Gerichtliche Kontrolle der Verwaltung in Schottland [1 ed.] 9783428464425, 9783428064427

131 8 29MB

German Pages 302 [303] Year 1988

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Gerichtliche Kontrolle der Verwaltung in Schottland [1 ed.]
 9783428464425, 9783428064427

Citation preview

AXEL TIEMANN

Gerichtliche Kontrolle der Verwaltung in Schottland

Schriften zum Internationalen Recht Band 42

Gerichtliche KontroUe der Verwaltung in Schottland

Von

Dr. Axel Tiemann LL.B. (Cantab.)

Duncker & Humblot · Berlin

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Tiemann, Axel: Gerichtliche Kontrolle der Verwaltung in Schottland I von Axel Tiemann.- Berlin: Duncker u. Humblot, 1988 (Schriften zum Internationalen Recht; Bd. 42) Zugl.: Tübingen, Univ., Diss., 1987/88 ISBN 3-428-06442-9 NE:GT

D 21 Alle Rechte vorbehalten

© 1988 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41

Satz: COMPART, Mössingen Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3-428-06442-9

Scotland ... always a wee bit special

Vorwort Diese Arbeit über die gerichtliche Kontrolle der Verwaltung in Schottland entstand im wesentlichen zwischen Oktober 1984 und September 1986 während meiner Tätigkeit als deutscher Lecturer am Centre of European Governmental Studies der University of Edinburgh. Der Aufenthalt in Schottland, der vom Deutschen Akademischen Austauschdienst vermittelt und finanziell gefördert wurde, bot die Gelegenheit zu einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem, was in Schottland im weiteren Sinne als public law existiert. Die Arbeit wurde im WS 1987/88 von der Juristischen Fakultät der Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Obwohl die Forschungen im wesentlichen bereits im September 1986 abgeschlossen waren, konnten für die Drucklegung noch eine Reihe aktueller Entwicklungen bis Februar 1988 eingearbeitet werden. Zu Dank verpflichtet bin ich zunächst Prof. Dr. Graf Vitzthum für seine Bereitschaft, mich als Doktorvater auch in einem ihm zunächst weniger vertrauten Rechtsgebiet bei der Dissertation zu beraten und zu unterstützen. Für fachliche Anregungen danke ich darüberhinaus Prof. Dr. Eibe H. RiedeVMarburg, der sich im Promotionsverfahren auch zur Zweitbegutachtung bereit fand. Von besonderer Hilfe war für mich die Möglichkeit wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit meinen Kollegen an der Faculty of Law in Edinburgh. Insbesondere bin ich Prof. David Edward verpflichtet, der mir als Mitglied der Arbeitsgruppe von Lord Dunpark unveröffentlichte Materialien zu den Vorarbeiten zur schottischen Prozeßrechtsreform 1985 zur wissenschaftlichen Auswertung zur Verfügung stellen konnte. Auf Seiten der Scottish Law Commission habe ich Mr. MacLean für seine stete Bereitschaft zu danken, Fragen des schottischen öffentlichen Rechts mit mir zu diskutieren. Besonders interessant waren für mich die Gespräche, die ich mit drei der für Verwaltungsrechtsstreitigkeiten am Court of Session zuständigen Richter - mit freundlicher Genehmigung des Lord President Emslie - im Sommer 1986 führen konnte: Lord Clyde, Lord Davidson und Lord J auncey bin ich für die

VIII

Vorwort

wichtigen Hintergrundinformationen dankbar, ohne die das Bild, das ich von der gerichtlichen Kontrolle der Verwaltung in Schottland gewinnen konnte, weniger scharf und konturenreich hätte bleiben müssen. Die Veröffentlichung dieser Arbeit wurde durch einen Druckkostenzuschuß der Deutsch-Britischen Juristenvereinigung e.V. gefördert. Ohne die ermunternde Unterstützung durch meine Frau wären die folgenden Seiten nie geschrieben worden.

Tübingen, im März 1988

Axel Tiemann

Inhaltsverzeichnis Abkürzunpverzeichnis

XII

Einleitung I. Grundlagen

6

1. Rechtsschutz vor ordentlichen Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6

a. Der verfassungsrechtliche Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Britische Justiz und Gewaltenbalance im 19. und 20. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . .

6 6

bb. "Englisches• Verfassungsrecht für Schottland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

aaa. Krone und Justiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bbb. Krone und Parlament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ccc. Garantie der Freiheit der Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ddd. Grundlagen und Relikte" schottischen• Verfassungsverständnisses. . .... .. . b. Die Beteiligten an Verwaltungsstreitsachen in Schottland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Überblick - Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12 14

aaa. Sheriff Courts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bbb. Court of Session . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ccc. House of Lords . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Prozeßparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aaa. Local Govemment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16

18 19 19 20 25 27

28 28

bbb. Scottish Office . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 ccc. Die Krone - Lord Advocate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ddd. Public bodies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundzüge des traditionellen Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Reformen der Verwaltunpkontrolle

30 31 32

35

1. Reformen im englischen Rechtskreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

a. Englischrechtliche Vorbilder für schottische Reformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

b. Gemeinsame Charakteristika und Divergenzen bei der Verwaltungskontrolle . . . . . . c. Verwaltungskontrolle durch administrative und gerichtliche Spruchkörper -Lösungen und neue Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Zur Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Tribunals und inquiries . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37 41 42 43

cc. Judicial review . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .

47

dd. Order 53 in England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aaa. Reformen 1977 bis 1981 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bbb. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ccc. Public law v. private law. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52 52 54 58

X

Inhaltsverzeichnis

2. Schottische Prozeßrechtsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

a. Die Arbeitsgruppe unter Vorsitz Lord Dunparks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

b. Regel 260 B der Rules of Court im einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69 69

aa. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Verfahrensdurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

c. Erste Erfahrungen mit dem neuen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

111. Supervisory jurisdidion des Court of Session

1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87 87

2. Zur Geschichte des Court of Session bis zum Act of Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 a. Entwicklung des Court of Session . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

b. Reformation, Vereinigung der Kronen und Revolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

c.Appeal zum Parliament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 3. Die Entwicklung seit 1707 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

%

96 98 c. Scots Law und Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 d . Praktische Beispiele für die Ausübung der supervisory jurisdiction . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 4. Zur Exklusivität der supervisory jurisdiction . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 a. Bestätigung der schottischen Justiz und Abschaffung des Privy Council . . . . . . . . . . . . b. Equity und nobile officium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

a. Klassische Verfahrensformen ..... . ........... . . . .. . .. . ................ . . . .. . 107 b. Bill Chamber Verfahren .. . . .. . . . . . .. . . . . . . . . . . . . .. .. .. .. . . . . . . . .. . . .. . . . . . . 110 c. Abgrenzung zur Gerichtsbarkeit des Sheriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

5. Einzelne Formen richterlicher E ntscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Reduction . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Declarator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Suspension und interdict . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Decree ad factum praestandum - implement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

118 118 123 126 128

e. Leistungsurteile auf Zahlung... . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 aa. Judicial review und Zahlungsklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 bb. Damages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 cc. Restitution ... .. . .. . .. .. . . . . .. . . . . . .. . . .. . . . ... . .. . . , . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 6. Ausschluß der Klagemöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 a. Klagebefugnis .............. . . . . . .. .. . .......... . .. . . . . ............. .. . ..... 140 b. Gesetzliche Ausschlußgründe . . . .. . ... . .......... . .. . .. .. ... . ........ . .. . . . .. 144

IV. MaterleUrechtliche Seite desjudicio/ review

147

1. Der Umfang gerichtlicher Kontrolle der Exekutive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2. Kontrollparameter im schottischen Common Law . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

a. Ultra vires . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 aa. Gesetzmäßigkeitskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 bb. Ermessenskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

b. Natural justice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 aa. Unparteilichkeit - nemo iudex in res sua . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 bb. Faires Gehör - audiatur et altera pars . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 cc. Zum Anwendungsbereich der Regeln der natural justice. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

Inhaltsverzeichnis

XI

3. Neue Rechtsentwicklungen in England -mit Blick auf Schottland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 a. Judicia/ reviewauf dem Rückzug? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 aa. Finanz- und Haushaltskontrolle der Kommunen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 bb. Ausländerrecht ........... . .. . ...... . ....... . .. . .. . . . .............. . . . .. 171 cc. Obdachlosenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 dd. Zur Flexibilität des englischenjudicia/ review . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 b. Dogmatische Fortschritte in England? Zum Fall des Govemment Communications Headquaters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 aa. Counci/ ofCivil Service Unions v. Minister for the Civil Service . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179

bb.ludicial reviewbei Prärogativakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 cc. Neue Kategorisierung von Klagegründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 dd. "Verwaltungsakt" als Gegenstand desjudicial review . .. .............. . . .. . . .. 187 ee. Verhältnismäßigkeit ....... . .. . .............. . ..... . ............. . ... .. .. 190 4. Menschenrechte und Grundfreiheiten als Kontrollparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 a. Bedeutung des Grundrechtsschutzes für denjudicia/ review . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 b. Die Rolle der Europäischen Menschenrechtskonvention in England und Schottland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 c. Eine Bill of Rights für das Vereinigte Königreich? ..... . .. . ............. . . . . . . .. 201 Scblull: Entwicklungsperspektiven des schottischen Verwaltungsrechts - Resümee und Ausblick

208

Zusammenlassong der Ergebnisse

214

Englisb Summary

222

Anhang:Regel260 B der Rules of Court des Court of Session (mit deutscher Übersetzung)

230

Literaturverzeichnis

238

Rechtsprechungsverzeichnis

258

Gesetzesverzeichnis

269

Sachverzeichnis

276

Abkürzungsverzeichnis a.A.

a.a.O. AC. A.D. A.-G. A.J.L. A.L.J.R A.L.R a.M. A.P.S. A.S. Abs. Adelaide L.Rev. adm. AllE.R AllER Ann. Rev. Am.J. of Leg.Hist. Angl.Am.L.R App. Art.

B.c. B.C. Bd. Bde.

BGH Br. Brit. J. Pol. Sc. BVerfGE bzw.

c. C.A.

c.c.

C.C.S.M. C.E. CJ.C. CJ.C.P.

anderer Ansicht am angegebenen Orte Law Reports, Appeal Cases AnnoDomini Attorney-General Australian Law Journal Australian Law Journal Reports Australian Law Reports amMain Acts of the Parliaments of Scotland (1) Acts of Sederunt Absatz Adelaide Law Review administrative All England Reports All England Reports Annual Review American Journal of Legal History Anglo-american Law Review Appendix Artikel Borough Council British Columbia Band Bände Bundesgerichtshof Breisgau British Journal of Political Science Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise Chapter Court of Appeal County Council Revidierte Gesetzessammlung Manitoba Conseil d'Etat Chief Justice of Canada Chief Justice of the Common Pleas

Abkürzungsverzeichnis

CJ.Q. C.L.B. C.L.P. C.L.R ca. Cambridge L.J. Can. Bar Rev. Cap. eh. Ch. Ch.D. Chas. C.I.L.J.S.A. Cm. Cmd. Cmnd. Co. Co!. Com. Comm. Conn. Corp. Cth

d

Civil Justice Quarterly Commonwealth Law Bulletin Current Legal Problems Commonwealth Law Reports circa Cambridge Law Journal Canadian Bar Review Chapter Chapter Law Reports, Chance'Y Chance'Y Division Charles Comparative and International Law Journal of Southern Africa Command Paper (seit 1986) Command Paper (1919-1956) Command Paper (1956-1986) Corporation column -Spalte Commission Commission Connecticut Corporation Commonwealth (of Australia)

D. D.C.

Shilling Dunlop (2) Divisional Court

d.h.

das heißt

D.L.R Dec. ders. Dept. dies. Dig. Diss. iur. Div. DVBl

Dominion Law Reports December derselbe Department dieselbe( n) Digesten

E.H.RR

juristische Dissertation Division Deutsches Verwaltungsblatt

E.R

European Human Rights Reports English Reports

e.V. ed. ed. ed. eds. Edw.

eingetragener Verein edition -Auflage edited - herausgegeben editor -Herausgeber editors - Herausgeber Edward

XIII

XIV

EGABI. Einw. Elchies Eliz. EMRK engl. et al. EuGH EuR EuRGZ

r. F. Fed. L. Rev. ff.

Fn. GCHQ Geo. GG ggf.

GLC

H.c.

Abkürzungsverzeichnis Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Einwohner Patrick Grant of Elchies' Decisions (3) Elizabeth Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten englisch(en) et alii - und andere Gerichtshof der Europäischen Gerneisehaften Europarecht Europäische Grundrechte-Zeitschrift folgende (bzw. and following page) Fraser (4) Federal Law Review fortfolgende (bzw. and following pages) Fußnote(n) Govemment Communications Headquarter George Grundgesetz gegebenenfalls Greater London Council

H.L.(E.) H.L.(Sc. & E.) H.L.(Sc.) H.L. H.M. H.M.S.O. Hon. Hrsg. Hume

House of Commons (paper) House of Lords (England) House of Lords (Scotland and England) House of Lords (Scotland) House of Lords His (Her) Majesty's Her Majesty's Stationacy Office Honourable Herausgeber Hume's Court of Session Reports (5)

I.C.L.Q. i.d.F. i.d.R IJ.(N.S.) I.R i.S. i.ü. IECL Imm.App.R Inc. insbes.

International and Comparative Law Quarterly in der Fassung in der Regel Irish Jurist (New Series) Irish Reports im Sinne im übrigen International Encyclopedia of Comparative Law Immigration Appeals Reports Incorporated insbesondere

Abkürzungsverzeichnis Inst. Int.-Arner. L.R Int'J.

Institutions (of the law of Scotland) Inter-Arnerican Law Review International

J.

(High Court of) Justiciary (Mr.) Justice Journal of Legal History Justice of Appeal Judicial Committee (of the Privy Council) Justiciary Cases (6) Journal of the Law Society of Scotland Jahrbuch des öffentlichen Rechts (Neue Folge) Juridical Review (New Series) Juridical Review Juristenzeitung

J.

J. of Leg. Hist. J.A.

J.C. J.C. J.L.S.S. JöR(N.F.) J.R(N.S.) J.R JZ

KB.D. KB.

King's Bench Division Law Reports, King's Bench Kapitel James Fergusson of Kilkerran's Decisions (7)

LJ.

Lord Justice Law Quarterly Review LawReports LawTimes LAW COMMISSION London Borough Council (Lord) Raymond's Reports Juristisches Datenbank-System im Vereinigten Königreich Liverpool Law Review Limited (company)

Kap. Kilkerran

L.Q.R L.R L.T. LAWCOM. LBC Ld.Raym. LEXIS Liverpool L. R Ltd. M.L.R

Mor. Mr.

Modem Law Review MacPherson (8) Master of the Rolls mit weiteren Nachweisen Manitoba Law Journal MacLean and Robinson (9) British Security Service (vormals Military Intelligence - Section 5) British Secret lntelligence Service (vormals Military lntelligence Section 6) Morison (10) Mister

N.C.B. N.I.L.Q.

National Coal Board Northem Ireland Law Quarterly

M.

M.R m.w.N. Manitoba LJ. McL.&.R

MIS MI6

XV

XVI NJ. N.LJ.

N.S. N.S.W. N.Y. N.Z.LJ. N.Z.L.R

NJW

No. NVwZ

Abkürzungsverzeichnis NewJersey New Law Journal NewSeries New South Wales NewYork New Zealand Law Journal New Zealand Law Reports Neue Juristische Wochenschrift Number Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

o.v.

ohne Verfasserangabe Opferentschädigungsgesetz Osgoode Hall Law Journal Otago Law Review

p

pts.

pence page Parliamentary Commissioner for Administration Privy Council PublicLaw Post-qualifying legal education paragraph(s) Doctor of Philosophy pages parts -Teile

Q.B.D. Q.B.

Queen's Bench Division Law Reports, Queen's Bench

R

Recueil des decisions du Conseil d'Etat (Recueil Lebon) Regina Rettie (11) rule Revue International de Droit Compare Royal Institute of Poblic Administration Register of the Privy Council of Scotland (12) Revised Statutes of British Columbia Revised Statutes of Kanada (Dominion) Rules of the Supreme Court (England & Wales) Revised Statutes of New Brunswik Revised Statutes of Ontario Revised Statutes of Quebec Revised Statutes of Saskatchewan Regina Regulation

OEG Osgoode Hall L.J. Otago L. Rev.

p. P.C.A. P.C. P.L. P.Q.L.E. para(s). Ph.D.

PP·

R R

r. RI.D.C. RI.P.A. RP.S. RS.B.C. RS.C. RS.C. RS.N.B. RS.O. RS.Q. RS.S. Reg. Reg.

Abkürzungsverzeichnis Rev. Rly.

Rn. Rs. Rt.Hon.

S.

Revised Railway Randnummer(n) Rechtssache The Right Honourable

Supp. Supr. Ct.

Section Seite(n) Shaw(13) Statutes of British Columbia Statutes of Kanada (Dominion) (Court of) Session Cases (14) Scottish Civil Law Reports Scottish Education Department Statutoty Instruments Scottish Law Reporter Scottish Law Review Scots Law Tim es Statutes of Manitoba Statutes of New Brunswik Statutes of Nova Scotia Statutes of Ontario siehe oben Statutes of Saskatchewan Siehe unten Scotland Schedule Scottish Law Commission Scottish Legal Action Group (Bulletin) Secretaty September Session Sheriff Court Reports Sheriff Court Sammlung (der Entscheidungen des EuGH) Solicitors' Journal square mile Secretaty of State for the Horne Department sections Strafprozeßordnung Supplement Supreme Court

T.L.R

Times Law Reports

S.

s.

S.B.C. S.C.

s.c.

S.C.L.R S.E.D. S.l. S.L.R S.L.Rev. S.L.T. S.M. S.N.B. S.N.S.

s.o.

s.o.

s.s.

s.u. Sc. Sched. Scot. Law Comm. SCOLAG Secr. Sept. Sess. Sh. Ct. Rep. Sh.Ct. Slg. Sol.J. sq.m. SSHD ss. StPO

XVII

XVIII

Abkürzungsverzeichnis

U. Pennsylv. L.R.

University of Pennsylvania Law Review

u.a. u.ä. U.B.C.L.R. U.K U.S.(A.) U.S. U.Tor.L.J. u.U. Univ.Mich.J.L.Ref.

unter anderem und ähnlich(e) University of British Columbia Law Review United Kingdom United States (of America) United States Supreme Court Decisions University ofToronto Law Journal unter Umständen University of Michigan Journal of Law Reform

V.U.W.L.R.

