Gesammelte Werke - Erster Band

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Gesammelte Werke - Erster Band

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NOVALIS GESAMMELTE WERKE

Mit einem Lebensbericht herausgegeben

von

CARL SEELIG

BtlHL-VERLAG/HERRLIBERG-ZURICH

Schutzumschlag von Waltet Kach

AUe Rechte

votbehalten.

Copyright 1945 by Buhl-Verlag AG., Herrlibetg-Ztirich

Dnick: Buchdnickerei Berichthaus Zurich Printed in Switzerland

ERSTER BAND

Hymnen an

die

Nacht

Geistliche Lieder / Gedichte

Heinrich von Ofterdingcn

Die Lehrlinge zu

Sais

Hymnen an

die

Nacht

I

Welcher Lebendige, Sinnbegabte

liebt nicht vor Wxmdererscheinungen alien des verbreiteten Raums um ihn das allerfrenliche Licht — mit seinen Farben, seinen Strahlen und Wogen; seiner milden Allgegenwart, als weekender Tag. Wie des Lebens innerste

Seele atmet es der rastlosen Gestirne Riesenwelt

schwimmt

tan5:end in seiner blauen Flut

und

— atmet

es

der funkelnde, ewigruhende Stein, die sinnige, sau-

gende P£lan5:e und das wilde, brennende, vielgestal— vor alien aber der herrliche Fremdling mit den sinnvollen Augen, dem schwebenden Gange und den zartgeschlossenen, tonreichen Lippen. Wie ein Konig der irdischen Natur ruft es jede Kraft 2u 2;ahllosen Verwandlungen, kniipft und lost unendliche Biindnisse, hangt sein himmlisches Bild jedem irdischen Wesen um. — Seine Gegenwart allein offenbart die Wunderherrlichkeit der Reiche der Welt. Abwarts wend ich mich 2u der heiligen, unaussprechlichen, geheimnisvollen Nacht, Fernab Hegt die Welt — in eine tiefe Gruft versenkt — wiist und einsam ist ihre Stelle, In den Saiten der Brust weht tiefe Wehmut. In Tautropfen will ich hinuntersinken und mit der Asche mich vermischen. — Fernen der Erinnerung, Wiinsche der Jugend, der Kindheit Traume, des ganizen langen Lebens kurze Freuden und vergebliche Hoffnungen kommen in grauen Kleidern wie Abendnebel nach der Sonne Untertige Tier

9

gang. In andern

Raumen schlug

die lustigen Gezelte

das Licht auf. SoUte es nie zu seinen Kindern wiederkommen, die mit der Unschuld Glauben seiner barren?

Was

quillt

auf eintnal so ahndungsvoU unterm

Wehmut weiche Luft? Herzen und uns, dunkle Nacht? an Hast auch du ein Gefallen Was h^tst du unter deinem Mantel, das mir unsichtverschluckt der

bar kraftig an die Seele geht? Kostlicher Balsam trauft aus deiner Hand, aus dem Biindel Mohn. Die

schweren Flugel des Gemiits hebst du empor. Dunkel und unaussprecMch fuhlen wir uns bewegt — ein emstes Antlitz seh ich froh erschrocken, das sanfit

imd andachtsvoU

sich

zu mir neigt und unter un-

endlich verschlungenen Locken der Mutter liebe

Jugend zeigt. Wie arm und kindisch diinkt mich das nun — wie erfreulich und gesegnet des Tages

Licht

Abschied.



Also nur darum, weil die Nacht dir

abwendig macht die Dienenden, saetest du in des

Raumes Weiten die leuchtenden Kugeln, zu verkiinden deine AUmacht — deine Wiederkehr — in den Zeiten deiner Entfernung. Himmlischer als jene blitzenden Sterne diinken uns die unendlichen Augen, die die Nacht in uns geoffnet. Weiter sehn sie als die biassesten jener zahllosen Heere — unbedurftig des Lichts, durchschaun sie die Tiefen eines liebenden

— was einen hohern Raum mit unsaglicher WoUust fiillt. Preis der Weltkonigin, der hohen Ver-

Gemiits

kundigerin hediger Weiten, der Pflegerin seliger

— sie sender mir dich — zarte Geliebte — liebliche Sonne der Nacht, — nun wach ich — denn ich bin dein und mein — du hast die Nacht mir zum Leben verkiindet - mich zum Menschen gemacht — Liebe

10

zehre mit Geisterglut meinen Leib, daB ich luftig mit

mich mische uad dann ewig die Braut-

dif inniger

nacht wahrt. II

MuB immer der Morgen wiederkommen ? Endet nie des Irdischen Gewalt? Unselige Geschaftigkeit verzehrt den himmlischen Anflug der Nacht.

Wird

nie

der Liebe geheimes Opfer ewig brennen ? Zugemessen ward

raumlos

dem

ist

Dauer des

Lichte seine Zeit; aber 2eitlos

und

— Ewig ist die Schlaf — begliicke zu

der Nacht Herrschaft. Schlafs. Heiliger

Nacht Geweihte in diesem irdischen Tagewerk. Nur die Toren verkennen dich und wissen von keinem Schlafe als dem Schatten, den du in jener Dammerung der wahrhaften Nacht mitleidig auf uns selten nicht der

wirfst. Sie fiihlen dich nicht in der

goldenen Flut der

Trauben — in des Mandelbaums Wunderol und dem braunen Safte des Mohns. Sie wissen nicht, daB du es bist, der des zarten Madchens Busen umschwebt und zum Himmel den SchoB macht — ahnden nicht, daB aus alten Geschichten du himmeloffnend entgegentrittst und den Schlussel tragst zu den Wohnungen der SeUgen, unendlicher Geheimnisse schweigender Bote.

m Einst, da ich bittre Tranen vergoB, da in Schmerz aufgelost meine

stand

am

HofFnung zerrann und ich einsam

durren Hiigel, der in engem, dunkeln

Raum die Gestalt meines Lebens barg — einsam, wie II

noch kein Einsamer war, von unsaglicher Angst getrieben — kraftlos, nur ein Gedanken des Blends noch, - wie ich da nach Hiilfe umherschaute, vor-

und ruckwarts nicht und am fliehenden, verloschten Leben mit unendlicher Sehnsucht hing: — da kam aus blauen Fernen — von den warts nicht konnte

Hdhen meiner alten Seligkeit ein Dammerungsschauer — und mit einem Male riB das Band der Geburt -* des Lichtes Fessel. Hin floh die irdische Herrlichkeit und meine Trauer mit ihr — 2;usammen floB die

Wehmut in

eine neue, unergriindliche

Welt

— du, Nachtbegeisterung, Schlummer des Himmels, kamst liber mich — die Gegend hob sich sacht empor Gegend schwebte mein entbundner, neu-

iiber der

geborner Geist. Zur Staubwolke wurde der Hugel



durch die Wolke sah ich die verklarten Ziige der

Augen ruhte die Ewigkeit — ich H^de, und die Tranen wurden ein fun-

Geliebten. In ihren faBte ihre

20gen Feme, wie Ungewitter. An ihrem Halse weint ich dem neuen Leben entziickende Tranen. — Es war der erste, einzige Traum — und erst seitdem fiihl ich ewigen, unwandelbaren Glauben an den Himmel der Nacht und sein Licht, die Geliebte. kelndes, unzerreiBliches Band. Jahrtausende

abwMs

in die

IV

Nun weiB ich, wenn der letzte Morgen sein wird — wenn das

Licht nicht

scheucht

— werm

mehr die Nacht und die Liebe der Schlummer ewig und nur ein unerschopflicher Traum sein wird. Himutnlische Mii12

digkeit fuhl ich in mir.

— Weit und ermudend ward

mir die Wallfahrt zum Heiligen Grabe, driickend das die, gemeinen Sinnen unvernehmlich, in des Hiigels dunkelm SchoB quillt, an dessen FuB die irdische Flut bricht, wer sie gekostet, wer oben stand auf dem Grenzgebiirge der Welt und hinubersah in das neue Land, in der Nacht Wohnsitz — wahrlich, der kehrt nicht in das Treiben der Welt zuriick, in das Land, wo das Licht in ewiger

Kreuz. Die kristallene Woge,

Unruh hauset. Oben baut er sich Hiitten, Hutten des Friedens, sehnt sich und liebt, schaut hinuber, bis die willkommenste

aller

Stunden hinunter ihn in den Brunnen

der Quelle zieht

— das Irdische

schwimmt obenauf,

wird von Sturmen zuruckgefiihrt, aber was heilig dutch der Liebe Beruhrung ward, rinnt aufgelost in verborgenen Gangen auf das jenseitige Gebiet, wo es, wie Dufte, sich mit entschlummerten Lieben mischt. Noch weckst du, muntres Licht, den Miiden zur Arbeit — floBest frohliches Leben mir ein — aber du lockst mich von der Erinnerung moosigem Denkmal nicht. Gern will ich die fleiBigen Hande riihren, •iiberall umschaun, wo du mich brauchst ruhmen deines Glanzes voile Pracht — unverdrossen verfolgen deines kiinstlichen Werks schonen Zusam-

menhang — gernbetrachtendeiner gewaltigen, leuchtenden Uhr sinnvollen Gang — ergriinden der Krajfte EbenmaB und die Regeln des Wunderspiels unzahliger Raume und ihrer Zeiten. Aber getreu der Nacht bleibt mein geheimes Herz, und der schaffenden Liebe, ihrer Tochter. Kannst du mir zeigen ein ewig treues Herz ? Hat deine Sonne freundliche Augen, die 13

mich erkennen? Fassen deine Sterne meine verlangende Hand? Geben mir wieder den zartlichen Dmck und das kosende Wort? Hast du mit Farben

und leichtem UmriB sie geziert - oder war sie es, die deinem Schmuck hohere, liebere Bedeutung gab? Welcbe WoUust, welchen GenuB bietet dein Leben, die aufwogen des Todes Entziickungen? Tragt nicht alles, was uns begeistert, die Farbe der Nacht ? Sie tragt dich miitterlidi, und ihr verdankst du all deine Herrlichkeit.

Du verflogst in dir selbst — in endlosen

Raum zergingst

du,

wenn

sie

dich nicht hielte, dich

du warm wiirdest und flammend die Welt zeugtest. Wahrlich, ich war, eh du warst — die Mutter schickte mit meinen Geschwistern mich, zu bewohnen deine Welt, sie zu heiligen mit Liebe, daB sie ein ewig angeschautes Denkmal werde — zu bepflanzen sie mit unverwelklichen Blumen. Noch reiften sie nicht, diese gottlichen Gedanken — Noch sind der Spuren unserer Oifenbarung wenig — Einst zeigt deine Uhr das Ende der Zeit, wenn du wirst wie unsereiner und voll Sehnsucht und Inbrunst ausloschest und stirbst. In mir fiihl ich deiner Genicht bande, daB

schaftigkeit

Ende



himmlische Freiheit, selige

Ruckkehr. In wilden Schmerzen erkenn ich deine

Entfemung von unsrer Heimat, deinen Widerstand gegen den alten, herrlichen Himmel. Deine Wut und dein Toben ist vergebens. Unverbreimlich steht das Kreuz

— eine

Siegesfahne unsers Geschlechts.

Hiniiber wall ich,

Und jede

Pein

Wkd einst ein

Stachel

Der WoUust sein. Noch wenig Zeiten, So bin ich

Und

liege

los

trunken

Der Lieb im SchoB. Unendliches Leben

Wogt machtig

in mir,

Ich schaue von oben

Herunter nach dir. An jenem Hiigel Verlischt dein Glanz

Ein Schatten bringet

Den OI

kiihlenden Kranz.

sauge, Geliebter,

Gewaltig mich an,

DaB ich entschlummern Und lieben kann. Ich

fiihle

des Todes

Verjiingende Flut,

Zu Balsam und

Ather

Verwandelt mein Blut



Ich lebe bei Tage

Voll Glauben und

Und

sterbe die

Mut

Nachte

In heiliger Glut.

V Uber derMenschen weitverbreitete Stamme herrschte vorzeiten ein eisernes Schicksal mit

Eine dunkle, schwere Binde lag

stummer Gewalt.

um ihre bange Seele 15

— unendlich wat die Erde —

der Gotter Autenthalt

Ewigkeiten stand ihr geheimMorgens roten Bergen, in des tJber Ban. nisvoUer wohnte die Sonne, das SchoB des Meeres heiligem aliziindende, lebendige Licht. Ein alter Riese trug

und

ihre Heimat. Seit

Bergen lagen die Ursohne Ohnmachtig in ihrer zerstoren-

die selige Welt. Fest unter

der Mutter Erde.

den Wut gegen das neue herrliche Gottergeschlecht und dessen Verwandten, die frohlichen Menschen.

Des Meets dunkle, griine Tiefe war einer Gottin SchoB. In den kristallenen Grotten schwelgte ein uppiges Volk. Fliisse, Baume, Blumen und Tiere batten menschHchen Sinn. SuBer schmeckte der Wein, von sichtbarer Jugendfiille geschenkt — ein Gott in den Trauben — eine liebende, miitterliche Gottin, emporwachsend in vollen goldenen Garben — der Liebe heilger Rausch ein siiBer Dienst der schonsten Gotterfrau — ein ewig buntes Fest der Himmelskinder und der Erdbewohner, rauschte das Leben, wie ein FriiliUng, dutch die Jahrhunderte hin



.

Alle

Geschlechter verehrten kindlich die zarte, tausendfaltige Flamme als das Hbchste

nur war

es, ein entsetzliches

der Welt. IBan Gedanke

Traumbild,

Das furchtbar zu den frohen Tischen

Und

das

Gemut

trat

in wilde Schrecken hiillte.

Hier wuBten selbst die Gotter keinen Rat,

Der

beklommne Brust roit Trost erfuUte. war dieses Unholds Pfad, Des Wut kein Flehn und keine Gabe stillte; Es war der Tod, der dieses Lustgelag Mit Angst und Schmerz und Tranen unterbrach. die

Geheinanisvoll

t6

Auf ewig nun von Was hier das Herz

allem abgeschieden. in siiBer Wollust regt,

Getrennt von den Geliebten, die hienieden

Vergebne Sehnsucht^ langes Web bewegt, Schien matter Traum dem Toten nur bescbieden, Ohnmachtges Ringen nur ihm auferlegt. Zerbrochen war die Woge des Genusses

Am Felsen des unendlichen Verdrusses. Mit kiihnem Geist und hoher Sinnenglut Verschonte sich der Mensch die grause Larve,

Ein

sanfter Jungling loscht das Licht

Sanft wird das Ende, wie ein

Wehn

und ruht — der Harfe.



Erinnrung schmikt in kiihler Schattenflut, So sang das Lied dem traurigen Bedarfe* Dock unentratselt blieb die ewge Nacht, Das ernste Zeichen einer fernen Macht.

2u Ende

neigte die alte Welt sich.

Geschlechts Lustgarten verwelkte freieren, wiisten

Raum



Des ungen j

hinauf in den

strebten die unkindlichen,

wachsenden Menschen. Die Gotter verschwanden mit ihrem Gefolge — einsam und leblos stand die Natur. Mit eiserner Kette band sie die diirre Zahl und das strenge MaB. Wie in Staub und Lxifte zerfiel in dunkle Worte die unermeBliche Blxite des Lebens. Entflohn war der beschworende Glauben und die allverwandelnde, allverschwisternde Himmelsgenossin,

die Phantasie,

Nordwind

Unfreundlich blies ein kalter

iiber die erstarrte Flur,

und

die erstarrte

Wunderheimat verflog in den Ather. Des Himmels Femen fiillten mit leuchtenden Welten sich. Ins tiefre 17

Heiligtum, in des Gemiits hohern Raum zog mit zu walten dort ihren Machten die Seele der Welt



bis

zum Anbruch

der tagenden Weltherrlichkeit.

Nicht mehr -wrar das Licht der Gotter Aufenthalt und TnimmligrTips Zeidien — den Schleier der Nacht warfen sie iiber sich. Die Nacht ward der OfFenbarungen machtiger SchoB

— schlummerten

— in ihn kehrten die Gotter zuriick ein, um in neuen, herriichem Ge-

V

auszugehn iiber die veranderte Welt. Im oik, vor alien verachtet, zu friih reif und der seligen

stalten

das,

Unschuld der Jugend trotzig fremd geworden war, erschien mit nie gesehenetn Angesicht die neue Welt

— In der Armut dichterischer Hiitte — Ein Sohn der und Mutter — Geheimnisvoller Um-

ersten Jungfrau

armiing imendliche Frucht.

Des Morgenlands ahn-

dende, bliitenreiche Weisheit erkannte zuerst der

neuen Zeit Beginn — Zu des Konigs demiitiger Wiege wies ihr ein Stern den Weg. In der weiten Zukunft

ihm mit Glanz und Dufit, den hochsten Wundem der Natur. Einsam entfaltete das

Namen

huldigten sie

himmlische Herz sich zu einem Bliitenkelch allmach-

— des Vaters hohem Antlitz zugewandt und ruhend an dem ahndungsselgen Busen der lieblich emsten Mutter. Mit vergotternder Inbrunst

tiger Liebe

schaute das weissagende Auge des bliihenden Kindes

auf die Tage der Zukunft, nach seinen Geliebten, den Sprossen seines Gotterstamms, unbekiimmert iiber seiner

Tage irdisches

Schicksal.

Bald sammelten die

kindlichsten Gemiiter, von inniger Liebe wundersam ergriffen, sich

um

ihn her. Wie Blumen keimte ein

Leben in

seiner Nahe. Unerschopfhche Worte und der Botschaften frohlichste fielen wie

neues, ftemdes

Fuaken

eines gottlichen Geistes

lichen Lippen.

Von

von

seinen freund-

ferner Kiiste, unter HeUas^ hei-

termHimmel geboren,kam ein S^ger nach Palastina und ergab sein gan2:es Hctz dem Wunderkinde: Der

Jiingling bist du, der seit langer Zeit

Auf unsem Grabern

steht in tiefem Sinnen;

Zeichen in der Dunkelheit ~ Der hohern Menschheit freudiges Beginnen.

Ein

trostlich

Was uns Zieht

gesenkt in tiefe Traurigkeit,

xins roit

suBer Sehnsucht nun

von hinnen.

Im Tode ward das ewge Leben kund, Du bist der Tod und machst uns erst gesund. Der Sanger zog voU Freudigkeit nach Indostan — von siiBer Liebe trunken; und schiittete in feurigen Gesangen es unter jenem milden Himmel aus, daB tausend Her2 en sich 2 u ihm neigten und die das Herz

frohliche Botscbaft tausend2weigig

emporwuchs.

Bald nach des Sangers Abschied ward das kostliche Leben ein Opfer des menschlichen tiefen Verfalls —

Er

starb in

jungen Jahren, weggerissen von der gevon der weinenden Mutter und seinen

liebten Welt,

2agenden Freunden.

Der unsaglichen Leiden dun-

keln Kelch leerte der liebliche

Mund —

In entset2-

Angst nahte die Stunde der Geburt der neuen Welt. Hart rang er mit des alten Todes Schrecken — Schwer lag der Druck der alten Welt auf ihm. Noch einmal sah er freundlich nach der Mutter — da kam der ewigen Liebe losende Hand — und er entschlief. Nur wenig Tage hing ein tiefer Schleier xiber das

licher

^9

bmusende Meer, uber das bebende Land

— -unzahlige

Tranen weinten die Geliebten — Entsiegelt ward das Geheimnis - himmlische Geister hoben den uralten Stein

vom

dunkein Grabe. Engel saBen bei

dem

Schlummernden ~ aus seinen Traumen 2:art gebildet — Erwacht in neuer Gotterherrlichkeit, erstieg er die Hohe der neugebornen Welt — begrub mit eigner

Hand den alten Leichnam in die verlaBne Hohle und legte mit allmachtiger Hand den Stein, den keine Macht

erhebt, darauf.

Noch weinen

deine Lieben Tranen der Freude,

Tranen der Riihrung

und

des unendlichen

Banks an

deinem Grabe — sehn dich noch immer, freudig erschreckt, auferstehn — und sich mit dir; sehn dich

weinen mit suBer Inbrunst an der Mutter seligem Busen, ernst mit den Freunden wandeln, Worte sagen, wie

yom Baum des Lebens

gebrochen; sehen

dich eilen mit voller Sehnsucht in des Vaters

Arm,

bringend die junge Menschheit und der goldnen Zukunft unversieglichen Becher. Die Mutter eilte bald dir

nach

— in himmlischem Triumph —

Sie

war

die

dir. Lange Zeiten entimmer hoherm Glanze regte deine neue Schopfung sich — und Tausende izogen aus Schmerzen und Qualen, voU Glauben und Sehnsucht und Treue dir nach — waken mit dir und der himrnlischen Jungfrau im Reiche der Liebe — dienen im Tempel des himrnlischen Todes und sind in Ewig-

erste in

der neuen Heimat bei

und

in

Gehoben

ist

flossen seitdem,

keit dein.

der Stein

Die Menschheit

Wir 20

alle

ist



erstanden

bleiben dein



Und Der Vor

fiihlen keine

herbste

Banden.

Kummer fleucht

deiner goldnen Schale,

Wenn Erd und Leben weicht Im letzten Abendmahle. Zur Hochzeit ruft der Tod — Die Lampen brennen belle — Die Jungfraun sind 2ur Stelle Um Ol ist keine Not — Erklange dock die Feme Von deinem Zuge schon,

Und



ruften iins die Sterne

Mit Menschenzung’ xmd Ton.

Nach

dir, Maria, heben Schon tausend Herzen sich.

In diesem Schattenleben

nur dich. Sie hoffen zu genesen Mit abndungsvoller Lust — Driickst du sie, heilges Wesen, Verlangten

An

sie

deine treue Brust.

So manche, die sich gluhend In bittrer Qual verzehrt

Und

dieser

Nach Die

Welt entfliehend

dir sich hingekehrt;

uns erschienen Not und Pein — Wir kommen nun zu ihnen, ewig da zu sein. hiilfreich

In mancher

Um

Nun weint an keinem Grabe Fur Schmerz, wer liebend glaubt. Der Liebe siiBe Habe Wird keinem nicht geraubt — Die Sehnsucht ihm zn lindern, Begeistert ihn die Nacht — Von treuen Himmelskindern Wird ihm sein Httz bewacht. Getrost, das

Zum ewgen Von

Leben schreitet Leben hin;

innrer Glut geweitet,

Verklart sich unser Sinn.

Die Sternwelt wird zerflieCen

Zum

goldnen Lebenswein,

Wir werden

Und

Die Lieb

Und Wie Nur

ist frei

22

gegeben

voile

Leben

ein unendlich Meer. eine

Nacht der Wonne

ewiges

Und Ist

genieBen

keine Trennung mehr.

Es wogt das

Em

sie

lichte Sterne sein.

unser

Gedicht — aller

Sonne

Gottes Angesicht.



VI

SEHNSUCHT NACH DEM TODE Hinunter in der Erde SchoB,

Weg

aus des Lichtes Reichen,

Der Schmer2en Wut und wilder StoB 1st

froher Abfahrt Zeichen.

Wir kommen Geschwind

in

dem engen Kahn

am Himmelsufer

an.

Gelobt sei xms die ewge Nacht, Gelobt der ewge Schlummer. Wohl hat der Tag uns warm gemacht

Und welk der lange Kummer. Die Lust der Fremde ging uns aus, Zum Vater woUen wir nach Haus. Was soUen wir auf dieser Welt Mit unsrer Lieb und Treue? Das Alte wird hintangestellt. Was soil uns dann das Neue? O einsam steht und tiefbetrubt, Wer heiB und fromm die Vorzeit I

liebt.

Die Vorzeit, wo die Sinne licht In hohen Flammen brannten, Des Vaters Hand und Angesicht Die Menschen noch erkannten.

Und hohen Sinns, einfaltiglich Noch mancher seinem Urbild glich.

23

Die Vor^eit, Uralte

wo noch

bliitenreich

Stamme prangten

fur das Himmelreich Nach Qual und Tod verlangten. Und wenn auch Lust und Leben sprach, Doch manches Herz fiir Liebe brach.

Und Kinder

Die Vor2:eit, wo in Jugendglut Gott selbst sich kundgegeben Und friihem Tod in Liebesmut Geweiht

sein siiBes

Leben.

Und Angst und Schmerz Damit

er

uns nur teuer

nicht

von

sich trieb,

blieb.

Mit banger Sehnsucht sehn wir

sie

In dunkle Nacht gehiillet; In dieser Zeitlichkeit wird nie

Der heiBe Durst gestillet. Wir miissen nach der Heimat gehn,

Um diese heilge Zeit zn sehn. Was halt noch unsre Riickkehr auf. Die Liebsten ruhn schon lange. Ihr Grab schlieBt unsern Lebenslauf, Nun wird uns weh und bange. 2u suchen haben wir nichts mehr — Das Hetz ist satt — die Welt ist leer. Unendlich und geheimnisvoll Durchstromt uns stiBer Schauer

Mir deucht, aus tiefen Fernen Ein Echo unsrer Trauer. 24



scholl

Die Lieben sehnen

Und

Hinunter zu der

Zu

sich

wohl auch

sandten uns der Sebnsucht Hauch.

siiJBen

Braut,

dem Geliebten — die Abenddammrung

Jesus,

Getrost,

Den

grant

Liebenden, Betriibten.

Ein Traum bricht unsre Banden

Und

los

senkt uns in des Vaters SchoB.

25

Geistliche Lieder

I

"Was war

Was

ich

ohne dich gewesen ?

wiird ich ohne dich nicht sein?

Zu

Furcht und Angsten auserlesen. Stand ich in waiter Welt allein.

Nichts wiiBt ich sicher, was ich

liebte,

Die Zukunft war ein dunkler Schlund; Und wenn mein Herz sich tief betriibte, Wem tat ich meine Sorge kund ?

Einsam verzehrt von Lieb und Sehnen, Erschien* mir nachtlich jeder Tag; Ich folgte nur mit heiBen Tranen Dem wilden Lauf des Lebens nach. Ich fande Unruh

Und Wer Wer

im Getiimmel

Gram zn Haus. ohne Freund im Himmel, da auf Erden aus ?

hoffnungslosen hielte hielte

Hat Christus

sich

mir kundgegeben

Und

bin ich seiner erst gewiB,

Wie

schnell ver2:ehrt ein lichtes

Und

Indian

Leben Die bodenlose Finsternis. Mit ihm bin ich erst Mensch geworden; Das Schicksal wird verklart durch ihn,

muB

selbst

im Norden

Um den Geliebten frohlich blxihn* 29

Das Leben wird znt Liebesstunde, Die ganze Welt spricht Lieb und Lust. Ein heilend Kraut wachst jeder Wunde^

Und

frei

Fur

und

voll klopft jede Brust.

tausend

alle seine

Gaben

Bleib ich sein demutvolles Kind,

GewiB, ihn unter uns zn haben, Wenn zwei auch nur versammelt sind.

O! geht hinaus auf alien Wegen

Und

holt die Irrenden herein,

Streckt

Und

jedem eure Hand entgegen zu uns ein.

ladet froh sie

Der Himmel

Im Glauben Die

eines

bei uns auf Erden,

Glaubens mit uns werden,

Auch denen Ein

ist

schauen wir ihn an;

alter,

ist

er aufgetan.

schwerer

War

fest

Wir

irrten in der

Wahn von

Sxinde

an unser Herz gebannt;

Nacht wie Blinde,

Von Reu und Lust zugleich entbrannt. Ein jedes Werk schien uns Verbrechen, Der Mensch

ein Gotterfeind

Und

Himmel uns zu sprechen. nur von Tod und Pein.

zu. sein,

schien der

So sprach er

Das Herz, des Lebens reiche Quelle, Ein b5ses Wesen wohnte drin; Und wards in unserm Geiste heUe, So war nur Unruh der Gewinn. Ein eisern Band hielt an der Erde

Die bebenden Gefangnen fest; Furcht vox des Todes Richterschwerte Verschlang der HoiFnung Uberrest.

Da kam

ein Heiland, ein Befreier,

Ein Measchensohn, voU Lieb und Macht, Und bat ein allbelebend Feuer In unserm Innem angefacht. Nun sahn wir erst den Himmel ofFen Als unser

altes Vaterland,

Wir konnten glauben

Und

nton

und

hoffen

fuhlten uns mit Gott verwandt.

Seitdem verschwand bei uns die Siinde^

Und frohlich wurde jeder Schritt; Man gab znm schonsten Angebinde Den Kindern diesen Glauben mit; Durch ihn geheiligt, 2og das Leben Voruber wie ein seJger Traum, Und ewger Lieb und Lust ergeben, Bemerkte man den Abschied kaum.

Noch

steht in wunderbarem Glam:e Der heiHge Geliebte bier, Geriihrt von seinem Dornenkran^e

Und

seiner Treue, weinen wir. Ein jeder Mensch ist uns willkommen, Der seine Hand mit uns ergreift Und, in sein Herz mit aufgenommen,

Zur Frucht des Paradieses

reift.

31

II

Fern im Osten wird es helle, Graue Zeiten werden jung;

Aus der

lichten Farbenquelle

Einen langen, tiefen Trunk! Alter Sehnsucht heilige

Gewahrung,

SiiBe Lieb in gottlicher

Verklarung.

Endlich

kommt

znt Erde nieder

Himmel selges Kind, SchafFend im Gesang weht wieder

Aller

Um die Erde Lebenswind, Weht

m neuen, ewig lichten Flammen

Langst verstiebte Funken hier zusammen. Uberall entspringt aus Griiften

Neues Leben, neues Blut, Ewgen Frieden uns zn stiften, Taucht er in die Lebensflut; Steht mit yoUen Handen in der Mitte, Liebevoll gewartig jeder Bitte.

Lasse seine milden Blicke

Tief in deine Seek gehn,

Und von

seinem ewgen Gliicke

SoUst du dich ergriffen sehn.

AUe Herzen,

Geister und die Sinnen Werden einen neuen Tanz beginnen.

3^

Greife dreist nach seinen Handen,

Prage dir sein Antlitz

ein,

MxiBt dich immer nach ihm wenden,

nach dem Sonnenschein; Wirst du nur das ganze Herz ihm ^eigen,

Blxite

Bleibt er wie ein treues

Unser

ist sie

Weib

dir eigen.

nun geworden,

Gottheit, die uns oft erschreckt,

Hat im Siiden und im Norden Himmelskeime rasch geweckt.

Und

so laBt

im

vollen Gottesgarten

Treu uns jede Knosp und

Bliite warten.

ni

Wer einsam sitzt in seiner Kammer Und

schwere, bittre Tranen 'weint,

Wem nur gefarbt von Not und

Jammer

Die Nachbarschaft umher erscheint;

Wer iif Wie

das Bild vergangner Zeiten

tief in

einen

Abgrund

sieht.

In welchen ihn von alien Seiten

Ein

Es

siiBes

ist, als

Da

Weh hinunterzieht; — lagen Wunderschatze

unten fur ihn aufgehauft,

Nach deren SchloB

in wilder Hetze

Mit atemloser Brust

5

Novalts^

Gcsammelte Werke

i

er greift.

33

:

Die Zukunft

liegt in

5der Diirre

und bang vor ihm umher, allein und irre,

Entsetzlich lang

Er schweift

Und



sucht sich selbst mit Ungestiim,

ihm weinend in die Arme: Auch mif war einst wie dir zumat, Doch ich genas von meinem Harme Ich

fall

Und weiB

nun,

wo man

ewig ruht.

Dich muB wie mich ein Wesen trosten. Das innig liebte, litt und starb, Das selbst fiir die, die ihm am wehsten Getan, mit tausend Freuden starb.

Er starb, und dennoch alle Tage Vernimmst du seine Lieb und ihn Und kannst getrost in jeder Lage Ihn zartlich in die

Mit ihm

kommt

Arme

ziehn.

neues Blut und Leben

In dein erstorbenes Gebein

Und wenn du ihm So

ist



dein Herz ge^eben.

auch seines ewig dein.

Was du verlorst,

hat er gefunden;

Du triffst bei ihm, was du geliebt

34

Und ewig

bleibt mit dir

Was

Hand

seine

verbunden.

dir wiedergibt.

IV Unter tausend frohen Standen, So im Leben ich gefunden, Blieb nuf eine mir getreu;

Eine,

wo

in tausend Schmerzen

Ich etfuhr in

Wer

fiir

meinem Herzen^

uns gestorben

sei.

Meine Welt war mir zerbrochen, Wie von einem Wurm gestochen, Welkte Her2 und Bliite mir; Meines Lebens ganze Habe, Jeder Wunsch lag mir im Grabe, Und zur Qual war ich noch hier.

Da ich

im stillen krankte, Ewig weint und wegverlangte Und nur blieb vor Angst xmd Wahn: Ward mir pldtzMch wie von oben so

Weg des Grabes Stein gehoben Und mein Innres aufgetan. Wen ich sah und wen an seiner Hand erblickte, frage keiner, Ewig werd ich dies nur sehn; Und von alien Lebensstunden Wird nur die, wie meine Wunden Ewig heiter oflen stehn.

35

V Wenn ich ihn nur habe, Wenn er mein nur ist, Wenn mein Hexz bis bin

zxxm Grabe

Seine Treue nie vergiCt:

WeiB

ich nichts

Fiihle nichts als

Wenn ich

von Leide, Andacht, Lieb und Freude.

ihn nur habe,

LaB ich alles gern, Folg an meinem Wanderstabe Treugesinnt nur meinem Herrn Lasse still die Andern Breite, lichte, voile StraBen wandern.

Wenn

ich ihn nur habe,

Schlaf ich frohlich ein,

Ewig wird zu

siiBer

Seines Herzens Flut

Labe mir sein.

Die mit sanftem Zwingen Alles wird erweichen

und durchdringen.

Wenn ich ihn nur habe, Hab Selig

ich auch die Welt,

wit ein Himmelsknabe,

Der der Jungfrau Schleier Hingesenkt im Schauen,

Kann mir vor dem

36

halt.

Irdischen nicht grauen.

Wo ich ihn nur habe, mein Vaterland; es fallt mir jede Gabe Wie ein Erbteil in die Hand; Langst vermiBte Bnider

1st

Und

Find ich nxin in seinen Jiingern wieder.

VI

Wenn

alle

untreu warden,

So bleib ich

dir

doch

treu,

DaB Dankbarkeit auf Erden Nicht ausgestorben

sei.

mich umfing dich Leiden, Vergingst fur mich in Schmer^; Drum geb ich dir mit Freuden Auf ewig dieses Herz. Fiir

Oft

muB

ich bitter weinen,

DaB du gestorben bist Und mancher von den Deinen Dich lebenslang vergiBt. Von Liebe nur durchdrungen. Hast du so viel getan, Und doch bist du verklungen,

Und

Du

keiner denkt daran.

stehst

voU

treuer Liebe

Noch immer jedem bei, Und wenn dir keiner bliebe. So

bleibst

du dennoch

treu;

37

Die treuste Liebe

sieget.

Am Ende fuhlt man sie, Weint

bitterlich

und schmieget

Sich kindlich an dein Knie.

Ich babe dich empfunden,

O! lasse nicht von mir; LaB innig mich verbunden

Auf ewig

sein mit dir.

Einst schauen meine Briider

Auch wieder bimmelwarts

Und Und

sinken liebend nieder fallen dir ans

Her^.

VII

HYMNE Wenige

wissen

Das Geheimnis der Liebe, Fiihlen Unersattlichkeit

Und ewigen Durst. Des Abendmahls Gottliche Bedeutung 1st

den irdischen Sinnen Ratsel;

Aber wer jemals

Von heiBen, Atem

geliebten Lippen

des Lebens sog,

Wem heilige Glut In zitternde Wellen das Herz schmok, Wem das Auge aufging. 38

!

DaB

er des

Himmels

Unergnindliche Tiefe maB,

Wird essen von seinem Leibe trinken von seinem Blute

Und

Ewiglich.

Wer hat des irdischen Leibes Hohen Sinn erraten? Wer kann sagen, DaB er das Blut versteht? Einst

ist alles

Leib,

Leib;

In himmlischem Blute

Schwimmt

O

!

das selige Paar.



daB das Weltmeer

Schon

Und

errdtete

in dufidges Fleisch

AufquoUe der Pels Nie endet das siiBe Mahl, Nie sattigt die Liebe sich. Nicht innig, nicht eigen genug Kann sie haben den Geliebten. Von immer ^arteren Lippen Verwandelt, wird das Genossene Inniglicher

und

naher.

HeiBere WoUust

Durchbebt die Durstiger

Wird

Und Von

Seele.

und hungriger

das Hers;:

so wahret der Liebe

GenuB

Ewigkeit zn Ewigkeit. Hatten die Niichternen

Einmal gekostet. 39

AUes verlieBen

Und

An

sie

set2 ten sich 2u

uns

den Tisch der Sehnsucht,

Der

nie leer wird.

Sie erkennten der

Liebe

UnendHche FuUe Und priesen die Nahrung Von Leib und Blut.

VIII

Weinen muB Mocht

ich,

immer weinen:

er einmal nur erscheinen,

Einmal nur von feme mir. Wehmut! ewig wahren

Heilge

Meine Schmer^en, meine Zahren; Gleich erstarren mocht ich hier.

Ewig seh ich ihn nur leiden, Ewig bittend ihn verscheiden. O! daB dieses Herz nicht bricht, Meine Augen sich nicht schlieBen. Ganz in Tranen zu zerflieBen, Dieses Gliick verdient^ ich nicht.

Weint denn keiner nicht von aUen ? Soil sein 1st die

Werd

Name

so verhallen?

Welt auf einmal tot? ich nie aus seinen

Augen

Wieder Lieb und Leben saugen ? 1st er nun auf ewig tot? 40

Tot

O

“ was

so sagt

!

was soil das heiBen? mir doch, ihr Weisen,

katin,

Sagt mir diese

Er

Deutung

an.

stumm, xind alle schweigen, Keiner kann auf Erden zeigen. Wo mein Hetz ihn finden kann. ist

Nirgends kann ich hier auf Erden Jemals wieder gliicklich werden, Alles ist ein diistrer

Ich bin auch mit

Lag

ich

Traum.

ihm

verschieden.

doch mit ihm in Frieden

Schon im unterirdschen Raum.

Du, sein Vater und der meine, Sammle du doch mein Gebeine

Zu dem

seinigen nur bald.

Grxin wird bald sein Hugel stehen

Und der Wind dariiber wehen Und verwesen die Gestalt.

Wenn Alle

sie seine

Menschen wxirden

LieBen

alles

Liebten

alle

Wiirden

Und

Liebe wiiBten,

alle

Christen,

andre stehn;

nur den Eimn^ mit mir weinen

in bitterm

Weh vergehn.

41

IX Ich sag

es jedem,

daC er lebt

Und auferstanden ist, DaB er in xinsrer Mitte schwebt Und ewig bei uns ist. Ich sag es jedem, jeder sagt

Es seinen Freunden gleich, DaB bald an alien Orten tagt

Das neue Himmelreich. Jetet scheint die

Welt dem neuen Sinn

Erst wie ein Vaterland;

Ein neues Leben nimmt man hin Ent2:uckt aus seiner Hand. Hinunter in das

Meer

tiefe

Versank des Todes Graun,

Und

jeder

kann nun

leicht

und hehr

In seine Zukunft schaun.

Der dunkle Weg, den er betrat, Geht in den Himmel aus, Und wer nur hort auf seinen Rat,

Kommt auch in Vaters

Haus.

Nun weint auch keiner mehr allhie, Wenn eins die Augen schlieBt;

Vom Wiedersehn, Wird

4Z

dieser

spat oder friih,

Schmerz

versiiBt.

Es kann zu jeder guten Tat Ein jeder frischer gluhn,

Denn

herrlich wird

ihm

diese Saat

In schonern Fluren bliihn.

Er

lebt

und wird nun

bei uns sein,

Wenn alles uns verlaBt! Und so soli dieser Tag uns

sein

Ein Weltverjungungsfest.

X Es

gibt so bange Zeiten,

Es gibt so

Wo alles

triiben

sich

Mut,

von weitem

Gespenstisch zeigen

tut.

Es schleichen wilde Schrecken So angstlich leise her,

Und

tiefe

Nachte decken

Die Seele zentnerschwer. Die sichern Stiit^en schwanken, Kein Halt der Zuversicht; Der Wirbel der Gedanken Gehorcht dem Willen nicht.

Der Wahnsinn naht und

locket

Unwiderstehlich bin.

Der

Puls des Lebens stocket,

Und stumpf ist jeder

Sinn.

43

Wer

hat das Kreuz erhoben

Zum

Schutz far jedes Herz ?

Wer wohnt im Himmel droben Und hilft in Angst und Schmer2 ? Geh za dem Wunderstamme, Gib stiller Sehnsucht Raum, Aus ihm geht eine Flamme Und zehrt den schweren Traum. Ein Engel zieht dich -wieder Gerettet auf den Strand, Und schaust voll Freuden nieder In das gelobte Land,

XI Ich weiB nicht, was ich suchen konnte. War jenes liebe Wesen mein,

Wenn er mich seine Freude nennte Und bei mir war, als war ich sein. So viele gehn umher und suchen Mit wild verzerrtem Angesicht, Sie heiBen

immer

Und kennen Der

Gold; Welt umschiffen, ein Name wird sein Sold,

er hat, ist nichts als

will die ganze

Nichts

44

diesen

eine denkt, er hats ergriffen,

Und was Der

Klugen Schatz doch nicht.

sich die

als

Der

lauft

Und Und

nach einem Siegerkranze

der nach einem Lorbeerzweig, so wird

von verschiednem Glanze

Getauscht ein jeder, keiner reich.

Hat er sich euch nicht kundgegeben? VergaBt ihr, wer fiir euch erblich? Wer uns zulieb aus diesem Leben In bittrer Qual verachtet wich? Habt ihr von ihm denn nichts gelesen, Kein armes Wort von ihm gehort? Wie himmlisch gut er uns gewesen

Und

welches

Gut

er

uns beschert?

Wie er vom Himmel hergekommen, Der schonsten Mutter hohes Kind? Welch Wort die Welt von ihm vernommen, Wieviel durch ihn genesen sind ?

Wie

er,

von Liebe nur beweget,

Sich gan5: uns hingegeben hat

Und

in die

2um Kann

sich geleget

diese Botschaft

1st so ein

Und

Erde

Grundstein einer Gottesstadt?

euch nicht riihren, nicht genug,

Mensch euch

5fFnet ihr nicht eure Tiiren

Dem,

der den

Abgrund zu euch schlug ?

LaBt ihr nicht alles willig fahren. Tut gern auf jeden Wunsch Verzicht, 45

WoUt euer Keicz nur ihm bewahren, Wenn er eucb seine Huld verspricht?

Nimm du mich bin, du Held der Liebe! Du bist mein Leben, meine Welt; Wenn nichts vom Irdischen mir bliebe. So weiB

ich,

wer mich schadlos

halt.

Du gibst mir meine Liebe wieder, Du bleibst in Ewigkeit mir treu, Anbetend sinkt der Himmel nieder, Und dennoch wohnest du mir bei.

XII

Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt ? Herberg ist Verlangend

Und

offnet

dir

schon langst

bestellt.

sieht ein jedes dich

deinem Segen

sich.

GeuB, Vater, ihn gewaltig aus, Gib ihn aus deinem Arm heraus

Nur Unschuld, Lieb und

siiCe

Scham

Hielt ihn, daB er nicht langst schon

kam.

von dir in unsern Arm, von deinem Hauch noch warm; In schweren Wolken sammle ihn Treib ihn

46

DaB

er

Und

laB ihn so herniederziehn.

In kiihlen Stromen send ihn het, In Feuetflammen lodre

er.

In Luft und OI, in Klang und Tan

Durchdring er nnsrer Erde Ban.

So wird der heilge Kampf gekampft. So wird der HoUe Grimm gedampft, Und ewig bliihend geht allhier Das alte Paradies herfiir. Die Erde regt

Des Geistes

sich,

grunt und

lebt,

voll ein jedes strebt.

Den Heiland liebltch zu empfahn, Und bent die voUen Briist ihm an. Der Winter

weicht, ein neues Jahr

Steht an der Krippe Hochaltar.

Es ist das erste Jahr der Welt, Die sich dies Kind erst selbst bestellt. Die Augen sehn den Heiland wohl, Und doch sind sie des Heilands voU, Von Blumen wird sein Haupt geschmiickt, Aus denen er selbst holdselig blickt.

Er ist der Stern, er ist die Sonn, Er ist des ewgen Lebens Bronn, Aus Kraut und Stein und Meer und Licht Schimmert sein kindlich Angesicht. In alien Dingen sein kindlich Tun. Seine heiBe Liebe wird

nimmer ruhn, 47

Er schmiegt

sich seiner

unbewuBt

Unendlich fest an jede Bmst.

Ein Gott fiir uns, ein Kind fur sich, Liebt er uns all her2:inniglich, Wird unsre Speis und unser Trank, Treusinn

ist

ihm der

Das Elend wachst Ein

diistrer

je

liebste

Dank.

mehr und mehr,

Gram bedriickt uns

sehr,

LaB, Vater, den Geliebten gehn,

Mit uns wirst du ihn wiedersehn.

xni "Wenn

in bangen, triiben Stunden

Unser Her2 beinah ver^agt, Wenn von Krankheit liberwunden Angst in unserm Innern nagt,

Wir der Treugeliebten denken, Wie sie Gram und Kummer driickt, Wolken unsern Blick beschranken. Die kein Hoffnungsstrahl durchblickt:

01 dann

neigt sich Gott heriiber,

Seine Liebe

kommt uns

nah,

Sehnen wir uns dann hintiber, Steht sein Engel vor uns da, Bringt den Kelch des frischen Lebens, Lispelt Mut und Trost uns 2u; Und wir beten nicht vergebens

Auch fur 48

die Geliebten Ruh.

XIV Berge

Atme

jauchzet, Hiigel hxipfet,

Freude, was da lebt,

Christus Jesus

ist

erstanden

Aus dem Grabe,

Christus lebt!

Christus hat den

Tod besieget,

Der vorher ein Schrecken war, Hat die Lehre nun besiegelt, Macht sie durch dies Wunder wahr. Weicht hin stumm, ihr frechen Leugne dies. Philosophic!

Spotter,

Christ, der Sterblichen Erretter,

Hat voUendet

seine Miih’.

Herrlich strahlet durch

Aonen

Kunft’ger Zeit die Wohltat hin,

Engel staunen, Orionen

Donnern

dir ein Loblied hin.

Myriaden Kreaturen, Welche waren, werden, sind. Hat dein hohes Erdenleben Licht geschenkt, sie waren bhnd! Denn dein Beispiel, deine Lehren Zeigten uns Religion, Einfach und Jehovas wxirdig,

Hehr und Grausend

Mehr

fiir

heilig,

schxittelt

Nopahit Gcsammelte

nicht die Schwingen

Sterbende der Tod,

Und mit bangen 4

Gdttersohn.

Wcrke

i

Zweifeln wird uns

49

Nicht

vom Tode mehr gedtoht.

Heiter lachen die Gefilde

Grabs uns an, selger Ruhe, Frieden winkt Die uns Jesus Christ gewann. Jenseits unsres

m

Dankt und lobt und laBt Euer lautes Saitenspiel! Felsen

mogen

erschallen

widerhallen

Euer stromendes Gefuhl! Euer ganzes Menschenleben Sei ein einzger Lobgesang, Euer Denken sei nur Freude Und ein immer reger Dank.

MARIENLIEDER I

Wer einmal.

Mutter, dich erblickt,

Wird vom Verderben nie bestrickt. Trennung von dir muB ihn betriiben, Ewig wird er dich briinstig lieben, Und deiner Huld Erinnerung Bleibt fortan seines Geistes hochster Schwung. Ich mein es herdich gut mit

Was mir

gebricht, siehst

dir.

du in mir.

LaB, siiBe Mutter, dich erweichen,

Einmal gib mir ein frohes Zeichen. Mein ganzes Dasein ruht in dir, Nur einen Augenblick sei du bei mir. 50

wenn

Oft,

ich traumte, sah ich dich.

So schon, so her2:ensinniglich. Der kleine Gott auf deinen Atmen Wollt des Gespielen sich erbarmen;

Du

aber hobst den hehren Blick

Und

gingst in tiefe Wolkenpracht 2uruck,

Was hab ich, Armer, dir getan? Noch bet ich dich voU Sehnsucht

an.

Sind deine heiligen Kapelien Nicht meines Lebens Ruhestellen ?

Gebenedeite Konigin,

Nimm

dieses Hers: mit diesem

Du weiBt, Wie

Leben

hin.

geliebte Konigin,

ich so ganz dein eigen bin.

Hab ich nicht schon seit langen Jahren Im stUlen deine Huld erfahren ? Als ich kaum meiner noch bewuBt, Sog ich schon Milch aus deiner selgen Brust. Un^ahligmal standst du bei mir, Mit ICindeslust sah ich nach dir, Deiti Kicidlein gab mir seine Hande, DaB es dereinst mich wiederfande;

Du lacheltest yoll Und

Zartlichkeit

kuBtest mich, o himmelsiifie Zeit!

Fern steht nun diese selge Welt, hat sich langst zn mir gesellt, Betriibt bin ich umhergegangen, Hab ich xnich denn so schwer yergangen?

Gram

51

Kindlich benihr ich deinen Saum, Erwecke mich aus diesem schweren Traum*

Darf nur ein Kind dein Antlitz schaun Und deinem Beistand fest vertraun. So lose doch des Alters Binde Und mache mich :zu deinem Kinde. Die Kindeslieb und Kindestreu Wohnt mir von jener goldnen Zeit noch

bei.

II

Ich sehe dich in tausend Bildern, Maria, lieblich ausgedriickt,

Doch keins von alien kann dich Wie meine Seele dich erblickt.

schildern,

Ich weiB nur, dab der Welt Getiimmel

Traum verweht unnennbar suBer Himmel Mir ewig im Gemiite steht. Seitdem mir wie ein

Und

52

ein

Vermischte Gedichte

AN MEINE MUTTER I

Die mich einst mit Schmerz gebar Doch mit Mutterfreuden ~ Da ich noch ein Kiiablein war, Vieles

Stets

muBte

leiden,

mich doch mit Sorg’ gepflegt

Und mit Angst und Muhe, Und mich oft noch huldreich tragt Siehe,

wie ich

bliihe.

Und ein Liedchen singe ich Dir voll Dank und Freude. Nimm es an und freue dich, Hoi^ was ich heute Wiinsche dir voU Dankbarkeit:

Lebe uns 2:ufrieden Lange noch; was dich

erfreut,

Miisse dich hienieden

Stets begliicken;

Bliihen deine

ohne Rast

Wangen

Von Gesundheit, Sorgenlast M5ge dich nicht fengen.

Und mit froher Munterkeit Werd des Alters Beute, Schau der Kinder Seligkeit, Sieh, dies wiinsch ich heute.

II

Wenn unsre

Wiinsche Feen waren. Die mit gewaltgem Zauberstab Vom Firmament den Mond herab Geboten und uns Gold und Ehren

Nebst Malaga und Moselwein Im Nu in unsern SchoB bescherten. Da kutscht’ ich wahrUch mit sechs Pferden

Und

tafelte bei

Kerzenschein

Bis tief in diistre

Nacht

Ich neidete nicht Fiirst

hinein.

und Konig,

War nur der Freude untertanig Und woUte sicher gliicklich sein. Ich gahnte,

ritt

und

fiihr nicht

wenig

war M^en manche hungrige Poeten, Die mich um Reisefutter baten;

Und

tanzte, spielte,

Fiir

Und alles dies durch meine Feen. Doch hier, wo wir anjetzo stehn, Auf unserm lumpigen

Planeten,

Wo alles Hirngespinst und Traum Da wag ich,

gute Mutter,

Fiir dich ein

Wiinschdhen auszuhecken.

Das

kaum

Schicksal konnte, mich zu necken, Gerade nichts von allem tun.

Und mich geradezu mm Gecken Zu deklarieren leicht gerahn.

Dmm denke dir, was guter Willen, Um Kindespflichten zu erfuUen, Fur dich fiir Wiinsche konute tun. Und dann wird trotz des Gliickes Streben Unbestand Zum Wechsel und Den Kranz des Glucks dir Tugend geben. Den jedes edle Menschenleben

mm

Verdient von ihrer G5tterhand.

AN DIE WIPPERNYMPHE "Wippernymphe, die so freundlich Nie mit stoker Flut geprahlt, Jetzt soil mein Gesang dich tragen. Wo Orion und der Wagen An des Himmels Haupte strahlt. Unverganglich

hallt dein

Name

In des Zeitstroms Wogenklang;

Zu

der Folge femsten Sonnen

Tragt er dich,

wenn l^gst yerronnen

Deiner Urne Quellgesang.

57

AN DEN SOHN DBS HERRN PROF. BURGER Schlummre immer,

lieber Kleiner, deine

Jugendzeit in siiBer

Wonne

bin,

Unbekiimmert fuhle frohlich keine Mtonersorgen, von der Lehrerin Unschuld auf den Rosenpfad geleitet,

Der

Von

sich izwischen frohen

Maien

schlingt.

der Freude in der Brust besaitet,

Welche nimmer Triibsinn

singt.

Lache, springe, pfliicke Bliimchen, spiele, SiiBer Einfalt treu,

Denn

noch manches Jahr;

dir reichte gliickliche

Gefuhle

dem Busen dar. Wer 2uerst den Apfelbaum erklimmet, Welchen goldne Frucht rundum beschwert,

Deine Mutter aus

Sei dir,

noch

fiir

Menschensorg’ verstimmet,

Wichtig, mutvoU, groB

und

wert.

Noch

hat nicht Vernunft dir holde Freuden Mit der Zensormiene streng verdammt, Noch auch Leidenschaft zu bittern Leiden Deinen unbescholtnen Geist entflammt. Gern bist du mit trocknem Brot zufrieden,

Wenn

dir

Springen siiBen Hunger beut;

Selbst auf Stroke krankte nicht

den Miiden

Weichliche Bequemlichkeit.

Rollen dir mehr Jahre auf die Scheitel, Liebe doch stets Einfalt und Natur.

Rufe dann: „Ja, 58

alles ist

doch

eitel.

;

Ausgenommen meine Kindheit nur; Denn von allem bleibt mir Ekel uber. Was ich in dem Leben je genoB; Und nie denk ich an Vergangnes lieber Als an meiner Kindheit Los.

Wo ich 2wischen Veilchentraumen schwebte, AUes um mich sah im Rosenlicht, Keinem andern, nur mir selber lebte Und mich Freude, meine ein^ge Pflicht, Sanft durch ihre Lustgefilde fuhrte.

Wo sich keine Sorge an mich hing Und nicht strenge Weisheit mich regierte, Wenn ich Schmetterlinge fing."‘

AN HERRN

A.

W.

SCHLEGEL

I

Auch ich bin in Arkadien Auch mir hat

geboren;

Hetz Die Mutter an der Wiege ^ugeschworen Und MaB und Zahl in Freude und in Schmerz. ja ein heiBes voiles

gab mir immer freundlich himmelwarts Zu schaun, wenn selbst die Hoffnung sich verloren Und stahlte mich mit Frohsinn und mit Scherz; Auch ich bin in Arkadien geboren! Sie

Komm, reiche mir die briiderliche Hand! Zu Briidern hat uns die Natur erkoren, Und uns gebar ein mutterliches Land. 59

Ich habe dir langst Liebe 2ugeschworen,

Gem foigsam meinem bessem Gib

tnir die

Genius.

Hand und einen BruderkuB

II

Aucb

ich bin in Arkadien geboren,

Auch mir

hat mancher gate Genius

Am Mutterbusen Liebe 2ugeschworen, Und manchen Auch Das

ich

leise

siiBen, freundiichen

GenuB;

empfand in Ahndungen vetloren

Wehn

Und fiihlte

vor manchem GeisterkuB,

im

heiligen ErguB Mich 2u der Sonne reinem Dienst erkoren. oft

wenn mich mein eignes Hem nicht triigt Und mich auf Flxigein stoker Travune wiegt, DaB ich so kiihn in eure Reihen trete;

Verzeih,

Du

Und

fassest

Wie

ich dich liebe, mit dir

mich auch so reich und warm,

Arm

Um Ewigkeit fur unser Bundnis

in

Arm,

bete.

DER GEFUNDNE SCHATZ Feinliebchen, hast

Und

du mir

bin ich dir nie aus

nie Liebe gelogen,

dem

Sinne entflogen,

Bei rosiger Fruhe, in nachtKchem Graun,

So will ich dir heimlich was Liebes vertraun. 6o

Ehgestem, da

moosigen Tnimmern, horet zu Mitternacht wimmern.

sajB

ich bei

Wo man es oft Da sa6 ich und dachte voll liebendem Sinn Ohn Schaudern und Graun an was Liebes nur hin. Horch! naher da kam es mit Tosen und Sausen, Mir wehten die Locken vom bebenden Grausen, Es rauschte noch naher den nachtlichen Gang

Durch Liicken zerborstener Mauern

entlang.

Mit Sauseln und Lichtschein kam naher es immer, Und zitternd erschaut ich beim helleren Schimmer NichtHorner, nicht Klauen, nicht zackigen Schwanz, Nicht Schwefel und Flammen, nicht hollischen Tanz. Ich sahe bei

Ave Maria und Kreuzen,

Geschmiicket mit hohern, unsterbhchen Reizen,

Wohl

eine atherische Greisengestalt,

Die himmlische Giite und Wiirde umwallt. „Sohn‘% sprach

sie,

„man nannte mich Hermes im Leben,

Ich liebte dich lange, nun will ich dir geben,

Zum Lohne fur Und

deine unsterbHche Treu

stete Zufriedenheit, Silber

wie Heu.

Denn hier hat im KeUer ein geiziger Schacher Wohl Edelstein’, Silber und goldene Becher

Im blutigen

Kriege und Raube erspart,

Einst hier fur die jauchzende Nachwelt bewahrt.

Da geht er noch irre zu nachtlicher Stunde Und achzet wie Unken aus flammendem Munde 6i

Und jammert und wimmert und stohnet so bang Im fiirchtbaren Schutt schon Jahrhunderte kng. Und

hatte sich einer bei nachtlichem

Flimmern

Gewagt in des Kellers zerborstene Triimmern, Er hatte dem Armen mit hollischer Hand Den starrenden Nacken nach vorn umgewandt. Dir fugten sich aber so gunstig die Sterne, Du darfst bei dem sparlichen Schein der Laterne

Die Schatze

dir eignen,

ohn

zittern

und scheun,

Trotz Sausen, trotz Wimmern und Wehen undDraun.

Drum wandle,wenn morgen mit tauendem Und schimmerndem Umdammernd,

Und alles

Mantel, wie Tale so Hugel*

die Gottin des

Und hallenden

wo

und webt,

der dorten in grausen Ruinen

Dich schauerlich angahnt, und Bis da,

Dunkels herschwebt>

entschlummert, was lebet

Zum Gange,

Flugel

schreite mit kiihnen

Tritten die Hallen entlang

es flimmert

und dammert im Gang.

Da steht dann der Kasten im losen Gesteine, Den schleppe nach Hause beim mondlichen Scheine -* Hier schwand mir der Greis vor dem trunkenen Blick Und lieB mich in sixBer Betaubung zuriick. "

Nun schwebten mir Bilder der Zukunft im Herzen, So sinnenentzuckend, von Freuden und Scherzen,

Von Wohltun und Kosen und herzlichem KuB Und trauter Umarmung imd WonnegenuB. 62

Komm, Madel, ich habe das SchatzchenimStiibchen, Im wallenden Kleidchen, o goldenes Liebchen, was himmlisches Wesen beschert, Weil Treue wir immer und Freude geehrt. Sollst schauen,

Nun wankt ich nach Hause mit trunkenen Sinnen Und dachte nur, was ich nun wollte beginnen, DochwardichvonStolznichtundPrachtsinnvermckt,

Nur

siiB

von

elysischen

Traumen

entziickt.

Nach diesetn Verse werden die drei Verse von Hermes wiederholt, die beiden ersten nur etwas, im letzten die beiden let2:ten Strophen geandert.

Nun kauf ich ein Giitchen mit Hiittchen und

Weide,

Das Hiittchen gerade so recht fiir uns beide. Die Wiese und Flur fur zwei Kuhe wohl groB, Und sage, was neiden wir denn fur ein Los ?

Wir

hiipfen

im Len^e und

pfliicken uns

Blumen,

Gestort nicht von miirrischen Vettern und Muhmen,

Und scherizen bei schaumender Milch und bei Brot, Nie weinend und seufeend ob bitterer Not. Auch

halten wir heimlich

im

Keller verborgen

Ein FaBchen voll Rheinwein, das Labsal in Sorgen, Und alle festliche Tage da nippen wir draus, Geschmiicket mit

Bmdern und farbigem

Und jegliche rosige Tochter der

StrauB.

Friihe

Erschauet uns schon bei der landlichen Miihe,

Zu

jaten, 2ru gieBen,

Viel Neckens

doch treiben wir

und Tandelns und

frei

Kiissens dabei.

63

Dem Geber nachahmend, erquicken wir Bruder Mit Speis’ iind mit Trank, die vom Ungliick darnieder Gedriickt sind,

Und

teilen

und

helfen den

Waisen in Not

mit Witwen den Bissen

vom

Brot.

Und stopfen mit Brote den hungrigen Schluckern Den lechzenden Mnnd, den geehrten Nachdruckern, Dann rauben sie Recht und Belohnung dock nie, Die muhsam erkampften sich FleiB und Genie. So leben wir frohlich, entfernet vom Neide, Geweiht nur der Tochter der Liebe, der Freude Und geben dutch Wohltun, durch Leben und Sang

Dem Geber dort

oben den herzlichsten Dank.

GOTTLOB, DASS ICH AUF

ERDEN BIN

Gottlob daB ich auf Erden bin I

Und

Leib und Seele habe;

Ich danke Gott in

meinem Sinn

Fur diese groBe Gabe.

Der Leib

ist

mir doch her2lich

lieb

Trotz seiner Fehl und Mangel, Ich

nehme gem mit ihm

Und neide

vorlieb

keinen Engel.

gem mein braunes Weib Und meine lieben Kinder, Und das tut wahrlich doch mein Leib, Und mir ist es gesiinder,

Ich kiisse

64

wenn ich mit PhilosopHe

Als

Die Seele mix

Denn

verdiirbe,

ein klein

wenig Not macht

sie.

Die Hebe Weisheit, miirbe.

CHARAKTER MEINER Kt)NFTIGEN FRAU Die, welche einst mich fesseln soli Auf meine Lebens2:eit, Die miiBte sein Verstandes voll, Voll Witz, der mich erfreut.

Und

Herzensgute habe

Mildtatig sei

sie,

sie, treu,

Doch

froh und heiter auch so wie Det Morgentraum im Mai. Stets so

geschmuckt, wie die Natur

Und Grazie es lehrt, Und nicht ein Piippchen, Der Mode Grillen ehrt.

welche nur

Auch schon

dieses

sei sie,

denn

macht

Stets einen Vorzug aus. Die Kinder nehme sie in acht

Und

sorge fur das Haus.

Auch

reich schadt nichts,

Ist’s besser,

Zu

braucht

sorgen, hat ein

Mit nahrendem 5

Nopolts,

Gesammelte Werke

man

denn aUemal nicht

m^ig Mahl

Gericht. x

65

Doch

eine groBe Seltenheit

1st eine solche

Frau;

mein Gluck das als Frau schilderte Ich

Doch

Nur

sieh,

Lauren, die

von mir

In jenem Stadtchen

Und

die

Wie

ihr dort,

ist

nicht weit,

geliebt

ist

mich Frohen wieder Baume, wiBt.

liebt,

BURGUNDERWEIN

Mag Claudius Nur

dich tadeln,

seinen Rheinwein adeln,

Der mir den Hals verengt;

Mag jeder Thuiskone Verachten die Saone

Mit Trauben suBbehangt. Will ich allein dich siagen, Fxir dich die Fliigel

schwingen

Vom hohen Helikon, Wenn nur, der mich vergniiget. Dein Becher nie versieget Wie der des Oberon* Wie

leicht

Von

gallischem Gefilde

und wie so

milde.

Entsprossen, gleitest du

In meine Liederkehle,

66

Und hauchest neue

Seele

Mir UnmutsvoUem

zu.

!

Du machest mich nicht tmnken, Entflammst nur ScUummerfunken In meiner Phantasie, Als dein Gefahrte gehet SuBlachelnd Amor, wehet Mir Lust 2u spat und friih.

Die Sorgen treibt dein Lacheln, Machst Worte siiBer facheln Und gibst mir holde Ruh, Machst meinen Leib gesunder; Sieh, herrlicher

Dies

alles

Burgunder,

wirkest du

AN DIE DICHTKUNST Gespielin meiner Jugend,

Die ich nach Madchen suchend Oft unter Ulmen fand. Die mich durch ihre Reize Zu immerregem Geize

Nach Reimen

hat entbrannt.

Du schonste aller Kiinste, Die

ofters

zum Gewinste

Nur

siiBe

Lust mir gibst,

Mit Reichtum nicht belohnest, Nicht oft bei Golde wohnest

Und frohe Armut Hebst.

67

Noch

Ruhestunden,

jetzt in

Wenn Protokolls verschwunden Und Akten unterm Tisch^ Kommst du mit deinen Reimen Die Zeit

dir

zn vertraumen

In Helikons Gebusch.

GewiB, wenn Silberhaare

Mir

viele kur2e Jahre

Auf meinen

Scheitel streun.

Will ich in deinen

Und

warmen

sxiBen Freundschaftsarmen

Mich warmen und

erfreun.

Und wenn ich einst schon achzend Nach kiihlem Trunke lechzend Ersterbe, soil Petron

Mir

als

Exempel dienen,

Noch

dichten meine Mienen,

Wenn

schon mein Geist entflohn.

CYTHERE Die beste Muse

ist

Cythere;

Mein Weihrauch dampfet dir nicht mehr, Erato, dir gebuhrt die Ehre Der Dichterin nicht mehr. Seitdem

sie

mir Luisen schickte,

Entschlupft mein

Wie von

Reim

so siiB

und

der Rose, die ich pfliickte,

Ein Schmetterling

entfleucht.

leicht,

Am Bache murmle ich nur Reime, Mir

lehrt sie Liebe

Und wenn

und Natur, Myrten traume.

ich unter

So traum ich Lieder nur.

DIE LIEBE

Wenn sanft von Rosenhiigeln Der Tag nach Westen schleicht, Der Nacht mit Schlummerfliigeln

Und

Sternenchor entweicht.

Will ich die Liebe sitigen

Auf der Theorbe

hier.

Mein Lockenhaar umschlingen Mit suBen Myrten ihr. Es

soil

dann widertonen

In dieser Grotte Nacht

Das Loblied meiner Schonen, Wenn nur die Quelle wacht.

Und wenn vom Morgensterne Mir Wonne niederblinkt, Und sich die heitre Feme Mit Rosenkranz umschlingt.

Ton ich in kuhlen Kliiften Auch meiner Liebe Lied, Umtanzt von Blumenduften,

Wenn

aller

Schlummer

flieht.

69

Und mnd um mich erwachet Der Nachtigallen Chor Und jede Aue lachet Und jeder Hirt ist.Ohr: Nein, SiiBers

Empfand

Was

als die

Liebe

kein Sterblicher,

hie bevor

Wild durch

war

triibe.

sie lieblicher.

AN EIN FALLENDES BLATT Es

nahet sich der Winter wieder

Mit seinem Schnee und Sturm und Eis, diirren Hainen fliehn die Lieder,

Aus Es

kleidet sich die Flur in

Von

WeiB,

Eichen wehn die Blatter nieder,

Nicht mehr belebt

vom VogelfleiB,

Der Sturm mit traurigem Gefieder Durchhaust

sie

auf der Zeit GeheiB,

EntreiBet ihr das Blatt gewaltsam.

Das gamz

allein

noch an

ihr hing,

Und spielt damit nim unaufhaltsam Und wirft es, daB er’s wiederfing* So

haufen sich die Jahre nahet sich das stille Grab,

reiBt auch,

Und Und bleichen Der Nord

blonden Haare, Rose ab.

erst die

die letzte

!

O gliicklich! kann man dann mit Freuden Die

letzte

Rose fliegen sehn den Jungling nicht zu neiden,

Und braucht

Um den voUaufgebliiht sie stehn, Kann

sich auf andre

Blumen freuen

Die Tochter der Unstetblichkeit, Man braucht dann nicht den Sturm zu scheuen,

Der Erdenleben

tins verbeut.

MEIN WUNSCH Konig mochte sein, wer woUte Was ging mich der Konig an; Mochte

sitzen tief im Golde,

Wer es Hstig sich gewann! Wenn ich ruhig konnte lachen In Luischens weichem Arm, Ungestort von stolzen Hachen,

Unbetaubt

vom Torenschwarm.

Nur zum siiBesten Entziicken Von der Freude selbst gestimmt, Und aus ihren Feuerblicken StiBen Tod za ziehn bestimmt.

71

DER WETTSTREIT Jxingst

stritt

ich mit Lottchen

um Niisse,

Wer schneller die wumgen Kxisse Wohl gabe; die Probe fing an: Ich aber, ich zahlete

immer

Zu wenig, drum waren wir nimmer Vereint, so

daB keiner gewann.

BADELIED Auf, Freunde, herunter das heiBe Gewand

Und tauchet in

kuhlende Flut Die Gheder, die matt von der Sonne gebrannt, Und holt von neuem euch Mut.

Die Hitze erschlafFet, macht trage uns nur, Nicht munter und tatig und frisch, Doch Leben gibt uns und der ganzen Natur Die Quelle im kiihlen Gebiisch. daB sich hier auch ein Madchen gekiihlt Mit rosichten Wangen und Mund, Vielleicht

Am niedlichen Leibe dies Wellchen gespielt. Am Busen so weiB und so rund. Und welches Entziicken! Auch meine

dies

Wellchen bespult

entkleidete Brust.

O! wahrlich, wer diesen Gedanken nur fuhlt. Hat siiBe entzuckende Lust^

72

AN FILIDOR

Hab

Gold und

Giiter, viel,

wie Sand

am

Meere,

Sei eines Konigs Liebling auch,

Ein Madchen Hebe dich, gefuUet sei dein Bauch Mit Gotterkost und sattge dich mit Ehre, Die halbe Erde sei bedurftig deines Lichts, Du lebest doch mit alle dem vergebens,

Denn

hast

So hast du

du

nicht Philosophie des Lebens,

nichts.

DER ROSENSTOCK Rosenstockchen, wart ich will dich pflegen, Schiitzen dich vor Hitze und vor Regen, Welcher heftig aus Gewittern trauft, Bleib in Liebchens

Laube

hier verborgen,

Sanft begieBen will ich aUe

Morgen

Dich, bis du zur Blxite aufgereift.

Deine Rosen sollen dann bekranzen Liebchen, und an ihrem Busen glanzen, Dessen sanfte Rote dich beschamt, Dann noch soUst du immer fr5hHch griinen, Saitenlob noch oft von mir verdienen, Wenn der Zephir Nord und Reif be5:&mt.

ARMENMITLEID Sag an, mein Mund, warum gab dir 2um Sange Gott Dichtergeist imd siiBen Wohlklang 2u, Ja wahrHch auch, daB du im hohen Drange Den Reichen riefst aus tr%er, stumpfer Ruh. 75

Derm karm nicht Sang vomHerzeriHmmlisch rxihren, Hat

er nicht oft

Kann

Werm

vom Lasterschlaf erweckt; am Leitband fuhren,

er die Herzen nicht er sie aus der

Dumpfheit aufgeschreckt ?

Wohlauf hort mich, ihr schwelgerischen Reichen, Hdrt mich, dock mehr noch euren innren Ruf, Schaut um euch her, seht Arme hiilflos schleichen, Und fuhlt, daC euch ein Vater nur erschuf. !

AN DIE MUSE du

Und

bei der Geburt gelachelt

Dichtergaben zugewinkt,

Der, sufie Gottin, der erringt

Nicht Lorbeern,

Und Blut in

wo

das Schlachtfeld rochelt,

langen Stromen rinnt,

Der wird nicht im Triumphe 2iehen, Den ihm ein schwar^er Sieg gewinnt, Und nie von Stok und Ehrfurcht gliihen, Werm ^wanzig Heere vor ihm fliehen,

Dem Reiz des

Siegerruhmes blind.

Auch Hofintrigen und Kabalen Kennt

seine heitre Seele nicht,

Und bleibt

selbst bei

Ministerwahlen

Ehre

ihn nicht,

Gleichgtiltig,

Und selbst

reizt

die hochsten Ehrenstellen

Vermogen nie was uber ihn. Auch strebt er nimmer uber Wellen

2u fernen Zaelen hinzuziehn,

Um mit Gefahren seines Lebens 74

Zu holen Purpur oder Gold Und Perlen und was Sina 2ollt; Denn Eigennntz ttht ihaci vergebens. Doch hupft er gem auf griiner Flur Mit jungen, frohen Schaferkmen Und stimmt um Liebe zu gewinnen Voll sxiBer Einfalt und Natur Die kleine Silbersaitenleier Zur sanften, holden Friihlingsfeier: Und singt, wie Liebe ihm es lehrt,

Auf heitem,

landlichen Gefilden,

Von

seinem Madchen nur gehort, Ihr suBes Lob xind ktmzt die wilden

EntroUten Locken wonnevoU. sanft und milde, HaB und bittern Groll, Lacht kummerlos und gleicht im Bilde Dem Quell, der aus dem Felsen quoll; Nicht Sturme wiiten ihm im Busen, Kein Kummer scheucht ihm sanfte Ruh,

Sein

mhig Auge,

Blickt keinen

Er

sieht des Schicksals

Wechsel zu

Voll Gleichmut und bleibt treu den Musen.

AM GRABE HEINES VATERS Segen

sei

an deinem Grabe,

Bester Vater, hingestreut,

Wenn nach langen, langen SiiBe

Ahndung zu

Tranen

dir ein

Jahren,

erfahren,

frommer Enkel weiht.

75

GeuB ihm himmlische

Gefiihle

In das jugendliche Herz, Lehr ihm, so wie du empfinden, Ernst mit frohem Sinn verbinden,

Waffne seinen Busen ihm mit

Er^:.

Bieder warst du, gastfrei, freutest

Dich, des edien Wohltuns

Und Erbarmen

Drang

aus2;uuben,

Alle briiderlich zn lieben

Ohne

Blick auf Adel,

Gold und Rang.

O Du lebst bei vielen Edien !

Noch, unsterblicher dutch dich Als gekronte Bdsewichter

Dutch Geschichte, Stein und Dichter, Schwach besungen nur allein dutch mich. Aber her2;licher gesungen Hat kein Mund, kein Harfenklang, Weil aus lieberfulltem Busen

Musen Schmeichlerlob wohl nimmer

Selbst die siiBeste der Feiles

sang.

AN MEINE STERBENDE SCHWESTER Deinen Wangen entflohn Rosen des Jugendmais, Und es welkte dein Lenz, Fatbe des Todes liegt

Auf dem hageren Antlitz, Nur dein Auge strahlt Heiterkeit.

76

Leiden wurden dir fnih, Pilgerin, vorgestreut, Fiihltest selten die Lust, welche uns Jugend reicht,

Doch

trug heiteren Mutes

Sie dein reifer, gexibter Geist.

Schon winkt

Der

dir aus der

Fern seKger Ewigkeit

unsterbliche Kran^:, barret der Siegerin,

Bald

flieht

Leiden und Leib der

Fessellose, gepriifte Geist.

Schaue, Selige, dann, bist

du von Gott

verklart,

Freudenreicheren BHcks auf die Gefilde her.

Wo im Maine des Abends Die Erinnening mich umschwebt. Lisple leiser

Schau

um mich, wenn ich bei Mondenschein

schimmernden Flur, hdhere Lieder sing mit Freuden verweile

Und Bei dem

blumigen, griinen Grab.

AN DEN SKLAVEN muntre MMchen, Welche flinken FuBes zum Reihentanze, Welchen braune Locken und blonde auf der

Eile, Knabe, hole uns

Schulter sich krauseln,

Deren Busen weiBer als Marmor, aber VoU wie eine knospende Ros’ dem Jiingling Sanft entgegen bluhe, wenn seine Lippen Ihren begegnen.

77

DER HARZ du Muttergebirg, welchem die andre Schar der Eiche das Laub entsproBt, Adler zeugest du dir hoch auf der Felsenhoh" Hats:,

Wie

Und dem

Dichter Begeisterung.

Weit im deutschen Gefild sieht man der Felsen Haupt Spat im Sommer vom Schnee noch schwer, Tiefer Fichten

bekr^t,

diister

vom

Der vor Zeiten den Deutschen

Eichenwald,

hehr.

Strome rauschen herab, die in das finstre Tal Brechen zwischen den Lasten sich,

Welche spielende Flut von dem Gebirge

Und

des eilenden Sturmes

riB

Grimm.

Oft umringen dich auch Blitz und des Donners Hall, Schrecken unten das

Doch mit

tiefre Tal,

heitrer Stirn lachst

du des Ungestxims,

Traufst nur furchtbare Flut herab.

Eber btausen im Wald, Eber mit Morderzahn, Die der SpieB zu bestehn nur wagt, Du auch hegest den Hirsch trotzend auf sein Geweih Und noch mehrerer Tiere Heer,

du zu, daB dir deiti Eingeweid Mit der emsigen Hand durchwuhlt Nach verderbendem Gold und nach dem Silbererz Gixtig lieBest

Unersattlicher Menschendurst,

78

Aber schenkest uns auch Kupfer imd totend Eisen niitzlich

dem

Das den Acker durchfurcht, SterbKchen Und dem giitigen Ofen HoLz,

Wean

Blei,

Menschengeschlecht,

mit schneidender Axt

Baume

Speise gibt

der Hauer

fallt.

Die dein nahrender SchoJS erhob. Aber bauet^s nicht auch Hauser znm Schutz uns auf ? Schiitzfs uns nicht

Lob

dir,

denn

es

vor der Feinde

Wut?

besang dich der Unsterblichkeit

Sanger Klopstock mit Harfenklang,

DaB

es

In

schoU im Gebirg und in

dem

dem Eichenwald

felsichten Widerhall.

Deutsche Freiheit so wert, werter dem Biedermann Als des ziasenden Perns Gold, Stehe furchtbar und hehr und unerschiitterlich Wie dein donnerndes Felsenhaupt*

BEI

DEM FALKENSTEIN

cinem alten RitterschloB am Harze

Geist der Vorzeit, der mich mit siiBen Bildern erfiillte,

Wenn

Wo

ich Sagen las

von hehren,

silbernen Zeiten,

hoherem Sinn Tuiskons Enkel begeistert Lauschten der Stimme des Vaterlandes, die voll

herrlichem Sie entgegenriB,

von

Tode

unsterblichen Lorbeern

umschattet.

