Die IFRS im Deutschen und Europäischen Rechtsraum: Einfluss, Auslegung, gerichtliche Kontrolle [1 ed.] 9783737012355, 9783847112358

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Die IFRS im Deutschen und Europäischen Rechtsraum: Einfluss, Auslegung, gerichtliche Kontrolle [1 ed.]
 9783737012355, 9783847112358

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Bank- und Kapitalmarktrecht

Band 15

Herausgegeben von Petra Buck-Heeb und Stephan Meder

Marvin Barnecki

Die IFRS im Deutschen und Europäischen Rechtsraum Einfluss, Auslegung, gerichtliche Kontrolle

Mit einer Abbildung

V&R unipress

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2021, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2198-6150 ISBN 978-3-7370-1235-5

Inhalt

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Forschungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . II. Stand der Wissenschaft und Forschung III. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . C. Methodik und Gang der Untersuchung . . .

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Teil 1: Themenspezifische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Rechnungslegung im Deutschen und Europäischen Rechtsraum . . I. Entstehung und Entwicklung der Rechnungslegung . . . . . 1. Systematisierung des Rechnungswesens . . . . . . . . . . 2. Historische Entwicklung und Zweck der Rechnungslegung 3. Europäisierung und Internationalisierung . . . . . . . . . II. Bilanzwissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung der Bilanzwissenschaft für die Auslegung und Anwendung von Rechnungslegungsnormen . . . . . . . . 2. Entwicklung der Bilanzwissenschaft . . . . . . . . . . . . . III. Bilanzrecht als Richterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Regulierung als Ausübung von Staatsgewalt . . . . . . . . . . . . . I. Staatsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Dreigliedrigkeit der Staatsgewalt und Kernbereichstheorie . . III. Das demokratische Prinzip auf europäischer Ebene . . . . . C. Auslegungstheoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Erforderlichkeit einer methodischen Gesetzesanwendung . . II. Hermeneutik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

III. IV. V.

Ziel der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auslegung und Lückenschließung . . . . . . . . . . . . . . . Der Klassische Auslegungskanon nach Savigny und heutiger Stand juristischer Auslegungslehre . . . . . . . . . . . . . . . VI. Wertungsjurisprudenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Überblick der geschichtlichen Entwicklung rechtsphilosophischer Strömungen . . . . . . . . . . . . . . VIII. Europarechtliche Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. System des case law vs. code law . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS im Deutschen und Europäischen Rechtsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Stand der Rechnungslegungsnormierung . . . . . . . . . . . . . . . I. Einordnung unterschiedlicher Rechnungslegungsphilosophien II. Ebenen der Rechnungslegungsnormierung . . . . . . . . . . . 1. Mitgliedsstaatliche Rechnungslegungsnormen . . . . . . . . 2. EU-Bilanzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Globale Bilanzierungsstandards . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechnungslegung nach IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechnungslegung im öffentlichen Sektor . . . . . . . . . . . . B. Die »EU-IFRS« als pseudo-legitimierte Normsetzung . . . . . . . . . I. Private Selbstregulierung in der Rechnungslegung . . . . . . . II. Strukturelle Grundlagen des IFRS-Standardsetting . . . . . . . III. Vereinfachtes Verfahren zur Übernahme in europäisches Sekundärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. EU-Komitologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Endorsementverfahren der IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Demokratiedefizite und Auslegung der IFRS . . . . . . . . . . . . . I. Private Selbstregulierung und staatliche Willensbildung . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Praxis des Gesetzgebungsoutsourcing . . . . . . . . . . . . . 3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zur privaten Selbstregulierung im Bereich der internationalen Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Legitimationsbedürfnis für private Selbstregulierung und außerdemokratische Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . 5. Konzept der steuernden Rezeption . . . . . . . . . . . . . . 6. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Öffentliche und private Interessen in der Rechnungslegung . .

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7

Inhalt

III.

IV.

V.

1. Adressaten von Finanzinformationen . . . . . . . . . . . . 2. Rechenschaft über wirtschaftliches Handeln . . . . . . . . 3. Informationsbasis für Unternehmensbewertung . . . . . . 4. Private Interessen an der Geheimhaltung und Informationsasymmetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Institutioneller Rahmen in Deutschland . . . . . . . . . . 6. Institutioneller Rahmen in der EU . . . . . . . . . . . . . 7. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Implikationen des Maystadt-Berichts . . . . . . . . . . . . . 1. Die ARC und EFRAG als europäische Endorsement-Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einflussnahme der EU auf das IFRS-Standardsetting bzw. das IASB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Empfehlungen Maystadts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Stellungnahmen zum Maystadt-Bericht . . . . . . . . . . . 5. EFRAG-Governance-Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . Einflussnahme und Willensbildung der EU im Rahmen des Standardsettings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Standardinitiative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Standardsettingprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anpassungen im Übernahmeverfahren . . . . . . . . . . . a. Bindungswirkung der EU-IFRS . . . . . . . . . . . . . b. Bedeutung der »not endorsed« IFRS für die Auslegung c. IAS-VO-Kommentare . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Immanente Erfüllung der Übernahmevoraussetzungen 4. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auslegungsmethodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die »wirtschaftliche Betrachtungsweise« im Rahmen der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das System der IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Aus Sicht des IASB / IFRS IC . . . . . . . . . . . . . . b. Aus europäischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Aus deutscher Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Unmittelbare und mittelbare Anwendung der (EU-) IFRS in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Deutsche Sicht auf die IFRS-Rechnungslegung . . . . . 3. Vereinbarkeit der klassischen Auslegungstheorie mit dem »case-law«-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Abstraktion und Wortsinn . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

b. Induktive Norminterpretation und europäische Auslegungscanones . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anwendung der klassischen Auslegungstheorie auf die IFRS unter Einfluss der privaten Selbstregulierung . . . . . . . . a. Auslegung europäischen Gemeinschaftsrechts . . . . . . b. Wortsinnauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Auslegung nach Systematik und Regelungszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Historische und genetische Auslegung . . . . . . . . . . aa. Beachtung des Standardsetzungsprozesses . . . . . . . . bb. Beachtung der Übernahme in europäisches Sekundärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Grundlage – Zweckorientierte Bilanztheorie . . . . . . . bb. Grundprinzipien Europäischer Rechnungslegung . . . . cc. Grundprinzipien Deutscher Rechnungslegung . . . . . . dd. Erwägungsgründe der Basis-VO und Übernahmevoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Erwägungsgründe der Basis-VO . . . . . . . . . . . . . . (2) Übernahmekriterien der Basis-VO . . . . . . . . . . . . (a) Tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild . . . . (b) Entscheidungsnützlichkeit der Finanzinformationen . . (c) Berücksichtigung europäischer öffentlicher Interessen . (d) Immanente Erfüllung der Übernahmekriterien . . . . . (e) Stellungnahme zum Maystadt-Vorschlag zu weiteren Übernahmekriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee. Regelungshierarchie der IASB-Verlautbarungen . . . . . (1) Framework . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Schließung von Regelungslücken nach IAS 8.10ff. . . . . (a) Verlautbarungen »anderer Standardsetter« . . . . . . . (b) Anerkannte Branchenpraktiken . . . . . . . . . . . . . . (c) Literaturmeinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Verhältnis der methodischen Empfehlungen . . . . . . . (3) Application and Implementation Guidance und Basis for Conclusions . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Illustrative Examples – Fallanalogien . . . . . . . . . . . (5) Systemanalogien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) IAS/IFRS und SIC/IFRIC . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) IAS/IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) SIC/IFRIC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

(c) (d) (7) ff. f. aa. bb. (1) (2) (3)

VI.

Non-IFRICs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IFRS/IFRIC-Entwürfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . Overriding Principle – »True and Fair View« . . . . . Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Institutionen mit faktischer Interpretationskompetenz EFRAG und ARC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirtschaftsprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berufsbild und Berufsverbände . . . . . . . . . . . . . Ebenen der Einflussnahme . . . . . . . . . . . . . . . Letztentscheidungskompetenz durch Bestätigungsvermerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Testat und IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Marktkonzentration der »Big Four« . . . . . . . . . . (6) Marktkonzentration und Standardsetzung . . . . . . . (7) IDW-Verlautbarungen und Hausmeinungen der WP-Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. DPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Präventivmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Preclearance – Die Auslegungshilfe des DPR . . . . . . dd. BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee. DRSC e.V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) DRSC-Verlautbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) GoB-Vermutung für die Konzernrechnungslegung . . ff. ESMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg. Weitere Enforcement-Stellen . . . . . . . . . . . . . . 5. Schlussfolgerungen zur Auslegungskonzeption . . . . . . 6. »Gefahr« der Bildung von EU-IFRS . . . . . . . . . . . . . a. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. EU- vs. London-IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Keine Normqualität der London-IFRS . . . . . . . . . bb. Implikationen der carve-out-Lösung . . . . . . . . . . cc. Keine geschlossene Systematik der IFRS . . . . . . . . dd. Keine Unterscheidung innerhalb eines Hoheitsgebiets c. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Anerkennung durch den US-amerikanischen Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auslegung handelsrechtlicher Vorschriften nach den IFRS . 1. Keine Rezeption der IFRS durch das BilMoG . . . . . . . .

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Inhalt

2. Mögliche Einfallstore . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Richtlinienkonforme Auslegung nationalen Handelsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. 4. und 7. EG-Bilanzrichtlinie und Verhältnis zur IAS-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Anwendung der IFRS for SMEs über Auslegung der Bilanzrichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Anwendungsbrücke über Normzweck – Die »Natur der Sache« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. »Natur der Sache« als Brückennorm? . . . . . . . . . . . bb. Das True and Fair View – Grundprinzip . . . . . . . . . (1) Das tradierte angelsächsische True and Fair View – Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Das gemeinschaftsrechtliche True and Fair View – Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Das handelsrechtliche True and Fair View – Prinzip . . cc. Annäherung an angelsächische Rechnungslegungsprinzipien und geänderte Zwecksetzung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses. c. Auslegungshilfe für handelsrechtliche GoB . . . . . . . . aa. Rechtsnatur und rechtsdogmatische Erkenntnisquelle der GoB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Bedeutung der GoB für die Rechnungslegung . . . . . . cc. IFRS und Informations-GoB . . . . . . . . . . . . . . . . dd. IFRS und Gewinnermittlungs-GoB . . . . . . . . . . . . ee. DRS als Einfallstor der IFRS in das HGB-Bilanzrecht . . (1) Einflussnahme des IASB auf den DRSC e.V. . . . . . . . (2) Vergleich zwischen DRS und IFRS . . . . . . . . . . . . ff. GoB und Rechnungslegung im öffentlichen Sektor . . . d. Auslegungshilfe für Einzelnormen . . . . . . . . . . . . aa. Verweisung auf IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Konvergenzintention des Gesetzgebers . . . . . . . . . . cc. Divergenzintention des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . dd. Sonstige Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einstrahlungen des HGB auf IFRS-Auslegung . . . . . . . . 4. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

Teil 3: Jurisdiktion der IFRS im Deutschen und Europäischen Rechtsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Grundsatz: Gerichtliche Kontrolle des Europäischen Gerichtshofs . I. Letztentscheidungskompetenz für europäisches Bilanzrecht . II. Letztentscheidungskompetenz für handelsrechtliches Bilanzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Wirtschaftliche Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . . IV. Integrationsfreundliche Rechtsprechung und Brexit . . . . . B. Einfluss nationaler Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Faktische Bedeutung von Schiedsgerichten . . . . . . . . . . . . . D. Verdrängung der Auslegungskompetenz der Gerichte durch das Auslegungssystem der IFRS und die Stellungnahmen des IFRS IC . I. Empirie zur richterlichen Auslegung der IFRS . . . . . . . . 1. Wege gerichtlicher Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten . . . . . . . . . . b. Zivilrechtliche Schadenersatzansprüche . . . . . . . . c. Rechtsbehelfe gegen Enforcement-Entscheidungen sowie Strafvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Normenkontrollmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . 2. Überlegungen zur Ursache mangelnder gerichtlicher Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verbindlichkeit der IFRS IC-Interpretations . . . . . . . . . III. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Die Jurisdiktion des BFH – Keine Maßgeblichkeit der IFRS für die Steuerbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausgangspunkt: Maßgeblichkeitsprinzip, § 5 Abs. 1 EStG . . II. Abkehr von der Einheitsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . III. BFH-Rechtsprechung – IFRS und Steuerbilanz . . . . . . . . IV. Bedeutung der Judikatur der Finanzgerichte in Bezug auf die Fortentwicklung des Bilanzrechts . . . . . . . . . . . . . . . V. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abkürzungsverzeichnis

(US) SEC a. F. AAA ADHGB AEUV AK AktG AnwBl AO AöR ARC ARSP ASAF BaFin BB BFH BFuP BGB BGBl BGH BilMoG BilReG BilRUG BiRiLi BiRiLiG BMF BMJ BMWi BStBK BT-Drs. BVerfG CESR

(United States) Securities and Exchange Commission Alte Fassung American Arbitration Association Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Anschaffungskosten Aktiengesetz Anwaltsblatt (Zeitschrift) Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift) Accounting Regulatory Committee Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Accounting Standards Advisory Forum Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bundesfinanzhof Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeitschrift) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bilanzrechts-Modernisierungsgesetz Bilanzrechtsreformgesetz Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz Bilanzrichtlinie Bilanzrichtliniengesetz Bundesministerium für Finanzen Bundesministerium der Justiz Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Bundessteuerberaterkammer Bundestag Drucksache Bundesverfassungsgericht Committee of European Securities Regulators

14 CF CFSS DB DP HB DPOC DPR DRS DRSC DSR DVBl e.V. ECOFIN EECSs EFRAG EG EPSAS ESMA EStG et al. EU EU-Abl. EuGH EuR EUV EuZW EWG FASB FG FGO FinDAG FS GASB GG GmbHG GoB GoF HGB HGrG HGrGMoG HK i. e. S. IAASB IAS IASB IASCF

Abkürzungsverzeichnis

Conceptual Framework Consultative Forum of Standard Setters Der Betrieb (Zeitschrift) Due Process Handbook Due Process Oversight Committee Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung Deutsche Rechnungslegungsstandards Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee Deutscher Standardisierungsrat Deutsches Verwaltungsblatt Eingetragener Verein Economic and Financial Affairs Council European Enforcers Coordination Sessions European Financial Reporting Advisory Group Europäische Gemeinschaft European Public Sector Accounting Standards European Securities Markets Authority Einkommensteuergesetz et aliud (und andere) Europäische Union Amtsblatt der Europäischen Union Europäischer Gerichtshof Europarecht (Zeitschrift) EU-Vertrag Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Financial Accounting Standards Board Finanzgericht Finanzgerichtsordnung Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Festschrift German Accounting Standards Board Grundgesetz Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung Geschäfts- oder Firmenwert Handelsgesetzbuch Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder Gesetz zur Modernisierung des Haushaltsgrundsätzegesetzes und zur Änderung anderer Gesetze (Haushaltsgrundsätzemodernisierungsgesetz) Herstellungskosten im engeren Sinne International Accounting and Assurance Board International Accounting Standard(s) International Accounting Standards Board International Accounting Standards Committee Foundation

Abkürzungsverzeichnis

ICC IdW IFRIC IFRS IFRS IC IFRSF IOA IOSCO IPSAS IPSASB IR IRZ JZ KMU KoR KStG KSzW m. w. N. NJW NZA NZG OLG RabelZ RIC RIW SARG SchiedsVZ SIC SME Stbg TEG Ubg UK USA US-GAAP VerwArch VFE-Lage VJH VO VVDStRL VwGO WiPrO WpHG WpÜG ZEuP

15

International Chamber of Commerce Institut der Wirtschaftsprüfer International Financial Reporting Interpretation Committee International Financial Reporting Standard(s) International Financial Reporting Standards Interpretations Committee International Financial Reporting Standard Foundation Impairment Only Approach International Organization of Securities Commissions International Public Sector Accounting Standards International Public Sector Accounting Standards Board Internal Rules Zeitschrift für Internationale Rechnungslegung Juristen Zeitung Kleine und mittelständische Unternehmen Zeitschrift für internationale und kapitalmarktorientierte Rechnungslegung Körperschaftssteuergesetz Kölner Schrift zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Oberlandesgericht Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Rechnungslegungs Interpretations Committee Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Standards Advice Review Group Zeitschrift für Schiedsverfahren Standing Interpretations Committee Small and middle-sized entities Die Steuerberatung (Zeitschrift) Technical Expert Group Die Unternehmensbesteuerung (Zeitschrift) United Kingdom United States of America United States General Accepted Accounting Principles Verwaltungsarchiv (Zeitschrift) Vermögens-, Finanz- und Ertragslage Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung (Zeitschrift) Verordnung Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer (Zeitschrift) Verwaltungsgerichtsordnung Wirtschaftsprüferordnung Wertpapierhandelsgesetz Wertpapiererwerbs- und -übernahmegesetz Zeitschrift für Europäisches Privatrecht

16 ZfPW ZG ZPO ZRG GA ZRP ZUG

Abkürzungsverzeichnis

Zeitschrift für die gesamte Privatrechtswissenschaft Zeitschrift für Gesetzgebung Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Unternehmensgeschichte

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

Tabelle 1: Inhaltliche Gliederung einzelner IAS/IFRS Tabelle 2: Due Process Tabelle 3: Hierarchie der IASB-Verlautbarungen

85 91f. 191

Abbildung 1: Übersicht zur Auslegungskonzeption

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Einführung

A.

Einleitung

»Die Unterwerfung unter die IFRS, so scheint es, ist ein Naturgesetz«1 – diese provokative und überspitzte, aber dennoch zentrale Ausgangsthese Hubers aus einer Arbeit aus dem Jahr 2008 mag einem Staatstheoretiker mit klassischem Demokratieverständnis wie eine Resignationserklärung anmuten. Dennoch ist sie angesichts des noch immer fortschreitenden Vormarschs der IFRS auf nationaler, europäischer und globaler Ebene sowie der quasi durchweg positiven Konnotierung2 derer Rezeption nicht von der Hand zu weisen3. Jeder Beteiligte an einer unternehmerischen Rechnungslegung wird früher oder später komplexe Geschäftsvorfälle vorfinden, deren bilanzielle Abbildung Schwierigkeiten aufwirft und die eine einzelfallorientierte Anwendung von Rechnungslegungsvorschriften erforderlich macht. Da ein öffentliches Interesse an einer methodisch nachvollziehbaren Rechnungslegung besteht, findet im Rahmen des externen Rechnungswesens eine weitreichende Regulierung statt. Im Zusammenhang mit dem Beginn der Finanzmarktkrise im Jahr 2007 und der Beratung über Gegenmaßnahmen4 ist die Rechnungslegung zuletzt stärker in den Fokus der staatlichen Regulierungstätigkeit gerückt.

1 Vgl. Huber, AöR 2008, 389, 391. 2 Vgl. hierzu etwa Schiessl, ZHR 2006, 522ff., wenngleich sich das Bild nach »Ausbruch« der Finanzmarktkrise mitunter gewandelt hat. 3 Huber selbst weist indes am Ende seiner Arbeit darauf hin, dass es vielleicht doch Möglichkeiten gäbe, sich nicht gänzlich den IFRS zu unterwerfen, sondern den europäischen und staatlich-legitimatorischen Einfluss auf das IASB zu erhöhen, vgl. Huber, AöR 2008, 389, 403. 4 Vgl. hierzu etwa Gassen, VJH 2009, 83ff., welcher die Rechnungslegung »sowohl als Teil des Problems als auch potentieller Teil der Lösung« bezeichnet; zum Zusammenhang zwischen Wirtschaftskrisen und Rechnungslegung vgl. auch Schmitz, Wirtschaftskrisen und Rechnungslegung, 2016.

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Einführung

Der Wunsch nach einer harmonisierten internationalen Rechnungslegung ist groß, die IFRS gewinnen zunehmend an Bedeutung5. Zuletzt hat aber etwa der Maystadt-Bericht der EU6 aufgezeigt, welche Probleme sich bei der Anwendung der IFRS im Europäischen Rechtsraum stellen. In kaum einem anderen Rechtsbereich ist die Diskrepanz zwischen rechtsdogmatischen Problemen und rechtspraktischen Bedürfnissen derart ausgeprägt. Dies resultiert vor allen Dingen aus der besonderen Komplexität und Dynamik der Materie sowie der damit verbundenen weitreichenden privaten Selbstregulierung in diesem Bereich, welche sich an angelsächsischer Rechtstradition orientiert. Die Globalisierung und Internationalisierung der Wirtschaft haben dazu beigetragen, dass die volkswirtschaftliche Regulierungstätigkeit womöglich nicht mehr dasjenige Legitimationsniveau erreicht, welche bei einer Annäherung an die staatliche Einheitskonzeption möglich wäre. Gerade in Bezug auf die Rechnungslegung als informatorische Grundlage von ökonomischen Entscheidungen waren innerstaatliche Regulierungssysteme nicht mehr ausreichend, um praktischen Bedürfnissen nachzukommen. Nicht der Staat, sondern die freie Wirtschaft war es, die deshalb ursprünglich internationale Rechnungslegungsstandards im globalen Kontext für Europa entwickelt hat. Eine Vielzahl von Institutionen ist am Setting, der Anwendung sowie der Auslegung der IFRS beteiligt7 und es steht zu erwarten, dass weitere zukünftig eine stärkere Beteiligung für sich beanspruchen werden8. Es ist ein schmaler Grat zwischen der notwendigen Internationalisierung der Rechnungslegungsnormen und dem öffentlichen Interesse an einer Legitimität und staatlichen Einflussnahme auf dieselbigen. Während von nationaler und europäischer Seite ein stärker ausgeprägtes staatliches Engagement innerhalb des Standardsettings angestrebt wird, drängen sich weitere Staaten in das IFRS-Standardsetting, welches zunehmend zur globalen Rechnungslegungsnormgebung erhoben wird. Von Praktikern als notwendiges Stück auf dem Weg zu einem globalen Wirtschaftssystem gesehen, wurden von anderen Seiten mangelnde Legitimation, willkürliche Anwendung und Auslegung sowie mangelnde Überprüfbarkeit besorgt und heute noch die materielle Ausgestaltung der IFRS kritisiert9. 5 Vgl. zur derzeitigen Anwendung der IFRS in einzelnen Rechtskreisen die Auflistung bei Deloitte: https://www.iasplus.com/de/resources/ifrs-topics/use-of-ifrs (letzter Zugriff am 06. 11. 2019). 6 Abrufbar unter: http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/13/st15/st15614.en13.pdf (letzter Zugriff am 06. 11. 2019). 7 Vgl. hierzu insbesondere Teil 2 Kapitel C. IV. sowie V. 4. f. dieser Arbeit. 8 Dies sind insbesondere Institutionen einzelner Staaten, welche die IFRS anwenden und ihre Interessen berücksichtigt wissen wollen. Hierzu ausführlich Teil 2 Kapitel C. IV. dieser Arbeit mit weiteren Beispielen. 9 Für einen kurzen Überblick zum Meinungsstand vgl. Einführung, Kapitel B. II.

Einleitung

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Die Rechtsstaatlichkeit bei der Übernahme von Normen eines privaten Standardsetzers kann nur erreicht werden, indem einerseits die legislative Staatsgewalt hinreichenden Einfluss auf die Akteure nehmen und andererseits die Judikative im Wege ihrer Letztentscheidungskompetenz in Bezug auf Rechtsnormen durch die Anwendung im Einzelfall dem demokratischen Prinzip zur Wirksamkeit verhilft. Gerade diese beiden Bedingungen bedürfen bei den IFRS einer besonders kritischen Betrachtung. Da der Standardsetzer selbst einzelfallorientiert regelt und darüber hinaus weitreichende Anwendungsvorschriften im Sinne von Auslegungsregeln und Interpretationen vorgibt, scheint der Spielraum richterlicher Auslegungstätigkeit gering. Es muss auch untersucht werden, welchen Einfluss die EU überhaupt noch auf das IASB nimmt und ferner wie bei der Vielzahl unterschiedlicher Ebenen von Erkenntnisquellen ein methodisch nachvollziehbares Auslegungssystem entwickelt werden kann. Die wissenschaftliche Fragestellung dahinter muss auch auf den deutschen Rechtsraum erweitert werden. Zwar sind die von der Europäischen Kommission übernommenen IFRS europäisches Sekundärrecht. Durch die letzten Bilanzrechtsreformen in Deutschland durch das BilReG10, BilMoG11 und BilRUG12 haben Prinzipien der internationalen Rechnungslegung aber auch zunehmend und entgegen der tradierten deutschen Rechnungslegung Eingang in das Handelsbilanzrecht des HGB gefunden, so dass die Prinzipien des IASB auch dort Berücksichtigung finden könnten. Als Annex zu dieser Problematik stellt sich die Frage, inwieweit eine wirksame gerichtliche Kontrolle der IFRS überhaupt stattfindet. Aus deutscher Sicht ist dieser Aspekt vor allen Dingen aufgrund der bisherigen Bedeutung der BFHRechtsprechung für die Fortentwicklung der deutschen Rechnungslegung bedeutend, da der BFH nicht beabsichtigt, die IFRS als Teil des Steuerbilanzrechts zu würdigen und seiner Entscheidungskompetenz zu unterwerfen13.

10 Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz) vom 04. Dezember 2004, vgl. BGBl. I, S. 3166ff. 11 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz) vom 25. 05. 2009, vgl. BGBl. I, S. 1102ff. 12 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates (Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz) vom 17. 07. 2015, vgl. BGBl. I, S. 1245ff. 13 So äußerte sich der I. Senat im Urteil vom 25. 08. 2010 (AZ: I R 103/09). Dem hat sich der IV. Senat mit Urteil vom 14. 04. 2011 (AZ: IV R 46/09) angeschlossen. Siehe zur Thematik Teil 3 Kapitel E. III. dieser Arbeit.

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Einführung

B.

Forschungsbedarf

I.

Problemaufriss

Die weltweite Beachtung der IFRS ist groß. Sie haben die US-GAAP in Bezug auf ihre Bedeutung für die internationale Rechnungslegung längst überholt. In über 90 Rechtskreisen14 weltweit bilden die IFRS mit unterschiedlicher persönlicher und sachlicher Verbindlichkeit den Maßstab für die Rechnungslegung zumindest kapitalmarktorientierter Unternehmen. Neben dieser staatlichen Verbindlichkeit könnten sich Unternehmen zunehmend gezwungen sehen, freiwillig Jahresabschlüsse nach den IFRS aufzustellen15. Damit kumulieren sich aus deutscher Sicht zwei grundlegende Problemkreise der Rechnungslegung: einerseits die Antinomie zwischen kontinentaleuropäischer und angelsächsischer Rechnungslegungsphilosophie und andererseits der stärkere Einfluss supranationaler und vergleichbarer Institutionen auf die finanzielle Berichterstattung im Wege privater Selbstregulierung16. Bislang konnte die EU weitestgehend die Vertretung ihrer Interessen in der IFRSF17 und damit dem Standardsetting sicherstellen. Die Übernahme der IFRS in europäisches Sekundärrecht erfolgt im Wege eines Endorsementverfahrens18. Aufgrund der weltweiten Ausweitung der Anwendung könnten jedoch zukünftig mehr staatliche und regionale Interessen bei der Ausarbeitung und Anwendung der IFRS aufeinanderprallen und einen Kontrollverlust der EU bedingen19. Diese Schlussfolgerung lässt sich allgemein daraus ableiten, dass die IFRS weltweit an Bedeutung zunehmen20 und die IFRSF den Prinzipien der geografischen Balance sowie der »full and fair consultation«21 folgt. Im Rahmen geänderter Machtverhältnisse im IASB können damit divergierende Interessen und Rechnungslegungssysteme berücksichtigt werden, wobei europäische Interessenvertreter einen geringeren Anteil ausmachen. Es ist daher wichtig, dass die Möglichkeit der gerichtlichen Kontrolle und die staatliche Einflussnahme gewahrt bleiben. Dieses Ziel kann durch eine Ausle14 Vgl. auch hierzu die Übersicht unter: https://www.iasplus.com/de/resources/ifrs-topics/use -of-ifrs (letzter Zugriff am 06. 11. 2019). 15 Ein spieltheoretisches Gleichgewicht bei »IFRS-Pflicht für alle« wird etwa bei Simons/Weißenberger, BFuP 2008, 137, 149f. hergeleitet. 16 S. zu diesen »Grundproblemen« bereits Havermann, Internationale Entwicklungen in der Rechnungslegung, S. 659, in: Ballwieser/Böcking/Drukarzcyk/Schmidt [Hrsg.], FS-Moxter, 1994, S. 655–677. 17 Bis 2010: International Accounting Standards Committee Foundation (IASCF). 18 Näheres hierzu in Teil 2 Kapitel B III. 19 Vgl. Teil 2 Kapitel C III. und IV. zur Einflussnahme der EU auf das IFRS-Standardsetting. 20 S. Driesch (2016), in: Beck′sches IFRS-Handbuch, § 1 Rn. 51. 21 S. zu diesen Prinzipien Teil 2 Kapitel C IV. 1. und 2.

Forschungsbedarf

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gung der Rechtsnormen erreicht werden, die europäische und nationale Interessen und Besonderheiten in ihren Erkenntnisquellen berücksichtigt. Es zeigt sich in der Literatur aber ein Bild, in dem Grundlage der Auslegung lediglich die IFRS selbst bilden und eine bilanzwissenschaftliche Sicht auf das Thema nur unzureichend erfolgt. Da es sich beim Standardsetter um ein privates Rechnungslegungsgremium handelt, besteht die Gefahr einer mangelnden demokratischen Legitimation. Es besteht daher die berechtigte Frage, inwieweit europäische und nationale Gerichte überhaupt zu einer die Rechtsstaatlichkeit wahrenden Anwendung der IFRS beitragen können. Dass bislang nationale Besonderheiten im institutionellen Regulierungsumfeld sowie der tradierten Rechnungslegungspraxis lediglich eine untergeordnete Rolle in wissenschaftlichen Ausarbeitungen zur IFRS-Auslegung gefunden haben, geht an der Realität der noch immer divergierenden Bilanzierungspraxis innerhalb einzelner Staaten bei Anwendung der IFRS vorbei. Es bestehen mitunter deutliche nationale Unterschiede in der Bilanzierung trotz Anwendung einheitlicher Standards22. Dies begründet die Gefahr einer Regulierungsarbitrage, was dem Effizienzziel der global harmonisierten Rechnungslegung geradezu entgegenlaufen könnte. Während die regionalen und nationalen Besonderheiten im Rechnungslegungssystem bei kapitalmarktorientierten Unternehmen geringer sein mögen, gilt dies nicht für kleinere Unternehmen, für welche folglich auch der Bedarf an harmonisierter Rechnungslegung geringer ist. Dennoch gewinnen die IFRS weltweit auch an Bedeutung innerhalb der Rechnungslegung kleiner und mittelgroßer Unternehmen, welche einen wesentlich größeren Anwendungskreis als die kapitalmarktorientierten Unternehmen ausmachen23. Die IFRSF hat hierauf bereits im Jahr 2001 durch die Initiierung sog. IFRS for SMEs, welche im Jahr 2009 verabschiedet wurden, mit Erleichterungen gegenüben den Full-IFRS reagiert. Der deutsche Gesetzgeber reagierte durch Anpassungen der HGB-Rechnungslegungssystematik, zuletzt durch Verabschiedung des BilMoG und BilRUG, welche das Handelsbilanzrecht als langfristige Alternative zur internationalen Rechnungslegung sichern sollen. Ungeachtet bleibt vielfach, dass ein Rechnungslegungssystem niemals zusammenhangslos bestehen kann. Vielmehr muss es in das volkswirtschaftliche Gesamtsystem eines Staates eingebunden werden. Die Wirtschaftssysteme unterschiedlicher Staaten divergieren mitunter signifikant. Zumindest für die Anwendung der IFRS auf kleine und mittelständische Unternehmen muss daher die national-wirtschaftliche Struktur im Rahmen einer bilanzwissenschaftlich ge22 Vgl. Nobes/Stadler, Accounting, Organizations and Society Journal 2013, 573ff. 23 Vgl. hierzu Kajüter/Saucke/Hebestreit/Schellhorn, IRZ 2015, 15f., welche von einem Anteil an SMEs von ca. 95 % ausgehen. Weltweit sollen mehr als die Hälfte der Unternehmen – und zwar mittlerweile auch in wirtschaftlich stärkeren Regionen – im Kontext nationaler Rechnungslegungssysteme die IFRS for SMES implementiert haben.

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Einführung

prägten Auslegung ein Kriterium teleologischer Argumentation bilden. Dabei handelt es sich nicht um eine juristische Prinzipienreiterei und auch sollen die wirtschaftlichen und unternehmerischen Notwendigkeiten innerhalb der Globalisierungstendenzen nicht außer Acht gelassen werden. Es könnte jedoch kaum deutlicher als im derzeitigen politischen Kontext werden, dass eine strikte Harmonisierung ohne hinreichend Zeit und Berücksichtigung nationaler Interessen eine gegenteilige Entwicklung nehmen und zur Entfernung der europäischen Staaten voneinander führen kann24. Auch wenn der Tenor in Politik und Wissenschaft dahin zu gehen scheint, dass die IFRS als allumfassende Rechnungslegungsnormen herangezogen werden können und unbestritten eine Notwendigkeit für internationale Vergleichbarkeit von Jahresabschlüssen und ähnlichen Finanzberichten besteht, muss auch eine kritische Auseinandersetzung mit der Thematik erfolgen. Die Anwendungsmethodik des Rechnungslegungsrechts ist dabei Gegenstand der Rechtswissenschaften, derweil für deren Verständnis und Zweckmäßigkeit notwendig wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse heranzuziehen sind. Es ist daher erforderlich, die Gefahr eines drohenden Kontrollverlustes deutscher und europäischer staatlicher Institutionen auf die IFRS-Rechnungslegung zu untersuchen und einem solchen ggf. durch interessenwahrende Anwendung und gerichtlichen Kontrolle der IFRS entgegenzuwirken. Dabei wird auch das in vergleichbaren Arbeiten ausgesparte Problem der Normspaltung zwischen »London-IFRS« und »EU-IFRS« aus rechtsdogmatischer Sicht diskutiert.

II.

Stand der Wissenschaft und Forschung

Das Schrifttum zur internationalen Rechnungslegung ist mittlerweile unüberschaubar umfangreich geworden. Kommentare, Lehrbücher, ganze Fachzeitschriften und Monographien befassen sich mit diesem Thema, die ausländische Fachliteratur nicht weniger als die deutsche. Die Thematik der IFRS wird in der rechts- sowie wirtschaftswissenschaftlichen Literatur zum Forschungsgegenstand gemacht. Während Rechtswissenschaftler regelmäßig dogmatische Fragestellungen, insbesondere auf staatstheoretischer Ebene, behandeln, beschäftigen sich wirtschaftswissenschaftliche Arbeiten häufig mit theoretischen und empirischen 24 Zur Zeit der Erstellung dieser Arbeit waren solche Anzeichen insbesondere: Die Nachwirkungen der Finanzmarktkrise, der Brexit, Nationalisierungstendenzen durch hohe Wahlergebnisse rechtspopulistischer Parteien; kritisch zur Thematik auch Unterberger, S. 77, in: Schwarz/Wolgemuth, Das Ringen um Freiheit, 2011, S. 77–87.

Forschungsbedarf

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Analysen von Wirkungsweisen und Aspekten einzelner Standards sowie der volkswirtschaftlichen Bedeutung internationaler Rechnungslegungsharmonisierung als solcher. Methodischer Ansatz und die Bewertung der Ergebnisse unterscheiden zwischen den beiden Zünften mitunter, was einen Hinweis auf die Unterscheidung zwischen ökonomisch-praktischer und rechtsdogmatischer Sichtweise auf die private Selbstregulierung im Bereich der Rechnungslegung geben kann. Viele Autoren erkennen aber die besondere Bedeutung der Interdisziplinarität in diesem Forschungszweig und den Zielkonflikt zwischen rechtsstaatlicher Legitimation sowie praktischen Bedürfnissen, welcher auch in der hiesigen Untersuchung ein »Schwarz-Weiß-Denken« verhindern soll. Es ist nicht möglich einen vollständigen, nicht einmal einen umfangreichen Überblick über den Stand von Wissenschaft und Forschung zu geben. Vielmehr soll verdeutlicht werden, welche Quellen zur Beantwortung der hiesigen Fragestellung besonders berücksichtigt wurden. Wichtig für die Einordnung der Wissenschaftsbeiträge ist Klarheit darüber, dass einige Autoren im Bereich der internationalen Rechnungslegung deutlich als Kritiker25 der IFRS einzuordnen sind, wenngleich die Kritik von einzelnen Standards bis hin zur IFRS-Bilanzierung als solche reicht. Soweit in einzelnen Teilen dieser Arbeit eine bestimmte Meinung oder ein Forschungsergebnis dargestellt und für die weitere Bearbeitung übernommen wird, wurde diese einer eigenen kritischen Würdigung unter Berücksichtigung einer etwaigen Voreingenommenheit des Autors unterzogen. Der Schwerpunkt juristischer Ausarbeitungen zum Thema betrifft die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Regulierung mittels IFRS aufgrund der privaten Selbstregulierung in diesem Bereich. Für die vorliegende Arbeit muss der Aspekt herausgezogen werden, dass es sich bei den IFRS um private Normsetzung handelt, welche bei ihrer Rezeption eines rechtsstaatlichen Legitimationsaktes bedarf 26. Die Staatsrechtswissenschaften bedürfen daher einer besonderen Einbeziehung. Die Rückbesinnung auf rechtsdogmatische Grundlagen der Rechtsanwendung erscheint gerade deshalb erforderlich, da die IFRS ein von der kontinentaleuropäischen Rechtstradition verschiedenes Rechtssystem implementieren27, welches auch für den deutschen Rechtsanwender handhabbar gemacht werden muss.

25 Für Kritik an den IFRS vgl. nur Schildbach/Stobbe/Brösel, Der handelsrechtliche Jahresabschluss, 2013; Ballwieser, IFRS-Rechnungslegung, 2013; Brinkmann, Zweckadäquanz der Rechnungslegung nach IFRS, 2006; Schildbach, IRZ 2007, 9ff., 91ff.; Küting/Pfitzer/Weber, IFRS oder HGB?, 2013. 26 Zur ausführlichen Untersuchung der Rezeption von Normen eines privaten Standardsetters durch den Staat s. Teil 2 Kapitel B sowie C I. und II. 27 S. Teil 1 Kapitel D. sowie Teil 2 Kapitel C V. 3.

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Einführung

Arbeiten auf wirtschafts-, respektive bilanzwissenschaftlichem Gebiet untersuchen regelmäßig einzelne Aspekte konkreter Ansatz- und Bewertungsentscheidungen der IFRS oder auch die Bedeutung des internationalen Rechnungslegungsstandardsetzers, des IASB. Für die hiesige Untersuchung wurden solche Arbeiten nicht umfassend einbezogen. Von Relevanz sind insbesondere Arbeiten zu allgemeinen Prinzipien deutscher, europäischer und internationaler Rechnungslegung, der Kritik an den IFRS für kleine und mittelständische Unternehmen sowie der Mittelstandsrechnungslegung allgemein aus deutscher Sicht sowie hinsichtlich der »Gefahren« einer etwaigen Abweichung zwischen den vom IASB verabschiedeten Standards und den von der Europäischen Union übernommenen Standards. Die bislang umfangreichste Arbeit, die sich im Kern mit der Auslegungssystematik der IFRS im europäischen Kontext beschäftigt, ist diejenige von Nerlich28. Die Ausarbeitung entspringt der wirtschaftswissenschaftlichen Disziplin, wobei der Autor umfassend auf die juristische Methodik bei der Auslegung von Normentexten eingeht. Sein Ziel ist die Herleitung einer IFRS-Auslegungsmethodik, welche sich an den klassischen juristischen Auslegungscanones orientieren soll. Eine solche gelingt Nerlich, wobei er als Erkenntnisquelle und Deduktionsgrundlage die IFRS selbst und deren innere Systematik heranzieht. Weite Teile der Arbeit befassen sich mit dem Brückenschlag von deutscher zu englischer Auslegungstradition. Unberücksichtigt bleibt dabei das Legitimationsproblem, welches aus der Normensetzung im Wege privater Selbstregulierung folgt. Eine solche Auslegungssystematik lässt daher den Bezug zu den deutschen und europäischen normativen Referenzmaßstäben vermissen. Nerlich schafft dennoch ein nachvollziehbares, an praktischen Bedürfnissen orientiertes Grundmodell. Es fehlt indes eine staatstheoretische, an der gerichtlichen Kontrolle orientierte Betrachtung der Problematik. Dabei ist beachtlich, dass seit der Arbeit Nerlichs die mangelnde Einflussnahme und drohender Einflussverlust auf die private Standardsetzung im Bereich der Rechnungslegung stärker in den Vordergrund gerückt sind29. Jödicke30 beschäftigt sich in seiner Dissertation allein mit der IFRS-Auslegungskonzeption in Bezug auf Regelungslücken innerhalb des IFRS/IAS-Standardsettings. Er wendet diese Grundsätze auf die empirische Analyse der Lückenschließung am Beispiel der Bilanzierung von Stock Options sowie von Versicherungsverträgen an.

28 Vgl. Nerlich, Auslegungsmethodik IFRS, 2007. 29 Vgl. Teil 2 Kapitel C I. bis IV. 30 Vgl. Jödicke, Regelungslücken nach IFRS/IAS, 2008.

Forschungsbedarf

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Eine ausgedehntere Analyse der Auslegungssystematik der IFRS findet sich bei Wojcik31, welcher im Grundsatz zutreffend eine Trennung zwischen der Auslegungskonzeption der IAS/IFRS einerseits und der im Wege des Endorsement als sekundäres Gemeinschaftsrecht übernommenen IFRS andererseits vornimmt. Die Auslegung bildet dort nicht den Schwerpunkt der Forschungsfrage. Ebenso verhält es sich mit den Ausführungen, die Beckmann32 in ihrer Dissertation zum Thema der internationalen Rechnungslegung in Bezug auf die Auslegung der IFRS gemacht hat. Eine aktuellere Darstellung von Akteuren innerhalb der IFRS-Interpretation hat Kleimanns33 geliefert. Insgesamt ist die Frage nach der Anwendung der IFRS im deutschen und europäischen Rechtsraum vor etwa zehn Jahren vor dieser Arbeit Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen gewesen. Seitdem ist die Diskussion indes abgekühlt.

III.

Fragestellung

Aus den bisherigen Ausführungen ist bereits ersichtlich, dass sich noch ein breites Forschungsfeld in Bezug auf Einflussnahme, Anwendung und Auslegung sowie gerichtlicher Kontrolle bei den IFRS eröffnet, in welchem auch aktuelle Entwicklungen berücksichtigt werden müssen. Es handelt sich um ein dynamisches Rechtsgebiet. Die vorliegende Arbeit kann nicht sämtliche Fragen umfassend und abschließend klären, weshalb an einigen Stellen ein Verweis auf die Problematik und Fragestellung ausreichen muss. Um ein nachvollziehbares Vorgehen sicherzustellen, ist eine Einteilung der Forschungsschwerpunkte sinnvoll. Eine strikte Trennung zwischen ihnen ist aber weder möglich noch zweckmäßig. Auf die Bezüge zu den anderen Forschungsfragen wird daher gegebenenfalls hingewiesen, was auch einen Verweis auf spätere Ausführungen nicht ausschließt. Die Forschungsschwerpunkte betreffen die Fragestellungen zur Einflussnahme der EU auf das Standardsetting, die Anwendung, Auslegung und Lückenschließung der IFRS sowie deren Einstrahlungswirkungen auf die handelsrechtliche Rechnungslegung und einen Einblick in die gerichtlichen Kontrollmöglichkeiten in Bezug auf die internationalen Rechnungslegungsstandards. Die Rezeption von Standards einer privaten Organisation zur Implementierung internationaler Rechnungslegung im europäischen Sekundärrecht macht es 31 Vgl. Wojcik, IAS/IFRS als europäisches Recht, 2008. 32 Vgl. Beckmann, Die Internationalisierung der Rechnungslegung und ihre Implikationen für das Europäische Bilanzrecht, 2008. 33 Vgl. Kleinmanns, DB 2014, 1325ff.

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Einführung

notwendig, den erforderlichen und feststellbaren Grad demokratischer Legitimation zu ermitteln. Daran schließt sich die Frage an, ob die derzeitige Einflussnahme der EU auf das IFRS-Standardsetting bzw. das Rezeptionsverfahren den minimal erforderlichen Grad demokratischer Legitimation zu gewährleisten vermag. Soweit im Rahmen des Maystadt-Berichts eine Steigerung des staatlichen Einflusses auf die EU-IFRS gefordert wird, ist auch zu klären, ob die EFRAG-Governance-Reform34 eine solche realistischerweise bewirken kann. Die Forschungsfragen zur Einflussnahme lassen sich wie folgt formulieren: 1. Gebieten es Besonderheiten bei der Regulierung internationaler Rechnungslegung, ein geringeres Niveau demokratischer Legitimation zu fordern? 2. Reicht die Einflussnahme staatlicher Institutionen von der Schaffung der IFRS bis hin zu ihrer verbindlichen Übernahme in europäisches Sekundärrecht aus, ein Minimalniveau demokratischer Legitimation zu gewährleisten? 3. Können die derzeitigen Bestrebungen der EU im Rahmen der EFRAGGovernance-Reform mittelfristig eine erhöhte staatliche Kontrollmöglichkeit schaffen? Ein geringer Grad demokratischer Legitimation könnte auf Ebene der Rechtsanwendung ggf. ausgeglichen werden. Insoweit ist ein Auslegungssystem für die IFRS aus deutscher und europäischer Sicht zu entwickeln. Neben einem Vergleich klassischer kontinentaleuropäischer Auslegungsmethodik und der IFRSSystematik, muss eine ausführlichere Herleitung von Erkenntnisquellen und normativen Vergleichsmaßstäben für die Auslegungsmethodik der IFRS im deutschen und europäischen Rechnungslegungskontext erfolgen. Durch die Übernahme in europäisches Sekundärrecht im Wege der Verordnung gelten die »EU-IFRS« allgemein, in all ihren Teilen verbindlich sowie unmittelbar, vgl. Art. 288 Abs. 2 AEUV. Im Falle von Rechtsstreitigkeiten oder Unklarheiten müssen daher nicht nur klassische juristische Auslegungsgrundsätze des europäischen und deutschen Rechtsraums, sondern auch deren Erkenntnisquellen unter besonderer Berücksichtigung öffentlicher Interessen beachtet werden. Zunehmend bedeutsam ist auch die Frage, wie staatliche Institutionen mit dem befürchteten Verlust an Einflussnahme auf das Standardsetting umgehen können, indem nationale und europäische Interessen bei der Rechtsanwendung in stärkerem Maße berücksichtigt werden. Im Übrigen muss Berücksichtigung finden, dass ein Rechnungslegungssystem niemals unabhängig von dem jeweiligen Wirtschaftssystem steht. Dabei mögen regionale Besonderheiten bei kapitalmarktorientierten Unternehmen in den Hintergrund rücken, nicht jedoch bei anderen, insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen. Demnach wird eine mögliche Einstrahlung der 34 Vgl. hierzu EU-ABl. L 105 vom 8. 4. 2014, S. 1 sowie Bericht 396/2014 der EU-Kommission.

Forschungsbedarf

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HGB-Rechnungslegungsprinzipien auf die Auslegung der IFRS im deutschen Rechtsraum problematisiert. Dabei wird auch auf die zunehmenden Internationalisierungstendenzen der HGB-Rechnungslegung einzugehen sein. Dabei spielt die Frage nach einer Einstrahlungswirkung der IFRS auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss eine bedeutende Rolle. Konkret geht es um die Auslegung handelsrechtlicher Vorschriften nach Maßgabe der IFRS und einem damit möglichen Paradigmenwechsel handelsrechtlicher Rechnungslegung, was insbesondere aufgrund der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die steuerliche Gewinnermittlung Probleme aufwirft. Dazu treten derzeit verschiedene Institutionen in Bezug auf die Auslegung der IFRS auf und beanspruchen hier Entscheidungsgewalten. Diese Institutionen, ihre Einflussmöglichkeiten sowie ihr Rangverhältnis bedürfen daher ebenfalls einer Betrachtung im Rahmen der Erkenntnisquellen. Es stellt sich daher die Frage, wie die nach aktueller Ausgestaltung bestehenden Auslegungskompetenzkonflikte aufzulösen sind. Häufig aufgeworfen, aber nicht geklärt ist die Frage, ob Probleme einer Normspaltung zwischen den vom IASB verabschiedeten sog. »London-IFRS« und den im Endorsementverfahren letztlich rezipierten »EU-IFRS« aus rechtsdogmatischer Sicht haltbar sind. Die vorliegende Arbeit nimmt sich zumindest in Grundzügen auch dieser Problematik an. Zusammenfassend werden im Bereich der Auslegung folgende Forschungsfragen aufgeworfen und bearbeitet: 1. Wie kann eine Rechtsanwendung nach kontinentaleuropäischer Rechtstradition im System der IFRS vollzogen werden und welche Erkenntnisquellen müssen dabei im deutschen und europäischen Kontext konkret berücksichtigt werden? 2. Wie kann einem drohenden Einflussverlust der europäischen staatlichen Einrichtungen auf das internationale Standardsetting unter Wahrung der europäischen und deutschen Interessen begegnet werden? 3. Können und müssen trotz des Harmonisierungsgedankens nationale Besonderheiten bei der Anwendung der IFRS Beachtung finden? 4. Gibt es Einstrahlungswirkungen der IFRS auf die Ebene des nationalen Handelsrechts bzw. des nationalen Handelsrechts auf die IFRS-Anwendung? 5. Besteht die Gefahr einer Normspaltung zwischen den London-IFRS und den EU-IFRS? Der zweite Forschungsschwerpunkt betrifft die gerichtliche Kontrolle der IFRS und derer Anwendung. Zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit sollte insbesondere bei privater Selbstregulierung eine umfassende gerichtliche Kontrolle die Berücksichtigung der öffentlichen und privaten Interessen unterschiedlicher Gruppen

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Einführung

sicherstellen. Dies gilt bei den in europäisches Sekundärrecht übernommenen IFRS umso mehr, als dass sie nicht dem Willen des europäischen Gesetzgebers entspringen, das Endorsementverfahren im Vergleich zu einem umfassenden, parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren vereinfacht ist35 und aufgrund des Verordnungscharakters der IAS-VO eine Berücksichtigung nationaler Interessen bei der Gesetzgebung nur auf europäischer Ebene erfolgen kann. Dennoch findet sich kaum Rechtsprechung zu den IFRS36. Es muss daher geprüft werden, ob sich hier ein Kontrollverlust der Gerichte abzeichnet. Ferner hat der BFH die IFRS für die steuerliche Gewinnermittlung für unanwendbar erklärt. Bislang war die Rechtsprechung des BFH tragend für die Fortentwicklung der deutschen Rechnungslegung. Diese Bedeutung resultiert aus dem Prinzip der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz. Der BFH hält die IFRS aufgrund unterschiedlicher Regelungsziele für unmaßgeblich für die Steuerbilanz. Diese Argumentation lässt Zweifel an der Zweckmäßigkeit der IFRS als solcher aufkommen. Es stellt sich daher die Frage, wie der Wegfall der BFHRechtsprechung in Bezug auf die Rechnungslegung zu bewerten ist und was das für die steuerliche Gewinnermittlung bedeutet. Die Forschungsfragen zur gerichtlichen Kontrolle lassen sich wie folgt formulieren: 1. Zeichnet sich trotz der Bedeutung der gerichtlichen Kontrolle für die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit bei der Übernahme und Anwendung der IFRS ein Kontrollverlust nationaler und europäischer Gerichte ab? 2. Welche Bedeutung hat die mangelnde BFH-Rechtsprechung zu den IFRS auf die Fortentwicklung der Rechnungslegung aus deutscher Sicht?