Victoria U niversity of Wellington Law Review versus vergleiche Victoria Victoria volume - Band volumes - Bände Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz

V.

vgl. Vic. Vict. vol. vols. VwGO VwVfG

W.&S. W.L.R. Will. Will. &Mar. Wils.KB. z.B. zit. ZPO

Wilson and Shaw (15) Weekly Law Reports William William and Mary Wilson's King's Bench Reports zum Beispiel zitiert Zivilprozeßordnung

Erläuterungen zum Abkürzuogsverzelchnls: (1) Acts of the Parliaments of Scotland, 1124-1707, Ausgabe in 11 Bänden, Edinburgh und London 1864-1875. Die Zählung der Kapitel der schottischen Gesetze weicht von früheren Gesetzessammlungen ab. Zum Vergleich sind deshalb die Konkordanzen zu Beginn eines jeden Bandes der A.P.S. heranzuziehen. Eine -in der Praxis weniger gebräuchliche- Zitierweise alter schottischer Gesetze beruht auf der "Revised Edition of the Acts of the Parliaments of Scotland", die 1908 unter der Federführung des Statute Law Committee herausgegeben wurde; dort finden sich teilweise abweichende Jahreszahlen.

(2) Court of Session (24 Bde. 1838-1862) (3) Decisions of the Court of Session from 1733 to 1754 collected and digested into the form of a dictionary, ed. by William Maxwell MORISON, 2 vols., Edinburgh 1813. (4) Court of Session (8 Bde. 1898-1906) (5) 1 Bd. (1781-1822) (6) High Court of Justiciary (seit 1956)

Abkürzungsverzeichnis

XIX

(7) Decisions of the Court ofSession 1738-1752, Edinburgh 1n5 (8) Court of Session (11 Bde. 1862-1873) (9) Hause of Lords (Sc.) (1 Bd. 1839) (10) Court of Session. Morison 's Dictionary of decisions, with synopsis and indices. (22 Bde. 15401827) (11) Court of Session (25 Bde. 1873-1898) (12) Ed. by MASSON, David, (hier) Second Series, vol.l. 1625-1627, Edinburgh 1899 (13) Court of Session (16 Bde. 1821-1837) (14) Court of Session (seit 1907) (15) Appeal Cases, Hause of Lords (Sc.) (7 Bde. 1825-1835)

Einleitung "Gerichtsschutz gegen die Exekutive" hieß 1969 das Thema eines internationalen Kolloquiums in Heidelberg, das vom Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht veranstaltet wurde. Über dreißig Länderberichte aus allen Erdteilen wurden diskutiert, in weiterführenden rechtsvergleichenden Untersuchungen ausgewertet und zusammen mit den Auswertungen veröffentlicht 1. Nur Teilnehmern des Kolloquiums wird damals aufgefallen sein, daß sich die endgültige Druckfassung des Landesberichts "Großbritannien" in einem wesentlichen Punkt von dem Bericht unterschied, der auf dem Kolloquium selbst vorgelegt worden war: jener enthielt nämlich noch keinerlei Hinweise auf spezifische Unterschiede zwischen der Rechtslage im englisch-walisischen Landesteil Großbritanniens und der in Schottland. In der späteren Druckfassung wurde dies teilweise nachgeholt, wobei jedoch - aus Platzgründen - der Abschnitt über den gerichtlichen Rechtsschutz gegen Einzelakte der Exekutive auf das englische Recht beschränkt bleiben mußte2 . Der Grund für dieses außergewöhnliche Verfahren war, daß der aus Cambridge stammende britische Berichterstatter kurz nach dem Kolloquium einen Ruf auf eine Professur im schottischen Edinburgh angenommen hatte und die Überarbeitung des britischen Landesberichts nun (auch) aus schottischer Perspektive vornehmen wollte. In der deutschen öffentlich-rechtlichen Auslandsrechtsforschung hat Schottland bislang kaum besondere Beachtung gefunden. Aus dem Bereich des Verfassungsrechts liegen nur zwei Studien vor, die sich schwerpunktmässig mit der staatsrechtlichen Sonderstellung Schottlands im Vereinigten Königreich befassen3; die neuere von beiden befaßt sich vor allem mit der gescheiterten Devolution, dem Versuch der Regionalisierung Großbritanniens Ende der siebziger Jahre. Die verwaltungsrechtliche Forschung hat sich bislang fast ausschließlich mit englischem Recht oder gesamtbritischen Aspekten des Verwaltungsrechts beschäftigt. Seit den ersten substanziellen Forschungen GNEISTs im 19. JahrVeröffentlicht vom MAX-PLANCK-INSTITIJT FÜR AUSLÄNDISCHES ÖFFENTLICHES RECI-IT UND VÖLKERRECI-IT unter dem Titel "Gerichtsschutz gegen die Exekuti-

ve".

Vgl. BRADLEY, Judicial protection, p. 331, 348. MÜLLER, Sonderstellung Schottlands 1933 und MALANCZUK, Region und unitarische Struktur 1984. 2

3

2

Einleitung

hundert4 sind zahlreiche Arbeiten und Aufsätze hierzu erschienen. Aus neuerer Zeit liegen neben zwei umfangreicheren Gesamtdarstellungen5 verschiedene materiellrechtliche und prozeßrechtliche Detailstudien vor6 • Ziel dieser Arbeit ist es, das Bild, das in der Auslandsrechtskunde der Bundesrepublik7 vom gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Exekutive in Großbritannien besteht, um eine schottische Perspektive zu bereichern8 . Auf umfassende Rechtsvergleichung im Sinne eines Systemvergleichs mit anderen, vor allem kontinentaleuropäischen Systemen des Verwaltungsrechtsschutzes wie dem in der Bundesrepublik wird bewußt verzichtet9. Der Versuch, im "Scots Law", dem schottischen Recht, spezifische öffentlich-rechtliche Eigenheiten aufzuspüren, die sich vom englischen Recht unterscheiden, mag manchem, der die Entstehungsgeschichte des Vereinigten Königreichs kennt, zunächst aus zwei Gründen als von vornherein zum Scheitern verurteilt erscheinen: -Selbständige schottische Gesetzgebunggibt es seit der Vereinigung der Parlamente von England und Schottland im Jahre 1707 nicht mehr. Auch wenn in Westminster Gesetze erlassen werden, deren Zusatz "... (Scotland)" anzeigt, daß sie nur dort gelten, oder in anderen Gesetzen Übergangsbestimmungen den Inhalt der für England und Wales ausgearbeiteten Gesetze den schottischen Bedingungen anpassen, so fehlt doch seit fast drei Jahrhunderten eine originär schottische Gesetzgebung10. Durch den zunehmenden Umfang GNEIST, Aemter in England 1857, Englische Communalverfassung 1860 sowie VerwaltungJustiz Rechtsweg 1869. 5 RIED EL, Kontrolle der Verwaltung im englischen Rechtssystem 1976 und von LOEPER, Verwaltungsrechtspflege in England 1983. 6 Siehe etwa BULLINGER, Verwaltungsakt und Vertrag 1962, FRIEDMANN, Kontrolle der Verwaltung in England 1970, WIESNER, Administrative Tribunals 1974, EGGERT, Grenzen des rechtlichen Könnens 1974, BERNHARDT, Policy 1975, METSCHKE, Local Government Englands 1976, KÖNIG, Klagebefugnis im engl. Verwaltungsprozeß 1979, JANNASCH, Regionalplanung 1979, ADENAUER, Raumplanung 1981, GLÜCKSMANN, Grenzen der Betätigung 1984. Aus älterer Zeit HEYER, Britische Verwaltung 1932, RÖHREKE, Gerichtliche Verwaltungskontrolle in England, und ARIS, in: KÜLZ/ NAUMANN, S. 369-403. 7 Die Beschränkung auf das englische Verwaltungsrecht ist kein auf die deutsche Forschung beschränktes Phänomen: vgl. GROTIANELLI DE'SANTI 1985 P.L. 115-128, BALBONI, Amministrazione giustiziale, ders., in (1982) 29 JUS, Rivista di Science Giuridiche 82-112, DISTEL, (1982) 23 RI.D.C. 41-100, FLOGAhlS, Administrative law et droit administratif, sowie NEDJATl/ TRI CE, English and continental systems of administrative law. 8 Als kurze übersichtsartige Einführung in diesen Problembereich vgl. KINGSTON/IMRIE, Der Grundrechtsschutz in Schottland, in: GRABITZ, (Hsgr.), Grundrechte in Buropa und USA, Bd. 1, S. 811-884, die- im Hinblick auf die gerichtliche Kontrolle der Verwaltung- die Reformen von 1985 (dazu unten unter II. 2.) freilich nicht mehr haben einarbeiten können (S. 861874). Eine Einführung in die politischen und historischen Aspekte der besonderen Rolle Schottland innerhalb des Vereinigten Königreichs geben HARVIE, Scotland and nationalism, sowie KELLAS, Modern Scotland, und ders., The Scottish political system. 9 Vgl. dazu die Analysen im dritten Band der oben bei Fn. 1 erwähnten Materialien zum Kolloquium in Heidelberg. 10 Dazu MALANCZUK, Region und unitarische Struktur, S. 37 ff., 50; MURRAY, (1980) 96 L.Q.R 35-50

Einleitung

3

staatlicher Gesetzgebung als Mittel aktiver Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik seit dem 19. Jahrhundert hat das öffentliche Recht erst danach seinen eigentlichen und entscheidenden Bedeutungszuwachs erfahren. Dies gilt für Großbritannien wie auch anderswo. -Der Vertrag von 1707, der Schottland und England vereinigte, enthielt verschiedene Bestimmungen, die den Fortbestand schottischer Institutionen sicherten. Hierzu gehörte auch das schottische Recht (Art. XVIII), das freilich durch das neue gesamtbritische Parlament geändert werden konnte; "... With thisdifference betwixt the Laws concemingpublick Right, Policy, and Civil Govemment, and those which concem private Right; That the Laws which concem pubtick Right, Policyand Civil Govemment maybe made the same throughout thewhole United Kingdom; butthat no alteration be made in l..aws which concem private Right, except for the evident utility of the subjects within Scotland." 11

Diese deutlich schwächere Bestandsgarantie öffentlich-rechtlicher Rechtsmaterien in Schottland, gepaart mit fehlender originärer Gesetzgebung, deutet daraufhin, daß eigenständige Rechtsformen, die einer Untersuchung aus kontinentaler Perspektive würdig erscheinen, eher im schottischen Privatrecht als im öffentlichen Recht erhalten sind. Das schottische Privatrecht, das 1707 schon als mixed legal system 12 hoch entwickelt war und seinen Ursprung sowohl im römischen Recht, so wie es in den Niederlanden rezipiert worden ist, als auch im kanonischen Recht hat 13, existiert tatsächlich bis heute als selbständiges Rechtssystem fort. Dies hat seine Ursache u.a. darin, daß durch Art. XIX des Unionsvertrags der Fortbestand auch der obersten schottischen Gerichte garantiert wurde14 . "Gerichtsschutz gegen die Exekutive" weist nun gerade in diesem Bereich zentraler schottischer Gerichtsbarkeit mit seinem besonderen Prozeßrecht 11 " ••• Mit folgendem Unterschied zwischen dem Recht, das sich auf öffentliches Recht, Politik und die Regierung des Gemeinwesens bezieht, und dem Recht, das sich auf das private Recht bezieht; insofern, als das Recht, das sich auf das öffentliche Recht, Politik und die Regierung des Gemeinwesens bezieht, für das gesamte Vereinigte Königreich vereinheitlicht werden kann; aber daß keine Veränderung bei dem Recht erfolgen soll, das das private Recht anbelangt, es sei denn zu dem evidenten Nutzen der Untertanen in Schottland." (Act of Union with Scotland (England), 6 Anne c. 11 sowie The Union with England Act (Scotland), 1707 cap. 7, A.P.S. XI, 406) Zu den begrifflichen und verfassungsrechtlichen Problemen dieser Unionsgarantie vgl. MALANCZUK, Region und unitarische Struktur, S. 41 ff., 70 ff., sowie SMITH, Fundamental law, in: The Laws of Scotland - Stair Memorial Encyclopedia, vol. 5, paras. 338-360, insbes. paras. 345-351 mit Hinweisen auf die verfassungsrechtliche Diskussion in diesem Zusammenhang. 12 Zum Begriff vgl. RHEINSTEIN, Rechtsvergleichung, S. 81 sowie DAVID, Les grandes systemes, p. 26. 13 Dazu aus rechtshistorischer Sicht ROBINSON et al., European legal history, passim. Eine deutsche Darstellungdes schottischen Privatrechts (sowie der Grundzüge des Strafrechts) findet sich bei WEBER, Einführung in das schottische Recht. Eine gute Gegenüberstellung des englischen und schottischen Rechts enthält der Landesbericht von SIMMONDS, "United Kingdom" in der IECL, vol. I U-59-102. 14 Dazu MALANCZUK, Region und unitarische Struktur, S. 42,47 f. sowie im Detail unten im Teil 111 Abschnitte 1.-4.

Einleitung

4

spezifische schottische Ausprägungen auf, die vom Gerichtsschutz in England verschieden sind. Der prozessuale Ansatz dieser Arbeit ergibt sich primär aus diesem Umstand. Gerichtliche Kontrolle von Verwaltungshandeln (judicia/ review of administrative action) ist in Großbritannien einer der Rechtsbereiche, in denen vor allem seit den siebziger Jahren Reformansätze konkrete Gestalt angenommen haben. Die schottische Seite dieser Reformen aufzuzeigen ist Ausgangspunkt meiner Untersuchung. Das Bild wird freilich Anspruch auf Vollständigkeit aller Facetten noch nicht beanspruchen können; die schottischen Reformen von 1985 sind nämlich bislang nur die jüngsten Beispiele einer Reihe von Reformen, die ursprünglich in England ihren Ausgangspunkt hatten, in den siebzigerJahrendann in einigen Staaten des britischen Commonwealth' ausgearbeitet und umgesetzt wurden und 1976-1978 zu einer einschneidenden Änderunß der Prozeßpraxis in Verwaltungsstreitigkeiten in England selbst führten . Dieser Hintergrund ist für das Verständnis aktueller Entwicklungen in Schottland wesentlich. Die Analyse der Reformen selbst muß nach zwei Jahren praktischer Anwendung dieser neuen Regelungen auf Grundfragen beschränkt bleiben, da einepößere Zahl von Anwendungsfällen noch nicht untersucht werden konnte1 . So begrenzt sich die Darstellung öffentlich-rechtlicher Gesichtspunkte im schottischen Recht insoweit ausnehmen mag, so wenig darf auf der anderen Seite vergessen werden, daß die schottische Rechtsordnung als ganze von der englischen unterschieden ist. Im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften ist Rechtsharmonisierung ein ständiger Prozeß. Er hat Rechtsvergleichung und- elementarer noch- Verständnis nationaler Rechtsordnungen und rechtlicher Konzepte des nationalen Rechts zur Voraussetzung. In diesem Kontext hat sich das schottische Recht in mancher Hinsicht als Mittler zwischen kontinental-europäischen Rechtsvorstellungen und Common Law Strukturen erwiesen17. Zunehmend bildet sich- durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes der EG 18 - ein europäisches allgemeines Verwaltungsrecht heraus19. Die S.u. im Teil li unter 1. Prof. Alan PAGE, Dundee, arbeitet zur Zeit an einem Projekt, in dessen Verlauf die Rechtsprechung und Verfahrenspraxis injudicial review-Fällen am Court of Session rechtstatsächlich untersucht werden soll. Erste Veröffentlichungen hierzu werden bis Ende 1987 erwartet. Zu ersten Ergebnissen s.u. bei Fn. 249 in Teil li. 17 Zur Mittlerrolle im Bereich der Harmonisierung des Gesellschaftsrechts vgl. etwa SEMPLE. Der erste britische Richter am EuGH, Lord Mackenzie Stuart, derzeit Präsident des Gerichtshofs, ist Schotte und war vor seiner Ernennung Richter am Court of Session. 18 Vgl. etwa die Entscheidung des EuGH Slg. 1974, 1063-1094 in Rs 17n4 (Transocean Marine Paint Association ./. Kommission der EG) zum Grundsatz audiatut et altera pars. Siehe insbes. Generalanwalt Wamer aufS. 1083 ff. (1090) mit spezifischem Hinweis auf die Rechtslage in Schottland. 19 SCHWARZE (Hrsg.), Europäisches Verwaltungsrecht im Werden, sowie RENGELING, (1984) 19 EuR 331-360, und EVERLING, (1983) 98 DVBI649~8 sowie ders., (1987) 6 NVwZ 1-10 mit einem guten vergleichenden Überblick über die Verwaltungsrechtsregeln in den einzelnen Mitgliedstaaten. 15

16

Einleitung

5

Frage, inwieweit in diesem Zusammenhang das schottische Recht bei rechtsvergleichender Betrachtung besonderer, von England separater Betrachtung bedarf, vermag diese Arbeit eventuell zu beantworten helfen. Die Arbeit ist in vier Teile untergliedert: -In Teil I wird ein Überblick über die Grundlagen des schottischen Verwaltungsrechts in Verfassungs-, Gerichtsverfassungs- und Prozeßrecht gege-ben. -Teil II ist den Reformen auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts gewidmet, wobei zunächst die bisherige Entwicklung in England und einzelnen Commonwealth-Rechtsordnungen skizziert und dann die schottische Prozeßrechtsreform von 1985 dargestellt wird. -In Teil III wird versucht, die historischen Grundlagen gerichtlicher Kontrolle der Verwaltung in Schottland aufzuzeigen und dabei sowohl abweichende als auch parallele Entwicklungen im Vergleich mit dem englischen Recht nachzuweisen. In diesem Abschnitt wird darüberhinaus auch auf den heutigen Anwendungsbereich der einzelnen Formen gerichtlicher Entscheidung, der sogenannten remedies eingegangen. -Teil IV soll das bis dahin vorrangig prozessual gefärbte Bild der Verwaltungskontrolle in Schottland um die materiellrechtliche Komponente vervollständigen. Dabei wird vor allem auf den engen Zusammenhang mit der Rechtsentwicklung im englischen Verwaltungsrecht sowie auf neuere Entwicklungstendenzen dort eingegangen werden. Den Abschluß bilden eine kurze Bestandsaufnahme der praktischen Grenzen für eine eigenständige Weiterentwicklung des schottischen Verwaltungsrechts im Rahmen der Rechtsentwicklung im Vereinigten Königreich sowie eine thesenartige Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit.