79

Hore den Jxingling, der dich mit flammendet Wange

und Same Ruft, daB

du mit Begeistrung,

der hohen,

entziickenden Gottin,

Auf den Flugein des Wests von

heiligen Schauern

Tomringet

Her zu mir

fleuchst, daJ3

Eichen und himmelanstrebende Klippen

Beben, und 'wie der Unsterblichen eine die Seele sich aufschwingt

Mit den Flugein des Schwans, im Schwung wie

ein

Laufer des Eises,

Zu der Versammlung Und

der Vater, der Greise mit

schneeigem Haupthaar mit langer Erfahrung getrankt, wie mit himmlischem Tranke,

Frohlicher wiird ich alsdann zuriick zur

Erde mich

schwingen,

Wenn ich die

Greise gesehn, die in diesen

Triimmem

gehauset.

GOTT Ich singe Gott

im Hochgesang

Mit hohen Seraphs Plug; Nicht Ruhm und Lob, nur heiBen Dank Ihm, der mich machtig trug Durch mancher Klippen Fahrlichkeit, Durch ICrankheit und durch Not, Es flohen Angst und Banglichkeit Wohl auf sein Machtgebot. 8o

Im Wiirmchen

schaut der Seher

Des Seele machtig

ihii,

gliiht,

Im Lenz, wenn alle Erden bliihn Und Frost und Schlummer jSieht, Er wohnt im Tropfchen Silbertau, Das auf dem Veilchen glamt, Und webt auf jeder Flur und Au, An die der Himmel grenzt. Orion

zittert,

wenn

er winkt,

Und neigt gehorsam sich, Und wie er will, so steigt und Die Waage endelich.

sinkt

Die Konige und Volker wagt

Und Und

jede

hobe Tat

strenges Recht

Dem fnih

fiir

jeden hegt,

\ind jenem spat.

O! Gott! vernimm mein Flehgebet,

und inniglich! Hor mich, du Gott voU So heiB

Wie jeden

Majestat,

vaterlich!

Erleuchte mich durch einen Strahl Der Wahrheit durch und durch

Und bleibe

gnadig uberall

Mir eine feste Burg.

Gib mir Vertraun und Zuversicht Auf meinem Lebenspfad Und gib in banger Nacht mir Licht Und festen Mut und Rat. Die Ruh der Seele sei mein Lohn: S Nomlu,

Gcsanarnelte

Wcrlce

i

Mich Die Sei

lehre die Natur:

gottlichste Religion

Menschenliebe nur.

ALLMACHTIGER geist, urquell aller wesen Allmachtiger Geist, Urquell

aller

Wesen,

Zeus, Oramazes, Brahma, Jehova;

Vom ersten Aon bist

du schon gewesen Und nach dem letzten bist du auch noch

Du rufst aus odem Dunkel Licht und

da.

Helle,

Aus wildem Chaos ein Elysium, Du winkst und sieh! ein Tempel wird zur Holle Und eine Sonne hiillet Nacht ringsum.

Mund flieBt Leben und Gedeihen Baum und in den Sirius

Aus deinem In diesen

Und Nahrung

streust

du Myriaden Reihen

Geschopfen aus und freudigen GenuB.

Ein Kind ruft seinen Vater an um Speise, Ward es auch gleich schon tausend Tage satt, Wenn ihm der Vater gleich den Trunk und Speise Auch ungebeten stets gegeben hat.

Warum soil ich, kh Kind,

dich Vater

nimmer

Um Nahrung flehn, die du mir so schon gabst? Fur SeeF und Leib, um hoher Wahrheit Schimmer Mit dem du nur geweihte Manner labst ? . .

82

2UFRIEDENHEIT Sei stets mit deinem Los zufrieden.

Das dir der AUmacht Milde lieh. So manches Gliick keimt noch hienieden Fur manche Kummerlast und Miih; Verwiinsche rdcht dies Pilgerleten, In Stunden voll Melancholic:

O Mensch! Natur xmd Tugend geben Noch Ein

viele

Freuden, suche

sie!

Halmchen, das auf oden Wiesen einsam lacht,

griines

Bereiften

Entwolkt oft mehr als Freundesreden Die Stirn, auf der stets Kummer wacht;

Doch ach!

ein Blick auf Fruhlingsfluren Sohnt stracks uns mit dem Leben aus, Und loscht des tiefsten Kummers Spuren

Sogleich aus Sinn

Doch

oft

und Busen

aus.

wenn du gekrankt vom Neide

Dem Menschenhasse nahe bist Und jede

siiCe Menschenfreude Dir unschmackhaft geworden ist: Wenn Zweifel dich an Menschentugend Mit driickendem Gefiihl umschlingt

Und jede Kraft von deiner Jugend Mit Stumpfheit und mit Ohnmacht

ringt,

Wenn Krankheit dich in schwere Bande Von immerregen Leiden zwangt Und dich Verzweifelung zum Rande

Des bodenlosen Grabes drangt Dann hilft Natur und Lenz dir nimmer, Nicht FrexHidschaft und Philosophic, Sie machen leider oft nur schlimmer Die schreckliche MelanchoKe.

Drum fleuch, Der

o Mensch! allein

zum Buche

gottlichsten Religion,

Dem heiligsten der Bucher,

suche

Da nur

den Trost, der dir geflohn; Aus ihm trauft dir die Fiille, Segen Ins Hers:

Und

und

innre Seligkeit,

dich umlacht auf rauhen Stegen

Dann

gottliche Zufriedenheit.

AN DEN HERRN REKTOR JANI bei IJberschickung einiger tlbersetzungen aus Theoktit

Oft trieb mich in den einsamen Stunden der heiligen Friihe,

Wenn balsamischer Tau lachende Taler umschlang, Oder wenn Hespers Strahlen vom falben gewolke Glitten, Begeisterung hin

Silber-

znm Aganippischen

Quell;

Leclrzend erlabt ich die Seele mir dann in

amystischem Zuge, Bis ich vonmachtigerGlutsanft inGesmge zerfloB,

OI dann sah

ich die Musen,

vernahm der

Unsterblichen Lieder, Ewiglieblich tmd jung saBen sie dort in

84

dem Hain.

Um sie gaukelte Amor mitSchaten lachelnder Gotter, Abet mitten im Kreis saBen

Und

Graven

die

drin.

sie sangen die Weisen des alten, sizilischen Hirten,

Welchen

die

Nymphen

mit Tau oder mit Honig genahrt.

Siehe ich lispelte sie mit rauher, germanischer Zunge !

Nach und sende sie dir; welchemHorazischer Geist Und die lachende Laune die jiingste der Musen verliehen,

Welchem

der Hirtengesang oft schon die Seele entziickt.

DIE NACHTIGALL

Auch uns

sing

Her im fernen

Schattentale

Du kleine, frohe Liederkonigin Dein wirbelnd Lied, wenn aus der vollen Schale

VoU Milch wit

schopfen frohen Sinn

Und

xons,

Der

Scherz, die Freude

mit unserm ScHcksal

woH zufrieden,

Her im KuHen

bluht,

Wenn

drauBen noch vom fernen Flammensiiden Der Hundsstern die Gefilde gluht.

O, streite mit dem wachen Echo immer, Ergdtze uns, dein Weib, den Hain und dich. So lange bis mit blasser Wangen ScHmmer

Der Mond von seinem Lager

schlich.

85

Wir

wenn auch mit bunten Farben

lieben dich;,

Die grauen Fliigelchen nicht ausgeschmuckt Rnhm des Vogelchens erwarben.

Dir nicht den

Das

als

das schonste nns entziickt.

Denn du

bist reich

an siiBen Harmonien,

Die wonnevoll und seelenschmekend sind, Dich einen guter Seelen Sympathien,

Du wirkst auf^s

Hers: so siiB

und

lind.

DIE KAHNFAHRT Knaben, rudert geschwind, haltet den raschen Takt; Jener Insel dort zu, welche der Lenz bewohnt,

Wo die Grazien tanzen Bei Apollos Seht die Sonne

geMigem -

Spiel.

sie sinkt hinter

Immer milde hinab

dem Buchenwald

in die entferntste Luft,

Roter glanzen die Hiigel,

Die des Abends Erroten gruBt. Becherfreude beim

KuB rosiger Madchenschar

Harret meiner daselbst; sehet, sie winken schon!

Uns Bis

86

soli

Hesperus leuchten

zum neidischen Morgenstern.

WIE SELIG WAR DIE ZEIT DER KNABENSPIELE

Wie selig war die

Zeit der Knabenspiele

Kummer noch nicht nachtlich roich umschlang; Und harmlos ich mit gliicklichem Gefxihle

Als

Fiir

Gegenwart dutch Tal und Wiesen sprang

Und flink und froh ich 2nm gewahlten Ziele Den Wur^feil warf und nach dem Kran2:e rang. Noch honigsuB sind die Erinnerungen Und Wunder! daB ich sie noch nie besungen. ELEGIE AUF EINEN KIRCHHOF Kirchhof, wetter mir als Goldpalaste, Wetter einem jeden Menschenfreund, Birgest manches Edlen Uberreste, Abet auch wohl manchen Tugendfeind.

Trink die Tranen, welche meinen Lieben, Die hier ungestdret ruhnj geweint; Stunden sagt^, wo seid ihr denn geblieben. Die ihr uns als Junglinge vereint? Sprosset auf

Jsu

dunklen Trauermyrten,

Tranen, die die Liebe hier vergoB; Griint, um meine welke Stirn zu giirten, Meine Laute, der nur Schmerz entfloB.

Kirchhof, Freund der triiben Knabentage,

Die mir schwanden trmexivoll dahin, Hottest du nicht oft auch meine Klage,

Wenn mich eine

Freundin muBte fliehn? 87

GESCHICHTE DER POESIE "Wie

Erde voller Sch5nheit

die

bliihte,

von dem Rosenglaniz Ihrer Jngend, und noch brautlich gliihte Aus der Weihumarmung, die den Kram: Sanftumschleiert

Ihrer unenthullten Kindheit raubte,

Jeder Wintersturm die Holde mied.

Oh! da

sauselte

Myrte Zephir

Eva

lauschte

Und

Tone

die

sanft das erste Lied.

im Gebiisch daneben

Und empfand Dieser

dnrch die belaubte

mit Jugendphantasie

jugendliches

Leben

neugeborne Harmonic.

SiiBen Trieb

empfand auch Philomele

Leise nach^ubilden diesen Klang,

Mixhelos entstr5mte ihrer Kehle Sanft der gottliche Gesang.

Himmlische Begeistrung floB hernieder In der Huldin rein gestimmte Brust, Und ihr Mund ergoB in Freudenlieder

Und

in

Dankges^gen

ihre Lnst,

Tiere^ Vogel, selbst die Palmenaste

Neigten staunender zn ihr sich hin,

AUes schwieg, es buhiten nur die Weste Froh nm ihre Schiilerin. Gottin Dichtknnst

kam in

Rosenblute

Hoher Jugend eingehuUt herab Aus dem Ather, schon wie Aphrodite,

Da ihr Ozean

das Dasein gab.

Goldne Wolkchen trugen sie hernieder, Sie umfloB der reinste Balsamduft, Kleine Genien ertonten Lieder In der trMenlosen Luft.

KLAGEN EINES JtlNGLINGS Nimmer schwanden undankbar die

Freuden

Traumgleich mir in ode Fernen bin; Jede farbte, lieblicher im Scheiden, Mit Erinnrung meinen trunknen Sinn; ermiiden, Mit Erinnrung, die, statt Neue, hedge Wonne mir entschloB, Und mir siiBen jugendlichen Frieden

Um die rebengriinen Schlafe goB. Seit ich mehr aus schoner Wangen Rote, Mehr aus sanften, blauen Augen las. Oft, wenn schon die scharfe Nachtluft wehte, Im beseeltern Traume mich yergaB; Meinem Herzen nachbarlicher, warmer

Da den Schlag der Nachtigall empfand, Und entfernt von meinem Klarchen armer Mich

als jeder dxirftge

Pdger fand:

Lachet, ewge Gottheit in dem Blicke, Mich mein sonnenschones Leben an. Amor tauscht mich xiicht mit List und Tucke, Ganymeda nicht mit kurzem Wahn;

Jedes Liiftchen nahert sich mir mdder.

89

Das dort tJppig

Bliiten wild herimterhaucht;

dr^gen immer

frische Bilder

Sich 2u mir, in Rosenol getaucht.

Zypris

Tauben warten schon mit Ktanzen

Und mit Traubenbechern meiner dort, Und in leichtverschlungnen Freudentanzen Amors Bruderschwarm mich fort. und Musen Lippen Schmachtet mir entgegen mancher KuB;

ReiBet

Von

der Grazien

Gotterwonne kann ich selig nippen, Schwelgen da im freundlichsten GenuB.

Dennoch lodern ofters Purpurgluten Mir um meine Wang’ und meine Stirn,

Wenn Wie

sich unter Stiirmen, unter Fluten,

des

Abends leuchtendes Gestirn, von echter Freiheit Kranze,

Mir, umstrahlt

Eines edlen Dulders Seele zeigt.

Den

der

Himmel nicht

in seinem Glanze,

Nicht die HoU’ in ihren Nachten beugt. Kraftlos fiihl ich

mich von dem Geschicke

Zum unmannlichern GenuB verdammt; Vor Gefahren beb Weil nicht

ich feig zuriicke,

Mut in meinem Busen flammt.

Weibisch hat das Schicksal mich erzogen, Nicht sein Liebling, nur sein Sklav bin ich; Amor hat mich schmeichlerisch umflogen Statt der Sorge, die

90

mir

stets

entwich.

Lanze Wieget einen Hirtenstab mein Arm; Nimmer wurde mir im WaflFentanze Aber oft im bnnten Reigen warm: Alle groBen, strahlenden Gefahren Hat mein Schicksal von mir abgewandt, Und nur unter frohe Madchenscharen Statt in Feindes Haufen mich gesandt, Statt der ernstern, riihmlicheren

Parze, hast

du

jemals deine Spindel

Nach dem Flehn

des Erdensohns gedreht,

Dem kein bald entwichner Zauberschwindel

Um die flammendheiBen Schlafe weht: O so nimm, was Tausende begehrten. !

Was mir

Milde lieh^ Gib mir Sorgen, Elend und Beschwerden

Und

xippig deine

dafiir

dem

Geiste Energie.

Ungeduldig soil die Flamme lodern Meines Dankes dann von dem Altar: Nichts mehr sollen meine Wunsche fordern, Frei und gniigsam macht mich die Gefahr; Doch versagest du mir diese Bitte,

O

I

so kxirze,

weim du

streng nicht bist,

Mindestens geschwind nur meine Schritte,

Nimm dies Leben,

das nicht Leben

ist.

91

IN DAS

STAMMBUCH I

Zart

ist

der Faden der Freundschaft, doch unzertrennlich wie jene

Kette, die

Himmel und Meet und

die Gestirne

umschlingt,

Aber auch dehnbar wie Gold, er windet in

lieblichen

Knoten Selbst

um die

Freunde sich

leicht,

welche das

Schicksal getrennt.

n Immer hinuber den Strom, schon

reichet

von jenem

Gestade Dir die Muse des mannlichen Alters die freundliche Rechte,

Aber

die Freiheit

verl^t auch den Landenden; siehe, die

Weisheit

Lehrt Dich Resignation, der Sterblichen kostbarstes

Kleinod:

Wer es hat, der ist reicher und weiser als

Fiirsten und

Weise,

Denen

die Leidenschaft

noch und

rastlose

gebietet.

92

Unruh

ALS ICH

AN

G...

HOLTYS GEDICHTE SCHICKTE

Freund, Her scHcke ich dir den holden Sanger, einer Nachtigall ward und gleich ihr Klagend Lieb’ und Tugend besang, auch gleich ihr

Der aus

Friihe verstummte.

WALZER Hinunter

die Pfade des

Lebens gedreht,

noch geht* Dnickt fester die Madchen ans klopfende Herz Ihr wisset, wie fliichtig ist Jugend und Scherz. Pausiert nicht, ich bitt euch, solang es

LaBt fern von uns Zanken und Eifersucht sein Und nimmer die Stunden mit Grillen entweihn. Dem Schutzgeist der Liebe nur glaubig vertraut: Es findet noch jeder gewiB eine Braut.

ALLE MENSCHEN SEH ICH LEBEN Alle Menschen seh ich leben, Viele leicht voriiberschweben,

Wenig muhsam vorwartsstreben, Doch nur einem ist gegeben Schwebend Leben, leichtes Streben. Wahrlich, der

An

GenuB ziemt Toren,

der Zeit sind

sie verloren,

Gleichen ganz den Ephemeren.

In

dem

Streit

mit Sturm und

Wogen 93

Wird der Weise

fortge2:ogen,

Kampft, um niemals aufeuhoren, Und so wird die Zeit betrogen, Endlich unters Joch gebogen, MxiB des Weisen Macht vermehren.

Ruh

ist

Gottern nur gegeben,

Ihnen ziemt der UberfluB, Doch fiir uns ist Handeln Leben,

Macht zu

xiben

nur GenuB.

AM SONNABEND ABEND Bin

ich

noch

Dem Gott Und

der, der gesterri

des Leichtsinns

liber alien

Morgen

Hymnen

sang

Ernst und Sorgen

Der Freude leichte GeiBel schwang Der jeder Einladung entgegen, Das Herz in beiden Hmden, flog Und wie ein junges Blut yerwegen Auf jedes Abenteuer zog? Der mit den Kinderschuhen lange Der Liebe Kartenhaus yerlieB, Und wie das Gliick in seinem Gange

An Reiche

wie an Karten

stieB,

Im Kampf der neuen Elemente Im Geist schon Sieger sang: 5,^a ya*^^, Und schon die Schopfung im Konyente Und Gott als Prasidenten sah?

94

Der schlauer noch als ein Berliner In Madchen Jesuiten spiirt

Und Vater Adams

Gattin kiihner

Als wahren Stifter denunziert? In dessen Stube langst vergessen Das Bild des Aberglaubens hing

Und der zam Spott nur in die Messen Von den elftausend Jungfern ging? Derselbe kanns nicht sein, der heute

Beklemmt weit auf die Weste kn5pft

Und

scbweigend an der Morgenseite So emsig Luft von dorther schopft.

Den vier^ehn

Jahre so entziicken

(Bald siad die sieben

Und Was

Wochen voU)

der in jeden Augenblicken

anders will, was anders

1st das

der

soil.

Mann, der sieben Weisen

Im Umsehn in Den schon die

die Tasche steckt.

kurzeste der Reisen

So wundersam im Schlafe weckt, Und der noch kaum die stoken Traume Der Weisheit lahm fortschleichen sieht, Als aus

dem hofFnungsvollsten Keime

Fiir ihn der

01 immer

Rosenstock schon bluht?

fort der

Was kiimmert

Mann von gestern.

seine Flucht

denn mich -

Die guten Stunden haben Schwestern

Und

Schwestern - die gesellen

Damit

sie

immer

sich.

sich erkennen

95

Und immer froh beisammen Will ich ein

Sophie

sein,

Wort zut Losung nennen

soli die

Losung

-

sein.

ZV SOPHIENS GEBURTSTAG

Wer ein holdes Weib

errungen,

Stimme seinen Jubel ein. Mir ist dieser Wurf gelungen: Tone Jubel - die ist mein. So hat nie das Herz geschlagen, Nie so hoch und nie so gut. Kxinftig neigt vor meinen Tagen Selbst der Gliicklichste den Hut. Fest umschlingt den

Bund

der Herzen

Nun der Ring der Ewigkeit, Und es bricht der Stab der Schmerzen

Am Altar der Einigkeit. O! im Himmel

ist

geschlossen

Unsrer Herzen suBer Bund, Ist ein

beBrer Spruch entflossen

Je des Schicksals weisem

Mund ?

Dk gehort nun, was ich habe, Was ich denke, fxihle, bin, Und du nimmst nun jede Gabe Meines Schicksals fur dich hin. Was ich sucht, hab ich gefunden.

Was Und

ich fand, das fand auch mich, die GeiBel meiner Stunden,

Zweifelsucht

96

und

Leichtsinn, wich.

mein Mund dich loben, zu warm dich ehrt. Weil mein Tief im Busen aufgehoben Wohne heimlich mir dein Wert. Wenn ich wunde Herzen heile,

Nimmer

soli

Her^:

Jede Stunde besser bin,

Nie im Guten Dieses

lassig weile;

Lob nimm

dir

dann

bin.

Liebes Madchen, deiner Liebe

Dank ich Achtxing noch und Wert,

Wenn

sich unsre Erdenliebe

Schon

Ohne

in Hhnmelslust verklart.

dich

war

ich

noch lange

Trostlos auf und ab geschwankt

Und auf meinem Lebensgange Oft am tiberdruB erkrankt.

Wenn nur unsre

Mutter wieder

und ledig bei uns steht Und im Kreise unsrer Briider Frisch

Stolz die Friedensfahne weht.

Wenn dann noch ein

SuBer, Trauter

Unsre LoUy fest umschlang O dann tont noch zehnfach lauter Unsres Jubels Hochgesang. !

Wenig

still

durchhoffte Jahre

Leiten unTcrwandt

zum

Ziel,

Wo am gliicklichen Altare Endet unsrer Wiinsche Spiel, Uns, auf ewig eins, verschwinden 7

Nopalts^

Gcsammclte Werke

i

97

Wolkchen

Und um

gleich, des

Lebens

Muhn

unsre Herzen winden

Kr^e sich von Immergriin. ES

KANN KEIN RAUSCH SEIN

- oder ich ware nicht Fiir diesen Stern geboren - nur so von ohngefahr In dieser toUen Welt zu nah an Meinen magnetischen Kreis gekommen.

Es kann kein Rausch

sein

Ein Rausch war wirklich

sittlicher

Grazie

- Glauben an Menschheit war Nur Spielwerk einer frohen Stunde - ? Ware dies Rausch, was ist dann das Leben?

Vollendetes BewuBtsein?

Soil ich getrennt sein

ewig? -

ist

Vorgefiihl

Der kunftigen Vereinigung, dessen, was Wir hier fur unser schon erkannten, Aber nicht ganz noch besitzen konnten auch Rausch? so bliebe der Niichternheit, Der Wahrheit nur die Maske, der Ton, und das Ist dies

Gefuhl der Leere, des Verlustes

Und

der vernichtigenden Entsagung,

Womit wird denn belohnt fur die Anstrengung Zu leben widerwillen, feind von sich selbst zu sein Und tief sich in den Staub getreten Lachelnd zu sehn - und Bestimmung meinen ?

9^

Was

fuhrt den Weisen denn dutch des Lebens Tal

Als Fackel zu

dem hoheren

Sein hinauf

-

nur hier geduldig bauen, Nieder sich legen und ewig tot sein? Soil er

Du bist nicht Rausch - du Stimme des Genius, Du Anschaun dessen, was uns unsterblich macht, Und du BewuBtsein Der nur erst

jenes Wettes,

einzeln allhier erkannt wird.

Einst wird die Menschheit sein, was Sophie mir

- voUendet - sittliche Grazie Dann wird ihr hoheres BewuBtsein

Jetzt ist

Nicht mehr verwechselt mit Dunst des Weines.

DER FREMDLING Der Frau Bergratin von Charpentier gewidmet

Miide bist du und kalt, Fremdling, du scheinest nicht Dieses Hitnmels gewohnt, - warmere Liifte wehn Deiner Heimat, und freier

Hob

sich vormals die junge Brust.

Streute ewiger Len^ dort nicht auf stiller Flur Buntes Leben uroher? spann nicht der Frieden dort

Feste Weben? und bliihte Dort nicht ewig, was einmal wuchs ?

- untergegangen ist Land - keiner der Sterblichen WeiB den Pfad, den auf immer Unzugangliches Meer verhxillt.

O! du

suchest umsonst

Jenes himrolische

99

Wenig haben

Noch

nur deines verwandten Volks

sich

entrissen der Flut

Sie gesat

- hierhin und dorthin

sind

und erwarten

BeJSre Zeiten des Wiedersehns.

Folge willig mir nach - wahrlich ein gut Geschick

Hat hieher dich

gefiihrt

Hier, die eben,

Heut

im

- Heimatsgenossen sind

Stillen,

ein hausliches Fest begehn.

Unverkennbar erscheint dort dir die innige Herzenseinheit - es strahlt Unschuld und Liebe

dir

Klar von alien Gesichtern,

Wie

vor2eiten

im Vaterland.

- wahrlich, der Abend wird, Wie ein freundUcher Traum, schnell dir voriibergehn,

Lichter hebt sich dein Bllck

Wenn in

siiBem Gesprache

Sich dein Herz bei den

Seht - der Fremdling Sich verbannt

fiihlt,

ist

Guten

hier

lost

- der

-

aus demselben Land

wie Ihr; traurige Stunden sind

Ihm geworden - es neigte Fruh der frohliche Tag sich ihm. noch gern, wo er Genossen trifFt, munter das Fest hauslicher Freuden mit; Ihn entziicket der Fruhling,

Doch

er weilet

Feiert

Der

100

so frisch

um die Eltern bliiht.

DaB

das heutige Fest oft

noch zuruckekehtt,

Eh den Weinenden sich ungem Und auf nachtlichen Pfaden Folgt

DaB

dem

die Mutter raubt

Fiihrer ins Vaterland

-

der Zauber nicht weicht, welcher das

Band

begliickt

Eures Bundes - und daB auch die Entfernteren Des genieBen und wandern Einen frohlichen Weg mit Euch Dieses wiinschet der Gast

Euch

- aber der Dichter

fur ihn; denn er schweigt gern,

freudig

Und

er sehnet so

wenn

sagt’s

er

ist,

eben

Seine fernen Geliebten her.

Bleibt

Ihm

dem Fremdlinge hold - sparlicheFreuden sind

hienieden gezahit

Menschen

- doch

bei so freundlichen

sieht er geduldig

Nach dem groBen Geburtstag

DER Mt)DE FREMDLING

1ST

hin.

VERSCHWUNDEN

Der miide Fremdling ist verschwunden Und hat dem Freunde Plats: gemacht, Der

aus so vielen truben Stunden Ein treues Herz dayongebracht. Auf immer nun mit euch yerbunden. Von keinem Kummer mehr bewacht. Hat er sich wieder selbst gefunden Und manches, was er nicht gedacht. lOI

.

Ein Jahr mit seinen bunten Wochen Verstrich, wit

Und

wuBten

selbst nicht wie.

anders, als wit uns versprochen,

Klang

oft:

des Lebens Melodic.

Doch fester ward

tnit jedem Tage Band um unsern StranB, Und immer lauter ward die Sage, Ein blinder Knabe war im Haus.

Das

liebe

Es wuBte eine von euch beiden GewiB, was an der Sage war .

.

DER STERBENDE GENIUS Willkommen,

Lieber,

nun und

nicht wieder ruft

Dich meine Stimme; nah ist der Abschied mir. Gefunden hab ich, was ich suchte, Und der Bezauberung Bande schmelzen.

Das schone Wesen ~ siehst du die Konigin Hebt Bann und Zauber; lange vergebens flog Um jeden Thron ich, aber endlich Winkte dutch sie mir die alte Heimat. Schon lodert machtig jene geheime Glut Mein altes Wesen - tief in dem irdischen Gebilde: Sein

102

Du

soUst Opferpriester

und das Lied der Zuriickkehr

singen.

Nimm diese

Zweige, decke mit ihtien mich,

Nach Osten

singe dann das erhabne Lied,

Bis auf die

Sonne geht und zuxidet der Urwelt ofBiet.

Und mir die Tore Der Duft des

Schleiers, der

mich vordem nmgab,

Sinkt dann vergoldet iiber die Ebenen,

Und wer ihn atmet, schwdrt begeistert Ewige Liebe der schonen Fiirstin.

KENNE DICH SELBST Bins nur ist, was der Mensch za alien Zeiten gesucht bat;

Hobn, bald in dem Tiefsten der Welt Unter verschiedenen Namen - umsonst - es vertJberall,

bald auf den

steckte sich

immer,

Immer empfand er es noch - dennocb

erfaBt er

es nie.

Langst schon fand sich ein Mann, der den Kindern in freundlichen Myrten

Weg und Schlussel verriet zn des Verborgenen SchloB.

Wenige deuteten sich die leichte Chiflfre der Losung, Aber die wenigen auch waren nun Meister des Ziels.

Lange Zeiten verflossen

- der Irrtum

scharfte

den

Sinn uns -

DaB uns

der Mythus selbst nicht

mehr die

Wahrheit verbarg. 103

Gliicklich,

wer weise geworden und

mehr

Wer von

sich selber

joicht die

Welt

durchgfiibelt,

den Stein ewiger Weisheit begehrt.

Nuf der verniinftige Mensch ist der echte Adept er verwandelt

Alles in

Leben und Gold - braucht

Elixiere

nicht mehr.

In

ihm dampfet der heilige Kolben - der K5nig ist in ihm Delphos auch, und er faBt endlich das Kenne dich selbst!

LETZTE LIEBE Also noch

ein freundlicher Blick

am Ende der

Wallfahrt,

Ehe

die Pforte des

Hains

leise sich hinter

mir

schlieBt.

Dankbar nehmich das Zeichen der treuen Begleiterin Liebe Frohlichen Mutes an, ofFne das Herz ihr mit Lust. Sie hat

mich durch das Leben

allein

ratgebend

geleitet,

Ihr ist das ganze Verdienst,

wenn ich dem Guten

gefolgt,

Wenn manch zartliches Herz dem Friihgeschiedenen nachweint

Und dem

erfahrenen

Mann Hoffnungen welken mit mir.

Noch als das Kind, im suBen Gefiihl sich entfaltender Kr^te, 104

:

WahrHch

als

Sonntagskind

trat in

den siebenten

Lenz,

Hand den jungen Busen die Liebe, Anmut schmiickt jene Vergangenheit

Riihrte mit leiser

Weibliche

reich.

dem Scblummer

Wie

aus

Was

bisher nur ein Spiel der

Mutter den Liebling weckt roit dem Kusse, Wie er zuerst sie sieht und sich verstandigt an ihr Also die Liebe mit mir - dutch sie erfuhr ich die Welt erst, Fand mich selber und ward, was man als die

Liebender wird.

Jugend war, das verkehrte

Nun

dennoch verlieB mich nicht Zweifel und Unruh suchten mich oft von ihr zn sich in ernstes Geschaft, sie

entfernen,

Endlich erschien der Tag, der die Erziehung

voUzog, Welcher mein Schicksal mir zur Geliebten gab und auf ewig Frei mich gemacht und gewiB eines unendlichen Glucks.

AN ADOLF SELMNITZ ^Was paBt, das

muB

sich riinden,

Was sich versteht, sich finden. Was gut ist, sich verbinden. Was liebt, zusammen sein. Was hindert, muss entweichen. 105

Was krumm ist, muB sich gleichen. Was fern ist, sich erreichen. Was keimt, das muJB gedeihn. Gib

treulich

mir die Hande,

Bruder mir, und wende Den Blick vor deinem Ende Sei

Nicht wieder

weg von

mir.

Ein Tempel, wo wir knieen, Ein Ort, wohin wir ziehen, Ein Gliick, fur das wir gliihen, Ein Himmel mir und dir.

AN DIE FUNDGRUBE AUGUSTE zu ihrem

49.

Geburtstag

Sakulum um. Viel edle Geschicke hast du beschert Und gute Wetter uns immer gewahrt. Zum Gliick des Bergmanns streiche dein Gang Geschart mit freundlichen Gangen noch lang. Gliickauf, Fundgrube, das

1st

nun zur Halfte

fur dich bald

ZUR WEINLESE

Wir haben Weinmond, liebe Leute, Und weil nicht immer Weinmond ist. So sag ichs euch in Versen heute,

Damit

es keiner nicht vergiBt.

Wenn Weinmond ist,

so miiBt ihr wissen,

!

Da gibt es Trauben, Most und Wein, Und weil die armen Beeren miissen. So

sprit2:en sie ins

FaB

hinein.

Es gibt gar unterschiedne Beeren,

Von alien Farben triffi: man sie, Und manche halt man hoch in Ehren, Und manche wirft man vor das Vieh. Sie sind

im Temprament verschieden

Und von Doch

gar mancherlei Statur;

alien ist der

Wein beschieden

Als Lieblingskindern der Natur.

Zu einem Das

ist

Stock will ich euch fuhren,

ein Stockchen wie ein Taus

Um seine SiiBigkeit zn spxiren, Sucht ein Traube euch heraus. Ich lobe mir die braven Wenden, Sie langen zu.

und

sind nicht faul,

gern mit beiden Handen Die blauen Trauben in das Maul. Sie stecken

Nicht wahr, das schmeckt nicht herb und sauer?

Was gut

schmeckt, weiB der

Wende wohl,

und geht gern auf die Dauer Und nimmt die beiden Backen voll. Drum kann er auch nicht Worte machen, Er steht voU Eifer da und kaut, Er

iBt

Doch

sieht

man ihn

Als kaut’ er

still

so schamig lachen, an einer Braut.

107

!

den Trank anjetzt im gansien Verkauft, dafdr kann ich euch stehn.

DaB

er

Oft wird er

um den

Stock noch tanzen

Und sick mit seinem Taubchen drehn. Wer weiB, ob er nicht aus dem Kerne Ein neues Mutterstdckchen

Das

viele Jahre in der

Zum Ruhm Der

alte

zieht.

Feme

des alten Stockes bliiht.

Stock wird bliihn und wachsen,

Wenn man den tJberfluB ilim nimmt Und uberall im Lande Sachsen Sein Wein auf guten Tischen schwimmt. Er hat noch manche reife Traube Von andrer Art und ihm zur Last; Es bitten Geier oder Taube Vielleicht sich bald bei ihm zu Gast.

DaB

Ob

noch lange bliiht, das weiB ich, wohl manches Jahr schon steht;

er

er

Denn

dafiir, liebe

Leute, heiB ich

Ein Dichter oder ein Poet. Ihr denkt

wohl

Traubchen, an sich schniirt? Ich bins zufrieden, wenn ein Weibchen, Ob ich gut schmecke, sacht probiert. gar, ich sei ein

Weil mich der Stock

fest

Drum weil nicht Weinmond

aUe Tage,

Kein solcher Stock nicht uberall. So denkt nicht heut an eure Plage, Zieht eure Sorgen in den Stall, LaBt unsern alten Weinstock leben io8

Und Und

Winder da!

sekien lieben

einen KxiB soli

Als Kandidat

man ihm geben

zm GroBmama.

ES FARBTE sigh die WIESE GRt)N

Es

farbte sich die

Und

lutn die

Wiese griin

Hecken sah

ich’s bliihn;

Tagtaglich sah ich neue Kjrauter,

Mild war die

Lxift,

der

Himmel

heiter:

Ich wuBte nicht, wie mir geschah,

Und wie

das wurde,

was ich

Und immer dunkler ward Auch bunter Sanger

sah.

der Wald,

Aufenthalt,

Es drang mir bald auf alien Wegen Ihr Klang in siiBem Duft entgegen.

Ich wuBte nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah.

Es quoU und trieb nun uberall, Mit Leben, Farben, Duft und Schall; Sie schienen

DaB

gern sich

zxi

vereinen,

mochte lieblich scheinen. Ich wuBte nicht, wie mir geschah Und wie das wurde, was ich sah. alles

So dacht

ich: ist ein Geist erwacht,

Der

so lebendig macht,

Und Und

alles

der mit tausend schonen

Waren

Blxiten sich will oJSFenbaren?

109

Ich wiiBte nicht, wie mir geschah,

Und

wie das wurde, was ich sah.

Vielleicht beginnt ein neues Reich,

Der lockre Staub wird 2 um Gestrauch, Der Baum nimmt tierische Gebarden, Das Tier soli gar 2um Menschen warden. Ich wuBte nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah. ich so stand und bei mir sann, machtger Trieb in mir begann. Ein

Wie

Ein freundlich Madchen kam gegangen Und nahm mir jeden Sinn gefangen. Ich wuBte nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah.

Uns barg der Wald vor Sonnenschein. Das ist der Fnihlingl fiel mir ein; Und kur2, ich sah, daB jet2t auf Erden Die Menschen soUten Gotter warden.

Nun wuBt’ ich wohl, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah.

DER HIMMEL WAR UMZOGEN Der Himmel war umzogen, Es war so triib und schwiil, HeiB kam der Wind geflogen

Und trieb

no

sein seltsam Spiel.

Ich scWich in tiefem Sinnen,

Von

stillem

Gram

verzehrt.

-

Was soil ich nun beginnen? Mein Wunsch blieb unerhort.

Wenn Menschen konnten Wie

So woUt^ ich 2u

ihr

Und frohlich mit War War

leben

kleine Vogelein,

hier nichts

schweben

ihr sein.

mehr zn

Feld und Staude

finden.

leer.

So flogen gleich den Winden Wir -libers dunkle Meer.

Wir

blieben bei

dem Lemie

Und von dem Winter

weit,

Wir hatten Frucht^ und Kranze Und immer gute Zeit. Die Myrte sproBt im Tritte

Der Wohlfahrt

Doch um

leicht hervor,

des Blends Htitte

SchieBt Unkraut nur empor.

Mir war so bang zumute. Da sprang ein Kind heran, Schwang frohlich seine Rute Und sah mich freundlich an:

III

;

„Wamm miiBt du dich gramen? O weine doch nicht so, !

Kannst meine Gerte nehmen, Dann wirst du wieder froh/' Ich

nahm

sie

und

es hiipfte

Mit Freuden wieder

Und

stille

fort,

Ruhrung knupfte

Sich an des Kindes Wort.

Wie ich so bei mir dachte: „Was soli die Rute dir?“ Schwankt aus den. Biischen sachte Ein griiner Gians: zu mir. Die Konigin der Schlangen Schlich dutch die Dammerung Sie schien gleich goldnen Spangen In wunderbarem Prunk. Ihr

Kronchen sah ich funkeln

Mit bunten Strahlen weit, Und alles war im Dunkeln Mit griinem Gold bestreut. Ich nahte mich ihr

Und

traf sie

mit

leise

dem Zweig,

So, wunderbarerweise.

Ward

II2

ich unsaglich reich.

AN TIECK Ein Kind voU Wehmut und

voll Treue,

VerstoBen in ein fremdes Land, LieB gern das Glanzende und Neue

Und

dem Alten mgewandt.

blieb

Nach langem Suchen, langem Warten, Nach manchem muhevollen Gang, Fand

es in

Auf einer Ein

altes

Und Und

einem oden Garten

langst verfallnen

Bank

Buch mit Gold verschlossen Worte drin;

nie gehorte

wie des Fnihlings 2arte Sprossen,

So wuchs in ihm ein innrer Sinn.

Und wie

es sitzt

und

liest

und schauet

In den Kristall der neuen Welt,

An

Gras und Sternen sich erbauet dankbar auf die Kniee fallt:

Und

So hebt

sich sacht aus

Bedachtiglich ein alter

Im

Mann

Rock und kommt mit fromme Kind heran.

schlichten

Gesicht ans

Gras und Krautern heitern

Bekannt, doch heimlich sind die Ziige,

So kindHch und so wunderbar; Es spielt die Fruhlingsluft der Wiege Gar seltsam mit dem Silberhaar.

8

Nopaltf,

Gcsammeltc Werke

i

113

Das Kind faBt bebend seine Hande, Es ist des Buches hoher Geist, Der ihm der sauern Wallfahrt Ende

Und

seines Vaters

„Du

kniest auf

So

Wohnung

weist.

meinem oden Grabe'', Mund,

ofFnet sich der heilge

„Du

bist der

Erbe meiner Habe,

Dir werde Gottes Tiefe kund.

Auf jenem Berg

als

armer Knabe

Buck gesehn Und konnte nun durch diese Gabe Hab’ ich ein himmlisch In

alle

Kreaturen sehn.

Es sind an mir dutch Gottes Gnade Der hochsten Wunder viel geschehn; Des neuen Bunds geheime Lade Sahn meine Augen offen stehn. Ich habe treulich aufgeschrieben,

Was innre Lust mir ofFenbart, Und bin verkannt und arm geblieben. Bis ich za Gott gerufen ward.

Die Zeit Soli das

ist da,

und

nicht verborgen

Mysterium mehr

sein.

In diesem Buche bricht der Morgen Gewaltig in die Zeit hinein. Verkiindiger der Morgenrdte,

Des Frieden^ Bote 114

sollst

du

sein.

Harf ^ und Flote, meinen Atem ein.

Sanft wie die Luft in

Hauch

ich dir

Gott sei mit dir, geh bin und wasche Die Augen dir mit Morgentau Sei treu dem Buch und meiner Asche

Und bade

Du

dich

im ewgen

Blau,

wirst das letzte Reich verkianden.

Das tausend Jahre

soil

bestehn;

Wirst xiberschwenglich Wesen jEinden Und Jakob Bdhmen wiedersehn."

AN JULIEN

DaB ich mit namenloser

Freude

Gefahrte deines Lebens bin

Und mich

mit tiefgeriihrtem Sinn

Am Wunder deiner Bildung weide DaB wir aufs innigste vermahit Und ich der Deine, du die Meine, DaB ich vor alien nur die Fine Und diese Fine mich gewahlt. Dies danken wir dem suBen Wesen, Das

sich uns liebevoll erlesen.

O, laB uns treulich ihn verehren. So bleiben wir uns einverleibt. Wenn ewig seine Lieb’ uns treibt. So wird nichts unser Biindnis storen.

An

seiner Seite

konnen wir

Getrost des Lebens Lasten tragen

Und

einander sagen:

selig

Sein Himmelreich beginnt schon bier,

Wir werden, wenn wir In seinem

Arm xins

hier verschwinden.

wiederfinden.

AN DORA Zum Dank

fur das reizende Bild meiner Julie

Huld und Giite verglommner Funken sein ?

Soil dieser Blick voll

Ein schnell

Webt

keiner diese Madchenbliite

In einen ewgen Schleier ein ? Bleibt dies Gesicht der

Zum Trost Verklto

Nur

dies hinimlische Gebilde

einen Ort

und Augenblick ?

Wehmut flieBt in

Die

Treu und Milde

der Nachwelt nicht zuriick ?

tiefen

Tonen

Ins frohe Lied der Zartlichkeit.

Niemals wird sich ein Herz gewohnen

An die Mysterien der

O

Zeit.

Knospe siiBer Stunden, Dies edle Bild im Heilgenschein, Dies soil auf immer bald verschwunden. !

diese

Bald ausgeloscht auf ewig sein ?

Der Dichter klagt, und die Geliebte Naht der Zypresse, wo er liegt.

Kaum birgt die Tranen Wie

sie sich

der Betriibte,

innig an ihn schmiegt.

Er

heftet

unverwandte Blicke

Auf diese liebliche Gestalt, DaB er in sein Gemiit sie driicke.

Eh

sie

zm Nacht hiniiberwallt.

„Wie'‘, spricht die Holde,

„du in Tranen?

Sag, welche Sorge flog dich an?

Du bist so

wahnen,

gut, ich darf nicht

DaB meine Hand

dir wehgetan.

Sei heiter, denn es kommt soeben Ein Madchen, wie die gute Zeit. Sie wird ein seltsam Blatt dir geben, Ein Blatt, das dich vielleicht erfreut.“ -

„Wie‘''',

mft der Dichter, halb erschrocken, jetzt zumute ward!

„Wie wohl mir

Den Und

Puls des Trubsinns

fiihl

ich stocken,

eine schone Gegenwart.“

Die Muse Als hatte

tritt

ihm schon entgegen,

sie ein

Und

reicht,

Das

Blatt

wie

Gott gesandt, Freunde pflegen,

alte

ihm und

die Lilienhand.

„Du kannst nun

deine Klagen sparen. Dein irmrer Wunsch ist dir gewahrt. Die Kunst vermag das za bewahren. Was einmal die Natur verklart;

Nimm hier die festgehaltne Bliite, Sieh ewig die Geliebte jung,

und Himmel, Frucht und In reizender Vereinigung. Einst Erd^

Bliite

„Wirst du geruhrt vor diesen Ziigen

Im

spaten Herbst noch stillestehn. So wirst du leicht die Zeit besiegen

Und

einst das

ewge Urbild

sehn.

Die Kunst in ihrem Zauberspiegel Hat treu den Schatten aufgefaBt, Nur ist der Schimmer seiner Flxigel Und auch der Strahlenkranz verblaBt.“

Kann Er

jetzt

der Liebende wohl danken?

sieht die Braut, er sieht das Blatt.

VoU liberschwenglicher Gedanken ewig hier nicht satt. hinweg und hort von weiten Noch freundlich seinen Nachgesang; Doch bleibt ihr wohl 2xl alien Zeiten Der Freundin Gliick der liebste Dank. Sieht er sich Sie schliipft

AN KARL VON HARDENBERG In

stiller

Treue

sieht

man

Nicht wie die meisten

gern ihn walten,

mag

er sinnlos schweifen,

Er will die dargebotne Recht’ ergreifen Der bessern Zukunft, um sie fest^zuhalten. Reichfarbig wird sich diese Knosp’ entfalten.

Das Auge

sich fur

feme Weiten

schleifen,

Zum Meister wird der treue Lehrling reifen, Und um sich her ein neues Reich gestalten.

Wie

frdhlich

karm dankbar ein Freund verkxinden.

Was seinem

Wenn

Geist sich langst vergnuglich zeigte,

er des Jiinglings

O! mochte

Wandel

still

bedachte.

jede Treue Treue linden,

Und daB

zu

dem

der Lilienstab sich neigte,

Der Lust und Leben kranken Herzen

brachte.

DISTICHEN I

LaBt

die Libellen ziehn, unschuldige

Fremdlinge

sind es,

Folgen dem Doppelgestirn froh, mit Geschenken, hierher.

n Einem

gelang

es,

-

er

hob den zu

Schleier der G5ttin Sais

-

Aber was sah er? - Er sah - Wunder des Wunders, sich

selbst.

ni Freunde, der Boden

ist

arm, wir miissen reichlichen

Samen Ausstreun, daB uns doch nur maBige Ernten gedeihn.

IV Welten bauen

genxigt

dem

tiefer

dringenden Sinn

nicht:

Aber

ein Hebendes

Herz

sattigt

den strebenden

Geist.

V Fiirsten sind

NuUen -

sie

gelten an sich nichts,

aber mit Zahlen, Die sie beliebig erhdhn, neben sich, gelten sie viel.

VI Hypothesen sind Netze, nur der wird fangen, der auswirft. 1st nicht

Amerika

selbst

dutch Hypothese

gefunden ?

Hoch undvor alien lebe die Hypothese, nursiebleibt Ewig neu, so oft sie auch schon sich selber besiegte.

VII 1st es nicht king fiir die

Nacht ein

geselliges

Lager

2X1 suchen?

Datum ist

kliiglich gesinnt, der

auch Ent-

schlummerte

120

liebt.

VIII

Quintus bin ich geblieben, geplackt und arm, wie die Landmaus. Freudig sterb’ ich: gewiB, Tertius driiben

m

sein.

FRAGMENT Die

sind sicher vor des Schicksals Neide,

Denen holde

Und

und Freude Herz im Busen klopft.

Jugendlieb’

ein stoLzes

.

Hire Seufizer gingen nie verloren,

Ihren frommen Bitten hat die Ohren

Nie sich die Vergelterin verstopft. Eh^ noch wenig kurze Jahre schwinden

Werden wit vereint uns wiederfinden Unter einem helleren Gestirn. Unsre Sprache wird uns dann nicht armer, Unsre Herzen schlagen dann noch warmer, Hohre Glut umflieget unsre Stirn!

CHOR DER JUNGFRAUEN aus

dem

fragmentarischen Schauspiel „Marpissa“ I

Eros, welchen im Lenz Cypris geboren hat! Kleiner, lachelnder Gott, Nemesis schenkte dir Damals Bienennatur, welcher vom Stachel trauft

SxiBableckender Honigseim.

Donner zahmet der Gott, welchen Olympia Weihrauchend verehrt. Sieg und Gewalt ist sein: Doch du hast ihn schon oft, kleiner Allmachtiger, Mit dem Netze der Liebe umstrickt.

n Ja, der Gottinnen selbst, waren sie noch so streng, Schonst du nimmer und war’ silbern die Locke schon, Fernhintreifer

!

Schon oft warfst du den goldnen Pfeil

In der rosigen Mutter SchoJB.

Hat dich Idas erziimt, welchen der Lorbeer friih Und die Myrte bekranzt, daB du Apoll entflammst Fur das herrliche Weib weil er den Rosenkranz Um die Fackel des Hymen gab ? :

122

Heinrich von Ofterdingen

ZUEIGNUNG

Du hast in mir den edien Trieb erregt, Tief ins Gerniit der weiten Welt

z\i

schauen;

Mit deiner Hand ergrifF xnich ein Vertrauen, Das sicher mich dutch alle Sturme tragt. Mit Ahndungen hast du das Kind gepflegt Und zogst mit ihm dutch fabelhafte Auen; Hast, als das Utbild zartgesinnter Frauen,

Des

Was

Jiinglings

Herz zum hochsten Schwung bewegt.

mich an irdische Beschwerden ? 1st nicht mein Her2 und Leben ewig dein ? Und schirmt mich deine Liebe nicht auf Erden? fesselt

Ich datf fur dich der edien Kunst mich weihn;

Denn du, Geliebte, willst die Muse werden Und stiller Schutzgeist meiner Dichtung sein.

125

In ewigen Verwandiungen begriiBt Uns des Gesangs geheime Macht hienieden^ Dort segnet sie das Land als ewger Frieden^ Indes

sie hier als

Jugend uns umflieCt.

Sie ists, die Licht in unsre

Augen

gieBt,

Die uns den Sinn fur jede Kunst beschieden Und die das Herz der Frohen und der Muden In trunkner Andacht wunderbar genieBt.

An

ihrem vollen Busen trank ich Leben;

Ich ward dutch

Und

durfte ftoh

zn allem, was ich bin, mein Angesicht erheben.

sie

Noch schlummerte mein

allerhochster Sinn;

Da sah ich sie als Engel zu mir schweben Und flog, erwacht, in ihrem Arm dahin.

126

ERSTER TEIL

ERWARTUNG

DIE

Efstcs Kapitel

Die Eltern kgen schon und schliefen,

die

Wanduhr

schlug ihren einformigen Takt, vor den klappemden Fenstern sauste der Wind; abwechselnd wurde die Stube hell von dem Schimmer des Mondes. Der Jiingling lag unruhig auf seinem Lager und gedachte

des

Fremden und

Schatze sind

es^

seiner

Erz^ungen. ^Nicht

die

die ein so unaussprecbliches Ver-

langen in roir geweckt haben‘, sagte er

sich selbst;

Habsucht aber die blaue Blume sehn^ ich mich erblicken. Sie liegt mir unaufhorlich im Sinn, und ich kann nichts anders dichten und denken. So ist mir noch nie zumute gewesen: es ist, als hatt ich vorhin getraumt, oder ich ware in eine andere Welt hinubergeschlummert; denn in der Welt, in der ich sonst lebte, wer hatte da sich um Blumen ,fernab liegt mir alle

:

m

bekiimmert, und gar von einer so seltsamen Leiden-

Blume hab ich damals nie gehort* Wo Fremde herkam? Keiner von uns einen ahnlichen hat je Menschen gesehn; doch weiC ich nicht, warum nur ich von seinen Reden so crgriffen worden bin; die andern haben ja das namliche gehdrt, und keinem ist so etwas begegnet. DaB ich auch nicht einmal von meinem minderlichen Zustande reden kann Es ist mir oft so enteuckend wohl, und nur dann, wenn ich die Blume nicht recht gegenwartig habe, befallt mich so ein tiefes, inniges schaft fur eine

eigentlich nur der

I

127

und wird keiner verstehn. Ich ware wahtisinnig, wenn ich nicht so klar

Treiben: das kann glaubte, ich

und

hell sahe

und

dachte, nair ist seitdem alles viel von alten Zeiten reden;

bekannter. Ich horte einst

wie da die Tiere und

Baume und

Felsen mit den

Menschen gesprochen hatten. Mir ist gerade so, als woUten sie allaugenblicklich anfangen und als konnte ich es ihnen ansehen, was sie mir sagen wollten. Es muB noch viel Worte geben, die ich nicht weiB: wuBte ich mehr, so konnte ich viel besser alles begreifen. Sonst tan2:te ich gern; jetzt denke ich lieber nach der Musik/ Der Jungling verlor sich allmahlich in siiBen Phantasien und entschlummerte. Da traumte ihm erst von unabsehlichen Fernen und wilden, unbekannten Gegenden. Er wanderte xiber Meere mit unbegreiflicher Leichtigkeit; wunderliche Tiere sah er; er lebte

mit mannigfaltigen Menschen, bald im

Kriege, in wildem Getiimmel, in stillen Hiitten. Er geriet in Gefangenschaft und die schmahlichste Not. AUe Empfindungen stiegen bis 2u einer nie gekannten Hohe in ihm. Er durchlebte ein unendlich buntes Leben; starb und kam wieder, liebte bis 2ur hochsten

war dann wieder auf ewig von gegen Morgen, wie drauBen die Datnmerung anbrach, wurde es stiller in seiner Seele, klarer und bleibender wurden die Bilder. Es kam ihm vor, als ginge er in einem dunklen Walde allein. Nur selten schimmerte der Tag durch das griine Nete. Bald kam er vor eine Felsenschlucht, die bergan stieg. Er muBte iiber bemooste Steine klettern, die ein ehemaliger Strom

Leidenschaft xind

seiner Geliebten getrennt. Endlich,

heruntergerissen hatte. Je hdher er kam, desto lichter 128

wurde der WaJd. Endlich gelangte erm einer kleinen Wiese, die am Hange des Berges lag. Hinter der Wiese erhob sich eine hohe Klippe, an deren FuC er eine OfFnung erblickte, die der Anfang eines in den Felsen gehauenen Ganges 2u sein schien. Der

Gang bis

fxihrte ihn gemachlich eine Zeitlang eben fort 2u einer groBen Weitung, aus der ihm schon von

fern ein belles Licht entgegenglanzte. trat,

ward

Wie

er binein-

er einen macbtigen Strabl gewabr, der

wie

aus einem SpringqueU bis an die Decke des Gewolbes stieg

und oben

in unzablige

Funken

zerstaubte, die

einem groBen Becken sammelten; der Strabl glanzte wie enteiindetes Gold; nicbt das mindeste Gerauscb war zu boren, eine beilige Stille umgab das berrlicbe Scbauspiel. Er n^erte sicb dem Becken, das mit unendlicben Farben wogte und 2itterte. Die Wande der Hoble waren mit dieser Flussigkeit uberzogen, die nicbt beiB, sondern kiibl war und an den Wanden nur ein mattes, blauUcbes Licbt von sicb warf. Er taucbte seine Hand in das Becken und benetzte seine Lippen. Es war, als durcbdrange ibn ein geistiger Haucb, und er fiiblte sicb innigst gestarkt und erfriscbt. Ein unwidersteblicbes Verlangen ergriff ibn, sicb zu baden, er entkleidete sicb und stieg in das Becken. Es diinkte ibn, als umfiosse ibn eine Wolke des Abendrots; eine bimmliscbe Empfindung iiberstromte sein Inneres; mit inniger Wollust strebten unzablbare Gedanken in ibm, sicb zu vermiscben; neue, nie gesebene Bilder entstanden, die aucb ineinanderflossen und zu sicbtbaren Wesen um ibn wurden, xind jede Welle des lieblicben Elements scbmiegte sicb wie ein zarter Busen an ibn. sicb unten in

9

NopahSj Gcsammelte

Wcrke

i

129

Die Flut schien eine Auflosung rekender Madchen, die an dem Jiinglinge sich augenblicklich verkorperten.

Berauscht

von Entmcken und dock jedes Einschwamm er gemach dem leuchten-

drucks bewTiBt,

den Stfome nach, der aus dem Becken in den Felsen hineinfloB. Eine Art von siiBem Schlummer befiel

welchem er unbeschreibliche Begebenheiten traumte und woraus ihn eine andere Erleuchtung

ihn, in

Er fand

einem weichen Rasen am Rande und sich darin zu ver^ehren schien. Dunkelblaue Felsen mit bunten Adern erhoben sich in einiger Entfernung; das Tageslicht, das ihn umgab, war heller und milder als das gewohnliche, der Himmel war schwarzblau und voUig rein. Was ihn aber mit voller Macht anzog, war eine hohe, lichtblaue Blume, die zunachst an der Quelle stand und ihn mit ihren weckte.

sich auf

einer Quelle, die in die Luft hinausquoll

breiten,

glanzenden Blattern beriihrte.

Rund um

sie

Blumen von alien Farben, und der kosthchste Geruch erfuUte die Luft. Er sah nichts als die blaue Blume und betrachtete sie mit unnennher standen unzahlige

barer Zartlichkeit. Endlich wollte er sich ihr nahern, als sie

auf einmal sich zu bewegen und

zvl

verandern

wurden glanzender und schmiegten sich an den wachsenden Stengel, die Blume neigte sich nach ihm zu, und die Blxitenblatter zeigten einen blauen ausgebreiteten Kragen, in welchem ein zartes Gesicht schwebte. Sein siiBes Staunen wuchs mit der aniing; die Blatter

sonderbaren Verwandlung,

als

ihn plotzlich die

Stimme seiner Mutter weckte und er sich in der elterMorgensonne ver-

lichen Stube fand, die schon die

130

goldete.

Er war zu

entsriickt,

um unwillig iiber diese

Stoning zu sein; vielmehr bot er seiner Mutter freundlich Guten liche

Morgen und

erwiderte ihre herz-

Umarmung.

„Du Langschlafer"^, sagte der Vater, ^wie lange sit2e ich schon bier und feile. Ich babe deinetwegen nicbts

haromern

diirfen; die

Mutter wollte den lieben Sobn

scblafen lassen. Aufs Fnibstuck babe icb aucb warten

Klugbcb bast du den Lebrstand erwablt, fiir den wir wacben und arbeiten. Indes ein tucbtiger Gelebrter, wie icb mir babe sagen lassen, muB aucb Nacbte zu Hilfe nebmen, um die groBen Werke der weisen Vorfabren zu studieren/^ ~ „Lieber Vater‘", antwortete Heinricb, „werdet nicbt unwillig xiber meinen langen Scblaf, den Ibr sonst nicbt an mir gewobnt seid. Icb scblief erst spat ein und babe viele unrubige Traume gebabt, bis zuletzt ein anmutiger Traum mir erscbien, den ich lange nicbt vergessen werde und von dem mich diinkt, als sei es mehr als miissen.

ein bloBer

Traum gewesen/^



„Lieber Heinrich"^

spracb die Mutter, „du hast dich gewiB auf den

Riicken gelegt oder beim Abendsegen fremde Ge-

danken gebabt. lich aus. 16

und

Du

aucb noch ganz WunderdaB du munter wirst.“

siehst

trink,

Die Mutter ging hinaus, der Vater arbeitete emsig fort und sagte: „Traume sind Scbaume, mogen aucb die hochgelahrten Herren davon denken, was sie wollen, und du tust wohl, wenn du dein Gerniit von dergleicben unniitzen und schadlichen Betracbtungen

abwendest. Die Zeiten sind nicbt mehr,

wo

zu den

Traumen gdttliche Gesichte sicb gesellten, und wir kdnnen und werden es nicbt begreifen, wie es jenen

von denen die Bibel emhlt, zumute gewesen ist. Damals mnB es eine andere BeschaiSFenheit mit den Traumen gehabt haben, so wie mit den menschlichen Dingen. In dem Alter der Welt, wo wit leben, findet der auserwahlten Mannern,

dem Himmel nicht mehr Die alten Geschichten und Schriften sind jetzt die einzigen Quellen, dutch die uns eine Kenntnis von der uberirdischen Welt, soweit wir sie ndtig unmittelbare Verkehr mit statt.

haben, zuteil wird; und statt jener ausdriicklichen

Offenbarungen redet jetzt der Heilige Geist unmittelbar dutch den Verstand kluger

und wohlgesinnter und die Schick-

Manner und sale frommer Menschen zu uns. Unsre heutigen Wunderbilder haben mich nie sonderlich erbaut, und dutch die Lebensweise

groBen Taten geglaubt, die unsre davon erzahlen. Indes mag sich daran erbauen, wer will, und ich hute mich wohl, jemanden in seinem Vertrauen irre zu machen."' — „Aber, lieber Vater, aus welchem Grunde seid Ihr so den Traumen entgegen, deren seltsame Verwandlungen und leichte, zarte Natur doch unset Nachdenken gewiSlich rege machen miissen? Ist nicht jeder, auch der verworrenste Traum, eine sonderliche Erscheinung, die auch, ohne noch an gottliche Schickung dabei zu denken, ein bedeutsamer RiB in den geheimnisvoUen Vorhang ist, der mit tausend Falten in unset Inneres

ich habe nie jene

Geistlichen

hereinfallt? In

den weisesten Biichern findet man

von glaubhaften Menund erinnert Euch nur noch des Traums, den uns neulich der ehrwurdige Hofkaplan erzahlte und der Euch selbst so merkwurdig vorkam.

unzahlige Traumgeschichten schen,

'

132

Aber, auch ohne diese Geschichten, -wenn Ihr cueist in

Eurem Leben einen Traum hattet, wie wiirdet und Each die Wunderbarkeit

Ihr nicht erstaunen

dieser uns nur alltaglich

gewordenen Begebenheit gewiB nicht abstreiten lassen! Mich diinkt der Traum eine Schutewehr gegen die RegelmaBigkeit und Gew5hnlichkeit des Lebens, eine freie Erholung der gebundenen Phantasie, wo sie alle Bilder des Lebens durcheinanderwirft keit des

und

die bestandige Ernsthaftig-

erwachsenen Menschen durch ein frohliches

Ohne die Traume wiirden und so kann man den Traum, unmittelbar von oben gegeben,

Kinderspiel unterbricht.

wir gewiB

friiher alt,

wenn auch nicht doch

als

Mitgabe, einen freundlichen

als eine gottliche

Begleiter auf der Wallfahrt trachten.

GewiB

ist

zum Heiligen Grabe

be-

der Traum, den ich heute nacht

traumte, kein unwirksamer Zufall in

gewesen, denn ich fiihle

es,

meinem Leben

daB er in meine Seele wie

Rad hineingreift und sie in machtigem Schwunge forttreibt,“ Der Vater lachelte freundlich und sagte, indem er

ein weites

die Mutter, die eben hereintrat, ansah: „Mutter,

Heinrich kann die Stunde nicht verleugnen, durch

In seinen Reden kocht der den ich damals von Rom mitgebracht hatte und der unsern Hochzeitabend verherrlichte. Damals war ich auch noch ein andrer Kerb Die sxidliche Luft hatte mich aufgetaut, von Mut und Lust floB ich uber, und du warst auch ein heiBes, kdstliches Madchen. Bei deinem Vater die er in der

Welt

ist.

feurige welsche Wein,

und Sanger herzugekommen, und lange

gings damals herrlich zn; Spielleute

waren weit und

breit

135

war

Augsburg keine

in

lustigere

Hochzeit gefeiert

warden/^

von Traumen'', sagte die du wohl, daB du mir damals auch von einem Traume erzahltest, den du in Rom gehabt hattest und der dich izuerst auf den Gedanken ge~ bracht, zn uns nach Augsburg zn kommen und urn mich zn werben?“ — „Du erinnerst mich eben znt „Ihr spracht vorhin

Mutter, „wei6t

rechten

Zeit"^,

sagte der Alte; „ich babe diesen

selt-

samen Traum ganz vergessen, der mich damals lange genug beschaftigte; aber eben er ist mir ein Beweis dessen, was ich von den Traumen gesagt habe. Es unmoglich, einen geordneteren und helleren zn haben; noch jetet entsinne ich mich jedes Umstandes

ist

ganz genau; und doch, was hat er bedeutet? DaB ich von dir traumte und mich bald darauf von Sehnsucht ergriffen fuhlte, dich zu besitzen, war ganz naturlich: denn ich kannte dich schon. Dein freundliches, hoides Wesen hatte mich gleich anfangs lebhaft geruhrt, und nur die Lust nach der Fremde hielt damals meinen Wunsch nach deinem Besitz noch zuriick. Um die Zeit des Traums war meine Neugierde schon ziemlich gestillt, und nun konnte die Neigung leichter durchdringen/^ „Erzahlt uns doch jenen seltsamen Traum^‘, sagte der Sohn.

— „Ich war eines Abends^, fing der Vater

Der Himmel war rein, und der und Mauern mit seinem bleichen, schauerlichen Lichte. Meine Gesellen gingen den Madchen nach, und mich trieb das Heimweh und die Liebe ins Freie. Endlich ward ich durstig und ging ins erste beste Landhaus hinein.

an, „umhergestreift.

Mond

134

bekleidete die alten Saulen

Trunk Wein oder Milch zu fordern. Ein heraus, der mich wohl fiir einen verdachtigen Besuch halten mochte, Ich trug ihm mein Anliegen vor; und als er erfuhr, daB ich ein Auslander und ein Deutscher sei, lud er mich freundlich in die Stube und brachte eine Flasche Wein. Er hieB mich niedersetzen und fragte mich nach meinem Gewerbe. Die Stube war voll Bucher und Altertiimer. Wir gerieten in ein weitlauftiges Gesprach; er erzahlte mir viel von alten Zeiten, von Malern, Bildhauern und Dichtern. Noch nie hatte ich so davon reden horen. Es war mir, als sei ich in einer neuen Welt ans Land gestiegen. Er wies mir Siegelsteine und andre alte Kunstarbeiten; dann las er mir mit lebendigem Feuer herrliche Gedichte vor, und urn einen alter

Mann kam

so verging die Zeit wie ein Augenblick.

Noch

jetzt

mein Herz sich auf, wenn ich mich des bunten Gewiihls der wunderlichen Gedanken und Empfindungen erinnere, die mich in dieser Nacht erfullten. In den heidnischen Zeiten war er wie zu Hause und

heitert

sehnte sich mit unglaublicher Inbrunst in dies graue

Altertum an,

wo

zuriick.

Endlich wies er mir eine

Kammer

ich den Rest der Nacht zubringen kdnnte,

weil es schon zu spat

sei,

um noch zuriickzukehren.

Ich schlief bald, und da diinkte michs, ich sei in

meiner Vaterstadt und wanderte aus war,

als

dem

miiBte ich irgendwohin gehn,

besteUen, doch

wuBte ich

nicht,

verrichten solle. Ich ging nach

aus schnellen Schritten,

Tore. Es

um etwas

wohin und was

zu ich

dem Harze mit iiber-

und wohl war

mir, als sei es

zur Hochzeit. Ich hielt mich nicht auf

dem Wege,

sondern immer feldein, durch Tal und Wald, und 155

hohen Berg. Als ich oben Aue vor mir und uberund breit, also daJS kein Berg weit Thuringen schaute in der N^e umher mir die Aussicht wehrte. Gegeniiber lag der Harz mit seinen dunklen Bergen, und ich sah unzahlige Schlosser, Kloster und Ortschaften. Wie mir nun da innerlich recht wohl ward, fiel mir der alte Mann ein, bei dem ich schlief, und es gedeuchte mir, als sei das vor geraumer Zeit geschelm, daB ich bei ihm gewesen sei. Bald gewahrte ich eine Stiege, die in den Berg hineinging, und ich machte mich hinunter. Nach langer Zeit kam ich in eine groBe Hohle, da saB ein Greis in einem langen Kleide vor einem eisernen Tische und schaute unverwandt nach einem wunderschdnen Madchen, das in Marmor gehauen vor ihm stand. Sein Bart war durch den eisernen Tisch gewachsen und bedeckte seine FiiBe. Er sah ernst und freundlich aus und gemahnte mich wie ein alter Kopf, den ich den Abend bei dem Manne gesehn hatte. Ein glanzendes Licht war in der Hohle verbreitet. Wie ich so stand und den Greis ansah, klopfte mir plotzlich mein Wirt auf die Schulter, nahm mich bei der Hand und fiihrte mich durch bald

kam

•war,

sab ich die Goldne

ich an einen

Gmge

fort. Nach einer Weile sah Dammerung, als woUte das Tageslicht einbrechen, Ich elite darauf zu und befand

lange ich

mit sich

von weitem

eine

mich bald auf einem griinen Plane; aber es schien mir alles ganz anders als in Thuringen. Ungeheure Baume mit groBen glanzenden Blattern verbreiteten weit umher Schatten. Die Luft war sehr heiB und doch nicht driickend. Uberall Quellen und Blumen, und unter alien Blumen gefiel mir eine ganz beson136

ders,

und es kam mir vor, als neigten

gegen 5

sich die

andem

sie/‘

,Ach! liebster Vater, sagt mir dock, welche Farbe

sie hatte^, rief

der Sohn mit heftiger Bewegxing.

„Das entsinne ich roich nicht mehr, so genau ich mir auch sonst alles eingepragt habe.“

„War

sie nicht blau?"'

„Es kann

ohne auf Heinzu geben. „So viel weiB ich nur noch, daB mir ganz unaussprechlich zumute war und ich mich lange nicht nach meinem sein“, fuhr der Alte fort,

richs seltsame Heftigkeit Achtung

Begleiter umsah.

Wie

ich mich endlich zu

ihm

daB er mich aufmerksam betrachtete und mir mit inrdger Freude zxilachelte. Auf welche Art ich von diesem Orte wegkam, erinnere ich mich nicht mehr. Ich war wieder oben auf dem wandte, bemerkte

ich,

Mein Begleiter stand bei mir und sagte: ,Du Wunder der Welt gesehn. Es steht bei dir, das gliicklichste Wesen auf der Welt imd noch liber das ein beriihmter Marm zu werden. Nimm wohl in acht, was ich dir sage: Wenn du am Tage Johannis^ gegen Abend wieder hieher kommst und Gott herzBerge,

hast das

um das Verst^dnis dieses Traumes bittest, so wird dir das hochste irdische Los zuteil werden; dann gib nur acht auf ein blaues Bliimchen, das du hier oben finden wirst, brich es ab, und iiberlaB dich dann demutig der hinmilischen Fiihrung/ Ich war darauf im Traume unter den herrlichsten Gestalten und Menschen, und unendliche Zeiten gaukelten mit mannigfaltigen Veranderungen vor meinen Augen voriiber. Wie gel5st war meine Zunge, und was ich sprach, klang wie Musik. Darauf ward aUes wieder lich

137

dunkel und eng ixnd gewdhnlich; ich sah deine Mutter roit freundlichem, verschamtem Blick vor mir; sie Melt ein glanzendes Kind in den Armen und reichte

mir es Mn,

immer

auf einmal das Kind zusehends wuchs, und glam:ender ward und sich endlich

als

heller

mit blendend weiBen Fliigeln liber uns erhob, uns beide in seinen Arm nahm und so hoch mit uns flog, daB die Erde nur wie eine goldene Schiissel mit dem saubersten Schnitzwerk aussah.

Dann

erinnere ich

mich nur, daB wieder jene Blume und der Berg und der Greis vorkamen; aber ich erwachte bald darauf und fiiMte mich von heftiger Liebe bewegt. Ich nahm AbscMed von meinem gastfreien Wirt, der mich bat, ihn oft wieder zu besuchen, was ich ihm zusagte und auch Wort gehalten haben wiirde, wenn ich nicht bald darauf Rom verlassen hatte

Augsburg

und ungestiim nach

gereist ware/‘

Zweites Kapitel

Johannis war vorbei, die Mutter hatte langst einmal nach Augsburg ins vaterliche Haus kommen und

dem GroBvater den noch unbekannten

lieben Enkel

mitbringen sollen. Einige gute Freunde des alten Ofterdingen, ein paar Kaufleute, muBten in Handels-

daMn reisen. Da faBte die Mutter den EntscMuB, bei dieser Gelegenheit jenen Wunsch auszufuhren, und es lag ihr dies um so mehr am Herzen, weil sie seit einiger Zeit merkte, daB Heinrich

geschaften

und

war als sonst. Sie glaubte, er sei miBmutig oder krank, und eine weite Reise, der Anblick neuer Menschen und Lander und,

weit

138

stiller

in sich gekehrter

wie

sie

verstohlen ahndete, die

Reke

einer jungen

Landsmannin wurden die tnibe Laune ihres Solines und wieder einen so teilnehmenden und

vertreiben

lebensfrohen Menschen aus ihm machen, wie er sonst

Der Alte willigte in den Plan der Mutter^ und Heinrich war iiber die MaBen erfreut, in ein Land 5:u kommen, das er schon lange, nach den Er^ahlungen seiner Mutter und mancher Reisenden, wie ein irdisches Paradies sich gedacht und wohin er gewesen.

oft vergeblich sich gewiinscht hatte.

Heinrich war eben zwamiig Jahre

alt

geworden,

Gegenden seiner Vaterstadt hinausgekommen; die Welt war ihm nur aus Erzahlungen bekannt. Wenig Bucher waren ihm 2u Gesichte gekommen. Bei der Hofhaltung des

Er war

nie liber die undiegenden

Landgrafen ging Zeiten einfach

es

und

nach der

still

zu;

Sitte

und

der damaligen

die Pracht

und Be-

quemlichkeit des furstlichen Lebens diirfte sich schwerlich mit den Annehmlichkeiten messen, die in spatern Zeiten ein bemittelter Privatmann sich

und

ohne Verschwendung verschafFen den konnte. Dafur war aber der Sinn fur die GeratSeinigen

schaften

und Habseligkeiten,

die der

mannigfachen Dienst seines Lebens

Mensch 5:um

um sich her ver-

sammelt, desto carter und defer, Sie waren den Menschen werter und merkwurdiger. Zog schon das Geheimnis der Natur und die Entstehung ihrer Korper den ahndenden Geist an: so erhohte die seltnere Kunst ihrer Bearbeitung, die romantische Feme, aus der man sie erhielt, und die Heiligkeit ihres Altertums,

da

sie,

sorgfaltiger bewahrt, oft das

Besitztum mehrerer Nachkommenschaften wurden.

139

Neigung zu diesen stummen Gefahrten des Lebens. Oft wurden sie zu dem Rang von geweibten die

Pfandern eines besondern Segens und Schicksals erWohl ganger Reiche xind weitver-

hoben, und das

breiteter Familien

hing an ibrer Erhaltung, Eine

Armut

schmiickte diese Zeiten mit einer liebliche eigentiimlichen ernsten und unscbuldigen Einfalt;

und die sparsam verteilten Kleinodien glan^ten desto bedeutender in dieser sinniges

Getniit

Dammerung und

erfiillten ein

mit minderbaren Erwartungen. daB erst eine geschickte Verteilung

Wenn es wahr ist, von Licht, Farbe und Schatten lichkeit der sichtbaren

die verborgene HerrWelt ofienbart und sich bier

Auge aufeutun scbeint: so war damals uberall eine abnliche Verteilung und Wirtschaftlicbkeit wabf2unebmen; dabingegen dieneuere

ein neues, boheres

woblbabendere Zeit das einformige und unbedeutendere Bild eines allgemeinen Tages darbietet. In alien

wie in einem Zwiscbenreiche, eine hohere, geistliche Macbt durchbrechen zu wollen; und wie auf der Oberflache unseres Wohnplatges

Ubergangen

scbeint,

und uberirdiscben Schatzen den wdden, unwirtlicben Urgebirgen und den unermeJBlichen Ebenen liegen, so hat sich auch 2:wischen den roben Zeiten der Barbarei und dem kunstreichen, vielwissenden und begiiterten Weltalter eine tiefsitimge und romantische Zeit niedergelassen, die die an unterirdiscben

reicbsten

Gegenden

in der Mitte zwiscben

unter schHchtem Kleide eine hobere Gestalt verbirgt.

Wer

wandelt nicht gern im Zwielicbte,

am

wenn

die

und das Licht an der Nacbt in hobere Schatten und Farben ^erbricht; und also ver-

Nacht

140

Lichte

wir uns willig in die Jahre, wo Heinrich lebte und jetzt neuen Begebenheiten mit voUem Herzen

tiefen

nahm Abs^hied von seinen Geund seinem Lehrer^ dem weisen alten Hof-

entgegenging. Er spielen

kaplan, det Heinrichs fruchtbare Anlagen kannte und

und einem stillen Gebete Die Landgrafin war seine Patin; er war oft

ihn mit geruhrtem Herzen entiieB.

auf der Wartburg bei ihr gewesen.

Auch

jetzt

beur-

ihm gute Lehren und eine goldene Halskette verehrte und mit freundlichen AuBerungen von ihm schied. In wehmutiger Stimmung verlieB Heinrich seinen Vater und seine Geburtsstadt, Es ward ihm jetzt erst deutlich, was Trennung sei; die Vorstellungen von der Reise waren nicht von dem sonderbaren Gefuhle laubte er sich bei seiner Beschiitzerin, die

begleitet gewesen, das er jetzt

seine bisherige

empfand,

als zuerst

Welt von ihm gerissen und er wie auf

ein fremdes Ufer gespult ward. Unendlich

ist

die

jugendliche Trauer bei dieser ersten Erfahrung der

Verganglichkeit der irdischen Dinge, die

fahrnen Gemixt so notwendig fest

verwachsen mit

dem

und so unveranderlich wie sen.

Eine

erste

und

dem

uner-

unentbehrlich, so

eigentiimlichsten Dasein dieses

vorkommen

mils-

Ankiindigung des Todes, bleibt die

erste Trennung unvergeBIich und wird, nachdem sic lange wie ein nachtliches Gesicht den Menschen be-

angstigt hat, endlich bei abnehmender Freude an

den

Erscheinungen des Tages und zunehmender Sehnsucht nach einer bleibenden sichern Welt zu einem freundlichen Wegweiser

und

einer trostenden Be-

Die Nahe seiner Mutter trostete den Jungling sehr. Die alte Welt schien noch nicht ganz

kanntschaft.

und er umfaBte sie mit verdoppelter InnigEs war friih am Tage, als die Reisenden aus den Toren von Eisenach fortritten, und die Dammerung begiinstigte Heinrichs geriihrte Stimmung. Je heller verloren, keit.

ward, desto bemerklicher wurden

ihm die neuen, auf einer Anhohe die verlassene Landschaft von der aufgehenden Sonne auf einmal erleuchtet wurde, so fielen dem

es

unbekannten Gegenden; und

liberraschten Jungling alte in den triiben

als

Melodien

seines Innern

Wechsel seiner Gedanken

ein.