C.

Methodik und Gang der Untersuchung

Zunächst wird ein grundlegendes Verständnis über die zugrunde gelegten Begrifflichkeiten sowie der Rechnungslegung und ihrer Regulierung geschaffen, wobei auch auf die Besonderheit der privaten Selbstregulierung in diesem Bereich eingegangen wird. Für das teleologische Verständnis der Rechnungslegungsstandards wird ferner die bilanztheoretische Wissenschaft vorgestellt, ein Forschungszweig, der bislang kaum Eingang in die Diskussion gefunden hat. Bevor die Auslegung der IFRS thematisiert wird, erfolgt eine Analyse der derzeit umstrittenen Einflussnahme der EU auf das IFRS-Setting. Da die Auslegung im Rahmen der Letztentscheidungskompetenz von Gerichten eine Sicherstellung demokratisch legitimierter Regulierung darstellt, kann die Be35 Nähere Erläuterungen zum Endorsement finden sich in Teil 2 Kapitel B sowie C I. bis IV. 36 Vgl. zum Nachweis Teil 3 dieser Arbeit.

Methodik und Gang der Untersuchung

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rücksichtigung deutscher und europäischer Interessen ein niedriges Legitimationsniveau ggf. ausgleichen. In diesem Zusammenhang wird deshalb auch auf die demokratisch erforderliche, staatliche Legitimation bei privater Selbstregulierung im konkreten Kontext internationaler Rechnungslegungsstandards eingegangen. Das Thema der Auslegung wird aus den verschiedenen Sichtweisen, nicht jedoch losgelöst voneinander, sondern im jeweiligen auslegungsspezifischen Kontext, betrachtet. Der Umstand, dass die Auslegungsmethodik innerhalb der Wissenschaft in vielfältige dogmatische Problemfelder verstrickt ist, kann im Rahmen dieser Arbeit keine umfassende Berücksichtigung finden37. Letztlich wird die Untersuchung auf Grundlage der in praxi angewandten Auslegungsmethoden aufgebaut. Von Bedeutung ist dabei einerseits die vom IASB intendierte IFRS-Systematik und Anwendung, daneben aber auch die mögliche Einstrahlungswirkung kontinentaleuropäisch-deutscher Rechnungslegungstradition und des EU-Bilanzrechts auf die (EU-)IFRS. Vice versa muss Gegenstand der Untersuchung sein, ob die IFRS als Auslegungshilfe handelsrechtlicher oder europäischer Rechnungslegungsnormen herangezogen werden können oder ggf. sogar müssen. Daran schließt sich folgerichtig die Frage nach der Bedeutung der Auslegung im Rahmen der Rechtsprechung sowie die Frage nach einer faktischen Ersetzung der richterlichen Auslegungstätigkeit durch privatrechtlich organisierte Auslegungsgremien an. Eine besondere Bedeutung hat dabei die Rechtsnatur der IFRS sowie deren innere Systematik und das Endorsement durch die EU. Dabei muss der in Literatur und Praxis bereits herausgearbeitete Aspekt der Probleme einer privaten Selbstregulierung in diesem Bereich angesprochen und in die Thematik der Auslegung eingebettet werden. Der Systematisierung der Auslegungsmethodik wird als Vorüberlegung insbesondere das Selbstverständnis der IFRSF vorgeschaltet. Sodann wird geprüft, inwieweit die klassischen Auslegungscanones zur Auslegung der IFRS beitragen können und welche praktischen Probleme berücksichtigt werden müssen. Um dem Bedürfnis einer harmonisierten und praxisnahen Rechnungslegung auch im Rahmen der theoretischen Überlegungen genügen zu können, dürfen reale Bedürfnisse von Unternehmen nicht außer Acht gelassen werden. Diesem Gedanken dient auch das unter Teil 2 dieser Arbeit aufbereitete Verhältnis der Auslegungskompetenz nationaler und europäischer

37 Aufgrund der Europäisierung und Internationalisierung des Rechts ist eine erstarkende wissenschaftliche und rechtsdogmatische Auseinandersetzung mit der deutschen Interpretationstradition wünschenswert. Unter der Darstellung der auslegungstheoretischen Grundlagen wird zumindest exemplarisch aufgezeigt, dass solche Gegenstände wieder vermehrt zum Gegenstand kritischer Forschung im Bereich der Rechtwissenschaften gemacht werden.

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Einführung

staatlicher Einrichtungen im Verhältnis zum IFRS IC38 aus Sicht der Standardanwender. Hierbei kommt den Enforcement-Institutionen der Rechnungslegung eine besondere Bedeutung zu, da sich die Rechnungslegungsabteilungen der kapitalmarktorientierten Unternehmen deren Anforderungen im Zweifel unterordnen werden. In diesem Bezug gelingt der Übergang zur Fragestellung, wann eine gerichtliche Kontrolle erforderlich werden kann. Dies wird regelmäßig erst dann der Fall sein, wenn es zu privatrechtlichen Streitigkeiten zwischen den Unternehmen und Stakeholdern oder Sanktionsmaßnahmen aufgrund fehlerhafter Rechnungslegung kommt. Aufgrund der Einzelfallorientierung der IFRS und zusätzlicher Interpretation zu den Standards wird geklärt, wie weit die Auslegungskompetenz der nationalen und europäischen Gerichte noch reichen kann. Dabei wird aus Sicht der deutschen Jurisdiktion die bisherige Bedeutung der Finanzgerichtsbarkeit für die Kontrolle und Fortentwicklung der Rechnungslegung untersucht.

38 Vormals International Financial Reporting Interpretations Committee (IFRIC), davor Standing Interpretations Committee (SIC).

Teil 1: Themenspezifische Grundlagen

A.

Rechnungslegung im Deutschen und Europäischen Rechtsraum

Eine möglichst umfassende Informationsbasis ist ein grundlegendes Erfordernis jedweder ökonomischen Entscheidung. Die »klassische« ökonomische Theorie gründet sich auf den Prämissen vollkommener Märkte, bei denen zwischen den rational handelnden Beteiligten bei vollständiger Konkurrenz ohne Restriktionen eine symmetrische Informationsverteilung besteht39. Vollkommene Kapitalmärkte sind insbesondere Grundlage wichtiger Modelle der Finanzierungstheorie wie des Capital Asset Pricing Modells40. Auch innerhalb eines Unternehmens ist eine möglichst umfassende und zielgerichtete Informationsbeschaffung und -verarbeitung unerlässlich. Das betriebliche Rechnungswesen hat in diesem Sinne allgemein die Aufgabe der Erfassung, Speicherung und Verarbeitung betriebswirtschaftlich relevanter, quantitativer Informationen über realisierte oder geplante Geschäftsvorfälle41. Es geht folglich um die mengen- und wertmäßige Erfassung ökonomisch relevanter

39 Zum Begriff des vollkommenen (Kapital-)marktes s. einführend etwa Laux/Gillenkirch/ Schenk-Mathes, Entscheidungstheorie, 2014, S. 371; zur mikroökonomischen Theorie auch Klump, Wirtschaftspolitik, 2013, S. 52, 57; Matschke/Brösel, Unternehmensbewertung, 2013, S. 33f.; Samuelson/Nordhaus, Volkswirtschaftslehre, 2007, S. 217ff.; zur Herleitung der imperfekten Steuerbarkeit durch marktwirtschaftliche Prozesse in der Praxis grundlegend Breyer/Kolmar, Grundlagen der Wirtschaftspolitik, 2014, S. 225ff.; speziell zur Annahme eines vollkommenen Marktes bei der noch im Rahmen dieser Untersuchung zu betrachtenden Fair-Value-Bewertung etwa Schildbach, DB 2017, 3005ff. 40 Zum CAPM sowie zur Unternehmensbewertung allgemein s. Gleißner, Unsicherheit, Risiko und Unternehmenswert, in: Petersen/Zwirner/Brösel [Hrsg.], Handbuch Unternehmensbewertung, 2013, S. 691ff. sowie zu den restriktiven Annahmen des CAPM Ernst/Gleißner, DB 2012, 2761ff. 41 Vgl. Schierenbeck/Wöhle, Grundzüge der BWL, 2012, S. 587; einführend zum Betrieblichen Rechnungswesen außerdem Weber/Rogler, Betriebswirtschaftliches Rechnungswesen, Band II, 2006, S. 1ff.; Wedell/Dilling, Grundlagen des Rechnungswesens, 2015, S. 3ff.

34

Teil 1: Themenspezifische Grundlagen

Unternehmensdaten42. Solch ein Zahlenwerk macht die Informationen für die Unternehmensrechnung handhabbar. Innerhalb eines Unternehmens sind die Informationen in der Regel verfügbar oder mit dem gebotenen Aufwand zu beschaffen. Hier geht es in erster Linie um die Auswertung vor dem Hintergrund betrieblicher Zwecksetzungen. Die Informationen werden dann Gegenstand der Investitions- und Finanzrechnung oder der Kosten- und Leistungsrechnung43. Daneben haben unternehmensexterne Stakeholder ein Interesse an den Informationen. Das Problem besteht darin, dass zwischen dem Unternehmen und Stakeholdern in der Regel eine asymmetrische Informationsverteilung besteht44. Hier soll das externe Rechnungswesen Abhilfe schaffen. Für das weitere Verständnis, insbesondere der teleologischen Auslegung der Rechnungslegung, werden daher in den nachfolgenden Kapiteln zunächst die themenspezifischen Grundlagen zur Rechnungslegung geschaffen. Ein besonderes Augenmerk ist dabei auf die Bilanzwissenschaft zu richten, da hieran gezeigt werden soll, dass die häufig in dem politischen und literarischen Diskurs anzutreffenden Rechnungslegungsprinzipien nicht ohne einen Rückgriff auf die bilanzwissenschaftlichen Dogmen erklärt und eingeordnet werden können.

I.

Entstehung und Entwicklung der Rechnungslegung

1.

Systematisierung des Rechnungswesens

Zunächst bedarf der Begriff des betrieblichen Rechnungswesens einer näheren Konkretisierung. Rechnungswesen beschreibt allgemein eine Informationsquelle durch Abbildung eines Unternehmens in monetären Größen45. Hiermit soll vor allen Dingen eine Vereinfachung von Entscheidungen auf Grundlage wirtschaftlicher Kalküle einhergehen. Stets soll das Rechnungswesen damit als Basis für eine wirtschaftliche Entscheidung dienen. Insoweit steht das Rechnungswe42 Vgl. Coenenberg/Haller/Mattner/Schultze, Rechnungswesen, 2018, S. 3 für das Rechnungswesen allgemein Busse von Colbe/Crasselt/Pellens, Lexikon des Rechnungswesens, 2011, S. 652ff.; zur üblichen Definition und weiteren Definitionsansätzen des Betrieblichen Rechnungswesens vgl. auch Weber/Rogler, Betriebswirtschaftliches Rechnungswesen, Band I, 2004, S. 1f. 43 Grundlegend zu den Ebenen innerbetrieblich-monetärer Informationssysteme, ihrer Abgrenzungen und Rechengrößen vgl. Ewert/Wagenhofer, Interne Unternehmensrechnung, 2014, S. 4ff. 44 Vgl. grundlegend zum Problem asymmetrischer Informationsverteilungen etwa Mankiw/ Taylor, Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 2016, S. 372ff.; zum Verhältnis von Jahresabschlussersteller zu den Abschlussadressaten s. Ruhnke/Simons, Rechnungslegung nach IFRS und HGB, 2012, S. 86 sowie zum Modell der Informationseffizienz in Bezug zum Kapitalmarkt Wagenhofer/Ewert, Externe Unternehmensrechnung, 2015, S. 93ff. 45 S. Teil 1 Kapitel A.

Rechnungslegung im Deutschen und Europäischen Rechtsraum

35

sen in unmittelbaren Kontext zum jeweiligen Wirtschaftssystem und den vorherrschenden Theorien zur Entscheidungsfindung und Marktmechanismen in dem selbigen46. Eine grobe Unterscheidung lässt sich zwischen dem internen Rechnungswesen und dem externen Rechnungswesen vornehmen. Das interne Rechnungswesen47 dient der Selbstinformation des Unternehmens und unterliegt keiner staatlichen Regulierung48. Demski/Feltham haben insoweit festgestellt, dass das Rechnungswesen innerhalb eines Unternehmens sowohl eine entscheidungsvereinfachende (decision-facilitating) als auch entscheidungsbeeinflussende (decision-influencing) Rolle spielt49. Die Unternehmen sind hierbei gehalten, ihre zahlenmäßigen Informationen dergestalt darzustellen und zu bearbeiten, dass diese für ihre an unternehmensinternen Zwecken orientierte Entscheidung nützlich sind. Das interne Rechnungswesen geht dann in den Teilbereichen der Investitionsrechnung, der Finanzrechnung sowie der Kostenrechnung auf 50. Demgegenüber steht das externe Rechnungswesen51, auch als Rechnungslegung bezeichnet, welche gerade als Informationsquelle für unternehmensexterne Personen dienen soll. Auch hierbei geht es um die Entscheidungsnützlichkeit der Informationen, aber unter anderen Bedingungen. Da die interne Zielrichtung des Unternehmens in der Regel einem Außenstehenden nicht klar sein wird und die individuelle Informationsgewinnung nur auf Grundlage objektivierter Quellen möglich sein kann, ist eine Übernahme der Ergebnisse des internen Rechnungswesens nicht möglich. Soweit jedoch ein Rahmen für die Rechnungslegung abgesteckt wird, wissen externe Analysten auf welcher Grundlage Geschäftsvorfälle in ein monetäres Zahlensystem übertragen wurden und wie sie hieraus die notwendigen Informationen gewinnen können. Deshalb ist eine Regulierung

46 Insoweit einführend zu den Gründen für unterschiedliche Ausgestaltung von Rechnungslegungssystemen etwa Achleitner/Behr/Schäfer, Internationale Rechnungslegung, 2009, S. 9ff. sowie Bieg/Kußmaul/Waschbusch, Externes Rechnungswesen, 2012, S. 464ff. 47 Für allgemeine Grundlagen des internen Rechnungswesens sei auf die gängigen Lehrwerke von Ewert/Wagenhofer, Interne Unternehmensrechnung, 2014, Möllner/Hüfner/Ketteniß, Internes Rechnungswesen, 2011 sowie Eilenberger/Toebe/Scherer, Betriebliches Rechnungswesen, 2014 verwiesen. 48 Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, 2017, S. 2. 49 Vgl. Christensen/Feltham, Economics of Accounting 2003, Vol. 1, S. 1. 50 Vgl. Merkt/Probst/Fink, Rechnungslegung nach IFRS und HGB, 2017, S. 3 und Baetge/Kirsch/ Thiele, Bilanzen, 2017, S. 1f. 51 Für grundlegende Ausführungen zum externen Rechnungswesen im betriebs- und volkswirtschaftlichen Kontext s. etwa Bieg/Kußmaul/Waschbusch, Externes Rechnungswesen, 2012 sowie Wagenhofer/Ewert, Externe Unternehmensrechnung, 2015. Außerdem umfassend außerhalb des deutschen Kontext Harrison/Horngren/Thomas/Tietz, Financial Accounting, 2017.

36

Teil 1: Themenspezifische Grundlagen

des externen Rechnungswesens aufgrund öffentlicher Interessen erforderlich52. Dies rechtfertigt staatliche Eingriffe in die Freiheit der unternehmerischen Betätigung und wirtschaftlicher Entfaltung aus Art. 2 Abs. 1 GG sowie Beschränkungen der Eigentums- und Berufsfreiheit aus Art. 12, 14 GG53. Ein Regulierungssystem der Rechnungslegung steht im Kontext übergeordneter Wirtschaftssysteme bzw. ist Bestandteil der selbigen54. Es korrespondiert mit den jeweiligen privaten und öffentlichen Interessen innerhalb einer Volkswirtschaft. Grundlage der Rechnungslegung bildet die kaufmännische Buchführung (Doppik)55. Sie lässt sich definieren als »die planmäßige, laufende und lückenlose Aufzeichnung sämtlicher Geschäftsvorfälle eines Unternehmens im zeitlichen Ablauf mit Angabe des wesentlichen Inhalts und des zahlenmäßigen Wertes«56. Als Bilanz wird die Aufstellung von Kapitalherkunft und Kapitelverwendung eines Wirtschaftssubjekts als stichtagsbezogene Gegenüberstellung von Aktiva und Passiva in Kontenform bezeichnet57. Davon zu unterscheiden ist der Jahresabschluss im Sinne von § 242 Abs. 1 HGB, welcher den rechnerischen Abschluss eines kaufmännischen Geschäftsjahres bezeichnet58. 2.

Historische Entwicklung und Zweck der Rechnungslegung

Obgleich der ökonomische und politische Diskurs sowie die Regulierung der Rechnungslegung derzeit ausgeprägt und aktuell sind, handelt es sich keineswegs um ein neuzeitliches Instrument der monetären Abbildung unternehmerischen Handelns. Bereits ca. 3000 v. Chr. wurden in Ägypten und Mesopotamien Rechnungsbücher geführt und Vermögensaufstellungen erstellt59. Im frühen 16. Jahrhundert begannen auch die großen Unternehmen Bücher zu führen und gele52 Zum öffentlichen Interesse an einer Regulierung der externen Rechnungslegung s. Teil 2 Kapitel A und C II. 53 Ausführlich zu den wirtschaftsorientierten Grundrechten Isensee/Kirchhoff [Hrsg.], Handbuch des Staatsrechts, Band VIII, 2010, §§ 170, 173. 54 Vgl. etwa Haaker, IFRS – Irrtümer, Widersprüche und unerwünschte Konsequenzen, 2014, S. 21f. zum Erfordernis einer in das nationale System »passenden« HGB-Bilanz. Eine nähere Herleitung der Abhängigkeiten von Wirtschaftssystem und Rechnungslegung findet sich im jeweiligen Kontext in Teil 2 dieser Arbeit. 55 Vgl. grundlegend zum System der doppelten Buchführung Quick/Wurl, Doppelte Buchführung, 2017; Deitermann/Schmolke/Rückwart, Industrielles Rechnungswesen, 2011, S. 7, 9ff.; Hennig/Kilger, Doppelte Buchführung, 1970; Bussiek/Ehrmann, Buchführung, 2010. 56 Vgl. Merkt/Probst/Fink, Rechnungslegung nach HGB und IFRS, 2017, Rn. 6. 57 Vgl. Ballwieser/Coenenberg/Wysocki-Kussmaul, Handwörterbuch der Rechnungslegung und Prüfung, 2002, Stichwort »Bilanz«, Sp. 375ff.; allgemein zur Bilanz auch Coenenberg/ Haller/Schultze, Jahresabschluss, 2018, S. 3ff. 58 Vgl. Ballwieser/Coenenberg/Wysocki-Kussmaul, Handwörterbuch der Rechnungslegung und Prüfung, 2002, Stichwort »Jahresabschluss«, Sp. 1248ff. 59 Vgl. Coenenberg/Haller/Mattner/Schultze, Rechnungswesen, 2018, S. 33 mit einer empfehlenswerten Kurzdarstellung der historischen Entwicklung.

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37

gentlich zur Übersicht Abschlüsse zu erstellen60. Das heute noch der Rechnungslegung zugrunde liegende System der doppelten Buchführung wird dem venezianischen Mönch Lucas Paciolo di Borgo zugeschrieben. Dieser veröffentlichte schon im Jahr 1504 eine Schrift über die »doppelte Buchführung«61. Unternehmer sind folglich seit jeher versucht, Geschäftsvorfälle in einem Zahlenwerk festzuhalten. Die Rechnungslegung ist damit ein betriebswirtschaftliches Instrument, welches ursprünglich nicht zum Abbau asymmetrischer Informationen oktroyiert, sondern sich aus unternehmerischer, intrinsischer Motivation heraus entwickelt hat62. Noch heute zeigt sich anhand der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung63 die Praxisorientierung der deutschen Rechnungslegungsregulierung. Eine staatliche Regulierung der Buchführung und Bilanzierung in Deutschland fand erstmals 1861 im ADHGB seine Kodifikation. Bereits etwa zweihundert Jahre zuvor wurde eine Buchführungspflicht in Frankreich im Ordonnance Commerce von 1673 normiert64. Das französische Handelsrecht war aufgrund der napoleonischen Herrschaft auch Ausgangspunkt für das deutsche Bilanzrecht65. Die Rechnungslegungsnormen des ADHGB dienten vornehmlich dem Gläubigerschutz und fügen sich in ein Marktregulierungskonzept, welches im Grundsatz in Deutschland bis heute verfolgt wird und im Bereich der externen Rechnungslegung zahlreiche weitere Regulierungsmaßnahmen des Gesetzgebers mit sich gebracht hat66. Die deutsche Wirtschaftsordnung folgt dem Konzept der (heute sozialen) Marktwirtschaft67. Hierbei wird das Primat der marktwirtschaftlichen Steuerung anerkannt, d. h. Regulierungsmaßnahmen des Staates sollen sich grundsätzlich nicht auf das Ergebnis marktwirtschaftlicher Allokationen auswirken, sondern negative Effekte abmildern. Sie ist eine »bewußt gestaltete marktwirtschaftliche Ordnung [deren] primäres Koordinierungsprinzip der Wettbewerb sein soll.«68 60 61 62 63 64 65 66 67

68

Ebd. Vgl. Lang, Doppelte Buchführung, 2013, S. 1. So auch treffend Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 31ff. Vgl. hierzu später Teil 2 Kapitel C VI. 2. c). Vgl. dazu MüKo/AktG-Luttermann (2003), Einführung Bilanzrecht, Rn. 58; Staub-Pöschke (2014), HGB, § 238 Rn. 6. Vgl. Haaker/Velte, ZUG 2013, 77 m.w.N. Zur Entwicklung der HGB-Bilanzregulierung seit Inkrafttreten des ADHGB im Mai 1861 s. Ballwieser, DB 2018, 1ff. Vgl. Klump, Wirtschaftspolitik, 2013, S. 200ff.; Reichel, Aufklärung und Kritik, 1998, 83ff.; zum Begriff grundlegend Müller-Armack, Wirtschaftsordnung, 1966, S. 78ff., 244; eine umfassende Abhandlung findet sich außerdem bei Zinn, Soziale Marktwirtschaft, 1992. Damit ist freilich nicht gemeint, dass die verfassungsmäßige Ordnung zwingend eine Wirtschaftsordnung vorschreibt. Nach Auffassung des BVerfG ist dies grade nicht der Fall, vgl. BVerfGE 4, 17f.; 7, 400; 50, 336ff.; s. auch Hömig/Wolff-Antoni, 2018, Art. 20 Rn. 5. Vgl. Müller-Armack, Wirtschaftsordnung, 1966, S. 78ff., 244.

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Teil 1: Themenspezifische Grundlagen

Es erfolgt ein Ausgleich von freiem Wettbewerb und sozialen Belangen69. Ein vollkommener Markt wird durch die Mechanismen von Angebot und Nachfrage zu einer Effizienz der Allokation70 gelangen. Märkte sind in der Realität nicht vollkommen. Negative oder positive Effekte außerhalb des konkreten Marktes, sog. Externalitäten, öffentlich zugängliche Güter, Monopolstellungen sowie asymmetrische Informationsverteilungen verhindern die effiziente Allokation. Es wird in diesem Fall von Marktversagen gesprochen71. Ein solches Marktversagen rechtfertigt staatliche Regulierung. Die externe Rechnungslegung dient also dem Abbau asymmetrischer Informationen zwischen dem Unternehmen und unterschiedlichen Stakeholdern. Hierbei von »dem Zweck« der handelsrechtlichen Rechnungslegung zu sprechen würde indes zu kurz greifen. Als Basis für die Auslegung von Rechnungslegungsnormen müssen die unterschiedlichen Jahresabschlusszwecke vielmehr fein differenziert werden. Das konkrete Informationsinteresse ist nämlich Grundlage der jeweiligen Rechnungslegung. Im Rahmen der bilanztheoretischen Überlegungen soll daher näher herausgearbeitet werden, ob es überhaupt »die Bilanz« geben kann, welche asymmetrische Informationen abbaut. An dieser Stelle soll es genügen, auf die einzelnen Elemente im »Zwecksystem des Jahresabschlusses«72 aus Sicht des deutschen Handelsrechts einzugehen. Das HGB konkretisiert den Zweck der Bilanzaufstellung nicht. Lediglich § 264 Abs. 2 HGB enthält die Aussage, dass der Jahresabschluss einer Kapitalgesellschaft unter Beachtung der GoB ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu vermitteln hat. »Vermögen« und »Erfolg« stellen damit Zielgrößen dar für welche auf die GoB verwiesen wird. Diese Grundsätze sind nach überzeugender Auffassung73 aber gerade durch Deduktion aus den Jahresabschlusszielen herzuleiten74. Darüber hinaus sind die Begriffe »Vermögen« und »Erfolg« ihrerseits vieldeutig und ihre konkrete De69 Vgl. Wollenschläger, EuZW 2015, 285. 70 Hierzu grundlegend Mankiw/Taylor, Grundzüge der VWL, 2016, S. 8f. mit Ausführungen zum von Adam Smith in seinem Hauptwerk »The Wealth of Nations« entwickelten Prinzip der »unsichtbaren Hand«; außerdem einführend in die Theorie von Angebot und Nachfrage Samuelson/Nordhaus, Volkswirtschaftslehre, 2007, S. 52ff., 79ff.; zum Spezialfall der Informationseffizienz von Kapitalmärkten siehe Wagenhofer/Ewert, Externe Unternehmensrechnung, 2015, S. 93ff. 71 Für eine ausführliche Darstellung des Problems des Marktversagens s. etwa Baßeler/Heinrich/ Utecht, Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, 2010, S. 44ff.; Mankiw/Taylor, Grundzüge der VWL, 2016, S. 311ff.; Klump, Wirtschaftspolitik, 2013, S. 61ff. 72 Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 2017, S. 102; weiterführend zu den Jahresabschlusszwecken auch Brönner/Bareis/Hahn/Maurer/Schramm, Die Bilanz nach Handels- und Steuerrecht, 2011, S. 34ff. 73 Vgl. Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, 2018, S. 18, 39. 74 Zur Ermittlung der GoB samt Stand zur Wissenschaft und Praxis s. BeBiKo-Schmidt/Usinger (2018), § 243 Rn. 11ff.

Rechnungslegung im Deutschen und Europäischen Rechtsraum

39

finition erfordert einen Bezug zum Zwecksystem eines Rechnungslegungssystems75. Die Zwecksetzung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses wurde indes in der Literatur im Laufe der Zeit präzise formuliert76. Grundlegend erfüllt der Jahresabschluss eine Dokumentationsfunktion im Sinne der Vermittlung nachprüfbarer, durch zahlungsorientierte Abbildung objektivierter Informationen über vergangene Geschäftsvorfälle77. Mittels dieser Dokumentation dient der Jahresabschluss einerseits der Bereitstellung von Informationen (Informationsfunktion) 78 sowie als Grundlage von erfolgsabhängigen Zahlungsbemessungen (Zahlungsbemessungsfunktion oder auch genauer Ausschüttungsbemessungsfunktion) 79. In neuerer Entwicklung ist die Rechnungslegung vor dem Hintergrund einer Wirtschaftsunion zunehmend Regelungsgegenstand der Europäischen Union, so dass die nationale Regulierung in den Hintergrund rückt. Als gemeinsamer Konsens innerhalb der EU dienen vornehmlich die Rechnungslegungsstandards der privatrechtlich organisierten IFRSF. 3.

Europäisierung und Internationalisierung

Mit zunehmender Globalisierung und Internationalisierung des Wirtschaftsverkehrs korrespondiert ein gesteigertes Interesse an einer international vereinheitlichten, wenigstens aber vergleichbaren Rechnungslegung. Insbesondere innerhalb der Europäischen Union mit ihrem Bestreben der Schaffung einer vollumfänglichen Wirtschaftsunion war eine Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse der Unternehmen unterschiedlicher Mitgliedsstaaten dringend geboten. Eine erste vorsichtige Angleichung der nationalen Rechnungslegungsvorschriften wurde durch die 4. EG-Richtlinie vom 25. 07. 1978 (78/660/EWG – Bilanzrichtlinie) angestrebt. Sie stellte eine Kompromisslösung dar und sah eine Vielzahl von Mitgliedsstaatenwahlrechten vor, welche einer Harmonisierung

75 Vgl. Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, 2018, S. 18. 76 Zur Zweckorientierung und den konkreten Zwecksetzungen des HGB-Jahresabschlusses s. Bitz/Schneeloch/Wittstock/Patek, Der Jahresabschluss, 2014, S. 40ff.; Bieg/Kußmaul/Waschbusch, Externes Rechnungswesen, 2012, S. 20ff. 77 Zur Dokumentationsfunktion s. MüKo/Bilanzrecht-Kleindiek (2013), § 242 HGB Rn. 5 (»Elementarzweck jeder Buchführungs- und Bilanzierungspflicht«); Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 2017, S. 94f.; Moxter, Bilanzlehre Bd. 1, 1984, S. 81ff. (der aber als aussagekräftigen Bilanztyp nur die »vollständigkeitsorientierte Zerschlagungsbilanz« ansieht, S. 84f.); Wagenhofer/Ewert, Externe Unternehmensrechnung, 2015, S. 8f. 78 Zur Informationsfunktion s. Kleindiek, ZGR 1998, 466, 467 ff.; Leffson, GoB, 1987, S. 63ff.; Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 2017, S. 95ff. (dort »Rechenschaftsfunktion«). 79 Vgl. Coenenberg/Haller//Schultze, Jahresabschluss, 2018, S. 19f.; MüKo/Bilanzrecht-Kleindiek (2013), § 242 HGB Rn. 5.

40

Teil 1: Themenspezifische Grundlagen

letztlich entgegenstanden80. Die Umsetzung in deutsches Recht geschah durch das Bilanzrichtlinien-Gesetz (BiRiLiG) vom 19. 12. 198581. Mit dem BilReG vom 04. 12. 2004 und dem BilMoG vom 25. 05. 2009 wurde die HGB-Rechnungslegung in Umsetzung der Fair-Value-Richtlinie (2001/65/EG vom 27. 09. 2001) sowie der Modernisierungsrichtlinie (2003/51/EG vom 18. 06. 2003) weiter europäisiert. Das BilMoG hat die Zielsetzung, eine Anpassung an die internationalen Rechnungslegungsstandards für handelsbilanzielle Abschlüsse zu schaffen ohne die Unternehmen an die komplexe und kostenintensive IFRSBilanzierung zu binden82. Derzeit findet eine der größten Harmonisierungen der Rechnungslegung durch Umsetzung der EU-Bilanzrichtlinie vom 26. 06. 2013 (2013/34/EU), welche die 4. und 7. Bilanzrichtlinie ersetzt hat, durch das BilRUG vom 27. 07. 201483 statt. Die neuen europäischen Rechnungslegungsvorschriften sind verpflichtend für Geschäftsjahre ab dem 01. 01. 2016 anzuwenden. Mit der Bilanzrichtlinie orientiert sich die Europäische Kommission wieder stärker auf den Grundsatz der Subsidiarität und besinnt sich auf die Mindestharmonisierung84. Ein allgemeiner Rahmen der Finanzberichtserstattung auf europäischer Ebene wird insgesamt nunmehr über die Bankzweigniederlassungsrichtlinie (89/ 666/EWG), Kapitalerhaltungsrichtlinie (2012/30/EU), Veröffentlichungsrichtlinie (2009/101/EG) sowie die Bilanzrichtlinie (2013/34/EU) geschaffen. Die Bestrebungen zur Schaffung einer umfassenden einheitlichen und selbstständigen europäischen Regulierung der Rechnungslegung scheiterten am Widerstand und divergierenden Systemen der Mitgliedsstaaten85. Es konnte jedoch ein Konsens dahingehend erreicht werden, dass die IFRS-Rechnungslegungsstandards von allen Mitgliedsstaaten wenigstens für die Rechnungslegung kapitalmarktorientierter Konzerne akzeptiert wurden. Zunächst wurden deshalb mit der EU-Modernisierungsrichtlinie vom 18. 06. 2003 (EG-RL 2003/51) die bisherigen EG-Rechnungslegungsrichtlinien derart umgestaltet, dass die Einbeziehung der IFRS möglich war. Die IAS-Verordnung vom 19. 07. 2002 (EG-VO 2002/1606) bildet 80 Vgl. Castan, Rechnungslegung in der Europäischen Gemeinschaft, 1993, S. 4. 81 Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts, vgl. BGBl. I, S. 2355. 82 Vgl. BT-Drucks. 16/12407, S. 1, 83ff. 83 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates (Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz) vom 17. 07. 2015, vgl. BGBl. I, S. 1245ff. 84 Vgl. Erwägungsgrund 1 der EU-Bilanzrichtlinie; Merkt/Probst/Fink, Rechnungslegung nach HGB und IFRS, 2017, Rn. 28. 85 Vgl. Europäische Kommission, Maystadt-Bericht, 2013, S. 5.

Rechnungslegung im Deutschen und Europäischen Rechtsraum

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die Grundverordnung die es der Kommission ermöglicht mittels Übernahmeverordnungen IFRS als europäisches Sekundärrecht zu übernehmen. Nach dieser Verordnung sind die kapitalmarktorientierten Unternehmen der Mitgliedsstaaten erstmals ab 2005 verpflichtet, Jahresabschlüsse nach den in europäisches Sekundärrecht übernommenen IFRS zu erstellen, Art. 4 IAS-VO. Die Umsetzung dieser Verordnung findet sich für den deutschen Rechtsraum in § 315e HGB (ex § 315a HGB). Demgemäß müssen kapitalmarktorientierte Unternehmen ihre Konzernabschlüsse nach den übernommenen internationalen Rechnungslegungsstandards erstellen, § 315e Abs. 1 und 2 HGB. Für nicht kapitalmarktorientierte Konzerne sieht § 315e Abs. 3 HGB die freiwillige Anwendung dieser Standards vor86. Die Veröffentlichung von IFRS-Einzelabschlüssen anstelle der HGB-Jahresabschlüsse wird durch § 325 Abs. 2a HGB gestattet, ohne dass hiervon die Pflicht zur Aufstellung eines HGB-Jahresabschlusses berührt wird. Bezüglich der darüber hinaus vom IASB schon im Jahr 2009 verabschiedeten Rechnungslegungsstandards für KMU (»IFRS for small- and medium-sized entities«87) ist eine Umsetzung innerhalb Europas noch offen88. Es besteht eine ausgeprägte Diskussion darüber, ob die IFRS für KMU sinnvoll ausgestaltet werden können und ob das IASB zur Verabschiedung mittelstandstauglicher Rechnungslegungsregeln überhaupt in der Lage ist89. Jedenfalls hat die Europäische Kommission mit der EU-Bilanzrichtlinie deutlich gemacht, dass der Fokus der Bilanzrechtsharmonisierung zukünftig wieder auf den KMU liegen soll90, für diese folglich derzeit autonome Bestrebungen auf europäischer Ebene laufen. Für den weiteren Gang der Untersuchung in Bezug auf Anwendung und Auslegung der IFRS werden die IFRS for SMEs daher außer Acht gelassen und die Ausrichtung der IFRS auf kapitalmarktorientierte und international bzw. global tätige Unternehmen in den Vordergrund gestellt. Für die Frage nach der Aus-

86 Die Wahlmöglichkeit der Mitgliedsstaaten, die IFRS auch für den Einzelabschluss vorzusehen, wird gegenüber einer vollumfänglichen Anwendungspflicht, trotz etwaigen Handels von KMU an multilateralen Handelssystemen (MTF), von der Kommission weiterhin als angemessen angesehen, vgl. Europäische Kommission, Bewertung der IAS-VO = KOM 2015, 301, S. 12. 87 Vgl. zur aktuellen Entwicklung die Informationen der IFRSF unter: https://www.ifrs.org/iss ued-standards/ifrs-for-smes/ (letzter Zugriff am 06. 11. 2019). 88 Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, 2017, S. 48; Global gesehen gibt es aber bereits Staaten, die die IFRS for SMEs anwenden oder zumindest darüber nachdenken, s. hierzu: IFRS Foundation, IFRS for SMEs fact sheet, erhältlich auf: http://ww w.ifrs.org (Stand: Dezember 2016). 89 Vgl. Fülbier/Gassen/Ott, DB 2010, 1357ff.; EU Kommission, Summary Report SME, Brüssel 2010; zur Kritik in Bezug auf KMU vgl. auch Kahle/Günter, StuW 2012, 43, 47f. 90 Vgl. Lutter/Bayer/Schmidt, Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, 2012, S. 155.

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Teil 1: Themenspezifische Grundlagen

legung deutschen Handelsrechts auf Grundlage der IFRS wird indes auf die Bedeutung der IFRS for SMEs der Vollständigkeit halber eingegangen. Der Zweck von IFRS-Abschlüssen ist dem Conceptual Framework zu entnehmen. Im Vordergrund steht die »decision usefulness«, d. h. die Nützlichkeit der Information für Anlageentscheidungen, vgl. CF.OB 2. Hier wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein IFRS-Abschluss nicht sämtliche Informationsbedürfnisse befriedigen kann und bei Zielkonflikten eine primäre Orientierung an den Informationsinteressen von Investoren, Kreditgebern sowie weiterer Gläubiger stattzufinden hat, vgl. CF.OB 2–391. Insgesamt zeigt sich, dass allgemein eine Harmonisierung und Europäisierung der deutschen Rechnungslegung fortschreitet und damit Annäherungstendenzen an die IFRS92 einhergehen. Für kapitalmarktorientierte Unternehmen sind durch die IAS-Verordnung in Verbindung mit § 315e Abs. 1 und 2 HGB verpflichtend Konzernabschlüsse nach den übernommenen IFRS aufzustellen, so dass sich hier eine Globalisierungstendenz der Rechnungslegung abzeichnet. Für die Zukunft ist ein weiteres Fortschreiten dieser Entwicklung und damit einhergehend eine ausgeprägtere Bedeutung der internationalen Rechnungslegungsstandards zu erwarten. Der deutsche Gesetzgeber passt die HGB-Rechnungslegung an die internationale Praxis an, der nationale Standardsetter – der DRSC e.V. – steht in engem Austausch mit der IFRSF93, der europäische Gesetzgeber ist bemüht, möglichst umfassend das IFRS-System in europäisches Sekundärrecht zu übernehmen und die IFRSF versucht, die IFRS auch für KMU handhabbar zu machen. Für börsennotierte Unternehmen werden die IFRS in 25 Rechtskreisen gestattet, in weiteren 9 für einige Unternehmen vorgeschrieben und in 98 Rechtskreisen für alle Unternehmen vorgeschrieben94. Die internationalen Rechnungslegungsstandards des privaten Standardsetters IASB finden global Anerkennung.

91 S. auch Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, 2017, S. 99; Eine genauere Einordnung der Regelungsprinzipien der IFRS findet sich in Teil 2 dieser Arbeit. 92 So auch Kirsch, Einführung in die internationale Rechnungslegung nach IFRS, 2016, S. 10; Kirsch, IRZ 2015, 99ff. 93 Hierzu ausführlich Teil 2 Kapitel C V. 4. f. ee. sowie VI. 2. c. ee. 94 S. zur Anwendung der IFRS in einzelnen Rechtskreisen die aktualisierte Auflistung von Deloitte, erhältlich auf: https://www.iasplus.com/de/resources/ifrs-topics/use-of-ifrs (letzter Zugriff am 06. 11. 2019).

Rechnungslegung im Deutschen und Europäischen Rechtsraum

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II.

Bilanzwissenschaft

1.

Bedeutung der Bilanzwissenschaft für die Auslegung und Anwendung von Rechnungslegungsnormen

Eine wichtige Grundlage für das Verständnis von Anforderungen, Anwendung und Auslegung externer Rechnungslegungsvorschriften ist die bilanztheoretische Wissenschaft95. Auch wenn mitunter festgestellt wird, bilanztheoretische Überlegungen könnten nichts zu konkreten Auslegungsfragen beitragen96, so ist es doch die Wissenschaft, die in der internationalen Rechnungslegung, in der aufgrund widerstreitender und veränderlicher Interessen »nur der Wandel beständig bleibt […], einen archimedischen Punkt gegen sich wandelnde Interessen bietet«97. Die Bilanztheorie ist daher der wissenschaftliche Bezugspunkt, der eine übergeordnete normative Anknüpfung für die juristische Tätigkeit ermöglicht. Durch diese wissenschaftliche Disziplin wird deutlich, was eine Rechnungslegung überhaupt leisten kann und inwieweit Anwendung und Auslegung an bestimmte Zweckbindungen geknüpft werden müssen um sich so in das Gesamtsystem zu fügen. Während die kontinentaleuropäische Rechtsanwendung in der Regel teleologische Argumente aus übergeordneten Normzwecken abzuleiten versucht, ist das normative System der IFRS oftmals induktiv. Die Bilanztheorie versucht hingegen einen Zugang auf abstrakter, theoretischer Ebene zu schaffen, die ein Verständnis jeder Art von Bilanz ermöglichen kann. Damit wird eine Abstraktion von dem von Einzelnormen geprägten IFRS-System möglich, welches dann eine Anwendung der tragenden Wertungen auf bislang nicht geklärte Bilanzierungsfragen ermöglichen kann und somit die deduktive Ableitung teleologischer Argumente ermöglichen könnte.

95 Für einen umfassenden historischen Überblick über die bilanztheoretische Wissenschaft und die maßgeblichen Begrifflichkeiten bieten sich die Darstellungen bei Kosiol [Hrsg.], Handwörterbuch des Rechnungswesens, 1981, S. 235ff. sowie bei Schneider, Betriebswirtschaftslehre Bd. 4, S. 867ff. an. 96 In diese Richtung etwa Hennrichs/Pöschke, Der Konzern 2009, 532, 534, der allerdings zutreffend darauf hinweist, dass etwa das HGB »nicht einer bestimmten Bilanztheorie [folgt]«. Ablehnend zu »eindimensionalen Erklärungsansätzen« auf Grundlage einer bestimmten bilanztheoretischen Doktrin (etwa statisch, dynamisch oder organisch) auch Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 2006, § 19 II. 2. Bei genauerer Betrachtung widersprechen diese Auffassung der hier vertretenen Sichtweise aber auch nicht, da auch in der hiesigen Untersuchung ein bilanzwissenschaftlicher Zugang nicht auf Ebene einer bestimmten Bilanztheorie gesucht wird, sondern die Bilanzwissenschaft als solche geeignet erscheint, die Wertungen der Bilanzierungsstandards zu abstrahieren. 97 Vgl. Wüstemann, BB 2014, Heft 41, S. I.; zur Kritik an mangelndem Interesse der Bilanzrechtler an normativer Bilanzforschung s. die Nachweise bei Haaker, DB 2016, Heft 38, S. M5; s. auch schon Wüstemann/Kierzek, ZfBf 2007, 882, 906, welche der normativen Bilanztheorie im Rahmen des privaten Standardsettings zutreffend eine Renaissance bescheiden.

44

Teil 1: Themenspezifische Grundlagen

Das heißt aber nicht, dass die Bilanztheorie stets selbst deduktiv sein muss. Vielmehr gibt es induktive Bilanztheorien, die durch Beobachtungen der Bilanzierungspraxis versuchen den »verborgenen und des Beteiligten kaum bewußten Grundgedanken herauszuarbeiten«98. Im Gegensatz zum Gesetzgeber schenken private Institutionen der Bilanztheorie eine größere Aufmerksamkeit bei ihrer Regulierungstätigkeit99, was deren Bedeutung für die vorliegende Arbeit hervorhebt. Es sei darauf hingewiesen, dass sich die Bilanztheorien häufig auf einzelne Teilperioden beziehen, in der Regel Jahre. Außerdem wendet sich die Bilanztheorie auch der Erfolgsrechnung zu, so dass richtigerweise von einer (Jahres-)«Bilanz- und Erfolgsrechnungstheorie»100 gesprochen werden muss. 2.

Entwicklung der Bilanzwissenschaft

Bei der Bilanzwissenschaft handelt es sich um ein breites und komplexes Feld, weshalb hier nur eine für den Fortgang der Untersuchung ausreichende Grundlage geschaffen werden kann und soll, welche einige der wichtigsten bilanztheoretischen Ansätze umfasst101. Hier wird eine Unterscheidung zwischen den klassischen Bilanztheorien, denen die statische, dynamische und organische Bilanztheorie zuzuordnen sind und der funktionsanalytischen Bilanztheorie vorgenommen. Es darf nicht der Fehler gemacht werden, die klassischen Bilanztheorien als veraltet oder überholt anzusehen. Vielmehr bieten sie eine Dogmengeschichte, die auch im modernen Bilanzrecht eine wichtige Rolle spielt102. Dennoch werden hier lediglich einige Grundprinzipien der einzelnen klassischen Theorien herausgearbeitet. Grundsätzlich unterscheiden sich diese Theorien dahingehend, ob die Vermögens- oder Gewinnermittlung in den Vordergrund der Rechnungslegung gerückt wird. Den Anfang machte im Jahr 1886 der Berliner Anwalt Herman Veit Simon (1856–1914). Seines Erachtens sei Zweck der Bilanz die jährliche Ermittlung des Vermögens des Kaufmanns103. Der Gewinn könne dann ohne weiteres aus einem Vermögensvergleich als Vermögenszuwachs ermittelt werden. Die Logik erscheint auf den ersten Blick trivial und unumstößlich. Die Erhöhung des Ver98 99 100 101

Vgl. Hax, in: Kosiol [Hrsg.], Handwörterbuch des Rechnungswesens, 1978, S. 239. Vgl. Wolk/Dodd/Rozycki, Accounting Theory, 2008, S. 4–5. Vgl. Seicht, in: Kosiol [Hrsg.], Handwörterbuch des Rechnungswesens, 1981, S. 259. Für eine ausführliche Darstellung sei auf Deegan/Unerman, Financial Accounting Theory, 2011 und Moxter, Bilanzlehre Bd. 1 und 2, 1984, 1986 verwiesen. Grundlegende Ausführungen finden sich außerdem bei Bieg/Kußmaul/Waschbusch, Externes Rechnungswesen, 2012, S. 12ff. und Bitz/Schneeloch/Wittstock/Patek, Der Jahresabschluss, 2014, S. 59ff. 102 Vgl. Moxter, Bilanzlehre Bd. 1., 1984, S. 2. Er kritisiert insoweit den »theorieverachtenden Nurpraktiker«, dessen Merkmal das »Handeln trotz Undifferenziertheit des Denkens« sei. 103 Vgl. Simon, Die Bilanzen der Aktiengesellschaften, 1886, S. 2.

Rechnungslegung im Deutschen und Europäischen Rechtsraum

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mögensbestandes, freilich unter Berücksichtigung von Aktiv- und Passivposten, muss das sein, was der Kaufmann als Gewinn erwirtschaftet hat. Diese Gewinndefinition ist aber keineswegs zwingend. Insoweit hat die dynamische Bilanztheorie eine geradezu gegensätzliche Sicht. Als Begründer dieser Theorie gilt der Betriebswirt Eugen Schmalenbach (1873– 1955). Er konnte auf Grundlage empirischer Beobachtungen erkennen, dass Zahlungsstockungen nicht auf der Unkenntnis der eigenen Vermögenslage, sondern vielmehr als Folge der Unkenntnis über die Veränderung der Vermögenslage resultieren. Wesentlicher Zweck der Bilanz sei nach seiner Auffassung die Beobachtung der Entwicklung der Vermögenslage104. Die Bilanz könne gerade nicht die Vermögenslage des Unternehmens abbilden, da sie nicht sämtliche Wertfaktoren beinhalte. Im Vordergrund steht die Gewinn- und Verlustrechnung. In diesem Zusammenhang muss auch die Bilanz der Erfolgsermittlung dienen105. Die Bilanz hat damit den Zweck eines Rechnungsabgrenzungskontos als Verknüpfung für schwebende Posten zwischen Ein- und Auszahlungen sowie Erträgen und Aufwendungen106. Um eine angemessene Erfolgsermittlung zu ermöglichen, ist dabei teilweise eine falsche Vermögensermittlung in Kauf zu nehmen107. Während nach der statischen Bilanztheorie richtige Gewinnermittlung nur durch richtige Vermögensermittlung möglich sein soll108, widerspricht die dynamische Theorie dieser Auffassung ausdrücklich. Als übergeordneten Zweck der Gewinnermittlung sieht Schmalenbach die Unterstützung einer richtigen Betriebssteuerung109. Die Sichtweise die einer solchen Bilanzierung zugrunde liegt, ist daher eher zukunftsgerichtet. Dabei bleibt die Frage, ob die Ermittlung eines aussagefähigen Gewinns insbesondere Gläubigerschutzinteressen genügen kann. Die dynamische Bilanztheorie, wenngleich sie als »Pionierwerk«110 gesehen wird, musste sich daher insgesamt umfassender Kritik gegenübersehen111. Eine über das Einzelunternehmen hinausgehende, volkswirtschaftliche Betrachtung der Bilanzierung nahm der Betriebswirt und Nationalökonom Schmidt (1882–1950) mit seiner organischen Bilanztheorie vor. Dabei betrachtet er das Verhältnis von richtiger Vermögens- und Erfolgsermittlung nicht als exklusiv,

104 Vgl. Schmalenbach, Dynamische Bilanz, 1962, S. 26. 105 Vgl. Münstermann, in: Kosiol [Hrsg.], Handwörterbuch des Rechnungswesens, 1981, S. 272. 106 Vgl. Schmalenbach, Dynamische Bilanz, 1962, S. 72ff., 74 (»Bilanz ist mithin die Darstellung des Kräftespeichers der Unternehmung«). 107 Ein aufschlussreiches Beispiel über die Verzerrung durch schwebende Posten in der Bilanz findet sich bei Bitz/Schneeloch/Wittstock/Patek, Der Jahresabschluss, 2014, S. 65. 108 Vgl. Moxter, Bilanzlehre, Bd. 1, 1984, S. 5. 109 Vgl. Schmalenbach, Dynamische Bilanz, 1962, S. 50f. 110 Vgl. Moxter, Bilanzlehre, Bd. 1, 1984, S. 55. 111 Dies wird besonders deutlich bei Rieger, Schmalenbachs Dynamische Bilanz, 1954, S. 136.