I. Grundlagen 1. Rechtsschutz vor ordentlichen Gerichten

a. Der verfassungsrechtliche Hintergrund aa. Britische Justiz und Gewaltenbalance im 19. und 20. Jahrhundert Die Bedeutung und die Rolle der Gerichte bei der Kontrolle von Verwaltungshandeln der Exekutive lassen sich nur begrenzt immanent unter verwaltungsrechtlichen Gesichtspunkten darstellen und analysieren. Dies gilt vor allem in einem Land wie Großbritannien, in dem Verwaltungsrecht erst nach und nach seit den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts als selbständige, vom Verfassungsrecht unterschiedene Rechtsmaterie anerkannt worden ist1. Ursache für diese so verspätete Anerkennung des Verwaltungsrechts ist u.a. der bestimmende Einfluß, den Albert Venn DICEY, einer der führenden englischen Verfassungsrechtier des ausgehenden 19. Jahrhunderts, auf die Rechts- und Verfassungsentwicklung des Vereinigten Königreichs im 20. Jahrhundert ausgeübt hat2. Seine Vorstellungen vom Supremat des Parlaments, den parlamentarischen conventions3, und seine Überlegungen zum Supremat des Rechts, der mle of /aw, beherrschen teilweise immer noch stark das verfassungsrechtliche Bedenken4 . Einer der für die Entwicklung der gerichtlichen Kontrolle der Verwaltung entscheidenden Aspekte der mle of /aw5 in Dicey's Verständnis war der Grundsatz der Gleichheit vor dem Recht, der in einem Rechtssystem, das neben dem Gesetzesrecht (statute law) das gemeine Richterrecht als gewohnVgl. ROBSON, Justice and administrative law 1928 und PORT, Administrative law 1929 sowie DICEY (1915) 31 L.Q.R 148-153. Verwaltungsrecht hates-der Sache nach -natürlich schon lange gegeben. Zu den ersten modernen Verwaltungsgesetzen im 19. Jahrhundert vgl. etwa ARTHURS, Without the law, S. 132-166. Vgl. ebenso CHESfER, English administrative system. 2 DICEY, Introduction to the study ofthe law of the constitution, 1st ed. 1885. Vgl. dazu die Arbeiten von MEYN, Verfassungskonventionalregeln, sowie in (1976) J.ö.R (N.F.) 133-192. 4 DICEY's Verfassungsverständnis und die kritische Rezeption, die seine Schriften auch im Vereinigten Königreich erfahren haben, sind ausführlich dargestellt und kommentiert bei RIEDEL, Kontrolle der VerwaltungS. 225-252 und bei von LOEPER, Verwaltungsrechtspflege in England, S. 36-73. s Zur Bedeutung der 1Ule oflaw im heutigen britischen Verfassungsrecht ALLAN, (1985) 44 Cambridge L.J. 111-143.

1. Rechtsschutz vor ordentlichen Gerichten

7

heitsrechtliche Rechtsquelle (common /aw) kennt, nicht als "Gleichheit vor dem (geschriebenen) Gesetz" zu verstehen ist. Für Dicey bedeutete der Grundsatz die gleichmäßige Unterwerfung aller Klassen unter das allgemeine Recht, so wie es von den ordentlichen Gerichten (ordinary courts) angewandt wird. Dies schloß nach seiner Auffassung aus, daß Beamte oder andere Offizielle davon ausgenommen sein könnten, das Recht - wie andere Bürger auch -beachten zu müssen, oder -wie sie - der ordentlichen Gerichtsbarkeit unterworfen zu sein. Solche Privilegien sah Dicey im System des französische droit administratif sowie in den tribunaux administratifs, die für ihn lediglich mehr oder weniger offizielle Stellen außerhalb der Sphäre der Ziviljustiz darstellten. So sehr Dicey die schon 1885 ausgebildeten rechtsstaatliehen Elemente im französischen Verwaltungsrecht auch immer mißverstanden haben mag, so wenig läßt sich der verzögernde Einfluß übersehen, den seine Lehre auf die Ausbildung von Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit im Vereinigten Königreich6 und darüberhinaus auch in Irland und den Staaten des Commonwealth gehabt hat und hat. Blickt man unter dem Gesichtspunkt "gerichtliche Verwaltungskontrolle" auf die einhundert Jahre zurück, die seit der ersten Auflage von Dicey's Verfassungsrechtslehrbuch vergangen sind, so fällt auf, daß die Rolle der Gerichte- vor allem wegen des Supremats des Parlaments, dann aber auch wegen der zunehmenden Stärkung der Exekutive - über lange Zeit defensiv war7. Die Notwendigkeit, die Komplexität staatlicher Einflußnahme auf das tägliche Leben mit ihren neuen Formen der Umverteilung von Wohlstand organisatorisch zu bewältigen, führte zu einer immer stärker werdenden Delegation von Entscheidungskompetenzen vom Parlament auf Minister und nachgeordnete Verwaltungen. Die damit eingeräumten Möglichkeiten,po/icies zu entwickeln und Ermessensentscheidungen zu treffen, haben einerseits die Kontrollfunktion des Parlaments selbst geschwächt; andererseits haben es die primär am Common Law orientierten Richter nicht als ihre Aufgabe begriffen, selbst inhaltliche Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen auszuüben, die vom Parlament, Ministern, Behörden oder boards anvertraut worden waren. Die Zunahme gesetzesrechtlich begründeter Handlungsspielräume der Verwaltung verringerte den Anwendungsbereich des Common Law und damit den möglichen Kontrollumfang der ordentlichen Gerichte. Der Hinweis auf die parlamentarische Verantwortlichkeit eines Ministers8 war häufig Grund genug für die Gerichte, die Möglichkeit einer Überprüfung durch sie abzuleh-

6 Dazu im Detail die Kritik von RIEDEL, Kontrolle der Verwaltung, S. 246 ff. mit ausführlichen Nachweisen zur britischen Literatur in Fn. 77. Aus der neueren Literatur vgl. etwa HARLOW/RAWLINGS,pp. 15-19. 7 Lord DENNING sprach in O 'Reilly v. Mackman [1983) 2 AC. 237-286 auf p. 253 sehr bildhaftvon einem "Black-out" jeglicher Verwaltungsrechtsentwicklung "... mit zugezogenen Vorhängen". 8 Vgl. dazu die Studie von KLEMMf, Ministerverantwortlichkeit.

8

I. Grundlagen

nen9 . Wohl haben die Gerichte es im Rahmen der sog. ultra vires- und der naturaljustice-Kontrolle im Prinzip stets zu überprüfen vermocht, ob Behörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit und unter Beachtung wesentlicher Verfahrensgrundsätze gehandelt hatten 10. Parlamentsgesetze haben diesen Rahmen richterlicher Kontrolle jedoch verschiedentlich z.B. dadurch beschnitten, daß gerichtliche Kontrolle bestimmter Verwaltungsbereiche ausgeschlossen wurde11 . Hinzu kam die Ausbildung der administrative tribunals, nicht-justizieller Beschwerdeeinrichtungen, die z.B. die Aufgabe hatten, Streitigkeiten über arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Ansprüche für die Antragsteller unter Vermeidung der sonst vor Gericht entstehenden hohen Anwaltskosten formlos, schnell und sachkundig zu entscheiden12. Zunächst waren Rechtsmittel zu den ordentlichen Gerichten gegen Entscheidungen solcher Instanzen weitgehend ausgeschlossen. Der Zuwachs an mehr oder weniger unkontrollierbarer und unkontrolierter Entscheidungsmacht dieser administrative tribunals wurde - nach kritischen Ansätzen schon um 1930 herum 13 und nach der Renaissance der Doktrin vom e"or of law on the face of the record durch die ordentlichen Gerichte 195214 - erst in den fünfziger Jahren als drängendes rechtspolitisches Problem erkannt. Auf der Grundlage des Franks Report von 195715 wurden in den nachfolgenden Tribunals and Inquiries Acts von 1958, 1966 und 1971 allgemeine Verfahrensgrundsätze wie der der Öffentlichkeit der Verhandlung, der Fairness des Verhandlungsablaufs sowie der Begründungspflicht für Entscheidungen eingeführt und appeals, Für England vgl. Local Govemment Board v. Arlidge (1915] A.C. 120-151 H.L.(E.) sowie aus neuerer Zeit Bushell v. Secretary ofState forthe Environment (1981] A.C. 75-124 H.L.(E.). Für Schottland vgl. Pollock School Co. Ltd v. Glasgow Town Clerk 1946 S.C. 373-388 1st Div. (durch den Lord President (Normand) auf p. 386). 10 Die Reichweite der Kontrollmaximen wurde in neuererZeitzunehmend erweitert. Vgl dazu RIEDEL, Kontrolle der Verwaltung, Kap. 7, S. 88-106, bzw. Kap. 8, S. 106-120. Eine kurze Übersicht findet sich bei ARIS, in: KÜLV NAUMANN, S. 374-379. 11 V gl. dazu das Kapitel über proteelive and preclusive clauses bei WADE, Administrative Law, p. 598-609 m.w.N.. zum englischen Recht. Aus der schottischen Rechtsprechung vgl. zunächst Hepbum v. Wilson (1901) 4 F. (J .) 18-20 High Court of Justiciary (finality clause); Glasgow Insurance Committee v. Scottish Insurance Commissioners 1915 P.C. 504-520 1st Div., Hamilton v. Fyfe (1907) 44 S.L.R 113-117 High Court of Justiciary (Klausel nach der Rechtsverordnungen (delegated legislation) so zu behandeln sind, als wären sie Bestandteil des ermächtigenden Gesetzes - das selbst der gerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt). Vgl. allgemein den Überblick bei MILLE R, Outline, p. 94-97. Im Detail s.u. unter III. 6. b. 12 Vgl. dazu die Studie von WIESNER, Administrative Tribunals, sowie der Haupteil der Arbeit von von LOEPER, Verwaltungsrechtspflege in England, S. 158-505. In der englischen Literatur vgl. WRAITH/ HUTCHESSON, Administrative tribunals; WADE, Administrative law, p.776-828. 13 Donoughmore Report 1932, Cmd. 4060. Vgl. im übrigen, parallel zur Kritik von PORT 1929 in England, den Aufsatz von der ersten Anwältin ( advocate) in Schottland, Margaret KIDD, (1929) 45 S.L.Rev. 325-334. 14 R v. Northumberland Compensation Appeal Tribuna~ e:r pane Shaw, (1952]1 K.B. 338357C.A. 15 Franks Report 1957, Cmnd. 218.

1. Rechtsschutz vor ordentlichen Gerichten

9

also Rechtsmittel in bezug auf Rechtsfragen zu den ordentlichen Gerichten zugelassen16. Die administrativetribunalssind wegen ihrer gesetzesrechtlichen Grundlage ein weitgehend gesamtbritisches Phänomen. Unterschiede zwischen England und Schottland gibt es im wesentlichen nur im Hinblick auf das zuständige Appellationsgericht; in Schottland ist dies der Court of Session17. Die tribuna/s erfüllen in Großbritannien viele von den Aufgaben im Bereich der Verwaltungsrechtspflege, die vergleichsweise in der Bundesrepublik mit ihrer umfassenden Garantie gerichtlichen Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 GG den Arbeits-, Sozial-, Finanz- und Verwaltungsgerichten anvertraut sind. Eines haben die jeweils für spezifische Sachmaterien eingerichteten tribunals nicht hervorbringen können: ein System umfassenden Rechtsschutzes gegen die Verwaltung. Zu zufällig ist die Entwicklung der einzelnen Verwaltungsbereiche verlaufen, als daß sich hieraus ein kohärentes System von Verwaltungsgerichtsbarkeit hätte herausbilden können. Zudem sind noch heute in wichtigen Bereichen, wie etwa den nicht gesetzlich etablierten tribuna/s ( z.B. dem Criminal Injuries Compensation Board18) Möglichkeiten zum appeal ebenso ausgeschlossen wie bei den statutory tribunals, die im Anhang zum Tribunalsand Inquiries Act nicht aufgeführt sind und deshalb nicht wie andere tribunals der gerichtlichen Kontrolle im appea/ Verfahren unterliegen19. Im Bereich der materiellen Verwaltungskontrolle werden informelle Kontrollfunktionen seit den sechziger Jahren auch von den Ombudsmen20 ausgeübt. In der Praxis gibt es hier Überschneidungen mit den Bereichen, in denen Gerichte und Tribunals Verwaltungskontrolle ausüben. Einer der für die Om16 Dazu im Detail von LOEPER, Vetwaltungsrechtspflege in England, S. 347 ff. (Verfahrensgrundsätze) sowie S. 309 ff. (Rechtsmittelzüge). 17 S. 9 Tribunalsand Inquiries Act 1958 (6 & 7 Eliz. 2 c. 66). 18 Diese Kommission übt Funktionen aus, die in der Bundesrepublik nach dem OEG von den Versorgungsämtern bzw. Sozialgerichten wahrgenommen werden. 19 Foreign Compensation Commission, Gaming Board, Legal Aid Committes, Parole Boards und - vielleicht am problematischsten - der Bereich der Boards of Visitors of H.M. Prisons, die Disziplinarfälle von Gefängnisinsassen entscheiden; vgl. dazu ROBERTSHAW, (1983) 34 N.I.L.Q. 269-291. In Schottland findet sich die Rechtsgrundlage für diese Disziplinarausschüsse im Prison (Scotland) Ac! 1952 (15 & 16 Geo. 6 c. 61). Zu möglichen Reformen vgl. Recommandations 76-87 des Report of the Committee on the Prison Disciplinary System 1986, Cmnd. 9641 (Zusammenfassung in (1987) 13 C.L.B. 317-322). 20 Nach skandinavischem und neuseeländischem Vorbild (Parliamentary Commissioner (Ombudsman) Act 1962): auf zentraler Regierungsebene der Parliamentary Commissioner for Administration (P.C.A.)- 1967 (Parliamentary Commissioner Act 1967 (c. 13); auf regionaler Ebene die Commissions for Local Administration in England (mit drei Commissioners für jeweils bestimmte Teile Englands) und Wales (Local Government Act 1974 (c. 7)); in Schottland den Commissioner for Local Administration (Local Government (Scotland) Act 1975 (c. 30), Pt. II.) Siehe zum folgenden BRADLEY, (1980) 39 Cambridge L. J ., S. 304-322 auf p. 320 f. Unfassende Darstellung bei GREGORY/ HUTCHESSON. Aus dem deutschen Schrifttum vgl. EBERT, Der Ombudsman in Großbritannien. Im übrigen s.u. in Teil II bei Fn. 25-29 mit Hinweisen zu den Entwicklungen im Commonwealth.

10

I. Grundlagen

budsmen wichtigen Tätigkeitsbereiche ist z.B. das Feld fehlerhafter Auskünfte der Verwaltung und daraus resultierender Vermögensschäden- im deutschen Recht mittlerweile ein klassischer Amtshaftungsbereich21 • Auch diese eher den Petitionsverfahren ähnelnden Beschwerdemöglichkeiten gegen maladministration22 sind bewußt nicht justiziell ausgestaltet. All diese verstreuten und wenig systematischen Ansätze besonderer Verwaltungskontrolle sind einerseits Ergebnis eines generell wachsenden Bewußtseins von der Notwendigkeit der Kontrolle des Handeln der Exekutive; andererseits zeigen sie, daß die Justiz der Ausbildung exekutivischer Kontrollinstanzen (wie der administrative tribunals) oder letztlich auch wiederum delegierter parlamentarischer Verwaltungskontrolle (durch den Parliamentary Commissioner (Ombudsman)) in der Balance der Gewalten im britischen Staatswesen wenig eigenes Gewicht entgegensetzen konnte. Das Dicey'sche Bild von der Verfassung Englands (sie) als einer auf dem Fundament der von den ordentlichen Gerichten angewandten Common Law stehenden Verfassung verschwamm immer mehr, so es denn überhaupt je die Realität zutreffend widergespiegelt hatte. Die Gerichte in England haben erst spät, in den sechziger Jahren, eine aktivere Rolle bei der Kontrolle der Verwaltung eingenommen. Die in diesem Zusammenhang als Iandmarks (Meilensteine) bezeichneten Entscheidungen sind etwa Ridge v. Baldwin 23, Anisminic Ltd. v. Foreign Compensation Commission 24 und Secretary ofState for Education and Science v. Tameside Metropoliran Borough Counci/25 • Das englische Recht des gerichtlichen Rechtsschutzes gegen die Exekutive war lange Zeit gekennzeichnet gewesen durch prozessuale Schwierigkeiten, mit denen Kläger zu kämpfen hatten. Seit diese prozessualen Probleme 1977 21

17.

Vgl. etwa BGH NJW 1956, 1234-1235 mit P.C.A. Annual report for 1969 (H.C. 138) p.