Er

sah

an der Schwelle der Feme, in die er oft vergebens von den nahen Bergen geschaut und die er sich mit sonderbaren Farben ausgemalt hatte. Er war im Begriff, sich in ihre blaue Flut zu tauchen. Die Wunderblume stand vor ihm, und er sah nach Thxisich

ringen, welches er jetzt hinter sich lieB, mit der selt-

samen Ahndung hiniiber, als werde Wanderungen von der Weltgegend

nach langen nach welcher sie jetzt reisten, in sein Vaterland zunickkommen und als reise er daher diesem eigentlich zu. Die er

her,

Ursachen an aufzuwachen und sich mit allerhand Gesprachen und Erzahlungen die Zeit zu verkurzen. Heinrichs Mutter glaubte ihren Sohn aus den Traumereien reiBen zu miissen, in denen sie ihn versunken sah, und jSng an, ihm von ihrem Vaterlande zu erzahlen, von dem Hause ihres Gesellschaft, die anfanglich aus ahnlichen

still

gewesen war,

und dem

fing nachgerade

Leben in Schwaben. Die Kaufleute stimmten mit ein und bekraftigten die

Vaters

frohlichen

miitterlichen Erzahlungen, riihmten die Gastfreiheit

und konnten nicht aufhdren, Landsmanninnen ihrer Reisegefahrtin

des alten Schwaning die schonen

142

2u preiseti,

„IIir tut

wohl", sagten sie, „daB Ihx Euren

Sohn dorthin fuhrt. Die Sitten Eures Vaterlandes und gefalliger. Die Menschen wissen das Nuteliche 2u befordern, ohne das Angenehme 2u verachten. Jedermann sucht seine Bedurfnisse auf eine gesellige und reizende Art zn befriedigen. Der Kaufmann befindet sich wohl dabei und wird geebrt. Die Kiinste und Handwerke vermehren und versind milder

edeln sich, den FleiBigen diinkt die Arbeit leichter, weil sie ihm zu. mannigfachen Annehmlichkeiten ver-

und er, indem er eine einformige Miihe iibernimmt, sicher ist, die bunten Friichte mannigfacher

hilft

und belohnender Beschaftigungen dafur mitzugenieBen. Geld, Tatigkeit und Waren erzeugen sich gegenseitig xind treiben sich in raschen Kreisen, und das Land und die Stadte bliihen auf. Je eifriger der ErwerbfleiB die Tage benutzt, desto ausschlieBlicher ist der Abend den reizenden Vergniigungen der schonen Kiinste und des geselligen Umgangs gewidmet. Das Gemiit sehnt sich nach Erholung und Abwechselung, und wo sollte es diese auf eine anst^digere und reizendere Art finden

als in

der Besch^tigung mit den

freien Spielen und Erzeugnissen seiner edelsten Kraft,

des bUdenden Tiefsinns ? Nirgends hort man so anmutige Sanger, findet so herrliche Maler, und nirgends sieht man auf den Tanzsalen leichtere Be-

wegungen und lieblichere Gestalten. Die Nachbarschaft von Welschland zeigt sich in dem ungezwungenen Betragen und den einnehmenden Gesprachen. Euer Geschlecht darf die Gesellschaften schmiicken und ohne Furcht vor Nachrede mit holdseligem Bezeigen einen lebhaften Wetteifer, seine Aufmerksam145

Die rauhe Ernsthaftigkeit

keit

za

und

die wilde Ausgekssenlieit der

fesseln, erregen.

einer milden Lebendigkeit

Freude

Platz,

und

und

die Liebe

Manner macht

sanfter, bescheidner

wird in tausendfachen

Gestalten der leitende Geist der gliicklichen Gesellschaften. Weit entfernt, daB Ausschweifungen und unziemende Grundsatze dadurch soUten herbeigelockt werden, scheint es, als flohen die bosen Geister die Nahe der Anmut, und gewiB sind in ganz

Deutschland keine unbescholtenere Madchen und keine treuere Frauen als in Schwaben. Ja,

warmen Luft des Deutschlands werdet Ihr Eure ernste

junger Freund, in der klaren

siidlichen

wohl ablegen; die frohlichen Madchen werdenEuchwohl geschmeidig und gesprachig machen. Schon Euer Name als Fremder und Eure Schuchternheit

nahe Verwandtschaft mit die

dem alten

Schwaning, der

Freude jeder frohlichen Gesellschaft

ist,

werden

Augen der Madchen auf sich ziehen; und wenn Ihr Eurem GroBvater folgt, so werdet Ihr die reizenden

gewiB unsrer Vaterstadt eine ahnliche Zierde in einer holdseligen Frau mitbringen wie Euer Vater,“ Mit freundlichem Erroten dankte Heinrichs Mutter fur das schone Lob ihres Vaterlandes und die gute Meinxing von ihren Landsmanninnen, und der gedanken-

umhin gekonnt, aufmerksam und mit innigem Wohlgefallen der Schilderung des Landes, dessen Anblick ihm bevorstand, zuzu-

volle Heinrich hatte nicht

horen.

„Wenn Ihr auch^^ fuhren die Kaufleute fort,

„die Kunst Eures Vaters nicht ergreifen und lieber, wie wir gehort haben, Euch mit gelehrten Dingen befassen woUt: so braucht Ihr nicht Geistlicher zu

144

werden und Verzicht auf die schSnsten Geniisse des leisten. Es ist eben schlimm genug, daB die Wissenschaften in den Handen eines so von dem weltlichen Leben abgesonderten Standes iind die Fiirsten von so ungeselHgen und wahrhaft unerfahrenen Mannern beraten sind. In der Einsamkeit, in welcher sie nicht selbst teil an den Weltgeschaften nehmen, miissen ihre Gedanken eine unniitae Wendung erhalten und konnen nicht auf die wirklichen Vorfalle passen. In Schwaben trefft Ihr auch wahrhaft kluge xind erfahrne Manner unter den Laien; und Ihr mogt nun wahlen^ vrelchen Zweig menschlicher Kenntnisse Ihr woUt: so wird es Euch nicht an den besten Lehrern und Ratgebern fehlen/^ Nach einer Weile sagte Heinrich, dem bei dieser Rede sein Freund, der Hofkaplan, in den Sinn gekommen war Lebens zn

:

„ Wenn ich bei meiner Unkunde von der BeschafFenheit der Welt Euch eben nicht abfallig sein kann in

dem, was ihr von der Unfahigkeit der Geistlichen zu Fiihrung und Beurteilung weltlicher Angelegenhei-

doch wohl erlaubt, euch an unsern trefflichen Hofkaplan 2u erinnern, der gewiB ein Muster eines weisen Mannes ist und dessen Lehren und Ratschlage mir xmvergessen sein warten behauptet, so ist mirs

den/^

„Wir

ehren"^, erwiderten die Kaufleute, „diesen

Mann von ganzem Herzen; aber dennoch konnen wir nur insofern Eurer Meinung Beifall geben, daB er ein weiser Mann sei, wenn Ihr von jener Weisheit sprecht, die einen Gott wohlgefalligen Lebenswandel angeht. Haltet Ihr ihn fur ebenso weltklug, als er in den Sachen des Heils gexibt und

trefflichen

lo

Nopalu^ Gcsamnwlte

Werke

i

145

unterrichtet ist: so

erkubt uns, daB wir Euchnicht

beistimmen. Doch gkuben wir, daB dadurch der heilige Mann nichts von seinem verdienten Lobe verliert, da er viel zvl vertieft in der Kunde der uberirdischen Welt

ist, als

daB er nach Einsicht und An-

sehn in irdischen Dingen streben sollte/' „Aber'‘, sagte Heinrich, „sollte nicht jene hobere

Kunde

ebenfalls geschickt machen, recht unparteiden Ziigel menschlicher Angelegenheiten zu fuhren? Sollte nicht jene kindliche unbefangene Einfait sicherer den richtigen Weg durch das Labyrinth der hiesigen Begebenheiten treffen als die durch

isch

Rxicksicht auf eigenen Vorteil irregeleitete

und

ge~

hemmte, von der unerschopflichen Zahl neuer Zu~ falle und Verwickelungen geblendete Klugheit? Ich weiB nicht, aber mich diinkt, ich sahe zwti Wege,

um

zur Wissenschaft der menschlichen Geschichte

2u gelangen. Der

eine,

muhsam und unabsehlich, mit

unzahhgen Kriimmungen, der Weg der Erfahrung; der andere, fast ein Sprung nur, der Weg der innern Betrachtung. Der Wanderer des ersten muB eins aus dem andern in einer langwierigen Rechnung finden, wenn der andere die Natur jeder Begebenheit und jeder Sache gleich unmittelbar anschaut

und

sie in

ihrem lebendigen, mannigfaltigen Zusammenhange betrachten und leicht mit alien ubrigen wie Figuren auf einer Tafel vergleichen kann. Ihr miiBt verzeihen,

wenn ich wie aus kindischen Traumen vor euch rede; nur das Zutrauen zu eurer Giite und das Andenken meines Lehrers, der den zweiten eignen dreist*^"

146

von weitem

Weg

mir

gezeigt hat, machte

als

seinen

mich so

„ Wir gestehen Euch gem% sagten die gutmiitigen Kaufleute, „daB wir Eurem Gedankengange nicht

zu folgen vermogen: doch freut es uns, daB Ihr so

warm Euch

des treiflichen Lehrers erinnert

seinen Unterricht

wohl gefaBt zu haben

nnd

scheint.

Es diinkt uns, Ihr habt Aniage zum Dichter. Ihr von den Erscheinungen Eures Gemiits, und es fehlt Euch nicht an gewahlten Ausdnicken und passenden Vergleichungen. Auch neigt Ihr Euch izum Wunderbaren als dem Elemente der sprecht so gelaufig

Dichter/" nicht"", sagte Heinrich, „wie es kommt. habe ich von Dichtern und Sangern sprechen gehort und habe noch nie einen gesehn. Ja, ich

„Ich weiB

Schon

oft

kann mir nicht einmal einen BegrifF von ihrer sonderbaren Kunst machen, und doch habe ich eine groBe Sehnsucht, davon zu horen, Es ist mir, als wiirde ich manches besser verstehen, was jetzt nur dunkle Ahndung in mir ist. Von Gedichten ist oft er^ahlt worden, aber nie habe ich eins zu sehen bekommen, und mein Lehrer hat nie Gelegenheit gehabt, Kenntnisse von dieser Kunst einzuziehn. Alles, was er mir davon gesagt, habe ich nicht deutlich begreifen konnen. Doch meinte er immer, es sei eine edie Kunst, der ich mich gams ergeben wiirde, wenn ich sie einmal kennen lernte. In alten Zeiten sei sie weit gemeiner gewesen und habe jedermann einige Wissenschaft davon gehabt, jedoch einer von dem andern. Sie sei noch mit andern verloren gegangenen herrlichen Kiinsten verschwistert gewesen. Die Sanger hatte gottliche Gunst hoch geehrt, so daB sie, begeistert durch unsichtbaren Umgang, hunrolische

Weisheit auf Erden in lieblichen

Tonen

verkiin-

digen konnen/'

Die Kaufleute sagten darauf: „Wir haben uns freilich nie um die Geheimnisse der Dichter bekiimmert, wenn wir gleicb mit Vergnxigen ihrem Ge» sange zugehort. Es

mag wohl wahr sein, daB eine wenn ein Dichter

besondere Gestirnung da2:u gehort, 2ur Welt

kommen

soil;

denn

es ist

gewiB eine recht

wunderbare Sache mit dieser Kunst.

Auch

sind die

andern Knnste gar sehr davon unterschieden und lassen sich welt eher begreifen. Bei den Malern und

Tonkunstlern kann

man

leicht einsehn,

und mit Geduld und FleiB laBt lernen. Die Tone liegen schon in den geht,

es

gehort nur eine Fertigkeit

um

jene in einer

den Bildern sterin. Sie

ist

daizu, diese

wie

es zur

sich beides Saiten, und zn bewegen,

rekenden Folge aufizuwecken. Bei Natur die herrlichste Lehrmei-

die

und wunderliche Licht und den Schat-

erzeugt unzahlige schone

Figuren, gibt die Farben, das

und so kann eine geiibte Hand, ein richtiges Auge und die Kenntnis von der Bereitung und Verten,

mischung der Farben die Natur auf das vollkommenste nachahmen. Wie naturlich ist daher auch die Wirkung dieser Kiinste, das Wohlgefallen an ihren Werken 2u begreifen. Der Gesang der Nachtigall, das Sausen des Windes und die herrlichen Lichter, Farben und Gestalten gefallen uns, weil sie unsere SLtine angenehm besch^tigen; xmd da unsere Sinne dazu von der Natur, die auch jenes hervorbringt, so eingerichtet sind, so muB uns auch die kiinstliche Nachahmung der Natur gefallen. Die Natur will selbst auch einen GenuB von ihrer groBen Kiinst148

damm hat sie sich in Menschen nun selber sich iiber ihre Herrlichkeit freut, das Angenehme und Liebliche von den Dingen absondert und es auf solche Art allein hervorbringt, daB sie es auf mannigfaltigere Weise und zn alien Zeiten und alien Orten haben und genieBen kann. Dagegen ist von der Dichtkunst sonst nirlichkeit haben, iind

verwandelt,

wo

sie

gends auBerlich etwas anzutreffen.

Auch

schafFt sie

Werkzeugen und Handen; das Auge und das Ohr vernehmen nichts davon: denn das bloBe Horen der Worte ist nicht die eigentliche Wirkung dieser geheimen Kunst. Es ist alles innerlich, und wie jene Kxinstler die auBern Sinne mit angenehmen Empfindungen erfiillen, so erfiillt der Dichter das inwendige Heiligtum des Gemuts mit neuen, wunderbaren und gefalligen Gedanken. Er weiB jene geheimen Krafte in uns nach Belieben 2u erregen und gibt uns durch Worte eine unbekannte, herrliche ''\*^elt zu vernehmen. Wie aus tiefen Hohlen steigen alte und kiinftige Zeiten, unzahlige Menschen, wunderbare Gegenden und die seltsamstenBegebenheiten in uns herauf und entreiBen uns der bekannten Gegenwart. Man hort fremde Worte und weiB doch, was sie bedeuten soUen. Eine magische Gewalt iiben nichts mit

die Spniche des Dichters aus; auch die gewohnlichen

Worte kommen in reizenden Klangen vor und berauschen die festgebannten Zuhorer.“ „Ihr verwandelt meine Neugierde in heiBe geduld""^, sagte

von

Un-

Heinrich. „Ich bitte euch, erzahlt mir

kann genug von diesen besondern Menschen horen. Mir ist auf einmal, als hatte ich irgendwo schon daalien Sangern, die ihr geh5rt habt. Ich

nicht

149

in meiner tiefsten Jugend reden horen, doch kann ich xnich schlechterdings nichts mehr davon entsinnen. Aber mir ist das, was ihr sagt, so klar, so bekannt, und ihr macht mir ein auBerordentliches

von

Vergniigen mit euren schonen Beschreibungen/^

„Wir erinnern uns selbst gern“, fuhren die Kauf„mancher frohen Stunden, die wir in Welschland, Frankreich und Schwaben in der Gesellschaft von Sangern zugebracht haben, und freuen uns, daB Ihr so lebhaften Anteil an unsern Reden leute fort,

nehmet.

Wenn man

so in Gebirgen

reist,

sich mit doppelter Annehmlichkeit,

und

spricht es die Zeit

vergeht spielend. Vielleicht ergotzt es Euch, einige

Geschichten von Dichtern zu horen, die wir auf unsern Reisen erfuhren. Von den Gesangen

artige

konnen wir wenig und der Rausch des Augenblicks das Gedachtnis hindert, viel zu behalten, und die unaufhorlichen Handelsgeschafte manches Anselbst,

die wir gehort haben,

sagen, da die Freude

denken auch wieder verwischt haben. In alten Zeiten muB die ganze Natur lebendiger und sinnvoUer gewesen sein als heutzutage, Wirkungen, die scheinen

jetzt

und

kaum noch

die

Menschen

bemerken allein noch

die Tiere zu eigentlich

empjSnden und genieBen, bewegten damals leblose Korper; und so war es moglich, daB kunstreiche

Menschen aUein Dinge moglich machten und Erscheinungen hervorbrachten, die uns

und

jetzt vollig

fabelhaft diinken. So sollen vor den Landern des jetzigen griechischen Kaisertums, wie uns Reisende berichten, die diese Sagen noch dort xmter dem gemeinen Volke

unglaublich

uralten Zeiten in

150

angetroffen haben, Dichter gewesen sein, die durch

den seltsamen Klang wnnderbarer Werkzeuge das geheime Leben der Walder, die in den Statnmen verborgenen Geister aufgeweckt, in wiisten, verodeten Gegenden den toten Pflanzensamen erregt und blxihende Garten hervorgemfen, grausame Tiere

gezahmt und verwilderte Menschen zn Ordnung und Sitte gewohnt, sanfte Neigungen und Kiinste des Friedens in ihnen rege gemacht, reiBende Fliisse in

milde Gewasser verwandelt und selbst die totesten

Bewegungen

hin-

gerissen haben. Sie sollen zugleich Wahrsager

und

Steine in regelmaBige tanzende

Priester,

Gesetzgeber und Arzte gewesen sein, indem

hohern Wesen durch ihre zauberische Kunst herabgezogen worden sind und sie in den Geheimnissen der Zukunft unterrichtet, das EbenmaB und die natiirliche Einrichtung aller Dinge, auch die innern Tugenden und Heilkrafte der Zahlen, Gewachse und aller Kreaturen ihnen offenbart. Seitdem selbst die

sollen,

wie die Sage

lautet, erst die

mannigfaltigen

Tone und die sonderbaren Sympathien und Ordnungen in die Natur gekommen sein, indem vorher alles wild, unordentlich und feindselig gewesen ist. Seltsam ist nur hiebei, daB zwar diese schonen Spuren zum Andenken der Gegenwart jener wohltatigen Menschen geblieben sind, aber entweder ihre Kunst oder jene zarte Gefiihligkeit der Natur verloren gegangen ist. In diesen Zeiten hat es sich unter

andern einmal zugetragen, daB einer jener sonderbaren Dichter oder mehr Tonkiinstler



wiewohl Musik und Poesie wohl ziemlich eins sein mogen und vieUeicht ebenso zusamnaengehoren wie Mund die

und Ohr, da der worteades

Ohr

nur ein bewegliches und antdaB also dieser Tonkiinsder ,

erste

ist



in ein fremdes Land reisen woUte. Er war reich an schonen Kleinodien und kostlichen Dingen, die ihm aus Dankbarkeit verehrt worden libers

Meet

waren.

Er fand

ein SchifF

darin schienen bereitwillig,

am

Ufer, und die Leute ihn fur den verheiBenen

Lohn nach der verlangten Gegend zn fahren. Der Glanz und die Zierlichkeit seiner Schatze reizten aber bald ihre Habsucht so sehr, daB sie unterein-

ander verabredeten, sich seiner zn bemachtigen, ihn ins Meer zn werfen und nachher seine Habe untereinander zn verteilen.

Wie

sie also

mitten im Meere

ihn her und sagten ihm, daB er sterben miisse, weil sie beschlossen hatten, ihn ins

waren, fielen

sie liber

Meer zn werfen. Er bat sie auf die

um

riihrendste Weise

sein Leben, bot ihnen seine Schatize

znm

Lose-

geld an und prophezeite ihnen groBes Ungliick, sie

ihren Vorsatz ausfuhren wiirden,

eine

noch das andere konnte

sie

wenn Aber weder das

bewegen: denn

sie

furchteten sich, daB er ihre bosliche Tat einmal verraten mochte.

Da er sie nun einmal so fest entschlos-

sie, ihm wenigstens zu erlauben, daB noch vor seinem Ende seinen Schwanengesang spielen diirfe, dann wolle er mit seinem schlichten holzernen Instrumente vor ihren Augen freiwillig ins Meer springen. Sie wuBten recht wohl, daB, wenn sie seinen Zaubergesang h5rten, ihre Herzen erweicht und sie von Reue ergriffen werden wiirden; daher nahmen sie sich vor, ihm zwar diese letzte Bitte zu gewahren, wahrend des Gesanges aber sich die Ohren fest zu verstopfen, daB sie nichts davon

sen sah, bat er er

vemahmen und

so bei ihrem Vorhaben bleiben

konnten. Dies geschah.

Der Sanger stimmte einen Das

herrHchen, unendlich dihrenden Gesang an.

ganze SchifF tonte mit, die Wellen klangen, die Sonne

und die Gestirne erschienen zugleich am Himmel, und aus den griinen Fluten tauchten tanzende Scharen von Fischen und Meerungeheuern hervor. Die

Schiffer standen feindselig allein

mit festver-

Ohren und warteten voll Ungeduld auf das Ende des Liedes. Bald war es voriiber. Da sprang der Sanger mit heitrer Stirn in den dunkeln Abgrund bin, sein wundertatiges Werkzeug im Arm. Er hatte kaum die glanzenden Wogen beriihrt, so hob sich der breite Riicken eines dankbaren Untiers unter ihm hervor, und es schwamm schnell mit dem erstaunten Sanger davon. Nach kur5:er Zeit hatte es mit ihm die Kiiste erreicht, nach der er hingewollt hatte, und setzte ihn sanft im Schilfe nieder. Der Dichter sang seinem Retter ein frohes Lied und ging dankbar von dannen. Nach einiger Zeit ging er einmal am Ufer des Meers allein und klagte in sxiBen Tonen uber seine verlorenen Kleinode, die ihm als Erinnerungen gliicklicher Stunden und als Zeichen der Liebe und Dankbarkeit so wert gewesen waren. Indem er so sang, kam plotzlich sein alter Freund im Meere frohlich dahergerauscht und lieG aus seinem Rachen die geraubten Schat^ze auf den Sand fallen. Die Schiffer hatten, nach des Sagers Sprunge, sich sogleich in seine Hinterlassenschaft zn teilen angefangen. Bei dieser Teilung war Streit unter ihnen entstanden und stopften

hatte sich in einen morderischen

Kampf

geendigt,

der den meisten das Leben gekostet; die wenigen, die

ubrig geblieben, batten allein das Schiff nicht regieten

konnen, und es war bald auf den Strand geraten, wo und unterging. Sie brachten mit genauer

es scheiterte

Not das Leben davon und kamen mit leeren Handen und zerrissenen Kleidern ans Land, und so kehrten durch die Hiilfe des dankbaren Meertiers, das Schatze

im Meere

aufsuchte, dieselben in die

die

Hande

ihres alten Besitzers zuruck.“

Drittes Kapitel

andere Geschichte*", fuhren die Kaufleute nach einer Pause fort, „die freilich nicht so wunder-

bar und auch aus spatern Zeiten

wird Euch vielleicht doch gefallen und Euch mit den Wirkungen jener wunderbaren Kunst noch bekannter machen.

Konig

Ein

alter

und

breit stromten

hielt einen

ist,

glanzenden Hof. Weit

Menschen herzu,

um

Herriichkeit seines Lebens zu haben,

und

teil

an der

es gebrach

weder den taglichen Festen an "DberfluB kostlicher Waren des Gaumens noch an Musik, prachtigen Verzierungen und Trachten und tausend abwechselnden Schauspielen

und

Zeitvertreiben,

noch end-

lich an sinnreicher Anordnung, an klugen, gefalligen und unterrichteten Mannern zur Unterhaltung und

Beseelung der Gesprache und an schoner, anmutiger

Jugend von beiden Geschlechtern, die die eigentSeele reizender Feste ausmachen. Der alte Konig, der sonst ein strenger und ernster Mann war, hatte zwei Neigungen, die der wahre AnlaB dieser prachtigen Hofhaltung waren und denen sie ihre schone Einrichtung zu danken hatte. Eine war die

liche

154

Ztolichkeit

fiir

seine Tochter, die

seiner friih verstorbenen

ihm als Andenken

Gemahiin und

als ein

un-

Madchen unendlich war und fur die er gern aUe Schatze der Natur und alle Macht des menschlichen Geistes aufgeboten hatte, um ihr einen Himmel auf Erden zu verschaffen. Die andere war eine wahre Leidenschaft fur die Dichtkunst und ihre Meister. Er hatte von Jugend auf die Werke der Dichter mit innigem Vergniigen gelesen, an ihre Sammiung aus alien Sprachen groBen FleiB und groBe Sununen gewendet und von jeher den Umgang der Sanger liber alles geschatzt. Von alien Enden zog er sie an seinen Hof und iiberhaufte sie mit Ehren. Er ward nicht miide, ihren Gesangen zuzuhoren, und yergaB oft die wichtigsten Angeaussprechiich liebenswiirdiges teuer

legenheiten, ja die Bedxirfnisse des Lebens iiber

einem neuen, hinreiBenden Gesange. Seine Tochter war unter Gesangen aufgewachsen, und ihre ganze Seele war ein zartes Lied geworden, ein einfacher Ausdruck der Wehmut und Sehnsucht. Der wohl-

und geehrten Dichter im ganzen Lande, besonders aber am

tatige EinfluB der beschiitzten

zeigte sich

Hofe.

Man genoB

das

Leben mit langsamen, kleinen

Ziigen wie einen kostlichen Trank und mit desto

reinerem Wohlbehagen, da

alle

widrigen gehassigen

Leidenschaften wie MiBtone von der sanften harmonischen Stimmung verscheucht wurden, die in alien Gemiitern herrschend war. Frieden der Seele und inneres seliges Anschauen einer selbstgeschaffenen, gliicklichen Welt war das Eigentum dieser wunderbaren Zeit geworden, und die Zwietracht erschien nur in den alten Sagen der Dichter als eine 155

ehmalige Feindin der Menschen. Es schien,

als

hatten

Gesanges ihrem Beschutzer kein liebZeichen der Dankbarkeit geben konnen als

die Geister des licheres

seine Tochter, die alles besaB,

was

die siiBeste Ein-

bildungskraft nur in der zarten Gestalt eines

chens vereinigen konnte.

Wenn man

sie

Mid-

an den

schonen Fasten unter einer Schar reizender Gespielen,

im weiBen gl^zenden Gewande

erblickte,

den Wettgesangen der begeisterten Sanger jtnit tiefem Lauschen zuhdrte und errotend einen duftenden Kranz auf die Locken des Glucklichen dnickte, dessen Lied den Preis gewonnen hatte: so

wie

hielt

sie

man

sie

fur die sichtbare Seele jener herrlicben

Kunst, die jene Zauberspriiche beschworen batten,

und horte

auf,

sich xiber die

Entzuckimgen und

Melodien der Dichter zu wundern. Mitten in diesem irdischen Paradiese schien jedoch ein geheimnisvoUes Schicksal

zu schweben. Die

ein-

Gegenden betraf die Vermahlung der aufbliihenden Prinzessin, von der die Fortdauer dieser seligen Zeiten und das Verhangnis des ganzen Landes abhing. Der Konig ward immer Hter. Ihm selbst schien diese Sorge lebhaft am Herzen zu liegen, und dock zeigte sich keine Aussicht zu einer Vermahlung fur sie, die alien Wiim schen angemessen gewesen ware. Die heilige Ehrfurcht fur das konigliche Haus erlaubte keinem zige Sorge der

Bewohner

dieser

Untertan, an die Moglichkeit zu denken, die Prin-

zu besitzen. Man betrachtete sie wie ein liberWesen, und alle Prinzen aus andern Landern, die sich mit Anspriichen auf sie am Hofe gezeigt batten, schienen so tief unter ihr zu sein, daB kein

zessin

irdisches

156

Mensch auf den Einfall kam, die Prinzessin oder der Kdnig werde die Augen auf einen unter ihnen richten. Das Gefiihl des Abstandes hatte sie auch allmahlicli aUe verscheucht, und das ausgesprengte Geniclit des ausschweifenden Stokes dieser kdniglichen Familie schien andern alle Lust zn benehmen, sich ebenfalls gedemiitigt 2u sehn. Gan^: unbegriindet

war auch

dieses Geriicht nicht.

Der Konig war

bei

Milde beinah unwiilkurlich in ein Gefuhl der Erhabenheit geraten, was ihm jeden Gedanken an

aller

seiner Tochter mit einem Manne von niedrigerem Stande und dunklerer Herkunft

die

Verbindung

unmdglich oder unertraglich machte. Ihr hoher, einWert hatte jenes Gefuhl in ihm immer mehr bestatigt. Er war aus einer uralten morgenlandischen Konigsfamilie entsprossen. Seine Gemahlin war der letzte Zweig der Nachkommenschaft des beruhmten Helden Rustan gewesen. Seine Dichter hatten ihm unaufhorlich von seiner Verwandtschaft mit den ehemahgen xibermenschlichen Beherrschern der Welt ziger

vorgesungen, und in

dem Zauberspiegel ihrer Kunst seiner Herkunft von dem Ur-

war ihm der Abstand

sprunge der andern Menschen, die Herrlichkeit seines

Stammes noch

heller erschienen, so daB es ihn nur durch die edlere Klasse der Dichter mit dem ubrigen Menschengeschlechte zusammenzuhangen. Vergebens sah er sich mit voller Sehnsucht nach einem zweiten Rustan um, indem er fiihlte, daB dxinkte,

das Herz seiner aufbliihenden Tochter, der Zustand seines Reichs

mahlung

in

und

sein

aller

zunehmendes Alter ihre Ver-

Absicht

sehr

wiinschenswert

machten. 157

Nicht weit von der Hauptstadt lebte auf einem abgelegenen Landgute ein alter Mann, der sich ausschlieBlich mit der Er2iehung seines ein^igen Sohnes

und nebenher den Landleuten in wichDer junge Mensch war ernst und ergab sich einzig der Wissenschaft der Natur, in welcher ihn sein Vater von Kindheit auf unterrichtete. Aus fernen Gegenden war der Alte vor ^mehreren Jahren in dies friedliche und bliihende Land gezogen und begniigte sich, den wohltatigen Frieden, den der Konig um sich verbreitete, in der Stille 2u genieBen. Er benutzte sie, die Krafte der Natur 2u erforschen und diese hinreiBenden Kenntbeschaftigte

tigen Krankheiten Rat erteilte.

nisse seinem verriet

Sohne

mitzuteilen, der viel Sinn dafiir

und dessen tiefem Gemiit

willig ihre

die Natur bereitGeheimnisse anvertraute. Die Gestalt des

jungen Menschen schien gewohnlich und unbedeu-

wenn man

tend,

nicht einen hohern Sinn

fiir

die

geheimere Bildung seines edlen Gesichts und die ungewohnliche Klarheit seiner Augen mitbrachte. Je langer man ihn ansah, desto anziehender ward er, und man konnte sich kaum wieder von ihm trennen, wenn man seine sanfte, eindringende Stimme und

anmutige Gabe, zu sprechen, horte. Eines Tages hatte die Prinzessin, deren Lustgarten an den

seine

Wald

stieBen, der das

Landgut des Alten in einem

kleinen Tale verbarg, sich allein zu Pferde in den

Wald begeben,

um

desto ungestorter ihren Phanta-

nachhangen und einige schone Gesange sich wiederholen zu konnen. Die Frische des hohen Walsien

des lockte sie

kam 158

sie

immer

tiefer in seine Schatten,

endlich an das Landgut,

wo

und so

der Alte mit

seinem Sohne

zn trinken,

Baum und

Es kam ihr die Lust an, Milch stieg ab, band ihr Pferd an einen

lebte.

sie

um sich einen Trunk war gegenwmig und Sohn Der

trat in das

Milch aus2ubitten.

Haus,

erschrak beinah iiber diese ^auberhafte Erscheinung

Wesens, das, mit Reizen der Jugend und Schonheit geschmuckt und von einer unbeschreiblich anziehenden Durchsichtigkeit der zartesten, unschuldigsten und edelsten'' eines majestatischen weiblichen alien

beinah vergottlicht wurde. Wahrend er elite, ihre wie Geistergesang tonende Bitte zu erfullen, trat ihr der Alte mit bescheidner Ehrfurcht entgegen Seele,

und lud sie ein, an dem einfachen Herde, der mitten im Hause stand und auf welchem eine leichte blaue Flamme ohne Gerausch emporspielte, Platz zu nehmen. Es fiel ihr gleich beim Eintritt der mit tausend seltenen Sachen gezierte Hausraum, die Ordnung und Reinlichkeit des Ganzen und eine seltsame Heideren Eindruck noch durch den schlicht gekleideten ehrwiirdigen Greis und den bescheidnen Anstand des Sohnes erhohet wurde. Der

ligkeit des Ortes auf,

Alte hielt

sie gleich fur eine

zum Hof gehorige

Per-

wozu ihre kostbare Tracht und ihr edles Betragen ihm AnlaB genug gab. Wahrend der Abson,

wesenheit des Sohnes befragte

sie

ihn

um

einige

Merkwurdigkeiten, die ihr vorziiglich in die Augen Helen, worunter besonders einige alte, sonderbare

Bilder waren, die neben ihrem Sitze auf standen,

und

er

war

dem Herde

bereitwillig, sie auf eine an-

mutige Art damit bekannt zu machen. Der Sohn kam bald mit einem Kruge voll frischer Milch zunick reichte ihr denselben

und

mit ungekiinsteltem und ehr159

furchtsvoUem Wesen. Nach einigen anziiehenden Gesprachen mit beiden dankte sie auf die lieblichste

Weise

fiir

die freundliche Bewirtung, bat errotend

um

wiederkommen und Gesprache iiber die vielen mindetbaren Sachen genieBen zu diirfen, und ritt 2uruck, ohne ibren Stand verraten zu haben, da sie merkte, den Alten

die Erlaubnis,

seine lehrreichen

daB Vater und Sohn sie nicht kannten. Ohnerachtet die Hauptstadt so nahe lag, batten beide, in ihre

Gewiihl der Menschen zu vermeiden gesucbt, und es war dem Jungling nie eine Lust angekommen, den Festen des Hofes bei-

Forscbungen

vertieft, das

zuwobnen; besonders da er seinen Vater bocbstens auf eine Stunde zu verlassen pflegte, um zuweilen im Walde nacb Schmetterlingen, Kafern und Pflanzen umberzugebn und die Eingebungen des stillen Naturgeistes dutch den EinfluB seiner mannigfaltigen auBeren Lieblichkeiten zu vernehmen. Dem Alten, der Prinzessin und dem Jungling war die einfache Begebenheit des Tages gleich wichtig. Der Alte hatte leicht den neuen, tiefen Eindruck bemerkt, den die Unbekannte auf seinen Sohn machte. Er kannte diesen genug, um zu wissen, daB jeder tiefe Eindruck bei ihm ein lebenslanglicher sein wurde. Seine Jugend und die Natur seines Herzens muBten die erste Empfindung dieser Art zur unuberwindlichen Neigung machen. Der Alte hatte eine solche Begebenheit herannahen sehen. Die hohe Liebenswiirdigkeit der Erscheinung fldBte lich eine innige

liches

Teilnahme

Gemiit entfernte

ein,

alle

und

ihm

unwillkiir-

sein zuversicht-

Besorgnisse iiber die

Entwickelung dieses sonderbaren Zufalls. Die Prin-

Tessin hatte sich

tiie

in einem ahnlichen Zustande

befunden, wie der war, in welchem

sie langsam nach Hause ritt. Es konnte vor der einaigen, helidunkien, wunderbar beweglichen Empfindung einer neuen Welt kein eigentlicher Gedanke in ihr entstehen. Ein

magischer Schleier dehnte sich in weiten Fallen ihr klares BewuBtsein.

Es war ihr,

als

wurde sie

um

sich,

wenn er aufgeschlagen wiirde, in einer uberirdischen Welt befinden. Die Erinnerung an die Dichtkunst, war zn einem fernen Gesange geworden, der ihren seltsam lieblichen Tranm mit den ehemaligen Zeiten verband. Wie sie zuriick in den Palast kam, erschrak sie die bisher ihre ganze Seele beschaftigt hatte,

beinah iiber seine Pracht und sein buntes Leben,

noch mehr aber bei der Bewillkoxnmnung ihres 2um ersten Male in ihrem Leben eine scheue Ehrfurcht in ihr erregte. Es schien

Vaters, dessen Gesicht

ihr eine unabanderliche Notwendigkeit, nichts

ihrem Abenteuer zn erwahnen.

von

Man war ihre schwar-

merische Ernstliaftigkeit, ihren in Phantasien und tiefes

Sinnen verlornen Blick schon zn gewohnt,

um

etwas AuBerordentliches darin zn bemerken. Es war

mehr so

lieblich zumute; sie schien Fremden, und eine sonderbare Banglichkeit begleitete sie bis an den Abend, wo das frohe Lied eines Dichters, der die Hoffnung pries und von den Wundern des Glaubens an die Erfullung unsrer Wiinsche mit hinreiBender Begeisterung sang, sie mit siiBem Trost erfuUte und in die angenehmsten Traume wiegte. Der Jungling hatte sich gleich nach ihrem Abschiede in den Wald verloren. An der Seite des Weges war er in Gebiischen bis an

ihr jetzt nicht

sich unter lauter

II

Nomhst Gesamnaelte Wexfce

i

i6i

die Pforten des Gartens ihr gefolgt

dem Wege

zuriickgegangen.

Wie

und dann

auf

er so ging, sah er

m seinen FiiBen einen hellen Glanz. Er buckte sick

danach und hob einen dunkelroten Stein auf, der auf und auf der anunverstandliche eingegrabene Chiffern zeigte. dern

einer Seite auBerordentlich funkelte

Er erkannte ihn fur einen kostbaren Karfunkel und glaubte ihn in der Mitte des Halsbandes an der Unbekannten bemerkt zn haben. Er eilte mit befliigelten

noch dort, und brachte den Stein seinem Vater. Sie wurden einig, daB der Sohn den andern Morgen auf dem Weg zuriickgehn und warten sollte, ob der Stein gesucht wiirde, wo er ihn dann 2:uruckgeben konnte; sonst wollten sie ihn bis 2u einem 2weiten Besuche der Unbekannten aufheben, um ihr selbst ihn zu iiberreichen. Der Jiingling betrachtete fast die ganze Nacht den Karfunkel und fiihlte gegen Morgen ein unwiderstehliches Verlangen, einige Worte auf den Zettel 2u schreiben;, in welchen er den Stein einwickelte. Er wuBte selbst nicht genau, was er sich bei den Worten dachte, die er hinschrieb Schritten nach Hause, als

ware

sie

:

Es

ist

dem

Stein ein ratselhaftes Zeichen

Tief eingegraben in seicugluhend Blut,

Er

ist

In

dem

mit einem Herzen zn vergleichen, das Bild der Unbekannten ruht.

Man sieht um

jenen tausend

Funken

streichen,

Um dieses woget eine lichte Flut. In jenem liegt des Glances Licht begraben,

Wird

dieses

auch das Httz des Herzens haben?

Kaum

daB der Morgen anbrach, so begab er sich schon auf den Weg und eilte der Pforte des Gartens 2U.

Unterdessen hatte die Prinzessin abends beim Auskleiden den teuren Stein in ihrem Halsbande verrniBt,

der ein

Andenken ihrer Mutter und noch dazu

ein Talisman war, dessen Besitz ihr die Freiheit ihrer

Person

sicherte,

indem

sie

damit nie in fremde Ge-

walt ohne ihren Willen geraten konnte.

Dieser Verlust befremdete sie mehr,

als

daB er

sie

erschreckt hatte. Sie erinnerte sich, ihn gestern bei

dem fest,

dem

Spazierritt noch gehabt 2u haben, und glaubte daB er entweder im Hause des Alten oder auf Riickwege im Walde verloren gegangen sein

miisse ; der Weg war ihr noch in frischem Andenken, und so beschloB sie, gleich friih den Stein aufzusuchen, und ward bei diesem Gedanken so heiter, daB es fast das Ansehn gewann, als sei sie gar nicht

dem

AnlaB gabe, jenen Weg sogleich noch einmal 2u machen. Mit dem Tage ging sie durch den Garten nach dem Walde, un2ufrieden mit

und weil

Verluste, weil er

ging als gewohnlich, so fand daB ihr das Her2 lebhaft schlug und ihr die Brust beklomm. Die Sonne fing eben an, die Wipfel der alten Baume 2u vergolden, die sich mit sanftem Fliistern bewegten, als woUten sie sich sie es

sie eilfertiger

gan2

natiirlich,

gegenseitig aus nachtlichen Gesichtern erwecken,

um die Sonne gemeinschaftlich 2u begriiBen, als

die

Prin2 essin, durch ein femes Gerausch reranlaBt, den

Weg

und den Jungling auf sich 2ueilen demselben Augenblick ebenfalls sie be-

hinunter

sah, der in

merkte. 163

Wie

Weile stehn und

angefesselt blieb er eine

blickte unverwaixdt sie

m,

gleichsam

um

sich zn

uber2eugen, daB ihre Efscheinung wirklich und keine Tauschung sei. Sie begriiBten sich mit einem zuriickgehaltenen Ausdruck

von Freude,

schon lange gekannt und geliebt.

als

batten sie sich

Noch ehe

die Prin-

zessin die Ursache ihres friihen Spazierganges

ihm

entdecken konnte, iiberreichte er ihr mit Erroten

und Herzklopfen den Stein in dem beschriebenen ZetteL Es war, als ahndete die Prinzessin den Inhalt

nahm ihn stillschweigend mit zitternHand und hing ihm zur Belohnung fur seinen gliicklichen Fund beinah unwillkurlich eine goldne

der Zeilen. Sie

der

Kette um, die er

sie

um den Hals trug. Beschamt kniete

vor ihr und konnte, da

sie sich

erkundigte, einige Zeit keine

nach seinem Vater

Worte finden.

Sie sagte

und mit niedergeschlagenen Augen, daB sie bald wieder zu ihnen kommen und die Zusage

ihm

halbleise

des Vaters, sie mit seinen Seltenheiten bekannt zu

machen, mit vieler Freude benutzen wiirde. Sie dankte

dem

Junglinge noch einmal mit un-

gewohnlicher Innigkeit und ging hierauf langsam, zuriick. Der Jungling konnte Wort vorbringen. Er neigte sich ehrfurchtsvoU

ohne sich umzusehen, kein

den Baumen verschwand. Nach dieser Zeit vergingen wenig Tage bis Zu ihrem zweiten Besuche, dem bald mehrere folgten. Der Jungling ward unvermerkt ihr Begleiter bei diesen Spaziergangen, Er holte sie zu bestimmten Stunden am Garten ab und brachte sie dahin zuruck.

und sah

ihr lange nach, bis sie hinter

Sie beobachtete ein unverbriichliches Stillschweigen fiber ihren Stand, so zutraulich sie

164

auch sonst gcgen

ihren Begleiter wurde,

dem

bald kein Gedanke in

ihrer himmlischen Seele verborgen blieb. Es war, als fldBte ihr die Erhabenheit ihrer Herkunft eine geheime Furcht ein. Der Jungling gab ihr ebenfalls

seine ganze Seele, Vater und Sohn hielten sie fiir ein vornehmes Madchen vom Hofe. Sie hing an dem

Alten mit der ZartHchkeit einer Tochter. Ihre Lieb-

kosungen gegen ihn waren die enteiickenden Vorboten ihrer Zartlichkeit gegen den Jungling, Sie ward bald einheimisch in dem wunderbaren Hause;

und wenn sie dem Alten und dem Sohne, der zn ihren FuBen saB, auf ihrer Laute reizende Lieder mit einer uberirdischen Stimme vorsang und letzteren in dieser lieblichen Kunst unterrichtete so erfuhr sie dagegen von seinen begeisterten Lippen die Entrat:

selung der iiberall verbreiteten Naturgeheimnisse,

Er

^

lehrte ihr, wie durch wundervoUe Sympathie die Welt entstanden sei und die Gestirne sich zu melodischen Reigen vereinigt hatten. Die Geschichte der Vorwelt ging durch seine heiligen Erzahlungen in ihrem Gemut auf; und wie entziickt war sie, wenn ihr Schiiler, in der FuUe seiner Eingebungen, die Laute ergrilF xmd mit unglaublicher Gelehrigkeit in die wundervoUsten Gesange ausbrach, Eines Tages, als

ein besonders kiihner

Schwnng

sich seiner Seele

in ihrer Gesellschaft bemachtigt hatte tige Liebe auf

dem Riickwege

Zuriickhaltung

mehr

und

die

mach-

ihre jungfrauliche

gew5hnlich xiberwand, so daB sie beide, ohne selbst zu wissen wie, einander in die Arme sanken und der erste gliihende KuB sie auf ewig zusammenschmelzte, fing mit einbrechenals

der Dammerung ein gewaltiger Sturm in den Gipfeln

der

Baume plotelich zn toben

an.

Drohende WetterDunkel iiber

wolken zogen mit tiefem nachtlichen sie her.

Er

eilte, sit

in Sicherheit

vor dem

fiirchter-

und den brechenden Baumen zu bringen: aber er verfehlte in der Nacht und voll Angst wegen seiner Geliebten den Weg und geriet immer defer in den Wald hinein. Seine Angst wuchs, lichen Ungewitter

wie er seinen Irrtum bemerkte. Die Prin5:essin dachte an das Schrecken des Konigs und des Hofes; eine unnennbare Angstlichkeit fuhr zuweilen wie ein zerstorender Strahi durch ihre Seele,

und nur

die

Stimme ihres Geliebten, der ihr unaufhorlich Trost

Mut und Zutrauen zuruck und beklommne Brust. Der Sturm wiitete fort; alle Bemxihungen, den Weg zn finden, waren vergeblich, und sie priesen sich beide gliickzusprach, gab ihr erleichterte ihre

lich,

bei der Erleuchtung eines Blitzes eine

nahe

Hohle an dem

steilen

Abhang eines waldigen Hiigels

zu entdecken,

wo

eine sichere Zuflucht

sie

gegen die

Gefahren des Ungewitters zu finden hofften und eine Ruhestatte

fiir

ihre erschopften Krafte.

begiinstigte ihre Wiinsche.

Das Gliick

Die Hohle war trocken

und mit reinlichem Moose bewachsen. Der Jiingling Feuer von Reisern und Moos an, woran sie sich trocknen konnten, und die beiden Liebenden sahen sich nun auf eine wunderbare Weise yon der Welt entfernt, aus einem gefahrvollen Zustande gerettet und auf einem bec^uemen, warmen

ziindete schnell ein

Lager

allein

nebeneinander.

Ein wilder Mandelstrauch hing mit Frxichten beladen in die Hohle hinein, und ein nahes Rieseln lieB sie frisches Wasser zur Stillung ihres Durstes finden.

Die Laute hatte der Jiingling mitgenommen, und sie gewahrte ihnen jetzt eine aufheiternde und beruhigende Unterhaltung bei dem knisternden Feuer. Eine hohere Macbt schien den Knoten schneller losen zu wollen und btachte sie unter sonderbaren Umstanden in diese romantische Lage.

zen, die 5:auberhafte

Die Unschuld ihrer

Stimmung

ihrer Gemiiter

Her--

und

verbundene unwiderstehliche Macht ihrer siiBen Leidenschaft und ihrer Jugend lieB sie bald die Welt die

und ihre Verhaltnisse vergessen und wiegte sie unter dem Brautgesange des Sturms und den Hochzeitsfackeln der Blitze in den siiBesten Rausch ein, der je

Der Anbruch das Erwachen

ein sterbliches Paar beseligthabenmag.

des lichten blauen Morgens war fiir

sie

Ein Strom heiCer Tranen, der jedoch bald aus den Augen der Prinzessin hervorbrach, verriet ihrem Geliebten die erwachenden tausendfachen Bekummernisse ihres Herzens. Er war in dieser Nacht um mehrere Jahre alter, aus einem Junglinge zum Manne geworden. Mit xiberschwenglicher Begeisterung trostete er seine Geliebte, erinnerte sie an die Heiligkeit der wahrhaften Liebe und an den hohen Glauben, den sie einfldBe, und bat sie, die heiterste Zukunft von dem Schutzgeist ihres Herzens mit Zuversicht zu erwarten. Die Prinzessin fiihlte die Wahrheit seines Trostes und entdeckte ihm, sie sei die Tochter des Konigs und nur bange wegen des Stolzes und der Bekummernisse ihres Vaters. Nach langen reiflichen Uberlegungen wurden sie fiber die zu fassende EntschlieBung einig, und der Jiingling machte sich sofort auf den Weg, um seinen Vater aufzusuchen und diesen mit ihrem

in einer neuen seligen Welt.

Plane bekannt 2u machen.

wieder bei ihr zn sein,

und

Er versprach, in kur^em verlieB sie bemhigt und

in siiBen Vorstellungen der kiinftigen Entwicklxing dieser Begebenheiten.

Der Jiingling hatte bald seines

Wohnung erreicht, und der Alte war sehr erfreut, ihn unverlet2:t ankommen zu sehen. Er erfuhr Vaters

nun die Geschichte und den Plan der Liebenden und bezeigte sich nach einigem Nachdenken bereitwillig, ihn zn unterstiitzen. Sein Haus lag ziemlich versteckt und hatte einige unterirdische Zimmer, die nicht leicht aufzufinden

Wohnung

waren. Hier sollte die

der Prinzessin sein. Sie ward also in der Dammerung

abgeholt

und mit

tiefer

Riihrung von

dem Alten

empfangen. Sie weinte nachher oft in der Einsamkeit,

wenn sie ihres

verbarg

sie

ihren

sagte es nur

traurigen Vaters gedachte:

doch

Kummer vor ihrem Geliebten und

dem

Alten, der sie freundlich trdstete

und ihr die nahe Riickkehr zu ihrem Vater vorstellte. Unterdes war man am Hofe in groBe Bestiirzung geraten, als abends die Prinzessin

vermiBt wurde.

Der Konig war ganz auBer sich und schickte iiberall Leute aus, sie zu suchen. Kein Mensch wuBte sich

kam

ein

heimliches Liebesverstandnis in die Gedanken,

und

ihr

Verschwinden zu erklaren. Keinem

so ahndete

man keine

Entfohrung, da ohnedies kein

Mensch waiter fehlte. Auch nicht zu der entferntesten Vermutung war Grund da. Die ausgeschickten Boten kamen unverrichteter Sache zuriick, und der Konig fiel in tiefe Traurigkeit. Nur wenn abends seine Sanger vor ihn kamen und sch 5 ne Lieder mitbrachten, war es, als lieBe sich die alte Freude wieder vor ihm blicken; seine Tochter diinkte ihn nah, und i6S

er schopfte HofFnung, sie bald wieder^usehen. er aber wieder allein, so 2:erriB es

das Herz,

und

er weinte laut.

War

ihm von neuem

Dann

gedachte er bei

,Was hilft mir nun alle die Herrlichkeit und meine hohe Geburt? Nun bin ich doch elender als die andern Menschen. Meine Tochter kann mir nichts ersetzen. Ohne sie sind auch die Ges^ge nichts als leere Worte und Blendwerk. Sie war der Zauber, der ihnen Leben und Freude, Macht und Gestalt gab. Wollt ich doch lieber, ich ware der geringste meiner Diener. Dann hatte ich meine Tochter noch; auch wohl einen Eidam dazu und Enkel, die mir auf den Knien saBen: dann ware ich ein anderer sich selbst:

Konig als jetzt. Es ist nicht die Krone und das Reich, was einen Konig macht. Es ist jenes voile, iiberflieBende Gefuhl der Gliickseligkeit, der Sattigung

mit irdischen Giitern, jenes Gefiihl der tiberschweng-

So werd ich nun fur meinen Ubermut Der Verlust meiner Gattin hat mich noch nicht genug erschiittert. Nun hab ich auch ein grenzenloses Elend,^ So klagte der Konig in den Stunden

lichen Geniige. bestraft.

der heiBesten Sehnsucht. Zuweilen brach auch seine alte

Strenge und sein Stolz wieder hervor.

Er ziirnte

Konig woUte er dulden

Kkgen; und schweigen. Er meinte dann, er leide mehr als alle anderen und es gehore ein groBer Schmerz zum Konigtum; aber wenn es dann dammerte und er in die ZHmmer seiner Tochter trat und sah ihre Kleider hmgen und ihre kleinern Habseligkeiten stehn, als habe sie eben das Zimmer verlassen: so vergaB er iiber seine

wie ein

seine Vorstoe, gebardete sich wie ein triibseliger

Mensch und rief seine geringsten Diener um Mideid 169

Die ga£i2 e Stadt und das gan5:e Land weinten und klagten von ganzem Her2 en mit ihm. Sonderlich war es, daB eine Sage umherging, die Prin2essin lebe noch xmd werde bald mit einem Gemahl wiederkommen. Kein Mensch wuBte, woher die Sage kam: aber alles lung sich mit frohem Glauben daran und an.

sah mit ungeduldiger Erwartung ihrer baldigen Wie-

Monde, ,Was gilts", sagten einige in wunderlichem Mute, ,nun kommt auch die Prinzessin wieder." Selbst der Konig ward heitrer und hoffnungsvoller. Die Sage diinkte ihn wie die VerheiBung einer giitigen Macht. Die ehemaligen Feste fingen wieder an, und es schien zum volligen Aufbluhen der alten Herrlichkeit nur noch die Prinderkunft entgegen. So vergingen mehrere

bis das Frulijahr wieder herankam.

zessin

zu

fehlen. Eines

wurde, daB

sie

Abends, da

Garten versammelt. Die Luft war ein leiser

Wind

es

gerade jahrig

verschwand, war der ganze tonte nur

Hof im

warm und

heiter;

oben in den alten Wipfeln

wie die Ankiindigung eines fernen frohlichen Zuges.

Ein machtiger Springquell stieg zwischen den vielen Fackeln mit zahllosen Lichtern hinauf in die Dunkeltonenden Wipfel und begleitete mit melodischem Platschern die mannigfaldgen Gesange, die unter den Baumen hervorklangen. Der K5nig saB

heit der

auf einem kostlichen Teppich, der

Hof

und

um ihn her war

in festlichen Kleidern versammelt. Eine

zahlreiche

Menge erfullte den Garten und umgab

das

prachtvoUe Schauspiel. Der Konig saB eben in tiefen

BM

Gedanken. Das seiner verlornen Tochter stand mit ungew5hnlicher Klarheit vor ihm; er gedachte der gliicklichen Tage, die

um diese

Zeit

im vergan-

genen Jahre ein plotzliches Ende nahmen. Eine heiBe Sehnsucht xibermaonte ihn, und es flossen haufige

Tranen von seinen ehrwiirdigen Wangen, docli empfand er eine ungewohnliche Heiterkeit. Es diinkte ihn das traurige Jahr nur ein schwerer Traum zu sein, und er hob die Augen auf, gleichsam urn ihre hohe, heilige, enteuckende Gestalt unter den Men™ schen und den Baumen aufeusuchen. Eben hatten

und eine tiefe Stille schien das Zeichen der allgemeinen Ruhrung zn sein, denn die

die Dichter geendigt,

Dichter hatten die Freuden des Wiedersehns, den Fruhling und die Zukunft besungen, wie sie die HofFnung 2u schmiicken pflegt. Plotzlich wurde die Stille durch leise Laute einer unbekannten schonen Stimme unterbrochen, die von einer uralten Eiche

herzukommen schienen. AUe und man sah einen Jiing-

Blicke richteten sich dahin,

ling in einfacher, aber fremder Tracht stehen, der

Arm hielt und ruhig in seinem Gesange indem er jedoch, wie der Konig seinen Blick nach ihm wandte, eine tiefe Verbeugung machte. Die Stimme war auBerordentlich schon, und der Gesang trug ein fremdes, wunderbares Geprage. Er handelte von dem Ursprunge der Welt, von der eine Laute im fortfuhr,

Entstehung der Gestirne, der Pflanzen, Tiere und Menschen, von der allmachtigen Sympathie der Na™ tur, von der uralten goldenen Zeit xind ihren Be-

und Poesie, von der Erscheinung des Hasses und der Barbarei und ihren Kampfen mit jenen wohltatigen Gottinnen, und endlich von dem zukunftigen Triumph der letztern, dem Ende der Triibsale, der Verjtingung der Natur herrscherinnen, der Liebe

und der Wiederkehr eines ewigen goldenen ZeitDie alten Dichter traten, selbst von Begeisterung hingerissen, wahrend des Gesanges naher urn den seitsamen Fremdiing her. Ein niegefiihltes alters.

und der Konig selbst fiihlte sich "wie auf einem Strom des Himmels •weggetragen. Ein solcher Gesang war nie vernommen worden, und alle glaubten, ein himmlisches Entzucken

Wesen

sei

ergriff die

Zuschauer,

unter ihnen erschienen, besonders da der

Jtingling unterm Singen immer schoner, licher

immer herr-

und seine Stimme immer gewaltiger zu werden

Die Luft spielte mit seinen goldenen Locken. Die Laute schien sich unter seinen Handen zu beseelen, und sein Blick schien trunken in eine geheimere scbien.

Welt hiniiberzuschauen.

Auch

die Kinderunschuld

und

Einfalt seines Gesichts schien alien ubernatiir-

lich.

Nun war

der herrliche Gesang geendigt. Die

den Jungling mit Freustilles inniges Jauchzen ging dutch die Versammlung. Der Konig kam geriihrt auf ihn zu. Der Jungling warf sich ihm bescheiden zu FuBen. Der Konig hob ihn auf, umarmte bejahrten Dichter driickten

dentranen an ihre Brust. Ein

ihn herzlich

Da

und hieB

ein Lied

Gabe ausbitten. Wangen den Konig, noch

ihn, sich eine

bat er mit gliihenden

gnadig anzuhoren und dann iiber seine Bitte

zu entscheiden. Der Konig trat einige Schritte zuruck, tmd der Fremdiing fing an:

Der Sanger geht auf rauhen Pfaden, ZerreiSt in Dornen sein Gewand; Er muB durch FluB und Sumpfe baden, Und keins reicht hulfreich ihm die Hand.

nz

Einsam imd pfadlos

flieBt in

IGagen

Jetzt liber sein ermattet Her2;

Er kann Ifan

die Laute

ubermannt ein

kaum noch

tragen,

tiefer Schmers:.

jEin traurig Los ward mir beschieden,

Ich

irre

ganz veriassen

Ich brachte alien

Dock

Lixst

hier,

und Frieden,

keiner teiite sie mit mir.

Es wird

ein jeder seiner

Habe

Und seines Lebens frok durch mich; Dock weisen sie mit karger Gabe Des Herzens Forderung von

sick.

Man IdBt mich rukig Abschied

nehmen, Wie man den FruhJing wandern sieht; Es wird sick keiner um ikn gr^en, Wenn er betrubt von dannen zieht. Verlangend sehn sie nach den Friichten Und wissen nicht, daB er sie sat; Ick kann den Himmel fiir sie dichten. Gebet, Dock meiner denkt nicht dankbar Zaubermachte Lippen festgebannt. O! kniipfte nur an meine Rechte Sick auch der Liebe Zauberband.

Ich

fiihle

An

diese

Es kummert keine sick des Armen, Der diirftig aus der Feme kam; Welch Herz wird sein sick noch erbarmen Und losen seinen tiefen Gram?‘

173

Er

sinkt

im hohen Grase nieder

Und schltft mit nassen Wangen ein; Da schwebt der hohe Geist der Lieder In die beklemmte Brust hinein: jVergiB anjetzt, was

du

gelitten,

In kurzem schwindet deine Last, Was du umsonst gesucht in Hiitten,

Das wifst du j&nden im

Palast.

Du nahst dem hochsten Erdenlohne, Bald endigt der verschlungne Lauf;

Der Myrtenkranz wird Dir

setzt die treuste

eine Krone,

Hand

Ein Herz voll Einklang

ist

sie auf.

berufen

Zur Glorie um einen Thron; Der Dichter steigt auf rauhen Stufen Hinan und wird des Konigs Sohn/ So weit war er in seinem Gesange gekommen, und ein sonderbares Erstaunen batte sich der Versammlung bemachtigt, als wahrend dieser Strophen ein alter stalt

Mann

mit einer verschleierten weiblichen Ge-

von edlem Wuchse, die ein wunderschones Kind

dem Arme

fremden Versammlung umhersah und lachelnd nach dem blitzenden Diadem des Konigs die kleinen Handchen streckte, zum Vorschein kamen und sich hinter den auf

Sanger

stellten;

trug, das freundlich in der

aber das Staunen wuchs, als pldtzlich

aus den Gipfeln der alten

Baume

der Lieblingsadler

immer um sich hatte, mit einer goldenen Stirnbinde, die er aus seinen Zimmern entwandt haben muBte, herabflog und sich auf das des Konigs, den er

174

.

Haupt des Junglings niederlieB, so daB die Binde sich um seine Locken schlug. Der Fremdling er« schrak einen Augenblick; der Adler flog an die Seite des Konigs

und lieB

reichte sie

dem

die

Binde

znriick.

Der

Jiingling

Kinde, das darnach verlangte^, lieB

Knie gegen den K5nig nieder nnd fuhr Gesange mit bewegter Stimme fort:

sich auf ein

in seinem

Der Sanger

fahrt aus

schonen Traumen

Mit froher Ungeduld empor; Er wandelt nnter hohen Baumen Zu des Palastes ehrnem Tor. Die Manern sind wie Stahl geschliffen,

Doch Es

erklimmt sein Lied geschwind,

sie

steigt,

Zu ihm

von Lieb und Weh

Die Liebe

driickt sie fest

Der Klang der Pan2 er

zusammen,

treibt sie fort;

Sie lodern auf in siiBen

Im

ergriffen,

hinab des Konigs Kind.

Flammen

nachtlich stillen Zufluchtsort.

Sie halten furchtsam sich verborgen,

Weil

sie

der Zorn des Konigs schreckt,

Und werden nun von jedem Morgen Zu Schmeriz und Lust Mgleich erweckt. Der Sanger spricht mit sanften Klangen Der neuen Mutter Hofihung ein; Da tritt, gelockt von den Gesangen, Der Konig in die Kluft hinein. Die Tochter

reicht in

Den Enkel von

goldnen Locken

der Brust

ihm

hin;

175

Sie sinken reuig

Und

und erschrocken,

mild zergeht sein stranger Sinn*

Der Liebe weicht und dem Gesange Auch auf dem Thron ein Vaterher2 Und wandelt bald in suBem Drange Zu ewger Lust den tiefen Schmerz. Die Liebe gibt, was sie entrissen, Mit reichem Wucher bald zuriick,

Und

unter den Versohnungskussen

Entfaltet sich ein liimmlisch Gliick.

Geist des Gesangs,

Und

komm

du hernieder

steh auch jet2t der Liebe bei;

Bring die verlorne Tochter wieder,

DaB ihr der Konig Vater sei! — DaB er mit Freuden sie umschlieBet Und seines Enkels sich erbarmt Und, wenn das Htxz ihm uberfiieBet, Den Sanger auch als Sohn umarmt* Der Jungling hob mit bebender Hand bei diesen Worten, die sanft in den dunklen Gangen verhallten, den Schleier. Die Prinzessin fiel mit einem Strom von Tranen zu den FiiBen des Konigs und hielt ihm das sch 5 ne Kind hin. Der Sanger kniete mit gebeugtem Haupte an ihrer Seite. Eine mgstliche Stille schien

jeden

Atem

festzuhalten.

Der Konig war

einige

Augenblicke sprachlcs und ernst; darm zog er die Prinzessin an seine Brust, driickte sie lange fest an sich und weinte laut. Er hob nun auch den Jungling zu sich auf und umschloB ihn mit herzlicher Zart-

176

iichkeit.

Ein helles Jauch2en flog durch die Versamm-

Der Kdnig nahm das Kind xmd reichte es mit riihrender Andacht gen Himmel; dann begniBte er freundlich den Alten. Unendlung, die sich dicht zudrangte.

Freudentrmen flossen. In Ges^ge brachen die Dichter aus, und der Abend ward ein heiliger Vorabend dem ganzenLande, dessen Leben fortan nur ein schones Fest war. KeinMensch wei6,wo das Land bingekommen ist. Nur in Sagen heiBt es, daB Atlantis Yon machtigen Fluten den Augen entzogen worden sei.^*^ liche

Viertes Kapitel

Einige Tagereisen waren ohne die mindeste Unterbrecbung geendigt. Der Weg war fest und trok-

und die Gegenden, durch die sie kamen, fruchtbar, bewohnt und mannigfaltig. Der furchtbare Thiiringer Wald lag im Rxicken; die Kaufleute batten den Weg ken, die Witterung erquickend

ofterer gemacht,

waren

iiberall

und

heiter

mit den Leuten be-

kannt und erfuhren die gastfreiste Aufnahme. Sie

vermieden die abgelegenen und durch Raubereien bekannten Gegenden und nahmen, wenn sie je ge^wungen waren, solche zu durchreisen, ein hinlangbcbes Geleite mit. Einige Besitzer benachbarter

gutem wurden besucht und bei ihnen nachgefragt, ob sie Bestellungen nacb Augsburg zu macben batten. Eine freundliche Bewirtung ward ihnen zuteil, xmd die Frauen und Tocbter drangten Bergscblosser standen mit den Kaufleuten in

Vemehmen.

Sie

sicb mit berzlicber Neugier

um

die Fremdlinge.

Heinrichs Mutter gewann sie bald durch ihre gutxt

NopaiiSy

Gesammelte Wetke

i

177

miltige Bereitwilligkeit

und Teilnahme.

Man war

erfreut, eine Frau aus der Residen2:stadt zu sehn, die

ebenso willig die Neuigkeiten der Mode als die 2ubereitung einiger schmackhafter Schiisseln mitteilte.

Der junge Ofterdingen ward von Rittern und Frauen wegen seiner Bescheidenheit und seines ungezwungenen milden Betragens gepriesen, und die letetern verweilten gern auf seiner einnehmenden Gestalt, die wie das einfache Wort eines Unbekannten war, das man fast liberhort, bis langst nach seinem Abschiede es seine tiefe, unscheinbare Knospe immer mehr auftut und endlich eine herrliche Blume in allem zeigt, es

Farbenglanze so daB

man

dichtverschlungener

es nie vergiBt, nicht

Blatter

miide wird,

zu wiederholen, und einen unversieglichen, immer

gegenwartigen Schatz daran hat.

Man

besinnt sich

nun genauer auf den Unbekannten und ahndet und ahndet, bis es auf einmal klar wird, daB es ein Bewohner der hohern Welt gewesen sei. — Die Kaufleute erhielten eine

man

groBe

Menge

Bestellungen,

trennte sich gegenseitig mit herzlichen

und

Wun~

Auf einem dieser gegen Abend hinkamen, ging es frohlich zu. Der Herr des Schlosses war ein alter Kriegsmann, der die MuBe des Friedens und die schen, einander bald wiederzusehn. Schlosser,

wo

sie

Einsamkeit seines Aufenthalts mit oftern Gelagen

und unterbrach und auBer dem Kriegsgetiimmel und der Jagd keinen andern Zeitvertreib kannte als den gefxillten Becher.

feierte

Er empfing

die

Ankommenden mit

briiderlicher

larmenden Genossen. Die Mutter ward zur Hausfrau gefuhrt. Die Kaufleute

Herziichkeit, mitten unter

und Heinrich muBten sich an die lustige Tafel setzen, der Becher tapfer umherging. Heinrichen ward

wo

auf vieles Bitten in Riicksicht seiner Jugend das jedesmalige Bescheidtun erlassen, dagegen die Kauf-

den alten Frankenwein tapfer schmecken heBen. Das Gesprach

leute sich nicht faul fanden, sondern sich

lief liber

ehmalige Kriegsabenteuer hin. Heinrich

horte mit groBer Aufmerksamkeit den neuen Er-

zahlungen zu. Die Ritter sprachen vom Heiligen Lande, von den Wundern des Heiligen Grabes, von

den Abenteuern ihres Zuges und ihrer Seefahrt, von den Sarazenen, in deren Gewalt einige geraten gewesen waren, und dem frohlichen und wunderbaren Leben im Felde und im Lager. Sie auBerten mit groBer Lebhaftigkeit ihren Unwillen, jene himmlische Geburtsstatte der Christenheit noch im freveh haften Besitz der Unglaubigen zu wissen. Sie erhoben die groBen Helden, die sich eine ewige Krone durch ihr tapfres, unermiidliches Bezeigen gegen dieses ruchlose Volk erworben hatten. Der SchloBherr zeigte das kostbare Schwert, das er einem Anfiihrer derselben mit eigner

Hand abgenommen, nachdem

und seine Frau und Kinder zu Gefangenen gemacht, welches ihm er sein Kastell erobert, ihn getotet

der Kaiser in seinem hatte.

Wappen zu

fuhren vergonnet

AUe besahen das prachtige nahm es in seine Hand und

Heinrich

Schwert, auch fiihlte sich

einer kriegerischen Begeisterung ergriffen. es

Er

von

kiiBte

mit inbriinstiger Andacht. Die Ritter freuten sich Der Alte umarmte ihn und mun-

liber seinen Anteii.

auch seine Hand auf ewig der Befreiung des Heiligen Grabes zu widmen und das wunder-

terte ihn auf,

179

tMge Kreuz auf seine Schnltern befestigen za kssen. Er war uberrascht, und seine Hand schien sich nicht von dem Schwerte losmachen 2u konnen. „Besinne dich, mein Sohn'', tief der alte Ritter. „Ein neuer Krenzzug ist vor der Tiir. Der Kaiser selbst wird unsere Scharen in das Morgenland fiihren. Durch ganz Enropa schallt yon neuem der Ruf des Kreuzes, und heldenmutige Andacht regt sich allerorten. Wer weiB, ob wir nicht iibers Jahr in der groBen, weltherrlichen Stadt Jerusalem als frohe Sieger beiein-

ander sitzen

und uns

bei vaterlandischem

unsere Heimat erinnern.

Wein an

Du kannst auch bei mir ein

morgenlandisches Madchen sehn. Sie dunken uns

Abendlandern gar anmutig, und wenn du das Schwert gut zn fuhren verstehst, so kann es dir an schonen

Gefangenen nicht fehlen.^^ Die Ritter sangen mit Stimme den Kreuzgesang, der damals in ganz Europa gesungen wurde: lauter

Das Grab steht unter wilden Heiden; Das Grab, worin der Heiland lag, MuB Frevel und Verspottung leiden

Und wird Es

entheiligt jeden

klagt heraus mit

Wer

rettet

Tag.

dumpfer Stimme:

mich von diesem Grimme!

Wo bleiben seine Heldenjunger? Verschwunden

ist die

Christenheit!

Wer ist des Glaubens Wiederbringer? Wer nimmt das Kreuz in dieser Zeit? Wer bricht die schimpflichsten der Ketten Und wird das Heilge Grab erretten ?

Gewaltig geht auf Land und Meeren tiefer Nacht ein heilger Sturm; Die tragen Schlafer aufizustdren, Umbraust er Lager, Stadt und Turm, Ein Klaggeschrei um aUe Zinnen:

In

Auf, trage Christen, zieht von hinnen.

Es lassen Engel allerorten Mit ernstem Antlits; stumm sich sehn, Und Pilger sieht man vor den Pforten Mit kummervoUen Wangen stehn; Sie klagen mit den bangsten T5nen Die Grausamkeit der Sarazenen.

Morgen rot und trube Im weiten Land der Christen an. Der Schmerz der Wehmut und der Liebe Es

bricht ein

Verkiindet sich bei jedermann.

Ein

jedes greift

Und zieht

nach Kreuz und Schwerte von seinem Herde.

entflammt

Ein Feuereifer tobt im Heere, Das Grab des Heilands za befrein. Sie eilen frohlich

nach dem Meere,

Um bald auf heilgem Grund za sein. Auch Kinder kommen noch

Und mehren den

gelaufen

geweihten Haufen^

Hoch weht das Kreuz im Siegspaniere, Und alte Helden stehn voran. Des Paradieses selge Tiire Wird frommen Kriegem aufgetan;

Ein jeder

will das Glxick genieBen,

Sein Blut

fiir

Christus za vergieBen.

Zum Kampf, ihr Christen! Gottes Scharen Ziehn mit in das gelobte Land. Bald wird der Heiden Grimm erfahren Des Christengottes Schreckenshand. Wir waschen bald in frohem Mute Das heilige Grab mit Heidenblute. Die heilge Jungfrau schwebt, getragen Von Engeln, ob der wilden Schlacht, Wo jeder, den das Schwert geschlagen. In ihrem Mutterarm erwacht. Sie neigt sich mit verklarter

Herunter 2 u

dem

Wange

Waffenklange.

Hiniiber 2 u der heilgen Stattel

Des Grabes dumpfe Stimme tontl Bald wird mit Sieg und mit Gebete Die Schuld der Christenheit versohnt! Das Reich der Heiden wird sich enden, 1st erst das Grab in unsern Handen. Heinrichs gan^e Seele war in Aufruhr, das

kam ihm wie

Grab

eine bleiche, edle, jugendhche Gestalt

vor, die auf einem

groBen Stein mitten unter wildem

P5bel saBe und auf eine entsetzliche Weise gemiBhandelt wiirde, als

wenn

sie

mit kummervollem Ge-

sichte nach einem Kreuze blicke, das

im Hintergrunde

mit lichten Zxigen schimmerte und sich in den bewegten Wellen eines Meeres unendlich vervielfaltigte.

um ihn zu holen und der Hausfrau des Ritters vorzustellen. Die Seine Mutter schickte eben heriiber,

Ritter waren in ihr Gelag

und ihre Vorstellungen des bevorstehenden Zuges vertieft und bemerkten nicht, daB Heinrich sich entfernte. Er fand seine Mutter in traulichem Gesprach mit der alten, gutmutigen Frau des

Schlosses,

die ihn freundlich bewiilkommte.

Der Abend war heiter; die Sonne begann sich zu neigen, und Heinrich, der sich nach Einsamkeit sehnte und von der goidenen Feme gelockt wurde, die durch die engen, tiefen Bogenfenster in das diistre

Gemach

hineintrat, erhielt leicht die Erlaubnis, sich

Er

eilte

rege, er sah

von

auBerhalb des Schlosses besehen zu diirfen. ins Freie, sein ganzes Gerniit

der

Hohe

des alten Felsen zunachst in das waldige

Tal, durch das ein

Miihlen

war

trieb,

Bach

herunterstiirzte

deren Gerausch

und

man kaum

einige

aus der

gewaltigen Tiefe vernehmen konnte, und dann in eine unabsehliche

Feme von

Bergen, Waldern und

Niederungen, und seine innere Unruhe wurde be-

Das kriegerische Getiimmel verlor sich, und nur eine klare bilderreiche Sehnsucht zunick. Er fiihlte, daB ihm eine Laute mangelte, so wenig er auch wuBte, wie sie eigentHch gebaut sei und welche sanftigt.

es blieb

Wirkung

sie

hervorbringe.

Das

heitere Schauspiel

Abends wiegte ihn in sanfte PhantaBlume seines Herzens lieB sich zuweilen wie ein Wetterleuchten in ihm sehn. — Er schweifte durch das wilde Gebiisch und kletterte uber bedes herrlichen

sien: die

mooste

Felsenstiicke, als auf einmal aus einer

Tiefe ein zarter, lichen Stimme,

nahen

eindringender Gesang einer weib-

von wunderbaren Tonen

begleitet,

Es war ihm gewiB, daB es eine Laute sei; verwandemngsvoll stehen und horte in ge-

erwachte. er blieb

brocbener deutscher Aussprache folgendes Lied: Bricht das matte Herz

noch immer

Unter fremdem Himmel nicht?

Kommt

der HoflFnung bleicher

Schimmer

Immer mir noch zn Gesicht? Kann ich wohl noch Riickkehr wahnen ? Stromweis

stiirsien

mein Herz in

Bis

Konnt

Und

ich dir die

bricht.

Myrten zeigen

der Zeder dunkles Haar!

Fiihren dich

Der

meine Tranen,

Kummer

zum

frohen Reigen

geschwisterlichen Schar!

du im gestickten Kleide, Stok im kostlichen Geschmeide

Sahst

Deine Freundin, wie

sie

war.

Edle Junglinge verneigen Sich mit heiBem Blick vor ihr; Zartliche Gesange steigen Mit dem Abendstem zu mir.

Dem

Geliebten darf man trauen;

Ewge 1st

Lieb und Treu den Frauen

der

Manner Losung

hier.

wo um kristallne Quellen Liebend sich der Himmel legt Hier,

Und

mit heiBen Balsamwellen

Um den Hain OTsammenschlagt,

!

Der

in seinen Lustgebieten,

Unter Friichten, xinter Bliiten Tausend bunte Sanger hegt. Fern sind jene Jugendtraume

Abwtos Langst

Und

liegt das

Vaterland!

gefallt sind jene

Baume

das alte SchloB verbrannt,

Fiirchterlich,

wie Meereswogen

Kam ein rauhes Heer gezogen^ Und

das Paradies verschwand.

Fiirchterliche Gluten flossen

In die blaue Luft empor,

Und

es

drang auf stoken Rossen

Eine wilde Schar

ins Tor.

Sabel klirrten, unsre Briider,

Unser Vater kam nicht wieder, Und man riB uns wild bervor.

Meine Augen warden triibe; Femes, miitterliches Land, Achl sie bleiben dir voU Liebe

Und

voll Sehnsucht zugewandt!

Ware

nicht dies

Kind vorhanden,

Langst hatt ich des Lebens Banden Aufgeldst mit kxihner Hand. Heinrich horte das Schluchzen eines Kindes und Er stieg tiefer dutch das Ge-

eine trostende Stimme. biisch hi nab

und fand ein bleiches, abgeharmtes Madsitzen. Ein schones

chen unter einer alten Eiche

Kind hing 'weinend an ihrem Halse, auch ihre Ttanen und eine Laute lag neben ihr auf dem Rasen. Sie erschrak ein wenig, als sie den fremden Jnngling erblickte, der mit wehmiitigem Gesicht sich ihr naherte. „Ihr habt wohl meinen Gesang gehort?'' sagte sie freundlich. „Euer Gesicht diinkt mich bekannt, laBt mich besinnen. ~ Mein Gedachtnis ist schwach geworden, aber Euer Anblick erweckt in flossen,

mir eine sonderbare Erinnerung aus frohen Zeiten. O! mir ist, als glicht Ihr einem meiner Briider, der

noch vor unserm Ungliick von uns schied und nach Persien 2u einem beriihmten Dichter zog. Vielleicht lebt er noch und besingt traurig das Ungliick seiner Geschwister. WiiBt ich nur noch einige seiner herrlichen Lieder, die er uns hinterlieB!

