckt. Der eigentliche Sinn geoffnet haben.
fur die Geschichten der
116
Menschen entwickelt
sich
und mehr nnter den stillen Einfliissen der Erinnerung als nnter den gewaltsameren Eindriicken der Gegenwart. Die nachsten Ereignisse scheinen nur
erst spat
wunund nur dann, wenn man imstande ist, eine lange Reihe zn iibersehen und weder alles buchstablich zn nehmen noch auch mit mutwiliigen Traumen die eigentliche Ordnung zn locker verkniipft, aber sie sympathisieren desto
derbarer mit entfernteren;
man die geheime Verkettung des Ehemaligen und Kiinftigen und lernt die Geschichte aus HofFnung und Erinnerung 2usammenset5:en. In» des nur dem, weichem die ganze Vorzeit gegenwartig ist, mag es geHngen, die einfache Regel der Geschichte zn entdecken. Wir kommen nur 2u unvollstandigen und beschwerlichen Formeln und konnen froh sein, nur fur uns selbst eine brauchbare Vorschrift zn fin-
verwirren, bemerkt
den, die uns hinlangHche Aufschliisse iiber unser eigenes kurzes
Leben
verschaift. Ich darf aber
wohl
sagen, daB jede sorgfaltige Betrachtung der Schick-
Lebens einen tiefen, unerschopflichen Gegewahrt und unter alien Gedanken uns am meinuB sten fiber die irdischen tJbel erhebt. Die Jugend liest die Geschichte nur aus Neugier, wie ein unterhaltensale des
des Marchen;
dem reiferen Alter wird sie eine Hmm-
und erbauende Freundin, die ihn durch ihre weisen Gesprache sanft 2u einer hoheren, umfassenderen Laufbahn vorbereitet und ihn mit der unbekannten Welt in faBlichen Bildern bekannt macht. Die Kirche ist das Wohnhaus der Geschichte
lische, trostende
und der
Von
stille
Hof ihr
sinnbildlicher Biumengarten*
der Geschichte sollten nur
alte, gottesffirchtige
Leute schreiben, deren Geschichte selbst 2u Ende
ist
217
und
die nichts
mehr zu hofFen haben
als die
pflanzung in den Garten. Nicht finster
wird ihre Beschreibung Strahl aus der
Kuppel
und
Vertrube
vielmehr wird ein in der richtigsten und
sein,
alles
schonsten Erleuchtung zeigen,
und
heiliger Geist
wird uber diesen seltsam bewegten
Gewassern
schweben."'
„Wie wahr und einleuchtend setzte der Alte hinzu.
^^Man
sollte
Eure Rede“, gewiB mehr FleiB ist
darauf wenden, das Wissenswiirdige seiner Zeit treulich aufzuzeichnen
und
es als ein andachtiges Ver-
mdchtnis den kunftigen Menschen zu hinterlassen.
Es gibt tausend entferntere Dinge, denen und Miihe gewidmet wird, und gerade Nachste und Wichtigste,
um
Sorgfalt
um
das
die Schicksale unseres
eigenen Lebens, unserer Angehorigen, unseres Geschlechts, deren leise PlanmaBigkeit
wir in den Ge«
danken einer Vorsehung aufgefaBt haben, bekiimmern wir uns so wenig und lassen sorglos alle Spuren in unserm Gedachtnisse verwischen. Wie Heiligtumer wird eine weisere Nachkommenschaft jede Nachricht, die von den Begebenheiten der Vergangenheit handelt, aufsuchen, und selbst das Leben ernes einzelnen unbedeutenden Mannes wird ihr nicht gleichgiiltig sein, da gewiB sich das groBe Leben seiner Zeitgenossenschaft darin mehr oder weniger
spiegelt.^^
„Es ist nur so schlimm", sagte der Graf von HohenzoUern, „daB selbst die wenigen, die sich der Aufzeichnung der Taten und Vorfalle ihrer Zeit unterzogen, nicht uber ihr Geschaft nachdachten und ihren Beobachtungen keinc Vollstandigkeit und
Ordnung zu. geben suchten, sondern nur aufs Geratewohl bei der Auswahl und Sammluxig ihrer Nachrichten verfuhren. Bin jeder wird leicht an sich be-
merken,
dajS
kommen
er nur dasjenige deutiich
und
voll-
beschreiben kann, was er genau kennt^
dessen Teile, dessen Entstehung und Folge, dessen
Zweck und Gebrauch ihm gegenwartig
sind; dcjon
sonst wird keine Beschreibung, sondern ein ver-
Gemisch von unvollstandigen Bemerkungen Man lasse ein Kind eine Maschine, einen Landmann ein Schiff beschreiben, und gewiB wird kein Mensch aus ihren Worten einigen Nut2 en und Unterricht schdpfen konnen, und so ist es mit den
wirrtes
entstehn.
meisten Geschichtsschreibern, die vielleicht fertig
genug im Erzahlen und bis zum "Dberdrufi weitschweifig sind, aber dock gerade das Wissenswiirdigste vergessen, dasjenige, was erst die Geschichte 2ur Geschichte macht und die mancherlei Zufalle zu einem angenehmen und lehrreichen Gauzen verbindet.
Wenn ich wenn
das alles recht bedenke, so scheint
notwendig auch ein Dichter sein miiSte, denn nur die Dichter mogen sich auf jene Kunst, Begebenheiten schicklich zu verknupfen, verstehn. In ihren Eraahlungen und Fabeln habe ich mit stillem Vergniigen ihr cartes Gefuhl fiir den geheironisvollen Geist des Lebens bemerkt. Es ist mehr Wahrheit in ihren Marchen als in gelehrten Chroniken. Sind auch ihre Personen xmd deren Schicksale erfanden, so ist doch der Sinn, in es mir, als
dem
sie
ein Geschichtsschreiber
erfunden sind, wahrhaft und
natiirlich.
Es
ist fiir unsern GenuB und unsere Belehrung gewissermaBen einerlei, ob die Personen, in deren Schicksalen
219
wir den unsrigen nacbspiiren, wirklich einmal lebten Oder nicht. Wir verlangen nach der Anschauung der groBen, einfachen Seele der Zeiterscheinungen, und finden wir diesen Wnnsch gewahrt, so kummern wir
uns nicht
um
die
2:iafallige
Existent: ihrer auBern
Figuren.“
„Auch ich bin den Dichtern'",
sagte der Alte,
jeher deshalb zngetan gewesen.
Welt
ist
mir klarer und anschaulicher durch
worden. Es diinkte mich,
sie
„von
Das Leben und
die
sie ge-
miiBten befreundet
roit
den scharfen Geistern des Lichtes sein, die alle Naturen durchdringen und sondern und einen eigentiimlichen, breiten.
zartgefarbten
Liedern leicht entfaltet, sich
Schleier uber jede ver-
Meine eigene Natur
nun freier bewegen,
und
fiihlte ich bei ihren
es
war,
als
kdnnte
Verlangens froh werden, mit
stiller
sie
und ihres
ihrer Geselligkeit
Lust ihre Glieder
gegeneinander schwingen und tausenderlei anmutige
Wirkungen hervormfen/^ „Wart Ihr so gliicklich, in Eurer Gegend einige fragte der Einsiedler. Dichter 2u haben „Es haben sich wohl zuweilen einige bei uns eingefunden, aber sie schienen Gefallen finden,
und
am
Reisen zu
so hielten sie sich meist nicht lange auf,
Wanderungen nach Illynach Sachsen und Schwedenland nicht selten welche gefunden, deren Andenken mich immer er-
Indes habe ich auf meinen rien,
freuen wird/^
„So seid Ihr ja weit ximhergekommen und miiBt denkwurdige Dinge erlebt haben/* „Unsere Kunst macht es fast notig, daB man sich
viele
weit auf dem Erdboden umsieht,
Z20
und es ist,
als triebe
den Bergmann ein xinterirdisches Feuer umher. Ein Berg schickt ihn dem andern. Er wird nie mit Sehen fertig und hat seine ganze Lebenszeit an jener minderlichen Baukunst zu lernen, die tinsern
FuBboden
so seltsam begriindet und ausget^elt hat. Unsere
Kunst
ist uralt
und weit
verbreitet. Sie
mag wohl
aus Morgen, mit der Sonne, wie unser Geschiecht,
nach Abend gewandert sein, und von der Mitte nach den Enden zu. Sie hat iiberall mit andern Schwierigkeiten zu kampfen gehabt, und da immer das Bedurfnis den menschlichen Geist zu klugen Erfindungen gereizt, so kann der Bergmann iiberall seine Einsichten und seine Geschicklichkeitvermehren und mit niitzlichen
Erfahrungen seine Heimat bereichern/"
„Ihr seid beinah verkehrte Astrologen'^^, sagte der Einsiedler.
betrachten irren, so
und und
„Wenn und
diese
den Himmel unverwandt
seine unermeBlichen
Raume
durch-
wendet ihr euren Blick auf den Erdboden
erforscht seinen Bau. Jene studieren die Krafte
und ihr untersucht die und Berge und die mannigfaltigen Wirkungen der Erd- und Steinschichten. Jenen ist der Himmel das Buch der Zukunft, wahrend euch die Erde Denkmale der Urwelt zeigt.^^ „Es ist dieser Zusammenhang nicht ohne BedeuEinfliisse der Gestirne,
Krafte der Felsen
tung“, sagte der Alte lachelnd. „Die leuchtenden
Propheten spielen vielleicht eine HauptroUe in jener alten Geschichte des wunderlichen Erdbaus.
wird
sie vielleicht
Man
Werken und ihre Werke besser kennen und erklaren
aus ihren
aus ihnen mit der Zeit
lernen. Vielleicht zeigen die
groBen Gebirgsketten
die Spuren ihrer ehemaligen StraBen
und batten 221
Hand zu nahren und Gang am Himmel zu gehn. Manche
selbst Lust, sich
ihren eigenen
auf ihre eigene
hoben sich kiihn genug, um auch Sterne zu werden, und miissen nun dafur die schone grime Bekleidung der niedrigern Gegenden entbehren. Sie haben dafiir nichts erhalten, als daB sie ihren Vatern das Wetter machen helfen und Propheten fiir das tiefere Land sind, das sie bald schiitzen,
bald mit Ungewittern
iiberschwemmen.^ „Seitdem ich in dieser Hohle wohne“, fuhr der Einsiedler fort, „habe ich mehr iiber die alte Zeit
nachdenken gelernt, Es ist unbeschreiblich, was diese Betrachtung anzieht, und ich kann mir die Liebe vorstellen, die ein
muB.
Bergmann
die hier in so gewaltiger
wenn
fiir
sein
Handwerk hegen
Wenn ich die seltsamen alten Knochen ansehe, Menge versammelt
ich mir die wilde Zeit denke,
wo
sind;
diese fremd-
ungeheuren Tiere in dichten Scharen sich in Hohlen hereindrangten, von Furcht und Angst
artigen diese
vielleicht getrieben,
und
hier ihren
Tod
fanden,
wenn ich dann wieder bis zu den Zeiten hinaufsteige, wo diese Hohlen zusammenwuchsen und ungeheure Fluten das Land bedeckten: so komme ich mir selbst wie ein Traum der Zukunft, wie ein Kind des ewigen Friedens vor. Wie ruhig und friedfertig, wie mild und klar ist gegen diese gewaltsamen, riesenmaBigen Zeiten die heutige Natur, und das furchtbarste Gewitter, das entsetzlichste Erdbeben in unsern Tagen ist
nur ein schwacher Nachhall jener grausenvollen
Geburtswehen. Vielleicht, daB auch die Pflanzen- und Tierwelt, ja die damaligen
Menschen selbst, wenn es Ozean welche gab,
auf einzelnen Eilanden in diesem 222
eine andere, festere uxid rauhere Baimrt hatten
wenigstens
diirfte
man
die alten Sagen
—
von einem
Riesenvolke daim keiacr Erdichtungen
„Es ist erfreulich" sagte der Alte, „jene allmahBeruhigung der IMatiar ‘zu bemerken. Ein im-
liche
mer innigeres
Geund Belebxmg scheint sich allmaUichgebildet zn haben, und wir konnen immer besseren Zeiten entgegensehn, Es ware vielleicht moglich, daB hia und wieder noch alter Sauerteig garte ^nd noch einige heftigc Erschiitterungen erfolgten; iodes sieht man doch das Einverst:andjais, eine friedlichere
meinschaft, eine gegenseitige Unterstutznng
allmachtige Streben nach £reier, eintrachtiger Ver-
und in diesem Geiste wird jede Erschiitterung voriibergehen lund diem groBen Ziele naher fassung,
Mag
daC die Natur nicht mehr so und Edelsteine, keine Felsen und Berge mehr entstehn, daB Pflan2en und Tiere nicrht mehr zu so erstaunlichen GroBen und Kraften a.ufquxellen; je mehr sich ihre erzeugende Kraft ersclnopft hat, desto mehr haben ihre bildenden, veredeinden and geselligen Krafte zugenommen, ihr Geraiit ist empfanglicher und zarter, ihre Phantasie mannigfaltiger und sinnbildlicher, ihre Hand leichiter umd kunstreicher geworden. Sie nahert sich dem Menschen, und wenn sie fiihren.
es sein,
fruchtbar ist, daB heutentage keine Metalle
ehmals ein wildgebarender Pels war, so
ist sie jetzt
stumme menschwareauch eine Vermehrung
eine stille, treibende Pflairse, eine liche Kiinstlerin.
Wozn
jener Schatze notig, de xen 'OberfluB auf undenkliche
Zeiten ausreicht. Wie
durchwandert bin,
klein
und
ist
der Raum, den ich
welche machtigen Vorrate 223
habe ich nicht gleich auf den ersten Blick gefunden, deren Benuteung der Nachwelt uberlassen bleibt. Welche Reichtiimer verschlieJBen nicht die Gebirge
nach Norden, welche giinstige Anzeichen fand ich nicht in meinem Vaterlande uberall, in Ungarn, am FuBe der Karpatischen Gebirge und in den Felsen-
von
talern
ein reicher
und Bayern. Ich konnte wenn ich das hatte mit mir
Tirol, Osterreich
Mann
sein,
nehmen konnen, was
ich nur aufzuheben, nur abzu-
An manchen
Orten sah ich mich wie in einem Zaubergarten. Was ich ansah, war von schlagen brauchte.
kostlichen Metallen bildet.
bers
und auf das kunstreichste und Asten des
In den zierlichen Locken
glanzende
hingen
Fruchte,
und
die
rubinrote
geSil-
durchsichtige
schweren Baumchen standen
auf
kristallenem Grunde, der ganz unnachahmlich ausgearbeitet war.
Man
traute
diesen wunderbaren Orten
kaum
seinen Sinnen an
und ward
nicht mude, zu durchstreifen und sich an ihren Kleinodien zu ergdtzen. Auch auf meiner jetzigen Reise habe ich viele Merkwiirdigkeiten gesehn, und gewiB ist in andern Landern die Erde diese reizenden Wildnisse
ebenso ergiebig und verschwenderisch/' „ Wenn man'', sagte der Unbekannte, „die Schatze bedenkt, die im Orient zu Hause sind, so ist daran kein Zweifel,
und
ist
das feme Indien, Afrika und
Spanien nicht schon im Altertum dutch die Reich-
Bodens bekannt gewesen? Als Kriegsso genau auf die Adern und Kliifte der Berge acht, indes habe ich doch zuweilen meine Betrachtungen iiber diese glanzenden Streifen gehabt, die wie seltsame Knospen auf eine
tiimer seines
mann gibt man freilich nicht
unerwartete Bliite und Frucht deuten.
damals denken konnen,
Wie hatte ich wenn ich froh iiber das Licht
des Tages an diesen dunkeln Behausungen vorbei-
im SchoBe eines Berges mein Leben beschlieBen wurde. Meine Liebe tnig mich stok liber den Erdboden, und in ihrer Umarmung hoffte ich in spaten Jahren zu entschlafen. Der Krieg endigte, und ich 2og nach Hause, voll froher Erwartungen eines erquicklichen Herbstes. Abet der 20g, daB ich noch
Geist des Krieges schien der Geist meines Glucks 2u sein. Meine Marie hatte mir 2wei Kinder im Orient geboren. Sie waren die Freude unsers Lebens. Die Seefahrt
und
die rauhere abendlandische Luft stdrte
wenig Tage nach meiner Kummervoli fiihrte ich meine
ihre Bliite. Ich begrub sie
Ankunft
in Europa.
trostlose Gattin
nach meiner Heimat. Ein
Gram mochte den Faden
ihres
stiller
Lebens miirbe ge-
macht haben. Auf einer Reise, die ich bald darauf unternehmen muBte, auf der sie mich wie immer begleitete, verschied sie sanft und pl6t2lich in meinen Armen. Es war hier nahebei, wo unsere irdische Wallfahrt 2u Ende ging. Mein EntschluB war im Augenblicke' reif. Ich fand, was ich nie erwartet hatte; eine gottliche Erlcuchtung
und
seit
dem Tage, da
kam
iiber
mich,
ich sie hier sclbst begrub,
eine himmlische Hand alien Kummer von meinem Her2en. Das Grabmal habe ich nachher
nahm
errichten lassen. Oft scheint eine Begebenheit sich
2u endigen, wenn dies hat bei
euch alien ein Gemiit wie imt/"
leihe
sie erst eigentlich beginnt,
meinem Leben
und
stattgefunden. Gott ver-
seliges Alter
und ein so gemhiges
Heinrich und die Kaufleute batten aufmetksam dem Gesprache izugehort, und der erstere fuhlte besonders neue Entwickelungen seines ahndungsvoUen Innern.
Manche Worte, manche Gedanken fielen wie und riickten
belebender Fmchtstaub in seinen SchoB ihn schnell aus die
Hohe
dem engen
der Welt.
Wie
Kreise seiner Jugend auf lange Jahre lagen die eben
vergangenen Stunden hinter ihm, und er glaubte, nie anders gedacht und empfunden zu haben.
Der Einsiedler zeigte ihnen seine Bucher. Es waren Historien und Gedichte. Heinrich blatterte in
alte
den groBen, schon gemalten Schriften; die kur2en Zeilen der Verse, die Uberschriften, einzelne Stellen
und
die saubern Bilder, die hier
korperte Worte,
und
da,
wie ver-
2um Vorschein kamen, um die Ein-
bildungskraft des Lesers 2u unterstiitzen, reizten
machtig seine Neugierde. Der Einsiedler bemerkte seine innere Lust
und
erklarte
ihm
die sonderbaren
Vorstellungen. Die mannigfaltigsten Lebensszenen
waren
abgebildet.
Kampfe,
Leichenbegrabnisse,
Hohlen und Helden, Priester, alte und junge Palaste Leute, Menschen in fremden Trachten und seltsame Tiere kamen in verschiedenen Abwechselungen und Hochzeitsfeierlichkeiten, SchifFbruche,
— K5nige,
Verbindungen vor. Heinrich konnte sich nicht sehen und hatte nichts mehr gewiinscht,
als bei
satt
dem
zn bleiben und von ihm iiber diese Bucher unterrichtet zn werden. Der Alte fragte unterdes, ob es noch mehr Hohlen gabe, xmd der Einsiedler sagte ihfn, daB noch einige sehr groBe in der N^e lagen, wohin er ihn begleiten woUe. Der Alte war dazu bereit, und der Einsiedler, der ihn unwiderstehlich anzog,
226
Einsiedler, der die
Freude merkte, die Heinrich an
seinen Biichern hatte, veranlaBte ihn, znmdcsublei-
ben und sich w^rend dieser Zeit weiter unter denselben umzusehn. Heinrich blieb mit Freuden bei den Biichern und dankte ihm innig fur seine Erlaubnis.
Er blatterte mit unendlicher Lust umher. Endlich fiel ihm ein Buch in die Hande, das in einer fremden Sprache geschrieben war, die ihm einige Ahnlichkeit mit der lateinischen und italienischen haben schien. Er hatte sehnlichst gewiinscht, die Sprache zu kennen, denn das Buch gefiel ihm vorziiglich, ohne daB
m
davon verstand. Es hatte keinen Xitel, noch beim Suchen einige Bilder. Sie diinkten ihn ganz wunderbar bekannt, und wie er er eine Silbe
doch fand
er
recht zusah, entdeckte er seine eigene Gestalt ziemlich kenntlich unter
den Figuren, Er erschrak und
glaubte zu traumen, aber beim wiederholten
Ansehn
konnte er nicht mehr an der vollkommenen Ahnlichkeit zweifeln.
Er
traute
kaum
seinen Sinnen, als er
bald auf einem Bilde die Hohle, den Einsiedler
und
den Alten neben sich entdeckte. Allmahlich fand er auf den andern Bildern die Morgenlanderin, seine Eltern, den Landgrafen und die Landgrafin von Thiiringen, seinen Freund, den Hofkaplan, und manche andere seiner Bekannten; doch waren ihre Kleidungen verandert und schienen aus einer andern Zeit zu sein. Eine groBe Menge Figuren wuBte er nicht zu nennen, doch deuchten sie ihn bekannt. Er
Gegen und edier vor. Die Gitarre ruhte in seinen Armen, und die Landgrafin reichte ihm einen Kranz. Er sah sich am kaiserHchen sah sein Ebenbild in verschiedenen Lagen. das
Ende kam
er sich groBer
2Z7
Umarmung mit einem MMchen, in einem Kampfe mit
Hofe, 2U Schiffe, in trauter
schknken, lieblichen wild aussehenden
Mannem und in freundlichen GeMann von
sprachen mit Sarazenen und Mohren. Ein
ernstem Ansehn
kam
haufig in seiner Gesellschaft
Er fuhlte tiefe Ehrfurcht vor dieser hohen Gestalt und war froh, sich Arm in Arm mit ihm zu sehn. Die letzten Bilder waren dunkel und unverstandlich,
vor.
dock uberraschten ihn einige Gestalten seines Traumes mit dem innigsten Entziicken; der SchluB des Buches schien zu fehlen. Heinrich war sehr bekiimmert und wiinschte nichts sehnlicher, als das Buck lesen 2u konnen und vollstandig zu besitzen. Er betracktete die Bilder zu wiederholten Malen und war besturzt, wie er die Gesellschaft zuruckkommen hdrte. Eine wunderlicke Sckam befiel ihn. Er getraute sich nicht, seine Entdeckung merken zu lassen, machte das Buch zu und fragte den Einsiedler nur obenhin nach dem Titel und der Sprache desselben, wo er denn erfuhr, daB es in provenzalischer Sprache geschrieben sei. „Es ist knge, daB ich es gelesen habe'", sagte der Einsiedler. „Ich kann mich nicht mehr genau des Inhalts entsinnen. Soviel ich weiB, ist es ein Roman von den wunderbaren Schicksalen eines Dichters, worm die Dichtkunst in ihren mannigfachen Verhaltnissen dargestellt und gepriesen wird. fehlt
Der SchluB
an dieser Handschrift,die ich aus Jerusalem mit-
gebracht hab^*, wo ich
sie in
der Verlassenschaft eines
Freundes fand und zu seinem Andenken aufhob.'^
nahmen nun voneinander Abschied, und Heinwar bis zu Tranen geriihrt. Die Hohle war ihm
Sie
rich
so merkwiirdig, der Einsiedler so lieb geworden.
Alle umarmten diesen herzlich, und er selbst schien sie iieb
gewonnen zvl haben. Heinrich gknbte zn be-
merken, daB er ihn mit einem freundlichen, durchdringenden Blicke ansehe. Seine Abschiedsworte ge-
gen ihn waren sonderbar bedeutend. Er schien von seiner Entdeckung zn wissen und darauf anzuspielen. Bis znm Eingang der Hohlen begleitete er sie, nachdem er sie und besonders den Knaben gebeten hatte, nichts von ihm gegen die Bauern zn erwahnen, weil er sonst ihren Zudringlichkeiten ausgesetzt sein wiirde. Sie versprachen es alle.
und
sich seinem
Wie
sie
von ihm schieden
Gebet empfahlen, sagte
er:
„Wie und
lange wird es wahren, so sehn wir uns wieder
werden
Reden lacheln. Ein himmlischer Tag wird uns umgeben, und wir werden iiber unsere heutigen
uns freuen, daB wir einander in diesen Talern der Priifung freundlich begruBten
und von gleichen
Gesinnungen und Ahndungen
beseelt waren.
sind die Engel, die uns hier sicher geleiten.
Auge
euer
den
fest
am Himmel haftet,
Sie
Wenn
so werdet ihr nie
Weg zn eurer Heimat verlieren.^^ — Sie trennten
sich mit stiller Andacht, fanden bald ihre zaghaften
Gefahrten und erreichten unter
kurzem das Dorf, Sorgen gewesen war,
in
wo sie
allerlei
Erzahlungen
Heinrichs Mutter, die in
mit tausend Freuden emp-
fiug.
Sechstes Kapitel
Menschen,
die
zum
Handeln, zur Geschaftigkeit
konnen nicht friih genug alles selbst betrachten und beleben. Sie miissen liberal! selbst Hand anlegen und viele Verhaltnisse durchlaufen.
geboren
sind,
229
Gemixt gegen die Eindriicke einer neuen Lage, gegen die Zerstreuungen vieler und mannigfaltiger
ihr
Gegenstande gewissermaBen abharten und sich gewohnen, selbst im Drange groBer Begebenheiten den Faden ihres Zwecks fest2uhalten und ihn gewandt hindurchzufiihren. Sie diirfen nicht den Einladungen einer stiilen Betrachtung nachgeben. Ihre Seele darf
keine in sich gekehrte Zuschauerin, sie
muB
unab-
nach auBen gerichtet und eine emsige, schnell entscheidende Dienerin des Verstandes sein. Sie sind
lassig
Helden, und
um
sie
her drangen sich die Begeben-
und gelost f^e werden 2u Geschichten
heiten, die geleitet
sein
woUen. AUe Zu-
unter ihrem EinfluB,
und ihr Leben ist eine ununterbrochene Kette merkwurdiger und glanzender, verwickelter und seltsamer Ereignisse.
Anders ist es nait jenen ruhigen, unbekannten Menschen, deren Welt ihr Gemut, deren Tatigkeit die Betrachtung, deren
Leben ein
leises
Bilden ihrer
innern Krafte ist. Keine Unruhe treibt sie nach auBen.
Ein stiller Besitz geniigtihnen, und das unermeBliche Schauspiel auBer ihnen reizt sie nicht, selbst darin
sondern kommt ihnen bedeutend und wunderbar genug vor, um seiner Betrachtung ihre MuBe zu widmen. Verlangen nach dem Geiste desselben halt sie in der Feme, und er ist es, der sie zu axifzutreten,
Gemuts in dieser menschlichen Welt bestimmte, wahrend jene die auBeren GliedmaBen und Sinne und die ausgehenden der geheimnisvollen Rolle des
Krafte derselben vorstellen.
GroBe und vielfache Begebenheiten wiirden sie Ein einfaches Leben ist ihr Los, und nur aus
stdren.
230
Erzahlungen und Schriften miissen sie mit dem und den ^ahllosen Erscheinungen der Welt bekannt werden. Nur selten darf im Verlauf ihres Lebens ein Vorfall sie auf einige Zeit in seine reichen Inhalt
raschen Wirbel mit hereinziehn,
Erfahmngen
um
dutch einige
von der Lage und dem Charakter der handelnden Menschen genauer zu untetrichten. Dagegen wird ihr empfindlicher Sinn schon genug von nahen unbedeutenden Erscheinungen beschaftigt, die ihm jene groBe Welt verjiingt darstellen, und sie
werden keinen Schritt tun, ohne die uberraschendEntdeckungen in sich selbst iiber das Wesen und die Bedeutung derselben zu machen. Es sind die Dichter, diese seltenen Zugmenschen, die zuweilen dutch unsere Wohnsitze wandeln und liberall den alten, ehrwurdigen Dienst der Menschheit und ihrer sie
sten
ersten Gotter, der Gestirne, des Friihlings, der Liebe,
des Glucks, der Fruchtbarkeit, der Gesundheit
des Frohsinns, erneuern;
sie,
und
die schon hier im Besitz
der himmlischen Ruhe sind und, von keinen totichten
Begierden umhergetrieben, nur den Duft der
irdi-
schen Friichte einatmen, ohne sie zu verzehren und dann unwiderruflich an die Unterwelt gekettet zu sein. Freie Gaste sind sie, deren goldener FuB nur leise auftritt und deren Gegenwart in alien unwillkiirlich die Fliigel ausbreitet. Ein Dichter laBt sich, wie ein guter Konig, frohen und klaren Gesichtern nach aufsuchen, und er ist es, der allein den Namen eines Weisen mit Recht fuhrt. Wenn man ihn mit dem Helden vergleicht, so findet man, daB die Gesange der Dichter nicht selten den Heldenmut in jugendlichen Herzen erweckt, Heldentaten aber wohl
nie
den Geist der Poesie in ein neues Gemiit gerufen
haben.
Heinrich war von Natur
2um
Dichter geboren.
Mannigfaltige Zufalle schienen sich
m seiner Bildung
2u vereinigen, und noch hatte nichts seine innere Regsamkeit gestort. Alles, was er sah und horte, schien nur neue Riegel in
ihm wegzuschieben und
neue Fenster ihm 2u ofFnen. Er sah die Welt in ihren groBen und abwechselnden Verhaltnissen vor sich liegen.
Noch war sie
aber
stumm und ihre
Seele, das
Gesprach, noch nicht erwacht. Schon nahte sich ein Dichter, ein liebliches Madchen an der Hand, um
durch Laute der Muttersprache und durch Beriih-
rung eines
Mundes die bidden und den einfachen Akkord
siiBen, zartlichen
Lippen aufzuschlieBen in unendliche
Melodien 2u
entfalten.
Diese Reise war nun geendigt. Es war gegen
Abend,
als
unsere Reisenden wohlbehalten und froh-
Augsburg anlangten Erwartung durch die hohen Gassen nach und dem ansehnlichen Hause des alten Schwaning ritten. Heinrichen war schon die Gegend sehr reizend vorgekommen. Das lebhafte Getiimmel der Stadt und die groBen, steinernen Hauser befremdeten ihn angenehm. Er freute sich inniglich iiber seinen kunftigen Aufenthalt. Seine Mutter war sehr vergnugt, lich in der weltberiihmten Stadt
voller
nach der langen, muhseligen Reise sich hier in ihrer
und Bekannten wieder zu umarmen, ihren Heinrich ihnen vorstellen und einmal alle Sorgen des Hauswesens bei den traulichen Erinnerungen ihrer
geliebten Vaterstadt 2u sehen, bald ihren Vater ihre alten
Jugend ruhig vergessen 2u kdnnen. Die Kaufleute 252
den dortigen Lustbarkeiten fiir die Unbequemlichkeiten des Weges zu entschadigen und
hofften, sich bei
eintragiiche Geschafte zn
machen.
Das Haus des alten Schwaning fanden sie erleuchtet, und eine lustige Musik tonte ihnen ent~ gegen. „Was gilts^", sagten die Kaufleute, „Euer GroBvater gibt ein frohliches Fest. Wir kommen wie gemfen. Wie wird er iiber die ungeladenen Gaste erstaunen. Er laBt es sich wohl nicht traumen, daB das wahre Fest nun erst angehn wird/" Heinrich fiihlte sich verlegen, und seine Mutter war nun wegen ihres An2ugs in Sorgen. Sie stiegen ab, die Kaufleute blieben bei den Pferden, und Heinrich und seine Mutter traten in das prachtige Haus. Unten war kein Hausgenosse zn sehen. Sie muBten die breite Wendeltreppe hinauf. Einige Diener die sie baten,
dem
alten
liefen voriiber,
Schwaning die Ankunft
Fremden amiusagen,
die ihn zn sprechen Die Diener machten anfangs einige Schwierigkeiten; die Reisenden sahen nicht znm besten aus; doch meldeten sie es dem Herrn des Hauses. Der alte Schwaning kam heraus. Er kannte sie nicht gleich und fragte nach ihrem Namen und Anliegen. Heinrichs Mutter weinte und fiel ihm um den Hals. „Kennt Ihr Eure Tochter nicht mehr?"", rief sie weinend. „Ich bringe Euch meinen Sohn."" Der alte Vater war auBerst geriihrt. Er dnickte sie lange an seine Brust; Heinrich sank auf ein Knie und kuBte ihm zartlich die Hand. Er hob ihn zu sich und hielt Mutter und Sohn umarmt. „Geschwind herein"", sagte Schwaning, „ich habe lauter Freunde und Bekannte bei mir, die sich herzlich mit mir freuen wer-
einiger
wiinschten.
235
den.“ Heinrichs Mutter schien einige Zweifel 2u haben. Sie hatte keine Zeit, sich zu besinnen. Der
Vater fdhrte beide in den hohen, erleuchteten
„Da bringe
ich meine Tochter
aus Eisenach'', rief
Saal.
und meinen Enkel
Schwaning in das frohe Ge-
turomel glan2end gekleideter Menschen.
AUe Augen
kehrten sich nach der Tiir; alles lief her2u, die Musik schwieg, und die beiden Reisenden standen verwirrt und geblendet in ihren staubigen Kleidern mitten in der bunten Schar. Tausend freudige Ausrufungen gingen von Mund 2u Mund. Alte Bekannte drangten sich um die Mutter. Es gab un2ahlige Fragen. Jedes wollte 2uerst gekannt und bewillkommnet sein. Wahrend der altere Teil der Gesellschaft sich mit der Mutter beschaftigte, heftete sich die Aufmerksamkeit des jiingeren Teils auf den fremden Jungling,
der mit gesenktem Blick dastand
und
nicht das
unbekannten Gesichter wieder 2u betrachten. Sein GroBvater machte ihn mit der Gesellschaft bekannt und erkundigte sich nach seinem Vater und den Vorf^len ihrer Reise.
Her2
hatte, die
Die Mutter gedachte der Kaufleute, die unten aus den Pferden geblieben waren. Sie sagte es ihrem Vater, welcher sogleich hinunterschickte und sie einladen lieB herauf2ukommen. Die
Gefalligkeit bei
Pferde
wurden in
die
St^e
gebracht,
und
die Kauf-
leute erschienen.
Schwaning dankte ihnen her2lich fur die freundwaren mit vielen Anwesenden bekannt und begriiBten sich freundlich mit ihnen. Die Mutter wiinschte, sich reinlich ankleiden 2u dixrfen. Schwaning nahm sie schaftliche Geleitung seiner Tochter. Sie
234
auf sein Zimmer, und Heinrich folgte ihnen in gleicher Absicht.
Unter der Gesellschaft war Heinrichen ein Mann aufgefallen, den er in jenem Buche oft an seiner Seite gesehn zn haben glaubte. Sein edles Ansehn 2eichnete ihn vor alien aus. Ein heitrer Ernst
war der
Geist seines Gesichts; eine ofFene, schon gewolbte
durchdringende und feste
Stirn, groBe, schwarze,
Augen, ein schalkhafter Zug
um
den frdhlichen
Mund und
durchaus klare, mannliche Verhaltnisse
machten
bedeutend und anziehend. Er war stark Bewegungen waren ruhig und aus-
es
gebaut, seine
drucksvoll, und wo er stand, schien er ewig stehen zu wollen. Heinrich fragte seinen GroBvater nach ihm. „Es ist mir lieb^‘, sagte der Alte, „daB du ihn gleich bemerkt hast.
Es
Kdingsohr, der Dichter.
ist
mein
trefflicher
Freundschaft kannst du stolzer sein Kaisers.
Aber wie
Freund
Auf seine Bekanntschaft und
stehts
als
auf die des
mit deinem Herzen? Er hat
eine schone Tochter; vielleicht, daB sie den Vater bei dir aussticht, sie nicht
war war
Es
gesehen
sollte
mich wundern, wenn du
hattest.*^
Heinrich errotete. „Ich
zerstreut, lieber GroBvater.
zahlreich,
Freund.**
und
— „Man
ich
merkt
Die Gesellschaft nur Euren
betrachtete
daB du aus Norden „Wir wollen dich soUst schon lernen, nach es,
kommst**, erwiderte Schwaning. hier schon auftauen.
Du
hubschen Augen sehn." Sie waren nun fertig und begaben sich zuriick in den Saal, wo indes die Zuriistungen zum Abendessen gemacht worden waren. Der alte Schwaning fiihrte Heinrich auf Klingsohr zu und erzahlte ihm. 235
daB Heinrich ihn gleich bemerkt und den lebhaftesten Wunsch habe, mit ihm bekannt 2u sein. Heinrich war beschamt. Klingsohr redete freund2u ihm von seinem Vaterlande und seiner Reise.
lich
Stimme, daB sich freimutig mit Heinrich bald ein Her2 faBte ihm unterhielt. Nach einiger Zeit kam Schwaning wieder zu ihnen und brachte die schone Mathilde.
Es lag so
viel Zutrauliches in seiner
und
„Nehmt Euch meines schiichternen Enkels freundan und verzeiht es ihm, daB er eher Euren Vater als Euch gesehn hat. Eure glan2:enden Augen werden schon die schlummernde Jugend in ihm wecken.
lich
In seinem Vaterlande
kommt
der Friihling spat.“
Heinrich und Mathilde wurden einander mit
Verwunderung
kaum horbaren
rot.
Sie sahen
an. Sie fragte ihn mit
Worten, ob er gern tanze.
leisen
Frage bejahte, fing eine frohliche Tan2musik an. Er bot ihr schweigend seine Hand; Eben, sie
als er die
gab ihm die
ihrige,
und
sie
mischten sich in die
Reihe der wabenden Paare. Schwaning und Klings-
ohr sahen zu. Die Mutter und die Kaufleute freuten sich
uber Heinrichs Behendigkeit und seine
liebliche.
Tanzerin, Die Mutter hatte genug mit ihren Jugend-
freundinnen zu sprechen, die ihr zu einem so wohl-
und so hofFnungsvollen Sohn Gluck
gebildeten
wiinschten. Klingsohr sagte zu Schwaning: „Etier
Enkel hat ein anziehendes Gesicht. Er zeigt ein klares
und umfassendes Gemut, und
kommt
tief
aus
dem
Herzen.^^
—
seine
„Ich
Stimme
hoffe^^, er-
widerte Schwaning, „daB er Euer gelehriger Schuler sein wird.
Mich
Euer Geist
deucht, er
komme
ist
xiber ihn.
zum Dichter geboren. Er
sieht
seinem Vater
und
ahnlich; nur scheint et weniger heftig
war
sinnig. Jener
in seiner
Jugend voll
eigen-
gliicklicher
Anlagen. Eine gewisse Freisinnigkeit fehlte ihm. Es hatte
mehr
aus
ihm werden konnen
als
ein fleiBiger
fertiger Kiinstler/" — Heinrich wiinschte den Tanz nie m. endigen. Mit innigem Wohlbehagen ruhte sein Auge auf den Rosen seiner Tanzerin. Ihr unschuldiges Auge vermied ihn nicht. Sie schien der
nnd
Geist ihres Vaters in der lieblichsten Verkleidung.
Aus ihren groBen^ ruhigen Augen sprach ewige Jugend. Auf einem lichthimmelblauen Grunde lag der milde Glanz der braunen Sterne. Stirn und Nase senkten sich izierlich um sie her. Eine nach der aufgehenden Sonne geneigte Lilie war ihr Gesicht, und von dem schlanken weiBen Halse schlangelten sich blaue Adern in reizenden Windungen um die zarten Wangen. Ihre Stimme war wie ein femes Echo, und das braune lockige Kopfchen schien liber der leichten Gestalt nur zu schweben. Die Schiisseln kamen herein, und der Tanz war aus. Die altern Leute setzten sich auf die eine Seite,
und
die jungern
nahmen
die andere ein.
Heinrich blieb bei Mathilden. Eine junge Ver-
wandte
setzte sich
zu seiner Linken, und Klingsohr
saB ihm gerade gegeniiber. So wenig Mathilde sprach,
so gesprachig war Veronika, seine andere Nachbarin.
mit ihm vertraut und machte ihn in Anwesenden bekannt. Heinrich verhdrte manches. Er war noch bei seiner Tanzerin Sie tat gleich
kurzem mit
alien
und hatte sich gern ofters nach rechts gewandt. Klingsohr machte ihrem Plaudern ein Ende. Er fragte ihn nach
dem Bande mit
sonderbaren Figuren, das 257
Heinrich an seinem Leibrocke befestigt hatte. Heinrich erzahlte von der Morgenlanderin
mit vieler Ruh-
rung. Mathilde weinte,und Heinrich konnte nun seine
Tranen kaum verbergen. Er geriet dariiber mit ihr ins Gesprach. Alle unterhielten sich; Veronika lachte und scherzte mit ihren Bekannten. Mathilde erzahlte ihm
von Ungarn, wo ihr Vater sich oft auf hielt, und von dem Leben in Augsburg. Alle waren vergniigt. Die Musik verscheuchte die Zuriickhaltung und rei^te alle Neigungen zn einem muntern Spiel. Blumenkorbe dufteten in voller Pracht auf dem Tische, und der Wein schlich zwischen den Schiisseln und Blumen umher, schiittelte seine goldnen Fliigel und stellte bunte Tapeten zwischen die Welt und die Gaste. Heinrich begriff erst jetzt, was ein Fest sei. Tausend frohe Geister schienen ihm um den Tisch zu gaukeln und in stiller Sympathie mit den frohlichen Menschen von ihren Freuden zu leben und mit ihren Geniissen sich zu berauschen. Der LebensgenuB stand wie ein klingender Baum voll goldener Friichte vor ihm. Das Ubel lieB sich nicht sehen, und es diinkte ihn unmoglich, daB je die menschliche Neigung von diesem Baume zu der gefahrlichen Frucht des Erkenntnisses, zu dem Baume des Krieges sich gewendet haben soUte. Er verstand nun den Wein und die Speisen. Sie schmeckten ihm liberaus kostlich, Ein himmlisches Ol wiirzte sie ihm, und aus dem Becher funkelte die Herrlichkeit des irdischen Lebens. Einige Madchen brachten
dem
alten
Schwaning einen frischen Kranz. Er setzte ihn auf, kuBte sie und sagte: „Auch unserm Freund Klingsohr miiBt ihr einen bringen, wir wollen beide zum
Dank euch ein paar neue Lieder lehren. Das meinige Er gab der Musik ein Zeichen Stimme:
soUt ihr gleich haben/‘
nnd sang mit
lauter
Sind wir nicht geplagte Wesen? 1st nicht
unser Los betriibt?
Nur 2u Zwang und Not In Versteilung nur
erlesen.
geiibt,
Dxirfen selbst nicht unsre Klagen
Sich aus unserm Busen wagen.
Allem, was die Eltern sprechen, Widerspricht das voile Hera.
Die verbotne Frucht au brechen, Fiihlen wir der Sehnsucht Schmera,
Mochten gern die siiBen Knaben Fest an unserm Heraen haben.