22 Nach s. 5 (1)(a)(b) des Parliamentary Commissioner Act 1967 (c. 13) müssen Beschwerden an den Parliamentary Commisioner über ein Mitglied des Parlaments geleitet werden, das diese Beschwerde nach eigenem Ermessen weiterleiten kann oder nicht. 23 [ 1964] A.C. 40-142 H.L.(E.) -natural justice: Entlassung eines Chief Constable der Polizei nichtig, da Anhörung unterblieben. Schon der Nonhwnberland Case (oben bei Fn. 14 in diesem Teil) war ein erster Schritt in Richtung darauf, Rechtsfragen wieder von den ordentlichen Gerichten entscheiden zu lassen; vgl. WADE, Administrative Iaw, p. 280. 24 (1969] 2 A.C. 147-223 H.L.(E.), tribuna/-Entscheidung nichtig, wenn Rechtsfrage mißverstanden oder unzulässige Gesichtspunkte berücksichtigt wurden. Ausschluß der gerichtlichen Kontrolle umgangen, indem Irrtum als Irrtum über Zuständigkeit interpretiert, und damit der ultra vires-Kontrolle durch ordentliche Gerichte zugänglich gemacht wurde. Kritisch dazu WADE, Administrative law, p. 604. (Die Foreign Compensation Commission, eintribunalzur Regelungvon Fragen der Entschädigung für krieg.bedingte Verluste, hatte in diesem Fall einen Entschädigungsantrag in bezugauf einen bereits an einen Ausländer verkauften Vermögensgegenstand in der irrigen Annahme abgelehnt, daß die einschlägige Rechtsgrundlage voraussetzte, daß ein Rechtnachfolger zu einem bestimmten Stichtag britischer Staatsan- oder -zugehörigkeit gewesen sein müsse.) 25 (1977] A.C. 1014-1076 H .L.(E.), Schulpolitik des Councils von Secr. of State mißbilligtErmessensfehlgebrauch auf falscher oderunbeachtlicher Tatsachengrundlage.

1. Rechtsschutz vor ordentlichen Gerichten

11

teilweise beseitigt wurden, hat sich der Trend zur Konsolidierung des englischen Verwaltungsrechts fortgesetzt26. Es begegnet gerade aus diesem Grunde besonderen Schwierigkeiten, die gerichtliche Kontrolle der Verwaltung durch schottische Gerichte unter verfassungsrechtlichen Kategorien der Gewaltenteilung bzw. -balance zu betrachten. Einerseits hat die Erhaltung einer selbständigen Gerichtsstruktur und die damit verbundene Möglichkeit der Weiterentwicklung der Grundsätze des schottischen Common Law der Justiz Schottlands eine eigenständige Rolle bewahrt. Andererseits wirken sich Entwicklungen im Balanceverhältnis zwischen der englischen Justiz, dem Parlament und der Exekutive in London auch in Schottland aus. Sie beeinflussen auf diese Weise mittelbar die Rolle der schottischen Justiz, die es mit einer britischen Gesetzgebung zu tun hat, die in manchen Fällen dazu neigt, für England entwickelte Therapien auf Schottland zu übertragen (Ausschluß gerichtlicher Kontrolle durch tribunals, Ombudsmen), ohne daß in Schottland selbst- isoliert betrachtet- vergleichbare Mängel im System oder Symptome dieser Mängel festzustellen sind.

bb. "Englisches" Verfassungsrecht ffir Schottland

DICEY hat sein Verfassungsrechtslehrbuch als Lehrbuch des "englischen" Verfassungsrechts geschrieben. Schottland findet nur Erwähnung, wenn es darum geht, anband des U niversities (Scotland) Acts 1853 und des Church Patronage (Scotland)sActs 171127 zu zeigen, daß das Parlament unter englischem Verfassungsrecht keinerlei Beschränkungen aus der Union mit Schottland unterliegt. In seinen 1920 zusammen mit Robert S. RAIT veröffentlichten "Thoughts on the union between England & Scotland" betont er, daß das Parlament von 1707 die Eigenschaft der Souveränität von beiden Parlamenten übernommen hat und begründet vor allem, warum der Einigungsprozeß in der Folgezeit so erfolgreich war. Die Zeit vor der Revolution von 1688 wird durch einen deutlichen Unterschied zwischen der schon etablierten Souveränität des englischen Parlaments und der noch sehr schwachen, vom König abhängigen 26

Im Detail s.u. unter II. 1. c. dd. DICEY, Law of the constitution p. 65/66; im einzelnen handelt es sich um die Gesetze 16 & 17 Vict. c. 89 sowie 10 Anne c. 12 (c. 21 im Revised Statute Book). Das Gesetz von 1711 wurde erst im Jahre 1712 erlassen. Aufgrund einer Rechtsfiktion (dazu DICEY/ RAIT, Thoughts on the union between England and Scotland, p. 280 bei Fn. 1) galten alle während einer Sitzungsperiode des Parlaments erlassenen Gesetze als am ersten Sitzungstag ( üblicherweise im Spätherbst) erlassen. 28 A.a.O. p. 61. 27

12

I. Grundlagen

Stellung des schottischen Parlaments gekennzeichnet29. Auch diese schottische Ergänzung des englischen Verfassungsrechts geht auf die Rolle der schottischen Gerichte nur am Rande ein und sieht die Verfassungsrechtsentwicklung vor allem als eine Frage der Parlamentsmacht an. Für die Verfassungskämpfe im 17. J abchundert in England ist diese Perspektive ohne Zweifel die richtige. Das englische Verständnis von britischem Verfassungsrecht, das hieraufberuht, bedarfjedoch möglicherweise einer Ergänzung um eine schottische Komponente. Drei Beispiele sollen dies im folgenden andeuten, ohne daß freilich in diesem Rahmen der gesamte historische Hintergrund umfassend ausgeleuchtet werden könnte oder sollte. aaa. Krone und Justiz Zumindest zur Zeit der ersten Auflage von Dicey's Verfassungsrecht war eine der Verfassungsrechtsregeln, die er für England beschrieb, in Schottland noch keineswegs als Regel des Common Law anerkannt: die Regel "The Queen (King) can do no wrong"30• Bis zum Erlaß des Crown Proceedings Act 1947 konnte die Krone in England nicht wegen unerlaubter Handlungen (torts) vor Gericht verklagt werden. Auch für Ansprüche aus Vertragsverhältnissen gab es nur ein außerordentliches petition of right Verfahren. Die theoretische Begründung für diesen Grundsatz ist, daß der Souverän als Quelle des Rechts nicht selbst Unrecht tun könne. Im Scots Law weist eines der frühesten, berichteten Urteile des Court of Session, eine Entscheidung vom 16. Juli 1534, darauf hin, daß Rechtsstreitigkeiten gegen den König durchaus vor Gericht - wenngleich auch nur vor dem höchsten schottischen Gericht - möglich waren: "The Lordis of Session alanerlie, and na uther inferior judge within this realme, ar jugeis to the Kingis actiounis; for his Hieness, nor his Advocat, may not be callit befoir ony infeirour juge, bot befoir thame alanerlie... ." 31 .

29 DICEY/ RAIT, Thoughts on the union between England and Scotland, pp. 72-74. In der heutigen britischen Parlamentspraxis erinnert heute noch die Einbringung von "pro forma Bills", also Gesetzesinitiativen, die über die erste Lesung nie hinauskommen, unmittelbar nach der Thronrede der Königin bei der jährlichen Eröffnung der parlamentarischen Sitzungsperiode daran, daß das Parlament sein unumschränktes Selbstbefassungs- und Initiativrecht durch ständige Parlamentspraxis behauptet (Select Vestries Bill im House of Lords; Bill to prevent Clandestine Outlawries im House of Commons). Dasschottische Parlament vor 1689 besaß ein solches Recht nicht. 30 Dazu DICEY, Law of the constitution pp. 24-26. 31 A. against B. (July 16, 1534) Mor. 7321:"Die Lords of Session alleine, und kein anderer unterer Richter in diesem Königreich sind zuständig für königliche Streitsachen; denn Seine Hoheit kann, genausowenig wie sein Kronanwalt, nicht vor irgendeinen unteren Richter geladen werden, sondern nur vor sie." Seit 1857 ist gesetzlich geregelt, daß Klagen gegen die Krone in Schottland gegen den Lord Advocate zu richten sind (Crown Suits (Scotland) Act 1857 (20 & 21 Vict. c. 44)).

1. Rechtsschutz vor ordentlichen Gerichten

13

Dieses Urteil wurde noch 1893, also acht Jahre nach Erscheinen der ersten Auflage von Dicey's Verfassungsrecht, im Court ofSession als zutreffende Beschreibung des Scots Common Law angesehen: "If it be the law of England that the Sovereign cannot be convened through bis officers in anyCourt, it is probably just Observation that English sources of authority arenot safe guides to the decision of the point which we are considering. I do not !hink that it everwas doubted in Scotland that the Crown might be called as a defender in a proper action, eilher through the officers of State collectively, or through the King's Advocate, or other officer representing the Crown in the matter of the action; and the reported decision by Balfour[...] which negative the jurisdiction of the inferior Judges also asserts inferentially that His Highness, or his advocate as representing the King, may be convened in the Court of Session in actions and pleas at the instance of any private person·32•

Überhaupt schienen die Richter des Court ofSession früherer Jahrhunderte wenig Zweifel daran gehabt zu haben, daß der König im Grundsatz ihrer Gerichtsbarkeit unterliegt. In BALFOURS Practicks wird sogar auf eine Entscheidung verwiesen, in denen der Versuch des Königs, durch persönliche Order in das Prozeßgeschehen vor dem Gericht einzugreifen, zurückgewiesen wurde: "Gif the King give ony privie writing, quilk is direct contrare the administratioun of justice, or hinderis and postponis the samin, the Lordis of counsall may discharge or suspend the samin ..." "... because the administratioun of justice sould not be stoppit be the Kingis privie writingis. "33

Um die Jahrhundertwende wurde die oben erwähnte englische Rechtsregel der Immunität der Krone dann jedoch ins Scots Law übernommen34 • Endgültig entschieden wurde die Frage 1921; bezeichnend dabei das Argument, daß 32 Somovil/e v. LordAdvocate (1892-1893) 20 R 1050-ton 1st Div. durch Lord Mclaren auf p. 1075:"Wenn es auch so sein mag, daß in England der Souverän nicht- durch seine Beamten vertreten -vor Gericht geladen werden kann, so ist es wahrscheinlich nur eine [unnötige] Randbemerkung, daß englische Quellen keine verläßliche Orientierung für die Frage liefern, über die wir beraten. Ich denke nicht, daß man in Schottland je daran gezweifelt hat, daß die Krone in einer geeigneten Klage als Beklagte geladen werden könnte, entwedervertreten durch die Staatsbeamten gemeinsam, durch den Lord Advocate oder durch einen anderen Beamten, der in der Streitsache die Krone vertritt; außerdem bestätigt die bei Balfour berichtete Entscheidung[...], die die Zuständigkeit unterer Gerichte verneint, mittelbar, daß Seine Hoheit oder sein Anwalt, der den König vertritt, bei Klagen und Beschwerden auf Antrag von Privatpersonen jeder Art vor dem Court of Session verklagt werden können. • 33 BALFOUR, Practicks, p. 267 unter der Rubrik "Sessioun": "Wenn der König eine persönliche Anordnung trifft, die zu der ordentlichen Rechtsgewährung in Widerspruch steht, diese behindert oder verzögert, so können die Lords des Rates dieses mißachten oder aufheben ..., denn die ordentliche Rechtsgewährung soll nicht durch persönliche Order des Königs aufgehalten werden." 34 Smith v. LordAdvocate (1897) 25 R 112-123 2nd Div. durch Lord Kincaimey (Ordinary) auf p. 122; sowie Wi/son v. 1st Edinburgh Royal Garrison Artillery Volunteers (1904) 7 F. 168-174 1st Div.

14

I. Grundlagen

die Folge der Union von 1707 notwendigerweise doch gewesen sein müsse, daß die Position der Krone auf beiden Seiten der Grenze dieselbe war35 . Der Crown Proceeding Act 1947 setzte durch Intervention des Gesetzgebers die Maxime "The King can do no wrong" für weite Bereiche praktisch außer Kraft. Außerhalb des Anwendungsbereichs dieses Gesetzes gilt sie in England - und vermutlich nach der Entscheidung von 1921 auch in Schottland - als Common Law Regel weiter36• bbb. Krone und Parlament Wie bereits erwähnt, untersuchen DICEY und RAIT das Verhältnis der Krone in Schottland zum schottischen Parlament vor der Revolution von 1688 unter dem Gesichtspunkt der Souveränitätsfrage. Die Rolle der Gerichte wird kaum angesprochen. In seinem Verfassungsrechtslehrbuch wird das Verhältnis zwischen Krone und Parlament in Schottland nicht untersucht. Dicey analysiert die englische Bill of Rights von 168937 - im Vergleich mit Grundsatzkatalogen wie der französischen Erklärung der Menschenrechte von 1789 - aus englischer Sicht zutreffend als parlamentarische Zurückweisung königlicher Prärogativansprüche durch James II. Der Verfassungskampf in Schottland endete kurz nach der Verabschiedung der Bill of Rights in England mit dem "Claim of Right", der "Declaration of the Estates of the Kingdom of Scotland containing the Claim of Right and the offer of the Croune to the King and Queen of England"38• Schon aus den Titeln wird ein grundsätzlicher Unterschied zwischen beiden Dokumenten deutlich. Den Engländern ging es neben der Zurückweisung der Anmaßungen James' II. der Sache nach um succession also um Thron"folge", während die Schotten ihre Krone zur Übernahme anboten. Ein Textvergleich macht diesen Unterschied im "revolutionären Selbstverständnis" noch deutlicher. Während in der englischen Fassung als Grund für die Thronbesteigung durch William und Mary angegeben ist, daß "... the late King James the Secend did endeavour to subvert and extirpate ... the Lawes and Liberties of this Kingdom ... haveing Abdicated the Government and the Throne being thereby Vacant"39, 35 MacGregor v. Lord Advocate 1921 S.C. 847-&53 2nd Div. durch den Lord Justice Clerk (Scott Dickson) auf p. 851/852. Zu dieser- noch unterhalb der Ebene des House of Lords erfolgten - Rechtsvereinheitlichung durch schottisches Richterrecht vgl. PHILIP, (1928) 40 J.R 238249 und MURRAY, (1939) 55 S.LRev. 1-7,4045. 36 Der Streit um den britischen Truppenschießplatz in Berlin Gatowvor englischen Gerichten zeigt dies deutlich: Trawnikv. Lennox, [1985) 2 All E.R 368-375 C.A. durch Browne-Wilkinson LJ. aufp. 374/375. 37 An Act declareing the Rights and Liberties of the Subject and Setleing the succession of the Crowne, Bill of Rights (1 Will. & Mar. Sess. 2 c. 2). 38 Claim of Right- 1689 cap. 28, A.P.S. IX, 37. 39 •... daß der frühere König James II., der versuchte, die Rechte und Freiheiten dieses Königreichs zu untergraben und völlig zu zerstören, von der Herrschaft abgedankt hat und der Thron damit verwaist isl." Hervorhebung vom Verfasser.

1. Rechtsschutz vor ordentlichen Gerichten

15

heißt es in der schottischen Fassung: "1bat King James the Seventh Invaded the fundamentaU Constitution of the Kingdome and altered it from a legalllimited monarchy To ane arbitray despotic power ... and the violation of the lawes and liberties of the Kingdome inverting all the Ends of govemment whereby he hathforfau/ted the right to the Croune and the throne so become vacant" 40•

DieserUnterschied zwischen fiktiver Abdankung, die für die Engländer den Schein der Kontinuität bewahrte, einerseits und dem vom schottischen Parlament festgestellten Rechtsverlust andererseits wird durch Hinweise in der englischen Fassung unterstrichen, die das sowieso gegebene Thronfolgerecht Williams und Mary's betonen41 . Diese verfassungsgeschichtlichen Besonderheiten des schottischen Rechts, die schon eher ein aufgeklärtes Verständnis von monarchischer Herrschaft andeuten42, mögen nach der Vereinigung mit England vieles von ihrer politisch praktischen Bedeutung verloren haben43. Gleichwohl sind Rechtsfragen wie etwa die oben erwähnte Immunität der Krone oder - aktuell- die Haltung der Gerichte gegenüber Prärogativrechten44 immer noch potentiell durch sie beeinflußt4~

40 " ... daß König James VII. die dem Königreich zugrundeliegende Verfassung verletzt hat, und sie verändert hat von einer rechtlich beschränkten Monarchie zu einer willkürlichen und despotischen Herrschaft,... daß die Verletzung der Rechte und Freiheiten in dem Königreich alle Zwecke der Herrschaft verdreht, wodurch er das Recht auf die Herrschaft verwirla hat und der Thron veJWaist ist." Hervorhebungvom Verfasser. 41 " ... declare That ... Their said Majestyes did become were are and of right ought tobe by the lawes of this Realme our Soveraigne liege Lord and Lady, King and Queen of England France.. .". "... to Raigne over us upon the Throne of their Auncestors" • "...erklären, daß die besagten Majestäten das wurden, was sie waren, sind und nach dem Recht dieses Königreichs auch von Rechts wegen sein sollen: souveräne(r) Lehnsherr und-herrinüber uns, König und Königin von England, Frankreich..."." ... über uns auf dem Throne ihrer Vorfahren zu herrschen." 42 Zum Aspekt einer contractual monarchy vgl. die Darstellung der Revolution in Schottland 1689 von FERGUSON, Scotland: 1689 to the present, pp. 4-5. 43 Insofern ist das generelle Ergebnis, zu dem DICEY und RAIT gelangen, zutreffend. 44 S. u. in Teil IV. 3. b. bb. 45 Vgl. dazu die schottische Anmerkung zum GCHQ Fall: The scope of j udicial review. prerogatives and privileges in Scots law, (1985) S.L.T.(News) 101-103. Eine dezidiert kritische Position gegenübereiner zu unreflektierten Anwendungder Doktrin des Suprematsdes Parlaments vertritt· aus schottischer Sicht- MITCHELL, (1963) 79 L.Q.R. 196-223, speziell zur Frage "was parliament bom unfree?" pp. 202-207. In der Frage, inwieweit die Krone selbst an die Einhaltung der Gesetze gebunden ist, hat freilich jüngst Lord Cullen im Court of Session in einem judicial review Fall - !rotz zahlreicher Anzeichen, die dafür sprachen, daß die Bindung der Krone in Schottland weiter reicht als in England - im Sinne einer einheitlichen gesamtbritischen Auslegung der Gesetze entschieden: Lord Advocate v. Strathclyde Regional Counci/1987 S.C.L.R 171185 (Straßenrechtliche Ordnungsmaßnahme gegen Straßenbauuntemehmen, das im Auftrag des Verteidigungsministeriums Zäune um eine V-Boot-Basis errichtete; s. 87 Roads (Scotland) Act 1984 (c. 54) bindet nicht die Krone) mit kritischer Anmerkungvon BRADLEY p. 185-186.