Er war

edel

und

und kannte kein groBeres Gliick als seine Kind war ein Madchen von zehn bis 2wolf Jahren, das den fremden Jiingling aufmerksam betrachtete und sich fest an den Busen der ungliicklichen Zulima schmiegte. Heinrichs Herz war von Mitleid durchdrungen; er trostete die S^gerin mit freundlichen Worten und bat sie, ihm umstandlicher

zartlich

Laute/^ Das

ihre Geschichte

zn erzahlen. Sie schien es nicht un-

und von haufigen Tranen unterbrochne Erzahlung. Vor^iiglich hielt sie sich bei dem Lobe ihrer Landsleute und ihres Vaterlandes auf. Sie schilderte den Edelmut derselben und ihre reine, starke Empfanglichkeit fiir die Poesie des Lebens und die

gern za tun. Heinrich setzte sich ihr gegeniiber

vernahm

ihre

wunderbare, geheimnisvoUe

Anmut

der Natur. Sie

beschrieb die romantischen Schdnheiten der frucht-

baren arabischen Gegenden, die wie gliickliche In-

seln in

unwegsamen Sandwiisteneien lagen, wie ZuBedrmgten und Ruhebediirftigen,

fluchtsstatten der

wie Kolonien des Paradieses, voll frischer Quellen, die liber dichten Rasen und funkelnde Steine durch alte, ehrwiirdige Haine rieselten, voll bunter Vogel mit melodischen Kehlen und anziehend dutch mannigfaltige

ehemaliger denkwiirdiger

tJberbleibsel

Zeiten. „Iht wiirdet mit Verwunderung^^, sagte sie,

„die buntfarbigen, hellen, seltsamen Ziige

und Bilder

au£ den alten Steinplatten sehn. Sie scheinen so bekannt und nicht ohne Ursach so wohl erhalten zu sein,

ahnet

Man

sinnt

und

sinnt, einzelne

man und wird um

Bedeutungen

so begieriger, den tiefsin-

nigen Zusammenhang dieser uralten Schrift zu

er-

Det unbekannte Geist derselben erregt ein ungewohnliches Nachdenken, und wenn man auch ohne den gewiinschten Fund von dannen geht, so raten.

hat

man doch

tausend merkwiirdige Entdeckungen

in sich selbst gemacht, die

Glanz und

dem Gemiit

schaftigung geben.

dem Leben

einen neuen

eine lange, belohnende Be-

Das Leben auf einem

langst be-

wohnten und ehemals scbon durch FleiB, Tatigkeit und Neigung verherrlichten Boden hat einen besondern Reiz. Die Natur scheint dort menschlicher

und

verstandlicher geworden, eine dunkle Etinnerung unter der durchsichtigen Gegenwart wirft die Bilder der Welt mit scharfen Umrissen zuriick, und so genieBt man eine doppelte Welt, die eben dadurch das Schwere und Gewaltsame verliert und die zauberische Dichtung und Fabel unserer Sinne wird. Wer weiB, ob nicht auch ein unbegreiflicher EinfluB der ehemaligen, jetzt unsichtbaren Bewohner mit ins

kommt, und vielleicht ist es dieser dunkle Zug, Menschen aus neuen Gegenden, sobald eine gewisse Zeit ihres Erwachens kommt, mit so 5:erstorender Ungeduld nach der altenHeimat ihres Geschlechts treibt und sie Gut und Blut an den Beste dieser L^der zu wagen anregt/' Nach einer Pause fuhr sie fort: „Glaubt ja nicht, was man euch von spiel

der die

den Grausamkeiten meiner Landsleute erzahlt

hat.

Nirgends wurden Gefangene groBmutiger behandelt, und auch cure Pilger nach Jerusalem wurden mit Gastfreundschaft aufgenommen, nur daB sie selten derselben wert waren. Die meisten

waren

nichts-

Menschen, die ihre Wallfahrten mit Bnbenstucken beizeichneten und dadurch freilich oft gerechter Rache in die Hande fielen. Wie ruhig hatten die Christen das Heilige Grab besuchen konnen, ohne nutzige, bose

notig zn haben, einen fiirchterlichen, unnutzen Krieg

anzufangen, der verbreitet

alles

erbittert,

unendliches Elend

und auf immer das Morgenland von

Europa getrennt

hat.

Was

lag an

dem Namen

des

Besitzers? Unsere Fursten ehrten andachtsvoU das

Grab eures Heiligen, den auch wir fiir einen gottund wie schon hatte sein heiliges Grab die Wiege eines gliicklichen Einverstandnisses, der AnlaB ewiger wohltatiger Bxindnisse werden konnen Der Abend war unter ihren Gesprachen herbeigekommen. Es fing an Nacht zu werden, und der Mond hob sich aus dem feuchten Walde mit beruhigendem Glanze herauf. Sie stiegen langsam nach dem Schlosse; Heinrich war voll Gedanken, die kriegerische Begeisterung war g^lich verschwunlichen Propheten halten;

Er merkte

Verwirmng in der Welt; der Mond zeigte ihm das Bild eines tr5stenden Zuschauers und erhob ihn liber die Unebenheiten

den.

eine wunderliche

der Erdoberflache, die in der Hohe so unbetrachtlich

und unersteiglich sie auch dem Wanderer vorkamen. Zulima ging still neben ihm

erschienen, so wild

her und fuhrte das Kind. Heinrich trug die Laute. Er suchte die sinkende HoflBiung seiner Begleiterin, ihr Vaterland dereinst wiederzusehen, 2u beleben,

indem

er innerlich einen heftigen

Beruf

fuhlte, ihr

Better zu sein, ohne zu wissen, auf welche Art es

geschehen konne. Eine besondere Kraft schien in seinen einfachen Worten zu liegen, denn Zulima empfand eine ungewohnte Beruhigung und dankte

ihm

fiir

seine Zusprache auf die nihrendste Weise.

Die Ritter waren noch bei ihren Bechern und die Mutter in hauslichen Gesprachen. Heinrich hatte keine Lust, in den larmenden Saal zuriickzugehn. Er fiihlte sich miide und begab sich bald mit seiner Mutter in das angewiesene Schlafgemach. Er erzahlte vor dem Schlafengehn, was ihm begegnet sei,

ihr

imd schlief bald zu unterhaltenden Traumen ein. Die Kaufleute hatten sich auch zeitig fortbegeben und waren friih wieder munter. Die Ritter lagen in tiefer Ruhe, als sie abreisten; die Hausfrau aber nahm zartlichen Abschied. Zulima hatte wenig geschkfen, eine innere Freude hatte sie wach erhalten; sie erschien beim Abschiede und bediente die Reisenden demutig und emsig. Als sie Abschied nahmen, brachte sie mit vielen Tranen ihre Laute zu Heinrich und bat ihn mit riihrender Stimme, sie zu Zulimas Andenken mitzunehmen. „Es war meines Bmders Laute^^, sagte 189

sic,

„der

sie

mir beim Abschied schenkte; es

ist

das

einzige Besitztum, das ich gerettet babe. Sie schien

und Ihr laBt mir ein urn Geschenk zuriick, siiBe HofFnung. Nehmt dieses geriage Zeichen meiner Dankbarkeit und laBt es ein Pfand Eures Andenkens an die arme Zulima sein. Wir werden uns gewiB wiedersehn, und dann gestern zu gefallen,

Euch

schatzbares

bin ich vielleicht glucklicher.“ Heinrich weinte; er

weigerte sich, diese ihr so unentbehrliche Laute an-* zunehmen: „Gebt mir"", sagte er, „das goldene Band mit den unbekannten Buchstaben aus Euren Haaren, wenn es nicht ein Andenken Eurer Eltern oder Geschwister ist, und nehmt dagegen einen Schleier an,

den mir meine Mutter gern abtreten wird."" Sie wich

Zureden und gab ihm das Band, „Es ist mein Name in den BuchMuttersprache, den ich in bessern meiner staben endlich seinem

indem

sie sagte:

Zeiten selbst in dieses Band gestickt habe.Betrachtet es

gern und denkt, daB es eine lange, kummervolle

Zeit meine

Haare festgehalten hat und mit seiner ist."" Heinrichs Mutter zog den

Besitzerin verbleicht

und reichte ihr ihn hin, indem zog und weinend umarmte.

Schleier heraus

an sich

sie sie

Fiinftes Kapitel

Nach

einigen Tagereisen

am FuBe

kamen

einiger spitzen Hugel,

sie

an ein Dorf

von tiefen Gegend war

die

Schluchten unterbrochen waren. Die

und angenehm, ohngeachtet die Ansehn Das Wirtshaus war reinlich, die Leute bereit-

ubrigens fruchtbar

Riicken der Hiigel ein totes, abschreckendes hatten.

IQO

willig, teils

und

eine

Menge Menschen,

teils

Reisende,

bloBe Trinkgaste, saBen in der Stube und unter-

von allerhand Dingen. Unsre Reisenden gesellten sich zn ihnen und naischten sich in die Gesprache. Die Aufmerksam-

hielten sich

keit der Gesellschaft

Mann

war vor2ugIich auf einen alten fremder Tracht an einem

gerichtet, der in

Tische saB und freundlich die neugierigen Fragen beantwortete, die an ihn geschahen.

Er kam aus

fremden Landen, hatte sich heute friih die Gegend umher genau betrachtet und er2ahlte nun von seinem Gewerbe und seinen heutigen Entdeckungen. Die Leute nannten ihn einen Schat2graber, Er sprach aber sehr bescheiden von seinen Kenntnissen und seiner Macht, doch trugen seine Erzahlungen das Geprage der Seltsamkeit und Neuheit, Er erzahlte, daB er aus Bdhmen gebiirtig sei. Von Jugend auf habe er eine heftige Neugierde gehabt 2u wissen, was in den Bergen verborgen sein miisse, wo das Wasser in den Quellen herkomme und wo das Gold und Silber und die kostHchen Steine gefunden warden, die den Menschen so unwiderstehlich an sich 25gen. Er habe in der nahen Klosterkirche oft diese festen Lichter an den Bildern und Reliquieq betrachtet und nur gewiinscht, daB sie 2u ihm reden konnten, um ihm von ihrer geheimnisvollen Herkunft 2U er2ahlen. Er habe wohl zuweilen gehort, daB sie aus weit entlegenen Landern kamen; doch habe er immer gedacht, warum es nicht auch in diesen Gegenden solche Schat2e und Kleinodien geben konne. Die Berge seien doch nicht umsonst so weit im Umfange und erhaben und so fest ver-

wahrt; auch habe es ihn gediinkt, wie weilen auf den Gebirgen glanzende

wenn er zuund flimmernde

Er sei fleiBig in den Felsenund Hohlen umhergeklettert und habe sich

Steine gefunden hatte. ritzen

mit unaussprechlichem Vergniigen in diesen uralten Hallen und Gewolben umgesehn. — Endlich sei ihm

ihm Bergmann werden, da konne er

einmal ein Reisender begegnet, der zu

gesagt,

er miisse ein

die Be-

Bohmen gabe Bergwerke. Er soUe nur immer an dem Flusse hinuntergehn, nach zehn bis zwolf Tagen werde er in Eula sein, und dort diirfe er nur sprechen, daB er

friedigung seiner Neugier finden. In es

gern ein Bergmann werden wolle. Er habe sich dies nicht zweimal sagen lassen und sich gleich den andern Tag auf den Weg gemacht. „Nach einem beschwerlichen Gauge von mehreren Tagen”, fuhr er fort,

„kam ich nach Eula. Ich kann euch nicht sagen, wie herrlich mir zumute ward, als ich von einem Hiigel die Haufen von Steinen erblickte, die mit griinen Gebuschen durchwachsen waren, auf denen bretterne Hiitten standen, und als ich aus dem Tal unten die Rauchwolken iiber den Wald heraufziehn sah, Ein femes Getdse vermehrte meine Erwartungen, und mit unglaublicher Neugierde und voil stiller Andacht stand ich bald auf einem solchen Haufen, den man Halde nennt, vor den dunklen Tiefen, die im Innern der Hiitten steil in den Berg hineinfiihrten. Ich eilte nach dem Tale und begegnete bald einigen schwarzgekleideten Mannem mit Lampen, die ich nicht mit Unrecht fur Bergleute

hielt

und mit

schiichterner

mein Anliegen vortrug. Sie horten mich freundlich an und sagten mir, daB ich Angstlichkeit ihnen

nur hinunter nach den Schmelzhutten gehn und nach dem Steiger fragen soUte, welcher den Anfxihrer und Meister unter ihnen vorstellt; dieser werde mir Bescheid geben, ob ich angenommen werden 5 ge. Sie meinten, daB ich meinen Wunsch wohl erreichen wurde, und lehrten mich den iiblichen GruB ,Gluck zvl£\ womit ich den Steiger anreden soUte. Voll frohlicher Erwartungen setzte ich meinen Weg fort und konnte nicht aufhoren, den neuen bedeutungSTollen GruB mir best^dig za wiederholen. Ich fand einen alten, ehrwiirdigen Mann, der mich mit vieler Freundlichkeit empfibig und, nachdem ich ihm meine Geschichte er2ahlt und ihm meine groBe Lust, seine seltne, geheimnisvoUe Kunst za erlernen, bezeugt hatte, bereitwillig versprach, mir meinen Wunsch 2u gewahren. Ich schien ihm 2u gefallen, und er behielt mich in seinem Hause. Den Augenblick konnte ich kaum erwarten, wo ich in die Grube fahren und mich in der rei2enden Tracht sehn wiirde. Noch denselben Abend brachte er mir ein Grubenkleid und erklarte mir den Gebrauch einiger Werk2 euge, die in einer Kammer aufbewahrt waren. Abends kamen Bergleute 2u ihm, und ich verfehite

m

kein Wort von ihren Gesprachen, so unverstandlich und fremd mir sowohl die Sprache als der groBte Teil des Inhaits ihrer Er2ahlxmgen vorkam. Das wenige jedoch, was ich 2u begreifen glaubte, erhohte die Lebhafidgkeit meiner Neugierde und beschaftigte

mich des Nachts in seltsamen Traumen. Ich erwachte bei2eiten und fand mich bei meinem neuen Wirte ein, bei

dem sich allroahlich die Bergleute versammelten,

um seine Verordnungen 2u vernehmen. Eine Neben-

stube war zu einer kleinen Kapelle vorgerichtet. Ein Monch erscMen und las cine Messe, nachher sprach

worin er den Himmel anrief, Obhut zn nehmen, sie zn unterstiiteen, vor Arbeiten gefahrlichen bei ihren Anfechtungen und Tiicken boser Geister sie zu schiltzcn und ihnen reiche Anbriiche zn bescheren. er ein feierliches Gebet,

die Bergleute in seine beilige

Ich hatte nie mit

mehr Inbrunst gebetet und

nie die

hobe Bedeutung der Messe lebhafter empfunden. Meine kiinftigen Genossen kamen mir wie unterirdische Helden vor, die tausend Gefahren zn uberwinden batten, aber aucb ein beneidenswertes Gliick an ibren wunderbaren Kenntnissen besaBen und in dem ernsten, stillen Umgange mit den uralten Felsen-

s5bnen der Natur, in ibren dunkeln, wunderbaren

Kammern zum Empfangnis bimmliscber Gaben und zur freudigen Erbebung iiber die Welt drangnisse ausgeriistet wiirden.

Der

und

ihre Be-

Steiger gab mir

Lampe und ein und ging mit mir nacb

nacb geendigtem Gottesdienst eine kleines holzernes Krxizifix

dem

Scbacbte, wie wir die scbroifen Eingange in die

Gebaude zu nennen pflegen. Er lebrte micb die Art des Hinabsteigens, machte micb mit den notwendigen VorsicbtsmaBregeln sowie mit den Namen der mannigfaltigen Gegenstande und Teile

unterirdiscben

Er fuhr voraus und den Balken binunter, indem

bekannt.

Hand an einem Seil

festbielt,

scburrte auf

spiel,

Lampe

run-

er sich mit der einen

das in einem Knoten an

einer Seitenstange fortglitscbte,

die brennende

dem

und mit der andern

trug; ich folgte seinem Bei-

und wir gelangten so mit ziemhcher Scbnelle war seltsam

bald in eine betracbtliche Tiefe, Mir

feierlich 2:umute,

und das vordere Licht fiinkelte wie den Weg za den ver-

ein gliicklicher Stern, der mir

borgenen Schatzkammern der Natur zeigte. Wir kamen unten in einen Irrgarten von Gangen, nnd

mein freundlicher Meister ward nicht miide, meine neugierigen Fragen zn beantworten und mich iiber seine Kunst zu unterrichten. Das Rauschen des Wassers, die Entfernung von der bewohnten Oberflache, die Dunkelheit und Verschlungenheit der Gange und das entfernte Gerausch der arbeitenden Bergleute

mich ungemein, und ich fiihlte nun mit Freuden mich im voUen Besitz dessen, was von jeher mein sehnlichster Wunsch gewesen war. Es laBt sich auch diese voile Befriedigung eines angebornen Wunsches, diese wundersame Freude an Dingen, die ein naheres Verhaltnis zu unserm geheimen Dasein haben mogen, 2u Beschaftigungen, fiir die man von der Wiege an bestimmt und ausgerxistet ist, nicht erklaren und beschreiben. Vielleicht, daB sie jedem andern gemein, unbedeutend und abschreckend vorgekommen waren; aber mir schienen sie so unentbehrlich 2u sein wie die Luft der Brust und die Speise dem Magen. Mein alter Meister freute sich iiber meine innige Lust und verhieB mir, daB ich bei diesem FleiBe und dieser Aufmerksamkeit es weit bringen und ein tiichtiger Bergmann werden wiirde. Mit welcher Andacht sah ich zum erstenmal in meinem Leben am sechzehnten Mirz vor nunmehr fiinfundvierzig Jahren den Konig der Metalle in 2arten Blattchen 2 wischen den Spalten des Gesteins Es kam mir vor, als sei er hier wie in festen Gefangnissen ergot^zte

!

eingesperrt

und

glan2 e freundlich

dem Bergmann

entgcgen, der mit so viel Gefahren keiten sich den

gebrochen,

und

Miihselig-

Weg zn ihm durch die starken Mauern

nm

ihn an das Licht des Tages zu for-

dem, damit er an koniglichen Kronen und Gef^en und an heiligen Reliquien zu Ehren gelangen und in geachteten und wohlverwahrten Miinzen, mit Bildnissen geziert, die Welt beherrschen und leiten moge. Von der Zeit an blieb ich in Eula und stieg allmahlich bis

zum

mann ist,

Hauer, welches der eigentliche Berg-

der die Arbeiten auf dem Gestein betreibt,

nachdem ich anfanglich bei der Ausforderung der losgehauenen Stufen in Korben angestellt gewesen war.“

Der

alte

Bergmann ruhte

ein

wenig von

seiner

Erzahlung aus und trank, indem ihm seine aufmerk-

samen Zuhorer ein frohliches ,Gluck auf ten.

zubrach-

Heinrichen erfreuten die Reden des alten Mannes

ungemein, und er war sehr geneigt, noch mehr von

thm zu horen. Die Zuhorer unterhielten sich von den Gefahren und Seltsamkeiten des Bergbaus und erzahlten wunderbare Sagen, iiber die der Alte oft lachelte und freundlich ihre sonderbaren Vorstellungen zn berichtigen bemiiht war.

Nach einer Weile sagte Heinrich: „Ihr mogt seitdem viel seltsame Dinge gesehn und erfahren haben; hoffentlich hat Euch nie Eure gew^te Lebensart gereut? Wart Ihr nicht so gef^g und erz^tet uns, wie es Euch seitdem ergangen und auf welcher Reise Ihr jetzt begriffen seid?

Euch

Es

scheint, als hattet Ihr

weiter in der Welt umgesehn,

ich vermuten, daB Ihr jetzt

mehr

als

und gewiB darf einen gemeinen

Bergmann vor stellt/'

~ „Es ist mir selber lieb'^, sagte

der Alte, „mich der verflossenen Zeitea

zu.

erinnem,

in denen ich Anlfcse finde,

mich der gottlichen Barmher2;igkeit mid Giite zn erfreun. Das Geschick hat mich dutch ein frohes und heitres Leben gefiihrt, und es ist kein Tag voriibergegangen, an welchem ich mich nicht mit.dankbarem Herzen znt Ruhe gelegt hatte, Ich bin immer gliicklich in meinen Verrichtungen gewesen, und unset

allet

Vatet

im Him-

mel hat mich vor dem Bosen behiitet und in Ehren gtau werden lassen. Nachst ihm habe ich alles meinem alten Meistet zu vetdanken, der nun lange zu seinen Vatem versammelt ist und an den ich nie ohne Ttanen denken kann. Er war ein Mann aus der alten Zeit, nach dem Her2en Gottes. Mit tiefen Einsichten war er begabt und doch kindhch und demiitig in seinem Tun. Dutch ihn ist das Bergwerk in groBen Plot gekommen und hat dem Herzoge von Bohmen 2u ungeheuren Schatzen verholfen. Die ganze Gegend ist dadurch bevolkert und wohlhabend mid ein bliihendes Land geworden. Alle Bergleute verehrten ihren Vater in ihm, und solange Eula steht, wird auch sein Name mit Riihrung und Dankbarkeit genannt werden. Er war seiner Geburt nach ein Lausitzer und hieB Werner. Seine einzige Tochter war noch ein Kind, wie ich zu ihm ins Haus kam. Meine Emsigkeit, meine Treue und meine leidenschaftliche Anhmglichkeit an ihn gewannen mir seine Liebe mit jedem Tage mehr. Er gab mir seinen Namen und machte mich zu seinem Sohne. Das Heine Madchen ward nachgerade ein wackres, muntres Geschopf, dessen Gesicht so freundlich glatt und weiB war wie

Der Alte sagte mir oft, wenn er sah, daB mir zugetan war, daB ich gern mit ihr schakerte und kein Auge von den ihrigen verwandte, die so sein Gemiit.

sie

blau

und

oflFen

wie der Himmel waren und wie die

gluten: wenn

Kristalle

ich^ein rechtlicher Berg-

mann werden wiirde, wolle er sie mir nicht versagen; und er hielt Wort. — Den Tag, wie ich Hauer wurde, legte er seine H^de auf uns und segnete uns als Braut und Brautigam ein, und wenig Wochen darauf fiihrte ich sie als meine Frau auf meine Kammer. Denselben Tag hieb ich in der Friihschicht noch als Lehrhauer, eben wie die Sonne oben aufging, eine reiche

Ader

an.

Der Herzog

schickte mir eine

gob

dene Kette mit seinem Bildnis auf einer groBen Miinze und versprach mir den Dienst meines Schwiegervaters.

Wie gliicklich war ich, als ich sie am Hoch-

um

den Hals hangen konnte Unser alter Vater erlebte noch einige muntre Enkel, und die Anbriiche seines Herbstes waren reicher, als er gedacht hatte. Er konnte mit Freudigkeit seine Schicht zeittage

und

meiner Braut

aller

Augen auf sie

beschlieBen fahren,

und

um in

gerichtet waren!

aus der dunkeln

Grube dieser Welt und den groBen

Frieden auszuruhen

Lohntag zu erwarten.^^ „Herr"‘, sagte der Alte, indem er sich zu Heinrichen

wandte und einige Tranen aus den Augen trocknete, „der Bergbau muB von Gott gesegnet werden! Denn es gibt keine

und

Kunst, die thre Teilhaber gliicklicher

mehr den Glauben an eine und Fiigung erweckte und die

edler machte, die

hinunlische Weisheit

Unschuld und ICmdlichkeit des Herzens reiner erhielte als der Bergbau. Arm wird der Bergmann

!

geboren, und arm gehet er wieder dahin. Er begtiiigt sich,

zu wissen,

wo

den werden, und

die metallischen

sie

Machte gefun-

zutage zu fordern; aber ihr

blendender Glanz vermag nichts fiber sein lautres

von gefahrlichem Wahnsinn, mehr fiber ihre wunderlichen Bildungen und die Seltsamkeiten ihrer Herkunft und ihrer Wohnungen als fiber ihren alles verheiBenden Besitz. Sie haben ffir ihn keinen Reiz mehr, wenn sie Waren geworden sind, und er sucht sie lieber unter tausend Gefahren und Mfihseligkeiten in den Festen der Erde, als daB er ihrem Rufe in die Welt folgen und Herz. Unentzundet freut er sich

auf der Oberflache des Bodens durch tauschende,

nach ihnen trachten sollte. Jene Mfihseligkeiten erhalten sein Herz frisch und seinen Sinn wacker; er genieBt seinen karglichen Lohn mit inniglichem Danke und steigt jeden Tag mit verjfingter Lebensfreude aus den dunkeln Grfiften seines Berufs. Nur er kennt die Reize des Lichts und der Ruhe, die Wohltatigkeit der freien Luft und Aussicht um sich her; nur ihm schmeckt Trank und Speise recht erquicklich und andachtig wie der Leib des Herrn; und mit welchem liebevollen und empfanglichen Gemfit tritt er nicht unter seinesgleichen oder herzt seine Frau und Kinder und ergdtzt sich dankbar an der schonen Gabe des traulichen Gesprachs

hinterlistige Kfinste

Sein einsames Geschaft sondert ihn

vom Tage und

dem Umgange mit Menschen einen groBen Teil seines Lebens ab. Er gewohnt sich nicht zu einer stumpfen Gleichgfiltigkeit gegen diese fiberirdischen tiefsinnigen Dinge und behalt die kindliche Stimmung, in der ihm alles mit seinem eigentfimlichsten Geiste und 199

in seiner urspriinglichen scheint. sits;

Die Natur

bunten Wxxnderbarkeit

eines einzigen sein. AIs

sie sich

er-

will nicht der ausschlieBliche Be-

Eigentum verwandelt

in ein boses Gift, das die

Ruhe verscheucht

und die verderbliche Lust, alles in diesen Kreis des Besitsiers

zn ziehn, mit einem Gefoige von unend-

licben Sorgen und wilden Leidenschaften herbeilockt.

So untergrabt tiimers

Abgmnd, ihre

sie

heimlich den

um

Grund

des Eigen-

den einbrechenden aus Hand in Hand zn gehen und so

und begrabt ihn bald

in

Neigung, alien anzugehoren, aUmahlich zu be-

friedigen.

Wie ruhig arbeitet dagegen der arme, geniigsame Bergmann in seinen tiefen Einoden, entfernt von dem unruhigen Tumult des Tages und einzig von WiJBbegier und Liebe zur Eintracht beseelt! Er gedenkt in seiner Einsamkeit mit inniger Herzlichkeit seiner

Genossen und seiner Familie und

erneuert die

fiihlt

immer

Unentbehriichkeit und

gegenseitige

Blutsverwandtscbaft der Menschen. Sein Beruf lehrt

und laBt nicht zu, daB sich Aufmerksamkeit in unniitze Gedanken zerstreue. Er hat mit einer wunderlichen harten und unbiegsamen Macht zu tun, die nur dutch hart-

ihn unermudliche Geduld seine

nacfcigen FleiB und bestandige Wachsamkeit zu liberwinden ist. Aber welches kdstliche Gewachs bliiht ihm auch in diesen schauerlichen Tiefen, das wahrhafte Vertrauen zu seinem himmlischen Vater, dessen

Hand und Vorsorge ihm

alle

Tage

in unverkenn-

Wie unzahligemal habe ich nicht vor Ort gesessen und bei dem Schein meiner Lampe das schlichte Kruzifix nait der inrdgsten Anbaren Zeichen sichtbar wird.

200

Da babe ich erst den heiligen

dacht betrachtet!

dieses ratselhaften Bildnisses recht gefaBt

edelsten

Gang meines Herzens

eine ewige Ausbeute

erschiirft,

der mir

gew^t hat/^

Der Alte fuhr nach „Wahrhaftig, das

Sinn

nnd den

muB

nnd

einer Weile fort ein gottlicher

sagte:

Mann gewesen

sein, der den Menschen zuerst die edle Knnst des Bergbaus gelehrt nnd in dem SchoBe der Felsen

Lebens verHier ist der Gang machtig nnd gebrech,

dieses ernste Sinnbild des menschlichen

borgen

hat.

aber arm, dort driickt ihn der Felsen in eine armselige,

unbedeutende

Kluift

znsammen, nnd gerade

hier brechen die edelsten Geschicke ein.

Andre

Gange verunedlen ihn, bis sich ein verwandter Gang ihm schart nnd seinen Wert nnend-

freundlich mit lich erhoht.

mann l^t

dem

Oft zerschlagt er sich vor

Berg-

in tansend Triimmern: aber der Geduldige

sich nicht schrecken, er verfolgt

Weg nnd

bald wieder in ansrichtet.

mhig

seinen

indem er ihn nener Machtigkeit nnd Hoflichkeit

sieht seinen Eifer belohnt,

Oft lockt ihn ein betnigliches

Tmm aus

der wahren Eichtnng; aber bald erkennt er den

schen

Weg nnd

bricht mit

Gewalt querfeldein,

fal-

bis

den wahren erzfiihrenden Gang wiedergeftinden hat. Wie bekannt wird hier nicht der Bergmann mit alien Lannen des Znfalls, wie sicher aber anch, daB er

Eifer

nnd

Bestandigkeit die einzigen nntruglichen

Mittel sind, sie zn bemeistern

nnd

die

von ihnen

hartnackig verteidigten Schatze zn heben.*'

„Es fehlt Ench gewiB nicht'", sagte Heinrich, „an ermunternden Liedern. Ich soUte meinen, daB Ench Ener Bemf unwillknrlich zn Gesangen begeistern nnd 201

die

Musik

leute sein

eine

willkommene Begleiterin der Berg-

muBte/‘

wahr gesprochen'^, erwiderte der „Gesang xind Zitherspiel gehort zum Leben des Bergmanns, und kein Stand kann mit mehr Ver,yDa habt Ihr

Alte;*

gnxigen die Reize derselben genieBen

als

der unsrige.

Musik und Tanz sind eigentliche Freuden des Bergmanns; sie sind wie ein frohliches Gebet, und die Erinnerungen und HofFnungen desselben helfen die

muhsame Arbeit

erleichtern

und

die lange Einsam-

keit yerkiirzen. ,

Wenn

es

Euch

gefallt,

so will icb

Euch

gleich

einen Gesang zum besten geben, der fleiBig in meiner

Jugend gesungen wurde:

Der

Wer Und

ist

der Herr der Erde,

ihre Tiefen miBt jeglicher

Beschwerde

In ihrem SchoB vergiBt.

Wer ihrer

Felsenglieder

Geheimen Bau versteht

Und unverdrossen nieder Zu ihrer Werkstatt geht. Er

ist

mit ihr verbiindet

Und inniglich vertraut Und wird von ihr entziindet, Als war

Er

sie seine Braut.

Tage Mit neuer Liebe zu 20Z

sieht ihr alle

Und

scheut nicht FleiB

Sie laBt

und Plage

ihm keine Ruh.

Die machtigen Geschichten

Der

langst verfloBnen Zeit

ihm zn berichten Mit Freimdlichkeit bereit.

1st sie

Der Vorwelt

heilge Liifte

Umwehn sein Angesicht, Und in die Nacht der Kliifte Strahlt

ihm

ein ewges Licht.

Er trifFt auf alien Wegen Ein wohlbekanntes Land,

Und gern kommt sie entgegen Den Werken seiner Hand. Ihm

folgen die Gewasser

Hiilfreich

den Berg hinanf,

Und alle Felsenschlosser Tun ihre Schat2 ihm au£ Er

fiihrt

des Goldes Strome

In seines Kdnigs Haus

Und

schmiickt die

Mit edlen Steinen

Zwar

Diademe aus.

reicht er treu

dem Konig

Den gliickbegabten Arm, Doch fragt er nach ihm wenig

Und

bleibt mit

Freuden arm.

mogea sich erwiirgen Am FuB um Gut und Geld, Sie

Er bleibt auf den Geblirgen Der frohe Herr der Welt/^ Heinrichen

gefiel das

Lied ungemein, und er bat

den Alten, ihm noch eins mitzuteilen. Der Alte war auch gleich bereit und sagte: „Ich weiB gleich noch ein Wunderliches Lied, von dem wir selbst nicht wissen,

wo

es

Es brachte weit herkam

her

ist.

es ein reisender

und

Bergmann

ein sonderlicher

Das Lied fand groBen

Beifall,

mit, der

Rutenganger war.

weil es so seltsam

und unverstandlich wie die Musik selbst, aber eben datum auch so unbegreiflich anzog und im wachenden Zustande wie ein Traum klang, beinah so dunkel

unterhielt,

Ich kenne

wo

ein festes SchloB,

Ein stiller Konig wohnt darinnen Mit einem wunderlichen TroB;

Doch

steigt er nie

Verborgen

ist

sein

auf seine Zinnen.

Lustgemach,

Und unsichtbare Wachter lauschen; Nur wohlbekannte Quellen rauschen Zu ihm herab vom bunten Dach. Was ihre hellen Augen sahn In der Gestirne weiten SHen, Das sagen sie ihm treulich an Und konnen sich nicht satt erzahlen. Er badet sich in ihrer Flut, 104

Wascht sauber seine marten Glieder,

Und

seine Strahlen blinken wider

Aus

seiner Mutter

weiBem

Blut.

ScHoB

ist alt und wunderbar, Es sank herab aus tiefen Meeren, Stand fest und steht noch immerdar.

Sein

Die Flucht 2um Himmel 2u verwehren.

Von

innen schlingt ein heimlich Band

Sich

um des

Reiches Untertanen,

Und Wolken wehn wie

Siegesfahnen

Herunter von der Felsenwand,

Ein unermeBliches Geschlecht

Umgibt

die festverschloBnen Pforten,

den treuen Knecht Und ruft den Herrn roit siiBen Worten. Sie fuhlen sich durch ihn begliickt Und ahnden nicht, daB sie gefangen; Berauscht von tnighchem Verlangen, WeiB keiner, wo der Schuh ihn driickt. Ein jeder

spielt

Nur wenige sind schlau und wach Und diirsten nicht nach seinen Gaben; Sie trachten unablassig nach.

Das alte SchloB zu untergraben. Der Heimlichkeit urmachtgea Bann

Kann nur

die

Hand

der Einsicht losen;

Gelingts, das Innre zu entbloBen,

So bricht der Tag der

Freiheit an.

Dem FleiB ist keine Wand m fest, Dem Mut kein Abgmnd un^zuganglich; Wer

sich auf

Herz und Hand

verlaBt,

Spxirt nach dem Konig unbedenklich. Aus seinen Kammern holt er ihn,

Vertfeibt die Geister dutch die Geister^

Macht

Und Je

sich der wilden Fluten Meister

heiBt sie selbst heraus sich 2:iehn.

mehr

er

Und wild

nun zum Vorschein kommt

uniher sich treibt auf Erden:

mehr wird seine Macht gedammt, Je mehr die Zahl der Freien werden. Am Ende wird, von Banden los, Das Meer die leere Burg durchdringen Je

Und

tragt auf w'eichen griinen

Schwingen

Zuriick uns in der Heimat SchoB/^

Es

diinkte Heinrichen, wie der Alte geendigt

habe er das Lied schon irgendwo gehort. Er lieB es sich wiederholen und schrieb es sich auf. I Der Alte ging nachher hinaus, und die Kaufleute sprachen unterdessen mit den andern Gasten liber

hatte, als

,

die Vorteile des Bergbaues

und

seine Miihselig-

ist gewiB nicht umEr ist heute zwischen den Hiigeln umhergeklettert und hat gewiB gute Anzeichen gefunden. Wit wollen ihn doch fragen, wenn er wieder hereinkommt."'' ~ „ WiBt ihr wohl"*, sagte ein andrer, „daB wit ihn bitten konnten, eine Quelle fur unser Dorf 2u suchen? Das Wasser ist weit, und ein guter Brunnen ware uns sehr willkommen.^^ — „Mir fallt

keiten.

Einer sagte: „Der Alte

sonst Her.

ein% sagte ein

dritter,

„daB ich ihn fragen mochte,

von meinen Sohnen mit sich nehmen will, der mir schon das ganze Haus voll Steine getragen bat. Der Junge wird gewiB ein tiicbtiger ob

er einen

Bergmann,

xind der Alte scheint ein guter

Mann zn

sein, der wird schon was Rechtes aus ihm ziehn."^*^ Die Kaufleute redeten, ob sie vielleicht durch den Bergmann einen vorteilhaften Verkehr mit Bohmen anspinnen und Metalle daher zu guten Preisen er-

halten mochten.

Der Alte trat wieder in die Stube, und alle wiinschten seine Bekanntschaft zu benutzen. Er fing an und sagte: „Wie dumpf und angstlich ist es doch bier in der engen Stube! Der Mond stebt drauBen in voller Herrlichkeit, und ich hatte groBe Lust, noch einen Spaziergang zu macben. Ich babe heute bei Tage einige merkwiirdige Hohlen bier in der Nahe ge~ sehn. Vielleicbt entschlieBen sich einige mitzugehn;

und wenn wir nur Licht mitnehmen, so werden wir ohne Schwierigkeiten uns darin umsehn konnen.'^ Den Leuten aus dem Dorfe waren diese Hdhlen schon bekannt, aber

bis jetzt hatte keiner

gewagt

hineinzusteigen; vielmehr trugen sie sich mit fiirch-

von Drachen und andern Untieren, die darin hausen sollten. Einige woUten sie selbst gesehn haben und behaupteten, daB man Knochen an ihrem Eingange von geraubten und verzehrten Menschen und Tieren fande. Einige andre vermeinterlichen Sagen

ten,

daB ein Geist dieselben bewohne, wie

einigemal aus der

Feme

Gestalt gesehn, auch zur Nachtzeit fiber gehort

sie

denn

eine seltsame menschliche

haben wollten.

Ges^ge da

her-

Der Alte schien ihnen keinen groBen Glauben beizumessen und versicberte lachead, daB sie unter dem Schutze eines Bergmarms getrost mitgehn kdnnten, indem

die

Ungeheuer

sich

vor ihm scheuen miiBten,

ein singender Geist aber gewiB ein wohltatiges

Die Neugier machte

Wesen

genug, auf seinen Votschlag einzugehn auch Heinrich wunschte sei.

viele behersit ;

ihn zu begleiten, und seine Mutter gab endlich auf das Zureden

und Versprechen des

Alten, genaue

Acht auf Heinrichs Sicherheit zu haben, seinen Bitten nach. Die Kaufieute waren ebenso entschlossen. Es wurden lange Kienspane zu Fackeln zusammengeholt; ein Teil der Gesellschaft versah sich noch zum llberfluB mit Leitern, Stangen, Stricken

und

aller-

hand Verteidigungswerkzeugen, und so begann endlich die Wallfahrt nach den nahen Hiigeln. Der Alte ging mit Heinrich und den Kaufleuten voran. Jener Bauer hatte seinen wiBbegierigen Sohn herbeigeholt, der roller Freude sich einer Fackel bemachtigte und den Weg zu den Hohlen zeigte. Der Abend war heiter und warm. Der Mond stand in mildem Glanze liber den Hiigeln und lieB wunderliche Traume in alien Kreaturen aufsteigen. Selbst wie ein Traum der Sonne, lag er iiber der in sich gekehrten Traumwelt und fiihrte die in unzahlige Grenzen geteilte Natur in jene fabelhafte Urzeit zuriick, wo jeder Keim noch fiir sich schlummerte und einsam und unberiihrt sich vergeblich sehnte, die dunkle Fiille seines

unermeBHchen Daseins zu

entfalten.

In Hein-

Gemiit spiegelte sich das Marchen des Abends. Es war ihm, als ruhte die Welt aufgeschlossen in

richs

ihm und zeigte ihm, wie einem Gastfreunde, alle ihre

ScMtze und verborgenen

Liebiichkeiten.

die groBe einfache Efscheinung

Dm diinkte

um ihn so verstand-

Die Natur schien ihm nur deswegen so unbeNachste und Traulichste mit einer solchen Verschwendung von mannigfachen Ausdriicken um den Menschen her tiirmte. Die Worte des Alten hatten eine versteckte Tapetentiir in ihm geoffnet. Er sah ein Heines Wohnzimmer dicht an ein erhabenes Munster gebaut, aus dessen steinernem Boden die ernste Vorwelt emporstieg, wahrend von der Kuppel die klare, frohliche Zu~ kunft in goldnen Engelskindern ihr singend ent~ gegenschwebte. Gewaltige Klange bebten in den silbernen Gesang, und zu. den weiten Toren traten alle Kreaturen herein, von denen jede ihre innere Natur in einer einfachen Bitte und in einer eigentiimlichen Mundart vernehmlich aussprach. Wie wunderte er sich, daB ihm diese Hare, seinem Dasein schon unentbehrliche Ansicht so lange fremd ge-

lich.

greiflich, weil sie das

blieben war!

Nun

iibersah er auf einmal alle seine

Verhaltnisse mit der weiten Welt

um ihn her, fiihlte,

sie ihm werden und die Vorstellungen begriff alle seltsamen wurde, und Antegungen, die er schon oft in ihrem An-

was

er durch sie

geworden und was

schauen gespiirt hatte.Die Erzahlung der Kaufleute

von dem Jiinglinge, der die Natur so emsig betrachtete imd der Eidam des Konigs wurde, kam ihm wieder zu Gedanken, und tausend andere Erinnerungen seines Lebens knxipften sich von selbst an einen zauberischen Faden. Wahrend der Zeit, daB Heinrich seinen Betrachtungen nachhing, hatte sich die Gesellschaft der 14

Nopalts,

Gcsammelte Wcrice

Hohle genahert. Der Eingang 1

209

war

niedrig,

und der Alte nahm

eine Fackel

kletterte iiber einige Steine 2:uerst hinein. lich fiihlbarer

Luftstrom

und Ein ziem-

kam ihm entgegen, und der

Alte versicherte, daB sie getrost folgen konnten. Die

Furchtsamsten gingen zuletztundhieltenihre WafFen

und die Kaufleute waren hinter dem Alten, und der Knabe wanderte munter an seiner Seite. Der Weg lief anfanglich in einem in Bereitschaft. Heinrich

ziemlich schmalen Gange, welcher sich aber bald in eine sehr weite

und hohe Hohle

endigte, die der

Fackelglanz nicht vollig zu erleuchten vermochte;

doch sah

man im Hintergrunde

sich in die

Felsenwand

weich und ziemlich eben; die

waren

ebenfalls nicht rauh

was die Aufmerksamkeit tigte,

war

die unzahlige

einige Cffnungen

Der Boden war Wande sowie die Decke

verlieren.

und unregelmaBig; aber

aller

vorzuglich beschaf-

Menge von Knochen und

Zahnen, die den Boden bedeckten. Viele waren vollig erhalten,

wesung, und

an andern sah man Spuren der Ver~ welche aus den Wanden hin und

die,

wieder hervorragten, schienen steinartig geworden sein. Die meisten waren von ungewohnlicher GroBe und Starke, Der Alte freute sich iiber diese Uberbleibsel einer uralten Zeit; nur den Bauern war nicht wohl dabei zumute, denn sie hielten sie fiir

zu

deutliche Spuren daher Raubtiere, so iiberzeugend

ihnen auch der Alte die Zeichen eines undenklichen

Altertums daran aufwies und

sie fragte, ob sie je von Verwiistungen unter ihren Herden und vom Raube benachbarter Menschen gespiirt hatten und ob sie jene Knochen fur Knochen bekannter Tiere oder Menschen halten kdnnten, Der Alte

etwas

^TO

woUte nun weiter

den Berg, aber die Bauern ratsam, sich vor die Hohle zuniclbiuziehn und dort seine Ruckkunft abzuwarten. Heinrich, die

fanden

in

fiir

Kaufleute und der Knabe blieben bei dem Alten und versahen sich mit Stricken und Fackeln. Sie gelangten bald in eine ^weite Hohle, wobei der Alte

dem sie hereingekomwaren, durch eine Figur von Knochen, die er davor hinlegte, zu bezeichnen. Die Hohle glich der vorigen und war ebenso reich an tierischen Resten. nicht vergaB, den Gang, aus

men

Heinrichen war schauerlich und wunderbar zumute; es

gemahnte

ihn, als

wandle er durch die Vorhofe

des innern Erdenpalastes.Himmel und Leben lag

ihm

auf einmal weit entfernt, und diese dunkeln, weiten Hallen schienen zu einem unterirdischen seltsamen

Reiche zu gehoren. ,Wie‘, dachte er bei sich

selbst,

,ware es moglich, daB unter unsern FuBen eine eigene Welt in einem ungeheuern Leben sich be-

wegte, daB unerhorte Geburten in den Festen der

Erde ihr Wesen trieben, die das innere Feuer des dunkeln SchoBes zu riesenmaBigen und geistesgewaltigen G.stalten auftriebe? Konnten dereinst diese schauerlichen

Fremden, von der eindringenden

Kalte hervorgetrieben, unter uns erscheinen, wah-

rend vielleicht zu gleicher Zeit himmlische Gaste, lebendige, redende Krafte der Gestirne iiber unsern

Hauptern sichtbar wiirden? Sind diese Knochen tiberreste ihrer Wanderungen nach der Oberflache Oder Zeichen einer Flucht in die Tiefe?^^ Auf einmal rief der Alte die andern herbei und zeigte ihnen eine ziemlich frische

dem Boden. Mehrere konnten

Menschenspur auf

sie nicht finden,

und

so gkubte der Alte, ohne fiirchten zu mussen, auf Rauber zu stoBen, det Spur nachgehen zu konneti. Sie

waren eben im BegrijfF, dies aus2:ufuhren, als auf wie unter ihren FuBen, aus einer fernen Tiefe

eiiimal,

ein ziemlich vernehmlicher

Gesang

anfing. Sie er-

staunten nicht wenig, doch horchten sie genau auf:

Gern verweil

ich

noch

ira Tale,

Lacheind in der tiefen Nacht,

Denn

der Liebe voile Schale

Wird mir

taglich dargebracht.

Ihre heilgen Tropfen heben

Meine

Und

Seele

hoch empor, Leben

ich steh in diesem

Trunken an des Hirornels Tor. Eingewiegt in selges Schauen, Angstigt mein Gemiit kein Schmer2 .

0

1

die

Konigin der Frauen

Gibt mir ihr getreues Herz. Bangverweinte Jahre haben Diesen schlechten Ton verklart

Und

ein Bild

ihm eingegraben.

Das ihm Ewigkeit gewahrt. Jene lange Zahl von Tagen Diinkt mich nur ein Augenblick;

Werd

ich einst

von

hier getragen,

Schau ich dankbar noch 2uruck.

Alle waren auf das angenehmste iiberrascht und wunschten sehnlichst, den Sanger zn entdecken. Nach einigem Suchen trafen sie in einem Winkel

der rechten Seitenwand einen abwarts gesenkten

Gang, in welchen Bald dunkte

die FuBstapfen zn fubren schienen.

es ihnen, eine

Hellung zu bemerken, die

starker wurde, je naher sie kamen.

Es

tat sich ein

neues Gewolbe von noch groBerm Umfange

vorherigen auf, in dessen Hintergrunde

als die

sie bei einer

Lampe eine menschliche Gestalt sitzen sahen, die vor sich auf einer steinernen Platte ein groBes Buch liegen hatte, in

welchem

sie

zu lesen schien.

Sie drehte sich nach ihnen zu, stand auf

und ging

ihnen entgegen. Es war ein Mann, dessen Alter

man

Er sah weder alt noch jung aus, keine Spuren der Zeit bemerkte man an ihm als

nicht erraten konnte,

schlichte silberne Haare, die auf der Stirn gescheitelt

waren. In seinen

Augen

lag eine unaussprechliche

Heiterkeit, als sahe er von

einem hellen Berge in einen unendlichen Friihling hinein. Er hatte Sohlen an die FuBe gebunden und schien keine andere Kleidung zu haben als einen weiten Mantel, der um ihn her geschlungen war und seine edle, groBe Gestalt noch mehr heraushob. Uber ihre unvermutete Ankunft schien er nicht im mindesten verwundert; wie ein Bekannter begruBte er sie. Es war, als empfing er erwartete Gaste in seinem Wohnhause. „Es ist doch schon, daB ihr mich besucht'", sagte er; „ihr seid die ersten Freunde, die ich hier sehe, solange ich auch

schon hier wohne, Scheint es doch, als finge man an, unset groBes, wunderbares Haus genauer zu betrachten/‘ Der Alte erwiderte „ Wir haben nicht ver:

mutet, einen so freundlichen Wirt hier

Von

wilden Tieren und Geistern war

m

finden.

xins erzahlt,

nnd nun sehen wir uns auf das anmutigste getauscht. Wenn wir Euch in Eurer Andacht und in Euren tiefsinnigen Betrachtungen gestort haben, so verzeiht es

unsrer Neugierde.“ freulicher

sein'',

— „Konnte eine Betrachtung er-

sagte der Unbekannte,

„als

die

uns zusagender Menschengesichter? Haltet mich nicht fur einen Menschenfeind, weil ihr mich in dieser Einode trefft. Ich babe die Welt nicht gefroher,

flohen,

sondern ich habe nur eine Ruhestatte gesucht,

wo ich ungestort meinen Betrachtungen nachhangen konnte.“ — „Hat Euch Euer EntschluB nie gereut, und kommen nicht zuweilen Stunden, wo Euch bange wird und Euer Herz nach einer Menschenstimme verlangt?“ — „Jet2t nicht mehr. Es war eine Zeit in meiner Jugend, wo eine heiBe Schwarmerei mich veranlaBte, Einsiedler zu werden. Dunkle Ahndungen beschaftigten meine jugendliche Phantasie. Ich hoffte,

Nahrung meines Herzens in der Einsamkeit zu finden. Unerschopflich diinkte mich die Quelle meines innern Lebens. Aber ich merkte bald, daB man eine Fiille von Erfahrungen dahin mitbringen muB, daB ein junges Herz nicht allein sein kann, ja, daB der Mensch erst durch vielfachen Umgang mit seinem voile

Geschlecht eine gewisse Selbstandigkeit erlangt/"

„Ich glaube

selbst^",

erwiderte der Alte, „daB es

einen gewissen natiirlichen Beruf zu jeder Lebensart

und vieUeicht, daB die Erfahrungen eines zunehmenden Alters von selbst auf eine Zuriickziehung

gibt,

aus der menschlichen Gesellschaft fuhren. Scheint es

doch,

als sei dieselbe

der Tatigkeit, sowohl

zum Ge-

winst als zur Erhaltung, gewidmet. Eine groBe HoiFnung, ein gemeinschaftlicher Zweck treibt sie mit Macht, und Kinder und Alte scheinen nicht dazu za gehdren. Unbehiilflichkeit und Unwissenheit schlieBen die ersten davon aus, jene Hoifnung eifulltj jenen

und nun,

nicht

wahrend die

Zweck

mehr von ihnen

in

letztern

erreicht sehen

den Kreis jener

Gesellschaft verflochten, in sich selbst zunickkehren

und genug zu tun

linden, sich auf eine

hohere Ge-

meinschaft wurdig vorzubereiten. Indes scheinen bei

Euch noch besondere Ursachen

stattgefonden zu

haben, Euch so ganzhch von den Menschen abzu-

sondern und Verzicht auf alle Bequemlichkeiten der

Mich dunkt, daB die Spannung Eures Gemiits doch oft nachlassen und Euch Gesellschaft zu leisten.

dann unbehaglich zumute werden muBte/^ „Ich fiihlte das wohl, indes habe ich es gliicklich durch eine strenge Regelm^igkeit meines Lebens zu vermeiden gewuBt. Dabei suche ich mich durch Bewegung gesund zu erhalten, xind dann hat es keine

Not. Jeden Tag gehe ich mehrere Stunden herum und genieBe den Tag und die Luft, soviel ich kann. Sonst hake ich mich in diesen Hallen auf und be-

mich zu gewissen Stunden mit Korbflechten Waren tausche ich mir in entlegenen Ortschaften Lebensmittel ein, Bucher hab ich mir mitgebracht, und so vergeht die Zeit wie ein Augenblick. In jenen G^genden habe ich einige Bekannte, die urn meinen Aufenthalt wissen und von denen ich erfahre, was in der Welt geschieht. Diese werden mich begraben, wenn ich tot bin, und meine Biicher zu sich nehmen.“ schaftige

und

Schnitzen. Fiir meine

211

Er ftihrte sie naher an semen Sitz, der nahe an der Hohlenwand war. Sie sahen mehrere Bucher auf der Erde liegen, auch eine Zither, und an der Wand hing eine vdllige Rxistung, die ziemlich kostbar schien.

zu

sein

Der Tisch bestand aus fiinf groBen steinernen

wie ein Kasten zusammengesetzt waren. Auf der obersten lagen eine mannliche und weibliche Flatten, die

Figur in LebensgroBe eingehauen, die einen Kranz

von Lilien und Rosen angefaBt hatten; an den

Seiten

stand: 'Friedrich

und Marie von Hohen^ollern

kehrten auf dieser Stelle in ihr Vaferland V(uruck.

Der

Einsiedler fragte seine Gaste nach ihrem Va-

und wie sie in diese Gegenden gekommen waren. Er war sehr freundlich und offen und verriet eine groBe Bekanntschaft mit der Welt. Der Alte sagte: „Ich sehe, Ihr seid ein Kriegsmann gewesen, die Riistung verrat Euch.‘‘ — „Die Gefahren und Wechsel des Krieges, der hohe poetische Geist, der ein Kriegsheer begleitet, rissen mich aus meiner jugendlichen Einsamkeit und bestimmten die Schick-

terlande

sale

meines Lebens. Vielleicht, daB das lange Getiim-

mel, die unzahligen Begebenheiten, denen ich bei~

wohnte, mit den Sinn fur die Einsamkeit noch mehr

Die zahllosen Erinnerungen sind eine unterhaltende Gesellschaft, und dies urn so mehr, je veranderter der Blick ist, mit dem wir sie liberschauen und der nun erst ihren wahren Zusammenhang, den Tiefsinn ihrer Folge und die Bedeutung ihrer Erscheinungen entdeckt. Der eigentliche Sinn geoffnet haben.

fur die Geschichten der

116

Menschen entwickelt

sich

und mehr nnter den stillen Einfliissen der Erinnerung als nnter den gewaltsameren Eindriicken der Gegenwart. Die nachsten Ereignisse scheinen nur

erst spat

wunund nur dann, wenn man imstande ist, eine lange Reihe zn iibersehen und weder alles buchstablich zn nehmen noch auch mit mutwiliigen Traumen die eigentliche Ordnung zn locker verkniipft, aber sie sympathisieren desto

derbarer mit entfernteren;

man die geheime Verkettung des Ehemaligen und Kiinftigen und lernt die Geschichte aus HofFnung und Erinnerung 2usammenset5:en. In» des nur dem, weichem die ganze Vorzeit gegenwartig ist, mag es geHngen, die einfache Regel der Geschichte zn entdecken. Wir kommen nur 2u unvollstandigen und beschwerlichen Formeln und konnen froh sein, nur fur uns selbst eine brauchbare Vorschrift zn fin-

verwirren, bemerkt

den, die uns hinlangHche Aufschliisse iiber unser eigenes kurzes

Leben

verschaift. Ich darf aber

wohl

sagen, daB jede sorgfaltige Betrachtung der Schick-

Lebens einen tiefen, unerschopflichen Gegewahrt und unter alien Gedanken uns am meinuB sten fiber die irdischen tJbel erhebt. Die Jugend liest die Geschichte nur aus Neugier, wie ein unterhaltensale des

des Marchen;

dem reiferen Alter wird sie eine Hmm-

und erbauende Freundin, die ihn durch ihre weisen Gesprache sanft 2u einer hoheren, umfassenderen Laufbahn vorbereitet und ihn mit der unbekannten Welt in faBlichen Bildern bekannt macht. Die Kirche ist das Wohnhaus der Geschichte

lische, trostende

und der

Von

stille

Hof ihr

sinnbildlicher Biumengarten*

der Geschichte sollten nur

alte, gottesffirchtige

Leute schreiben, deren Geschichte selbst 2u Ende

ist

217

und

die nichts

mehr zu hofFen haben

als die

pflanzung in den Garten. Nicht finster

wird ihre Beschreibung Strahl aus der

Kuppel

und

Vertrube

vielmehr wird ein in der richtigsten und

sein,

alles

schonsten Erleuchtung zeigen,

und

heiliger Geist

wird uber diesen seltsam bewegten

Gewassern

schweben."'

„Wie wahr und einleuchtend setzte der Alte hinzu.

^^Man

sollte

Eure Rede“, gewiB mehr FleiB ist

darauf wenden, das Wissenswiirdige seiner Zeit treulich aufzuzeichnen

und

es als ein andachtiges Ver-

mdchtnis den kunftigen Menschen zu hinterlassen.

Es gibt tausend entferntere Dinge, denen und Miihe gewidmet wird, und gerade Nachste und Wichtigste,

um

Sorgfalt

um

das

die Schicksale unseres

eigenen Lebens, unserer Angehorigen, unseres Geschlechts, deren leise PlanmaBigkeit

wir in den Ge«

danken einer Vorsehung aufgefaBt haben, bekiimmern wir uns so wenig und lassen sorglos alle Spuren in unserm Gedachtnisse verwischen. Wie Heiligtumer wird eine weisere Nachkommenschaft jede Nachricht, die von den Begebenheiten der Vergangenheit handelt, aufsuchen, und selbst das Leben ernes einzelnen unbedeutenden Mannes wird ihr nicht gleichgiiltig sein, da gewiB sich das groBe Leben seiner Zeitgenossenschaft darin mehr oder weniger

spiegelt.^^

„Es ist nur so schlimm", sagte der Graf von HohenzoUern, „daB selbst die wenigen, die sich der Aufzeichnung der Taten und Vorfalle ihrer Zeit unterzogen, nicht uber ihr Geschaft nachdachten und ihren Beobachtungen keinc Vollstandigkeit und

Ordnung zu. geben suchten, sondern nur aufs Geratewohl bei der Auswahl und Sammluxig ihrer Nachrichten verfuhren. Bin jeder wird leicht an sich be-

merken,

dajS

kommen

er nur dasjenige deutiich

und

voll-

beschreiben kann, was er genau kennt^

dessen Teile, dessen Entstehung und Folge, dessen

Zweck und Gebrauch ihm gegenwartig

sind; dcjon

sonst wird keine Beschreibung, sondern ein ver-

Gemisch von unvollstandigen Bemerkungen Man lasse ein Kind eine Maschine, einen Landmann ein Schiff beschreiben, und gewiB wird kein Mensch aus ihren Worten einigen Nut2 en und Unterricht schdpfen konnen, und so ist es mit den

wirrtes

entstehn.

meisten Geschichtsschreibern, die vielleicht fertig

genug im Erzahlen und bis zum "Dberdrufi weitschweifig sind, aber dock gerade das Wissenswiirdigste vergessen, dasjenige, was erst die Geschichte 2ur Geschichte macht und die mancherlei Zufalle zu einem angenehmen und lehrreichen Gauzen verbindet.

Wenn ich wenn

das alles recht bedenke, so scheint

notwendig auch ein Dichter sein miiSte, denn nur die Dichter mogen sich auf jene Kunst, Begebenheiten schicklich zu verknupfen, verstehn. In ihren Eraahlungen und Fabeln habe ich mit stillem Vergniigen ihr cartes Gefuhl fiir den geheironisvollen Geist des Lebens bemerkt. Es ist mehr Wahrheit in ihren Marchen als in gelehrten Chroniken. Sind auch ihre Personen xmd deren Schicksale erfanden, so ist doch der Sinn, in es mir, als

dem

sie

ein Geschichtsschreiber

erfunden sind, wahrhaft und

natiirlich.

Es

ist fiir unsern GenuB und unsere Belehrung gewissermaBen einerlei, ob die Personen, in deren Schicksalen

219

wir den unsrigen nacbspiiren, wirklich einmal lebten Oder nicht. Wir verlangen nach der Anschauung der groBen, einfachen Seele der Zeiterscheinungen, und finden wir diesen Wnnsch gewahrt, so kummern wir

uns nicht

um

die

2:iafallige

Existent: ihrer auBern

Figuren.“

„Auch ich bin den Dichtern'",

sagte der Alte,

jeher deshalb zngetan gewesen.

Welt

ist

mir klarer und anschaulicher durch

worden. Es diinkte mich,

sie

„von

Das Leben und

die

sie ge-

miiBten befreundet

roit

den scharfen Geistern des Lichtes sein, die alle Naturen durchdringen und sondern und einen eigentiimlichen, breiten.

zartgefarbten

Liedern leicht entfaltet, sich

Schleier uber jede ver-

Meine eigene Natur

nun freier bewegen,

und

fiihlte ich bei ihren

es

war,

als

kdnnte

Verlangens froh werden, mit

stiller

sie

und ihres

ihrer Geselligkeit

Lust ihre Glieder

gegeneinander schwingen und tausenderlei anmutige

Wirkungen hervormfen/^ „Wart Ihr so gliicklich, in Eurer Gegend einige fragte der Einsiedler. Dichter 2u haben „Es haben sich wohl zuweilen einige bei uns eingefunden, aber sie schienen Gefallen finden,

und

am

Reisen zu

so hielten sie sich meist nicht lange auf,

Wanderungen nach Illynach Sachsen und Schwedenland nicht selten welche gefunden, deren Andenken mich immer er-

Indes habe ich auf meinen rien,

freuen wird/^

„So seid Ihr ja weit ximhergekommen und miiBt denkwurdige Dinge erlebt haben/* „Unsere Kunst macht es fast notig, daB man sich

viele

weit auf dem Erdboden umsieht,

Z20

und es ist,

als triebe

den Bergmann ein xinterirdisches Feuer umher. Ein Berg schickt ihn dem andern. Er wird nie mit Sehen fertig und hat seine ganze Lebenszeit an jener minderlichen Baukunst zu lernen, die tinsern

FuBboden

so seltsam begriindet und ausget^elt hat. Unsere

Kunst

ist uralt

und weit

verbreitet. Sie

mag wohl

aus Morgen, mit der Sonne, wie unser Geschiecht,

nach Abend gewandert sein, und von der Mitte nach den Enden zu. Sie hat iiberall mit andern Schwierigkeiten zu kampfen gehabt, und da immer das Bedurfnis den menschlichen Geist zu klugen Erfindungen gereizt, so kann der Bergmann iiberall seine Einsichten und seine Geschicklichkeitvermehren und mit niitzlichen

Erfahrungen seine Heimat bereichern/"

„Ihr seid beinah verkehrte Astrologen'^^, sagte der Einsiedler.

betrachten irren, so

und und

„Wenn und

diese

den Himmel unverwandt

seine unermeBlichen

Raume

durch-

wendet ihr euren Blick auf den Erdboden

erforscht seinen Bau. Jene studieren die Krafte

und ihr untersucht die und Berge und die mannigfaltigen Wirkungen der Erd- und Steinschichten. Jenen ist der Himmel das Buch der Zukunft, wahrend euch die Erde Denkmale der Urwelt zeigt.^^ „Es ist dieser Zusammenhang nicht ohne BedeuEinfliisse der Gestirne,

Krafte der Felsen

tung“, sagte der Alte lachelnd. „Die leuchtenden

Propheten spielen vielleicht eine HauptroUe in jener alten Geschichte des wunderlichen Erdbaus.

wird

sie vielleicht

Man

Werken und ihre Werke besser kennen und erklaren

aus ihren

aus ihnen mit der Zeit

lernen. Vielleicht zeigen die

groBen Gebirgsketten

die Spuren ihrer ehemaligen StraBen

und batten 221

Hand zu nahren und Gang am Himmel zu gehn. Manche

selbst Lust, sich

ihren eigenen

auf ihre eigene

hoben sich kiihn genug, um auch Sterne zu werden, und miissen nun dafur die schone grime Bekleidung der niedrigern Gegenden entbehren. Sie haben dafiir nichts erhalten, als daB sie ihren Vatern das Wetter machen helfen und Propheten fiir das tiefere Land sind, das sie bald schiitzen,

bald mit Ungewittern

iiberschwemmen.^ „Seitdem ich in dieser Hohle wohne“, fuhr der Einsiedler fort, „habe ich mehr iiber die alte Zeit

nachdenken gelernt, Es ist unbeschreiblich, was diese Betrachtung anzieht, und ich kann mir die Liebe vorstellen, die ein

muB.

Bergmann

die hier in so gewaltiger

wenn

fiir

sein

Handwerk hegen

Wenn ich die seltsamen alten Knochen ansehe, Menge versammelt

ich mir die wilde Zeit denke,

wo

sind;

diese fremd-

ungeheuren Tiere in dichten Scharen sich in Hohlen hereindrangten, von Furcht und Angst

artigen diese

vielleicht getrieben,

und

hier ihren

Tod

fanden,

wenn ich dann wieder bis zu den Zeiten hinaufsteige, wo diese Hohlen zusammenwuchsen und ungeheure Fluten das Land bedeckten: so komme ich mir selbst wie ein Traum der Zukunft, wie ein Kind des ewigen Friedens vor. Wie ruhig und friedfertig, wie mild und klar ist gegen diese gewaltsamen, riesenmaBigen Zeiten die heutige Natur, und das furchtbarste Gewitter, das entsetzlichste Erdbeben in unsern Tagen ist

nur ein schwacher Nachhall jener grausenvollen

Geburtswehen. Vielleicht, daB auch die Pflanzen- und Tierwelt, ja die damaligen

Menschen selbst, wenn es Ozean welche gab,

auf einzelnen Eilanden in diesem 222

eine andere, festere uxid rauhere Baimrt hatten

wenigstens

diirfte

man

die alten Sagen



von einem

Riesenvolke daim keiacr Erdichtungen

„Es ist erfreulich" sagte der Alte, „jene allmahBeruhigung der IMatiar ‘zu bemerken. Ein im-

liche

mer innigeres

Geund Belebxmg scheint sich allmaUichgebildet zn haben, und wir konnen immer besseren Zeiten entgegensehn, Es ware vielleicht moglich, daB hia und wieder noch alter Sauerteig garte ^nd noch einige heftigc Erschiitterungen erfolgten; iodes sieht man doch das Einverst:andjais, eine friedlichere

meinschaft, eine gegenseitige Unterstutznng

allmachtige Streben nach £reier, eintrachtiger Ver-

und in diesem Geiste wird jede Erschiitterung voriibergehen lund diem groBen Ziele naher fassung,

Mag

daC die Natur nicht mehr so und Edelsteine, keine Felsen und Berge mehr entstehn, daB Pflan2en und Tiere nicrht mehr zu so erstaunlichen GroBen und Kraften a.ufquxellen; je mehr sich ihre erzeugende Kraft ersclnopft hat, desto mehr haben ihre bildenden, veredeinden and geselligen Krafte zugenommen, ihr Geraiit ist empfanglicher und zarter, ihre Phantasie mannigfaltiger und sinnbildlicher, ihre Hand leichiter umd kunstreicher geworden. Sie nahert sich dem Menschen, und wenn sie fiihren.

es sein,

fruchtbar ist, daB heutentage keine Metalle

ehmals ein wildgebarender Pels war, so

ist sie jetzt

stumme menschwareauch eine Vermehrung

eine stille, treibende Pflairse, eine liche Kiinstlerin.

Wozn

jener Schatze notig, de xen 'OberfluB auf undenkliche

Zeiten ausreicht. Wie

durchwandert bin,

klein

und

ist

der Raum, den ich

welche machtigen Vorrate 223

habe ich nicht gleich auf den ersten Blick gefunden, deren Benuteung der Nachwelt uberlassen bleibt. Welche Reichtiimer verschlieJBen nicht die Gebirge

nach Norden, welche giinstige Anzeichen fand ich nicht in meinem Vaterlande uberall, in Ungarn, am FuBe der Karpatischen Gebirge und in den Felsen-

von

talern

ein reicher

und Bayern. Ich konnte wenn ich das hatte mit mir

Tirol, Osterreich

Mann

sein,

nehmen konnen, was

ich nur aufzuheben, nur abzu-

An manchen

Orten sah ich mich wie in einem Zaubergarten. Was ich ansah, war von schlagen brauchte.

kostlichen Metallen bildet.

bers

und auf das kunstreichste und Asten des

In den zierlichen Locken

glanzende

hingen

Fruchte,

und

die

rubinrote

geSil-

durchsichtige

schweren Baumchen standen

auf

kristallenem Grunde, der ganz unnachahmlich ausgearbeitet war.

Man

traute

diesen wunderbaren Orten

kaum

seinen Sinnen an

und ward

nicht mude, zu durchstreifen und sich an ihren Kleinodien zu ergdtzen. Auch auf meiner jetzigen Reise habe ich viele Merkwiirdigkeiten gesehn, und gewiB ist in andern Landern die Erde diese reizenden Wildnisse

ebenso ergiebig und verschwenderisch/' „ Wenn man'', sagte der Unbekannte, „die Schatze bedenkt, die im Orient zu Hause sind, so ist daran kein Zweifel,

und

ist

das feme Indien, Afrika und

Spanien nicht schon im Altertum dutch die Reich-

Bodens bekannt gewesen? Als Kriegsso genau auf die Adern und Kliifte der Berge acht, indes habe ich doch zuweilen meine Betrachtungen iiber diese glanzenden Streifen gehabt, die wie seltsame Knospen auf eine

tiimer seines

mann gibt man freilich nicht

unerwartete Bliite und Frucht deuten.

damals denken konnen,

Wie hatte ich wenn ich froh iiber das Licht

des Tages an diesen dunkeln Behausungen vorbei-

im SchoBe eines Berges mein Leben beschlieBen wurde. Meine Liebe tnig mich stok liber den Erdboden, und in ihrer Umarmung hoffte ich in spaten Jahren zu entschlafen. Der Krieg endigte, und ich 2og nach Hause, voll froher Erwartungen eines erquicklichen Herbstes. Abet der 20g, daB ich noch

Geist des Krieges schien der Geist meines Glucks 2u sein. Meine Marie hatte mir 2wei Kinder im Orient geboren. Sie waren die Freude unsers Lebens. Die Seefahrt

und

die rauhere abendlandische Luft stdrte

wenig Tage nach meiner Kummervoli fiihrte ich meine

ihre Bliite. Ich begrub sie

Ankunft

in Europa.

trostlose Gattin

nach meiner Heimat. Ein

Gram mochte den Faden

ihres

stiller

Lebens miirbe ge-

macht haben. Auf einer Reise, die ich bald darauf unternehmen muBte, auf der sie mich wie immer begleitete, verschied sie sanft und pl6t2lich in meinen Armen. Es war hier nahebei, wo unsere irdische Wallfahrt 2u Ende ging. Mein EntschluB war im Augenblicke' reif. Ich fand, was ich nie erwartet hatte; eine gottliche Erlcuchtung

und

seit

dem Tage, da

kam

iiber

mich,

ich sie hier sclbst begrub,

eine himmlische Hand alien Kummer von meinem Her2en. Das Grabmal habe ich nachher

nahm

errichten lassen. Oft scheint eine Begebenheit sich

2u endigen, wenn dies hat bei

euch alien ein Gemiit wie imt/"

leihe

sie erst eigentlich beginnt,

meinem Leben

und

stattgefunden. Gott ver-

seliges Alter

und ein so gemhiges

Heinrich und die Kaufleute batten aufmetksam dem Gesprache izugehort, und der erstere fuhlte besonders neue Entwickelungen seines ahndungsvoUen Innern.

Manche Worte, manche Gedanken fielen wie und riickten

belebender Fmchtstaub in seinen SchoB ihn schnell aus die

Hohe

dem engen

der Welt.

Wie

Kreise seiner Jugend auf lange Jahre lagen die eben

vergangenen Stunden hinter ihm, und er glaubte, nie anders gedacht und empfunden zu haben.

Der Einsiedler zeigte ihnen seine Bucher. Es waren Historien und Gedichte. Heinrich blatterte in

alte

den groBen, schon gemalten Schriften; die kur2en Zeilen der Verse, die Uberschriften, einzelne Stellen

und

die saubern Bilder, die hier

korperte Worte,

und

da,

wie ver-

2um Vorschein kamen, um die Ein-

bildungskraft des Lesers 2u unterstiitzen, reizten

machtig seine Neugierde. Der Einsiedler bemerkte seine innere Lust

und

erklarte

ihm

die sonderbaren

Vorstellungen. Die mannigfaltigsten Lebensszenen

waren

abgebildet.

Kampfe,

Leichenbegrabnisse,

Hohlen und Helden, Priester, alte und junge Palaste Leute, Menschen in fremden Trachten und seltsame Tiere kamen in verschiedenen Abwechselungen und Hochzeitsfeierlichkeiten, SchifFbruche,

— K5nige,

Verbindungen vor. Heinrich konnte sich nicht sehen und hatte nichts mehr gewiinscht,

als bei

satt

dem

zn bleiben und von ihm iiber diese Bucher unterrichtet zn werden. Der Alte fragte unterdes, ob es noch mehr Hohlen gabe, xmd der Einsiedler sagte ihfn, daB noch einige sehr groBe in der N^e lagen, wohin er ihn begleiten woUe. Der Alte war dazu bereit, und der Einsiedler, der ihn unwiderstehlich anzog,

226

Einsiedler, der die

Freude merkte, die Heinrich an

seinen Biichern hatte, veranlaBte ihn, znmdcsublei-

ben und sich w^rend dieser Zeit weiter unter denselben umzusehn. Heinrich blieb mit Freuden bei den Biichern und dankte ihm innig fur seine Erlaubnis.

Er blatterte mit unendlicher Lust umher. Endlich fiel ihm ein Buch in die Hande, das in einer fremden Sprache geschrieben war, die ihm einige Ahnlichkeit mit der lateinischen und italienischen haben schien. Er hatte sehnlichst gewiinscht, die Sprache zu kennen, denn das Buch gefiel ihm vorziiglich, ohne daB

m

davon verstand. Es hatte keinen Xitel, noch beim Suchen einige Bilder. Sie diinkten ihn ganz wunderbar bekannt, und wie er er eine Silbe

doch fand

er

recht zusah, entdeckte er seine eigene Gestalt ziemlich kenntlich unter

den Figuren, Er erschrak und

glaubte zu traumen, aber beim wiederholten

Ansehn

konnte er nicht mehr an der vollkommenen Ahnlichkeit zweifeln.

Er

traute

kaum

seinen Sinnen, als er

bald auf einem Bilde die Hohle, den Einsiedler

und

den Alten neben sich entdeckte. Allmahlich fand er auf den andern Bildern die Morgenlanderin, seine Eltern, den Landgrafen und die Landgrafin von Thiiringen, seinen Freund, den Hofkaplan, und manche andere seiner Bekannten; doch waren ihre Kleidungen verandert und schienen aus einer andern Zeit zu sein. Eine groBe Menge Figuren wuBte er nicht zu nennen, doch deuchten sie ihn bekannt. Er

Gegen und edier vor. Die Gitarre ruhte in seinen Armen, und die Landgrafin reichte ihm einen Kranz. Er sah sich am kaiserHchen sah sein Ebenbild in verschiedenen Lagen. das

Ende kam

er sich groBer

2Z7

Umarmung mit einem MMchen, in einem Kampfe mit

Hofe, 2U Schiffe, in trauter

schknken, lieblichen wild aussehenden

Mannem und in freundlichen GeMann von

sprachen mit Sarazenen und Mohren. Ein

ernstem Ansehn

kam

haufig in seiner Gesellschaft

Er fuhlte tiefe Ehrfurcht vor dieser hohen Gestalt und war froh, sich Arm in Arm mit ihm zu sehn. Die letzten Bilder waren dunkel und unverstandlich,

vor.

dock uberraschten ihn einige Gestalten seines Traumes mit dem innigsten Entziicken; der SchluB des Buches schien zu fehlen. Heinrich war sehr bekiimmert und wiinschte nichts sehnlicher, als das Buck lesen 2u konnen und vollstandig zu besitzen. Er betracktete die Bilder zu wiederholten Malen und war besturzt, wie er die Gesellschaft zuruckkommen hdrte. Eine wunderlicke Sckam befiel ihn. Er getraute sich nicht, seine Entdeckung merken zu lassen, machte das Buch zu und fragte den Einsiedler nur obenhin nach dem Titel und der Sprache desselben, wo er denn erfuhr, daB es in provenzalischer Sprache geschrieben sei. „Es ist knge, daB ich es gelesen habe'", sagte der Einsiedler. „Ich kann mich nicht mehr genau des Inhalts entsinnen. Soviel ich weiB, ist es ein Roman von den wunderbaren Schicksalen eines Dichters, worm die Dichtkunst in ihren mannigfachen Verhaltnissen dargestellt und gepriesen wird. fehlt

Der SchluB

an dieser Handschrift,die ich aus Jerusalem mit-

gebracht hab^*, wo ich

sie in

der Verlassenschaft eines

Freundes fand und zu seinem Andenken aufhob.'^

nahmen nun voneinander Abschied, und Heinwar bis zu Tranen geriihrt. Die Hohle war ihm

Sie

rich

so merkwiirdig, der Einsiedler so lieb geworden.

Alle umarmten diesen herzlich, und er selbst schien sie iieb

gewonnen zvl haben. Heinrich gknbte zn be-

merken, daB er ihn mit einem freundlichen, durchdringenden Blicke ansehe. Seine Abschiedsworte ge-

gen ihn waren sonderbar bedeutend. Er schien von seiner Entdeckung zn wissen und darauf anzuspielen. Bis znm Eingang der Hohlen begleitete er sie, nachdem er sie und besonders den Knaben gebeten hatte, nichts von ihm gegen die Bauern zn erwahnen, weil er sonst ihren Zudringlichkeiten ausgesetzt sein wiirde. Sie versprachen es alle.

und

sich seinem

Wie

sie

von ihm schieden

Gebet empfahlen, sagte

er:

„Wie und

lange wird es wahren, so sehn wir uns wieder

werden

Reden lacheln. Ein himmlischer Tag wird uns umgeben, und wir werden iiber unsere heutigen

uns freuen, daB wir einander in diesen Talern der Priifung freundlich begruBten

und von gleichen

Gesinnungen und Ahndungen

beseelt waren.

sind die Engel, die uns hier sicher geleiten.

Auge

euer

den

fest

am Himmel haftet,

Sie

Wenn

so werdet ihr nie

Weg zn eurer Heimat verlieren.^^ — Sie trennten

sich mit stiller Andacht, fanden bald ihre zaghaften

Gefahrten und erreichten unter

kurzem das Dorf, Sorgen gewesen war,

in

wo sie

allerlei

Erzahlungen

Heinrichs Mutter, die in

mit tausend Freuden emp-

fiug.

Sechstes Kapitel

Menschen,

die

zum

Handeln, zur Geschaftigkeit

konnen nicht friih genug alles selbst betrachten und beleben. Sie miissen liberal! selbst Hand anlegen und viele Verhaltnisse durchlaufen.

geboren

sind,

229

Gemixt gegen die Eindriicke einer neuen Lage, gegen die Zerstreuungen vieler und mannigfaltiger

ihr

Gegenstande gewissermaBen abharten und sich gewohnen, selbst im Drange groBer Begebenheiten den Faden ihres Zwecks fest2uhalten und ihn gewandt hindurchzufiihren. Sie diirfen nicht den Einladungen einer stiilen Betrachtung nachgeben. Ihre Seele darf

keine in sich gekehrte Zuschauerin, sie

muB

unab-

nach auBen gerichtet und eine emsige, schnell entscheidende Dienerin des Verstandes sein. Sie sind

lassig

Helden, und

um

sie

her drangen sich die Begeben-

und gelost f^e werden 2u Geschichten

heiten, die geleitet

sein

woUen. AUe Zu-

unter ihrem EinfluB,

und ihr Leben ist eine ununterbrochene Kette merkwurdiger und glanzender, verwickelter und seltsamer Ereignisse.

Anders ist es nait jenen ruhigen, unbekannten Menschen, deren Welt ihr Gemut, deren Tatigkeit die Betrachtung, deren

Leben ein

leises

Bilden ihrer

innern Krafte ist. Keine Unruhe treibt sie nach auBen.