Ware
au denken Siinde? Gedanken doch. Was bleibt einem armen Kinde AuBer sixBen Traumen noch? Will man sie auch gern verbannen, dies
Zollfrei sind
Nimmer aiehen
Wenn
sie
von dannen.
wir auch des Abends beten,
Schreckt uns doch die Einsamkeit,
Und au
unsern Kussen treten
Sehnsucht und GeMligkeit.
Kdnnten wir wohl widerstreben, AUes, aUes hinaugeben?
259
Unsre
Rei5:e zu. verhiillen,
Schreibt die strenge Mutter vor.
Ach! was Quellen
der gute Willenj
hilft
sie nicht selbst
empor?
Bei der Sehnsucht innrem Beben
MuB
das beste
Band
sich geben.
Jede Neigung zu YerschlieBen, Hart und kalt zu sein wie Stein,
Schone Augen nicht zu griiBen, FleiBig und allein zu sein, Keiner Bitte nachzugeben: HeiBt das wohl ein Jugendleben?
GroB
sind eines
Ihre Brust
ist
Madchens Plagen,
krank und wund,
Und zum Lohn
fur
stille
Klagen
sie noch ein welker Mund. Wird denn nie das Blatt sich wenden
KiiBt
Und
das Reich der Alten enden?
Die alten Leute und die Junglinge lachten. Die Madchen erroteten und lachelten abwarts, Unter tausend Neckereien wurde ein zweiter Kranz geholt
und Klingsohr
um
aufgesetzt. Sie baten aber instandig
keinen so leichtfertigen Gesang. „Nein^^, sagte
Klingsohr, „ich werde mich wohl hxiten, so frevel-
Yon euren Geheimnissen zu reden. Sagt selbst, was ihr fur ein Lied haben wollt.^^ — „Nur nichts Yon Liebe^*, riefen die Madchen, „ein Weinlied, wenn es
haft
Euch
»
An
ansteht."^
Klingsohr sang:
Auf griinen Bergen wird geboren Der Gott, der uns den Himmel bringt. Die Sonne hat ihn sich erkoren,
DaB
sie
mit Flammen ihn dnrchdringt.
Er wird im Lenz mit Lust empfangen, Der zarte SchoB quillt still empor, Und wenn des Herbstes Friichte prangen, Springt auch das goldne Kind hervor. Sie legen ihn in enge
Wiegen
Ins unterirdische GeschoB.
Er traumt von Festen und von Siegen
Und
baut sich manches luftge SchloB.
Es nahe keiner
seiner
Kammer,
Wenn er sich ungeduldig drangt Und jedes Band und jede Klammer Mit jugendlichen KrMten sprengt.
Denn
unsichtbare Wachter stellen,
Solang er traumt, sich
um ihn her;
Und wer betritt die heilgen Schwellen, Den trMt ihr luftumwundner Speer* Sowie die Schwingen sich entfalten, LaBt er die lichten Augen sehn, LaBt ruhig seine Priester schalten
Und kommt
heraus,
wenn
sie
ihm
flehn.
Wiege dunkelm SchoBe Erscheint er im Kristallgewand;
Aus
seiner
Nwdss, Gesammcite Wcxht
x
241
Verschwiegner Eintracht voile Rose Tragt er bedeutend in der Hand.
Und
um ihn versammeln
iiberall
Sich seine Jiinger hocherfreut,
Und
tausend frohe
Ihm
ihre Lieb
Er
spritet in
Sein innres
Zungen stammeln und Dankbarkeit.
ungezahlten Strahlen
Leben in die Welt,
Die Liebe nippt aus seinen Schalen Und bleibt ihm ewig ^ugesellt.
Er nahm
Von
als
Geist der goldnen Zeiten
jeher sich des Dichters an,
Der immer
seine Lieblichkeiten
In trunknen Liedern aufgetan.
Er gab ihm,
seine Treu zn ehren, auf Recht jeden hiibschen Mund, Ein Und daB es keine darf ihm wehren, Macht Gott dutch ihn es alien kund.
„Ein schoner Prophet!"^ riefen die Madchen. Schwaning freute sich herzlich. Sie machten noch einige Einwendungen, aber es half nichts. Sie muBten ihm die siiBen Lippen hinreichen. Heinrich schamte sich nur vor seiner ernsten Nachbarin, sonst hatte er sich laut uber das Vorrecht der Dichter gefreut. Veronika war unter den Kranztragerinnen. Sie kam frohUch zuriick und sagte zu Heinrich: „Nicht wahr, es ist
242
hubsch,
wenn man
ein Dichter ist
Heinrich
getraute sich nicht, diese Frage zu benuteen.
Der
libermut der Freude und der Ernst der ersten Liebe kampften in seinem Gemiit, Die reizende Veronika scher2 te mit den andern,
nnd so gewann er Zeit, den
ersten etwas zn dampfen. Mathilde erzahlte ihm, daB sie die Gitarre spiele.
sagte Heinrich,
„von
Euch mochte ich sie lernen. Ich habe mich lange damach gesehnt/" — „Mein Vater hat mich nnterrichtet. Er spielt sie unvergleichlich^', sagte sie errotend.
—
„daB ich
„Ich glaube doch"^, erwiderte Heinrich,
sie schneller bei
Euch
lerne,
mich, Euren Gesang zu horen/" nicht zuviel von“
Wie
freue ich
— „Stellt Euch nur
~ „0!“ sagte Heinrich, „was sollte
ich nicht erwarten konnen, da Eure bloBe
schon Gesang
Musik
ist
und Eure
Rede
Gestalt eine himmlische
verkiindigt/*
Mathilde schwieg. Ihr Vater fing ein Gesprach mit
ihm
an, in
welchem Heinrich mit der
lebhaftesten
Begeisterung sprach. Die Nachsten wunderten sich iiber des
Jiinglings Beredsamkeit, iiber die Fiille
Gedanken. Mathilde sah ihn mit Aufmerksamkeit an. Sie schien sich iiber seine Reden zu freuen, die sein Gesicht mit den sprcchendsten Mienen noch mehr erklarte. Seine Augen glanzten ungewohnlich. Er sah sich zuweilen nach Mathilden um, die iiber den Ausdruck seines Gesichts erstaunte, Im Feuer des Gesprachs ergriff er unvcrmerkt ihre Hand, und sie konnte nicht umhin, manches, was er sagte, mit einem leisen Dmck zu bestatigen. Klingsohr wuBte seinen Enthusiasmus zu unterhalten und lockte aUinahlich seine ganze Seele seiner bildlichen
stiller
auf die Lippen. Endlich stand
alles
auf.
Alles
245
schwarmte durcheinander. Heinrich war an Mathildens Seite geblieben. Sie standen unbemerkt ab-
Er hielt ihre Hand und kiiBte sie 5:artlich. Sie liefi sie ihm und blickte ihn mit unbeschreiblicher Freundlichkeit an. Er konnte sich nicht halten, neigte sich 2u ihr und kiiBte ihre Lippen. Sie war uberrascht und erwiderte unwillkiirlich seinen heiBen KuB. „Gute Mathilde!'' — „Lieber Heinrich!"' Das war warts.
alles,
was
seine
Hand und ging unter die a xdern. Heinrich im Himmel. Seine Mutter kam auf ihn zvl.
sie
einander sagen konnten. Sie driickte
stand wie
Er
lieB seine
gan^e Zartlichkeit an ihr aus. Sie sagte: daB wir nach Augsburg gereist
„Ist es nicht gut,
sind? Nicht wahr, es gefallt dir ?“ sagte Heinrich, „so habe ich es
Es
~ „Liebe Mutter",
mir doch nicht vor-
ganz herrlich." Der Rest des Abends verging in unendlicher Frohlichkeit. Die Alten spielten, plauderten und
gestellt.
ist
sahen den Tanzen zu. Die Musik wogte wie ein
Lustmeer im Saale und hob die berauschte Jugend.
Heinrich
fiihlte die
entzuckenden Weissagungen
und Liebe zugleich. Auch Mathilde lieB sich wiUig von den schmeichelnden Wellen tragen und verbarg ihr zartliches Zutrauen, ihre aufkeimende Neigung zu ihm nur hinter einem leichten Flor. Der alte Schwaning bemerkte das kommende Verstandnis und neckte beide. Klingsohr hatte Heinrichen Keb gewonnen und der ersten Lust
Die andern Jiinglinge bald bemerkt. Sie zogen die
freute sich seiner Zartlichkeit.
und Madchen hatten ernste Mathilde mit
es
dem jungen
Thiiringer auf
und
verhehlten nicht, daB es ihnen lieb
sei,
Mathildeos
Aufmerksamkeit nicht mehr bei ihren Her^zensgeschaften scheuen zn diirfen,
Es war
tief in
der Nacht,
einanderging. ,Das erste
als die Gesellschaft aus-
und
einaige Fest meines
Lebens^5 sagte Heinrich za sich selbst, als er allein
war und
seine Mutter sich ermiidet zur
Ruhe
geiegt
mir nicht zumute wie in jenem Traume beim Anblick der blauen Blume? Welcher sonderhatte. Jst
Zusammenhang ist zwischen Mathilden und Blume? Jenes Gesicht, das aus dem Kelche sich mir entgegenneigte, es war Mathildens himmlisches Gesicht, und nun erinnere idb mich auch, es in jenem Buche gesehn zu haben, Aber warum hat es dort meinHerz nicht so bewegt? O! sie ist der bare
dieser
sichtbare Geist des Gesanges, eine wtirdige Tochter
wird mich in Musik auflosen. Sie wird meine innerste Seele, die Hiiterin meines heiligen Feuers sein. Welche Ewigkeit von Treue fuhle ich in mir Ich ward nur geboren, um sie zu verehren, um ihr ewig zu dienen, um sie zu denken und zu empfinden. Gehort nicht ein eigenes ungeteiltes Dasein zu ihrer Anschauung und Anbetung» ihres Vaters. Sie
I
und bin ich der Gliickliche, dessen Wesen das Echo, der Spiegel des ihrigen sein darf ? Es war kein Zufall, daB ich sie am Ende meiner Reise sah, daB ein den hochsten Augenblick meines Lebens umgab, Es konnte nicht anders sein; macht ihre Gegenwart nicht alles festlich?^
seliges Fest
Er
am
trat ans Fenster,
Das Chor der Gestirne stand
dunkeln Himmel, und im Morgen kiindigte ein weiBer Schein den kommenden Tag an.
Mit voUem Entziicken rief Heinrich aus: „E^ch, ihr cwigen Gestirne, ihr stillen Wandtex, euch mfe ich zu Zeugen meines heiligen Schwurs an. Fiir Mathilden will ich leben, und ewige Treue soil mein
Hcrz an das ihrige kniipfen. Auch mir bricht der Morgen eines ewigen Tages an. Die Nacht ist vorliber. Ich ziinde der aufgehenden Sonne mich selbst zum nie vergliihenden Opfer an."*' Heinrich war erhitzt, und nur spat gegen Morgen schlief er ein.
In wunderliche Traume flossen die
Gedanken seiner Seele zusammen. Ein defer bkuer Strom schimmerte aus der griinen Ebene herauf. Auf der glatten Flache schwamm ein Kahn. Mathiide saB und ruderte. Sie war mit Kranzen geschmuckt, sang
und sah nach ihm mit siiBer Wehwar beklommen. Er wuBte nicht warum. Der Himmel war heiter, die Flut ruhig.
ein einfaches Lied
mut heriiber.
Seine Brust
Ihr himmlisches Gesicht spiegelte sich in den Wellen.
Auf einmal
Kahn
umzudrehen, Er und legte das Ruder in den Kahn, der sich immerwahrend drehte. Eine ungeheure Bangigkeit ergriif ihn. Er sturzte sich in fing der
an, sich
rief ihr angstlich zu. Sie lachelte
den Strom; aber er konnte nicht
Wasser trug ihn. Sie wlnkte, sie schien ihm etwas sagen zn woUen, der Kahn schopfte schon Wasser; doch fort, das
mit einer unsaglichen Innigkeit und sah den Wirbel hinein. Auf einmal zog es sie hinunter. Eine leise Luft strich iiber den Strom, der ebenso ruhig und gl^end floB wie vorher. Die entsetzliche Angst raubte ihm das BewuBtsein. Das Herz schlug nicht mehr. Er kam erst zu sich, als er sich auf trocknem Boden fuhlte. Er mochte weit
lachelte sie
heiter in
geschwommen sein, Es war eine fremde Gegend. Er wxiBte nicht, wie ihm geschehen war. Seixi Gemiit war verschwunden. Gedankenlos ging er tiefer ins Land. Entsetzlich matt fiihlte er sich. Eine kleine Quelle kam aus einem Hiigel, sie tonte wie lauter Glocken. Mit der Hand schdpfte er einige Tropfen
und
durren Lippen. Wie ein banger Traum lag die schreckliche Begebenheit hinter ihm. Immer weiter und weiter ging er, Blumen und Baume redeten ihn an. Ihm wurde so wohl und heimatlich zn Sinne. Da horte er jenes einfache Lied wieder. Er lief den Tonen nach. Auf einmal hielt ihn jemand am Gewande zuruck. „Lieber Heinrich*"^, rief eine bexietzte seine
kannte Stimme. Er sah sich um, und Mathilde schloB
„Warum
ihn in ihre Arme.
Herz?^‘ sagte sie tiefatmend. einholen.^" Heinrich weinte.
du vor
mir, liebes
„Kaum konnte ich dich Er drucfcte sie an sich.
—
—
„Siehst
nicht seine blauen Wellen iiber uns?**
Er sah
„Wo du
liefst
ist
hinauf,
Haupte.
unsem
der Strom?** tief er mit Trancn.
und der blaue Strom
„Wo
floB leise liber
ihrem
sind wir, Hebe Mathilde?** -- „Bei
Eltern.**
—
„Bl^iben wit zusammen?**
—
sie, indem sie ihre Lippen an die und ihn so umschloB, daB sie nicht wieder von ihm konnte. Sie sagte ihm ein wunderbares geheimes Wort in den Mund, das sein ganzes Wesen durchklang. Er woUte es wiederholen, als sein GroBvater rief und er aufwachte. Er hatte sein Leben datum geben mogen, das Wort noch zu
„Ewig**, versetzte seinigen driickte
wissen.
247
Siebentes Kapitel
und bot ihm Guten Morgen. Er ward munter und fiel Klingsohr um den Hals. „Das gilt Euch nicht'', sagte Schwaning. Heinrich lachelte und verbarg sein Erroten an den Wangen seiner Mutter. „Habt Ihr Lust, mit mir vor der Stadt auf einer Klitigsohr Stand vor seinem Bette
freundlich
schonen Anhdhe zu fruhstiicken
sagte Klingsohr.
„Der herrliche Morgen wird Euch erfrischen. Kleh det Euch an. Mathilde wartet schon auf uns.^" Heiarich dankte mit tausend Freuden fur diese wiUkommene Einladung. In einem Augenblick war er fertig und kiifite Klingsohr mit vieler Inbrunst die Hand. Sie gingen zu Mathilden, die in ihrem einfachen Morgenkleide wunderliebHch aussah und ihn freundlich gruBte. Sie hatte
schon das Fruhstiick in
ein
Korbchen gepackt, das sie an den einen Arm hing und die andere Hand unbefangen Heinrichen reichte. Klingsohr folgte ihnen, und so wandelten die Stadt, die
sie
durch
schon voUer Lebendigkeit war, nach
einem kleinen Hugel am Flusse, wo sich unter einigen hohen Baumen eine weite und voile Aussicht ofFnete. „Habe ich doch schon oft^^, rief Heinrich aus, „mich an dem Aufgang der bunten Natur, an der friedlichen Nachbarschaft ihres mannigfaltigen Ei-
gentums ergotzt; aber eine so schopferische und gediegene Heiterkeit hat mich noch nie heute. Jene Fernen sind mir so nah,
und
erfiillt
wie
die reiche
mir wie eine innere Phantasie, Wie veranderlich ist die Natur, so unwandelbar auch ihre
Landschaft
ist
Oberflache zu sein scheint.
248
Wie
anders
ist sie,
wenn
ein Engel^
wenn
neben uns ist, vor uns klagt oder ein Bauer uns erzahlt, wie ungiinstig die Witterung ihm sei und wie notig er diistre Regentage fiir seine Saat brauche. Euch, teuerster Meister, bin ich dieses Vetgniigen schuldig; ja, dieses Vergniigen, dean es gibt kein anderes Wort, was wahrhafter den Zustand meines Herzens ausdriickte. Freude, Lust und Entziicken sind nur die Glieder des Vergniigens, das sie 2u seinem hohern Leben verkniipft/" Er driickte Mathildens Hand an seinHerz und versank mit einem feurigen Blick in ihr mildes, empfangliches Auge. „Die Natur“, versetzte Klingsohr, „ist fiir unser
wenn
als
ein kraftigerer Geist
ein Notleidender
Gemiit, was ein Korper
fiir
das Licht
ist.
Er
halt es
zuriick; er bricht es in eigentiimliche Farben; er
ziindet auf seiner Oberflache oder in seinem Innern
ein Licht an, das,
wenn
es seiner
Dunkelheit gieich-
und durchsichtig macht, wenn es von ihm ausgeht, um andere Korper za erleuchten. Aber seibst der dunkelste Korper kann durch Wasser, Feuer und Luft dahin gebracht werden, daB er hell und glanzend wird/*^ kommt, ihn
klar
sie iiberwiegt,
,
Jch verstehe Euch,
lieber Meister.
Die Menschen
sind Kristalle fur unser Gemiit. Sie sind die durchsichtige Natur. Liebe Mathilde, ich
mdchte Euch
einen kostlichen, lautem Saphir nennen. Ihr seid klar und durchsichtig
mit
dem
traut
Aber
ob ich recht habe: mich
Meister,
gerade,
wie der Himmel, Ihr erieuchtet
nuldesten Lichte.
wenn man am
ist,
m5chte.“
am
sagt mir, lieber diinkt,
daB man
innigsten mit der Natur ver-
wenigsten von ihr sagen konnte und
„Wie man anderes
ist es
das nimmt‘", versetzte Klingsoht; „ein
mit der Natur fur unsern GenuB und
unset Gemxit, ein anderes mit der Natur fur unsern Verstand, fur das leitende
Man muB
Vermogen unseret
Welt-
wohl hiiten, nicht eins iiber das andere zu yergessen. Es gibt viele, die nur die eine Seite kennen und die andere geringschatzen. Abet beide kann man vereinigen, und man wird sich wohl dabei befinden. Schade, daB so wenige darauf denken, sich in ihrem Innern frei und geschickt bewegen zu konnen und dutch eine gehorige Trennung sich den zweckmaBigsten und natiirlichsten Gebrauch ihrer Gemiitskr^te zu sichern. Gewohnlich hindert eine die andere, und so entsteht allm^ich eine unbehulfIicheTr%heit,daB,wenn nun solcheMenschen krafte.
sich
einmal mit gesamten Krtften aufstehen wollen, eine gewaltige Verwirrung alles
und
ein Streit beginnt, sodaB
ubereinander ungeschickt herstolpert. Ich kann
Euch nicht genug anriihmen, Euren Verstand, Euren naturlichen Trieb, zu wissen, wie alles sich begibt
und untereinander nach Gesetzen der Folge zusammenh^gt, mit FleiB und Miihe zu unterstiitzen. Nichts
ist
dem
Dichter unentbehrlicher
als Einsicht
Natur jedes Geschafts, Bekanntschaft mit den Mitteln,jedenZweckzu erreichen,undGegenwart des Geistes, nach Zeit und Umstanden die schicklichsten zu wahlen. Begeisterung ohne Verstand ist unnxitz und geifahrlich, und der Dichter wird wenig Wxinder tun konnen, wenn er selbst iiber Wunder erstaunt/^ in die
„Ist abet dem Dichter nicht ein inniger Glaube an die menschhche Regierung des Schicksals iment-
behrhch?^*
„UnentbeIirlicli allerdings, well er sich das Schicfcsal nicht anders vorstellen
wcnn
kann,
er reiflich
dariiber nachdenkt ; aber wie entfernt ist diese heitere
GewiBheit von jener angstlichen UngewiBbeit, von jener blinden Furcht des Aberglaubens.
Und
so
ist
auch die kiihle, belebende Warme eines dichterischen Gemiits gerade das Widerspiel von jener wilden Hitze eines kranklichen Herzens. Diese ist arm, be-
taubend und voriibergebend; jene sondert aUe Ge~ stalten rein ab, begiinstigt die Ausbildung der mannigfaltigsten Verhaltnisse und ist ewig dutch sich selbst. Der junge Dichter kann nicht kiihl, nicht besonnen genug sein. Zur “wahren, melodischen Gesprachigkeit gehort ein weiter, aufmerksamer und ruhiger Sinn. Es wird ein verworrnes Geschwatz, wenn ein reiBender Strom in der Brust tobt und die Aufmerksamkeit in eine zitternde Gedankenlosigkeit aufldst. Nochmals wiederhole ich, das echte Gemiit ist wie das Licht, ebenso ruhig und empfindlich, ebenso elastisch und durchdringlich, ebenso machtig und ebenso unmerklich wirksam als dieses kostliche Element, das auf alle Gegenstande sich mit feiner Abgemessenheit verteilt
und
sie alle in reizen-
der Mannigfaltigkeit erscheinen KBtreiner Stahl, ebenso empiindiich licher Glasfaden
und ebenso
Der Dichter ist
wie ein zerbrech-
hart wie ein unge-
schmeidiger Kiesel/* „Ich habe das schon zuweilen gefiihlf', sagte Heinrich, „daB ich in den innigsten Minuten weniger
wo ich frei umhergehn und alle Beschaftigungen mit Lust treiben konnte. Ein geistiges scharfes Wesen durchdrang
lebendig war als zu andern Zeiten,
251
mich dann, und ich durfte jeden Sinn nach Gefallen brauchen, jeden Gedanken wie einen wirklichen
Korper umwenden und von alien Seiten betrachten. Ich stand mit stillem Anteil an der Werkstatt meines Vaters
und
freute mich,
wenn
ich
ihm
helfen
und
etwas geschickt zustande bringen konnte. Geschick-
ganz besondern starkenden Rek, wahr, ihr BewuBtsein verschafFt einen
lichkeit hat einen
und
es ist
dauerhafteren und deutlicheren
GenuB als jenes tiber-
fiieBende Gefiihl einer unbegreiflichen,iiberschweng'
lichen Herriichkeit/^
„Glaubt nicht“, sagte Klingsohr, „daB ich das let2tere tadle;
aber es
muB von
selbst
kommen und
nicht gesucht werden. Seine sparsame Erscheinung ist
ermudend und schwagenug sich aus der die es hinterl^t, und zn
wohltatig; ofterer wird sie
chend.
Man kann
nicht schnell
suBen Betaubung reiBen, einer
regelm^igen und miihsamen Beschaftigung Es ist wie mit den anmutigen Morgen-
zuriickkehren.
man nur wenn man nicht geraten und so in
traumen, aus deren einschlaferndem Wirbel
mit Gewalt sich herausziehen kann, in
immer
driickendere Miidigkeit
krankhafter Erschopfung nachher den ganzen
Tag
hinschleppen will/‘
„Die Poesie will vorzuglich'^, fuhr Klingsohr fort, Kunst getrieben werden. Als bloBer Ge-
„als strenge
nuB hort
sie auf,
Poesie zu sein. Ein Dichter
muB
Tag miiBig umherlaufen und auf und Gefiihle Jagd machen. Das ist ganz der verkehrte Weg. Einreines, offenes Gemiit, Gewandtheit im Nachdenken und Betrachten und Geschick-
nicht den ganzen Bilder
lichkeit, alle seine
Fahigkeiten in eine gegenseitig
belebende Tatigkeit za verseteen und darin
za. er-
halten, das sind die Erfordernisse unserer Kunst.
Wenn
Ihr
Euch mir
iiberlassen wollt, so soli kein
Tag Euch vergehen, wo Ihr nicht Eure Kenntmsse bereichert uud einige niitzliche Einsichten erlaugt habt. Die Stadt ist reich an Kiinstlern aller Art.
Es
gibt einige erfahme Staatsmanner, einige gebildete
Kaufleute hier. Man kann ohne groBe Umstande mit alien Standen, mit alien
nissen
und
Gewerben, mit alien Verhalt-
Erfordernissen der menschlichen Gesell-
schaft sich bekannt machen. Ich will
Euch mit Freu-
den in dem HandwerksmaBigen unserer Kunst unterdie merkwiirdigsten Schriften mit Euch konnt Mathildens Lehrstunden teilen, und sie wird Euch gern die Gitarre spielen lehren. Jede Beschaftigung wird die librigen vorbereiten, und
richten
und
lesen. Ihr
wenn Ihr so Euren Tag gut angelegt habt, so werden Euch das Gesprach und die Freuden des gesellschaftlichen schaft
Abends und die Ansichten der schonen Landumher mit den heitersten Geniissen immer
wieder xiberraschen/"
^Welches herriiche Leben schlieBt Ihr mir auf, liebster Meister. Unter Eurer Leitung werde ich erst merken, welches edle Ziel vor mir steht und wie ich erreichen hoffen darf/* es nur dutch Euren Rat
m
KJingsohr umarmte ihn zartlich. Mathilde brachte ihnen das Friihstiick, und Heinrich fragte sie mit
zum Begleiter wolle. annehmen Schiiler zum Unterrichts und
zirtUchet Stimme, ob sie ihn gern ihres
„Ich werde wohl ewig Euer Schuler bleiben% sagte er,
indem
sich Klingsohr
nach einer andem Seite
wandte. Sie neigte sich unmerklich
2zu
ihm
bin*
Er
sie und kuBte den weichen Mund des erNur sanft bog sie sich von ihm MMchens. rotenden v?eg, doch reichte sie ihm mit der kindlichsten Anmut eine Rose, die sie am Busen trug. Sie machte
umschlang
sich mit
ihrem Korbchen zu tun. Heinrich sah ihr
mit stillem Entziicken nach, kiiBte die Rose, heftete sie an seine Brust und ging an Klingsohrs Seite, der
nach der Stadt hiniibersah.
„Wo seid Ihr hergekommen?“ fragte Klingsohr. ~ „t)ber jenen Hugel herunter"^, erwiderte Heinrich. „In jene Feme verliert sich unser Weg.“ — „Ihr miiBt schone
Gegenden gesehn
haben.^"^
— •
„Fast
ununterbrochen sind wir durch reizende Landschaften gereiset.''
—
„Auch Eure
Vaterstadt hat
—
„Die Gegend ist abwechselnd genug; doch ist sie noch wild, und ein groBer FluB fehlt ihr. Die Strome sind die Augen einer Landschaft.'^ — „Die Erzahlung Eurer Reise“^, sagte Klingsohr, „hat mir gestern abend eine angenehme Unterhaltung gewahrt. Ich habe wohl ge merkt, daB der Geist der Dichtkunst Euer freundlicher Begleiter ist. Eure Gefahrten sind unbemerkt seine Stimmen geworden. In der Nahe des Dichters
wohl
eine anmutige Lage?^^
bricht die Poesie liberall aus.
Das Land der
Poesie,
Euch mit seiner siiBen Wehmut begriiBt der Krieg hat Euch in seiner wilden Herrlichkeit angeredet, und die Natur und Geschichte sind Euch unter der Gestalt eines Bergmanns und eines Einsiedlers begegnet.""' „Ihr vergeBt das Beste, lieber Meister, die himmlische Erscheinung der Liebe. Es hangt nur von Euch das romantische Morgenland, hat ;
ab, diese
^54
Erscheinung mir auf ewig festzuhalten.“
—
„Was
meinst rief Klingsohr, indem er sich zu Mathilden wandte, die eben auf ihn zukam. „Hast du Lust, Heinrichs unzertrennliche Gefahrtin zn sein ?
Wo du bleibst, bleibe ich auch/* Mathilde erschrak, sie flog in die
Arme
ihres Vaters. Heinrich zitterte
in unendlicher Freude. geleiten
woUen,
lieber
„Wird
Vater
er
mich denn ewig
— „Frage ihn selbst“,
sagte Klingsohr geriihrt. Sie sah Heinrichen mit der
innigsten Zartlichkeit an. „Meine Ewigkeit ist ja dein
Werk^‘, rief Heinrich, indem ihm die Tranen iiber die bluhenden Wangen stiirzten. Sie umschkngen sich zugleich. Klingsohr faBte sie in seine Arme. „Meine Kinder*^, rief er, „seid einander treu bis in den Tod! Liebe und Treue werden euer Leben zur ewigen Poesie machen.“
Achtcs Kapitei,
Nachmittags fiihrte Klingsohr seinen neuen Sohn, an dessen Gliick seine Mutter und GroBvater den zartlichsten Anteil nahmen
und Mathilden wie seinen und machte
Schutzgeist verehrten, in seine Stube
ihn mit den Biichern bekannt. Sie sprachen nachher
von
Poesie.
„Ich weiB
nicht"‘, sagte
fur Poesie nach gemeiner Weise hMt,
Natut
flit
einen Poeten ausgibt. Sie
alien Zeiten.
Es
ist
man es wenn man die
Klingsohr, ,,'wamm
in ihr, wie in
ist
es nicht
zu
dem Menschen, ein
dumpfe Begierde und und Tragheit, die einen mit der Poesie fiihren. Er ware ein
entgegengesetztes Wesen, die die stumpfe Gefiihllosigkeit rastlosen Streit
schoner Stoff zu einem Gedicht, dieser gewaltige ^55
Kamp£ Manche Landet und
Zeiten scheinen, wie die meisten Menschen, ganz unter der BotmaBigkeit dieser Feindin der Poesie zu stehen, dagegen in an-
dern die Poesie einheimisch und liberall sichtbar ist. Fiir den Geschichtsschreiber sind die Zeiten dieses
Kampfes auBerst merkwiirdig, reizendes
und belohnendes
ibre Darstellung ein
Geschaft.
Es sind
ge-
wohnlich die Geburtszeiten der Dichter. Der Widersacherin ist nichts unangenehmer, als daB sie der Poesie gegenuber selbst zu einer poetischen Person
wird und nicht seiten in der Hitze die Waffen mit ihr tauscht und von ihrem eigenen heimtiickischen Geschosse heftig getroifen wird, dahingegen
die
Wunden der Poesie, die sie von ihren eigenen WafFen und sie nur noch reizender und machen/^ gewaltiger „Der Krieg iiberhaupt^', sagte Heinrich, „scheint mir eine poetische Wirkung. Die Leute glauben sich fur irgendeinen armseligen Besitz schlagen zu mussen und merken nicht, daB sie der romantische Geist aufregt, um die unniitzen Schlechtigkeiten durch sich selbst zu vernichten. Sie fxihren die Waffen fiir die Sache der Poesie, und beide Heere folgen eimr unsichtbaren Fahne/^
erhalt, leicht heilen
„Im
Kriege^^^, versetzte
Urgewasser.
Neue
Klingsohr, „regt sich das
Weltteile sollen entstehen, neue
Geschlechter sollen aus der groBen Auflosung anschieBen,
Der wahre Krieg
ist
der Religionskrieg;
der geht geradezu auf Untergang,
und der Wahnsinn
der Menschen erscheint in seiner v5lligen Gestalt. Viele Kriege, besonders die
dem
NationalhaB ent-
springen, geh5ren in diese Klasse mit,
xmd
sie sind
echte Dichtungen. Hier sind die
wahren Helden
m
Hause, die das edelste Gegenbild der Dichter, nichts anderes
als unwillkiirlich
von Poesie durchdrungene
Weltkrafte sind, Ein Dichter, der 2ugleich Held ware,
schon ein gottlicher Gesandter, aber seiner Dar-
ist
stellung ist unsere Poesie nicht gewachsen/"
„Wie versteht Ihr das, lieber Vater?“ sagte Hein„Kann ein Gegenstand 2u iiberschwenglich fiir
rich.
die Poesie sein?"'
„Allerdings.
sagen,
fiir
Nur kann man im Grunde
die Poesie, sondern
schen Mittel und Werkzeuge.
nur
fiir
Wenn
nicht
unsere
es
irdi-
schon
fiir
einen eixrzelnen Dichter nur ein eigentiimliches Gebiet gibt, innerhalb dessen er bleiben
muB,
um nicht
Haltung und den Atem zu verlieren, so gibt es auch fiir die ganze Summe menschlicher Krafte eine
alle
bestimmte Grenze der Darstellbai^eit,
iiber
welche
hinaus die Darstellung die ndtige Dichtigkeit
und
Gestaltung nicht behalten kann und in ein leeres, tauschendes Unding sich verliert. Besonders
als
Lehr-
kann man sich nicht genug vor diesen Ausschweifungen hiiten, da eine lebhajfte Phantasie nur gar zu gern nach den Grenzen sich begibt und iibermiitig das Unsinnliche, ObermaBige zu ergreifen und auszusprechen sucht. Reifere Erfahrung lehrt erst, jene UnverhaitnismaBigkeit der Gegenstande zu vermeiden und die Aufspiirung des Einfachsten und Hdchsten der Weltweisheit zu iiberlassen. Der altere ling
Dichter steigt nicht hoher,
um
als er es
liche
Ordnung zu
stellen,
und
hiitet sich
Mannigfaltigkeit zu verlassen, die 17
gerade ndtig hat,
seinen mannigfaltigen Vorrat in eine leichtfaB-
NcmJis^ Gewminclte WcxIec 1
ihm
wohl, die
Stoff
genug 257
und auch
die notigen Vergleichspunkte darbietet.
muB in jeder Dichtung dutch den regelmaBigen Plot der Otdnung schimmern. Den Reichtum der Erfindung macht nut Ich mochte fast sagen, das Chaos
eine leichte
Zusammenstellung faBlich und anmutig,
dagegen auch das bloBe EbenmaB die unangenehme Diitre einer Zahlenfigur hat.
Die beste Poesie
liegt
uns ganz nahe, und ein gewohnlicher Gegenstand
den Dichter ist an beschtankte Werkzeuge gebunden, und eben dadurch wird sie zur Kunst. Die Sprache uberhaupt hat ihren bestimmten Kreis. Noch enger ist der Umfang einer besondern Volkssprache. Dutch
ist
nicht selten iht liebster
StoflF.
Fiir
die Poesie
Obung und Nachdenken
lernt der Dichter seine
Sprache kennen. Er weiB, was er mit ihr leisten kann,
genau und wird keinen torichten Versuch machen, sie iiber ihre
Krafte anzuspannen.
er alle ihre Krafte in einen
Nur
selten wird
Punkt zusammendr^gen,
denn sonst wird er ermiidend und vernichtet selbst die kostbare Wirkung einer gut angebrachten KraftauBerung. Auf seltsame Spriinge richtet sie nur ein Gaukler, kein Dichter ab. Oberhaupt konnen die Dichter nicht genug von den Musikern und Malern lernen. In diesen Kiinsten wird es recht auffaUend, wie notig es ist, wirtschaftlich mit den Hulfsmitteln der Kunst umzugehn, und wieviel auf geschickte Verhaltnisse ankommt. Dagegen kdnnten freilich jene Kiinstler auch von uns die poetische Unabhangigkeit und den innem Geist jeder Dichtung und Erfindung, jedes echten Kunstwerks uberhaupt, dankbar annehmen. Sie sollten poetischer und wir musikalischer
258
und malerischer
sein
—
beides nach
der Art und Weise unserer Kuixst.
Zweck
der
Der
StofF ist
der Kunst, aber die Ansfuhrung
mcht
ist es.
Du wirst selbst seben, welche Gesange dir am besten geraten, gewiB die, deren Gegenstande dir laufigsten
man
und gegenwartigsten
sind.
am
ge~
Daher kann
sagen, daB die Poesie gam: auf Erfahrung be-
weiB selbst, daB mir in jungen Jahten ein Gegenstand nicht leicht zu entfernt und zu unbekannt sein konnte, den ich nicht am liebsten besungen hatte. Was wurde es ? Ein leeres, armscliges Wortgerausch, ohne einen Funken wahrer Poesie. Daher ist auch ein Marchen eine sehr schwierige Aufgabe, und selten wird ein junger Dichter sie gut ruht. Ich
losen.*^
„Ich mochte gern eins von dir
horen^'^,
sagte
Heinrich. „Die wenigen, die ich gehdrt habe, haben mich unbeschreiblich ergotzt, so unbedeutend sie
auch sein mochten/^ „Ich will heute abend deinen Wunsch befriedigen. Es ist mir eins erinnerlich, das ich noch in ziemlich jungen Jahren machte, wovon es auch noch deutliche Spuren an sich tragt, indes wird es dich vielleicht desto lehrreicher unterhaiten und dich an manches erinnern,
was ich
dir gesagt habe.'*
„Die Sprache", sagte Heinrich, „ist wirklich eine kleine Welt in Zeichen imd Tdnen. Wie der Mensch sie beherrscht, so mochte er gern die groBe Welt beherrschen xxnd sich frei darin ausdriicken konnen. Und eben in dieser Freude, das, was auBer der Welt ist, in ihr zu offenbaren, das tun zu konnen, was eigentlich der urspriingliche Trieb unseres Daseins ist,
liegt der
Ursprung der Poesie."
„Es
recht xiber^ sagte Klingsohr, „daB die
ist
besondem Namen hat und die Dichter besondere Zunft ausmachen. Es ist gar tiichts
Poesie einen eine
Besonderes. Es
ist
die eigentumliche Handlungs-
weise des menschlichen Geistes. Dichtet und trachtet nicht jeder
Mensch
in jeder Minute?''
Mathilde ins Zimmer,
„Man die
—
Eben
trat
Klingsohr noch sagte: betrachte nur die Liebe. Nirgends wird wohl als
Notwendigkeit der Poesie
Menschheit so klar
als in ihr.
nur die Poesie kann fur ist selbst
sie
Bestand der ist stumm,
sprechen.
Oder
nichts als hochste Naturpoesie.
will dir nicht Dinge sagen,die
„Du bis t
zum
Die Liebe
j
die Liebe
Doch
ich
du besser weiBt als ich,"
Vater derLiebe",sagteHeinrich,indem
a der
er Mathilden umschlang und beide seine Hand kiiBten.
Klingsohr umarmte
sie
und ging
hinaus. „Liebe
Mathilde", sagte Heinrich nach einem langen Kusse,
mir wie ein Traum, daB du mem bist, aber noch wunderbarer ist es mir, daB du es nicht immer „es
ist
gewesen bist," kennte dich
— „Mich dunkt", sagte Mathilde, „kh undenklichen Zeiten." — „Kannst
seit
du mich denn lieben?" •— „Ich weiB nicht, was Liebe aber das kann ich dir sagen, daB mir ist, als finge ich erst jetzt zu leben an, und daB ich dir so gut bin, daB ich gleich fur dich sterben wollte," — „Meine Mathilde, erst jetzt fuhle ich, was es heiBt, unsterblich zvL sein." — „Lieber Heinrich, wie unendlich gut
ist,
bist du,
welcher herrliche Geist spricht aus
dir.
Ich
MMchen." — „Wie du mich tief besch^stl Bin ich doch nur durch dich, was ich bin, Ohne dich ware ich nichts. Was ist ein Geist ohne Himmel, und du bist der Himmel, der bin ein armes, unbedeutendes
260
mich tragt und erhait/" — „ Welches sclige Geschopf ware ich, wean du so treu warst wie mein Vater. Meine Mutter starb kurz nach meiner Geburt; mein Vater weint fast alie Tage noch um sie/" -- ^,Ich verdiene es nicht, aber ich mdchte gliicklicher sein als er/‘
—
„Ich lebte gern recht lange an deiner Seite,
lieber Heinrich. Ich
werde durch dich gewiB
viel
— ^jAch! Mathilde, auch der Tod wird uns nicht trennen/^ — „Nein, Heinrich, wo ich bin, wirst du sein.^^ — „ Ja, wo du bist, Mathilde, werd ich ewig sein/‘ — „Ich begreife nichts von der Ewigkeit, aber besser/^
ich dachte, das miiBte die Ewigkeit sein,
empfinde,
was ich
— „ Ja, Mathilde, lieben/* — „Du glaubst
wenn ich an dich denke."'''
wir sind ewig, weil wir uns nicht, Lieber, wie inbriinstig ich heute friih, wie wir nach Hause kamen, vor dem Bilde der himmlischen
Mutter niederkniete, wie uns%lich ich zu ihr gebetet habe. Ich glaubte in Tranen zu zerflieBen.
Es kam
mir vor, als lachelte sie mir zu. Nun weiB ich erst, was Dankbarkeit ist.‘" — „0 Geliebte, der Himmel hat dich mir zur Verehmng gegeben. Ich bete dich an. Du bist die Heilige, die meine Wiinsche zu Gott bringt, durch die er sich mir ofFenbart, durch die er mir die gion
Fiille seiner
als ein
Liebe kundtut.
Vereinigung liebender Herzen? melt
Was ist
die Reli-
unendliches Einverstandnis, eine ewige
sind, ist er ja
Wo
zwei versam-
unter ihnen. Ich habe ewig an dir
zu atmen; meine Brust wird nie aufhoren, dich in sich zu ziehn. Du bist die gottliche Herrlichkeit, das ewige Leben in der lieblichsten Hiille/" — „Ach! Heinrich, du weiBt das Schicksal der Rosen; wirst
du auch
die
welken Lippen, die bieichen Wangen
mit Zartlichkeit an deine Lippen driicken? Werden die Spuren des Alters niclit die Spuren der voriiber-
gegangenen Liebe sein?'"' — „0! koimtest du durch meine Augen in mein Gemiit sehni Aber du liebst mich, und so glaubst du mir auch. Ich begreife das nicht, was man von der Verganglichkeit der Reize sind unverwelklich. Was mich so un^erzn dir zieht, was ein ewiges Verlangen in mir geweckt bat, das ist nicht aus dieser Zeit. Kdnntest du nur sehn, wie du mir erscheinst, welches wunderbare Bild deine Gestalt durchdringt und mir sagt.
OI
sie
trennlich
liberall
entgegenleuchtet,
du
wiirdest kein Alter
Deine irdische Gestalt ist nur ein Scbatten dieses Bildes. Die irdischen Krafte ringen und quellen, um es festzuhalten, aber die Natur ist noch un-
furchten.
reif;
das Bild
ist
ein ewiges Urbild, ein Teil der
unbekannten heiligen Welt/' lieber Heinrich,
ich dich anschaue." ist
uns naher,
—
„Ich verstehe dich,
denn ich sehe etwas Ahnliches, wenn
— „ Ja, Mathilde, die hohere Welt
wir gewohnlich denken. Schon hier und wir erblicken sie auf das innigste
als
leben wir in ihr,
mit der irdischen Natur verwebt/' — „Du wirst mir noch viel herrliche Sachen offenbaren, Geiiebtester/' — „0 Mathilde, von dir allein kommt mir die Gabe der Weissagung. Alles ist ja dein, was ich habe; deine Liebe wird mich in die Heiligtiimer des Lebens, in das AHerheiligste des Gemiits fiihren; du wirst mich za den hochsten Anschauungen begeistern. Wer weiB, ob unsre Liebe nicht dereinst noch 2u Fktnmenfittichen wird, die uns aufheben und uns in unsre himmJische Heimat tragen, ehe das Alter 1
und der Tod uns 262
erreichen. Ist es nicht schon ein
Wimdetj daC du mein
hist,
daB ich dich in meinen
Armen halte, daB du mich liebst and ewig mein
—
wilist?^^
ich
„Auch mir
fiilile ja
so deutlich eine
stilie
sein
gkublich, und
ist jet2:t alles
Flamme
mir
in
wer weiB, ob sie uns nicht verklart und die irdischen Banden allmahlich auflost. Sage mir nur, Heinrich, ob du auch schon das grenzenlose Ver-
lodern;
trauen za mir hast, das ich zu dir habe.