16

I. Grundlagen

ccc. Garantie der Freiheit der Person Für Dicey hatte die ru/e of law eine weitere Bedeutung neben der oben angesprochenen: daß nämlich die Verfassung nicht Quelle, sondern Folge der Individualrechte ist, so wie sie von den Gerichten definiert und durchgesetzt werden. Für Dicey lag hierin die Grundlage individueller Freiheiten. Die Erläuterung des Habeas Corpus Verfahrens, mit dem in England Freiheit der Person vor willkürlicher Verhaftung und Gefangenschaft garantiert wird, nimmt einen breiten Raum ein46. Er führt aus, daß in England das Recht auf persönliche Freiheit Teil der Verfassung ist, da es durch die Entscheidungen der Gerichte gesichert wird, erweitert oder bestätigt durch die Habeas Corpus Acts47. Die Gesetze erklärten keine Prinzipien für verbindlich und begründen (define) keine Rechte, für praktische Zwecke jedoch seien sie soviel wert wie hunderte Verfassungsartikel, die persönliche Freiheit garantieren48 . Dicey beschreibt zutreffend die Rolle der Richterschaft in Hinblick auf die Anwendung des Habeas Corpus Verfahrens- gerade, wenn man den Verfassungskonflikt 1640 zwischen Charles I. und der Common Law Richterschaft betrachtet, innerhalb dessen zusammen mit der Abschaffung der Sternkammer und anderer Sondergerichte auch Grundzüge des Habeas Corpus Verfahrens durchgesetzt werden konnten49 . Teil des Scots Law ist Habeas Corpus - abgesehen von einzelnen gesetzlich begründeten Verweisungen auf das englische Recht - nie gewesen50 . Das schottische Straf- und Strafprozeßrecht hat bis heute in noch stärkerer Weise als das Zivilrecht seine Eigenständigkeil bewahrt, u.a. weil gegen Urteile des High Court of Justiciary, dem höchsten schottischen Strafgericht, Rechtsmittel zum Hause of Lords nicht zulässig sind51 . In Schottland wird der Schutz vor willkürlicher Verhaftung und überlanger Verzögerung von Strafverfahren auf andere Weise bewirkt. 46 DICEY, Law of the constitution, pp. 28, 197-202, 213-237. Zu Habeas Corpus vgl. RIEDEL (1980) 7 EuGRZ 192-200. 47 DICEY, Law of the constitution, p. 197. Gemeint sind die Habeas Corpus Acts von 1679 (31 Chas. 2 c. 2), 1816 (56 Geo. 3 c. 100) und 1862 (25 & 26 Vict. c. 20). 48 DICEY, Law of the constitution, p. 199. 49 Star Chamber Abolition Act 1640 (eigentlich 1641 s.o. bei Fn. 27 in diesem Tei1)(16 Chas. 1 c. 2) s. 8. RIEDEL, Kontrolle der Verwaltung, S. 188-195 und RIEDE L (1980) 7 EuGRZ 192200 aufS. 193. 50 Vgl. McNEILL, 1960 S.L.T. (News) 46-47. 51 Zuletzt entschieden vom House of Lords in Mackintosh v. Lord Advocate (1876) 3 R (H.L.) 34-41 H .L.(Sc.) (Begründung: Keine Präzedenzfälle seit der Union, deshalb wäre Wiedererweckung eines angeblich seit 200 Jahren schlafenden Appellationsrechts merkwürdig). Dann geregelt in Criminal Procedure (Scotland) Act 1887 (50 & 51 Vict. c. 35) s. 72 und Criminal Appeal (Scotland) Act 1926 (16 & 17 Geo. 5 c. 15) s. 17(v). - Zum Straf- und Strafprozeßrecht in Schottland vergleiche den Überblick bei WEBER, Einführung in das schottische Recht, S. 132-252 zum materiellen Recht sowie die gerichtsverfassungsrechtliche Arbeitvon UNGERN-STERNBERG, Die schottische Strafgerichtsverfassung.

1. Rechtsschutz vor ordentlichen Gerichten

17

Zum einen hat der High Court of J usticiary als höchstes Strafgericht die Möglichkeit, die Freilassung einer Person ohne spezifische Rechtsgrundlage in Ausübung seinesnobi/e officium anzuordnen. Diese heute nur spärlich genutzte außerordentliche Befugnis, "to redress all wrong for which a particular remedy is not otherwise provided"52, eine Form von exceptioneUer Justizintervention in Notfällen, besteht in England nicht. 1974 wurde von ihr in einem Fall Gebrauch gemacht, in dem sich ein Antragsteller gegen die ihm drohende Auslieferung an die Bundesrepublik gemäß dem Extradition Act 187053 wandte. Das Gericht akzeptierte, daß ein in Schottland von Auslieferung Bedrohter nicht schlechter stehen sollte als eine vergleichbare Person in England, die das Habeas Corpus Verfahren nutzen konnte, und gewährte den außerordentlichen Rechtsbehelf4. Für den strafprozeßrechtlichen Bereich bedeutender ist jedoch der "Act for preventing Wrongous Imprisonment and against undue delayes in Tryals" von 170155. Begrenzt vergleichbar mit Habeas Corpus ist die Möglichkeit einer Haftprüfung nach 60 Tagen Untersuchungshaft ohne formelle Anklage. Viel weitergehend istjedoch die Regelung, die vorschrieb, daß ein Untersuchungsgefangener ein freier Mann sein sollte, wenn sein Prozeß nicht innerhalb einer bestimmten Frist abgeschlossen wurde. Die "Erosion" einmal gesetzlich garantierter Freiheitsrechte hat auch vor diesem "Grundrecht" nicht Halt gemacht: seit 1980 genügt es, daß der Prozeß innerhalb der Frist, die mittlerweile 110 Tage beträgt, begonnen wird56. Unabhängig davon ist- auch im Unterschied zu England - bemerkenswert, daß der staatliche Strafanspruch hier gegenüber dem Recht auf persönliche Freiheit57 zurücktritt, wenn es der Strafverfolgungsbehörde nicht binnen 110 Tagen nach der Tat gelingt, ein zur Verurteilung führendes gerichtliches Verfahren abzuschließen, bzw. jetzt nach neuer

52 Vgl. dazu SfODDART, 1974 S.L.T. (News) 37-38 • ... solchen Ungerechtigkeiten abzuhelfen, gegen die ein spezifischer Rechtsbehelf sonst nicht vorgesehen ist. • 53 33 & 34 Vict. c. 52. 54 Wan Ping Nam v. Minister of Justice of German Federal Republic 1972 J.C. 43-49 High Court of Justiciary; dazu WALKER, (1973) 18 J.R(N.S.) 79-80. 55 1700 cap. 6 (in der Zählung der Revised Edition der Acts of the Parliaments of Scotland) - A.P.S. X, 272. Durch den Statute l..aw Revision (Scotland) Act1964 (c. 80) erhielt dieses Gesetz den Titel "The Criminal Procedure Act 1701". 56 S. 101 (2)(b) Criminal Procedure (Scotland) Act 1975 (c. 21)(einer umfassenden Strafprozeßrechtskodifikation) i.d.F. von s. 14 Criminal Justice (Scotland) Act 1980 (c. 62). Verlängerung der Frist ist möglich bei Verzögerunglifällen, die außerhalb des Verantwortunglibereichs der Strafverfolgunglibehörden liegen. Vgl. jedoch H.M. Advocate v. McTavish 1974 S.L.T. 246247 (enge Auslegung dieser- damals ins. 43 Criminal Procedure (Scotland) Act 1887 (50 & 51 Vict. c. 35) -enthaltenen Ausnahme, die der Sache nach schon im Act von 1701 enthalten ist). 51 In den Worten des Acts von 1701 "Our Soveraign Lord considering it is in the interest of all his good Subjects That the Liberty of their persons be duely secured." - "Unser souveräner Herr hält dafür, daß es im Interesse aller seiner guten Untertanen ist, daß die Freiheit ihrer Person ordentlich geschützt wird." Wenig überzeugt von der Wirksamkeit dieses gesetzlichen Schutzes freilich FERGUSON, W., Scotland: 1689 to the present, p. 164.

18

I. Grundlagen

Rechtslage zumindest beginnen zu lassen - für deutsche Strafrechtler sicher eine überraschende Konsequenz-'>8. ddd. Grundlagen und Relikte" schottischen" Verfassungsverständnisses Die historischen Ursachen für die im Ergebnis teilweise ähnlichen, in der rechtlichen Begründung aber doch andersartigen Entwicklungen im schottischen Verfassungsrecht vor der Union können im folgenden nur kurz angedeutet werden. Schottland hat- im Vergleich mit England-erst relativ spät seine nationale Eigenständigkeil gefestigt. Während sich in England schon seit dem 12. Jahrhundert ein Gerichtswesen entwickelte, in dem zentrale Gerichte mit professionellen Juristen durch eine an Präjudizien und Präzendenzfällen orientierte Rechtsanwendung ein differenziertes Rechtssystem ausbilden konnten, setzte dieser Prozeß in Schottland erst später, mit der Gründung des Court of Session 1532 ein; zu einer Zeit also, in der dank der Politik J arnes' V. die europäischen Einflüsse der Renaissance und des Humanismus auch in Schottland ihre Wirkung hatten entfalten können. Insbesondere mit Frankreich -Schottlands Verbündetern gegen England -,später auch mit Holland, bestand ein reger geistiger Austausch; um diese Zeit wurden in England unter Heinrich VIII. europäische Bindungen bewußt gelöst59. Da in Schottland nur begrenzt auf eigene Rechtsquellen zurückge8!.iffen werden konnte, setzte im 17. Jahrhundert bis hin zu Viscount STAIR60 durch den Court of Session und seine teilweise aus dem Klerus stammenden Mitglieder ein Prozeß der Rezeption zunächst des kanonischen Rechts ein; durch Juristen, die in Frankreich und Holland studiert hatten, wurden römisches Recht und schließlich Ende des 17. Jahrhunderts auch naturrechtliche Vorstellungen übernommen 61 . Dieser europäische Einfluß wirkte sich auf das schottische Rechtsdenken in einer Zeit aus, in der die wesentlichen Schritte zur Ausdifferenzierung- vor allem durch den Court of Session - gerade getan wurden. Für das englische Recht kam dieser Einfluß zu spät, so daß dort die Entwicklung in schon früher angelegten Bahnen weiterlief- etwa, was die Gerichtszuständigkeiten und die Klageformen, die writs anbelangt. Die Verfassungskonflikte des 17. Jahrhunderts verliefen in Schottland trotz unterschiedlicher Detailkonflikte, die religiös 58 Vgl. §§ 121 f. StPO, Art. 5 III 2 EMRK sowie (immerhin) BVerfGE 36, 264-281 aufS. 272 (Überlastung eines Landgerichts in Schwurgerichtssachen kein "wichtiger Grund" i.S. des § 121 Abs. 1 StPO für Fortdauer der Untersuchungshaft). 59 Berühmt ein Gesetz James' IV. aus dem Jahre 1496, in dem von allen Baronen und Freiherren verlangt wurde, daß sie ihre Söhne Latein lernen und das Recht studieren lassen sollten("That all barronis and freehalderis of substance put thair eldest sonis and airis to the sculis..."; 1496 cap. 3- A.P.S. li, 238). 60 STAIR, Institutions, in der ersten Auflage 1681. 61 Vgl. etwa ROBINSON et al., European legal history, zu Humanismus und Reformation (IX, 280-310), und zur Entwicklung in Schottland während dieser Zeit (Xlll, 353-376; XlV, 377405).

1. Rechtsschutz vor ordentlichen Gerichten

19

bedingt waren, im Ergebnis parallel. Im zugrundeliegenden Verfassungs- und Rechtsverständnis sind Unterschiede gleichwohl bedeutsam geblieben. Es wird weiter unten zu zeigen sein, welche Rolle der Court of Session vor und nach der Vereinigung in diesem Zusammenhang gespielt hat62.

b. Die Beteiligten an Verwaltungsstreitsachen in Schottland aa. Überblick - Gerichte Soweit nicht für einzelne Verwaltungsbereiche spezifische Rechtsbehelfe etwa vor administrative tribuna/s in den jeweiligen Gesetzen vorgesehen sind, wird der Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Exekutive in Schottland durch die ordentlichen Gerichte gewährt. Insoweit hat die verfassungsrechtlich begründete Betonung der gleichmäßigen Anwendung des Rechts, die Dicey für das englische Recht feststellte, in Schottland eine Entsprechung. Die Parteien einer Verwaltungsstreitsache stehen sich im Prinzip vor Gericht so gegenüber wie alle anderen Prozeßparteien, die um rein zivilrechtliche Fragen streiten. Unmittelbarer Rechtsschutz gegen Exekutivakte kann im Rahmen solcher civil Iitigation vor den ordentlichen Zivilgerichten ersteht werden. Dies sind die Sheriff Courts mit den Sheriff Principals als Berufungsinstanz, der Court of Session und das Hause of Lords.

Außer Betracht bleiben soll im folgenden die straf-und ordnungsrechtliche Seite der Anwendung öffentlich-rechtlicher Normen. Der Grundsatz der Gleichheit vor dem Recht bedeutet für die Briten auch, daß ein Repräsentant der Krone so wie jeder andere OffiZielle gegebenenfalls strafrechtlich verantwortlieh ist, wenn er in Überschreitung seiner Kompetenzen und Vollmachten unerlaubte Handlungen begeht. Dieser mittelbare Rechtsschutz des Bürgers durch Strafverfolgung ihn in seinen Rechten verletzender Offizieller ist Sache der Strafgerichte. In Schottland sind dies die Distriel Courts, die Sheriff Courts und der High Court of Justiciary63. In den Distriel Courts, die erst seit 1975 bestehen, nehmen einzelne Laienrichter (lay magistrates), die 62 S.u. unter 111. 2.-4. Als erste Gesamtdarstellung des Verfassungsrechts des Vereinigten Königreichs aus schottischer Sicht seit MITCHELL's Constitutional Law (2nd ed. 1968) vgl. jetzt den Abschnitt "Constitutional Law" in: The Laws of Scotland - Stair Memorial Encyclopedia (Ed. Sir Thomas B. SMITH) vol. 5 paras 301.g()(); insbes. Lord FRASER of Tullybelton, Introduction, paras. 301-337 sowie The judicial)', paras. 622-678, SMITH, Fundamentallaw, paras. 338-360, sowie Pretensions of English law as "imperiallaw•, paras. 711-719. 63 Vgl. Überblick bei MARSHALL, General principles, p. 35-37.

20

I. Grundlagen

von einem juristischen Beisitzer (c/erk ofthe court) unterstützt werden64, strafrichterliche Funktionen war. In der Regel ist die Strafgewalt dieser Gerichte auf Freiheitsstrafen bis zu 60 Tagen und Geldstrafen bis zu f. 200 begrenzt. Das Schwergewicht der Strafjustiz liegt bei den Sheriff Courts, in denen die Sheriffs, bzw. die SheriffPrincipals, alleine (in summarischen Verfahren) oder mit einer Jury zu Gericht sitzen65• Der High Court of Justiciary ist seit 1887 personell nicht mehr vom Court of Session unterschieden. Der Lord President des Court of Session handelt in seiner strafrichterliehen Funktion als "Lord Justice-General", die übrigen Richter des Court of Session werden zu "Lords Commissioners of J usticiary". Der High Court ist im wesentlichen als Gericht erster und einziger Instanz in solchen schwereren Fällen tätig, in denen die Strafgewalt unterer Gerichte nicht ausreicht. Verhandlungen dieser Art fmden in vier Gerichtsbezirken (circuits) statt. AJs Appellationsgericht tagt der High Court nur in Edinburgh. Das schottische Recht kennt keine spezifische Kategorie von Ordnungswidrigkeiten. Verwaltungsunrecht in diesem Sinne wird vor den ordentlichen Strafgerichten verfolgt. Verwaltungsrechtliche Fragestellungen können in solchen Verfahren gelegentlich incidenter zu behandeln sein.

aaa. Sheriff Courts Das Amt des Sheriffs gehört in Schottland zu den öffentlichen Ämtern mit der längsten Tradition66 . Es stammt noch aus der frühen Zeit der Angelsachsen, in der der Sheriff, der gerefa 67, d.h. der lokale Vertreter des Königs in einem schyre68 , also einem abgegrenzten Gebietsteil seines Königreichs, war. Das Amt des scir-gerefa, später schiref und sheriff, wurde von David, dem Sohn Maleolms III., etwa um 1120 in Schottland eingeführt. David hatte diese Institution am Hofe seines Schwagers, Henry's I. von England, kennengelernt69 . Die Hauptaufgaben der Sheriffs lagen zunächst auf dem Gebiet der Militärorganisation und der Steuereintreibung. Daneben übernahmen die Sheriffs jedoch auch frühzeitig richterliche und regionale Ordnungsfunktionen. Die 64

(c. 20)). 65

In Glasgow gibt es drei Stipendiary Magistrates (s. 5 Distriel Courts (Scotland) Act 1975

Zu den Einzelheiten siehe ss. 288 ff. Criminal Procedure (Scotland) Act 1975 (c. 21). Zu Geschichte des Amts des Sheriffs in Schottland siehe das Stichwort "Sheriff" in GREEN'S Encyclopedia, vol. 13, 517·537, FERGUSON, (1910-1911) 22 J.R 105-120 sowie die Arbeit von MALCOLM. Zum Amt des Sheriffs in England vgl. GNEISf, Aemter in England, 25-31. Den Sheriffs in Schottland sind in England-funktionell betrachtet- diejusticesofthe Peace (Friedensrichter) - vgl. dazu RIEDEL, Kontrolle der Verwaltung, S. 206-225 - vergleichbar gewesen, deren Funktionen seit 1971 z.T . von den rund 350 circuit judges wahrgenommen werden (vgl. Courts Act 1971 (c. 23) ss. 16-19). 67 Im Deutschen hat sich daraus "Graf" entwickelt. 68 Vgl. "scheren" verstanden als "schneiden". 69 MALCOLM p. 3-4. 66