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Teil 1: Themenspezifische Grundlagen

sondern hält die kumulative Ermittlung für möglich und notwendig112. Er geht sogar noch einen Schritt weiter und erklärt seine Bilanztheorie für universell, d. h. unabhängig von einer zweckorientierten Betrachtung für anwendbar113. Diese kumulative Vermögens- und Erfolgsermittlung soll gelingen, indem Tagesbeschaffungswerte angesetzt und hierdurch Reproduktionswerte des Unternehmens ermittelt werden114. Der Ertragswert einer Unternehmung soll nämlich bei jederzeit vollständiger Reproduzierbarkeit dem Reproduktionswert entsprechen115. Kritisiert wurde diese Betrachtung vor allen Dingen deshalb, weil gerade die Bilanzierung immaterieller Vermögensgegenstände Kenntnis des Ertragswerts voraussetzt116. Den bislang vorgestellten Theorien ist gemein, dass sie von der Erforderlichkeit einer einzigen Bilanz ausgehen. Auf den Zweck der Bilanz kommt es dafür nicht an. Diese Sicht hat sich unter Beachtung der angesprochenen Probleme der Bilanztheorien gewandelt. Namhafte Wissenschaftler, insbesondere Stützel117 und Moxter118, lösten sich vom Gedanken einer Universalbilanz und erklärten die Bilanz als zweckorientiertes Konstrukt. Der Bilanzzweck ist der normative Bezugspunkt des gesamten Jahresabschlusses, der erst das Wertsystem konstituiert119. Nach dieser überzeugenden Auffassung gibt es nicht nur die eine Bilanz, welche für jeden Zweck die notwendigen Informationen bietet. Vielmehr muss zunächst ermittelt werden, was der jeweilige Adressat erreichen will und welche Informationen er für die Entscheidung benötigt, d. h. welche Aufgabe die Bilanz zu erfüllen hat. Erst im nächsten Schritt können aufgabenadäquate Bilanzierungsnormen ermittelt werden. Insoweit spielt der Bilanzzweck auch eine entscheidende Rolle bei der Anwendung der Bilanzierungsregeln. Gerade für Auslegungsfragen bildet der Bilanzzweck einen unerlässlichen Beurteilungsmaßstab und eine Erkenntnisquelle. Daraus resultiert die Bedeutung der Bilanzwissenschaft für die hiesige Untersuchung, da nur auf wissenschaftlicher Grundlage im volkswirtschaftlichen Kontext der jeweiligen Jurisdiktion mit seinem eigen112 Vgl. Schmidt, Organische Tageswertbilanz, 1951, S. 81 (»sowohl als auch«). 113 Vgl. Schmidt, Organische Tageswertbilanz, 1951, S. 53f., 83. 114 Vgl. Schmidt, Organische Tageswertbilanz, 1951, S. 74. Dabei muss berücksichtigt werden, dass Schmidt seit 1913 Professor für Betriebswirtschaftslehre in Frankfurt war und sein wissenschaftliches Denken unter den volkswirtschaftlichen Bedingungen hoher Inflation geprägt war. Tagesbeschaffungswerte ermöglichten in diesem Rahmen die Erfassung von Preisänderungen, was zu dieser Zeit erhebliche Auswirkungen hatte. 115 Vgl. auch zur Herleitung Schmidt, Organische Tageswertbilanz, 1951, S. 121. 116 Zur Kritik vgl. etwa Moxter, Bilanzlehre, Bd. 1, 1984, S. 73f. 117 Vgl. Stützel, Bilanztheorie, 1967, Vorwort. 118 Vgl. Moxter, Bilanzlehre, Bd. 1, 1984, S. 2. 119 Vgl. Seicht, Bilanztheorien, 1982, S. 86ff. m. w. N.; Engels, Bewertungslehre, 1962, S. 12; Heinen, Handelsbilanzen, 1986, S. 25ff.

Rechnungslegung im Deutschen und Europäischen Rechtsraum

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tümlichen Zwecksystem eine methodische Anwendung von Rechnungslegungsnormen möglich ist. Eine Renaissance erlebte die Bilanztheorie gemeinsam mit der aufstrebenden wirtschaftswissenschaftlichen Informations- und Institutionenökonomie, welche Ideen nach alternativen Konzepten zur Vermittlung von Informationen über Geschäftsvorfälle aufkommen ließen120. Solche Konzepte bezogen sich dann mitunter auch auf die Zukunftsorientierung der Informationsvermittlung. Eine solche Forderung ist heute mit Hinblick auf die Kapitalmarkttheorie und zunehmender Internationalisierung und Globalisierung aktueller denn je. Ein Aspekt ist hervorzuheben: Heute ist gemeinhin anerkannt, dass die zeitliche Blickrichtung eines Jahresabschlusses sowohl vergangenheits-, gegenwartsals auch zukunftsorientiert sein kann121. Die IFRSF betont ausdrücklich die Zukunftsorientierung der IFRS122. Dass eine solche Zukunftsorientierung durch einen Jahresabschluss überhaupt geleistet werden kann ist aber keinesfalls selbstverständlich, sondern scheint eher Gegenstand der Unternehmensbewertung zu sein. Isaac führt insoweit aus, dass »die Bilanz wie überhaupt das Rechnungswesen, nur über die Vergangenheit, bestenfalls über die Gegenwart, Auskunft«123 geben kann. Diese unklare Trennung zwischen Rechnungslegung und Unternehmensbewertung ist für die den IFRS immanente zukunftsorientierte Auslegung von Bedeutung. Hervorgehoben werden muss auch, dass zwischen volkswirtschaftlicher Stabilität und dem vorherrschenden Rechnungslegungssystem ein enger Zusammenhang besteht. Aus bilanztheoretischer Sicht muss der Jahresabschluss daher auch stabilitätsorientiert betrachtet werden124. Trotz der häufig formalistisch anmutenden deduktiven Logik darf in den nachfolgenden Überlegungen nicht außer Acht gelassen werden, dass die Rechnungslegung ein praktisch aus dem Unternehmertum erwachsenes Konstrukt ist. Dementsprechend kann – in Anlehnung an die zweckorientierte Bilanztheorie – eine Deduktion nur aus denjenigen Zwecken erfolgen, die zuvor induktiv anhand der Beobachtung der praktischen Bilanzierungspraxis festgelegt wurden (induktive Bilanztheorie). Die jeweiligen übergeordneten Prinzipien entspringen damit dem engen Zusammenspiel mit den Grundbedingungen und Erfordernissen einer jeweiligen Volkswirtschaft125.

120 121 122 123 124 125

Vgl. Schneider, Betriebswirtschaftslehre Bd. 4, 2001, S. 1010. Vgl. Zitat am Anfang bei Küting/Lam, DB 2013, 1737. Zum Zukunftsbezug der IFRS vgl. Küting/Lam, DB 2013, 1737ff. Vgl. Isaac, Bilanzen, 1930, S. 67. Vgl. hierzu ausführlich Schmitz, Wirtschaftskrisen und Rechnungslegung, 2016. Hierzu später Teil 2 Kapitel C II. 5.

48 III.

Teil 1: Themenspezifische Grundlagen

Bilanzrecht als Richterrecht

Das deutsche Bilanzrecht zeichnet sich durch eine verhältnismäßig geringe Kodifizierung der Rechtsgrundsätze aus. Hierzu hat sich über Jahrzehnte eine umfassende, konkretisierende Rechtsprechung entwickelt, welche insbesondere durch den BFH zu einer in sich geschlossenen, systematischen Auslegung geführt hat126. Die deutsche Bilanzrechtsprechung gilt insoweit als einzigartig127. Entscheidende Grundlage einer das Handelsrecht beeinflussenden Finanzrechtsprechung bildete dabei das Maßgeblichkeitsprinzip handelsrechtlicher Grundsätze der Rechnungslegung für die Steuerbilanz, welche ursprünglich auch die sog. umgekehrte Maßgeblichkeit beinhaltete128. Aus deutscher Sicht sind die gerichtliche Kontrolle und das richterliche Auslegungsmonopol für die Rechnungslegung fundamental. Die Auslegung handelsrechtlicher Bilanzierungsvorschriften erfolgt dabei primär durch den BFH, welcher auch als »Hüterin des Bilanzrechts«129 bezeichnet wurde. Eine ausführlichere Darstellung der Bedeutung des BFH für die Fortentwicklung des Bilanzrechts erfolgt im konkreten Forschungskontext in 3. Teil dieser Arbeit.

B.

Regulierung als Ausübung von Staatsgewalt

I.

Staatsgewalt

Der Begriff der Staatsgewalt umfasst nach der Rechtsprechung des BVerfG jedes amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter130 und ist damit weiter gefasst als derjenige der Hoheitsgewalt131. Umstritten ist insoweit, ob untergeordnete Aufgaben im Sinne vorbereitender oder technischer Tätigkeiten von der Staatsgewalt ausgenommen sind und damit nicht der Volkssouveränität des Art. 20 Abs. 2 GG

126 Hierzu etwa Kahle, Internationale Rechnungslegung, 2002, S. 171, 269; Moxter, GoB, S. 533ff., in: Bundesfinanzhof [Hrsg.], Festschrift 75 Jahre Reichsfinanzhof, 1993, S. 533–545 und Moxter, Bilanzrechtsprechung, 1996, S. 179; Crezelius, ZGR 1987, 1, 43; Döllerer, BB 1988, 238, 241. 127 So etwa Kahle, Internationale Rechnungslegung, 2002, S. 270; Groh, Der Kampf um das Maßgeblichkeitsprinzip, in: Meffert/Krawitz [Hrsg.], Unternehmensrechnung und -besteuerung [FS-Börner], 1998, S. 177, 179; Moxter, DStZ 2000, 157, 159. 128 S. hierzu ausführlich im Kontext der Untersuchung Teil 3 Kapitel E. 129 Vgl. Knobbe-Keuk, Bilanz-/Unternehmenssteuerrecht, 1993, S. 20; Moxter, ZGR 1980, 254, 255; Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 2015, Einführung Rn. 70. 130 S. BVerfGE 47, 253, 273; 83, 60, 73; 93, 37, 68ff.; 107, 59, 87. 131 Vgl. Maurer, Staatsrecht I, 2010, S. 182; Schmidt-Aßmann, AöR 1991, 329, 338f.; Maunz/ Dürig-Grzeszick (2018), Art. 20 Teil II. Rn. 90.

Regulierung als Ausübung von Staatsgewalt

49

unterliegen. Eine solche Auffassung vertritt das BVerfG132. Nach anderer Auffassung führt die Ausnahme solcher Tätigkeiten vom Begriff der Staatsgewalt zu einem Verstoß gegen das Demokratieprinzip133. Die Details dieser Meinungsstreitigkeit sind zu umfassend, um sie im hiesigen Kontext abhandeln zu können. Wichtig ist die Erkenntnis, dass nicht jede staatliche Aufgabe an dem gleichen Niveau demokratischer Legitimation gemessen werden. Die Bedeutung der Aufgabe für das Gemeinwesen bestimmt daher den Grad an verfassungsrechtlich gebotener demokratischer Legitimation134. Insoweit ist es mittlerweile weit überwiegend anerkannt, dass die Erledigung öffentlicher Aufgaben auf Selbstverwaltungskörperschaften übertragen werden kann (sog. funktionale Selbstverwaltung), deren Entscheidungen gerade nicht durch das gesamte Volk, sondern die Angehörigen der jeweiligen Körperschaft legitimiert sind135. Ähnlich verhält es sich, soweit private Akteure Regeln für einen originär staatlichen Regulierungszusammenhang aufstellen, was insoweit problematisch ist, als öffentliche Interessen durch diese Regulierungsform betroffen sein können oder der Staat sich derer Tätigkeit sogar bedient. Es lässt sich feststellen, dass sich die Ausübung von Staatsgewalt der politischen und wirtschaftlichen Wirklichkeit angepasst und neue Formen regulierender Tätigkeiten und Übertragung staatlicher Aufgaben hervorgebracht hat. In einer aktuellen Entscheidung hat das BVerfG jedoch entschieden, dass das demokratische Prinzip einer Verlagerung von Entscheidungskompetenzen auf inter- und supranationale Organisationen absolute Schranken setze136. Die Wahrung des demokratischen Prinzips erfordert ein Zusammenspiel aller drei Staatsgewalten, welche gemeinsam zum minimal erforderlichen, dynamisch an der Bedeutung der Aufgabe gemessenen Legitimationsniveau beitragen müssen.

132 S. BVerfGE 47, 253, 273f.; 83, 60, 74; zustimmend insbesondere Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, 1991, S. 214f. 133 S. nur Oebbecke, VerwArch 1990, 349, 356; Schmidt-Aßmann, AöR 1991, 329, 367; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 165ff. 134 In diese Richtung auch BVerfGE 83, 60, 74; 93, 37, 67ff.; Mehde, Neues Steuerungsmodell und Demokratieprinzip, 2000, S. 177; v. Mangoldt/Klein/Starck-Sommermann (2018), Art. 20 Rn. 185ff. 135 Vgl. BeckOK/GG-Huster/Rux (2018), Art. 20 Rn. 109ff.; ausführlich Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, 1991; v. Münch/Kunig-Schnapp (2012), Grundgesetz Kommentar, Art. 20 Rn. 28 (»Modell der autonomen Legitimation«); Dreier-Dreier (2015), Art. 20 Rn. 96 m.w.N. 136 S. BVerfGE 123, 267.

50 II.

Teil 1: Themenspezifische Grundlagen

Dreigliedrigkeit der Staatsgewalt und Kernbereichstheorie

Die Idee der dreigeteilten Staatsgewalt ist Ende des 17. Jahrhunderts von Locke137 und Mitte des 18. Jahrhunderts primär von Montesquieu138 entwickelt worden und prägte die Verfassung der United States von 1787 sowie diejenige Frankreichs von 1791139. Die Rezeption der Gewaltenteilung in seiner heutigen Gestalt erfolgte in Deutschland mit dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, welches am 23. 05. 1949 erlassen wurde140. Hier findet sich das Gewaltenteilungsprinzip in Artikel 20 Absatz 2. Die funktionelle Gewaltenteilung (Gewaltenunterscheidung) knüpft an die drei der umfassenden Staatsgewalt zugrundeliegenden Funktionen der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an141. Ziel ist dabei neben der Mäßigung und gegenseitiger Kontrolle öffentlicher Gewalt (»checks and balances«)142 die funktionsadäquate Zuordnung der Staatsaufgaben zum Zwecke der Effizienz143. Das Rechtsstaatsprinzip sowie das Demokratieprinzip sind auf eine Gewaltengliederung angewiesen144. In Bezug auf ein demokratisches System mit nur schwach ausgeprägten plebiszitären Elementen ist die Gewaltenteilung aus Sicht von Legitimationsaspekten ein Mittel um Widersprüche zwischen individueller und partizipativ-kollektiver Selbstbestimmung zu vermeiden145. Dieser Widerspruch wird durch Rechtserzeugungsvorgänge aufgehoben. Legitimationsbezogene Kriterien für die Zuordnung solcher Rechtserzeugungsvorgänge bilden der Grad an Allgemeinheit oder Individualisierung, der Zeitbezug sowie die Deter-

137 Vgl. Locke, Two Treatises of Government, second treatise, 1772, Chapter 8, §§ 107ff. 138 Vgl. Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, 1748, Buch XI, Kap. 6. 139 S. zum Prinzip der Gewaltenteilung Maunz/Dürig-Grzeszick (2018), Art. 20 Teil V. Rn. 1 ff.; Maurer, Staatsrecht I, 2010, S. 359ff.; Ipsen, Staatsrecht I, 2018, S. 208ff.; v. Mangoldt/Klein/ Starck-Sommermann (2018), Art. 20 GG Rn. 197ff.; Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, 2017, S. 162f.; Heymanns-Hofmann (2018), Art. 20 Rn. 53ff. 140 S. BGBl. S. 1; bereits in der Weimarer Reichsverfassung war die Gewaltenteilung verwirklicht, die Machtgewichtungen waren jedoch nicht ausgeglichen, weshalb das System nicht zweckmäßig umgesetzt wurde, vgl. Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Stärken und Schwächen der Weimarer Reichsverfassung, 2012, S. 7f. 141 Vgl. nur BeckOK/GG-Huster/Rux (2018), Art. 20 GG Rn. 155; Ipsen, Staatsrecht I, 2018, S. 209; Kahl/Waldhoff/Walter-Robbers, Art. 20 Rn. 3188ff.; Leibholz/Rinck/Hesselberger, Art. 20 Rn. 461ff. 142 So grundlegend BVerfGE 9, 268, 279f.; 67, 100, 130. 143 S. BVerfGE 68, 1, 86; aktuell auch BVerfGE 139, 321, 362; Ipsen, Staatsrecht I, 2018, S. 211f.; Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 2018, S. 15; BeckOK/GG-Huster/Rux (2018), Art. 20 Rn. 156. 144 Vgl. Maunz/Dürig-Grzeszick (2018), Art. 20 Teil V. Rn. 58; v. Mangoldt/Klein/Starck-Sommermann (2018), Art. 20 GG Rn. 205. 145 Zur Demokratie und Selbstbestimmung ausführlich Möllers, Gewaltengliederung, 2005, S. 40ff. sowie ders., Die drei Gewalten, 2008, S. 57ff.

Regulierung als Ausübung von Staatsgewalt

51

minierung durch Recht selbst oder nichtrechtliche Entscheidungsmaßstäbe146. Aus diesen Kriterien lassen sich die Funktionsbereiche der drei Gewalten ableiten und insbesondere auch der Umfang, in dem die Gewalten ihre Aufgaben hoheitlich ausüben müssen, um ein demokratisches System gewährleisten zu können. Das Gewaltenteilungsprinzip ist verletzt, wenn die verfassungsmäßig gebotene Gewichtsverteilung zwischen den Gewalten verletzt wird, d. h., soweit in den typischen, funktionsadäquaten Kernbereich autonomer Zuständigkeit und Wirkungsmöglichkeit einer Gewalt eingegriffen wird147. Im Ergebnis obliegt der legislativen Gewalt die Setzung abstrakt-genereller Normen, wobei sich der Gesetzgeber nicht durch die pauschale Übertragung seiner Normsetzungsbefugnisse auf die Exekutive entziehen darf 148. Der rechtsprechenden Gewalt obliegt zuvörderst die Aufgabe, Rechtsnormen verbindlich und auf den Einzelfall bezogen auszulegen und damit deren Inhalt zu konkretisieren149. Wenngleich in Deutschland solchen Urteilen der Instanzgerichte keine präjudiziale Wirkung zugesprochen wird, generiert insbesondere höchstrichterliche Rechtsprechung eine faktische Bindung über den Einzelfall hinaus150. Wenn in dieser Arbeit also von Anwendung oder Auslegung gesprochen wird, muss damit immer verbunden werden, dass eine Verbindlichkeit erst im Rahmen der richterlichen Auslegungstätigkeit entfaltet wird. Wichtig ist in diesem Zusammenhang aber, dass Gerichte nicht nach freiem Belieben auslegen dürfen, da ansonsten der Kernbereich der legislativen Gewalt berührt würde. Der Richter ist nach der heute wohl vorherrschende Auslegungstradition151 an den vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck des Gesetzes gebunden und darf die erkennbare Wertung des Gesetzgebers nicht durch seine eigenen materiellen Ge146 Vgl. Maunz/Dürig-Grzeszick (2018), Art. 20 Teil V. Rn. 62. 147 Hierzu m. w. N. v. Mangoldt/ Klein/Starck-Sommermann (2018), Art. 20 Rn. 216 sowie Dreier-Dreier (2015), Art. 20 Rn. 71. 148 S. BVerfGE 33, 125, 157; 111, 191, 216f.; Möllers, AöR 2007, 493, 510f.; Kahl/Waldhoff/WalterRobbers (2014), Art. 20 Rn. 3207f. 149 So etwa Kahl/Waldhoff/Walter-Robbers (2014), Art. 20 Rn. 3225f.; Nerlich, Auslegungsmethodik IFRS, 2007, S. 25; Badura, Staatsrecht, 2018, S. 859f.; Ipsen, Staatsrecht I, 2018, S. 207f.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 1999, Rn. 234ff. 150 Vgl. etwa Everling, Vorabentscheidungsverfahren, 1986, S. 205 sowie zum grundlegenden Problem der verfassungsgerichtlichen Jurisdiktion in Bezug auf den parlamentarischen Kernbereich Risse, Gesetzgebung und Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Magiera/Sommermann [Hrsg.], Gewaltenteilung im Verfassungsstaat, 2013, S. 15ff.; es sei an dieser Stelle auch darauf hingewiesen, dass die Höchstgerichte mitunter auch im Wege eines orbiter dictum über den Einzelfall hinausgehende Erwägungen für die Auslegung und Fortentwicklung des Rechts entscheiden. 151 In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass etwa die Auslegungslehre nach Savigny, die im weiteren noch eine wichtige Rolle spielen wird, das teleologische Element als Ergründung eines bestimmten Zwecks unbeachtet ließ und am kategorischen Imperativ Kants orientiert im Sinne einer freiheitlichen Interpretation von Rechntsnormen den »Gedanken« als maßgebliches Kriterium berücksichtigte, vgl. Teil 2 Kapitel C. V.

52

Teil 1: Themenspezifische Grundlagen

rechtigkeitsvorstellungen ersetzen152. Die gesetzgeberische Wertung innerhalb der Normsetzung ist daher nicht nur Grundlage der richterlichen Auslegung, sondern konstitutives Element und Kernbereich der legislativen Gewalt. Damit muss sich jede Normsetzung auf den Willen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers zurückführen lassen, wobei der Umfang des Legitimationsniveaus analog zu den obigen Überlegungen von der Bedeutung der konkreten gesetzgeberischen Tätigkeit für das Gemeinwesen abhängt.

III.

Das demokratische Prinzip auf europäischer Ebene

Die demokratische Staatsordnung als historische Errungenschaft lässt sich im Kern mit der von Abraham Lincoln artikulierten Gettysburg-Formel als »government of the people, by the people and for the people« anschaulich charakterisieren. Diese ist indes zu unbestimmt, um ein konkretes Demokratiemodell nach ihr zu schaffen153. Nach Auffassung des BVerfG sei »das demokratische Prinzip nicht abwägungsfähig und unantastbar«154. Auch einer solchen Aussage lässt sich kein materieller Inhalt des Demokratieprinzips entnehmen. Konkretisierende Demokratiemodelle zeigen eine breite Streuung des normativen Verständnisses des Demokratieprinzips auf 155. Um einen unionsspezifischen Demokratiebegriff verstehen zu können, muss auch die normative Verbindlichkeit von Demokratiemodellen geklärt werden. Die Demokratie ist eines der Grundprinzipien der Europäischen Union. In Art. 2 EUV wird das Staatsstrukturprinzip einer repräsentativen Demokratie ausgesprochen. Eine Konkretisierung des demokratischen Prinzips findet sich in Art. 9 bis 11 AEUV. Diese regeln, dass das demokratische Legitimationsniveau der sog. Verbandsgewalt der Union demjenigen der Staatsgewalt in den Mitgliedsstaaten entsprechen muss. Insoweit gelten die bisher herausgearbeiteten Grundsätze auch für die Ausübung von hoheitlicher Gewalt156 auf der Ebene der EU.

152 S. BVerfGE 82, 6, 11f.; 128, 193, 210; 132, 99, 127f.; zur problematischen Grenzziehung vgl. Teil 1 Kapitel C. 153 Zur Kritik s. auch Sartori, Demokratietheorie, 1992, S. 44f. 154 S. BVerfG, NJW 2009, 2267, 2269, Rn. 216. 155 Zu unterschiedlichen Ausprägungen der Demokratieidee s. nur Schmidt, Demokratietheorien, 2000; Sartori, Demokratietheorie, 1992; speziell zu Alternativmodellen demokratischer Legitimation v. Mangoldt/Klein/Starck-Sommermann (2018), Art. 20 Rn. 191ff. 156 Der Begriff der Staatsgewalt wurde an dieser Stelle bewusst vermieden. Dadurch soll der Eindruck vermieden werden, die EU erfülle die Staatsmerkmale Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt der Drei-Element-Lehre von Georg Jellinek. Die EU erfüllt keines dieser Merkmale vollkommen. Hierzu ausführlich etwa: Stern, Die unionale Rechtsetzung zum

Regulierung als Ausübung von Staatsgewalt

53

Dennoch kann der Demokratiebegriff auf europäischer Ebene nicht mit dem deutschen Demokratieverständnis gleichgesetzt werden. Dies zeigt die fortwährende Diskussion um ein demokratisches Defizit der Union157. Ein den mitgliedsstaatlichen Verfassungen entsprechender Demokratiebegriff scheidet schon deshalb aus, weil zwischen den Ausprägungen auf nationaler Ebene erhebliche Differenzen bestehen. In der Literatur wird daher die Entwicklung eines unionsspezifischen Demokratiebegriffs angeregt158. Der Ruf nach einem Demokratiedefizit ist auch in Bezug auf die IFRS laut geworden. Zutreffend wird insoweit kritisch angemerkt, dass die bloße Rezeption der IFRS zur Wahrung des demokratischen Prinzips nicht ausreichen könne. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten müssen den Einfluss auf die Erarbeitung der IFRS vergrößern159. Demokratische Herrschaft legitimiert sich aus empirischer Sicht aus der Anerkennung des Volks, aus normativer Sicht, wenn die Anforderungen einer gerechtfertigten Herrschaft erfüllt sind160. Das heißt aber auch, dass die Demokratie kein absoluter Begriff ist, welcher sich über temporär und sachlich unveränderliche Voraussetzungen und Anforderungen begreifen ließe. Empirische Entwicklungen, das Zusammentreffen verschiedener Verständnisse der Idee einer Demokratie im Detail sowie die Verfolgung eines festen Integrationsziels wie auf Ebene der EU lassen die Demokratietheorie mitunter hinter demokra-

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Europäischen Kartellrecht im Lichte des Demokratieverständnisses der Governance – Ansätze der Kommission, 2010, S. 17–24. Ausführlich zur Problematik von Demokratie und europäischer Integration etwa Maunz/ Dürig-Grzeszick (2018), Art. 20 II. Rn. 263–313; Stauffenberg/Langenfeld, ZRP 1992, 252, 258f. m.w.N; Abels/Eppler/Träsch, Der Bürger im Staat 2010, S. 256ff.; Randelzhofer, Behauptetes Demokratiedefizit der EG, in: Hommelhoff/Kirchhof [Hrsg.], Staatenverbund der EU, 1994, S. 39ff. m. w. N.; Schönberger, Der Staat 2009, 535ff.; Schwarze/Becker/Hatje/ Schoo-Böse (2019), Art. 82 AEUV Rn. 11f.; allgemein zum Verhältnis von Demokratieprinzip und internationaler Integration s. BeckOK/GG-Huster/Rux (2018), Art. 20 Rn. 125–128. In der juristischen Literatur und Rechtsprechung wird die Verfolgung des demokratischen Prinzips in aus deutscher Sicht verfassungsmäßiger Weise grundsätzlich jedoch kaum (mehr) ernsthaft in Frage gestellt. Gerade in der Presse wird infolge der Zunahme integrationskritischer Stimmen wieder verstärkt auf ein Demokratiedefizit der EU hingewiesen, s. etwa: Zeit-Online, Ohne Demokratie kein Europa, erhältlich auf http://www.zeit.de/wirt schaft/2016-01/europa-zukunft-demokratie (letzter Zugriff 06. 11. 2019); Neue Züricher Zeitung, Europa ohne Volk, erhältlich auf https://www.nzz.ch/gruende-fuer-das-eu-demo kratiedefizit-europa-ohne-volk-ld.18363 (letzter Zugriff am 06. 11. 2019). Vgl. Ruffert, EuR 2004, 165, 180; Nicolaysen, Europarecht I, 2002, S. 111, ausführlich Calliess, Optionen zur Demokratisierung der EU, in: Bauer/Huber/Sommermann [Hrsg.], Demokratie in Europa, 2005, S. 281 ff.; Calliess/Hartmann, Zur Demokratie in Europa, 2014, S. 79; Dreier-Dreier (2015), Art. 20 (Demokratie) Rn. 39ff. Vgl. Huber, AöR 2008, 389. Zur empirischen und normativen Legitimation vgl. Lembcke/Ritzi/Schaal, Zeitgenössische Demokratietheorie, Band I: Normative Demokratietheorien, 2012 sowie Lembcke/Ritzi/ Schaal, Zeitgenössische Demokratietheorie, Band II: Empirische Demokratietheorien, 2016.

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Teil 1: Themenspezifische Grundlagen

tischer Faktizität zurücktreten161. Hier ist es Aufgabe der Verfassungsrechtswissenschaft, auf die Wahrung normativer Grundprinzipien des Demokratiebegriffs hinzuweisen und solche auch für das Demokratiemodell der EU zu entwickeln, um neben empirischer Legitimation, welche zunehmend in Zweifel gezogen wird, normative Anknüpfungspunkte der demokratischen Legitimation zu formulieren162. Klar ist aber auch, dass auf Ebene der EU nicht das Demokratieverständnis eines einzelnen Mitgliedsstaats als Maßstab herangezogen werden kann, sondern die europäische Integration ein unionsspezifisches Demokratiemodell begründet hat. Letztlich kann das demokratische Legitimationsniveau zwischen unterschiedlichen Demokratiemodellen sowie als Folge der Abwägung zwischen Bedeutung staatlicher Gewaltausübung für Freiheitsrechte der Bürger einerseits und Erfüllung öffentlicher Aufgaben zugunsten der Bürger andererseits variieren. Eine absolute normative Verbindlichkeit demokratischer Prinzipien eines bestimmten Demokratieverständnisses können daher nicht zugrunde gelegt werden163. Die Frage nach der erforderlichen staatlichen Einflussnahme auf private Standardsetter, d. h. dem zu beachtenden Legitimationsniveau muss daher auch am Regulierungsinteresse gemessen werden.

C.

Auslegungstheoretische Grundlagen

I.

Erforderlichkeit einer methodischen Gesetzesanwendung

Die deutsche Verfassung bindet den Richter nach Art. 20 Abs. 3 GG an das von den Repräsentanten des Volkes erlassene Gesetz und das Recht. Es ist heute anerkannt, dass das Gesetz im Sinne geschriebenen Rechts nicht für sämtliche Rechtsfragen der Lebenswirklichkeit eine Antwort bereithalten kann164. Insoweit gehören die Lückenschließung und Rechtsfortbildung zu den Notwendigkeiten der Rechtsanwendung. Freilich ist Recht dabei nur der Ausspruch einer dazu

161 Vgl. dies herleitend auch Majone, European Law Journal 1998, 5ff. 162 Zur Bedeutung der Rechtswissenschaft auch Nettesheim, Demokratisierung der Europäischen Union und Europäisierung der Demokratietheorie, in: Bauer/Huber/Sommermann [Hrsg.], Demokratie in Europa, 2005, S. 189. 163 Es gibt dabei auch Stimmen in der Literatur, welche hinsichtlich der Verfassungsordnung der Europäischen Union nicht auf alternative Demokratiemodelle, sondern in Bezug zur demokratischen Legitimation alternative Legitimationsmodelle abstellen, vgl. Zippelius/ Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 2018, S. 16f., Tietje, DVBl. 2003, 1081, 1094f.; s.a. Fn. 153. 164 Vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 1983, S. 17; Palandt-Grüneberg (2018), Einl. Rn. 5 f.; BVerfG, NVwZ 17, 37.

Auslegungstheoretische Grundlagen

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kompetenten Instanz, mithin des Gesetzgebers oder des Richters165. Mit weiten Teilen der Literatur lässt sich zusammenfassen, dass seit der Entwicklung der Interessenjurisprudenz und wegweisenden Arbeiten von Jhering, Kohler und Bülow166 weitestgehend Einigkeit darüber besteht, dass die richterliche Tätigkeit sich nicht in einer logisch determinierten Gesetzesanwendung erschöpft, sondern ein kreativer, voluntativer Akt ist, ohne dass hierdurch im Sinne der Freirechtsschule167 einer Gesetzesbindung eine gänzliche Absage erteilt würde168. Zum Thema der Entwicklung von Begriffs- zu Interessenjurisprudenz bzw. Wertungsjurisprudenz wird jedoch noch darauf einzugehen sein, dass kritische Stimmen in der Rechtswissenschaft die polemische Abwertung der Lehren Savginys als Begriffsjurisprudenz nicht gelten lassen und hierzu eine differenzierte Betrachtung erforderlich ist, die im Rahmen dieser Arbeit jedoch nur angerissen werden kann. Fehlt die Isomorphie zwischen den gesetzlich geregelten und zu entscheidenden Sachverhalten, ergeht die Entscheidung nicht auf Grund einer heteronom bestimmten Kognition, sondern aufgrund autonomer richterlicher Dezision169. Die Gesetzesbindung bedeutet im Rahmen des richterlichen Rechtsanwendungsspielraums letztlich, dass er so weit als möglich am Gesetzestext orientiert agieren muss. Aufgabe der Auslegung ist die Ermittlung desjenigen Werturteils, welches der Normengeber entschieden hat170. Die Gesetzesbindung erfordert es, dem richterlichen Urteil einen objektiv nachvollziehbaren, methodischen Rahmen der Gesetzesanwendung aufzuerlegen, einen »konsensfähigen Regelkanon«171.

165 Vgl. MüKo/BGB-Säcker (2015), Einleitung Rn. 101. 166 Hierzu ausführlich m. w. N. Teil 1 Kapitel C VI. und VII. 167 Zum Konzept der Freirechtsschule s. nur Jansen/Reimann, ZEuP 2018, S. 89, 113f.; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, 2016, S. 579ff.; ausführlich außerdem die Hauptschriften von Ernst Fuchs: Fuchs, Freirecht und Rechtsreform, Band I, 1970; ders., Band II, 1973; ders. Band III, 1975. 168 Vgl. Vogel, Praxis und Theorie der richterlichen Bindung, 1969, S. 32; MüKo/BGB-Säcker (2015), Einleitung Rn. 92. 169 Vgl. MüKo/BGB-Säcker (2015), Einleitung Rn. 92; Honsell, ZfPW 2016, 106, 127f.; zu dieser der Strömung der kritischen Jurisprudenz (Begriff nach Grüneberg) entnommenen Aussage auch Palandt-Grüneberg (2018), Einl. Rn. 37. 170 Vgl. Schreiber, Die Geltung von Rechtsnormen, 1966, S. 156, 257; s. auch zur sog. Wertungsjurisprudenz Teil 2 Kapitel C VI. 171 Vgl. zum Begriff Dreier, Probleme der Verfassungsinterpretation, 1976, S. 15.

56 II.

Teil 1: Themenspezifische Grundlagen

Hermeneutik

Bei der Gesetzesanwendung geht es zunächst um das Verständnis und die Auslegung eines Textes. Grundlegendes Verfahren der Gesetzesanwendung ist deshalb die Hermeneutik172. Sie meint allgemein eine Theorie der Interpretation und des Verstehens von Texten173. Die ( juristische) Hermeneutik fußt auf der Rhetorik, stellt aber im Verhältnis zu dieser Argumentations- und Überzeugungslehre eine darüberhinausgehende Erkenntnislehre dar174. Verschiedene Wissenschaften, die im Kern ein solches Textverständnis voraussetzen, wie etwa die Rechtswissenschaften, die Theologie, die Philosophie oder auch die Literaturwissenschaften, haben – in ihrem jeweiligen Kontext – ein systematisches und nachvollziehbares Verfahren entwickelt, um Texte auszulegen und zu verstehen (hermeneutische Methode)175. Während die moderne philosophische und philologische Hermeneutik insbesondere durch Dilthey und Schleiermacher ihre Entwicklung erfahren hat, lässt sich der Beginn der Entwicklung einer juristischen Hermeneutik auf Savigny zurückführen176. Es lassen sich jedoch weitere namhafte Autoren wie etwa Friedrich Ast und Friedrich August Wolf finden, die als Vorreiter moderner Hermeneutik genannt werden müssen177. Die moderne Hermeneutik löst sich

172 Allgemein zur Hermeneutik etwa Staudinger-Honsell (2018), Einl. BGB Rn. 114ff.; Gadamer, Wahrheit und Methode, 1975; Schleiermacher, Hermeneutik und Kritik, 1995; Hruschka, Das Verstehen von Rechtstexten, 1972; Sauer, Methodenlehre, in: Krüper/Augenhofer/Funke [Hrsg.], Grundlagen des Rechts, 2017, S. 181f. Der über die Jurisprudenz hinausgehend interessierte Leser sei auch auf die früheren Werke zur allgemeinen philosophischen Hermeneutik Diltheys, Heideggers und Gadamers verwiesen, s.a. Kaspers, Hermeneutik, 2014, S. 36ff. m. w. N. 173 Vgl. Bühler, Hermeneutik, 2008, S. 4ff. m. w. N. zur philosophischen Entwicklung; Jung, Eine Einführung in die Hermeneutik, 2001. 174 Vgl. Honsell, ZfPW 2016, 106, 108. Siehe dort auch Aspekte der Kritik an der Hermeneutik aufgrund des Bezuges zur Rhetorik. 175 Allgemein zur Hermeneutik etwa Betti, Die Hermeneutik als allgemeine Methodik der Geisteswissenschaft, 1962 sowie Bühler, Hermeneutik, 2008. 176 Dieser Rückschluss wurde insbesondere durch Gadamer in seinem Werk »Wahrheit und Methode« gezogen. Siehe zu dieser Einschätzung auch Esser, Vorverständnis und Methodenwahl, 1972, S. 136. Zur Einteilung von der Entwicklung der allgemeinen und juristischen modernen Hermeneutik vgl. auch Frommel, Rezeption der Hermeneutik, 1981, S. 23; Kaspers, Hermeneutik, 2014, S. 141ff. Es wurde jedoch die Frage aufgeworfen, obv. Savigny letztlich keine eigenständige, sondern eine auf Schleiermacher aufbauende hermeneutische Theorie entwickelt hätte, vgl. Gadamer, Wahrheit und Methode, S. 332. Hierzu sei auf die Mühen Meders verweisen, welcher anhand rechtshistorischer Betrachtung eine Eigenständigkeit der hermeneutischen Theorie v. Savigyns belegen konnte, vgl. Meder, Mißverstehen und Verstehen, 2004, S. 2ff. 177 Diese beiden Philologen wurden auch von v. Savnigy in seinen Akadamereden 1829/1830 als seine Vorläufer ins Feld geführt, vgl. etwa Frank, Schleiermachers Hermeneutik und Kritik,

Auslegungstheoretische Grundlagen

57

vom Gedanken der alten Stellenhermeneutik, dass nur dunkle und unklare Texte nach Maßgabe der In-claris-Formel Gegenstand der Interpretation seien können, sondern erweitert den Gegenstand dieser auch auf klar gefasste Texte. Gerade bei solchen Texten sei nach Savigny die »Reconstruction des dem Gesetze innewohnenden Gedankens«178 möglich. Der Interpret muss sich in die Lage des Autors versetzen und den Gedanken im eigenen »Denken vom Neuem entstehen lassen«179, wobei die Auslegung als Kunst und »freye Geistestätigkeit«180 anzusehen sei. Dabei wirkt sich die juristische Hermeneutik aufgrund der Rechtsverbindlichkeit des Auslegungsergebnisses für die jeweils Betroffenen unmittelbar auf die Lebenswirklichkeit aus181. Die Besonderheit der juristischen Hermeneutik liegt folglich in der Applikation des Interpretationsergebnisses182. Während eine formal-logische Substumtionstechnik183 wie die des sog. juritischen Entscheidungssyllogismus184 von einer Textanwendung auf bloßen logischen Schlüssen ausgeht, findet sich eine solche formalistische Betrachtungsweise bei der juristischen Hermeneutik nicht. Rechtsanwendung heißt für Savigny »Übergang ins Leben«185. Während Larenz und Betti dabei indes davon ausgehen, dass dem Richter die normative, dem Historiker die kontemplative Anwendung obliegt186, erblickt Savigny in einem solchen Denken die Gefahr, dass nur die Gelehrten die Selbständigkeit des Rechts betrachten, während die normative Anwendung ein bloßes Anhängsel der hermeneutischen Aufgabe des Verstehens wäre187. In diesem Sinne muss bei der Ermittlung des Gedankens oder auch von Sinn und Zweck von Texten eine Annhäherung von Theorie und Praxis erfolgen, um so eine »wissenschaftliche Veredelung der Rechtsanwendung« zu erreichen188.

178 179 180 181 182 183 184

185 186 187 188

1999, S. 309ff., 347ff. Weitere Namen in diesem Zusammenhang werden bei Meder, Mißverstehen und Verstehen, 2004, S. 11 genannt. Vgl. v. Savigyn, System I. S. 213. Vgl. v. Savigny, System I, S. 212. Vgl. v. Savigny, Sytem I, S. 207ff. Siehe hierzu auch Meder, Mißverstehen und Verstehen, 2004, S. 85ff.m.w.N. zu Vertretern dieses Verständnisses auch außerhalb der juristischen Hermeneutik. Hierzu Bleich, NJW 1989, 3197; Staudinger-Honsell (2018), Einl. BGB Rn. 114, 122. Vgl. Bleich, NJW 1989, 3197, 3198. Vgl. allgemein zur Subsumtion etwa Gabriel/Gröschner, Subsumtion, 2012; Muthorst, JA 2013, 721ff. Vgl. zum Begriff des Syllogismus als juristische Schlussform Staudinger-Honsell (2018), Einl. BGB, Rn. 154; Joerden, Logik im Recht, 2010, S. 327ff.; Herberger/Simon, Wissenschaftstheorie für Juristen, 1980, S. 23ff.; Klug, Juristische Logik, 1982, S. 48ff.; Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, 1982, S. 14ff. Vgl. Meder, Mißverstehen und Verstehen, 2004, S. 65. Vgl. Betti, Hermeneutik als allgemeine Methodik, 1972, S. 44ff.; Larenz, Methodenlehre, 1975, S. 190f. Vgl. Meder, Mißverstehen und Verstehen, 2004, S. 69. Vgl. v. Savigny, Beruf, S. 126 (in Bezug auf die Ermittlung des Gedankens).

58

Teil 1: Themenspezifische Grundlagen

Dieser Aspekt wird insbesondere aufgrund der Interdisziplinarität des hiesigen Forschungsgegenstandes von besonderem Interesse im Sinne einer noch zu betrachtenden »wirtschaftlichen Betrachtungsweise« sein. Auf die auf dem Wittgenstein′schen Skeptizismus fußende Theorie der Antihermeneutik, die etwa nach Amstutz, Niggli und Derrida jedwede Text- und Gesetzesbindung ablehnt, soll der interessierte Leser hier nur hingewiesen, nicht jedoch weiter eingegangen werden189.

III.

Ziel der Auslegung

Die Auslegung soll einen Normtext also hinsichtlich des Erkenntnisinteresses bezogen auf einen konkreten Lebenssachverhalt präzisieren und konkretisieren190. Gegenstand der Auslegung kann dabei nicht allein ein Gesetz, sondern jedes Rechtsverhältnis sein. Damit ist nicht beantwortet, welches Ziel die Auslegung verfolgt, d. h. welches Leitkonzept ihr zugrunde liegt. Diese Frage beschäftigt Juristen auf der ganzen Welt191. In Deutschland ist die Diskussion abgekühlt. Gemeinhin werden die unterschiedlichen Perspektiven nach den Kriterien der subjektiven oder objektiven sowie aktuellen oder entstehungszeitlichen Auslegung unterschieden192. Dabei gilt die objektive Auslegungstheorie, die vornehmlich von Thibaut, Binding und Kohler193 entwickelt wurde, als die in Deutschland primär vertretene Auffassung. Sowohl die überwiegenden Teile der Literatur194, als auch die Rechtsprechung195 folgen ihr. Nach der objektiven Auslegungstheorie soll es auf den »Willen des Gesetzes« als Ausdruck des gesellschaftlichen Willens und nicht auf den Willen bzw. die 189 Vgl. hierzu Honsell, ZfPW 2016, 106, 107. 190 Vgl. Reimer, Juristische Methodenlehre, 2016, Rn. 256; Kasper, JZ 1995, 746, 747; StaudingerHonsell (2018), Einl. BGB, Rn. 114; Larenz, Methodenlehre, 1991, S. 204ff. 191 Insbesondere in den Vereinigten Staaten von Amerika wird seit den 1970er Jahren eine hitzige Debatte über die Verfassungsauslegung geführt, vgl. nur Balkin, Why are Americans Originalist?, in: Nobles/Schiff, Law, Society and Community, 2015, S. 309ff. 192 Vgl. etwa Larenz, Methodenlehre, 1975, S. 16ff.; Wank, Auslegung von Gesetzen, 2001, S. 36ff. Gegen eine solche Einteilung stellen sich etwa Müller, Juristische Methodik, 1997, S. 296ff.; Alexy, Juristische Interpretation, 1996, S. 304f. 193 Vgl. Thibaut, Theorie der logischen Auslegung des römischen Rechts, Altona 1806, § 9; Nachweis bei Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 2016, Rn. 797. 194 Vgl. Engisch, Juristisches Denken, 2018, S. 134 m.w.N.; Hager, Rechtsmethoden in Europa, 2009, S 36; Deckert, JA 1994, 412, 416f.; Honsell/Mayer-Maly, Rechtswissenschaft, 2017, S. 119ff.; in diese Richtung auch Staudinger-Honsell (2018), Einl. BGB, Rn. 135 m.w.N. 195 S. insbesondere BVerfGE 1, 299, 312; 11, 126, 130 sowie BGHSt 10, 157, 159f.; die »Zuordnung« der Rechtsprechung ist im Detail jedoch schwierig und nicht Gegenstand dieser Arbeit.

Auslegungstheoretische Grundlagen

59

Absicht des historischen, persönlichen Gesetzgebers ankommen196. Wenn nun aber zugrunde gelegt wird, dass das Auslegungsziel im Kern die Ermittlung und Verwirklichung des Normzwecks ist197, so wird das Problem der objektiven Auslegungstheorie deutlich: einen objektiven Willen gibt es nicht. Überhaupt gibt es in der Hermeneutik, genauer in mittels hermeneutischer Verfahren gewonnenen Aussagen keine Objektivität, keine Richtigkeit198. Der Wille ist etwas höchst Subjektives199. Soweit also nicht der Wille des historischen Gesetzgebers berücksichtigt wird, wird der Wille des Rechtsanwenders das Maß der Auslegung200. Der Kernbereich der legislativen Gewalt, nämlich die Normsetzung zur Verwirklichung willensgetragener Zwecke als Repräsentation des Volkssouveräns, würde ausgehöhlt, wenn der Normzweck und -inhalt vom Rechtsanwender überhaupt erst gesetzt werden könnte. Andererseits darf sicherlich nicht unberücksichtigt bleiben, dass der historische Gesetzgeber nicht sämtliche, zukünftig eintretende Lebenssachverhalte überblicken und in seine Regelungsintention aufnehmen kann. Aufgrund langwieriger Normsetzungsprozesse und sich schnell ändernder Lebensverhältnisse und zu regelnder Bereiche würde eine strikt subjektive Theorie faktisch zu einer Handlungsunfähigkeit des Staates mit der Folge eines Vertrauensverlustes in das demokratische System führen. Eine dynamische Betrachtung des Willens des historischen Gesetzgebers unter zeitangemessener Berücksichtigung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse erscheint insoweit angebracht201. Dieses Auslegungsziel hat seine praktische Berechtigung, lehnt aber an der objektiven Theorie an und leistet ebenso der Entwicklung eines verselbstständigten Richterrechts Vorschub. Eine strenge Trennung von subjektiver und objektiver Theorie ist insoweit nicht erforderlich, sondern beide Theorien können sich

196 Vgl. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 2016, Rn. 797. 197 Vgl. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 2016, Rn. 726. 198 Dahingehend auch Schelsky, Einsamkeit um Freiheit, 1963, S. 282; Dreier, Probleme der Rechtsquellenlehre, in: Menger/Wolff [Hrsg.], FS-Wolff, 1973, S. 3, 19ff.; Albert, Traktat über kritische Vernunft, 1991, S. 35ff.; Kelsen, Reine Rechtslehre, 1960, S. 351. 199 Hier wird insoweit das allgemeine Sprachverständnis zum Begriff des Willens zugrundegelegt, d. h. die Umsetzung von Vorstellungen der Regelungsintention in reale Formen. Eine ausführliche Auseinandersetzung zwischen Willen und Zweck, wie sie etwa in der Spätpandetistik durch Jhering geführt wurde, der mit seiner Interessentheorie die Willenstheorie insgesamt ablehnte und den Willen durch den allein maßgeblichen Zweck ersetzt wissen wollte, soll nicht Gegenstand dieser Arbeit sein. 200 Vgl. Rüthers, Die heimliche Revolution vom Rechtsstaat zum Richterstaat, 2016, S. 186ff.; zur »vermeintlichen objektiven« Auslegungslehre auch schon Rüthers, JZ 2006, 53ff. 201 Vgl. zu einer solchen dynamischen Betrachtung etwa Looschelders/Roth, Juristische Methodik, 1996, S. 62ff. m. w. N.