Noch
nie
hab ich so etwas gefiihlt, selbst nicht gegen meinen Yztct, den ich doch so unendiich liebe/" ~ „Liebe Mathilde, es peinigt mich ordentlich, daB ich dir nicht alles auf einmal sagen, daB ich dir nicht gleich mein gauzes Herz auf einmal hingeben kann. Es ist auch zum erstenmal in meinem Leben, daB ich ganz ofFen bin. Keinen Gedanken, keine Empfindung kann ich vor dir mehr geheim haben; du muBt aiies
Mein ganzes Wesen soil ich mit dem dekiigen vermischen. Nur die grenzenloseste Hingebung kann wissen.
meiner Liebe geniigen. In ihr besteht
sie ja. Sie ist ja
ein geheimnisvoUes ZusammenflieBen unsers geheimsten
und
eigentiimlichsten Daseins/^
—
^Heinrich,
so kdnnen sich noch nie zwei Menschen geliebt haben.^*
— „Ich kanns nicht glauben. Es gab ja noch — „Auch keinen Heinrich.^ —
keine Mathilde/"
,,Ach! schwor es mir noch einmal, daB bist; die
Liebe
ist
du ewig mein
eine endlose Wiederholung.’"
,Ja, Heinrich, ich schwore, ewig dein
zu
—
sein, bei
der unsichtbaren Gegenwart meiner guten Mutter/' — „Ich schwore, ewig dein zu sein, Mathilde, so
wahr
die Liebe die
Gegenwart Gottes bei uns
ist/'
Eine lange Umarmung, unzahlige Kusse besiegelten den ewigen Bund des seligen Paares, 265
Neuntes Kapitel
Abends waren
Gaste da; der GtoBvater trank die Gesundheit des jnngen Brautpaares und versprach, bald ein schones Hochzeitsfest auszueinige
„Was hilft das lange Zaudern?^ sagte der „Fruhe Hochzeiten, lange Liebe. Ich babe immer gesehn, daB Ehen, die friih geschlossen wurrichten,
Alte.
den,
am
gliicklichsten waren. In spatern Jahren
gar keine solche Andacht
mehr im Ehestande
ist
als in
der Jugend. Eine gemeinschaftlich genoBne Jugend ist
ein xin2:erreiBliches Band.
sicherste
Grund
Die Erinnemng
der Liebe.'"
ist
der
Nach Tische kamen
mehrere. Heinrich bat seinen neuen Vater
um
die
Erfullung seines Versprechens. Klingsohr sagte zn der Gesellschaft: „Ich habe heute Heinrichen versprochen, ein
Marchen zu
erzahlen.
zufrieden seid, so bin ich bereit."
—
Wenn
ihr es
^^Das ist ein
von Heinrich'", sagte Schwaning. „Ihr Each horen lassen." AUe setzten sich um das lodernde Feuer im Kamin. Heinrich saB dicht bei Mathilden und schlang seinen kluger Einfall
habt lange nichts von
Arm um
sie.
Klingsohr begann:
„Die lange Nacht war eben angegangen. Der alte Held schlug an seinen Schild, daB es weit umher in den oden Gassen der Stadt erklang. Er wiederholte das Zeichen dreimal. Da fingen die hohen bunten Fenster des Palastes an,
werden, und
wegten sich
von innen heraus
ihre Figuren
bewegten
sich. Sie be-
lebhafter, je starker das rotliche Licht
Auch sah und Mauern standen sie im reinsten
ward, das die Gassen zu erleuchten begann.
man
allmahiich die gewaltigen Saulen
selbst sich erhellen; endlich
264
helle zu
milchblauen Schimmer iind spielten mit den sanftesten Farben. Die gan2e Gegend ward nun sicht-
und der Widerschein der Figuren, das Getiimmel der SpieBe, der Schwerter, der Schilder und der Helme, die sich nach hier und da erscheinenden Kronen von alien Seiten neigten und endlich wie diese verschwanden und einem schlichten griinen bar,
Kranze Plate machten,
um
Kreis schlossen:
dies spiegelte sich in
alles
starren Meere, das
diesen her einen weiten
den Berg umgab, auf
dem dem die
Stadt lag, xind auch der feme Berggiirtel, der sich rund um das Meer her20g, ward bis in die Mitte mit einem milden Abglanz iiberzogen. Man konnte nichts deutlich unterscheiden; doch horte man ein Wunderliches Getose heriiber, wie aus einer fernen ungeheuren Werkstatt. Die Stadt erschien dagegen hell
und
klar.
Ihre glatten, durchsichtigen
Mauern
warfen die schdnen Strahlen zuruck, und das vor-
EbenmaB, der edie Stil aller Gebaude und Zusammenordnung kam zum Vorschein. Vor alien Fenstern standen zierliche GefaBe von Ton, voil der mannigfaltigsten Eis- und Schneeblumen, treffliche
ihre schone
die auf das anmutigste funkelten.
Am herrlichsten nahm sich auf dem groBen Platze vor dem Palaste der Garten aus, der aus Metallbaumen und Kristallpflanzen bestand und mit bunten Edelsteinbliiten und -friichten iibersaet war. Die und Zierhchkeit der Gestalten und Lebhaftigkeit der Lichter und Farben gewahrten
Mannigfaltigkeit die
das herrlichste Schauspiel, dessen Pracht durch einen
hohen Springquell
in der Mitte des Gartens, der
Eis erstarrt war, vollendet wurde.
zu
Der Held ging vor 265
den Toren des Palastes langsam voriiber. Eine Stimme rief seinen Namen im Innern. Er lehnte sich an das Tor, das mit einem sanften Klange sich difnete, und trat in den Saal. Seinen Schild hielt er vor die Augen. ,Hast du noch nichts entdeckt?' sagte die schone Tochter Arkturs mit klagender Stimme. Sie lag an seidnen Polstern auf einem Throne, der von einem groBen Schwefelkristall
kiinstlich erbaut war,
nnd einige Madchen rieben emsig ihre zarten Glieder, die wie aus Milch und Purpur zusammengeflossen schienen. Nach alien Seiten strdmte unter den Handen der Madchen das reizende Licht von ihr aus, das den Palast so wundersam erleuchtete. Ein duftender Wind wehte im Saale. Der Held schwieg. ,LaB mich deinen Schild beruhren*, sagte sie sanft. Er naherte sich dem Throne und betrat den kostlichen Teppich. Sie ergriff seine Hand, driickte sie mit Zartlichkeit an ihren himmlischen Busen und ruhrte seinen Schild an. Seine Riistung klang, und eine durchdringende Kraft beseelte seinen Korper.
Seine
Augen
blitzten,
und
das
Herz pochte horbar
an den Panzer. Die schone Freya schien heiterer, und das Licht
ward brennender, das von
,Der Konig
kommtT
im Hintergrunde
ihr ausstromte.
rief ein prachtiger
Vogel, der
des Thrones saB. Die Dienerinnen
legten eine himmelblaue
Decke
liber die Prinzessin,
den Busen bedeckte. Der Held senkte seinen Schild und sah nach der Kuppel hinauf, zu welcher zwei breite Treppen von beiden Seiten des Saals sich hinaufschlangen. Eine leise Musik ging dem Konige voran, der bald mit einem zahlreichen Gefolge in der Kuppel erschien und herunterkam. die sie bis liber
266
Der schone Vogel entfaltete seine glanzenden Schwingen, bewegte sie sanft und sang, wie mit tausend Stimmen, dem Konige entgegen: Nicht lange wird der schone Fremde saumen. Die Warme naht, die Ewigkeit beginnt. Die Konigin erwacht aus langen Traumen,
Wenn Meer nnd Land in Liebesglut zerrinnt. Die
kalte
Wenn
Nacht wird diese
Statte
raumen,
Fabel erst das alte Recht gewinnt.
In Freyas SchoB wird sich die Welt entzunden Und jede Sehnsucht ihre Sehnsucht finden.
Der Konig umarmte
seine Tochter mit Ztolich-
Die Geister der Gestirne stellten sich um den Thron, und der Held nahm in der Reihe seinen Platz ein. Fine unz^lige Menge Sterne fiillten den Saal in zierlichenGruppen. Die Dienerinnen brachten einen Tisch und ein Kastchen, worin eine Menge Blatter lagen, auf denen heihge, tiefsinnige 2^ichen standen, die aus lauter Sternbildern zusammengesetzt waren. keit.
Der Konig kiiBte ehrforchtsvoll diese Blatter, mischte sie sorgfaltig untereinander und reichte seiner TochDie andern behielt er fur sich* Die Prinzessin zog sie nach der Reihe beraus und legte sie auf den Tisch, dann betrachtete der Konig die seinigen genau und w^te mit viclem Nachdenken, ehe er eins dazu hinlegte. Zuweilen schien er gezwungen zu sein, dies oder jenes Blatt zu wahien* Oft aber sah man ihm die Freude an, wenn er dutch ein gut getroffenes Blatt eine schdne Harmonic der ter einige zu.
Zeichen und Figuren legen konnte, Wie das Spiel 267
man an
alien Umstehenden Zeichen der und die sonderbarsten MieTeilnahme lebhaftesten nen und Gebarden, gleichsam als hatte jeder ein unsichtbares Werkzeug in Handen, womit er eifrig
anfing, sah
arbeite.
Zugleich lieB sich eine sanfte, abet
wegende Musik
in der Luft horen, die
tief be-
von den im
Saale sich Wunderlich durcheinander schlingenden
Sternen
und den
xibrigen sonderbaren
Bewegungen
m entstehen schien. Die Sterne schwangen
sich, bald
langsam,bald schnell, in bestandig veranderten Linien
umher und bildeten, nach dem Gange der Musik,
die
Figuren der Blatter auf das kunstreichste nach. Die
Musik wechselte, wie die Bilder auf dem Tische, unaufhorlich, und so minderlich und hart auch die tJbergange nicht selten waren, so schien doch nur em einfaches Thema das Ganze zu verbinden. Mit einer unglaublichen Leichtigkeit flogen die Sterne
den Bildern nach. Sie waren bald in
einer
groBen
Verschlingung, bald wieder in einzelne Haufen schon
Zug wie ein Funken, bald kam durch immer wachsende kleinere Kreise und Muster wieder erne groBe, uberraschende Figur zum Vorschein. Die geordnet, bald zerstaubte der lange Strahl in unzahlige
bunten Gestalten in den Fenstern blieben wahrend dieser Zeit ruhig stehen,
Der Vogel bewegte
unauf-
horlich die HiiUe seiner kostbaren Federn auf die
mannigfaltigste Weise.
Der
alte
Held hatte
bisher
auch sein unsichtbares Geschaft emsig betrieben, als auf einmal der Koaig voll Freuden ausrief: ,Es wird alles
daB
gut! Eisen, wirf sie erfahren,
das Schwert
z68
wo
von der
du dein Schwert in die Welt, Der Held riB
der Friede ruht.^ Hiifte, stellte es
mit der Spitze
gen Himmel, dann
ergriffer es tind
warf es aus dem
geoffneten Fenster liber die Stadt
Wie
und das Eismeer. dutch die Luft und schicn an Berggiirtel mit hellem Klange zu zersplittem,
ein
dem denn
Komet flog
es
fiel
es
in lauter
Funken herunter.
Zu
der Zeit lag der schone Knabe Eros in seiner Wiege und schlummerte sanft, wahrend Ginnistan, seine Amme, die
Wiege schaukelte und seiner Milch-
schwester Fabel die Brust reichte. Ihr buntes Halssie xiber die Wiege ausgebreitet, daB die brennende Lampe, die der Schreiber vor* sich stehen hatte, das Kind mit ihrem Scheme nicht beunruhigen mochte. Der Schreiber schrieb unver-
tuch hatte hell
drossen, sah sich nur xuweiien mxirrisch nach den
Kindern
um und
sichter, die
schnitt der
Amme
finstere
Ge-
ihn gutmiitig anlachelte und schwieg.
Der Vater der Kinder ging immer ein und aus, indem er jedesmal die Kinder betrachtete und Ginnistan freundlich begriiBte. Er hatte unauf horlich dem Schreiber etwas zu sagen. Dieser yernahm ihn genau, und wenn er es aufgezeichnet hatte, reichte er die Blatter einer edlen, gottergleichen Frau hin, die sich
an einen Altar lehnte, auf welchem eine dunkle Schale mit klarem Wasser stand, in welches sie mit heiterm Lacheln blickte. Sie tauchte die Blatter jedesmal hinein, und wenn sie beim Heraus^iehn gewahr wurde, daB einige Schrift stehen geblieben und glanzend
geworden war, so gab
sie
das Blatt
zunick, der es in ein groBes verdrieBlich zu sein schien,
geblich gewesen
wandte
Buch
wenn
dem
Schreiber
heftete
und
oft
seine Miihe ver-
und alles ausgeldscht war. Die Frau gegen Ginnistan und die Kin-
sich zuzeiten
269
den Finger in die Schale und spfitzte einige Tropfen auf sie hin, die, sobald sie die Amme, das Kind oder die Wiege beriihrten, in einen blauen der, tauchte
Dunst zerrannen, der tausend seltsame Bilder zeigte und bestandig um sie herzog und sich veranderte* Traf einer davon zuf^lig auf den Schreiber, so fielen eine
Menge Zahlen und geometrische Figuren
nie-
mit vieler Emsigkeit auf einen Faden zog und sich zum Zierat um den magern Hals hing. Die Mutter des Knaben, die wie die Anmut und Liebder, die er
lichkeit selbst aussah,
sttodig beschaftigt
kam
oft herein. Sie schien be-
und trug immer irgendein
Stiick
Hausgerate mit sich hinaus; bemerkte es der arg-
wohnische und mit spahenden Blicken sie verfoh gende Schreiber, so begann er eine lange Strafrede, auf die aber kein Mensch achtete. Alle schienen seiner
unniitzenWiderreden gewohnt. Die Mutter gab auf einige Augenblicke der kleinen Fabel die Brust; aber
bald ward sie wieder abgerufen,
Ginnistan das
Kind zuruck,
trinken schien.
Auf einmal
und dann nahm
das an ihr lieber zu
brachte der Vater ein
Stabchen herein, das er im Hofe geDer Schreiber besah es und drehte es mit vieler Lebhaftigkeit herum und brachte bald heraus, daJ3 es sich von selbst, in der Mitte an einem Faden aufgehangt, nach Norden drehe. Ginnistan nahm es auch in die Hand, bog es, driickte es, hauchte es an und hatte ihm bald die Gestalt eiaer Schlange gegeben, die sich nun plotzlich in den Schwanz biB. Der Schreiber ward bald des Betrachtens uberdriissig. Er schrieb alles genau auf und war sehr weitlaufig uber den Nutzen, den dieser Fund gewahren konne. zartes eisernes
funden
hatte.
Wie
argerlich
werk
war er
abet, als sein gauges Schreib-
die Probe nicht bestand
und das Papier weiB
aus der Schale hervorkam. Die
Zuweilen
Amme
spielte fort.
Wiege damit, da fing der Knabe an, wach za werden, schlug die Decke zunick, hielt die eine Hand gegen das Licht und langte mit beriihrte sie die
der andern nach der Schlange.
sprang er
riistig,
Wie
er sie erhielt,
daB Ginnistan erschrak und der
Schreiber beinah vor Entsetzen
vom
Stnhle
fiel,
aus
der Wiege, stand, nur von seinen langen goldnen
Haaren bedeckt, im Zimmer und betrachtete mit unaussprechlicher Freude das Kieinod, das sich in seinen Handen nach Norden ausstreckte und ihn heftig im Innern zu bewegen schien. Zusehends wuchs er. jSophie^, sagte er mit riihrender Stimme zu der Frau, ,la6 mich aus der Schale trinken/ Sie reichte sie ihm ohne Anstand, und er konnte nicht auf horen zu trinken, indem die Schale sich immer voll zu erhalten schien. Endlich gab er sie zuriick, indem er die edle Frau innig umarmte. Er herzte Ginnistan und bat sie um das bunte Tuch, das er sich anstandig um die Huften band. Die kleine Fabel nahm er auf den Arm. Sie schien unendliches Wohlgcfallcn an ihm zu haben und jSng zu plaudern an. Ginnistan machte sich viel um ihn zu schaffen. Sie sah auBerst reizend und leichtfertig aus und drlickte ihn mit der Innigkeit einer Braut an sich. Sie zog ihn mit heimlichen Worten nach der Karnmertur, aber Sophie winkte emsthaft und deutete nach der Schlange; da
kam die Mutter herein, auf die er sogleich zuflog und sie
mit heiBen Tranen bewiUkommnete. Der Schrei-
Der Vater trat und Sohn in stiller Um-
ber war ingrimmig fortgegangen. herein,
armung
und wie
er Mutter
sah, trat er hinter ihren Riicken
zm
reizen-
den Ginnistan und liebkoste sie. Sophie stieg die Treppe hinauf. Die kleine Fabel nahm die Feder des Schreibers und fing zu schreiben an. Mutter und
Sohn sich
und der Kammer, um ihren Armen
vertieften sich in ein leises Gesprach,
Vater schlich sich mit Ginnistan in die
von den Geschaften des Tags
in
kam
zn erholen. Nach geraumer Zeit
Sophie
zuriick.
Der Schreiber trat herein. Der Vater kam aus der Kammer und ging an seine Geschafte. Ginnistan kam mit glizhenden Wangen zuriick. Der Schreiber jagte die kleine Fabel mit vielen Schmahungen von seinem Sitze und hatte einige Zeit notig, seine Sachen in Ordnung zu bringen. Er reichte Sophien die von Fabel vollgeschriebenen Blatter,
zu
um
sie rein zuriick
den auBersten Unvollig glanzend und
erhalten, geriet aber bald in
willen,
wie Sophie die Schrift
unversehrt aus der Schale zog
und
sie
ihm
Fabel schmiegte sich an ihre Mutter, die
nahm und
hinlegte.
sie
an die
Zimmer au^utzte, die Fenster Luft hereinlieB xmd Zubereitungen zu frische oflhete,
Brust
das
einem kostlichen Mahle machte.
Man
sah dutch die
Fenster die herrlichsten Aussichten und einen heitern
Himmel iiber die Erde
gespannt.
der Vater in voUer Tatigkeit.
sah er hinauf ans Fenster,
wo
Auf dem Hofe war
Wenn
et miide war,
Ginnistan stand und
ihm allerhand Naschereien herunterwarf. Die Mutter und der Sohn gingen hinaus, um iiberall zu helfen und den gefaBten EntschluB vorzubereiten. Der Schreiber ruhrte die Feder und machte immer elne
FmtzCy wenn er gendtigt war, Giaaistan um etwas zu fragen, die ein sehr gutes Gedachtnis hatte und alles behielt, was sich izutmg. Eros kam bald in
um die das bunte Tuch wie eine Scharpe gebunden war, zunick und bat Sophie um Rat, wann und wie er seine Reise antreten solie. Der schdner Riistnng,
Schreiber
war vorlaut und woUte
gleich mit
einem
ausfiihrlichen Reiseplan dienen, aber seine VorscHage
wurden iiberhort. ,Du kannst sogleich reisen; GinniStan mag dich begleiten*, sagte Sophie; ,sie weiB mit den Wegen Bescheid und ist uberall gut bekannt. Sie wird die Gestalt deiner Mutter annehmen,
um
nicht in Versuchung 2u fiihren. Findest
Konig, so denke an mich; dann 2 u helfen/
komme
dich
du den
ich,
um dir
Ginnistan tauschte ihre Gestalt mit der Mutter,
woruber der Vater sehr vergniigt zu sein schien; der Schreiber freute sich, daB die beiden fortgingen, besonders da ihm Ginnistan ihr Taschenbuch 2um Abschiede schenkte, worin die Chronik des Hauses umstandlich aufgezeichnet war; nur blieb
Fabel ein
Dorn im Auge, und
ihm die kleine
er hatte,
um
seiner
mehr
ge-
wiinscht, als daB auch sie untcr der Zahl der
Ab-
Ruhe und
Zufriedenheit willen, nichts
reisenden sein mdchte. Sophie segnete die Nieder-
knienden ein und gab ihnen ein GeifaB voU Wasser aus der Schale mit; die Mutter war sehr bekiimmert. Die kleine Fabel ware gem mitgegangen, und der
dem Hause beschaftigt, als hatte nehmen soUen, Es war AnteE daB er lebhaften Nacht, wie sie abreisten, und der Mond stand hoch am Himmel. ,Lieber Eros^ sagte Ginnistan, ,wir Vater war zu sehr auBer
iS
Nm/dis, Gcsainnielte
Wcrkc
i
^T3
mussen eilen, daB wir zu meinem Vater kommen, der mich lange nicht gesehn und so sehnsuchtsvoll mich iiberall auf der Erde gesucht hat. Siehst du wohl sein bleiches, abgeharmtes Gesicht ? Dein Zeugnis wird mich ihm in der fremden Gestalt kenntlich machen.‘
Die Liebe ging auf dunkler Bahn, Vom Monde nur erblickt. Das Schattenreich war aufgetan
Und
seltsam aufgeschmuckt.
Ein blauer Dunst umschwebte Mit einem goldnen Rand, Und eilig zog die Phantasie Sie iiber Strom und Land.
sie
Es hob sich ihre voile Brust In wunderbarem Mut; Ein Vorgefuhl der kunftgen Lust Besprach die wilde Glut.
Die Sehnsucht
klagt^
und wuBt^
es nicht,
DaB Liebe naher kam, Und tiefer grub in ihr Gesicht Sich hoffnungsloser
Gram.
Die kleine Schlange blieb getreu: Sie wies nach Norden hin,
Und
beide folgten sorgenfrei
Der schdnen
274
Fiihrerin.
Die Liebe ging durch Wiistenein
Und
durch der Wolken Land,
Trat in den
Hof des Mondes
ein.
Die Tochter an der Hand.
Er
saB auf seinem Silberthron,
Harm
Allein mit seinem
;
Da hort’ er seines Kindes Ton Und sank in ihren Arm. Eros stand
geriihrt bei
den zartlichen Umarmun-
gen. Endlich sammelte sich der alte erschiitterte
Mann und bewillkommnete
Er ergriff Horn und stieB mit voller Macht hinein. Ein gewaltiger Ruf drohnte dutch die uralte Burg. Die spitzen Tiirme mit ihren glanzenden Knopfen und die tiefen schwarzen Dacher schwankten. Die seinen Cast.
sein groBes
Burg stand seits
stiU,
denn
sie
war auf das Gebirge
jen-
des Meets gekommen. Von alien Seiten stromten
seine Diener herzu, deren seltsame Gestalten
und
Trachten Ginnistan unendlich ergotzten und den tapfern Eros nicht erschreckten. Erstere griiBte ihre alten Bekannten,
und
alle
erschienen vor ihr mit
neuet Starke und in der ganzen Herriichkeit ihter Naturen. Der ungestume Geist der Fiut folgte der sanften Ebbe.
Die
aJten
Orkane legten
sich an die
klopfende Brust der heiBen, leidenschaftlichen Erdbeben. Die zartiichen Regenschauer sahen sich nach
dem bunten Bogen um, der, von der Sonne, die ihn mehr anzieht, entfernt, bleich dastand. Der rauhe Dormer schalt iiber die Torheiten der Blitze hinter den unzahligen Wolken hervor, die mit tausend ^75
Reizen dastanden und die feurigen Jiinglinge lockten.
Die beiden lieblichen Schwestem, Morgen und Abend, freuten sich vor2uglich liber die beiden Ankomnilinge. Sie weinten sanfte Tranen in ihren
Umarmungen. Unbeschreiblich war der Anblick dieses wunderlichen Hofstaats. Der alte Konig konnte sich an seiner Tochter nicht
satt sehen, Sie
fuhlte sich zehnfach glucklich in ihrer vaterlichen
Burg und ward nicht miide, die bekannten Wunder und Seltenheiten 2 u beschauen. Ihre Freude war gmz unbeschreiblich, als ihr der Konig den Schliissel zur Schatzkammer und die Erlaubnis gab, ein Schauspiel fur Eros darin zu veranstalten, das ihn so lange unterhalten kdnnte, bis das Zeichen des Aufbruchs
gegeben wiirde. Die Schatzkammer war ein groBer Garten, dessen Mannigfaltigkeit und Reichtum alle Beschreibung iibertraf. Zwischen den ungeheuren
Wetterbaumen lagen unzahlige Luftschlosser von
immer kostlicher als das GroBe Herden von Schafchen mit silberweiBer, goldner und rosenfarbner WoUe irrten umher, und die sonderbarsten Tiere belebten den Hain. Merkwiirdige Bilder standen hie und da, und die festlichen Aufziige, die seltsamen Wagen, die uberall
uberraschender Bauart, eins andere.
zum Vorschein kamen,
beschaftigten die Aufmerk-
samkeit unaufhorlich. Die Beete standen voll der bxintesten
Biumen. Die Gebaude waren gehauft voll
von Waffen
aller Art, voll
der schonsten Teppiche,
und aller Arten von Geraten und Werkzeugen, in uniibersehlichen Reihen. Auf einer Anhohe erblickten sie ein romantisches Land, das mit StMten und Burgen, mit TernTapeten, Vorhange, Trinkgeschirre
276
peln iind Begrabnissen libersaet war nnd
alle
Anmut
bewohnter Ebencn mit den furchtbaren Reizen der Einode und schroiffer Felsengegenden vereinigte. Die schonsten Farben waren in den gliicklichsten Mischxingen. Die Bergspiteen glanzten wie Lustfener in ihren Eis- und Schneehxillen. Die Ebene lachte im frischesten Griin. Die Feme schmiickte sich mit alien Veranderungen von Blau^ und aus der Dunkelheit des Meeres wehten unzahlige bunte Wimpel von 2ahlreichen Flotten. Hier sah man einen Scbiffbruch im Hintergmnde, und vorne ein landliches frohliches Mabl von Landleuten; dort den schrecklich schonen
Ausbruch eines Vulkans, die Verwiistungen des Erdbebens, und im Vordergrunde ein liebendes Paar unter schattenden
Baumen
in den siiBesten Lieb-
fiirchterliche SchJacht, und voU der lacherlichsten Masken, andern Seite im Vordergrunde einen
kosungen. Abwarts eine unter ihr ein Theater,
Nach
einer
jugendlichen Leichnam auf der Bahre, die ein trostloser Geliebter festhielt,
und
die
weinenden Eltern
daneben; im Hintergrunde eine liebliche Mutter mit
dem Kinde an der Bmst und Engel, sitzend zu ihren FiiBen und aus den Zweigen xiber ihrem Haupte herunterblickend.
Die Szenen verwandelten sich
unaufhorlich und flossen endlich in eine groBe, geheimnisvolle Vorstellung zusammen.
Himmel und
Erde waren in vollem Aufruhr, Alle Schrecken waren losgebrochen. Eine gewaltige Stimme rief zu den Waffen, Ein entsetzHches Heer von Totengerippen, mit schwarzen Fahnen, kam wie ein Sturm von dunkein Bergen herunter und griff das Lcben an, das mit seinen jugendlichen Scharen in der hellen
^77
muntern Festen begriflfen war und sich Es entstand ein entsetzliches Getiimmel; die Erde zitterte, der Sturm brauste, und die Nacht ward von furchterlichen Meteoren erleuchtet. Mit unerhorten Grausamkeiten 2erri6 das Heer der Gespenster die zarten Glieder der Lebendigen. Ein Scheiterhaufen tiirmte sich empor, und unter dem grausenvollsten Geheul wurden die Kinder des Lebens von den Flammen verzehrt. PlotzHch brach aus dem dunkeln Aschenhaufen ein milchblauer Strom nach alien Seiten aus. Die Gespenster wollten die Flucht ergreifen, aber die Flut wuchs
Ebene
in
keines AngrifFs versah.
zusehends xmd verschlang die scheuJBliche Brut. Bald waren alle Schrecken vertilgt. Himmel und Erde flossen in suBe
schone Blume
Musik 2usammen. Eine wunder-
schwamm
glan^end auf den sanften
Wogen. Ein glanzender Bogen schloB sich iiber die Flut, auf welchem gottliche Gestalten auf prachtigen Thronen, nach beiden Seiten herunter, saBen. Sophie saB 2uoberst, die Schale in der
Hand, neben einem
Manne, mit einem Eichenkranze um die Locken und einer Friedenspalme statt des Zepters in der Rechten. Ein Lilienblatt bog sich xiber den Kelch der schwimmenden Blume; die kleine Fabel herrlichen
saB auf demselben Lieder. In
und sang zur Harfe
dem Kelche
schones schlummerndes ihn fest umschlungen
die siiBesten
lag Eros selbst, iiber ein
Madchen hergebeugt,
die
Eine kleinere Bliite schloB sich um beide her, so daB sie von den Hiiften an in em Blume verwandelt zu sein schienen. Eros dankte Ginnistan mit tausend Entziicken. Er
umarmte 278
sie zartlich,
hielt.
und
sie
erwiderte seine Lieb-
kosungen. Ermiidet von der Beschwerde des Weges und den mannigfaltigen Gegenstanden, die er gesehn
nach Bequemlichkeit und Ruhe.
hatte, sehnte er sich
Ginnistan, die sich
von dem schonen
Jiingling leb-
haft ange^ogen fiihlte, hiitete sich wohl, des Trankes
2u erwahnen, den Sophie ihm mitgegeben hatte. Sie ihn 2u einem abgelegenen Bade, zog ihm die
fiihrte
Riistung aus
welchem
sie
und zog selbst ein Nachtkieid an, in fremd und verfuhrerisch aussah. Eros
tauchte sich in die gefahrlichen Wellen
und
stieg
berauscht wieder heraus. Ginnistan trocknete ihn
und
von Jugendkraft gespannten Er gedachte mit gluhender Sehnsucht seiner Geliebten und umfaBte in siiBem Wahne die reizende rieb seine starken,
Glieder,
Ginnistan. Unbesorgt uberlieB er sich seiner unge-
und schlummerte endlich nach den wollustigen Geniissen an dem reizenden Busen stiimen Zartlichkeit
seiner Begleiterin ein.
Unterdessen war zu Hause eine traurige Verande-
rung vorgegangen. Der Schreiber hatte das Gesinde Verschworung verwickelt. Sein feindseliges Gemiit hatte l^gst Gelegenheit gesucht sich des Hausregiments zu bemachtigen und sein in eine gefahrliche
Joch abzuschutteln. Er hatte
sie
gefunden. Zuerst
bemachtigte sich sein Anhang der Mutter, die in
Bande gelegt wurde. Der Vater ward bei Wasser und Brot ebenfalls hingesctzt. Die kleine Fabel horte den Larm im Zimmer. Sie verkroch sich hinter dem Altare, und wie sie bemerkte, daB eine
eiserne
an seiner Riickseite verborgen war, so of&iete mit vieler Behendigkeit und fand, daB eine Treppe in ihm hinunterging. Sie zog die Tiir Tiir
sie dieselbe
279
nach sich und stieg im Dunkeln die Treppe hinunter. Der Schreiber statute mit Ungestiim herein, urn sich an der kleinen Fabel zn rachen und Sophien gefangen zn nehmen. Beide waren nicht zu finden. Die Schale fehlte auch,
und
in seinem
Altar in tausend Stiicke,
Grimme 2erschlug
er den
ohne jedoch die heimliche
Treppe zn entdecken. Die kleine Fabel stieg geraume
Zeit.
Endlich kam
auf einen freien Platz hinaus, der rundherum mit einer prachtigen Kolonnade ge5:iert und durch ein sie
AUe Figuren waren Die Luft war wie ein ungeheurer Schatten; am Himmel stand ein schwar2 er, strahlender Korper. Man konnte alles auf das deutlichste unterscheiden, weil jede Figur einen andern Anstrich von groBes Tor geschlossen war.
hier dunkel.
Schwarz 2eigte und einen lichten Schein hinter warf; Licht
und Schatten schienen
sich
hier ihre Rollen
vertauscht zn haben. Fabel freute sich, in einer neuen
Weltzusein. Sie besah alles mitkindlicherNeugierde.
Endlich
kam sie an
das Tor, vor
welchem auf einem
massiven Postament eine schone Sphinx
lag.
,Was suchst du?^ sagte die Sphinx. ,Mein Eigenturn", erwiderte Fabel. ,Wo kommst du her?" — ,Aus alten Zeiten." ~ ,Du bist noch ein Kind." — ,Und werde ewig ein Kind sein." — ,Wer wird die
Wo sind die — ,Uberall und nirgends", gab die Sphinx izur Antwort. — ,Kennst du mich?" — ,Noch nicht." — Wo ist die Liebe ?" — ,In der Einbildung." — ,Und Sophie?" — Die Sphinx murmelte
beistehn?"
—
,Ich stehe fur mich.
Schwestern?" fragte Fabel.
,
unvernehmlich vor sich hin und rauschte mit den Fliigeln. , Sophie und Liebe", rief triumphierend 280
Fabel xind ging durch das Tor. Sie trat in die ungeheure Hohle und ging frohlich auf die alten Schwedie bei der karglichen Nacht einer schwarz brennenden Lampe ibr Wunderliches Geschaft triestern
ben. Sie taten nicht,
bemerkten, der
als
ob sie den kleinen Gast Liebkosungen sich ge-
roit artigen
schaftig um sie er2eigte. Endlich krachzte die eine mit rauhen Worten und scheelem Gesicht: ,Was willst
du
hier,
MiiBiggangerin ?
Wer
hat dich ein-
gelassen? Dein kindliches Hxipfen bewegt die
stiile
Flamme. Das Ol verbrennt unniitzerweise. Kannst du dich nicht hinsetzen xind etwas vornehmen?^ — jSchone Base", sagte Fabel, ,am MiiBiggehn ist mir nichts gelegen. Ich muBte recht iiber cure Tiirhiiterin lachen. Sie hatte mich gern an die Brust genommen, aber sie muBte zuviel gegessen haben, sie konnte nicht aufstehn. LaBt mich vor der Tiir sit2en, und gebt mir etwas 2u spinnen; denn hier kann ich nicht gut sehen, und wenn ich spinne, muB ich singen und plaudern diirfen, und das konnte euch in euren ernsthaften
Gedanken
storen."
— ,Hinaus
soUst
du
nicht,
aber in der Nebenkammer bricht ein Strahl der Oberwelt durch die Felsrit2en, da magst du spinnen,
wenn
du so geschickt bist; hier liegen ungeheure Haufen von alten Enden, die drehe 2usammen; aber hiite dich: wenn du saumselig spinnst oder der Faden reiBt, so schlingen sich die FMen um dich her und ersticken dich/ — Die Alte kchte hamisch und sparm. Fabel rafFte einen Arm voU Faden 2usammen, nahm Wocken und Spindel und hiipfte singend in die Kammer, Sie sah durch die OiFnung hinaus und erblickte das Sternbild des Phonix. Froh iiber das
za spinnen, Kammertair ein wenig ofFen und sang halb-
gliickliche Zeichen, fing sie an, lustig iieB die leise:
Erwacht
in euren Zellen,
Ihr Kinder alter Zeit;
LaBt cure Ruhestellen,
Der Morgen
ist
nicht weit.
Ich spinne cure Faden
In
emn Faden
Aus
ist die
ein;
Zeit der Fehden.
Em Leben soilt ihr sein. Ein Leben
Und
lebt in alien
All in jedem auch.
Ein Hera wird in euch wallen
Von
einem Lebenshauch.
Noch seid ihr nichts als Seele, Nur Traum und Zauberei. Geht furchtbar
Und
in die
Hohle
neckt die heilge Drei.
Die Spindel schwang sich mit unglaublicher Beden kleinen FiiJSen, wahrend sie
^tendigkeit awischen
mit beiden Handen den aarten Faden drehte. Unter
dem
Liede wurden unaahlige Lichterchen sichtbar,
die aus der Tiirspalte schliipften
und dutch die Hohle
Larven sich verbreiteten. Die Alten wahrend der Zeit immer murrisch fortgesponnen nnd auf das Jammergeschrei der kleinen Fabel gewartet, aber wie entsetaten sie sich, als auf
in scheuBlichen
hatten
282
einmal eine erschreckliche Nase liber ihre Schultern
guckte und, wie
sie sich
umsahen, die ganze Hofale
voll der graBlichsten Figuren war, die tausenderlei
Unfug
trieben. Sie fiihrea ineinander, heulten
furchterlicher
mit
Stimme und waren vor Schrecken 2u
Stein geworden,
wenn
der Schreiber in die
nicht in diesem Augenblicke
H 5hle
getreten ware
und
eine
Alraunwur^el bei sich gehabt hatte. Die Lichterchen verkrochen sich in die Felsklufte, und die Hohie
wurde gan2
hell,
well die schwarze
Lampe
in der
Verwirrung umgefaUen und ausgeloscht war. Die Alten waren froh, wie sie den Schreiber kommen hbrten, aber voll Ingrimms gegen die kleine Fabel. Sie riefen sie heraus, schnarchten sie furchterlich an
und verboten
ihr,
fortzuspinnen.
Der Schreiber
schmunzelte hohnisch, weil er die kleine Fabel nun in seiner Gewalt 2u ist gut,
daB du hier
haben glaubte, und
sagte: ,Es
bist und 2ur Arbeit angehalten
werden kannst, Ich hoffe, daB es an Ziichtigungen nicht fehlen soil. Dein guter Geist hat dich hergefuhrt. Ich wiinsche dir langes Leben und vlel Vergnxigen.^
— ,Ich danke dir fur deinen guten
Willen*^,
,man sieht dir jetat die gate Zeit an; dir fehlt nur noch das Stundenglas und die Hippe, so siehst du ganz wie der Bruder mciner schdnen Baseii^ sagte Fabel;
aus.
Wenn du G^sespulen brauchst, so zupfe ihnen
nur eine HandvoU zarten Flaum aus den Wangen/ Der Schreiber schien Miene zu machen, iiber sie herzufallen.
Sie lachelte
und
sagte:
,Wenn
dir dein
schoner Haarwuchs und dein geistreiches Auge lieb sind, so nimm dich in acht; bedenke meine Nagel,
du hast nicht viel mehr zu verlieren.^ Er wandte
sich
2g3
Wut zu den Alten, die sich die Angen wischten und nach ibren Wocken umhertappten. Sie konnten nichts finden, da die Lampe ausgeloscht mit verbiBner
war,
und ergossen sich in Schimpfreden gegen FabeL
,LaBt sie doch gehn‘, sprach er tiickisch, ,daB sie euch
Taranteln fange zur Bereitung eures Ols. Ich wollte
euch zu euerm Troste sagen, daB Eros ohne Rast umherfliegt und eure^ Schere fleiBig beschaftigen wird. Seine Mutter, die euch so oft izwang, die
langer zu spinnen, wird
men/ Er kteelte Fabel einige
sich,
Tr^en
morgen
ein
Faden
Raub der Flam-
um zu lachen, wie er sah, daB bei dieser Nachricht vergoB,
gab ein Stuck von der Wurzel der Alten und ging von dannen. Die Schwestern hieBen
naseriimpfend
Stimme Taranteln suchen, noch Ol vorratig hatten, und Fabel elite fort. Sie tat, als ofihe sie das Tor, warf es ungesttim wieder 2u und schlich sich leise nach dem
die Fabel mit zorniger
ohngeachtet
sie
Hintergrunde der Hohle,
wo
eine Leiter herunter-
und kam bald vor Gemach offiiete. umringt von seinen Raten, als
hing. Sie kletterte schnell hinauf eine Falltiir, die sich in Arkturs
Der Kdnig saB Fabel erschien. Die ndrdliche Krone
zierte sein
Haupt. Die Lilie hielt er mit der Linken, die
Wage
Der Adler und Lowe saBen zu seinen FiiBen. ,Monarch‘, sagte die Fabel, indem sie sich ehrfurchtsvoll vor ihm neigte; ,Heil deinem fest-
in der Rechten.
gegriindeten Throne! Frohe Botschaft deinem verwundeten Herzen! Baldige Riickkehr der Weisheit! Ewiges Erwachen dem Frieden! Ruhe der rastlosen
Liebe! turn
284
Verkl^ng
und
des Herzens!
Gestalt der Zukunftl*
Leben dem
Alter-
Der K5nig beriihrte
ihre offene Stim mit der Lilie: ,Was du bittest, sei dir gewahrt/
— ,Dreimal werde ich bitten; wenn ich
mm vierten Male komme, so
ist die Liebe vor der mir die Leier/ — jEridanus, bringe sie her r rief der Konig. Rauschend stromte Eridanus von der Decke, und Fabel 2og die Leier aus seinen
Tiir. Jet 2 t gib
blinkenden Fluten. Fabel tat einige weissagende GrifFe ; der K5nig lieB ihr den Becher reichen, aus
dem
sie
und mit
nippte
vielen Danksagungen hinwegeilte. Sie glitt in reizen-
den Bogenschwiingen iiber das Eismeer, indem sie frohliche Musik aus den Saiten lockte. Das Eis gab unter ihren Tritten die herrlichsten Tone von sich, Der Felsen der Trauer hielt sie fur Stimmen seiner suchenden riickkehrenden Kinder und antwortete einem tausendfachen Echo. Fabel hatte bald das Gestade erreicht. Sie begegnete ihrer Mutter, die abgezehrt
und
bleich aussah,
schlank und ernst geworden war und in edlen Ziigen die Spuren eines hoffnungslosen
Grams und
riihren-
der Treue verriet.
,Was Fabel.
ist
,Du
aus dir geworden, liebe Mutter ?‘ sagte scheinst mir ganzlich verandert;
ohne
inneres Anzeichen hatt ich dich nicht erkannt. Ich hoffte,
mich an deiaer Brust einmal wieder zu
er-
quicken; ich habe lange nach dir geschmachtet.*
Ginnistan liebkoste
sie zartlich
und sah
heiter
freundlich aus. ,Ich dachte es gleich^ sagte
sie,
und ,da6
dich der Schreiber nicht wiirde gefangen haben. Dein Anblick erfrischt mich. Es geht mir schlimm und
knapp genug, aber ich troste mich bald. habe ich einen Augenblick Ruhe. Eros
Viclleicht ist
in der
Nahe, und
wenn
er dich sieht
und du ihm vorplau-
derst, verweilt er vielieicht einige Zeit. Indes kannst
du dich an meine Brust legen; ich will dir geben, was ich habe/ Sie nahm die Kleine auf den SchoB, reichte ihr die Brust und fuhr fort, indem sie lachelnd auf die Kleine hinuntersah, die es sich gut schmecken lieB. ^Ich
bin selbst Ursach, daB Eros so wild und
unbestandig geworden
noch
nicht,
ist.