1. Rechtsschutz vor ordentlichen Gerichten

21

richterlichen Funktionen übernahmen sie teilweise von den keltischen brehons und toschachs, lokalen Richtern70. Frühe Formen der Appellationsgerichtsbarkeit, insbes. das falsing of domeswurden von Sheriffs ausgeübt. Im Bereich der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung hatten die Sheriffs sowohl strafverfolgende als auch strafrichterliche Funktionen, so daß sie insofern inquisitorische Gerichtsbarkeit ausübten71 . Im 14. Jahrhundert erhielten sie sogenannte deputes zur Seite 72. Gleichwohl blieb der Standard der Rechtsprechung der teilweise des Schreibens nicht mächtigen Sheriffs gering; die Lords of Session, aus denen sich später der Court of Session entwickelte, übernahmen im 15. Jahrhundert die Kontrolle über die Gerichtsbarkeit der Sheriffs73. Im 16. Jahrhundert verloren die Sheriff Courts einen Teil ihrer Zuständigkeit an den 1532 eingerichteten Court of Session74. Das Amt des Sheriffs war bis 1715 - nach den ersten Aufständen in den Highlands, die die Stuarts unterstützten - in einer Reihe von Fällen erblich gewesen. Im Heritable Jurisdiction (Scotland) Act 174675 wurde die tatsächliche Entscheidungsgewalt in Gerichtssachen auf den Sheriff-Depute übertragen, der Mitglied der Anwaltschaft (advocate) sein mußte. Der Titel des Sheriffs wurde zum bloßen Ehrentitet16 . Seit dieser Zeit wird der Sheriff-Depute selbst Sheriff genannt. Er konnte Sheriff-Substitutes als Vertreter benennen, für die seit 1825 ebenfalls eine gewisse juristische Vorbildung verlangt wurde. Aus den Sheriff-Substitutes sind heute im Sprachgebrauch "normale" Sheriffs geworden, während der Sheriff als Sheriff-Depute heute Sheriff-Principal heißt77. Insbesondere im 19. Jahrhundert wurden die Sheriffs mit einer großen Zahl administrativer Aufgaben neu betraut, bzw. ihr polizeilicher Aufgabenbereich erweitert78 . Ein 1927 einer Royal Commission vorgelegter Bericht79 des Scottish Office enthielt einen umfangreichen Katalog von administrativen Kompetenzen, die die Sheriffs neben ihren richterlichen Funktionen wahrnahmen. 70 Vgl. MALCOLM p. 5-10. Im heutigen Gälisch heißt breithe01nh Richter und taoiseach Führer, letzteres in der Republik Irland die offizielle Bezeichnung für den Premierminister. 71 FERGUSON, (1910-1911) 22 J.R 105-120 auf p. 112. n FERGUSON,(1910-1911)22J.R 105-120aufp.lll. 73 MALCOLM p. 57 ff., 59. 74 MALCOLM p. 60 ff. 75 20 Geo. 2 c. 43. 76 FERGUSON, (1910-1911) 22 J.R 105-120 auf p. 115. 77 So auch der offizielle Sprachgebrauch seit dem Sheriff Courts (Scotland) Act 1971 ( c. 58),

s.4.

78 Vgl. Police (Scotland) Act 1857 (20 & 21 Vict. c. 72) s. 6 (Weisungsbefugnis an Chief Constable). 79 Royal Commission on the Court of Session and the office of Sheriff Principal, Cmd.2801 (1927): "Scottish Officememorandum on the function of the sheriff in Scotland with particular reference to hisadministrative duties" vol. II p. 328. Zur Doppelrolle der Sheriifs vgl. auch das Urteil des Lord Justice-Cierk (Cooper) in Glasgow Corporation v. Glasgow Churches' Council 1944 S.C. 97-129 2nd Div. (Bestätigung einer städtischen Parkanlagensatzung als Verwaltungsaufgabe).

I. Grundlagen

22

Die Arbeitsbelastung aus diesen Bereichen soll sechsmal größer gewesen sein als die aus der gerichtlichen Tätigkeit80. Auch wenn heute die Sheriffs nicht mehr alle diese Funktionen wahrnehmen, werden ihnen auch jetzt noch immer wieder Aufgaben durch Parlamentsgesetze übertragen, die eindeutig als richterlich oder administrativ zu charakterisieren schwierig ist81 . Viele dieser Funktionen ähneln denen, die auf anderen Gebieten von administrative tribunals wahrgenommen werden82• In einigen Fällen ist der materielle Prüfungsumfang der Sherrifs durch die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften spezifisch auf eine Art Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkt83• In anderen Bereichen obliegt ihnen jedoch auch die Prüfung der Zweckmäßigkeit oder Angemessenheit der Maßnahme, gegen die bei ihnen vorgegangen wird. So hat der Sheriff im Schulbereich ein weites Ermessen, ob er Entscheidungen des 'tfl.pea/ committee gegenüber Beschwerden von Eltern aufhebt oder nicht . Solche Funktionen sind mehr mit denen der Widerspruchsbehörden in der Bundesrepublik vergleichbar, als mit denen der Verwaltungsgerichte. Die Rechtsbehelfe, die vor den Sheriff kommen, haben insofern eher eine administrative als eine gerichtliche (judicial) Natur85• Bedeutung hat diese Unterscheidung, die im Einzelfall allein von der jeweiligen Formulierung des betreffenden Gesetzes abhängt86, für die Frage, ob gegen die Entscheidung des Sheriffs ein appea/ zum Court of Session möglich ist oder nicht87. Untersucht man die Rechtsprechung der Sheriffs im Bereich der zu ihnen gelangenden appea/s auf gesetzlicher Grundlage, so läßt sich ein breites Spektrum der Ausnutzung der Prüfungskompetenz feststellen; es reicht von von deutlicher Zurückhaltung und Beschränkung auf Gesichtspunkte, die heute i.d.R. als ultra vires Rechtmäßigkeitsaspekte behandelt werden88, bis hin zu 80

a.a.O. vol. I p. 142, 148. Vgl. dazu HIMSWORTII, (1984) 19 J.R(N.S.) 63-83 auf p. 69 ff. 82 So hört der Sheriff etwaappealsgegen baupolizeiliche Entscheidungen wie Abbruchanordnungen und Renovierungsgebote, Housing (Scotland) Acts 1966 (c. 49), ss. 26, 190; 1%9 (c. 34), s. 27; 1974 (c. 45), s. 14A. Weitere Beispiele bei HIMSWORTII, (1984) 19 J.R(N.S.) 63-83 aufS. 69. 83 Licensing (Scotland) Act 1976 (c. 66), s. 39(4). 84 Education (Scotland) Act 1980 (c. 44), ss. 28 ff. i.d.F. des Education (Scotland) Act 1981 (c. 58). 85 Als Beispiel für die Ausübung einer administrative function vgl. den Fall Carvana v. Glasgow Corporation 1976 S.LT.(Sh.Ct.) 3-8 (Sh. Ct. ofLanark at Glasgow) (Rechtsmittel gegen Verweigerung einer Straßenhändlerlizenz: Unbeschränkte Möglichkeit, die Entscheidung des Stadtrats on the merits zu ersetzen). 86 Arcari v. Dumbanonshire County Counci/1948 S.C. 62.fJ9 1st. Div. auf p. 66. 87 Kaye v. Hunter 1958 S.C. 208-212 1st Div. durch den Lord President (Oyde): Sheriff als Verwaltung· kein Appeal zum Court of Session ·zu unterscheiden "true /is" ((echter Rechtsstreit) = judicial) von weighingofconsiderations (Abwägungen =administrative). 88 Vgl. etwa Pon Glasgow Property Investment Co. Ltd. v. Pon Glasgow (1909) 25 Sh.Ct. Rep. 86-88 (Renfrew & Bute Sh. Ct.) auf p. 87. Weitere Nachweise bei HIMSWORTH, (1984) 29 J.R(N.F.) 63-86 auf p. 78 f. 81

1. Rechtsschutz vor ordentlichen Gerichten

23

voller Übernahme der Aufgabe, im Bereich von Ermessensentscheidungen Abwägungen zwischen Allgemein- und Privatinteresse vorzunehmen89. Im Vergleich mit den englischen County Courts haben die Sheriff Courts in Schottland weitergehende administrative Aufgaben. Der Grund für die Entwicklung mag u.a. darin liegen, daß die Sheriffs immer noch das Ansehen genießen, unabhängige, vertrauenswürdige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu sein, die einerseits aufgrund ihres juristischen Hintergrundes den Eindruck der Unabhängigkeit im Urteil erzeugen und rechtfertigen, und andererseits mit den örtlichen Gegenbenheilen hinreichend gut vertraut sind90. Diese drei Elemente, juristische Befähigung, lokale Kenntnisse und persönliche Unabhängigkeit machen nach Ansicht der Untersuchungskommission, die 1967 unter Vorsitz von Lord Grant die Rolle der Sheriffs untersuchte, diese zu idealen Schiedsrichtern in lokalen Streitigkeiten zwischen Bürgern und Behörden91. Traditionale und vielleicht auch charismatische Herrschaftsformen haben in diesem Bereich der schottischen Verwaltungsrechtspflege noch immer ihren Stellenwert, auch wenn die Kontrolle gegenüber /oca/ authorities, also örtlichen oder regionalen Behörden im allgemeinen immer stärker von der Zentralgewalt - als Geldgeber und Aufsichtsbehörde - übernommen wird. Abgesehen von den oben angesprochenen appea/s haben die Sheriff Courts eine weitgehend umfassende erstinstanzliehe Zuständigkeit in civil cases92 . Auch insofern unterscheidet sich ein Sheriff Court in Schottland von einem County Court in England und Wales, der nur spezifische, im Gesetz ausdrücklich ihm übertragene Zuständigkeiten besitzt. In vermögensrechtlichen Streitigkeiten ist die Zuständigkeit der Sheriff Court bis zu einem Streitwert (ausschließlich Zinsen und Kosten) von f 500 ausschließlich (privative) und nicht berufungsfähig93. Im Bereich von Verwaltungsstreitigkeiten, die wegen des angesprochenen Primats des "Gerichtsschutzes vor ordentlichen Gerichten" in britischer Terminologie auch als civil proceedings bezeichnet werden, gibt es Beschränkungen der sachlichen Zuständigkeit der Sheriff Courts insoweit, als es nicht möglich ist, im Sheriff Court die Gültigkeit von Urkunden anzufechten und einen entsprechenden Urteilsausspruch auf reduction zu erwirken. Die reduction ist im gerichtlichen Rechtsschutz gegenüber Akten der Verwaltung 89 Clark v. Lord Provost etc. of Edinburgh (1932) 48 Sh.ct.Rep. 14-19 (Midlothian Sh. Ct.) aufp. 17. 90 So Lord (damals Mr. T.M.) COOPER, Selected papers, p. 33. 91 Cmnd. 3248 (1967) para. 264; kritisch dazu HIMSWORTII, (1984) 29 J.R(N.F.) 63-86 auf p. 77 f. m.w.N. 92 Eine umfassendere Darstellung zu den gerichtliche Zuständigkeiten in Deutsch findet sich bei BÖTIGER, S. 8-13 m.w.N. 93 Sheriff Courts (Scotland) Act 1907 (7 Edw. 7 c. 51), s. 7. Seit 1971 ist die Streitwertgrenze durch "Order in Council", als eine Art Rechtsverordnung, in diesem Fall mit parlamentarischer Zustimmung, veränderbar; Sheriff Courts (Scotland) Act 1971 (c. 58), s. 41.

I. Grundlagen

24

der Regelfall eines kassatorischen Gestaltungsurteils, das die Aufhebung einer Verwaltungsentscheidung zum Inhalt hat94• Eine weitere Beschränkung ergibt sich aus dem Crown Proceedings Act 1947, dessen Section 44 vorsieht, daß Verfahren gegen die Krone, die beim Sheriff Court anhängig gemacht sind, auf Verlangen des Lord Advocate95 an den Court of Session abgegeben werden müssen, sobald der Lord Advocate bescheinigt, daß im Verfahren eine wichtige Rechtsfrage zu beantworten ist, daß das Urteil Auswirkungen auf andere Fälle haben kann, oder daß ein Verfahren vor dem Court of Session aus anderen Gründen geeigneter ist. Wie bereits erwähnt, hatten die unteren Gerichte nach schottischem Common Law keine umfassende Gerichtbarkeit gegenüber der Krone. Der Crown Proceedings Act enthielt insofern eine gesetzliche Zuständigkeitserweiterung auf die Sheriff Courts mit gleichzeitig eingeräumter einseitiger Derogationsmöglichkeit für die beklagte Krone. Die erstinstanzliehen Entscheidungen fällen die Sheriffs, also die früheren Sheriff Substitutes, in den derzeit 49 Sheriff Court Districts. Die Zahl der Sheriffs beträgt zur Zeit etwa 7596. Gegen die Urteil der Sheriffs kann Berufung beim jeweiligen Sheriff Principal, d.h. dem vorgesetzten Sheriff (früher Sheriff DeputeJs des jeweiligen Sheriffdoms (zur Zeit 6) 97 oder beim Court of Session eingelegt werden. Neben dem normalen Klageverfahren gibt es seit 1976 ein summarisches Klageverfahren für einfachere Streitsachen wie auf Zahlung gerichtete Klagen oder Herausgabeklagen bei Mietwohnraum99 ; hierbei sind die Berufungsmöglichkeiten beschränkt. Für öffentliche Stellen wie District Councils oder als public corporations organisierte Versorgungsunternehmen sind Verfahren vor dem Sheriff Court vor allem wichtig bei der Geltendmachung von Zahlungs(d.h. Gebühren und Miet-~forderungen 100 ; häufig wird hierbei das summarische Verfahren bevorzugt 01 • Klagen gegen Träger der Verwaltung sind typischerweise Schadensersatzklagen aus delict, sowie Mietstreitigkeiten bezüglich kommunalen Wohnraums.

94

Im Detail dazu weiter unten unter 111. 5. a. S.u. unter I. 1. b. bb. 96 PATERSON/ BATES, Legalsystem of Scotland, p. 1. '17 Sheriff Courts (Scotland) Act1907 (7 Edw. 7 c. 51), s. 27. Zur Problematik dieser Berufung vom Einzelrichter zum Einzelrichter und zu deren Vorzügen (geringere Kosten, örtliche Nähe) vgl. Grant Report, Cmnd. 3248 (1967) para. 348. 98 Sheriff Courts (Scotland) Act 1907 (7 Edw. 7 c. 51), s. 28, 2. Alternative. Zu den Einzelheiten vgl. die Einführung von WILSON, Introduct01y essays, p. 71· "Appeals". 99 Kurzer Überblick bei BÖTIGER, S. 84-86. 100 Zu Mietzinsstreitigkeiten vordem Sherrif Court vgl ADLER/HIMSWORlli, 1985 Scottish Government Yearbook, 187-204. 101 Zu statistischen Untersuchungen siehe PATERSON/ BATES, Legal system of Scotland, p. 15. Neuere Daten in Civil Judicial Statistics (Scotland) 1984, Cm. 2 (1987). 95

n

1. Rechtsschutz vor ordentlichen Gerichten

25

bbb. Court of Session Ohne an dieser Stelle einer ausführlichen Darstellung und Untersuchung der für Verwaltungsstreitsachen bedeutsamen supervisory jurisdiction des Court of Session vorzugreifen, sollen im folgenden einige einige für das Verständnis der Reform des Prozeßrechts in Schottland hilfreiche Einzelaspekte im Zusammenhang mit der Organisation und den Zuständigkeiten des Gerichts erläutert werden. Der Court of Session wurde 1532 von König James V. als ein Gericht gegründet, dessen besonderes Charakteristikum sein fester Sitzungsort war; session bedeutete in diesem Zusammenhang, daß die Prozeßparteien einer Streitigkeit nicht immer auf die Burg nachziehen mußten, auf der sich der königliche Hof gerade befand102• Ursprünglich saß der Court of Session als Kollegialorgan im Plenum. Später entwikkelte sich die Praxis, daß einzelne der 15 Richter die Fälle für das gesamte Gericht vorbereiten; dies geschah im sogenannten Outer House, einem Gebäudeteil des Parliament House, dem Edinburgher Sitz des Gerichts. 1807 wurde der Court of Session in zwei Abteilungen (divisions) unterteilt; die eine tagte unter dem Vorsitz des Lord President, die andere unter dem des Lord-Justice Clerk. Die anderen Richter (Ordinary Judges) bereiteten abwechselnd die Fälle im Outer House vor. 1825 wurde dieses System insoweit institutionalisiert, als die damals sieben103 dienstjüngsten Richter das "Outer House" bildeten, während die Präsidenten der beiden Divisions zusammen mit jeweils drei dienstälteren Richtern das "Inner House" bildeten104• So bedeutsam diese organisatorische Aufteilung für die Praxis auch war; an der rechtlichen Natur des Court of Session als Kollegialorgan änderte sie nichts. Dies wird deutlich, wenn man berücksichtigt, daß ein Lord Ordinary, also ein Einzelrichter, im Outer House nur als Bevollmächtigter unter delegierter Jurisdiktion für den Court of Session als ganzen handelt 105• Auch können Richter des Outer House dem Inner House schwierige Fälle oder solche mit grundsätzlicher Bedeutung zur Entscheidung oder Begutachtung vorlegen. Lords Ordinary helfen je nach Bedarf im Inner House aus und umgekehrt. Im Inner House können die Richter einer Division in schwierigen Fällen, bei 102

CAMERON, The superior courts, p. 23. Die Zahl der Richter beträgt heute maximal 24. Die Höchstzahl für Richter wurde auf der Grundlage der Ermächtigung im Administration of Justice Act 1968 ( c. 5), s. 1(1)(c) und (2), zuletzt durch die Maximum Number of Judges Order 1986 (S.I. 1986 No. 2233) festgelegt. 1985 waren 21 der damals maximal 22 Richter tatsächlich benannt; 12 davon im Outer House, 8 im Inner House, 1 abgeordnet zur Scottish Law Commission. 104 Court of Session Act 1825 (6 Geo. 4 c. 120), s. 1. 105 Vgl.Purvcsv. Canwell (1905-1906) 8 F. 351-3561st Div. durch Lord McLaren aufp. 354. BÖTIGER (S. 13) übersieht dies, wenn er Inner House und Outer House als eigene Gerichte bezeichnet und die zwischen beiden Häusern flexible Funktionsaufteilung als bloß organisatori· sehe Frage ansieht. Ob man die Lords Ordinary (Einzelrichter im Outer House) selbst als court bezeichnen sollte (so MARSHALL, General principles, p. 25/26), hängt davon ab, ob man der konkreten Geschäftsverteilung konstituierende materiellrechtliche Wirkung beimißt 103