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Teil 1: Themenspezifische Grundlagen

durchaus ergänzen202. So lässt sich denn auch Savigny zutreffend weder als Anhänger der objektiven, noch der subjektiven Theorie einordnen203, da er die Auslegung als »Wechselbeziehung zwischen der Kunst des Gesetzgebers und der Kunst des Interpreten auffasst«204. Gerade im Bereich der Rechnungslegung gelten diese Probleme aufgrund der dynamischen und schnelllebigen Wirtschaftsprozesse nur bedingt. Hier wird – insbesondere wegen der »Auslagerung« der Normsetzung an private Organisationen – der »Wille des Gesetzgebers« (oder zumindest des Normsetzers) mit dem ggf. objektiv zu bestimmenden »Willen des Gesetzes« sowohl nach der objektiven als auch der subjektiven Auslegungstheorie dicht beieinander liegen, da durch ausführliche Normen und Anwendungshilfen versucht wird, eine enge Gesetzesbindung zu erzeugen205. Freiräume des Rechtsanwenders sollen in diesem Bereich aus Gründen der Objektivität und Vergleichbarkeit möglichst weitreichend ausgeräumt werden. Da Ziel der Auslegung aberdie Ermittlung des Normzwecks in Bezug auf den konkreten Einzelfall ist, der aufgrund des demokratischen Prinzips auf einer Willensentscheidung des Gesetzgebers, nicht des Gesetzes beruhen muss, muss der Wille des legitimierten Normsetzers ermittelt und angewendet werden.

IV.

Auslegung und Lückenschließung

Die Grenze des möglichen Wortsinns oder gar des Wortlauts gilt häufig als Grenze der Auslegung206. Alles was über den Bedeutungsspielraum hinausgeht, soll Gegenstand der gesetzesergänzenden oder gesetzesberichtigenden Interpretation als Gegenstand der Rechtsfortbildung sein207. Da der Gesetzgeber indes 202 So auch Larenz/Canaris, Methodenlehre, 1995, S. 139f.; Wank, Auslegung von Gesetzen, 2011, S. 49–51; Riesenhuber, Die Auslegung, in: ders. [Hrsg.], Europäische Methodenlehre, 2010, S. 315ff., 321 m.w.N. (»Vereinigungstheorie«). 203 Vgl. Meder, Mißverstehen und Verstehen, 2004, S. 124, 126 m.w.N.; Rückert, Idealismus, 1982, S. 354; Herzog, Anwendung und Auslegung, 2014, S. 87 (»Die Zuordnung Savignys zu den Vertretern eines sog. subjektiven Auslegungsziels ist demnach falsch«); a. A. ewta Rühters/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 2011, S. 471 und Leisner, EuR 2007, 689. 204 Vgl. Meder, Mißverstehen und Verstehen, 2004, S. 130. 205 Analog hierzu beschreibt Bleckmann allgemein für die junge europäische Privatrechtsordnung den Umstand, dass aufgrund des feststellbaren Willens des Gesetzgebers objektive Elemente nur eine geringe Bedeutung habe, vgl. Bleckmann, Europarecht, 1990, Rn. 554. 206 Vgl. Zippelius, Methodenlehre, 2012, S. 39; Larenz/Canaris, Methodenlere, 1995, S. 174f.; Engisch, Juristisches Denken, S: 194; Bydlinski, Methodenlehre, 1982, S. 467f.; BVerfGE 71, 115; 87, 224. 207 Vgl. Zippelius, Methodenlehre, 2012, S. 39, 52ff.; zum Begriff der Rechtsfortbildung allgemein etwa Sauer, Methodenlehre, in: Krüper/Augenhofer/Funke [Hrsg.], Grundlagen des Rechts, S. 191ff.; Staudinger-Honsell (2018), Einl. BGB, Rn. 126ff.

Auslegungstheoretische Grundlagen

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nicht sämtliche denkbaren Lebenssachverhalte berücksichtigen kann208, gehört es zur im Rahmen der Gewaltenteilung legitimierten Aufgabe des Richters, die Möglichkeit einer Lückenschließung zu prüfen209. Die strikte Anwendung des Wortlauts als (absolute) Grenze der Auslegung würde bedeuten, dass der Gesetzgeber in der Lage wäre, mit dem jeweiligen Begriff auch tatsächlich hinreichend Norminhalt zu übertragen. Angesichts der erheblichen hermeneutischen Probleme des Begriffsverständnisses dürfte damit jedoch kaum eine Auslegung, sondern vielmehr immer nur Rechtsfortbildung möglich sein. Dies gilt umso eher im europäischen Recht, in welchem verschiede Amtssprachen einen gemeinsamen Begriff kaum zulassen. Zutreffender muss der Wortlaut daher als Ausgangspunkt oder mit Heck im Sinne der Interessenjurisprudenz der jeweils ausgelöste Interessenkonflikt als Ausgangspunkt der Auslegung gesehen werden. Die lückenausfüllende Rechtsfortbildung ist abzugrenzen vom gesetzesvertretenden Richterrecht als sog. Rechtsfortbildung praeter legem, welche nur in engen Ausnahmefällen möglich ist210. Um die Freiheitsrechte der Bürger möglichst umfassend zu gewährleisten ist eine solche im Rahmen staatlicher Regulierungsnormen in der Regel nur zulässig, soweit unter Beachtung der Auslegung bestehender Normtexte ersichtlich ist, dass eine staatliche Regulierung stattgefunden hätte, wenn der auftretende Lebenssachverhalt bekannt gewesen wäre. Die Grenzen zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung lassen sich jedoch nicht klar ziehen. Larenz/Canaris bezeichnen etwa die Rechtsfortbildung als Fortsetzung der Auslegung211. Bei Savigny wurde die Interpretation als formelle Rechtserzeugung, die Rechtsfortbildung indes als materielle Rechtserzeugung angesehen, wobei lediglich ein gradueller Unterschied besteht212. Die Rechtsfortbildung bietet dabei die größere Freiheit für den Interpreten213. Insgesamt lässt sich der Gegenstand der Auslegung bei Savigny weiter ziehen als nach heute wohl herrschendem Stand in der Rechtsliteratur. Auch Bydlinski erkennt die »teilweise bestehenden strukturell-logische Übereinstimmung der Denkvorgänge«214. Vogenauer hat in diesem Zusammenhang ferner aufgezeigt, dass sich 208 Insoweit war die Lückenhaftigkeit des Gesetzes bei Vertretern verschiedener Strömungen nicht nur der Freirechtslehre, sondern auch der Interessenjurisprudenz anerkannt. 209 Insoweit gehören Gesetzes- und Richterrecht untrennbar zur Privatrechtsverwirklichung in Deutschland. Die Frage ist nur, wie weit Richterrecht gehen darf, welches Maß der Richter zu beachten hat, vgl. MüKo/BGB-Säcker (2015), Einleitung, Rn. 75–77 sowie Kirchhof, Rechtsphilosophische Fundierung des Richterrechts, in: Bumke [Hrsg.], Richterrecht zwischen Gesetzesrecht und Rechtsgestaltung, 2012, S. 71ff. 210 Siehe zur Abgrenzung Calliess, NJW 2005, 929, 932. 211 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre, 1995, S. 187; Zimmermann, RabelsZ 2019, 241, 257. 212 Vgl. Meder, Mißverstehen und Verstehen, 2004, S. 95, 133ff. 213 Vgl. Savigny, System I, S. 291f. 214 Vgl. Bydlinski, Juristische Methodenlehre, 1982, S. 468.

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Teil 1: Themenspezifische Grundlagen

in der franzöischen und englischen Rechtsprechung sowie derjenigen des EuGHs ein weites Verständnis der Auslegung finden lasse215. Herzog erklärt die Grenze zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung allein schon wegen der Unmöglichkeit, im Europäischen Bereich eine gemeinsame Wortlautgrenze festzumachen, für unbrauchbar216. Eine Liste der Autoren, die die Vergleichbarkeit des Wesens von Auslegung und Rechtsfortbildung hervorheben lässt sich noch deutlich erweitern, soll aber nicht Gegenstand der hiesigen Forschungsfrage bilden217. Es soll lediglich deutlich gemacht werden, dass eine strenge Unterscheidung zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung bei der späteren Betrachtung von Rechtsquellen und Rechtserkenntnisquellen aufgrund dieser Wesensvergleichbarkeit nicht erfolgen wird. In der Rechnungslegung ist gerade eine umfassende Abbildung sämtlicher Geschäftsvorfälle notwendig. Das deutsche Handelsrecht gewährleistet dies durch die Kodifizierung eines allgemeinen Bilanzierungssystems unter Anwendung allgemeiner Begriffe, aus welchen durch Anwendung im Einzelfall eine Bilanzierungsentscheidung hinsichtlich Ansatzes, Bewertung und Ausweises von Geschäftsvorfällen erfolgen kann. Schwieriger stellt sich die Lage bei den IFRS dar, welche jeweils Vorschriften für mehr oder weniger konkret umrissene Einzelfälle darstellen218. Zwar sieht auch das Framework grundlegende Prinzipien und Begriffe zu den unterschiedlichen Bilanzpositionen vor, im Übrigen handelt es sich aber um ein subjektiv-normatives Interpretationssystem, welches gemäß IAS 8.10ff. dem Management bei fehlender Standardisierung die Entwicklung von Bilanzierungsmethoden auferlegt. In diesem Rahmen sind dann juristische Argumentationsformen erforderlich, welche sich letztlich wieder in Grundsätze kontinentaleuropäischer Auslegungspraxis überführen lassen müssen219. Dem Leser sollte jedoch bewusst sein, dass eine klare Grenzziehung zwischen Auslegung und Lückenschließung im vorliegenden Kontext nur schwerlich möglich und nicht erforderlich ist220. Die Begrifflichkeiten werden daher im Folgenden auch nicht immer klar voneinander differenziert. 215 216 217 218

Vgl. Vogenauer, Auslegung von Gesetzen, 2001, S. 488ff. Vgl. Herzog, Anwendung und Auslegung, 2014, S. 749. Vgl. hierzu Zimmermann, RabelsZ 2019, 241, 257 m.w.N. Zum Verhältnis vom fallbasierten Recht (»case law«) und kontinentaleuropäischer Auslegungstradition s. Teil 2 Kapitel C V. 3. 219 Dieser Thematik widmet sich eine grundlegende Forschungsfrage dieser Arbeit, vgl. Einführung, Kapitel B III. sowie Teil 2 C V. 220 Dies entspricht auch der Rechtsprechung des EuGHs, welcher sich in der Regel nicht dazu äußert, ob seine Entscheidungen rechtsfortbildenden Charakter haben und bei welchem die teleologische Argumentation und Rechtsfortbildung häufig ineinander übergehen, vgl. Hummer/Obwexer, EuZW 1997, 295, 300; Calliess, NJW 2005, 929, 931. Wer Interesse an einer dogmatischen Abgrenzung hat, sei etwa auf Schulze/Zuleeg/Kadelbach-Borchardt (2015), Europarecht, § 15 Rn. 1 ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, 1995, S. 187ff.; Fikentscher, Methoden des Rechts, 1977, S. 298ff. verwiesen.

Auslegungstheoretische Grundlagen

V.

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Der Klassische Auslegungskanon nach Savigny und heutiger Stand juristischer Auslegungslehre

Savigny konnte im Rahmen seiner »historischen Rechtsschule« eine Methodik entwickeln, mit Hilfe derer ein nachvollziehbares Auslegungsergebnis erreicht werden kann. Hierzu entwickelte er einzelne Stufen, sog. Canones, der Auslegungstätigkeit. Der klassische Kanon umfasst die grammatische, die logische, die systematische und die historische Auslegung221. Die moderne Auslegungslehre unterscheidet hingegen zwischen der grammatischen, systematischen, historischen und teleologischen Auslegung222. Die objektiv-teleologische Auslegung hatte bei Savigny noch wenig Raum, weshalb der klassische Kanon als überholt gilt223. Erst im Anschluss an Jhering, welcher das Recht nicht als zweckfrei, sondern den Zweck als eigentlichen Ausgangspunkt des Rechts ansah, entwickelte sich in der Spätpandentistik eine Betrachtung von Sinn und Zweck, die heute als teleologisches Argument bezeichnet wird224. In der nachfolgenden Untersuchung werden daher ohne nähere Erläuterungen die Kriterien der modernen Auslegungslehre zugrunde gelegt. Eine ausführliche Auseinandersetzung ist nicht Gegenstand und für den Fortgang der hiesigen Untersuchung nicht tragend. Vertiefte Überlegungen zu diesem grundlagendogmatischen Wissenschaftsbereich können in dieser Arbeit auch aus Kapazitätsgründen nicht erfolgen. Für die Entwicklung von der logischen hin zur objektiv-teleologischen Auslegung sei der interessierte Leser etwa auf Möllers225 verwiesen226. Es handelt sich bei den Kriterien der Auslegung um Werkzeuge der Rechtsanwendung, ohne dass sie eine Aussage zum Zweck und System der Rechtsfindung als solche treffen können. Das Verständnis der Anwendung und Auslegung von Recht als »freye Geisthestätigkeit« schließt aus, die Canones als starre Regeln zu verstehen227. Die einzelnen Auslegungsformen sollen nur kurz dargestellt werden, da sie an gegebener Stelle problembezogen näher ausgeführt werden und

221 Vgl. Savigny, System I, 1840, S. 213; Bydlinski, Juristische Methodenlehre, 1982, S. 437. 222 Vgl. Palandt-Grüneberg (2018), Einleitung, Rn. 40–46; Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, S. 109f. Für die Rechtsprechung s. nur BVerfG, Beschluss vom 17. 05. 1960 – AZ: 2 BvL 11/59; BGH, Urteil vom 30. 06. 1966 – AZ: K ZR 5/65 = BGHZ 46, 74, 76. 223 Vgl. Bydlinski, Juristische Methodenlehre, 1982, S. 437. 224 Zur Kritik am teleologischen Argument s. etwa Herzog, Anwendung und Auslegung, 2014, S. 749. 225 Vgl. Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, S. 109, 157ff. 226 Zur damit einhergehenden Entwicklung von der Begriffs- bis zur Wertungsjurisprudenz s. außerdemTeil 1 Kapitel C VI. 227 Vgl. zum mitunter anzutreffenden Missverständnis bezogen auf diesen Punkt etwa Meder, Mißverstehen und Verstehen, 2004, S. 206; ders., ius non scriptum, 2009, S. 173 m.w.N.

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Teil 1: Themenspezifische Grundlagen

für dogmatische Fragen auf die jeweils angegebene Literatur verwiesen werden muss. Ein Normzweck wird zunächst durch einen Normtext vermittelt. Ausgangspunkt jedweder Auslegung bildet daher der Wortlaut bzw. Wortsinn des jeweiligen Normtextes228. Ziel der Wortlautauslegung ist die Rekonstruktion und Präzisierung der Normmerkmale229. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Rechtssprache eine eigene, häufig kontext-, aufgaben- und vorverständnisabhängige Sprache ist230. Selbst Begriffe, die augenscheinlich dem allgemeinen Sprachgebrauch entspringen, entfalten in der Regel eine eigenständige normative Bedeutung im Rechtssinne, was das begriffliche Verständnis für juristische Laien erschweren kann. Die Wortlautauslegung kommt daher einer Übersetzungstätigkeit bezogen auf den zeitlichen und sachlichen Kontext gleich231. Die Interpretation des Normtextes auf Grundlage systematischer Überlegungen bezieht das äußere System des Gesetzes, d. h. Aufbau, Gliederung und Struktur in die Betrachtung ein, ordnet den einzelnen Rechtssatz folglich in den Gesamtzusammenhang ein232. Von der systematischen Auslegung wird auch die Betrachtung des inneren Systems, d. h. der jeweiligen Kodifikation oder des Teilrechtsgebiets umfasst233. Die historische Auslegung fragt nach der Rechtslage vor Erlass der nunmehr auszulegenden Norm und stellt damit in besonderem Maße auf die Regelungsintention des Gesetzgebers ab, die genetische Auslegung nach dem historischen Kontext der Normsetzung sowie der Entwicklungsgeschichte der Norm234. 228 Vgl. mit weiteren Ausführungen zur grammatikalischen Auslegung etwa Larenz, Methodenlehre, 1991, S. 322ff.; Meier-Hayoz, Der Richter als Gesetzgeber, 1951, S. 42; Bydlinski, Juristische Methodenlehre, 1982, S. 437; Coing, Juristische Methodenlehre, 1972, S. 29; Fikentscher, Methoden des Rechts IV, 1977, S. 294f.; Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, S. 113; Kramer, Juristische Methodenlehre, 2016, S. 61; Raisch, Vom Nutzen der überkommenen Auslegungscanones, 1988, S. 29; MüKo/BGB-Säcker (2018), Einleitung, Rn. 137. 229 Vgl. Reimer, Juristische Methodenlehre, 2016, Rn. 281. 230 Ebd. Zur Bedeutung von Alltagssprache und Fachsprache siehe auch die sprachphilosophische Arbeit von Kuntz, AcP 2015, 387, 392ff. sowie zur Kontextabhängigkeit Zimmermann, RabelsZ 2014, 315, 325. 231 Vgl. Schapp, Methodenlehre des Zivilrechts, 1998, S. 86; Lagodny, Juristisches Begründen, 2013, S. 87ff. 232 Vgl. mit näheren Ausführungen zur systematischen Auslegung etwa Reimer, Juristische Methodenlehre, 2016, Rn. 311; Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, S. 126f.; Staudinger-Honsell (2018), Einleitung, Rn. 143; Larenz, Methodenlehre, 1991, S. 324f.; MüKo/BGBSäcker (2018), Einleitung, Rn. 140ff.; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 2008, S. 443, 622f.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 2016, S. 744f. 233 Vgl. Reimer, Juristische Methodenlehre, 2016, Rn. 311; zur Unterscheidung zwischen innerem und äußerem System vgl. nur Larenz, Methodenlehre, 1991, S. 437ff.; Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 1983. 234 Vgl. allgemein zur historisch-genetischen Auslegung, welche bisweilen einheitlich betrachtet wird nur Wank, Auslegung, 2011, S. 67ff.; Reimer, Juristische Methodenlehre, 2016, Rn. 347;

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Eine besondere Bedeutung bei der Normanwendung erlangt die teleologische Auslegung. Es handelt sich hierbei um die Auslegung nach dem Telos (das télos, griech.: Ziel, Zweck), d. h. dem Zweck der Norm235. Die anderen Auslegungsmethoden können nur schwer von ihr gelöst werden236. Zur Herleitung, Konkretisierung und Validierung der Auslegungsergebnisse der anderen Methoden werden immer wieder teleologische Argumente herangezogen. Dies ist auch konsequent vor dem Hintergrund dessen, dass Ziel der Auslegung die Ermittlung des Normzwecks mit einem Erkenntnisgewinn für den konkret zu behandelnden Lebenssachverhalt ist. Die teleologische Auslegung geht wie bereits erläutert in die Rechtsfortbildung über. Die noch folgende Prüfung von Rechtserkenntnisquellen bezogen auf die Interpretation und Anwendung der IFRS berücksichtigt daher umfassend alle in Betracht kommenden Erkenntnisquellen. Im speziellen Teil der Arbeit wird außerdem eine Orientierung am teleologischen Argument erfolgen, wie es in der Mehrzahl der Arbeiten, die die Auslegungstheorie nicht als Hauptgegenstand betrachten, der Fall ist. Die IFRS dürften allerdings für weitere Forschungszwecke einen interessanten Gegenstand bilden, um die von Herzog237 u. a. befürwortete Rückkehr zu den methodischen Gedanken Savignys im Rahmen der sich ändernden Rechtswirklichkeit furchtbar zu machen. Dieser Auslegungskanon lässt sich außerdem auf die Problematik der IFRSAuslegung nicht ohne weiteres übertragen. Eine Vielzahl von Besonderheiten werden an entsprechender Stelle des weiteren Ganges der Untersuchung abgehandelt und würden an dieser Stelle aus dem Kontext gerissen. Die Darstellung der Auslegungskriterien soll nicht ohne eine eigene Stellungnahme zur Frage deren Rangverhältnisses enden. Mitunter wird die Auffassung vertreten, es ließe sich ein sinnvolles oder auch nur zweckmäßiges Rangverhältnis schaffen238. Ein solche Rangfolge konnte sich jedoch zu Recht nicht durchsetzen. Bereits Savigny hat ausdrücklich ein Rangverhältnis abgelehnt, sondern lediglich die unterstützende Wirkung der Auslegungskriterien im

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Bydlinski, Juristische Methodenlehre, 1982, S. 449 sowie Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, S. 203ff., welcher anschaulich verschiedene Fallgruppen darstellt, in welchen die historische Auslegung weiterhilft. Vgl. ausführlich zur teleologischen Auslegung etwa Fikentscher, Methoden des Rechts IV, 1977, S. 364ff.; Reimer, Juristische Methodenlehre, 2016, Rn. 357; Bydlinski, Juristische Methodenlehre, 1982, S. 453ff.; Coing, Juristische Methodenlehre, 1972, S. 32ff.; MüKo/BGBSäcker (2015), Einleitung, Rn. 143ff.; umfangreich auch Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, S. 152ff. S. etwa Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 2016, S. 439ff., welche die grammatische, systematische und historische Auslegung als Mittel der Auslegung dem Ziel der Auslegung, nämlich der Ermittlung und Verwirklichung des Normzwecks entgegen der traditionellen Auslegungslehre unterordnen. Vgl. Herzog, Anwendung und Auslegung, 2014, S. 749ff. Vgl. hierzu Zimmermann, RabelsZ 2019, S. 241, 264f. mit einer Darstellung einiger Auffassungen der Literatur.

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Teil 1: Themenspezifische Grundlagen

Rahmen der »freyen Geisthestätigkeit« der »Kunst der Auslegung« hervorgehoben.

VI.

Wertungsjurisprudenz

Die juristische Methodik hat die Funktion, im Einzelfall Entscheidungsnormen zu entwickeln, welche sich auf Rechtsnormen zurückführen lassen und somit die Legitimierbarkeit der Verlagerung politischer Verantwortung für praktische Entscheidungsakte auf die abstrakteren Instanzen der Entscheidungsfindung239. Spätestens seit dem 19. Jahrhundert entwickelte sich hieraus im Bereich der Rechtswissenschaften eine umfassende Diskussion zur Frage, wie Recht anzuwenden ist. Als Ergebnis der rechtswissenschaftlichen Formalismusdebatte wird heute regelmäßig als Grundlage die Auslegungsmethodik nach Savigny im Lichte der Wertungsjurisprudenz dargestellt240. Erst im Rahmen der Interessen- und Wertungsjurisprudenz sei im 20. Jahrhundert die Bedeutung teleologischer Interpretationsargumente herausgestellt worden241. Die Entwicklung dieser als Wertungsjurisprudenz bezeichneten Strömung soll daher näher betrachtet werden. Die Wertungsjurisprudenz wurde vornehmlich von Larenz242, Westermann243 und Enneccerus/Nipperdey244 entwickelt. Sie unterscheidet sich von der von Heck245, von Jhering246, Stoll247, Müller-Erzbach248 und Rümelin249 entwickelten 239 Ähnlich Müller/Christensen, Juristische Methodik, Band I, 2013, S. 35. 240 Vgl. nur Palandt-Grüneberg (2018), Einleitung, Rn. 37, 39; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2016, S. 574ff. (dort Wertungsjurisprudenz als »jüngere Generation der Interessenjurisprudenz«); Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 1982, S. 123 (»heute vorherrschende methodologische Strömung«); Hassold, Strukturen der Gesetzesauslegung, in: Canaris/Larenz/Diedrichsen [Hrsg.], FS-Larenz, 1983, S. 211, 235 (»Zeitalter der Wertungsjurisprudenz«); Horn, Einführung in die Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie, 2016, S. 91–97; Staudinger-Honsell (2018), Einl. BGB, Rn. 183ff. 241 Vgl. Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, S. 109; zu »Begriff und Zweck« in der Jurisprudenz in Bezug auf die unterschiedlichen rechtsphilosophischen Strömungen s. aktuell Jansen/Reimann, ZEuP 2018, 89, 112ff. 242 Larenz, Methodenlehre, 1991, S. 119ff. 243 Westermann, Wesen und Grenzen der richterlichen Streitentscheidung, 1955, S. 14ff. 244 Nipperdey/Enneccerus, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, Bd. I Halbbd. 1, 1959, § 33 V; s.a. Rückert, ZRG GA 2008, 199ff. 245 Heck, AcP 1914, 1, 60; Heck, Begriffsbildung und Jurisprudenz, 1932, S. 25ff. 246 v. Jhering, Der Zweck im Recht I, 1916, Kapitel VIII; vgl. auch Wieacker, Privatrechtsgeschichte, 2016, S. 451ff.; Bydlinski, Juristische Methodenlehre, 1982, S. 114. Bei von Jhering finden sich indessen nur methodische Grundlagen, welcher erst durch Heck zur methodologischen Strömung der Interessenjurisprudenz weiterentwickelt wurden. 247 Stoll, Begriff und Konstruktion, in: Stoll/Heck/Rümelin/Schmidt [Hrsg.], FS-Heck/Rümelin/ Schmidt, 1931, S. 60, 67.

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Interessenjurisprudenz dadurch, dass letztere versuchte, den Richter möglichst umfassend an die Ziele des Gesetzgebers zu binden250, während erstere im Rahmen teleologischer Auslegung Freiräume für die gerichtliche Umsetzung von Wertprinzipien schaffen sollte, die der Gesetzgeber bei der Normsetzung nicht beachtet hat oder beachten konnte251. In diesem Sinne ist Rechtsprechung nicht eine selbständige Bewertung durch den Richter, sondern die Anwendung gesetzlicher Wertungen252. Die um 1900 etwa von Savigny und Windscheid entwickelte juristische Methode wird noch immer als »Begriffsjurisprudenz« bezeichnet.253. Diese gehe davon aus, dass sich aus bestehenden Normen ein geschlossenes System von Begriffen entwickeln lasse, welches mittels formal-deduktiver Logik jedweden denkbaren Konflikt auflösen könne254. Eine richterliche Rechtsfortbildung wäre demnach weitestgehend ausgeschlossen, da ein solches System Wertungen nicht zugänglich ist. Die Bezeichnung als Begriffsjurisprudenz geht auf die vornehmlich von Jhering gegen Savigny gerichtete Polemik zurück255. Darauf aufbauend hat sich seit der Formalismusdebatte im 19. Jahrhundert umfassend die Auffassung fortgetragen, mit Savignys Lehren habe sich ein rechtswissenschaftlicher Formalismus entwickelt, den erst v. Jhering durch die Beachtung der »sozialen Wirklichkeit« durchbrochen habe. Aktuelle Studien weisen jedoch zu Recht darauf hin, dass Jhering die Lehren Savignys zu Unrecht in Verruf gebracht hat, da die unter der Begriffsjurisprudenz zusammengefassten Wesenszüge einer

248 Müller-Erzbach, Die Hinwendung der Rechtswissenschaft zu Leben und was sie hemmt, 1939. 249 Rümelin, Erlebte Wandlungen in Wissenschaft und Lehre, 1930 S. 32ff. 250 Vgl. Schröder, ZfPW 2016, 307ff. Der Richter hat hierzu zunächst die im Streit befindlichen Interessen herauszuarbeiten, anschließend zu prüfen, ob diese durch das Gesetz bereits »entschieden« waren und andernfalls abschließend eine Interessenabwägung vorzunehmen (»denkender Gehorsam gegenüber dem Gesetz«), vgl. Staudinger-Honsell (2018), Einl. BGB, Rn. 181. 251 Der Vollständigkeit halber sei hier etwa auf Hassold, Strukturen der Gesetzesauslegung, in: Canaris/Larenz/Diedrichsen [Hrsg.], FS-Larenz, 1983, S. 211, 228 sowie Staudinger-Honsell (2018), Einl. BGB Rn. 178ff. verwiesen, welche die Strömungen ausführlich darstellen. 252 Vgl. Larenz, Methodenlehre, 1991, S. 119 m.w.N.; Westermann, Wesen und Grenzen der richterlichen Streitentscheidung, 1955, S. 15, 21. 253 Vgl. Palandt-Grüneberg (2018), Einleitung, Rn. 34; allgemein zur Begriffsjurisprudenz Horn, Rechtswissenschaft und -philosophie, 2016, S. 103ff. 254 Vgl. Creifelds, Rechtswörterbuch, 2007, S. 152. Wieacker beschreibt die Begriffsjurisprudenz insoweit als Form rechtswissenschaftlichen Positivismus, die Recht ausschließlich aus System, Begriff und anerkannten Lehrsätzen der Wissenschaft ableite, vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte, 2016, S. 433ff. 255 Vgl. v. Jhering, Savigny, in: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts 5, 1867, S. 354ff.; ders., Kampf ums Recht, 1977, S. 7ff.

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Teil 1: Themenspezifische Grundlagen

formalistischen Lehre sich bei Savigny nicht finden lassen256. Gerade Savigny hat den Übergang zu einem hermeneutischen Verständnis geschaffen, bei dem nicht nur unklare und dunkle Texte der Interpretation zugänglich sind, sondern auch und ungleich erkenntnisreicher präzise formulierte Texte. Savigny als Vertreter eines rechtswissenschaftlichen Positivismus zu bezeichnen ließe sich auch nicht mit dessen Haltung im sog. Kodifikationsstreit vereinbaren. Der Vorwurf einer Begriffsjurisprudenz darf daher als überholt gelten. Ein modernes Verständnis der Lehren Savignys ermöglicht denn auch die »Reconstruktion des dem Gesetze innewohnenden Gedankens« in »freyer Geisthestätigkeit« im Rahmen der juristischen Hermeneutik erkenntnisbringend herauszuarbeiten. Die Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Strömungen der juristischen Methodik, darf insgesamt nicht so strikt angesehen werden, wie es bisweilen in der Ausbildungsliteratur den Anschein hat257. Die Wertungsjurisprudenz führt den Gedanken der Interessenjurisprudenz vielmehr dahingehend weiter, dass der Richter nicht frei die abzuwägenden Interessen bestimmen kann, sondern die Interessen anhand der Wertungen des Gesetzgebers ableiten muss258. Auch Savigny hat mit seinem Gedanken des Gesetzes letztlich einen Rekonstruktionsmechanismus gesucht, nach dem durch einen Übergang von Normen in das Leben Konflikte aufzulösen sind. Die Differenzierung zwischen Begriffs-, Interessen- und Wertungsjurisprudenz als widersprechende oder gar gegensätzliche Theorien ist daher im Ergebnis abzulehnen.

VII.

Überblick der geschichtlichen Entwicklung rechtsphilosophischer Strömungen

Die Auslegungscanones nach Savigny in moderner Form bilden noch heute die Grundlage dogmatischer Gesetzesanwendung. Aufbauend auf dieser Grundkonzeption von »Werkzeugen« juristischer Normfindung haben weitere Rechtstheoretiker die Methodik des Zivilrechts weitergedacht. Eine ausführliche Darstellung kann in dieser Arbeit nicht erfolgen. Hierzu wird auf die ausführliche und anschauliche Darstellung bei Rückert/Seinecke259, Buckel/Christensen/Fischer-Les256 Zur Thematik aufschlussreicht etwa Meder, JZ 2019, S. 689ff.; Rückert, Jurisprudenz bei Savigny, 1984, S. 348ff.; ders., Savignys Hermeneutik, 2001, S. 287ff.; Schröder, Gesetzesauslegung, 1985, S. 54ff.; Huber, JZ 2003, S. 1ff.; zur »freien Ermittlung des Gedankens des Gesetzgebers« bei Savigny auch Herzog Anwendung und Auslegung von Recht, 2014, S. 723ff., 749ff. 257 Vgl. Haferkamp, ZfPW 2016, 319, 320. 258 Vgl. Hassold, in: Strukturen der Gesetzesauslegung, in: Canaris/Larenz/Diedrichsen [Hrsg.], FS-Larenz, 1983, S. 211, 228. 259 Vgl. Rückert/Seinecke/Foljanty/Frassek, Methodik des Zivilrechts – von Savigny bis Teubner, 2017.

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cano260 sowie die umfassende geschichtliche Analyse von Fikentscher261 verwiesen. Es folgt ein kurzer Überblick über einzelne, besonders bedeutsame Aspekte der zivilrechtlichen Methodenentwicklung. Dabei geht es primär um die Frage, was überhaupt als Rechtsquelle bzw. Rechtserkenntnisquelle der Auslegung dienen kann. Damit kann zugleich geklärt werden, wie eng die juristische Tätigkeit am Normtext anknüpfen muss. Als zwei Extrempositionen der Rechtstheorie gelten diejenigen des Rechtspositivismus sowie des Naturrechts. Während rechtspositivistische Positionen davon ausgehen, dass Geltung von rechtlichen Normen allein auf einer Kodifikation (normativer Rechtspositivismus)262 beruhen kann, vertreten Naturrechtler die Ansicht, dass überpositive Maßstäbe263 die Deduktionsbasis und Quelle materiellen Rechts bilden können264. Die um 1900 etwa von Savigny und Windscheid entwickelte juristische Methode wird noch immer als »Begriffsjurisprudenz« bezeichnet.265. Diese gehe davon aus, dass sich aus bestehenden Normen ein geschlossenes System von Begriffen entwickeln lasse, das mittels formal-deduktiver Logik jedweden denkbaren Konflikt auflösen könne266. Eine richterliche Rechtsfortbildung wäre demnach weitestgehend ausgeschlossen, da ein solches System Wertungen nicht zugänglich ist. Die Bezeichnung als Begriffsjurisprudenz geht wie bereits angemerkt auf die vornehmlich von v. Jhering gegen Savigny gerichtete Polemik zurück267.

260 Vgl. Buckel/Christensen/Fischer-Lescano [Hrsg.], Neue Theorien des Rechts, 2009. 261 Vgl. Fikentscher, Methoden des Rechts, Band IV, 1977. 262 Zum normativen Positivismus sowie zur »Vielseitigkeit des Positivismusbegriffs« Auer, Normativer Positivismus, in: Heldrich/Prölss/Koller [Hrsg.], FS-Canaris Bd. II, 2007, S. 931, 935ff. 263 Hierzu können etwa das göttliche Recht (so etwa Thomas von Aquin) oder die menschliche Vernunft (Kant/Hegel) gezählt werden, vgl. Gierhake, Rechtsphilosophie, in: Krüper/Augenhofer/Funke [Hrsg.], Grundlagen des Rechts, 2017, S. 25ff., 31ff. 264 Allgemein zum Naturrecht etwa Mahlmann, Rechtsphilosophie, 2019, S. 73ff.; Bergbohm, Jurisprudenz, Bd. I, 1. Abhandlung, 1973; Maihofer, Naturrecht oder Rechtspositivismus?, 1962, S. 580ff. m. w. N.; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, 2016, S. 249ff. zum Vernunftrecht als Teilbereich des Naturrechts. Siehe außerdem zum rechtswissenschaftlichen Positivismus Wieacker, Privatrechtsgeschichte, 2016, S. 430ff. m. w. N. 265 Vgl. Palandt-Grüneberg (2018), Einleitung, Rn. 34; allgemein zur Begriffsjurisprudenz Horn, Rechtswissenschaft und -philosophie, 2016, S. 103ff. 266 Vgl. Creifelds, Rechtswörterbuch, 2007, S. 152. Wieacker beschreibt die Begriffsjurisprudenz insoweit als Form rechtswissenschaftlichen Positivismus, die Recht ausschließlich aus System, Begriff und anerkannten Lehrsätzen der Wissenschaft ableite, vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte, 2016, S. 433ff. 267 S. Teil 1 Kapitel C VI.

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Teil 1: Themenspezifische Grundlagen

Als Gegenposition entwickelte sich insoweit die Interessenjurisprudenz, zu deren Vertretern insbesondere Heck und Müller-Erzbach zählen268. Ausgangspunkt einer Entscheidung ist demnach der jeweilige Interessenkonflikt, für den geprüft werden müsse, ob das Gesetz einen solchen auflöst oder wie in ähnlichen Fällen die Interessen gegeneinander abgewogen wurden269. Kritisiert wurde die Interessenjurisprudenz etwa von Esser, welcher hierin ähnlich wie bei einem Rückgriff auf naturrechtliche Überlegungen die Gefahr eines gefährlichen Subjektivismus sieht270. Er erkennt, dass es nicht möglich ist, Gesetzesanwendung als Akt der Deduktion in Gegensatz zur Rechtsschöpfung zu stellen. Vielmehr seien weder Interpretation noch Rechtsfortbildung bzw. Lückenfüllung ohne einen Rückgriff auf außergesetzliche Grundsätze möglich271, wobei ein volitives Element des Rechtsanwenders eine maßgebliche Rolle spiele. Damit bestehe im Ergebnis kein Gegensatz zwischen legalistischen und dezisionistischen Rechtsquellen272. Diese methodologische Richtung, welche mit Grüneberg als kritische Jurisprudenz273 bezeichnet werden kann, erkennt an, dass ein juristischer Text letztlich nicht mehr an Problemlösungen biete, als der Gesetzgeber hinein getan habe274 und in Fällen mangelnder Problemlösung der Rechtsanwender eine vernünftige und sachgerechte Lösung aufgrund subjektivdezisionistischer Abwägung zu treffen habe, die sich in die bestehenden normativen Wertentscheidungen einbinden lasse275. Für die Tätigkeit des Richters seien daher Rechtsprinzipien, d. h. allgemeine Rechtsgedanken, Wertungsgrundsätze und Einbauprinzipien von Systemen, aber auch rechtsethische Grundsätze und Gerechtigkeitsprinzipien von zentraler Bedeutung, welche nicht notwendig am Gesetz ableitbar sind, sondern vielfach kasuistisch aus praktischen Problemen entwickelt werden276. Der Richter suche eine sachgerechte Entscheidung und nutzt die Auslegungsmethodik letztlich

268 Vgl. zur Interessenjurisprudenz etwa Horn, Rechtswissenschaft und -philosophie, 2016, S. 106f.; Edelmann, Entwicklung der Interessenjurisprudenz, 1967; Heck, AcP 1914, 1ff.; Ellscheid/Hassemer [Hrsg.], Interessenjurisprudenz, 1974. 269 Vgl. Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, 1932, S. 172ff. 270 Vgl. Rückert/Seinecke/Foljanty/Frassek-Schäfer, Methodik des Zivilrechts, 2017, Rn. 761. 271 Vgl. Esser, Grundsatz und Norm, 1990, S. 150, 259; Esser, Methodik des Privatrechts, in: Esser/ Bäumlin/Thiel [Hrsg.], Methoden der Rechtswissenschaft, 1972, S. 3ff.; Esser, AcP 1972, 97ff., 124 (»Das System als solches ist nur die Darstellungsform von Erkenntnissen, nicht aber Erkenntnisgrund.«). 272 Vgl. Esser, Grundsatz und Norm, 1990, S. 283f. 273 Zum Begriff Palandt-Grüneberg (2018), Einl. Rn. 37. 274 Vgl. Palandt-Grüneberg (2018), Einleitung, Rn. 37; zum Vertreter dieser Strömung Säcker vgl. auch schon Teil 2 Kapitel C I. 275 Vgl. MüKo-Säcker (2018), Einleitung, Rn. 102; auch schon Kapitel C I. 276 Vgl. Esser, Grundsatz und Norm, 1990, S. 134, 164, 267.

Auslegungstheoretische Grundlagen

71

dafür, einen Nachweis für die Übereinstimmung des so gefundenen Ergebnisses mit dem rechtspositiven System zu führen277. Diese Überlegungen sind gerade im Rahmen von Normgebung durch Standardsetzung privater Institutionen aktuell relevant, da dort – freilich im außerstaatlichen Kontext – das geschieht, was Esser ohnehin schon immer der Richtertätigkeit zum »Vorwurf« macht, namentlich eine induktive Beantwortung von Rechtsfragen. Im Rahmen der Untersuchung zur Anwendung der IFRS im deutschen und europäischen Rechtsraum wird daher auch keine Beschränkung auf den Normtext erfolgen, sondern ausführlich auf Rechtsprinzipien im Sinne Essers im Sachbereich Rechnungslegung eingegangen. Damit wird auch der von Esser hervorgehobenen Rolle der Rechtswissenschaft genüge getan, »Problemdenken« durch »Systemdenken« zu ergänzen, um somit zu verhindern, dass Problemregeln gänzlich an die Stelle systemgebundener Konstruktion und tatbestandlicher Subsumtion treten278. Eine Gefahr die mit Hinblick auf die Regelungsdichte der IFRS nicht fernliegend erscheint. Bei Coing wurde die Systembildung durch die Rechtswissenschaft dann auch allgemein als Quelle der Rechtsbildung angesehen und die Canones der Auslegung aus der Natur der Sache entwickelt, wobei der Richter stets eine eigene Wertentscheidung vollzieht279. Überhaupt geht Coing davon aus, dass positives Recht nicht notwendig durch Zwang gesetzt werden müsse und nicht allein der Staat positives Recht erzeuge280. Das rechte Maß zwischen gesetzgeberischer Normlegung und hinreichender Flexibilität des gesetzten Rechts ist seit jeher eine grundlegende Problemstellung des Zivilrechts, ob der vielfältigen Lebenssachverhalte. Zutreffend weist Koziol darauf hin, dass der europäische Gesetzgeber dieses Maß oft nicht findet, sondern entweder detailliert und dafür starre Normen schafft oder aber allgemeine und auslegungsbedürftige281, die im europäischen Kontext Harmonisierungsbestrebungen zuwiderlaufen können. Die Idee vom »beweglichen System«282 mit unterschiedlichen Feinheiten nach Wilburg283, Bydlinski284, Canaris285 und auch

277 Vgl. Esser, Vorverständnis und Methodenwahl, 1972; MüKo/BGB-Säcker (2018), Einleitung, Rn. 102. 278 Vgl. Rückert/Seinecke/Foljanty/Frassek-Schäfer, Methodik des Zivilrechts, 2017, Rn. 772. 279 Vgl. Rückert/Seinecke/Foljanty/Frassek-Schäfer, Methodik des Zivilrechts, 2017, Rn. 839ff., 846; ausführlich Coing, Grundzüge der Rechtsphilosophie, 1985, S. 339ff. 280 Vgl. Meder, Ius non sciptum, 2009, S. 87; Coing, Grundzüge der Rechtsphilosophie, 1985, S. 283f. 281 Vgl. Koziol, Austrian Law Journal 2017, 160. 282 Allgemein zum beweglichen System Honsell/Mayer-Maly, Rechtswissenschaft, 2017, S. 176ff. 283 Vgl. Wilburg, AcP 1964, 346. 284 Vgl. Bydlinski, JBI 1996, 683. 285 Vgl. Canaris, Systemdenken, 1983, S. 74ff.

72

Teil 1: Themenspezifische Grundlagen

Schilcher286 fordert im Grundsatz hinreichend elastische Regeln, in welchem Wertungsgesichtspunkte nicht allein durch den Gesetzgeber in ein in sich geschlossenes System überführt werden, ohne dass die Prinzipien der Rechtssicherheit und Gerechtigkeit dabei umgangen werden. In diesem Zusammenhang muss zugestanden werden, dass Recht immer schon ideell gesetzt ist, bevor es im gesetzten Recht wiederentdeckt wird287. Es lässt sich festhalten, dass die juristische Methodik sich den allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen anpasst. Der Gesetzgeber allein ist nicht in der Lage, sämtliche Lebenssachverhalte zu erfassen, nicht einmal dazu, sämtliche Wertungsgesichtspunkte abzuwägen und abschließend zu entscheiden. Die Rechtsanwendung erschöpft sich insoweit nicht in der bloßen Sichtung eines konkreten Normtextes, sondern muss mannigfaltige Erkenntnisquellen der Rechtsfindung berücksichtigen. Dabei bedarf es einer juristischen Methodik, um Rückführung auf den gesetzgeberischen Willen sicherstellen und somit dem verfassungsrechtlichen Gebot aus Art. 20 Abs. 3 GG Rechnung tragen zu können. Heute spielt das Richterrecht eine wichtige Rolle innerhalb der europäischen und globalen Harmonisierung. Die deutsche Tradition einer wissenschaftlichen und rationalen Wertungsjurisprudenz als Ergebnis eines Abwägungsprozesses zwischen Freiheiten des Richters und des Gesetzgebers verliert im internationalen Kontext zunehmend an Bedeutung288.

VIII.

Europarechtliche Methodik

Die Interpretationsmethoden des EuGHs sollen grundsätzlich denen der Mitgliedsstaaten entsprechen289. Die Besonderheiten des Gemeinschaftsrechts führen indes dazu, dass die Gewichtung der unterschiedlichen Norminterpretationsmittel auf europäischer Ebene im Verhältnis zu den Mitgliedsstaaten differiert290. Dadurch wirkt die Auslegung des Unionsrechts nicht immer methodisch nachvollziehbar. Andere sprechen sogar von einer »Methodenwillkür«291 des EuGHs. Es kann zumindest festgehalten werden, dass europäisches

286 Vgl. Schilcher, Das bewegliche System wird Gesetz, in: Heldrich/Prölss/Koller [Hrsg.], FSCanaris Bd. II, 2007, S. 1299ff. 287 Vgl. Canaris, Lücken im Gesetz, 1983, § 106. 288 Vgl. Haferkamp, ZfPW 2016, 319, 334, welcher kritisch anmerkt, dass »eine Wertungsjurisprudenz, der die Werte abhandengekommen sind, ihr entscheidendes Argument verloren [hat])«. 289 Vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim-Mayer (2018), Art. 19 EUV Rn. 53; Hirsch, ZGR 2002, 1, 9 ff. 290 Vgl. Calliess/Ruffert-Wegener (2016), Art. 19 EUV Rn. 13. 291 Vgl. Jahn, NJW 2008, 1788.

Auslegungstheoretische Grundlagen

73

Recht autonom gemeinschaftsrechtlich auszulegen ist292, was eine Auslegung »in dubio pro unione«293 bedingen kann. Jüngst hat etwa Herzog herausgearbeitet, dass ein teleologisches Argument bei der Anwendung europäischen Rechts nicht zielführend sei und deshalb für eine stärkere Orientierung an der Rechtsphilosophie Savignys plädiert. Insoweit wäre der Sinn und Zweck des Rechts durch eine »Reconstruction des dem Gesetze innewohnenden Gedankens« zu ersetzen, insbesondere stärker auf systematische und historische Argumente einzugehen. Diese Aufgabe des Juristen beschreibt Herzog als eine »schwierigere«, aber dafür mit einem höheren Maße an Rechtssicherheit einhergehende294. Eine weite Zuständigkeitsbeanspruchung leitet der EuGH regelmäßig über die Ebene der europäischen Kernkompetenz, des Wettbewerbsrechts, her295. Die Unternehmensberichterstattung war im Unternehmensrecht der EWG, der EG sowie der EU seit jeher das Rechtsgebiet, welchem die meiste Beachtung geschenkt wurde296. Der EuGH wird insoweit bestrebt sein, das Recht der Rechnungslegung bis auf die Ebene nationalen Rechts einer gerichtlichen Kontrolle unter Berücksichtigung europäischer Wettbewerbs- und Harmonisierungsbestrebungen zu unterwerfen297. Die Auswahl und Anwendung juristischer Methoden des EuGHs weist gegenüber der kontinentaleuropäischen Rechtstradition Besonderheiten auf, welche an späterer Stelle im konkreten Kontext der IFRS-Auslegung genauer betrachtet werden298. An dieser Stelle soll ein Ausblick zur grundsätzlichen Tendenz des EuGHs ausreichen. Auffällig ist, dass eine Orientierung an Einzelnormen und konkurrenzbezogene Abwägungen bei Einschlägigkeit mitgliedsstaatlicher und das Gemeinschaftsrecht betreffender Normen nur lückenhaft erfolgt299. Kritisiert wird auch mangelnde logische Schlussführung durch Vernachlässigung juristischer Methodenlehren300.

292 Vgl. Grundmann, Die Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den Europäischen Gerichtshof, 1997, S. 208 ff. mit ausführlichem Nachweis zur Rechtsprechung des EuGHs sowie Calliess/Ruffert-Wegener (2016), Art. 19 EUV Rn. 13 m.w.N. 293 Vgl. Stern, AnwBl 2007, 591, 592. 294 Vgl. Herzog, Anwendung und Auslegung, 2014, S. 725. 295 Vgl. etwa EuGH, EuZW 2007, 46 (»Tabakwerbeverbot«) zur Gesundheitspolitik; EuGH, NJW 2000, 497 (»Tanja Kreil«) zur Berufs- und Gleichbehandlungspolitik. 296 Vgl. Lutter/Bayer/Schmidt, Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, 2012, S. 146. 297 Hier später Teil 2 Kapitel C VI. sowie Teil 3 Kapitel A. 298 S. Teil 2 Kapitel C V. 299 So auch Jahn, NJW 2008, 1788, 1789. 300 Vgl. Hailbronner, NJW 2004, 2185, 2187; Stein, EuZW 2007, 54, 56.

74

Teil 1: Themenspezifische Grundlagen

Es ist jedoch nicht ohne Weiteres eine Methodenwillkür des EuGHs zu unterstellen. Lediglich die Gewichtung der juristischen Methoden differiert in Verhältnis zur deutschen Rechtsprechung. Insoweit sind aber auch gemeinschaftsrechtliche Besonderheiten zu berücksichtigen. Dazu zählt auch, dass zwischen den Mitgliedsstaaten schon mitunter erhebliche Unterschiede der gerichtlichen Methodik bestehen. Dieser Umstand resultiert insbesondere daraus, dass hier sowohl Staaten mit kontinentaleuropäischer als auch angelsächsischer Rechtsphilosophie auftreten und ihre Interessen auf europäischer Ebene durchzusetzen versuchen. Im Interessenkonflikt entwickelt der EuGH dann eine selbstständige, unionale Methodik. Ein politischer Integrationsdruck unter dem Gesichtspunkt, dass die Erhaltung Europas wirtschaftlicher Wettbewerbsposition nur durch ein geeintes Europa möglich ist, mag dann auch eine Ablösung von enger Normbindung, hin zu politischer Motivation begründen. Art. 19 EUV impliziert ferner, dass dem EuGH gegenüber politischen Entscheidungsorganen ein judicial self-restraint auferlegt ist301. Es soll nicht Gegenstand dieser Arbeit sein, zu klären, ob eine solche gerichtliche Kontrolle unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten zu rechtfertigen ist bzw. der EuGH seine funktionellen Grenzen überschreitet. Dazu muss auf die umfassenden Diskussionsbeiträge innerhalb der juristischen Wissenschaft verwiesen werden302, wobei eine Klärung der Frage auch nicht erreicht wurde. Wichtig für die hiesige Forschungsfrage ist nur der Aspekt, dass die Besonderheiten europarechtlicher Methodik aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Regelungen des Bilanzrechts zur Forschungsfrage der Anwendung und Auslegung der IFRS zu berücksichtigen sind, weshalb im konkreten Kontext hierauf gesondert eingegangen wird.