Aber mich
rent es den-
denn jene Stunden, die ich in seinen
Armen zubrachte, haben mich zur Unsterblichen gemacht. Ich glaubte unter seinen feurigen Lieb-
kosungen zu zerschmelzen. Wie ein himmlischer Rauber schien er mich grausam vernichten und stolz iiber sein bebendes Opfer triumphieren zu wollen. Wir erwachten spat aus dem verbotenen Rausche, in einem sonderbar vertauschten Zustande. Lange
sil-
berweiBe Flxigel bedeckten seine weiBen Schultern
und
die reizende Fiille
und Biegung
seiner Gestalt.
Die Kraft, die ihn so plotzlich aus einem Knaben
2um
Jiinglinge queilend getrieben, schien sich ganz
Schwingen gezogen zu haben, und war wieder zum Knaben geworden. Die stiUe Glut seines Gesichts war in das tandelnde Feuer eines
in die glanzenden er
Irrlichts,
der heilige Ernst in verstellte Schalkheit,
die bedeutende
Ruhe
in kindische Unstetigkeit, der
Anstand in drollige Beweglichkeit verwandelt. Ich fuhlte mich von einer ernsthaften Leidenschaft unwiderstehlich zu dem mutwilligen Knaben gezogen und empfand schmerzlich seinen lachelnden Hohn und seine Gleichgiiltigkeit gegen meine riihrendsten Bitten. Ich sah meine Gestalt verandert. Meine sorglose Heiterkeit war verschwunden und edle
286
Bekiimmemis, einer zartlichen mich mit Eros vor alien Angen yerbergen mogen. Ich hatte nicht das Hers:, in seine beleidigenden Augen zu sehn, und fiihlte mich entsetzlich beschamt und er-
hatte einer traurigen
Schiichternheit Plat2 gemacht. Ich hatte
niedrigt. Ich hatte keinen andern Gedanken als ihn und hatte mein Leben hingegeben, um ihn yon seinen Unarten zu befreien. Ich muBte ihn anbeten, so tief
er auch alle meine Seit der Zeit, floh, so riihrend
Empfindungen krankte. er sich aufmachte und mir entich auch mit den heiBesten Tranen
wo
ihn beschwor, bei mir zu bleiben, bin ich gefoigt.
Er
ihm liberall
scheint es ordentiich darauf anzulegcn,
mich zu necken.
Kaum habe ich ihn erreicht, so fiiegt
er tiickisch weiter. Sein
Bogen
richtet uberall
Ver~
Unund habe doch selbst Trost notig, Ihre Stimmen, die mich rufen, zeigen mir seinen Weg, und ihre wehmiitigen Klagcn, wenn ich sie wieder verlassen muB, gehen mir tief zu Herzen, Der Schreiber verfoigt uns mit entsctzlicher Wut und racht sich an den armen GetrofFenen. Die Frucht wiistungen an. Ich habe nichts zu tun,
als die
gliicklichen zu trosten,
jener geheimnisvollen
Menge
Nacht waren eine zahlrciche
wunderlicher Kinder, die ihrem GroBvatet
und nach ihm genannt sind. Gefliigelt wie ihr Vater, begleiten sie ihn bestandig und plagen
ahnlich sehn
die
Armen,
die sein Pfeil
trifft.
Doch
da
kommt
der
Frohiichen Zug. Ich muB fort; lebe wohl, siiBes Kind. Seine Nahe erregt meine Leidenschaft. Sei gliicklich in deinem Vorhaben.* ~ Eros zog weiter,
ohne Ginnistan, die auf ihn zueilte, einen zartlichen Blick zu gdnnen. Aber zu Fabel wandte er sich
und
seine kleinen Begleiter tan2:ten froh-
um sie her.
Fabel freute sich, ihren Milchbruder
freundlich, lich
wiederzxtsehn,
und sang
m ihrer Leier ein munteres
zn wollen und lieJ3 Die Kleinen entschliefen auf dem Rasen. Ginnistan konnte ihn fassen, und er litt ihre zartlichen Liebkosungen. Endlich fing Eros auch an zu nicken, schmiegte sich an Ginnistans SchoB und schlummerte ein, indem er seine Fliigel iiber sie ausbreitete. Unendlich froh war die miide Ginnistan und verwandte kein Auge von dem holden Schlafer. Wahrend des Gesanges waren von alien SeitenTaranLied. Eros schien sich besinnen
den Bogen
teln
zum
fallen.
Vorschein gekommen, die iiber die Gras-
halme ein glanzendes Nete zogen und lebhaft nach
dem Takte nun
an ihren Faden bewegten. Fabel ihre Mutter und versprach ihr baldige
Vom
Felsen tonte der sanfte Widerhall der
trostete Hiilfe.
sich
Musik und wiegte die Schlafer ein. Ginnistan sprengte aus dem wohlverwahrten Gef^ einige Tropfen in die Luft,
und
nieder. Fabel
nahm
das
Reise fort. Ihre Saiten teln folgten
Traume fielen auf sie mit und setzte ihre ruhten nicht, und die Taran-
die anmutigsten
Gef^
auf schnell gesponnenen Faden den be-
zaubemden Tonen. Sie sah bald
stieg.
wie
Traurig sah
sie
die hohe Flamme des den griinen Wald empor-
von weitem
Scheiterhaufens, die iiber sie
gen Himmel und freute
sich,
Sophiens blauen Schleier erblickte, der wal-
lend iiber der Erde schwebte
und auf ewig
die un-
geheure Gruft bedeckte. Die Sonne stand feuerrot
vor Zom am Himmel, die gewaltige Flamme sog an ihrem geraubten Lichte, und so heftig sie es auch an 288
sich zu halten schien, so
ward sie doch immer bleiDie Flamme ward weiCer und machtiger, je fabler die Sonne ward. Sie sog das Licht immer starker in sich, und bald war die Glorie um das Gestirn des Tages veraehrt, und nur als eine matte glanzende Scheibe stand es noth da, indem jede neue Regung des Neides und der Wut den Ausbruch der entfiiehenden Lichtwellen vermehrte. Endlich war nichts von der Sonne mehr iibrig als eine
und
cher
fleckiger*
schwarze, ausgebrannte Schlacke, die heranter ins
Meer
fiel.
Die Flamme war
iiber alien
Ausdruck
glanzend geworden. Der Scheiterhaufen war verzehrt. Sie
hob
sich
nach Norden. Fabei sah; das
langsam in die trat in
Hohe und zog
den Hof, der verodet ausverfallen. Dornstrauchc
Haus war unterdes
wuchsen in den Ritaen der Fenstergesimse, und Ungeziefer aller Art kribbelte auf den zerbrochcnen Stiegen. Sie horte im Zimmer einen cntsetzlichen Larm; der Schreiber und seine Gesellen batten sich an dem Flammentode der Mutter geweidet, waren aber gewaltig erschrocken, wie sie den Untergang der Sonne wahrgenommen batten. Sie batten sich vergeblich angestrengt, die
Flamme
zu loschen, und waren bei dieser Gelegenheit nicht ohne Beschadigungen geblieben. Der Schmera und die Angst preBte ihnen entsetzliche Verwiinschungen und Klagen aus. Sie erschraken noch mehr, als Fabei ins Zimmer trat, und stiirmten mit wiitendem Geschrei auf sie ein,
um an ihr den Grimm ausmlassen.
Fabei schliipfte hinter die Wiege, und ihrc Vcifolger traten ungestiim in das
Gewebe
sich dutch unzahlige Bisse
19
NmtkSf Gesamroelte Werke
1
der Taranteln, die
an ihnen rachten. Der Z89
ganze Haufen fing nun ein lustiges
Lied
an zu tanzen, vrozu Fabel Mit vielem Lachen iiber ihre
toll
spielte.
possierlichen Fratzen ging sie auf die Altars zu
und raumte
sie
weg,
um
Tmmmer
des
die verborgene
sie mit ihrem TarantelDie Sphinx fragte: ,Was kommt plotzlicher als der Blitz — ^Die Rache\ sagte
Treppe zu finden, auf der gefolge hinunterstieg.
— Was ist am verganglichsten ?" — ,Unrechter Besitz.‘ — ,Wer kennt die Welt?‘ — ,Wer sich selbst Fabel.
,
kennt.^—, Was ist das ewige Geheimnis
— ,Bei wem ruht es ?‘ — krummte
sich klaglich,
Sophien.'
und Fabel
,Die Liebe.‘
— Die Sphinx
trat in die
Hohle.
Jiiet bringe ich euch Taranteln", sagte sie zu den
Lampe wieder angeziindet hatten und emsig arbeiteten. Sie erschraken, und die eine
Alten, die ihre
sehr lief
mit der Schere auf
sie zu,
um
sie
zu erstechen.
Unversehens trat sie auf eine Tarantel, und diese stach sie
in den FuB. Sie schrie erbarmlich.
wollten ihr zu Hiilfe
Die andern
kommen und wurden ebenfalls
von den erziirnten Taranteln gestochen. Sie konnten sich nun nicht an Fabel vergreifen und sprangen wild umher. ,Spinn uns gleich‘, riefen sie grimmig der Kleinen zu, ,leichte Tanzkleider. Wir k5nnen uns in den steifen Rocken nicht riihren und vergehn fast vor Hitze, abet mit Spinnensaft muBt du den Faden einweichen, daB er nicht reiBt, und wirke Blumen hinein, die im Feuer gewachsen sind, sonst bist du des Todes.^ — ,Recht gern‘, sagte Fabel und ging in die Nebenkammer. ,Ich will
sagte sie
euch drei
tiichtige Fliegen verschaffen^,
zu den Kretizspinnen, die ihre luftigen Ge-
webe rundum an der Decke und den Wanden 290
an-
geheftet hatten, ,aber ihr rniiOt mir gleich drei
hiibsche leichte Kleider spinaen. Die Blumea> die
hineingewirkt werdea soUea, will ich each gleich
briagea/ Die Kreuzspiaaea warea bereit and fiagcn rasch za weben aa. Fabel schlich sich zar Letter aad
begab sich za Arktar. ,Moaarch‘, sagte sie, ^die Bosea
Gatea raha. 1st die Flamme angehommea?‘ ,Sie ist aagekonimea^ sagte der Koaig* ^Die Nacht ist vorbei, and das Eis schmilzt. Meiae Gattin zeigt sich von weitem. Meine Feindin ist versengt. Alles faagt za lebea aa. Noch darf ich mich nicht sehn lassen, dean alleia bin ich nicht Konig. Bitte, was da willst.‘ — Jch brauche", sagte Fabel, jBltitnen, die im Feaer gewachsen sind. Ich weiB, da hast einen geschickten Gartner, der sie zu ziehen versteht.' ~ ,Zink", rief der Konig, ,gib ans Blumea.® Der Blamengartner trat aas der Reihe, holte eiaea Topf voll Feaer and saete glanzenden Soanenstaab hinein. Es wahrte nicht lange, so flogen die Blumen empor. Fabel sammelte sie in ihre Schiirze and machte sich aaf den Riickweg. Die Spinaen warea fleiBig gewesen, and es fehlte aichts mehr als das Aahcftea der Blamen, welches sie sogleich mit vielem Geschroack and Beheadigkeit beganaen. Fabel hiitete sich wohl, die Eadea abzareiBca, die noch aa den Weberianen hingen. Sie trag die Kleider den ermadetcn Taazerianen hia, die, triefend von SchweiB, umgesaaken warea aad sich eiaige Aagenblicke von der angewohaten Aastrengang erholten. Mit vieler Geschicklichkeit entkleidete sie die hagern Schoaheiten, die es aa taazea, die
Schm&angen
der kleiaen Dienerin nicht fehlca
lieBen,
und zog ihnen
die
neuen Kleider an, die sehr
niedlich gemacht waren und vortrefflich paBten. Sie pries wahrend dieses Geschaftes die Reke und den
liebenswurdigen Charakter ihrer Gebieterinnen, und die
Alten schienen ordentlich erfreut iiber die
Schmeicheleien
und
die Zierlichkeit des Anzuges.
Sie batten sich unterdes erholt
und
neuer Tanzlust beseelt, wieder an, sich herzudrehen, indem langes
sie
von munter um-
fingen,
heimtiickisch der Kleinen
Leben und groBe Belohnungen versprachen.
Fabel ging in die Kammer zuriick und sagte zu den Kreuzspinnen: ,Ihr konnt nun die Fliegen getrost verzehren, die ich in eure
Weben
gebracht babe/
Die Spinnen waren so scbon ungeduldig iiber das HinundherreiBen, da die Enden noch in ihnen waren
und
die Alten so toll
also hinaus
und
umbersprangen;
fielen iiber die
sie
rannten
Tanzerinnen her;
diese wollten sich mit der Schere verteidigen, aber
Fabel hatte
sie in aller Stille
naitgenommen. Sie unter-
lagen also ihren hungrigen Handwerksgenossen, die lange keine so kostUchen Bissen geschmeckt batten
und sie bis auf das Mark aussaugten. Fabel sah durch die Felsenklxift hinaus und erblickte den Perseus mit dem groBen eisernen Schilde. Die Schere flog von selbst dem Schilde zu, und Fabel bat ihn, Eros’ Fliigel damit zu verschneiden und dann mit seinem Schilde die Schwestern zu verewigen und das groBe
Werk zu
vollenden.
Sie verlieB
frdhlich
nun
das unterirdische Reich
zu Arkturs
und
stieg
Palaste,
,Der Flachs ist versponnen. Das Leblose ist wieder entseelt.
29Z
Das Lebendige wird regieren und das Leb-
und gebrauchen. Das Innere wird offenDer Vorhang wird sich bald heben und das Schauspiel seinen Anfang nehmeii. Noch einmal bitte ich, dann spinne kh Tage
lose bilden
bart
und
das Atifiere verborgen,
der Ewigkeit/ riihrte
—
,Gluckliches Kind", sagte der ge-
Monarch, ,du bist unsre Befreierin."
— ,Ich bin
nichts als Sophiens Pate", sagte die Kleine. ,ErIaube,
daB Turmalin, der Blumengartner, und Gold mich Die Asche meiner Pflegemutter muB ich sammeln, und der alte Trager muB wieder aufstehn, daB die Erde wieder schwebe und nicht auf dem
begleiten.
Chaos
liege."
Der Konig
rief alien dreien
und
Kleine 2u begleiten. Die Stadt war
befahi ihnen, die
und auf den Meer brach und Fabel fuhr
hell,
StraBen war ein lebhafter Verkehr, Das sich brausend an der hohlen Klippe,
auf des Kdnigs
Wagen mit ihren Begleitern hinubcr.
Turmalin sammelte sorgf^tig die auffliegende Asche. Sie gingen rund um die Erde, bis sie an den altcn Riesen kamen, an dessen Schultern sie hinunterklommen. Er schicn vom Schlage gelahmt und konnte kein Glied nihren. Gold legte ihm eine Miinze in den Mund, und der Blumengartner schob eine Schiissel unter seine Lenden. Fabel beriihrte ihm die Augen und goB das GefaB auf seiner Stirn aus. Sowie das Wasser iiber das Auge in den Mund und hemnter liber ihn in die Schiissel fioB, zuckte ein Blitz des
Lebens ihm in alien Muskeln. Er schiug die Augen auf und hob sich riistig empor. Fabel sprang zn ihren Begleitern auf die steigende Erde und bot ihm freundHch Guten Morgen. ,Bist du wieder da, Hebliches ICind?" sagte der Alte; ,habe ich doch immer von dir 195
getraumt. Ich dachte immer,
ehe mir die Erde und die
du wiirdest
Ich habe wohl lange geschlafen/
wieder leicht, wie
sie es
erscheinen,
Augen za schwer warden.
—
,Die Erde
immer den Guten war^,
Fabel. ,Die alten Zeiten kehren 5:uruck. In
ist
sagte
kurzem
du wieder unter alten Bekannten. Ich will dir frohliche Tage spinnen, und an einem Gehiilfen soli es auch nicht fehlen, damit du zuweilen an unsern Freuden teilnehmen und im Arm einer Freundin Jugend und Starke einatmen kannst. Wo sind unsere alten Gastfreundinnen, die Hesperiden?^ ~ ^An Sobist
phiens Seite. Bald wird ihr Garten wieder bliihen
und die goldene Frucht duften. Sie gehen umher und sammeln die schmachtenden Pflanzen/ Fabel entfernte sich und eilte dem Hause zu. Es war zu volligen Ruinen geworden. Efeu umzog die Mauern. Hohe Biische beschatteten den ehemaligen Hof, und weiches Moos polsterte die alten Stiegen. Sie trat ins Zimmer. Sophie stand am Altar, de;r wieder aufgebaut war. Eros lag zu ihren FiiBen in voller
Rustung, ernster und edler
als jemals.
Ein prachtiger
Kronleuchter hing von der Decke. Mit bunten Steinen
war der FuBboden ausgelegt und
einen groBen Kreis
um
izeigte
den Altar her, der aus lauter
edlen, bedeutungsvollen Figuren bestand. Ginnistan
bog
worauf der Vater in Schlummer zn liegen schien, und weinte. Ihre bliihende Anmut war durch einen Zug yon Andacht und Liebe unendlich erhoht. Fabel reichte die Urne, worin die Asche gesammelt war, der heiligen Sophie, sich liber ein Ruhebett,
tiefem
die sie zartlich
umarmte.
,Liebliches Kind', sagte sie, ,dein Eifer
294
und
deine
Treue haben dir einen Pktz unter den ewigen Sternen erworben.
Du
hast das Unsterbliche in dir gewahlt,
Der Phdnix gehort Lebens Herold
sein. Jet2t ruft,
Du wirst
dir.
die Seele unseres
wecke den Brautigam au£ Der
und Eros
soli
Freya suchen und auf-
wecken/ Fabel freute sich unbeschreiblich bei diesen Worten, Sie rief ihren Begleitern
Gold und Zink und
nahte sich dem Ruhebette. Ginnistan sah erwartungsvoil
ihrem Beginnen
und
fullte das Behaltnis,
au.
Gold schmok
die
Mun2e
worin der Vater lag, mit einer glan^zenden Flut. Zink schlang um Ginnistans Busen eine Kette. Der Korper schwamm auf den
zitternden Wellen.
Hebe Mutter*, sagte Fabel, ,und lege die Hand auf das Herz des Geliebten.* jBiicke dich,
Ginnistan biickte
Die Kette
sich. Sie
sah ihr vielfaches Bild.
beriihrte die Flut, ihre
er erwachte
und zog
Hand
Herz; an seine
sein
die entzuckte Braut
Das Metall gerann und ward ein heller Spiegel. Der Vater erhob sich, seine Augen blitzten, und so schon und bedeutend auch seine Gestalt war, so Brust.
schien doch sein ganzer Korper eine feine, unendiich bewegte Fliissigkeit zu sein, die jeden Eindruck in den mannigfaltigsten und reizendsten Bewegungen verriet.
Das gliickHche Paar naherte sich Sophien, die Worte der Weihe iiber sie aussprach und sie ermahnte, den Spiegel fleiBig zu Rate zu ziehn, der alles in seiner wahren Gestalt zumckwerfe, jedes Blendwerk vernichte und ewig das urspriingliche Bild festhalte. Sie ergriff nun die Urne und schuttelte ^95
die
Asche in die Schale auf dem
Altar.
Ein
sanftes
Brausen verkiindigte die Auflosung, und ein leiser Wind wehte in den Gewandern und Locken der
Umstehenden. Sophie reichte die Schale
dem Eros und dieser den
andern. Alle kosteten den gottlichen
nahmen
Trank und ver-
die freundliche BegriiBung der
Mutter in ihrem Innern mit unsaglicher Freude. Sie war jedem gegenwartig,
und
ihre geheimnisvolle Anwesenheit
schien alle 2u verklaren.
Die Erwartung war
erfullt
und
merkten, was ihnen gefehlt habe,
war
iibertroffen. Alle
und
das
Zimmer
geworden. Sophie sagte: ^Das groBe Geheininis ist alien ofFenbart und bleibt ewig unergriindlich. Aus Schmerzen wird die neue Welt geboren, und in Tranen wird die Asche 2um Trank des ewigen Lebens aufgelost. In jedem wohnt die himmlische Mutter, um jedes Kind ewig ein Aufenthalt der Seligen
2u gebaren. Fuhlt ihr die sxiBe Geburt im Klopfen eurer
Bmst
goB in den Altar den Rest aus der Schale hinDie Erde bebte in ihren Tiefen. Sophie sagte: ^Eros, eile mit deiner Schwester zn deiner Gehebten. Bald seht ihr mich wieder/ Fabel und Eros gingen mit ihrer Begleitung schnell hinweg. Es war ein machtiger Friihling iiber die Erde verbreitet. Ailes hob und regte sich. Die Erde schwebte naher unter dem Schleier. Der Mond und die Wolken zogen mit frohlichem Getiimmel nach Norden. Die Kdnigsburg strahlte mit herrlichem Glance uber das Meet, und auf ihren Zinnen stand der Konig in yoller Pracht mit seinem Gefolge. Sie
unter.
296
tiberall erblickten sie Staubwirbel, in
denen sich be-
kannte Gestalten zu bilden schlenea. Sie begegneten
von Jiinglingen und MMchen, Burg strdmten und sie mit Jauchxen bewillkommten. Auf manchen Hiigeln saB ein gliick-
zahlreichen Scharen die nach der
eben erwachtes Paar in lang entbehrter Umarmung, hielt die neue Welt fur einen Traum und konnte nicht aufhoren, sich von der schdnen Wahrheit zn iiberzeugen. Die Blumen und Baume wuchsen und griinten mit Macht. Alles schien beseelt. Alles sprach und sang. Fabel griiBte liberall alte Bekannte. Die Tiere nahten sich mit freundlichen GriiBen den erwachten Menschen. Die Pflanzen bewirteten sie mit Friichten und Duften und schmuckten sie auf das zierlichste, Kein liches,
und alle Fasten waren in sich selbst zu einem festen FuBboden zusammengesunken, Sie kamen an das Meer. Ein Fahrzeug von geschliifenem Stahl lag am Ufer festgebunden. Sie traten hinein und losten das Tau. Die Spitze richtete sich nach Norden, und das Fahrzeug durchschnitt wie im Fluge die buhlenden Wellen. Lispelndes Schilf hielt seinen Ungestum auf, und es Stein lag
mehr auf
einer Menschenbrust^
stieB leise an das Ufer. Sie eilten die breiten
Treppen
hinan. Die Liebe wunderte sich iiber die konigliche Stadt
und
ihre Reichtumer,
Im Hofe
sprang der
lebendig gewordene Quell, der Main bewegte sich
mit den siiBesten T5nen, und ein wunderbares Leben
Stammen und Slattern, in Blumen und Friichten zu quellen Der alte Held empfing sie an den
schien in seinen heiBen seinen funkelnden
und zu treiben. Toren des Palastes. ,Ehrwurdiger Alter*, sagte
Fabel,
297
,Eros bedarf dein Schwert. Gold hat ihm cine Kette gegeben, die mit einem Ende in das Meet hinunterreicht
nnd mit dem andem
um seine Bmst geschlun-
mit mir an und fiihre uns in den gen ist. Fasse Saal, wo die Prinzessin ruht/ Eros nahm aus der sie
Hand
des Alten das Schwert, setzte den
seine Brust
und
Knopf auf Die
Flii-
und Eros nahte
sich
neigte die Spitee vorwarts.
gelturen des Saals flogen auf,
entziickt der schlummernden Freya. Plotzlich ge-
schah ein gewaltiger Schlag. Ein heller
Funken fuhr von der Prinzessin nach dem Schwerte; das Schwert und die Kette leuchteten, der Held hielt die kleine Fabel, die beinah umgesunken ware. Eros^ Helmbusch wallte empor. ,Wirf das Schwert weg',
rief
Fabel, ,und erwecke deine Geliebte.* Eros lieB das
Schwert
fallen, flog
auf die Prinzessin zu und kiiCte
feurig ihre siiBen Lippen. Sie schlug ihre groBen,
dunkeln Augen auf und erkannte den Geliebten. Ein langer
Von
KuB
versiegelte
den ewigen Bund.
der Kuppel herunter
kam
der
Konig mit
Sophien an der Hand. Die Gestirne und die Geister der Natur folgten in glanzenden Reihen. Ein unaus-
Tag erfullte den und den Himmel. Eine
sprechltch heitrer die Stadt
Saal,
den
Palast,
Menge und sah
zahllose
ergoB sich in den weiten koniglichen Saal
Andacht die Liebenden vor dem K5nige und der Konigin knien, die sie feierlich segneten. Der K5nig nahm sein Diadem vom Haupte und band es um Eros’ goldene Locken. Der alte Held zog ihm die Rxistung ab, und der K5nig warf seinen Mantel um ihn her. Dann gab er ihm die Lilie in die linke Hand, und Sophie kniipfte ein kostliches Armmit
298
stiller
band 11111 die verschlnngenen Hande der Liebenden, indem sie zugleich ihre Krone auf Freyas braune Haare setzte. ,Heil unsern alten Beherrschern*^ rief das Volk.
haben immer nnter uns gewohnt, und wir haben Heil uns! Sie werden uns ewig beherrschen! Segnet uns aucbT Sophie sagte zn der neuen Konigin Wirf du das Armband cures Bundes in die Luft, daG das Volk und die Welt euch verbunden bleiben.^ Das Armband aerfloC in der Luft, und bald sah man lichte Einge um jedes Haupt, und ein glanzendes Band zog sich liber die Stadt und das ,Sie
sie nicht erkannt!
:
Meer und
,
die Erde, die ein ewiges Fest des Friih-
und trug eine Spinund ein K5 rbchen. Er brachte dem neuen Konige
lings feierte. Perseus trat herein
del
das Korbchen. ,Hier‘, sagte
er, ,sind die
Reste deiner
Feinde.^ Eine steineme Platte mit schwarzen
und
weiBen Feldern lag darin und daneben eine Menge Figuren von Alabaster und schwarzem Marmor. ,Es ist ein Schachspier, sagte Sophie; ,aller Krieg ist auf diese Platte und in diese Figuren gebannt. Es ist ein Denkmal der alten triiben 2eit.‘ Perseus wandte sich zu Fabel und gab ihr die SpindeL ,In deinen Handen wird diese Spindel uns ewig erfrcuen, und aus dir selbst wirst du uns einen goldnen unzerreiBlichcn Faden spinnen/ Der Phonix flog mit melodischem Gerausch zu ihren FiiBen, spreizte seine Fittichc vor ihr aus, auf die sie sich setzte,
und schwebte mit
ihr
uber den Thron, ohne sich wieder ndedcrzulassen. Sie sang ein himmlisches Lied und fing zu spinnen
indem der Faden aus ihrer Brust sich hervorzuwinden schien. Das Volk geriet in neues Ent-
an,
299
Augen hingen an dem lieblichen Kinde. Ein neues Jauchzen kam von der Tiir her. und
ziicken,
aller
Mond kam
mit seinem mmderlichen Hofund hinter ihm trug das Volk Ginnistan und ihren Brautigam wie im Triumph einher. Sie waren mit Blumenkranzen umwunden; die
Der
alte
staat herein,
kdnigliche Familie empfing sie mit der herzlichsten Zartlichkeit,
und
das neue Konigspaar rief sie
seinen Statthaltern auf
Erden
2x1
aus.
jGonnet mir^, sagte der Mond, ^das Reich der Parzen, dessen seltsame Gebaude eben auf dem Hofe des Palastes aus der
Erde gestiegen
sind. Ich will
euch mit Schauspielen darin ergotzen, wo2u die kleine Fabel mir behulflich sein wird/
Der Konig
willigte in die Bitte, die kleine Fabel
nickte freundlich,
und
das
Volk
freute sich auf den
seltsamen unterhaltenden Zeitvertreib. Die Hesperiden lieBen zur Thronbesteigung Gliick wtinschen
und
um
lieB sie
Schutz in ihren Garten bitten. Der Komg bewillkommnen, und so folgten sich unzah-
lige frohliche Botschaften.
Unterdessen hatte sich
unmerklich der Thron verwandelt und war ein prachtiges
Hochzeitsbett geworden, iiber dessen
Himmel der Phonix mit der kleinen Fabel schwebte. Drei Karyatiden aus dunkelm Porphyr trugen
es
und vorn ruhte dasselbe auf einer Sphinx Basalt. aus Der Konig umarmte seine errotende Geliebte, und das Volk folgte dem Beispiel des Konigs und liebkoste sich untereinander. Man horte nichts als zartliche Namen und ein KuBgefluster. Endlich
hinten,
sagte Sophie: ,Die Mutter ist unter uns, ihre
Gegen-
wart wird uns ewig begliicken. Folgt uns in unsere 300
Wohnung, in dem Tempel dort werdea wir ewig wohnen und das Geheimais der Welt bewahreo/ Die Fabel spann emsig und sang mit lauter Stimme: Gegriindet
ist
das Reich der Ewigkeit,
In Lieb und Frieden endigt sich der Voriiber ging der lange
Sophie
ist
Traum
Streit,
der Schmer2en,
ewig Priesterin der Herzen.""
501
ZWEITER TEIL
DIE ERFVLLUNG DAS KLOSTER ODER DER VORHOF Astralis
An einem Sommermorgen ward ich jnng; Da
ich meines eignen Lebens Puls
fiihlt
Zum ersten Mai — und wie
die Liebe sich
In tiefere Entziickungen. verier,
Erwacht ich immer mehr, und das Verlangen Nach innigerer, ganzlicher Vermischung Ward dringender mit jedem Augenblick. Wollust
ist
meines Daseins Zeugungskraft.
Ich bin der Mittelpunkt, der heilge Quell,
Aus welchem jede Sehnsucht stiirmisch flieBt, Wohin sich jede Sehnsucht, mannigfach Gebrochen, wieder
still
zusammenzieht.
mich werden. Wart ihr nicht Zeugen, wie ich noch Nachtwandler mich zum ersten Male traf
Ihr kennt
mich nicht
xind saht
—
An
jenem frohen Abend? Flog euch nicht Ein siiBer Schauet der Entzuckung an ? ~ Versunken lag ich ganz in Honigkelchen. Ich duftete, die Blume schwankte still In goldner Morgenluft. Ein innres Quellen
War ich,
ein sanftes Ringen, alles floB
Durch mich und uber mich und hob mich
Da
leise.
sank das erste Staubchen in die Narbe,
Denkt an den KuB nach aufgehobnem Tisch. 302
Ich quoll in meine eigne Flut zuriick
—
Es war ein Blitz — nun konnt ich schon mich regen> Die zarten Faden und den Kelch bewegen. Schnell schossen, wie ich selber mich begann, Zu irdschen Sinnen die Gedanken an, Noch war ich blind, doch schwankten lichte Sterne Dutch meines Wesens wunderbare Feme, Nichts war noch nah, ich fand mich nur von weiten, Ein Anklang alter so wie kunftger Zeiten. Aus Wehmut, Lieb und Ahndungen entsprungen. War der Besinnung Wachstum nur ein Flug, Und wie die WoIIust Flammen in mir schlug.
Ward ich zugleich vom hochsten Weh durchdrungen,. Die Welt lag bluhend um den hellen Hiigel, Die Worte des Propheten wurden Fliigel, Nicht einzeln mehr nur Heinrich und Mathilde, Vereinten beide sich zu einem Bilde. — Ich hob mich nun gen Himmel neugeboren, Vollendet war das irdische Geschick
Im
seligen Verklamngsaugenblick,
Es
hatte
Und Es
nun
die Zeit ihr Recht verloren
forderte,
was
sie geliehn, zuriick.
bricht die neue Welt herein
Und verdunkelt den hellsten Sonnenschein, Man sieht nun aus bemoosten Triimmern Eine wunderseltsame Zukunft schimmern,
Und was vordem
alltaglich war,
Scheint jetzo fremd (Bins in allem
und
und wunderbar,
alles in einen,
Gottes Bild auf Krautern und Steinen, Gottes Geist in Menschen
und
Tieren,
Dies
muB man
sich
za Gemiite fuhren.
Keine Ordnung mehr nach Raum und
Zeit,
Hier Zukunft in der Vergangenheit.)
Der Liebe Reich
ist
aufgetan,
Die Fabel fangt zu spinnen an. Das Urspiel jeder Natur beginnt,
Auf kraftige Worte jedes sinnt, Und so das groBe Weltgemut tiberall sich regt und unendlich Alles
muB
Bins durch das andre gedeihn Jedes in alien dar sich
Indem
Und
bliiht.
ineinandergreifen.
es sich
und
reifen;
stellt,
mit ihnen vetmischet
gierig in ihre Tiefen
fallt,
Wesen erfrischet Und tausend neue Gedanken erhalt. Sein eigentumliches
Die Welt wird Ttaum, der Traum wird Welt, Und was man geglaubt, es sei geschehn, Kann man von weitem erst kommen sehn. Frei soli die Phantasie erst schalten,
Nach ihrem
Gefallen die Faden verweben,
Hier manches verschleiern, dort manches entfalten
Und endlich in magischen Dunst verschweben. Wehmut und Wollust, Tod und Leben Sind hier in innigster Sympathie
Wer
sich der hochsten Lieb ergeben,
Genest von ihren SchmerzhajBt
Was
~
muB
sich urns
Wunden
nie.
Band zerreiBen, innre Auge zieht, jenes
Einmal das treuste Herz verwaisen. Eh es der triiben Welt entflieht.
Der Leib wkd 304
aufgelost in Tranen,
Zum weiten Grabe wird die Welt, In das, verzehrt von bangem Sehnen, Das Herz
ais
Asche
niederfallt.
Anf dem schmalen auflief,
FuBsteige, der ins Gebirg hinging ein Pilgrim in tiefen Gedanken. Mittag
war vorbei. Ein
starker
Wind saiiste durch die
Luft. Seine dumpfen, mannigfaltigen
loren sich, wie sie kamen.
blane
Stimmen ver*
War er vielleicht durch die
Gegenden der Kindheit geflogen? Oder durch andre redende Lander? Es waren Stimmen, deren Echo im Innersten nachkiang, und dennoch schien sie der Pilgrim nicht zu kennen. Er hatte nun das Gebirg erreicht,
wo er das
Ziel seiner Reise zu finden hoffte.
— Hoffte ? — Er hoffte gar nichts mehr.
Die entsetzAngst und dann die trockne Kalte der gleich-
lichste
gultigsten Verzweiflung trieben ihn, die wilden
Schrecknisse des Gebirges aufzusuchen. selige
Gang
nern Gewalten. Er war matt, aber nichts,
was
als er sich
Der miih-
beruhigte das zerstdrende Spiel der instill.
Noch
sah er
um ihn her sich allmahlich gehauft hatte,
auf einen Stein setzte und den Blick dick-
warts wandte. Es diinkte ihn,
als traume er jetzt oder Eine uniibcrsehliche Herrlichkcit habe er getraumt. schien sich vor ihm aufzutun. Bald flossen seine
Tranen, indem sein Innres plotzlich brach. Er wollte sich in die
Feme
verweinen, daB auch keine Spur
seines Daseins librig bliebe.
Unter
Schluchzen schien er zu sich selbst zu
dem hcftigen kommen; die
weiche heitre Luft durchdraog ihn, seinen Sinnen ward die Welt wieder gegenwartig, und alte Ge-
danken fingen 20
trostlich
jVwdfAr, Gesaomiclte
Wetke
zu reden
an.
x
30J
Dort lag Augsburg mit seinen Tiirmen. Fern
am
Gesichtskreis blinkte der Spiegel des furchtbaren,
geheimnisvollen Stroms. sich mit trostlichem
Der ungeheure Wald bog
Ernst zu
dem Wanderer,
das
gezackte Gebirg ruhte so bedeutend iiber der Ebene, und beide schienen zu sagen: ,Eile nur, Strom, du entfliehst
uns nicht. Ich will dir folgen mit geflugelten
SchifFen.
Ich will dich brechen
und
halten
verschlucken in meinen SchoB. Vertraue
und dich du uns.
auch unset Feind, den wir selbst erzeugten. LaB ihn eilen mit seinem Raub, er entfiieht Pilgrim, er ist
uns nicht.‘
Der arme Pilgrim gedachte der
alten Zeiten
und
uns^lichen Entziickungen. — Aber wie matt gingen diese kostlichen Erinnerungen voruber! Der
ihrer
Es war bleich wie eine Nachtblume. In Tranen hatte sich der Balsamsaft des jungen Lebens, in tiefe Seufzer
breite
Hut verdeckte
sein schwellender
Aschgrau waren Seitwarts
ein jugendliches Gesicht.
Hauch verwandelt. In
alle seine
ein fahles
Farben verschossen.
am Gehange schien ihm ein Monch unter
einem alten Eichbaum zu knieen.
,Sollte das der alte
sich, ohne groBe Verwunderung, Der Monch kam ihm groBer und ungestaltiger vor, je naher er zu ihm trat. Er bemerkte
Hofkaplan sein?^ so dacht er bei
nun
seinen Irrtum,
uber den sich der
denn
Baum
es
war
ein einzelner Felsen,
herbog.
Still geriihrt
faBte
den Stein in seine Arme und driickte ihn laut weinend an seine Brust. ,Ach, daB doch jetzt deine er
Reden sich bewahrten und die heilge Mutter ein Zeichen an mir tatel Bin ich doch so ganz elend und verlassen.
306
Wohnt in meiner Wxiste kein Heiliger, der
mir sein Gebet liehe? Bete du, teurer Vater, diesem Augenblick fur mich/
Wie isittern.
tiefer,
er so bei sich dachte, fing der
Dumpf
jetizt
in
Baum an 2u
drohnte der Felsen, und wie aus
unterirdischer
Feme erhoben sich einige klare
Stimmchen und sangen: Ihr Herz
war
Von Freuden Sie
voller Freuden, sie
nur wuBt,
wuBt von keinem Leiden,
Druckt
’s
Sie kiiBt’
Kindlein an
ihm
seine
ihr’
Bmst.
Wangen,
Sie kiiBt’ es mannigfalt, sie umfangen Durch Kindleins schone Gestalt.
Mit Liebe ward
Die Stimmchen schienen mit unendlicher Lust zvl singen. Sie wiederholten den Vers einigemal. Es ward alles wieder mhig, und nun horte der erstaunte Pilger, daB jemand aus dem Baume sagte; „Wenn du ein Lied zu meinen Ehren auf deiner Laute spielen wirst, so wird ein armes Madchen herfurkommen. Nimm sie mit und laB sie nicht von dir. Gedenke meiner, wenn du znm Kaiser kommst. Ich habe mir diese Statte ausersehn, um mit meinem Kindlein hier zn wohnen. LaB mir ein starkes, warmes Haus hier bauen. Mein Kindlein hat den Tod uberwunden. Harme dich nicht. Ich bin bei dir. Du wirst noch eine Weile auf Erden bleiben, aber das Madchen wird dich trosten, bis du auch stirbst und zu unsern Freuden eingehst.“ — „Es ist Mathildens
Stimme'', rief der Pilger
zu beten.
Da
und
fiel
auf seine Knie, urn
drang dutch die Aste ein langer Strahl
zu seinen Augen, und er sah dutch den Strahl in eine feme, kleine, wundersame Herrlichkeit hinein, welche nicht
m
beschreiben,
noch kunstreich mit Farben
nach2:ubilden moglich gewesen ware. Es waren liberaus feine Figuten, und die innigste Lust und Freude, eine himmlische Gliickseligkeit war darin uberall za schauen, sogar daB die leblosen GefaBe, das Saulwerk, die Teppiche, Zieraten, kurzum alles, was zu ja
sehn war, nicht gemacht, sondern wie ein vollsaftiges Kraut aus eigner Lustbegierde also gewachsen
und zusammengekommen zu
sein schien.
Es waren
die sch5nsten menschlichen Gestalten, die dazwi-
schen umhergingen und sich uber die
MaBen freund-
lich und holdselig gegeneinander erzeigten. Ganz
vorn stand die Geliebte des Pilgers, und hatt’ es das Ansehn, als wolle sie mit ihm sprechen. Doch war nichts zu horen,
und
betrachtete der Pilger
nur mit
und wie sie so freundlich und lachelnd ihm zuwinkte und die Hand auf ihre linke Brust legte. Der Anblick war unendlich trostend und erquickend, xmd der Pilger lag
defer Sehnsucht ihre anmutigen Ziige
noch lang in seliger Entzuckung, als die Erscheinung wieder hinweggenommen war.
Der
heilige Strahl
Schmerzen und Bekiimmernisse aus seinem Herzen gesogen, so daB sein Gemut wieder rein und
hatte alle
leicht und sein Geist
wieder frei und frdhlich war wie
vordem. Nichts war ubrig geblieben
als
ein
stilles,
und ein wehmutiger Kdang im AUerAber die wilden Qualen der Einsamkeit,
inniges Sehnen innersten.
die herbe Pein eines unsaglichen Verlustes, die trube,
308
entsetizliche Leere, die irdische
Ohnmacht war ge-
wichen, und der Pilgrim sah sich wieder in einer vollen, bedeutsamen Welt. Stimme nnd Sprache waren wieder lebendig bei ihm geworden, und es
diinkte ihn
sagender
nunmehr
als
alles viel
bekannter und weis-
ihm der Tod wie eine Lebens erschien und er sein
ehemals, so daB
hohere Oifenbarung des eignes, schnell vorubergehendes Dasein mit kindlicher, heitrer
Riihrung betrachtete. Zukunft und
Vergangenheit hatten sich in ihm beriihrt und einen
Er stand weit auBer der Gegenwart, xxnd die Welt ward ihm erst teuer, wie er sie verloren hatte und sich nur als Fremdling in ihr fand, der ihre weiten, bunten Sale noch eine kur^e
innigen Verein geschlossen.
Weile durchwandern
sollte.
Es war Abend gewor-
und die Erde lag vor ihm wie ein altes, liebes Wohnhaus, das er nach langer Entfernung verlassen wiederfande. Tausend Erinnerungen wurden ihm gegenwtoig. Jeder Stein, jeder Baum, jede Anhohe wollte wiedergekannt sein. Jedes war das Merkmal den,
einer alten Geschichte.
Der
Pilger ergriff seine Laute
und sang:
Liebesz^ren, Liebesflammen, FlieBt
zusammen;
Heiligt diese Wunderstatten,
Wo
der
Himmel mir
Schwarmt
erschienen;
um diesen Baum wie Bienen
In unzahligen Gebeten.
Er hat froh sie aufgenommen, sie kommen.