Ein stiller Besitz geniigtihnen, und das unermeBliche Schauspiel auBer ihnen reizt sie nicht, selbst darin

sondern kommt ihnen bedeutend und wunderbar genug vor, um seiner Betrachtung ihre MuBe zu widmen. Verlangen nach dem Geiste desselben halt sie in der Feme, und er ist es, der sie zu axifzutreten,

Gemuts in dieser menschlichen Welt bestimmte, wahrend jene die auBeren GliedmaBen und Sinne und die ausgehenden der geheimnisvollen Rolle des

Krafte derselben vorstellen.

GroBe und vielfache Begebenheiten wiirden sie Ein einfaches Leben ist ihr Los, und nur aus

stdren.

230

Erzahlungen und Schriften miissen sie mit dem und den ^ahllosen Erscheinungen der Welt bekannt werden. Nur selten darf im Verlauf ihres Lebens ein Vorfall sie auf einige Zeit in seine reichen Inhalt

raschen Wirbel mit hereinziehn,

Erfahmngen

um

dutch einige

von der Lage und dem Charakter der handelnden Menschen genauer zu untetrichten. Dagegen wird ihr empfindlicher Sinn schon genug von nahen unbedeutenden Erscheinungen beschaftigt, die ihm jene groBe Welt verjiingt darstellen, und sie

werden keinen Schritt tun, ohne die uberraschendEntdeckungen in sich selbst iiber das Wesen und die Bedeutung derselben zu machen. Es sind die Dichter, diese seltenen Zugmenschen, die zuweilen dutch unsere Wohnsitze wandeln und liberall den alten, ehrwurdigen Dienst der Menschheit und ihrer sie

sten

ersten Gotter, der Gestirne, des Friihlings, der Liebe,

des Glucks, der Fruchtbarkeit, der Gesundheit

des Frohsinns, erneuern;

sie,

und

die schon hier im Besitz

der himmlischen Ruhe sind und, von keinen totichten

Begierden umhergetrieben, nur den Duft der

irdi-

schen Friichte einatmen, ohne sie zu verzehren und dann unwiderruflich an die Unterwelt gekettet zu sein. Freie Gaste sind sie, deren goldener FuB nur leise auftritt und deren Gegenwart in alien unwillkiirlich die Fliigel ausbreitet. Ein Dichter laBt sich, wie ein guter Konig, frohen und klaren Gesichtern nach aufsuchen, und er ist es, der allein den Namen eines Weisen mit Recht fuhrt. Wenn man ihn mit dem Helden vergleicht, so findet man, daB die Gesange der Dichter nicht selten den Heldenmut in jugendlichen Herzen erweckt, Heldentaten aber wohl

nie

den Geist der Poesie in ein neues Gemiit gerufen

haben.

Heinrich war von Natur

2um

Dichter geboren.

Mannigfaltige Zufalle schienen sich

m seiner Bildung

2u vereinigen, und noch hatte nichts seine innere Regsamkeit gestort. Alles, was er sah und horte, schien nur neue Riegel in

ihm wegzuschieben und

neue Fenster ihm 2u ofFnen. Er sah die Welt in ihren groBen und abwechselnden Verhaltnissen vor sich liegen.

Noch war sie

aber

stumm und ihre

Seele, das

Gesprach, noch nicht erwacht. Schon nahte sich ein Dichter, ein liebliches Madchen an der Hand, um

durch Laute der Muttersprache und durch Beriih-

rung eines

Mundes die bidden und den einfachen Akkord

siiBen, zartlichen

Lippen aufzuschlieBen in unendliche

Melodien 2u

entfalten.

Diese Reise war nun geendigt. Es war gegen

Abend,

als

unsere Reisenden wohlbehalten und froh-

Augsburg anlangten Erwartung durch die hohen Gassen nach und dem ansehnlichen Hause des alten Schwaning ritten. Heinrichen war schon die Gegend sehr reizend vorgekommen. Das lebhafte Getiimmel der Stadt und die groBen, steinernen Hauser befremdeten ihn angenehm. Er freute sich inniglich iiber seinen kunftigen Aufenthalt. Seine Mutter war sehr vergnugt, lich in der weltberiihmten Stadt

voller

nach der langen, muhseligen Reise sich hier in ihrer

und Bekannten wieder zu umarmen, ihren Heinrich ihnen vorstellen und einmal alle Sorgen des Hauswesens bei den traulichen Erinnerungen ihrer

geliebten Vaterstadt 2u sehen, bald ihren Vater ihre alten

Jugend ruhig vergessen 2u kdnnen. Die Kaufleute 252

den dortigen Lustbarkeiten fiir die Unbequemlichkeiten des Weges zu entschadigen und

hofften, sich bei

eintragiiche Geschafte zn

machen.

Das Haus des alten Schwaning fanden sie erleuchtet, und eine lustige Musik tonte ihnen ent~ gegen. „Was gilts^", sagten die Kaufleute, „Euer GroBvater gibt ein frohliches Fest. Wir kommen wie gemfen. Wie wird er iiber die ungeladenen Gaste erstaunen. Er laBt es sich wohl nicht traumen, daB das wahre Fest nun erst angehn wird/" Heinrich fiihlte sich verlegen, und seine Mutter war nun wegen ihres An2ugs in Sorgen. Sie stiegen ab, die Kaufleute blieben bei den Pferden, und Heinrich und seine Mutter traten in das prachtige Haus. Unten war kein Hausgenosse zn sehen. Sie muBten die breite Wendeltreppe hinauf. Einige Diener die sie baten,

dem

alten

liefen voriiber,

Schwaning die Ankunft

Fremden amiusagen,

die ihn zn sprechen Die Diener machten anfangs einige Schwierigkeiten; die Reisenden sahen nicht znm besten aus; doch meldeten sie es dem Herrn des Hauses. Der alte Schwaning kam heraus. Er kannte sie nicht gleich und fragte nach ihrem Namen und Anliegen. Heinrichs Mutter weinte und fiel ihm um den Hals. „Kennt Ihr Eure Tochter nicht mehr?"", rief sie weinend. „Ich bringe Euch meinen Sohn."" Der alte Vater war auBerst geriihrt. Er dnickte sie lange an seine Brust; Heinrich sank auf ein Knie und kuBte ihm zartlich die Hand. Er hob ihn zu sich und hielt Mutter und Sohn umarmt. „Geschwind herein"", sagte Schwaning, „ich habe lauter Freunde und Bekannte bei mir, die sich herzlich mit mir freuen wer-

einiger

wiinschten.

235

den.“ Heinrichs Mutter schien einige Zweifel 2u haben. Sie hatte keine Zeit, sich zu besinnen. Der

Vater fdhrte beide in den hohen, erleuchteten

„Da bringe

ich meine Tochter

aus Eisenach'', rief

Saal.

und meinen Enkel

Schwaning in das frohe Ge-

turomel glan2end gekleideter Menschen.

AUe Augen

kehrten sich nach der Tiir; alles lief her2u, die Musik schwieg, und die beiden Reisenden standen verwirrt und geblendet in ihren staubigen Kleidern mitten in der bunten Schar. Tausend freudige Ausrufungen gingen von Mund 2u Mund. Alte Bekannte drangten sich um die Mutter. Es gab un2ahlige Fragen. Jedes wollte 2uerst gekannt und bewillkommnet sein. Wahrend der altere Teil der Gesellschaft sich mit der Mutter beschaftigte, heftete sich die Aufmerksamkeit des jiingeren Teils auf den fremden Jungling,

der mit gesenktem Blick dastand

und

nicht das

unbekannten Gesichter wieder 2u betrachten. Sein GroBvater machte ihn mit der Gesellschaft bekannt und erkundigte sich nach seinem Vater und den Vorf^len ihrer Reise.

Her2

hatte, die

Die Mutter gedachte der Kaufleute, die unten aus den Pferden geblieben waren. Sie sagte es ihrem Vater, welcher sogleich hinunterschickte und sie einladen lieB herauf2ukommen. Die

Gefalligkeit bei

Pferde

wurden in

die

St^e

gebracht,

und

die Kauf-

leute erschienen.

Schwaning dankte ihnen her2lich fur die freundwaren mit vielen Anwesenden bekannt und begriiBten sich freundlich mit ihnen. Die Mutter wiinschte, sich reinlich ankleiden 2u dixrfen. Schwaning nahm sie schaftliche Geleitung seiner Tochter. Sie

234

auf sein Zimmer, und Heinrich folgte ihnen in gleicher Absicht.

Unter der Gesellschaft war Heinrichen ein Mann aufgefallen, den er in jenem Buche oft an seiner Seite gesehn zn haben glaubte. Sein edles Ansehn 2eichnete ihn vor alien aus. Ein heitrer Ernst

war der

Geist seines Gesichts; eine ofFene, schon gewolbte

durchdringende und feste

Stirn, groBe, schwarze,

Augen, ein schalkhafter Zug

um

den frdhlichen

Mund und

durchaus klare, mannliche Verhaltnisse

machten

bedeutend und anziehend. Er war stark Bewegungen waren ruhig und aus-

es

gebaut, seine

drucksvoll, und wo er stand, schien er ewig stehen zu wollen. Heinrich fragte seinen GroBvater nach ihm. „Es ist mir lieb^‘, sagte der Alte, „daB du ihn gleich bemerkt hast.

Es

Kdingsohr, der Dichter.

ist

mein

trefflicher

Freundschaft kannst du stolzer sein Kaisers.

Aber wie

Freund

Auf seine Bekanntschaft und

stehts

als

auf die des

mit deinem Herzen? Er hat

eine schone Tochter; vielleicht, daB sie den Vater bei dir aussticht, sie nicht

war war

Es

gesehen

sollte

mich wundern, wenn du

hattest.*^

Heinrich errotete. „Ich

zerstreut, lieber GroBvater.

zahlreich,

Freund.**

und

— „Man

ich

merkt

Die Gesellschaft nur Euren

betrachtete

daB du aus Norden „Wir wollen dich soUst schon lernen, nach es,

kommst**, erwiderte Schwaning. hier schon auftauen.

Du

hubschen Augen sehn." Sie waren nun fertig und begaben sich zuriick in den Saal, wo indes die Zuriistungen zum Abendessen gemacht worden waren. Der alte Schwaning fiihrte Heinrich auf Klingsohr zu und erzahlte ihm. 235

daB Heinrich ihn gleich bemerkt und den lebhaftesten Wunsch habe, mit ihm bekannt 2u sein. Heinrich war beschamt. Klingsohr redete freund2u ihm von seinem Vaterlande und seiner Reise.

lich

Stimme, daB sich freimutig mit Heinrich bald ein Her2 faBte ihm unterhielt. Nach einiger Zeit kam Schwaning wieder zu ihnen und brachte die schone Mathilde.

Es lag so

viel Zutrauliches in seiner

und

„Nehmt Euch meines schiichternen Enkels freundan und verzeiht es ihm, daB er eher Euren Vater als Euch gesehn hat. Eure glan2:enden Augen werden schon die schlummernde Jugend in ihm wecken.

lich

In seinem Vaterlande

kommt

der Friihling spat.“

Heinrich und Mathilde wurden einander mit

Verwunderung

kaum horbaren

rot.

Sie sahen

an. Sie fragte ihn mit

Worten, ob er gern tanze.

leisen

Frage bejahte, fing eine frohliche Tan2musik an. Er bot ihr schweigend seine Hand; Eben, sie

als er die

gab ihm die

ihrige,

und

sie

mischten sich in die

Reihe der wabenden Paare. Schwaning und Klings-

ohr sahen zu. Die Mutter und die Kaufleute freuten sich

uber Heinrichs Behendigkeit und seine

liebliche.

Tanzerin, Die Mutter hatte genug mit ihren Jugend-

freundinnen zu sprechen, die ihr zu einem so wohl-

und so hofFnungsvollen Sohn Gluck

gebildeten

wiinschten. Klingsohr sagte zu Schwaning: „Etier

Enkel hat ein anziehendes Gesicht. Er zeigt ein klares

und umfassendes Gemut, und

kommt

tief

aus

dem

Herzen.^^



seine

„Ich

Stimme

hoffe^^, er-

widerte Schwaning, „daB er Euer gelehriger Schuler sein wird.

Mich

Euer Geist

deucht, er

komme

ist

xiber ihn.

zum Dichter geboren. Er

sieht

seinem Vater

und

ahnlich; nur scheint et weniger heftig

war

sinnig. Jener

in seiner

Jugend voll

eigen-

gliicklicher

Anlagen. Eine gewisse Freisinnigkeit fehlte ihm. Es hatte

mehr

aus

ihm werden konnen

als

ein fleiBiger

fertiger Kiinstler/" — Heinrich wiinschte den Tanz nie m. endigen. Mit innigem Wohlbehagen ruhte sein Auge auf den Rosen seiner Tanzerin. Ihr unschuldiges Auge vermied ihn nicht. Sie schien der

nnd

Geist ihres Vaters in der lieblichsten Verkleidung.

Aus ihren groBen^ ruhigen Augen sprach ewige Jugend. Auf einem lichthimmelblauen Grunde lag der milde Glanz der braunen Sterne. Stirn und Nase senkten sich izierlich um sie her. Eine nach der aufgehenden Sonne geneigte Lilie war ihr Gesicht, und von dem schlanken weiBen Halse schlangelten sich blaue Adern in reizenden Windungen um die zarten Wangen. Ihre Stimme war wie ein femes Echo, und das braune lockige Kopfchen schien liber der leichten Gestalt nur zu schweben. Die Schiisseln kamen herein, und der Tanz war aus. Die altern Leute setzten sich auf die eine Seite,

und

die jungern

nahmen

die andere ein.

Heinrich blieb bei Mathilden. Eine junge Ver-

wandte

setzte sich

zu seiner Linken, und Klingsohr

saB ihm gerade gegeniiber. So wenig Mathilde sprach,

so gesprachig war Veronika, seine andere Nachbarin.

mit ihm vertraut und machte ihn in Anwesenden bekannt. Heinrich verhdrte manches. Er war noch bei seiner Tanzerin Sie tat gleich

kurzem mit

alien

und hatte sich gern ofters nach rechts gewandt. Klingsohr machte ihrem Plaudern ein Ende. Er fragte ihn nach

dem Bande mit

sonderbaren Figuren, das 257

Heinrich an seinem Leibrocke befestigt hatte. Heinrich erzahlte von der Morgenlanderin

mit vieler Ruh-

rung. Mathilde weinte,und Heinrich konnte nun seine

Tranen kaum verbergen. Er geriet dariiber mit ihr ins Gesprach. Alle unterhielten sich; Veronika lachte und scherzte mit ihren Bekannten. Mathilde erzahlte ihm

von Ungarn, wo ihr Vater sich oft auf hielt, und von dem Leben in Augsburg. Alle waren vergniigt. Die Musik verscheuchte die Zuriickhaltung und rei^te alle Neigungen zn einem muntern Spiel. Blumenkorbe dufteten in voller Pracht auf dem Tische, und der Wein schlich zwischen den Schiisseln und Blumen umher, schiittelte seine goldnen Fliigel und stellte bunte Tapeten zwischen die Welt und die Gaste. Heinrich begriff erst jetzt, was ein Fest sei. Tausend frohe Geister schienen ihm um den Tisch zu gaukeln und in stiller Sympathie mit den frohlichen Menschen von ihren Freuden zu leben und mit ihren Geniissen sich zu berauschen. Der LebensgenuB stand wie ein klingender Baum voll goldener Friichte vor ihm. Das Ubel lieB sich nicht sehen, und es diinkte ihn unmoglich, daB je die menschliche Neigung von diesem Baume zu der gefahrlichen Frucht des Erkenntnisses, zu dem Baume des Krieges sich gewendet haben soUte. Er verstand nun den Wein und die Speisen. Sie schmeckten ihm liberaus kostlich, Ein himmlisches Ol wiirzte sie ihm, und aus dem Becher funkelte die Herrlichkeit des irdischen Lebens. Einige Madchen brachten

dem

alten

Schwaning einen frischen Kranz. Er setzte ihn auf, kuBte sie und sagte: „Auch unserm Freund Klingsohr miiBt ihr einen bringen, wir wollen beide zum

Dank euch ein paar neue Lieder lehren. Das meinige Er gab der Musik ein Zeichen Stimme:

soUt ihr gleich haben/‘

nnd sang mit

lauter

Sind wir nicht geplagte Wesen? 1st nicht

unser Los betriibt?

Nur 2u Zwang und Not In Versteilung nur

erlesen.

geiibt,

Dxirfen selbst nicht unsre Klagen

Sich aus unserm Busen wagen.

Allem, was die Eltern sprechen, Widerspricht das voile Hera.

Die verbotne Frucht au brechen, Fiihlen wir der Sehnsucht Schmera,

Mochten gern die siiBen Knaben Fest an unserm Heraen haben.

Ware

au denken Siinde? Gedanken doch. Was bleibt einem armen Kinde AuBer sixBen Traumen noch? Will man sie auch gern verbannen, dies

Zollfrei sind

Nimmer aiehen

Wenn

sie

von dannen.

wir auch des Abends beten,

Schreckt uns doch die Einsamkeit,

Und au

unsern Kussen treten

Sehnsucht und GeMligkeit.

Kdnnten wir wohl widerstreben, AUes, aUes hinaugeben?

259

Unsre

Rei5:e zu. verhiillen,

Schreibt die strenge Mutter vor.

Ach! was Quellen

der gute Willenj

hilft

sie nicht selbst

empor?

Bei der Sehnsucht innrem Beben

MuB

das beste

Band

sich geben.

Jede Neigung zu YerschlieBen, Hart und kalt zu sein wie Stein,

Schone Augen nicht zu griiBen, FleiBig und allein zu sein, Keiner Bitte nachzugeben: HeiBt das wohl ein Jugendleben?

GroB

sind eines

Ihre Brust

ist

Madchens Plagen,

krank und wund,

Und zum Lohn

fur

stille

Klagen

sie noch ein welker Mund. Wird denn nie das Blatt sich wenden

KiiBt

Und

das Reich der Alten enden?

Die alten Leute und die Junglinge lachten. Die Madchen erroteten und lachelten abwarts, Unter tausend Neckereien wurde ein zweiter Kranz geholt

und Klingsohr

um

aufgesetzt. Sie baten aber instandig

keinen so leichtfertigen Gesang. „Nein^^, sagte

Klingsohr, „ich werde mich wohl hxiten, so frevel-

Yon euren Geheimnissen zu reden. Sagt selbst, was ihr fur ein Lied haben wollt.^^ — „Nur nichts Yon Liebe^*, riefen die Madchen, „ein Weinlied, wenn es

haft

Euch

»

An

ansteht."^

Klingsohr sang:

Auf griinen Bergen wird geboren Der Gott, der uns den Himmel bringt. Die Sonne hat ihn sich erkoren,

DaB

sie

mit Flammen ihn dnrchdringt.

Er wird im Lenz mit Lust empfangen, Der zarte SchoB quillt still empor, Und wenn des Herbstes Friichte prangen, Springt auch das goldne Kind hervor. Sie legen ihn in enge

Wiegen

Ins unterirdische GeschoB.

Er traumt von Festen und von Siegen

Und

baut sich manches luftge SchloB.

Es nahe keiner

seiner

Kammer,

Wenn er sich ungeduldig drangt Und jedes Band und jede Klammer Mit jugendlichen KrMten sprengt.

Denn

unsichtbare Wachter stellen,

Solang er traumt, sich

um ihn her;

Und wer betritt die heilgen Schwellen, Den trMt ihr luftumwundner Speer* Sowie die Schwingen sich entfalten, LaBt er die lichten Augen sehn, LaBt ruhig seine Priester schalten

Und kommt

heraus,

wenn

sie

ihm

flehn.

Wiege dunkelm SchoBe Erscheint er im Kristallgewand;

Aus

seiner

Nwdss, Gesammcite Wcxht

x

241

Verschwiegner Eintracht voile Rose Tragt er bedeutend in der Hand.

Und

um ihn versammeln

iiberall

Sich seine Jiinger hocherfreut,

Und

tausend frohe

Ihm

ihre Lieb

Er

spritet in

Sein innres

Zungen stammeln und Dankbarkeit.

ungezahlten Strahlen

Leben in die Welt,

Die Liebe nippt aus seinen Schalen Und bleibt ihm ewig ^ugesellt.

Er nahm

Von

als

Geist der goldnen Zeiten

jeher sich des Dichters an,

Der immer

seine Lieblichkeiten

In trunknen Liedern aufgetan.

Er gab ihm,

seine Treu zn ehren, auf Recht jeden hiibschen Mund, Ein Und daB es keine darf ihm wehren, Macht Gott dutch ihn es alien kund.

„Ein schoner Prophet!"^ riefen die Madchen. Schwaning freute sich herzlich. Sie machten noch einige Einwendungen, aber es half nichts. Sie muBten ihm die siiBen Lippen hinreichen. Heinrich schamte sich nur vor seiner ernsten Nachbarin, sonst hatte er sich laut uber das Vorrecht der Dichter gefreut. Veronika war unter den Kranztragerinnen. Sie kam frohUch zuriick und sagte zu Heinrich: „Nicht wahr, es ist

242

hubsch,

wenn man

ein Dichter ist

Heinrich

getraute sich nicht, diese Frage zu benuteen.

Der

libermut der Freude und der Ernst der ersten Liebe kampften in seinem Gemiit, Die reizende Veronika scher2 te mit den andern,

nnd so gewann er Zeit, den

ersten etwas zn dampfen. Mathilde erzahlte ihm, daB sie die Gitarre spiele.

sagte Heinrich,

„von

Euch mochte ich sie lernen. Ich habe mich lange damach gesehnt/" — „Mein Vater hat mich nnterrichtet. Er spielt sie unvergleichlich^', sagte sie errotend.



„daB ich

„Ich glaube doch"^, erwiderte Heinrich,

sie schneller bei

Euch

lerne,

mich, Euren Gesang zu horen/" nicht zuviel von“

Wie

freue ich

— „Stellt Euch nur

~ „0!“ sagte Heinrich, „was sollte

ich nicht erwarten konnen, da Eure bloBe

schon Gesang

Musik

ist

und Eure

Rede

Gestalt eine himmlische

verkiindigt/*

Mathilde schwieg. Ihr Vater fing ein Gesprach mit

ihm

an, in

welchem Heinrich mit der

lebhaftesten

Begeisterung sprach. Die Nachsten wunderten sich iiber des

Jiinglings Beredsamkeit, iiber die Fiille

Gedanken. Mathilde sah ihn mit Aufmerksamkeit an. Sie schien sich iiber seine Reden zu freuen, die sein Gesicht mit den sprcchendsten Mienen noch mehr erklarte. Seine Augen glanzten ungewohnlich. Er sah sich zuweilen nach Mathilden um, die iiber den Ausdruck seines Gesichts erstaunte, Im Feuer des Gesprachs ergriff er unvcrmerkt ihre Hand, und sie konnte nicht umhin, manches, was er sagte, mit einem leisen Dmck zu bestatigen. Klingsohr wuBte seinen Enthusiasmus zu unterhalten und lockte aUinahlich seine ganze Seele seiner bildlichen

stiller

auf die Lippen. Endlich stand

alles

auf.

Alles

245

schwarmte durcheinander. Heinrich war an Mathildens Seite geblieben. Sie standen unbemerkt ab-

Er hielt ihre Hand und kiiBte sie 5:artlich. Sie liefi sie ihm und blickte ihn mit unbeschreiblicher Freundlichkeit an. Er konnte sich nicht halten, neigte sich 2u ihr und kiiBte ihre Lippen. Sie war uberrascht und erwiderte unwillkiirlich seinen heiBen KuB. „Gute Mathilde!'' — „Lieber Heinrich!"' Das war warts.

alles,

was

seine

Hand und ging unter die a xdern. Heinrich im Himmel. Seine Mutter kam auf ihn zvl.

sie

einander sagen konnten. Sie driickte

stand wie

Er

lieB seine

gan^e Zartlichkeit an ihr aus. Sie sagte: daB wir nach Augsburg gereist

„Ist es nicht gut,

sind? Nicht wahr, es gefallt dir ?“ sagte Heinrich, „so habe ich es

Es

~ „Liebe Mutter",

mir doch nicht vor-

ganz herrlich." Der Rest des Abends verging in unendlicher Frohlichkeit. Die Alten spielten, plauderten und

gestellt.

ist

sahen den Tanzen zu. Die Musik wogte wie ein

Lustmeer im Saale und hob die berauschte Jugend.

Heinrich

fiihlte die

entzuckenden Weissagungen

und Liebe zugleich. Auch Mathilde lieB sich wiUig von den schmeichelnden Wellen tragen und verbarg ihr zartliches Zutrauen, ihre aufkeimende Neigung zu ihm nur hinter einem leichten Flor. Der alte Schwaning bemerkte das kommende Verstandnis und neckte beide. Klingsohr hatte Heinrichen Keb gewonnen und der ersten Lust

Die andern Jiinglinge bald bemerkt. Sie zogen die

freute sich seiner Zartlichkeit.

und Madchen hatten ernste Mathilde mit

es

dem jungen

Thiiringer auf

und

verhehlten nicht, daB es ihnen lieb

sei,

Mathildeos

Aufmerksamkeit nicht mehr bei ihren Her^zensgeschaften scheuen zn diirfen,

Es war

tief in

der Nacht,

einanderging. ,Das erste

als die Gesellschaft aus-

und

einaige Fest meines

Lebens^5 sagte Heinrich za sich selbst, als er allein

war und

seine Mutter sich ermiidet zur

Ruhe

geiegt

mir nicht zumute wie in jenem Traume beim Anblick der blauen Blume? Welcher sonderhatte. Jst

Zusammenhang ist zwischen Mathilden und Blume? Jenes Gesicht, das aus dem Kelche sich mir entgegenneigte, es war Mathildens himmlisches Gesicht, und nun erinnere idb mich auch, es in jenem Buche gesehn zu haben, Aber warum hat es dort meinHerz nicht so bewegt? O! sie ist der bare

dieser

sichtbare Geist des Gesanges, eine wtirdige Tochter

wird mich in Musik auflosen. Sie wird meine innerste Seele, die Hiiterin meines heiligen Feuers sein. Welche Ewigkeit von Treue fuhle ich in mir Ich ward nur geboren, um sie zu verehren, um ihr ewig zu dienen, um sie zu denken und zu empfinden. Gehort nicht ein eigenes ungeteiltes Dasein zu ihrer Anschauung und Anbetung» ihres Vaters. Sie

I

und bin ich der Gliickliche, dessen Wesen das Echo, der Spiegel des ihrigen sein darf ? Es war kein Zufall, daB ich sie am Ende meiner Reise sah, daB ein den hochsten Augenblick meines Lebens umgab, Es konnte nicht anders sein; macht ihre Gegenwart nicht alles festlich?^

seliges Fest

Er

am

trat ans Fenster,

Das Chor der Gestirne stand

dunkeln Himmel, und im Morgen kiindigte ein weiBer Schein den kommenden Tag an.

Mit voUem Entziicken rief Heinrich aus: „E^ch, ihr cwigen Gestirne, ihr stillen Wandtex, euch mfe ich zu Zeugen meines heiligen Schwurs an. Fiir Mathilden will ich leben, und ewige Treue soil mein

Hcrz an das ihrige kniipfen. Auch mir bricht der Morgen eines ewigen Tages an. Die Nacht ist vorliber. Ich ziinde der aufgehenden Sonne mich selbst zum nie vergliihenden Opfer an."*' Heinrich war erhitzt, und nur spat gegen Morgen schlief er ein.

In wunderliche Traume flossen die

Gedanken seiner Seele zusammen. Ein defer bkuer Strom schimmerte aus der griinen Ebene herauf. Auf der glatten Flache schwamm ein Kahn. Mathiide saB und ruderte. Sie war mit Kranzen geschmuckt, sang

und sah nach ihm mit siiBer Wehwar beklommen. Er wuBte nicht warum. Der Himmel war heiter, die Flut ruhig.

ein einfaches Lied

mut heriiber.

Seine Brust

Ihr himmlisches Gesicht spiegelte sich in den Wellen.

Auf einmal

Kahn

umzudrehen, Er und legte das Ruder in den Kahn, der sich immerwahrend drehte. Eine ungeheure Bangigkeit ergriif ihn. Er sturzte sich in fing der

an, sich

rief ihr angstlich zu. Sie lachelte

den Strom; aber er konnte nicht

Wasser trug ihn. Sie wlnkte, sie schien ihm etwas sagen zn woUen, der Kahn schopfte schon Wasser; doch fort, das

mit einer unsaglichen Innigkeit und sah den Wirbel hinein. Auf einmal zog es sie hinunter. Eine leise Luft strich iiber den Strom, der ebenso ruhig und gl^end floB wie vorher. Die entsetzliche Angst raubte ihm das BewuBtsein. Das Herz schlug nicht mehr. Er kam erst zu sich, als er sich auf trocknem Boden fuhlte. Er mochte weit

lachelte sie

heiter in

geschwommen sein, Es war eine fremde Gegend. Er wxiBte nicht, wie ihm geschehen war. Seixi Gemiit war verschwunden. Gedankenlos ging er tiefer ins Land. Entsetzlich matt fiihlte er sich. Eine kleine Quelle kam aus einem Hiigel, sie tonte wie lauter Glocken. Mit der Hand schdpfte er einige Tropfen

und

durren Lippen. Wie ein banger Traum lag die schreckliche Begebenheit hinter ihm. Immer weiter und weiter ging er, Blumen und Baume redeten ihn an. Ihm wurde so wohl und heimatlich zn Sinne. Da horte er jenes einfache Lied wieder. Er lief den Tonen nach. Auf einmal hielt ihn jemand am Gewande zuruck. „Lieber Heinrich*"^, rief eine bexietzte seine

kannte Stimme. Er sah sich um, und Mathilde schloB

„Warum

ihn in ihre Arme.

Herz?^‘ sagte sie tiefatmend. einholen.^" Heinrich weinte.

du vor

mir, liebes

„Kaum konnte ich dich Er drucfcte sie an sich.





„Siehst

nicht seine blauen Wellen iiber uns?**

Er sah

„Wo du

liefst

ist

hinauf,

Haupte.

unsem

der Strom?** tief er mit Trancn.

und der blaue Strom

„Wo

floB leise liber

ihrem

sind wir, Hebe Mathilde?** -- „Bei

Eltern.**



„Bl^iben wit zusammen?**



sie, indem sie ihre Lippen an die und ihn so umschloB, daB sie nicht wieder von ihm konnte. Sie sagte ihm ein wunderbares geheimes Wort in den Mund, das sein ganzes Wesen durchklang. Er woUte es wiederholen, als sein GroBvater rief und er aufwachte. Er hatte sein Leben datum geben mogen, das Wort noch zu

„Ewig**, versetzte seinigen driickte

wissen.

247

Siebentes Kapitel

und bot ihm Guten Morgen. Er ward munter und fiel Klingsohr um den Hals. „Das gilt Euch nicht'', sagte Schwaning. Heinrich lachelte und verbarg sein Erroten an den Wangen seiner Mutter. „Habt Ihr Lust, mit mir vor der Stadt auf einer Klitigsohr Stand vor seinem Bette

freundlich

schonen Anhdhe zu fruhstiicken

sagte Klingsohr.

„Der herrliche Morgen wird Euch erfrischen. Kleh det Euch an. Mathilde wartet schon auf uns.^" Heiarich dankte mit tausend Freuden fur diese wiUkommene Einladung. In einem Augenblick war er fertig und kiifite Klingsohr mit vieler Inbrunst die Hand. Sie gingen zu Mathilden, die in ihrem einfachen Morgenkleide wunderliebHch aussah und ihn freundlich gruBte. Sie hatte

schon das Fruhstiick in

ein

Korbchen gepackt, das sie an den einen Arm hing und die andere Hand unbefangen Heinrichen reichte. Klingsohr folgte ihnen, und so wandelten die Stadt, die

sie

durch

schon voUer Lebendigkeit war, nach

einem kleinen Hugel am Flusse, wo sich unter einigen hohen Baumen eine weite und voile Aussicht ofFnete. „Habe ich doch schon oft^^, rief Heinrich aus, „mich an dem Aufgang der bunten Natur, an der friedlichen Nachbarschaft ihres mannigfaltigen Ei-

gentums ergotzt; aber eine so schopferische und gediegene Heiterkeit hat mich noch nie heute. Jene Fernen sind mir so nah,

und

erfiillt

wie

die reiche

mir wie eine innere Phantasie, Wie veranderlich ist die Natur, so unwandelbar auch ihre

Landschaft

ist

Oberflache zu sein scheint.

248

Wie

anders

ist sie,

wenn

ein Engel^

wenn

neben uns ist, vor uns klagt oder ein Bauer uns erzahlt, wie ungiinstig die Witterung ihm sei und wie notig er diistre Regentage fiir seine Saat brauche. Euch, teuerster Meister, bin ich dieses Vetgniigen schuldig; ja, dieses Vergniigen, dean es gibt kein anderes Wort, was wahrhafter den Zustand meines Herzens ausdriickte. Freude, Lust und Entziicken sind nur die Glieder des Vergniigens, das sie 2u seinem hohern Leben verkniipft/" Er driickte Mathildens Hand an seinHerz und versank mit einem feurigen Blick in ihr mildes, empfangliches Auge. „Die Natur“, versetzte Klingsohr, „ist fiir unser

wenn

als

ein kraftigerer Geist

ein Notleidender

Gemiit, was ein Korper

fiir

das Licht

ist.

Er

halt es

zuriick; er bricht es in eigentiimliche Farben; er

ziindet auf seiner Oberflache oder in seinem Innern

ein Licht an, das,

wenn

es seiner

Dunkelheit gieich-

und durchsichtig macht, wenn es von ihm ausgeht, um andere Korper za erleuchten. Aber seibst der dunkelste Korper kann durch Wasser, Feuer und Luft dahin gebracht werden, daB er hell und glanzend wird/*^ kommt, ihn

klar

sie iiberwiegt,

,

Jch verstehe Euch,

lieber Meister.

Die Menschen

sind Kristalle fur unser Gemiit. Sie sind die durchsichtige Natur. Liebe Mathilde, ich

mdchte Euch

einen kostlichen, lautem Saphir nennen. Ihr seid klar und durchsichtig

mit

dem

traut

Aber

ob ich recht habe: mich

Meister,

gerade,

wie der Himmel, Ihr erieuchtet

nuldesten Lichte.

wenn man am

ist,

m5chte.“

am

sagt mir, lieber diinkt,

daB man

innigsten mit der Natur ver-

wenigsten von ihr sagen konnte und

„Wie man anderes

ist es

das nimmt‘", versetzte Klingsoht; „ein

mit der Natur fur unsern GenuB und

unset Gemxit, ein anderes mit der Natur fur unsern Verstand, fur das leitende

Man muB

Vermogen unseret

Welt-

wohl hiiten, nicht eins iiber das andere zu yergessen. Es gibt viele, die nur die eine Seite kennen und die andere geringschatzen. Abet beide kann man vereinigen, und man wird sich wohl dabei befinden. Schade, daB so wenige darauf denken, sich in ihrem Innern frei und geschickt bewegen zu konnen und dutch eine gehorige Trennung sich den zweckmaBigsten und natiirlichsten Gebrauch ihrer Gemiitskr^te zu sichern. Gewohnlich hindert eine die andere, und so entsteht allm^ich eine unbehulfIicheTr%heit,daB,wenn nun solcheMenschen krafte.

sich

einmal mit gesamten Krtften aufstehen wollen, eine gewaltige Verwirrung alles

und

ein Streit beginnt, sodaB

ubereinander ungeschickt herstolpert. Ich kann

Euch nicht genug anriihmen, Euren Verstand, Euren naturlichen Trieb, zu wissen, wie alles sich begibt

und untereinander nach Gesetzen der Folge zusammenh^gt, mit FleiB und Miihe zu unterstiitzen. Nichts

ist

dem

Dichter unentbehrlicher

als Einsicht

Natur jedes Geschafts, Bekanntschaft mit den Mitteln,jedenZweckzu erreichen,undGegenwart des Geistes, nach Zeit und Umstanden die schicklichsten zu wahlen. Begeisterung ohne Verstand ist unnxitz und geifahrlich, und der Dichter wird wenig Wxinder tun konnen, wenn er selbst iiber Wunder erstaunt/^ in die

„Ist abet dem Dichter nicht ein inniger Glaube an die menschhche Regierung des Schicksals iment-

behrhch?^*

„UnentbeIirlicli allerdings, well er sich das Schicfcsal nicht anders vorstellen

wcnn

kann,

er reiflich

dariiber nachdenkt ; aber wie entfernt ist diese heitere

GewiBheit von jener angstlichen UngewiBbeit, von jener blinden Furcht des Aberglaubens.

Und

so

ist

auch die kiihle, belebende Warme eines dichterischen Gemiits gerade das Widerspiel von jener wilden Hitze eines kranklichen Herzens. Diese ist arm, be-

taubend und voriibergebend; jene sondert aUe Ge~ stalten rein ab, begiinstigt die Ausbildung der mannigfaltigsten Verhaltnisse und ist ewig dutch sich selbst. Der junge Dichter kann nicht kiihl, nicht besonnen genug sein. Zur “wahren, melodischen Gesprachigkeit gehort ein weiter, aufmerksamer und ruhiger Sinn. Es wird ein verworrnes Geschwatz, wenn ein reiBender Strom in der Brust tobt und die Aufmerksamkeit in eine zitternde Gedankenlosigkeit aufldst. Nochmals wiederhole ich, das echte Gemiit ist wie das Licht, ebenso ruhig und empfindlich, ebenso elastisch und durchdringlich, ebenso machtig und ebenso unmerklich wirksam als dieses kostliche Element, das auf alle Gegenstande sich mit feiner Abgemessenheit verteilt

und

sie alle in reizen-

der Mannigfaltigkeit erscheinen KBtreiner Stahl, ebenso empiindiich licher Glasfaden

und ebenso

Der Dichter ist

wie ein zerbrech-

hart wie ein unge-

schmeidiger Kiesel/* „Ich habe das schon zuweilen gefiihlf', sagte Heinrich, „daB ich in den innigsten Minuten weniger

wo ich frei umhergehn und alle Beschaftigungen mit Lust treiben konnte. Ein geistiges scharfes Wesen durchdrang

lebendig war als zu andern Zeiten,

251

mich dann, und ich durfte jeden Sinn nach Gefallen brauchen, jeden Gedanken wie einen wirklichen

Korper umwenden und von alien Seiten betrachten. Ich stand mit stillem Anteil an der Werkstatt meines Vaters

und

freute mich,

wenn

ich

ihm

helfen

und

etwas geschickt zustande bringen konnte. Geschick-

ganz besondern starkenden Rek, wahr, ihr BewuBtsein verschafFt einen

lichkeit hat einen

und

es ist

dauerhafteren und deutlicheren

GenuB als jenes tiber-

fiieBende Gefiihl einer unbegreiflichen,iiberschweng'

lichen Herriichkeit/^

„Glaubt nicht“, sagte Klingsohr, „daB ich das let2tere tadle;

aber es

muB von

selbst

kommen und

nicht gesucht werden. Seine sparsame Erscheinung ist

ermudend und schwagenug sich aus der die es hinterl^t, und zn

wohltatig; ofterer wird sie

chend.

Man kann

nicht schnell

suBen Betaubung reiBen, einer

regelm^igen und miihsamen Beschaftigung Es ist wie mit den anmutigen Morgen-

zuriickkehren.

man nur wenn man nicht geraten und so in

traumen, aus deren einschlaferndem Wirbel

mit Gewalt sich herausziehen kann, in

immer

driickendere Miidigkeit

krankhafter Erschopfung nachher den ganzen

Tag

hinschleppen will/‘

„Die Poesie will vorzuglich'^, fuhr Klingsohr fort, Kunst getrieben werden. Als bloBer Ge-

„als strenge

nuB hort

sie auf,

Poesie zu sein. Ein Dichter

muB

Tag miiBig umherlaufen und auf und Gefiihle Jagd machen. Das ist ganz der verkehrte Weg. Einreines, offenes Gemiit, Gewandtheit im Nachdenken und Betrachten und Geschick-

nicht den ganzen Bilder

lichkeit, alle seine

Fahigkeiten in eine gegenseitig

belebende Tatigkeit za verseteen und darin

za. er-

halten, das sind die Erfordernisse unserer Kunst.

Wenn

Ihr

Euch mir

iiberlassen wollt, so soli kein

Tag Euch vergehen, wo Ihr nicht Eure Kenntmsse bereichert uud einige niitzliche Einsichten erlaugt habt. Die Stadt ist reich an Kiinstlern aller Art.

Es

gibt einige erfahme Staatsmanner, einige gebildete

Kaufleute hier. Man kann ohne groBe Umstande mit alien Standen, mit alien

nissen

und

Gewerben, mit alien Verhalt-

Erfordernissen der menschlichen Gesell-

schaft sich bekannt machen. Ich will

Euch mit Freu-

den in dem HandwerksmaBigen unserer Kunst unterdie merkwiirdigsten Schriften mit Euch konnt Mathildens Lehrstunden teilen, und sie wird Euch gern die Gitarre spielen lehren. Jede Beschaftigung wird die librigen vorbereiten, und

richten

und

lesen. Ihr

wenn Ihr so Euren Tag gut angelegt habt, so werden Euch das Gesprach und die Freuden des gesellschaftlichen schaft

Abends und die Ansichten der schonen Landumher mit den heitersten Geniissen immer

wieder xiberraschen/"

^Welches herriiche Leben schlieBt Ihr mir auf, liebster Meister. Unter Eurer Leitung werde ich erst merken, welches edle Ziel vor mir steht und wie ich erreichen hoffen darf/* es nur dutch Euren Rat

m

KJingsohr umarmte ihn zartlich. Mathilde brachte ihnen das Friihstiick, und Heinrich fragte sie mit

zum Begleiter wolle. annehmen Schiiler zum Unterrichts und

zirtUchet Stimme, ob sie ihn gern ihres

„Ich werde wohl ewig Euer Schuler bleiben% sagte er,

indem

sich Klingsohr

nach einer andem Seite

wandte. Sie neigte sich unmerklich

2zu

ihm

bin*

Er

sie und kuBte den weichen Mund des erNur sanft bog sie sich von ihm MMchens. rotenden v?eg, doch reichte sie ihm mit der kindlichsten Anmut eine Rose, die sie am Busen trug. Sie machte

umschlang

sich mit

ihrem Korbchen zu tun. Heinrich sah ihr

mit stillem Entziicken nach, kiiBte die Rose, heftete sie an seine Brust und ging an Klingsohrs Seite, der

nach der Stadt hiniibersah.

„Wo seid Ihr hergekommen?“ fragte Klingsohr. ~ „t)ber jenen Hugel herunter"^, erwiderte Heinrich. „In jene Feme verliert sich unser Weg.“ — „Ihr miiBt schone

Gegenden gesehn

haben.^"^

— •

„Fast

ununterbrochen sind wir durch reizende Landschaften gereiset.''



„Auch Eure

Vaterstadt hat



„Die Gegend ist abwechselnd genug; doch ist sie noch wild, und ein groBer FluB fehlt ihr. Die Strome sind die Augen einer Landschaft.'^ — „Die Erzahlung Eurer Reise“^, sagte Klingsohr, „hat mir gestern abend eine angenehme Unterhaltung gewahrt. Ich habe wohl ge merkt, daB der Geist der Dichtkunst Euer freundlicher Begleiter ist. Eure Gefahrten sind unbemerkt seine Stimmen geworden. In der Nahe des Dichters

wohl

eine anmutige Lage?^^

bricht die Poesie liberall aus.

Das Land der

Poesie,

Euch mit seiner siiBen Wehmut begriiBt der Krieg hat Euch in seiner wilden Herrlichkeit angeredet, und die Natur und Geschichte sind Euch unter der Gestalt eines Bergmanns und eines Einsiedlers begegnet.""' „Ihr vergeBt das Beste, lieber Meister, die himmlische Erscheinung der Liebe. Es hangt nur von Euch das romantische Morgenland, hat ;

ab, diese

^54

Erscheinung mir auf ewig festzuhalten.“



„Was

meinst rief Klingsohr, indem er sich zu Mathilden wandte, die eben auf ihn zukam. „Hast du Lust, Heinrichs unzertrennliche Gefahrtin zn sein ?

Wo du bleibst, bleibe ich auch/* Mathilde erschrak, sie flog in die

Arme

ihres Vaters. Heinrich zitterte

in unendlicher Freude. geleiten

woUen,

lieber

„Wird

Vater

er

mich denn ewig

— „Frage ihn selbst“,

sagte Klingsohr geriihrt. Sie sah Heinrichen mit der

innigsten Zartlichkeit an. „Meine Ewigkeit ist ja dein

Werk^‘, rief Heinrich, indem ihm die Tranen iiber die bluhenden Wangen stiirzten. Sie umschkngen sich zugleich. Klingsohr faBte sie in seine Arme. „Meine Kinder*^, rief er, „seid einander treu bis in den Tod! Liebe und Treue werden euer Leben zur ewigen Poesie machen.“

Achtcs Kapitei,

Nachmittags fiihrte Klingsohr seinen neuen Sohn, an dessen Gliick seine Mutter und GroBvater den zartlichsten Anteil nahmen

und Mathilden wie seinen und machte

Schutzgeist verehrten, in seine Stube

ihn mit den Biichern bekannt. Sie sprachen nachher

von

Poesie.

„Ich weiB

nicht"‘, sagte

fur Poesie nach gemeiner Weise hMt,

Natut

flit

einen Poeten ausgibt. Sie

alien Zeiten.

Es

ist

man es wenn man die

Klingsohr, ,,'wamm

in ihr, wie in

ist

es nicht

zu

dem Menschen, ein

dumpfe Begierde und und Tragheit, die einen mit der Poesie fiihren. Er ware ein

entgegengesetztes Wesen, die die stumpfe Gefiihllosigkeit rastlosen Streit

schoner Stoff zu einem Gedicht, dieser gewaltige ^55

Kamp£ Manche Landet und

Zeiten scheinen, wie die meisten Menschen, ganz unter der BotmaBigkeit dieser Feindin der Poesie zu stehen, dagegen in an-

dern die Poesie einheimisch und liberall sichtbar ist. Fiir den Geschichtsschreiber sind die Zeiten dieses

Kampfes auBerst merkwiirdig, reizendes

und belohnendes

ibre Darstellung ein

Geschaft.

Es sind

ge-

wohnlich die Geburtszeiten der Dichter. Der Widersacherin ist nichts unangenehmer, als daB sie der Poesie gegenuber selbst zu einer poetischen Person

wird und nicht seiten in der Hitze die Waffen mit ihr tauscht und von ihrem eigenen heimtiickischen Geschosse heftig getroifen wird, dahingegen

die

Wunden der Poesie, die sie von ihren eigenen WafFen und sie nur noch reizender und machen/^ gewaltiger „Der Krieg iiberhaupt^', sagte Heinrich, „scheint mir eine poetische Wirkung. Die Leute glauben sich fur irgendeinen armseligen Besitz schlagen zu mussen und merken nicht, daB sie der romantische Geist aufregt, um die unniitzen Schlechtigkeiten durch sich selbst zu vernichten. Sie fxihren die Waffen fiir die Sache der Poesie, und beide Heere folgen eimr unsichtbaren Fahne/^

erhalt, leicht heilen

„Im

Kriege^^^, versetzte

Urgewasser.

Neue

Klingsohr, „regt sich das

Weltteile sollen entstehen, neue

Geschlechter sollen aus der groBen Auflosung anschieBen,

Der wahre Krieg

ist

der Religionskrieg;

der geht geradezu auf Untergang,

und der Wahnsinn

der Menschen erscheint in seiner v5lligen Gestalt. Viele Kriege, besonders die

dem

NationalhaB ent-

springen, geh5ren in diese Klasse mit,

xmd

sie sind

echte Dichtungen. Hier sind die

wahren Helden

m

Hause, die das edelste Gegenbild der Dichter, nichts anderes

als unwillkiirlich

von Poesie durchdrungene

Weltkrafte sind, Ein Dichter, der 2ugleich Held ware,

schon ein gottlicher Gesandter, aber seiner Dar-

ist

stellung ist unsere Poesie nicht gewachsen/"

„Wie versteht Ihr das, lieber Vater?“ sagte Hein„Kann ein Gegenstand 2u iiberschwenglich fiir

rich.

die Poesie sein?"'

„Allerdings.

sagen,

fiir

Nur kann man im Grunde

die Poesie, sondern

schen Mittel und Werkzeuge.

nur

fiir

Wenn

nicht

unsere

es

irdi-

schon

fiir

einen eixrzelnen Dichter nur ein eigentiimliches Gebiet gibt, innerhalb dessen er bleiben

muB,

um nicht

Haltung und den Atem zu verlieren, so gibt es auch fiir die ganze Summe menschlicher Krafte eine

alle

bestimmte Grenze der Darstellbai^eit,

iiber

welche

hinaus die Darstellung die ndtige Dichtigkeit

und

Gestaltung nicht behalten kann und in ein leeres, tauschendes Unding sich verliert. Besonders

als

Lehr-

kann man sich nicht genug vor diesen Ausschweifungen hiiten, da eine lebhajfte Phantasie nur gar zu gern nach den Grenzen sich begibt und iibermiitig das Unsinnliche, ObermaBige zu ergreifen und auszusprechen sucht. Reifere Erfahrung lehrt erst, jene UnverhaitnismaBigkeit der Gegenstande zu vermeiden und die Aufspiirung des Einfachsten und Hdchsten der Weltweisheit zu iiberlassen. Der altere ling

Dichter steigt nicht hoher,

um

als er es

liche

Ordnung zu

stellen,

und

hiitet sich

Mannigfaltigkeit zu verlassen, die 17

gerade ndtig hat,

seinen mannigfaltigen Vorrat in eine leichtfaB-

NcmJis^ Gewminclte WcxIec 1

ihm

wohl, die

Stoff

genug 257

und auch

die notigen Vergleichspunkte darbietet.

muB in jeder Dichtung dutch den regelmaBigen Plot der Otdnung schimmern. Den Reichtum der Erfindung macht nut Ich mochte fast sagen, das Chaos

eine leichte

Zusammenstellung faBlich und anmutig,

dagegen auch das bloBe EbenmaB die unangenehme Diitre einer Zahlenfigur hat.

Die beste Poesie

liegt

uns ganz nahe, und ein gewohnlicher Gegenstand

den Dichter ist an beschtankte Werkzeuge gebunden, und eben dadurch wird sie zur Kunst. Die Sprache uberhaupt hat ihren bestimmten Kreis. Noch enger ist der Umfang einer besondern Volkssprache. Dutch

ist

nicht selten iht liebster

StoflF.

Fiir

die Poesie

Obung und Nachdenken

lernt der Dichter seine

Sprache kennen. Er weiB, was er mit ihr leisten kann,

genau und wird keinen torichten Versuch machen, sie iiber ihre

Krafte anzuspannen.

er alle ihre Krafte in einen

Nur

selten wird

Punkt zusammendr^gen,

denn sonst wird er ermiidend und vernichtet selbst die kostbare Wirkung einer gut angebrachten KraftauBerung. Auf seltsame Spriinge richtet sie nur ein Gaukler, kein Dichter ab. Oberhaupt konnen die Dichter nicht genug von den Musikern und Malern lernen. In diesen Kiinsten wird es recht auffaUend, wie notig es ist, wirtschaftlich mit den Hulfsmitteln der Kunst umzugehn, und wieviel auf geschickte Verhaltnisse ankommt. Dagegen kdnnten freilich jene Kiinstler auch von uns die poetische Unabhangigkeit und den innem Geist jeder Dichtung und Erfindung, jedes echten Kunstwerks uberhaupt, dankbar annehmen. Sie sollten poetischer und wir musikalischer

258

und malerischer

sein



beides nach

der Art und Weise unserer Kuixst.

Zweck

der

Der

StofF ist

der Kunst, aber die Ansfuhrung

mcht

ist es.

Du wirst selbst seben, welche Gesange dir am besten geraten, gewiB die, deren Gegenstande dir laufigsten

man

und gegenwartigsten

sind.

am

ge~

Daher kann

sagen, daB die Poesie gam: auf Erfahrung be-

weiB selbst, daB mir in jungen Jahten ein Gegenstand nicht leicht zu entfernt und zu unbekannt sein konnte, den ich nicht am liebsten besungen hatte. Was wurde es ? Ein leeres, armscliges Wortgerausch, ohne einen Funken wahrer Poesie. Daher ist auch ein Marchen eine sehr schwierige Aufgabe, und selten wird ein junger Dichter sie gut ruht. Ich

losen.*^

„Ich mochte gern eins von dir

horen^'^,

sagte

Heinrich. „Die wenigen, die ich gehdrt habe, haben mich unbeschreiblich ergotzt, so unbedeutend sie

auch sein mochten/^ „Ich will heute abend deinen Wunsch befriedigen. Es ist mir eins erinnerlich, das ich noch in ziemlich jungen Jahren machte, wovon es auch noch deutliche Spuren an sich tragt, indes wird es dich vielleicht desto lehrreicher unterhaiten und dich an manches erinnern,

was ich

dir gesagt habe.'*

„Die Sprache", sagte Heinrich, „ist wirklich eine kleine Welt in Zeichen imd Tdnen. Wie der Mensch sie beherrscht, so mochte er gern die groBe Welt beherrschen xxnd sich frei darin ausdriicken konnen. Und eben in dieser Freude, das, was auBer der Welt ist, in ihr zu offenbaren, das tun zu konnen, was eigentlich der urspriingliche Trieb unseres Daseins ist,

liegt der

Ursprung der Poesie."

„Es

recht xiber^ sagte Klingsohr, „daB die

ist

besondem Namen hat und die Dichter besondere Zunft ausmachen. Es ist gar tiichts

Poesie einen eine

Besonderes. Es

ist

die eigentumliche Handlungs-

weise des menschlichen Geistes. Dichtet und trachtet nicht jeder

Mensch

in jeder Minute?''

Mathilde ins Zimmer,

„Man die



Eben

trat

Klingsohr noch sagte: betrachte nur die Liebe. Nirgends wird wohl als

Notwendigkeit der Poesie

Menschheit so klar

als in ihr.

nur die Poesie kann fur ist selbst

sie

Bestand der ist stumm,

sprechen.

Oder

nichts als hochste Naturpoesie.

will dir nicht Dinge sagen,die

„Du bis t

zum

Die Liebe

j

die Liebe

Doch

ich

du besser weiBt als ich,"

Vater derLiebe",sagteHeinrich,indem

a der

er Mathilden umschlang und beide seine Hand kiiBten.

Klingsohr umarmte

sie

und ging

hinaus. „Liebe

Mathilde", sagte Heinrich nach einem langen Kusse,

mir wie ein Traum, daB du mem bist, aber noch wunderbarer ist es mir, daB du es nicht immer „es

ist

gewesen bist," kennte dich

— „Mich dunkt", sagte Mathilde, „kh undenklichen Zeiten." — „Kannst

seit

du mich denn lieben?" •— „Ich weiB nicht, was Liebe aber das kann ich dir sagen, daB mir ist, als finge ich erst jetzt zu leben an, und daB ich dir so gut bin, daB ich gleich fur dich sterben wollte," — „Meine Mathilde, erst jetzt fuhle ich, was es heiBt, unsterblich zvL sein." — „Lieber Heinrich, wie unendlich gut

ist,

bist du,

welcher herrliche Geist spricht aus

dir.

Ich

MMchen." — „Wie du mich tief besch^stl Bin ich doch nur durch dich, was ich bin, Ohne dich ware ich nichts. Was ist ein Geist ohne Himmel, und du bist der Himmel, der bin ein armes, unbedeutendes

260

mich tragt und erhait/" — „ Welches sclige Geschopf ware ich, wean du so treu warst wie mein Vater. Meine Mutter starb kurz nach meiner Geburt; mein Vater weint fast alie Tage noch um sie/" -- ^,Ich verdiene es nicht, aber ich mdchte gliicklicher sein als er/‘



„Ich lebte gern recht lange an deiner Seite,

lieber Heinrich. Ich

werde durch dich gewiB

viel

— ^jAch! Mathilde, auch der Tod wird uns nicht trennen/^ — „Nein, Heinrich, wo ich bin, wirst du sein.^^ — „ Ja, wo du bist, Mathilde, werd ich ewig sein/‘ — „Ich begreife nichts von der Ewigkeit, aber besser/^

ich dachte, das miiBte die Ewigkeit sein,

empfinde,

was ich

— „ Ja, Mathilde, lieben/* — „Du glaubst

wenn ich an dich denke."'''

wir sind ewig, weil wir uns nicht, Lieber, wie inbriinstig ich heute friih, wie wir nach Hause kamen, vor dem Bilde der himmlischen

Mutter niederkniete, wie uns%lich ich zu ihr gebetet habe. Ich glaubte in Tranen zu zerflieBen.

Es kam

mir vor, als lachelte sie mir zu. Nun weiB ich erst, was Dankbarkeit ist.‘" — „0 Geliebte, der Himmel hat dich mir zur Verehmng gegeben. Ich bete dich an. Du bist die Heilige, die meine Wiinsche zu Gott bringt, durch die er sich mir ofFenbart, durch die er mir die gion

Fiille seiner

als ein

Liebe kundtut.

Vereinigung liebender Herzen? melt

Was ist

die Reli-

unendliches Einverstandnis, eine ewige

sind, ist er ja

Wo

zwei versam-

unter ihnen. Ich habe ewig an dir

zu atmen; meine Brust wird nie aufhoren, dich in sich zu ziehn. Du bist die gottliche Herrlichkeit, das ewige Leben in der lieblichsten Hiille/" — „Ach! Heinrich, du weiBt das Schicksal der Rosen; wirst

du auch

die

welken Lippen, die bieichen Wangen

mit Zartlichkeit an deine Lippen driicken? Werden die Spuren des Alters niclit die Spuren der voriiber-

gegangenen Liebe sein?'"' — „0! koimtest du durch meine Augen in mein Gemiit sehni Aber du liebst mich, und so glaubst du mir auch. Ich begreife das nicht, was man von der Verganglichkeit der Reize sind unverwelklich. Was mich so un^erzn dir zieht, was ein ewiges Verlangen in mir geweckt bat, das ist nicht aus dieser Zeit. Kdnntest du nur sehn, wie du mir erscheinst, welches wunderbare Bild deine Gestalt durchdringt und mir sagt.

OI

sie

trennlich

liberall

entgegenleuchtet,

du

wiirdest kein Alter

Deine irdische Gestalt ist nur ein Scbatten dieses Bildes. Die irdischen Krafte ringen und quellen, um es festzuhalten, aber die Natur ist noch un-

furchten.

reif;

das Bild

ist

ein ewiges Urbild, ein Teil der

unbekannten heiligen Welt/' lieber Heinrich,

ich dich anschaue." ist

uns naher,



„Ich verstehe dich,

denn ich sehe etwas Ahnliches, wenn

— „ Ja, Mathilde, die hohere Welt

wir gewohnlich denken. Schon hier und wir erblicken sie auf das innigste

als

leben wir in ihr,

mit der irdischen Natur verwebt/' — „Du wirst mir noch viel herrliche Sachen offenbaren, Geiiebtester/' — „0 Mathilde, von dir allein kommt mir die Gabe der Weissagung. Alles ist ja dein, was ich habe; deine Liebe wird mich in die Heiligtiimer des Lebens, in das AHerheiligste des Gemiits fiihren; du wirst mich za den hochsten Anschauungen begeistern. Wer weiB, ob unsre Liebe nicht dereinst noch 2u Fktnmenfittichen wird, die uns aufheben und uns in unsre himmJische Heimat tragen, ehe das Alter 1

und der Tod uns 262

erreichen. Ist es nicht schon ein

Wimdetj daC du mein

hist,

daB ich dich in meinen

Armen halte, daB du mich liebst and ewig mein



wilist?^^

ich

„Auch mir

fiilile ja

so deutlich eine

stilie

sein

gkublich, und

ist jet2:t alles

Flamme

mir

in

wer weiB, ob sie uns nicht verklart und die irdischen Banden allmahlich auflost. Sage mir nur, Heinrich, ob du auch schon das grenzenlose Ver-

lodern;

trauen za mir hast, das ich zu dir habe.

Noch

nie

hab ich so etwas gefiihlt, selbst nicht gegen meinen Yztct, den ich doch so unendiich liebe/" ~ „Liebe Mathilde, es peinigt mich ordentlich, daB ich dir nicht alles auf einmal sagen, daB ich dir nicht gleich mein gauzes Herz auf einmal hingeben kann. Es ist auch zum erstenmal in meinem Leben, daB ich ganz ofFen bin. Keinen Gedanken, keine Empfindung kann ich vor dir mehr geheim haben; du muBt aiies

Mein ganzes Wesen soil ich mit dem dekiigen vermischen. Nur die grenzenloseste Hingebung kann wissen.

meiner Liebe geniigen. In ihr besteht

sie ja. Sie ist ja

ein geheimnisvoUes ZusammenflieBen unsers geheimsten

und

eigentiimlichsten Daseins/^



^Heinrich,

so kdnnen sich noch nie zwei Menschen geliebt haben.^*

— „Ich kanns nicht glauben. Es gab ja noch — „Auch keinen Heinrich.^ —

keine Mathilde/"

,,Ach! schwor es mir noch einmal, daB bist; die

Liebe

ist

du ewig mein

eine endlose Wiederholung.’"

,Ja, Heinrich, ich schwore, ewig dein

zu



sein, bei

der unsichtbaren Gegenwart meiner guten Mutter/' — „Ich schwore, ewig dein zu sein, Mathilde, so

wahr

die Liebe die

Gegenwart Gottes bei uns

ist/'

Eine lange Umarmung, unzahlige Kusse besiegelten den ewigen Bund des seligen Paares, 265

Neuntes Kapitel

Abends waren

Gaste da; der GtoBvater trank die Gesundheit des jnngen Brautpaares und versprach, bald ein schones Hochzeitsfest auszueinige

„Was hilft das lange Zaudern?^ sagte der „Fruhe Hochzeiten, lange Liebe. Ich babe immer gesehn, daB Ehen, die friih geschlossen wurrichten,

Alte.

den,

am

gliicklichsten waren. In spatern Jahren

gar keine solche Andacht

mehr im Ehestande

ist

als in

der Jugend. Eine gemeinschaftlich genoBne Jugend ist

ein xin2:erreiBliches Band.

sicherste

Grund

Die Erinnemng

der Liebe.'"

ist

der

Nach Tische kamen

mehrere. Heinrich bat seinen neuen Vater

um

die

Erfullung seines Versprechens. Klingsohr sagte zn der Gesellschaft: „Ich habe heute Heinrichen versprochen, ein

Marchen zu

erzahlen.

zufrieden seid, so bin ich bereit."



Wenn

ihr es

^^Das ist ein

von Heinrich'", sagte Schwaning. „Ihr Each horen lassen." AUe setzten sich um das lodernde Feuer im Kamin. Heinrich saB dicht bei Mathilden und schlang seinen kluger Einfall

habt lange nichts von

Arm um

sie.

Klingsohr begann:

„Die lange Nacht war eben angegangen. Der alte Held schlug an seinen Schild, daB es weit umher in den oden Gassen der Stadt erklang. Er wiederholte das Zeichen dreimal. Da fingen die hohen bunten Fenster des Palastes an,

werden, und

wegten sich

von innen heraus

ihre Figuren

bewegten

sich. Sie be-

lebhafter, je starker das rotliche Licht

Auch sah und Mauern standen sie im reinsten

ward, das die Gassen zu erleuchten begann.

man

allmahiich die gewaltigen Saulen

selbst sich erhellen; endlich

264

helle zu

milchblauen Schimmer iind spielten mit den sanftesten Farben. Die gan2e Gegend ward nun sicht-

und der Widerschein der Figuren, das Getiimmel der SpieBe, der Schwerter, der Schilder und der Helme, die sich nach hier und da erscheinenden Kronen von alien Seiten neigten und endlich wie diese verschwanden und einem schlichten griinen bar,

Kranze Plate machten,

um

Kreis schlossen:

dies spiegelte sich in

alles

starren Meere, das

diesen her einen weiten

den Berg umgab, auf

dem dem die

Stadt lag, xind auch der feme Berggiirtel, der sich rund um das Meer her20g, ward bis in die Mitte mit einem milden Abglanz iiberzogen. Man konnte nichts deutlich unterscheiden; doch horte man ein Wunderliches Getose heriiber, wie aus einer fernen ungeheuren Werkstatt. Die Stadt erschien dagegen hell

und

klar.

Ihre glatten, durchsichtigen

Mauern

warfen die schdnen Strahlen zuruck, und das vor-

EbenmaB, der edie Stil aller Gebaude und Zusammenordnung kam zum Vorschein. Vor alien Fenstern standen zierliche GefaBe von Ton, voil der mannigfaltigsten Eis- und Schneeblumen, treffliche

ihre schone

die auf das anmutigste funkelten.

Am herrlichsten nahm sich auf dem groBen Platze vor dem Palaste der Garten aus, der aus Metallbaumen und Kristallpflanzen bestand und mit bunten Edelsteinbliiten und -friichten iibersaet war. Die und Zierhchkeit der Gestalten und Lebhaftigkeit der Lichter und Farben gewahrten

Mannigfaltigkeit die

das herrlichste Schauspiel, dessen Pracht durch einen

hohen Springquell

in der Mitte des Gartens, der

Eis erstarrt war, vollendet wurde.

zu

Der Held ging vor 265

den Toren des Palastes langsam voriiber. Eine Stimme rief seinen Namen im Innern. Er lehnte sich an das Tor, das mit einem sanften Klange sich difnete, und trat in den Saal. Seinen Schild hielt er vor die Augen. ,Hast du noch nichts entdeckt?' sagte die schone Tochter Arkturs mit klagender Stimme. Sie lag an seidnen Polstern auf einem Throne, der von einem groBen Schwefelkristall

kiinstlich erbaut war,

nnd einige Madchen rieben emsig ihre zarten Glieder, die wie aus Milch und Purpur zusammengeflossen schienen. Nach alien Seiten strdmte unter den Handen der Madchen das reizende Licht von ihr aus, das den Palast so wundersam erleuchtete. Ein duftender Wind wehte im Saale. Der Held schwieg. ,LaB mich deinen Schild beruhren*, sagte sie sanft. Er naherte sich dem Throne und betrat den kostlichen Teppich. Sie ergriff seine Hand, driickte sie mit Zartlichkeit an ihren himmlischen Busen und ruhrte seinen Schild an. Seine Riistung klang, und eine durchdringende Kraft beseelte seinen Korper.

Seine

Augen

blitzten,

und

das

Herz pochte horbar

an den Panzer. Die schone Freya schien heiterer, und das Licht

ward brennender, das von

,Der Konig

kommtT

im Hintergrunde

ihr ausstromte.

rief ein prachtiger

Vogel, der

des Thrones saB. Die Dienerinnen

legten eine himmelblaue

Decke

liber die Prinzessin,

den Busen bedeckte. Der Held senkte seinen Schild und sah nach der Kuppel hinauf, zu welcher zwei breite Treppen von beiden Seiten des Saals sich hinaufschlangen. Eine leise Musik ging dem Konige voran, der bald mit einem zahlreichen Gefolge in der Kuppel erschien und herunterkam. die sie bis liber

266

Der schone Vogel entfaltete seine glanzenden Schwingen, bewegte sie sanft und sang, wie mit tausend Stimmen, dem Konige entgegen: Nicht lange wird der schone Fremde saumen. Die Warme naht, die Ewigkeit beginnt. Die Konigin erwacht aus langen Traumen,

Wenn Meer nnd Land in Liebesglut zerrinnt. Die

kalte

Wenn

Nacht wird diese

Statte

raumen,

Fabel erst das alte Recht gewinnt.

In Freyas SchoB wird sich die Welt entzunden Und jede Sehnsucht ihre Sehnsucht finden.

Der Konig umarmte

seine Tochter mit Ztolich-

Die Geister der Gestirne stellten sich um den Thron, und der Held nahm in der Reihe seinen Platz ein. Fine unz^lige Menge Sterne fiillten den Saal in zierlichenGruppen. Die Dienerinnen brachten einen Tisch und ein Kastchen, worin eine Menge Blatter lagen, auf denen heihge, tiefsinnige 2^ichen standen, die aus lauter Sternbildern zusammengesetzt waren. keit.

Der Konig kiiBte ehrforchtsvoll diese Blatter, mischte sie sorgfaltig untereinander und reichte seiner TochDie andern behielt er fur sich* Die Prinzessin zog sie nach der Reihe beraus und legte sie auf den Tisch, dann betrachtete der Konig die seinigen genau und w^te mit viclem Nachdenken, ehe er eins dazu hinlegte. Zuweilen schien er gezwungen zu sein, dies oder jenes Blatt zu wahien* Oft aber sah man ihm die Freude an, wenn er dutch ein gut getroffenes Blatt eine schdne Harmonic der ter einige zu.

Zeichen und Figuren legen konnte, Wie das Spiel 267

man an

alien Umstehenden Zeichen der und die sonderbarsten MieTeilnahme lebhaftesten nen und Gebarden, gleichsam als hatte jeder ein unsichtbares Werkzeug in Handen, womit er eifrig

anfing, sah

arbeite.

Zugleich lieB sich eine sanfte, abet

wegende Musik

in der Luft horen, die

tief be-

von den im

Saale sich Wunderlich durcheinander schlingenden

Sternen

und den

xibrigen sonderbaren

Bewegungen

m entstehen schien. Die Sterne schwangen

sich, bald

langsam,bald schnell, in bestandig veranderten Linien

umher und bildeten, nach dem Gange der Musik,

die

Figuren der Blatter auf das kunstreichste nach. Die

Musik wechselte, wie die Bilder auf dem Tische, unaufhorlich, und so minderlich und hart auch die tJbergange nicht selten waren, so schien doch nur em einfaches Thema das Ganze zu verbinden. Mit einer unglaublichen Leichtigkeit flogen die Sterne

den Bildern nach. Sie waren bald in

einer

groBen

Verschlingung, bald wieder in einzelne Haufen schon

Zug wie ein Funken, bald kam durch immer wachsende kleinere Kreise und Muster wieder erne groBe, uberraschende Figur zum Vorschein. Die geordnet, bald zerstaubte der lange Strahl in unzahlige

bunten Gestalten in den Fenstern blieben wahrend dieser Zeit ruhig stehen,

Der Vogel bewegte

unauf-

horlich die HiiUe seiner kostbaren Federn auf die

mannigfaltigste Weise.

Der

alte

Held hatte

bisher

auch sein unsichtbares Geschaft emsig betrieben, als auf einmal der Koaig voll Freuden ausrief: ,Es wird alles

daB

gut! Eisen, wirf sie erfahren,

das Schwert

z68

wo

von der

du dein Schwert in die Welt, Der Held riB

der Friede ruht.^ Hiifte, stellte es

mit der Spitze

gen Himmel, dann

ergriffer es tind

warf es aus dem

geoffneten Fenster liber die Stadt

Wie

und das Eismeer. dutch die Luft und schicn an Berggiirtel mit hellem Klange zu zersplittem,

ein

dem denn

Komet flog

es

fiel

es

in lauter

Funken herunter.

Zu

der Zeit lag der schone Knabe Eros in seiner Wiege und schlummerte sanft, wahrend Ginnistan, seine Amme, die

Wiege schaukelte und seiner Milch-

schwester Fabel die Brust reichte. Ihr buntes Halssie xiber die Wiege ausgebreitet, daB die brennende Lampe, die der Schreiber vor* sich stehen hatte, das Kind mit ihrem Scheme nicht beunruhigen mochte. Der Schreiber schrieb unver-

tuch hatte hell

drossen, sah sich nur xuweiien mxirrisch nach den

Kindern

um und

sichter, die

schnitt der

Amme

finstere

Ge-

ihn gutmiitig anlachelte und schwieg.

Der Vater der Kinder ging immer ein und aus, indem er jedesmal die Kinder betrachtete und Ginnistan freundlich begriiBte. Er hatte unauf horlich dem Schreiber etwas zu sagen. Dieser yernahm ihn genau, und wenn er es aufgezeichnet hatte, reichte er die Blatter einer edlen, gottergleichen Frau hin, die sich

an einen Altar lehnte, auf welchem eine dunkle Schale mit klarem Wasser stand, in welches sie mit heiterm Lacheln blickte. Sie tauchte die Blatter jedesmal hinein, und wenn sie beim Heraus^iehn gewahr wurde, daB einige Schrift stehen geblieben und glanzend

geworden war, so gab

sie

das Blatt

zunick, der es in ein groBes verdrieBlich zu sein schien,

geblich gewesen

wandte

Buch

wenn

dem

Schreiber

heftete

und

oft

seine Miihe ver-

und alles ausgeldscht war. Die Frau gegen Ginnistan und die Kin-

sich zuzeiten

269

den Finger in die Schale und spfitzte einige Tropfen auf sie hin, die, sobald sie die Amme, das Kind oder die Wiege beriihrten, in einen blauen der, tauchte

Dunst zerrannen, der tausend seltsame Bilder zeigte und bestandig um sie herzog und sich veranderte* Traf einer davon zuf^lig auf den Schreiber, so fielen eine

Menge Zahlen und geometrische Figuren

nie-

mit vieler Emsigkeit auf einen Faden zog und sich zum Zierat um den magern Hals hing. Die Mutter des Knaben, die wie die Anmut und Liebder, die er

lichkeit selbst aussah,

sttodig beschaftigt

kam

oft herein. Sie schien be-

und trug immer irgendein

Stiick

Hausgerate mit sich hinaus; bemerkte es der arg-

wohnische und mit spahenden Blicken sie verfoh gende Schreiber, so begann er eine lange Strafrede, auf die aber kein Mensch achtete. Alle schienen seiner

unniitzenWiderreden gewohnt. Die Mutter gab auf einige Augenblicke der kleinen Fabel die Brust; aber

bald ward sie wieder abgerufen,

Ginnistan das

Kind zuruck,

trinken schien.

Auf einmal

und dann nahm

das an ihr lieber zu

brachte der Vater ein

Stabchen herein, das er im Hofe geDer Schreiber besah es und drehte es mit vieler Lebhaftigkeit herum und brachte bald heraus, daJ3 es sich von selbst, in der Mitte an einem Faden aufgehangt, nach Norden drehe. Ginnistan nahm es auch in die Hand, bog es, driickte es, hauchte es an und hatte ihm bald die Gestalt eiaer Schlange gegeben, die sich nun plotzlich in den Schwanz biB. Der Schreiber ward bald des Betrachtens uberdriissig. Er schrieb alles genau auf und war sehr weitlaufig uber den Nutzen, den dieser Fund gewahren konne. zartes eisernes

funden

hatte.

Wie

argerlich

werk

war er

abet, als sein gauges Schreib-

die Probe nicht bestand

und das Papier weiB

aus der Schale hervorkam. Die

Zuweilen

Amme

spielte fort.

Wiege damit, da fing der Knabe an, wach za werden, schlug die Decke zunick, hielt die eine Hand gegen das Licht und langte mit beriihrte sie die

der andern nach der Schlange.

sprang er

riistig,

Wie

er sie erhielt,

daB Ginnistan erschrak und der

Schreiber beinah vor Entsetzen

vom

Stnhle

fiel,

aus

der Wiege, stand, nur von seinen langen goldnen

Haaren bedeckt, im Zimmer und betrachtete mit unaussprechlicher Freude das Kieinod, das sich in seinen Handen nach Norden ausstreckte und ihn heftig im Innern zu bewegen schien. Zusehends wuchs er. jSophie^, sagte er mit riihrender Stimme zu der Frau, ,la6 mich aus der Schale trinken/ Sie reichte sie ihm ohne Anstand, und er konnte nicht auf horen zu trinken, indem die Schale sich immer voll zu erhalten schien. Endlich gab er sie zuriick, indem er die edle Frau innig umarmte. Er herzte Ginnistan und bat sie um das bunte Tuch, das er sich anstandig um die Huften band. Die kleine Fabel nahm er auf den Arm. Sie schien unendliches Wohlgcfallcn an ihm zu haben und jSng zu plaudern an. Ginnistan machte sich viel um ihn zu schaffen. Sie sah auBerst reizend und leichtfertig aus und drlickte ihn mit der Innigkeit einer Braut an sich. Sie zog ihn mit heimlichen Worten nach der Karnmertur, aber Sophie winkte emsthaft und deutete nach der Schlange; da

kam die Mutter herein, auf die er sogleich zuflog und sie

mit heiBen Tranen bewiUkommnete. Der Schrei-

Der Vater trat und Sohn in stiller Um-

ber war ingrimmig fortgegangen. herein,

armung

und wie

er Mutter

sah, trat er hinter ihren Riicken

zm

reizen-

den Ginnistan und liebkoste sie. Sophie stieg die Treppe hinauf. Die kleine Fabel nahm die Feder des Schreibers und fing zu schreiben an. Mutter und

Sohn sich

und der Kammer, um ihren Armen

vertieften sich in ein leises Gesprach,

Vater schlich sich mit Ginnistan in die

von den Geschaften des Tags

in

kam

zn erholen. Nach geraumer Zeit

Sophie

zuriick.

Der Schreiber trat herein. Der Vater kam aus der Kammer und ging an seine Geschafte. Ginnistan kam mit glizhenden Wangen zuriick. Der Schreiber jagte die kleine Fabel mit vielen Schmahungen von seinem Sitze und hatte einige Zeit notig, seine Sachen in Ordnung zu bringen. Er reichte Sophien die von Fabel vollgeschriebenen Blatter,

zu

um

sie rein zuriick

den auBersten Unvollig glanzend und

erhalten, geriet aber bald in

willen,

wie Sophie die Schrift

unversehrt aus der Schale zog

und

sie

ihm

Fabel schmiegte sich an ihre Mutter, die

nahm und

hinlegte.

sie

an die

Zimmer au^utzte, die Fenster Luft hereinlieB xmd Zubereitungen zu frische oflhete,

Brust

das

einem kostlichen Mahle machte.