D.

System des case law vs. code law

Die IFRS entspringen einem wenigstens ursprünglich vorrangig von der angelsächsischen Rechtstradition geprägten Gremium303. Insoweit verwundert es nicht, dass schon auf den ersten Blick eine Abweichung zwischen einer dem kontinen301 Vgl. etwa Grabitz/Hilf/Nettesheim-Mayer (2018), Art. 19 EUV Rn. 52, 69ff. 302 Differenziert zur Kritik am EuGH und jeweils m. w. N. siehe nur Haltern, Europarecht, Band II, 2017, S. 27ff.; Adam/de Waele/Meeusen/Straetmans [Hrsg.], Judging Europe′s Judges, 2013; Jahn, NJW 2008, 1788, 1789; Gerken/Rieble/Roth/Stein/Streinz, »Mangold« als ausbrechender Rechtsakt, 2009. 303 Die ersten Mitglieder des IASC als Vorgängerin des heutigen IASB am 29. 06. 1973 waren privatrechtliche Berufsverbände der Wirtschaftsprüfer aus Großbritannien, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Kanada, den USA, Australien, Japan und Mexiko, vgl. IASCAgreement vom 29. 06. 1973, erhältlich auf https://www.ifrs.org/-/media/feature/about-us/o ur-history/1973-iasc-agreement.pdf ?la=en (letzter Zugriff am 06. 11. 2019).

System des case law vs. code law

75

taleuropäischen Rechtssystem entspringenden Kodifikation und den IAS/IFRS auffällig wird. Die IAS/IFRS sind einzelfallbezogen und weisen einen geringen Abstraktionsgrad auf. Im angelsächsischen Rechtskreis bilden Präjudizien eine überragende Rechtserkenntnisquelle304. Gerichtliche Entscheidungen haben einen erheblichen Einfluss auf spätere Fallkonstellationen305. Deutlich zeigt sich die Bedeutung des Präzedenzfalls im anglo-amerikanischen Rechtssystem. Dort bindet die sog. staredecisis-doctrine in vertikaler Linie alle Richter an Entscheidungen höherer Gerichte in Bezug auf ähnlich gelagerte Lebenssachverhalte306. Dementgegen kennt die kontinentaleuropäische Rechtstradition grundsätzlich keine normative Bindung an Präjudizien307. Gerade in Deutschland ist die Bindung an das Gesetz gegenüber dem Fallrecht besonders stark ausgeprägt, vgl. Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG308. In der Praxis werden aber Entscheidungen insbesondere der Höchstgerichte nicht einfach unbeachtet gelassen. Sie spielen eine entscheidende Rolle bei der Auslegung von Rechtsnormen. Während in der einzelfallgeprägten Kodifikation des Allgemeinen Preußischen Landrechts eine Auslegung verboten309 und somit auch die Bedeutung gerichtlicher Entscheidungen noch geringer war, bildet die Anwendung des Gesetzes bei höheren Abstraktionsgraden der Normtexte eine wichtige Erkenntnisquelle der Auslegung. Insoweit zeigt sich, dass bei abstrakten Normtexten die präjudizielle Bindung auf argumentativer Ebene höher ist als bei einzelfallorientierten. Diese argumentative Bindung folgt teilweise auf verfassungsrechtlicher Basis, insbesondere aber aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen wie dem Grundsatz des Vertrauensschutzes als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips310. 304 Vgl. hierzu grundlegend Cross, Precedent, 1977; Vogenauer, ZNR 2006, 48ff.; Hager, Rechtsmethoden in Europa, 2009, S. 86ff. 305 Vgl. Alexander, Precedent, in: Patterson [Hrsg.], A Companion to Philosophy of Law and Legal Theory, 2010, 493ff.; Lundmark, JuS 2000, 546ff. 306 Vgl. Monaghan, Columbia Law Review 1988, 723ff.; Pilny, Präjudizienrecht im angloamerikanischen und im deutschen Recht, 1993, S. 19; Hager, Rechtsmethode in Europa, 2009, S. 93ff. 307 Vgl. Müller/Christensen, Juristische Methodik Band II, Europarecht, 2012, S. 305; Müssig, ZNR 2006, 79ff.; zu den Gründen vgl. Cross, Precedent, 1977, S. 10ff. eine »gewisse« normative Bindungswirkung annehmend etwa Hager, Rechtsmethode in Europa, 2009, S. 118, 210. Eine formale Bindungswirkung gilt in Deutschland für die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung, vgl. § 31 BVerfGG. 308 Vgl. BeckOK/GG-Morgenthaler (2018), Art. 20 Rn. 171, Art. 97 Rn. 7 ff. 309 Vgl. Weller, Die Bedeutung der Präjudizien im Verständnis der deutschen Rechtswissenschaft, 1979, S. 80. 310 Vgl. Müller/Christensen, Juristische Methodik II, Europarecht, 2012, S. 306f.; Klappstein, Die Rechtssprechungsänderung mit Wirkung für die Zukunft, 2009, S. 54ff.; Neuner, Die Rechtsfortbildung, in: Riesenhuber [Hrsg.], Europäische Methodenlehre, 2010, S. 373, 383; Ukrow, Rechtsfortbildung EuGH, 1995, S. 189f. Die argumentative Bindung insbesondere an

76

Teil 1: Themenspezifische Grundlagen

Auf europäischer Ebene lässt sich eine strikte Trennung zwischen angelsächsischer und kontinentaleuropäischer Rechtstradition nicht durchhalten. Eine zwingende Bindung an Präjudizien im Sinne der stare-decisis-doctrine ist dem Unionsrecht fremd311. An der Gründung der Europäischen Gemeinschaft waren nur Staaten beteiligt, die der kontinentaleuropäischen Rechtstradition des civil law folgten312. Erst mit der Zeit sind Staaten beigetreten, deren Rechtstradition vom System des common law geprägt war313. Zunehmend lässt sich auch bei der Jurisdiktion des EuGHs eine präjudizienorientierte Entscheidungsweise erkennen. Dies gilt gerade mit Hinblick auf das Primärrecht und damit bezogen auf ein hohes Abstraktionsniveau314. Dabei geht es aber eher um die argumentative Verkettung von Entscheidungen als um die starre präjudizielle Bindung. Die Präjudizien bilden daher auch auf europäischer Ebene vor allen Dingen eine Bindung für Auslegungsentscheidungen für Normtexte mit entsprechendem Abstraktionsgrad. Das Unionsrecht kann daher zutreffend als »gesetzeskontrolliertes Fallrecht«315 bzw. »Hybridform zwischen case law und Gesetzesrecht«316 bezeichnet werden. Dass hierdurch zwei unterschiedliche Rechtstraditionen in Einklang zu bringen sind, wirft eine Vielzahl von Problemen auf, die, soweit dies erforderlich ist, an späterer Stelle berücksichtigt, in ihrer Vielzahl aber weder abschließend dargestellt, noch aufgelöst werden können317. Damit ist geklärt, dass die Präjudizienbindung auch im deutschen, in besonderem Maße aber im europäischen Recht eine wesentliche Bedeutung für die Auslegungspraxis spielt. Hohe Abstraktionsgrade von Normtexten machen eine Normkonkretisierung erforderlich und das Rechtsstaatsprinzip mahnt vor dem Hintergrund der Widerspruchs- und Willkürfreiheit sowie der Rechtssicherheit die einheitliche Auslegung innerhalb der Anwendung und Jurisdiktion jedenfalls

311 312 313 314 315 316 317

höchstinstanzliche Urteile dürfte in der Praxis vor allen Dingen auf dem Umstand basieren, dass die Gerichte vermeiden wollen, dass ihre Urteile im Rechtsmittelverfahren aufgehoben werden. Vgl. Müller/Christensen, Juristische Methodik II, Europarecht, 2012, S. 327; Arnull, Common Market Law Review 1993, 247ff. Gründungsstaaten der damaligen Europäischen Gemeinschaften (EGKS, EWG, Euratom) in den Jahren 1951 und 1957 waren Belgien, die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande. Hierzu zählen etwa das Vereinigte Königreich und Irland sowie Malta und Zypern. Das Vereinigte Königreich und Irland traten im Rahmen der 1. Norderweiterung im Jahr 1973 der Europäischen Gemeinschaft bei. Vgl. Müller/Christensen, Juristische Methodik II, Europarecht, 2012, S. 327. Vgl. Müller/Christensen, Juristische Methodik II, Europarecht, 2012, S. 326. Vgl. Pötters/Christensen, JZ 2012, 289ff. Insoweit sei auf Müller/Christensen, Juristische Methodik II, Europarecht, 2012, S. 333ff; 337ff. verwiesen, welche insbesondere auf die Problematik der Realisierung der Gesetzesbindung bei einer Verquickung von Fall- und Gesetzesrecht eingehen.

System des case law vs. code law

77

grundsätzlich an. Eine umfängliche Betrachtung insbesondere der Grenzbereiche zwischen diesen grundsätzlichen Systemen kann in dieser Arbeit jedoch erfolgen. Die Problematik der IFRS geht über die hier im Ansatz aufgezeigte Problematik hinaus. Hierbei handelt es sich nicht um »gesetzeskontrolliertes Fallrecht«, sondern eher um fallorientiertes Gesetzesrecht. Die IFRS sind einzelfallbezogen und in Betrachtung ihrer Gesamtsystematik zeigen sie ein hohes Konkretisierungsniveau. Ob hier überhaupt eine Auslegung nach klassischem kontinentaleuropäischem Verständnis möglich ist und welche Probleme und Grenzen ggf. bestehen, wird daher im Rahmen der Auslegungsmethodik an späterer Stelle geklärt.

Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS im Deutschen und Europäischen Rechtsraum

A.

Stand der Rechnungslegungsnormierung

I.

Einordnung unterschiedlicher Rechnungslegungsphilosophien

Klassischerweise ließen sich die empirisch zu beobachtenden Rechnungslegungsphilosophien – korrespondierend zu den vorherrschenden Wirtschaftssystemen – in vier grundsätzliche Klassen einteilen: das kontinentaleuropäische (continental), das angelsächsische (British American), das südamerikanische (besser: inflationistische) sowie das sozialistische (mixed economy) Modell318. In Bezug auf die hiesige Fragestellung sind nur das kontinentaleuropäische sowie das angelsächsische Modell von Bedeutung, welche ohnehin die relevanten Systeme darstellen319. Gegenüber der angelsächsischen Philosophie hat die kontinentaleuropäische Philosophie deutlich weniger Anhänger320. Das kontinentaleuropäische System hat seinen Ursprung im Code Napoleon321. Grundlage bildet das Bilanzrecht. Bilanzierungsgepflogenheiten der Kaufleute werden zwar maßgeblich berücksichtigt, sind dem (positiven) Recht aber nach318 Vgl. Havermann, Internationale Entwicklungen in der Rechnungslegung, S. 659; in: Ballwieser/Böcking/Drukarczyk/Schmidt [Hrsg.], FS-Moxter, S. 657–677; Mueller/Gernon/Meek, Accounting: An International Perspective, 1994, S. 8ff.; a. A. D’Arcy, Rechnungslegungssysteme, 1999. 319 Das sozialistische Modell hat mit dem Zusammenbruch sozialistischer Staatsformen an Bedeutung verloren. Das südamerikanische System ist weniger an örtliche bzw. kulturelle Faktoren, als vielmehr an hyperinflationistische Entwicklungen geknüpft, was seine zu vernachlässigende Bedeutung erklärt. Siehe insoweit etwa Merkt/Probst/Fink, Rechnungslegung nach HGB und IFRS, 2017, Rn. 51ff., welche zwei Traditionen der entwickelten Rechts- und Wirtschaftsordnungen unterscheiden. 320 Das sind im Wesentlichen Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Belgien. Auch deren zunehmende Tendenz auch derer Systeme zu angelsächsischen Prinzipien bildet noch einen Forschungsschwerpunkt im späteren Kontext der Arbeit. 321 Vgl. Wiley-Peemöller (2008), IFRS, Abschnitt 1, Rn. 6. Demgegenüber entstand das angelsächsische Modell (auch kapitalmarktorientiertes Modell) infolge der industriellen Revolution im späten 19. Jahrhundert, ebd., Rn. 8.

80

Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS

geordnet. Im angelsächsischen System hingegen stellen die rudimentären gesetzlichen Regelungen lediglich absolute Grenze dessen dar, was die Bilanzierungspraxis zum Ziel einer angemessenen Informationsvermittlung als erforderlich erachtet. Einzelheiten wurden vom Berufsstand der accountants bzw. durch Standard Accounting Bodies322 ausgearbeitet. Die praktische Akzeptanz der Rechnungslegungsnormen und die Informationsvermittlung nehmen gegenüber anderen öffentlichen Interessen einen höheren Stellenwert ein. Daraus lässt sich ableiten, dass eine rechtliche gegenüber einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise nur im kontinentaleuropäischen System Vorrang genießt. Insoweit stimmt die Einordnung beider Rechnungslegungssysteme ganz allgemein mit der Unterscheidung zwischen angelsächsischer und kontinentaleuropäischer Rechtstradition hinsichtlich der Bindung an eine Kodifikation überein. Soweit diese klassische Trennung beider Philosophien zugunsten der einen oder anderen im Wege der Internationalisierung aufgegeben wird, stellt sich daher das Problem, dass die Grundlage der Auslegung sich verschieben könnte, hin zu einer stärker rechtlichen bzw. stärker wirtschaftlichen Betrachtungsweise.

II.

Ebenen der Rechnungslegungsnormierung

Die Regulierung der Rechnungslegung findet auf verschiedenen Ebenen statt323, welche im Folgenden rudimentär dargestellt werden. Aus europäischer Sicht gibt es gemeinschaftsrechtliche Vorschriften, die letztlich unter dem Begriff des EUBilanzrechts zusammengefasst werden. Es handelt sich hierbei nicht um eine geschlossene und von nationalen Rechtsordnungen losgelöste Rechnungslegungssystematik für bestimmte Unternehmen. Vielmehr stellt das EU-Bilanzrecht eine Mindestharmonisierung mit dem Ziel der Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den US-GAAP dar324. Die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften waren somit als Mindeststandards in nationales Recht zu überführen und in die einzelnen mitgliedsstaatlichen Systeme einzugliedern, ohne dass diese hierdurch zwingend gänzlich zu ändern waren. Im Kern bilden daher die mitgliedsstaatlichen Normen die Ausgangsbasis nationaler Rechnungslegung. Lediglich für die kapitalmarktorientierte Rechnungslegung konkretisiert die IAS-VO, dass die Rechnungslegung der Mitgliedsstaaten nach Maßgabe der in 322 So etwa das FASB in den USA oder das ASB in den UK. 323 Vgl. Merkt/Probst/Fink, Rechnungslegung nach HGB und IFRS, 2017, Rn. 54 (»Mehrebenensystem«). 324 Vgl. hierzu schon Teil 1 Kapitel A I. 3.

Stand der Rechnungslegungsnormierung

81

europäisches Recht übernommenen IFRS zu erfolgen hat. Für diesen Teil der Unternehmen ist das Europäische Bilanzrecht damit umfassend. Neben dieser staatlichen Regulierung erfordert es die internationale und globale Ausrichtung von Konzernen und ggf. deren Interesse an der Teilnahme an internationalen Finanzmärkten, globale Rechnungslegungsstandards wie die IFRS oder die US-GAAP anzuwenden, weshalb solche Standards hier als eigene, wenngleich aus Sicht zumindest europäischer Mitgliedsstaaten außerstaatliche und nicht rechtlich verpflichtende Ebene der Rechnungslegungsnormen zu betrachten sind. 1.

Mitgliedsstaatliche Rechnungslegungsnormen

Jeder Mitgliedsstaat normiert die Rechnungslegung grundsätzlich auf nationaler Ebene. Eine Übernahme des europäischen Bilanzrechts allein würde nicht ausreichen, um eine umfassende Rechnungslegung zu gewährleisten. Trotz Internationalisierungs- und Globalisierungstendenzen bestehen tradierte Systeme der Mitgliedsstaaten der EU daher fort. Dabei gibt es innerhalb der Mitgliedsstaaten solche, welche sich eher an der kontinentaleuropäischen und solche die sich eher an der angelsächsischen Rechnungslegungstradition orientieren. Für Deutschland ist das Bilanzrecht Teil des Handelsrechts und im Dritten Buch des HGB normiert325. Unterschieden wird klassischerweise der Einzel- und der Konzernabschluss, für welche jeweils andere Zwecksetzungen existieren. Insbesondere das UK und Irland verfolgen angelsächsische Rechnungslegungsmodelle. Die mitgliedsstaatlichen Rechnungslegungssysteme sind mittlerweile weitgehend von den im Folgenden vorgestellten gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien und Verordnungen durchzogen. 2.

EU-Bilanzrecht

Die EU hat ein eigenes Bilanzrecht normiert326. Dieses stellt jedoch kein umfängliches System der Rechnungslegung dar, sondern verpflichtet die Mitgliedsstaaten lediglich zur Einführung von Mindeststandards zur besseren Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse innerhalb des Gemeinschaftsgebiets. Geregelt ist das (eigenständige) europäische Bilanzrecht vornehmlich in Gestalt einer EURichtlinie.

325 Einführend zur HGB-Rechnungslegung etwa Gräfer, Rechnungslegung HGB, 2016; Merkt/ Probst/Fink, Rechnungslegung nach HGB und IFRS, 2017, Rn. 58ff.; Bitz/Schneeloch/Wittstock/Patek, Der Jahresabschluss, 2014, S. 105ff. 326 Zum Begriff des EU-Bilanzrechts sowie dessen Umfang einführend Merkt/Probst/Fink, Rechnungslegung nach HGB und IFRS, 2017, Rn. 142ff.

82

Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS

Die 4. und 7. gesellschaftsrechtlichen Richtlinien für Jahresabschluss (78/660/ EWG) und Konzernabschluss (83/349/EWG) wurden aufgehoben (Art. Artikel 52 EWG-RL 2013 34) und sind in der neuen Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. 06. 2013 (Bilanz-Richtlinie), welche bis zum 20. 07. 2015 in nationales Recht der Mitgliedsstaaten umzusetzen war, aufgegangen327. Die IAS-VO stellt innerhalb dieses Regelwerks eine Konkretisierung für kapitalmarktorientierte Unternehmen dar328. Die zunächst binnenmarktorientierte Angleichung der mitgliedsstaatlichen Rechnungslegungssysteme wird zunehmend daraufhin ausgedehnt, dass das europäische Bilanzrecht internationale Anerkennung findet. Deshalb zeigt sich tendenziell neben der verpflichtenden Anwendung der übernommenen IFRS durch die IAS-VO für kapitalmarktorientierte Konzerne eine Entwicklung des Regelungsgehalts der Bilanzrichtlinien hin zu den IFRS329. Daneben steht die Entwicklung des europäischen Bilanzrechts unter dem Einfluss der Folgen der Finanzkrise. Die neue Bilanzrichtlinie soll grenzüberschreitende Investitionen erleichtern, die Vergleichbarkeit von Jahresabschlüssen des Gemeinschaftsgebiets für sämtliche Gesellschaftsformen sicherstellen und das »öffentliche Vertrauen« in die Berichterstattung der Unternehmen verbessern330. Trotz Angleichung an die IFRS wird das (neue) europäische Bilanzrecht außerhalb der IASVO daher als Alternative zur »IFRS-Scheinwelt«331 aufgefasst. Die Richtlinie basiert auf dem Prinzip »Vorfahrt für KMU«332 (auch »think small first«). Das heißt es soll eine Harmonisierung der Rechnungslegungsanforderungen für kleine und mittelständische Unternehmen innerhalb der EU erreicht werden, ohne dass der Verwaltungsaufwand für diese unverhältnismäßig hoch wird. 3.

Globale Bilanzierungsstandards

Global und auch supranational stellen die IFRS und die US-GAAP die vorherrschenden Rechnungslegungsstandards dar. Das IASB sieht sich längst nicht mehr als europäischer Standardsetter. Es geht um die Entwicklung globaler Standards

327 Schon vor Ablauf der Umsetzungsfrist wurde eine Änderungsrichtlinie (2014/95/EU) zur Bilanzrichtlinie erlassen. Bilanzrichtlinie inklusive der Änderungsrichtlinie sind mit dem BilRUG zum 23. 07. 2015 in deutsches Recht umgesetzt worden. 328 Vgl. zur Entwicklung des EU-Bilanzrechts schon Teil 1 Kapitel A I. 3. 329 Vgl. Kreipl/Müller, Stbg 2012, 398; Schildbach/Stobbe/Brösel, Der handelsrechtliche Jahresabschluss, 2013, S. 88f. 330 Vgl. Luttermann, NZG 2013, 1128, 1129. 331 Vgl. Luttermann, NZG 2013, 1128, 1133. 332 Siehe auch Erwägungsgrund 10 der Bilanzrichtlinie.

Stand der Rechnungslegungsnormierung

83

für globale Märkte333. Finanztransaktionen, welche eine konsistente Rechnungslegung voraussetzen, gibt es über die Grenzen der europäischen und anderer nationaler Binnenmärkte hinaus. Kapitalanleger investieren global und sind hierbei darauf angewiesen, die jeweiligen Rechnungslegungssysteme zu verstehen. Noch wichtiger sind vergleichbare Rechnungslegungsstandards, soweit international tätige Unternehmen an nationalen Finanzmärkten anderer Staaten agieren wollen. Um den dort geltenden Rechnungslegungsstandards zu genügen, müsste ggf. eine Überleitungsrechnung vom nach national-gesetzlich vorgeschriebenen Jahresabschlüssen erfolgen. Sowohl der Erstellungsaufwand, als auch die damit einhergehende Erweiterung der nach außen getragenen Informationen stellen Belastungen der Unternehmen dar. Die IFRS werden in Europa von 44, in Afrika von 23, im mittleren Osten von 13, in Asien und Ozeanien von 33 sowie in Amerika von 37 Rechtssystemen – in unterschiedlichem Umfang – angewendet bzw. akzeptiert, darunter in sämtlichen G20-Staaten334. Da indes schon auf europäischer Ebene kein Konsens hinsichtlich der Rechnungslegungsstandards erreicht werden konnte, muss klar sein, dass die supranationale und globale Anwendung der IFRS ohne eine Rückkopplung an staatliche Legitimationsmechanismen auskommen muss und es mithin nur eine faktische, nicht aber eine rechtlich-normative Verbindlichkeit solcher globalen Standards geben kann. Die von der FASB herausgegebenen US-GAAP sind von der US-amerikanischen Aufsichtsbehörde für das Wertpapier- und Börsenwesen, der SEC, anerkannte Rechnungslegungsregeln. Sie stellen induktiv aus Rechtsfällen abgeleitete Grundsätze dar, die sich (allein) an den Anforderungen des Kapitalmarktes orientieren335. Die Europäische Kommission ist indes bestrebt, die SEC von der Anerkennung der IFRS für US-amerikanische Unternehmen zu überzeugen336.

III.

Rechnungslegung nach IFRS

Für das bessere Verständnis der nachfolgenden Überlegungen wird zunächst ein kurzer Überblick über die Rechnungslegung nach den IAS/IFRS für den fachkundigen Leser gegeben337. 333 Vgl. Selbstdarstellung unter http://www.ifrs.org/use-around-the-world/why-global-accountin g-standards/#case-for (Zugriff am 12.01. 2019). 334 Vgl. Darstellung der IFRSF, erhältlich auf: http://www.ifrs.org/use-around-the-world/use-of -ifrs-standards-by-jurisdiction/#analysis (Zugriff am 06. 11. 2019). 335 Vgl. Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 2015, Einführung, Rn. 3. 336 Vgl. Europäische Kommission, Bewertung der IAS-VO = KOM 2015, 301, S. 12. 337 Für ausführlichere Darstellungen sei auf Heuser/Theile/Dörschell, IFRS Handbuch, 2012, S. 1–72; Wagenhofer, Internationale Rechnungslegungsstandards, 2009, S. 123–196; Merkt/

84

Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS

Die Rechnungslegung nach den IFRS hat mittlerweile weltweit Anerkennung gefunden. Unternehmen, welche Finanzberichte nach den IFRS erstatten, werden trotz ihrer Stellung als Foreign Private Issuer auch zum Handel am US-amerikanischen Kapitalmarkt zugelassen. Bereits im Jahr 2007 hat die SEC die IFRS anerkannt338. Gemäß IAS 1.10 besteht ein Jahresabschluss (complete set of financial statement) aus der Bilanz (balance sheet) zum Ende der Periode, der Gesamtergebnisrechnung (statement of profit or loss and other comprehensive income), der Eigenkapitalveränderungsrechnung (statement of changes in equity), der Kapitalflussrechnung (statement of cash flows), einem Anhang sowie der Eröffnungsbilanz. Ferner besteht für kapitalmarktorientierte Unternehmen die Pflicht zur Erstellung einer Segmentberichterstattung, vgl. IFRS 8.2. Im Verhältnis zur handelsrechtlichen Rechnungslegung entspricht der Umfang der Finanzberichterstattung damit in etwa demjenigen für große und kapitalmarktorientierte Unternehmen vor verpflichtender Anwendung der IFRS in Deutschland, geht aber teilweise darüber hinaus. Dafür fehlt es an einer Pflicht zur Erstellung einer dem Lagebericht gemäß §§ 264 Abs. 1 S. 1, 289ff. HGB entsprechenden Erläuterungserklärung. Die vom IASB vorgesehene und in weiten Zügen dem Konzernlagebericht entsprechende Management Commentary339 ist als Practice Statement kein Standard und dem Endorsement nicht zugänglich340. Eine Buchführungspflicht, wie sie etwa aus § 238 HGB folgt, ist in den internationalen Standards als solche nicht normiert, wird aber vorausgesetzt341. Als Bestandteile der Bilanz definiert das IASB Vermögenswerte (assets), Schulden (liabilities) sowie Eigenkapital (equities). Stromgrößen als Veränderungskomponenten des Eigenkapitals bilden die Erträge (incomes), die Erlöse (revenues) sowie sonstige Erträge (gains) auf eigenkapitalerhöhender Seite und Aufwendungen (expenses) sowie sonstige Aufwendungen (losses) auf eigenkapitalvermindernder Seite, vgl. IAS 1.9. Das Regelungswerk der IFRS besteht aus Verlautbarungen des IASB, welche in logischem Verhältnis zueinanderstehen. Die Verlautbarungen sind im Einzelnen das Preface, das Conceptual Framework, die IAS/IFRS sowie die SIC/IFRS IC-

338 339 340 341

Probst/Fink, Rechnungslegung nach HGB und IFRS, 2017, S.67ff.; Buchholz, Internationale Rechnungslegung, 2017, S. 23ff., 49ff.; Ballwieser, IFRS-Rechnungslegung, 2013 verwiesen. Die Anerkennung erfolgte durch eine Verlautbarung der SEC vom 21. 12. 2007 (SEC Release No. 33–8879). Zu diesem Thema ausführlich Erchinger/Melcher, KoR 2007, 245ff. Dieser wurde vom IASB am 08. 12. 2010 veröffentlicht und für optional anwendbar zur Lageberichterstattung erklärt. Bereits am 27. 10. 2005 wurde ein Diskussionspapier zu diesem Thema ausgegeben, welches erst im Juni 2009 zu einem Exposure Draft führte. Vgl. Stute, Lageberichterstattung nach den IFRS, in: Müller/Stute/Withus [Hrsg.], Handbuch Lagebericht, S. 503–510; Melcher/Murer, DB 2011, 430ff. Vgl. nur BeckOK/HGB-Regierer (2018), § 238 Rn. 28; Heidel/Schall-Reich/Szczesny/Voß (2015), § 238 Rn. 37.

Stand der Rechnungslegungsnormierung

85

Interpretations. Dabei bilden die IAS/IFRS342 das Kernstück und die Einzelnormen für den Anwender. Nach ihnen sind die Rechnungslegungsprobleme zu lösen. Jeder Standard ist der Rechtstradition des common law folgend fallbezogen und dient der Regelung einer bestimmten Art von Geschäftsvorfällen. Der Anwendungsbereich wird dabei im Standard dargelegt. Je nach Art der zu regelnden Einzelsachverhalte kann die jeweilige Regelung eine weite oder spezielle Anwendung finden. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass die IFRS bzw. weiteren Verlautbarungen des IASB keineswegs eine für das deutsche Verständnis geschlossene Systematik aufweisen. Schon die Anwendungsbereiche der einzelnen Standards sind nicht klar abgegrenzt. Ihre Nummerierung gibt keine inhaltliche oder gar hierarchische Ordnung, sondern lediglich die zeitliche Entwicklung wieder343. Innerhalb eines Standards erfolgt eine weitere Gliederung nach dem folgenden Schema: Tabelle 1: Inhaltliche Gliederung einzelner IAS/IFRS Grundlagen

– Einführung (introduction) – Zielsetzung (objective) – Anwendungsbereich (scope)

Bilanzierungsregel

– Bilanzansatz (recognition) – Bilanzbewertung (measurement) – Notwendige Angaben (disclosure)

Normbestimmungen

– Übergangsvorschriften (transitional provisions) – Inkrafttreten (effective date)

Anhänge (nicht einheitlich)

– – – – – –

Definitionen Anwendungshinweise (application guidance) Erstanwendung (implementation guidance) erläuternde Beispiele (illustrative examples) Begründungserwägungen (basis for conclusions) Abweichende Meinungen (dissenting opinions)

Annual Improvements

Formal-gestalterisch werden innerhalb der Standards zentrale Aussagen durch Fettdruck oder kursive Formatierung hervorgehoben. Ein hieraus abzuleitendes hierarchisches System wird indes in den Verlautbarungen des IASB nicht pro-

342 Zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieser Untersuchung waren 41 IAS und 17 IFRS vom IASB verabschiedet (Stand: November 2019). 343 Vgl. Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, 2018, S. 62. Möglich sind indes Überarbeitungen bestehender Standards unter Beibehaltung der Nummerierung. In diesen Fällen lässt sich eine zeitliche Entwicklung nicht ableiten.

86

Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS

klamiert und kann daher nicht ohne weiteres abgeleitet werden344. Schon aus diesem der anglo-amerikanischen Rechtstradition angelehntem System ist eine Übertragung deutscher bzw. europäischer Anwendungs- und Auslegungsregelungen nicht ohne weiteres möglich. Lediglich bedingt kann hier das Rahmenkonzept Abhilfe schaffen, welches die konzeptionelle Grundlage für die Entwicklung, Anwendung und Auslegung der IFRS bilden soll. Ob sich hieran eine methodisch nachvollziehbare Auslegung ableiten lassen kann, wird an späterer Stelle zu prüfen sein345.

IV.

Rechnungslegung im öffentlichen Sektor

Nicht nur im privaten, sondern auch im öffentlichen Sektor spielt die Rechnungslegung eine Rolle. Historisch ist hierbei das überkommene System der sog. Kameralistik346 erwachsen, welches von der doppischen Buchführung zu unterscheiden ist. Es handelt sich dabei um ein Buchführungssytem, welches nicht dasjenige Informationsniveau erreicht, welches die Steuerung und Kontrolle von Wirtschaftseinheiten erfordert347. In Deutschland besteht durch das Gesetz über die Modernisierung des Haushaltsgrundsätzegesetzes (HGrGMoG) vom 31. 07. 2009 die Möglichkeit, die Rechnungslegung in öffentlichen Haushalten nach den Prinzipien der staatlichen doppelten Buchführung (staatliche Doppik) zu gestalten, § 1 Abs. 1 HGrG. Dabei sind grundsätzlich die handelsrechtlich-kaufmännischen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung heranzuziehen, § 7a Abs. 2 HGrG. Auch auf europäischer Ebene treibt die Europäische Kommission Bemühungen zur Einführung verbindlicher europäischer Rechnungslegungsgrundsätze für den öffentlichen Sektor – den European Public Sector Accounting Standards (EPSAS) – voran. Hierfür sollen die IFRS den Bezugsrahmen für die Harmonisierungsbestrebungen bilden, wobei bereits deutlich gemacht wurde, dass diese »in ihrer gegenwärtigen Form« nicht eingeführt werden könnten348.

344 So auch Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, 2018, S. 62; vgl. aber Teil 2 Kapitel C. V. 4. zur Frage, ob sich für die Bilanzierungspraxis nicht doch ein gewisses Vorrangverhältnis ableiten lässt. 345 Vgl. Teil 2 Kapitel C V. 4. e. ee. (1). 346 Allgemein zur Kameralistik etwa Dincher/Scharpf, Rechnungswesen Verwaltung, 2016, S. 115ff. (dort nur noch als »Exkurs«); Schauer, Rechnungswesen Verwaltung, 2012, S.17ff.; Raupach/Stangenberg, Doppik in der Verwaltung, 2009, S. 15ff. 347 So zutreffend: Maunz/Dürig-Kube (2018), Art. 114 GG Rn. 25 m.w.N. 348 Siehe Europäische Kommission (2013), Die Eignung der IPSAS für die Mitgliedsstaaten; Bericht vom 06. 03. 2013; Wüstemann/Wüstemann/Conrath-Hargreaves, Harmonisierung der öffentlichen Rechnungslegung, Forschungsstudie, 2016.

Stand der Rechnungslegungsnormierung

87

Zurzeit wenden mehrere Staaten und internationale Organisationen die International Public Sector Accounting Standards (IPSAS) an, welche vom International Public Sector Accounting Standards Board (IPSASB) entwickelt und veröffentlicht werden, welches vergleichbar zum IASB ein privatrechtlich organisiertes Standardsetzungsgremium darstellt349. Hierzu wird erwogen, analog zur Übernahme der IFRS ein IPSAS-basiertes Endorsement-Verfahren durchzuführen, um den IPSAS als EPSAS Rechtsverbindlichkeit innerhalb des europäischen Rechtsraums zu verleihen350. Es ist nicht die Zielsetzung dieser Arbeit, Stellung zu den IPSAS bzw. EPSAS zu beziehen. Wichtig für die hiesige Forschungsfrage ist indes der Aspekt, dass die IPSAS auf den IFRS basieren, jedoch an die Besonderheiten des öffentlichen Sektors angepasst wurden. Für die Leitlinien zur Gestaltung der europäischen öffentlichen Rechnungslegung wurde in der Literatur ferner zu Recht darauf hingewiesen, dass aus wissenschaftlicher Sicht eine Orientierung an denjenigen Bilanzierungsprinzipien erfolgen sollte, die auch die HGB-Rechnungslegung prägen351. Insbesondere sei der methodische Ansatz des HGB-Bilanzrechts zu fordern, welcher eine teleologische Gesetzesauslegung durch stringente Ableitung von Normen aus dem Sinn und Zweck aus dem Gesamtsystem ableitet352. Damit wird derjenige wissenschaftliche Zugang zur Übernahme von IFRS angedeutet, welcher auch im Rahmen dieser Arbeit durch eine bilanzwissenschaftliche Betrachtung zugrunde gelegt wird. Erforderlich ist eine Einbindung der IFRS – auch im Rahmen privater Rechnungslegung mit öffentlicher Zielsetzung – in ein Gesamtsystem, aus welchem heraus teleologische Norminterpretationen unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Ansätze erst möglich wird353. Soweit Prinzipien der IFRS im Rahmen der EPSAS-Diskussion angezweifelt werden, lassen sich hieraus außerdem ggf. Rückschlüsse für eine Auslegung der IFRS im europäischen Kontext der privatwirtschaftlichen Rechnungslegung ziehen.

349 Zurzeit (Stand 06. 11. 2019) gibt es 38 accrual-based IPSA-Standards für doppischen Systemen und einen umfassenden cash-based IPSA-Standard für kameralistische Systeme, vgl. https://www.epsas.eu/de/ipsas-die-standards.html (letzter Zugriff am 06. 11. 2019). 350 Vgl. hierzu die Ausführungen auf https://www.epsas.eu/de/warum-brauchen-wir-die-epsa s.html (letzter Zugriff am 12. 01. 2019). 351 So Wüstemann/Wüstemann, EPSAS – Leitlinien zur Gestaltung, in: Hessischer Rechnungshof [Hrsg.], Entwicklung der öffentlichen Rechnungslegung in Europa, 2014, S. 585, 589f. 352 Ebd. 353 Zur Bedeutung der Bilanzwissenschaft um »die zahlreichen Rechnungslegungsmythen zu bannen« vgl. insbesondere Moxter, BB 2000, 2143, 2149.

88

Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS

B.

Die »EU-IFRS« als pseudo-legitimierte Normsetzung

I.

Private Selbstregulierung in der Rechnungslegung

Bislang wurde ohne weiteres davon ausgegangen, dass im Bereich der Rechnungslegung weitgehend private Selbstregulierung stattfindet und im Grundsatz auch stattfinden darf. Schon die Definition privater Selbstregulierung wirft indes Probleme auf, da mitunter in der Literatur feinen inhaltlichen Unterschieden durch begriffliche Differenzierungen Rechnung getragen wird354. Im Rahmen dieser Arbeit ist sie so zu verstehen, dass private Akteure für den Bereich der Rechnungslegung selbst und umfassend Regeln aufstellen, wobei sie nicht (mehr) gänzlich losgelöst vom staatlichen Regulierungszusammenhang stehen355. Die IFRS werden damit als Ausfluss privater Selbstregulierung angesehen356. Die Möglichkeit einer privaten Selbstregulierung im Bereich der Rechnungslegung muss systematisch hergeleitet werden. Die Pflicht zur Offenlegung unternehmensinterner Daten dient primär Interessen derjenigen Personen, die keinen anderweitigen Zugriff auf solche Informationen haben357. Es bestehen daher unterschiedliche Auffassungen zur Frage, ob das Bilanz- und Rechnungslegungsrecht als Teil des Handelsrechts dem öffentlichen Recht zugeordnet werden muss358. Während früher in Anlehnung an die Rechtsprechung des Reichsgerichts die herrschende Meinung die Buchführung- und Bilanzierungsvorschriften des HGB dem öffentlichen Recht zugeordnet wurden359, mag heute jedenfalls eine starke Auffassung dagegen tendieren360. Tatsächlich wird eine klare Zuordnung kaum 354 Zur Begriffsbildung s. umfassend Buck-Heeb/Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 8ff. m. w. N. 355 Insoweit könnte auch von »regulierter Selbstregulierung« im verwaltungswissenschaftlichen Sinne gesprochen werden, vgl. Buck-Heeb/Dieckmann, Private Selbstregulierung, 2010, S. 15 m. w. N. auch zur Systematisierung privater Selbstregulierung. 356 Vgl. etwa Engler, Private Regelsetzung, 2017, S. 26ff., welche in Abgrenzung zur Regulierung durch mittelbare Staatsverwaltung im von privater Regelsetzung als Teilbereich der privaten Selbstregulierung spricht. 357 Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, 2017, S. 2, 4ff.; BeBiKoWinkeljohann/Schellhorn (2018), § 264 Rn. 36; Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, 2018, S. 19, 23; Buck-Heeb/Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S.122. 358 Dafür etwa Groh, DB 1998, Heft 47, I; Müller, Jahresabschluss im Spannungsfeld, in: Ballwieser/Böcking/Drukarzcyk/Schmidt [Hrsg.], FS-Moxter, 1994, S. 75, 77; anders etwa Crezelius, in: Claussen/Zimmerer [Hrsg.], FS-Zimmerer, 1997, S. 509; Küting/Ranker, BB 2004, 2510; Claussen, Standortbestimmung des neuen Rechnungslegungsrechts, in: Habersack/Ulmer [Hrsg.], FS-Ulmer, 2003, S. 801, 810; zur Problematik vgl. auch Buck-Heeb/ Dieckmann, Private Selbstregulierung, 2010, S. 122. 359 Vgl. hierzu Staub-Pöschke (2014), § 238 Rn. 2 f. m. w. N.; RGSt 13, 235, 237. 360 So etwa Merkt/Probst/Fink, Rechnungslegung nach HGB und IFRS, 2017, Rn. 180 m.w.N.; a. A. aber Staub-Pöschke (2014), HGB, § 238 Rn. 2 m.w.N. (»Nahezu einig ist man sich heute

Die »EU-IFRS« als pseudo-legitimierte Normsetzung

89

möglich sein. Richtig ist zwar, dass das Recht der Rechnungslegung mit der formalen Stellung im HGB dem Privatrecht zugeordnet wird und auch ursprünglich von Kaufleuten geschaffen wurde361. Andererseits werden in hohem Maße öffentliche Interessen tangiert362 und Verletzungen der Buchführungspflichten gem. §§ 283 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2, 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB ggf. in Verbindung mit § 14 StGB sanktioniert. Das Enforcement der Rechnungslegung soll zusätzlich staatlichen Einfluss ermöglichen. Interessen- und modifizierte Subordinationstheorie legen daher eine partielle Einordnung als öffentliches Recht nahe. Unabhängig von dieser Fragestellung wird die Rechnungslegung sowohl auf nationaler, als auch auf internationaler Ebene zunehmend privat organisiert363. Unstreitig hat das IASB als privatrechtliches Gremium keine Ermächtigung, rechtsverbindliche Rechnungslegungsnormen zu setzen364. Zweifellos bringt ein System privater Selbstregulierung insbesondere bei komplexer Regelungsmaterie eine Vielzahl von Vorteilen mit sich365. Soweit allerdings öffentliche Interessen berührt werden, muss eine staatliche Kontrolle möglich sein. Es bestehen mannigfaltige öffentliche Interessen an einer gesetzlich geregelten Rechnungslegungssystematik366. Das IASB erarbeitet die Standards indes weitgehend autonom und ohne die Möglichkeit staatlichen Eingriffs367. Es stellt sich die Frage, weshalb überhaupt ein Rückgriff auf die Rechnungslegungsvorschriften eines privaten Standardsetters trotz rechtspolitischer Bedenken zurückgegriffen wurde. Der Grund ist gleichsam pragmatisch wie auch bedenklich: Für ein umfassendes, eigenständiges europäisches Rechnungslegungswerk konnte schlicht kein Konsens der Mitgliedsstaaten erreicht werden368. Da die meisten Mitgliedsstaaten indes bereits die IFRS für die Konzernrech-

361 362 363

364 365 366 367 368

jedenfalls bei der Einordnung der Buchführungspflicht als öffentlich-rechtliche, auf die Wahrung des Allgemeininteresses gerichtete Pflicht«). S. hierzu schon Teil 1 Kapitel A I. Vgl. hierzu später Teil 2 Kapitel C II. Vgl. Buck-Heeb/Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 122; im Folgenden sind die dortigen Ausführungen aufschlussreich zur Frage, inwieweit die einzelnen privaten Rechtsquellen »mehr oder weniger« als privat einzustufen sind. Vgl. auch Möllers/Fekonja, ZGR 2012, 777, 780 zur privaten Rechtsetzung in der Rechnungslegung. Zu den Ebenen der Rechnungslegungsnormierung auch schon Teil 2 Kapitel A II. Vgl. Bartsch, ZRP 2009, 97, welcher (kritisch) die faktische Auswirkung auf Unternehmen auch ohne parlamentarischen Akt hervorhebt; klarstellend zur mangelnden Normqualität etwa Buck-Heeb/Dieckmann, Private Selbstregulierung, 2010, S. 135, 140. Vgl. Engler, Private Regelsetzung, 2017 S. 46ff. m. w. N. Vgl. Kapitel C. II. Vgl. Buck-Heeb/Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 135; Kritiker der IFRS bezeichnen den »obrigkeitlichen Eingriff« überspitzt, aber durchaus treffend als »mega out«, vgl. Schildbach/Stobbe/Brösel, Der handelsrechtliche Jahresabschluss, 2013, S. 81. Vgl. hierzu EU-Kommission, Maystadt-Bericht, 2013, S. 5; EU-Kommission, Rechnungslegungsstrategie der EU: Künftiges Vorgehen, Bericht vom 13. 06. 2000, S. 5f.

90

Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS

nungslegung ermöglicht hatten, war insoweit eine Einigung möglich. Im Ergebnis waren vor allem politische Gründe maßgeblich. Die EU befürchtete eine Dominanz der Finanzberichterstattung nach den US-amerikanischen GAAP369. Um eine rechtsstaatlich legitimierte Standardsetzung der IFRS zu ermöglichen, hat die EU-Kommission ein formelles Anerkennungsverfahren (endorsement mechanism) vorgegeben. Es handelt sich hierbei um ein vereinfachtes Gesetzgebungsverfahren, bei dem die Gesetzgebungsinitiative und der Regelungswille letztlich nicht unmittelbar vom europäischen oder nationalen Gesetzgeber ausgehen. Die hierdurch bestehende Gefahr mangelnder Einflussnahme staatlicher Institutionen auf die Normgebung wird durch verschiedene Mechanismen der Beteiligung von mitgliedsstaatlichen und europäischen Interessenvertreten zu begegnen versucht. Insoweit sollen in den nachfolgenden Überlegungen die strukturellen Grundlagen des IFRS-Standardsettings für den fachkundigen Leser kurz dargestellt werden, um Einfluss und Bedeutung der unterschiedlichen Beteiligten herauszuarbeiten und somit einen ersten Hinweis auf mögliche Erkenntnisquellen bei der Auslegung der IFRS gewinnen zu können.

II.

Strukturelle Grundlagen des IFRS-Standardsetting

Die Organisationsstruktur der IFRS Foundation370 sowie des Standardsettings sind komplex ausgestaltet und soll vor dem Hintergrund praxisnaher Konsultation die Beteiligung möglichst vieler Interessenten umfassen. In diesem Sinne ist die Entscheidungsfindung pluralistisch. Ein Überblick über die strukturellen Grundlagen ermöglicht eine spätere Auswertung, inwieweit staatliche Interessen bei der Entscheidungsfindung bei der Entwicklung einer neuen oder Überarbeitung einer bestehenden Verlautbarung Berücksichtigung finden können. Träger der Standardsetzung ist die IFRS Foundation, welche von 22 Trustees gehalten wird. Die Entscheidungsgewalt über die Ernennung der Treuhänder trägt das Monitoring Board, welches infolge der Finanzmarktkrise im November 2008 nach Drängen der G 20-Staaten gegründet wurde371. Als europäischer Vertreter tritt in diesem mittlerweile372 achtköpfigen Kontrollgremium der jeweils verantwortliche EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen auf. 369 So auch Hennrichs, WPg 2011, 861. 370 Hierzu grundlegend Heuser/Theile/Dörschell (2012), IFRS Handbuch, Rn. 23ff. sowie MüKo/ Bilanzrecht-Watrin (2014), Einführung in die IFRS, Rn. 15–46. 371 Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, 2017, S. 53f. 372 Ursprünglich bestand das Board aus fünf Mitgliedern. Im Januar 2014 wurden zusätzlich die brasilianische Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde (Commissao de Valores Mobiliários) sowie die südkoreanische Finanzdienstleistungskommission (Financial Services Commission) als neue Mitglieder Berufen. Seit August 2016 gehört auch das chinesische

Die »EU-IFRS« als pseudo-legitimierte Normsetzung

91

Die operative Standardentwicklung und -setzung obliegt dem IASB, welches durch den Technical Staff sowie Advisory Bodies373 und Consultative Groups unterstützt wird. Mitglieder der Beratungsgremien sind insbesondere nationale Standardsetter sowie fachorientierte Interessengruppen. Das Board besteht aus 16 Mitgliedern, welche von der IFRS Foundation ernannt werden. Bei der Entwicklung der Standards folgt das IASB einem formellen Standardsetzungsverfahren, dem sog. due process, wobei eine strenge Bindung an einzelne Verfahrensschritte nicht erfolgt, was eine flexible Ausgestaltung konkreter Vorhaben ermöglicht. Die folgende tabellarische Übersicht gibt einen groben Überblick über den formellen Ablauf. Tabelle 2: Due Process374 Verfahrensschritt Projektvorschlag und Erstellung des Arbeitsprogramms Untersuchungsprogramm

Inhalt

Grundlage In höchstens fünfjährigem Abstand375 sammelt das IASB DP HB in Beteiligung der interessierten Öffentlichkeit Vorschläge 4.3–4.5 über aktuelle Rechnungslegungsprobleme. Dabei konsultiert das IASB das Advisory Council und informiert die Trustees über die DPOC. DP HB Anschließend sammelt das IASB Informationen und 4.6–4.11 überprüft die Fragestellung. Dabei wird geklärt, ob ein Problem auch durch kleinere Ergänzungen bzw. Verlautbarungen unter der Ebene der Standards möglich ist. Die grundlegenden Probleme werden vor dem Hintergrund praktischer Bedürfnisse definiert. Anschließend werden eine evidenzbasierte Bewertung des Rechnungslegungsproblems und Lösungsansätze entwickelt. In die Diskussion einbezogen werden das ASAF, andere Standardsetter und interessierte Parteien, das Advisory Council, das Interpretations Committee und Forschungspersonal sowie weitere Vorschläge und Empfehlungen. Wesentliche Ergebnisse werden dabei auf der IFRSF Website veröffentlicht.

Finanzministerium zum Board. Auf den hieraus resultierenden Einflussverlust der Europäischen Kommission wird in Kapitel C III. und IV. weiter eingegangen. 373 Als wichtigster ist hier das IFRS Advisory Council zu nennen. 374 Verfahrensschritte und Erläuterungen in Anlehnung an Pellens/Fübier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, 2017, S. 67f. 375 Demgegenüber sieht das Due Process Protocol, welches nicht integraler Bestandteil des Handbuchs ist, einen Zeitraum von höchstens drei Jahren vor, vgl. IFRSF (2013), Due Process Protocol, S. 1.