Als
Sie geschiitet Sie
wird
vor Ungewittern; ihrem Garten
einst in
Ihn begieBen und ihn warten, Wunder tun mit seinen Splittern.
Auch
der Felsen
ist
gesunken
Freudetrunken
Zu
der selgen Mutter FxiBen;
Ist die
Sollte
Und
Andacht auch
in Steinen,
da der Mensch nicht weinen
sein Blut fur sie vergieBen ?
Die Bedrangten miissen ziehen
Und
hier knieen,
Alle werden hier genesen.
Keiner wird fortan noch klagen, Alle werden frohlich sagen: ,Einst sind wir betriibt
gewesen/
Ernste Mauern werden stehen
Auf den Hohen. In den Talern wird
Wenn
man
rufen,
die schwersten Zeiten
,Keinem
sei das
Nur hinan 2u
kommen:
Httz beklommen,
jenen Stufen."
Gottes Mutter und Gehebte, Der Betrubte Wandelt nun verklart von hinnen. Ewge Gute, ewge Milde, O! ich weiB, du bist Mathilde Und das Ziel von meinem Sinnen.
Ohne mein verwegnes Fragen Wirst mir sagen,
Wenn Gern
ich 2u dir soli gelangen.
will ich in tausend
Noch
der Erde
Weisen
Wunder preisen.
du kommst, mich zn umfangen.
Bis
Alte Wunder, kiinftge Zeiten, Seltsamkeiten,
Weichet nie aus meinem Herzen!
UnvergeBUch
Wo
sei die Stelle,
des Lichtes heilge Quelle
Weggespiilt den
Traum
der Schmerzen.
Unter seinem Gesang war er nichts gewahr worden.
Wie
er aber aufsah, stand ein junges
nah bei ihm
am
Madchen
wie einen alten Bekannten, gruBte.und ihn einlud, mit zu ihrer Wohnung zu gehn, wo sie ihm schon ein AbendFelsen, die ihn freundlich,
Er schloB sie zartlich in seinen ganzes Wesen xind Tun war ihm befreun-
essen zubereitet habe.
Arm. Ihr
noch einige Augenblicke zu verBaum, sah mit einem unaussprechlichen Lacheln hinauf und schiittete aus ihrer Schiirze viele Rosen auf das Gras. Sie kniete still daneben, stand aber bald wieder auf xznd fiihrte den Pilger fort. „Wer hat dir von mir gesagt?“ frug der Pilgrim. „Unsre Mutter. — „ Wer ist deine Mutter — „Die Mutter Gottes.^' — „Seit warm bist du hier?“ ~ „Seitdem ich aus dem Grabe gekommen bin.‘^ — „Warst du schon einmal gestorben?"" — „Wie konnt ich derm leben?"" „Lebst du hier ganz alleiti?^^ — det, Sie bat ihn,
ziehn, trat unter den
Mann
nu Hause, doch kenn ich noch viele, die gelebt haben/‘ — „Hast du Lust, bei mir bleiben?'" - „Ich babe dich ja lieb.“ — „Woher „Eiii alter
ist
m
— „OI von alten Zeiten; auch ermir meine ehnialige Mutter izeither immer von — „Hast du noch eine Mutter?" — ,Ja, aber es
kennst du mich?^^ izahlte
dir/' ist
eigentlich
„Wie
dieselbe."
hieB
sie?"
—
„Maria/' — „Wer war dein Vater?" — „Der Graf von Hohenzollern," — „Den kenn ich auch." — „Wohl muBt du ihn kennen, denn er ist auch dein
—
meinen Vater in Eisenach." — „Du hast mehr Eltern." — „Wo gehn wir denn bin ?" — „Immer nach Hause." Sie waren jetzt auf einen geraumigen Plats; im Holze gekommen, auf welchem einige verfallne Turme hinter tiefen Graben standen. Junges Gebiisch schlang sich um die alten Mauern wie ein jugendlicher Kranz um das Silberhaupt eines Greises,
Vater."
Man
„Ich habe
ja
sah in die UnermeBlichkeit der Zeiten
blickte die weitesten Geschichten in kleine
Minuten zusammengezogen, wenn Steine, die blitzahnlichen Risse
rigen Gestalten betrachtete.
man
und
er-
glanzende
die grauen
und die hohen schau-
So zeigt uns der Himmel
unendliche Raume in dunkies Blau gekleidet und wie milchfarbne Schirnmer, so unschuldig wie die
Wan-
gen eines Kindes, die fernsten Heere seiner schweren, ungeheuren Welten. Sie gingen durch einen alten Torweg, und der Pilger war nicht wenig erstaunt, als er sich
ringt
und
nun von
lauter seltenen
diesen Triinmiern versteckt sah.
nes Hauschen
312
Gewachsen um-
die Reize des anmutigsten Gartens unter
von neuer
Ein
kleines steiner-
Bauart, mit groBen hellen
Dort stand ein alter Mann hinter den breltblattrigen Stauden und band die schwanken Zweige an Stabcben. Den Pilgrim fiihrte seine Begleiterin zu ihm und sagte: „Hier ist Heinrich, nach dem du mich oft gefragt hast.“ Wie sich der Alte zu ihm wandte, glaubte Heinrich den BergFenstern, lag dahinter.
mann vor
sich zu sehn.
vester"^, sagte
„Du
siehst
den Arzt Syl-
das Madchen. Sylvester freute sich,
und sprach: „Es ist eine geraume Zeit daB ich deinen Vater ebenso jung bei mir sah. Ich lieB es mir damals angelegen sein, ihn mit den Schatzen der Vorwelt, mit der kostbaren Hinterlassenschaft einer zu fruh abgeschiedenen Welt bekannt zu machen. Ich bemerkte in ihm die Anzeichen eines groBen Bildkiinstlers. Sein Auge regte sich veil Lust, ein wahres Auge, ein schaffendes Werkzeug zu ihn zu sehn, her,
werden. Sein Gesicht zeugte von innrer Festigkeit FleiB. Aber die gegenwartige Welt hatte zu tiefe Wurzeln schon bei ihm geschlagen. Er woUte nicht Achtung geben auf den Ruf
und ausdauerndem
seiner eigenstenNatur, die triibe Strenge seines vater-
Himmels hatte die zarten Spitzen der ihm verdorben. Er ward ein geschickter Handwerker, und die Begeisterung ist ihm landischen
edelsten Pflanze in
zur Torheit geworden/^'
„hab ich in ihm oft MiBmut bemerkt. Er Gewohnheit und nicht aus ihm etwas zu fehlen, was
„Wohl"'', versetzte Heinrich,
mit Schmerzen einen arbeitet
stillen
unaufhorlich aus
innerer Lust.
Es
scheint
die friedliche Stille seines Lebens, die Bequemlich-
Auskommens, die Freude, sich geehrt von seinen Mitbiirgern zu sehn und in
keiten seines
und
geliebt
313
zu Rate geizogen zu werden, ihm nicht ersetzen kmn. Seine Bekannten halten alien Stadtangelegenheiten
ihn fur sehr gliicklich, aber sie wissen nicht, wie lebenssatt er ist,
wie leer ihm oft die Welt vorkommt, und wie er nicht
wie sehnlich er sich hinwegwiinscht aus Erwerblust, sondern
um diese Stimmung zn ver-
scheuchen, so fleiBig arbeitet/'
„Was mich am meisten vester,
wundert'^, versetzte Syl-
„daB er Eure Erziehung ganz in den Handen
Eurer Mutter gelassen hat und sorgfaltig sich gein Eure Entwicklung sich zu mischen oder Euch zu irgendeinem bestimmten Stande anzuhalten. Ihr habt von Gliick zu sagen, daB Ihr habt aufwachsen durfen, ohne von Euren Eltern die mindeste Beschrankung zu leiden; denn die meisten Menschen
hiitet,
sind nur Uberbleibsel eines vollen Gastmahls, das
Menschen von verschiedenem Appetit und Geschmack geplundert haben/^ „Ich weiB selbst nicht‘‘, erwiderte Heinrich, „was Erziehung heiBt, wenn es nicht das Leben und die Sinnesweise meiner Eltern
ist
oder der Unterricht
meines Lehrers, des Hofkaplans. Mein Vater scheint mir, bei aller seiner kuhlen
Denkungsart, die ihn Metall
und eine
alle
und durchaus
festen
Verhaltnisse wie ein Stuck
kiinstliche Arbeit
ansehn l^t, doch
und ohne es daher selbst zu wissen, eine stille Ehrforcht und Gottesfurcht vor alien unbegreiflichen und hohern Erscheinungen zu haben und daher das Aufbluhen eines Kindes mit demiitiger unwillkiirlich
Selbstverleugnung zu betrachten. Ein Geist
ist hier
geschaftig, der frisch aus der unendlichen Quelle
kommt, und 314
dieses Gefiihl der Uberlegenheit eines
Kindes in den allerhochsten Dingen, der unwiderGedanke einer nahern Fiihrung dieses un-
stehliche
schuldigen Wesens, das jetzt
im
BegrifF steht, eine
so bedenkliche Laufbahn anzutreten, bei seinen
nahern Schritten, das
Gepr%e
einer
wunderbaren
Welt, das noch keine irdische Flut unkenntlich ge-
macht
hat,
und endlich
die Sympathie der Selbst-
erinnerung jener fabelhaften Zeiten, heller, freundlicher
und
wo die Welt uns
seltsamer diinkte
und der
Geist der Weissagung fast sichtbar uns begleitete, alles dies
tigsten
hat meinen Vater gewiB zu der andach-
und bescheidensten Behandlung vermocht.“
Rasenbank unter die Blumen sitzea'\ unterbrach ihn der Alte. „Cyane wird uns rufen, wenn unser Abendessen bereit ist, und wenn ich Euch bitten darf, so fahrt fort, mir von Eurem fruhern Leben etwas zu erzahlen. Wir Alten horen am liebsten von den Kinder] ahren reden, und es diinkt mich, als lieBt Ihr mich den Duft einer Blume einziehn, den ich seit meiner Kindheit nicht wieder eingeatmet hatte. Nur sagt mir noch vorher, wie Euch meine Einsiedelei und mein Garten gefallt, denn diese Blumen sind meine Freundinnen. Mein Herz ist in diesem Garten. Ihr seht nichts, was mich nicht liebt und von mir nicht zartlich geliebt wird. Ich bin hder mitten unter meinen Kindern und komme mir vor wie ein alter Baum, aus dessen Wurzeln diese muntre Jugend ausgeschlagen sei/^ „Glucklicher Vater^", sagte Heinrich, „Euer Garten ist die Welt. Ruinen sind die Mutter dieser bluhenden Kinder. Die bunte, lebendige Schopfung zieht ihre Nahrung aus den Triimmern vergangner „LaJS uns hieher auf die
Aber muBte
Zeiten.
die
der gedeihen konnen,
Tranen
allein
daJ3 die
Kin-
an ihrem Grabe siteen ?“
Sylvester reichte
Hand und
Mutter sterben,
und bleibt der Vater 2u ewigen
dem schluchzenden Jiinglinge die
stand auf,
um ihm ein eben aufgebliihtes
VergiBmeinnicht zu holen, das er an einen Zypressenzweig band und der
Abendwind
ihm
brachte.
Wunderlich nihrte
die Wipfel der Kiefern, die jenseits
den Ruinen standen. Ihr dumpfes Brausen tonte hertiber. Heinrich verbarg sein Gesicht in Tranen an
dem Halse
des guten Sylvester,
und wie
er sich wie-
der erhob, trat eben der Abendstern in voiler Glorie
uber den Wald heriiber.
Nach einiger Stille fing Sylvester an: ,Jch mocht Euch wohl in Eisenach unter Euren Gespielen gesehn haben* Eure Eltern, die vortreflfliche Landgrafin, die biedern Nachbarn Eures Vaters und der alte Hofkaplan machen eine schone Gesellschaft aus. Ihre Gesprache mxissen fruhzeitig auf
Euch gewirkt
haben, besonders da Ihr das einzige Kind wart. Auch stell
ich mir die
deutsam „Ich
Gegend
auBerst anmutig
und
be-
vor.*^^
lerne*^,
erst recht
versetzte Heinrich, ,,meine
kennen,
seit ich
weg bin und
Gegend
viele andre
Gegenden gesehen habe. Jede Pflanze, jeder Baum, Berg hat seinen besondern Gesichtskreis, seine eigentiimliche Gegend. Sie gehort jeder Hiigel und
m
ihm, und sein Bau, seine ganze Beschaffenheit wird
durch
sie
Nur das Tier und der Mensch Gegenden kommen; alle Gegenden ihrigen. So machen alle zusammen eine
kdnnen zu sind die
erklto. alien
groBe Weltgegend, einen imendlichen Gesichtskreis 316
den Menschen und das Tier ebenso sichtbar ist wie der EinfluB dex engcrn Umgebung auf die Pflanze. Daher Menschen, die vici gereist sind, Zugvogel und Raubtiere untcr den tibrigen sich durch besondern Verstand und and re EinfluB
aus, dessen
vsTunderbare
atif
Gaben und Arten
ausaeichnen.
Dock
auch gewiB mehr oder weniger Fahigkcit unter ihnen, von diesen Weltkreisen und ihrem gibt es
Ordnung gcruhrt und gebildet zu "werden. Auch fehlt bei den Menschen wohl manchen die notige Aufmerksamkeit und Gcmannigfaitigen Inhalt \ind
um den Wechsel der Gegenstande unti Zusammenstellung erst gehorig zu betraciiten ihre und dann daniber nachzudenken und die notigen Vergleichungen anzustellen. Oft fiihl ich jetzt, wie mein Vaterland meine fruhsten Gedanken mit unverganglichen Farben angehaucht hat und sein Bild eine seltsame Andeutung meines Gemiits geworden lassenheit,
ist,
die ich
immer mehr
errate, je tiefer ich cinsehe,
daB Schicksal und Gemut Namen eines Begriffs sind.“ — „Auf mich“, sagte Sylvester, „hat ffeilich die lebendige Natur, die regsame tlberkleidung der
Gegend, immer am meisten gewirkt. Ich bin nicht miide geworden, besonders die verschiedene Pfianzennatur auf das sorgfaltigste zu betrachten. Die Gewachse sind so die unmittelbarste Sptache des
Bodens; jedes neue Blatt, jede sonderbare Blume ist irgendein Geheimnis, das sich hervordrangt und das, well es sich vor Liebe und Lust nicht bewegen und nicht zu Worten kommen kann, eine stumme, ruhige Pflanze wird, Findet man in der Einsamkeit eine solche Blume, ist es da nicht, als ware alles umher
317
yerklart und hielten sich die kleinen befiederten
Tone Nahe auf ? Man mochte vor Freuden weinen und, abgesondert von der Welt, nur seine Hande und FiiBe in die Erde stecken, um Wurzeln 2u treiben und nie diese gliickliche Nachbarschaft 2u verlassen. Uber die ganze trockne Welt ist
am
iiebsten in ihrer
dieser griine, geheimnis voile
Teppich der Liebe ge-
2ogen. Mit jedem Fruhjabr wird er erneuert, seine seltsame Schrift ist
nur
dem
wie der BlumenstrauB des Orients. lesen
und
sich nicht satt lesen
und
und
Geliebten lesbar,
Ewig wird
taglich
er
neue Be-
deutungen, neue, entzuckendere OfFenbarungen der liebenden Natur gewahr werden. Dieser unendliche
GenuB
ist
der geheime Rek, den die Begehung der
mich hat, indem mir jede Gegend andre Ratsel lost und mich immer mehr erraten laBt, woher der Weg komme und wohin er gehe/" sagte Heinrich, „wir haben von Kinderjahren angefangen zu reden und von der Erziehung, well wir in Eurem Garten waren und die eigentliche OfFenbarung der Kindheit, die unschuldige Blumenwelt, unmerklich in unser Gedachtnis und auf unsre Erdflache
fiir
Lippen die Erinnerung der alten Blumenschaft
Mein Vater ist auch ein grofier Freund des und die glxicklichsten Stunden seines Lebens bringt er unter den Blumen zu. Dies hat auch
brachte.
Gartenlebens,
gewiB seinen Sinn fiir die Kinder so ofFen erhalten, da Blumen die EbenbUder der Kinder sind. Den voUen Reichtum des unendlichen Lebens, die gewaltigen Machte der spatern Zeit, die Herriichkeit
und die goldne Zukunft aller Dinge Her noch innig ineinander geschlungen.
des Weltendes
sehn wir
aber doch auf das deutlichste und klarste in carter Verjiingung. Schon treibt die allmachtige Liebe,
Es
keine verzehrendc
aber sie ziindet
noch
Flamme;
ein zerrinnender Duft,
die
es ist
nicht.
ist
Und
Vereinigung der zartlichen Seelen auch
so innig ist,
so
ist
doch von keiner heftigen Bewegung und keincr Wut begleitet wie bei den Tieren. So ist die Kindheit in der Tiefe zunachst an der Erde, da hingegen die Wolken vielleicht die Erscheinungen der zweiten, hohern Kindheit, des wiedergefundnen Paradieses sind und darum so wohltatig auf die ersie
fressenden
stere heruntertauen/*^
„Es ist gewiB etwas sehr Geheimnisvolles in den Wolken^^ sagte Sylvester, „und eine gewisse Bewolkung hat oft einen ganz wunderbaren EinfluB auf uns. Sie ziehn und wollen uns roit ihrem kiihlen Schatten auf und davon nehmen, und wenn ihre Bildung lieblich und bunt wie ein ausgehauchter Wunsch unseres Innern ist, so ist auch ihre Klarheit, das herrliche Licht, das dann auf Erden herrscht, wie die Vorbedeutung einer unbekannten, unsaglichen Herrlichkeit. Aber es gibt auch diistere und ernste und entsetzliche Umwolkungen, in denen alle Schrecken der alten Nacht zu drohen scheinen. Nie scheint sich der Himmel wieder auf heitern zu wollen, das Blau ist vertilgt, und ein fables Kupferrot auf schwarzgrauem Grunde weckt Grauen und Angst in jeder Brust. Wenn dann die verderblichen Strahlen herunterzucken und mit hohnischem Gelachter die schmetternden Donnerschlage hinterdreinfallen, so werden wir bis ins Innerste be^gstigt, und wenn in uns dann nicht das erhabne Gefiihl unsrer sittHchen 319
Obermacht
entsteht, so
glauben wir, den Schreck-
nissen der Holle, der Gewalt boser Geister iiberliefert
2u
sein.
Es skid Nachhalle der
alten unmenschlichen
Stimmen der hohern Natur, des himmlischen Gewissens in uns. Das Sterb-
Natur, aber auch weckende
liche
drohnt in seinen Grundfesten, aber das Unsterb-
licbe fangt heller
2u leuchten an und erkennt sich
selbst/^
„ Wann wkd es doch^', sagte Heinrich, „gar keiner Schrecken, keiner Schmerzen, keiner Not und keines tJbels
mehr im
„Wenn wissens.
es
Weltall bediirfen?"'
nur
eine
Kraft gibt
— die Kraft des
Ge-
— Wenn die Natur :2uchtig und sittlich ge-
worden ist. Es gibt nur em Ursache des Ubels — die allgemeine Schwache, und diese Schwache ist nichts als geringe sittliche Empf^glichkeit und Mangel an Reiz der Freiheit.^^
„Macht
piir
doch die Natur des Gewissens
be-
greiflich.^^
„Wenn ich das konnte, so war ich Gott, denn indem man das Gewissen begreift, entsteht es. Konnt Ihr mir das
Wesen der Dichtkunst
begreiflich ma-
chen?^^
„Etwas Personliches EBt sich nicht bestimmt abfragen.‘‘
„ Wieviel weniger also das Geheimnis der hdchsten Unteilbarkeit.L^t sichMusikdemTaubenerklaren ?“
„Also ware der Sinn ein Anteil an der neuen,
durch ihn eroffneten Welt selbst? Sache nur,
wenn man
Man verstiinde die
sie hiatte?‘‘
„Das Weltall sierf^t in unendliche, immer von groBem Welten wieder befaBte Welten. AUe Sinne 320
Sinn. Ein Sinn fohrt wie eine Welt Welten. Abet alles hat seine Zeit alien zu allmahlich und seine Weise. Nut die Person des Weltalls vetsind
am Ende ein
mag
das Vethaltnis unsrer
Welt einzusehn. Es
ist
schwer zu sagen, ob wit innerhalb der sinnlichen Schranken unsers Korpers wirklich unsre Welt mit neuen Welten, unsre Sinne mit neuen Sinnen ver-
mehren konnen odet ob jeder Zuwachs unsrer Erkenntnis, jede neu erworbene Fahigkeit nur zur Ausbildung unseres gegenwartigen Weltsinns zu rechnen ist.“
sagte Heinrich. „Ich
„Vielleicht ist beides
weiB nur so viel, daB fiir mich die Fabel Gesamt•werkzeug meiner gegenwartigen Welt ist. Selbst das Gewissen, diese Sinn und Welten erzeugende Macht, dieser Keim aller Personlichkeit, erscheint mir wie der Geist des Weltgedichts, wie der Zufall der ewigen romantischen Zusammenkunft, des unendlich veranderlichen Gesamtlebens."
„Werter Pilger", versetzte Sylvester, „das Gewissen erscheint in jeder ernsten Vollendung, in jeder gebildetcn Wahrheit. Jede dutch
Nachdenken
zu einem Weltbtld umgearbeitete Neigung und Fertigkeit wird zu einer Erscheinung, zu einer Verwandlung des Gewissens. AUe Bildiing fiihrt zu dem, was
man
nicht anders wie Freiheit
nennen kann, ohn-
erachtet damit nicht ein bloBer BegrifF, sondern der
Grund alles Daseins bezeichnet werden Diese Freiheit ist Meisterschaft. Der Meister iibt freie Gewalt nach Absicht und in bestimmter und uberdachter Folge aus. Die Gegenstande seiner schaffende soil.
Kunst sind 21
NovaliT,
sein
und stehn
Gcsammeltc Werkc
i
in seinem Belieben,
und 321
er
wird von ihnen nicht gefesselt oder gehemmt. gerade diese allumfassende Freiheit, Meister-
Und
schaft oder Herrschaft ist das
ihm
Gewissens. In
Wesen, der Trieb des
ofFenbart sich die heilige Eigen-
tiimlichkeit, das unmittelbare Schaffen
der Person-
lichkeit, und jede Handlung des Meisters ist zugleich Kundwerdung der hohen, einfachen, unverwickelten
— Gottes
Wort/' das, was ehemals, wie mich deucht, Tugendlehre genannt wurde, nur die Religion als Wissenschaft, die sogenannte Theologie im eigentWelt
„Also
ist
auch
lichsten Sinn?
Nur eine Geseteordnung,
die sich zur
Gottesverehrung verhalt wie die Natur zu Gott? Ein Wortbau, eine Gedankenfolge, die die Oberwelt bezeichnet, vorstellt und sie auf einer gewissen Stufe der Bildung vertritt ?
mogen
Die Religion fur das Ver-
der Einsicht und des Urteils, der Richtspruch,
das Gesetz der
Auflosung und Bestimmung
aller
moglichen Verhaltnisse eines personlichen Wesens ?" „AlIerdings
ist
das Gewissen", sagte Sylvester,
„der eingeborne Mittler jedes Menschen. Es vertritt
Erden und ist daher so vieien das Hochste und Letzte. Aber wie entfernt war die bisherige Wissenschaft, die man Tugend- oder Sittenlehre nannte, von der reinen Gestalt dieses erdie Stelle Gottes auf
habenen, weitumfassenden personlichen Gedankens.
Das Gewissen
ist
voller Verklarung, der himmlische
nicht dies
Wesen
in
Urmensch. Es
ist
der Menschen eigenstes
und jenes,
es gebietet nicht in
allgemeinen
Spriichen, es besteht nicht aus einzelnen
Es gibt nur $im Tugend der
322
Tugenden.
— den reinen, ernsten Willen,
im Augenblick der Entscheidung unmittelbar
sich entschlieCt tind wahlt. In lebendiger, eigentiimlicher Unteilbarkeit
bewohnt
es
und
beseelt es das
Sinnbild des menschlichen Korpers
izartliche
und
vermag alle geistigen GliedmaBen in die wahrhafteste TMgkeit zu verset2en.“ ttefflicher Vater^^,
unterbrach ihn Heinrich,
mich das Licht, das aus Euren Worten ausgeht. Also ist der wahre Geist der „mit welcher Freude
erfiillt
Fabel eine freundliche Verkleidung des Geistes der
Tugend und der
eigentliche
Zweck
der untergeord-
neten Dichtkunst, die Regsamkeit des hdchsten, eigentiimlichstenDaseins. Eineiiberraschende Selbstheit ist zwischen
edeln Handlung. ten, nicht
einem wahrhaften Liede und einer Das miiBige Gewissen in einer glat-
widerstehenden Welt wird
2um fesselnden
Gesprach, zut alleser2ahlenden Fabel. In den Fluren
und Hallen dieser Urwelt lebt der Dichter, und die Tugend ist der Geist seiner irdischen Bewegungen und Einfliisse. So wie diese die unmittelbar wirkende Gottheit unter den Menschen und das wunderbare Widerlicht der hohern Welt
ist, so ist es auch die kann nun der Dichter den Eki” gebungen seiner Begeisterung oder, wenn auch er einen hohern iiberirdischen Sinn hat, hohern Wesen
Fabel.
folgen
Wie
und
uberlassen.
Weltalls
sicher
Demut Auch in ihm redet die hohere Stimme des
sich seinem Berufe mit kindlicher
und
ruft
mit be2aubernden Spriichen in er-
Wie sich die Religion 2ur Tugend verh£t, so die Begeisterung 2 ur Fabelfreulichere, bekanntere Welten.
und wenn in heiligen Schriften die Geschichten der Offenbarung aufbehalten sind, so bildet in den Fabellehren das Leben einer hohern Welt sich in
lehre,
wunderbar entstandnen Dichtungen auf mannigfache Weise ab. Fabel und Geschichte begleiten sich in den innigsten Beziehungen auf den verschlungensten Pfaden und in den seltsamsten Verkleidungen, und die Bibel
und
die Fabellehre sind Sternbilder eines
Umlaufs.“ „Ihf redet voUig wahr'', sagte Sylvester,
„und nun
wird es Euch wohl begreiflich sein, daB die ganze Natui: nur durch den Geist der Tugend besteht und
immer bestandiger werden
soli.
Er
ist
das alhiin-
dende, allbelebende Licht innerhalb der irdischen
Umfassung.
Dom
Vom
Sternhimmel, diesem erhabenen
dem krausen Teppich Wiese wird alles durch ihn erhalten, durch ihn mit uns verknupft und uns verstandlich gemacht und durch ihn die unbekannte Bahn der unendlichen Naturgeschichte bis zur Verklarung des Steinreichs, bis zu
einer bunten
fortgeleitet.^'^
und Ihr habt vorher so sch5n fiir mich die Tugend an die Religion angeschlossen. Alles, was die Erfahrung und die irdische Wirksamkeit begreift, „Ja,
macht den Bezirk des Gewissens aus, welches diese Welt mit hohern Welten verbindet. Bei hohern Sinnen entsteht Religion, und was vorher unbegreifliche Notwendigkeit unserer innersten Natur schien, ein AUgesetz ohne bestimmten Inhalt, wird nun zu einer wunderbaren, einheimischen, unendlich mannigfaltigen und durchaus befriedigenden Welt, zu einer unbegreiflich innigen Gemeinschaft aller Seligen in Gott und zur vernehmlichen, vergdtternden Gegenwart des allerpersonlichsten Wesens oder seines Willens, seiner Liebe in
unserm
tiefsten Selbst.^*'
„Die Unschuld Eures Herzens macht Euch Propheten"", erwiderte Sylvester; „E^ch wird
und
verstandlich werden,
zum alles
nnd ihre GeHeiHge Schrift, das groBe Beispiel
die Welt
schichte verwandelt sich Eucli in die
so wie Ihr an der Heiligen Schrift
Worten und Geschichten das Weltall ofFenbart werden kann; wenn auch nicht geradezu, doch roittelbar durch Anregung und Erweckung hoherer Sinne. Mich hat die Beschaftigung mit der Natur dahin gefuhrt, wohin Euch die Lust und Begeisterung der Sprache gebracht haben. Kunst und Geschichte hat mich die Natur kennen gelehrt. Meine Eltern wohnhabt, wie in einfachen
ten in Sizilien, unweit
dem weltberuhmten Berge
Atna. Ein bequemes Haus welches, verdeckt
von
von vormaliger
Bauart,
uralten Kastanienbaumen,
dicht an den felsigen Ufern des Meeres die Zierde eines mit mannigfaltigen
tens ausmachte,
war
Gewachsen besetzten GarWohnung. In der Nahe
ihre
lagen viele Hiitten, in denen sich Fischer, Hirten
Unsre Kammern und Keller was das Leben erhalt und erhoht, reichhch versehn, und unser Hausgerate ward durch wohlerdachte Arbeit auch den verborgenen Sinnen angenehm. Es fehlte auch sonst nicht an mannigfaltigen Gegenstanden, deren Betrachtung und Gebrauch das Gemiit fiber das gewohnliche Leben und seine Bedurfnisse erhoben und es zu einem angemessenern Zustande vorzubereiten, ihm den lautern GenuB seiner vollen eigentumlichen Natur zu versprechen und zu gewahren schienen. Man sah stei-
und Winzer
waren mit
aufhielten.
allem,
nerne Menschenbilder, mit Geschichten bemalte 325
GefaBe, kleincre Steine mit den deutlichsten Figuren iind andre Geratschaften mehr, die aus andern und erfreulicheren Zeiten zuriickgeblieben sein
Auch
mochten.
lagen in Fachern iibereinander viele Perga-
mentroUen, auf denen in langen Reihen Buchstaben die Kenntnisse und Gesinnungen, die Geschichten
und Gedichte jener Vergangenheit in anmutigen und kiinstlichen Ausdriicken bewaiirt standen.
Der Ruf
meines Vaters, den er sich als ein geschickter Stemdeuter zuwege brachte, zog ihm zahlreiche Anfragen und Besuche, selbst aus entlegnern Landern, zu, und da das Vorwissen der Zukunft den Menschen eine sehr seltne und kostliche Gabe diinkte, so glaubten
zu rniissen, so daB mein Vater durch die erhaltenen Geschenke in den Stand gesetzt wrde, die Kosten seiner bequemen sie
ihre Mitteilungen gut belohnen
und genuBreichen Lebensart hinreichend zu konnen."
326
bestreiten
DAS GESICHT (Brster
Das Land
Entwurf des
Anfangs zum zwetUn
Tetl)
erhob sich immer mehr und ward nneben alien Richtungen kreuzten sich
und mannigfach. In
Die Schluchten wurden tiefer und schon uberall durch, und iiber die diuikeln Walder ragten steile Klippen hervor, die nur mit werdgem Gebiisch bewachsen izu sein schienen. Der Weg lief an einem Abhange fort und hob sich nur unmerklich in die Hohe* Wenn auch das Griin der Ebene hier merklich verdunkelt Bergriicken.
schroffer. Felsen blickten
war, so zeigten dafur verschiedene Bergpflanzen die
buntesten Blumen, deren schoner Bau
und
erquik-
kender Geruch den angenehmsten Eindruck machte.
Die Gegend schien ganz einsam, und nur von weitem man die Glockchen einer Herde zu vernehmen. In den Abgriinden rauschten Bache. Der Wald war in mannigfaltigen Haufen am Gebirge gelagert und reizte das Auge, sich in seine dxiftige kiihle Tiefe zu verlieren. Einzelne Raubvogel schwebten um die Spitzen der uralten Tannen. Der Himmel war dunkel glaubte
und
durchsichtig.
Nur
leichte glanzende
Wolkchen
langsam dutch sein blaues Feld. Auf dem schmalen FuBsteige kam langsam ein Pilger herauf streiften
aus der Ebene. Mittag warvorbei. Ein ziemlich star-
Wind lieB sich in der Luft verspiiren, und seine dumpfe wunderliche Musik verlor sich in ungewisse Fernen. Sie wurde lauter und vernehmlicher ker
327
den Wipfeln der Baume, so daC zuweilen die Endund einzelne Worte einer menschlichen Sprache hervorzutonen schienen. Durch die Bewegungen der Luft schien auch das Sonnenlicht sich in
silben
zn bewegen und zu schwanken. Es batten alle Gegenstande einen ungewissen Schein. Der Pilgrim
Nach
ging in tiefen Gedanken.
einiger Zeit setzte
er sich auf einen groBen Stein unter einen alten
Baum, der nur unten noch
griin
und oben
diirr
und
abgebrochen war.
1
(Gesprach mit sich
.
selbst.
Er geht nachher weiter,
findet die Ruine, verlassene Hiitten, eine scheint
noch
bewohnt, ruhrende Habseligkeiten.)
2.
Im Heinrich ist zuletzt eine ausfuhrliche Beschreibung der innern Verklarung des Gemiits. Er kommt in Sophiens Land — in die Natur, wie sie sein konnte
Der
— in
ein allegorisches Land.
kaiserliche
Hof muB
eine groBe Erscheinung
werden. Das Weltbeste versammelt. Dunkle Reden
von Amerika und Ostindien usw. Gesprach mit dem Kaiser iiber Regierung, Kaisertum usw.
328
HANDSCHRIFTLICHE ENTWtJRFE Heinrich von Ofterdingen''
ZUY Fortsetzung von
I
Ein Kloster, hochst wunderbar, wie ein Eingang ins Paradies.
Erstes Kapitel ein Adagio.
(Heinrich
yon Ofterdingen mischt
sich in der
Schweiz in biirgerUche H^del.) (Rninen von Vindonissa.) Hier wird Heinrich Feldherr.
Italienische Handel.
Beschreibung eines Gefechts usw.
Meer (Erzahlung). Nach Griechenland
yerschlagen.
Tunis. Riickreise liber
Rom.
Kaiserlicher Hof.
Wartburg. Innrer
Streit der
Poesie. Mystizism
dieses Streites. Formlose, formliche Poesie.
Kyffhauser.
Erzahlung des MMchens, der blauen Blume. Oifenbarung der Poesie auf Erden - lebendige Weissagung Ofterdingens. Apotheose: Fest des Gemiits, H5chst wunderbares
Drama in
Versen, wie Sakontala,
Eingangs- und SchluBgedichte und tJberschriften jedes Kapitels.
Zwischen jedem Kapitel spricht die Poesie.
DerDichtef aus derErzahlung Die Fabel erscheint. Mutter und Vater bliiha
-*
Konig der Poesie.
auf.
Kein rechter historiscber Ubergang (aus) nach dem 5:weiten Teile; dunkel - triib ~ verworrcn. Die
Verm^ung
der Jahreszeiten.
Blumengesprache. Tiere. Heinrich
von Ofterdingen wird Blume,
Tier,
Stein, Stern.
Nach Jakob Bohme am SchluB des Buchs. Die Dichter wetten aus Enthusiasmus und bacchischer Trunkenheit
Gesprach mit
um
dem
den Tod. Kaiser xiber Regierung usw.
Buch „De tribus impostoribus.“ Geburt des siderischen Menschen mit der ersten Umarmung Mathildens und Heinrichs. Dieses Wesen spricht nun immer zwischen den Kapiteln. Die Wunderwelt ist nun aufgetan.
Mystischer Kaiser.
Mystizism mit
dem
kaiserlichen Hause, Urkaiser-
familie.
Sophie
und
ist
das Heihge, Unbekannte.
Das
Licht-
Schattenreich leben durcheinander. Fabel ist mit
FleiB irdisch. Heinrich
kommt
in die Garten der
Hesperiden.
Der SchluB
ist
in die geheime
tJbergang aus der wirklichen Welt
- Tod -
Letzter
Traum und
Er-
wachen. tJberaU muB hier schon das ‘Oberirdische scHmmem - Das M^chenhafte.
dutch-
Die blaue Blume richtet sich noch nach den Jahreszeiten.
Heinrich vernichtet diesen Zauber, zerstort
das Sonnenreich. Klingsohr ist der Konig von Atlan-
330
tis.
Heinrichs Mutter
ist
Phantasie.
Der Vater
ist
der
Sinn.
Schwaning ist der Mond, und der Antiquar ist der Bergmann (war das Eisen) und auch das Eisen.
Der Graf von Hohertzollern und
kommen
auch wieder.
Nur
die Kaufleute
nicht sehr streng
alle-
gorisch. Kaiser Friedrich ist Arktur.
Die Morgenlanderin ist auch die Poesie. Dreieiniges Madchen. Heinrich muB erst vonBlutnen fur die blaueBlume empf^glich gemacht werden. Geheimnis voile Verwandlung, Ubergang in die hohere Natur. Schmerzen versteinern usw. Die Erzahiung vom Dichter kann wohl Heinrichs Schicksal werden.
Metempsychose.
Loge ungen Gemiitern.
Kloster, wie eine mystische, magische Pries ter des heiligen Feuers in
j
Ferner Gesang der Briider. Vision in der Kirche.
Gesprach
liber
Tod - Magie usw.
Heinrichs
Ahn-
dungen des Todes. Stein der Weisen. (Individueiler Geist jedes
Buchs, auch meines
Heinrichs.)
Garten
am Kloster.
(Pathologischer Einflufi der Schonheit auf ein
der Gemutskrafte.) mit einem Wolfe rettet einen Klosterbruder. Lamm mit einem goldnen Felle.) freieres, leichteres Spiel
(Heinrichs
Kampf
AUerhand Wissenschaften poetisiert, auch die thematik in Wettstreit. Ostindianische Pflanzen
- etwas
iadische
Ma~
Mytho-
logie.
331
Sakontala.
Gesprache der Blumen und Tiere iiber Menschen, Religion,
Natur und Wissenschaften.
BQingsohr - Poesie der Wissenschaften.
2u dialogieren. Aufgegebne Tendenz, die Natur zn kopieren usw.) Die Welt - ehmalige Freiheit. (Leichtigkeit
(Der Tod macht das gemeine Leben so poetisch.) Das Hirtenmadchen ist die Tochter des Grafen von Hohen2ollern. Die Kinder sind nicht gestorben. Ihre Erinnerung ans Morgenland.
Ihr Wunderliches
hung durch
Leben in den Gebirgen. Er^ie-
ihre verstorbene Mutter.
Ihre wunderliche Errettung aus
demGrabgewolbe
durch einen alten Atzt.
Das Madchen hat ihren Bruder verloren. Sie ist und freundHch - Mit dem Wunderbaren so
heiter
bekannt. Sie erzahlt hatt^ ihr ihre
ihm
seine eigene Geschichte, als
Mutter einmal davon
erzahlt.
Die Monche im Kloster scheinen eine Art von Geisterkolonie.
Erinnerung ans Feenmarchen von Nadir und Nadine. Viele Erinnerungen an Marchen. Heinrichs
dem MMchen. Wunderliche MythoDie Marchenwelt muB jet2t recht oft durchscheinen. Die wirkliche Welt selbst wie ein M^chen
Gesprache mit logie.
angesehn.
Heinrich
kommt nach
Das Gesicht. Heldenzeit.
Das Altertum. 33 ^
Loretto.
Das Morgenland. Der Kaiser. Der Streit der Sanger. Die Verklarung. Skizze der Verklarung.
Anfang in Stamien. Heinrich. Auch zukiinftige Menschen in der Verklarung. Gegen das Gleichnis mit der Sonne ist Heinrich bei mir.
Der
Streit
der Sanger
ist
schon der
erste
Akt auf
Erden. Heinrich wird im Wahnsinn Stein - (Blume) klin-
gender Baum - goldner Widder Heinrich errat den Sinn der Welt - Sein freiwilliger Wahnsinn. Es ist das Ratsel, was ihm aufgegeben
- ewigeFrem~ den die Geheimnisse. Die Erzahlung von mir von dem Dichter, der
wird. DieHesperiden sind Fremdlinge
seine Geliebte verloren hat,
muB nur
auf Heinrichen
angewandt werden.
II
Heinrich konnte vor ein Theater
Das Fest kann aus
kommen.
lauter allegorischen
Szenen zm
Verherriichung der Poesie bestehn. Heinrich gerat unter Bacchantinnen: Sie t5ten ihn - der Hebrus tont von der schwimmenden Leier. Umgekehrtes
Marchen. Mathilde
steigt in die
Unterwelt und holt ihn.
Poetische Parodie auf Amphion. 333
Die ganze er ste Halfte des zweiten Teils mu6 recht leicht, dreist, sorglos und nur init einigen scharfen Strichen bemerkt warden.
Die Poesie der verschiedenen Nationen und ZeiEdda. Morgenl^dische Poesie. Wilde.
ten. Ossian.
Franzosische, spanische, griechische, deutsche usw.
Druiden^ Minnesinger.
Das Buch schlieJBt just umgekehrt wie dasMarchen - mit einer einfachen Familie. Es wird stiller, einfacher und menschlicher nach dem Ende zu. Ziige aus Heinrichs Jugend. Erzahlung seiner
Mutter. Heinrichs
Es
ist
und Mathildens wunderbares Kind.
die Urwelt, die goldne Zeit
Saturn
am
Ende.
= Arktur.
Die Szenen im Feste sind Schauspiele. Die entferntesten und verschiedenartigsten Sagen und Begebenheiten verknupft. Dies ist eine Erfindung von mir. (Elysium und Tartarus sind wie Fieber und Schlaf beisammen.) SoUte es nicht gut
sein,
hinten die Familie sich in
eine wunderliche mystische
Versammlung von An*
tiken verwandeln zu lassen?
Farbencharakter. Alles blau in
meinem Buche,
hinten Farbenspiel. Individualitat jeder Farbe.
(Das
Auge
ist allein
raumlich, die andern Sinne
alle zeitlich.)
(Verteilung Einer
Individualitat auf
sonen.)
(Naturpoet. Kunstpoet.)
334
mehrere Per-
Metra miissen begeistern. Eigentliche Poesie, Hinten wunderbare Mythologie. Ein altes Muttergottesbild in einem hohienBanme xiber ihm. Es l^t sich eine Stimme h5ren - Er soil eine Kapelle bauen lassen. Das hat das Hirtenmadchen in seinem Schut2,und emeht es mit Gesichten.Es schickt ihn 2u den Toten die Klosterherm sind Tote. Die epische Periode muB ein historisches Schau:
spiel
warden, wenn auch dutch Erizahlung die Szenen
verbunden sind. Rede Heinrichs in Jamben. Liebe eines j ungen vornehmen Pisaners 2u einer Florentinerin. Heinrich uberfallt mit einem fliichtigen Haufen die feindliche Stadt. Alle Elemente des Kriegs in poetischen Farben.
Ein groBer Krieg, wie ein Zweikampf - durchaus -- philosophisch - human. Geist der alten
generos
Chevalerie. Ritterspiel. Geist der bacchischen
Weh-
mut.