26

I. Grundlagen

Grundsatzentscheidungen oder bei Stimmengleichheit die Entscheidung eines erweiterten Gremiums, des "Court of Seven" oder theoretisch sogar eine Entscheidung des Plenums des Court of Session veranlassen106• Die Geschäfts- und Aufgabenverteilung zwischen Inner und Outer Hause ergibt sich aus gesetzlichen Regelungen, wie etwa den diversen Court of Session Acts oder den Administration of Justice (Scotland) Acts, vor allem dem aus dem Jahre 1933. Section 16 und 17 dieses Gesetzes ermächtigen das Gericht zum Erlaß von Verfahrensordnungen, also prozeßrechtsregelnden Verordnungen sowie zur Festlegung der Geschäftsverteilung durch sogenannte Acts of Sederunt107• Diese Acts of Sederunt sind seit 1965 in den Rules of Court (ofSession) zusammengefaSt und stellen in gewisser Weise eine Kodifikation des vor dem Court of Session anwendbaren Prozeßrechts dar. Die Einzelrichter im Court of Session haben vor allem erstinstanzliehe Fälle zu entscheiden. Das Schwergewicht der Arbeit der beiden Divisions des Inner Hause liegt im Bereich der Appellationsgerichtsbarkeit Vor allem handelt es sich hierbei um Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Lords Ordinary im Outer Hause durch die sog. reclaiming motions (Klagwiederholungsantrag 108). Hinzu kommenappealsvon den Sheriff Courts sowie verschiedene Formen von appea/s von administrative tribunals, dem Land Court, der vorrangig Landwirschaftssachen und Pachtstreitigkeiten behandelt, sowie von anderen Spezialgerichten oder (soweit es sich um Rechtsfragen handelt) von Schiedsgerichten. Außer~ewöhnlich ist die Möglichkeit, die Section 63 des Court of Session Act 1868 09 solchen Streitparteien einräumt, die sich auf eine gemeinsame TatSachengrundlage ihres Rechtsstreits verständigen können. Auf dieser Grundlage kann der Court of Session von beiden Parteien gemeinsam angerufen werden und um ein Gutachten oder Urteil in bezog auf die noch streitige Rechtsfrage ersucht werden110. Nur noch in besonderen, selteneren Fällen (z.B. Schadenersatz für Personenschäden) werden vor dem Court of Session die tatsächlichen Fragen in einem Jury-Verfahren geklärtlll. So zuletzt geschehen in Bell v. Be/11940 S.C. 229-276 Whole Court. s. u. I. 2. 108 Auch in diesem Begriff des "Klagwiederholungsantrags" wird noch einmal der einheitliche kollegiale Charakter des Court of Session deutlich. 109 31 & 32 Viel. c. 100. Zu diesen specia/ cases vgl. BRADLEY, Adm. law, para. 344, pp. 190191. 110 BÖTIGER (aufS. 81 bei Fn. 429) verwechselt dies mit dem 'stated case'Verfahren, einer Form des appeals, bei dem der erstinstanzliehe Spruchkörper die Tatsachengrundlage festzustellen hat und die Rechtsfragen, die der Antragsteller desappealsgeklärt wissen will, separat aufführt. Case stated, wie es bei BÖTIGER heißt, ist im übrigen englischer, nicht schottischer Sprachgebrauch; vgl. WILSON, Introductory essays, p. 73. 111 WILSON, Introductory essays, p. 47. 106 107

1. Rechtsschutz vor ordentlichen Gerichten

27

Im Bereich des Rechtsschutzes gegen die Verwaltung spielt der Court of Session u.a. deshalb eine besondere Rolle, weil er alleine Urkunden sowie in ihnen verkörperte Entscheidungen ganz oder teilweise kassieren (reduce) kann. Ob die Aufhebung von Akten der Exekutive (ob im centrat oder tocal govemment) durch eine reduction ausschließlich Sache des Court of Session ist, war Hauptstreitpunkt in Brown v. Hamitton District Council, dem Fall, der durch die Entscheidung des Hause of Lords zum Ausgangspunkt der schottischen Prozeßrechtsreformen wurde, und auf den unten im Detail noch eingegangen werden wird112• ccc. Hause of Lords Das Hause of Lords ist zuständig für Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Inner House des Court of Session. Soweit es sich bei der Entscheidung des Court of Session schon um eine appeat Entscheidung in einem Sheriff Court Fall handelt, überprüft das House of Lords nur Rechtsfragen. Nach der Vereinigung der Königreiche 1707 war auf der Grundlage der Texte der Acts of Union keineswegs klar gewesen, ob das Hause of Lords in derselben Weise appeats gegen Entscheidungen des Court of Session hören konnte, wie es dies bei Entscheidungen englischer Gerichte konnte. Die Acts of Union schlossen in Article XIX ausdrücklich nur die Courts of Chancery, Queen's Bench und Common Pleas sowie alle damals in Westminster Hall residierenden Gerichte davon aus, schottische Fälle zu hören. Das Hause of Lords gehörte zu diesen Gerichten nicht. Es ist anzunehmen, daß diese Lücke in den Verhandlungen, die zur Union führten, bewußt gelassen wurde113. Kurz nach 1707 nahm das Hause of Lords die Appellationsfunktion für schottische Fälle jedoch auf114 .Appeats zum House of Lords wurden bis zur Mitte des letzten Jahrhundert in Schottland so beliebt, daß sich das vorwiegend aus englischen Richtern bestehende Hause of Lords überwiegend, teilweise zu mehr als 80% mit schottischen Fällen zu befassen hatte; dies lag vor allem am Suspensiveffekt des appeals, der den vor dem Court of Session unterlegenen Prozeßparteien natürlich sehr willkommen war115. 112 1980 S.LT. (Sh.Ct.) 81-86, 1983 S.L.T. 397418 H.L(Sc.). Als Überblick zur Geschichte und zur gegenwärtigen Bedeutung des Ü>urt of Session vgl. im übrigen (Lord) FRASER of Tullybelton, The judiciary, in: The Laws of Scotland- Stair Memorial E ncyclopedia, vol. 5 , paras. 622-678 (625-636). 113 Vgl. dazu DICEY/RAIT, Thoughts on the union between E ngland and Scotland, pp. 192200, die annehmen, daß im Hinblick auf die Frage einesappealzum britischen House of Lords im presbyterianischen Schottland politischer Widerstand zu erwarten gewesen sei, weil in House of Lords auch Bischöfe Sitz und Stimme hatten; daher sei im Treaty of Union die Frage bewußt ungeregelt gelassen worden. Erst seit dem Appellate Jurisdiction Act 1876 (39 & 40 Vict. c. 39) werden die juristisch qualifiZierten Richter des House of Lords aus der Justiz als Life-Peers ernannt; vgl. dazu u.a. MITCHELL, Cvnstitutional Law, pp. 114, 138, und 258 ff. 114 Dazu MAIANCZUK, Region und unitarische Struktur, S. 42. 115 PATERSON/ BATES, Legalsystem of Scotland, p. 52. Vgl. auch FRASER, 1986 S.L.T. (News) 33-37 aufS. 33 f.

28

I. Grundlagen

Auf das Scots Law hatte dies auf der anderen Seite den Effekt, daß seine vom englischen Recht unterschiedenen Prinzipien, mit denen die englischen Richter nur selten vertraut waren, häufig in englischer Weise ausgelegt, weiterentwickelt oder auch verfälscht wurden. Diese Rechtsvereinheitlichung durch eine Mehrheit von englischen Richtern hält bis heute an; in allen schottischen Fällen ist die Mehrheit der Richter englisch, gelegentlich tritt sogar der Fall ein, daß gar kein schottischer Richter mitwirkt. Mitunter soll der Lord Chancellor in der Vergangenheit auch bewußt bei der Zusammenstellung der Richterbesetzung, die in seinem Ermessen liegt, von der Benennung eines oder beider schottischen Law Lords abgesehen haben116. Daß es sich bei einem appea/ zum Hause of Lords historisch-theoretisch um eine Petition an das Parlament handelt, für das dessen Judicial Committee handelt, wird durch eine weithin unbekannte Äußerlichkeit der mündlichen Verhandlung vor dem Hause of Lords deutlich: Die in der Regel fünf Law Lords dieses höchsten britischen Gerichts, tragen nicht, wie alle sonstigen Richter117 in Vereinigten Königreich, Perücke noch Robe, sondern ihre normale Zivilkleidung. Das die Würde dieses Gerichts darunter litte, kann eigentlich nicht festgestellt werden.

bb. Prozeßparteien In Verwaltungsstreitigkeiten vor den Gerichten Schottlands sind im Vergleich mit England nicht nur terminologische Unterschiede118 sondern auch Unterschiede in der Verwaltungsstruktur und der Verteilung der Geschäftsbereiche der Regierungstätigkeit zu beachten.

aaa. Local Government Auf der lokalen Verwaltungsebene sind es nach der Kommunalreform von 1973, die am 16. Mai 1975 wirksam wurde119, die neun Regional Councils (Dumfries & Galloway, Strathclyde, Central, Borders, Lothian, Fife, Tayside, Grampian und Highlands), die 53 Distriel Councils in diesen Regionen sowie die drei Island Councils (Orkney, Shetlands und Western Isles), die als Prozeßparteien in Erscheinung treten können. Lokale Verwaltungsfunktionen, 116 PATERSON/BATES, Legal system of Scotland, p. 56 unter Hinweis auf den Fall Freechurch ofScotklnd v. Lord Ovenoun (1904-1905) 7 F. (H.L.) 1-76. 1987 ist mit Lord MacKay zum

ersten Mal seit der Union ein aus der schottischen Justiz stammender Lord Ordinacy of Appeal zum Lord Chancellor ernannt worden. 117 Spezifisch zur "Amtstracht schottischer Verwaltungsrichter" vgl. im übrigen UMBACH et al. (Hrsg.), Das wahre Verfassungsrecht, S. 479. 118 Schottisch pursuer und tiefender statt englisch plaintiff und defendont. 119 Local Govemment (Scotland) Act 1975 (c. 30).

1. Rechtsschutz vor ordentlichen Gerichten

29

wie Wohnungsverwaltung, Baupolizei, öffentliche Gesundheit (z.B. Abfallbeseitigung, Lärmschutz, Friedhofsverwaltung, Gaststättenaufsicht oder Arbeitsplatzsicherheit), Bibliothekswesen sowie gewerbliches Genehmigungswesen (licensing) sind meist den District Councils, teilweise aber auch den Regional Councils anvertraut120. Regional Councils sind zuständig für Erziehung und Beschäftigungsförderung Jugendlicher, Sozialarbeit, größere öffentliche Anlagen und Bauten (Straßenbau, Verkehrs- und Hafenwesen), Verbraucherschutz, Standesamtswesen, Grundsteuerfestsetzung (valuation) sowie Polizei und Feuerwehr (letztere teilweise im größeren Regionalverband). Auf Klägerseite können diese Councils gelegentlich im Zusammenhang mit der Haushaltskontrolle durch die Controller of Audit erscheinen.

bbb. Scottish Office Im Bereich des 'central govemment' ergeben sich gegenüber England größere Unterschiede daraus, daß das Scottish Office121 , ein Department der Zentralregierung in London, eine regional und nicht sachbereichsmäßig definierte Zuständigkeit für Schottland hat. Viele der Zuständigkeiten, die in England von den einzelnen Fachministerien wie dem Horne Office oder dem Dept. of the Environment wahrgenommen werden, liegen in Schottland beim 1885 gegründeten Scottish Office. Seine Minister sind der Secretary of State for Scotland, ein Minister ofState sowie drei Parliamentary Unter-Secretaries of State122. Das Scottish Office besteht neben der Zentralabteilung aus dem Department for Agriculture and Fisheries for Scotland, dem Scottish Development Department, dem Scottish Economic Planning Department, dem Scottish Education Department und dem Scottish Horne and Health Department. Da die betreffenden gesetzlichen Zuständigkeiten nach britischer Verfassungspraxis dem 'Secretary of State for Scotland' und nicht dem Scottish Office anvertraut werden, ist er in allen Verwaltungsstreitsachen aus dem Geschäftsbereich des Scottish Office der richtige Beklagte.

120 Als Überblicke vgl. hierzu McFARLANE, Local Government, in: The Laws of Scotland - Stair Memorial Encyclopedia, vol. 5, paras. 566-573 und MARSHALL, General principles, p. 238. 121 Zum Scottish Office im Detail MALANCZUK, Region und unitarische Struktur, S. 147154, 158-161, RlFKJND, The Scottish Office, in: The Laws of Scotland- Stair Memorial Encyclopedia, vol. 5, paras. 516-534. Zur Geschichte GIBSON, The Thistle and the Crown. Aus politologischer Sicht (Vergleich mit Whitehall) vgl. HOOD/ DUNSIRE/ TIIOMPSON, (1979) 9 Brit. J. Pol. Sc. 57-280. 122 Scottish Government Yearbook 1985, p. 352. Zur Rolle, die das Scottish Office als Abteilung der britischen Regierung spielt, kritisch MITCHELL, in: ANDREWS, Welsh studies in public law, 65-85 auf pp. 73 ff.

30

I. Grundlagen

Will man die britische Rechtsprechung in bestimmten Bereichen des besonderen Verwaltungsrechts, wie etwa dem Bauplanungsrecht oder dem Gesundheitsrecht, vergleichen, ist zu berücksichtigen, daß Klagen in diesen Bereichen in England gegen den jeweiligen Fachminister (Secretary of State for the Environment bzw. Secretary of State for the Health Department) gerichtet sind,in Schottland entsprechende Klage jedoch gegen den Secretary of State for Scotland zu richten ist123. ccc. Die Krone - Lord Advocate Bei Klagen gegen die Krone wird diese vom Lord Advocate vertreten124. Der Lord Advocate in Schottland entspricht ungefähr dem Attorney-General in England. Unterschiede bestehen insofern, als der Lord Advocate- ähnlich wie in anderen Bereichen der Lord President - teilweise Funktionen übernimmt, die der Lord Chancellor in England wahrnimmt. Die Haupttätigkeit des Lord Advocates erstreckt sich auf den Bereich der Strafverfolgung. Strafverfahren werden, anders als in England, nicht unter dem Namen R.(egina) vX, sondern unter dem Namen H.MAdvocate vX. registriert und berichtet. Der Begriff der Vertretung der Krone ist in diesem Kontext umfassend zu verstehen. Der Lord Advocate repräsentiert im Court of Session nicht nur die Krone als "Fiskus" in Klagen, die der Amtshaftungsklage entsprechen. Er vertritt ebenso diejenigen Departments der britischen Regierung, die für ihre Sachbereiche auf gesamtbritischer Basis zuständig sind, deren Zuständigkeit also nicht durch die regionale Zuständigkeit des Scottish Office verdrängt wird. Ein Beispiel aus dem Bereich des Ministry for Social Services: eine Leistungsklage in bezug auf Arbeitslosenunterstützung würde in England unter dem N amenX. v. Secretary ofState for Social Services erscheinen; sofern es sich um einen Antrag auf Erlaß einer prerogative order handelt, heißt der Fall R. v. Secretary ofState for Social Services, ex parte X. 125; wenn der Attorney-General (bei Klagen auf declaration oder (häufiger noch) injunction) einen Fall im öffentlichen Interesse aufgreift, und entweder aktiv für die Krone vertritt oder zumindest die Krone pro forma als Kläger auftreten läßt, während der Prozeß im übrigen von der interessierten Partei, dem relator geführt wird, heißt der Fall A.-G. ex rel.(atione) X. v. Secretary of Statefor Social Services. Vergleichbare Fälle in Schottland vor dem Court of Session hießen X. v. Lord Advocate, wobei im Rubrum eines Urteils erläuternd hinzugefügt würde" ... for and 123 Detaillierter Überblick über die einzelne Geschäftsbereiche der Departments im Scottish Office in Scottish Govemment Yearbook 1980, pp. 235-251. 124 Zum Begriff der Crown MALANCZUK, Region und unitarische Struktur, S. 112. Zu den "l.aw Officers" der Krone in Schottland vgl. (Lord) WYLIE, l.aw officers, in: The l.aws of Scotland - Stair Memorial Encyclopedia, vol. 5, paras. 535-543 (Lord Advocate paras. 538-542, Solicitor-General para. 543). 125 Kommt es zu einem nach erfolglosem Antrag zu einemappealzum House of Lords, wird der Fall gleichwohl unter dem Namen X v. Secretary of State for Social Services berichtet.

1. Rechtsschutz vor ordentlichen Gerichten

31

on behalf of the Secretary of State for Social Services". Eine re/ator action gibt es im schottischen Prozeßrecht nicht in der Form, wie sie im englischen Recht existiert.

ddd. Public bodies Als letzte Gruppe möglicher Beklagter auf der Seite der Verwaltung ist die Gruppe der zahlreichen Sonderbehörden zu nennen, die mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet126 Aufgaben der öffentlichen Verwaltung im weitesten Sinne wahrnehmen. Hierbei handelt es sich um die große Zahl der boards, corporations, commissions, authorities, counci/s (andere als local and regional counci/s) und committees. Die Parteifähigkeit dieser "Behörden" oder Organisationen, die außerhalb der Bereiche der Regierung oder des local govemment verwaltende, beratende oder streitschlichtende Tätigkeit entfalten127, hängt jeweils -wie bei allen pub/ic corporations im Vereinigten Königreich - von der einschlägigen gesetzlichen Grundlage ab. Insbesondere die Frage, ob ein solcher Träger öffentlicher Funktionen als Vertreter oder im Dienste der Krone handelt, ist wichtig für den prozessualen Status und gewisse prozessuale Sonderrechte, wie etwa das Recht auf Wahrung der Vertraulichkeit behördeninterner Dokumente128.