Man

sah dutch die

Fenster die herrlichsten Aussichten und einen heitern

Himmel iiber die Erde

gespannt.

der Vater in voUer Tatigkeit.

sah er hinauf ans Fenster,

wo

Auf dem Hofe war

Wenn

et miide war,

Ginnistan stand und

ihm allerhand Naschereien herunterwarf. Die Mutter und der Sohn gingen hinaus, um iiberall zu helfen und den gefaBten EntschluB vorzubereiten. Der Schreiber ruhrte die Feder und machte immer elne

FmtzCy wenn er gendtigt war, Giaaistan um etwas zu fragen, die ein sehr gutes Gedachtnis hatte und alles behielt, was sich izutmg. Eros kam bald in

um die das bunte Tuch wie eine Scharpe gebunden war, zunick und bat Sophie um Rat, wann und wie er seine Reise antreten solie. Der schdner Riistnng,

Schreiber

war vorlaut und woUte

gleich mit

einem

ausfiihrlichen Reiseplan dienen, aber seine VorscHage

wurden iiberhort. ,Du kannst sogleich reisen; GinniStan mag dich begleiten*, sagte Sophie; ,sie weiB mit den Wegen Bescheid und ist uberall gut bekannt. Sie wird die Gestalt deiner Mutter annehmen,

um

nicht in Versuchung 2u fiihren. Findest

Konig, so denke an mich; dann 2 u helfen/

komme

dich

du den

ich,

um dir

Ginnistan tauschte ihre Gestalt mit der Mutter,

woruber der Vater sehr vergniigt zu sein schien; der Schreiber freute sich, daB die beiden fortgingen, besonders da ihm Ginnistan ihr Taschenbuch 2um Abschiede schenkte, worin die Chronik des Hauses umstandlich aufgezeichnet war; nur blieb

Fabel ein

Dorn im Auge, und

ihm die kleine

er hatte,

um

seiner

mehr

ge-

wiinscht, als daB auch sie untcr der Zahl der

Ab-

Ruhe und

Zufriedenheit willen, nichts

reisenden sein mdchte. Sophie segnete die Nieder-

knienden ein und gab ihnen ein GeifaB voU Wasser aus der Schale mit; die Mutter war sehr bekiimmert. Die kleine Fabel ware gem mitgegangen, und der

dem Hause beschaftigt, als hatte nehmen soUen, Es war AnteE daB er lebhaften Nacht, wie sie abreisten, und der Mond stand hoch am Himmel. ,Lieber Eros^ sagte Ginnistan, ,wir Vater war zu sehr auBer

iS

Nm/dis, Gcsainnielte

Wcrkc

i

^T3

mussen eilen, daB wir zu meinem Vater kommen, der mich lange nicht gesehn und so sehnsuchtsvoll mich iiberall auf der Erde gesucht hat. Siehst du wohl sein bleiches, abgeharmtes Gesicht ? Dein Zeugnis wird mich ihm in der fremden Gestalt kenntlich machen.‘

Die Liebe ging auf dunkler Bahn, Vom Monde nur erblickt. Das Schattenreich war aufgetan

Und

seltsam aufgeschmuckt.

Ein blauer Dunst umschwebte Mit einem goldnen Rand, Und eilig zog die Phantasie Sie iiber Strom und Land.

sie

Es hob sich ihre voile Brust In wunderbarem Mut; Ein Vorgefuhl der kunftgen Lust Besprach die wilde Glut.

Die Sehnsucht

klagt^

und wuBt^

es nicht,

DaB Liebe naher kam, Und tiefer grub in ihr Gesicht Sich hoffnungsloser

Gram.

Die kleine Schlange blieb getreu: Sie wies nach Norden hin,

Und

beide folgten sorgenfrei

Der schdnen

274

Fiihrerin.

Die Liebe ging durch Wiistenein

Und

durch der Wolken Land,

Trat in den

Hof des Mondes

ein.

Die Tochter an der Hand.

Er

saB auf seinem Silberthron,

Harm

Allein mit seinem

;

Da hort’ er seines Kindes Ton Und sank in ihren Arm. Eros stand

geriihrt bei

den zartlichen Umarmun-

gen. Endlich sammelte sich der alte erschiitterte

Mann und bewillkommnete

Er ergriff Horn und stieB mit voller Macht hinein. Ein gewaltiger Ruf drohnte dutch die uralte Burg. Die spitzen Tiirme mit ihren glanzenden Knopfen und die tiefen schwarzen Dacher schwankten. Die seinen Cast.

sein groBes

Burg stand seits

stiU,

denn

sie

war auf das Gebirge

jen-

des Meets gekommen. Von alien Seiten stromten

seine Diener herzu, deren seltsame Gestalten

und

Trachten Ginnistan unendlich ergotzten und den tapfern Eros nicht erschreckten. Erstere griiBte ihre alten Bekannten,

und

alle

erschienen vor ihr mit

neuet Starke und in der ganzen Herriichkeit ihter Naturen. Der ungestume Geist der Fiut folgte der sanften Ebbe.

Die

aJten

Orkane legten

sich an die

klopfende Brust der heiBen, leidenschaftlichen Erdbeben. Die zartiichen Regenschauer sahen sich nach

dem bunten Bogen um, der, von der Sonne, die ihn mehr anzieht, entfernt, bleich dastand. Der rauhe Dormer schalt iiber die Torheiten der Blitze hinter den unzahligen Wolken hervor, die mit tausend ^75

Reizen dastanden und die feurigen Jiinglinge lockten.

Die beiden lieblichen Schwestem, Morgen und Abend, freuten sich vor2uglich liber die beiden Ankomnilinge. Sie weinten sanfte Tranen in ihren

Umarmungen. Unbeschreiblich war der Anblick dieses wunderlichen Hofstaats. Der alte Konig konnte sich an seiner Tochter nicht

satt sehen, Sie

fuhlte sich zehnfach glucklich in ihrer vaterlichen

Burg und ward nicht miide, die bekannten Wunder und Seltenheiten 2 u beschauen. Ihre Freude war gmz unbeschreiblich, als ihr der Konig den Schliissel zur Schatzkammer und die Erlaubnis gab, ein Schauspiel fur Eros darin zu veranstalten, das ihn so lange unterhalten kdnnte, bis das Zeichen des Aufbruchs

gegeben wiirde. Die Schatzkammer war ein groBer Garten, dessen Mannigfaltigkeit und Reichtum alle Beschreibung iibertraf. Zwischen den ungeheuren

Wetterbaumen lagen unzahlige Luftschlosser von

immer kostlicher als das GroBe Herden von Schafchen mit silberweiBer, goldner und rosenfarbner WoUe irrten umher, und die sonderbarsten Tiere belebten den Hain. Merkwiirdige Bilder standen hie und da, und die festlichen Aufziige, die seltsamen Wagen, die uberall

uberraschender Bauart, eins andere.

zum Vorschein kamen,

beschaftigten die Aufmerk-

samkeit unaufhorlich. Die Beete standen voll der bxintesten

Biumen. Die Gebaude waren gehauft voll

von Waffen

aller Art, voll

der schonsten Teppiche,

und aller Arten von Geraten und Werkzeugen, in uniibersehlichen Reihen. Auf einer Anhohe erblickten sie ein romantisches Land, das mit StMten und Burgen, mit TernTapeten, Vorhange, Trinkgeschirre

276

peln iind Begrabnissen libersaet war nnd

alle

Anmut

bewohnter Ebencn mit den furchtbaren Reizen der Einode und schroiffer Felsengegenden vereinigte. Die schonsten Farben waren in den gliicklichsten Mischxingen. Die Bergspiteen glanzten wie Lustfener in ihren Eis- und Schneehxillen. Die Ebene lachte im frischesten Griin. Die Feme schmiickte sich mit alien Veranderungen von Blau^ und aus der Dunkelheit des Meeres wehten unzahlige bunte Wimpel von 2ahlreichen Flotten. Hier sah man einen Scbiffbruch im Hintergmnde, und vorne ein landliches frohliches Mabl von Landleuten; dort den schrecklich schonen

Ausbruch eines Vulkans, die Verwiistungen des Erdbebens, und im Vordergrunde ein liebendes Paar unter schattenden

Baumen

in den siiBesten Lieb-

fiirchterliche SchJacht, und voU der lacherlichsten Masken, andern Seite im Vordergrunde einen

kosungen. Abwarts eine unter ihr ein Theater,

Nach

einer

jugendlichen Leichnam auf der Bahre, die ein trostloser Geliebter festhielt,

und

die

weinenden Eltern

daneben; im Hintergrunde eine liebliche Mutter mit

dem Kinde an der Bmst und Engel, sitzend zu ihren FiiBen und aus den Zweigen xiber ihrem Haupte herunterblickend.

Die Szenen verwandelten sich

unaufhorlich und flossen endlich in eine groBe, geheimnisvolle Vorstellung zusammen.

Himmel und

Erde waren in vollem Aufruhr, Alle Schrecken waren losgebrochen. Eine gewaltige Stimme rief zu den Waffen, Ein entsetzHches Heer von Totengerippen, mit schwarzen Fahnen, kam wie ein Sturm von dunkein Bergen herunter und griff das Lcben an, das mit seinen jugendlichen Scharen in der hellen

^77

muntern Festen begriflfen war und sich Es entstand ein entsetzliches Getiimmel; die Erde zitterte, der Sturm brauste, und die Nacht ward von furchterlichen Meteoren erleuchtet. Mit unerhorten Grausamkeiten 2erri6 das Heer der Gespenster die zarten Glieder der Lebendigen. Ein Scheiterhaufen tiirmte sich empor, und unter dem grausenvollsten Geheul wurden die Kinder des Lebens von den Flammen verzehrt. PlotzHch brach aus dem dunkeln Aschenhaufen ein milchblauer Strom nach alien Seiten aus. Die Gespenster wollten die Flucht ergreifen, aber die Flut wuchs

Ebene

in

keines AngrifFs versah.

zusehends xmd verschlang die scheuJBliche Brut. Bald waren alle Schrecken vertilgt. Himmel und Erde flossen in suBe

schone Blume

Musik 2usammen. Eine wunder-

schwamm

glan^end auf den sanften

Wogen. Ein glanzender Bogen schloB sich iiber die Flut, auf welchem gottliche Gestalten auf prachtigen Thronen, nach beiden Seiten herunter, saBen. Sophie saB 2uoberst, die Schale in der

Hand, neben einem

Manne, mit einem Eichenkranze um die Locken und einer Friedenspalme statt des Zepters in der Rechten. Ein Lilienblatt bog sich xiber den Kelch der schwimmenden Blume; die kleine Fabel herrlichen

saB auf demselben Lieder. In

und sang zur Harfe

dem Kelche

schones schlummerndes ihn fest umschlungen

die siiBesten

lag Eros selbst, iiber ein

Madchen hergebeugt,

die

Eine kleinere Bliite schloB sich um beide her, so daB sie von den Hiiften an in em Blume verwandelt zu sein schienen. Eros dankte Ginnistan mit tausend Entziicken. Er

umarmte 278

sie zartlich,

hielt.

und

sie

erwiderte seine Lieb-

kosungen. Ermiidet von der Beschwerde des Weges und den mannigfaltigen Gegenstanden, die er gesehn

nach Bequemlichkeit und Ruhe.

hatte, sehnte er sich

Ginnistan, die sich

von dem schonen

Jiingling leb-

haft ange^ogen fiihlte, hiitete sich wohl, des Trankes

2u erwahnen, den Sophie ihm mitgegeben hatte. Sie ihn 2u einem abgelegenen Bade, zog ihm die

fiihrte

Riistung aus

welchem

sie

und zog selbst ein Nachtkieid an, in fremd und verfuhrerisch aussah. Eros

tauchte sich in die gefahrlichen Wellen

und

stieg

berauscht wieder heraus. Ginnistan trocknete ihn

und

von Jugendkraft gespannten Er gedachte mit gluhender Sehnsucht seiner Geliebten und umfaBte in siiBem Wahne die reizende rieb seine starken,

Glieder,

Ginnistan. Unbesorgt uberlieB er sich seiner unge-

und schlummerte endlich nach den wollustigen Geniissen an dem reizenden Busen stiimen Zartlichkeit

seiner Begleiterin ein.

Unterdessen war zu Hause eine traurige Verande-

rung vorgegangen. Der Schreiber hatte das Gesinde Verschworung verwickelt. Sein feindseliges Gemiit hatte l^gst Gelegenheit gesucht sich des Hausregiments zu bemachtigen und sein in eine gefahrliche

Joch abzuschutteln. Er hatte

sie

gefunden. Zuerst

bemachtigte sich sein Anhang der Mutter, die in

Bande gelegt wurde. Der Vater ward bei Wasser und Brot ebenfalls hingesctzt. Die kleine Fabel horte den Larm im Zimmer. Sie verkroch sich hinter dem Altare, und wie sie bemerkte, daB eine

eiserne

an seiner Riickseite verborgen war, so of&iete mit vieler Behendigkeit und fand, daB eine Treppe in ihm hinunterging. Sie zog die Tiir Tiir

sie dieselbe

279

nach sich und stieg im Dunkeln die Treppe hinunter. Der Schreiber statute mit Ungestiim herein, urn sich an der kleinen Fabel zn rachen und Sophien gefangen zn nehmen. Beide waren nicht zu finden. Die Schale fehlte auch,

und

in seinem

Altar in tausend Stiicke,

Grimme 2erschlug

er den

ohne jedoch die heimliche

Treppe zn entdecken. Die kleine Fabel stieg geraume

Zeit.

Endlich kam

auf einen freien Platz hinaus, der rundherum mit einer prachtigen Kolonnade ge5:iert und durch ein sie

AUe Figuren waren Die Luft war wie ein ungeheurer Schatten; am Himmel stand ein schwar2 er, strahlender Korper. Man konnte alles auf das deutlichste unterscheiden, weil jede Figur einen andern Anstrich von groBes Tor geschlossen war.

hier dunkel.

Schwarz 2eigte und einen lichten Schein hinter warf; Licht

und Schatten schienen

sich

hier ihre Rollen

vertauscht zn haben. Fabel freute sich, in einer neuen

Weltzusein. Sie besah alles mitkindlicherNeugierde.

Endlich

kam sie an

das Tor, vor

welchem auf einem

massiven Postament eine schone Sphinx

lag.

,Was suchst du?^ sagte die Sphinx. ,Mein Eigenturn", erwiderte Fabel. ,Wo kommst du her?" — ,Aus alten Zeiten." ~ ,Du bist noch ein Kind." — ,Und werde ewig ein Kind sein." — ,Wer wird die

Wo sind die — ,Uberall und nirgends", gab die Sphinx izur Antwort. — ,Kennst du mich?" — ,Noch nicht." — Wo ist die Liebe ?" — ,In der Einbildung." — ,Und Sophie?" — Die Sphinx murmelte

beistehn?"



,Ich stehe fur mich.

Schwestern?" fragte Fabel.

,

unvernehmlich vor sich hin und rauschte mit den Fliigeln. , Sophie und Liebe", rief triumphierend 280

Fabel xind ging durch das Tor. Sie trat in die ungeheure Hohle und ging frohlich auf die alten Schwedie bei der karglichen Nacht einer schwarz brennenden Lampe ibr Wunderliches Geschaft triestern

ben. Sie taten nicht,

bemerkten, der

als

ob sie den kleinen Gast Liebkosungen sich ge-

roit artigen

schaftig um sie er2eigte. Endlich krachzte die eine mit rauhen Worten und scheelem Gesicht: ,Was willst

du

hier,

MiiBiggangerin ?

Wer

hat dich ein-

gelassen? Dein kindliches Hxipfen bewegt die

stiile

Flamme. Das Ol verbrennt unniitzerweise. Kannst du dich nicht hinsetzen xind etwas vornehmen?^ — jSchone Base", sagte Fabel, ,am MiiBiggehn ist mir nichts gelegen. Ich muBte recht iiber cure Tiirhiiterin lachen. Sie hatte mich gern an die Brust genommen, aber sie muBte zuviel gegessen haben, sie konnte nicht aufstehn. LaBt mich vor der Tiir sit2en, und gebt mir etwas 2u spinnen; denn hier kann ich nicht gut sehen, und wenn ich spinne, muB ich singen und plaudern diirfen, und das konnte euch in euren ernsthaften

Gedanken

storen."

— ,Hinaus

soUst

du

nicht,

aber in der Nebenkammer bricht ein Strahl der Oberwelt durch die Felsrit2en, da magst du spinnen,

wenn

du so geschickt bist; hier liegen ungeheure Haufen von alten Enden, die drehe 2usammen; aber hiite dich: wenn du saumselig spinnst oder der Faden reiBt, so schlingen sich die FMen um dich her und ersticken dich/ — Die Alte kchte hamisch und sparm. Fabel rafFte einen Arm voU Faden 2usammen, nahm Wocken und Spindel und hiipfte singend in die Kammer, Sie sah durch die OiFnung hinaus und erblickte das Sternbild des Phonix. Froh iiber das

za spinnen, Kammertair ein wenig ofFen und sang halb-

gliickliche Zeichen, fing sie an, lustig iieB die leise:

Erwacht

in euren Zellen,

Ihr Kinder alter Zeit;

LaBt cure Ruhestellen,

Der Morgen

ist

nicht weit.

Ich spinne cure Faden

In

emn Faden

Aus

ist die

ein;

Zeit der Fehden.

Em Leben soilt ihr sein. Ein Leben

Und

lebt in alien

All in jedem auch.

Ein Hera wird in euch wallen

Von

einem Lebenshauch.

Noch seid ihr nichts als Seele, Nur Traum und Zauberei. Geht furchtbar

Und

in die

Hohle

neckt die heilge Drei.

Die Spindel schwang sich mit unglaublicher Beden kleinen FiiJSen, wahrend sie

^tendigkeit awischen

mit beiden Handen den aarten Faden drehte. Unter

dem

Liede wurden unaahlige Lichterchen sichtbar,

die aus der Tiirspalte schliipften

und dutch die Hohle

Larven sich verbreiteten. Die Alten wahrend der Zeit immer murrisch fortgesponnen nnd auf das Jammergeschrei der kleinen Fabel gewartet, aber wie entsetaten sie sich, als auf

in scheuBlichen

hatten

282

einmal eine erschreckliche Nase liber ihre Schultern

guckte und, wie

sie sich

umsahen, die ganze Hofale

voll der graBlichsten Figuren war, die tausenderlei

Unfug

trieben. Sie fiihrea ineinander, heulten

furchterlicher

mit

Stimme und waren vor Schrecken 2u

Stein geworden,

wenn

der Schreiber in die

nicht in diesem Augenblicke

H 5hle

getreten ware

und

eine

Alraunwur^el bei sich gehabt hatte. Die Lichterchen verkrochen sich in die Felsklufte, und die Hohie

wurde gan2

hell,

well die schwarze

Lampe

in der

Verwirrung umgefaUen und ausgeloscht war. Die Alten waren froh, wie sie den Schreiber kommen hbrten, aber voll Ingrimms gegen die kleine Fabel. Sie riefen sie heraus, schnarchten sie furchterlich an

und verboten

ihr,

fortzuspinnen.

Der Schreiber

schmunzelte hohnisch, weil er die kleine Fabel nun in seiner Gewalt 2u ist gut,

daB du hier

haben glaubte, und

sagte: ,Es

bist und 2ur Arbeit angehalten

werden kannst, Ich hoffe, daB es an Ziichtigungen nicht fehlen soil. Dein guter Geist hat dich hergefuhrt. Ich wiinsche dir langes Leben und vlel Vergnxigen.^

— ,Ich danke dir fur deinen guten

Willen*^,

,man sieht dir jetat die gate Zeit an; dir fehlt nur noch das Stundenglas und die Hippe, so siehst du ganz wie der Bruder mciner schdnen Baseii^ sagte Fabel;

aus.

Wenn du G^sespulen brauchst, so zupfe ihnen

nur eine HandvoU zarten Flaum aus den Wangen/ Der Schreiber schien Miene zu machen, iiber sie herzufallen.

Sie lachelte

und

sagte:

,Wenn

dir dein

schoner Haarwuchs und dein geistreiches Auge lieb sind, so nimm dich in acht; bedenke meine Nagel,

du hast nicht viel mehr zu verlieren.^ Er wandte

sich

2g3

Wut zu den Alten, die sich die Angen wischten und nach ibren Wocken umhertappten. Sie konnten nichts finden, da die Lampe ausgeloscht mit verbiBner

war,

und ergossen sich in Schimpfreden gegen FabeL

,LaBt sie doch gehn‘, sprach er tiickisch, ,daB sie euch

Taranteln fange zur Bereitung eures Ols. Ich wollte

euch zu euerm Troste sagen, daB Eros ohne Rast umherfliegt und eure^ Schere fleiBig beschaftigen wird. Seine Mutter, die euch so oft izwang, die

langer zu spinnen, wird

men/ Er kteelte Fabel einige

sich,

Tr^en

morgen

ein

Faden

Raub der Flam-

um zu lachen, wie er sah, daB bei dieser Nachricht vergoB,

gab ein Stuck von der Wurzel der Alten und ging von dannen. Die Schwestern hieBen

naseriimpfend

Stimme Taranteln suchen, noch Ol vorratig hatten, und Fabel elite fort. Sie tat, als ofihe sie das Tor, warf es ungesttim wieder 2u und schlich sich leise nach dem

die Fabel mit zorniger

ohngeachtet

sie

Hintergrunde der Hohle,

wo

eine Leiter herunter-

und kam bald vor Gemach offiiete. umringt von seinen Raten, als

hing. Sie kletterte schnell hinauf eine Falltiir, die sich in Arkturs

Der Kdnig saB Fabel erschien. Die ndrdliche Krone

zierte sein

Haupt. Die Lilie hielt er mit der Linken, die

Wage

Der Adler und Lowe saBen zu seinen FiiBen. ,Monarch‘, sagte die Fabel, indem sie sich ehrfurchtsvoll vor ihm neigte; ,Heil deinem fest-

in der Rechten.

gegriindeten Throne! Frohe Botschaft deinem verwundeten Herzen! Baldige Riickkehr der Weisheit! Ewiges Erwachen dem Frieden! Ruhe der rastlosen

Liebe! turn

284

Verkl^ng

und

des Herzens!

Gestalt der Zukunftl*

Leben dem

Alter-

Der K5nig beriihrte

ihre offene Stim mit der Lilie: ,Was du bittest, sei dir gewahrt/

— ,Dreimal werde ich bitten; wenn ich

mm vierten Male komme, so

ist die Liebe vor der mir die Leier/ — jEridanus, bringe sie her r rief der Konig. Rauschend stromte Eridanus von der Decke, und Fabel 2og die Leier aus seinen

Tiir. Jet 2 t gib

blinkenden Fluten. Fabel tat einige weissagende GrifFe ; der K5nig lieB ihr den Becher reichen, aus

dem

sie

und mit

nippte

vielen Danksagungen hinwegeilte. Sie glitt in reizen-

den Bogenschwiingen iiber das Eismeer, indem sie frohliche Musik aus den Saiten lockte. Das Eis gab unter ihren Tritten die herrlichsten Tone von sich, Der Felsen der Trauer hielt sie fur Stimmen seiner suchenden riickkehrenden Kinder und antwortete einem tausendfachen Echo. Fabel hatte bald das Gestade erreicht. Sie begegnete ihrer Mutter, die abgezehrt

und

bleich aussah,

schlank und ernst geworden war und in edlen Ziigen die Spuren eines hoffnungslosen

Grams und

riihren-

der Treue verriet.

,Was Fabel.

ist

,Du

aus dir geworden, liebe Mutter ?‘ sagte scheinst mir ganzlich verandert;

ohne

inneres Anzeichen hatt ich dich nicht erkannt. Ich hoffte,

mich an deiaer Brust einmal wieder zu

er-

quicken; ich habe lange nach dir geschmachtet.*

Ginnistan liebkoste

sie zartlich

und sah

heiter

freundlich aus. ,Ich dachte es gleich^ sagte

sie,

und ,da6

dich der Schreiber nicht wiirde gefangen haben. Dein Anblick erfrischt mich. Es geht mir schlimm und

knapp genug, aber ich troste mich bald. habe ich einen Augenblick Ruhe. Eros

Viclleicht ist

in der

Nahe, und

wenn

er dich sieht

und du ihm vorplau-

derst, verweilt er vielieicht einige Zeit. Indes kannst

du dich an meine Brust legen; ich will dir geben, was ich habe/ Sie nahm die Kleine auf den SchoB, reichte ihr die Brust und fuhr fort, indem sie lachelnd auf die Kleine hinuntersah, die es sich gut schmecken lieB. ^Ich

bin selbst Ursach, daB Eros so wild und

unbestandig geworden

noch

nicht,

ist.

Aber mich

rent es den-

denn jene Stunden, die ich in seinen

Armen zubrachte, haben mich zur Unsterblichen gemacht. Ich glaubte unter seinen feurigen Lieb-

kosungen zu zerschmelzen. Wie ein himmlischer Rauber schien er mich grausam vernichten und stolz iiber sein bebendes Opfer triumphieren zu wollen. Wir erwachten spat aus dem verbotenen Rausche, in einem sonderbar vertauschten Zustande. Lange

sil-

berweiBe Flxigel bedeckten seine weiBen Schultern

und

die reizende Fiille

und Biegung

seiner Gestalt.

Die Kraft, die ihn so plotzlich aus einem Knaben

2um

Jiinglinge queilend getrieben, schien sich ganz

Schwingen gezogen zu haben, und war wieder zum Knaben geworden. Die stiUe Glut seines Gesichts war in das tandelnde Feuer eines

in die glanzenden er

Irrlichts,

der heilige Ernst in verstellte Schalkheit,

die bedeutende

Ruhe

in kindische Unstetigkeit, der

Anstand in drollige Beweglichkeit verwandelt. Ich fuhlte mich von einer ernsthaften Leidenschaft unwiderstehlich zu dem mutwilligen Knaben gezogen und empfand schmerzlich seinen lachelnden Hohn und seine Gleichgiiltigkeit gegen meine riihrendsten Bitten. Ich sah meine Gestalt verandert. Meine sorglose Heiterkeit war verschwunden und edle

286

Bekiimmemis, einer zartlichen mich mit Eros vor alien Angen yerbergen mogen. Ich hatte nicht das Hers:, in seine beleidigenden Augen zu sehn, und fiihlte mich entsetzlich beschamt und er-

hatte einer traurigen

Schiichternheit Plat2 gemacht. Ich hatte

niedrigt. Ich hatte keinen andern Gedanken als ihn und hatte mein Leben hingegeben, um ihn yon seinen Unarten zu befreien. Ich muBte ihn anbeten, so tief

er auch alle meine Seit der Zeit, floh, so riihrend

Empfindungen krankte. er sich aufmachte und mir entich auch mit den heiBesten Tranen

wo

ihn beschwor, bei mir zu bleiben, bin ich gefoigt.

Er

ihm liberall

scheint es ordentiich darauf anzulegcn,

mich zu necken.

Kaum habe ich ihn erreicht, so fiiegt

er tiickisch weiter. Sein

Bogen

richtet uberall

Ver~

Unund habe doch selbst Trost notig, Ihre Stimmen, die mich rufen, zeigen mir seinen Weg, und ihre wehmiitigen Klagcn, wenn ich sie wieder verlassen muB, gehen mir tief zu Herzen, Der Schreiber verfoigt uns mit entsctzlicher Wut und racht sich an den armen GetrofFenen. Die Frucht wiistungen an. Ich habe nichts zu tun,

als die

gliicklichen zu trosten,

jener geheimnisvollen

Menge

Nacht waren eine zahlrciche

wunderlicher Kinder, die ihrem GroBvatet

und nach ihm genannt sind. Gefliigelt wie ihr Vater, begleiten sie ihn bestandig und plagen

ahnlich sehn

die

Armen,

die sein Pfeil

trifft.

Doch

da

kommt

der

Frohiichen Zug. Ich muB fort; lebe wohl, siiBes Kind. Seine Nahe erregt meine Leidenschaft. Sei gliicklich in deinem Vorhaben.* ~ Eros zog weiter,

ohne Ginnistan, die auf ihn zueilte, einen zartlichen Blick zu gdnnen. Aber zu Fabel wandte er sich

und

seine kleinen Begleiter tan2:ten froh-

um sie her.

Fabel freute sich, ihren Milchbruder

freundlich, lich

wiederzxtsehn,

und sang

m ihrer Leier ein munteres

zn wollen und lieJ3 Die Kleinen entschliefen auf dem Rasen. Ginnistan konnte ihn fassen, und er litt ihre zartlichen Liebkosungen. Endlich fing Eros auch an zu nicken, schmiegte sich an Ginnistans SchoB und schlummerte ein, indem er seine Fliigel iiber sie ausbreitete. Unendlich froh war die miide Ginnistan und verwandte kein Auge von dem holden Schlafer. Wahrend des Gesanges waren von alien SeitenTaranLied. Eros schien sich besinnen

den Bogen

teln

zum

fallen.

Vorschein gekommen, die iiber die Gras-

halme ein glanzendes Nete zogen und lebhaft nach

dem Takte nun

an ihren Faden bewegten. Fabel ihre Mutter und versprach ihr baldige

Vom

Felsen tonte der sanfte Widerhall der

trostete Hiilfe.

sich

Musik und wiegte die Schlafer ein. Ginnistan sprengte aus dem wohlverwahrten Gef^ einige Tropfen in die Luft,

und

nieder. Fabel

nahm

das

Reise fort. Ihre Saiten teln folgten

Traume fielen auf sie mit und setzte ihre ruhten nicht, und die Taran-

die anmutigsten

Gef^

auf schnell gesponnenen Faden den be-

zaubemden Tonen. Sie sah bald

stieg.

wie

Traurig sah

sie

die hohe Flamme des den griinen Wald empor-

von weitem

Scheiterhaufens, die iiber sie

gen Himmel und freute

sich,

Sophiens blauen Schleier erblickte, der wal-

lend iiber der Erde schwebte

und auf ewig

die un-

geheure Gruft bedeckte. Die Sonne stand feuerrot

vor Zom am Himmel, die gewaltige Flamme sog an ihrem geraubten Lichte, und so heftig sie es auch an 288

sich zu halten schien, so

ward sie doch immer bleiDie Flamme ward weiCer und machtiger, je fabler die Sonne ward. Sie sog das Licht immer starker in sich, und bald war die Glorie um das Gestirn des Tages veraehrt, und nur als eine matte glanzende Scheibe stand es noth da, indem jede neue Regung des Neides und der Wut den Ausbruch der entfiiehenden Lichtwellen vermehrte. Endlich war nichts von der Sonne mehr iibrig als eine

und

cher

fleckiger*

schwarze, ausgebrannte Schlacke, die heranter ins

Meer

fiel.

Die Flamme war

iiber alien

Ausdruck

glanzend geworden. Der Scheiterhaufen war verzehrt. Sie

hob

sich

nach Norden. Fabei sah; das

langsam in die trat in

Hohe und zog

den Hof, der verodet ausverfallen. Dornstrauchc

Haus war unterdes

wuchsen in den Ritaen der Fenstergesimse, und Ungeziefer aller Art kribbelte auf den zerbrochcnen Stiegen. Sie horte im Zimmer einen cntsetzlichen Larm; der Schreiber und seine Gesellen batten sich an dem Flammentode der Mutter geweidet, waren aber gewaltig erschrocken, wie sie den Untergang der Sonne wahrgenommen batten. Sie batten sich vergeblich angestrengt, die

Flamme

zu loschen, und waren bei dieser Gelegenheit nicht ohne Beschadigungen geblieben. Der Schmera und die Angst preBte ihnen entsetzliche Verwiinschungen und Klagen aus. Sie erschraken noch mehr, als Fabei ins Zimmer trat, und stiirmten mit wiitendem Geschrei auf sie ein,

um an ihr den Grimm ausmlassen.

Fabei schliipfte hinter die Wiege, und ihrc Vcifolger traten ungestiim in das

Gewebe

sich dutch unzahlige Bisse

19

NmtkSf Gesamroelte Werke

1

der Taranteln, die

an ihnen rachten. Der Z89

ganze Haufen fing nun ein lustiges

Lied

an zu tanzen, vrozu Fabel Mit vielem Lachen iiber ihre

toll

spielte.

possierlichen Fratzen ging sie auf die Altars zu

und raumte

sie

weg,

um

Tmmmer

des

die verborgene

sie mit ihrem TarantelDie Sphinx fragte: ,Was kommt plotzlicher als der Blitz — ^Die Rache\ sagte

Treppe zu finden, auf der gefolge hinunterstieg.

— Was ist am verganglichsten ?" — ,Unrechter Besitz.‘ — ,Wer kennt die Welt?‘ — ,Wer sich selbst Fabel.

,

kennt.^—, Was ist das ewige Geheimnis

— ,Bei wem ruht es ?‘ — krummte

sich klaglich,

Sophien.'

und Fabel

,Die Liebe.‘

— Die Sphinx

trat in die

Hohle.

Jiiet bringe ich euch Taranteln", sagte sie zu den

Lampe wieder angeziindet hatten und emsig arbeiteten. Sie erschraken, und die eine

Alten, die ihre

sehr lief

mit der Schere auf

sie zu,

um

sie

zu erstechen.

Unversehens trat sie auf eine Tarantel, und diese stach sie

in den FuB. Sie schrie erbarmlich.

wollten ihr zu Hiilfe

Die andern

kommen und wurden ebenfalls

von den erziirnten Taranteln gestochen. Sie konnten sich nun nicht an Fabel vergreifen und sprangen wild umher. ,Spinn uns gleich‘, riefen sie grimmig der Kleinen zu, ,leichte Tanzkleider. Wir k5nnen uns in den steifen Rocken nicht riihren und vergehn fast vor Hitze, abet mit Spinnensaft muBt du den Faden einweichen, daB er nicht reiBt, und wirke Blumen hinein, die im Feuer gewachsen sind, sonst bist du des Todes.^ — ,Recht gern‘, sagte Fabel und ging in die Nebenkammer. ,Ich will

sagte sie

euch drei

tiichtige Fliegen verschaffen^,

zu den Kretizspinnen, die ihre luftigen Ge-

webe rundum an der Decke und den Wanden 290

an-

geheftet hatten, ,aber ihr rniiOt mir gleich drei

hiibsche leichte Kleider spinaen. Die Blumea> die

hineingewirkt werdea soUea, will ich each gleich

briagea/ Die Kreuzspiaaea warea bereit and fiagcn rasch za weben aa. Fabel schlich sich zar Letter aad

begab sich za Arktar. ,Moaarch‘, sagte sie, ^die Bosea

Gatea raha. 1st die Flamme angehommea?‘ ,Sie ist aagekonimea^ sagte der Koaig* ^Die Nacht ist vorbei, and das Eis schmilzt. Meiae Gattin zeigt sich von weitem. Meine Feindin ist versengt. Alles faagt za lebea aa. Noch darf ich mich nicht sehn lassen, dean alleia bin ich nicht Konig. Bitte, was da willst.‘ — Jch brauche", sagte Fabel, jBltitnen, die im Feaer gewachsen sind. Ich weiB, da hast einen geschickten Gartner, der sie zu ziehen versteht.' ~ ,Zink", rief der Konig, ,gib ans Blumea.® Der Blamengartner trat aas der Reihe, holte eiaea Topf voll Feaer and saete glanzenden Soanenstaab hinein. Es wahrte nicht lange, so flogen die Blumen empor. Fabel sammelte sie in ihre Schiirze and machte sich aaf den Riickweg. Die Spinaen warea fleiBig gewesen, and es fehlte aichts mehr als das Aahcftea der Blamen, welches sie sogleich mit vielem Geschroack and Beheadigkeit beganaen. Fabel hiitete sich wohl, die Eadea abzareiBca, die noch aa den Weberianen hingen. Sie trag die Kleider den ermadetcn Taazerianen hia, die, triefend von SchweiB, umgesaaken warea aad sich eiaige Aagenblicke von der angewohaten Aastrengang erholten. Mit vieler Geschicklichkeit entkleidete sie die hagern Schoaheiten, die es aa taazea, die

Schm&angen

der kleiaen Dienerin nicht fehlca

lieBen,

und zog ihnen

die

neuen Kleider an, die sehr

niedlich gemacht waren und vortrefflich paBten. Sie pries wahrend dieses Geschaftes die Reke und den

liebenswurdigen Charakter ihrer Gebieterinnen, und die

Alten schienen ordentlich erfreut iiber die

Schmeicheleien

und

die Zierlichkeit des Anzuges.

Sie batten sich unterdes erholt

und

neuer Tanzlust beseelt, wieder an, sich herzudrehen, indem langes

sie

von munter um-

fingen,

heimtiickisch der Kleinen

Leben und groBe Belohnungen versprachen.

Fabel ging in die Kammer zuriick und sagte zu den Kreuzspinnen: ,Ihr konnt nun die Fliegen getrost verzehren, die ich in eure

Weben

gebracht babe/

Die Spinnen waren so scbon ungeduldig iiber das HinundherreiBen, da die Enden noch in ihnen waren

und

die Alten so toll

also hinaus

und

umbersprangen;

fielen iiber die

sie

rannten

Tanzerinnen her;

diese wollten sich mit der Schere verteidigen, aber

Fabel hatte

sie in aller Stille

naitgenommen. Sie unter-

lagen also ihren hungrigen Handwerksgenossen, die lange keine so kostUchen Bissen geschmeckt batten

und sie bis auf das Mark aussaugten. Fabel sah durch die Felsenklxift hinaus und erblickte den Perseus mit dem groBen eisernen Schilde. Die Schere flog von selbst dem Schilde zu, und Fabel bat ihn, Eros’ Fliigel damit zu verschneiden und dann mit seinem Schilde die Schwestern zu verewigen und das groBe

Werk zu

vollenden.

Sie verlieB

frdhlich

nun

das unterirdische Reich

zu Arkturs

und

stieg

Palaste,

,Der Flachs ist versponnen. Das Leblose ist wieder entseelt.

29Z

Das Lebendige wird regieren und das Leb-

und gebrauchen. Das Innere wird offenDer Vorhang wird sich bald heben und das Schauspiel seinen Anfang nehmeii. Noch einmal bitte ich, dann spinne kh Tage

lose bilden

bart

und

das Atifiere verborgen,

der Ewigkeit/ riihrte



,Gluckliches Kind", sagte der ge-

Monarch, ,du bist unsre Befreierin."

— ,Ich bin

nichts als Sophiens Pate", sagte die Kleine. ,ErIaube,

daB Turmalin, der Blumengartner, und Gold mich Die Asche meiner Pflegemutter muB ich sammeln, und der alte Trager muB wieder aufstehn, daB die Erde wieder schwebe und nicht auf dem

begleiten.

Chaos

liege."

Der Konig

rief alien dreien

und

Kleine 2u begleiten. Die Stadt war

befahi ihnen, die

und auf den Meer brach und Fabel fuhr

hell,

StraBen war ein lebhafter Verkehr, Das sich brausend an der hohlen Klippe,

auf des Kdnigs

Wagen mit ihren Begleitern hinubcr.

Turmalin sammelte sorgf^tig die auffliegende Asche. Sie gingen rund um die Erde, bis sie an den altcn Riesen kamen, an dessen Schultern sie hinunterklommen. Er schicn vom Schlage gelahmt und konnte kein Glied nihren. Gold legte ihm eine Miinze in den Mund, und der Blumengartner schob eine Schiissel unter seine Lenden. Fabel beriihrte ihm die Augen und goB das GefaB auf seiner Stirn aus. Sowie das Wasser iiber das Auge in den Mund und hemnter liber ihn in die Schiissel fioB, zuckte ein Blitz des

Lebens ihm in alien Muskeln. Er schiug die Augen auf und hob sich riistig empor. Fabel sprang zn ihren Begleitern auf die steigende Erde und bot ihm freundHch Guten Morgen. ,Bist du wieder da, Hebliches ICind?" sagte der Alte; ,habe ich doch immer von dir 195

getraumt. Ich dachte immer,

ehe mir die Erde und die

du wiirdest

Ich habe wohl lange geschlafen/

wieder leicht, wie

sie es

erscheinen,

Augen za schwer warden.



,Die Erde

immer den Guten war^,

Fabel. ,Die alten Zeiten kehren 5:uruck. In

ist

sagte

kurzem

du wieder unter alten Bekannten. Ich will dir frohliche Tage spinnen, und an einem Gehiilfen soli es auch nicht fehlen, damit du zuweilen an unsern Freuden teilnehmen und im Arm einer Freundin Jugend und Starke einatmen kannst. Wo sind unsere alten Gastfreundinnen, die Hesperiden?^ ~ ^An Sobist

phiens Seite. Bald wird ihr Garten wieder bliihen

und die goldene Frucht duften. Sie gehen umher und sammeln die schmachtenden Pflanzen/ Fabel entfernte sich und eilte dem Hause zu. Es war zu volligen Ruinen geworden. Efeu umzog die Mauern. Hohe Biische beschatteten den ehemaligen Hof, und weiches Moos polsterte die alten Stiegen. Sie trat ins Zimmer. Sophie stand am Altar, de;r wieder aufgebaut war. Eros lag zu ihren FiiBen in voller

Rustung, ernster und edler

als jemals.

Ein prachtiger

Kronleuchter hing von der Decke. Mit bunten Steinen

war der FuBboden ausgelegt und

einen groBen Kreis

um

izeigte

den Altar her, der aus lauter

edlen, bedeutungsvollen Figuren bestand. Ginnistan

bog

worauf der Vater in Schlummer zn liegen schien, und weinte. Ihre bliihende Anmut war durch einen Zug yon Andacht und Liebe unendlich erhoht. Fabel reichte die Urne, worin die Asche gesammelt war, der heiligen Sophie, sich liber ein Ruhebett,

tiefem

die sie zartlich

umarmte.

,Liebliches Kind', sagte sie, ,dein Eifer

294

und

deine

Treue haben dir einen Pktz unter den ewigen Sternen erworben.

Du

hast das Unsterbliche in dir gewahlt,

Der Phdnix gehort Lebens Herold

sein. Jet2t ruft,

Du wirst

dir.

die Seele unseres

wecke den Brautigam au£ Der

und Eros

soli

Freya suchen und auf-

wecken/ Fabel freute sich unbeschreiblich bei diesen Worten, Sie rief ihren Begleitern

Gold und Zink und

nahte sich dem Ruhebette. Ginnistan sah erwartungsvoil

ihrem Beginnen

und

fullte das Behaltnis,

au.

Gold schmok

die

Mun2e

worin der Vater lag, mit einer glan^zenden Flut. Zink schlang um Ginnistans Busen eine Kette. Der Korper schwamm auf den

zitternden Wellen.

Hebe Mutter*, sagte Fabel, ,und lege die Hand auf das Herz des Geliebten.* jBiicke dich,

Ginnistan biickte

Die Kette

sich. Sie

sah ihr vielfaches Bild.

beriihrte die Flut, ihre

er erwachte

und zog

Hand

Herz; an seine

sein

die entzuckte Braut

Das Metall gerann und ward ein heller Spiegel. Der Vater erhob sich, seine Augen blitzten, und so schon und bedeutend auch seine Gestalt war, so Brust.

schien doch sein ganzer Korper eine feine, unendiich bewegte Fliissigkeit zu sein, die jeden Eindruck in den mannigfaltigsten und reizendsten Bewegungen verriet.

Das gliickHche Paar naherte sich Sophien, die Worte der Weihe iiber sie aussprach und sie ermahnte, den Spiegel fleiBig zu Rate zu ziehn, der alles in seiner wahren Gestalt zumckwerfe, jedes Blendwerk vernichte und ewig das urspriingliche Bild festhalte. Sie ergriff nun die Urne und schuttelte ^95

die

Asche in die Schale auf dem

Altar.

Ein

sanftes

Brausen verkiindigte die Auflosung, und ein leiser Wind wehte in den Gewandern und Locken der

Umstehenden. Sophie reichte die Schale

dem Eros und dieser den

andern. Alle kosteten den gottlichen

nahmen

Trank und ver-

die freundliche BegriiBung der

Mutter in ihrem Innern mit unsaglicher Freude. Sie war jedem gegenwartig,

und

ihre geheimnisvolle Anwesenheit

schien alle 2u verklaren.

Die Erwartung war

erfullt

und

merkten, was ihnen gefehlt habe,

war

iibertroffen. Alle

und

das

Zimmer

geworden. Sophie sagte: ^Das groBe Geheininis ist alien ofFenbart und bleibt ewig unergriindlich. Aus Schmerzen wird die neue Welt geboren, und in Tranen wird die Asche 2um Trank des ewigen Lebens aufgelost. In jedem wohnt die himmlische Mutter, um jedes Kind ewig ein Aufenthalt der Seligen

2u gebaren. Fuhlt ihr die sxiBe Geburt im Klopfen eurer

Bmst

goB in den Altar den Rest aus der Schale hinDie Erde bebte in ihren Tiefen. Sophie sagte: ^Eros, eile mit deiner Schwester zn deiner Gehebten. Bald seht ihr mich wieder/ Fabel und Eros gingen mit ihrer Begleitung schnell hinweg. Es war ein machtiger Friihling iiber die Erde verbreitet. Ailes hob und regte sich. Die Erde schwebte naher unter dem Schleier. Der Mond und die Wolken zogen mit frohlichem Getiimmel nach Norden. Die Kdnigsburg strahlte mit herrlichem Glance uber das Meet, und auf ihren Zinnen stand der Konig in yoller Pracht mit seinem Gefolge. Sie

unter.

296

tiberall erblickten sie Staubwirbel, in

denen sich be-

kannte Gestalten zu bilden schlenea. Sie begegneten

von Jiinglingen und MMchen, Burg strdmten und sie mit Jauchxen bewillkommten. Auf manchen Hiigeln saB ein gliick-

zahlreichen Scharen die nach der

eben erwachtes Paar in lang entbehrter Umarmung, hielt die neue Welt fur einen Traum und konnte nicht aufhoren, sich von der schdnen Wahrheit zn iiberzeugen. Die Blumen und Baume wuchsen und griinten mit Macht. Alles schien beseelt. Alles sprach und sang. Fabel griiBte liberall alte Bekannte. Die Tiere nahten sich mit freundlichen GriiBen den erwachten Menschen. Die Pflanzen bewirteten sie mit Friichten und Duften und schmuckten sie auf das zierlichste, Kein liches,

und alle Fasten waren in sich selbst zu einem festen FuBboden zusammengesunken, Sie kamen an das Meer. Ein Fahrzeug von geschliifenem Stahl lag am Ufer festgebunden. Sie traten hinein und losten das Tau. Die Spitze richtete sich nach Norden, und das Fahrzeug durchschnitt wie im Fluge die buhlenden Wellen. Lispelndes Schilf hielt seinen Ungestum auf, und es Stein lag

mehr auf

einer Menschenbrust^

stieB leise an das Ufer. Sie eilten die breiten

Treppen

hinan. Die Liebe wunderte sich iiber die konigliche Stadt

und

ihre Reichtumer,

Im Hofe

sprang der

lebendig gewordene Quell, der Main bewegte sich

mit den siiBesten T5nen, und ein wunderbares Leben

Stammen und Slattern, in Blumen und Friichten zu quellen Der alte Held empfing sie an den

schien in seinen heiBen seinen funkelnden

und zu treiben. Toren des Palastes. ,Ehrwurdiger Alter*, sagte

Fabel,

297

,Eros bedarf dein Schwert. Gold hat ihm cine Kette gegeben, die mit einem Ende in das Meet hinunterreicht

nnd mit dem andem

um seine Bmst geschlun-

mit mir an und fiihre uns in den gen ist. Fasse Saal, wo die Prinzessin ruht/ Eros nahm aus der sie

Hand

des Alten das Schwert, setzte den

seine Brust

und

Knopf auf Die

Flii-

und Eros nahte

sich

neigte die Spitee vorwarts.

gelturen des Saals flogen auf,

entziickt der schlummernden Freya. Plotzlich ge-

schah ein gewaltiger Schlag. Ein heller

Funken fuhr von der Prinzessin nach dem Schwerte; das Schwert und die Kette leuchteten, der Held hielt die kleine Fabel, die beinah umgesunken ware. Eros^ Helmbusch wallte empor. ,Wirf das Schwert weg',

rief

Fabel, ,und erwecke deine Geliebte.* Eros lieB das

Schwert

fallen, flog

auf die Prinzessin zu und kiiCte

feurig ihre siiBen Lippen. Sie schlug ihre groBen,

dunkeln Augen auf und erkannte den Geliebten. Ein langer

Von

KuB

versiegelte

den ewigen Bund.

der Kuppel herunter

kam

der

Konig mit

Sophien an der Hand. Die Gestirne und die Geister der Natur folgten in glanzenden Reihen. Ein unaus-

Tag erfullte den und den Himmel. Eine

sprechltch heitrer die Stadt

Saal,

den

Palast,

Menge und sah

zahllose

ergoB sich in den weiten koniglichen Saal

Andacht die Liebenden vor dem K5nige und der Konigin knien, die sie feierlich segneten. Der K5nig nahm sein Diadem vom Haupte und band es um Eros’ goldene Locken. Der alte Held zog ihm die Rxistung ab, und der K5nig warf seinen Mantel um ihn her. Dann gab er ihm die Lilie in die linke Hand, und Sophie kniipfte ein kostliches Armmit

298

stiller

band 11111 die verschlnngenen Hande der Liebenden, indem sie zugleich ihre Krone auf Freyas braune Haare setzte. ,Heil unsern alten Beherrschern*^ rief das Volk.

haben immer nnter uns gewohnt, und wir haben Heil uns! Sie werden uns ewig beherrschen! Segnet uns aucbT Sophie sagte zn der neuen Konigin Wirf du das Armband cures Bundes in die Luft, daG das Volk und die Welt euch verbunden bleiben.^ Das Armband aerfloC in der Luft, und bald sah man lichte Einge um jedes Haupt, und ein glanzendes Band zog sich liber die Stadt und das ,Sie

sie nicht erkannt!

:

Meer und

,

die Erde, die ein ewiges Fest des Friih-

und trug eine Spinund ein K5 rbchen. Er brachte dem neuen Konige

lings feierte. Perseus trat herein

del

das Korbchen. ,Hier‘, sagte

er, ,sind die

Reste deiner

Feinde.^ Eine steineme Platte mit schwarzen

und

weiBen Feldern lag darin und daneben eine Menge Figuren von Alabaster und schwarzem Marmor. ,Es ist ein Schachspier, sagte Sophie; ,aller Krieg ist auf diese Platte und in diese Figuren gebannt. Es ist ein Denkmal der alten triiben 2eit.‘ Perseus wandte sich zu Fabel und gab ihr die SpindeL ,In deinen Handen wird diese Spindel uns ewig erfrcuen, und aus dir selbst wirst du uns einen goldnen unzerreiBlichcn Faden spinnen/ Der Phonix flog mit melodischem Gerausch zu ihren FiiBen, spreizte seine Fittichc vor ihr aus, auf die sie sich setzte,

und schwebte mit

ihr

uber den Thron, ohne sich wieder ndedcrzulassen. Sie sang ein himmlisches Lied und fing zu spinnen

indem der Faden aus ihrer Brust sich hervorzuwinden schien. Das Volk geriet in neues Ent-

an,

299

Augen hingen an dem lieblichen Kinde. Ein neues Jauchzen kam von der Tiir her. und

ziicken,

aller

Mond kam

mit seinem mmderlichen Hofund hinter ihm trug das Volk Ginnistan und ihren Brautigam wie im Triumph einher. Sie waren mit Blumenkranzen umwunden; die

Der

alte

staat herein,

kdnigliche Familie empfing sie mit der herzlichsten Zartlichkeit,

und

das neue Konigspaar rief sie

seinen Statthaltern auf

Erden

2x1

aus.

jGonnet mir^, sagte der Mond, ^das Reich der Parzen, dessen seltsame Gebaude eben auf dem Hofe des Palastes aus der

Erde gestiegen

sind. Ich will

euch mit Schauspielen darin ergotzen, wo2u die kleine Fabel mir behulflich sein wird/

Der Konig

willigte in die Bitte, die kleine Fabel

nickte freundlich,

und

das

Volk

freute sich auf den

seltsamen unterhaltenden Zeitvertreib. Die Hesperiden lieBen zur Thronbesteigung Gliick wtinschen

und

um

lieB sie

Schutz in ihren Garten bitten. Der Komg bewillkommnen, und so folgten sich unzah-

lige frohliche Botschaften.

Unterdessen hatte sich

unmerklich der Thron verwandelt und war ein prachtiges

Hochzeitsbett geworden, iiber dessen

Himmel der Phonix mit der kleinen Fabel schwebte. Drei Karyatiden aus dunkelm Porphyr trugen

es

und vorn ruhte dasselbe auf einer Sphinx Basalt. aus Der Konig umarmte seine errotende Geliebte, und das Volk folgte dem Beispiel des Konigs und liebkoste sich untereinander. Man horte nichts als zartliche Namen und ein KuBgefluster. Endlich

hinten,

sagte Sophie: ,Die Mutter ist unter uns, ihre

Gegen-

wart wird uns ewig begliicken. Folgt uns in unsere 300

Wohnung, in dem Tempel dort werdea wir ewig wohnen und das Geheimais der Welt bewahreo/ Die Fabel spann emsig und sang mit lauter Stimme: Gegriindet

ist

das Reich der Ewigkeit,

In Lieb und Frieden endigt sich der Voriiber ging der lange

Sophie

ist

Traum

Streit,

der Schmer2en,

ewig Priesterin der Herzen.""

501

ZWEITER TEIL

DIE ERFVLLUNG DAS KLOSTER ODER DER VORHOF Astralis

An einem Sommermorgen ward ich jnng; Da

ich meines eignen Lebens Puls

fiihlt

Zum ersten Mai — und wie

die Liebe sich

In tiefere Entziickungen. verier,

Erwacht ich immer mehr, und das Verlangen Nach innigerer, ganzlicher Vermischung Ward dringender mit jedem Augenblick. Wollust

ist

meines Daseins Zeugungskraft.

Ich bin der Mittelpunkt, der heilge Quell,

Aus welchem jede Sehnsucht stiirmisch flieBt, Wohin sich jede Sehnsucht, mannigfach Gebrochen, wieder

still

zusammenzieht.

mich werden. Wart ihr nicht Zeugen, wie ich noch Nachtwandler mich zum ersten Male traf

Ihr kennt

mich nicht

xind saht



An

jenem frohen Abend? Flog euch nicht Ein siiBer Schauet der Entzuckung an ? ~ Versunken lag ich ganz in Honigkelchen. Ich duftete, die Blume schwankte still In goldner Morgenluft. Ein innres Quellen

War ich,

ein sanftes Ringen, alles floB

Durch mich und uber mich und hob mich

Da

leise.

sank das erste Staubchen in die Narbe,

Denkt an den KuB nach aufgehobnem Tisch. 302

Ich quoll in meine eigne Flut zuriick



Es war ein Blitz — nun konnt ich schon mich regen> Die zarten Faden und den Kelch bewegen. Schnell schossen, wie ich selber mich begann, Zu irdschen Sinnen die Gedanken an, Noch war ich blind, doch schwankten lichte Sterne Dutch meines Wesens wunderbare Feme, Nichts war noch nah, ich fand mich nur von weiten, Ein Anklang alter so wie kunftger Zeiten. Aus Wehmut, Lieb und Ahndungen entsprungen. War der Besinnung Wachstum nur ein Flug, Und wie die WoIIust Flammen in mir schlug.

Ward ich zugleich vom hochsten Weh durchdrungen,. Die Welt lag bluhend um den hellen Hiigel, Die Worte des Propheten wurden Fliigel, Nicht einzeln mehr nur Heinrich und Mathilde, Vereinten beide sich zu einem Bilde. — Ich hob mich nun gen Himmel neugeboren, Vollendet war das irdische Geschick

Im

seligen Verklamngsaugenblick,

Es

hatte

Und Es

nun

die Zeit ihr Recht verloren

forderte,

was

sie geliehn, zuriick.

bricht die neue Welt herein

Und verdunkelt den hellsten Sonnenschein, Man sieht nun aus bemoosten Triimmern Eine wunderseltsame Zukunft schimmern,

Und was vordem

alltaglich war,

Scheint jetzo fremd (Bins in allem

und

und wunderbar,

alles in einen,

Gottes Bild auf Krautern und Steinen, Gottes Geist in Menschen

und

Tieren,

Dies

muB man

sich

za Gemiite fuhren.

Keine Ordnung mehr nach Raum und

Zeit,

Hier Zukunft in der Vergangenheit.)

Der Liebe Reich

ist

aufgetan,

Die Fabel fangt zu spinnen an. Das Urspiel jeder Natur beginnt,

Auf kraftige Worte jedes sinnt, Und so das groBe Weltgemut tiberall sich regt und unendlich Alles

muB

Bins durch das andre gedeihn Jedes in alien dar sich

Indem

Und

bliiht.

ineinandergreifen.

es sich

und

reifen;

stellt,

mit ihnen vetmischet

gierig in ihre Tiefen

fallt,

Wesen erfrischet Und tausend neue Gedanken erhalt. Sein eigentumliches

Die Welt wird Ttaum, der Traum wird Welt, Und was man geglaubt, es sei geschehn, Kann man von weitem erst kommen sehn. Frei soli die Phantasie erst schalten,

Nach ihrem

Gefallen die Faden verweben,

Hier manches verschleiern, dort manches entfalten

Und endlich in magischen Dunst verschweben. Wehmut und Wollust, Tod und Leben Sind hier in innigster Sympathie

Wer

sich der hochsten Lieb ergeben,

Genest von ihren SchmerzhajBt

Was

~

muB

sich urns

Wunden

nie.

Band zerreiBen, innre Auge zieht, jenes

Einmal das treuste Herz verwaisen. Eh es der triiben Welt entflieht.

Der Leib wkd 304

aufgelost in Tranen,

Zum weiten Grabe wird die Welt, In das, verzehrt von bangem Sehnen, Das Herz

ais

Asche

niederfallt.

Anf dem schmalen auflief,

FuBsteige, der ins Gebirg hinging ein Pilgrim in tiefen Gedanken. Mittag

war vorbei. Ein

starker

Wind saiiste durch die

Luft. Seine dumpfen, mannigfaltigen

loren sich, wie sie kamen.

blane

Stimmen ver*

War er vielleicht durch die

Gegenden der Kindheit geflogen? Oder durch andre redende Lander? Es waren Stimmen, deren Echo im Innersten nachkiang, und dennoch schien sie der Pilgrim nicht zu kennen. Er hatte nun das Gebirg erreicht,

wo er das

Ziel seiner Reise zu finden hoffte.

— Hoffte ? — Er hoffte gar nichts mehr.

Die entsetzAngst und dann die trockne Kalte der gleich-

lichste

gultigsten Verzweiflung trieben ihn, die wilden

Schrecknisse des Gebirges aufzusuchen. selige

Gang

nern Gewalten. Er war matt, aber nichts,

was

als er sich

Der miih-

beruhigte das zerstdrende Spiel der instill.

Noch

sah er

um ihn her sich allmahlich gehauft hatte,

auf einen Stein setzte und den Blick dick-

warts wandte. Es diinkte ihn,

als traume er jetzt oder Eine uniibcrsehliche Herrlichkcit habe er getraumt. schien sich vor ihm aufzutun. Bald flossen seine

Tranen, indem sein Innres plotzlich brach. Er wollte sich in die

Feme

verweinen, daB auch keine Spur

seines Daseins librig bliebe.

Unter

Schluchzen schien er zu sich selbst zu

dem hcftigen kommen; die

weiche heitre Luft durchdraog ihn, seinen Sinnen ward die Welt wieder gegenwartig, und alte Ge-

danken fingen 20

trostlich

jVwdfAr, Gesaomiclte

Wetke

zu reden

an.

x

30J

Dort lag Augsburg mit seinen Tiirmen. Fern

am

Gesichtskreis blinkte der Spiegel des furchtbaren,

geheimnisvollen Stroms. sich mit trostlichem

Der ungeheure Wald bog

Ernst zu

dem Wanderer,

das

gezackte Gebirg ruhte so bedeutend iiber der Ebene, und beide schienen zu sagen: ,Eile nur, Strom, du entfliehst

uns nicht. Ich will dir folgen mit geflugelten

SchifFen.

Ich will dich brechen

und

halten

verschlucken in meinen SchoB. Vertraue

und dich du uns.

auch unset Feind, den wir selbst erzeugten. LaB ihn eilen mit seinem Raub, er entfiieht Pilgrim, er ist

uns nicht.‘

Der arme Pilgrim gedachte der

alten Zeiten

und

uns^lichen Entziickungen. — Aber wie matt gingen diese kostlichen Erinnerungen voruber! Der

ihrer

Es war bleich wie eine Nachtblume. In Tranen hatte sich der Balsamsaft des jungen Lebens, in tiefe Seufzer

breite

Hut verdeckte

sein schwellender

Aschgrau waren Seitwarts

ein jugendliches Gesicht.

Hauch verwandelt. In

alle seine

ein fahles

Farben verschossen.

am Gehange schien ihm ein Monch unter

einem alten Eichbaum zu knieen.

,Sollte das der alte

sich, ohne groBe Verwunderung, Der Monch kam ihm groBer und ungestaltiger vor, je naher er zu ihm trat. Er bemerkte

Hofkaplan sein?^ so dacht er bei

nun

seinen Irrtum,

uber den sich der

denn

Baum

es

war

ein einzelner Felsen,

herbog.

Still geriihrt

faBte

den Stein in seine Arme und driickte ihn laut weinend an seine Brust. ,Ach, daB doch jetzt deine er

Reden sich bewahrten und die heilge Mutter ein Zeichen an mir tatel Bin ich doch so ganz elend und verlassen.

306

Wohnt in meiner Wxiste kein Heiliger, der

mir sein Gebet liehe? Bete du, teurer Vater, diesem Augenblick fur mich/

Wie isittern.

tiefer,

er so bei sich dachte, fing der

Dumpf

jetizt

in

Baum an 2u

drohnte der Felsen, und wie aus

unterirdischer

Feme erhoben sich einige klare

Stimmchen und sangen: Ihr Herz

war

Von Freuden Sie

voller Freuden, sie

nur wuBt,

wuBt von keinem Leiden,

Druckt

’s

Sie kiiBt’

Kindlein an

ihm

seine

ihr’

Bmst.

Wangen,

Sie kiiBt’ es mannigfalt, sie umfangen Durch Kindleins schone Gestalt.

Mit Liebe ward

Die Stimmchen schienen mit unendlicher Lust zvl singen. Sie wiederholten den Vers einigemal. Es ward alles wieder mhig, und nun horte der erstaunte Pilger, daB jemand aus dem Baume sagte; „Wenn du ein Lied zu meinen Ehren auf deiner Laute spielen wirst, so wird ein armes Madchen herfurkommen. Nimm sie mit und laB sie nicht von dir. Gedenke meiner, wenn du znm Kaiser kommst. Ich habe mir diese Statte ausersehn, um mit meinem Kindlein hier zn wohnen. LaB mir ein starkes, warmes Haus hier bauen. Mein Kindlein hat den Tod uberwunden. Harme dich nicht. Ich bin bei dir. Du wirst noch eine Weile auf Erden bleiben, aber das Madchen wird dich trosten, bis du auch stirbst und zu unsern Freuden eingehst.“ — „Es ist Mathildens

Stimme'', rief der Pilger

zu beten.

Da

und

fiel

auf seine Knie, urn

drang dutch die Aste ein langer Strahl

zu seinen Augen, und er sah dutch den Strahl in eine feme, kleine, wundersame Herrlichkeit hinein, welche nicht

m

beschreiben,

noch kunstreich mit Farben

nach2:ubilden moglich gewesen ware. Es waren liberaus feine Figuten, und die innigste Lust und Freude, eine himmlische Gliickseligkeit war darin uberall za schauen, sogar daB die leblosen GefaBe, das Saulwerk, die Teppiche, Zieraten, kurzum alles, was zu ja

sehn war, nicht gemacht, sondern wie ein vollsaftiges Kraut aus eigner Lustbegierde also gewachsen

und zusammengekommen zu

sein schien.

Es waren

die sch5nsten menschlichen Gestalten, die dazwi-

schen umhergingen und sich uber die

MaBen freund-

lich und holdselig gegeneinander erzeigten. Ganz

vorn stand die Geliebte des Pilgers, und hatt’ es das Ansehn, als wolle sie mit ihm sprechen. Doch war nichts zu horen,

und

betrachtete der Pilger

nur mit

und wie sie so freundlich und lachelnd ihm zuwinkte und die Hand auf ihre linke Brust legte. Der Anblick war unendlich trostend und erquickend, xmd der Pilger lag

defer Sehnsucht ihre anmutigen Ziige

noch lang in seliger Entzuckung, als die Erscheinung wieder hinweggenommen war.

Der

heilige Strahl

Schmerzen und Bekiimmernisse aus seinem Herzen gesogen, so daB sein Gemut wieder rein und

hatte alle

leicht und sein Geist

wieder frei und frdhlich war wie

vordem. Nichts war ubrig geblieben

als

ein

stilles,

und ein wehmutiger Kdang im AUerAber die wilden Qualen der Einsamkeit,

inniges Sehnen innersten.

die herbe Pein eines unsaglichen Verlustes, die trube,

308

entsetizliche Leere, die irdische

Ohnmacht war ge-

wichen, und der Pilgrim sah sich wieder in einer vollen, bedeutsamen Welt. Stimme nnd Sprache waren wieder lebendig bei ihm geworden, und es

diinkte ihn

sagender

nunmehr

als

alles viel

bekannter und weis-

ihm der Tod wie eine Lebens erschien und er sein

ehemals, so daB

hohere Oifenbarung des eignes, schnell vorubergehendes Dasein mit kindlicher, heitrer

Riihrung betrachtete. Zukunft und

Vergangenheit hatten sich in ihm beriihrt und einen

Er stand weit auBer der Gegenwart, xxnd die Welt ward ihm erst teuer, wie er sie verloren hatte und sich nur als Fremdling in ihr fand, der ihre weiten, bunten Sale noch eine kur^e

innigen Verein geschlossen.

Weile durchwandern

sollte.

Es war Abend gewor-

und die Erde lag vor ihm wie ein altes, liebes Wohnhaus, das er nach langer Entfernung verlassen wiederfande. Tausend Erinnerungen wurden ihm gegenwtoig. Jeder Stein, jeder Baum, jede Anhohe wollte wiedergekannt sein. Jedes war das Merkmal den,

einer alten Geschichte.

Der

Pilger ergriff seine Laute

und sang:

Liebesz^ren, Liebesflammen, FlieBt

zusammen;

Heiligt diese Wunderstatten,

Wo

der

Himmel mir

Schwarmt

erschienen;

um diesen Baum wie Bienen

In unzahligen Gebeten.

Er hat froh sie aufgenommen, sie kommen.

Als

Sie geschiitet Sie

wird

vor Ungewittern; ihrem Garten

einst in

Ihn begieBen und ihn warten, Wunder tun mit seinen Splittern.

Auch

der Felsen

ist

gesunken

Freudetrunken

Zu

der selgen Mutter FxiBen;

Ist die

Sollte

Und

Andacht auch

in Steinen,

da der Mensch nicht weinen

sein Blut fur sie vergieBen ?

Die Bedrangten miissen ziehen

Und

hier knieen,

Alle werden hier genesen.

Keiner wird fortan noch klagen, Alle werden frohlich sagen: ,Einst sind wir betriibt

gewesen/

Ernste Mauern werden stehen

Auf den Hohen. In den Talern wird

Wenn

man

rufen,

die schwersten Zeiten

,Keinem

sei das

Nur hinan 2u

kommen:

Httz beklommen,

jenen Stufen."

Gottes Mutter und Gehebte, Der Betrubte Wandelt nun verklart von hinnen. Ewge Gute, ewge Milde, O! ich weiB, du bist Mathilde Und das Ziel von meinem Sinnen.

Ohne mein verwegnes Fragen Wirst mir sagen,

Wenn Gern

ich 2u dir soli gelangen.

will ich in tausend

Noch

der Erde

Weisen

Wunder preisen.

du kommst, mich zn umfangen.

Bis

Alte Wunder, kiinftge Zeiten, Seltsamkeiten,

Weichet nie aus meinem Herzen!

UnvergeBUch

Wo

sei die Stelle,

des Lichtes heilge Quelle

Weggespiilt den

Traum

der Schmerzen.

Unter seinem Gesang war er nichts gewahr worden.

Wie

er aber aufsah, stand ein junges

nah bei ihm

am

Madchen

wie einen alten Bekannten, gruBte.und ihn einlud, mit zu ihrer Wohnung zu gehn, wo sie ihm schon ein AbendFelsen, die ihn freundlich,

Er schloB sie zartlich in seinen ganzes Wesen xind Tun war ihm befreun-

essen zubereitet habe.

Arm. Ihr

noch einige Augenblicke zu verBaum, sah mit einem unaussprechlichen Lacheln hinauf und schiittete aus ihrer Schiirze viele Rosen auf das Gras. Sie kniete still daneben, stand aber bald wieder auf xznd fiihrte den Pilger fort. „Wer hat dir von mir gesagt?“ frug der Pilgrim. „Unsre Mutter. — „ Wer ist deine Mutter — „Die Mutter Gottes.^' — „Seit warm bist du hier?“ ~ „Seitdem ich aus dem Grabe gekommen bin.‘^ — „Warst du schon einmal gestorben?"" — „Wie konnt ich derm leben?"" „Lebst du hier ganz alleiti?^^ — det, Sie bat ihn,

ziehn, trat unter den

Mann

nu Hause, doch kenn ich noch viele, die gelebt haben/‘ — „Hast du Lust, bei mir bleiben?'" - „Ich babe dich ja lieb.“ — „Woher „Eiii alter

ist

m

— „OI von alten Zeiten; auch ermir meine ehnialige Mutter izeither immer von — „Hast du noch eine Mutter?" — ,Ja, aber es

kennst du mich?^^ izahlte

dir/' ist

eigentlich

„Wie

dieselbe."

hieB

sie?"



„Maria/' — „Wer war dein Vater?" — „Der Graf von Hohenzollern," — „Den kenn ich auch." — „Wohl muBt du ihn kennen, denn er ist auch dein



meinen Vater in Eisenach." — „Du hast mehr Eltern." — „Wo gehn wir denn bin ?" — „Immer nach Hause." Sie waren jetzt auf einen geraumigen Plats; im Holze gekommen, auf welchem einige verfallne Turme hinter tiefen Graben standen. Junges Gebiisch schlang sich um die alten Mauern wie ein jugendlicher Kranz um das Silberhaupt eines Greises,

Vater."

Man

„Ich habe

ja

sah in die UnermeBlichkeit der Zeiten

blickte die weitesten Geschichten in kleine

Minuten zusammengezogen, wenn Steine, die blitzahnlichen Risse

rigen Gestalten betrachtete.

man

und

er-

glanzende

die grauen

und die hohen schau-

So zeigt uns der Himmel

unendliche Raume in dunkies Blau gekleidet und wie milchfarbne Schirnmer, so unschuldig wie die

Wan-

gen eines Kindes, die fernsten Heere seiner schweren, ungeheuren Welten. Sie gingen durch einen alten Torweg, und der Pilger war nicht wenig erstaunt, als er sich

ringt

und

nun von

lauter seltenen

diesen Triinmiern versteckt sah.

nes Hauschen

312

Gewachsen um-

die Reize des anmutigsten Gartens unter

von neuer

Ein

kleines steiner-

Bauart, mit groBen hellen

Dort stand ein alter Mann hinter den breltblattrigen Stauden und band die schwanken Zweige an Stabcben. Den Pilgrim fiihrte seine Begleiterin zu ihm und sagte: „Hier ist Heinrich, nach dem du mich oft gefragt hast.“ Wie sich der Alte zu ihm wandte, glaubte Heinrich den BergFenstern, lag dahinter.

mann vor

sich zu sehn.

vester"^, sagte

„Du

siehst

den Arzt Syl-

das Madchen. Sylvester freute sich,

und sprach: „Es ist eine geraume Zeit daB ich deinen Vater ebenso jung bei mir sah. Ich lieB es mir damals angelegen sein, ihn mit den Schatzen der Vorwelt, mit der kostbaren Hinterlassenschaft einer zu fruh abgeschiedenen Welt bekannt zu machen. Ich bemerkte in ihm die Anzeichen eines groBen Bildkiinstlers. Sein Auge regte sich veil Lust, ein wahres Auge, ein schaffendes Werkzeug zu ihn zu sehn, her,

werden. Sein Gesicht zeugte von innrer Festigkeit FleiB. Aber die gegenwartige Welt hatte zu tiefe Wurzeln schon bei ihm geschlagen. Er woUte nicht Achtung geben auf den Ruf

und ausdauerndem

seiner eigenstenNatur, die triibe Strenge seines vater-

Himmels hatte die zarten Spitzen der ihm verdorben. Er ward ein geschickter Handwerker, und die Begeisterung ist ihm landischen

edelsten Pflanze in

zur Torheit geworden/^'

„hab ich in ihm oft MiBmut bemerkt. Er Gewohnheit und nicht aus ihm etwas zu fehlen, was

„Wohl"'', versetzte Heinrich,

mit Schmerzen einen arbeitet

stillen

unaufhorlich aus

innerer Lust.

Es

scheint

die friedliche Stille seines Lebens, die Bequemlich-

Auskommens, die Freude, sich geehrt von seinen Mitbiirgern zu sehn und in

keiten seines

und

geliebt

313

zu Rate geizogen zu werden, ihm nicht ersetzen kmn. Seine Bekannten halten alien Stadtangelegenheiten

ihn fur sehr gliicklich, aber sie wissen nicht, wie lebenssatt er ist,

wie leer ihm oft die Welt vorkommt, und wie er nicht

wie sehnlich er sich hinwegwiinscht aus Erwerblust, sondern

um diese Stimmung zn ver-

scheuchen, so fleiBig arbeitet/'

„Was mich am meisten vester,

wundert'^, versetzte Syl-

„daB er Eure Erziehung ganz in den Handen

Eurer Mutter gelassen hat und sorgfaltig sich gein Eure Entwicklung sich zu mischen oder Euch zu irgendeinem bestimmten Stande anzuhalten. Ihr habt von Gliick zu sagen, daB Ihr habt aufwachsen durfen, ohne von Euren Eltern die mindeste Beschrankung zu leiden; denn die meisten Menschen

hiitet,

sind nur Uberbleibsel eines vollen Gastmahls, das

Menschen von verschiedenem Appetit und Geschmack geplundert haben/^ „Ich weiB selbst nicht‘‘, erwiderte Heinrich, „was Erziehung heiBt, wenn es nicht das Leben und die Sinnesweise meiner Eltern

ist

oder der Unterricht

meines Lehrers, des Hofkaplans. Mein Vater scheint mir, bei aller seiner kuhlen

Denkungsart, die ihn Metall

und eine

alle

und durchaus

festen

Verhaltnisse wie ein Stuck

kiinstliche Arbeit

ansehn l^t, doch

und ohne es daher selbst zu wissen, eine stille Ehrforcht und Gottesfurcht vor alien unbegreiflichen und hohern Erscheinungen zu haben und daher das Aufbluhen eines Kindes mit demiitiger unwillkiirlich

Selbstverleugnung zu betrachten. Ein Geist

ist hier

geschaftig, der frisch aus der unendlichen Quelle

kommt, und 314

dieses Gefiihl der Uberlegenheit eines

Kindes in den allerhochsten Dingen, der unwiderGedanke einer nahern Fiihrung dieses un-

stehliche

schuldigen Wesens, das jetzt

im

BegrifF steht, eine

so bedenkliche Laufbahn anzutreten, bei seinen

nahern Schritten, das

Gepr%e

einer

wunderbaren

Welt, das noch keine irdische Flut unkenntlich ge-

macht

hat,

und endlich

die Sympathie der Selbst-

erinnerung jener fabelhaften Zeiten, heller, freundlicher

und

wo die Welt uns

seltsamer diinkte

und der

Geist der Weissagung fast sichtbar uns begleitete, alles dies

tigsten

hat meinen Vater gewiB zu der andach-

und bescheidensten Behandlung vermocht.“

Rasenbank unter die Blumen sitzea'\ unterbrach ihn der Alte. „Cyane wird uns rufen, wenn unser Abendessen bereit ist, und wenn ich Euch bitten darf, so fahrt fort, mir von Eurem fruhern Leben etwas zu erzahlen. Wir Alten horen am liebsten von den Kinder] ahren reden, und es diinkt mich, als lieBt Ihr mich den Duft einer Blume einziehn, den ich seit meiner Kindheit nicht wieder eingeatmet hatte. Nur sagt mir noch vorher, wie Euch meine Einsiedelei und mein Garten gefallt, denn diese Blumen sind meine Freundinnen. Mein Herz ist in diesem Garten. Ihr seht nichts, was mich nicht liebt und von mir nicht zartlich geliebt wird. Ich bin hder mitten unter meinen Kindern und komme mir vor wie ein alter Baum, aus dessen Wurzeln diese muntre Jugend ausgeschlagen sei/^ „Glucklicher Vater^", sagte Heinrich, „Euer Garten ist die Welt. Ruinen sind die Mutter dieser bluhenden Kinder. Die bunte, lebendige Schopfung zieht ihre Nahrung aus den Triimmern vergangner „LaJS uns hieher auf die

Aber muBte

Zeiten.

die

der gedeihen konnen,

Tranen

allein

daJ3 die

Kin-

an ihrem Grabe siteen ?“

Sylvester reichte

Hand und

Mutter sterben,

und bleibt der Vater 2u ewigen

dem schluchzenden Jiinglinge die

stand auf,

um ihm ein eben aufgebliihtes

VergiBmeinnicht zu holen, das er an einen Zypressenzweig band und der

Abendwind

ihm

brachte.

Wunderlich nihrte

die Wipfel der Kiefern, die jenseits

den Ruinen standen. Ihr dumpfes Brausen tonte hertiber. Heinrich verbarg sein Gesicht in Tranen an

dem Halse

des guten Sylvester,

und wie

er sich wie-

der erhob, trat eben der Abendstern in voiler Glorie

uber den Wald heriiber.

Nach einiger Stille fing Sylvester an: ,Jch mocht Euch wohl in Eisenach unter Euren Gespielen gesehn haben* Eure Eltern, die vortreflfliche Landgrafin, die biedern Nachbarn Eures Vaters und der alte Hofkaplan machen eine schone Gesellschaft aus. Ihre Gesprache mxissen fruhzeitig auf

Euch gewirkt

haben, besonders da Ihr das einzige Kind wart. Auch stell

ich mir die

deutsam „Ich

Gegend

auBerst anmutig

und

be-

vor.*^^

lerne*^,

erst recht

versetzte Heinrich, ,,meine

kennen,

seit ich

weg bin und

Gegend

viele andre

Gegenden gesehen habe. Jede Pflanze, jeder Baum, Berg hat seinen besondern Gesichtskreis, seine eigentiimliche Gegend. Sie gehort jeder Hiigel und

m

ihm, und sein Bau, seine ganze Beschaffenheit wird

durch

sie

Nur das Tier und der Mensch Gegenden kommen; alle Gegenden ihrigen. So machen alle zusammen eine

kdnnen zu sind die

erklto. alien

groBe Weltgegend, einen imendlichen Gesichtskreis 316

den Menschen und das Tier ebenso sichtbar ist wie der EinfluB dex engcrn Umgebung auf die Pflanze. Daher Menschen, die vici gereist sind, Zugvogel und Raubtiere untcr den tibrigen sich durch besondern Verstand und and re EinfluB

aus, dessen

vsTunderbare

atif

Gaben und Arten

ausaeichnen.