92

Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS

(Fortsetzung) Verfahrensschritt Research Papers, Discussion Papers and Request for Information Auswertung und Beratung

Exposure Draft

Auswertung und Beratung

Verabschiedung und Publikation des neuen/geänderten Standards

Postimplementation Review

Inhalt

Grundlage DP HB 4.12–4.19

Als Ergebnis des Untersuchungsprogramms stehen die Discussion sowie Research Papers, in denen das IASB dessen Ergebnisse und die Ansichten und Lösungsansätze zu den einzelnen Themen dokumentiert. Hierzu wird der interessierten Öffentlichkeit eine Frist von in der Regel wenigstens 120 Tagen eingeräumt, um diese zu kommentieren. Es folgen Auswertung und Diskussion der eingegangenen DP HB Stellungnahme durch das IASB, das Advisory Committee 5.4–5.22 und das IFRS Advisory Council sowie die Festlegung der favorisierten Regelungen nach bestimmten Kriterien für die Bewertung neuer Standards bzw. bedeutsamer Änderungen. Es folgt einer der wichtigsten Schritte des Standardsettings: die Veröffentlichung des Entwurfs des neuen bzw. geänderten Standards (»Exposure Draft«). Im Exposure Draft findet sich nur noch der vom IASB präferierte Lösungsansatz zur Diskussion für die interessierte Öffentlichkeit mit einer Kommentierungsfrist von wenigstens 120 Tagen, in einfach gelagerten Fällen nach Zustimmung des DPOC von mindestens 30 Tagen. Es schließt sich eine weitere Beratungsphase über die eingegangenen Stellungnahmen durch das IASB, Consultative Groups sowie das IFRS Advisory Council an. Ggf. wird der Exposure Draft daraufhin angepasst (vgl. »Reexposure criteria«, DP HB 6.25–6.29). Nach Verabschiedung eines neuen Standards wird dieser veröffentlicht. Zusätzlich veröffentlicht das IASB üblicherweise ein Inhaltsverzeichnis, eine Einleitung, die »Basis for Conclusions« inkl. »Effect Analysis« sowie abweichende Meinungen. Ferner werden im Anhang die durch den neuen bzw. geänderten Standard in anderen Verlautbarungen verursachten Änderungen (consequential amendments) dargestellt. Nach dem eigentlichen Standardsetting überprüft das IASB fortlaufend den Standard hinsichtlich etwaiger praktischer Anwendungsprobleme, welchen durch Ergänzungen oder Anpassungen, insbesondere durch IFRS IC-Interpretationen oder anderen Anwendungshinweisen begegnet werden kann.

DP HB 6.1–6.18

DP HB 6.19–6.29

DP HB 6.30–6.39

DP HB 6.52–6.54

Das IFRS Interpretations Committee befasst sich mit Bilanzierungsproblemen, welche bislang durch die IFRS nicht hinreichend geklärt werden konnten und

Die »EU-IFRS« als pseudo-legitimierte Normsetzung

93

gibt hierzu Interpretationen, die sog. IFRICs376, hierfür heraus. Diese sind den IFRS selbst grundsätzlich gleichgestellt und können ebenso zum Gegenstand des europäischen Endorsement gemacht werden und hierdurch rechtliche Verbindlichkeit erlangen377. Ziel ist einer Verunsicherung der Anwender hinsichtlich der Normenkonformität ihrer Bilanzierungsentscheidung verhältnismäßig kurzfristig abzuhelfen378. Auch nationale Rechnungslegungsgremien und regionale Zusammenschlüsse nationaler Standardsetter nehmen am IFRS-Standardsetzungsverfahren teil und sollen dort als Interessenvertreter die Berücksichtigung nationaler Besonderheiten sicherstellen379. Für Deutschland tritt hierbei der DRSC e.V. auf. Auf seine tatsächliche Bedeutung im Rahmen des Standardsettings und die Möglichkeit seiner Berücksichtigung als Erkenntnisquelle für die Auslegung wird noch eingegangen380. Vorausgeschickt sei, dass es sich auch hierbei um ein privates Rechnungslegungsgremium handelt, welches als solches ebenfalls keine Rechtsnormen setzen kann. Er ist aber durch Standardisierungsvertrag mit dem BMJ vom 02. 12. 2011 gemäß § 342 Abs. 1 HGB anerkannt und mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben im deutschen Interesse betraut.

III.

Vereinfachtes Verfahren zur Übernahme in europäisches Sekundärrecht

1.

EU-Komitologie

Die Rezeption der IFRS durch die Europäische Union ist als Komitologieverfahren381 ausgestaltet. Es soll die demokratisch legitimierte Übernahme von Normen eines privaten Standardsetters sicherstellen. Grundverordnung hierfür bildet die IAS-VO. Die Kommission beschließt in einem Verfahren nach Art. 6 Abs. 2 IAS-VO über die Anwendbarkeit der internationalen Rechnungslegungsstandards in der Gemeinschaft, vgl. Art. 3 Abs. 1 IAS-VO. Dieser nimmt

376 Mit Stand vom 12. 01. 2019 wurden 23 IFRIC und 32 SIC herausgegeben, wobei von letzteren noch acht Gültigkeit besitzen. 377 Hierzu ausführliche Darstellung im konkreten Auslegungskontext in Teil 2 Kapitel C V. 4. e. ee. 378 Vgl. IFRSF (2016), Due Process Handbook, S. 25 Rn. 5.15. 379 Vgl. IFRSF (2016), Due Process Handbook, S. 15 Rn. 3.49ff. 380 Vgl. Kapitel D. V. 4. f. ee. 381 Siehe allgemein zum EU-Komitologieverfahren Beschluss des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse (1999/468/EG); Scheel, ZEuS 2006, 521ff.; Delevigné, SIAK-Journal 2009, 45ff.

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Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS

Bezug auf Art. 5 und 7 des Beschlusses 1999/468/EG382 unter Beachtung von dessen Art. 8. Mit der Verordnung 2011/182/EU vom 16. Februar 2011 (»neue Komitologieverordnung«383) wurde dieser Beschluss zwar aufgehoben, behält gemäß Art. 12 hinsichtlich des Verweises von Basisrechtsakten auf die Artikel 5, 7 und 8 des Beschlusses 1999/468/EG jedoch seine Wirkung. Das System der Komitologie wurde als kompliziert, intransparent und demokratisch defizitär kritisiert384. Mit dem Vertrag von Lissabon wurde die an die Kommission delegierte Rechtsetzung in Art. 290 AEUV sowie die Durchführungsrechtsakte in Art. 291 AEUV grundsätzlich neu ausgestaltet. Das in Art. 290 AEUV geregelte Verfahren ist eine Delegation von Rechtsakten aus der Legislativgewalt vom Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union als Deleganten hin zur Europäischen Kommission als Delegatar. Dabei verbleibt eine kontrollierende Einflussnahme der übertragenden Staatsorgane durch die Möglichkeit, die Übertragung der Legislativgewalt zu widerrufen oder bei konkreten Gesetzgebungsakten Einwände zu erheben, vgl. Art. 290 Abs. 2 AEUV. Art. 290 AEUV findet nur auf delegierte Rechtsakte Anwendung, welche sich in theoretischer Hinsicht als Ergänzung und Abänderung inhaltlicher Vorschriften im Sinne materiellen, tertiären Unionsrechts darstellen385. Inhaltlich beschränkt sich die Übertragungsbefugnis auf Rechtsakte ohne Gesetzescharakter mit allgemeiner Geltung zur Ergänzung oder Änderung bestimmter, nicht wesentlicher Vorschriften des betreffenden Gesetzgebungsaktes zu erlassen, Art. 290 Abs. 1 AEUV. Voraussetzung der Delegation ist ein Gesetzgebungsakt, d. h. ein Rechtsakt, der im ordentlichen oder besonderen Gesetzgebungsverfahren erlassen worden ist, vgl. Art. 289 Abs. 1, 2 und 4 AEUV. Außerdem dürfen keine wesentlichen Befugnisse übertragen werden. Im Gegensatz zum deutschen Verfassungsrecht, ist der Wesentlichkeitsgrundsatz nicht rechtsstaatlich-grundrechtsbezogen, sondern demokratisch-politisch zu verstehen386. Wesentlich im Sinne der Rechtsprechung des EuGHs sind die wesentlichen politischen Grundentscheidungen einer Materie387. 382 Beschluss des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Befugnisse, geändert durch den Beschluss des Rates vom 17. 07. 2006 (2006/512/EG). 383 S. hierzu etwa Daiber, EuR 2012, 240, 241. 384 Vgl. Bergmann/Mickel/Grupp, Handlexikon der EU, 2015, Stichwort: Komitologie. 385 Vgl. Vedder/Heintschel von Heinegg-Vedder (2007), Verfassungsvertrag, Art. I-37 EVV Rn. 2; Grabitz/Hilf/Nettesheim-Nettesheim (2018), Art. 290 AEUV Rn. 18ff. auch zu Abgrenzungsschwierigkeiten. 386 Vgl. Rieckhoff, Der Vorbehalt des Gesetzes im Europarecht, 2007, S. 176 ff.; Haselmann, Delegation und Durchführung gemäß Art. 290 und 291 AEUV, 2012, S. 100 ff.; Hofmann/ Türk, ZG 2012, 105, 107; Kröll, ZÖR 2011, 253, 262; Schulze/Zuleeg/Kadelbach-König (2015), Europarecht, § 2, Rn. 101; Calliess/Ruffert (2016), Art. 290 AEUV Rn. 10, der indes in den der Entscheidung des EuGHs, Urt. v. 05. 09. 2012, Rs. C–355/10 (»EP/Rat«), Rn. 77 eine andere Tendenz des EuGHs vermutet.

Die »EU-IFRS« als pseudo-legitimierte Normsetzung

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Ziel dieser mit Verfassungsvertrag geschaffenen Norm ist die Steigerung der Transparenz der Rechtssetzungsverfahren sowie die Grundsätze der Funktionentrennung nach den Vorbildern der Gewaltenteilung der Mitgliedsstaaten388. Es darf insoweit hinterfragt werden, weshalb für das Übernahmeverfahren der IFRS weiterhin an dem überkommenen Komitologieverfahren festgehalten wird. Für die Anwendung des Art. 290 AEUV muss freilich berücksichtigt werden, dass das Komitologieverfahren weniger der Delegation, als mehr der Durchführungsrechtsetzung zuzuordnen ist389. 2.

Endorsementverfahren der IFRS

Das Verfahren zur Übernahme der IFRS in europäisches Sekundärrecht (bisweilen auch als Indossierung bezeichnet) ist ausführlich und unter Berücksichtigung der legitimatorischen Fragen in jedem gängigen Lehrbuch und Kommentar dargestellt390. Die hiesige Darstellung ist daher kurzgehalten und unter dem Blickwinkel der der Arbeit zugrunde liegenden Fragestellung, d. h. auslegungsspezifisch aufbereitet. Damit ist gemeint, dass für die einzelnen Stadien der Regelsetzung hinterfragt wird, von wem die Initiative ausgeht, welche Institutionen bei der Willensbildung aus europäischer und deutscher Sicht beteiligt werden und inwieweit hierdurch europäische und nationale Interessen Berücksichtigung finden. Bei der Deduktion im Rahmen der Auslegung unmittelbar und ausschließlich die IFRS heranzuziehen ist nämlich nur dann und in dem Umfang möglich, wie sie den Willen des europäischen Gesetzgebers widerspiegeln. Mit Rechtscharakter anwendbar ist grundsätzlich »nur« das europäische Sekundärrecht, d. h. die EU-IFRS391. Ein besonderes Gewicht kommt dabei den Ergebnissen und Konsequenzen des Maystadt-Berichts zu, der zunehmende Defizite der Einflussnahme staatli-

387 S. EuGH, Urt. v. 27. 10. 1992, Rs. C–240/90 (»Deutschland/Kommission«) Slg. 1992, I–5383, Rn. 37. 388 Vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim-Nettesheim (2018), Art. 290 Rn. 11, 12; Calliess/Ruffert-Ruffert (2016), Art. 290 Rn. 1. 389 Vgl. Calliess/Ruffert-Ruffert (2016), Art. 290 Rn. 2; a. A. Möllers, EuR 2002, 483, 492ff. 390 Es sei hierzu nur auf die aktuellen Auflagen von Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, 2017 sowie Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, verwiesen. 391 Die bestehenden Arbeiten zum Thema Auslegung untersuchen vornehmlich die innere Auslegungssystematik der IFRS. Wichtig aus Sicht einer gerichtlichen Kontrollmöglichkeit ist aber die Auslegung nach europäischen bzw. nationalen Grundsätzen. Entscheidend kann daher nicht ausschließlich das formelle Standardsetzungsverfahren des IASB, sondern das Übernahmeverfahren in europäisches Sekundärrecht sein.

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Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS

cher Gremien auf das IASB verdeutlicht hat392. Für die Auslegung hat diese Darstellungsform den Vorteil, dass sowohl in Bezug auf die historisch-genetische, als auch die teleologische Auslegung, welche ihren Ursprung im Willensbildungs- und Rechtsetzungsprozess finden, ein Erkenntnisgewinn zu erwarten steht. Die Willensentschließung zur Entwicklung und Verabschiedung eines neuen Standards entspringt nicht den europäischen Organen mit Initiativrecht. Die staatlichen Organe der Europäischen Union nehmen nur in beratender Form am Standardsetting teil. Da jedoch noch ein gesetzgeberisches Tätigwerden in Gestalt des Übernahmeverfahrens für die Rechtsverbindlichkeit der IFRS notwendig ist, können im Rahmen des Endorsement die erforderlichen Willensbildungsund Einflussprozesse unter Berücksichtigung europäischer und mitgliedsstaatlicher Interessen stattfinden. Grundlage für das Endorsement-Verfahren bildet die EG-Verordnung Nr. 1606/2002 vom 19. Juli 2002, welche durch die EG-Verordnung Nr. 297/2008 vom 11. 03. 2008 eine Änderung erfahren hat. Durch die Verordnung wurde ein Anerkennungsmechanismus geschaffen, welcher zur Anwendung internationaler und weltweit anerkannter Rechnungslegungsstandards führt.393 Dabei wird in den Erwägungsgründen darauf hingewiesen, dass europäische Interessen hinreichend berücksichtigt werden müssen394. Beim Endorsement handelt es sich um ein verkürztes Gesetzgebungsverfahren, mit dem es innerhalb verhältnismäßig kurzer Zeit ohne umfassende Beteiligung von Rat und Parlament möglich ist, vom IASB neu verabschiedete IFRS sowie weitere Verlautbarungen in europäisches Sekundärrecht zu übernehmen und damit für die Mitgliedsstaaten unmittelbar verbindlich zu machen. Nachdem das IASB einen neuen Standard oder eine neue Interpretation bzw. eine Änderung eines solchen beschlossen und veröffentlicht hat, wird dieser hinsichtlich der technischen Umsetzung395 durch die EFRAG überprüft. Die vormals als Beratungsgremium der Europäischen Kommission im Übernahmeverfahren sowie Prüfungsinstanz hinsichtlich der Objektivität und Ausgewogenheit der Stellungnahme der EFRAG zu den IFRS eingesetzte Standards Advice Review Group (SARG)396 besteht nicht mehr397. Die EFRAG übermittelt 392 Vgl. Teil 2 Kapitel C. III. Der Maystadt-Bericht ist abrufbar unter https://register.consili um.europa.eu/doc/srv?l=EN&f=ST%2015614%202013%20INIT (letzter Zugriff am 06. 11. 2019). 393 So etwa Erwägungsgrund 2 der EG-Verordnung Nr. 1606/2002. 394 Vgl. Erwägungsgrund 9 der EG-Verordnung Nr. 1606/2002. 395 Mittlerweile gehen die Befugnisse und Pflichten der EFRAG über die bloße technische Überprüfung hinaus und sollen öffentliche Interessen der Europäischen Union sowie der Mitgliedsstaaten berücksichtigen und in diesem Zusammenhang eine materielle Prüfung der Standards vornehmen. 396 Vgl. Imwinkl, WPg 2007, 289ff.

Die »EU-IFRS« als pseudo-legitimierte Normsetzung

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daraufhin einen Vorschlag zum Endorsement des Standards an die Europäische Kommission398. Entscheidet diese sich für eine Annahme des Standards bzw. der Interpretation, entwirft sie einen Entscheidungsentwurf (draft regulation), welcher der ARC zugeleitet wird. Die ARC gibt eine eigene Stellungnahme hierzu ab. Stimmt sie der Kommission zu, wird der Entwurf dem Europäischen Parlament sowie dem Rat für einen dreimonatigen Prüfungszeitraum übersandt. Erheben diese keinen Widerspruch, beschließt die Kommission das Endorsement des Standards. Damit hat das Parlament zwar ein materielles Prüfungsrecht, faktisch beschränkt sich die Beteiligung des europäischen Normgebers aber auf ein Vetorecht399. Aufgrund der Gesamtsystematik der Erwägungsgründe ist ersichtlich, dass der Verordnungsgeber davon ausging, dass eine Einflussnahme zur Durchsetzung europäischer Interessen bereits im Due Process des IASB erreicht werden kann. So heißt es in Erwägungsgrund 15, dass die Kommission in den Organen des IASB vertreten sein wird. Dies ist zwar der Fall, es ist aber fraglich, ob die Vertretung zur Durchsetzung europäischer Interessen aufgrund des entwickelten Machtgefüges innerhalb des IASB ein realistisches Ziel ist400. Eine Berücksichtigung europäischer öffentlicher Interessen im Endorsement soll einerseits durch die Anforderungen der IAS-VO und andererseits durch die Beratung des technischen Ausschusses für Rechnungslegung401 erfolgen. Außerdem sollen die Hauptbetroffenen in die Beratung einbezogen werden402. Eine Befassung des EU-Parlaments als Legislativorgan muss eher als sporadisch angesehen werden, da keine intensive Auseinandersetzung mit der Thematik möglich ist. Am Übernahmeverfahren beteiligt sind vornehmlich privatrechtlich organisierte Institutionen sowie die Kommission als Exekutivorgan der EU. Aussagen, dass die vom IASB entwickelten IFRS ein »legislatives Verfahren«403 vor Übernahme durchlaufen, sind daher mit Vorsicht zu genießen.

397 Ehemals Register der Expertengruppen der Kommission, Nr. E01957, nunmehr nicht mehr im Register gelistet, vgl. Register unter http://ec.europa.eu/transparency/regexpert/index.cfm (letzter Zugriff am 06. 11. 2019). 398 Die EFRAG kann daher nur die Annahme oder Ablehnung, nicht aber eine abgeänderte Annahme empfehlen, was die Entscheidungsmöglichkeiten deutlich einschränkt, vgl. Kapitel C V. 4. f. aa. 399 Vgl. Kirchhof, Außerstaatliche Normsetzung am Beispiel von IFRS, in: Hopt [Hrsg.], Kapitalmarktgesetzgebung im europäischen Binnenmarkt, 2008, S. 167, 178. 400 S. hierzu Kapitel C IV. sowie C V. 4. e. 401 Vgl. Erwägungsgrund 10 der EG-Verordnung Nr. 1606/2002. 402 Vgl. Erwägungsgrund 11 der EG-Verordnung Nr. 1606/2002. 403 So etwa Buchheim/Knorr/Schmidt, KoR 2008, 373.

98 IV.

Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS

Schlussfolgerungen

Korrespondierend zu den jeweiligen Rechtstraditionen lassen sich auch im Rahmen der Rechnungslegungssysteme das von gesetztem Recht geprägte, kontinentaleuropäische sowie das induktiv geprägte angelsächsische Modell unterscheiden. Die Regulierung der Rechnungslegung fällt in den Kompetenzbereich der Nationalstaaten, wobei grenzüberschreitende Kapitalakquisitionen eine international vergleichbare Finanzberichterstattung erforderlich machen. Insoweit werden Mindeststandards durch das EU-Bilanzrecht für das Gemeinschaftsgebiet vorgegeben, welche das nationale Recht ergänzen und für Teilbereiche überlagern. Für eine umfassende Vergleichbarkeit in Bezug auf kapitalmarktorientierte Unternehmen sieht die IAS-VO die Möglichkeit der Übernahme der IFRS in europäisches Sekundärrecht vor. Auch für den Bereich der Rechnungslegung im öffentlichen Sektor zeigen sich Bestrebungen, die auf den IFRS basierenden IPSAS zur Grundlage staatlicher Doppik zu machen. Anhand dieser Diskussionen wird deutlich, dass die IFRS für die staatliche Rechnungslegung indes als zu unsicher angesehen werden. Die IFRS sind Gegenstand privater Selbstregulierung. Sie sind somit nicht rechtlich verbindlich und unterliegen keiner unmittelbaren demokratischen Legitimation. Europäische und nationale Interessenvertreter sind lediglich im Standardsetting beteiligt. Die anschließende Übernahme von Standards in verbindliches europäisches Sekundärrecht erfolgt im einem vereinfachten Übernahmeverfahren, welches als Komitologieverfahren ausgestaltet ist. Die Standardsetzungsinitiative geht dabei weder von einem demokratisch legitimierten Gesetzgebungsorgan noch sonst von staatlicher Seite aus. Das Europäische Parlament wird nur in geringem Maße beteiligt. Sowohl der Due Process, als auch das Endorsementverfahren müssen als Erkenntnisquellen für die staatliche Willensbildung in Bezug auf die IFRS herangezogen werden.

C.

Demokratiedefizite und Auslegung der IFRS

I.

Private Selbstregulierung und staatliche Willensbildung

1.

Grundlagen

Es ist bereits an einigen Stellen angeklungen, dass der staatliche Einfluss auf die private Selbstregulierung maßgebliche Bedeutung für die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit sowie die Anforderungen an die Auslegung hat. Bevor jedoch überprüft wird, inwieweit der deutsche Staat und die EU einen solchen Einfluss nehmen, ist zu klären, in welchem Umfang in einer rechtsstaatlich geprägten

Demokratiedefizite und Auslegung der IFRS

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Gesellschaft eine staatliche Willensbildung zur Regulierung von Lebenssachverhalten erforderlich ist. Es ist unmittelbar einsichtig, dass Normen nicht bis ins letzte Detail durch den Staat selbst ausgestaltet werden können. Die Handlungsfähigkeit der Parlamente mit personellen Restriktionen setzt zwingende Kapazitätsgrenzen404. Die technische Umsetzung des gesetzgeberischen Willens kann daher unter im Folgenden näher zu beschreibenden Voraussetzungen auf Privatpersonen ausgelagert werden, welche die notwendige Fachkenntnis aufweisen, damit die Normen tatsächlich der Umsetzung des gesetzgeberischen Willens dienen. Wichtig ist, dass der Staat nicht jegliche Lebensbereiche seinem Einfluss unterzieht, sondern im Sinne der grundrechtlich in Art. 2 Abs. 1 GG verbrieften Privatautonomie private Interessen auch auf privatrechtlicher Ebene gestalten lässt405. Private Selbstregulierung darf der staatlichen Willensbildung zumindest insoweit nicht zuwiderlaufen bzw. sich dieser nicht entziehen, als durch die zu regelnde Materie auch öffentliche Interessen betroffen sind. Das Grundgesetz selbst sieht die Möglichkeit vor, öffentliche Aufgaben durch Selbstverwaltungskörperschaften ausüben zu lassen, vgl. etwa Art. 28 Abs. 2 GG. Berufsverbände können nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG zu Eingriffen in die Berufsfreiheit ermächtigt werden406. Das demokratische Prinzip erlaubt es grundsätzlich durch Gesetz für abgegrenzte Bereiche öffentlicher Aufgaben Organisationsformen der Selbstverwaltung zu schaffen407. Dies gilt auch für die Staatsfunktion der Gesetzgebung, bei welcher »die Teilhabe des staatlichen Gesetzgebers am Wissen und an den Erfahrungen der Gesellschaft ebenso unvermeidlich wie unverzichtbar«408 ist. Besonders bei komplexen Regelungsmaterien verfügt der Gesetzgeber in der Regel nicht über die notwendige Zeit und Sachkunde, um die Problemstellung selbstständig erarbeiten und verstehen und anschließend ein ausdifferenziertes Normenwerk zur Regulierung schaffen zu können. Darauf kommt es zur Wahrung des demo404 Soweit es um die staatliche Ausgestaltung von Rechtsnormen geht werden Gesetzgebungsvorhaben in der Regel durch die Fachministerien erarbeitet und vorbereitet (sog. Referententwurf), vgl. etwa § 41 GGO. Insoweit gehen die staatlichen Kapazitäten über die Parlamente hinaus, was jedoch in dieser Arbeit aus Vereinfachungsgründen nicht weiter beachtet werden soll. Insoweit geht es nachfolgend um Fälle, in denen auch der ministerialen Arbeit Kapazitätsgrenzen gesetzt sind. 405 Die grundsätzliche Zulässigkeit der autonomen Rechtsetzung innerhalb von in den Staat eingegliederten Verbänden hervorhebend schon Klein, Die Übertragung rechtsetzender Gewalt nach deutschem Verfassungsrecht, in: Institut zur Förderung öffentlicher Angelegenheiten e.V. [Hrsg.], Übertragung rechtsetzender Gewalt im Rechtsstaat, 1952, S. 79ff., 109ff.; allgemein zur Privatautonomie etwa Adomeit, Privatautonomie, 1969; den »status negativus« der Privatautonomie hervorhebend BVerfGE 75, 108, 154 m.w.N. 406 S. nur BVerfGE 33,125; 103, 172. 407 S. BVerfGE 107, 59, 92. 408 Vgl. Kloepfer, NJW 2011, 131, 132 zum »Linklaters-Fall«.

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Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS

kratischen Prinzips auch gerade nicht an. Erforderlich ist vielmehr, dass der Willensentschluss für die beabsichtigte Folge der Regulierung im Kern auf das demokratisch legitimierte Organ zurückgeführt werden kann. Eine absolute Grenze bildet insoweit das Verbot der völligen Selbstentäußerung von Gesetzesgestaltungsmacht409. Jede andere Betrachtung würde zu einer Handlungsunfähigkeit des Gesetzgebers führen, die letztlich dem demokratischen Prinzip seine Grundlage entziehen würde410. Soweit die Initiative, d. h. der Willensentschluss vom Gesetzgeber ausgeht, ist die technische Ausgestaltung der Normen durch private Organisationen grundsätzlich möglich411. Lediglich ein staatliches Handeln mit Entscheidungscharakter vorbereitende Maßnahmen unterliegen nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht dem Prinzip demokratischer Legitimation412. Das Thema ist jedoch in den letzten Jahren wieder verstärkt zum Gegenstand der juristischen Literatur413 und politischen Praxis gemacht worden. Vordergrund der Diskussion ist insbesondere, inwieweit das Gesetzgebungsoutsourcing als solches geregelt werden muss414. Entfacht wurde die Diskussion durch die Beauftragung der Anwaltskanzleien Freshfields Bruckhaus Deringer mit dem Entwurf des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes sowie Linklaters mit der Erstellung eines Gesetzentwurfs zur Ergänzung des Kreditwesengesetzes durch das BMWi im Jahr 2009415. In der Politik war die »Privatisierung der Gesetzgebung durch die Erstellung von Gesetzentwürfen durch Rechtsanwaltskanzleien« Thema einer kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 19. 03. 2012416. Dort wurde darauf hingewiesen, dass die Erstellung von Gesetzentwürfen durch Rechtsanwaltskanzleien bedenklich sei und gewährleistet werden müsse, dass der Gesetzesbeschluss nicht lediglich formellem Verfassungsrecht genügt, sondern die Legitimationswirkung

409 Vgl. Teil 1 Kapitel B sowie Teil 2 Kapitel C I. 2. 410 Allgemein zur sachverständigen Beratung des Staates s. Kloepfer, NJW 2011, 131; Meßerschmidt, Der Staat 2012, 387. 411 Zur Vereinbarkeit mit Art. 76 Abs. 1 GG vgl. Dreier-Brosius-Gersdorf (2015), Art. 76 GG, Rn. 46 m.w.N. 412 Vgl. BVerfGE 47, 253, 273; 83, 60, 74. 413 Vgl. nur Battis, ZRP 2009, 201ff.; Krüper, JZ 2010, 655ff.; Kloepfer, NJW 2011, 131ff.; Schmieszek, ZRP 2013, 175ff.; zur medialen Wirkung des mit dem Logo der Kanzlei Linklaters versehenen Gesetzentwurfs s. auch Der Spiegel 34/2009, S. 68ff. (»Die Gesetzesflüsterer«), erhältlich auf http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-66436859.html (letzter Zugriff am 06. 11. 2019). 414 Vgl. etwa Maunz/Dürig-Kersten (2018), Art. 76 Rn. 41; BeckOK/GG-Dietlein (2018), Art. 76 Rn. 2.1; Krüper, JZ 2010, 655, 660ff. 415 Vgl. Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Ausarbeitung Gesetzgebungsoutsourcing vom 07. 07. 2011, erhältlich auf https://www.bundestag.de/blob/421918/665b1eac2b378f 4030ca1ef5dd245159/wd-3-229-11-pdf-data.pdf (letzter Zugriff am 06.11. 2019). 416 S. BT-Drucks. 17/9026.

Demokratiedefizite und Auslegung der IFRS

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des Beschlusses untermauert417. Damit ist zutreffend klargestellt, dass der Gesetzesbeschluss den tatsächlichen Willen des Gesetzgebers widerspiegeln muss. Dies kann nur gelingen, wenn der Entschluss zum gesetzgeberischen Tätigwerden, mit welchem an den Normentwickler herangetreten wird, hinreichend präzise ist und eine Einflussnahme auf den Gesetzbeschluss möglich bleibt. Je komplexer die zu regelnde Materie ist, desto mehr Gestaltungsspielräume müssen dem technischen Entwickler zukommen. Andererseits ist es hierbei gleichsam umso wichtiger, dass der Wille des Gesetzgebers konkret und differenziert mitgeteilt wird. Ferner ist umso wichtiger, dass das Rechtssetzungsverfahren transparent bleibt und dem der staatlichen Gesetzgebung so weit als möglich entspricht, insbesondere fair, transparent und unter Berücksichtigung pluralistischer Interessen erfolgt418. Damit ist indes nicht geklärt, inwieweit der Willensentschluss Eingang in die Regulierungstätigkeit finden muss. Dem Grundtyp der oben genannten Selbstverwaltungskörperschaften ist gemein, dass diese in der Regel selbst primär und weit überwiegend öffentliche Interessen verfolgen und einer engen Aufsicht durch übergeordnete staatliche Stellen unterliegen. Schwieriger wird die Wahrung des demokratischen Prinzips, je weniger konkret der Willensentschluss die Basis für die Tätigkeit der Selbstverwaltungen bildet und je eher private Interessen öffentliche Interessen innerhalb der Organisationen überwiegen. Dieser Aspekt mag dazu beigetragen haben, dass insbesondere die Ausgestaltung von Gesetzentwürfen durch international tätige Großkanzleien in Bezug auf wirtschaftsrechtliche Fragestellungen kritisch gesehen wurde. Von den bisher angesprochenen Arten der Selbstverwaltungen sind solche zu unterscheiden, die lediglich der Selbstorganisation gesellschaftlicher Gruppierungen dienen ohne dass hiermit die Ausübung öffentlicher Aufgaben verbunden wäre419. Soweit es nicht um die Ausübung staatlicher Gewalt, sondern die Gestaltung privatrechtlicher Verhältnisse im Sinne der Privatautonomie geht, kommt das demokratische Prinzip nicht zum Tragen. Es geht hierbei um die ununterbrochene Legitimation der Staatsgewalt durch das Volk, nicht die Demokratisierung der Gesellschaft als solche. Insbesondere aus der Praxis des Gesetzgebungsoutsourcings lassen sich Erkenntnisse für rechtsstaatliche Vorgaben für die Beteiligung Dritter am Norm417 Ebd. 418 Vgl. Kluth/Augsberg, Gesetzgebung, 2014, S. 845; Meßerschmidt, Der Staat 2012, 387, 409ff.; Krüper, JZ 2010, 655, 660f.; Schmieszek, ZRP 2013, 175, 176f.; kritisch zur Herleitung eines verfassungsrechtlichen Transparenzgebots etwa v. Mangoldt/Klein/Starck-Masing/Risse (2018), Art. 76 Rn. 11; s. außerdem Battis, Verfahrensrechtliche Lösungen beim Gesetzgebungsoutsourcing, in: Kloepfer [Hrsg.], Gesetzgebungsoutsourcing – Gesetzgebung durch Rechtsanwälte?, 2011, S. 127 mit Hinweis auf Kapitel 6 der GGO. 419 S. hierzu nur BeckOK/GG-Huster/Rux (2018), Art. 20 Rn. 113.

102

Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS

gebungsprozess ableiten. Sie weist als teilweise Delegation der Gesetzgebungsfunktion an private Organisationen die größte Nähe zur privaten Selbstregulierung der Rechnungslegung auf. 2.

Praxis des Gesetzgebungsoutsourcing

Die Beteiligung externer Dritter an der Gesetzgebung bzw. genauer am Normsetzungsprozess ist also gängige Praxis in Deutschland420. Da das Gesetzgebungsverfahren innerhalb der EU bezogen auf das demokratische Prinzip im Kern mit den grundgesetzlichen Anforderungen übereinstimmt421, kann das Verhältnis des demokratischen Prinzips zum Gesetzgebungsoutsourcing auf Grundlage der in Deutschland vorherrschenden Diskussion in der Lehre herausgearbeitet und anschließend um europäische Besonderheiten ergänzt werden. In Anlehnung an Filges422 soll hier unter Gesetzgebungsoutsourcing nur die Delegation der Erstellung von Gesetzentwürfen an Dritte verstanden werden. Ausgangspunkt des Gesetzgebungsverfahrens bildet das Initiativrecht aus Art. 76 Abs. 1 GG, welches eine Beteiligung von Privatpersonen nicht vorsieht. Es ist allerdings gemeinhin anerkannt, dass Art. 76 Abs. 1 GG nur das äußere Gesetzgebungsverfahren regele, so dass es entscheidend darauf ankomme, dass der Gesetzentwurf formal durch die verfassungsrechtlich vorgesehenen Initiativberechtigten in den Bundestag eingebracht wird423. Dabei darf nicht aus den Augen verloren werden, dass der Gesetzesentwurf einen sog. »Ankereffekt«424 im weiteren Verfahren hat, d. h. die Grundlage der anschließenden politischen Diskussionen bildet425. Verfassungsrechtliche Grenzen werden dort überschritten, wo der Gesetzgeber seine Gestaltungsmacht vollständig entäußert426 und das

420 Vgl. Risse, Verfassungsrechtliche und politische Grenzen des Gesetzgebungsoutsourcing, in: Kloepfer [Hrsg.], Gesetzgebungsoutsourcing -Gesetzgebung durch Rechtsanwälte?, 2011, S. 109ff.; Filges, BRAK-Mitt 2010, 239ff. 421 Vgl. hierzu Teil 1 Kapitel B III. 422 Vgl. Filges, BRAK-Mitt 2010, 239, 240. 423 S. BVerfGE 75, 246, 268; BVerfG BeckRS 2016, 55371 Rn. 279; Filges, BRAK-Mitt 2010, 239, 241; Vgl. Dreier-Brosius-Gersdorf (2015), Art. 76 Rn. 46; v. Mangoldt/Klein/Starck-Masing (2018), Art. 76 Rn. 3, 7ff., 35ff. 424 Zur Begriffsprägung dieses kognitionspsychologischen Effekts s. Tversky/Kahneman, Science 1974, 1124ff. 425 Vgl. Krüper, JZ 2010, S. 655 (»Verhandelt wird, was auf dem Tisch liegt«); kritisch auch Filges, Gesetzgebungsoutsourcing, in: Kloepfer [Hrsg.], Gesetzgebungsoutsourcing -Gesetzgebung durch Rechtsanwälte?, 2011, S. 100; ähnlich auch Isensee/Kirchhoff-Voßkuhle, Handbuch des Staatsrechts, Bd. III, 2005, § 43 Rn. 6; Eichenberger, VVDStRL 1982, S. 8, 29. 426 Vgl. BeckOK/GG-Dietlein (2018), § 76 Rn. 2.1.

Demokratiedefizite und Auslegung der IFRS

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Legitimationsdefizit nicht durch besondere Transparenzanforderungen im Rahmen der Entwurfsfassung kompensiert wird427. Als materiell-verfassungsrechtliche Grenze soll nach einigen Stimmen Art. 33 Abs. 4 GG herangezogen werden428. Der dort normierte Funktionsvorbehalt betrifft zwar grundsätzlich die Vollzugsaufgaben der Eingriffsverwaltung. Unter teleologischen Gesichtspunkten soll aber nicht ausreichen, dass eine Gemeinwohlorientierung beim Vollzug gewährleistet sein muss, sondern auch die Erarbeitung des diesen Vollzug lenkende Gesetzes Art. 33 Abs. 4 GG unterfällt429. Auch diese Schranke führt aber lediglich dazu, dass die gesetzgeberische Verarbeitung des von einem Dritten erstellten Entwurfs den verfassungsrechtlich vorgesehenen Initianten unterliegen muss. Art. 34 Abs. 4 GG stellt letztlich eine objektiv-rechtliche Organisationsnorm ohne subjektiv-rechtlichen Gehalt dar430. Letztlich tragend für die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Gesetzgebungsoutsourcing sind daher das rechtsstaatliche und demokratische Prinzip aus Art. 20 Abs. 1 und 3 GG. Der Gesetzgeber wahrt seine Gestaltungsmacht, soweit er die Organisations- und Entscheidungshoheit erhält. Dies geschieht durch einen »Akt inhaltlicher Aneignung«431 von Seiten des beauftragenden Ministeriums. Es ist daher zu fordern, dass bei einer Delegierung innerhalb des Normsetzungsprozesses an externe, d. h. insbesondere private Dritte ein Akt inhaltlicher Aneignung durch die Initiativberechtigten und eine hinreichende Willensbildung des Gesetzgebungsorgans hinsichtlich des normativen Inhalts und beabsichtigten Rechtswirkungen der Entwürfe erfolgen. An die Ausübung der Gestaltungsmacht der an der Gesetzgebung staatlicherseits beteiligten Organe sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je eher öffentliche Interessen durch die zu regelnde Materie berührt werden. 3.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede zur privaten Selbstregulierung im Bereich der internationalen Rechnungslegung

Für den weiteren Gang der Untersuchung ist eine Überleitung dieser aus deutschem Verfassungsrecht für das Gesetzgebungsoutsourcing entwickelten Grundsätze auf die auf europäischer Ebene verabschiedeten Normen zur internationalen Rechnungslegung erforderlich. Dabei müssen einerseits die Besonderheiten der europäischen Normsetzung berücksichtigt werden, andererseits die Unterschiede 427 428 429 430

Vgl. Maunz/Dürig-Kersten (2018), § 76 Rn. 41; Krüper, JZ 2010, 655, 660. So auch Filges, BRAK-Mitt 2010, 239, 241; Krüper, JZ 2010, 655f. Ebd.; a. A. Greve, DVBl 2011, 30. S. hierzu ausführlich m. w. N. Dreier-Brosius-Gersdorf (2015), Art. 33 Rn. 149; ferner eine Verletzung von Art. 34 Abs. 4 GG mangels hoheitlicher Tätigkeit ablehnend v. Mangoldt/ Klein/Starck-Masing/Risse (2018), Art. 76 Rn. 9. 431 Vgl. Kloepfer, NJW 2011, 131, 134; Krüper, JZ 2010, 655, 661.

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Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS

zwischen der Delegation der Entwurfsfassung auf private Dritte und der Entwicklung von internationalen Rechnungslegungsstandards durch das IASB und deren anschließende Rezeption durch die EU. Das demokratische Legitimationsniveau muss auf europäischer oder gar globaler Ebene notwendigerweise ein niedrigeres Niveau als auf nationaler Ebene aufweisen432. Demokratiekonzeptionen gehen davon aus, dass ein als Einheit verstandenes Staatsvolk eine einheitliche Staatsgewalt legitimiert, welche im Parlament seine Mitte findet433. Je stärker der Gedanke einer Einheit an Bedeutung verliert, desto stärker verliert die parlamentarisch-demokratische Konzeption an Steuerungsmöglichkeiten434. Die Einheitskonzeption verliert dabei durch Trends wie die europäische Integration, die Globalisierung sowie die sog. Staatsmodernisierung an Bedeutung435. Das klassische input-orientierte Demokratiekonzept kann daher nicht ohne weiteres der den tatsächlichen Entwicklungen geschuldete Absenkung des demokratischen Legitimationsniveaus entgegenwirken. Die Globalisierung steht dem entgegen und das Recht kann dieser Entwicklung nicht unbegrenzt entgegenwirken436, soweit dies überhaupt politisch gewollt wäre. Eine Rückführung des staatlichen Handelns auf den Einzelnen wird daher mit zunehmender Entkopplung von Einheitsprinzip immer schwieriger. Dies führt letztlich dazu, dass der normative Gehalt eines unionalen demokratischen Prinzips nicht mit dem deutsch-verfassungsrechtlichem Verständnis gleichgesetzt werden kann und darf. Die mittlerweile kaum noch überschaubare Fülle an wissenschaftlichen Arbeiten zur Frage eines strukturellen Demokratiedefizits der EU437 zeigt eins deutlich: Das demokratische Legitimationsniveau der Gemeinschaft bleibt hinter dem deutschem Verständnis zurück, aber es gibt die Europäische Gemeinschaft aus einer Vielzahl praktischer Bedürfnisse, weshalb diese nicht als unrechtsstaatlich abgetan werden darf. Schließlich weist die EU auch keine Staatsqualität auf 438, weshalb auch vor dem Hintergrund des 432 Vgl. hierzu Teil 1 Kapitel B III. 433 Vgl. Kirchhof, Das Parlament als Mitte der Demokratie, in: Brenner/Huber/Möstl [Hrsg.], FSBadura, 2004, S. 237ff. 434 Vgl. Hermes, Legitimationsprobleme unabhängiger Behörden, in: Bauer/Huber/Sommermann [Hrsg.], Demokratie in Europa, 2005, S. 457ff.; Michael, Private Standardsetter und demokratische legitimierte Rechtssetzung, ebd., S. 431ff. 435 Vgl. Michael, Private Standardsetter und demokratische legitimierte Rechtssetzung, in: Bauer/Huber/Sommermann [Hrsg.], Demokratie in Europa, 2005, S. 431ff. 436 Vgl. v. Bogdandy, ZaöRV 2003, 853ff. 437 Vgl. etwa Calliess/Ruffert-Ruffert (2016), Art. 9 EUV, Rn. 1–20 m.w.N.; ausführlich schon Teil 1 Kapitel B III. m. w. N. 438 Vgl. Stern, Die unionale Rechtsetzung zum Europäischen Kartellrecht im Lichte des Demokratieverständnisses der Governance- Ansätze der Kommission, 2010, S. 17ff., welcher in Übereinstimmung mit der h.L. herleitet, dass keins der Kriterien der Drei-Elemente-Lehre von Georg Jellinek gänzlich erfüllt ist.

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Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung mitgliedsstaatliche Maßstäbe und Vorgaben eine Rolle spielen. Beim IFRS-Standardsetting handelt es sich nicht um eine Delegation der Entwurfsfassung auf externe Dritte, sondern einen Bereich der privaten Selbstregulierung, deren Regelungswerk ohne staatlichen Normcharakter sich die Europäische Union im Rahmen des Endorsement lediglich zu Nutzen macht. Die Delegation wird zur bloßen Rezeption. Der wesentliche Unterschied zum Gesetzgebungsoutsourcing besteht darin, dass die Willensbildung zur Normsetzungsinitiative nicht von staatlicher, sondern privater Seite ausgeht. Der Akt inhaltlicher Aneignung wird ersetzt durch das Endorsementverfahren mit Prüfungskompetenzen insbesondere der EFRAG439. Dafür fehlt ein nachfolgendes legislatives Verfahren nach deutschem Verfassungsverständnis. Teilweise ausgeglichen wird dies durch eine stärkere Beteiligung der EU und weiterer Interessenvertreter bereits im Standardsettingverfahren. Der bereits für den Fall des Gesetzgebungsoutsourcing auf nationaler Ebene kritisierte Ankereffekt des Entwurfs für das nachfolgende Gesetzgebungsverfahren ist bei der Übernahme der IFRS besonders ausgeprägt. Die zu regelnde Materie ist derart komplex und dynamisch, dass kaum eine dem IASB widersprechende technische Überprüfung stattfinden dürfte. Ferner sieht die EU in der Übernahme der IFRS ohnehin die einzige Möglichkeit, die widerstreitenden Interessen der Mitgliedsstaaten hinsichtlich internationaler Rechnungslegung auszugleichen. Auch fehlt es mangels Delegationsakt an einem vorherigen Willensentschluss von staatlicher Seite, auf welche die anschließende Überprüfung Bezug nehmen könnte. Aus diesen Aspekten könnte sich ein zusätzliches Legitimationsdefizit ergeben. Solche Defizite gilt es auszugleichen. Die Verfassungskonformität der endorsed IFRS wird jedoch überwiegend anerkannt440 und soll als solche nicht Gegenstand der weiteren Untersuchung sein. Für den Fortgang der Untersuchung ist allerdings von Belang, dass für eine die Rechtsstaatlichkeit wahrende Rezeption der IFRS normative Kriterien auf europäischer und ggf. nationaler Ebene vorhanden sein müssen, die einen Vergleichsmaßstab bei der Übernahme der IFRS bilden können.

439 Hierzu schon Teil 2 Kapitel B III. und noch ausführlich Teil 2 Kapitel C IV. 440 Vgl. Bohl/Wiechmann, IFRS für Juristen, 2010, S. 22f.; Heintzen, BB 1999, 1050, 1051; BuckHeeb/Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 142 mit Ausführungen zur Kritik der Arbeit der EFRAG.

106 4.

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Legitimationsbedürfnis für private Selbstregulierung und außerdemokratische Legitimation

Soweit die Frage im Raum steht, ob die IFRS als bindende Rechnungslegungsstandards hinreichend demokratisch legitimiert sind, muss gleichsam hinterfragt werden, ob überhaupt ein Legitimationsbedürfnis besteht. Die Einordnung des Bilanzrechts als Teil des öffentlichen Rechts ist nicht zwingend441. Zumindest sind die Einstrahlungen auf die Ebene des Zivilrechts ganz erheblich. Grundpfeiler des deutschen wie auch europäischen Zivilrecht- und Wirtschaftsrechts ist der Grundsatz der Privatautonomie442. Den Akteuren ist grundsätzlich die Ausgestaltung ihrer Privatrechtsverhältnisse nach freiem Belieben gestattet. Das öffentliche Recht ist gemeinsam mit der öffentlichen Ordnung zwar Grundvoraussetzung für ein funktionierendes Privatrecht, aber insofern kein Selbstzweck443. Deshalb wird von gewichtigen Stimmen der Literatur ein Legitimationsbedürfnis privater Selbstregulierung abgelehnt. Es handele sich bei privater Standardisierung letztlich um eine freiwillige Grundrechtsausübung444. Hiergegen wird zu Recht vorgetragen, dass solche Selbstverpflichtungen in der Regel gerade keine freiwillige Ausübung grundrechtlich geschützter Positionen darstellen, sondern unter dem Druck der Erwartung restriktiverer Regulierung durch den Staat selbst zustande kommen445. Aus diesem Grund trägt eine differenziertere Auffassung in der Literatur vor, dass es sich eben um eine relative Freiheitserweiterung im Verhältnis zu strengeren und ggf. praxisferneren staatlichen Regulierungsansätzen und Gesetzen handele446. Die Privatautonomie ermöglicht es den privaten Akteuren aber nicht nur, ihre Rechtsverhältnisse nach freiem Belieben zu gestalten, sondern verbietet es grundsätzlich auch, dass ein Akteur gegen seinen Willen an solche Vereinbarungen gebunden ist. Nur die Staatsgewalt kann abstrakte und generelle Normen festsetzen. Eben solcher Normen bedarf ein funktionsfähiges Bilanzrecht mit dem Ziel der Schaffung vergleichbarer Informationen. Da insoweit Private zwingend gebunden und öffentliche Interessen verfolgt werden sollen, kann sich der Gesetzgeber nicht darauf beschränken, Legitimation durch einen 441 Vgl. Teil 2 Kapitel B I. 442 Vgl. zum Begriff allgemein Adomeit, Privatautonomie, 1969; MüKo/BGB-Schubert (2019), § 242 Rn. 526f.; Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath-Däubler (2017), Arbeitsrecht, Art. 2 GG Rn. 3 ff. 443 So zutreffend Maunz/Dürig-Di Fabio (2018), Art. 2 Rn. 105. 444 Vgl. Michael, Private Standardsetter und demokratisch legitimierte Rechtsetzung, S. 434, in: Bauer/Huber/Sommermann [Hrsg.], Demokratie in Europa, 2005, S. 431–455; Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 309f. 445 Vgl. Michael, Rechtsetzende Gewalt im kooperierenden Verfassungsstaat, 2002, S. 96ff. 446 Vgl. Michael, Private Standardsetter und demokratisch legitimierte Rechtsetzung, S. 435, in: Bauer/Huber/Sommermann [Hrsg.], Demokratie in Europa, 2005, S. 431–455.

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schlichten Verweis auf private Regulierungssysteme zu erzielen447. Aus denselben Gründen können die IFRS auch nicht als Rechtsquelle im Rahmen des Handelsgewohnheitsrechts448 oder (insoweit nicht rechtlich verbindliche) lex mercatoria449 Geltung erlangen. Das heißt nicht, dass ein Legitimationsniveau erreicht werden muss, welches sämtlichen praktischen Entwicklungen der Wirtschaft wie insbesondere Internationalisierungs- und Globalisierungstendenzen entgegensteht. Demokratiemodelle bzw. das Demokratieprinzip sind nicht als statisches Datum aufzufassen, welches einmal formuliert fortwährende Geltung beanspruchen kann. Wie alle Staats- und Verfassungsprinzipien muss eine Ausrichtung an der Lebenswirklichkeit erfolgen450. Ein Blick auf die wirtschaftswissenschaftliche Sichtweise auf die Problematik zeigt gar, dass dort die ökonomische Notwendigkeit als hinreichende Rechtfertigung sogar für dynamische Verweisungen auf private Regulierungssysteme ausreichend sein soll451. Ein so weitgehender Verzicht auf rechtsstaatliche, demokratische Legitimation darf es aus rechtsdogmatischer Sicht nicht geben. Die Verfassungsprinzipien geben einen Rahmen vor, innerhalb dessen ökonomische Ordnungen entstehen können und nicht die Ökonomie den Rahmen für eine Staatsverfassung. Im Grundsatz legt das Volk als Souverän sein Wirtschaftssystem fest und nicht die Ökonomie selbst. Auch die Konzepte eines »kooperativen Verfassungsstaates«452 bzw. eines »kooperierenden Verfassungsstaates«453 können einen schlichten dynamischen Verweis auf private Standards nicht ermöglichen, da sie ein Mindestmaß an staatlicher Rückanknüpfung erfordern. Im Ergebnis ist ein Rückgriff auf private Standards zwar nicht ausgeschlossen, deren Rezeption muss aber zumindest eine gewisse Anknüpfung an demokratische Legitimation sowie kooperative Einflussnahme auf die Standardsetzer vorausgehen. Ein näherer Blick auf die rechtsdogmatischen Anforderungen an 447 So auch Michael, Private Standardsetter und demokratisch legitimierte Rechtsetzung, S. 436, in: Bauer/Huber/Sommermann [Hrsg.], Demokratie in Europa, 2005, S. 431–455; Kirchhof, ZGR 2000, 681, 685; a. A. Heintzen, BB 1999, 1050, 1051. 448 Das Handelsgewohnheitsrecht stellt eine Rechtsquelle dar und ist dem positiven Recht gleichgeordnet, vgl. MüKo/HGB-Schmidt (2018), § 346 Rn. 16 m.w.N. 449 Die lex mercatoria bezeichnet insoweit die nicht-staatliche internationale Handelsrechtsordnung, welche hier nicht als positivem Recht gleichgeordnete Rechtsquelle verstanden wird, vgl. hierzu allgemein MüKo/HGB-Schmidt (2018), § 346 Rn. 18 m.w.N. 450 Zu den Modellen demokratischer Legitimation vgl. Teil 1 Kapitel B. 451 Siehe i.E. etwa Henssler/Slota, Der Befreiungstatbestand des § 292a HGB, 1999, S. 1133ff.; Hommelhoff, Deutscher Konzernabschluß, in: Böttcher/Hueck/Jähnke [Hrsg.], FS-Odersky, 1996, S. 779, 784f.; Kirchhof, ZGR 2000, 681, 685f. 452 Vgl. Häberle, Der kooperative Verfassungsstaat, in: ders., Verfassung als öffentlicher Prozess, 1998, S. 407ff. 453 Vgl. Michael, Rechtssetzende Gewalt im kooperierenden Verfassungsstaat, 2002, S. 17ff. (Einleitung).