126 Entweder durch Parlamentsgesetz, Royal Charter oder durch Registrierung gemäß dem Companies Act (Grundlegend der Companies Act von 1948 (11 & 12 Geo. 6. c. 38)). Zum nur sehr schwer präzise zu definierenden Begriff des public body im spezifischen Kontext des schottischen Amtshaftungsrecht BlACKIE, (The Law of Scotland) in: GOVERNMENTAL LIABILITY pp. 2-4. Aus der älteren schottischen Literatur A.D.D. (1901) 17 S.L.Rev. 238-248. Vgl. im übrigen BALDWIN/ McCRUDDEN, Regulation and public law. 127 Nach dem Pliatzky Report, dem Report on Non-Oepartmental Public Bodies January 1980, Cmnd. 7797, beträgt die Zahl in Schottland 244 (84 verwaltende/154 beratende/6 streitschlichtende). 128 Siehe etwa Glasgow Corporation v. Central Land Board 1956 S.C. (H.L.) 1-26, in dem der Secretary of State for Scotland dieses Crown privilege erfolgreich geltend machen konnte.

32

I. Grundlagen

2. Grundzüge des traditionellen Verfahrens Bis zur Reform des Verfahrensrechts 1985, auf die weiter unten im Detail noch einzugehen sein wird 129, liefen Streitigkeiten mit Trägern öffentlicher Gewalt vor dem Court of Session nach den normalen Regeln des Zivilprozesses ab. Da diese prozeßrechtlichen Regelungen an anderer Stelle schon ausführlich untersucht worden sind130, sollen in diesem Kontext nur die wesentlichen Verfahrensmaximenund -phasen kurz dargestellt werden. Die Dispositionsmaxime, d.h. die Möglichkeit der Parteien, den Prozeßgegenstand durch ihre Anträge zu bestimmen, gilt auch im schottischen Zivilprozeß. In Verwaltungsrechtsstreitigkeiten scheinen Settlements out of court, die in ihrer Funktion dem entsprechen, was vor einem deutschen Gericht gerichtliche Vergleiche bewirken, selten zu sein. Allenfalls in vermögensrechtlichen Streitigkeiten oder Wohnungswirtschaftsangelegenheiten der District Councils sowie bei Prozeßkostenarrangements sind derlei Erscheinungen zu beobachten. Der Grund für diese- für das britische Rechtswesen ansonsten außergewöhnliche - Zurückhaltung liegt in der Natur der Streitgegenstände. Vielfach ist es den beklagten Verwaltungsträgern rechtlich nicht möglich, sich vertraglich in bezug auf ihre Verwaltungshandlungen in irgendeiner Weise zu binden. Im Gegensatz zur Untersuchungsmaxime, die den deutschen Verwaltungsprozeß beherrscht, gilt im schottischen Prozeßrecht strikt die Verhandlungsmaxime. Das Gericht hat keine eigenständige Rolle bei der Ordnung des tatsächlichen Streitstoffs. Tatsachen werden von den Parteien präsentiert. Dies bedeutet, daß die Schlüssigkeilsprüfung der Parteivorträge, die Frage nach der re/evancy der Tatsachenbehauptungen für die erstrebte Rechtsfolge, eine dominierende Rolle spielt, da unnötige und zeit- und kostenaufwendige Beweisaufnahmen nach Möglichkeit vermieden werden sollen. Anders als im englischen Recht bis zur Reform 1977 hängt das einzuhaltende Verfahren nicht von der Art des vom Gericht erstrebten Rechtsschutzes ab. Wollte vor 1978 ein englischer Kläger vom Gericht den Rechtschutz gegen eine Verwaltungsmaßnahme erwirken, hatte er die Wahl zwischen einer normalen, auf ein Feststellungsurteil oder eine Unterlassungsverfügung gerichteten Klage einerseits oder einem Antrag auf Erlaß der sog. prerogative orders (certiorari, mandamus,prohibition) 131 andererseits. Stellte sich dann heraus, 129

130

S.u. II. 2.

BÖITGER, S. 34-91. Vgl. ansonsten die Überblicke bei MARSHALL, General principles, 27-29, WILSON, Introductory essays, pp. 63-70 und WALKER, The Scottish legal system, pp. 457-481. 131 Vgl. dazu RIE D E L, Kontrolle der Verwaltung, S. 22-58, von LOEPER, Verwaltungsrechtspflege in England, S. 100-117 und KÖNIG, Klagebefugnis im engl. Verwaltungsprozeß, s. 19-35.

2. Grundzüge des traditionellen Verfahrens

33

daß nicht die Feststellungsklage der richtige Rechtsbehelf war, sondern etwa ein Antrag auf certiorari, mußte der Kläger ganz von vorne mit einem neuen Verfahren beginnen. Nach schottischem Prozeßrecht können in einer Klage alle Möglichkeiten der Rechtsschutzgewährung, die das Gericht aussprechen kann, gemeinsam erstrebt werden, sofern die generelle Zuständigkeit des Gerichts hierfür vorliegt132. Der Prozeß beginnt mit der Vorbereitung der Klageschrift durch einen Solicitor, einen Anwalt. Dieses Dokument wird summans genannt. Folgende Elemente muß es enthalten: Das Rubrum- instance, die formelle hoheitliche Klageansage an die Beklagte - address, die Ladung an die Beklagte, innerhalb einer bestimmten Frist (der induciae legae, meist 14 Tage) vor den Lords of Council and Session zu erscheinen - charge, den Klagantrag - conclusion (in SheriffCourt Verfahrencrave), den Tatsachenvortrag- condescendence (averment offacts) sowie die Angabe der Rechtsgrundlage für das Klagebegehren - pleas-in-law. Dieses Dokument wird dann vor einen Gerichtsbeamten, den Keeper of the Signet gebracht und dort mit dem königlichen Siegel versehen (einem Prägestempel). Die Zustellung geschieht im Parteibetrieb; entweder per Post citation oder durch persönliche Zustellung an die Beklagte. Nach Ablauf der induciae reicht der Kläger das summans mit den dazugehörigen Dokumenten bei Gericht ein, um das calling einzuleiten. Hierbei handelt es sich um einen Gerichtsaushang bzw. eine bei Gericht geführte Liste, in die sich die Beklagte, will sie der Klage entgegentreten, binnen drei Tagen durch einen Prozeßvertreter eintragen muß - enter appearance. Andernfalls ergeht auf Antrag des Klägers Versäumnisurteil - decree in absence. Wird der Klage entgegengetreten, muß binnen 14 Tagen die Klageerwiderung eingereicht werden- defence. Die defences müssen Äußerungen zum klägerischen Tatsachenvortrag enthalten - answers - so wie pleas-in-/aw enthalten. Sind die defences eingegangen, hat der Kläger den open record133 anzufertigen. Dies ist ein zusammenfassendes Prozeßdokument, das condescendence und answers Punkt für Punkt gegenüberstellt; danach folgen die pleas-in-law sowie gegebenenfalls schon ergangene Zwischenentscheidungen des Gerichts

- interlocutors.

In den darauf folgenden etwa 12 Wochen ist das Verfahren auf der sog. adjustment roll. Das bedeutet, daß die Parteien Gelegenheit haben, den Tatsa-

chenvortrag und die Rechtsausführungen zu erweitern oder zu präzisieren. Diese Phase des Prozesses dauert je nach den Umständen verhältnismäßig lange. Sie wird abgeschlossen durch einen Gerichtsbeschluß, mit dem die Vorbereitung der Prozeßunterlagen abgeschlossen wird - interlocutor closing the

132 BRADLEY, Scot. Law Comm. Memorandum No. 14 p. 10/11 unter Hinweis auf Ashley v. Magistrates ofRothesay (1872-1873) 11 M. 708-7191st Div. 133 Betont: Re'cord.

34

I. Grundlagen

record. Der closed record wird wie der open record vom Kläger angefertigt. Danach sind Änderung des Tatsachenvortrags und der pleas-in-law nur noch mit Zustimmung des Gerichts und mit der Folge der Kostenlast für zusätzlich entstandene Kosten möglich.

Sofern nicht Einigkeit über die Form der Beweisaufnahme besteht, wird mündliche Verhandlung anberaumt. Läßt sich der Fall nicht schon auf der Grundlage der Schlüssigkeitsprüfung durch eine Rechtsentscheidung entscheiden, wird Beweis erhoben. Das Gericht entscheidet durch Urteil - decree; entweder in der Form des condemnatur, also klagzusprechend, oder in der Form des absolvitur bei Klagabweisung. Die Klage kann ebenso als unzulässig abgewiesen werden - dismissal. Hierunter fällt auch die Klagabweisung bei fehlender SchlüssigkeiL Dies bedeutet, daß eine Klage, die als unzulässig, weil ohne "relevant" pleas-in-law abgewiesen wurde, auf neuer Tatsachengrundlage erneut anhängig gemacht werden kann. Insofern gilt auch hier so etwas wie ein weiter Streitgegenstandsbegriff. Neben den Klageverfahren gibt es in bestimmten Verwaltungsstreitsachen auch ein besonderes Antragsverfahren durch petition. Dies gilt vor allem für die Petition im Hinblick auf die Nichterfüllung einer öffentlichrechtlichen Verpflichtung (public and official duty) durch die Verwaltung. Diesepetition ist anders als normale Klagen direkt an das Inner Hause des Court of Session zu richten134. Obwohl das schottische Rechtsschutzsystem im Hinblick auf Verwaltungsstreitsachen nicht wie in England durch Probleme wie die der Wahl der richtigen Klageart belastet war, wurde das Gerichtsverfahren als zu langsam und schwerfällig angesehen. Die Standards für eine akzeptable Dauer von Gerichtsverfahren sind generell in Großbritannien deutlich anspruchsvoller als in der Bundesrepublik. Insofern ist eine Prozeßdauer von mehr als einem halben Jahr mitunter schon zu lang. Hinzukommt, daß die Verwaltung auch ein spezifisches Interesse dar an hat, schnelle Sachentscheidungen zu erhalten, wenn andere, parallele Fälle zur Entscheidung anstehen. Neben der Verzögerung, die während der adjustment ofpleas auftreten können, wirken sich auch die dezentralisierte Prozeßvorbereitung durch die Anwälte nachteilig aus. Die streitige Tatsachenbasis kann nur auf der Grundlage der Parteibehauptungen festgestellt werden. Im Bereich der petitions Verfahren ergaben sich vor der Reform zusätzliche Probleme; in dieser Verfahrensart konnte nicht, wie bei summans Klagen gleichzeitig Schadensersatz verlangt werden. Ein zweites Verfahren war in der Regel erforderlich.

134

Court of Session Act 1868 (31 & 32 Vict. c. 100), s. 91 und No. 190 iii Rules of Court.

ß. Reformen der Verwaltungskontrolle 1. Reformen im englischen Rechtskreis a. Englischrechtliche Vorbilder für schottische Reformen Die Reform des schottischen Verfahrensrechts erfolgte im wesentlichen zwischen 1983 und 1985. Ausgangspunkt ist die Entscheidung des House of Lords in Brown v. Hamitton Distriel CounciP vom 25. November 1982. In diesem appea/ vom Court of Session ging es primär um den Umfang der Zuständigkeit des Sheriff Courts bei Verwaltungsstreitigkeiten im Obdachlosenrecht2 . Einer der schottischen Richter, Lord Fraser of Tullybelton, nahm in seinem Urteil Bezug auf die Reformen im englischen Prozeßrecht3 und regte an, daß ähnliches doch auch in Schottland zu Wege gebracht werden sollte. Daraufhin setzte der Lord President eine Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung eines Reformvorschlags ein. Deren Bericht wurde 1985 Grundlage einer Änderung der Acts of Sederunt, der Prozeßordnung des Court of Session. Verschiedene Elemente des Vorschlags der Arbeitsgruppe waren direkt dem englischenjudicia/ reviewVerfahren entlehnt und wurden in die neuen Regelungen aufgenommen. Im nachfolgenden zweiten Abschnitt soll im Detail auf die Einzelheiten der schottischen Reformen eingegangen werden. Die Vorbereitung dieser prozeßrechtlichen Reform unterscheidet sich in bemerkenswerter Weise von anderen Rechtsreformen in Schottland. Normalerweise wird heute Rechtsreform in Schottland auf der Grundlage von Empfehlungen der Scottish Law Commission4 betrieben. Die Commission untersucht reformbedürftige Rechtsbereiche häufig rechtsvergleichend unter Heranziehung des englischen Rechts oder englisch beeinflußter Rechtsordnungen und unterbreitet Gesetzgebungsvorschläge. Verschiedene Bereiche des schot-

1980 S.L.T. (Sh.Ct.Rep.) 81-85 (Sheriff Court of South Strathclyde, Dumfries and Galloway (Hamilton)); 1983 S.L.T. 397-412 2nd Div.; 1983 S.L.T.(397-) 412-418 H.L.(Sc.). 2 Vgl. zum britischen Obdachlosenrecht HOATII, Homelessness. 1983 S.L.T. 397[418]. Errichtet zusammen mit der English Law Commission durchs. 2 des Law Commissions Act 1965 (c. 22).

36

II. Reformen der Verwaltungskontrolle

tischenRechts sind auf diese Weise seit der Gründung der Scottish Law Commission reformiert worden5 . Bei der Reform des Verwaltungsprozesses wurde die Scottish Law Commission nicht einmal informell konsultiert. Der Grund hierfür lag in der frühen Vorentscheidung für eine begrenzte Reform, die ein förmliches Parlamentsgesetz nicht erforderlich machte6. Die Reform sollte nicht weiter gehen, als mit den Mitteln einer Änderung der Acts of Sederunt möglich war. Insofern verwundert es nicht, daß die schottische Reform nicht auf der Grundlage einer so sorgfältigen Analyse der Reformen in anderen Rechtsordnungen ausgearbeitet wurde, wie dies bei Reformvorschlägen der Law Commission der Fall ist. Gleichwohl war das englische Vorbild für die Arbeitsgruppe nicht nur Anlaß, sondern auch Orientierung für ihre Arbeit. Nach dem Beitritt des Vereinigten Königreichs zur Europäischen Gemeinschaft ist man geneigt, das englische Recht vor allem darauf zu untersuchen, wieweit dessen Harmonisierung mit kontinentaleuropäischem Recht möglich ist. Die Bedeutung des Common Law als gemeinsame Grundlage der verschiedenen Rechtsordnungen im britischen Commonwealth und darüberhinaus in anderen ehemaligen Kolonien und Dominions droht bei einer solchen Betrachtungsweise unterschätzt zu werden. Die Reform des englischen Verwaltungsrechts läßt sich nur schwer isoliert englisch-rechtlich darstellen und verstehen. Auch wenn die Reform des Verwaltungsrechts in den verschiedenen Rechtsordnungen des Commonwealth ihren Ausgangspunkt im England der 50er und 60er Jahre hat, sind mittlerweile die Reformanstrengungen in einigen Commonwealth-Staaten soweit vorangetrieben, daß nunmehr dort entwickelte neue Modelle auf England zurückwirken. Die Einführung des judicial review Verfahrens in England beruhte auf Vorschlägen der English Law Commission, die sich in ihrem Bericht7 bereits mit gesetzlichen Regelungen in Neuseeland und der kanadischen Provinz Ontario auseinandersetzte8 . Immer stärker scheint die Entwicklung des Verwaltungsrechts in Englandund mittelbar in Schottland - von Modellen und Vorbildern beeinflußt zu werden, die ihren Ursprung in früheren Kolonien und Dominions haben. Ein Überblick über die gesetzlichen Maßnahmen seit 1967, die auf Vorschlägen der Scottish Law Commission beruht haben, findet sich in SCOTilSH LAW COMMISSION (Scot. Law Com. No. 98) Twentieth Annual Report 1984-85 Sn. 35-39; zum aktuellen Stand vgl. dies., (Scot. Law Com. No. 109) Twenty-second Annual Report 1986-87. Zu den besonderen Problemen der Kodifizierung im schottischen Recht vgl. ANTON, (1982) 27 J.R.(N.S.) 15-30. Einige Hinweise zum Stil schottischer Gesetze und der heutigen Haltung der Gerichte gegenüber den Gesetzen bei ELLIOTT, in: COMMONWEALTH LAW CONFERENCE. 5th. pp. 61-68. 6 S.u. in diesem Teil II im Abschnitt 3.a. bei Fn. 152. The LAW.COMMISSION (LAW COM No. 73) Report on Remedies in Administrative Law, Cmnd. 6407. 8 a.a.O. (Fn. 7) paras. 44, 45.

1. Reformen im englischen Rechtskreis

37

Wegen der Bedeutung dieser Tendenz für die Analyse der schottischen Prozeßrechtsreformen soll dieser aktuelle Hintergrund der V erwaltungsrechtsreformen im britischen Commonwealth im folgenden in Grundzügen dargestellt werden.

b. Gemeinsame Charakteristika und Divergenzen bei der Verwaltungskontrolle Die Entwicklung des Verwaltungsrechts in den früheren britischen Kolonien und Dominions, von denen die meisten heute noch Mitglieder des Commonwealth sind9, ist gekennzeichnet durch den gemeinsamen Ursprung der rechtlichen Institutionen und Grundsätze im englischen Recht. Diese ursprüngliche Rechtseinheit fmdet ihren Ausdruck immer noch- wenngleich auch in zunehmend geringerem Ausmaß- in der Institution des Judicial Committee of the Privy Counci110, das u.a. Funktionen der Appellationsgerichtsbarkeit für den Commonwealth wahrnahm und dies für einige Staaten auch heute noch tut. Mit dem englischen Recht wurden zahlreiche Charakteristika der Verwaltungskontrolle aus England in den Kolonien und Dominions übernommen und beibehalten. Im Bereich des Prozeßrechts sind hier vor allem zu nennen: -das Verständnis eines Verwaltungsstreits als einer civillaw action, also einer Parteienstreitigkeit ohne aktive, untersuchende ("inquisitorische") Funktion des Gerichts; dies verbunden mit allen Konsequenzen für das Beweisrecht 9 Zur Struktur des britischen Commonwealth vgl. WHEARE, The constitution and structure of the Commonwealth; de SMIDI, Constitutional and administrative law, 5th ed. (by SfREEf/ BRAZIER) eh. 32 pp. 657-