Die Menschen miissen sich
selbst untereinander
toten, das ist edler als durchs Schicksal fallen. Sie
suchen den Tod. Ehre,
Ruhm usw. ist des Kriegers Lust und Leben.
Im Tode und
als
Todeslust
Kriegergeist. Romantisches
ist
Schatten lebt der Krieger.
Leben
des Kriegers.
Auf Erden ist Erden
der Krieg zu Hause, Krieg
muB auf
Orientalische
Lied zu
sein.
Kriegslieder.
Gedichte.
Loretto. Streit der Sanger. Verklarung,
Heinrich
kommt
nicht nach Pamir.
Er kommt
nach Jerusalem. 335
Wunderliche Gesptache mit den Toten. Gesprache mit dem alten Mann xiber Physik nsw., besonders Arzeneikunde, sicht der Welt.
Physiognomik.
Medizinische
An-
Theophrast Paracelsus. Philosophie,
Magie usw. Geographic. Astrologie. Er ist der hohere Bergmann. Erzahlung des Hirtenmadchens - Zolestine Cyane. Uber den Streit auf der Wartburg und die (letzte) Verklarung noch reifUch nachgedacht. (An Unger geschrieben. Von Karl - Leben des
Nadir Schach.)
(Wer
recht poetisch
ist,
dem
ist
die ganze
Welt
ein fortlaufendes Drama.)
Mit dem Griechen Gesprache iiber Moral usw. dieser Tour, in dem Kapitel Altertum, kommt er auch in ein Arsenal. Keinen Streit auf der Wartburg. Mehrere Szenen
Auf
an Kaiser Friedrichs Hofe. Hinten ein ordentliches Marchen in Szenen fast nach Gozzi - nur viel romantischer. Hinten die Poe-
Welt ~ Herstellung der Marchenwelt. Aussohnung der christlichen Religion mit der heidnischen. Die Geschichte des Orpheus - der Psyche
tisierung der
usw.
Der Fremde von der ersten Seite. Das ganze Menschengeschlecht wird am Ende poetisch. Neue goldne Zeit. Poetisierter Idealism.
Menschen, Tiere, Pflanzen, Steine und Gestirne, Flammen, Tone, Farben mtissen hinten zusammen, wie Eine Familie oder Gesellschaft, wie Ein Geschlecht handeln
336
und
sprechen.
Das Hirtenmadchen
Mysticism der Geschichte.
oder Cyane opfett sich fur ihn au£ Heinrich spricht mit Klingsohr liber ailerhand sonderbare Zeichen.
Er hort
die
Nacht ein Lied, das
macht. Sehnsucht nach
dem
Klingsohr davon. Goldner
Der
fiihrt
er ehmals ge-
Er sagt Urkunde usw.
Kyffhauser.
Schliissel,
ihn auf seinem Mantel nach
dem
Kyff-
hauser.
(Klingsohr, ewiger Dichter, stirbt nicht, bleibt in
der Welt.
Sohn von Friedrich dem Zweiten das hohenstaufische Haus ~ das kiinftige Kaiserhaus. Der fehlende Stein in der Krone. Schon in Pisa Naturlicher
findet er des Kaisers Sohn. Ihre Freundschaft.)
Johannes
kommt und
fuhrt ihn in den Berg.
Ge-
sprach tiber die Offenbarung. Das Hirtenmadchen
Der alte Mann Das schone Madchen. Er kommt in die Hdhle, wo Mathilde schlaft. ~ Das kleine Madchen. Der Stein im Bukett. Cyane tragt den Stein zum Kaiser. Er findet den goldnen Schliissel im Bassin.
folgt
ihm
treulich nach. (Er^ahlung.
erwacht.
Kommt in die Hohle, wo Mathilde schlaft. Meine erfundne Erizahlung.Nur Cyane tragt den
Schliissel.)
erwacht die Geliebte nicht gleich. Gesprach mit
dem
kleinen
MMchen;
sein
und Mathildens
pfliicken
und herbringen.
das
ist
Kind.
Er
soil die
blaue
Blume
(Das Hirtenmadchen
pfliickt sie fur ihn.)
Cyane tragt den Stein weg.
Er
(holt) pfliickt die blaue
Blume und wird (2um
klingenden Baume) ein Stein. 2Z
Nopoltr^ Gesarnjcnelte
Wctkc
i
337
(Mathilde
kommt und macht
ihn durch seine
eignen Lieder).
Die Morgenlanderin (Edda, die eigentliche blaue Blume), opfert sich an seinem Steine, er wird ein
Baum, Das Hirtenmadchen haut den Baum urn und verbrennt sich mit ihm. (Er wird ein klingender
goldner Widder.) (Mathilde)
muB ser
Edda oder Mathilde Wahrend die-
ihn opfern. Er wird ein Mensch.
VerwancUungen hat
er allerlei wunderliche
sprache.
Ill
Himmlisches Leben im blauen Gewande, Stiller Wunsch im blassen Schein Fliichtig grabt
im bunten Sande
den Zug des Namens ein Unter hohen, fasten Bogen, Nur vom Lampenlicht erhellt, Sie
Liegt, seitdem der Geist entflogen.
Nun
das Heiligste der Welt.
Leise kiindet bessre
Tage
Ein verlornes Blatt uns an, Und wir sehn der alten Sage
Machtge Augen aufgetan. Naht euch stumm dem ernsten Chore, Harrt auf seinen Fliigelschlag
Und vernehmt herab vom Chore, Wo weissagend der Marmot lag. Flxichtges
Leben und
lichte Gestalten
Fiillen die weite, leere
Nur von 538
Nacht,
Scherzen aufgehalten
Ge-
Wurden unendliche
Zeiten verbracht
-
Liebe brachte gefiillte Becher,
Also perlt in Blumen der Geist,
Ewig
trinken die kindlichen Zecher,
Bis der geheiligte Teppich zerreiCt.
Fort dutch unabsehJiche Reiche
Schwanden
die bunten, rauschenden
Wogen,
Endlich von farbigen Kafern getragen
Kam die
Blumenfiirstin allein,
wie Wolken, zogen Von der blendenden Stirn zu den FuBen ~ Wir fielen nieder, sie zu griiBen Wir weinten bald - sie war entflogen. Schleier,
IV
Wohin ziehst du Fiille
roich,
meines Herzens,
Gott des Rausches, Welche Walder, welche Kliifte Durchstreif’ ich mit fremdem Mut? Oh, welche Hohlen Horen in den Sternenkranz Casars ewigen Glanz mich flechten Und den G5ttern ihn zugesellen. Unerhorte, gewaltige,
Keinen sterblichen Lippen entfallene Dinge will ich sagen.
Wie
die gliihende Nachtwandlerin,
Die bacchische Jungfrau Am Hebrus staunt 339
Und im thtazischea Sclmee Und in Rhodope, im Lande
der Wilden,
So diinkt mir seltsam und fremd
Der Fliisse Gewasser, Der einsame Wald . .
340
tJBER
LUDWIG TIECKS BERICHT DIE FORTSETZUNG DES ROMANS
Weiter
ist
der Verfasser in der Ausarheitung dieses
zweiten T eils nicht gekommen. Diesen nannte er ydie Erful-
lung\ so wie den ersten ,Efwartung‘ weil hier alles aufy
und erfullt werden solltey was jener hatte ahnden lassen. Es war die Ahsicht des DichterSy nach Vollendung geldst
des yOfterdingen' noch seeks
Romane zu
sdhreibeny in
denen er seine Ansichten der Physik, des bilrgerlichen LebenSy der Handlungy der Geschichtey der Polihk der Liebey so wie wolUe.
im
und
yOfterdingen' der Poesie, niederlegen
Ohne mein Erinnern wird der
unterrichtete Leser
daP der Verfasser sick in diesem Gedichte nicht genau an dte Zeit oder an die Person jenes bekannten sehUy
Minnesangers gebunden sein Zeitalter erinnern des
VerfassetSy
haty obgleich alles
soil,
sondern fur die Kunst
unersetzlicher Verlust,
daP
an ihn und
Nicht nur fur die Freunde er diesen
selbst ist es ein
Roman
nicht hat
und grope Absicht sich im zweiten Teile noch mehr als im ersten wurde gezeigt haben. Denn es war ihm nicht darum zu tuUy diese beendigen konnen, dessen Originalitdt
Oder jene Begebenheit darzustelleny eine Seite der Poesie
aufzufassen
und
sie
durch Figuren und Geschichten zu
erkldreUy sondern er wolltCy wie
auch schon im
Kapitel des ersten Teils bestimmt angedeutet eigentliche
Wesen
der Poesie aussprechen
nerste Absicht erkldren,
HistoriCy der
Darum
und
letzten
ist,
das
ihre in-
verwandelt sich Natuty
Krteg und das burgerliche Leben mit seinen 34X
Vorfallen
gewohnlichsten ist,
in Poesie, well diese der Geist
der alle Binge belebt
Ich will den Versuch machen, soviel es mir aus Gesprdchen mil
meinem Freunde
ich aus seinen hinterlassenen
erinnerlich ist
Dem
Mittelpunkt ergriffen hat,
ihm sind
Magie der Phantasie kann verknilpfen, die
Wunder
und besonders
Wesen
seiner
Kunst im
erscheint nichts widerspre-
die Rdtsel geldst, durch die
und Welten und alles verBuck gedichtet,
er alle Zeiialter
verschwinden,
wandelt sich in Wunder: so
ist dieses
findet der Leser in
den ersten Teil
dent Inhalte
Werkes zu verschaffen,
Dichter, welcher das
chend und fremd,
soviel
Papieren ersehen kann,
dem Leser einen Begriff von dem Plan und des zweiten Teiles dieses
und
beschhefit, die
dem Marchen,
welches
kuhnsten Verknupfungen;
hier sind alle Unterschiede aufgehoben, durch welcheZeitalter
voneinander getrennt erscheinen und eine Welt der
andern als femdselig begegnet. Durch dteses Marchen wollte s%ch der Dichter hauptsdchlich
den
D hergang zum
zweiten Teile machen, in welchem die Geschichte unaufhdrlich aus
uberschweift
dem Gewohnlichsten in das Wundervollste und sich beides gegenseitig erkldrt und er-
gdnzt; der Geist, welcher den Prolog in Versen halt, sollte
nach jedem Kapitel wiederkehren und diese Stimmung, diese
wunderbare Ansicht der Dinge
dieses Mittel blieh die unsichibare
fortsetzen.
Durch
Welt mit dieser
sicht-
baren in ewiger Verknilpfung. Dieser sprechende Geist ist
die Poesie selber, aber zugleich der siderische
der mit der
boren ist
Umarmung
In folgendem
ge-
Gedichte, welches seine Stelle
im
,Ofterdingen‘ finden sollte, hat der Verfasser teste
342
Mensch,
und Mathildens
Heinrichs
auf die
leich-
,Weise den innern Geist seiner Bucher ausgedruckf:
^Werni nicht melur Zahlen und Figurea Sind Schlussel
Wean
die, so
Mehf als
aller
Kreaturen,
singen oder kussea,
die Tiefgelehrtea wissea,
Weaa sich die Welt ias freie Lebea Uad m die Welt wird zuriickbegebea, Weaa daaa sich wieder Licht uad Schattea Zu echter Klarheit werdea gattea Und man in Marchen uad Gedichtea Erkennt die whren Weltgeschichtea, Dana
fliegt
vor einem geheimen Wort
Das ganze verkehrte Wesea
fort.
Der Gartner, welohen Heinrich spricM,
ist derselbe alte
Mann, der schon einmaL Ofterdingens Voter aufgenommen hatte, das junge Mddchen, welches Cyane hei^t, ist mcht sein Kind, sondern die Tochter des Grafen von Hohenzollern, sie ist am dem Morgenlande gekommen, zwar friih, aber dock kann sie sich ihrer Heimat erinnern, sie hat lange
in Gebirgen, in welchen sie von ihrer ver-
storbenen Mutter erzogen gefuhrt: einen sie selbst
Bruder hat
ein Wunderliches Leben
ist,
sie
fruh verloren, einmal
in einem Grabgewolbe
dem Tode
ist
sehr nahege-
wesen, aber hier hat sie ein alter Arzt auf eine seltsame
Weise vom Tode errettet. Sie ist heiter und freundlich und mit dem Wunderbaren sehr vertraut. Sie erzdhlt dem Bichter seine eigene Geschichte, als wenn sie dieselbe einst von ihrer Mutter so gehbrt hatte, ~ Sie schickt ihn nach einem entlegenen Kloster, dessen Mbnche
als eine
von Geisterkolonie erscheinen,
wie eine my-
stische,
alles ist hier
Art
magische Loge. Sie sind die Priester des heikgen
Feuers in jungenGemutern,
Er hbrt den fernenGesang der
Bruder; in der Kirche selbst hat er eine Vision, Mit einem alten
Monch
spricht Heinrich ilber
Tod und Magie,
er
343
hat
Ahndungen vom Tode und dem Stein der Weisen; den Klostergarten und den Ktrchhof; uber den
er besucht
letztern findet sich folgendes Gedicht:
Lobt doch unsfe
stillen
Feste
Unsfe Garten, unsre Zimmer,
Das bequeme Hausgerate, Unser Hab und Gut.
kommen neue
Taglich
Gaste,
Diese fruh, die andern spate,
Auf den
weiten Herden
immer
Lodert neue Lebensglut.
Tausend
zierliche GefaBe,
Einst betaut mit tausend Tranen,
Goldne Ringe, Sporen, Schwerter
Smd
in
unserm Schatz:
Viel Kleinodien
Wissen wir
in
und Juwelen
dunkeln Hohlen,
Keiner kann den Reichtum zahlen,
ohn UnterlaB.
Zahlt’ er auch
Kinder der Vergangenheiten,
Helden aus den grauen Zeiten,
Der Gestirne Wunderlich
Riesengeister,
gesellt,
Holde Frauen, ernste Meister, Kinder und verlebte Greise Sitzen hier in etnem Kreise,
Wohnen
in der alten
Keiner wird sich
je
Welt
beschweren,
Keiner minschen fortzugehen.
Wet an unsern
vollen Tischen
Einmal frohlich
saB.
Klagen sind nicht mehr zu horen. Kerne Wunden mehr zu sehen.
344
;
Keine Tranen abzuwischen
Ewig kuft Tiefgeruhrt
Und
das Stundenglas.
von
heilger
Gate
versenkt in selges Schauen,
Steht der
Himmel im Gemute,
Wolkenloses Blau;
Lange fliegende Gewande Tragen uns durch Fruhlingsauen, Und es weht in diesem Lande Nie ein Luftchen kalt und rauh. SuBef
Rek
Stiller
Kreis geheimer Machte,
der Mitternachte,
WoUust ratselhafter Spiele, Wir nur kennen euch. Wir nur sind am hohen Ziele, Bald in Strom uns zu ergieBen,
Dann in Tropfen zu Und zu nippen auch Uns ward
erst die
zerflieBen
zugleich.
Liebe Leben;
Innig wie die Elemente
Mischen wir des Daseins Fluten, Brausend Herz mit Herz. Lustern scheiden sich die Fluten,
Denn 1st
der
Kampf der Elemente
der Liebe hochstes Leben
Und
des Herzens eignes Herz.
Wunsche suBes Plaudem Horen wir allein und schauen Immerdar in selge Augen, Schmecken nichts als Mund und KuB. AUes, was wir nur beruhren, Wird zu heiBen Balsamfruchten, Wird zu weichen, zarten Brusten, Leiser
Opfer kuhner Lust.
345
Immef wachst und
bluht Verlangen,
Am Geliebten festzuhangen, Xhn im Innern zn empfangen, Bins mit ihm zu
sein,
Seinem Durste nicht zn wehren, Sich
im Wechsel zu verzehfen,
Von Von
einandet sich zu nahren.
So
einander nur
in Lieb
Smd
allein.
und hoher WoUust
wir immerdar versunken,
Seit der wilde
tmbe Funken
Jener Welt erlosch; Seit der
Hugel
sich geschlossen
Und der Scheiterhaufen spruhte Und dem schauemden Gemute Nun das Erdgesicht zerfloB. Zauber der Erinnerungen, Heilger
Haben
Wehmut
suBe Schauer
innig uns durchklungen,
Kuhlen unsre Glut.
Wunden
gibts, die
Eine gottlich
Wohnt in
tiefe
unser
Lost uns auf in
Und
ewig schmerzen, Trauer
aller Herzerif eine Flut.
in dieser Flut ergieBen
Wir uns auf geheime Weise In den Ozean des Lebens, Tief in Gott hinein;
Und aus
seinem Herzen BieBen
Wir zuruck zu unserm
Und
Kreise,
dcr Geist des hochsten Strebens
Taucht in unsre Wirbel
346
ein.
;
Schuttelt cure goldnen Ketten Mit Smaragden und Rubinen
Und
die blanken saubern Spangen,
und Klang zugleich. Aus des feuchten Abgrunds Betten, Aus den Grabern und Ruinen, Himmelstosen auf den Wangen, Blitz
Schwebt
ins
bunte Fabekeich.
Konnten doch
die
Menschen wissen,
Unsre kunftigen Genossen, DaB bei alien ihren Freuden
Wit
geschaftig sind:
Jauchzend wurden
Gern das
O
I
die Zeit
Kommt,
sie verscheiden,
—
bleiche Dasein missen ist
bald verflossen,
Geliebte,
doch geschwindl
Helft uns nur den Erdgeist binden,
Lernt den Sinn des Todes fassen
Und das Wort des Lebens finden Einmal kehrt euch um. Deine Macht muB bald verschwinden, Dein erborgtes Licht verblassen, dich in kurzem binden, Erdgeist, deine Zeit ist um.
Werden
Dieses GedicM war vielleicht wiederum ein Prolog zu
einem zweiten KapiteL Jetzt
sollte sick
Periode des Werkes eroffnen, aus
eine ganz neue
dem stillsten Tode sollte
sich das hochste Leben hervortun; er hat unter Toten geleht
und
selhst
mit ihnen gesproohen, das Buck
sollte fast
dramatisch werden und der epische
Ton gleichsam nur die einzelnen Szenen verkniipfen und leicht erkldren, Heinrich hefindet sich plotzlich in dem unruMgen Italien, das von Kriegen zerruttet wird, er sieht sich als Feldherr
347
an der Spitze eines Heeres. Alle Elemente des Krieges spielen tn poetischen Farlen; er uberfalU mit einem finchtigen
Haufen
etne feindliche Stadt, h%er erscheint als
Episode die Liehe eines vornehmen Pisaners zu einem florentinischen
Mddchen. Kriegsheder. ,Ein grower Krieg,
wie e^nZweikampf, durchaus
edel,
philosophisch,
human.
Geisi der alien Chevaliere. RitterspieL Geist der hacchi-
- Die Menschen mussen
schen Wehmut.
einander toten^ das
ist edler als
- Ehre,
Sie suchen den Tod.
Ruhm
des Kriegers Lust
ist
Tode und
als Schatten lebt der Krieger.
tsl Kriegergeist.
- Auf Erden ist der Krieg zu sein.' - In Pisa findel
und Lehen. Todeslust
Im
sich selbst unter-
durch das Schicksal fallen.
mu^
Hause Krieg
auf Erden
Heinrich den Sohn des Kaisers Friedrich des Zweiten, der se%n vertrauter er.
Freund wird. Auch nach Loreto kommt
Mehrere Lieder
verschlagen.
Die
her
sollten
Von einem Sturm wird alte
folgen.
der Dichter nach Griechenland
Welt m%t ihren Helden und Kunst-
schdtzen erfullt sein Gemut.
Er spricht mit einem Griechen
uber die Moral Alles wird ihm aus jenerZeit gegenwarUg^ er lernt d%e alien Btlder
und
die alte Geschichte verstehn.
Gesprdche uber die griechischen Staaisverfasstmgen, uber Mythologie.
Nachdem Heinrich hat verstehen lernen,
die Heldenzeit
kommt
er
und das AUertum
nach dem Morgenlande,
nach welchem sich von Kindheit auf seine SehnsucM gerichtet hatte.
Er
besucht Jerusalem; er lernt orienta-
lische Gedichte kennen. Seltsame
Begebenheiten mit den
Ungldubigen halten ihn in einsamen Gegenden zurilck, er findet die
Familie des morgenlandischen Mddchens
(siehe den ersfen Te%l); die dortige Lehensweise einiger
nomadischen Stamme. Persiscke Marchen. Erinnerungen 348
aus der altesten Welt,
Immer
soUte das
Buck unter den
verschiedensten Begehenheiten denselhen Farhencharakter hehalten
und an
die blaue
BUime und
soUten zugleioh die entferntesten
erinnern: durchaus versckiedenartigsten
Sagen verkmipft warden, griechische, orientalische, bib-
und
lische
christliche,
mit Erinnerungen und Andeutun-
gen der indischen wie der nordischen Mythologie, Die Kreuzzuge.
Das
Seelenleben. Heinrich geht
Die Zeit der romischen
nach Rom.
Geschichte.
Mit Erfahrungen gesattigt kehrt Heinrich nach Deutschland zuruck. Er findet seinen GrojSvater, einen tiefsinnigen Charakter, Klingsohr
ist
in seiner Gesellschaft
Abendgesprache mit den beiden. Heinrich begibt sich an den
den Kaiser persbnlich kennen,
Hof Friedrichs, er lernt Der Hof sollte eine sehr
wurdige Erscheinung machen, die Darstellung der besten, grof^ten
und wunderbarsten Menschen, aus der ganzen
Welt versammelt, deren Mittelpunkt der Kaiser
Hier erscheint die
grofite
Welt. Deutscher Charakter
selbst ist.
Pracht und d%e wahre
und
grofie
deutsche Geschichte war-
den deutlich gemacht Heinrich spricht mit dem Kaiser ilber
Regierung, uber Kaisertum,
dunkle Reden von
Amerika und Ostindien. Die Gesinnungen
eines Fursten.
Mystischer Kaiser. Das Buch ,De tribus impostoribus\
Nachdem nun Heinrich auf eine neue und gro^ere als im ersten Teile, in der ,Erwartung\ wiederum die Natur, Lehen und Tod, Krieg, Morgenland, Geschichte und Poesie erlebt und erfahren hat, kehrt er wie in eine alte Heimat in sein Gemut zuruck. Aus dem Verstandnis der Welt und seiner selbst entsteht der Trieb zur Verkldrung: die wunderbarste Mdrchenwelt tritt nun ganz Weise
nahe, weil das Herz ihrem Verstdndnis vollig geo ffnet
ist.
349
In der Manessischen Sammlung der Minnesinger
fin-
den wir einen ziemlich unverstdndlichen Wettgesang des Heinrich von Ofterdingen
und Khngsohr mit andern
Dichtern: statt dieses Kampfspieles wolUe der Verfasser einen andern seltsamen poetischen Streit darstellen, den
Kampf
und bbsen Prinzips in Gesdngen
des guten
Religion
und
Irreligion, die unsichthare
haren entgegengestelU,
der
stcht-
Jn bacchischerTrunkenheit wetten
aus Enthusiasmus
die Dichter
Welt der
schaften werden poehsiert,
um
den Tod I Wissen-
auch d%e Mathematik
streitet
mit. Indianische Pflanzen werden besungen: indische
Mythologie in neuer Verkldrung. Dieses
ist
der
letzte
AM Heinrichs auf Erden, der tfber-
gang zu seiner eignen Verkldrung. Dieses
ist die
Auf-
Idsung des ganzen Werks, die Erfullung des Mdrchens, welches den ersten Teil beschliefit. lichste
und
und
zugleich naturlichste
vollendet,
Auf
die ubernatur-
Weise wird
alles erkldrt
Fab el und und Gegenwart ist
die Scheidewand zwischen
Vergangenheit
Wahrheit, zwischen eingefalien: Glauben,
Phantasie, Poesie schlief^en die
innerste Welt auf.
Heinrich
kommt in Sophiens Land, in
eine Natur,
wie sie sein konnte, in eine allegorische, nachdem er mit
Klingsohr uber einige sonderbare Zeichen
und Ahndun-
gen gesprochen hat Diese erwachen hauptsdchlich
einem alien Liede, welches er zufdllig singen welchem ein
tiefes
beschriehen wird.
Wasser an einer verborgenen
Durch diesen Gesang erwachen
vergessene Erinnerungen, er geht
Robe geraubt
hatte
nach dem Wasser und
und den
ihm
er niemals hatte
wiederfinden kbnnen. Diesen Schlussel hatte
350
Stelle
Idngst-
findet einen kleinen goldenen Schlussel, welchen voYzeiten ein
bei
hort, in
ihm
bald
nach Mathildens Tode ein Bedeuten, er soils ihn
ihn
sagen,
alter
Mam gegehen, mit dem
zum Kaiser
was damit zu tun
hringen, der
Kaiser welcher hocherfreut ist und ihm eine j
giU, in welcher geschriehen
Manne zum
Lesen geben
steht, dafi
sollte,
wurde
Heinrich geht
sei.
alte
zum
Urkunde
der Kaiser sie einem
welcher
ihm
einst einen
goldenen Schlussel zufallig hringen wilrde, dieser
wurde an einem verhorgenen Orte ein
Mann
altes talismanisches
Kleinod, einen Karfunkel zur Krone finden, zu welchem
Der Orf selbst ist auch - Nach dieser Beschreibung
die Stelle noch leer gelassen sei,
im Pergament
beschrieben.
macht sich Heinrich auf den Weg nach einem Berge, er trifft unterwegs den Fremden, der ihm und seinen Eltern zuerst
von der hlauen Blume erzdhlt
hatte, er
spricM mit
ihm uher die Offenbarung, Er geht in den Berg hinein, und Cyane folgt ihm treulich nach. Bald kommt er in jenes wunderhare Land, in welchem Luft und Wasser, Blumen und Tiere von ganz verschiedener Art sind als in unsrer irdischen Natur, Zugleich verwandelt sich das Gedicht stellenweise tn ein Schau-spiel
und Gestirne, kommen zusammen wie eine
JMenschen, Tiere, Pflanzen, Steine
Elemente, Tone, Farben Familie, handeln
und sprechen wie
ein Geschlecht,'
~
,Blumen und Tiere sprechen uher den Menschen,' - ,Die Mdrchenwelt wird ganz sichthar, die wirkliche Welt selbst wird wie ein Mdrchen angesehn* Er findet die blaue
Blume, bei
und den Karfunkel Mddchen, sein und Mathildens Kind, sitzt
es ist Mathilde, die schldft
hat; ein kleines
einem Sarge und verjungt ihn, - Dieses Kind ,
ist
die
Urwelt, die goldne Zeit am Ende.^ - ,Hier ist die christliche
Religion mit der heidnischen ausgesdhnt, die Geschichte des Orpheus, der Psyche
und andere werden
besungen,*
351
Heinrich pfluckt die hlaue
Blume und erldst Mathilden Him wieder verloren, er
von ihrem Zauher, aber sie geht erstafft
im Schmerz und wird
ein Stein, ,Edda ( die hlaue
Blume, die Morgenldnderin, Mathilde) opfert
sicJi
an
dem Steine, er verwandelt sick in einen klingenden Baum, Cyane haul den Baum um und verhrennt sich mit ihm, er
wird ein goldner Widder, Edda, Mathilde, mufi ihn
op fern, er wird wieder ein
wandlungen hat
Er
er allerlei wunderliche
dieser Ver-
GesprdcheJ
glucklich mit Mathilden, die zugleich die
ist
genlandenn und Cyane wird
Mensch Wahrend
gefeiert.
Alles
ist.
froheste Fest des
Vorhergehende
Traum und Erwachen. Konig von
Das
,Klingsohr
Atlantis. Heinrichs
war Tod,
Mor-
Gemuts Letzter
kommt wieder
Mutter
ist
als
Phantasie, der
Mond,
Vater
ist
der Sinn, Schwaning ist der
mann
ist
der Antiquar, auch zugleich das Eisen. Kaiser
der Berg-
Auch der Graf von Hohenzollern und die Kaufleute kommen wieder,' Alles fliefit in eine Allegoric zusammen. Cyane hringt dem Kaiser den Stein, aber Heinrich ist nun selbst der Dichter aus jenem Marchen, welches ihm vordem die Kaufleute erzdhlten. Das selige Land leidet nur noch von einer Bezauberung, indem es dem Wechsel der Jahreszeiten unterworfen ist, Heinrich zerstbrt das Sonnenreich, Mit einem grofien
Friedrich
Gedicht,
Arktur.
wovon nur der Anfang aufgeschrieben
das ganze
352
ist
Werk
beschlossen werden.
ist,
solUe
Die Vermahlting der Jahreszeiten Er gedachte Traums und der Erzahlungen auch, von der himmlischen Blume gehort und, getroffen
Tief in Gedanken stand der neue Monarch. Jetzt des nachtlichen
Als er zuerst
Still von der Weissagung, machtige Liebe gefuhlt. Noch dunkt ihn, er hore die tief eindringende Stimme, Eben verlieBe der Cast erst den geseliigen Kreis, Fluchtige Schimmer des Mondes erhellten die klappernden Fenster,
Und
in des Junglings Brust tobe verzehrende Glut.
„Edda", sagte der Konig, „was
ist
des liebenden Herzens
Wunsch, was ist ihm der unsaghchste Schmerz? Sag es, wir wollen ihm helfen, die Macht ist unser, und herrlich Werde die Zeit, nun du wieder den Himmel begluckst.“ — Innigster
„Waren
die Zeiten nicht so ungesellig, verbande
Zukunft mit Gegenwart und mit Vergangenheit Schlosse Fruhling sich an Herbst
sich,
und Sommer an Winter,
Ware zu spielendem Ernst Jugend mit Alter gepaart: Dann, mein suBer Gemahl, versiegte die Quelle der Schmerzen, Aller
Empfindungcn Wunsch ware dem Herzen gewahrt.**
Also die Konigin; freudig umschlang
„Ausgesprochen hast
sie
der schone Geliebte:
Du wahrlich ein himmlisches Wort,
Was schon
langst auf den Lippen der tiefer Fuhlenden schwebtc, Aber den deinigen erst rein und gedeihlich entklang. Fuhre man schneU den Wagen herbei, wir holen sie selber, Erstlich die Zeiten des J ahrs, dann auch des Menschengeschledhits."
und holen zuerst den Tag, dann NacM, dann nach Norden, um den Winter, alsdann nach Suden, um den Sommer zu finden, von Osten bringen Sie fahren zur Sonne
zur
sie
den Fruhling, von Westen den Herbst.
zur Jugend, dann
zum
Dann
Alter, zur Vergangenheit
eilen sie
wie zur
Zukunft. Dieses ist, was ich dem Leser aus meinen Erinnerungen
und aus
einzelnen Worten und Winken in den Papier en meines Freundes habe gehen konnen. Die Ausarbeitung a?
Nwalis, Gesammclte
Werke
i
353
diesef graven
Aufgdbe wurde ein Ueihendes Denkmal sein, Ich hahe in dieser An-
einer neuen Poesie gewesen
und kurz sein wollen als in die Gefahr von meiner Phantasie etwas hinzuzusetzen, Viel-
zeige lieber trocken
geraten,
leicht fuhrt
Verse
manchen Laser das Fragmentarische
und Worte
ddchtigern
so wie mich, der nicht
Wehmut
dieser
mit einer an-
ein Stuckchen von einem zerirum-
merten Bilde des Raffael Oder Correggio betrachten wurde.
354
Die Lehrlinge zu
Sais
DER LEHRLING Mannigfache Wege gehen die Menschen. Wer sie und vergleicht, wird wunderiiche Figuren entstehen sehn, Figuren, die zn jener groBen Chifverfolgt
zn gehoren scheinen, die man uberall, auf Fliigeln, Eierschalen, in Wolken, im Schnee, in Kristallen und in Steinbildungen, auf gefrierenden
fernschrift
Wassem, im Innem und AuBern der Gebirge, der den Lichtern des Himmels, auf beruhrten und gestrichenen Scheiben von Pech und Glas, in den Feilspanen um den Magnet her und sonderbaren Konjunkturen des ZuPflanzen, der Tiere, der Menschen, in
falls erblickt.
In ihnen ahndet
man den
Schliissel
dieser Wunderschrift,die Sprachlehre derselben,allein
die
Ahndung
will sich selbst in keine feste
Formen
fugen und scheint kein hoherer Schliissel werden zu woUen. Ein Alkahest scheint iiber die Sinne der Menschen ausgegossen zu sein. Nur augenblicklich scheinen ihre Wunsche, ihre Gedanken sich zu verdichten.
So entstehen ihre Ahndungen,aber nach kurzen Zeiten schwimmt alles wieder, wie vorher, vor ihren Blicken.
Von weitem
hort ich sagen: die Unverstandlich-
keit sei Folge nur des Unverstandes; dieser suche, was er habe und also niemals weiter finden konnte.
Man verstehe die Sprache nicht, weil sich die Sprache selber nicht verstehe, nicht versteheri woUe; die echte
Sanskrit sprache,
um zu sprechen, weil Sprechen ihre
Lust und ihr Wesen
sei.
557
Nicht lange darauf sprach einer: j^Keiner Erklarung bedarf die Heilige Schrift. Wer wahrhaft spricht, ist des ewigen Lebens voll, und wnderbar verwandt mit echten Geheimnissen dunkt uns seine
Schrift,
denn sie ist ein Akkord aus des Weltalls Symphonic/' Von unserm Lehrer sprach gewiB die Stimme, denn er versteht die Ziige zu versammeln, die liberal!
2erstreut sind.
Ein eignes Licht entziindet
sich in
seinen Blicken, wenn yor uns nun die hohe Rune liegt und er in unsern Augen spaht, ob auch in uns
aufgegangen
ist
das Gestirn, das die Figur sichtbar
und yerstandlich macht.
Sieht er uns traurig, daB die
uns und verheiBt dem emsigen, treuen Seher kiinftiges Gluck. Oft hat er uns erizahlt, wie ihm als Kind der Trieb, die Sinne
Nacht nicht weicht, so
trostet er
2u xiben, zu beschaftigen und zn erfiillen, keine Ruhe lieB. Den Sternen sah er zu und ahmte ihre Ziige, ihre
im Sande nach. Ins Luftmeer sah er ohne Rast und ward nicht miide, seine Klarheit, seine Stellungen
Bewegungen, seine Wolken, seine Lichter zu betrachten. Er sammelte sich Steine, Blumen, Kafer aller Art und legte sie auf mannigfache Weise sich in Reihen. Auf Menschen und auf Tiere gab er acht, am Strand des Meeres saB er, suchte Muscheln. Auf sein Gemiit und seine Gedanken lauschte er sorgsam. Er wuBte nicht, wohin ihn seine Sehnsucht trieb. Wie er groBer ward, strich er umher, besah sich andre Lander, andre Meere, neue Liifte, fremde Sterne, unbekannte Pflanzen, Tiere, Menschen, stieg in Hohlen, sah, wie in Banken und in bunten Schichten der Erde Bau yoUfiihrt war, und driickte
Ton in sonderbare Felsenbilder. Nun fand er uberall 358
Bekanntes wieder, nur wunderlich gemischt, gepaart,
und
also ordneten sich selbst in
ihm
oft seltsame
Dinge. Er merkte bald auf die Verbindungen in allem, auf Begegnungen, ZusammentreflFungen. Nun sail
er bald nichts
Bilder
drmgten
mehr
allein.
—
In groBe bunte
Wahrnehmungen seiner tastete und dachte 2ugleich. Er
sich die
Sinne; er horte, sah,
Fremdlinge zusammenzubringen. Bald waren ihm die Sterne Menschen, bald die Menschen freute sich,
Sterne, die Steine Tiere, die spielte
Wolken
Pflanzen, er
mit denKr^enundErscheinungen, er wuBte,
wo und wie er dies imd jenes
finden
und erscheinen
und griff so selbst in den Saiten nach Tonen und Gangen umher. Was nun seitdem aus ihm geworden ist, tut er nicht kund. Er sagt uns, daB wir selbst, von ihm und eigner Lust gefuhrt, entdecken wiirden, was mit ihm vorgegangen sei. Mehrere von uns sind von ihm gewichen. Sie kehrten zn ihren Eltern zuruck und lernten ein Gewerbe treiben. Einige sind von ihm lassen konnte,
ausgesendet worden, wir wissen nicht, wohin; er suchte sie aus.
Von
ihnen waren einige nur kurze
war ein Kind ihm den UntergroBe dunkle Augen mit
Zeit erst da, die andern langer. Bins
noch, es war
kaum
da, so
woHte
er
richt iibergeben. Es hatte himmeiblauem Grunde, wie Lilien glanzte seine Haut und seine Locken wie lichte Wolkchen, wenn der Abend kommt. Die Stimme drang uns alien durch das Herz, wir hatten gern ihm unsre Blumen, Steine, Federn, aUes gern geschenkt. Es lachelte unendlich ernst, und uns ward seltsam wohl mit ihm zumute. „Einst wird es wiederkommen"", sagte der
359
Lehrer,
„und unter uns wohnen, dann horeja die — Einen schickte er mit ihm fott,
Lehrstunden auf/‘
Immer traurig sah er aus, ihm gliickte nichts, er fand
der hat uns oft gedauert. lange Jahre
war
er hier,
wenn wir Kristalle suchten oder Blumen. In die Feme sah er schlecht, bunte Reihen gut 2n legen wuBte er nicht. Er zerbrach alles so leicht. Doch hatte keiner einen solchen Trieb und solche nicht leicht,
Lust
am Sehn und
Horen. Seit einer Zeit
— vorher,
eh jenes Kind in unsern Kreis trat — ward er auf einmal heiter und geschickt. Eines Tages war er traurig ausgegangen, er
kam
nicht wieder,
und
die
Wir waren seinetwegen sehr in Sorgen; auf einmal, wie des Morgens Dammerung
Nacht brach
ein.
kam, horten wir in einem nahen Haine seine Stimme. ein hohes, frohes Lied; wir wunderten uns
Er sang alle;
der Lehrer sah mit einem Blick nach Morgen,
wie ich ihn wohl nie wieder sehen werde. In unsre Mitte trat er bald
und brachte, mit unaussprechlicher
Seligkeit im Antlitz, ein unscheinbares Steinchen von
seltsamer Gestalt.
Der Lehrer nahm
es in die
Hand
und kuBte ihn lange, dann sah er uns mit nassen Augen an und legte dieses Steinchen auf einen leeren Platz, der
mitten unter andern Steinen lag, gerade
wo
wie Strahlen viele Reihen sich beruhrten. Ich werde dieser Augenblicke nie fortan vergessen.
Uns war, als hatten wir im Voriibergehn eine helle Ahndung dieser wunderbaren Welt in tinsern Seelen gehabt.
Auch
ich bin ungeschickter als die andern,^
und
minder gern scheinen sich die Schktzc der Natur von mir finden m. lassen. Doch ist der Lehrer mir ge560
wogen und laBt mich in Gedanken sitzetiy wenn die andem suchen gehn. So wie dem Lehrer ist mir nie gewesen. Mich fiihrt ailes in mich selbst zuriick. Was einmal die ^weite Stimme sagte, habe ich wohl verstanden.
Mich freuen
die wunderlichen
Haufen und
mir ist, als waren sie nur Bilder, Hiillen, Zierden, versammelt um ein gottlich Wunderbild, und dieses liegt mir immer in Gedanken. Sie such ich nicht, in ihnen such ich oft. Es ist, als soUten sie den Weg mir zeigen, wo in tiefem Schlaf die Jungfrau steht,nach der meinGeist sich sehnt. Mir hat der Lehrer nie davon gesagt, auch Figuren in den Salen,
allein
ich kann ihm nicht s anvertrauen,ein unverbriichliches
Geheimnis diinkt
es mich.
Gern
hatt ich jenes
Kind
gefragt, in seinen Ziigen fand ich Verwandtschaft; auch schien in seiner N^e mir ailes heller innerlich zu werden. Ware es langer geblieben, sicherlich hatte ich mehr in mir erfahren. Auch ware mir am Ende
Busen offen, die Zunge frei geworden. Gern war ich auch mit ihm gegangen. Es kam nicht so. Wie lang ich hier noch bleibe, weiB ich nicht. Mir scheint es, als blieb’ ich immer hier. Kaum wag ich es mir selber zu gestehen, allein zu innig drangt sich mir der Glauben auf: Einst find ich hier, was mich bestandig riihrt; sie ist zugegen. Wenn ich mit diesem Glauben hier umhergehe, so tritt mir ailes in ein hdher Bild, in eine neue Ordnung mir zusammen, und alle sind nach emr Gegend hin gerichtet. Mir wird dann jedes so bekannt, so lieb; und was mir seltsam noch erschien und fremd, wird nun auf einmal wie ein Hausgerat. Gerade diese Fremdheit ist mir fremd, und datum vielleicht der
361
immer
hat mich
und angezogen. begreifen.
weiB
Er
diese
Sammlung
zugleich entfemt
Den Lehrer kann und mag ich nicht
ist
mir
just so unbegreiflich lieb. Ich
er versteht mich, er hat nie
es,
Gefuhl und meinen
Wunsch
gegen mein gesprochen. Vielmehr
daB wir den eignen Weg verfolgen, well jeder neue Weg durch neue Lander geht und jeder endlich zn diesen Wohnungen, zu dieser heiligen
will er,
Heimat wieder
fiihret.
Figur beschreiben, und jener Inschrift dort,
Auch ich wenn kein
den Schleier hebt, so miissen wir
Unsterbliche zn werden suchen; will, ist
will also meine Sterblicher, nach
wer ihn nicht heben
kein echter Lehrling 2u Sais.
DIE NATUR Es mag
lange gedauert haben, ehe die Menschen
darauf dachten, die mannigfachen Gegenstande ihrer
Sinne mit einem gemeitischaftlichen
Namen
zn
be-
Durch tJbung werden Entwickelungen befdrdert, und in alien Ent-
zeichnen
und sich entgegen zu
setzen.
wickelungen gehen Teilungen, Zergliederungen vor, die
man bequem mit den Brechungen
strahls vergleichen
des Licht-
kann. So hat sich auch nur
all-
mahlich unser Innres in so mannigfaltige Krafte zerspaltet,
und mit fortdauernder Obung wird auch diese
Zerspaltung zunehmen. Vielleicht
ist es nur krankAnlage der spateren Menschen, wenn sie das Vermogen verlieren, diese zerstreuten Farben ihres Geistes wieder zu mischen und nach Belieben den alten einfachen Naturstand herzusteUen oder neue,
hafte
562
mannigfaltige Verbindimgen unter ihnen zn be-
wirken. Je vereinigter desto vollstandiger
sie sind,
und
desto vereinigter,
personlicher flieBt jeder
Naturkorper, jede Erscheinung in sie ein; denn der
Natur des Sinnes entspricht die Natur des Eindmcks,
nnd daher muBte jenen fniheren Menschen alles menscMicb, bekannt und gesellig vorkommen, die frischeste Eigentiimlichkeit muBte in ihren Ansichten sichtbar werden, jede ihrer AuBemngen war ein wahrer Naturizug, und ihre Vorstellxingen muBten mit der sie umgebenden Welt ubereinstimmen und einen treuen Ausdruck derselben darstellen. Wir konnen daher die Gedanken unsrer Altvater voti den Dingen in der Welt
notwendiges Erzeugnis, als eine Selbstabbildung des damaligen Zustandes der irdischen Natur betrachten und besonders an ihnen, als den schicklichsten Werkzeugen der Beobachtung des Weltalls, das Hauptverhaltnis desals ein
zu seinen Bewohnem und seiner Bewohner zu ihm, bestimmt abnehmen. Wir finden, daB gerade die erhabensten Fragen zuerst ihre Aufmerksamkeit beschMtigten und daB sie den Schliissel dieses wundervoUen Gebaudes bald in einer Hauptmasse der wirklichen Dinge, bald in dem erdichteten Gegenstande eines unbekannten Sinns aufsuchten. Bemerklich ist hier die gemeinschaftliche selben, das damalige Verhaltnis
Ahndung
im Fliissigen, im Diinnen, GeEs mochte wohl die Tr%heit -and Unbehilflichkeit der festen Korper den Glauben an ihre Abhangigkeit und Niedrigkeit nicht ohne Bedeutung veranlassen. Friih genug stieB jedoch ein griibelnder desselben
staltlosen.