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eine staatliche Rezeption von privaten Standards bietet daher den Ausgangspunkt für die Untersuchung von Einfluss Deutschlands und der EU auf das IASB. 5.

Konzept der steuernden Rezeption

Soweit staatliche Institutionen und der demokratisch legitimierte Gesetzgeber mit den privaten Normsetzungsgremien und dem Normierungsprozess verzahnt sind, agieren die privaten Organisationen nicht gänzlich außerhalb staatlicher Kontrolle. Es kann von einem Fall privater Selbstregulierung gesprochen werden, der innerhalb der Staatswissenschaften als regulierte Selbstregulierung bezeichnet wird454. Da durch das Endorsement eine ausdrückliche Rezeption der IFRS von staatlicher Seite aus erfolgen muss, lässt sich insoweit vom Konzept steuernder Rezeption sprechen455. Grundsätzlich schließen sich dynamische Verweisungen wie beispielsweise in § 292a HGB a. F. und steuernde Rezeption gegenseitig aus, da jedwede Steuerung ohne vorherige Kontrolle des konkreten Regelungsgehalts eines Standards nicht möglich ist. Hier hat der Standardsetter freie Hand, die Rechnungslegung nach seinem Belieben zu steuern. Anders verhält es sich schon dann, wenn der Staat auf das Standardsetting Einfluss nehmen kann oder aber tatsächlich – wenngleich ggf. in einem vereinfachten Verfahren – jeden Standard und dessen Veränderungen einzeln rezipiert. Schon der Name der für die Frage nach der Beteiligung des Parlaments maßgeblichen Wesentlichkeitstheorie456 macht deutlich, dass die Grenzen des Erfordernisses einer legislativen Legitimation nicht zu niedrig gesteckt werden dürfen457. Die Handlungsfähigkeit eines Rechtsstaats, gerade in veränderten Rahmenbedingungen, erfordert, dass Regulierungen auch rechtzeitig greifen. Je flexibler die zu regelnde Materie ist und desto größer daher das Bedürfnis an einer schnellen Anerkennung von privaten Standards ist, desto eher muss das Legitimationsniveau abgesenkt werden. Andererseits wirkt die Bedeutung der Normen für öffentliche Interessen einer entsprechenden Absenkung entgegen. Von Bedeutung für das Legitimationserfordernis ist daher neben der Schwere des Eingriffs der konkrete Regelungsbereich sowie dessen besondere Bedürf-

454 Vgl. zum Begriff Buck-Heeb/Dieckmann, Private Selbstregulierung, 2010, S. 15 m.w.N. 455 Begriff nach Huber, AöR 2008, 389, 401. 456 Grundlegend zur »Wesentlichkeit« und zum Parlamentsvorbehalt etwa BeckOK/GG-Huster/Rux (2018), Art. 20 Rn. 105ff.; v. Mangoldt/Klein/Starck-Sommermann (2018), Art. 20 Rn. 273ff.; BVerfGE 104, 151, 208 = NJW 2002, 1559; BVerfGE 121, 135 = NJW 2008, 2018. 457 So auch Jacobsen/Kalscheuer, DÖV 2018, 523ff.

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nisse458 sowie die Internationalisierung in den entsprechenden Bereichen459. Parlamente sind in der Regel keine Volksvertretungen, die zeitnahe Regulierung betreiben können. Es spricht daher einiges dafür, unter Parlamentsvorbehalt die Möglichkeit exekutiver Anerkennungsermächtigungen einzuräumen. Die Exekutivgewalt ist Teil einer ununterbrochenen demokratischen Legitimationskette. Die Einzelfallrezeption kann daher in ihre Hände gelegt werden, soweit die Besonderheiten der Regelungsmaterie dies erfordern. 6.

Schlussfolgerungen

Die Gestaltungsmacht in Bezug auf die Normsetzung der demokratisch legitimierten Parlamente unterliegt praktischen Restriktionen. Dies gilt insbesondere für komplexe Regelungsmaterien wie etwa auch der Rechnungslegung. Die Vorbereitung von Gesetzesvorlagen erfolgt daher außerhalb der parlamentarischen Tätigkeit. Klassischerweise bilden die jeweiligen Ministerien Fachgruppen, welche Gesetzentwürfe vorbereiten. Unter dem Begriff des Gesetzgebungsoutsourcing wird hingegen die Delegation der Erstellung von Gesetzentwürfen an private Dritte verstanden. Dem steht Art. 76 Abs. 1 GG nicht entgegen. Er regelt lediglich das äußere Gesetzgebungsverfahren. Da der Entwurf für die abschließende Beschlussfassung einen Ankereffekt bedingt, ist aus verfassungsrechtlicher Sicht jedoch zu fordern, dass der Gesetzgeber seine Gestaltungsmacht nicht vollständig entäußert, sondern durch ein transparentes Verfahren bei der Entwurfsfassung und einen »Akt inhaltlicher Aneignung« eine hinreichende Willensbildung durch das demokratisch legitimierte Organ sichergestellt wird. Im Ergebnis sollte nicht die Willensbildung, sondern lediglich die technische Ausgestaltung auf private Organisationen ausgelagert werden. Für den Bereich der auf europäischer Ebene geregelten IFRS-Rechnungslegung wird die Normsetzung nicht auf einen privaten Dritten übertragen, sondern vielmehr das Regelungssystem einer privatrechtlich organisierten Institution rezipiert. Die ursprüngliche Willensbildung zur Normgebung geht daher nicht von einem demokratisch legitimierten Organ aus. Internationalisierungs- und Globalisierungstendenzen machen es hier jedoch notwendig, ein vom klassischen demokratischen Legitimationsmodell reduziertes Legitimationsniveau zu for458 S. BVerfGE 49, 89, 134 (Kalkar I); Hellermann, NZG 2000, 1097, 1102, der insbesondere ein Erfordernis der Konkretisierung der staatlichen Rechtsordnung durch die Einbeziehung außerstaatlicher Standardsetzer annimmt. 459 Vgl. Hellermann, NZG 2000, 1097, 1102; Michael, Private Standardsetter und demokratisch legitimierte Rechtsetzung, S. 444, in: Bauer/Huber/Sommermann [Hrsg.], Demokratie in Europa, 2005, S. 431–455.

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dern. Hinzu kommt, dass im Rahmen der Rechnungslegung durch das IASB ohnehin eine außerstaatlich angesiedelte private Selbstregulierung festzustellen ist. Insoweit knüpft das Endorsement der IFRS an den Gedanken der steuernden Rezeption durch den Gesetzgeber an. In diesem System soll die private Selbstregulierung mit staatlichen Kontrollmöglichkeiten verzahnt werden, insbesondere einzelne Normen einem staatlichen Anerkennungsmechanismus unterlaufen. Je stärker dabei öffentliche und schutzwürdige private Interessen betroffen werden, desto umfassender ist die zu fordernde staatliche Einflussnahme auf die Normgebung, um das erforderliche Legitimationsniveau erreichen zu können.

II.

Öffentliche und private Interessen in der Rechnungslegung

Im vorstehenden Abschnitt wurde herausgearbeitet, dass eine private Selbstregulierung umso mehr der staatlichen Einflussnahme unterliegen muss, je eher öffentliche oder schutzwürdige private Interessen in der zu regelnden Materie zu berücksichtigen sind. Das verfassungskonforme Maß demokratischer Legitimation ist insoweit dynamisch zu verstehen. Auch wenn bereits darauf eingegangen wurde, dass die Rechnungslegung auch öffentliche Interessen berührt, müssen an dieser Stelle die Interessen differenziert herausgearbeitet werden. Die Rechnungslegung ist in besonderem Maße davon geprägt, dass sowohl private wie auch öffentliche Interessen – teilweise im Widerspruch stehend – existieren. Die öffentlichen Interessen lassen sich in zwei Komplexe zusammenfassen, welche letztlich mit den Metazielen der Rechnungslegung korrespondieren. Adressaten der Rechnungslegung haben entweder ein Interesse daran, den vergangenen Erfolg eines Unternehmens ermitteln oder die künftige wirtschaftliche Entwicklung abschätzen zu können. Die erste Aufgabe dient mithin der Rechenschaft gegenüber Vertragspartnern, weshalb sie aufgrund ihres Zwecks zur Vertragskoordination auch als Koordinationsfunktion bezeichnet wird, während die zweite Aufgabe eine Bewertungsfunktion erfüllt460. Beide Metaziele dienen der Reduktion asymmetrischer Informationen461. Die Informationsasymmetrie ist gerade dasjenige Motiv, welches eine staatliche Regulierung erforderlich macht. Deutschland und die EU folgen dem Prinzip der sozialen Marktwirt-

460 Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, 2017, S. 6f.; BeckOK/ HGB-Ruppelt (2018), § 242 Rn. 3; MüKo/Bilanzrecht-Kleindiek (2013), § 242 Rn. 4 ff.; Baetge/ Kirsch/Thiele, Bilanzen, 2017, S. 94f. 461 Vgl. Fülbier/Gassen, Bilanzrechtsregulierung, in: Wagner [Hrsg.], FS-Streim, 2008, S. 135, 139.

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schaft462. Hierbei wird das Primat der marktwirtschaftlichen Steuerung grundlegend anerkannt, welches zur Vermeidung von Marktversagen auf eine symmetrische Informationsverteilung angewiesen ist463. Mithin besteht ein schutzbedürftiges öffentliches Interesse an der Funktionsfähigkeit von Märkten durch die Gewährleistung annähernd symmetrische Finanzinformationen. Dem stehen indes private Interessen der Unternehmen, nicht sämtliche Informationen öffentlich zu machen, entgegen. Das Informationsbedürfnis unterschiedlicher Stakeholder zielt auf unterschiedliche Finanzinformationen eines Unternehmens ab. Während Lieferanten eher an der Liquiditätslage interessiert sein werden, mag für Anleger die zukünftige Erfolgslage eine Rolle spielen. Es kann nicht Aufgabe des Unternehmens sein, jedem Interessenten die Informationen zu seinem individuellen Informationszweck hin aufzubereiten. Vielmehr reicht es aus, wenn durch staatliche Regulierung eine nachvollziehbare und umfassende Informationsbasis geschaffen wird, aus welcher der einzelne Stakeholder selbst die ihm nützlichen Informationen filtern und analysieren kann. 1.

Adressaten von Finanzinformationen

Für ein besseres Verständnis und eine weitere Differenzierung der öffentlichen Interessen spielt daher der mögliche Adressatenkreis für die Finanzinformationen eine Rolle. Die Bundesregierung hat die Rechnungslegungsvorschriften insoweit zutreffend als »Schutzvorschriften im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter« bezeichnet464. Als Adressaten kommen insbesondere die Gesellschafter, Gläubiger, staatliche Aufsichtsbehörden und der Fiskus, Arbeitnehmer und Arbeitnehmerverbände sowie die interessierte Öffentlichkeit in Betracht465. All diese Personen benötigen Informationen über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens, um ökonomische Entscheidungen unter Vorteilsgesichtspunkten treffen zu können.

462 Vgl. Klump, Wirtschaftspolitik, 2013, S. 200ff.; grundlegend zum Begriff Müller-Armack, Wirtschaftsordnung, 1966, S. 78ff., 244. In der EU war der Begriff anfangs stark umstritten. Oft wurde auf europäischer Ebene bei Diskussionen zur wirtschaftspolitischen Ausrichtung der Gemeinschaft eingewendet, der Begriff der sozialen Marktwirtschaft sei speziell auf deutsche Gegebenheiten angepasst und könne weder begrifflich noch materiell ohne weiteres auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene verankert werden. Mittlerweile sind die Diskussionen hinfällig, da sich die EU in Art. 3 Abs. 3 S. 2 EUV ausdrücklich zum wirtschaftspolitischen Konzept der sozialen Marktwirtschafts bekennt. 463 Hierzu ausführlich Teil 1 Kapitel A I. 2. 464 S. RegE zum BiRiLiG, Gr. 63. 465 Vgl. hierzu etwa BeBiKo-Winkeljohann/Schellhorn (2018), § 264 Rn. 36; Rinker, Bilanzen, 2016, S. 28ff.; Bitz/Schneeloch/Wittstock/Patek, Jahresabschluss, 2014, S. 43ff., 54.

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Insoweit liegt der allgemeinen volkswirtschaftlichen Theorie der Gedanke zugrunde, dass jedes Individuum wirtschaftlich rational handelt466. Für die meisten dieser Stakeholder ist die Fähigkeit des Unternehmens, die zukünftig fällig werdenden Ansprüche bedienen zu können, entscheidend. So erwarten etwa Lieferanten, dass die ihnen zustehenden Entgelte entrichtet werden und die Arbeitnehmer, dass sie Lohn- und Gehaltszahlungen erhalten. Für andere Adressaten bildet der Erfolg einer unternehmerischen Tätigkeit die Grundlage einer Zahlungsbemessung. Gesellschafter bemessen ihre Ausschüttungen auf Grundlage des Unternehmenserfolges, Arbeitnehmerverbände verhandeln mit den Arbeitgebern über die zukünftige Teilhabe der Arbeitnehmer an dem Erwirtschafteten. Hieraus resultieren die bereits eingangs genannten Metaziele der vergangenheitsbezogenen Rechenschaftsfunktion sowie der zukunftsbezogenen Bewertungsfunktion. Wie die Ausführungen zu den Bilanztheorien467 gezeigt haben sollten, ist ein Jahresabschluss, welcher alle Interessen umfänglich zufrieden stellt, nicht möglich. »Jahresabschlüsse sind in Deutschland das Ergebnis vielfältiger Kompromisse«468. 2.

Rechenschaft über wirtschaftliches Handeln

Rechenschaft ist der Bericht über zurückliegende Tätigkeiten. Wie die Redewendung »jemanden gegenüber Rechenschaft ablegen« zeigt, geht es darum, sich gegenüber bestimmten Personen über diese Tätigkeiten zu erklären. Dies ist von besonderem Interesse für solche Stakeholder, deren Ansprüche unmittelbar vom Erfolg eines Unternehmens abhängen. Sie können anhand der Finanzinformationen einerseits die Höhe ihrer Ansprüche ermitteln, andererseits das Verhalten der für sie tätigen Organe nachträglich auf ihre Interessenwahrung hin überprüfen469. Gleichsam trägt die Rechenschaftspflicht zur Auflösung von PrinzipalAgenten-Problemen bei, indem eine Kontrolle der handelnden Organe ermög466 Das entspricht dem Bild eines (teilweise abschätzig genannten) »homo oeconomicus« als Sinnbild eines auf die eigene wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit bedachten Individuums. Die Annahme eines solchen Menschenbildes stellt eine stark vereinfachte Annahme da, um grundlegende Theorien handhabbar zu machen. Es reicht für den hiesigen Forschungszweck aus, um die Problematik zu verdeutlichen, kann aber hinsichtlich spezieller Theorien als empirisch überholt angesehen werden, hierzu allgemein Schweitzer/Baumeister, Allgemeine BWL, 2015, S. 15ff. (auch zu »neueren« Menschenbildern in der BWL); Thommen/Achleitner/Gilbert/Hachmeister/Kaiser, Allgemeine BWL, 2017, S. 567f. 467 S. Teil 1 Kapitel A II. 468 Vgl. Schildbach/Stobbe/Brösel, Der handelsrechtliche Jahresabschluss, 2013, S. 82. 469 Im Verhältnis von Eigenkapitalgebern zu den handelnden Organen besteht eine untergeordnete Informationsfähigkeit der Anteilseigner. Man spricht insoweit vom Prinzip-Agenten-Problem, vgl. hierzu grundlegend Thommen/Achleitner/Gilbert/Hachmeister/Kaiser, Allgemeine BWL, 2017, S. 456f.; Schweitzer/Baumeister, Allgemeine BWL, 2015, S. 97, 102, 121 m. w. N. auch zur Kritik.

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licht wird und diese hierdurch ihr eigenes Handeln in der Regel besser reflektieren werden. Im handelsrechtlichen Jahresabschluss ist die Rechenschaft vom Gläubigerschutz geprägt. Eine der wichtigsten Ausprägungen des Gläubigerschutzes ist das in § 252 Abs. 1 Nr. 4, 1. Teil, 1. Hs. HGB normierte Vorsichtsprinzip470 sowie dessen Konkretisierungen des Imparitäts- und Realisationsprinzips. Nach dem Imparitätsprinzip sind wahrscheinlich eintretende Verluste und Risiken bereits erfolgswirksam auszuweisen, bevor sie sich betriebswirtschaftlich realisiert haben471. Damit korrespondierend besagt das Realisationsprinzip, dass Gewinne erst dann ausgewiesen werden dürfen, wenn sie sich tatsächlich realisiert haben472. Das Vorsichtsprinzip steht seit jeher im besonderen Spannungsfeld zwischen Informations- und Ausschüttungsbemessungsfunktion des Jahresabschlusses. Aus Sicht der steuerlichen Gewinnermittlung ist eine vorsichtige Bewertung eher schädlich in dem Sinne, dass tendenziell zu niedrig ausgewiesene Gewinne besteuert werden. 3.

Informationsbasis für Unternehmensbewertung

Grundsätzlich soll eine am marktwirtschaftlichen Prinzip orientierte staatliche Marktregulierung die Vollkommenheit von Märkten bezwecken. Die Mechanismen von Angebot und Nachfrage werden dann zu einer Effizienz der Allokation gelangen. Soweit sich Angebot und Nachfrage auf Finanzinstrumente im weitesten Sinne beziehen, handelt es sich aus aufsichtsrechtlicher Sicht allgemein um Finanzmärkte473. Dieser Begriff weicht indes vom ökonomischen Verständnis ab, welches in der Regel lediglich den Kapitalmarkt umfasst, der im Sinne des Aufsichtsrechts dann als »Finanzmarkt i. e. S.«474 verstanden werden kann. Auch hier wird vereinfacht vom Kapitalmarkt gesprochen. Es geht mithin um die Verteilung von Kapital. Dabei spielt es eine Rolle, in welcher Form Kapital bereitgestellt wird, d. h. in Gestalt von Eigen- oder Fremdkapital oder einer der quasi unbegrenzten Mischformen zu diesen klassischen Anlagesystemen475. Es hat sich bereits gezeigt, dass Kapitalgeber mitunter ein gesteigertes Interesse an asymmetrischen Informationen haben können. 470 Vgl. ausführlich MüKo/Bilanzrecht-Tiedchen (2013), § 252 HGB, Rn. 47ff.; Janke, StuW 1994, 214f.; Pezzer, DStJG 1991, 3, 21. 471 Vgl. MüKo/Bilanzrecht-Tiedchen (2013), § 252 HGB, Rn. 55; Müller, DB 1996, 689. 472 Vgl. MüKo/Bilanzrecht-Tiedchen (2013), § 252 HGB, Rn. 62. 473 So auch die Definition des Gesetzgebers, vgl. BT-Drs. 15/3174, S. 29; allgemein zum Begriff der Finanzmärkte und zu den Unterscheidungen etwa Spremann/Gantenbein, Finanzmärkte, 2014, S. 56; Franke/Hax, Finanzwirtschaft und Kapitalmarkt, 2009, S. 55ff.; Perridon/ Steiner/Rathgeber, Finanzwirtschaft, 2017, S. 183ff. 474 Zum Begriff s. Seiler/Geier, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, 2017, Vor § 104 Rn. 4, 5. 475 Zu Fremd- und Eigenkapitaldefinitionen sowie Mischformen s. Teil 2 Kapitel C II. 5.

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Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS

Relevant für den Informationszweck der Bilanz sind daher primär Kapitalmärkte. Besondere Bedeutung erlangt dieser Zweck deshalb auch in Volkswirtschaften, in denen vornehmlich Eigenkapital im Wege öffentlicher Kapitalmarktallokation aufgenommen wird476. Eine vollständige Informationsbasis führt über die Möglichkeit der Unternehmensbewertung dazu, dass das Kapital dort eingesetzt wird, wo die höchsten Erträge zu erzielen sind, was unter kapitalistischen Gesichtspunkten auch darauf hindeutet, dass dieses Unternehmen am effizientesten Bedürfnisse der Konsumenten erfüllt und damit zum Gemeinwohl beiträgt. Der rationale Anleger prüft letztlich, ob der Barwert seiner Investition positiv ist bzw. wählt bei begrenztem Kapital die höchsten (positiven) Barwerte aus477. Die Methoden der Unternehmensbewertung stellen in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur ein schier unübersichtliches und höchst komplexes Thema dar. Eine Darstellung einzelner Bewertungsmethoden oder auch nur eine Einführung in die Unternehmensbewertung würde den Rahmen der hiesigen Forschungsarbeit übersteigen478. An dieser Stelle soll ausreichen zu verstehen, dass in der Regel höher ausgewiesene Gewinne den Barwert einer Investition steigern, d. h. dass der Ausweis hoher Gewinne sowie die bilanzielle Abbildung von Zukunftspotentialen zu höheren Kapitalaufnahmemöglichkeiten führen. Im Vergleich zu Gütermärkten weisen Kapitalmärkte einen wesentlichen Vorteil aus marktwirtschaftlicher Sicht auf: Kapital kann grundsätzlich mit vergleichsweise geringen Transaktionskosten übertragen werden. Das führt nicht nur dazu, dass eine zeitlich schnelle, sondern auch räumlich quasi unbegrenzte Kapitalallokation möglich ist. Marktmechanismen, Angebot und Nachfrage, führen daher zeitnah zu gleichgewichtigen Zuständen, soweit im Übrigen einige Grundannahmen wie z. B. diejenige rational agierender Anleger getroffen werden. Andererseits kann der Markt auch innerhalb einer kurzen Zeitspanne verzerrt werden. Dieser Umstand hat etwa zur weitgehenden aufsichtsrechtlichen Eindämmung von Spekulationen wie durch (ungedeckte) Leerverkäufe geführt

476 S. insoweit zum Vergleich der Kapitalmarktstrukturen etwa zwischen Deutschland und den USA die tabellarische Übersicht bei Bieg/Kußmaul/Waschbusch, Externes Rechnungswesen, 2012, S. 466. 477 Zur Bar- bzw. Kapitalwertorientierung in der Investitions- und Finanzierungsrechnung etwa Drukarczyk/Lobe, Finanzierung, 2015, S. 43ff.; Kruschwitz/Husmann, Finanzierung und Investition, 2010, S. 1–82 (Bartwertbetrachtung für verschiedene Szenarien); Berk/DeMarzo, Finanzwirtschaft, 2019, S. 117ff. 478 Für eine Einführung s. etwa Drukarczyk/Schüler, Unternehmensbewertung, 2016; Diedrich/ Dierkes, Kapitalmarktorientierte Unternehmensbewertung, 2015; Ballwieser/Hachmeister, Unternehmensbewertung, 2016; Peemöller [Hrsg.], Unternehmensbewertung, 2015.

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hat479. Ein dauerhafter, ggf. sogar präventiver Abbau asymmetrischer Informationspotentiale ist daher besonders wichtig. Sowohl im Vorfeld der Kapitalübertragung durch sog. adverse Selektion, als auch danach durch den sog. moral hazard würden Finanzmärkte ins Ungleichgewicht geraten480. Die enge innerund interstaatliche Verknüpfung verschiedener Kapitalmärkte und deren Bezug zu den übrigen Märkten birgt ein erhebliches Systemrisiko481, so dass die Funktionsfähigkeit von Finanzmärkten ein globales Anliegen darstellt. Ein reguliertes und kontrolliertes Rechnungslegungssystem ermöglicht hier eine Informationsbasis, die für jeden Marktteilnehmer ein nachvollziehbares Datum darstellt. Grundsätzlich kann nach alledem erwartet werden, dass ein Marktgleichgewicht umso effizienter ist, je eher die dargebotenen Informationen ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild wiederspiegeln. Dieser Ansatz kann aber nur unter Zugrundelegung einer Vielzahl von Annahmen erhoben werden, welche sich in der Wirklichkeit nicht finden lassen482. Letztlich stellen Finanzmärkte eine Verknüpfung zwischen aktuellen Gegebenheiten und daraus abzuleitenden zukünftigen Gewinnerwartungen, d. h. Prognosen dar. Es besteht daher die Gefahr, dass einerseits eine angemessene Risikoprämie durch Anleger nicht berücksichtigt und andererseits zu hohe Erwartungen an die Aussagekraft der Finanzberichterstattung gestellt werden. Deshalb ist es durchaus denkbar, dass auf die Gefahr einer Verzerrung des Marktwerts eines Unternehmens, Rechnungslegungsvorschriften zum Schutz der Anleger so ausgestaltet werden, dass der Unternehmenswert im Zweifel eher zu niedrig angegeben wird, die Finanzberichterstattung also vorsichtig erfolgt483. Wie die Ausführungen gezeigt haben, müssen vom Vorsichtsprinzip geprägte Rechnungslegungssysteme dem Informationszweck der Finanzberichtserstattung daher nicht zwangsläufig zuwiderlaufen. Deshalb ist auch die von der Kapitalmarktorientierung der IFRS-Rechnungslegung abgeleitete Annahme, die 479 Vgl. insbesondere die aufsichtsrechtlichen Befugnisse bzw. Verbote in § 6 WpHG sowie Art. 12ff. EU-LeerverkaufsVO und EuGH, Urt. vom 22. 01. 2014, Rs. C-270/12. Auch unmittelbare staatliche Eingriffe in das Marktgeschehen wie etwa der Anleihenkauf durch die EZB werden vor dem Hintergrund von Marktverzerrung und der »No-Bailout-Klausel« kritisch gesehen. Kritik wurde von Beginn des Ankaufprogramms an etwa durch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann geäußert, vgl. nur Handelsblatt vom 08. 01. 2018 sowie Hamburger Abendblatt vom 19. 05. 2018. 480 Vgl. Mishkin [Hrsg.], Financial Markets and Institutions, 2000, S. 22f. 481 Vgl. Gischer/Herz/Menkhoff, Geld, Kredit und Banken, 2012, S. 163ff. 482 Siehe hierzu später Teil 2 Kapitel C V. 2. a. und 4. e. sowie C VI. 2. b) bb). 483 Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass bei einer vorsichtigen Finanzberichterstattung im Rahmen der Jahresabschlusselemente Bilanz und GuV verbleibende Informationsbedürfnisse auch durch weitere Elemente wie den Anhang oder Lagebericht vermittelt werden können, vgl. zur sog. »Abkopplungshypothese« Moxter, Bilanzlehre, Bd. II, 1986, S. 67f.

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HGB-Rechnungslegung liefere ihr gegenüber weniger (quantitativ) oder schlechtere (qualitativ) Informationen in ihrer Allgemeinheit nicht zutreffend484. Anders verhält es sich mit den weiteren Zwecksetzungen an eine Rechnungslegung. So ist etwa die steuerliche Gewinnermittlung grundsätzlich von anderen Prinzipien und Annahmen geprägt, als eine informationsorientierte Berichterstattung. Deshalb wird etwa die Verknüpfung von Handels- und Steuerrecht im deutschen Rechtsraum mitunter kritisch gesehen485. Diese Diskussion ist umso stärker in den Vordergrund gerückt, je mehr das handelsrechtliche Rechnungslegungssystem den Informationszweck des Jahresabschlusses in den Vordergrund stellt. Vor- und Nachteile einer solchen Verknüpfung sind jedoch nicht Gegenstand der hiesigen Forschungsfragen. 4.

Private Interessen an der Geheimhaltung und Informationsasymmetrie

Nicht alle Marktteilnehmer haben ein Interesse an der Veröffentlichung von unternehmensinternen Informationen. Das Geheimhaltungsinteresse kann dort als besonders groß angesehen werden, wo gegenüber anderen Beteiligten ein Informationsvorsprung besteht. In den vorausgegangenen Kapiteln ist klar geworden, dass eine regulierte und verpflichtende Rechnungslegung erforderlich ist, um ein Marktversagen zu verhindern. Dem überragenden öffentlichen Interesse an symmetrischen Informationen in Bezug auf Kapitalallokationsentscheidungen für die Effizienz der Allokation müssen private Geheimhaltungsinteressen daher regelmäßig hintanstehen. Das gilt indes nicht ausnahmslos. Es kann festgehalten werden, dass der Rechnungslegung ohnehin zwingende Grenzen immanent sind486. Die Aussagekraft bilanzieller Darstellungen von Geschäftsvorfällen ist nicht allumfassend. Es handelt sich lediglich um punktuelle, aus dem konkreten Sachzusammenhang gerissene Abbildungen von komplex strukturierten und über eine ganze Lebensdauer eines Unternehmens bedeutsame Umstände, die bestenfalls näherungsweise kurzfristige Prognosen über die zukünftige Entwicklung zulassen. Deshalb muss es auch gerechtfertigt sein, dass gewisse Geheimhaltungsinteressen der Unternehmen dem Informationsbedürfnis der Marktteilnehmer übergeordnet werden.

484 Zu diesem Schluss kommen auch Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 2018, § 1 Rn. 24ff. 485 Vgl. Henssler/Slota, NZG 1999, 1133ff. sprechen etwa besonders drastisch von einem »international beispiellosen Missstand«. 486 Vgl. Moxter, Bilanzlehre Bd. 1, 1984 sowohl zu Grenzen klassischer Bilanztheorien, als auch dem jeweils begrenzten Aussagegehalt von Bilanztypen zu einzelnen Bilanzwecken sowie konkret in ders., Bilanzlehre Bd. 2, S. 2, 64f.; s. auch Teil 1 Kapitel B II.

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Die Publizität von Unternehmensinformationen ist – wie auch die Bereitstellung der Informationen – mit erheblichen Kosten verbunden487, welche in die betriebs- und volkswirtschaftliche Vorteilhaftigkeitsanalyse der Veröffentlichung einbezogen werden müssen. Zu viel Information kann zu Wohlfahrtsverlusten führen. Die Entwicklungen im Bilanz- und Kapitalmarktrecht zeigen auf nationaler und europäischer Ebene mitunter eine unzureichende Berücksichtigung der Geheimhaltungsinteressen488. In geringem Maße sehen die einzelnen Standards Schutzklauseln vor. Dem Geheimnisschutz sind im IFRS-Abschluss Grenzen gesetzt, wenngleich auf Grundlage der Verweise in §§ 315e, 325 Abs. 2 lit. a HGB verpflichtend bzw. freiwillig anzuwendende Schutzklauseln des HGB/UGR zu beachten sein können489. Aus wirtschaftspolitischer Sicht ist ein Geheimhaltungsinteresse umso gewichtiger, je weniger Aussagekraft die Abbildung des konkreten Geschäftsvorfalls für den Anleger hat und je mehr Entwicklungs- und Zukunftspotentiale und damit volkswirtschaftliche Effizienzen verloren gingen. Ein Beispiel hierfür bietet etwa die Forschung und Entwicklung. Müssten Unternehmen besorgen, dass Forschungs- und Entwicklungsergebnisse im Jahresabschluss Berücksichtigung finden, könnten andere Unternehmen sich die Anstrengungen ggf. zunutze machen oder zumindest zukünftige Wettbewerber beobachten und über Kapitalmärkte übernehmen, bevor diese ihre Potentiale für eigene Zwecke gewinnbringend nutzen konnten. Soweit die Forschung und Entwicklung noch im Anfangsstadium stecken, besteht für Anleger lediglich ein geringes Interesse an Informationen hierüber. Es bestünde sogar die Gefahr, dass zukünftige Gewinnpotentiale erwartet werden, welche sich schließlich nicht realisieren. In ein monetäres Zahlenwerk können sie nur unter Unsicherheiten übertragen werden. Je weiter die Entwicklung voranschreitet, desto größer wird das Informationsinteresse und desto geringer das Geheimhaltungsinteresse des Unternehmens, da andere Unternehmen den Wissensvorsprung in der Regel nicht mehr aufholen können oder aber bereits wesentliche Stellungen durch Patente gesichert werden konnten. Der Zielkonflikt zwischen Informationsvermittlung und Geheimhaltung ist daher durch angemessene Kompromisse aufzulösen und verhindert eine vollständige, die tatsächlichen Verhältnisse eines Unternehmens widerspiegelnde 487 Der Begriff der Kosten darf insoweit nicht mit dem Abfluss finanzieller Mittel verwechselt werden. Vielmehr geht es um den Verlust von Erfolgspotentialen, welcher durch die Veröffentlichung von strategischen Zielen oder technologischem Fortschritt eintreten könnte. Allgemein zu den Informationskosten zivilrechtlicher Normsetzung vgl. Rehberg, in: Eger/ Schäfer [Hrsg.], Ökonomische Analyse der Zivilrechtsentwicklung, 2007, S. 298ff. 488 Vgl. Schön, Geheimnisschutz und Wettbewerb, S. 2, in: Schön [Hrsg.], Rechnungslegung und Wettbewerbsschutz, 2009, S. 1–6. 489 Vgl. Nguyen/Baumüller, PiR 2017, 46ff.

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Informationsvermittlung. Moxter hat bereits 1962 eine umfassende Arbeit zum Thema wettbewerbsbeeinflussender Publizität unter Berücksichtigung der verschiedenen Stakeholder vorgelegt und auf die Gefahren wettbewerbsverzerrender Publizität aufmerksam gemacht490. Es darf auch nicht vergessen werden, dass sich eine Abwägung widerstreitender Interessen schon aus verfassungsrechtlicher Sicht gebietet. Die unternehmerische Tätigkeit ist durch Art. 2 Abs. 1 GG in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschützt491. Im deutschen Rechnungslegungsrecht verdeutlicht § 268 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 HGB die Begrenzung der Informationsfunktion, nach dem bestimmte Informationen nicht in den Anhang aufzunehmen sind, »wenn diese nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet sind, der Kapitalgesellschaft […] einen erheblichen Nachteil zuzufügen«. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Funktion der Rechnungslegung über reine Effizienz von Finanzmärkten hinausgeht und damit auch bezüglich des Informationszwecks an sozio-ökonomische Gegebenheiten der einzelnen Volkswirtschaften gekoppelt ist492. 5.

Institutioneller Rahmen in Deutschland

Aufgrund der Vielfalt von möglichen Adressaten der Rechnungslegung spielt der institutionelle Rahmen bzw. die Einflussfaktoren auf die Rechnungslegungspraxis innerhalb einer Volkswirtschaft eine maßgebliche Bedeutung. Die Gesamtsystematik, in die ein Rechnungslegungssystem eingebettet ist, zeigt erst auf, welche Interessen welcher Adressaten in der jeweiligen Volkswirtschaft im Vordergrund stehen. Insbesondere sozioökonomischen Faktoren wird daher eine hohe Wirkungsintensität auf die länderspezifische Rechnungslegungspraxis zugesprochen493. Als institutionelle Einflussfaktoren werden in der ökonomischen Literatur vornehmlich das Finanzierungs-, Steuer- und Rechtssystem behandelt494. 490 Vgl. Moxter, Der Einfluss von Publizitätsvorschriften auf das unternehmerische Verhalten, 1962, S. 4ff. 491 Dem stehen freilich Freiheitsrechte des Shareholders aus Art. 2 Abs. 1, 14 GG sowie die Sozialbindung des Eigentums gegenüber. Gerade deshalb ist eine Abwägung erforderlich. Zu diesem Spannungsfeld lesenswert: Budde, Rechenschaftslegung im Spannungsfeld des Grundgesetztes, in: Ballwieser/Böcking/Drukarzcyk/Schmidt [Hrsg.], FS-Moxter, 1994, S. 33– 60. 492 Vgl. etwa zur Rechnungslegungsregulierung aus wohlfahrtsstaatlicher Perspektive: Oehr, Sozio-ökonomische Aspekte der Regulierung der Rechnungslegung, 2012, S. 71ff. 493 Vgl. Kvaal/Nobes, Accounting and Business Research 2010, 173, 174; d’Arcy, Klassen nationaler Rechnungslegungssyteme, 1999, S. 46, Kemper-Scharpegge, Einfluss der IFRS auf die Rechnungslegungspraxis, 2013, S. 49. 494 Vgl. hierzu ausführlich Kemper-Scharpegge, Einfluss der IFRS auf die Rechnungslegungspraxis, 2013, S. 64ff.; Bieg/Kußmaul/Waschbusch, Externes Rechnungswesen, 2012, S. 464ff.

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All jenes lässt sich im Grundsatz auf unterschiedliche historisch-kulturelle Gegebenheiten zurückführen. Die Einführung der Kultur in wissenschaftliche Betrachtungen weist indes erhebliche Schwierigkeiten auf. Eine Operationalisierung solcher Aspekte ist nur schwerlich denkbar, die Ziehung von Grenzen kaum möglich. Dennoch hat der holländische Sozialpsychologe und Anthropologe Hofstede495 in seinem mittlerweile in 6. Auflage erschienen Werk unterschiedliche Wertdimensionen herausgearbeitet, welche kulturelle Differenzierungen möglich machen sollen496. Das solche vereinfachten Systeme zur Einordnung unterschiedlicher Kulturkreise auf zum Teil heftige Kritik gestoßen sind497, ist verständlich. Die Probleme ändern aber nichts daran, dass bei gesellschaftswissenschaftlichen Arbeiten in jedem Zusammenhang ein Rückgriff auf kulturelle Unterschiede bei internationalen Vorgängen Beachtung finden müssen und jeder Versuch solche operationalisierbar zu machen, begrüßt werden sollte. Gerade im Bereich staatlicher Regulierungstätigkeit fordert es schon das demokratische Prinzip sowie die Akzeptanz, dass Regelungen nicht losgelöst von kulturellen Differenzen getroffen werden. Auch die Wissenschaft darf nicht losgelöst von tatsächlichen Gegebenheiten argumentieren und damit zum Selbstzweck verkommen. Das gilt umso mehr in den Gesellschaftswissenschaften, deren Kern soziokulturelle Untersuchungen darstellen. Es ist daher folgerichtig, dass die von Hofstede entwickelten Wertdimensionen im wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Kontext Anwendung finden498. Zwar lassen sich hiermit keine feinspezifischen kulturellen Unterschiede wissenschaftlich fundiert nachweisen, aber Differenzen unterschiedlicher Kulturkreise bieten eine Grundlage für die weitere Betrachtung. Mit Hinblick auf die vorliegende Forschungsfrage sind die nachfolgenden rechnungslegungsspezifischen Wertdimensionen, wie sie erstmals von Gray499 als Brückenschlag zu Hofstedes Kulturdimensionen und Rechnungslegungskonzepten formuliert wurden, von besonderer Bedeutung:

495 Vgl. Hofstede/Hofstede, Lokales Denken, Globales Handeln, 2017. 496 Zur Thematik ausführlich Kemper-Scharpegge, Einfluss der IFRS auf die Rechnungslegungspraxis, 2013, S. 50. 497 Vgl. nur Ding/Jeanjean/Stolowy, International Journal of Accounting 2005, 325, 332f.; Reimer, Kulturtheorie von Geert Hofstede, 2005, S. 44ff. m. w. N. 498 Zustimmend auch Kemper-Scharpegge, Einfluss der IFRS auf die Rechnungslegungspraxis, 2013, S. 50; Ding/Jeanjean/Stolowy, International Journal of Accounting 2005, 325, 332; hierzu auch Borker, International Business & Economics Research Journal 2013, 167ff. 499 Vgl. Gray, Abacus 1988, 6–11; s. zur Bedeutung auch Braun/Rodriguez, International Journal of Accounting and Financial Reporting 2014, 104ff. Diverse Arbeiten konnten die Theorie empirisch validieren, vgl. nur Salter/Niswander, Journal of International Business Studies 1995, 379ff.; Chanchani/Willett, The International Journal of Accounting 2004, 125ff.

120 1. 2. 3. 4.

Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS

Berufsständische Selbstregulierung vs. staatliche Regulierung Einheitliche Rechnungslegungsmethodik vs. flexible Methodengestaltung Vorsichtige vs. optimistische Rechnungslegung Zurückhaltende vs. transparente Rechnungslegung

Vereinfachend lässt sich unter Berücksichtigung dieser Wertdimensionen die kontinentaleuropäische von der angelsächsischen Rechnungslegungstradition unterscheiden. Im kontinentaleuropäischen Kulturkreis zeichnete sich die Rechnungslegung zumindest bislang deutlich durch staatliche Regulierung mit einer einheitlichen, systematischen Rechnungslegungsmethodik unter Berücksichtigung des Vorsichtsprinzips aus. Angelsächsische Rechnungslegungssysteme sind demgegenüber wesentlich transparenter, optimistischer und flexibler ausgestaltet und weisen in der Regel kaum eine geschlossene Systematik auf 500. Das Finanzierungssystem wird insoweit als Haupteinflussfaktor angesehen501. Aufgrund der Kapitalallokationsfunktion von Finanzinformationen ist dies auch unmittelbar nachvollziehbar. Neben einer Vielzahl von Mischformen (»hybride Finanzinstrumente«502), welche sich zunehmender Beliebtheit versehen503, lässt sich die Kapitalaufnahme von Unternehmen nach der Rechtsstellung der Kapitalgeber in Eigen- und Fremdkapital abgrenzen. Eigenkapitalgeber zeichnen sich im Idealtypus dadurch aus, dass ihre Ansprüche ohne vertraglich geregelten Rückzahlungsanspruch ausschließlich ergebnisabhängig im Fortführungsfall unter Kapitalreduktion im Verlustfalle sind, wobei im Liquidations- und Zerschlagungsfall die Rückzahlung als Residualanspruch nach allen gesetzlich und vertraglich vorrangig platzierten Ansprüchen erfolgt504. Fremdkapitalgeber werden im Grundtypus Inhaber eines ergebnisunabhängigen Anspruchs ohne buchmäßige Reduktion des Kapitalbestandes im Verlustfall unter Festlegung der Verzinsungs- und Rückzahlungsmodalitäten505. 500 So auch Kemper-Scharpegge, Einfluss der IFRS auf die Rechnungslegungspraxis, 2013, S. 52; Empirisch konnten die entsprechenden Differenzierungskriterien mit einigen Einschränkungen durch Salter/Niswander, Journal of International Business Studies 1995, 379ff. nachgewiesen werden. 501 Vgl. Born, Rechnungslegung international, 2007, S. 5; Achleitner/Behr/Schäfer, Internationale Rechnungslegung, 2009, S. 12. 502 Zum Begriff s. Bärsch/Spengel, Ubg 2013, 377; anders im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum (»Quasi-Eigenkapital«) oder auch Mezzanine-Finanzierung, vgl. Fleischer, in: Michalski/ Heidinger/Leible/ Schmidt [Hrsg.], Band I, 2017, Systematische Darstellung 5, Rn. 97. 503 Vgl. zu »hybriden Finanzierungsformen« bzw. zur sog. »Mezzanine-Finanzierung« grundlegend Wöhe/Bilstein/Ernst/Häcker, Unternehmensfinanzierung, 2013, S. 197ff.; Eilers/ Rödding/Schmalenbach [Hrsg.], Unternehmensfinanzierung, 2014, S. 517ff. 504 Vgl. Fleischer, in: Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt [Hrsg.], Band I, 2017, Systematische Darstellung 5 Rn. 82; Drukarczyk/Lobe, Finanzierung, 2015, S. 298ff. 505 Vgl. Fleischer, in: Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt [Hrsg.], Band I, 2017, Systematische Darstellung 5 Rn. 82; Drukarczyk/Lobe, Finanzierung, 2015, S. 300; davon abzugrenzen ist die

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Die Beschaffung von Eigen- und Fremdkapital im Rahmen der sog. »Outsider«-Finanzierung auf öffentlich organisierten Kapitalmärkten findet sich in angelsächsisch geprägten Ländern wie den UK oder USA506. Es fehlt an Zugang zu unternehmensinternen Informationen, was auf die weitgehend anonyme Bindung von Kapitalgebern zurückzuführen ist507. Das Finanzierungssystem kontinentaleuropäischer Länder und insbesondere Deutschlands ist noch immer vornehmlich durch »Insider«-Finanzierungen geprägt508. In einer solchen Finanzierungsstruktur ist der Anteilsbesitz an Unternehmen in der Regel höher509. Das führt dazu, dass infolge der einflussreichen Beziehung von Kapitalgebern zum Unternehmen eine Informationssymmetrie bereits auf nicht-öffentlichem Kommunikationswege hergestellt wird510. Kapitalgeber können insoweit auf unternehmensinterne Daten zugreifen, so dass sich ein Rückgriff auf das externe Rechnungswesen in der Regel erübrigt. Daraus ergeben sich Konsequenzen für den Umfang öffentlicher Interessen an der Rechnungslegung. Tendenziell sind diese in einem Rechnungslegungssystem größer, welches in höherem Maße öffentlich organisierte Kapitalmärkte in Anspruch nimmt. Aber auch innerhalb eines Finanzierungssystems lässt sich eine weitere Differenzierung vornehmen. Größere Unternehmen bedienen sich häufiger kapitalmarktlicher Finanzierungsquellen als KMU511. Das öffentliche Interesse an kapitalmarktbezogener Rechnungslegung ist daher insgesamt bei international tätigen, großen Unternehmen am bedeutsamsten. Hinzu kommt, dass die Fi-

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Unterscheidung der Finanzierungsformen Außen- und Innenfinanzierung, auf welche hier nicht näher eigegangen wird. Hierzu sei verwiesen auf Perridon/Steiner/Rathgeber, Finanzwirtschaft, 2017, S. 419ff. Vgl. Leuz/Wüstemann, Role of Accounting, in: Krahnen/Schmidt [Hrsg.], The German Financial System, 2004, S. 450, 453. Vgl. Leuz/Wüstemann, Role of Accounting in: Krahnen/Schmidt [Hrsg.], The German Financial System, 2004, S. 450, 453; Ball/Kothari/Robin, Journal of Accounting and Economics 2000, 1, 14. Vgl. Kemper-Scharpegge, Einfluss der IFRS auf die Rechnungslegungspraxis, 2013, S. 66; Rudolf, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung, 2013, S. 3ff. (auch ausdrücklich zum Wandel des Finanzsystems); Drukarczyk/Lobe, Finanzierung, 2015, S. 216ff. zur Bedeutung der Fremdfinanzierung. Vgl. Roberts/Weetman/Gordon, International Corporate Reporting, 2008, S. 214f. Vgl. Ball/Kothari/Robin, Journal of Accounting and Economics 2000, 1, 15; Ding/Stolowy, Review of Accounting and Finance 2006, 92, 96; Sellhorn/Gornik-Tomaszewski, European Accounting Review 2006, 187, 190. Vgl. hinsichtlich der Finanzierungsstruktur mittelständischer Unternehmen: Statistisches Bundesamt, Finanzierungsstruktur des deutschen Mittelstandes in den Jahren von 2005 bis 2009, erhältlich unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/207479/umfrage/finan zierungsstruktur-des-deutschen-mittelstandes/ (letzter Zugriff am 06. 11. 2019). Siehe zum Verhältnis von Außen- zu Innenfinanzierung auch Deutsche Bundesbank (2012), Die langfristige Entwicklung der Unternehmensfinanzierung in Deutschland, erhältlich unter https://www.bundesbank.de/resource/blob/693118/17955da92575b6548bcde422905e31ac/ mL/2012-01-unternehmensfinanzierung-data.pdf (letzter Zugriff am 06. 11. 2019).

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nanzierungsstrukturen auch kontinentaleuropäischer und angelsächsischer Unternehmen zunehmend konvergierende Entwicklungen aufweisen. Es zeigt sich eine Entwicklung angelsächsischer Unternehmen hin zu intensivierten Geschäftsbeziehungen zu ihren Stakeholdern und damit ein Abbau von Anonymität512 sowie kontinentaleuropäischer Unternehmen hin zur Internationalisierung und Nutzung nationaler und internationaler Kapitalmärkte513. Auch aus kontinentaleuropäischer und damit auch deutscher Sicht, wird die kapitalmarktorientierte Rechnungslegung daher zunehmend bedeutsam. Veränderungen der Finanzierungsstruktur als Einflussfaktor auf die Rechnungslegungspraxis müssen daher auch mit Veränderungen der öffentlichen Interessen an der Rechnungslegung und letztlich der Rechnungslegungsvorschriften einhergehen. Insoweit kann das öffentliche Interesse zumindest für die Finanzinformationen größerer Unternehmen nicht mehr lediglich auf die bislang in Deutschland vorherrschenden Vorstellungen wie die Gläubigerschutzfunktion beschränkt werden. Es bleibt aber dabei, dass für KMU andere öffentliche Interessen bestehen, weshalb ein anderer Maßstab der Rechnungslegung erforderlich ist. 6.