Dock

auch gewiB mehr oder weniger Fahigkcit unter ihnen, von diesen Weltkreisen und ihrem gibt es

Ordnung gcruhrt und gebildet zu "werden. Auch fehlt bei den Menschen wohl manchen die notige Aufmerksamkeit und Gcmannigfaitigen Inhalt \ind

um den Wechsel der Gegenstande unti Zusammenstellung erst gehorig zu betraciiten ihre und dann daniber nachzudenken und die notigen Vergleichungen anzustellen. Oft fiihl ich jetzt, wie mein Vaterland meine fruhsten Gedanken mit unverganglichen Farben angehaucht hat und sein Bild eine seltsame Andeutung meines Gemiits geworden lassenheit,

ist,

die ich

immer mehr

errate, je tiefer ich cinsehe,

daB Schicksal und Gemut Namen eines Begriffs sind.“ — „Auf mich“, sagte Sylvester, „hat ffeilich die lebendige Natur, die regsame tlberkleidung der

Gegend, immer am meisten gewirkt. Ich bin nicht miide geworden, besonders die verschiedene Pfianzennatur auf das sorgfaltigste zu betrachten. Die Gewachse sind so die unmittelbarste Sptache des

Bodens; jedes neue Blatt, jede sonderbare Blume ist irgendein Geheimnis, das sich hervordrangt und das, well es sich vor Liebe und Lust nicht bewegen und nicht zu Worten kommen kann, eine stumme, ruhige Pflanze wird, Findet man in der Einsamkeit eine solche Blume, ist es da nicht, als ware alles umher

317

yerklart und hielten sich die kleinen befiederten

Tone Nahe auf ? Man mochte vor Freuden weinen und, abgesondert von der Welt, nur seine Hande und FiiBe in die Erde stecken, um Wurzeln 2u treiben und nie diese gliickliche Nachbarschaft 2u verlassen. Uber die ganze trockne Welt ist

am

iiebsten in ihrer

dieser griine, geheimnis voile

Teppich der Liebe ge-

2ogen. Mit jedem Fruhjabr wird er erneuert, seine seltsame Schrift ist

nur

dem

wie der BlumenstrauB des Orients. lesen

und

sich nicht satt lesen

und

und

Geliebten lesbar,

Ewig wird

taglich

er

neue Be-

deutungen, neue, entzuckendere OfFenbarungen der liebenden Natur gewahr werden. Dieser unendliche

GenuB

ist

der geheime Rek, den die Begehung der

mich hat, indem mir jede Gegend andre Ratsel lost und mich immer mehr erraten laBt, woher der Weg komme und wohin er gehe/" sagte Heinrich, „wir haben von Kinderjahren angefangen zu reden und von der Erziehung, well wir in Eurem Garten waren und die eigentliche OfFenbarung der Kindheit, die unschuldige Blumenwelt, unmerklich in unser Gedachtnis und auf unsre Erdflache

fiir

Lippen die Erinnerung der alten Blumenschaft

Mein Vater ist auch ein grofier Freund des und die glxicklichsten Stunden seines Lebens bringt er unter den Blumen zu. Dies hat auch

brachte.

Gartenlebens,

gewiB seinen Sinn fiir die Kinder so ofFen erhalten, da Blumen die EbenbUder der Kinder sind. Den voUen Reichtum des unendlichen Lebens, die gewaltigen Machte der spatern Zeit, die Herriichkeit

und die goldne Zukunft aller Dinge Her noch innig ineinander geschlungen.

des Weltendes

sehn wir

aber doch auf das deutlichste und klarste in carter Verjiingung. Schon treibt die allmachtige Liebe,

Es

keine verzehrendc

aber sie ziindet

noch

Flamme;

ein zerrinnender Duft,

die

es ist

nicht.

ist

Und

Vereinigung der zartlichen Seelen auch

so innig ist,

so

ist

doch von keiner heftigen Bewegung und keincr Wut begleitet wie bei den Tieren. So ist die Kindheit in der Tiefe zunachst an der Erde, da hingegen die Wolken vielleicht die Erscheinungen der zweiten, hohern Kindheit, des wiedergefundnen Paradieses sind und darum so wohltatig auf die ersie

fressenden

stere heruntertauen/*^

„Es ist gewiB etwas sehr Geheimnisvolles in den Wolken^^ sagte Sylvester, „und eine gewisse Bewolkung hat oft einen ganz wunderbaren EinfluB auf uns. Sie ziehn und wollen uns roit ihrem kiihlen Schatten auf und davon nehmen, und wenn ihre Bildung lieblich und bunt wie ein ausgehauchter Wunsch unseres Innern ist, so ist auch ihre Klarheit, das herrliche Licht, das dann auf Erden herrscht, wie die Vorbedeutung einer unbekannten, unsaglichen Herrlichkeit. Aber es gibt auch diistere und ernste und entsetzliche Umwolkungen, in denen alle Schrecken der alten Nacht zu drohen scheinen. Nie scheint sich der Himmel wieder auf heitern zu wollen, das Blau ist vertilgt, und ein fables Kupferrot auf schwarzgrauem Grunde weckt Grauen und Angst in jeder Brust. Wenn dann die verderblichen Strahlen herunterzucken und mit hohnischem Gelachter die schmetternden Donnerschlage hinterdreinfallen, so werden wir bis ins Innerste be^gstigt, und wenn in uns dann nicht das erhabne Gefiihl unsrer sittHchen 319

Obermacht

entsteht, so

glauben wir, den Schreck-

nissen der Holle, der Gewalt boser Geister iiberliefert

2u

sein.

Es skid Nachhalle der

alten unmenschlichen

Stimmen der hohern Natur, des himmlischen Gewissens in uns. Das Sterb-

Natur, aber auch weckende

liche

drohnt in seinen Grundfesten, aber das Unsterb-

licbe fangt heller

2u leuchten an und erkennt sich

selbst/^

„ Wann wkd es doch^', sagte Heinrich, „gar keiner Schrecken, keiner Schmerzen, keiner Not und keines tJbels

mehr im

„Wenn wissens.

es

Weltall bediirfen?"'

nur

eine

Kraft gibt

— die Kraft des

Ge-

— Wenn die Natur :2uchtig und sittlich ge-

worden ist. Es gibt nur em Ursache des Ubels — die allgemeine Schwache, und diese Schwache ist nichts als geringe sittliche Empf^glichkeit und Mangel an Reiz der Freiheit.^^

„Macht

piir

doch die Natur des Gewissens

be-

greiflich.^^

„Wenn ich das konnte, so war ich Gott, denn indem man das Gewissen begreift, entsteht es. Konnt Ihr mir das

Wesen der Dichtkunst

begreiflich ma-

chen?^^

„Etwas Personliches EBt sich nicht bestimmt abfragen.‘‘

„ Wieviel weniger also das Geheimnis der hdchsten Unteilbarkeit.L^t sichMusikdemTaubenerklaren ?“

„Also ware der Sinn ein Anteil an der neuen,

durch ihn eroffneten Welt selbst? Sache nur,

wenn man

Man verstiinde die

sie hiatte?‘‘

„Das Weltall sierf^t in unendliche, immer von groBem Welten wieder befaBte Welten. AUe Sinne 320

Sinn. Ein Sinn fohrt wie eine Welt Welten. Abet alles hat seine Zeit alien zu allmahlich und seine Weise. Nut die Person des Weltalls vetsind

am Ende ein

mag

das Vethaltnis unsrer

Welt einzusehn. Es

ist

schwer zu sagen, ob wit innerhalb der sinnlichen Schranken unsers Korpers wirklich unsre Welt mit neuen Welten, unsre Sinne mit neuen Sinnen ver-

mehren konnen odet ob jeder Zuwachs unsrer Erkenntnis, jede neu erworbene Fahigkeit nur zur Ausbildung unseres gegenwartigen Weltsinns zu rechnen ist.“

sagte Heinrich. „Ich

„Vielleicht ist beides

weiB nur so viel, daB fiir mich die Fabel Gesamt•werkzeug meiner gegenwartigen Welt ist. Selbst das Gewissen, diese Sinn und Welten erzeugende Macht, dieser Keim aller Personlichkeit, erscheint mir wie der Geist des Weltgedichts, wie der Zufall der ewigen romantischen Zusammenkunft, des unendlich veranderlichen Gesamtlebens."

„Werter Pilger", versetzte Sylvester, „das Gewissen erscheint in jeder ernsten Vollendung, in jeder gebildetcn Wahrheit. Jede dutch

Nachdenken

zu einem Weltbtld umgearbeitete Neigung und Fertigkeit wird zu einer Erscheinung, zu einer Verwandlung des Gewissens. AUe Bildiing fiihrt zu dem, was

man

nicht anders wie Freiheit

nennen kann, ohn-

erachtet damit nicht ein bloBer BegrifF, sondern der

Grund alles Daseins bezeichnet werden Diese Freiheit ist Meisterschaft. Der Meister iibt freie Gewalt nach Absicht und in bestimmter und uberdachter Folge aus. Die Gegenstande seiner schaffende soil.

Kunst sind 21

NovaliT,

sein

und stehn

Gcsammeltc Werkc

i

in seinem Belieben,

und 321

er

wird von ihnen nicht gefesselt oder gehemmt. gerade diese allumfassende Freiheit, Meister-

Und

schaft oder Herrschaft ist das

ihm

Gewissens. In

Wesen, der Trieb des

ofFenbart sich die heilige Eigen-

tiimlichkeit, das unmittelbare Schaffen

der Person-

lichkeit, und jede Handlung des Meisters ist zugleich Kundwerdung der hohen, einfachen, unverwickelten

— Gottes

Wort/' das, was ehemals, wie mich deucht, Tugendlehre genannt wurde, nur die Religion als Wissenschaft, die sogenannte Theologie im eigentWelt

„Also

ist

auch

lichsten Sinn?

Nur eine Geseteordnung,

die sich zur

Gottesverehrung verhalt wie die Natur zu Gott? Ein Wortbau, eine Gedankenfolge, die die Oberwelt bezeichnet, vorstellt und sie auf einer gewissen Stufe der Bildung vertritt ?

mogen

Die Religion fur das Ver-

der Einsicht und des Urteils, der Richtspruch,

das Gesetz der

Auflosung und Bestimmung

aller

moglichen Verhaltnisse eines personlichen Wesens ?" „AlIerdings

ist

das Gewissen", sagte Sylvester,

„der eingeborne Mittler jedes Menschen. Es vertritt

Erden und ist daher so vieien das Hochste und Letzte. Aber wie entfernt war die bisherige Wissenschaft, die man Tugend- oder Sittenlehre nannte, von der reinen Gestalt dieses erdie Stelle Gottes auf

habenen, weitumfassenden personlichen Gedankens.

Das Gewissen

ist

voller Verklarung, der himmlische

nicht dies

Wesen

in

Urmensch. Es

ist

der Menschen eigenstes

und jenes,

es gebietet nicht in

allgemeinen

Spriichen, es besteht nicht aus einzelnen

Es gibt nur $im Tugend der

322

Tugenden.

— den reinen, ernsten Willen,

im Augenblick der Entscheidung unmittelbar

sich entschlieCt tind wahlt. In lebendiger, eigentiimlicher Unteilbarkeit

bewohnt

es

und

beseelt es das

Sinnbild des menschlichen Korpers

izartliche

und

vermag alle geistigen GliedmaBen in die wahrhafteste TMgkeit zu verset2en.“ ttefflicher Vater^^,

unterbrach ihn Heinrich,

mich das Licht, das aus Euren Worten ausgeht. Also ist der wahre Geist der „mit welcher Freude

erfiillt

Fabel eine freundliche Verkleidung des Geistes der

Tugend und der

eigentliche

Zweck

der untergeord-

neten Dichtkunst, die Regsamkeit des hdchsten, eigentiimlichstenDaseins. Eineiiberraschende Selbstheit ist zwischen

edeln Handlung. ten, nicht

einem wahrhaften Liede und einer Das miiBige Gewissen in einer glat-

widerstehenden Welt wird

2um fesselnden

Gesprach, zut alleser2ahlenden Fabel. In den Fluren

und Hallen dieser Urwelt lebt der Dichter, und die Tugend ist der Geist seiner irdischen Bewegungen und Einfliisse. So wie diese die unmittelbar wirkende Gottheit unter den Menschen und das wunderbare Widerlicht der hohern Welt

ist, so ist es auch die kann nun der Dichter den Eki” gebungen seiner Begeisterung oder, wenn auch er einen hohern iiberirdischen Sinn hat, hohern Wesen

Fabel.

folgen

Wie

und

uberlassen.

Weltalls

sicher

Demut Auch in ihm redet die hohere Stimme des

sich seinem Berufe mit kindlicher

und

ruft

mit be2aubernden Spriichen in er-

Wie sich die Religion 2ur Tugend verh£t, so die Begeisterung 2 ur Fabelfreulichere, bekanntere Welten.

und wenn in heiligen Schriften die Geschichten der Offenbarung aufbehalten sind, so bildet in den Fabellehren das Leben einer hohern Welt sich in

lehre,

wunderbar entstandnen Dichtungen auf mannigfache Weise ab. Fabel und Geschichte begleiten sich in den innigsten Beziehungen auf den verschlungensten Pfaden und in den seltsamsten Verkleidungen, und die Bibel

und

die Fabellehre sind Sternbilder eines

Umlaufs.“ „Ihf redet voUig wahr'', sagte Sylvester,

„und nun

wird es Euch wohl begreiflich sein, daB die ganze Natui: nur durch den Geist der Tugend besteht und

immer bestandiger werden

soli.

Er

ist

das alhiin-

dende, allbelebende Licht innerhalb der irdischen

Umfassung.

Dom

Vom

Sternhimmel, diesem erhabenen

dem krausen Teppich Wiese wird alles durch ihn erhalten, durch ihn mit uns verknupft und uns verstandlich gemacht und durch ihn die unbekannte Bahn der unendlichen Naturgeschichte bis zur Verklarung des Steinreichs, bis zu

einer bunten

fortgeleitet.^'^

und Ihr habt vorher so sch5n fiir mich die Tugend an die Religion angeschlossen. Alles, was die Erfahrung und die irdische Wirksamkeit begreift, „Ja,

macht den Bezirk des Gewissens aus, welches diese Welt mit hohern Welten verbindet. Bei hohern Sinnen entsteht Religion, und was vorher unbegreifliche Notwendigkeit unserer innersten Natur schien, ein AUgesetz ohne bestimmten Inhalt, wird nun zu einer wunderbaren, einheimischen, unendlich mannigfaltigen und durchaus befriedigenden Welt, zu einer unbegreiflich innigen Gemeinschaft aller Seligen in Gott und zur vernehmlichen, vergdtternden Gegenwart des allerpersonlichsten Wesens oder seines Willens, seiner Liebe in

unserm

tiefsten Selbst.^*'

„Die Unschuld Eures Herzens macht Euch Propheten"", erwiderte Sylvester; „E^ch wird

und

verstandlich werden,

zum alles

nnd ihre GeHeiHge Schrift, das groBe Beispiel

die Welt

schichte verwandelt sich Eucli in die

so wie Ihr an der Heiligen Schrift

Worten und Geschichten das Weltall ofFenbart werden kann; wenn auch nicht geradezu, doch roittelbar durch Anregung und Erweckung hoherer Sinne. Mich hat die Beschaftigung mit der Natur dahin gefuhrt, wohin Euch die Lust und Begeisterung der Sprache gebracht haben. Kunst und Geschichte hat mich die Natur kennen gelehrt. Meine Eltern wohnhabt, wie in einfachen

ten in Sizilien, unweit

dem weltberuhmten Berge

Atna. Ein bequemes Haus welches, verdeckt

von

von vormaliger

Bauart,

uralten Kastanienbaumen,

dicht an den felsigen Ufern des Meeres die Zierde eines mit mannigfaltigen

tens ausmachte,

war

Gewachsen besetzten GarWohnung. In der Nahe

ihre

lagen viele Hiitten, in denen sich Fischer, Hirten

Unsre Kammern und Keller was das Leben erhalt und erhoht, reichhch versehn, und unser Hausgerate ward durch wohlerdachte Arbeit auch den verborgenen Sinnen angenehm. Es fehlte auch sonst nicht an mannigfaltigen Gegenstanden, deren Betrachtung und Gebrauch das Gemiit fiber das gewohnliche Leben und seine Bedurfnisse erhoben und es zu einem angemessenern Zustande vorzubereiten, ihm den lautern GenuB seiner vollen eigentumlichen Natur zu versprechen und zu gewahren schienen. Man sah stei-

und Winzer

waren mit

aufhielten.

allem,

nerne Menschenbilder, mit Geschichten bemalte 325

GefaBe, kleincre Steine mit den deutlichsten Figuren iind andre Geratschaften mehr, die aus andern und erfreulicheren Zeiten zuriickgeblieben sein

Auch

mochten.

lagen in Fachern iibereinander viele Perga-

mentroUen, auf denen in langen Reihen Buchstaben die Kenntnisse und Gesinnungen, die Geschichten

und Gedichte jener Vergangenheit in anmutigen und kiinstlichen Ausdriicken bewaiirt standen.

Der Ruf

meines Vaters, den er sich als ein geschickter Stemdeuter zuwege brachte, zog ihm zahlreiche Anfragen und Besuche, selbst aus entlegnern Landern, zu, und da das Vorwissen der Zukunft den Menschen eine sehr seltne und kostliche Gabe diinkte, so glaubten

zu rniissen, so daB mein Vater durch die erhaltenen Geschenke in den Stand gesetzt wrde, die Kosten seiner bequemen sie

ihre Mitteilungen gut belohnen

und genuBreichen Lebensart hinreichend zu konnen."

326

bestreiten

DAS GESICHT (Brster

Das Land

Entwurf des

Anfangs zum zwetUn

Tetl)

erhob sich immer mehr und ward nneben alien Richtungen kreuzten sich

und mannigfach. In

Die Schluchten wurden tiefer und schon uberall durch, und iiber die diuikeln Walder ragten steile Klippen hervor, die nur mit werdgem Gebiisch bewachsen izu sein schienen. Der Weg lief an einem Abhange fort und hob sich nur unmerklich in die Hohe* Wenn auch das Griin der Ebene hier merklich verdunkelt Bergriicken.

schroffer. Felsen blickten

war, so zeigten dafur verschiedene Bergpflanzen die

buntesten Blumen, deren schoner Bau

und

erquik-

kender Geruch den angenehmsten Eindruck machte.

Die Gegend schien ganz einsam, und nur von weitem man die Glockchen einer Herde zu vernehmen. In den Abgriinden rauschten Bache. Der Wald war in mannigfaltigen Haufen am Gebirge gelagert und reizte das Auge, sich in seine dxiftige kiihle Tiefe zu verlieren. Einzelne Raubvogel schwebten um die Spitzen der uralten Tannen. Der Himmel war dunkel glaubte

und

durchsichtig.

Nur

leichte glanzende

Wolkchen

langsam dutch sein blaues Feld. Auf dem schmalen FuBsteige kam langsam ein Pilger herauf streiften

aus der Ebene. Mittag warvorbei. Ein ziemlich star-

Wind lieB sich in der Luft verspiiren, und seine dumpfe wunderliche Musik verlor sich in ungewisse Fernen. Sie wurde lauter und vernehmlicher ker

327

den Wipfeln der Baume, so daC zuweilen die Endund einzelne Worte einer menschlichen Sprache hervorzutonen schienen. Durch die Bewegungen der Luft schien auch das Sonnenlicht sich in

silben

zn bewegen und zu schwanken. Es batten alle Gegenstande einen ungewissen Schein. Der Pilgrim

Nach

ging in tiefen Gedanken.

einiger Zeit setzte

er sich auf einen groBen Stein unter einen alten

Baum, der nur unten noch

griin

und oben

diirr

und

abgebrochen war.

1

(Gesprach mit sich

.

selbst.

Er geht nachher weiter,

findet die Ruine, verlassene Hiitten, eine scheint

noch

bewohnt, ruhrende Habseligkeiten.)

2.

Im Heinrich ist zuletzt eine ausfuhrliche Beschreibung der innern Verklarung des Gemiits. Er kommt in Sophiens Land — in die Natur, wie sie sein konnte

Der

— in

ein allegorisches Land.

kaiserliche

Hof muB

eine groBe Erscheinung

werden. Das Weltbeste versammelt. Dunkle Reden

von Amerika und Ostindien usw. Gesprach mit dem Kaiser iiber Regierung, Kaisertum usw.

328

HANDSCHRIFTLICHE ENTWtJRFE Heinrich von Ofterdingen''

ZUY Fortsetzung von

I

Ein Kloster, hochst wunderbar, wie ein Eingang ins Paradies.

Erstes Kapitel ein Adagio.

(Heinrich

yon Ofterdingen mischt

sich in der

Schweiz in biirgerUche H^del.) (Rninen von Vindonissa.) Hier wird Heinrich Feldherr.

Italienische Handel.

Beschreibung eines Gefechts usw.

Meer (Erzahlung). Nach Griechenland

yerschlagen.

Tunis. Riickreise liber

Rom.

Kaiserlicher Hof.

Wartburg. Innrer

Streit der

Poesie. Mystizism

dieses Streites. Formlose, formliche Poesie.

Kyffhauser.

Erzahlung des MMchens, der blauen Blume. Oifenbarung der Poesie auf Erden - lebendige Weissagung Ofterdingens. Apotheose: Fest des Gemiits, H5chst wunderbares

Drama in

Versen, wie Sakontala,

Eingangs- und SchluBgedichte und tJberschriften jedes Kapitels.

Zwischen jedem Kapitel spricht die Poesie.

DerDichtef aus derErzahlung Die Fabel erscheint. Mutter und Vater bliiha

-*

Konig der Poesie.

auf.

Kein rechter historiscber Ubergang (aus) nach dem 5:weiten Teile; dunkel - triib ~ verworrcn. Die

Verm^ung

der Jahreszeiten.

Blumengesprache. Tiere. Heinrich

von Ofterdingen wird Blume,

Tier,

Stein, Stern.

Nach Jakob Bohme am SchluB des Buchs. Die Dichter wetten aus Enthusiasmus und bacchischer Trunkenheit

Gesprach mit

um

dem

den Tod. Kaiser xiber Regierung usw.

Buch „De tribus impostoribus.“ Geburt des siderischen Menschen mit der ersten Umarmung Mathildens und Heinrichs. Dieses Wesen spricht nun immer zwischen den Kapiteln. Die Wunderwelt ist nun aufgetan.

Mystischer Kaiser.

Mystizism mit

dem

kaiserlichen Hause, Urkaiser-

familie.

Sophie

und

ist

das Heihge, Unbekannte.

Das

Licht-

Schattenreich leben durcheinander. Fabel ist mit

FleiB irdisch. Heinrich

kommt

in die Garten der

Hesperiden.

Der SchluB

ist

in die geheime

tJbergang aus der wirklichen Welt

- Tod -

Letzter

Traum und

Er-

wachen. tJberaU muB hier schon das ‘Oberirdische scHmmem - Das M^chenhafte.

dutch-

Die blaue Blume richtet sich noch nach den Jahreszeiten.

Heinrich vernichtet diesen Zauber, zerstort

das Sonnenreich. Klingsohr ist der Konig von Atlan-

330

tis.

Heinrichs Mutter

ist

Phantasie.

Der Vater

ist

der

Sinn.

Schwaning ist der Mond, und der Antiquar ist der Bergmann (war das Eisen) und auch das Eisen.

Der Graf von Hohertzollern und

kommen

auch wieder.

Nur

die Kaufleute

nicht sehr streng

alle-

gorisch. Kaiser Friedrich ist Arktur.

Die Morgenlanderin ist auch die Poesie. Dreieiniges Madchen. Heinrich muB erst vonBlutnen fur die blaueBlume empf^glich gemacht werden. Geheimnis voile Verwandlung, Ubergang in die hohere Natur. Schmerzen versteinern usw. Die Erzahiung vom Dichter kann wohl Heinrichs Schicksal werden.

Metempsychose.

Loge ungen Gemiitern.

Kloster, wie eine mystische, magische Pries ter des heiligen Feuers in

j

Ferner Gesang der Briider. Vision in der Kirche.

Gesprach

liber

Tod - Magie usw.

Heinrichs

Ahn-

dungen des Todes. Stein der Weisen. (Individueiler Geist jedes

Buchs, auch meines

Heinrichs.)

Garten

am Kloster.

(Pathologischer Einflufi der Schonheit auf ein

der Gemutskrafte.) mit einem Wolfe rettet einen Klosterbruder. Lamm mit einem goldnen Felle.) freieres, leichteres Spiel

(Heinrichs

Kampf

AUerhand Wissenschaften poetisiert, auch die thematik in Wettstreit. Ostindianische Pflanzen

- etwas

iadische

Ma~

Mytho-

logie.

331

Sakontala.

Gesprache der Blumen und Tiere iiber Menschen, Religion,

Natur und Wissenschaften.

BQingsohr - Poesie der Wissenschaften.

2u dialogieren. Aufgegebne Tendenz, die Natur zn kopieren usw.) Die Welt - ehmalige Freiheit. (Leichtigkeit

(Der Tod macht das gemeine Leben so poetisch.) Das Hirtenmadchen ist die Tochter des Grafen von Hohen2ollern. Die Kinder sind nicht gestorben. Ihre Erinnerung ans Morgenland.

Ihr Wunderliches

hung durch

Leben in den Gebirgen. Er^ie-

ihre verstorbene Mutter.

Ihre wunderliche Errettung aus

demGrabgewolbe

durch einen alten Atzt.

Das Madchen hat ihren Bruder verloren. Sie ist und freundHch - Mit dem Wunderbaren so

heiter

bekannt. Sie erzahlt hatt^ ihr ihre

ihm

seine eigene Geschichte, als

Mutter einmal davon

erzahlt.

Die Monche im Kloster scheinen eine Art von Geisterkolonie.

Erinnerung ans Feenmarchen von Nadir und Nadine. Viele Erinnerungen an Marchen. Heinrichs

dem MMchen. Wunderliche MythoDie Marchenwelt muB jet2t recht oft durchscheinen. Die wirkliche Welt selbst wie ein M^chen

Gesprache mit logie.

angesehn.

Heinrich

kommt nach

Das Gesicht. Heldenzeit.

Das Altertum. 33 ^

Loretto.

Das Morgenland. Der Kaiser. Der Streit der Sanger. Die Verklarung. Skizze der Verklarung.

Anfang in Stamien. Heinrich. Auch zukiinftige Menschen in der Verklarung. Gegen das Gleichnis mit der Sonne ist Heinrich bei mir.

Der

Streit

der Sanger

ist

schon der

erste

Akt auf

Erden. Heinrich wird im Wahnsinn Stein - (Blume) klin-

gender Baum - goldner Widder Heinrich errat den Sinn der Welt - Sein freiwilliger Wahnsinn. Es ist das Ratsel, was ihm aufgegeben

- ewigeFrem~ den die Geheimnisse. Die Erzahlung von mir von dem Dichter, der

wird. DieHesperiden sind Fremdlinge

seine Geliebte verloren hat,

muB nur

auf Heinrichen

angewandt werden.

II

Heinrich konnte vor ein Theater

Das Fest kann aus

kommen.

lauter allegorischen

Szenen zm

Verherriichung der Poesie bestehn. Heinrich gerat unter Bacchantinnen: Sie t5ten ihn - der Hebrus tont von der schwimmenden Leier. Umgekehrtes

Marchen. Mathilde

steigt in die

Unterwelt und holt ihn.

Poetische Parodie auf Amphion. 333

Die ganze er ste Halfte des zweiten Teils mu6 recht leicht, dreist, sorglos und nur init einigen scharfen Strichen bemerkt warden.

Die Poesie der verschiedenen Nationen und ZeiEdda. Morgenl^dische Poesie. Wilde.

ten. Ossian.

Franzosische, spanische, griechische, deutsche usw.

Druiden^ Minnesinger.

Das Buch schlieJBt just umgekehrt wie dasMarchen - mit einer einfachen Familie. Es wird stiller, einfacher und menschlicher nach dem Ende zu. Ziige aus Heinrichs Jugend. Erzahlung seiner

Mutter. Heinrichs

Es

ist

und Mathildens wunderbares Kind.

die Urwelt, die goldne Zeit

Saturn

am

Ende.

= Arktur.

Die Szenen im Feste sind Schauspiele. Die entferntesten und verschiedenartigsten Sagen und Begebenheiten verknupft. Dies ist eine Erfindung von mir. (Elysium und Tartarus sind wie Fieber und Schlaf beisammen.) SoUte es nicht gut

sein,

hinten die Familie sich in

eine wunderliche mystische

Versammlung von An*

tiken verwandeln zu lassen?

Farbencharakter. Alles blau in

meinem Buche,

hinten Farbenspiel. Individualitat jeder Farbe.

(Das

Auge

ist allein

raumlich, die andern Sinne

alle zeitlich.)

(Verteilung Einer

Individualitat auf

sonen.)

(Naturpoet. Kunstpoet.)

334

mehrere Per-

Metra miissen begeistern. Eigentliche Poesie, Hinten wunderbare Mythologie. Ein altes Muttergottesbild in einem hohienBanme xiber ihm. Es l^t sich eine Stimme h5ren - Er soil eine Kapelle bauen lassen. Das hat das Hirtenmadchen in seinem Schut2,und emeht es mit Gesichten.Es schickt ihn 2u den Toten die Klosterherm sind Tote. Die epische Periode muB ein historisches Schau:

spiel

warden, wenn auch dutch Erizahlung die Szenen

verbunden sind. Rede Heinrichs in Jamben. Liebe eines j ungen vornehmen Pisaners 2u einer Florentinerin. Heinrich uberfallt mit einem fliichtigen Haufen die feindliche Stadt. Alle Elemente des Kriegs in poetischen Farben.

Ein groBer Krieg, wie ein Zweikampf - durchaus -- philosophisch - human. Geist der alten

generos

Chevalerie. Ritterspiel. Geist der bacchischen

Weh-

mut.

Die Menschen miissen sich

selbst untereinander

toten, das ist edler als durchs Schicksal fallen. Sie

suchen den Tod. Ehre,

Ruhm usw. ist des Kriegers Lust und Leben.

Im Tode und

als

Todeslust

Kriegergeist. Romantisches

ist

Schatten lebt der Krieger.

Leben

des Kriegers.

Auf Erden ist Erden

der Krieg zu Hause, Krieg

muB auf

Orientalische

Lied zu

sein.

Kriegslieder.

Gedichte.

Loretto. Streit der Sanger. Verklarung,

Heinrich

kommt

nicht nach Pamir.

Er kommt

nach Jerusalem. 335

Wunderliche Gesptache mit den Toten. Gesprache mit dem alten Mann xiber Physik nsw., besonders Arzeneikunde, sicht der Welt.

Physiognomik.

Medizinische

An-

Theophrast Paracelsus. Philosophie,

Magie usw. Geographic. Astrologie. Er ist der hohere Bergmann. Erzahlung des Hirtenmadchens - Zolestine Cyane. Uber den Streit auf der Wartburg und die (letzte) Verklarung noch reifUch nachgedacht. (An Unger geschrieben. Von Karl - Leben des

Nadir Schach.)

(Wer

recht poetisch

ist,

dem

ist

die ganze

Welt

ein fortlaufendes Drama.)

Mit dem Griechen Gesprache iiber Moral usw. dieser Tour, in dem Kapitel Altertum, kommt er auch in ein Arsenal. Keinen Streit auf der Wartburg. Mehrere Szenen

Auf

an Kaiser Friedrichs Hofe. Hinten ein ordentliches Marchen in Szenen fast nach Gozzi - nur viel romantischer. Hinten die Poe-

Welt ~ Herstellung der Marchenwelt. Aussohnung der christlichen Religion mit der heidnischen. Die Geschichte des Orpheus - der Psyche

tisierung der

usw.

Der Fremde von der ersten Seite. Das ganze Menschengeschlecht wird am Ende poetisch. Neue goldne Zeit. Poetisierter Idealism.

Menschen, Tiere, Pflanzen, Steine und Gestirne, Flammen, Tone, Farben mtissen hinten zusammen, wie Eine Familie oder Gesellschaft, wie Ein Geschlecht handeln

336

und

sprechen.

Das Hirtenmadchen

Mysticism der Geschichte.

oder Cyane opfett sich fur ihn au£ Heinrich spricht mit Klingsohr liber ailerhand sonderbare Zeichen.

Er hort

die

Nacht ein Lied, das

macht. Sehnsucht nach

dem

Klingsohr davon. Goldner

Der

fiihrt

er ehmals ge-

Er sagt Urkunde usw.

Kyffhauser.

Schliissel,

ihn auf seinem Mantel nach

dem

Kyff-

hauser.

(Klingsohr, ewiger Dichter, stirbt nicht, bleibt in

der Welt.

Sohn von Friedrich dem Zweiten das hohenstaufische Haus ~ das kiinftige Kaiserhaus. Der fehlende Stein in der Krone. Schon in Pisa Naturlicher

findet er des Kaisers Sohn. Ihre Freundschaft.)

Johannes

kommt und

fuhrt ihn in den Berg.

Ge-

sprach tiber die Offenbarung. Das Hirtenmadchen

Der alte Mann Das schone Madchen. Er kommt in die Hdhle, wo Mathilde schlaft. ~ Das kleine Madchen. Der Stein im Bukett. Cyane tragt den Stein zum Kaiser. Er findet den goldnen Schliissel im Bassin.

folgt

ihm

treulich nach. (Er^ahlung.

erwacht.

Kommt in die Hohle, wo Mathilde schlaft. Meine erfundne Erizahlung.Nur Cyane tragt den

Schliissel.)

erwacht die Geliebte nicht gleich. Gesprach mit

dem

kleinen

MMchen;

sein

und Mathildens

pfliicken

und herbringen.

das

ist

Kind.

Er

soil die

blaue

Blume

(Das Hirtenmadchen

pfliickt sie fur ihn.)

Cyane tragt den Stein weg.

Er

(holt) pfliickt die blaue

Blume und wird (2um

klingenden Baume) ein Stein. 2Z

Nopoltr^ Gesarnjcnelte

Wctkc

i

337

(Mathilde

kommt und macht

ihn durch seine

eignen Lieder).

Die Morgenlanderin (Edda, die eigentliche blaue Blume), opfert sich an seinem Steine, er wird ein

Baum, Das Hirtenmadchen haut den Baum urn und verbrennt sich mit ihm. (Er wird ein klingender

goldner Widder.) (Mathilde)

muB ser

Edda oder Mathilde Wahrend die-

ihn opfern. Er wird ein Mensch.

VerwancUungen hat

er allerlei wunderliche

sprache.

Ill

Himmlisches Leben im blauen Gewande, Stiller Wunsch im blassen Schein Fliichtig grabt

im bunten Sande

den Zug des Namens ein Unter hohen, fasten Bogen, Nur vom Lampenlicht erhellt, Sie

Liegt, seitdem der Geist entflogen.

Nun

das Heiligste der Welt.

Leise kiindet bessre

Tage

Ein verlornes Blatt uns an, Und wir sehn der alten Sage

Machtge Augen aufgetan. Naht euch stumm dem ernsten Chore, Harrt auf seinen Fliigelschlag

Und vernehmt herab vom Chore, Wo weissagend der Marmot lag. Flxichtges

Leben und

lichte Gestalten

Fiillen die weite, leere

Nur von 538

Nacht,

Scherzen aufgehalten

Ge-

Wurden unendliche

Zeiten verbracht

-

Liebe brachte gefiillte Becher,

Also perlt in Blumen der Geist,

Ewig

trinken die kindlichen Zecher,

Bis der geheiligte Teppich zerreiCt.

Fort dutch unabsehJiche Reiche

Schwanden

die bunten, rauschenden

Wogen,

Endlich von farbigen Kafern getragen

Kam die

Blumenfiirstin allein,

wie Wolken, zogen Von der blendenden Stirn zu den FuBen ~ Wir fielen nieder, sie zu griiBen Wir weinten bald - sie war entflogen. Schleier,

IV

Wohin ziehst du Fiille

roich,

meines Herzens,

Gott des Rausches, Welche Walder, welche Kliifte Durchstreif’ ich mit fremdem Mut? Oh, welche Hohlen Horen in den Sternenkranz Casars ewigen Glanz mich flechten Und den G5ttern ihn zugesellen. Unerhorte, gewaltige,

Keinen sterblichen Lippen entfallene Dinge will ich sagen.

Wie

die gliihende Nachtwandlerin,

Die bacchische Jungfrau Am Hebrus staunt 339

Und im thtazischea Sclmee Und in Rhodope, im Lande

der Wilden,

So diinkt mir seltsam und fremd

Der Fliisse Gewasser, Der einsame Wald . .

340

tJBER

LUDWIG TIECKS BERICHT DIE FORTSETZUNG DES ROMANS

Weiter

ist

der Verfasser in der Ausarheitung dieses

zweiten T eils nicht gekommen. Diesen nannte er ydie Erful-

lung\ so wie den ersten ,Efwartung‘ weil hier alles aufy

und erfullt werden solltey was jener hatte ahnden lassen. Es war die Ahsicht des DichterSy nach Vollendung geldst

des yOfterdingen' noch seeks

Romane zu

sdhreibeny in

denen er seine Ansichten der Physik, des bilrgerlichen LebenSy der Handlungy der Geschichtey der Polihk der Liebey so wie wolUe.

im

und

yOfterdingen' der Poesie, niederlegen

Ohne mein Erinnern wird der

unterrichtete Leser

daP der Verfasser sick in diesem Gedichte nicht genau an dte Zeit oder an die Person jenes bekannten sehUy

Minnesangers gebunden sein Zeitalter erinnern des

VerfassetSy

haty obgleich alles

soil,

sondern fur die Kunst

unersetzlicher Verlust,

daP

an ihn und

Nicht nur fur die Freunde er diesen

selbst ist es ein

Roman

nicht hat

und grope Absicht sich im zweiten Teile noch mehr als im ersten wurde gezeigt haben. Denn es war ihm nicht darum zu tuUy diese beendigen konnen, dessen Originalitdt

Oder jene Begebenheit darzustelleny eine Seite der Poesie

aufzufassen

und

sie

durch Figuren und Geschichten zu

erkldreUy sondern er wolltCy wie

auch schon im

Kapitel des ersten Teils bestimmt angedeutet eigentliche

Wesen

der Poesie aussprechen

nerste Absicht erkldren,

HistoriCy der

Darum

und

letzten

ist,

das

ihre in-

verwandelt sich Natuty

Krteg und das burgerliche Leben mit seinen 34X

Vorfallen

gewohnlichsten ist,

in Poesie, well diese der Geist

der alle Binge belebt

Ich will den Versuch machen, soviel es mir aus Gesprdchen mil

meinem Freunde

ich aus seinen hinterlassenen

erinnerlich ist

Dem

Mittelpunkt ergriffen hat,

ihm sind

Magie der Phantasie kann verknilpfen, die

Wunder

und besonders

Wesen

seiner

Kunst im

erscheint nichts widerspre-

die Rdtsel geldst, durch die

und Welten und alles verBuck gedichtet,

er alle Zeiialter

verschwinden,

wandelt sich in Wunder: so

ist dieses

findet der Leser in

den ersten Teil

dent Inhalte

Werkes zu verschaffen,

Dichter, welcher das

chend und fremd,

soviel

Papieren ersehen kann,

dem Leser einen Begriff von dem Plan und des zweiten Teiles dieses

und

beschhefit, die

dem Marchen,

welches

kuhnsten Verknupfungen;

hier sind alle Unterschiede aufgehoben, durch welcheZeitalter

voneinander getrennt erscheinen und eine Welt der

andern als femdselig begegnet. Durch dteses Marchen wollte s%ch der Dichter hauptsdchlich

den

D hergang zum

zweiten Teile machen, in welchem die Geschichte unaufhdrlich aus

uberschweift

dem Gewohnlichsten in das Wundervollste und sich beides gegenseitig erkldrt und er-

gdnzt; der Geist, welcher den Prolog in Versen halt, sollte

nach jedem Kapitel wiederkehren und diese Stimmung, diese

wunderbare Ansicht der Dinge

dieses Mittel blieh die unsichibare

fortsetzen.

Durch

Welt mit dieser

sicht-

baren in ewiger Verknilpfung. Dieser sprechende Geist ist

die Poesie selber, aber zugleich der siderische

der mit der

boren ist

Umarmung

In folgendem

ge-

Gedichte, welches seine Stelle

im

,Ofterdingen‘ finden sollte, hat der Verfasser teste

342

Mensch,

und Mathildens

Heinrichs

auf die

leich-

,Weise den innern Geist seiner Bucher ausgedruckf:

^Werni nicht melur Zahlen und Figurea Sind Schlussel

Wean

die, so

Mehf als

aller

Kreaturen,

singen oder kussea,

die Tiefgelehrtea wissea,

Weaa sich die Welt ias freie Lebea Uad m die Welt wird zuriickbegebea, Weaa daaa sich wieder Licht uad Schattea Zu echter Klarheit werdea gattea Und man in Marchen uad Gedichtea Erkennt die whren Weltgeschichtea, Dana

fliegt

vor einem geheimen Wort

Das ganze verkehrte Wesea

fort.

Der Gartner, welohen Heinrich spricM,

ist derselbe alte

Mann, der schon einmaL Ofterdingens Voter aufgenommen hatte, das junge Mddchen, welches Cyane hei^t, ist mcht sein Kind, sondern die Tochter des Grafen von Hohenzollern, sie ist am dem Morgenlande gekommen, zwar friih, aber dock kann sie sich ihrer Heimat erinnern, sie hat lange

in Gebirgen, in welchen sie von ihrer ver-

storbenen Mutter erzogen gefuhrt: einen sie selbst

Bruder hat

ein Wunderliches Leben

ist,

sie

fruh verloren, einmal

in einem Grabgewolbe

dem Tode

ist

sehr nahege-

wesen, aber hier hat sie ein alter Arzt auf eine seltsame

Weise vom Tode errettet. Sie ist heiter und freundlich und mit dem Wunderbaren sehr vertraut. Sie erzdhlt dem Bichter seine eigene Geschichte, als wenn sie dieselbe einst von ihrer Mutter so gehbrt hatte, ~ Sie schickt ihn nach einem entlegenen Kloster, dessen Mbnche

als eine

von Geisterkolonie erscheinen,

wie eine my-

stische,

alles ist hier

Art

magische Loge. Sie sind die Priester des heikgen

Feuers in jungenGemutern,

Er hbrt den fernenGesang der

Bruder; in der Kirche selbst hat er eine Vision, Mit einem alten

Monch

spricht Heinrich ilber

Tod und Magie,

er

343

hat

Ahndungen vom Tode und dem Stein der Weisen; den Klostergarten und den Ktrchhof; uber den

er besucht

letztern findet sich folgendes Gedicht:

Lobt doch unsfe

stillen

Feste

Unsfe Garten, unsre Zimmer,

Das bequeme Hausgerate, Unser Hab und Gut.

kommen neue

Taglich

Gaste,

Diese fruh, die andern spate,

Auf den

weiten Herden

immer

Lodert neue Lebensglut.

Tausend

zierliche GefaBe,

Einst betaut mit tausend Tranen,

Goldne Ringe, Sporen, Schwerter

Smd

in

unserm Schatz:

Viel Kleinodien

Wissen wir

in

und Juwelen

dunkeln Hohlen,

Keiner kann den Reichtum zahlen,

ohn UnterlaB.

Zahlt’ er auch

Kinder der Vergangenheiten,

Helden aus den grauen Zeiten,

Der Gestirne Wunderlich

Riesengeister,

gesellt,

Holde Frauen, ernste Meister, Kinder und verlebte Greise Sitzen hier in etnem Kreise,

Wohnen

in der alten

Keiner wird sich

je

Welt

beschweren,

Keiner minschen fortzugehen.

Wet an unsern

vollen Tischen

Einmal frohlich

saB.

Klagen sind nicht mehr zu horen. Kerne Wunden mehr zu sehen.

344

;

Keine Tranen abzuwischen

Ewig kuft Tiefgeruhrt

Und

das Stundenglas.

von

heilger

Gate

versenkt in selges Schauen,

Steht der

Himmel im Gemute,

Wolkenloses Blau;

Lange fliegende Gewande Tragen uns durch Fruhlingsauen, Und es weht in diesem Lande Nie ein Luftchen kalt und rauh. SuBef

Rek

Stiller

Kreis geheimer Machte,

der Mitternachte,

WoUust ratselhafter Spiele, Wir nur kennen euch. Wir nur sind am hohen Ziele, Bald in Strom uns zu ergieBen,

Dann in Tropfen zu Und zu nippen auch Uns ward

erst die

zerflieBen

zugleich.

Liebe Leben;

Innig wie die Elemente

Mischen wir des Daseins Fluten, Brausend Herz mit Herz. Lustern scheiden sich die Fluten,

Denn 1st

der

Kampf der Elemente

der Liebe hochstes Leben

Und

des Herzens eignes Herz.

Wunsche suBes Plaudem Horen wir allein und schauen Immerdar in selge Augen, Schmecken nichts als Mund und KuB. AUes, was wir nur beruhren, Wird zu heiBen Balsamfruchten, Wird zu weichen, zarten Brusten, Leiser

Opfer kuhner Lust.

345

Immef wachst und

bluht Verlangen,

Am Geliebten festzuhangen, Xhn im Innern zn empfangen, Bins mit ihm zu

sein,

Seinem Durste nicht zn wehren, Sich

im Wechsel zu verzehfen,

Von Von

einandet sich zu nahren.

So

einander nur

in Lieb

Smd

allein.

und hoher WoUust

wir immerdar versunken,

Seit der wilde

tmbe Funken

Jener Welt erlosch; Seit der

Hugel

sich geschlossen

Und der Scheiterhaufen spruhte Und dem schauemden Gemute Nun das Erdgesicht zerfloB. Zauber der Erinnerungen, Heilger

Haben

Wehmut

suBe Schauer

innig uns durchklungen,

Kuhlen unsre Glut.

Wunden

gibts, die

Eine gottlich

Wohnt in

tiefe

unser

Lost uns auf in

Und

ewig schmerzen, Trauer

aller Herzerif eine Flut.

in dieser Flut ergieBen

Wir uns auf geheime Weise In den Ozean des Lebens, Tief in Gott hinein;

Und aus

seinem Herzen BieBen

Wir zuruck zu unserm

Und

Kreise,

dcr Geist des hochsten Strebens

Taucht in unsre Wirbel

346

ein.

;

Schuttelt cure goldnen Ketten Mit Smaragden und Rubinen

Und

die blanken saubern Spangen,

und Klang zugleich. Aus des feuchten Abgrunds Betten, Aus den Grabern und Ruinen, Himmelstosen auf den Wangen, Blitz

Schwebt

ins

bunte Fabekeich.

Konnten doch

die

Menschen wissen,

Unsre kunftigen Genossen, DaB bei alien ihren Freuden

Wit

geschaftig sind:

Jauchzend wurden

Gern das

O

I

die Zeit

Kommt,

sie verscheiden,



bleiche Dasein missen ist

bald verflossen,

Geliebte,

doch geschwindl

Helft uns nur den Erdgeist binden,

Lernt den Sinn des Todes fassen

Und das Wort des Lebens finden Einmal kehrt euch um. Deine Macht muB bald verschwinden, Dein erborgtes Licht verblassen, dich in kurzem binden, Erdgeist, deine Zeit ist um.

Werden

Dieses GedicM war vielleicht wiederum ein Prolog zu

einem zweiten KapiteL Jetzt

sollte sick

Periode des Werkes eroffnen, aus

eine ganz neue

dem stillsten Tode sollte

sich das hochste Leben hervortun; er hat unter Toten geleht

und

selhst

mit ihnen gesproohen, das Buck

sollte fast

dramatisch werden und der epische

Ton gleichsam nur die einzelnen Szenen verkniipfen und leicht erkldren, Heinrich hefindet sich plotzlich in dem unruMgen Italien, das von Kriegen zerruttet wird, er sieht sich als Feldherr

347

an der Spitze eines Heeres. Alle Elemente des Krieges spielen tn poetischen Farlen; er uberfalU mit einem finchtigen

Haufen

etne feindliche Stadt, h%er erscheint als

Episode die Liehe eines vornehmen Pisaners zu einem florentinischen

Mddchen. Kriegsheder. ,Ein grower Krieg,

wie e^nZweikampf, durchaus

edel,

philosophisch,

human.

Geisi der alien Chevaliere. RitterspieL Geist der hacchi-

- Die Menschen mussen

schen Wehmut.

einander toten^ das

ist edler als

- Ehre,

Sie suchen den Tod.

Ruhm

des Kriegers Lust

ist

Tode und

als Schatten lebt der Krieger.

tsl Kriegergeist.

- Auf Erden ist der Krieg zu sein.' - In Pisa findel

und Lehen. Todeslust

Im

sich selbst unter-

durch das Schicksal fallen.

mu^

Hause Krieg

auf Erden

Heinrich den Sohn des Kaisers Friedrich des Zweiten, der se%n vertrauter er.

Freund wird. Auch nach Loreto kommt

Mehrere Lieder

verschlagen.

Die

her

sollten

Von einem Sturm wird alte

folgen.

der Dichter nach Griechenland

Welt m%t ihren Helden und Kunst-

schdtzen erfullt sein Gemut.

Er spricht mit einem Griechen

uber die Moral Alles wird ihm aus jenerZeit gegenwarUg^ er lernt d%e alien Btlder

und

die alte Geschichte verstehn.

Gesprdche uber die griechischen Staaisverfasstmgen, uber Mythologie.

Nachdem Heinrich hat verstehen lernen,

die Heldenzeit

kommt

er

und das AUertum

nach dem Morgenlande,

nach welchem sich von Kindheit auf seine SehnsucM gerichtet hatte.

Er

besucht Jerusalem; er lernt orienta-

lische Gedichte kennen. Seltsame

Begebenheiten mit den

Ungldubigen halten ihn in einsamen Gegenden zurilck, er findet die

Familie des morgenlandischen Mddchens

(siehe den ersfen Te%l); die dortige Lehensweise einiger

nomadischen Stamme. Persiscke Marchen. Erinnerungen 348

aus der altesten Welt,

Immer

soUte das

Buck unter den

verschiedensten Begehenheiten denselhen Farhencharakter hehalten

und an

die blaue

BUime und

soUten zugleioh die entferntesten

erinnern: durchaus versckiedenartigsten

Sagen verkmipft warden, griechische, orientalische, bib-

und

lische

christliche,

mit Erinnerungen und Andeutun-

gen der indischen wie der nordischen Mythologie, Die Kreuzzuge.

Das

Seelenleben. Heinrich geht

Die Zeit der romischen

nach Rom.

Geschichte.

Mit Erfahrungen gesattigt kehrt Heinrich nach Deutschland zuruck. Er findet seinen GrojSvater, einen tiefsinnigen Charakter, Klingsohr

ist

in seiner Gesellschaft

Abendgesprache mit den beiden. Heinrich begibt sich an den

den Kaiser persbnlich kennen,

Hof Friedrichs, er lernt Der Hof sollte eine sehr

wurdige Erscheinung machen, die Darstellung der besten, grof^ten

und wunderbarsten Menschen, aus der ganzen

Welt versammelt, deren Mittelpunkt der Kaiser

Hier erscheint die

grofite

Welt. Deutscher Charakter

selbst ist.

Pracht und d%e wahre

und

grofie

deutsche Geschichte war-

den deutlich gemacht Heinrich spricht mit dem Kaiser ilber

Regierung, uber Kaisertum,

dunkle Reden von

Amerika und Ostindien. Die Gesinnungen

eines Fursten.

Mystischer Kaiser. Das Buch ,De tribus impostoribus\

Nachdem nun Heinrich auf eine neue und gro^ere als im ersten Teile, in der ,Erwartung\ wiederum die Natur, Lehen und Tod, Krieg, Morgenland, Geschichte und Poesie erlebt und erfahren hat, kehrt er wie in eine alte Heimat in sein Gemut zuruck. Aus dem Verstandnis der Welt und seiner selbst entsteht der Trieb zur Verkldrung: die wunderbarste Mdrchenwelt tritt nun ganz Weise

nahe, weil das Herz ihrem Verstdndnis vollig geo ffnet

ist.

349

In der Manessischen Sammlung der Minnesinger

fin-

den wir einen ziemlich unverstdndlichen Wettgesang des Heinrich von Ofterdingen

und Khngsohr mit andern

Dichtern: statt dieses Kampfspieles wolUe der Verfasser einen andern seltsamen poetischen Streit darstellen, den

Kampf

und bbsen Prinzips in Gesdngen

des guten

Religion

und

Irreligion, die unsichthare

haren entgegengestelU,

der

stcht-

Jn bacchischerTrunkenheit wetten

aus Enthusiasmus

die Dichter

Welt der

schaften werden poehsiert,

um

den Tod I Wissen-

auch d%e Mathematik

streitet

mit. Indianische Pflanzen werden besungen: indische

Mythologie in neuer Verkldrung. Dieses

ist

der

letzte

AM Heinrichs auf Erden, der tfber-

gang zu seiner eignen Verkldrung. Dieses

ist die

Auf-

Idsung des ganzen Werks, die Erfullung des Mdrchens, welches den ersten Teil beschliefit. lichste

und

und

zugleich naturlichste

vollendet,

Auf

die ubernatur-

Weise wird

alles erkldrt

Fab el und und Gegenwart ist

die Scheidewand zwischen

Vergangenheit

Wahrheit, zwischen eingefalien: Glauben,

Phantasie, Poesie schlief^en die

innerste Welt auf.

Heinrich

kommt in Sophiens Land, in

eine Natur,

wie sie sein konnte, in eine allegorische, nachdem er mit

Klingsohr uber einige sonderbare Zeichen

und Ahndun-

gen gesprochen hat Diese erwachen hauptsdchlich

einem alien Liede, welches er zufdllig singen welchem ein

tiefes

beschriehen wird.

Wasser an einer verborgenen

Durch diesen Gesang erwachen

vergessene Erinnerungen, er geht

Robe geraubt

hatte

nach dem Wasser und

und den

ihm

er niemals hatte

wiederfinden kbnnen. Diesen Schlussel hatte

350

Stelle

Idngst-

findet einen kleinen goldenen Schlussel, welchen voYzeiten ein

bei

hort, in

ihm

bald

nach Mathildens Tode ein Bedeuten, er soils ihn

ihn

sagen,

alter

Mam gegehen, mit dem

zum Kaiser

was damit zu tun

hringen, der

Kaiser welcher hocherfreut ist und ihm eine j

giU, in welcher geschriehen

Manne zum

Lesen geben

steht, dafi

sollte,

wurde

Heinrich geht

sei.

alte

zum

Urkunde

der Kaiser sie einem

welcher

ihm

einst einen

goldenen Schlussel zufallig hringen wilrde, dieser

wurde an einem verhorgenen Orte ein

Mann

altes talismanisches

Kleinod, einen Karfunkel zur Krone finden, zu welchem

Der Orf selbst ist auch - Nach dieser Beschreibung

die Stelle noch leer gelassen sei,

im Pergament

beschrieben.

macht sich Heinrich auf den Weg nach einem Berge, er trifft unterwegs den Fremden, der ihm und seinen Eltern zuerst

von der hlauen Blume erzdhlt

hatte, er

spricM mit

ihm uher die Offenbarung, Er geht in den Berg hinein, und Cyane folgt ihm treulich nach. Bald kommt er in jenes wunderhare Land, in welchem Luft und Wasser, Blumen und Tiere von ganz verschiedener Art sind als in unsrer irdischen Natur, Zugleich verwandelt sich das Gedicht stellenweise tn ein Schau-spiel

und Gestirne, kommen zusammen wie eine

JMenschen, Tiere, Pflanzen, Steine

Elemente, Tone, Farben Familie, handeln

und sprechen wie

ein Geschlecht,'

~

,Blumen und Tiere sprechen uher den Menschen,' - ,Die Mdrchenwelt wird ganz sichthar, die wirkliche Welt selbst wird wie ein Mdrchen angesehn* Er findet die blaue

Blume, bei

und den Karfunkel Mddchen, sein und Mathildens Kind, sitzt

es ist Mathilde, die schldft

hat; ein kleines

einem Sarge und verjungt ihn, - Dieses Kind ,

ist

die

Urwelt, die goldne Zeit am Ende.^ - ,Hier ist die christliche

Religion mit der heidnischen ausgesdhnt, die Geschichte des Orpheus, der Psyche

und andere werden

besungen,*

351

Heinrich pfluckt die hlaue

Blume und erldst Mathilden Him wieder verloren, er

von ihrem Zauher, aber sie geht erstafft

im Schmerz und wird

ein Stein, ,Edda ( die hlaue

Blume, die Morgenldnderin, Mathilde) opfert

sicJi

an

dem Steine, er verwandelt sick in einen klingenden Baum, Cyane haul den Baum um und verhrennt sich mit ihm, er

wird ein goldner Widder, Edda, Mathilde, mufi ihn

op fern, er wird wieder ein

wandlungen hat

Er

er allerlei wunderliche

dieser Ver-

GesprdcheJ

glucklich mit Mathilden, die zugleich die

ist

genlandenn und Cyane wird

Mensch Wahrend

gefeiert.

Alles

ist.

froheste Fest des

Vorhergehende

Traum und Erwachen. Konig von

Das

,Klingsohr

Atlantis. Heinrichs

war Tod,

Mor-

Gemuts Letzter

kommt wieder

Mutter

ist

als

Phantasie, der

Mond,

Vater

ist

der Sinn, Schwaning ist der

mann

ist

der Antiquar, auch zugleich das Eisen. Kaiser

der Berg-

Auch der Graf von Hohenzollern und die Kaufleute kommen wieder,' Alles fliefit in eine Allegoric zusammen. Cyane hringt dem Kaiser den Stein, aber Heinrich ist nun selbst der Dichter aus jenem Marchen, welches ihm vordem die Kaufleute erzdhlten. Das selige Land leidet nur noch von einer Bezauberung, indem es dem Wechsel der Jahreszeiten unterworfen ist, Heinrich zerstbrt das Sonnenreich, Mit einem grofien

Friedrich

Gedicht,

Arktur.

wovon nur der Anfang aufgeschrieben

das ganze

352

ist

Werk

beschlossen werden.

ist,

solUe

Die Vermahlting der Jahreszeiten Er gedachte Traums und der Erzahlungen auch, von der himmlischen Blume gehort und, getroffen

Tief in Gedanken stand der neue Monarch. Jetzt des nachtlichen

Als er zuerst

Still von der Weissagung, machtige Liebe gefuhlt. Noch dunkt ihn, er hore die tief eindringende Stimme, Eben verlieBe der Cast erst den geseliigen Kreis, Fluchtige Schimmer des Mondes erhellten die klappernden Fenster,

Und

in des Junglings Brust tobe verzehrende Glut.

„Edda", sagte der Konig, „was

ist

des liebenden Herzens

Wunsch, was ist ihm der unsaghchste Schmerz? Sag es, wir wollen ihm helfen, die Macht ist unser, und herrlich Werde die Zeit, nun du wieder den Himmel begluckst.“ — Innigster

„Waren

die Zeiten nicht so ungesellig, verbande

Zukunft mit Gegenwart und mit Vergangenheit Schlosse Fruhling sich an Herbst

sich,

und Sommer an Winter,

Ware zu spielendem Ernst Jugend mit Alter gepaart: Dann, mein suBer Gemahl, versiegte die Quelle der Schmerzen, Aller

Empfindungcn Wunsch ware dem Herzen gewahrt.**

Also die Konigin; freudig umschlang

„Ausgesprochen hast

sie

der schone Geliebte:

Du wahrlich ein himmlisches Wort,

Was schon

langst auf den Lippen der tiefer Fuhlenden schwebtc, Aber den deinigen erst rein und gedeihlich entklang. Fuhre man schneU den Wagen herbei, wir holen sie selber, Erstlich die Zeiten des J ahrs, dann auch des Menschengeschledhits."

und holen zuerst den Tag, dann NacM, dann nach Norden, um den Winter, alsdann nach Suden, um den Sommer zu finden, von Osten bringen Sie fahren zur Sonne

zur

sie

den Fruhling, von Westen den Herbst.

zur Jugend, dann

zum

Dann

Alter, zur Vergangenheit

eilen sie

wie zur

Zukunft. Dieses ist, was ich dem Leser aus meinen Erinnerungen

und aus

einzelnen Worten und Winken in den Papier en meines Freundes habe gehen konnen. Die Ausarbeitung a?

Nwalis, Gesammclte

Werke

i

353

diesef graven

Aufgdbe wurde ein Ueihendes Denkmal sein, Ich hahe in dieser An-

einer neuen Poesie gewesen

und kurz sein wollen als in die Gefahr von meiner Phantasie etwas hinzuzusetzen, Viel-

zeige lieber trocken

geraten,

leicht fuhrt

Verse

manchen Laser das Fragmentarische

und Worte

ddchtigern

so wie mich, der nicht

Wehmut

dieser

mit einer an-

ein Stuckchen von einem zerirum-

merten Bilde des Raffael Oder Correggio betrachten wurde.

354

Die Lehrlinge zu

Sais

DER LEHRLING Mannigfache Wege gehen die Menschen. Wer sie und vergleicht, wird wunderiiche Figuren entstehen sehn, Figuren, die zn jener groBen Chifverfolgt

zn gehoren scheinen, die man uberall, auf Fliigeln, Eierschalen, in Wolken, im Schnee, in Kristallen und in Steinbildungen, auf gefrierenden

fernschrift

Wassem, im Innem und AuBern der Gebirge, der den Lichtern des Himmels, auf beruhrten und gestrichenen Scheiben von Pech und Glas, in den Feilspanen um den Magnet her und sonderbaren Konjunkturen des ZuPflanzen, der Tiere, der Menschen, in

falls erblickt.

In ihnen ahndet

man den

Schliissel

dieser Wunderschrift,die Sprachlehre derselben,allein

die

Ahndung

will sich selbst in keine feste

Formen

fugen und scheint kein hoherer Schliissel werden zu woUen. Ein Alkahest scheint iiber die Sinne der Menschen ausgegossen zu sein. Nur augenblicklich scheinen ihre Wunsche, ihre Gedanken sich zu verdichten.

So entstehen ihre Ahndungen,aber nach kurzen Zeiten schwimmt alles wieder, wie vorher, vor ihren Blicken.

Von weitem

hort ich sagen: die Unverstandlich-

keit sei Folge nur des Unverstandes; dieser suche, was er habe und also niemals weiter finden konnte.

Man verstehe die Sprache nicht, weil sich die Sprache selber nicht verstehe, nicht versteheri woUe; die echte

Sanskrit sprache,

um zu sprechen, weil Sprechen ihre

Lust und ihr Wesen

sei.

557

Nicht lange darauf sprach einer: j^Keiner Erklarung bedarf die Heilige Schrift. Wer wahrhaft spricht, ist des ewigen Lebens voll, und wnderbar verwandt mit echten Geheimnissen dunkt uns seine

Schrift,

denn sie ist ein Akkord aus des Weltalls Symphonic/' Von unserm Lehrer sprach gewiB die Stimme, denn er versteht die Ziige zu versammeln, die liberal!

2erstreut sind.

Ein eignes Licht entziindet

sich in

seinen Blicken, wenn yor uns nun die hohe Rune liegt und er in unsern Augen spaht, ob auch in uns

aufgegangen

ist

das Gestirn, das die Figur sichtbar

und yerstandlich macht.

Sieht er uns traurig, daB die

uns und verheiBt dem emsigen, treuen Seher kiinftiges Gluck. Oft hat er uns erizahlt, wie ihm als Kind der Trieb, die Sinne

Nacht nicht weicht, so

trostet er

2u xiben, zu beschaftigen und zn erfiillen, keine Ruhe lieB. Den Sternen sah er zu und ahmte ihre Ziige, ihre

im Sande nach. Ins Luftmeer sah er ohne Rast und ward nicht miide, seine Klarheit, seine Stellungen

Bewegungen, seine Wolken, seine Lichter zu betrachten. Er sammelte sich Steine, Blumen, Kafer aller Art und legte sie auf mannigfache Weise sich in Reihen. Auf Menschen und auf Tiere gab er acht, am Strand des Meeres saB er, suchte Muscheln. Auf sein Gemiit und seine Gedanken lauschte er sorgsam. Er wuBte nicht, wohin ihn seine Sehnsucht trieb. Wie er groBer ward, strich er umher, besah sich andre Lander, andre Meere, neue Liifte, fremde Sterne, unbekannte Pflanzen, Tiere, Menschen, stieg in Hohlen, sah, wie in Banken und in bunten Schichten der Erde Bau yoUfiihrt war, und driickte

Ton in sonderbare Felsenbilder. Nun fand er uberall 358

Bekanntes wieder, nur wunderlich gemischt, gepaart,

und

also ordneten sich selbst in

ihm

oft seltsame

Dinge. Er merkte bald auf die Verbindungen in allem, auf Begegnungen, ZusammentreflFungen. Nun sail

er bald nichts

Bilder

drmgten

mehr

allein.



In groBe bunte

Wahrnehmungen seiner tastete und dachte 2ugleich. Er

sich die

Sinne; er horte, sah,

Fremdlinge zusammenzubringen. Bald waren ihm die Sterne Menschen, bald die Menschen freute sich,

Sterne, die Steine Tiere, die spielte

Wolken

Pflanzen, er

mit denKr^enundErscheinungen, er wuBte,

wo und wie er dies imd jenes

finden

und erscheinen

und griff so selbst in den Saiten nach Tonen und Gangen umher. Was nun seitdem aus ihm geworden ist, tut er nicht kund. Er sagt uns, daB wir selbst, von ihm und eigner Lust gefuhrt, entdecken wiirden, was mit ihm vorgegangen sei. Mehrere von uns sind von ihm gewichen. Sie kehrten zn ihren Eltern zuruck und lernten ein Gewerbe treiben. Einige sind von ihm lassen konnte,

ausgesendet worden, wir wissen nicht, wohin; er suchte sie aus.

Von

ihnen waren einige nur kurze

war ein Kind ihm den UntergroBe dunkle Augen mit

Zeit erst da, die andern langer. Bins

noch, es war

kaum

da, so

woHte

er

richt iibergeben. Es hatte himmeiblauem Grunde, wie Lilien glanzte seine Haut und seine Locken wie lichte Wolkchen, wenn der Abend kommt. Die Stimme drang uns alien durch das Herz, wir hatten gern ihm unsre Blumen, Steine, Federn, aUes gern geschenkt. Es lachelte unendlich ernst, und uns ward seltsam wohl mit ihm zumute. „Einst wird es wiederkommen"", sagte der

359

Lehrer,

„und unter uns wohnen, dann horeja die — Einen schickte er mit ihm fott,

Lehrstunden auf/‘

Immer traurig sah er aus, ihm gliickte nichts, er fand

der hat uns oft gedauert. lange Jahre

war

er hier,

wenn wir Kristalle suchten oder Blumen. In die Feme sah er schlecht, bunte Reihen gut 2n legen wuBte er nicht. Er zerbrach alles so leicht. Doch hatte keiner einen solchen Trieb und solche nicht leicht,

Lust

am Sehn und

Horen. Seit einer Zeit

— vorher,

eh jenes Kind in unsern Kreis trat — ward er auf einmal heiter und geschickt. Eines Tages war er traurig ausgegangen, er

kam

nicht wieder,

und

die

Wir waren seinetwegen sehr in Sorgen; auf einmal, wie des Morgens Dammerung

Nacht brach

ein.

kam, horten wir in einem nahen Haine seine Stimme. ein hohes, frohes Lied; wir wunderten uns

Er sang alle;

der Lehrer sah mit einem Blick nach Morgen,

wie ich ihn wohl nie wieder sehen werde. In unsre Mitte trat er bald

und brachte, mit unaussprechlicher

Seligkeit im Antlitz, ein unscheinbares Steinchen von

seltsamer Gestalt.

Der Lehrer nahm

es in die

Hand

und kuBte ihn lange, dann sah er uns mit nassen Augen an und legte dieses Steinchen auf einen leeren Platz, der

mitten unter andern Steinen lag, gerade

wo

wie Strahlen viele Reihen sich beruhrten. Ich werde dieser Augenblicke nie fortan vergessen.

Uns war, als hatten wir im Voriibergehn eine helle Ahndung dieser wunderbaren Welt in tinsern Seelen gehabt.

Auch

ich bin ungeschickter als die andern,^

und

minder gern scheinen sich die Schktzc der Natur von mir finden m. lassen. Doch ist der Lehrer mir ge560

wogen und laBt mich in Gedanken sitzetiy wenn die andem suchen gehn. So wie dem Lehrer ist mir nie gewesen. Mich fiihrt ailes in mich selbst zuriick. Was einmal die ^weite Stimme sagte, habe ich wohl verstanden.

Mich freuen

die wunderlichen

Haufen und

mir ist, als waren sie nur Bilder, Hiillen, Zierden, versammelt um ein gottlich Wunderbild, und dieses liegt mir immer in Gedanken. Sie such ich nicht, in ihnen such ich oft. Es ist, als soUten sie den Weg mir zeigen, wo in tiefem Schlaf die Jungfrau steht,nach der meinGeist sich sehnt. Mir hat der Lehrer nie davon gesagt, auch Figuren in den Salen,

allein

ich kann ihm nicht s anvertrauen,ein unverbriichliches

Geheimnis diinkt

es mich.

Gern

hatt ich jenes

Kind

gefragt, in seinen Ziigen fand ich Verwandtschaft; auch schien in seiner N^e mir ailes heller innerlich zu werden. Ware es langer geblieben, sicherlich hatte ich mehr in mir erfahren. Auch ware mir am Ende

Busen offen, die Zunge frei geworden. Gern war ich auch mit ihm gegangen. Es kam nicht so. Wie lang ich hier noch bleibe, weiB ich nicht. Mir scheint es, als blieb’ ich immer hier. Kaum wag ich es mir selber zu gestehen, allein zu innig drangt sich mir der Glauben auf: Einst find ich hier, was mich bestandig riihrt; sie ist zugegen. Wenn ich mit diesem Glauben hier umhergehe, so tritt mir ailes in ein hdher Bild, in eine neue Ordnung mir zusammen, und alle sind nach emr Gegend hin gerichtet. Mir wird dann jedes so bekannt, so lieb; und was mir seltsam noch erschien und fremd, wird nun auf einmal wie ein Hausgerat. Gerade diese Fremdheit ist mir fremd, und datum vielleicht der

361

immer

hat mich

und angezogen. begreifen.

weiB

Er

diese

Sammlung

zugleich entfemt

Den Lehrer kann und mag ich nicht

ist

mir

just so unbegreiflich lieb. Ich

er versteht mich, er hat nie

es,

Gefuhl und meinen

Wunsch

gegen mein gesprochen. Vielmehr

daB wir den eignen Weg verfolgen, well jeder neue Weg durch neue Lander geht und jeder endlich zn diesen Wohnungen, zu dieser heiligen

will er,

Heimat wieder

fiihret.

Figur beschreiben, und jener Inschrift dort,

Auch ich wenn kein

den Schleier hebt, so miissen wir

Unsterbliche zn werden suchen; will, ist

will also meine Sterblicher, nach

wer ihn nicht heben

kein echter Lehrling 2u Sais.

DIE NATUR Es mag

lange gedauert haben, ehe die Menschen

darauf dachten, die mannigfachen Gegenstande ihrer

Sinne mit einem gemeitischaftlichen

Namen

zn

be-

Durch tJbung werden Entwickelungen befdrdert, und in alien Ent-

zeichnen

und sich entgegen zu

setzen.

wickelungen gehen Teilungen, Zergliederungen vor, die

man bequem mit den Brechungen

strahls vergleichen

des Licht-

kann. So hat sich auch nur

all-

mahlich unser Innres in so mannigfaltige Krafte zerspaltet,

und mit fortdauernder Obung wird auch diese

Zerspaltung zunehmen. Vielleicht

ist es nur krankAnlage der spateren Menschen, wenn sie das Vermogen verlieren, diese zerstreuten Farben ihres Geistes wieder zu mischen und nach Belieben den alten einfachen Naturstand herzusteUen oder neue,

hafte

562

mannigfaltige Verbindimgen unter ihnen zn be-

wirken. Je vereinigter desto vollstandiger

sie sind,

und

desto vereinigter,

personlicher flieBt jeder

Naturkorper, jede Erscheinung in sie ein; denn der

Natur des Sinnes entspricht die Natur des Eindmcks,

nnd daher muBte jenen fniheren Menschen alles menscMicb, bekannt und gesellig vorkommen, die frischeste Eigentiimlichkeit muBte in ihren Ansichten sichtbar werden, jede ihrer AuBemngen war ein wahrer Naturizug, und ihre Vorstellxingen muBten mit der sie umgebenden Welt ubereinstimmen und einen treuen Ausdruck derselben darstellen. Wir konnen daher die Gedanken unsrer Altvater voti den Dingen in der Welt

notwendiges Erzeugnis, als eine Selbstabbildung des damaligen Zustandes der irdischen Natur betrachten und besonders an ihnen, als den schicklichsten Werkzeugen der Beobachtung des Weltalls, das Hauptverhaltnis desals ein

zu seinen Bewohnem und seiner Bewohner zu ihm, bestimmt abnehmen. Wir finden, daB gerade die erhabensten Fragen zuerst ihre Aufmerksamkeit beschMtigten und daB sie den Schliissel dieses wundervoUen Gebaudes bald in einer Hauptmasse der wirklichen Dinge, bald in dem erdichteten Gegenstande eines unbekannten Sinns aufsuchten. Bemerklich ist hier die gemeinschaftliche selben, das damalige Verhaltnis

Ahndung

im Fliissigen, im Diinnen, GeEs mochte wohl die Tr%heit -and Unbehilflichkeit der festen Korper den Glauben an ihre Abhangigkeit und Niedrigkeit nicht ohne Bedeutung veranlassen. Friih genug stieB jedoch ein griibelnder desselben

staltlosen.

Kopf auf die

Schwierigkeit der Gestalten-Erklarung 363

aus jenen gestaltlosen Kraften

suchte den

Knoten durch

eine

und Meeren. Er verAft von Vereinigung

2u losen, indem er die ersten Anfange 2u fasten, gestalteten Korperchen machte, die er jedoch uber alien

annahm, und nun aus diesem Staubohne Beihilfe mitwirkenmeere, aber der Gedankenwesen, anziehender und abstoBender Krafte, den ungeheuern Bau vollfuhren zu konnen Begriff klein

freilich nicht

meinte.

Noch

man

frtiher findet

statt wissenschaft-

Erklarungen Marchen und Gedichte voll merkwiirdiger bildlicher Zuge, Menschen, Gotter

licher

und Tiere

als

gemeinschaftliche Werkmeister

und

hort auf die natiirlichste Art die Entstehung der

Man

Welt beschreiben.

erfahrt wenigstens die Ge-

wiBheit eines zufalligen, werkzeuglichen Ursprungs derselben,

und auch fur den Verachter der regellosen

Erzeugnisse der Einbildungskraft

ist

diese Vorstel-

lung bedeutend genug. Die Geschichte der Welt

Menschengeschichte

zu

behandeln,

uberall

als

nur

und

Verhaltnisse zu

linden, ist eine fortwandernde, in

den verschieden-

menschliche Begebenheiten sten Zeiten wieder mit neuer

Bildung hervortretende

Idee geworden und scheint an wunderbarer

und

leichter

gehabt zu baben.

Auch

Natur sich wie von

scheint die Zufalligkeit der

selbst

an die Idee menschlicher

Persdnlichkeit anzuschlieBen und, letztere ligsten, als

Wirkung

Uberzeugung bestandig den Vorrang

menschliches

werden. Daher

ist

Wesen

wohl auch

am

wil-

verstandlich zu

die Dichtkunst das

Werkzeug der eigentlichen Naturfreunde ge« wesen, und am hellsten ist in Gedichten der Natur-

liebste

geist

364

erschienem

Wenn man echte Gedichte liest und

man einen innern Verstand der Natur bewegen und schwebt, wit der himmlische Leib

hort, so fiihlt sich

derselben, in ihr und tiber ihr 2 ugleich. Naturforscher

und Dichter haben dutch erne Sprache sich immer wie em Volk gezeigt. Was jene im gan2:en sammelten und in groBen, geordneten Massen aufstellten, haben diese fur menschliche Herzen zur taglichen Nahrung und Notdurft verarbeitet und jene unermeBliche Natur zu mannigfaltigen, kleinen, gefalligen Naturen zersplittert

und

und gebildet. Wenn

diese

mehr

das Flxis-

mit leichtem Sinn verfolgten, suchten jene mit scharfen Messerschnitten den innern sige

Bau und

Fliichtige

zu erforschen. Unter ihren Handen starb die freundliche Natur und lieB nur tote, zuckende Reste zurixck, dagegen sie vom Dichter, wie dutch geistvollen Wein, noch mehr beseelt, die gottlichsten und muntersten Einfffle horen lieB und, iiber ihr AUtagsleben erhoben, zum Himmel stieg, tanzte und weissagte, jeden Gast will-

kommen

die Verhaltnisse der Glieder

hieB

und

ihre Schatze frohen

schwendete. So genoB

sie

Muts

ver-

himmlische Stunden mit

dem Dichter und lud den Naturforscher nur dann wenn sie krank und gewissenhaft war. Dann gab

ein,

ihm Bescheid auf jede Frage und ehrte gern den ernsten, strengen Mann. Wer also ihr Gemut recht

sie

kennen

will,

suchen, dort

sames Herz.

muB sie in der Gesellschaft ist sie

Wer

sie

offen

und

der Dichter

ergieBt ihr

wunder-

aber nicht aus Herzensgrunde

und dies und jenes nur an ihr bewundert und zu erfahren strebt, muB ihre Krankenstube, ihr Beinhaus fleiBig besuchen. Man steht mit der Natur gerade in so unbegreifliebt

365

verschiedenen Verhaltnissen wie mit dea Measchen; und wie sie sich dem Kinde kindisch 2eigt

lich

and

sich gefallig seinem kiadlichen

Herzen an~ und stimmt zu dessen hohem Geiste. Man kann nicht sagen, daB es eine Natur gebe, ohne etwas Oberschwengliches zu sagen, und alles Bestreben nach Wahrheit in den Reden und Gesprachen von der Natur entfernt nur immer mehr von der Natiirlichkeit. Es ist schon viel gewonnen, wenn das Streben, die Natur vollstandig zu begreifen, zur Sehnsucht sich schaiiegt, so zeigt sie sich

dem Gotte

gottlich

veredelt, zur zarten, bescheidnen Sehnsucht, die sich

das fremde, kalte

Wesen gern

nur einst auf vertrauteren

gefallen laBt,

wenn sie

Umgang rechnen kann. Zug nach alien Seiten in

Es ist ein geheimnisvoUer unserm Innern, aus einem unendlich tiefen Mittelpunkt sich rings verbreitend. Liegt nun die wundersame sinnliche und unsinnliche Natur rund um uns her, so glauben wir, es sei jener Zug ein Anziehn der Natur, eine AuBerung unsrer Sy mpathie mit ihr nur :

sucht der eine hinter diesen blauen, fernen Gestalten

noch eine Heimat, die

sie

ihm

verhalten, eine Ge-

Jugend, Eltern und Geschwister, alte Freunde, liebe Vergangenheiten; der andre meint,

liebte seiner

da jenseits warteten unbekannte Herrlichkeiten ner, eine lebensvolle

steckt

und

sei-

Zukunft glaubt er dahinter ver-

streckt verlangend seine

Hande

einer

neuen Welt entgegen. Wenige bleiben bei dieser herrlichen Umgebung ruhig stehen und suchen sie nur selbst in ihrer Fiille und ihrer Verkettung zu erfassen, vergessen iiber der Vereinzelung den blitzenden Faden nicht, der reihenweise die Glieder

366

kniipft

und den

heiligen Kronleuchter bildet,

und

jEnden sich beseligt in det Beschauung dieses lebendi-

gen, uber nachtlichen Tiefen schwebenden Scbmucks.