Kopf auf die
Schwierigkeit der Gestalten-Erklarung 363
aus jenen gestaltlosen Kraften
suchte den
Knoten durch
eine
und Meeren. Er verAft von Vereinigung
2u losen, indem er die ersten Anfange 2u fasten, gestalteten Korperchen machte, die er jedoch uber alien
annahm, und nun aus diesem Staubohne Beihilfe mitwirkenmeere, aber der Gedankenwesen, anziehender und abstoBender Krafte, den ungeheuern Bau vollfuhren zu konnen Begriff klein
freilich nicht
meinte.
Noch
man
frtiher findet
statt wissenschaft-
Erklarungen Marchen und Gedichte voll merkwiirdiger bildlicher Zuge, Menschen, Gotter
licher
und Tiere
als
gemeinschaftliche Werkmeister
und
hort auf die natiirlichste Art die Entstehung der
Man
Welt beschreiben.
erfahrt wenigstens die Ge-
wiBheit eines zufalligen, werkzeuglichen Ursprungs derselben,
und auch fur den Verachter der regellosen
Erzeugnisse der Einbildungskraft
ist
diese Vorstel-
lung bedeutend genug. Die Geschichte der Welt
Menschengeschichte
zu
behandeln,
uberall
als
nur
und
Verhaltnisse zu
linden, ist eine fortwandernde, in
den verschieden-
menschliche Begebenheiten sten Zeiten wieder mit neuer
Bildung hervortretende
Idee geworden und scheint an wunderbarer
und
leichter
gehabt zu baben.
Auch
Natur sich wie von
scheint die Zufalligkeit der
selbst
an die Idee menschlicher
Persdnlichkeit anzuschlieBen und, letztere ligsten, als
Wirkung
Uberzeugung bestandig den Vorrang
menschliches
werden. Daher
ist
Wesen
wohl auch
am
wil-
verstandlich zu
die Dichtkunst das
Werkzeug der eigentlichen Naturfreunde ge« wesen, und am hellsten ist in Gedichten der Natur-
liebste
geist
364
erschienem
Wenn man echte Gedichte liest und
man einen innern Verstand der Natur bewegen und schwebt, wit der himmlische Leib
hort, so fiihlt sich
derselben, in ihr und tiber ihr 2 ugleich. Naturforscher
und Dichter haben dutch erne Sprache sich immer wie em Volk gezeigt. Was jene im gan2:en sammelten und in groBen, geordneten Massen aufstellten, haben diese fur menschliche Herzen zur taglichen Nahrung und Notdurft verarbeitet und jene unermeBliche Natur zu mannigfaltigen, kleinen, gefalligen Naturen zersplittert
und
und gebildet. Wenn
diese
mehr
das Flxis-
mit leichtem Sinn verfolgten, suchten jene mit scharfen Messerschnitten den innern sige
Bau und
Fliichtige
zu erforschen. Unter ihren Handen starb die freundliche Natur und lieB nur tote, zuckende Reste zurixck, dagegen sie vom Dichter, wie dutch geistvollen Wein, noch mehr beseelt, die gottlichsten und muntersten Einfffle horen lieB und, iiber ihr AUtagsleben erhoben, zum Himmel stieg, tanzte und weissagte, jeden Gast will-
kommen
die Verhaltnisse der Glieder
hieB
und
ihre Schatze frohen
schwendete. So genoB
sie
Muts
ver-
himmlische Stunden mit
dem Dichter und lud den Naturforscher nur dann wenn sie krank und gewissenhaft war. Dann gab
ein,
ihm Bescheid auf jede Frage und ehrte gern den ernsten, strengen Mann. Wer also ihr Gemut recht
sie
kennen
will,
suchen, dort
sames Herz.
muB sie in der Gesellschaft ist sie
Wer
sie
offen
und
der Dichter
ergieBt ihr
wunder-
aber nicht aus Herzensgrunde
und dies und jenes nur an ihr bewundert und zu erfahren strebt, muB ihre Krankenstube, ihr Beinhaus fleiBig besuchen. Man steht mit der Natur gerade in so unbegreifliebt
365
verschiedenen Verhaltnissen wie mit dea Measchen; und wie sie sich dem Kinde kindisch 2eigt
lich
and
sich gefallig seinem kiadlichen
Herzen an~ und stimmt zu dessen hohem Geiste. Man kann nicht sagen, daB es eine Natur gebe, ohne etwas Oberschwengliches zu sagen, und alles Bestreben nach Wahrheit in den Reden und Gesprachen von der Natur entfernt nur immer mehr von der Natiirlichkeit. Es ist schon viel gewonnen, wenn das Streben, die Natur vollstandig zu begreifen, zur Sehnsucht sich schaiiegt, so zeigt sie sich
dem Gotte
gottlich
veredelt, zur zarten, bescheidnen Sehnsucht, die sich
das fremde, kalte
Wesen gern
nur einst auf vertrauteren
gefallen laBt,
wenn sie
Umgang rechnen kann. Zug nach alien Seiten in
Es ist ein geheimnisvoUer unserm Innern, aus einem unendlich tiefen Mittelpunkt sich rings verbreitend. Liegt nun die wundersame sinnliche und unsinnliche Natur rund um uns her, so glauben wir, es sei jener Zug ein Anziehn der Natur, eine AuBerung unsrer Sy mpathie mit ihr nur :
sucht der eine hinter diesen blauen, fernen Gestalten
noch eine Heimat, die
sie
ihm
verhalten, eine Ge-
Jugend, Eltern und Geschwister, alte Freunde, liebe Vergangenheiten; der andre meint,
liebte seiner
da jenseits warteten unbekannte Herrlichkeiten ner, eine lebensvolle
steckt
und
sei-
Zukunft glaubt er dahinter ver-
streckt verlangend seine
Hande
einer
neuen Welt entgegen. Wenige bleiben bei dieser herrlichen Umgebung ruhig stehen und suchen sie nur selbst in ihrer Fiille und ihrer Verkettung zu erfassen, vergessen iiber der Vereinzelung den blitzenden Faden nicht, der reihenweise die Glieder
366
kniipft
und den
heiligen Kronleuchter bildet,
und
jEnden sich beseligt in det Beschauung dieses lebendi-
gen, uber nachtlichen Tiefen schwebenden Scbmucks.
So entstehn mannigfache Naturbetrachtungen, und wenn an einem Ende die Naturempfindung ein lustiget Einfall, eine Mahlzeit wird, so sieht man sie dort,
zm andachtigsten Religion verwandelt, einem ganzen Leben Richtung, Haltung und Bedeutung geben. Schon unter den kindlichen Volkern gabs solche ernste Gemiiter, denen die Natur das Antlitz einer Gottheit war, indessen andre frohliche Herzen sich nut auf sie zxl Tiscbe baten; die Luft war ihnen ein erquickender Trank, die Gestirne Lichter zum nacht-* lichen Tanz,
und Pflanzen und Tiere nur
und so kam ihnen
kostliche
Natur nicht wie ein stiller, wundervoller Tempel, sondern wie eine lustige Kiiche und Speisekammer vor. Dazwischen waren Speisen,
die
andre, sinnigere Seelen, die in der gegenwartigen
Natur nur groBe, aber verwilderte Anlagen bemerkten und Tag und Nacht beschaftigt waren, Vorbilder einer edleren Natur zu schaffen. — Sie teilten sich gesellig in das groBe Werk, die einen suchten die verstummten und verlornen Tone in Luft und Wah dern zu erwecken, andre legten ihre Ahndungen und
Erz und Steine niezu Wohnungen wieder, brachten die yerborgenen Schatze aus den Griiften der Erde wieder ans Licht; zahmten die ausgelassenen Strome, beyolkerten das unwirtliche Meet, fiihrten in 5de Zonen alte, herrliche Pflanzen und Tiere zurxick, hemmten die Waldiiberschwemmungen und pflegten die edleren Blumen und Krauter, Bilder schonerer Geschlechter in der, bauten schonere Felsen
367
offiieten die
Erde den belegenden Beriihrungen der
zeugenden Luft und des ^lindenden Lichts, lehrten die Farben zu reizenden Bildungen sich mischen und ordnen und Wald und Wiese, Quellen und Felsen wieder zu lieblichen Garten zusammentreten, hauchten in die lebendigen Glieder Tone, um sie zu ent-
und in heitern Schwingungen zu bewegen, nahmen sich der armen, verlaBnen, fur Menschensitte empfanglichen Tiere an und sauberten die Walder von den schadlichen Ungeheuern, diesen MiBfalten
geburten einer entarteten Phantasie. Bald lernte die Natur wieder freundlichere Sitten, sie ward sanfter erquicklicher und lieB sich willig zur Beforderung der menschlichen Wiinsche finden. Allmahlich ling ihr Herz wieder an, menschlich sich zu regen,
und
ihre Phantasien
wurden
heitrer, sie
ward wieder
umganglich und antwortete dem freundlichen Frager gern,
und so
scheint allmahlich die alte goldne Zeit
zuriickzukommen, in der
sie
din, Trosterin, Priesterinund sie
den Menschen FreunWundertaterin war,
als
unter ihnen wohnte und ein himmlischer Umgang
die Menschen zu Unsterblichen machte, Dann werden
Erde wieder besuchen, der sie gram geworden waren in jenen Zeiten der Verfinsterung; dann legt die Sonne ihr strenges Zepter nieder die Gestirne die
und wird wieder
Stern unter Sternen,
schlechter der Welt
und
alle
Ge-
kommen dann nach langer Tren-
nung wieder zusammen* Dann finden sich die alten verwaisten Familien, und jeder Tag sieht neue BegruBungen, neue Umarmungen; dann kommen die ehemaligen Bewohner der Erde zu ihr zurxick, in jedem Hiigel regt sich neu erglimmende Asche, iiber368
lodem Flammen des Lebens empor,
all
statten
werden neu erbaut,
die Geschichte wird
alte
alte
Wohn-
Zeiten erneuert, und
znm Traum
einer iinendlichen,
unabsehlichen Gegenwart.
Wer
dieses Stamms xind dieses Glaubens ist und auch das Seinige 2u dieser Entwilderung der Natur beitragen will, geht in den Werkstatten der Kiinstler umber, belauscht uberall die unvermutet in alien Standen hervorbrechende Dichtkunst, wird
gem
rdromer miide, die Natur 2u betrachten und mit ihr umzugehen, geht uberall ihren Finger^eigen nach, verschmaht keinen muhseligen Gang, wenn sie ihm winkt, und soUte er auch durch Modergriifte gehen: er findet sicher unsagliche Schat^e, das Gmbenlichtchen steht am Ende still, und wer weiB, in welche himmlische Geheimnisse ihn dann eine reizende Bewohnerin des unterirdischen Reichs einweiht. Keiner irrt gewiB weiter ab vom Ziele, als wer sich selbst einbildet, er kenne schon das seltsame Reich und wisse mit wenig Worten seine Verfassung 2u ergriinden und iiberall den rechten Weg za finden.
Von
selbst geht keinem, der los sich riB
und
sich
zur Insel machte, das Verstandnis auf, auch ohne
Miihe nicht
Nur Kindem oder kindlichen Menschen,
die nicht wissen,
was
sie tun,
kann
Umgang,
freie
dies
begegnen.
und kiinstliche Betrachtung, Aufmerksamkeit auf leise Winke und Langer, unablassiger
Ziige, ein inneres Dichterleben, geiibte Sinne, ein
einfaches
und
gottesfiirchtiges
Gemut, das sind
die wesentlichen Erfordernisse eines echten Natur-
freundes, ohne welche
keinem
deihen wird, Nicht weise scheint 24
Novalis^ Gesamindite
Wetke
sein es,
Wunsch
eine
ge-
Menschen-
i
369
welt ohne voile, aufgebliihte Menschheit begreifen wollen. Kein Sinn muB schlummem, und verstehn und wenn auch nicht alle gleich wach sind, so mussen sie doch alle angeregt und nicht unterdriickt und erschlajfft sein. So wie man einen kiinftigen Maler in dem Knaben sieht, der alle Wande und jeden ebenen Sand mit Zeichnungen fullt und Farben 2 u Figuren
m
bunt verknupft, so sieht
man
einen kunftigen Welt-
weisen in jenem, der alien natiirlichen
Dingen ohne
Rast nachspiirt, nachfragt, auf
achtet, jedes
alles
Merkwiirdige zusammentr^t und froh einer
ist,
wenn
er
neuen Erscheinung, einer neuen Kraft und
Kenntnis Meister und Besitzer geworden
Nun
diinkt es einigen, es sei der
Muhe
ist.
gar nicht
wert, den endlosen Zerspaltungen der
Natur nachzugehn, und uberdem ein gefahrliches Unternehmen ohne Frucht und Ausgang. So wie man nie das kleinste
Korn
der festen K5rper, nie die einfachste
Faser finden werde, weil alle
GroBe vor- und
riick-
warts sich ins Unendliche verliert, so sei es auch mit
den Arten der Korper und Krafte; auch hier gerate auf neue Arten, neue Zusammensetzungen,
man
neue Erscheinungen bis ins Unendliche. Sie schienen dann nur still zu stehn, wenn unser FleiB ermatte, xind so
verschwende man die edle Zeit mit miiBigen
Betrachtungen und langweiligem Zahlen und werde dies zuletzt ein
wahrer Wahnsinn, ein
del an der entsetzlichen Tiefe.
fester
Schwin-
Auch bleibe die Natur,
so weit man kame,
Todes:
iiberall
immer eine furchtbare Miihle des ungeheurer Umschwung, unauflos-
Reich der GefraBigkeit, des Ubermuts, eine unglucksschwangere Un-
liche Wirbelkette, ein tollsten
370
ermeBlichkeit; die wetiigen lichten Punkte beleuch-
nur eine desto grausendere Nacht, und Schrekken aller Art mxiBten jeden Beobachter zm Gefiihllosigkeit angstigen. Wie ein Heiland stehe dem armen Menschengeschlechte der Tod zm Seite, denn teten
ohne Tod ware der Wahnsinnigste am gliicklichsten. Gerade jenes Streben nach Ergriindung dieses riesenmaBigen Triebwerks sei schon ein Zug in die Tiefe, ein beginnender Schwindel: denn jeder Reiz scheme ein wachsender Wirbel, der bald sich des Ungliicklichen ganz bemachtige und ihn dann durch eine schreckenvolle Nacht mit sich fortreiBe. Hier sei die listige Fallgrube des menschlichen Verstandes, den die Natur uberall als ihren groBten Feind zu vernichten suche. Heil der kindlichen Unwissenheit xmd Schuldlosigkeit der Menschen, welche sie die ent-
gewahr werden lieBe, die Wetterwolken um ihre friedlichen Wohnsitze herlagen und jeden Augenblick setzlichen Gefahren nicht
uberall wie furchtbare
liber sie hereinzubrechen bereit
waren.
Nur
innere
Uneinigkeit der Naturkrafte habe die Menschen bis jetzo erhalten, indes
nicht ausbleiben,
wo
konne jener groBe Zeitpunkt sich die samtlichen Menschen
durch einen groBen gemeinschaftlichen EntschluB aus dieser peinlichen Lage, aus diesem furchtbaren Gefangnisse reiBen und durch eine freiwillige Entsagung ihrer hiesigen Besitztiimer auf ewig ihr Geschlecht aus diesem Jammer erl5sen und in eine
zu ihrem alten Vater retten wurdoch ihrer wiirdig und kamen ihrer notwendigen, gewaltsamen Vertilgung oder einer noch entsetzlicheren Ausartung in Tiere, durch gliicklichere Welt,
den.
So endeten
sie
371
stufenweise
Wahnsinn,
Zerstomng der Denkorgane, dutch 5:uvor.
Umgang
mit Naturkraften, mit
Sturmenund Wogenmiisse Menschen diesen Gegenst^den ver-
Tieren, Pflan2:en, Felsen,
notwendig die
und
diese Verahnlichung,
Verwandlung und Auflosung des Gottlichen und Menschlichen in unb^dige Krafte sei der Geist der Natur, dieser furchterlich verschlingenden Macht: und sei nicht alles, was man sehe, schon ein Raub des Himmels, eine groBe Ruine ehemaliger Herrlichkeiten, Uberbleibsel eines schrecklichen Mahls ? „Wohl'^ sagen Mutigere, „kBt unset Geschlecht ahnlichen,
einen langsamen, wohldurchdachten Zetstorungs-
Mit schleichenden Giften miissen wir ihr beizukommen suchen. Der
krieg mit dieser Natur fuhren!
Naturforscher sei ein edler Held, der sich in den geofFneten
Abgrund
stiirze,
um
seine Mitbiirger zu
Die Kiinstler haben ihr schon manchen geheimen Streich beigebracht, fahrt nur so fort, bemachtigt euch der heimlichen Faden und macht sie liistern nach sich selbst. Benutzt jene Zwiste, um sie, wie jenen feuerspeienden Stier, nach eurer Willkiir erretten.
lenken zu konnen.
Euch untertanig muB
sie
werden.
Geduld und Glauben ziemt den Menschenkindern. Entfernte Briider sind zu einem Zweck mit uns vereint, das Sternenrad wird das Spinnrad xmsers Lebens werden, und dann konnen wir dutch unsere Sklaven ein neues Dschinnistan uns bauen. Mit innerm Triumph laBt uns ihren Verwiistungen, ihren Tumulten zusehn, sie soli an uns sich selbst verkaufen, und jede Gewalttat soil ihr zur schweren BuBe werden, In den begeisternden Gefuhlen unsrer Freiheit
uns leben und sterben, bier quillt der Strom, der iiberschwemmen und zahmen wird, und in ihm laBt uns baden und mit neuem Mut zu HeldenlaBt
sie einst
taten uns erfrischen. Bis hieher reicht die
Wut
des
Ungeheuers nicht, ein Tropfen Freiheit ist genug, auf immer zu lahmen und ihren Verheerungen
und
sie
MaB
Ziel zu setzen/^
„Sie haben recht"", sprechen mehrere; „hier oder
nirgends liegt der Talisman. sitzen
in
Am Quell der Freiheit
wir und spahn ; er ist der groBe Zauberspiegel, rein und klar die ganze Schopfung sich entin ihm baden die zarten Geister und Abbilder
dem
hiillt,
aller
Naturen, und
alle
Kammern
Was brauchen wir
sehen wir hier auf-
Welt der sichtbaren Dinge miihsam zu durchwandern? Die reinere Welt liegt ja in uns, in diesem Quell. Hier oflFenbart sich der wahre Sinn des groBen, bunten, geschlossen.
und
verwirrten Schauspiels ;
die tnibe
treten wir,
Blicken voll, in die Natur, so
ist
uns
von diesen alles
wohl-
bekannt, und sicher kennen wir jede Gestalt.
Wir
brauchen nicht erst lange nachzuforschen, eine leichte Vergleichung, nur wenige Ziige im Sande sind genug,
um uns zu verstandigen. Schrift,
wozu wir den
So ist uns
Schliissel
alles
eine groBe
haben, und nichts
kommt uns unerwartet, weil wir voraus den Gang des groBen Uhrwerks wissen. Nur wir genieBen die Natur mit vollen Sinnen,weil sie uns nicht von Sinnenbringt, weil keine Fiebertraume uns angstigen
tmd
helle Be-
sonnenheit uns zuversichtlich und ruhig macht.“
„Die andern reden irre“, sagt ein ernster Mann zu „Erkennen sie in der Natur nicht den treuen
diesen.
Abdruck
ihrer selbst? Sie selbst verzehren sich in
373
wilder Gedankenlosigkeit. Sie wissen nicht, daB ihre Natur ein Gedankenspiel, eine wiiste Phantasie ihres Traumes ist. Ja, wohl ist sie ihnen ein entsetzliches Tier, eine seltsame, abenteuerliche
gierden.
dem
Der wachende Mensch
Larve ihrer Be-
sieht
ohne Schau-
diese Brut seiner regellosen Einbildungskraft,
denn er weiB, daB es nichtige Gespenster seiner Schwache sind. Er fuhlt sich Herr der Welt, sein Ich schwebt machtig uber diesem Abgrund und wird in Ewigkeiten iiber diesem endlosen Wechsel erhaben schweben. Einklang strebt sein Inneres zu verkiinden, 2u verbreiten.
Er wird
in die Unendlichkeit
und seiner Schopsem und mit jedem Schritte die
hinaus stets einiger mit sich selbst
fung
um
sich her
ewige Allwirksamkeit einer hohen sittlichen Weltordnung, der Feste seines Ichs, immer heller hervortreten sehn,
Der Sinn der Welt ist die Vernunft: um ist sie da, und wenn sie erst der Kampf-
derentwillen
platz einer kindlichen, aufbliihenden
so wird sie einst keit,
zum
zum
Vernunft
ist,
gottlichen Bilde ihrer Tatig-
Schauplatz einer wahren Kirche werden.
Bis dahin ehre sie der Mensch, als Sinnbild seines
Gemuts, das sich mit ihm in unbestimmbare Stufen veredelt. Wer also zur Kenntnis der Natur gelangen
ube seinen sittlichen Sinn, handle und bilde dem gem^, und wie von selbst wird die Natur sich vor ihm oJBFnen. Sittliches Handeln ist jener groBe und einzige Versuch, in welchem alle Ratsel der mannigfaltigsten Erscheinungen sich losen, Wer ihn versteht und in strengen Gedankenfolgen ihn zu zerlegen weiB, ist ewiger Meister der
will,
edlen Kerne seines Innern
Natur/^
374
Der Lehrling hort mit Bangigkeit die sich kreuzenden Stimmen. Es scheint iiim jede recht zu haben, und eine sonderbare Verwirrung bemachtigt sich seines
ruhr,
Gemuts. Allmahlich legt sich der innre Auf-
und liber die dunkeln,
sich aneinander brechen-
den Wogen scheint ein Geist des Friedens heraufzuschweben, dessen Ankunft sich durch neuen Mut und liberschauende Heiterkeit in der Seele des Jiinglings ankiindigt.
Ein muntrer Gespiele, dem Rosen und Winden
kam
herbeigesprungen und sah
ihn in sich gesenkt sitzen.
„Du Grubler"^, rief er, „bist
die Schlafe zierten,
auf ganz verkehrtem Wege. So wirst du keine groBen Fortschritte machen. Das Beste ist liberal! die Stimmung. 1st das wohl eine Stimmung der Natur? Du bist noch jung, und fiihlst du nicht das Gebot der Jugend in alien Adern? nicht Liebe und Sehnsucht deine Brust erfiillen? Wie kannst du nur in der Einsamkeit sitzen? Sitzt die Natur einsam? Den Einsamen flieht Freude und Verlangen: und ohne Verlangen, was niitzt dir die Natur? Nur unter Men-
schen wird er einheimisch, der Geist, der sich mit tausend bunten Farben in
alle
deine Sinne drangt,
der wie eine unsichtbare Geliebte dich umgibt. Bei
unsern Festen lost sich seine Zunge, er
sitzt
obenan
und stimmt Lieder des frohlichsten Lebens an. Du hast noch nicht geliebt, du Armer; beim ersten KuB wird eine neue Welt dir aufgetan, mit ihm fahrt Leben in tausend Strahlen durch dein entziicktes Herz. Ein Marchen will ich dir erzahlen, horche wohl Vor langen Zeiten lebte weit gegen Abend ein blutjunger Mensch. Er war sehr gut, aber auch liber 375
MaBen wunderlich. Er gramte sich unaufhorlich um nichts und wieder nichts, ging immer still fur sich hin, setete sich einsam, wenn die andern spielten und frohlich waren, und hing seltsamen Dingen nach. Hohlen und Walder waren sein liebster Aufenthalt, und dann sprach er immerfort mit Tieren und Vogeln, mit Baumen und Felsen, natiirlich kein verniinftiges Wort, lauter narrisches Zeug znm Totlachen. Er blieb aber immer murrisch und ernsthaft, ungeachtet die
sich das Eichhornchen, die Meerkatze, der Papagei
und der Gimpel alle Mtihe gaben, ihn zn sierstreuen und ihn auf den richtigen Weg zu weisen. Die Cans erzahlte Marchen, der Bach klimperte eine Ballade dazwischen, ein groBer, dicker Stein machte lacherliche Bockssprunge, die Rose schlich sich freundlich hinter ihm herum, kroch durch seine Locken, und der Efeu streichelte ihm die sorgenvoUe Stirn. Allein
MiBmut und Ernst waren
der
Eltern waren sehr betriibt, sie
anfangen sie
sollten.
hartnackig.
wuBten
Er war gesund und
nicht,
Seine
was
sie
aB, nie hatten
ihn beleidigt, er war auch bis vor wenig Jahren
frohlich
und
lustig
Spielen voran,
von
gewesen wie keiner; bei alien
alien
Madchen gern gesehn. Er
war recht bildschon, sah aus wie gemalt, tanzte wie ein Schatz. Unter den Madchen war eine, ein kostliches, bildsch5nes Kind, sah aus wie Wachs, Haare wie goldne Seide, kirschrote Lippen, wie ein Piippchen gewachsen, brandrabenschwarze Augen, Wer sie sah, hatte mogen vergehn, so lieblich war sie. Damals war Rosenbliite, so hieB sie, dem bildschdnen Hyazinth, so hieB er, von Herzen gut, und er hatte sie lieb zum Sterben. Die andern Kinder wuBtens 376
Ein Veilchen hatte es ibtien zuerst gesagt, die Hauskatzchen hatten es wohl gemerkt, die Hauser ihrer Eltern lagen nahe beisammen. Wenn nun Hyazinth die Nacht an seinem Fenster stand und Rosenbliite an ihrem und die Katzchen auf den Mausefang da vorbeiliefen, da sahen sie die beiden stehn und lacbten und kicherten oft so laut, daB sie es hdrten und bose wurden. Das Veilchen hatte es der Erdbeere im Vertrauen gesagt, die sagte es ihrer Freunnicht.
din, der Stachelbeere, die lieB nun das Sticheln nicht, wenn Hyazinth gegangen kam; so erfuhrs denn bald der ganze Garten und der Wald, und wenn Hyazinth
ausging, so riefs
von
alien Seiten: ,Rosenblutchen
mein SchatzchenT Nun argerte sich Hyazinth und muBte doch auch wieder aus Herzensgrunde lachen,
ist
wenn das Eidechschen geschlupft kam, sich auf einen warmen Stein setzte, mit dem Schwanzchen wedelte und sang: Rosenbliitchen, das gute Kind, Ist
geworden auf einmal
Denkt, die Mutter
sei
blind,
Hyazinth,
F^lt ihm um den Hals geschwind; Merkt sie aber das fremde Gesicht, Denkt nur an, da erschrickt sie nicht, Fahrt, als merkte sie kein Wort, Immer nur mit Kiissen fort.
Ach wie bald war die Herrlichkeit vorbei. Es kam Mann aus fremden Landen gegangen, der war !
ein
erstaunlich weit gereist, hatte einen langen Bart, tiefe
Augen,
entsetzliche
Augenbrauen, ein Wunderliches 577
Kleid mit vielen Falten und seltsame Figuren hineingewebt. Er settle sich vor das Haus, das Hyazinths Eltern gehorte.
Nun war
Hyazinth sehr neugierig
zu ihm und holte ihm Brot und Wein. und Da tat er seinen weiCen Bart voneinander und erzahlte bis tief in die Nacht, und Hyazinth wich und wankte nicht und wurde auch nicht miide zuzuhoren. setzte sich
Soviel
man nachher vernahm,
hat er viel
von frem-
den Landern, unbekannten Gegenden, von erstaun-
wunderbaren Sachen erzahlt und ist drei Tage und mit Hyazinth in tiefe Schachten hinuntergekrochen. Rosenblutchen hat genug den alten Hexenmeister verwiinscht, denn Hyazinth ist ganz versessen auf seine Gesprache gewesen und hat sich um nichts bekiimmert; kaum daB er ein wenig Speise zu sich genommen. Endlich hat jener sich fortgemacht, doch dem Hyazinth ein Buchelchen lich
dageblieben
Mensch lesen konnte. Dieser hat ihm noch Friichte, Brot und Wein mitgegeben und ihn weit weg begleitet. Und dann ist er tiefsinnig zuriickgekommen und hat einen ganz neuen dagelassen, das kein
Lebenswandel begonnen. Rosenblutchen hat recht
zum Erbarmen um ihn
denn von der Zeit an hat er sich wenig aus ihr gemacht und ist immer fiir sich geblieben. Nun begab sichs, daB er einmal nach Hause kam und war wie neugeboren. Er fiel seinen Eltem um den Hals und weinte. jeh muB fort in fremde Lande^, sagte
getan,
er, ,die alte
wunderliche Frau
im Walde hat mir erzahlt, wie ich^^gesund werden miiBte, das Buch hat sie ins Feuer geworfen und hat mich getrieben, zu euch zu gehn und euch um euren Segen zu bitten. Vielleicht komme ich bald, vielleicht 378
nie wiedet. GfiiBt Rosenbliitchenl Icli hatte sie gern
gesprochen, ich weiB nicht, wie mir ist, es drangt mich fort; wenn ich an die alten Zeiten zuriickdenken
Gedanken daLiebe mit, ich und zwischen, die Ruhe ist fort, Herz muB sie suchen gehn. Ich woUt euch gern sagen, will,
so
kommen
gleich machtigere
wohin, ich weiB selbst nicht, dahin, wo die Mutter der Dinge wohnt, die verschleierte Jungfrau. Nach der ist mein Gemiit entzundet. Lebt wohl!‘ Er riB sich los und ging fort. Seine Eltern wehklagten und yergossen Tr^en, Rosenbliitchen blieb in ihrer Kammer und weinte bitterlich. Hyazinth lief nun, er konnte, durch Taler und Wildnisse, liber Berge imd Strome, dem geheimnisvollen Lande zu. Er fragte uberall nach der heiligen Gottin Isis,
was
Menschen und Tiere, Felsen und Baume. Manche manche schwiegen, nirgends erhielt er Bescheid. Im Anfange kam er durch rauhes, wildes Land, Nebel und Wolken warfen sich ihm in den Weg, er stiirmte immerfort; dann fand er unabsehliche Sandwiisten, gliihenden Staub, und wie er wanlachten,
delte, so yeranderte sich
auch sein Gemiit, die Zeit
wurde ihm lang, und die innre Unruhe legte sich, er wurde sanfter und das gewaltige Treiben in ihm allgemach zu einem leisen, aber starken Zuge, in den sein ganzes Gemiit sich aufl5ste. Es lag wie yiele Jahre hinter ihm. Nun wurde die Gegend auch wieder reicher und mannigfaltiger, die Luft lau und
Weg ebener, griine Biische lockten ihn mit anmutigen Schatten, aber er yerstand ihre Sprache nicht, sie schienen auch nicht zu sprechen, und doch erfiillten sie auch sein Herz mit griinen Farben und blau, der
579
kxihlem, stillem siiBe
Wesen. Immer hoher wuchs jene
Sehnsucht in ihm, xind immer breiter und
saf-
wurden die Blatter, immer lauter und lustiger die Vogel und Tiere, balsamischer die Friichte, dunkler der Himmel, warmer die Luft und heiBer seine Liebe, die Zeit ging immer schneller, als sahe
tiger
nahe am Ziele. Eines Tages begegnete er einem kristallnen Quell und einer Menge Blumen, die kamen in ein Tal herunter zwischen schwar^en sie sich
himmelhohen Saulen.
Sie griiBten ihn freundlich mit
bekannten Worten. ,Liebe Landsleute', sagte er, ,wo find ich
wohl den
Hierherum
muB
geheiligten
Wohnsitz der
bekannter als ich/
—
,
antworteten die Blumen; ,eine Geisterfamilie der Reise,
Isis?
und ihr seid vielleicht bier Wir gehn auch nur hier dutch',
er sein,
und wir
bereiten ihr
Weg und
ist
auf
Quartier,
kurzem durch eine Gegend ge~ kommen, da horten wir ihren Namen nennen, Gehe nur aufwarts, wo wir herkommen, so wirst du schon mehr erfahren/ Die Blumen und die Quelle lachelten, wie sie das sagten, boten ihm einen frischen Trunk und gingen weiter. Hyazinth folgte ihrem Rat, frug und frug und kam endlich zu jener langst gesuchten Wohnung, die unter Pahnen und andern kostlichen Gewachsen versteckt lag. Sein Herz klopfte in unendlicher Sehnsucht, und die suBeste Bangigkeit durchdrang ihn in dieser Behausung der ewigen
indes sind wir vor
Jahreszeiten.
schlummerte
Unter himmlischen Wohlgediiften enter,
weil ihn nur der
Traum
in das
AUerheiligste fuhren durfte. Wunderlich fuhrte ihn
Traum durch unendliche Gemacher veil seltsamer Sachen auf lauter reizenden Klangen und in
der
380
abwechselnden Akkorden, Es diinkte ihn alles so bekannt xind doch in nie gesehener Herrlichkeit, da schwand auch der Ictztc irdische Anflug, wie in Luft
und er stand vor der himmlischen Jungda hob er den leichten, glanzenden Schleier, und Rosenbliitchen sank in seine Arme. Eine feme Musik umgab die Geheimnisse des liebenden Wievefzehrt,
frau,
dersehns, die ErgieBungen der Sehnsucht, und schloB
Fremde von diesem entmckenden Orte aus. Hyazinth lebte nachher noch lange mit Rosenbliitchen unter seinen frohen Eltern und Gespielen, und unz^lige Enkel dankten der alten vninder-
alles
lichen Frau
fiir
und ihr Feuer; denn daMenschen so viel Kinder, als sie
ihren Rat
mals bekamen die wollten/'
Die Lehrlinge umarmten sich und gingen fort. Die weiten hallenden Sale standen leer und hell da, und das minderbare Gesprach in zahllosen Sprachen unter den tausendfaltigen Naturen, die in diesen Salen zusammengebracht xmd in mannigfaltigen Ordnungen aufgestellt waren, dauerte fort. Ihre innern Krafte spielten gegeneinander. Sie strebten in ihre Freiheit, in Ihre alten Verhaltnisse zuriick.
standen auf ihrem eigentlichen Platze
Ruhe dem mannigfaltigen Treiben
Wenige
und sahen
um
in
sich her zu.
Die iibrigen klagten xiber entsetzliche Qualen und Schmerzen und bejammerten das alte herrliche Leben im SchoBe der Natur, wo sie eine gemeinschaftliche Freiheit vereitiigte
und
jedes
von
selbst erhielt,
was
es bedurfte.
„0
!
daB der Mensch^^, sagten sie, „die innre Musik und einen Sinn fiir auBere Har-
der Natur verstmde
381
monie hatte. Aber er weiB ja kaum, daB wir zusammengehoren und keins ohne das andere bestehen kann. Er kann nichts liegen lassen, tyrannisch trennt er uns und greift in lauter Dissonamien herum. Wie
wenn er mit uns freundlich unsem groBen Bund trate, wie umginge und auch in gliicklich
konnte er
sein,
ehemals in der goldnen Zeit, wie er
sie
mit Recht
nennt. In jener Zeit verstand er uns, wie wir ihn
verstanden. Seine Begierde, Gott 2u werden, hat ihn
von uns getrennt, er und ahnden konnen,
sucht,
was wir nicht wissen
xind seitdem ist er keine be-
gleitende Stimme, keine
Mitbewegung mehr. Er
ahndet wohl die unendliche Wollust, den ewigen
und darum hat er eine so wunderbare Liebe 2u einigen unter uns. Der Zauber des Goldes, GenuB
in uns,
Geheimnisse der Farben, die Freuden des Wasihm nicht fremd, in den Antiken ahndet er
die
sers sind
Wunderbarkeit der Steine, und dennoch
die
ihm noch
die suBe Leidenschaft fur das
Natur, das
Auge
fehlt
Weben
der
fur unsre ent^iickenden Mysterien.
Lernt er nur einmal fuhlen? Diesen himmlischen, diesen naturlichsten aller Sinne kennt er
durch das Gefuhl wiirde die
alte,
noch wenig:
ersehnte Zeit 2u-
ruckkommen; das Element des Gefuhls
ist
ein in-
neres Licht, das sich in schonern, kraftigern Farben bricht.
Dann gingen die Gestirne in ihm auf, er lernte Welt fuhlen, klarer und mannigfaltiger, Auge jetzt Gremzen und Flachen 2eigt,
die ganze als
ihm
das
Er wiirde Meister gaBe
alle
382
und
ver-
tdrichten Bestrebungen in einem ewigen,
sich selbst
nusse.
eines unendlichen Spiels
nahrenden und immer wachsenden Geist tim ein Traum des Fiihlens,
Das Denken
ein erstorbenes Fiihlen, ein blaBgraues, schwaches
Leben/"
Wie
sie
so sprachen, strahlte die Sonne dutch die
hohen Fenster, und der
Larm
in ein sanftes Sauseln verier sich
des Gesptachs; eine unendliche
durchdrang
alle Gestalten,
verbreitete sich iiber alle,
Ahndung
die lieblichste
Warme
und der wunderbarste
Naturgesang erhob sich aus der tiefsten Stille. Man horte Menschenstimmen in der Nahe, die groBen Flugeltiiren
und
nach
dem Garten
zu.
wurden
geoffnet,
einige Reisende set2ten sich auf die Stufen der
breiten Treppe, in den Schatten des Gebaudes. Die rekende Landschaft lag in schdner Erleuchtung vor ihnen, und im Hintergrunde verlor sich der Blick an blauen Gebirgen hinauf. Freundliche Kinder brach-
ten mannigfaltige Speisen
und Getranke, und bald
begann ein lebhaftes Gesprach unter ihnen. „Auf alles, was der Mensch vornimmt, muB er seine ungeteilte Aufmerksamkeit oder sein Ich richten“, sagte endlich der eine, „und wenn er dieses getan
Gedanken oder eine neue Art von Wahrnehmungen, die nichts als 2arte Bewegungen eines farbenden oder klappernden Stifts oder wunderliche Zusammenziehungen und Figurationen hat, so entstehn bald
einer elastischen Fliissigkeit zn sein scheinen, auf eine wunderbare Weise in ihm. Sie verbreiten sich von dem Punkte, wo er den Eindruck feststach, nach alien Seiten mit lebendiger Beweglichkeit und neh~ men sein Ich mit fort. Er kann dieses Spiel oft gleich wieder vernichten, indem er seine Aufmerksamkeit wieder teilt oder nach Willkur herumschweifen laBt, derm sie scheinen nichts als Strahlen und Wirkungen,
583
die jenes Ich
nach
alien Seiten
zu in jenem elastischen
Medium erregt, oder seine Brechungen in demselben Oder iiberhaupt ein seltsames Spiel der Wellen dieses Meers mit der starren Aufmerksamkeit zu sein.
Hochst merkwiirdig ist es, daJB der Mensch erst in diesem Spiele seine Eigentiimlichkeit, seine spezifische Freiheit recht gewahr wird und daB es ihm vorkommt, als erwache er aus einem tiefen Schlafe, als sei er nun erst in der Welt zu Hause und verbreite jetzt erst das Licht des Tages sich iiber seine innere Welt. Er glaubt, es am hochsten gebracht izu haben, wenn er, ohne jenes Spiel zn storen, zugleich die gewohnlichen Geschafte der Sinne vornehmen und empfinden und denken zugleich kann. Dadurch ge-
winnen beide Wahrnehmungen die AuBenwelt wird durchsichtig und die Innenwelt mannigfaltig und :
bedeutungsvoll,
und so
befindet sich der
Mensch
in
einem innig lebendigen Zustande zwischen zwei Welten in der vollkommensten Freiheit und dem freudigsten Machtgefuhl. Es ist natiirlich, daB der Mensch diesen Zustand zu verewigen und ihn uber die ganze Summe seiner Eindrucke zu verbreiten sucht; daB er nicht miide wird, diese Assoziationen beider Welten zu verfolgen und ihren Gesetzen und ihren Sympathieen
Den
und Antipathien
InbegriflF dessen,
und
was
xins riihrt,
nachzuspiiren.
nennt
man
die
Natur in einer unmittelbaren Beziehung zu den GliedmaBen unsers Korpers, die wir Sinne nennen. Unbekannte und geheimnisvolle Beziehungen unsers Kdrpers lassen unbekannte und geheimnisvolle Verhaltnisse der Natur vermuten, und so ist die Natur jene wunderbare
Natur,
384
also steht die
Gemeinschaft, in die unser Korper uns einfuhrt die wir nach dem MaBe seiner Einrichtungen
und und
Fahigkeiten kennen lernen. Es fragt sich, ob wir die spezielle Natur wahrkonnen und inwiefern unsre Gedanken und die Intensitat unsrer Aufmerksamkeit durch dieselbe bestimmt werden oder sie bestimmen und dadurch von der Natur losreiBen und vielleicht
Natur der Naturen durch diese
haft begreifen lernen
Man sieht wohl, daB diese innern Verhaltnisse und Einrichtungen unsers Korpers vor alien Dingen erforscht werden miissen, ehe wir diese Frage 2u beantworten und in die Natur der Dinge 2u dringen hofFen konnen. Es lieBe sich jedoch auch denken, daB wir iiberhaupt erst uns mannigfach im Denken muBten geiibt haben, ehe wir uns an dem innern Zusammenhang unsers Korpers versuchen und seinen Verstand 2um Verstandnis der Natur gebrauchen konnten, und da ware freilich nichts naturlicher, als alle moglichen Be~ wegungen des Denkens hervor2ubringen und eine Fertigkeit in diesem Geschaft sowie eine Leichtigkeit 2u erwerben, von einer 2ur andern uber2ugehen und sie mannigfach 2u verbinden und 2u 2erlegen. Zu dem Ende muBte man alle Eindriicke aufmerksam betrachten, das dadurch entstehende Gedankenspiel ebenfalls genau bemerken tind, soUten dadurch abermals neue Gedanken entstehn, auch diesen 2usehn, um so allmahlich ihren Mechanismus 2u er~ fahren und durch eine oftmalige Wiederholung die mit jedem Eindruck bestandig verbundnen Bewegimgen von den iibrigen unterscheiden und behalten 2u lernen. Hatte man dann nur erst einige Beweihre 2arte Nachgiebigkeit verderben.