So entstehn mannigfache Naturbetrachtungen, und wenn an einem Ende die Naturempfindung ein lustiget Einfall, eine Mahlzeit wird, so sieht man sie dort,

zm andachtigsten Religion verwandelt, einem ganzen Leben Richtung, Haltung und Bedeutung geben. Schon unter den kindlichen Volkern gabs solche ernste Gemiiter, denen die Natur das Antlitz einer Gottheit war, indessen andre frohliche Herzen sich nut auf sie zxl Tiscbe baten; die Luft war ihnen ein erquickender Trank, die Gestirne Lichter zum nacht-* lichen Tanz,

und Pflanzen und Tiere nur

und so kam ihnen

kostliche

Natur nicht wie ein stiller, wundervoller Tempel, sondern wie eine lustige Kiiche und Speisekammer vor. Dazwischen waren Speisen,

die

andre, sinnigere Seelen, die in der gegenwartigen

Natur nur groBe, aber verwilderte Anlagen bemerkten und Tag und Nacht beschaftigt waren, Vorbilder einer edleren Natur zu schaffen. — Sie teilten sich gesellig in das groBe Werk, die einen suchten die verstummten und verlornen Tone in Luft und Wah dern zu erwecken, andre legten ihre Ahndungen und

Erz und Steine niezu Wohnungen wieder, brachten die yerborgenen Schatze aus den Griiften der Erde wieder ans Licht; zahmten die ausgelassenen Strome, beyolkerten das unwirtliche Meet, fiihrten in 5de Zonen alte, herrliche Pflanzen und Tiere zurxick, hemmten die Waldiiberschwemmungen und pflegten die edleren Blumen und Krauter, Bilder schonerer Geschlechter in der, bauten schonere Felsen

367

offiieten die

Erde den belegenden Beriihrungen der

zeugenden Luft und des ^lindenden Lichts, lehrten die Farben zu reizenden Bildungen sich mischen und ordnen und Wald und Wiese, Quellen und Felsen wieder zu lieblichen Garten zusammentreten, hauchten in die lebendigen Glieder Tone, um sie zu ent-

und in heitern Schwingungen zu bewegen, nahmen sich der armen, verlaBnen, fur Menschensitte empfanglichen Tiere an und sauberten die Walder von den schadlichen Ungeheuern, diesen MiBfalten

geburten einer entarteten Phantasie. Bald lernte die Natur wieder freundlichere Sitten, sie ward sanfter erquicklicher und lieB sich willig zur Beforderung der menschlichen Wiinsche finden. Allmahlich ling ihr Herz wieder an, menschlich sich zu regen,

und

ihre Phantasien

wurden

heitrer, sie

ward wieder

umganglich und antwortete dem freundlichen Frager gern,

und so

scheint allmahlich die alte goldne Zeit

zuriickzukommen, in der

sie

din, Trosterin, Priesterinund sie

den Menschen FreunWundertaterin war,

als

unter ihnen wohnte und ein himmlischer Umgang

die Menschen zu Unsterblichen machte, Dann werden

Erde wieder besuchen, der sie gram geworden waren in jenen Zeiten der Verfinsterung; dann legt die Sonne ihr strenges Zepter nieder die Gestirne die

und wird wieder

Stern unter Sternen,

schlechter der Welt

und

alle

Ge-

kommen dann nach langer Tren-

nung wieder zusammen* Dann finden sich die alten verwaisten Familien, und jeder Tag sieht neue BegruBungen, neue Umarmungen; dann kommen die ehemaligen Bewohner der Erde zu ihr zurxick, in jedem Hiigel regt sich neu erglimmende Asche, iiber368

lodem Flammen des Lebens empor,

all

statten

werden neu erbaut,

die Geschichte wird

alte

alte

Wohn-

Zeiten erneuert, und

znm Traum

einer iinendlichen,

unabsehlichen Gegenwart.

Wer

dieses Stamms xind dieses Glaubens ist und auch das Seinige 2u dieser Entwilderung der Natur beitragen will, geht in den Werkstatten der Kiinstler umber, belauscht uberall die unvermutet in alien Standen hervorbrechende Dichtkunst, wird

gem

rdromer miide, die Natur 2u betrachten und mit ihr umzugehen, geht uberall ihren Finger^eigen nach, verschmaht keinen muhseligen Gang, wenn sie ihm winkt, und soUte er auch durch Modergriifte gehen: er findet sicher unsagliche Schat^e, das Gmbenlichtchen steht am Ende still, und wer weiB, in welche himmlische Geheimnisse ihn dann eine reizende Bewohnerin des unterirdischen Reichs einweiht. Keiner irrt gewiB weiter ab vom Ziele, als wer sich selbst einbildet, er kenne schon das seltsame Reich und wisse mit wenig Worten seine Verfassung 2u ergriinden und iiberall den rechten Weg za finden.

Von

selbst geht keinem, der los sich riB

und

sich

zur Insel machte, das Verstandnis auf, auch ohne

Miihe nicht

Nur Kindem oder kindlichen Menschen,

die nicht wissen,

was

sie tun,

kann

Umgang,

freie

dies

begegnen.

und kiinstliche Betrachtung, Aufmerksamkeit auf leise Winke und Langer, unablassiger

Ziige, ein inneres Dichterleben, geiibte Sinne, ein

einfaches

und

gottesfiirchtiges

Gemut, das sind

die wesentlichen Erfordernisse eines echten Natur-

freundes, ohne welche

keinem

deihen wird, Nicht weise scheint 24

Novalis^ Gesamindite

Wetke

sein es,

Wunsch

eine

ge-

Menschen-

i

369

welt ohne voile, aufgebliihte Menschheit begreifen wollen. Kein Sinn muB schlummem, und verstehn und wenn auch nicht alle gleich wach sind, so mussen sie doch alle angeregt und nicht unterdriickt und erschlajfft sein. So wie man einen kiinftigen Maler in dem Knaben sieht, der alle Wande und jeden ebenen Sand mit Zeichnungen fullt und Farben 2 u Figuren

m

bunt verknupft, so sieht

man

einen kunftigen Welt-

weisen in jenem, der alien natiirlichen

Dingen ohne

Rast nachspiirt, nachfragt, auf

achtet, jedes

alles

Merkwiirdige zusammentr^t und froh einer

ist,

wenn

er

neuen Erscheinung, einer neuen Kraft und

Kenntnis Meister und Besitzer geworden

Nun

diinkt es einigen, es sei der

Muhe

ist.

gar nicht

wert, den endlosen Zerspaltungen der

Natur nachzugehn, und uberdem ein gefahrliches Unternehmen ohne Frucht und Ausgang. So wie man nie das kleinste

Korn

der festen K5rper, nie die einfachste

Faser finden werde, weil alle

GroBe vor- und

riick-

warts sich ins Unendliche verliert, so sei es auch mit

den Arten der Korper und Krafte; auch hier gerate auf neue Arten, neue Zusammensetzungen,

man

neue Erscheinungen bis ins Unendliche. Sie schienen dann nur still zu stehn, wenn unser FleiB ermatte, xind so

verschwende man die edle Zeit mit miiBigen

Betrachtungen und langweiligem Zahlen und werde dies zuletzt ein

wahrer Wahnsinn, ein

del an der entsetzlichen Tiefe.

fester

Schwin-

Auch bleibe die Natur,

so weit man kame,

Todes:

iiberall

immer eine furchtbare Miihle des ungeheurer Umschwung, unauflos-

Reich der GefraBigkeit, des Ubermuts, eine unglucksschwangere Un-

liche Wirbelkette, ein tollsten

370

ermeBlichkeit; die wetiigen lichten Punkte beleuch-

nur eine desto grausendere Nacht, und Schrekken aller Art mxiBten jeden Beobachter zm Gefiihllosigkeit angstigen. Wie ein Heiland stehe dem armen Menschengeschlechte der Tod zm Seite, denn teten

ohne Tod ware der Wahnsinnigste am gliicklichsten. Gerade jenes Streben nach Ergriindung dieses riesenmaBigen Triebwerks sei schon ein Zug in die Tiefe, ein beginnender Schwindel: denn jeder Reiz scheme ein wachsender Wirbel, der bald sich des Ungliicklichen ganz bemachtige und ihn dann durch eine schreckenvolle Nacht mit sich fortreiBe. Hier sei die listige Fallgrube des menschlichen Verstandes, den die Natur uberall als ihren groBten Feind zu vernichten suche. Heil der kindlichen Unwissenheit xmd Schuldlosigkeit der Menschen, welche sie die ent-

gewahr werden lieBe, die Wetterwolken um ihre friedlichen Wohnsitze herlagen und jeden Augenblick setzlichen Gefahren nicht

uberall wie furchtbare

liber sie hereinzubrechen bereit

waren.

Nur

innere

Uneinigkeit der Naturkrafte habe die Menschen bis jetzo erhalten, indes

nicht ausbleiben,

wo

konne jener groBe Zeitpunkt sich die samtlichen Menschen

durch einen groBen gemeinschaftlichen EntschluB aus dieser peinlichen Lage, aus diesem furchtbaren Gefangnisse reiBen und durch eine freiwillige Entsagung ihrer hiesigen Besitztiimer auf ewig ihr Geschlecht aus diesem Jammer erl5sen und in eine

zu ihrem alten Vater retten wurdoch ihrer wiirdig und kamen ihrer notwendigen, gewaltsamen Vertilgung oder einer noch entsetzlicheren Ausartung in Tiere, durch gliicklichere Welt,

den.

So endeten

sie

371

stufenweise

Wahnsinn,

Zerstomng der Denkorgane, dutch 5:uvor.

Umgang

mit Naturkraften, mit

Sturmenund Wogenmiisse Menschen diesen Gegenst^den ver-

Tieren, Pflan2:en, Felsen,

notwendig die

und

diese Verahnlichung,

Verwandlung und Auflosung des Gottlichen und Menschlichen in unb^dige Krafte sei der Geist der Natur, dieser furchterlich verschlingenden Macht: und sei nicht alles, was man sehe, schon ein Raub des Himmels, eine groBe Ruine ehemaliger Herrlichkeiten, Uberbleibsel eines schrecklichen Mahls ? „Wohl'^ sagen Mutigere, „kBt unset Geschlecht ahnlichen,

einen langsamen, wohldurchdachten Zetstorungs-

Mit schleichenden Giften miissen wir ihr beizukommen suchen. Der

krieg mit dieser Natur fuhren!

Naturforscher sei ein edler Held, der sich in den geofFneten

Abgrund

stiirze,

um

seine Mitbiirger zu

Die Kiinstler haben ihr schon manchen geheimen Streich beigebracht, fahrt nur so fort, bemachtigt euch der heimlichen Faden und macht sie liistern nach sich selbst. Benutzt jene Zwiste, um sie, wie jenen feuerspeienden Stier, nach eurer Willkiir erretten.

lenken zu konnen.

Euch untertanig muB

sie

werden.

Geduld und Glauben ziemt den Menschenkindern. Entfernte Briider sind zu einem Zweck mit uns vereint, das Sternenrad wird das Spinnrad xmsers Lebens werden, und dann konnen wir dutch unsere Sklaven ein neues Dschinnistan uns bauen. Mit innerm Triumph laBt uns ihren Verwiistungen, ihren Tumulten zusehn, sie soli an uns sich selbst verkaufen, und jede Gewalttat soil ihr zur schweren BuBe werden, In den begeisternden Gefuhlen unsrer Freiheit

uns leben und sterben, bier quillt der Strom, der iiberschwemmen und zahmen wird, und in ihm laBt uns baden und mit neuem Mut zu HeldenlaBt

sie einst

taten uns erfrischen. Bis hieher reicht die

Wut

des

Ungeheuers nicht, ein Tropfen Freiheit ist genug, auf immer zu lahmen und ihren Verheerungen

und

sie

MaB

Ziel zu setzen/^

„Sie haben recht"", sprechen mehrere; „hier oder

nirgends liegt der Talisman. sitzen

in

Am Quell der Freiheit

wir und spahn ; er ist der groBe Zauberspiegel, rein und klar die ganze Schopfung sich entin ihm baden die zarten Geister und Abbilder

dem

hiillt,

aller

Naturen, und

alle

Kammern

Was brauchen wir

sehen wir hier auf-

Welt der sichtbaren Dinge miihsam zu durchwandern? Die reinere Welt liegt ja in uns, in diesem Quell. Hier oflFenbart sich der wahre Sinn des groBen, bunten, geschlossen.

und

verwirrten Schauspiels ;

die tnibe

treten wir,

Blicken voll, in die Natur, so

ist

uns

von diesen alles

wohl-

bekannt, und sicher kennen wir jede Gestalt.

Wir

brauchen nicht erst lange nachzuforschen, eine leichte Vergleichung, nur wenige Ziige im Sande sind genug,

um uns zu verstandigen. Schrift,

wozu wir den

So ist uns

Schliissel

alles

eine groBe

haben, und nichts

kommt uns unerwartet, weil wir voraus den Gang des groBen Uhrwerks wissen. Nur wir genieBen die Natur mit vollen Sinnen,weil sie uns nicht von Sinnenbringt, weil keine Fiebertraume uns angstigen

tmd

helle Be-

sonnenheit uns zuversichtlich und ruhig macht.“

„Die andern reden irre“, sagt ein ernster Mann zu „Erkennen sie in der Natur nicht den treuen

diesen.

Abdruck

ihrer selbst? Sie selbst verzehren sich in

373

wilder Gedankenlosigkeit. Sie wissen nicht, daB ihre Natur ein Gedankenspiel, eine wiiste Phantasie ihres Traumes ist. Ja, wohl ist sie ihnen ein entsetzliches Tier, eine seltsame, abenteuerliche

gierden.

dem

Der wachende Mensch

Larve ihrer Be-

sieht

ohne Schau-

diese Brut seiner regellosen Einbildungskraft,

denn er weiB, daB es nichtige Gespenster seiner Schwache sind. Er fuhlt sich Herr der Welt, sein Ich schwebt machtig uber diesem Abgrund und wird in Ewigkeiten iiber diesem endlosen Wechsel erhaben schweben. Einklang strebt sein Inneres zu verkiinden, 2u verbreiten.

Er wird

in die Unendlichkeit

und seiner Schopsem und mit jedem Schritte die

hinaus stets einiger mit sich selbst

fung

um

sich her

ewige Allwirksamkeit einer hohen sittlichen Weltordnung, der Feste seines Ichs, immer heller hervortreten sehn,

Der Sinn der Welt ist die Vernunft: um ist sie da, und wenn sie erst der Kampf-

derentwillen

platz einer kindlichen, aufbliihenden

so wird sie einst keit,

zum

zum

Vernunft

ist,

gottlichen Bilde ihrer Tatig-

Schauplatz einer wahren Kirche werden.

Bis dahin ehre sie der Mensch, als Sinnbild seines

Gemuts, das sich mit ihm in unbestimmbare Stufen veredelt. Wer also zur Kenntnis der Natur gelangen

ube seinen sittlichen Sinn, handle und bilde dem gem^, und wie von selbst wird die Natur sich vor ihm oJBFnen. Sittliches Handeln ist jener groBe und einzige Versuch, in welchem alle Ratsel der mannigfaltigsten Erscheinungen sich losen, Wer ihn versteht und in strengen Gedankenfolgen ihn zu zerlegen weiB, ist ewiger Meister der

will,

edlen Kerne seines Innern

Natur/^

374

Der Lehrling hort mit Bangigkeit die sich kreuzenden Stimmen. Es scheint iiim jede recht zu haben, und eine sonderbare Verwirrung bemachtigt sich seines

ruhr,

Gemuts. Allmahlich legt sich der innre Auf-

und liber die dunkeln,

sich aneinander brechen-

den Wogen scheint ein Geist des Friedens heraufzuschweben, dessen Ankunft sich durch neuen Mut und liberschauende Heiterkeit in der Seele des Jiinglings ankiindigt.

Ein muntrer Gespiele, dem Rosen und Winden

kam

herbeigesprungen und sah

ihn in sich gesenkt sitzen.

„Du Grubler"^, rief er, „bist

die Schlafe zierten,

auf ganz verkehrtem Wege. So wirst du keine groBen Fortschritte machen. Das Beste ist liberal! die Stimmung. 1st das wohl eine Stimmung der Natur? Du bist noch jung, und fiihlst du nicht das Gebot der Jugend in alien Adern? nicht Liebe und Sehnsucht deine Brust erfiillen? Wie kannst du nur in der Einsamkeit sitzen? Sitzt die Natur einsam? Den Einsamen flieht Freude und Verlangen: und ohne Verlangen, was niitzt dir die Natur? Nur unter Men-

schen wird er einheimisch, der Geist, der sich mit tausend bunten Farben in

alle

deine Sinne drangt,

der wie eine unsichtbare Geliebte dich umgibt. Bei

unsern Festen lost sich seine Zunge, er

sitzt

obenan

und stimmt Lieder des frohlichsten Lebens an. Du hast noch nicht geliebt, du Armer; beim ersten KuB wird eine neue Welt dir aufgetan, mit ihm fahrt Leben in tausend Strahlen durch dein entziicktes Herz. Ein Marchen will ich dir erzahlen, horche wohl Vor langen Zeiten lebte weit gegen Abend ein blutjunger Mensch. Er war sehr gut, aber auch liber 375

MaBen wunderlich. Er gramte sich unaufhorlich um nichts und wieder nichts, ging immer still fur sich hin, setete sich einsam, wenn die andern spielten und frohlich waren, und hing seltsamen Dingen nach. Hohlen und Walder waren sein liebster Aufenthalt, und dann sprach er immerfort mit Tieren und Vogeln, mit Baumen und Felsen, natiirlich kein verniinftiges Wort, lauter narrisches Zeug znm Totlachen. Er blieb aber immer murrisch und ernsthaft, ungeachtet die

sich das Eichhornchen, die Meerkatze, der Papagei

und der Gimpel alle Mtihe gaben, ihn zn sierstreuen und ihn auf den richtigen Weg zu weisen. Die Cans erzahlte Marchen, der Bach klimperte eine Ballade dazwischen, ein groBer, dicker Stein machte lacherliche Bockssprunge, die Rose schlich sich freundlich hinter ihm herum, kroch durch seine Locken, und der Efeu streichelte ihm die sorgenvoUe Stirn. Allein

MiBmut und Ernst waren

der

Eltern waren sehr betriibt, sie

anfangen sie

sollten.

hartnackig.

wuBten

Er war gesund und

nicht,

Seine

was

sie

aB, nie hatten

ihn beleidigt, er war auch bis vor wenig Jahren

frohlich

und

lustig

Spielen voran,

von

gewesen wie keiner; bei alien

alien

Madchen gern gesehn. Er

war recht bildschon, sah aus wie gemalt, tanzte wie ein Schatz. Unter den Madchen war eine, ein kostliches, bildsch5nes Kind, sah aus wie Wachs, Haare wie goldne Seide, kirschrote Lippen, wie ein Piippchen gewachsen, brandrabenschwarze Augen, Wer sie sah, hatte mogen vergehn, so lieblich war sie. Damals war Rosenbliite, so hieB sie, dem bildschdnen Hyazinth, so hieB er, von Herzen gut, und er hatte sie lieb zum Sterben. Die andern Kinder wuBtens 376

Ein Veilchen hatte es ibtien zuerst gesagt, die Hauskatzchen hatten es wohl gemerkt, die Hauser ihrer Eltern lagen nahe beisammen. Wenn nun Hyazinth die Nacht an seinem Fenster stand und Rosenbliite an ihrem und die Katzchen auf den Mausefang da vorbeiliefen, da sahen sie die beiden stehn und lacbten und kicherten oft so laut, daB sie es hdrten und bose wurden. Das Veilchen hatte es der Erdbeere im Vertrauen gesagt, die sagte es ihrer Freunnicht.

din, der Stachelbeere, die lieB nun das Sticheln nicht, wenn Hyazinth gegangen kam; so erfuhrs denn bald der ganze Garten und der Wald, und wenn Hyazinth

ausging, so riefs

von

alien Seiten: ,Rosenblutchen

mein SchatzchenT Nun argerte sich Hyazinth und muBte doch auch wieder aus Herzensgrunde lachen,

ist

wenn das Eidechschen geschlupft kam, sich auf einen warmen Stein setzte, mit dem Schwanzchen wedelte und sang: Rosenbliitchen, das gute Kind, Ist

geworden auf einmal

Denkt, die Mutter

sei

blind,

Hyazinth,

F^lt ihm um den Hals geschwind; Merkt sie aber das fremde Gesicht, Denkt nur an, da erschrickt sie nicht, Fahrt, als merkte sie kein Wort, Immer nur mit Kiissen fort.

Ach wie bald war die Herrlichkeit vorbei. Es kam Mann aus fremden Landen gegangen, der war !

ein

erstaunlich weit gereist, hatte einen langen Bart, tiefe

Augen,

entsetzliche

Augenbrauen, ein Wunderliches 577

Kleid mit vielen Falten und seltsame Figuren hineingewebt. Er settle sich vor das Haus, das Hyazinths Eltern gehorte.

Nun war

Hyazinth sehr neugierig

zu ihm und holte ihm Brot und Wein. und Da tat er seinen weiCen Bart voneinander und erzahlte bis tief in die Nacht, und Hyazinth wich und wankte nicht und wurde auch nicht miide zuzuhoren. setzte sich

Soviel

man nachher vernahm,

hat er viel

von frem-

den Landern, unbekannten Gegenden, von erstaun-

wunderbaren Sachen erzahlt und ist drei Tage und mit Hyazinth in tiefe Schachten hinuntergekrochen. Rosenblutchen hat genug den alten Hexenmeister verwiinscht, denn Hyazinth ist ganz versessen auf seine Gesprache gewesen und hat sich um nichts bekiimmert; kaum daB er ein wenig Speise zu sich genommen. Endlich hat jener sich fortgemacht, doch dem Hyazinth ein Buchelchen lich

dageblieben

Mensch lesen konnte. Dieser hat ihm noch Friichte, Brot und Wein mitgegeben und ihn weit weg begleitet. Und dann ist er tiefsinnig zuriickgekommen und hat einen ganz neuen dagelassen, das kein

Lebenswandel begonnen. Rosenblutchen hat recht

zum Erbarmen um ihn

denn von der Zeit an hat er sich wenig aus ihr gemacht und ist immer fiir sich geblieben. Nun begab sichs, daB er einmal nach Hause kam und war wie neugeboren. Er fiel seinen Eltem um den Hals und weinte. jeh muB fort in fremde Lande^, sagte

getan,

er, ,die alte

wunderliche Frau

im Walde hat mir erzahlt, wie ich^^gesund werden miiBte, das Buch hat sie ins Feuer geworfen und hat mich getrieben, zu euch zu gehn und euch um euren Segen zu bitten. Vielleicht komme ich bald, vielleicht 378

nie wiedet. GfiiBt Rosenbliitchenl Icli hatte sie gern

gesprochen, ich weiB nicht, wie mir ist, es drangt mich fort; wenn ich an die alten Zeiten zuriickdenken

Gedanken daLiebe mit, ich und zwischen, die Ruhe ist fort, Herz muB sie suchen gehn. Ich woUt euch gern sagen, will,

so

kommen

gleich machtigere

wohin, ich weiB selbst nicht, dahin, wo die Mutter der Dinge wohnt, die verschleierte Jungfrau. Nach der ist mein Gemiit entzundet. Lebt wohl!‘ Er riB sich los und ging fort. Seine Eltern wehklagten und yergossen Tr^en, Rosenbliitchen blieb in ihrer Kammer und weinte bitterlich. Hyazinth lief nun, er konnte, durch Taler und Wildnisse, liber Berge imd Strome, dem geheimnisvollen Lande zu. Er fragte uberall nach der heiligen Gottin Isis,

was

Menschen und Tiere, Felsen und Baume. Manche manche schwiegen, nirgends erhielt er Bescheid. Im Anfange kam er durch rauhes, wildes Land, Nebel und Wolken warfen sich ihm in den Weg, er stiirmte immerfort; dann fand er unabsehliche Sandwiisten, gliihenden Staub, und wie er wanlachten,

delte, so yeranderte sich

auch sein Gemiit, die Zeit

wurde ihm lang, und die innre Unruhe legte sich, er wurde sanfter und das gewaltige Treiben in ihm allgemach zu einem leisen, aber starken Zuge, in den sein ganzes Gemiit sich aufl5ste. Es lag wie yiele Jahre hinter ihm. Nun wurde die Gegend auch wieder reicher und mannigfaltiger, die Luft lau und

Weg ebener, griine Biische lockten ihn mit anmutigen Schatten, aber er yerstand ihre Sprache nicht, sie schienen auch nicht zu sprechen, und doch erfiillten sie auch sein Herz mit griinen Farben und blau, der

579

kxihlem, stillem siiBe

Wesen. Immer hoher wuchs jene

Sehnsucht in ihm, xind immer breiter und

saf-

wurden die Blatter, immer lauter und lustiger die Vogel und Tiere, balsamischer die Friichte, dunkler der Himmel, warmer die Luft und heiBer seine Liebe, die Zeit ging immer schneller, als sahe

tiger

nahe am Ziele. Eines Tages begegnete er einem kristallnen Quell und einer Menge Blumen, die kamen in ein Tal herunter zwischen schwar^en sie sich

himmelhohen Saulen.

Sie griiBten ihn freundlich mit

bekannten Worten. ,Liebe Landsleute', sagte er, ,wo find ich

wohl den

Hierherum

muB

geheiligten

Wohnsitz der

bekannter als ich/



,

antworteten die Blumen; ,eine Geisterfamilie der Reise,

Isis?

und ihr seid vielleicht bier Wir gehn auch nur hier dutch',

er sein,

und wir

bereiten ihr

Weg und

ist

auf

Quartier,

kurzem durch eine Gegend ge~ kommen, da horten wir ihren Namen nennen, Gehe nur aufwarts, wo wir herkommen, so wirst du schon mehr erfahren/ Die Blumen und die Quelle lachelten, wie sie das sagten, boten ihm einen frischen Trunk und gingen weiter. Hyazinth folgte ihrem Rat, frug und frug und kam endlich zu jener langst gesuchten Wohnung, die unter Pahnen und andern kostlichen Gewachsen versteckt lag. Sein Herz klopfte in unendlicher Sehnsucht, und die suBeste Bangigkeit durchdrang ihn in dieser Behausung der ewigen

indes sind wir vor

Jahreszeiten.

schlummerte

Unter himmlischen Wohlgediiften enter,

weil ihn nur der

Traum

in das

AUerheiligste fuhren durfte. Wunderlich fuhrte ihn

Traum durch unendliche Gemacher veil seltsamer Sachen auf lauter reizenden Klangen und in

der

380

abwechselnden Akkorden, Es diinkte ihn alles so bekannt xind doch in nie gesehener Herrlichkeit, da schwand auch der Ictztc irdische Anflug, wie in Luft

und er stand vor der himmlischen Jungda hob er den leichten, glanzenden Schleier, und Rosenbliitchen sank in seine Arme. Eine feme Musik umgab die Geheimnisse des liebenden Wievefzehrt,

frau,

dersehns, die ErgieBungen der Sehnsucht, und schloB

Fremde von diesem entmckenden Orte aus. Hyazinth lebte nachher noch lange mit Rosenbliitchen unter seinen frohen Eltern und Gespielen, und unz^lige Enkel dankten der alten vninder-

alles

lichen Frau

fiir

und ihr Feuer; denn daMenschen so viel Kinder, als sie

ihren Rat

mals bekamen die wollten/'

Die Lehrlinge umarmten sich und gingen fort. Die weiten hallenden Sale standen leer und hell da, und das minderbare Gesprach in zahllosen Sprachen unter den tausendfaltigen Naturen, die in diesen Salen zusammengebracht xmd in mannigfaltigen Ordnungen aufgestellt waren, dauerte fort. Ihre innern Krafte spielten gegeneinander. Sie strebten in ihre Freiheit, in Ihre alten Verhaltnisse zuriick.

standen auf ihrem eigentlichen Platze

Ruhe dem mannigfaltigen Treiben

Wenige

und sahen

um

in

sich her zu.

Die iibrigen klagten xiber entsetzliche Qualen und Schmerzen und bejammerten das alte herrliche Leben im SchoBe der Natur, wo sie eine gemeinschaftliche Freiheit vereitiigte

und

jedes

von

selbst erhielt,

was

es bedurfte.

„0

!

daB der Mensch^^, sagten sie, „die innre Musik und einen Sinn fiir auBere Har-

der Natur verstmde

381

monie hatte. Aber er weiB ja kaum, daB wir zusammengehoren und keins ohne das andere bestehen kann. Er kann nichts liegen lassen, tyrannisch trennt er uns und greift in lauter Dissonamien herum. Wie

wenn er mit uns freundlich unsem groBen Bund trate, wie umginge und auch in gliicklich

konnte er

sein,

ehemals in der goldnen Zeit, wie er

sie

mit Recht

nennt. In jener Zeit verstand er uns, wie wir ihn

verstanden. Seine Begierde, Gott 2u werden, hat ihn

von uns getrennt, er und ahnden konnen,

sucht,

was wir nicht wissen

xind seitdem ist er keine be-

gleitende Stimme, keine

Mitbewegung mehr. Er

ahndet wohl die unendliche Wollust, den ewigen

und darum hat er eine so wunderbare Liebe 2u einigen unter uns. Der Zauber des Goldes, GenuB

in uns,

Geheimnisse der Farben, die Freuden des Wasihm nicht fremd, in den Antiken ahndet er

die

sers sind

Wunderbarkeit der Steine, und dennoch

die

ihm noch

die suBe Leidenschaft fur das

Natur, das

Auge

fehlt

Weben

der

fur unsre ent^iickenden Mysterien.

Lernt er nur einmal fuhlen? Diesen himmlischen, diesen naturlichsten aller Sinne kennt er

durch das Gefuhl wiirde die

alte,

noch wenig:

ersehnte Zeit 2u-

ruckkommen; das Element des Gefuhls

ist

ein in-

neres Licht, das sich in schonern, kraftigern Farben bricht.

Dann gingen die Gestirne in ihm auf, er lernte Welt fuhlen, klarer und mannigfaltiger, Auge jetzt Gremzen und Flachen 2eigt,

die ganze als

ihm

das

Er wiirde Meister gaBe

alle

382

und

ver-

tdrichten Bestrebungen in einem ewigen,

sich selbst

nusse.

eines unendlichen Spiels

nahrenden und immer wachsenden Geist tim ein Traum des Fiihlens,

Das Denken

ein erstorbenes Fiihlen, ein blaBgraues, schwaches

Leben/"

Wie

sie

so sprachen, strahlte die Sonne dutch die

hohen Fenster, und der

Larm

in ein sanftes Sauseln verier sich

des Gesptachs; eine unendliche

durchdrang

alle Gestalten,

verbreitete sich iiber alle,

Ahndung

die lieblichste

Warme

und der wunderbarste

Naturgesang erhob sich aus der tiefsten Stille. Man horte Menschenstimmen in der Nahe, die groBen Flugeltiiren

und

nach

dem Garten

zu.

wurden

geoffnet,

einige Reisende set2ten sich auf die Stufen der

breiten Treppe, in den Schatten des Gebaudes. Die rekende Landschaft lag in schdner Erleuchtung vor ihnen, und im Hintergrunde verlor sich der Blick an blauen Gebirgen hinauf. Freundliche Kinder brach-

ten mannigfaltige Speisen

und Getranke, und bald

begann ein lebhaftes Gesprach unter ihnen. „Auf alles, was der Mensch vornimmt, muB er seine ungeteilte Aufmerksamkeit oder sein Ich richten“, sagte endlich der eine, „und wenn er dieses getan

Gedanken oder eine neue Art von Wahrnehmungen, die nichts als 2arte Bewegungen eines farbenden oder klappernden Stifts oder wunderliche Zusammenziehungen und Figurationen hat, so entstehn bald

einer elastischen Fliissigkeit zn sein scheinen, auf eine wunderbare Weise in ihm. Sie verbreiten sich von dem Punkte, wo er den Eindruck feststach, nach alien Seiten mit lebendiger Beweglichkeit und neh~ men sein Ich mit fort. Er kann dieses Spiel oft gleich wieder vernichten, indem er seine Aufmerksamkeit wieder teilt oder nach Willkur herumschweifen laBt, derm sie scheinen nichts als Strahlen und Wirkungen,

583

die jenes Ich

nach

alien Seiten

zu in jenem elastischen

Medium erregt, oder seine Brechungen in demselben Oder iiberhaupt ein seltsames Spiel der Wellen dieses Meers mit der starren Aufmerksamkeit zu sein.

Hochst merkwiirdig ist es, daJB der Mensch erst in diesem Spiele seine Eigentiimlichkeit, seine spezifische Freiheit recht gewahr wird und daB es ihm vorkommt, als erwache er aus einem tiefen Schlafe, als sei er nun erst in der Welt zu Hause und verbreite jetzt erst das Licht des Tages sich iiber seine innere Welt. Er glaubt, es am hochsten gebracht izu haben, wenn er, ohne jenes Spiel zn storen, zugleich die gewohnlichen Geschafte der Sinne vornehmen und empfinden und denken zugleich kann. Dadurch ge-

winnen beide Wahrnehmungen die AuBenwelt wird durchsichtig und die Innenwelt mannigfaltig und :

bedeutungsvoll,

und so

befindet sich der

Mensch

in

einem innig lebendigen Zustande zwischen zwei Welten in der vollkommensten Freiheit und dem freudigsten Machtgefuhl. Es ist natiirlich, daB der Mensch diesen Zustand zu verewigen und ihn uber die ganze Summe seiner Eindrucke zu verbreiten sucht; daB er nicht miide wird, diese Assoziationen beider Welten zu verfolgen und ihren Gesetzen und ihren Sympathieen

Den

und Antipathien

InbegriflF dessen,

und

was

xins riihrt,

nachzuspiiren.

nennt

man

die

Natur in einer unmittelbaren Beziehung zu den GliedmaBen unsers Korpers, die wir Sinne nennen. Unbekannte und geheimnisvolle Beziehungen unsers Kdrpers lassen unbekannte und geheimnisvolle Verhaltnisse der Natur vermuten, und so ist die Natur jene wunderbare

Natur,

384

also steht die

Gemeinschaft, in die unser Korper uns einfuhrt die wir nach dem MaBe seiner Einrichtungen

und und

Fahigkeiten kennen lernen. Es fragt sich, ob wir die spezielle Natur wahrkonnen und inwiefern unsre Gedanken und die Intensitat unsrer Aufmerksamkeit durch dieselbe bestimmt werden oder sie bestimmen und dadurch von der Natur losreiBen und vielleicht

Natur der Naturen durch diese

haft begreifen lernen

Man sieht wohl, daB diese innern Verhaltnisse und Einrichtungen unsers Korpers vor alien Dingen erforscht werden miissen, ehe wir diese Frage 2u beantworten und in die Natur der Dinge 2u dringen hofFen konnen. Es lieBe sich jedoch auch denken, daB wir iiberhaupt erst uns mannigfach im Denken muBten geiibt haben, ehe wir uns an dem innern Zusammenhang unsers Korpers versuchen und seinen Verstand 2um Verstandnis der Natur gebrauchen konnten, und da ware freilich nichts naturlicher, als alle moglichen Be~ wegungen des Denkens hervor2ubringen und eine Fertigkeit in diesem Geschaft sowie eine Leichtigkeit 2u erwerben, von einer 2ur andern uber2ugehen und sie mannigfach 2u verbinden und 2u 2erlegen. Zu dem Ende muBte man alle Eindriicke aufmerksam betrachten, das dadurch entstehende Gedankenspiel ebenfalls genau bemerken tind, soUten dadurch abermals neue Gedanken entstehn, auch diesen 2usehn, um so allmahlich ihren Mechanismus 2u er~ fahren und durch eine oftmalige Wiederholung die mit jedem Eindruck bestandig verbundnen Bewegimgen von den iibrigen unterscheiden und behalten 2u lernen. Hatte man dann nur erst einige Beweihre 2arte Nachgiebigkeit verderben.

*5

Nopahs^ Gesammelte

Werke

t

385

gungen

als

Buchstaben der Natur herausgebraclit,

so wiirde das Dechiffrieren immer leichter vonstatten

gehn und die Macht iiber die Gedankenerzeugung und Bewegung den Beobachter instand setzen, auch ohne vorhergegangenen wirklichen Eindruck Naturgedanken hervorzubringen und Naturkompositionen zn entwerfen, und dann ware der End2weck erreicht/^

„Es

ist

wobl

viel gewagt"', sagte ein anderer, „so

und Erscheinungen der Natur sie zusammensetzen zu wollen und sie bald fur ein ungeheures Feuer, bald fur einen wunderbar gestalteten Fall, bald fur eine Zweiheit oder Dreiheit aus den auBerlichen Krtften

Oder fur irgendeine andere seltsamliche Kraft auszugeben. Es ware denkbarer, daB

sie

das Erzeugnis

eines unbegreiflichen Einverstandnisses unendlich

verschiedner

Wesen ware,

das wunderbare

Band

der

Geisterwelt, der Vereinigungs- und Beriihrungspunkt

unzahliger Welten/"

„LaB

es

kiirliclier

gewagt

sein“, sprach ein dritter; „je will-

das Netz gewebt

ist,

das der kiihne Fischer

Fang. Man ermuntre nur jeden, seinen Gang so weit als moglich fortzusetzen, und jeder sei willkommen, der mit einer neuen Phantasie die Dinge uberspinnt. Glaubst du nicht, daB es gerade die gut ausgefuhrten Systeme sein werden, aus denen der kiinftige Geograph der Natur die Data zu seiner groBen Naturkarte nimmt? Sie wird er vergleichen, und diese Vergleichung wird uns das sonderbare Land erst kennen lehren. Die Erkenntnis der Natur wird aber noch himmelweit von ihrer Auslegung verschieden sein. Der eigentliche

auswirft, desto gliicklicher ist der

386

ChifiFrierer

wird

vielleicht

dahin kommen, mehrere

Naturkrafte ^ugleich zat Hervorbringung herrlicher

Erscheinungen in Bewegung 2u set2en, er wird auf der Natur wie auf einem groBen Instrument phantasieren konnen, und doch wird er die Natur nicht verstehn. Dies ist die Gabe des Naturhistorikers, des Zeitensehers, der, vertraut mit

und

niitzlicher

der Geschichte der Natur und bekannt mit der Welt,

diesem hoheren Schauplatz der Naturgeschichte, ihre Bedeutungen wahrnimmt und weissagend verkiindigt.

Noch

ist dieses

heiliges Feld.

Gebiet ein unbekanntes, ein

Nur gottliche Gesandte haben ein^elne

Worte dieser hochsten Wissenschaft fallen lassen, und es ist nur 2u verwundern, daB diese ahndungsvoUen Geister sich diese Ahndung haben entgehn lassen und die Natur zur einformigen Maschine, ohne Vorzeit und Zukunft, erniedrigt haben. Alles Gottliche hat eine Geschichte, und die Natur, dieses einzige Ganze, womit der Mensch sich vergleichen kann, sollte nicht so gut wie der Mensch in einer Geschichte begrifien sein oder, welches eins

ist,

einen Geist haben? Die Natur ware nicht die Natur,

wenn

sie

keinen Geist hatte, nicht jenes einzige

Gegenbild der Menschheit, nicht die unentbehrliche Antwort dieser geheimnisvoUen Frage oder die Frage 2u dieser unendlichen Antwort.^* „Nur die Dichter haben es gefixhlt, was die Natur den Menschen sein kann‘‘, begann ein schoner JiingHng, „und man kann auch hier von ihnen sagen, daB sich die Menschheit in ihnen in der vollkommensten Auflosung befindet und daher jeder Eindruck durch ihre Spiegelhelle

und Beweghchkeit

rein in alien

3B7

seinen iinendlichen

Verandemngen nach alien

Seiten

fortgepflanzt wird. Alles finden sie in der Natur.

Ihnen

und

allein bleibt die Seele

sie

suchen in ihrem

derselben nicht fremd,

Umgang

alle Seligkeiten

der goldnen Zeit nicht umsonst. Fur sie hat die Natur aUe Abwechslungen eines unendlichen Ge-

und mehr als der geistvollste, lebendigste Mensch uberrascht sie durch sinnreiche Wendungen und Einfalle, Begegnungen und Abweichungen, groBe Ideen und Bkarrerien. Der unerschopfliche miits,

Reichtum ihrer Phantasie ihren

Umgang

laBt

keinen vergebens

aufsuchen. Alles weiB sie zu ver-

schonern, zu beleben, zu bestMgen,

im einzelnen Mechanismus

und wenn auch

ein bewuBtloser, nichts bedeutender

zu herrschen scheint, so sieht doch das tiefer sehende Auge eine wunderbare Sympathie mit dem menschlichen Herzen im Zusammenallein

und in der Folge der einzelnen Zufalligkeiten. Der Wind ist eine Luftbewegung, die manche auBere

treffen

Ursachen haben kann, aber ist er dem einsamen, sehnsuchtsvollen Herzen nicht mehr, wenn er voriibersaust,

von geliebten Gegenden herweht und mit

tausend dunkeln, wehmutigen Lauten den

stillen

Schmerz in einen tiefen melodischen Seufzer der ganzen Natur aufzulosen scheint? Fuhlt nicht so auch im jungen, bescheidnen Griin der Frxihlingswiesen der junge Liebende seine ganze blumenschwangre Seele mit entziickender Wahrheit ausgesprochen, und ist je die Uppigkeit einer nach siifier

Auflosung in goldnen Wein

kdstlicher

und

liisternen Seele

erwecklicher erschienen

als

in einer

voUen, glanzenden Traube, die sich unter den breiten 388

Blattern halb versteckt ?

der Ubertreibung

und

Man beschuldigt die Dkhter

halt ihnen ihre bildliche, un-

eigentliche Sprache gleichsam

nur zugute,

ja

man

begniigt sich ohne tiefere Untersuchung, ihrer Phan-

Natur zuzuschreiben, die manches sieht und hort, was andere nicht horen und sehen, und die in einem lieblichen Wahnsinn mit der wirklichen Welt nach ihrem Belieben schaltet und waltet; aber mir scheinen die Dichter noch bei weitem nicht genug 2u ubertreiben, nur dunkel den ahnden und mit der PhanZauber jener Sprache tasie nur so spielen, wie ein Kind mit dem Zaubertasie

jene wunderliche

m

m

stabe seines Vaters spielt. Sie wissen nicht, welche

Krafte ihnen untertan sind, welche Welten ihnen gehorchen mussen. 1st es denn nicht wahr, daJB Steine und Walder der Musik gehorchen und, von ihr gezahmt, sich jedem Willen wie Haustiere fiigen ? — Bliihen nicht wirklkh die schonsten Blumen um

und freuen

die Geliebte

Wird

fur sie der

nicht eben?

Himmel

sich, sie

zn schmiicken?

nicht heiter

und das Meer

— Driickt nicht die ganze Natur,

so gut wie das Gesicht und die Gebarden, der Puls und die Farben, den Zustand eines jeden der hoheren, wun-

derbaren Wesen aus, die wir Menschen nennen? Wird nicht der Pels ein eigentumliches Du, eben

wenn

ich ihn anrede?

der Strom,

wenn

Und was

bin ich anders

als

ich wehmiitig in seine Wellen

hinabschaue und die Gedanken in seinem Gleiten verliere?

Nur

ein ruhiges, genuBvolles Gemlit wird

Kind oder ein jemand die Steine und Gestirne schon verstand, weiB ich nicht, aber die Pflanzenwelt,

nur ein

Wilder die Tiere verstehn.

lustiges

— Ob

389

gewiB

muB

dieser ein erhabnes

Wesen gewesen

sein*

In jene Statuen, die aus einer untergegangenen Zeit der Herrlichkeit des Menschengeschlechts ubrig geblieben sind, leuchtet allein so ein defer Geist, so ein seltsames Verstandnis der Steinwelt hervor

und

iiberzieht den sinnvollen Betrachter mit einer Steinrinde, die nach innen zu wachsen scheint. Das Er-

babne wirkte versteinernd, und so diirften wk uns nicht iiber das Erhabne der Natur und seine Wir-

kungen wundern oder nicht wissen, wo es zn suchen sei. Konnte die Natur nicht uber den Anblick Gottes zu Stein geworden sein? Oder vor Schrecken iiber die Ankunft des Menschen?^^ tJber diese Rede war der, welcher 2uerst gesprochen hatte, in

tiefe

Betrachtung gesunken, die fernen

Berge wurden buntgefarbt, und der Abend legte sich mit siiBer Vertraulichkeit iiber die Gegend. Nach einer langen Stille horte

man

ihn sagen:

„Um

die

Natur zn begreifen, muB man die Natur innerlich in ihrer gan2en Folge entstehen lassen. Bei dieser

Unternehmung muB man

sich bloB

von der

gott-

Wesen, die uns gleich sind, und den notwendigen Bedingungen, dieselben zn vernehmen, bestimmen lassen, denn wahrhaftig, die gan^e Natur ist nur als Werfczeug und Medium des

lichen Sehnsucht nach

Wesen begreiflich. Der denkende Mensch kehrt 2ur urspriinglichen

Einverstandnisses verniinftiger

Funktion seines Daseins, 2ur schaffenden Betrachtung, zn jenem Punkte 2uruck,

wo

Hervorbringen

und Wissen in der wundervoUsten Wechselverbindung standen, zn jenem schopferischen Moment des eigenthchen Genusses, des innern SelbstempjSng-

nisses.

Weim

er

nun gan^

Beschauung dieser

in die

Urerscheinung versinkt, so entfaltet sich vor

neu entstehenden Zeiten und Raumen,

ihm in

wie ein un-

ermeBliches Schauspiel, die Etzeugungsgescliichte

der Natur, und jeder feste Punkt, der sich in der

unendlichen Fliissigkeit ansetzt, wifd

ihm

eine neue

OfFenbarung des Genius der Liebe, ein neues Band des Du und des Ich. Die sorgfaltige Beschreibung dieser innern Weltgescbichte ist die

wahre Theorie

Zusammenhang seiner Gedankenwelt in sich und ihre Harmonic mit dem Universum bildet sich von selbst ein Gedankensystem zur getreuen Abbildung und Formel des Universums. Aber die Kunst des ruhigen Beschauens,

der Natur, durch den

der schopferischen Weltbetrachtung

ist

schwer, un-

auf horliches ernstes Nachdenken und strenge Niichternheit fordert die Ausfuhrung,

imd die Belohnung

wird kein Beifall der miihescheuenden Zeitgenossen, sondem nur eine Freude des Wissens und Wachens, eine innigere Beriihrung des Universums sein/‘ ,Ja‘^, sagte

wert

als

der zweite, „nichts

ist

so bemerkens*

das groBe Zugleich in der Natur. Uberall

scheint die

Natur ganz gegenwartig. In der Flamme

und so repraliberall und unauf-

eines Lichts sind alle Naturkrafte tatig, sentiert

und verwandelt

sie sich

und Friichte izusammen und ist mitten in der Zeit gegenwartig, vergangen und zukunftig zugleich; und wer weiB, in welche eigne Art von Feme sie ebenfalls wirfct und ob nicht dieses Natursystem nur eine Sonne ist im Universe, die durch Bande an dasselbe gekniipft ist, durch ein Licht und einen Zug und Einflusse, die zunachst in horlich, treibt Blatter, Bliiten

unserm Geiste sich deutlicher vernehmen kssen imd aus ihm heraus den Geist des Universums iiber diese Natur ausgieJBen und den Geist dieser Natur an andere Natursysteme verteilen/" „ Wenn der Denker^^, sprach der dritte, „mit Recht als

Kiinstler

den tatigen

Weg

betritt

und dutch

eine

geschickte Anwendung seiner geistigen Bewegungen das Weltall auf eine einfache, ratselhaft scheinende

Figur zn reduzieren sucht,

ja

man mochte

sagen, die

Natur tanzt und mit Worten die Linien der Bewegungen nachschreibt, so muB der Liebhaber der

Natur dieses kiihne Unternehmen bewundern und sich auch iiber das Gedeihen dieser menschlichen Anlage freuen. Billig stellt der Kiinstler die Tatigkeit obenan, denn sein Wesen ist Tun und Hervorbringen

und

und

Kunst ist, sein Werkzeug zu allem gebrauchen, die Welt auf seine Art nachbilden zu konnen, und datum wird das Prinzip seiner Welt TMgkeit und seine Welt seine Kunst. Auch hier wird die Natur in neuer Herriichkeit sichtbar, und nur der gedankenlose Mensch mit Wissen

wirft

die

Willen,

unleserlichen,

seine

Wunderlich

getnischten

Worte mit Verachtung weg. Dankbar legt der Priester diese neue, erhabne MeBkunst auf den Altar zu der magnetischen Nadel, die sich nie verirrt und zahllose Schiffe auf dem pfadlosen Ozean zu bewohnten Kiisten und den Hafen des Vaterlandes zuriickfiihrte. AuBer dem Denker gibt es abet noch andere Freunde des Wissens, die dem Hervorbringen dutch Denken nicht vorziiglich zugetan und also, ohne Beruf zu dieser Kunst, lieber Schuler der Natur werden, ihre Freude im Lernen, nicht im Lehren, im

Erfahren, nicht im Machen,

im Empfangen, nicht im Geben finden. Einige sind geschaftig und nehmen im Vertrauen auf die Allgegenwart und die innige

Verwandtschaft der Natur, mithin auch

im voraus

von der Unvollstandigkeit und der Kontinxxitat

alles

einzelnen uberzeugt, irgendeine Erscheinung mit Sorgfalt auf und halten den in tausend Gestalten sich verwandelnden Geist derselben mit stetem Blicke fest und gehn an diesem Faden durch alle Schlupfwinkel der geheimen Werkstatte, um eine voUstandige Verzeichnung dieser labyrinthischen Gange entwerfen zu konnen. Sind sie mit dieser miihseligen Arbeit fertig, so ist auch unvermerkt ein hoherer Geist liber sie gekommen, und es wird ihnen dann leicht, liber die vorliegende Karte zu reden und jedem Suchenden seinen Weg vorzuschreiben. UnermeBlicher Nutzen segnet ihre miihsame Arbeit, und der GrundriB ihrer Karte wird auf eine iiberraschende Weise mit dem System des Denkers iibereinstimmen, und sie werden diesem zum Trost gleichsam den lebendigen Beweis seiner abstrakten Satze unwillkurlich gefiihrt haben. Die MiiBigsten unter ihnen erwarten kindhch von liebevoUer Mitteilung hoherer, von ihnen mit Inbrunst verehrter Wesen die ihnen niitzliche Kenntnis der Natur. Sie mdgen Zeit und Aufmerksamkeit in diesem kurzen

Leben nicht Geschaften widmen und dem Dienste der Liebe entziehn. Durch frommes Betragen suchen sie nur Liebe zu gewinnen, nur Liebe mitzuteiien, unbekiimmert um das groBe Schauspiel der Krafte, ruhig ihrem Schicksale in diesem Reiche der Macht ergeben, weil das innige BewuBtsein ihrer Unzer593

den geliebten Wesen sie erfiillt und die Natur sie nur als Abbild und Eigentum derselben riihrt. Was brauchen diese gliicklichen Seelen zu

trennlichkeit von

und als reine Flammen der Liebe in dieser irdischen Welt nur auf den Spitzen der Tempel oder auf umhergetriebenen wissen, die das beste Teil erwahit haben

Schiffen als Zeichen des xiberstromenden himmlischen

Feuers lodern ? Oft erfahren diese liebenden Kinder

Stunden herrliche Dinge aus den Gebeimnissen der Natur und tun sie in unbemiBter Einfalt

in seligen

kund. Ihren Tritten folgt der Forscher,

um

jedes

Unschuld und Freude haben fallen lassen, ihrer Liebe huldigt der mitfuhlende Dichter und sucht durch seine Gesange diese Liebe, diesen Keim des goldnen Alters, in andre Zeiten und Lander zn verpfianzen/*

Kleinod

z\i

„Wem

sammein, das

sie in ihrer

regt sich nicht‘‘, rief der Jiingling mit

ftinkelndem Auge, „das Herz in hiipfender Lust,

wenn ihm

Leben der Natur in seiner ganzen Fulle in das Gemut kommt Wenn dann jenes das innerste

1

machtige Gefuhl, woftir die Sprache keine andere

Namen

als

Liebe und Wollust hat, sich in ihm aus-

dehnt wie ein gewaltiger,

alles

auflosender Dunst

und

er bebend in suBer Angst in den dunkeln, lokkenden SchoC der Natur versinkt, die arme Personlichkeit in den xiberschiagenden Wogen der Lust sich verzehrt und nichts als ein Brennpunkt der unermeBlichen Zeugungskraft, ein verschluckender Wirbel im groBen Ozean iibrig bleibt! Was ist die uberall erscheinende Flamme? Eine innige Umarmung, deren suBe Frucht in woUiistigen Tropfen heruntertaut.

394

Das Wasser,

dieses

erstgebome Kind

luftiger

Verschmekungen, kann seinen wolliistigen Ursprung Element der Liebe und der Mischung mit himmlischer Allgewalt auf Erden. Nicht unwahr haben alte Weise im Wasser den Ursprnng der Dinge gesucht, und wahrlich, sie haben von einem hohern Wasser als dem Meer- und Quellwasser gesprochen. In jenem offenbaret sich nur das Urfliissige, wie es im fliissigen Metall zum Vorschein kommt, und datum mogen die Menschen es immer auch nur gottlich verehren. Wie wenige haben sich noch in die Geheimnisse des Fliissigen vertieft, und manchem ist diese Ahndung des hochsten Genusses und Lebens wohl nie in der trunkenen nicht verleugnen xind zeigt sich als

Seele aufgegangen.

Im Durste

oiFenbaret sich diese

Weltseele, diese gewaltige Sehnsucht nach flieBen.

Die Berauschten

iiberirdische alle

fiihlen

dem

Zer-

nur zu gut diese

Wonne des Fliissigen, und am Ende sind

angenehmen Empfindungen in uns mannigfache Regungen jener Urgewasser in uns.

ZerflieBungen,

Selbst der Schlaf ist nichts als die Flut jenes unsicht-

baren Weltmeers und das Erwachen das Eintreten der Ebbe. Wie viele Menschen stehn an den berauschenden Fliissen und hdren nicht das Wiegenlied dieser miitterlichen Gew^ser und genieBen rdcht das ent2:iickende Spiel ihrer unendlichen WellenI

Wie

diese Wellen lebten wir in der goldnen Zeit; in bunt-

farbigen Wolken, diesen schwimmenden Meeren und Urquellen des Lebendigen auf Erden, liebten und erzeugten sich die Geschlechter der Menschen in ewigen Spielen, wurden besucht von den Kindern des Himmels, und erst in jener groBen Begebenheit,

welche heiiige Sagen die Siindflut nennen, ging diese 395

blxihende Welt unter; ein feindliches

Wesen

schlug

Erde nieder, und einige Menschen blieben, geschwemmt auf die Klippen der neuen Gebirge, in def fremden Welt siuruck, Wie seltsam, dab getade die

und reizendsten Erscheinungen der den Handen so toter Menschen sind, als die

die heiligsten

Natur in

Scheidekiinstler zu sein pflegen! Sie, die

ferischen Sinn der

den schopNatur mit Macht erwecken, nur

Geheimnis der Liebenden, Mysterien der hohern Menschheit sein sollten, werden mit Schamlosigkeit ein

und

von rohen Geistern hervorgerufen,

sinnlos

nie wissen werden,

welche Wonder ihre Glaser

Nor Dichter omgehn und von ihm schlieben.

sollten

mit

dem

die

urn-

Flussigen

der gluhenden Jogend

er-

zahlen durfen; die Werkstatten waren Tempel, und

mit neuer Liebe wiirden die Menschen ihre Flamme

und Wie

ihre Fliisse verehren

sich ihrer ruhmen.

gliicklich wiirden die Stadte sich

ken, die das

und

und

Meer oder

ein groBer

wieder

Strom

diin-

bespult,

jede Quelle wiirde wieder die Freistatte der

Liebe und der Aufenthalt der erfahrnen und reichen Menschen.

mehr

nichts

als

Darum

geist-

lockt auch die Kinder

Feuer und Wasser, und jeder Strom

Feme, in schonere Es ist nicht bloB WiderdaB der Himmel im Wasser liegt, es ist eine

verspricht ihnen, in die bunte

Gegenden schein,

sie

zu

fiihren.

zarte Befteundung, ein

imd wenn der

Hohe

will,

so versinkt die gliickliche Liebe gern in

Aber es ist umsonst, die Natur und predigen zu wollen. Ein Blindgeborner nicht sehen, und wenn man ihm noch soviel

die endlose Tiefe.

lehren lernt

Zeichen der Nachbarschaft,

unerfdllte Trieb in die unermeBliche

voa Farben nnd Lichtem 2khlcn wollte.

iind ferncn Gestalten er-

So wird auch keiner die Natur be-

greifen, der kein

Naturorgan, kein inneres natur-

erzeugendes und absonderndes Werfczeug hat, der nicht,

wie von

selbst, uberall die l^atur

an allem

erkennt und unterscheidet und mit angebomef Zeugungslust, in inniger mannigfaltiger Verwandtschaft

Medium der EmpfinNaturwesen vermischt, sich

mit alien Korpern, durch das

dung

sich mit alien

gleichsam in

sie hineinfiihlt.

Wer

aber einen rich-

und geiibten Natursinn hat, der genieCt die Natur, indem er sie studiert, und freut sich ihrer

tigen

unendlichen Mannigfaltigkeit, ihrer Unerschopflich-

im Genusse und bedarf nicht, daJS man ihn mit Worten in seinen Geniissen st5re. Ihn diinkt vielmehr, daB man nicht heimlich genug mit der Natur umgehen, nicht zart genug von ihr reden, nicht ungestort und aufmerksam genug sie beschauen kann. Er fiihlt sich in ihr wie am Busen seiner ziichtigen Braut und vertraut auch nur dieser seine erkeit

unniitzen

langten Einsichten in siiBen vertraulichen Stunden. Gliicklich preis ich diesen Sohn, diesen Liebling der

Natur,

dem

sie verstattet, sie in ihrer

Zweiheit,

als

er^eugende und gebarende Macht, und in ihrer Einheit, als eine unendliche,

ewig dauernde Ehe, za

betrachten. Sein Leben wird eine Fiille aller Genusse,

eine Kette der Woliust,

und

seine Religion der

cigentliche, echte Naturalismus sein/^

Unter dieser Rede hatte sich der Lehrer mit seinen Lehrlingen der Gesellschaft genahert. Die Reisenden standen auf und begruBten ihn ehrfurchtsvolL Eine erfrischende Ktihlung verbreitete sich aus den dun-

397

keln Laubgangen tiber den Plate

und die

Stufen.

Der

Lehrer lieB einen jener seltnen leuchtenden Steine bringen, die man Karfimkel nennt, und ein hellrotes,

goB sich iiber die verschiednen Geund Kleidungen aus. Es entspann sich bald eine fteundliche Mitteilung unter ihnen. Wahrend eine Musik aus der Feme sich h5ren lieB und eine kiihlende Flamme aus Kristallschalen in die Lippen

kraftiges Licht stalten

der Sprechenden hineinloderte, erzahlten die Frem-

den merkwiirdige Erinnerungen ihrer weiten Reisen* Voll Sehnsucht und WiBbegierde hatten sie sich aufgemacht,

um

die Spuren jenes verloren gegangenen

Urvolks 2u suchen, dessen entartete und verwilderte Reste die heutige Menschheit zn sein schiene, dessen

hoher Bildung sie noch die wichtigsten und unentbehrlichsten Kenntnisse und Werkzeuge 2u danken hat. Vorziiglich hatte sie jene heilige

Sprache gelockt,

glmzende Band jener koniglichen Menschen mit xiberirdischen Gegenden und Bewohnern gewesen war und von der einige Worte, nach dem Verlaut mannigfaltiger Sagen, noch im Besite einiger gliicklichen Weisen xmter unsern Vorfahren gewesen sein mogen. Ihre Aussprache war ein wunderbarer die das

Gesang, dessen unwiderstehliche Tone tief in das Innere jeder Natur eindrangen

Jeder ihrer

Namen

und

sie zerlegten.

schien das Losungswort

fiir

die

Mit schopferischer Gewalt erregten diese Schwingungen alle Bilder der WeltSeele jedes Naturkorpers.

erscheinungen, und von ihnen konnte man mit Recht

Leben des Universums ein ewiges, tausendstimmiges Gesprach sei; denn in ihrem Sprechen schienen alle Krafte, alle Arten der Tatigkeit sagen, daB das

598

auf das unbegreiflichste vereinigt zn sein. Die Triimmer dieser Sprache, wenigstens alle Nachrichten von ihr, aufizusuchen, war ein Hauptzweck ihrer Reise gewesen, und der Ruf des Altertums hatte sie auch nachSais gezogen. Sie bofFten,hier von den erfahrnen

Vorstehern des Tempelarchivs wichtige Nachrichten zxL

erhalten

aller

Art

Lehrer

und vielleicht in den groBen Sammlungen den

selbst Aufschlxisse zxi finden. Sie baten

um

Nacht im Tempel Lehrstunden einige Tage bei-

die Erlaubnis, eine

schlafen und seinen wohnen zn diirfen. Sie erhielten, was sie wiinschten, tmd freuten sich innig, wie der Lehrer aus dem

Schatze seiner Erfahrungen ihre Erzahlungen mit

mannigfaltigen Bemerkungen begleitete

und

eine

Reihe lehrreicher und anmutiger Geschichten und

Beschreibungen vor ihnen entwickelte. Endlich

kam

den unterschiednen Natursinn in jungen Gemiitern zn erwecken, zu uben, zu scharfen und ihn mit den andern Aniagen zu hoheren Bliiten und Friichten zu verer auch auf das Geschaft seines Alters,

knxipfen.

„Ein Verkiindiger der Natur zu

sein,

ist

ein

sch5nes und heiliges Amt*^ sagte der Lehrer. „Nicht

Umfang und Zusammenhang der KenntGabe, diese Kenntnisse leicht und an bekannte Begriffe und Erfahrungen anzu-

der bloBe

nisse, nicht die

rein

kniipfen

Worte

und

roit

die eigentiimlichen, fremd klingenden gewdhnlichen Ausdrucken zu vertau-

schen, selbst nicht die Geschicklichkeit einer reichen

Einbildungskraft, die Naturerscheinungen in leicht

und treffend beleuchtete Gem^de zu ordnen, entweder durch den Reiz der Zusammenstellung

faBliche

die

599

and den Reichtum des Inhalts die Sinne spannen und befriedigen oder den Geist dutch eine tiefe Bedeutung entz-iicken, alles dies macht noch nicht das echte Erfordernis eines Naturkiindigers aus.

um etwas

anderes zu tun

ist als

Wem es

um die Natur, dem ist

wer eine innige Sehnsucht wer in ihr alles sucht und empfindliches Werk2eug ihres ge-

es vielleicht genug, aber

nach der Natur gleichsam ein

spiirt,

heimen Tuns ist, der wird nur den fiir seinen Lehrer und fiir den Vertrauten der Natur erkennen, der mit Andacht und Glauben von ihr spricht, dessen Reden die wunderbare unnachahmliche Eindringlichkeit und Unzertrennlichkeit haben, dutch die sich wahre Evangelia, wahre Eingebungen ank-undigen. Die urspriinglich giinstige Anlage eines solchen natiiriichen Gemiits muB dutch unablassigen FleiB von Jugend auf, dutch Einsamkeit und Stillschweigen, well vieles Reden sich nicht mit der steten Aufmerksamkeit vertragt, die ein solcher anwenden mufi,

dutch kindliches, bescheidnes Wesen und unermiidliche

Geduld

unterstiitzt

und

ausgebildet sein. Die

Zeit laBt sich nicht bestimmen, wie bald einer ihrer

Geheimnisse

teilhaftig wird.

langten friaher,

manche

erst

Manche Begliickte geim hohen Alter da2u.

Ein wahrer Forscher wird nie

dem

alt,

jeder ewige Trieb

und je mehr und glan2ender und machtiger wird der Kern. Auch haftet diese Gabe nicht an auBerer Schonheit oder Kraft

ist

auBer

Gebiete der Lebenszeit,

die auBere Hiille verwittert, desto heller

oder Einsicht oder irgendeinem menschlichen Vor2ug. In alien Standen, unter jedem Alter und Geschlecht, in alien Zeitaltern

400

und unter jedem Him-

von der Lieblingen ausersehn und dutch

melsstriche hat es

Menschen gegeben,

die

Natur zn ihren inneres Empfangnis begliickt waren. Oft schienen diese Menschen einfaltiger und ungeschickter zu sein als andere

und blieben

ihr gan2:es

Leben hinEs

durch in der Dunkelheit des groBen Haufens. ist

sogar

man

als eine

rechte Seltenheit zu achten,

wenn

das wahre Naturverstandnis bei groBer Bered-

und einem prachtigen Betragen da es gemeiniglich die einfachen Worte, den geraden Sinn und ein schlichtes Wesen hervorbringt Oder begleitet. In den Werkstatten der Handwerker samkeit, Klugheit findet,

und

Kiinstler

tigem

und

Umgang und

da,

wo

Streit

die

Menschen in vielfah

mit der Natur sind,

als

da

beim Ackerbau, bei der Schiffahrt, bei der Vieh2ucht, bei den Erzgruben und so bei vielen andern Gewerben, scheint die Entwicklung dieses Sinns am leichtesten und oftersten stattzuiinden. Wenn jede Kunst in der Erkenntnis der Mattel, einen gesuchten Zweck zu erreichen, eine bestimmte Wirkung und Erscheinung hervorzubringen, und in der Fertigkeit, diese Mittel 2u wahlen und an2uwenden, besteht, so muB derjenige, der den innern Beruf fuhlt, das Naturverstandnis mehreren Menschen gemein zu machen, diese Anlage in den Menschen vor^uglich zu entwickeln und zu pflegen, 2uerst auf die natiirlichen Anlasse dieser Entwicklung sorgfaltig zu achten und die Grundziige dieser Kunst der Natur abizulernen suchen. Mit Hilfe dieser erlangten Einsichten wird er sich ein System der Anwendung dieser Mittel bei jedem gegebenen Individuum, auf

ist

Versuche, Zergliederung und Vergleichung Nopohs, Gesammelte Werke

i

gegriin*-

401

det, bilden, sich dieses

System

bis 2ur

andern Natur

aneignen und dann mit Enthusiasmus sein belohnendes Geschaft anfangen.

Nur

diesen wird

man

mit

Recht einen Lehrer der Natur nennen konnen, da

nur 2 ufallig und sympathetisch, wie ein Naturer^eugnis selbst, den Sinn fur die Natur erwecken wird/^ jeder andre bloBe Naturalist

entwOrfe ZUY Fortsetzung der ^Lehrlinge zm Sais'' 1

Verwandlung des Tempels 2u der Isis. statt

Sais.

Erscheinung

Tod des Lehrers. Traume im Tempel. Werk-

des Archaus.

Ankunft der griechischen Gotter.

Einweihung in die Geheimnisse. Bildsaule des Memnon. Reise zn den Pyramiden. Das Kind und sein Johannes. Der Messias der Natur. Neues Testament und neue Natur als neues Jerusalem. Kosmogenien der Alten. Indische Gottheiten.

2

Der Mensch hat immer symbolische Philosophic Wesens in seinen Werken und seinem Tun und Lassen ausgedriickt. Er verkiindigt sich und sein seines

Evangelium der Natur, er

ist

der Messias der Natur.

3

Ein Gxinstling des Gliicks sehnte sprechliche Natur zn umfassen.

402

sich, die

unaus-

Er suchte den

ge-

heimnisvollen Aufenthalt der

Isis,

Sein Vaterland

und seine Geliebten verlieB er und achtete im Drange seiner Leidenschaft auf

den

Kummer

seiner Braut

nicht. Lange wahrte seine Reise. Die Muhseligkeiten waren groB. Endlich begegnete er einem Quell und Blumen, die einen Weg fur eine Geisterfamiijie bereiteten. Sie verrieten ihm den Weg 2u dem Heiligtume. Entziickt von Freude kam er an die Txire. Er trat ein und sah - seine Braut, die ihn mit Lacheln empfing.

Wie er sich umsah, fand er sich in seiner

kammer, und

Schlaf-

Nachtmusik tonte unter seinen Fenstern 2u der siiBen Auflosung des Geeine liebliche

heimnisses.

4 zu

Einem gelang es, - er hob den Schleier der Gottin Sais ~ Aber was sah er? er sah - Wunder des

Wunders,

sich selbst. 5

Jesus der Held. Sehnsucht nach dem Heiligen Grabe. Kreuzlied. Nonnen- und Monchshed. Der

Anachoret. Die Weinende. bet.

Der Suchende. Das Ge-

Sehnsucht nach der Jungfrau. Die ewige Lampe.

Sein Leiden. Jesus in Sais.

Das Lied der Toten. 6

Der Naturstaat

ist res

privata (mystisch)

publica 2 ugleich. (Mystizism der Natur. fi^u. Schleier.

und

Isis.

res

Jung-

Geheimnisvolle Behandlung der Na-

turwissenschaft.)

REGISTER DER GEDICHTE Naci dem

AUe Menschen

Dei Fremdling

seh ich

leben

93

Allmachtigef Geist, Urquell

G.

Als ich an

. .

82

Holtys Ge-

dichte schickte

Am Gtabe memes Vaters Am Sonnabend Abend

93 .

75

.

94

An Adolf Selmnitz An den Heim Rektor Jam An den Sldaven An den Sohn des Herrn

105

84 77

Prof. Bulger

58

An die Dichtkunst An die Fundgrube Auguste An die Muse An die Wippernymplie ... An Dora An ein fallendes Blatt ..... An Filidor An Herrn A, W. Schlegel und

I

Tttel geordnet:

II

67 106

74 57 116

70 73

59~6 o

Anjulien 115 An Karl von Hardenberg 118 An meine Mutter I und II 55-57 An meine sterbende .

Schwester

AnTieck Armenmideid Astraks

Badelied Bei

dem Falkenstein

Burgunderwein

76 113

55

Der gefundne Schate .... 60 Dei Harz yg Der Himmel war umzogen no Der mude Fiemdling 1st verschwunden

101

Der Rosenstock Der sterbende Genius Der Wettstreit

73 102

.

72

Die Kahnfahrt Die Liebe Die Nachtigall Die Vermahlung der Jahreszeiten

..

.

86 69 85

.*...353

Distichen I-VIII

119-121

Elegie auf einen Kirchhof

87

,

Esfarbtesich die Wiese grun 109 Es kann kein Rausch sein 98 .

.

Fragment Geisthche

121

Ueder

29-52

Geschichte der Poesie ...

88

Gotdob, daB ich auf Erdcn bin

64

Gott

80

73

302

Hymne Hymmn an die Nacht

38

9-25

72 79 66

In das Stammbuch

I

und II

Kenne dich selbst Klagen eines Junglings

Cbaraktcr meiner kunftigen

Frau

404

103 ...

89

65

Qior der Jungfrauen aus „Marpissa** I und II 1 21-122 Cytbere

92

68

Letzte Liebe

Lied aus Sais*‘

104 Lehrlinge

377

1

Liedef aus ,,Hemmbpon

Vermiscbte GedtcbU .... 55-122

172

Ofierdtngen*^

175, 180, 184, 202, 204, 212, 239, 241, 267, 274, 282, 301,

302, 307, 309, 338, 339, 343,

344 » 353

Walzef

Wie

selig

95

war

die Zeit der

Knabenspiele

87

-

Marienlieder I

und

11

.

.

.

50-52

MemWunsch

71

Zueignung

125-126

Zufriedenheit

83

Zu Sophiens Geburtstag Sehnsucht nach

dem Tode

23

Nach dem Begma der

AUeMenschen seh ich leben

93

Ailmachtiger Geist, Urquell aller

Wesen

....

82

Also noch ein freundiicher Blick

An

einem Sommermorgen 302 ich bin in Afkadien geboren 59-60 Auch uns smg hier 85 Auf, Freunde, hemnter das

Auch

geboren

72 241

Berge jauchzet, Hugel hupfet

49

Bin ich noch der Bricht das matte Herz noch

immer

94

Das furchtbar za den Das Grab

180

DaB ich mit namenloser Freude 115 Deinen Wangen entflohn. 76

Der Himmel war umzogen

96 106

Gedichte geordnef:

Der ist derHerr der Erde Der Jungling bist du Der mude Fremdling ist

202

.

19 loi

Der Sanger fahrt aus schonen Traumen Der Sanger geht auf rauhen

175

Pfaden

Die beste Muse ist Cythere Die Liebe ging auf dunkler

Bahn

172 68

274

Die mich einst mit Schmerzgebar Die sind sicher vor des Schicksals Neide Die, welche einst mich

55

121

fesseln soli

65

Trieb Eile,

16

steht unter

wildenHeiden

ZutWeinlese

Du hast in mk den edlen 184

frohen Tischen

.

verschwunden 104

heifie Gewand Auf gmnen Betgen wird

.

no

125

Knabc,

Einem gelang es Ein Kind voU Wehmut

77 1 19

... 113

Tranen EinsnuristjWasderMensch Eros, welchen im Lenz ... Erwacht in euren Zellen Es farbte sich die Wiese

Ernst, da ich bittre

.

1

103 121

, .

282

.

109

.

405

9

Es gibt so bange Zeiten ... Es ist dem Stein em ratselhaftes Zeichen

Es kann kein Rausch sein Es nahet sich der Winter .

1

43

Ihr Herz war voller Freuden 307 Immer hinuber den Strom 92

162

In ewigen Verwandlungen 126 In stiller Treue sieht man

.

98

.

70

gem

118

Ist es nicht

Feinliebchen, hast

du mir 60

nie Liebe gelogen

FernimOsten Freunde, der Boden 1st arm Freund, hier schicke ich dir Fursten sind NuUen

klug

120

Jungst stritt ich mit Lottchen

32 11

95

120

Gegrundet 1st das Reich der Ewigkeit 301

Kirchhof, werter mir

87

Knaben, rudeit geschwind Konig mochte sein

20

Liebeszahren, Liebes-

Geistder Vorzeit

79

flammen Lobt doch unsre

ich

noch im 212

Tale Gespielin meiner Jugend

.

.

I

64

Gluckauf, Fundgrube,

106

Hab Gold und Guter

73

Harz, du Muttergcbirg ...

78

Himmlisches Leben im blauen

Gewande

....... 338

Gottinnen selbst ... 122

Ich kenne

wo

309 stillen

Feste

344

Mag Claudius dich tadeln Mude bist du und kalt

MuB immer

der

Morgen

.

.

66

99 .

1

Nicht lange wird der schone

Fremde

267

undankbar

89

Nun weiB ich, wenn der letzte

Morgen

12

Oft trieb mich in den ein-

samen Stunden Quintus bin ich geblieben

84

.

121

ein festes

SchloB Ich sag es ^edcm

204 42

Ich sehe dich in tauscnd Bildern

Ich singe Gott

suchen konnte

Rosenblutchen, das gute

Kind

377

Rosenstockchen, wart ....

73

Sag an, mein Mund Schiummre immer, lieber

73

52

80

Ich weiB nicht, was ich

406

19

Nimmer schwanden

Hinuber wall ich 14 Hinunter die Pfade des Lebens 93 Hinunter in der Erde SchoB 2 3 Hypothesen sind Netze ... 120 Ja, der

1

67

Gottlob daB ich auf Erden bin

86 71

LaBt die Libellen ziehn ....

Gehoben ist der Stein Gern verweil

als

Goldpalaste

44

Kleiner

58

7

Segen

sei

an

Sei stets nut

demem Grabe demem Los

zufneden

75 83

Smd wir nicht gepkgte Wesen

239 116

Soil dieset Blick

Tief

m Gedanken

353

Wenn ich ihn nuf babe .... Wenn in bangen, ttnben Stunden

48

Wenn nicht mehr Zahlen Wenn sanft von Rosen-

.

.

hugeln

69

Wennunsre Wunsche Wet ein holdes Weib

....

etrungen

Stamme

15

erblickt

50

35

33

Wie die Erde voller Schonheit

das

muB sich 105

gewesen

29

WemenmuBich

40

begabte

9 .

..120

87 102

die so

freundlich

57 .... 106

Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt

Wohm 2iehst du mich

gelachelt

Wenige wissen Geheimms

Wippemymphe,

Wir haben Wemmond

Welcher Lebendige, SmnWelten bauen genugt Wem du bei der Geburt

Knabenspiele

Willkommen, Lieber

dich

.

88

Wie selig war die Zek der

runden

Was wat ich ohne

56

96

Wer emsam sitzt

Unter tausend frohen Stunden

Was paBt,

343

Wer emmal, Mutter, dich

tiber der Menscben weit-

verbfekete

36

46 ...

339

74 38

Zart 1st der Faden der Freundschaft

92

37

Zu Ende neigte die alte Welt

1

das

Wenn alle xmtreu werden

.

407

INHALTSVERZEICHNIS LYRIK Seitc

Hymnen an

Nacht

dte

9-25

Geistliche Lteder

29-52

Vemischte Gedtchte

55-122

NACHGELASSENE

ROMANFRAGMENTE Hmnch

von OJterdingen

Zueignung

125-126

'Brster Tell:

Die Efwartung

Zn^eiter Tell:

Die Etfnlhmg

127-301

502-328

Das Kloster oder det Vorhof

.

.

Das Gesicht

Die

302-326 327-328

Handschriftliche Entmiife

329-340

Tiecks Bedcht uber die Fortsetzung

341-354

'Lehrlinge

^ Sals

'Brster

Ted: Der Lehrling

Zwetier Tell:

357-362

Die Natur

Handschtiftliche

362-402

Entmufe

402-403

REGISTER DER GEDICHTE Nach den

Titeln geordnet

404-405

Nacb dem Beginn der Gedichte geordnet

Das

Portrat

Friedrich

wrdc

von Novalis

Eduard Eichens

ENDE

DE's

,

dutch den Kupfctstecher

(Berlin)

un Jahr

1845 verfertigt.

ERSTEN BANDES

.

405-407