*5
Nopahs^ Gesammelte
Werke
t
385
gungen
als
Buchstaben der Natur herausgebraclit,
so wiirde das Dechiffrieren immer leichter vonstatten
gehn und die Macht iiber die Gedankenerzeugung und Bewegung den Beobachter instand setzen, auch ohne vorhergegangenen wirklichen Eindruck Naturgedanken hervorzubringen und Naturkompositionen zn entwerfen, und dann ware der End2weck erreicht/^
„Es
ist
wobl
viel gewagt"', sagte ein anderer, „so
und Erscheinungen der Natur sie zusammensetzen zu wollen und sie bald fur ein ungeheures Feuer, bald fur einen wunderbar gestalteten Fall, bald fur eine Zweiheit oder Dreiheit aus den auBerlichen Krtften
Oder fur irgendeine andere seltsamliche Kraft auszugeben. Es ware denkbarer, daB
sie
das Erzeugnis
eines unbegreiflichen Einverstandnisses unendlich
verschiedner
Wesen ware,
das wunderbare
Band
der
Geisterwelt, der Vereinigungs- und Beriihrungspunkt
unzahliger Welten/"
„LaB
es
kiirliclier
gewagt
sein“, sprach ein dritter; „je will-
das Netz gewebt
ist,
das der kiihne Fischer
Fang. Man ermuntre nur jeden, seinen Gang so weit als moglich fortzusetzen, und jeder sei willkommen, der mit einer neuen Phantasie die Dinge uberspinnt. Glaubst du nicht, daB es gerade die gut ausgefuhrten Systeme sein werden, aus denen der kiinftige Geograph der Natur die Data zu seiner groBen Naturkarte nimmt? Sie wird er vergleichen, und diese Vergleichung wird uns das sonderbare Land erst kennen lehren. Die Erkenntnis der Natur wird aber noch himmelweit von ihrer Auslegung verschieden sein. Der eigentliche
auswirft, desto gliicklicher ist der
386
ChifiFrierer
wird
vielleicht
dahin kommen, mehrere
Naturkrafte ^ugleich zat Hervorbringung herrlicher
Erscheinungen in Bewegung 2u set2en, er wird auf der Natur wie auf einem groBen Instrument phantasieren konnen, und doch wird er die Natur nicht verstehn. Dies ist die Gabe des Naturhistorikers, des Zeitensehers, der, vertraut mit
und
niitzlicher
der Geschichte der Natur und bekannt mit der Welt,
diesem hoheren Schauplatz der Naturgeschichte, ihre Bedeutungen wahrnimmt und weissagend verkiindigt.
Noch
ist dieses
heiliges Feld.
Gebiet ein unbekanntes, ein
Nur gottliche Gesandte haben ein^elne
Worte dieser hochsten Wissenschaft fallen lassen, und es ist nur 2u verwundern, daB diese ahndungsvoUen Geister sich diese Ahndung haben entgehn lassen und die Natur zur einformigen Maschine, ohne Vorzeit und Zukunft, erniedrigt haben. Alles Gottliche hat eine Geschichte, und die Natur, dieses einzige Ganze, womit der Mensch sich vergleichen kann, sollte nicht so gut wie der Mensch in einer Geschichte begrifien sein oder, welches eins
ist,
einen Geist haben? Die Natur ware nicht die Natur,
wenn
sie
keinen Geist hatte, nicht jenes einzige
Gegenbild der Menschheit, nicht die unentbehrliche Antwort dieser geheimnisvoUen Frage oder die Frage 2u dieser unendlichen Antwort.^* „Nur die Dichter haben es gefixhlt, was die Natur den Menschen sein kann‘‘, begann ein schoner JiingHng, „und man kann auch hier von ihnen sagen, daB sich die Menschheit in ihnen in der vollkommensten Auflosung befindet und daher jeder Eindruck durch ihre Spiegelhelle
und Beweghchkeit
rein in alien
3B7
seinen iinendlichen
Verandemngen nach alien
Seiten
fortgepflanzt wird. Alles finden sie in der Natur.
Ihnen
und
allein bleibt die Seele
sie
suchen in ihrem
derselben nicht fremd,
Umgang
alle Seligkeiten
der goldnen Zeit nicht umsonst. Fur sie hat die Natur aUe Abwechslungen eines unendlichen Ge-
und mehr als der geistvollste, lebendigste Mensch uberrascht sie durch sinnreiche Wendungen und Einfalle, Begegnungen und Abweichungen, groBe Ideen und Bkarrerien. Der unerschopfliche miits,
Reichtum ihrer Phantasie ihren
Umgang
laBt
keinen vergebens
aufsuchen. Alles weiB sie zu ver-
schonern, zu beleben, zu bestMgen,
im einzelnen Mechanismus
und wenn auch
ein bewuBtloser, nichts bedeutender
zu herrschen scheint, so sieht doch das tiefer sehende Auge eine wunderbare Sympathie mit dem menschlichen Herzen im Zusammenallein
und in der Folge der einzelnen Zufalligkeiten. Der Wind ist eine Luftbewegung, die manche auBere
treffen
Ursachen haben kann, aber ist er dem einsamen, sehnsuchtsvollen Herzen nicht mehr, wenn er voriibersaust,
von geliebten Gegenden herweht und mit
tausend dunkeln, wehmutigen Lauten den
stillen
Schmerz in einen tiefen melodischen Seufzer der ganzen Natur aufzulosen scheint? Fuhlt nicht so auch im jungen, bescheidnen Griin der Frxihlingswiesen der junge Liebende seine ganze blumenschwangre Seele mit entziickender Wahrheit ausgesprochen, und ist je die Uppigkeit einer nach siifier
Auflosung in goldnen Wein
kdstlicher
und
liisternen Seele
erwecklicher erschienen
als
in einer
voUen, glanzenden Traube, die sich unter den breiten 388
Blattern halb versteckt ?
der Ubertreibung
und
Man beschuldigt die Dkhter
halt ihnen ihre bildliche, un-
eigentliche Sprache gleichsam
nur zugute,
ja
man
begniigt sich ohne tiefere Untersuchung, ihrer Phan-
Natur zuzuschreiben, die manches sieht und hort, was andere nicht horen und sehen, und die in einem lieblichen Wahnsinn mit der wirklichen Welt nach ihrem Belieben schaltet und waltet; aber mir scheinen die Dichter noch bei weitem nicht genug 2u ubertreiben, nur dunkel den ahnden und mit der PhanZauber jener Sprache tasie nur so spielen, wie ein Kind mit dem Zaubertasie
jene wunderliche
m
m
stabe seines Vaters spielt. Sie wissen nicht, welche
Krafte ihnen untertan sind, welche Welten ihnen gehorchen mussen. 1st es denn nicht wahr, daJB Steine und Walder der Musik gehorchen und, von ihr gezahmt, sich jedem Willen wie Haustiere fiigen ? — Bliihen nicht wirklkh die schonsten Blumen um
und freuen
die Geliebte
Wird
fur sie der
nicht eben?
Himmel
sich, sie
zn schmiicken?
nicht heiter
und das Meer
— Driickt nicht die ganze Natur,
so gut wie das Gesicht und die Gebarden, der Puls und die Farben, den Zustand eines jeden der hoheren, wun-
derbaren Wesen aus, die wir Menschen nennen? Wird nicht der Pels ein eigentumliches Du, eben
wenn
ich ihn anrede?
der Strom,
wenn
Und was
bin ich anders
als
ich wehmiitig in seine Wellen
hinabschaue und die Gedanken in seinem Gleiten verliere?
Nur
ein ruhiges, genuBvolles Gemlit wird
Kind oder ein jemand die Steine und Gestirne schon verstand, weiB ich nicht, aber die Pflanzenwelt,
nur ein
Wilder die Tiere verstehn.
lustiges
— Ob
389
gewiB
muB
dieser ein erhabnes
Wesen gewesen
sein*
In jene Statuen, die aus einer untergegangenen Zeit der Herrlichkeit des Menschengeschlechts ubrig geblieben sind, leuchtet allein so ein defer Geist, so ein seltsames Verstandnis der Steinwelt hervor
und
iiberzieht den sinnvollen Betrachter mit einer Steinrinde, die nach innen zu wachsen scheint. Das Er-
babne wirkte versteinernd, und so diirften wk uns nicht iiber das Erhabne der Natur und seine Wir-
kungen wundern oder nicht wissen, wo es zn suchen sei. Konnte die Natur nicht uber den Anblick Gottes zu Stein geworden sein? Oder vor Schrecken iiber die Ankunft des Menschen?^^ tJber diese Rede war der, welcher 2uerst gesprochen hatte, in
tiefe
Betrachtung gesunken, die fernen
Berge wurden buntgefarbt, und der Abend legte sich mit siiBer Vertraulichkeit iiber die Gegend. Nach einer langen Stille horte
man
ihn sagen:
„Um
die
Natur zn begreifen, muB man die Natur innerlich in ihrer gan2en Folge entstehen lassen. Bei dieser
Unternehmung muB man
sich bloB
von der
gott-
Wesen, die uns gleich sind, und den notwendigen Bedingungen, dieselben zn vernehmen, bestimmen lassen, denn wahrhaftig, die gan^e Natur ist nur als Werfczeug und Medium des
lichen Sehnsucht nach
Wesen begreiflich. Der denkende Mensch kehrt 2ur urspriinglichen
Einverstandnisses verniinftiger
Funktion seines Daseins, 2ur schaffenden Betrachtung, zn jenem Punkte 2uruck,
wo
Hervorbringen
und Wissen in der wundervoUsten Wechselverbindung standen, zn jenem schopferischen Moment des eigenthchen Genusses, des innern SelbstempjSng-
nisses.
Weim
er
nun gan^
Beschauung dieser
in die
Urerscheinung versinkt, so entfaltet sich vor
neu entstehenden Zeiten und Raumen,
ihm in
wie ein un-
ermeBliches Schauspiel, die Etzeugungsgescliichte
der Natur, und jeder feste Punkt, der sich in der
unendlichen Fliissigkeit ansetzt, wifd
ihm
eine neue
OfFenbarung des Genius der Liebe, ein neues Band des Du und des Ich. Die sorgfaltige Beschreibung dieser innern Weltgescbichte ist die
wahre Theorie
Zusammenhang seiner Gedankenwelt in sich und ihre Harmonic mit dem Universum bildet sich von selbst ein Gedankensystem zur getreuen Abbildung und Formel des Universums. Aber die Kunst des ruhigen Beschauens,
der Natur, durch den
der schopferischen Weltbetrachtung
ist
schwer, un-
auf horliches ernstes Nachdenken und strenge Niichternheit fordert die Ausfuhrung,
imd die Belohnung
wird kein Beifall der miihescheuenden Zeitgenossen, sondem nur eine Freude des Wissens und Wachens, eine innigere Beriihrung des Universums sein/‘ ,Ja‘^, sagte
wert
als
der zweite, „nichts
ist
so bemerkens*
das groBe Zugleich in der Natur. Uberall
scheint die
Natur ganz gegenwartig. In der Flamme
und so repraliberall und unauf-
eines Lichts sind alle Naturkrafte tatig, sentiert
und verwandelt
sie sich
und Friichte izusammen und ist mitten in der Zeit gegenwartig, vergangen und zukunftig zugleich; und wer weiB, in welche eigne Art von Feme sie ebenfalls wirfct und ob nicht dieses Natursystem nur eine Sonne ist im Universe, die durch Bande an dasselbe gekniipft ist, durch ein Licht und einen Zug und Einflusse, die zunachst in horlich, treibt Blatter, Bliiten
unserm Geiste sich deutlicher vernehmen kssen imd aus ihm heraus den Geist des Universums iiber diese Natur ausgieJBen und den Geist dieser Natur an andere Natursysteme verteilen/" „ Wenn der Denker^^, sprach der dritte, „mit Recht als
Kiinstler
den tatigen
Weg
betritt
und dutch
eine
geschickte Anwendung seiner geistigen Bewegungen das Weltall auf eine einfache, ratselhaft scheinende
Figur zn reduzieren sucht,
ja
man mochte
sagen, die
Natur tanzt und mit Worten die Linien der Bewegungen nachschreibt, so muB der Liebhaber der
Natur dieses kiihne Unternehmen bewundern und sich auch iiber das Gedeihen dieser menschlichen Anlage freuen. Billig stellt der Kiinstler die Tatigkeit obenan, denn sein Wesen ist Tun und Hervorbringen
und
und
Kunst ist, sein Werkzeug zu allem gebrauchen, die Welt auf seine Art nachbilden zu konnen, und datum wird das Prinzip seiner Welt TMgkeit und seine Welt seine Kunst. Auch hier wird die Natur in neuer Herriichkeit sichtbar, und nur der gedankenlose Mensch mit Wissen
wirft
die
Willen,
unleserlichen,
seine
Wunderlich
getnischten
Worte mit Verachtung weg. Dankbar legt der Priester diese neue, erhabne MeBkunst auf den Altar zu der magnetischen Nadel, die sich nie verirrt und zahllose Schiffe auf dem pfadlosen Ozean zu bewohnten Kiisten und den Hafen des Vaterlandes zuriickfiihrte. AuBer dem Denker gibt es abet noch andere Freunde des Wissens, die dem Hervorbringen dutch Denken nicht vorziiglich zugetan und also, ohne Beruf zu dieser Kunst, lieber Schuler der Natur werden, ihre Freude im Lernen, nicht im Lehren, im
Erfahren, nicht im Machen,
im Empfangen, nicht im Geben finden. Einige sind geschaftig und nehmen im Vertrauen auf die Allgegenwart und die innige
Verwandtschaft der Natur, mithin auch
im voraus
von der Unvollstandigkeit und der Kontinxxitat
alles
einzelnen uberzeugt, irgendeine Erscheinung mit Sorgfalt auf und halten den in tausend Gestalten sich verwandelnden Geist derselben mit stetem Blicke fest und gehn an diesem Faden durch alle Schlupfwinkel der geheimen Werkstatte, um eine voUstandige Verzeichnung dieser labyrinthischen Gange entwerfen zu konnen. Sind sie mit dieser miihseligen Arbeit fertig, so ist auch unvermerkt ein hoherer Geist liber sie gekommen, und es wird ihnen dann leicht, liber die vorliegende Karte zu reden und jedem Suchenden seinen Weg vorzuschreiben. UnermeBlicher Nutzen segnet ihre miihsame Arbeit, und der GrundriB ihrer Karte wird auf eine iiberraschende Weise mit dem System des Denkers iibereinstimmen, und sie werden diesem zum Trost gleichsam den lebendigen Beweis seiner abstrakten Satze unwillkurlich gefiihrt haben. Die MiiBigsten unter ihnen erwarten kindhch von liebevoUer Mitteilung hoherer, von ihnen mit Inbrunst verehrter Wesen die ihnen niitzliche Kenntnis der Natur. Sie mdgen Zeit und Aufmerksamkeit in diesem kurzen
Leben nicht Geschaften widmen und dem Dienste der Liebe entziehn. Durch frommes Betragen suchen sie nur Liebe zu gewinnen, nur Liebe mitzuteiien, unbekiimmert um das groBe Schauspiel der Krafte, ruhig ihrem Schicksale in diesem Reiche der Macht ergeben, weil das innige BewuBtsein ihrer Unzer593
den geliebten Wesen sie erfiillt und die Natur sie nur als Abbild und Eigentum derselben riihrt. Was brauchen diese gliicklichen Seelen zu
trennlichkeit von
und als reine Flammen der Liebe in dieser irdischen Welt nur auf den Spitzen der Tempel oder auf umhergetriebenen wissen, die das beste Teil erwahit haben
Schiffen als Zeichen des xiberstromenden himmlischen
Feuers lodern ? Oft erfahren diese liebenden Kinder
Stunden herrliche Dinge aus den Gebeimnissen der Natur und tun sie in unbemiBter Einfalt
in seligen
kund. Ihren Tritten folgt der Forscher,
um
jedes
Unschuld und Freude haben fallen lassen, ihrer Liebe huldigt der mitfuhlende Dichter und sucht durch seine Gesange diese Liebe, diesen Keim des goldnen Alters, in andre Zeiten und Lander zn verpfianzen/*
Kleinod
z\i
„Wem
sammein, das
sie in ihrer
regt sich nicht‘‘, rief der Jiingling mit
ftinkelndem Auge, „das Herz in hiipfender Lust,
wenn ihm
Leben der Natur in seiner ganzen Fulle in das Gemut kommt Wenn dann jenes das innerste
1
machtige Gefuhl, woftir die Sprache keine andere
Namen
als
Liebe und Wollust hat, sich in ihm aus-
dehnt wie ein gewaltiger,
alles
auflosender Dunst
und
er bebend in suBer Angst in den dunkeln, lokkenden SchoC der Natur versinkt, die arme Personlichkeit in den xiberschiagenden Wogen der Lust sich verzehrt und nichts als ein Brennpunkt der unermeBlichen Zeugungskraft, ein verschluckender Wirbel im groBen Ozean iibrig bleibt! Was ist die uberall erscheinende Flamme? Eine innige Umarmung, deren suBe Frucht in woUiistigen Tropfen heruntertaut.
394
Das Wasser,
dieses
erstgebome Kind
luftiger
Verschmekungen, kann seinen wolliistigen Ursprung Element der Liebe und der Mischung mit himmlischer Allgewalt auf Erden. Nicht unwahr haben alte Weise im Wasser den Ursprnng der Dinge gesucht, und wahrlich, sie haben von einem hohern Wasser als dem Meer- und Quellwasser gesprochen. In jenem offenbaret sich nur das Urfliissige, wie es im fliissigen Metall zum Vorschein kommt, und datum mogen die Menschen es immer auch nur gottlich verehren. Wie wenige haben sich noch in die Geheimnisse des Fliissigen vertieft, und manchem ist diese Ahndung des hochsten Genusses und Lebens wohl nie in der trunkenen nicht verleugnen xind zeigt sich als
Seele aufgegangen.
Im Durste
oiFenbaret sich diese
Weltseele, diese gewaltige Sehnsucht nach flieBen.
Die Berauschten
iiberirdische alle
fiihlen
dem
Zer-
nur zu gut diese
Wonne des Fliissigen, und am Ende sind
angenehmen Empfindungen in uns mannigfache Regungen jener Urgewasser in uns.
ZerflieBungen,
Selbst der Schlaf ist nichts als die Flut jenes unsicht-
baren Weltmeers und das Erwachen das Eintreten der Ebbe. Wie viele Menschen stehn an den berauschenden Fliissen und hdren nicht das Wiegenlied dieser miitterlichen Gew^ser und genieBen rdcht das ent2:iickende Spiel ihrer unendlichen WellenI
Wie
diese Wellen lebten wir in der goldnen Zeit; in bunt-
farbigen Wolken, diesen schwimmenden Meeren und Urquellen des Lebendigen auf Erden, liebten und erzeugten sich die Geschlechter der Menschen in ewigen Spielen, wurden besucht von den Kindern des Himmels, und erst in jener groBen Begebenheit,
welche heiiige Sagen die Siindflut nennen, ging diese 395
blxihende Welt unter; ein feindliches
Wesen
schlug
Erde nieder, und einige Menschen blieben, geschwemmt auf die Klippen der neuen Gebirge, in def fremden Welt siuruck, Wie seltsam, dab getade die
und reizendsten Erscheinungen der den Handen so toter Menschen sind, als die
die heiligsten
Natur in
Scheidekiinstler zu sein pflegen! Sie, die
ferischen Sinn der
den schopNatur mit Macht erwecken, nur
Geheimnis der Liebenden, Mysterien der hohern Menschheit sein sollten, werden mit Schamlosigkeit ein
und
von rohen Geistern hervorgerufen,
sinnlos
nie wissen werden,
welche Wonder ihre Glaser
Nor Dichter omgehn und von ihm schlieben.
sollten
mit
dem
die
urn-
Flussigen
der gluhenden Jogend
er-
zahlen durfen; die Werkstatten waren Tempel, und
mit neuer Liebe wiirden die Menschen ihre Flamme
und Wie
ihre Fliisse verehren
sich ihrer ruhmen.
gliicklich wiirden die Stadte sich
ken, die das
und
und
Meer oder
ein groBer
wieder
Strom
diin-
bespult,
jede Quelle wiirde wieder die Freistatte der
Liebe und der Aufenthalt der erfahrnen und reichen Menschen.
mehr
nichts
als
Darum
geist-
lockt auch die Kinder
Feuer und Wasser, und jeder Strom
Feme, in schonere Es ist nicht bloB WiderdaB der Himmel im Wasser liegt, es ist eine
verspricht ihnen, in die bunte
Gegenden schein,
sie
zu
fiihren.
zarte Befteundung, ein
imd wenn der
Hohe
will,
so versinkt die gliickliche Liebe gern in
Aber es ist umsonst, die Natur und predigen zu wollen. Ein Blindgeborner nicht sehen, und wenn man ihm noch soviel
die endlose Tiefe.
lehren lernt
Zeichen der Nachbarschaft,
unerfdllte Trieb in die unermeBliche
voa Farben nnd Lichtem 2khlcn wollte.
iind ferncn Gestalten er-
So wird auch keiner die Natur be-
greifen, der kein
Naturorgan, kein inneres natur-
erzeugendes und absonderndes Werfczeug hat, der nicht,
wie von
selbst, uberall die l^atur
an allem
erkennt und unterscheidet und mit angebomef Zeugungslust, in inniger mannigfaltiger Verwandtschaft
Medium der EmpfinNaturwesen vermischt, sich
mit alien Korpern, durch das
dung
sich mit alien
gleichsam in
sie hineinfiihlt.
Wer
aber einen rich-
und geiibten Natursinn hat, der genieCt die Natur, indem er sie studiert, und freut sich ihrer
tigen
unendlichen Mannigfaltigkeit, ihrer Unerschopflich-
im Genusse und bedarf nicht, daJS man ihn mit Worten in seinen Geniissen st5re. Ihn diinkt vielmehr, daB man nicht heimlich genug mit der Natur umgehen, nicht zart genug von ihr reden, nicht ungestort und aufmerksam genug sie beschauen kann. Er fiihlt sich in ihr wie am Busen seiner ziichtigen Braut und vertraut auch nur dieser seine erkeit
unniitzen
langten Einsichten in siiBen vertraulichen Stunden. Gliicklich preis ich diesen Sohn, diesen Liebling der
Natur,
dem
sie verstattet, sie in ihrer
Zweiheit,
als
er^eugende und gebarende Macht, und in ihrer Einheit, als eine unendliche,
ewig dauernde Ehe, za
betrachten. Sein Leben wird eine Fiille aller Genusse,
eine Kette der Woliust,
und
seine Religion der
cigentliche, echte Naturalismus sein/^
Unter dieser Rede hatte sich der Lehrer mit seinen Lehrlingen der Gesellschaft genahert. Die Reisenden standen auf und begruBten ihn ehrfurchtsvolL Eine erfrischende Ktihlung verbreitete sich aus den dun-
397
keln Laubgangen tiber den Plate
und die
Stufen.
Der
Lehrer lieB einen jener seltnen leuchtenden Steine bringen, die man Karfimkel nennt, und ein hellrotes,
goB sich iiber die verschiednen Geund Kleidungen aus. Es entspann sich bald eine fteundliche Mitteilung unter ihnen. Wahrend eine Musik aus der Feme sich h5ren lieB und eine kiihlende Flamme aus Kristallschalen in die Lippen
kraftiges Licht stalten
der Sprechenden hineinloderte, erzahlten die Frem-
den merkwiirdige Erinnerungen ihrer weiten Reisen* Voll Sehnsucht und WiBbegierde hatten sie sich aufgemacht,
um
die Spuren jenes verloren gegangenen
Urvolks 2u suchen, dessen entartete und verwilderte Reste die heutige Menschheit zn sein schiene, dessen
hoher Bildung sie noch die wichtigsten und unentbehrlichsten Kenntnisse und Werkzeuge 2u danken hat. Vorziiglich hatte sie jene heilige
Sprache gelockt,
glmzende Band jener koniglichen Menschen mit xiberirdischen Gegenden und Bewohnern gewesen war und von der einige Worte, nach dem Verlaut mannigfaltiger Sagen, noch im Besite einiger gliicklichen Weisen xmter unsern Vorfahren gewesen sein mogen. Ihre Aussprache war ein wunderbarer die das
Gesang, dessen unwiderstehliche Tone tief in das Innere jeder Natur eindrangen
Jeder ihrer
Namen
und
sie zerlegten.
schien das Losungswort
fiir
die
Mit schopferischer Gewalt erregten diese Schwingungen alle Bilder der WeltSeele jedes Naturkorpers.
erscheinungen, und von ihnen konnte man mit Recht
Leben des Universums ein ewiges, tausendstimmiges Gesprach sei; denn in ihrem Sprechen schienen alle Krafte, alle Arten der Tatigkeit sagen, daB das
598
auf das unbegreiflichste vereinigt zn sein. Die Triimmer dieser Sprache, wenigstens alle Nachrichten von ihr, aufizusuchen, war ein Hauptzweck ihrer Reise gewesen, und der Ruf des Altertums hatte sie auch nachSais gezogen. Sie bofFten,hier von den erfahrnen
Vorstehern des Tempelarchivs wichtige Nachrichten zxL
erhalten
aller
Art
Lehrer
und vielleicht in den groBen Sammlungen den
selbst Aufschlxisse zxi finden. Sie baten
um
Nacht im Tempel Lehrstunden einige Tage bei-
die Erlaubnis, eine
schlafen und seinen wohnen zn diirfen. Sie erhielten, was sie wiinschten, tmd freuten sich innig, wie der Lehrer aus dem
Schatze seiner Erfahrungen ihre Erzahlungen mit
mannigfaltigen Bemerkungen begleitete
und
eine
Reihe lehrreicher und anmutiger Geschichten und
Beschreibungen vor ihnen entwickelte. Endlich
kam
den unterschiednen Natursinn in jungen Gemiitern zn erwecken, zu uben, zu scharfen und ihn mit den andern Aniagen zu hoheren Bliiten und Friichten zu verer auch auf das Geschaft seines Alters,
knxipfen.
„Ein Verkiindiger der Natur zu
sein,
ist
ein
sch5nes und heiliges Amt*^ sagte der Lehrer. „Nicht
Umfang und Zusammenhang der KenntGabe, diese Kenntnisse leicht und an bekannte Begriffe und Erfahrungen anzu-
der bloBe
nisse, nicht die
rein
kniipfen
Worte
und
roit
die eigentiimlichen, fremd klingenden gewdhnlichen Ausdrucken zu vertau-
schen, selbst nicht die Geschicklichkeit einer reichen
Einbildungskraft, die Naturerscheinungen in leicht
und treffend beleuchtete Gem^de zu ordnen, entweder durch den Reiz der Zusammenstellung
faBliche
die
599
and den Reichtum des Inhalts die Sinne spannen und befriedigen oder den Geist dutch eine tiefe Bedeutung entz-iicken, alles dies macht noch nicht das echte Erfordernis eines Naturkiindigers aus.
um etwas
anderes zu tun
ist als
Wem es
um die Natur, dem ist
wer eine innige Sehnsucht wer in ihr alles sucht und empfindliches Werk2eug ihres ge-
es vielleicht genug, aber
nach der Natur gleichsam ein
spiirt,
heimen Tuns ist, der wird nur den fiir seinen Lehrer und fiir den Vertrauten der Natur erkennen, der mit Andacht und Glauben von ihr spricht, dessen Reden die wunderbare unnachahmliche Eindringlichkeit und Unzertrennlichkeit haben, dutch die sich wahre Evangelia, wahre Eingebungen ank-undigen. Die urspriinglich giinstige Anlage eines solchen natiiriichen Gemiits muB dutch unablassigen FleiB von Jugend auf, dutch Einsamkeit und Stillschweigen, well vieles Reden sich nicht mit der steten Aufmerksamkeit vertragt, die ein solcher anwenden mufi,
dutch kindliches, bescheidnes Wesen und unermiidliche
Geduld
unterstiitzt
und
ausgebildet sein. Die
Zeit laBt sich nicht bestimmen, wie bald einer ihrer
Geheimnisse
teilhaftig wird.
langten friaher,
manche
erst
Manche Begliickte geim hohen Alter da2u.
Ein wahrer Forscher wird nie
dem
alt,
jeder ewige Trieb
und je mehr und glan2ender und machtiger wird der Kern. Auch haftet diese Gabe nicht an auBerer Schonheit oder Kraft
ist
auBer
Gebiete der Lebenszeit,
die auBere Hiille verwittert, desto heller
oder Einsicht oder irgendeinem menschlichen Vor2ug. In alien Standen, unter jedem Alter und Geschlecht, in alien Zeitaltern
400
und unter jedem Him-
von der Lieblingen ausersehn und dutch
melsstriche hat es
Menschen gegeben,
die
Natur zn ihren inneres Empfangnis begliickt waren. Oft schienen diese Menschen einfaltiger und ungeschickter zu sein als andere
und blieben
ihr gan2:es
Leben hinEs
durch in der Dunkelheit des groBen Haufens. ist
sogar
man
als eine
rechte Seltenheit zu achten,
wenn
das wahre Naturverstandnis bei groBer Bered-
und einem prachtigen Betragen da es gemeiniglich die einfachen Worte, den geraden Sinn und ein schlichtes Wesen hervorbringt Oder begleitet. In den Werkstatten der Handwerker samkeit, Klugheit findet,
und
Kiinstler
tigem
und
Umgang und
da,
wo
Streit
die
Menschen in vielfah
mit der Natur sind,
als
da
beim Ackerbau, bei der Schiffahrt, bei der Vieh2ucht, bei den Erzgruben und so bei vielen andern Gewerben, scheint die Entwicklung dieses Sinns am leichtesten und oftersten stattzuiinden. Wenn jede Kunst in der Erkenntnis der Mattel, einen gesuchten Zweck zu erreichen, eine bestimmte Wirkung und Erscheinung hervorzubringen, und in der Fertigkeit, diese Mittel 2u wahlen und an2uwenden, besteht, so muB derjenige, der den innern Beruf fuhlt, das Naturverstandnis mehreren Menschen gemein zu machen, diese Anlage in den Menschen vor^uglich zu entwickeln und zu pflegen, 2uerst auf die natiirlichen Anlasse dieser Entwicklung sorgfaltig zu achten und die Grundziige dieser Kunst der Natur abizulernen suchen. Mit Hilfe dieser erlangten Einsichten wird er sich ein System der Anwendung dieser Mittel bei jedem gegebenen Individuum, auf
ist
Versuche, Zergliederung und Vergleichung Nopohs, Gesammelte Werke
i
gegriin*-
401
det, bilden, sich dieses
System
bis 2ur
andern Natur
aneignen und dann mit Enthusiasmus sein belohnendes Geschaft anfangen.
Nur
diesen wird
man
mit
Recht einen Lehrer der Natur nennen konnen, da
nur 2 ufallig und sympathetisch, wie ein Naturer^eugnis selbst, den Sinn fur die Natur erwecken wird/^ jeder andre bloBe Naturalist
entwOrfe ZUY Fortsetzung der ^Lehrlinge zm Sais'' 1
Verwandlung des Tempels 2u der Isis. statt
Sais.
Erscheinung
Tod des Lehrers. Traume im Tempel. Werk-
des Archaus.
Ankunft der griechischen Gotter.
Einweihung in die Geheimnisse. Bildsaule des Memnon. Reise zn den Pyramiden. Das Kind und sein Johannes. Der Messias der Natur. Neues Testament und neue Natur als neues Jerusalem. Kosmogenien der Alten. Indische Gottheiten.
2
Der Mensch hat immer symbolische Philosophic Wesens in seinen Werken und seinem Tun und Lassen ausgedriickt. Er verkiindigt sich und sein seines
Evangelium der Natur, er
ist
der Messias der Natur.
3
Ein Gxinstling des Gliicks sehnte sprechliche Natur zn umfassen.
402
sich, die
unaus-
Er suchte den
ge-
heimnisvollen Aufenthalt der
Isis,
Sein Vaterland
und seine Geliebten verlieB er und achtete im Drange seiner Leidenschaft auf
den
Kummer
seiner Braut
nicht. Lange wahrte seine Reise. Die Muhseligkeiten waren groB. Endlich begegnete er einem Quell und Blumen, die einen Weg fur eine Geisterfamiijie bereiteten. Sie verrieten ihm den Weg 2u dem Heiligtume. Entziickt von Freude kam er an die Txire. Er trat ein und sah - seine Braut, die ihn mit Lacheln empfing.
Wie er sich umsah, fand er sich in seiner
kammer, und
Schlaf-
Nachtmusik tonte unter seinen Fenstern 2u der siiBen Auflosung des Geeine liebliche
heimnisses.
4 zu
Einem gelang es, - er hob den Schleier der Gottin Sais ~ Aber was sah er? er sah - Wunder des
Wunders,
sich selbst. 5
Jesus der Held. Sehnsucht nach dem Heiligen Grabe. Kreuzlied. Nonnen- und Monchshed. Der
Anachoret. Die Weinende. bet.
Der Suchende. Das Ge-
Sehnsucht nach der Jungfrau. Die ewige Lampe.
Sein Leiden. Jesus in Sais.
Das Lied der Toten. 6
Der Naturstaat
ist res
privata (mystisch)
publica 2 ugleich. (Mystizism der Natur. fi^u. Schleier.
und
Isis.
res
Jung-
Geheimnisvolle Behandlung der Na-
turwissenschaft.)
REGISTER DER GEDICHTE Naci dem
AUe Menschen
Dei Fremdling
seh ich
leben
93
Allmachtigef Geist, Urquell
G.
Als ich an
. .
82
Holtys Ge-
dichte schickte
Am Gtabe memes Vaters Am Sonnabend Abend
93 .
75
.
94
An Adolf Selmnitz An den Heim Rektor Jam An den Sldaven An den Sohn des Herrn
105
84 77
Prof. Bulger
58
An die Dichtkunst An die Fundgrube Auguste An die Muse An die Wippernymplie ... An Dora An ein fallendes Blatt ..... An Filidor An Herrn A, W. Schlegel und
I
Tttel geordnet:
II
67 106
74 57 116
70 73
59~6 o
Anjulien 115 An Karl von Hardenberg 118 An meine Mutter I und II 55-57 An meine sterbende .
Schwester
AnTieck Armenmideid Astraks
Badelied Bei
dem Falkenstein
Burgunderwein
76 113
55
Der gefundne Schate .... 60 Dei Harz yg Der Himmel war umzogen no Der mude Fiemdling 1st verschwunden
101
Der Rosenstock Der sterbende Genius Der Wettstreit
73 102
.
72
Die Kahnfahrt Die Liebe Die Nachtigall Die Vermahlung der Jahreszeiten
..
.
86 69 85
.*...353
Distichen I-VIII
119-121
Elegie auf einen Kirchhof
87
,
Esfarbtesich die Wiese grun 109 Es kann kein Rausch sein 98 .
.
Fragment Geisthche
121
Ueder
29-52
Geschichte der Poesie ...
88
Gotdob, daB ich auf Erdcn bin
64
Gott
80
73
302
Hymne Hymmn an die Nacht
38
9-25
72 79 66
In das Stammbuch
I
und II
Kenne dich selbst Klagen eines Junglings
Cbaraktcr meiner kunftigen
Frau
404
103 ...
89
65
Qior der Jungfrauen aus „Marpissa** I und II 1 21-122 Cytbere
92
68
Letzte Liebe
Lied aus Sais*‘
104 Lehrlinge
377
1
Liedef aus ,,Hemmbpon
Vermiscbte GedtcbU .... 55-122
172
Ofierdtngen*^
175, 180, 184, 202, 204, 212, 239, 241, 267, 274, 282, 301,
302, 307, 309, 338, 339, 343,
344 » 353
Walzef
Wie
selig
95
war
die Zeit der
Knabenspiele
87
-
Marienlieder I
und
11
.
.
.
50-52
MemWunsch
71
Zueignung
125-126
Zufriedenheit
83
Zu Sophiens Geburtstag Sehnsucht nach
dem Tode
23
Nach dem Begma der
AUeMenschen seh ich leben
93
Ailmachtiger Geist, Urquell aller
Wesen
....
82
Also noch ein freundiicher Blick
An
einem Sommermorgen 302 ich bin in Afkadien geboren 59-60 Auch uns smg hier 85 Auf, Freunde, hemnter das
Auch
geboren
72 241
Berge jauchzet, Hugel hupfet
49
Bin ich noch der Bricht das matte Herz noch
immer
94
Das furchtbar za den Das Grab
180
DaB ich mit namenloser Freude 115 Deinen Wangen entflohn. 76
Der Himmel war umzogen
96 106
Gedichte geordnef:
Der ist derHerr der Erde Der Jungling bist du Der mude Fremdling ist
202
.
19 loi
Der Sanger fahrt aus schonen Traumen Der Sanger geht auf rauhen
175
Pfaden
Die beste Muse ist Cythere Die Liebe ging auf dunkler
Bahn
172 68
274
Die mich einst mit Schmerzgebar Die sind sicher vor des Schicksals Neide Die, welche einst mich
55
121
fesseln soli
65
Trieb Eile,
16
steht unter
wildenHeiden
ZutWeinlese
Du hast in mk den edlen 184
frohen Tischen
.
verschwunden 104
heifie Gewand Auf gmnen Betgen wird
.
no
125
Knabc,
Einem gelang es Ein Kind voU Wehmut
77 1 19
... 113
Tranen EinsnuristjWasderMensch Eros, welchen im Lenz ... Erwacht in euren Zellen Es farbte sich die Wiese
Ernst, da ich bittre
.
1
103 121
, .
282
.
109
.
405
9
Es gibt so bange Zeiten ... Es ist dem Stein em ratselhaftes Zeichen
Es kann kein Rausch sein Es nahet sich der Winter .
1
43
Ihr Herz war voller Freuden 307 Immer hinuber den Strom 92
162
In ewigen Verwandlungen 126 In stiller Treue sieht man
.
98
.
70
gem
118
Ist es nicht
Feinliebchen, hast
du mir 60
nie Liebe gelogen
FernimOsten Freunde, der Boden 1st arm Freund, hier schicke ich dir Fursten sind NuUen
klug
120
Jungst stritt ich mit Lottchen
32 11
95
120
Gegrundet 1st das Reich der Ewigkeit 301
Kirchhof, werter mir
87
Knaben, rudeit geschwind Konig mochte sein
20
Liebeszahren, Liebes-
Geistder Vorzeit
79
flammen Lobt doch unsre
ich
noch im 212
Tale Gespielin meiner Jugend
.
.
I
64
Gluckauf, Fundgrube,
106
Hab Gold und Guter
73
Harz, du Muttergcbirg ...
78
Himmlisches Leben im blauen
Gewande
....... 338
Gottinnen selbst ... 122
Ich kenne
wo
309 stillen
Feste
344
Mag Claudius dich tadeln Mude bist du und kalt
MuB immer
der
Morgen
.
.
66
99 .
1
Nicht lange wird der schone
Fremde
267
undankbar
89
Nun weiB ich, wenn der letzte
Morgen
12
Oft trieb mich in den ein-
samen Stunden Quintus bin ich geblieben
84
.
121
ein festes
SchloB Ich sag es ^edcm
204 42
Ich sehe dich in tauscnd Bildern
Ich singe Gott
suchen konnte
Rosenblutchen, das gute
Kind
377
Rosenstockchen, wart ....
73
Sag an, mein Mund Schiummre immer, lieber
73
52
80
Ich weiB nicht, was ich
406
19
Nimmer schwanden
Hinuber wall ich 14 Hinunter die Pfade des Lebens 93 Hinunter in der Erde SchoB 2 3 Hypothesen sind Netze ... 120 Ja, der
1
67
Gottlob daB ich auf Erden bin
86 71
LaBt die Libellen ziehn ....
Gehoben ist der Stein Gern verweil
als
Goldpalaste
44
Kleiner
58
7
Segen
sei
an
Sei stets nut
demem Grabe demem Los
zufneden
75 83
Smd wir nicht gepkgte Wesen
239 116
Soil dieset Blick
Tief
m Gedanken
353
Wenn ich ihn nuf babe .... Wenn in bangen, ttnben Stunden
48
Wenn nicht mehr Zahlen Wenn sanft von Rosen-
.
.
hugeln
69
Wennunsre Wunsche Wet ein holdes Weib
....
etrungen
Stamme
15
erblickt
50
35
33
Wie die Erde voller Schonheit
das
muB sich 105
gewesen
29
WemenmuBich
40
begabte
9 .
..120
87 102
die so
freundlich
57 .... 106
Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt
Wohm 2iehst du mich
gelachelt
Wenige wissen Geheimms
Wippemymphe,
Wir haben Wemmond
Welcher Lebendige, SmnWelten bauen genugt Wem du bei der Geburt
Knabenspiele
Willkommen, Lieber
dich
.
88
Wie selig war die Zek der
runden
Was wat ich ohne
56
96
Wer emsam sitzt
Unter tausend frohen Stunden
Was paBt,
343
Wer emmal, Mutter, dich
tiber der Menscben weit-
verbfekete
36
46 ...
339
74 38
Zart 1st der Faden der Freundschaft
92
37
Zu Ende neigte die alte Welt
1
das
Wenn alle xmtreu werden
.
407
INHALTSVERZEICHNIS LYRIK Seitc
Hymnen an
Nacht
dte
9-25
Geistliche Lteder
29-52
Vemischte Gedtchte
55-122
NACHGELASSENE
ROMANFRAGMENTE Hmnch
von OJterdingen
Zueignung
125-126
'Brster Tell:
Die Efwartung
Zn^eiter Tell:
Die Etfnlhmg
127-301
502-328
Das Kloster oder det Vorhof
.
.
Das Gesicht
Die
302-326 327-328
Handschriftliche Entmiife
329-340
Tiecks Bedcht uber die Fortsetzung
341-354
'Lehrlinge
^ Sals
'Brster
Ted: Der Lehrling
Zwetier Tell:
357-362
Die Natur
Handschtiftliche
362-402
Entmufe
402-403
REGISTER DER GEDICHTE Nach den
Titeln geordnet
404-405
Nacb dem Beginn der Gedichte geordnet
Das
Portrat
Friedrich
wrdc
von Novalis
Eduard Eichens
ENDE
DE's
,
dutch den Kupfctstecher
(Berlin)
un Jahr
1845 verfertigt.
ERSTEN BANDES
.
405-407