Institutioneller Rahmen in der EU

Schwieriger herauszuarbeiten ist der institutionelle Rahmen der Rechnungslegung innerhalb der EU. Da ein Konsens zu gemeinschaftsrechtlichen Rechnungslegungsstandards zunächst nicht erreicht werden konnte, fehlte es an einem umfassenden europäischen Rechnungslegungssystem. Es kann daher nicht auf den institutionellen Rahmen Bezug genommen werden, in dem ein europäisches Rechnungslegungssystem implementiert ist, sondern diejenigen Rahmenbedingungen auf europäischer Ebene, die ein solches System berücksichtigen müsste. Da jedoch schon die sozio-ökonomischen Ausgangsbedingungen im europäischen Rahmen nicht einheitlich sind, können für die gemeinschaftsrechtlichen Interessen nur allgemeine Ziele formuliert werden, die im Prozess der Integration ggf. zunehmend in Konvergenzentwicklungen zu einzelnen Aspekten aufgehen. Daraus resultiert noch heute die primäre Funktion der Schaffung eines funktionsfähigen europäischen Binnenmarktes, welcher vom Prinzip der sozialen Marktwirtschaft geprägt wird, vgl. Art. 3 Abs. 3 EUV. Auf dem Weg zu diesem Primärziel ist es erforderlich, die teils erheblich divergierenden ökonomischen 512 Vgl. Roberts/Weetman/Gordon, International Corporate Reporting, 2008, S. 214f. 513 Vgl. Robert/Weetman/Gordon, International Corporate Reporting, 2008, S. 515–517 und S. 563–566; Leuz/Wüstemann, Role of Accounting, in: Krahnen/Schmidt [Hrsg.], The German Financial System, 2014, S. 450, 455; Choi/Meek, International Accounting, 2011, S. 15.

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Systeme der Mitgliedsstaaten auf schonende Weise in Einklang zu bringen. Das bedeutet insbesondere, dass europäische Eingriffe in die mitgliedstaatliche Souveränität nur so weit gehen sollten, wie es der europäische Binnenmarkt erfordert514. Auch für die Regulierung der Rechnungslegung sind europäische Standards nur insoweit zwingend erforderlich, als der europaweite Kapitalmarkt berührt wird oder für andere Stakeholder der Mitgliedsstaaten Interesse an Finanzinformationen der Unternehmen haben (etwa Lieferanten mit grenzüberschreitender Tätigkeit). Für die europaeinheitliche Vergleichbarkeit von Jahresabschlüssen müssen die Interessen verschiedener Mitgliedsstaaten in Einklang gebracht werden. Die Besonderheit besteht darin, dass es sowohl Staaten gibt, welche angloamerikanischen als auch solche, die kontinentaleuropäischen Rechnungslegungsprinzipien folgen. Bei solchen grundlegenden Unterschieden lassen sich nur Kompromisse auf dem Niveau des minimal erforderlichen Konsenses schließen. Für die Auslegung europäischer Rechnungslegungsregulierung bedeutet dies, dass möglichst umfassend Prinzipien einzelner Mitgliedsstaaten mit ihren sozioökonomischen Besonderheiten zu berücksichtigen, während allgemeine europäische Prinzipien kaum ausfindig zu machen sind. Mit steigender Konvergenz auch der sozio-ökonomischen Gegebenheiten unter den Mitgliedsstaaten können auch Divergenzen der Rechnungslegungssyteme zunehmend abgebaut werden, was in stärkerem Maße die Entwicklung einer echten europäischen Rechnungslegung denkbar werden lässt. Die Ziele der EU gehen indes über die Regulierung des Binnenmarkts hinaus. Als Sekundärziel versucht die Gemeinschaft die wirtschaftliche Stärke und Macht in globaler Hinsicht beizubehalten bzw. auszubauen. Der Druck volkswirtschaftlich starker Staaten wie den USA oder China verschieben die institutionellen Rahmenbedingungen der EU dahin, dass in verstärktem Maße internationale und globale Wettbewerbsfähigkeit als Gründe für europäische Regulierungstätigkeit vorgetragen werden. So sieht etwa Art. 179 Abs. 1 AEUV als Zielvorstellung unmittelbar die Förderung und Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit der Union vor. Die Lissabon-Strategie aus dem Jahr 2000515, welche bis ins Jahr 2010 verfolgt wurde, sah vor, Europa zum wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt zu machen.

514 Dies zeigt sich etwa in der Zuständigkeitsvermutung der Mitgliedsstaaten aus Art. 4 Abs. 1 EUV (Regelzuständigkeit der Mitgliedsstaaten) sowie im Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und im Subsidiaritätsprinzip aus Art. 5 EUV. 515 Hierzu zusammenfassend Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Die LissabonStrategie, Ausarbeitung WD 11-205/06, 2006, erhältlich auf https://www.bundestag.de/blob /412428/f594813fcab0430692ffc80ca9f82df9/wd-11-205-06-pdf-data.pdf (letzter Zugriff am 06. 11. 2019).

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Im Juni 2010 wurde das Nachfolgeprogramm »Europa 2020« aufgelegt, welches im Rahmen der Industriepolitik als Kernpunkt industrieller Wettbewerbsfähigkeit insbesondere auch erleichterten Zugang zur Finanzierung von Unternehmen vorsieht516. Das umfasst zwangsläufig auch den Zugang zu internationalen Kapitalmärkten, die Internationalisierung von KMU sowie die Reduzierung von Transaktionskosten für die wirtschaftliche Tätigkeit innerhalb Europas517. 7.

Schlussfolgerungen

Die öffentlichen Interessen an der Regulierung der Rechnungslegung sind bedeutsam und erstrecken sich auf das gesamte Wirtschaftssystem. Eine symmetrische Informationsverteilung ist für eine marktwirtschaftlich effiziente Kapitalallokation unverzichtbar. Dabei sind die Adressaten von Finanzinformationen vielfältig. Diese haben sowohl ein Interesse an der Rechenschaft von Unternehmen über das wirtschaftliche Handeln, als auch an der Schaffung einer objektiven und nachvollziehbaren Informationsbasis für die Unternehmensbewertung. Andererseits können schutzwürdige private Interessen der Unternehmen an der Geheimhaltung und Aufrechterhaltung der Informationsasymmetrie bestehen, wobei im Sinne der praktischen Konkordanz eine Abwägung erforderlich sein wird. Worauf sich diese Interessen im konkreten beziehen und welche Bedeutung sie innerhalb der Volkswirtschaft einnehmen, richtet sich nach den sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen. Ein einheitlicher Bilanzzweck kann insoweit nur bei hinreichender Vergleichbarkeit dieser Aspekte herausgearbeitet werden. Je weiter die sozio-ökonomischen Grundbedingungen differieren, desto stärker weichen auch die öffentlichen Interessen ab, da unterschiedliche Erwartungshaltungen auf die Aussage der Finanzberichterstattung bestehen. Die Interessen korrespondieren insoweit mit den institutionellen Rahmenbedingungen innerhalb der Mitgliedsstaaten sowie der übergeordneten institutionellen Rahmenbedingungen der EU. Ein verhältnismäßig geringes Maß an demokratischer Legitimation in Bezug auf die Regulierung der (kapitalmarktorientierten) Rechnungslegung ist deshalb zwar aufgrund praktischer Erfordernisse hinzunehmen. Soweit mit sozio-ökonomischen Unterschieden jedoch abweichende öffentliche Interessen an der Rechnungslegung einhergehen, muss hier das Maß demokratischer Legitimation

516 Vgl. Europäische Kommission, Mitt. v. 03. 03. 2010, Europa 2020, S. 20, erhältlich auf http://ec .europa.eu/eu2020/pdf/COMPLET%20%20DE%20SG-2010-80021-06-00-DE-TRA-00.pdf (letzter Zugriff am 06. 11. 2019). 517 Ebd.

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durch Berücksichtigung europäischer nationaler Besonderheiten im Rahmen der Erkenntnisquellen der Auslegung angehoben werden.

III.

Implikationen des Maystadt-Berichts

Das Problem der mangelnden Einflussnahme des Gesetzgebers auf das IFRSStandardsetting ist dabei nicht abstrakt zu Forschungszwecken konstruiert, sondern wird aktuell relevant. Die EU fürchtet einen zunehmenden Kontrollverlust auf das IASB. Das Thema wurde auf der Tagung des ECOFIN-Rates518 am 13. 11. 2012 diskutiert. Es ging konkret darum, wie die Europäische Union ihren Einfluss auf die internationalen Rechnungslegungsstandards verteidigen und stärken kann. Im März 2013 wurde Philippe Maystadt mit der Untersuchung von Möglichkeiten beauftragt, den Beitrag der EU zu den internationalen Rechnungslegungsstandards zu stärken und die Governance der Gremien, die diese Standards entwickeln, zu verbessern519. Im Oktober 2013 veröffentliche Maystadt seinen Forschungsbericht unter dem Arbeitstitel »Should IFRS Standards be more »European«?«. Ein besonderes Augenmerk galt dabei den europäischen Rechnungslegungsinstitutionen. 1.

Die ARC und EFRAG als europäische Endorsement-Institutionen

Die EFRAG übernimmt die in Erwägungsgrund 10 der IAS-Verordnung vorgesehene Aufgabe des technischen Ausschusses für Rechnungslegung, d. h. die Beratung und Unterstützung der Kommission bei der Bewertung der internationalen Rechnungslegungsstandards. Es handelt sich hierbei um eine Gesellschaft belgischen Privatrechts520. Die Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission wurde erstmals im Working Arrangement aus dem Jahr 2006, nunmehr ersetzt durch eine entsprechende Vereinbarung vom 02. 06. 2016521, 518 »ECOFIN-Rat« ist hier die umgangssprachliche Bezeichnung für das »Economic and Financial Affairs Council«, d. h. den Rat für Wirtschaft und Finanzen der EU, welcher sich aus den Wirtschafts- und Finanzministern der EU-Mitgliedsstaaten zusammensetzt. 519 Vgl. Pressemitteilung der EU-Kommission vom 19. 03. 2013 (IP/12/242). 520 Die Rechtsform ist die einer AISBL, d. h. einer Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht als Unterfall des Idealvereins in Belgien. Im internationalen Kontext gilt sie als »non-profitorganisation«. Diese Rechtsform wird bei privatrechtlich organisierten, europäischen Institutionen häufig verwendet, so etwa bei der »European Confederation of Pharmaceutical Entrepreneurs AISBL« oder der neuerlich gegründeten »European Tax Adviser Federation AISBL«. 521 Das Working Arrangement vom 02. Juni 2016 sowie die weiteren rechtlichen Grundlagen der EFRAG finden sich unter https://www.efrag.org/About/Legal (letzter Zugriff am 06. 11. 2019).

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Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS

beschlossen und geregelt. Neben der Beratung im Endorsement vertritt die EFRAG europäische Interessen in der Vorbereitung und Entwicklung gegenüber dem IASB und interagiert mit anderen Europäischen und internationalen Institutionen522. Der Regelungsausschuss für Rechnungslegung (Accounting Regulatory Committee – ARC) gibt gemäß Art. 3 Abs. 1 IAS-VO gegenüber der Europäischen Kommission Stellungnahmen bezüglich der Übernahme von IFRS ab. Rechtsgrundlage bietet insoweit Art. 6 der IAS-VO, welcher eine »Unterstützung« der Kommission vorsieht. Der ARC wird von Vertretern der EU-Mitgliedsstaaten unter Vorsitz der Europäischen Kommission gebildet. Maystadt weist darauf hin, dass die ARC die öffentlichen europäischen Interessen innerhalb des internationalen Rechnungslegungsstandardsettings repräsentieren, wohingegen die EFRAG lediglich der technischen Umsetzung dienen sollte. Faktisch geht die Bedeutung der EFRAG über die technische Beratung der Europäischen Kommission hinaus, da sie die Erfüllung der Übernahmekriterien der IAS-Verordnung überprüft. Auch das aktuelle working arrangement aus dem Jahr 2016523 zeigt, dass die Aufgaben (mittlerweile) über bloße technische Umsetzungen hinausgehen und an diejenigen der ARC anknüpfen, wobei sich der Umfang der Prüfung nach der Bedeutung des Standards richten soll, vgl. Punkt 4 des working arrangement. Die Ressourcen der EFRAG zur Durchführung ihrer Aufgaben sind dabei begrenzt. Insoweit wird im Bericht darauf eingegangen, dass eine Erweiterung der EFRAG als ein eigenständiger europäischer Standardsetter die technischen, rechtlichen und praktischen Möglichkeiten dieser Organisation übersteigen würde524. Bisher zeigt sich, dass die EFRAG die Übernahmekriterien der IAS-VO immer als erfüllt ansah und die vom IASB verabschiedeten Standards insoweit von der Europäischen Union anerkannt wurden525. 2.

Einflussnahme der EU auf das IFRS-Standardsetting bzw. das IASB

Infolge der Diskussionen der EU-Finanzminister über die internationale Rechnungslegung im Rahmen der ECOFIN-Tagung am 13. 11. 2012 erteilte der damalige EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen Michel Barnier den Auftrag zur Untersuchung von Einflussnahme und Stärkung der Rolle der EU auf das IASB. Konkret sollte geklärt werden, welche Institutionen an der Entwicklung der IFRS mitwirken und die Kommunikation mit dem IASB führen, 522 523 524 525

Vgl. Working Arrangement between the European Commission and EFRAG, S. 1f. Erhältlich auf https://www.efrag.org/About/Legal (letzter Zugriff am 06. 11. 2019). Vgl. Europäische Kommission, Maystadt-Bericht, 2013, S. 9. Vgl. Europäische Kommission, Maystadt-Bericht, 2013, S. 8.

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wer die öffentlichen Interessen dabei schützt und wie die Struktur des Standardsettings ausgestaltet werden müsste, damit divergierende Interessen auch berücksichtigt werden526. Bereits im Jahr 2008, d. h. einige Zeit vor der Beauftragung Philippe Maystadts, erkannte das Europäische Parlament den unzureichenden institutionellen Einfluss auf das IASB im Verhältnis zu den zentral organisierten Regulierungs- und Enforcementbehörden anderer Staaten527. Die EFRAG hat daher gemeinsam mit den nationalen Standardsettern in Europa die Initiative Pro-active Accounting Activities in Europe (PAAinE) gegründet, welche eine Abstimmung der Konsultationspapiere an das IASB sicherstellen sollte, um so europäischen Belangen zu mehr Durchschlagskraft zu verhelfen528. Das Erfordernis und die derzeitige Mangelhaftigkeit einer umfassenden und öffentliche Interessen berücksichtigenden Einflussnahme der EU auf das IFRSStandardsetting konnte Maystadt belegen: Die Übernahme der IFRS war der einzige Konsens, auf den sich die Mitgliedsstaaten bezüglich der Regulierung der internationalen Rechnungslegung einigen konnten. Die Entwicklung europäischer Standards fand keine Zustimmung. Insoweit folgerichtig erlaubt die derzeitige Ausgestaltung des Endorsement Teile von Standards oder einen Standard als solchen nicht anzuerkennen (»carve-out-option«)529, nicht jedoch, einen vom IASB entwickelten Standard inhaltlich abzuändern (»carve-in-option«) oder einen alternativen Standard zu entwickeln. Es steht zu besorgen, dass die Kommission daher in Zweifelsfällen geneigt ist, einen Standard, auch wenn europäische Interessen der konkreten Gestaltung entgegenstehen, anzuerkennen, da eine Nichtregulierung des betroffenen Bereichs die schlechtere Alternative darstellen könnte. Eine »carve-in«-Lösung könnte daher den Einflussverlust auf das IFRS-Standardsetting ausgleichen, indem öffentliche Interessen in stärkerem Maße im Übernahmeverfahren berücksichtigt werden könnten. Zwar besteht insoweit die Gefahr, dass das Ziel einer harmonisierten und sogar global konvergierenden Rechnungslegung gefährdet würde. Allerdings wären die Standards unionsweit gleich. In globaler Sicht haben sich ohnehin einige Staaten, welche die IFRS übernehmen, für eine »carve-in-option« entschieden530. Darüber hinaus ist die Regulierung der Rechnungslegung in das jeweils übergeordnete, nationale volkswirtschaftliche System eingebunden, weshalb eine vollständige Konvergenz der Rechnungslegungsvorschriften in globaler 526 Vgl. Europäische Kommission, Maystadt-Bericht, 2013, S. 6. 527 Vgl. Europäisches Parlament, Bericht von Alexander Radwan über die IFRS und das IASB, 2008, S. 8. 528 Vgl. Kühne, WPg 20008, 883ff.; soweit ersichtlich scheint die Bedeutung der PPAinE nicht über das Jahr 2008 hinaus zu gehen. 529 Bisher wurde nur im Fall des IAS 39 eine Übernahme in Teilen abgelehnt. 530 Vgl. Europäische Kommission, Maystadt-Bericht, 2013, Annex 3, S. 31–34.

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Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS

Hinsicht tatsächlich nicht zu einer Vergleichbarkeit führen kann, soweit Divergenzen im ökonomischen Kontext bestehen531. Neben einer unterschiedlichen Anwendung der IFRS führen solche Unterschiede auch zu volkswirtschaftsspezifischen Rechnungslegungsfällen, für welche das IASB ohnehin nicht tätig wird, weshalb eine ergänzende Standardsetzung durch nationale Gremien erfolgen muss532. 3.

Empfehlungen Maystadts

Als Schlussfolgerung seines Berichts hat Maystadt drei verschiedene Wege vorgeschlagen, um den staatlichen Einfluss von europäischer Seite auf die IFRS und das IASB zu steigern. Zunächst schlägt er vor, die Struktur der EFRAG zu verbessern und die Beachtung öffentlicher und privater europäischer Interessen zu fördern533. Dabei soll schon der Einfluss auf das IASB im Rahmen des Due Process ausgeweitet werden. Darüber hinaus soll im Endorsement nicht nur eine umfassendere Analyse durch die EFRAG stattfinden, sondern diese die Kommission auch in die Lage versetzen, die Beachtung europäischer Interessen auf Grundlage eines Berichts der EFRAG besser kontrollieren zu können. Dazu soll die EFRAG weiterhin eine privatrechtliche Organisation bleiben und die Kommission als staatliches Gremium die notwendige demokratische Legitimation sicherstellen. Ein anderer Vorschlag liegt in der Übertragung der Befugnisse der EFRAG auf die ESMA534. Die ESMA beabsichtigte eine stärkere Einflussnahme auf das Standardsetting und sei als öffentliche Institution geeignet, öffentliche europäische Interessen, insbesondere aus marktwirtschaftlicher Sicht, zu berücksichtigen. Maystadt erkennt verschiedene Vorteile einer Einbindung der EFRAG in die ESMA, insbesondere eine Stärkung der finanziellen und personellen Ressourcen. Außerdem würde Europa somit über eine mit der US-amerikanischen SEC vergleichbaren Institution verfügen. Dennoch rät Maystadt aufgrund zu erwartender Widerstände der Kapitalmarktteilnehmer von dieser Option ab, hält allerdings unabhängig davon eine Stärkung der Rolle der ESMA im Standardsetting und Übernahmeverfahren für notwendig. Zuletzt schlägt Maystadt vor, eine weitere öffentliche europäische Institution zu schaffen, welche die Aufgaben der EFRAG übernimmt, aber im stärkeren

531 Vgl. Teil 2 Kapitel C II. 532 S. Teil 2 Kapitel C V. 4. e. für nähere Darstellung der Grenzen des internationalen Standardsetting sowie nationaler Standardsetzungsgremien (insbesondere des deutschen DRSC e.V.). 533 Vgl. Europäische Kommission, Maystadt-Bericht, 2013, S. 12ff. 534 Vgl. Europäische Kommission, Maystadt-Bericht, 2013, S. 18f.

Demokratiedefizite und Auslegung der IFRS

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Maße auf europäische öffentliche Interessen verpflichtet ist535. Diese Option vereint die Vorteile der zweiten Option mit dem Ausgleich derer Nachteile. Insbesondere könnte eine solche Institution von Marktteilnehmern anerkannt werden. Maystadt hält diesen Vorschlag allerdings aufgrund der begrenzten Budgetierung für jedenfalls nicht zeitnah realisierbar und rät deshalb selbst davon ab. 4.

Stellungnahmen zum Maystadt-Bericht

Wie zu erwarten, zog die Veröffentlichung des Maystadt-Berichts Stellungnahmen von Interessenverbänden nach sich, die insbesondere auf die praktische Bedeutung der IFRS hinwiesen und auf die von Maystadt dargelegten Probleme und Vorschläge reagierten. Besonders aufschlussreich ist die Stellungnahme der IFRS Foundation. Diese sah sich angesichts des Maystadt-Berichts veranlasst, einige Punkte zu kommentieren die ihres Erachtens klar- bzw. richtiggestellt werden sollten536. Zum Vorschlag die Rolle der EFRAG zu stärken erklärte die IFRSF, dass dies der Absicht des IASB entgegenliefe, IFRS möglichst zeitnah zu entwickeln und umzusetzen. Sie weist darauf hin, dass »other constituents around the world can meet the IASB’s comment deadlines and would not wish to see them being extended to meet a request from Europe«537. Außerdem würde ein flexibleres Endorsement-Verfahren die Gefahr von Abweichungen zwischen übernommenen und entwickelten Standards erhöhen. Die IFRSF erklärt in diesem Zusammenhang, dass die meisten Staaten die IFRS ohne Modifikationen übernehmen würden538. Die IFRSF führt weiter aus: »The IFRS Foundation does not take the view that the EU’s regulatory sovereignty in accounting was »renounced««.539 Aus diesem Statement lässt sich erkennen, dass das IFRSF weder überwiegend Interessen der EU verfolgt, noch verfahrenstechnische Anpassung allein aufgrund einer Bitte der EU vornehmen wird. Es hat die weltweite Anerkennung und Anwendung der IFRS im Blick. Insgesamt hält die IFRSF europäische Interessen durch das Endorsement-Verfahren für ausreichend berücksichtigt und ermahnt dazu, innerhalb dieses Verfahrens keine zu hohen Anforderungen an die Anerkennung der Standards zu stellen.

535 Vgl. Europäische Kommission, Maystadt-Bericht, 2013, S. 19f. 536 Vgl. IFRS Foundation, Comments on the Maystadt Report, 2013, S. 1, erhältlich auf http://ar chive.ifrs.org/Alerts/PressRelease/Documents/2013/IFRS-Foundation-response-to-Maysta dt-Report-December-2013.pdf (letzter Zugriff am 06. 11. 2019). 537 Vgl. IFRS Foundation, Comments on the Maystadt Report, 2013, S. 1. 538 Vgl. IFRS Foundation, Comments on the Maystadt Report, 2013, S. 1. 539 Vgl. IFRS Foundation, Comments on the Maystadt Report, 2013, S. 2.

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Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS

Aus deutscher Sicht hat sich das IdW in der Debatte um den Maystadt-Bericht zu Wort gemeldet. Das IdW hält die konträre Position europäischer Institutionen zu den Vorschlägen des IASB sowie die Ermangelung einer einheitlichen europäischen Position zu Rechnungslegungsfragen für ursächlich für die abnehmende Einflussnahme auf das IFRS-Standardsetting540. Es spricht sich für den Vorschlag Maystadts aus, die EFRAG zu restrukturieren. Dabei müsse die EFRAG weiterhin als privatrechtliche Organisation agieren, allerdings müssten Entscheidungen innerhalb der EFRAG zentraler und unter Berücksichtigung ökonomischer und politischer Interessen erfolgen541. Daraus würde eine massive Ausweitung der Befugnisse der EFRAG resultieren. Dies würde ihr die Möglichkeit geben, neben der rein technischen Ausgestaltung europäische wirtschaftliche und politische Interessen bei der Bewertung der zu übernehmenden IFRS zu berücksichtigen. Die Gefahr einer immanenten Erfüllung der Übernahmekriterien gemäß Art. 3 der IAS-VO durch Prüfung nur der technischen Anforderungen an die IFRS würde damit eingedämmt. 5.

EFRAG-Governance-Reform

Infolge des Draft Reports erteilte die Europäische Kommission den Auftrag an Philippe Maystadt, seine Arbeit zur Stärkung der Einflussnahme der EU auf das IFRS-Standardsetting fortzusetzen und beschloss eine Reform der EFRAG542. Damit hat sich die EU für den Vorschlag Maystadts entschieden, die Rolle der EFRAG zu stärken. Zur Umsetzung erließ das Europäische Parlament und der Rat am 03. 04. 2014 die EU-Verordnung 258/2014 zur »Auflegung eines Unionsprogramms zur Unterstützung spezieller Tätigkeiten im Bereich Rechnungslegung und Abschlussprüfung für den Zeitraum 2014–2020 […]«. Ziel dieses Unionsprogramms ist die Stärkung der Rolle der EFRAG im Standardsetzungs- sowie im EndorsementVerfahren durch Überarbeitung der Finanzierungs- und Organisationsstruktur unter stärkerer Berücksichtigung europäischer Interessen543. Überwacht wird der Prozess von der Europäischen Kommission, welche dem Europäischen Parlament und dem Rat Bewertungsberichte in regelmäßigen Abständen vorzulegen hat544. Diese Berichte sollen mit Blick auf die EFRAG insbesondere angeben, ob

540 S. IdW, Stellungnahme zum Maystadt-Bericht, 2013, S. 1. 541 S. IdW, Stellungnahme zum Maystadt-Bericht, 2013, S. 3. 542 Vgl. Europäische Kommission (2014), Press Release IP/14/110; Phillipe Maystadt ist zwischenzeitlich am 07. Dezember 2017 verstorben. 543 S. EU-VO 258/2014, Erwägungsgründe 11,12 und 17. 544 S. EU-VO 258/2014, Art. 9 Abs. 1 und 3; Nach Abs. 1 musste ein erster Bericht über die notwendigen Reformen bis zum 31. 03. 2014 vorgelegt werden. Seit dem Jahr 2015 ist ein

Demokratiedefizite und Auslegung der IFRS

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sie die Anforderungen des Art. 3 Abs. 2 der EU-VO 1606/2002 hinreichend berücksichtigt und die vom IASB entwickelten IFRS evidenzbasiert sind und unter Berücksichtigung der Vielfalt an Rechnungslegungs- und Wirtschaftsmodellen und Auffassungen in der Union den Bedürfnissen der Union gerecht werden sowie, ob die Fortschritte bei der Fortentwicklung der Organisationsstruktur der EFRAG mit den Empfehlungen des Sonderberaters Maystadt übereinstimmen545. Damit nimmt die EU nicht nur übergeordnete Unionsinteressen am Europäischen Binnenmarkt und für grenzüberschreitende Finanzierungsmöglichkeiten außerhalb des Gemeinschaftsgebiets in den Blick, sondern verweist auf die Divergenz der Rechnungslegungs- und Wirtschaftsmodelle zwischen den Mitgliedsstaaten, wie sie auch in dieser Arbeit für die Frage der Erkenntnisquellen der Normanwendung herausgearbeitet wurden. Dafür soll die EFRAG zukünftig in stärkerem Maße mit nationalen Standardsettern sowie Rechnungslegungsinstitutionen zusammenarbeiten und sich mit sämtlichen in der Union vertretenen Auffassungen vertraut machen546. Ob hierdurch tatsächlich die EFRAG im internationalen Kontext die Rolle als »Sprachrohr Europas in Sachen Rechnungslegung«547 übernehmen kann, darf bezweifelt werden. Immerhin war es auf politischer Ebene nicht möglich, einen Konsens der Mitgliedsstaaten im Bereich der Rechnungslegungsregulierung zu finden. Die EFRAG muss daher zunächst eine gemeinsame »Sprache« formulieren, um diese Aufgabe erfüllen zu können. Da die Standardsetzer auf nationaler Ebene in der Regel wie auch auf europäischer Ebene private Institutionen sind, könnte jedoch ein Konsens unter Umständen leichter und praxisorientierter zu finden sein. In einem Bericht vom 02. 07. 2014 hat die Europäische Kommission dargestellt, in welcher Form die EFRAG-Governance-Reform umgesetzt werden soll und welche Beschlüsse hierzu bereits gefasst wurden. Durch die Errichtung eines hochrangigen Ausschusses, welcher das bisherige Aufsichtsorgan der EFRAG ablöst, soll die Organisationsstruktur verbessert werden548. Das bisherige Aufsichtsorgan hat seit Oktober 2013 die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, um die notwendigen Änderungen von Organisations-, Zuständigkeits- und Fi-

545 546 547 548

jährlicher Bericht über die Tätigkeit der IFRS-Stiftung im Hinblick auf die Ausarbeitung von IFRS und von EFRAG zu erstellen. S. EU-VO 258/2014, Art. 9 Abs. 6. S. EU-VO 258/2014, Erwägungsgrund 9. S. EU-VO 258/2014, Erwägungsgrund 9. Vgl. Europäische Kommission, Fortschritte bei der Umsetzung der EFRAG-Reform, 2014, S. 4. Auf den folgenden Seiten dieses Berichts finden sich die Ziele detailliert beschrieben. Dort sind auch die Bedenken der ESA, ESMA, EBA und EIOPA beschrieben, welche sich insbesondere darauf beziehen, dass die Berücksichtigung öffentlicher Interessen hinreichend sichergestellt sein müsse.

132

Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS

nanzierungsstruktur der EFRAG anzupassen549. Damit hält die Europäische Kommission öffentliche europäische Interessen nunmehr für umfassend berücksichtigt und lobt die mittlerweile vollzogenen Änderungen550. Ferner werden jährliche Berichte der Kommission an das Parlament und den Rat gerichtet, welche die Tätigkeit der IFRSF, der EFRAG und der PIOB zusammenfassen551.

IV.

Einflussnahme und Willensbildung der EU im Rahmen des Standardsettings

Die Europäische Union bedient sich also der Rechnungslegungsnormen eines privaten Standardsetters zur Regulierung der externen Rechnungslegung mitgliedsstaatlicher Kapitalmarktunternehmen. Dabei wird nicht nur die technische Entwicklung, sondern im Ergebnis auch die Initiative zur Regulierung durch einen neuen oder Änderung bereits bestehender Standards auf ein privates Gremium übertragen. Es lässt sich festhalten, dass je komplexer die zu regelnde Materie ist, desto mehr Gestaltungsspielräume sind für die technische Entwicklung der Normen durch Fachgremien erforderlich, desto wichtiger aber auch die konkrete und differenzierte Willensbildung des demokratisch legitimierten Gesetzgebungsorgan im Rahmen der Standardsettinginitiative sowie des Standardsettingprozesses sind und desto höhere Anforderungen an Anwendung, Auslegung und Kontrolle unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen zu stellen sind552. Dies gilt umso mehr, da der Einfluss der EU im Standardsetting und damit auf die private Selbstregulierung im Bereich der Rechnungslegung in Gefahr ist. 1.

Standardinitiative

Die erste Möglichkeit einer Einflussnahme kann sich bei der Initiative zum Standardsetting ergeben. Damit ist nicht ein staatliches Initiativverfahren zu einem bereits formal konkretisierten Gesetzgebungsvorhaben wie in Art. 76 GG 549 Vgl. Europäische Kommission, Fortschritte bei der Umsetzung der EFRAG-Reform, 2014, S. 7ff. 550 Vgl. Europäische Kommission, Regulation (EU) No 258/2014 establishing a Union Programme, Bericht vom 13. 04. 2016, S. 3f. 551 Vgl. etwa Europäische Kommission, Tätigkeit der IFRS-Stiftung, der EFRAG und des PIOB im Jahr 2016, Bericht vom 23. 11. 2017 sowie Europäische Kommission, Tätigkeit der IFRSStiftung, der EFRAG und des PIOB im Jahr 2017, Bericht vom 19. 10. 2018. 552 Insoweit wird bei Engler, Private Regelsetzung, 2017, S. 149f. zur Frage der Legitimation privater Regeln treffend darauf hingewiesen, dass alle drei Elemente der Staatsgewalt die Pflicht zur Organisation solcher Regelungen trifft. Dies gilt in besonderem Maße für die richterliche Inhaltskontrolle, vgl. auch Kirchhof, Private Rechtsetzung, 1987, S. 526.

Demokratiedefizite und Auslegung der IFRS

133

gemeint, sondern ganz allgemein die Frage, wer am Willensentschluss zur Fassung eines neuen Standards einen Anteil hat. Ein Initiativrecht staatlicher oder nicht-staatlicher Organisationen für ein solches Vorhaben existiert nicht. Das IASB orientiert sich vielmehr an praktischen Gegebenheiten. Unverbindlich festgehalten wird das Standardsettingverfahren im Due Process-Handbook (DP HB)553. Die Agenda für zukünftige Schwerpunktsetzungen erfolgt aufgrund einer wenigstens 120 tägigen Frist für die Öffentlichkeit, um Eingaben beim IASB bezüglich vorrangig zu behandelnder Rechnungslegungsprobleme zu machen, DP HB 4.3–4.5. Das hieraus entwickelte Untersuchungsprogramm bildet die Grundlage für die Bewertung, zu welchem Themenkomplexen IFRS entwickelt werden sollen. In diesem Zuge können europäische öffentliche Interessen durch staatliche Institutionen oder privatrechtlich organisierte Institutionen, welche staatliche Interessen vertreten sollen, durch entsprechende Eingaben beim IASB mitgeteilt werden. Private Interessen europäischer Unternehmen werden in der Regel durch Interessenverbände postuliert. Eine vornehmliche Betrachtung der Rechnungslegungsprobleme bestimmter Gruppen ist dabei nicht vorgesehen und wird durch den Grundsatz der »full and fair consultation«554 wohl auch ausgeschlossen. Damit gibt es grundsätzlich kein qualitatives Übergewicht für Eingaben von europäischer bzw. staatlicher Seite. Es obliegt den Organen des IASB, die wesentlichen Fragestellungen für die Agenda aus den öffentlichen Eingaben auszuwählen, vgl. DP HB 4.6–4.11. Dabei werden zweckmäßigerweise diejenigen Probleme vorzugswürdig zu behandeln sein, die in Bezug auf Informationszwecke besonders dringlich zu lösen sind (qualitative Auswahl) oder die eine Auswirkung auf eine Vielzahl von Anwendern hat (quantitative Auswahl). Aufgrund der weltweiten Übernahme der IFRS als Rechnungslegungsstandards sind die europaspezifischen Problemstellungen danach nicht zwingend vorzugswürdig zu bearbeiten. Der Einfluss auf die Standardinitiative ist daher eher gering. Für den Einfluss auf die Erarbeitung des Untersuchungsprogramms gelten dieselben Grundsätze wie für die nachfolgend dargestellte Einflussnahme auf den Standardsettingprozess.

553 Vgl. IFRSF (2016), Due Process Handbook, erhältlich auf https://www.ifrs.org/-/media/feature /about-us/legal-and-governance/constitution-docs/due-process-handbook.pdf?la=en (letzter Zugriff am 06.11. 2019). 554 Vgl. IFRSF (2016), Due Process Handbook, Rn. 3.41ff.

134 2.

Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS

Standardsettingprozess

Weitere Einflussmöglichkeiten sind im Standardsettingverfahren selbst denkbar. Dabei fehlt es zumindest an einer obligatorischen Rückanknüpfung des Settings an europäische Legislativ- oder Exekutivorgane in der Gestalt, dass diese einem Vorhaben des IASB zustimmen müssten. Das Standardsetting zeichnet sich dadurch aus, dass umfassende Belange aus dem öffentlichen und privaten Sektor berücksichtigt werden sollen und demgemäß Stellungnahmen der Beteiligten vielfach gleichwertig betrachtet werden. Über die Eingaben zur Erarbeitung der Fünf-Jahres-Agenda hinaus berücksichtigt das IASB auch Stellungnahmen im Rahmen des übrigen Due Process, vgl. DP HB 4.12–4.19 sowie 6.1ff. Das Verfahren soll im Ergebnis einen Kompromiss pluralistischer Interessen schaffen. Die privaten Interessen europäischer Unternehmen bzw. ihrer Unternehmensverbände können daher selbst unmittelbar im Standardsetting geltend gemacht und durch entsprechende Lobbyarbeit Einfluss genommen werden. Öffentliche Interessen werden durch staatliche Institutionen vertreten. Im Rahmen des Untersuchungsprogramms wird die notwendige Vorarbeit für einen Standard geleistet, insbesondere Vorschläge und Empfehlungen zur Lösung des Rechnungslegungsprogramms entwickelt, vgl. DP HB 4.6ff. Neben dem IASB treten das ASAF, nationale Standardsetter, das Advisory Council sowie das Interpretations Committee als obligatorische Beteiligte auf. Die 14 Mitglieder des IASB entstammen nach dem Prinzip der geografischen Balance unterschiedlichen Regionen der Welt. Europäische Vertreter nehmen hier drei Plätze ein555. Sie sind jedoch keine staatlichen Interessenvertreter. Solche finden sich im mit zwölf nicht stimmberechtigten Mitgliedern besetzten ASAF. Europa ist hier mit drei Mitgliedern, der EFRAG, dem DRSC e.V. sowie dem französischem Standardsetzungskommittee (Autorité des normes comptables – ANC) vertreten. Breit gestreut sind staatliche und private Interessenvertretungen556 darüber hinaus im Advisory Council, welches von der Europäischen Kommission, der Japan Financial Services Agency sowie der US SEC überwacht wird. Es stellt das wichtigste Beratungsgremium des IASB dar und ihm kann insoweit ein bedeutender Einfluss im Setting zugesprochen werden. Die Struktur des IFRS IC ist vergleichbar mit derjenigen des IASB, wobei es durch den Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, die Europäische Kommission sowie die IOSC beaufsichtigt wird. Quasi nicht vertreten sind mittelständische Unternehmen, was insbesondere für Volkswirtschaften mit einem starken Mittelstand wie Deutschland zu kritisieren ist. Insoweit werden auch öffentliche Interessen solcher Staaten unterrepräsentiert. 555 Derzeit Nick Anderson, Martin Edelmann und Francoise Flores. 556 Etwa führende Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Zentralbanken, die EFRAG, die ESMA, Verbände der Investmentbranche sowie nationale Standardsetter bzw. deren Verbände.

Demokratiedefizite und Auslegung der IFRS

135

Eine Öffentlichkeitsbeteiligung folgt durch die Kommentierungsfrist von wenigstens 120 Tagen zu den Ergebnissen des Untersuchungsprogramms, d. h. den Ansichten und Lösungsansätzen des IASB zu den Rechnungslegungsproblemen. Die Eingaben werden dann nochmals eingehend ausgewertet und beraten. Eine erneute Kommentierungsfrist für die Öffentlichkeit besteht nach Veröffentlichung des Exposure Draft, welcher mit gebotener Vorsicht vergleichbar einem Gesetzentwurf in der deutschen Gesetzgebung angesehen werden kann. Ggf. wird der Exposure Draft auf Grundlage der Eingaben nochmals angepasst. Eine allgemeine Überwachung findet außerdem über die Aufsicht der IASFGovernance statt. Die Satzung der IFRSF sieht unter den (derzeit) 20 Treuhändern ein geografisches Gleichgewicht vor. Sechs Treuhänder stammen aus Europa, wobei es sich auch hierbei nicht um staatliche Interessenvertreter handelt557. Als staatliches Überwachungsorgan kann das Monitoring Board angesehen werden, in welchem die Europäische Kommission, die japanische Finanzmarktaufsicht, die US SEC, der IOSCO-Ausschuss für aufstrebende Märkte sowie der Fachausschuss von IOSCO, die brasilianische Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde sowie die südkoreanische Finanzdienstleistungskommission und das chinesische Finanzministerium vertreten sind558. Die Sicherstellung ordnungsgemäßer Konsultation im Due Process sowie der Ausübung der Überwachungsfunktion der IASF-Governance-Organe obliegt dem DPOC. Im Verhältnis zur USA mit etwa 12 % der Sitze559 in den Gremien der IFRS Foundation, kann Europa eine weitaus höhere Einflussnahme attestiert werden. Auch Finanzierungsstruktur und die Menge der Eingaben europäischer Interessenvertreter beim IASB deuten darauf hin, dass die EU tatsächlich ihre Einflussnahme intensiviert560. Hier ausgerechnet die USA als Vergleichsmaßstab heranzuziehen ist indes unglücklich, da es für diese nicht um die Implementierung eines fremden Rechnungslegungssystems geht, sondern nur um die Akzeptanz von IFRS-Abschlüssen für den US-amerikanischen Kapitalmarkt für Unternehmen aus Drittstaaten, ohne dass hierdurch die US-GAAP für amerikanische Unternehmen verdrängt würden. Außerdem sind die Verbindungen zwischen der SEC und dem IASB bereits außerhalb des Standardsettings zu suchen.

557 Die derzeitige Zusammensetzung der Trustees findet sich unter: http://www.ifrs.org/group s/trustees-of-the-ifrs-foundation/#members (letzter Zugriff am 07. 11. 2019). 558 Vgl. hierzu die Übersicht unter http://www.ifrs.org/groups/ifrs-foundation-monitoring-boa rd/#members (letzter Zugriff am 07. 11. 2019). 559 Vgl. zum Nachweis Knospe/Luckner/Kaczmarek, IRZ 2015, 357, 360f. 560 So etwa Knospe/Luckner/Kaczmarek, IRZ 2015, 357ff., nebst Nachweisen zu Finanzierungsstruktur und Analyse zur Herkunft der Stellungnahmen.

136

Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS

Die Sicherung der Finanzierungsstruktur der IFRSF durch Europa beruht letztlich allein auf dem Umstand, dass die Rezeption von Normen eines privaten Standardsetters überhaupt nur möglich erscheint, wenn die Finanzierung einerseits gesichert ist und andererseits klar ist, woher die Gelder stammen, um monetären Abhängigkeiten vorzubeugen. Letztlich mag zwar ein bedeutender europäischer Anteil am Standardsetting empirisch validierbar sein, nicht jedoch der Einfluss staatlicher Interessenvertreter. Zu Recht wird jedoch darauf hingewiesen, dass der Einfluss (auch nicht-staatlicher) europäischer Interessenvertreter dazu führen dürfte, dass mit zunehmender weltweiter Akzeptanz der Standards die Kritik am Einfluss der EU auf das Standardsetting zunimmt561. Insgesamt zeigt sich, dass staatliche Interessenvertreter Europas eine Minderheit im Due Process darstellen. Zwar weiß das IASB um die Problematik der Erfordernisse des Endorsementverfahrens und wird deshalb auf die geäußerten Interessen der Europäischen Union eingehen. Ein umfassender Einfluss kann indes nicht attestiert werden. Allenfalls Kompromisse erscheinen hier möglich. Die von Maystadt vorgeschlagene Stärkung der EFRAG562 schon im Standardsetzungsverfahren kann daher nur unvollständig dazu führen, dass europäische Interessen im Rahmen der IFRS-Rechnungslegung Zugang finden. Das Übernahmeverfahren ist mithin von maßgeblicher Bedeutung. 3.

Anpassungen im Übernahmeverfahren

Der Beschluss über die Anwendbarkeit der internationalen Rechnungslegungsstandards als Gemeinschaftsrecht obliegt der Kommission, Art. 3 Abs. 1 IASVO563. Die Kommission ist Exekutiv- und Regierungsorgan der Union mit legislativen Kompetenzen aufgrund seines Initiativmonopols für Gesetzgebungsprozesse564. Insoweit können aus dem Übernahmeverfahren nicht ohne Weiteres Erkenntnisse für die Einflussnahme des europäischen Gesetzgebers auf die IFRSRechnungslegungsvorschriften abgeleitet werden. Der legislative Willensentschluss äußert sich vielmehr in der IAS-VO, respektive den dort festgelegten Übernahmekriterien. Im Unterschied zum deutschen Gesetzgebungsverfahren schreibt Art. 17 Abs. 2 EUV ein Vorschlagsmonopol der Europäischen Kommission im Gesetzgebungsverfahren der Union vor. Dieses stark in der Kritik stehende Prinzip565 561 562 563 564

Vgl. zu dieser These Knospe/Luckner/Kaczmarek, IRZ 2015, 357, 360. Vgl. Teil 2 Kapitel C III. 3. und 5. Vgl. Teil 2 Kapitel B III. Vgl. nur Grabitz/Hilf/Nettesheim-Martenczuk (2018), Art. 17 EUV Rn. 1; Streinz-Kugelmann (2018), Art. 17 EUV Rn. 52. 565 Vgl. hierzu eingehend schon von Buttlar, Initiativrecht, 2004, S. 275ff.; von der Groeben/ Schwarze/Hatje- Schmidt/Schmitt von Sydow (2015), Art.17 EUV Rn. 87ff., welche sich selbst

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führt dazu, dass die legislative Gewalt ihren Willen bei der Gesetzgebung ohnehin nur eingeschränkt äußern kann. Die Ballung von staatlicher Gewalt bei der Kommission hat praktische Gründe. Die Europäische Kommission ist eine den gemeinsamen Interessen der Mitgliedsstaaten verpflichtete Organisation566. Innerhalb dieses – mit wenigen natürlichen Personen besetzten – Organs lassen sich Interessengegensätze der Mitgliedsstaaten einfacher auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Eine aufgrund der Heterogenität der Europäischen Gemeinschaft zu befürchtende Belastung der Gesetzgebung auf Gemeinschaftsebene könnte andernfalls zu einer Funktionsunfähigkeit der Union führen. Gerade im Bereich der internationalen Rechnungslegung mit ihrer Verstrickung zu kapitalmarktrechtlichen Fragestellungen ist aber eine zeitnahe Reaktion auf Änderungen der tatsächlichen, zu regulierenden Lebenssachverhalte erforderlich. Insoweit ist die »Übernahme durch die Kommission« zwar vor dem Hintergrund des demokratischen Prinzips nicht unproblematisch567, aber den praktischen Bedürfnissen angemessen. Dies gilt zumindest, insoweit der gesetzgeberische Wille an anderer Stelle Beachtung findet, was insoweit durch das Endorsementverfahren im Sinne der EU-Komitologie gelingen soll. Im Rahmen des Due Process können staatliche Einfluss- und Überwachungsmaßnahmen wie sich im vorherigen Kapitel gezeigt hat nur bedingt, d. h. insbesondere in personeller Minderheit und ohne Stimmrechte, also letztlich allenfalls faktisch, nicht jedoch aufgrund eines staatlichen Gewaltmonopols ausgeübt werden. Die Berücksichtigung staatlicher Interessen ist im Übernahmeverfahren deshalb umso wichtiger, damit ein Mindeststandard an demokratischer Legitimation gewährleistet wird. Es reicht hierbei nicht aus, dass die EFRAG lediglich eine technische Überprüfung der von IASB verabschiedeten IFRS vornimmt. Die Entscheidung der EU, die Funktion der EFRAG zu stärken und diese zu verpflichten, im Übernahmeverfahren neben technischen auch wirtschaftliche und politische Aspekte zu berücksichtigen568, ist daher positiv zu bewerten. Die staatliche Einflussnahme ist dann durch die Möglichkeit, einen Standard aufgrund entgegenstehender öffentlicher Interessen nicht zu übernehmen, auf einer auch rechtspraktisch durchsetzbaren Grundlage möglich. Ob der Staat hierdurch tatsächlich das Heft wieder in der Hand hat, muss durch eine ergänzende Betrachtung der Anwendung der IFRS im deutschen und europäischen Rechtsraum unter Beachtung der faktischen Bindungswirkung der gegen ein Initiativrecht anderer Organe aussprechen; Schwarze/Becker/Hatje/Schoo-Nemitz (2019), Art. 17 EUV Rn. 46ff. 566 Diesen Aspekt zur Frage der Legitimität des Vorschlagmonopols hervorhebend Grabitz/ Hilf/Nettesheim-Martenczuk (2018), Art. 17 EUV, Rn. 51. 567 Vgl. hierzu Teil 2 Kapitel B III. 568 S. Teil 2 Kapitel C III. 3. und 5.

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Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS

London-IFRS hinterfragt werden. Als London-IFRS werden insoweit die vom IASB verabschiedeten Verlautbarungen in ihrer Gesamtheit verstanden, unabhängig davon, ob diese bereits im Wege des Übernahmeverfahrens als rechtlich bindendes europäisches Recht angesehen werden können569. a. Bindungswirkung der EU-IFRS Ungeachtet etwaiger Kritik sind die von der Europäischen Kommission übernommenen IFRS unmittelbar bindendes Recht für die Mitgliedsstaaten. Der europäische Gesetzgeber hat sich zur Rechtsetzung des Mittels einer Verordnung bedient. Die Übernahme als solche wird dabei derzeit durch die Verordnung EG/ 1126/2008 (IFRS-Übernahme-Verordnung 2008) vollzogen. Diese hat die Verordnung EG/1725/2003 abgelöst und wird durch Änderungsverordnung bei neuen Übernahmen entsprechend angepasst. Sie bindet die Mitgliedsstaaten und stellt für diese anzuwendendes Recht dar, ohne dass es einer Umsetzung in nationales Recht bedarf, Art. 288 Abs. 2 AEUV. Mit abgeschlossenem Übernahmeverfahren durch die EU-Kommission wirkt die Bindungswirkung der Verordnung auf sämtlichen übernommenen Standards fort. b. Bedeutung der »not endorsed« IFRS für die Auslegung Schwieriger ist die Frage zu beantworten, welche faktische Wirkung die von der Kommission noch nicht im Rahmen des formellen Übernahmeverfahrens anerkannten IFRS haben. Aus rechtsdogmatischer Sicht stellen erst die EU-IFRS, nicht jedoch die London-IFRS unmittelbar geltendes Recht dar. Der europäische Gesetzgeber hat keine dynamische Verweisung auf die London-IFRS vorgenommen, sondern bewusst das Übernahmeverfahren für jede einzelne Verlautbarung gefordert. Es darf daher kein Zweifel bestehen, dass beschlossene, aber nicht übernommene IFRS jedenfalls keine unmittelbare Rechtskraft gegenüber den mitgliedsstaatlichen Unternehmen entfalten. Die nach IAS 1.16 geforderte Erklärung, dass der Abschluss mit sämtlichen anzuwendenden IFRS übereinstimmt führt nicht zu einer zwingenden Anwendung der not endorsed IFRS, da gerade nur die EU-IFRS anzuwenden sind und andernfalls das gesamte Übernahmeverfahren als Mindeststandard an rechtsstaatlicher Rückanknüpfung zwecklos wäre570. Aus rechtspraktischer Sicht wäre es aber denkbar, solche Standards im Rahmen der Auslegung und Lückenschließung der EU-IFRS bereits vor der förmlichen Übernahme zu berücksichtigen. Ziel der IFRS-Bilanzierung im europäi569 Ausführlicher ist die Trennung von London- und EU-IFRS vor dem Hintergrund einer »Normdivergenz« in Teil 2 Kapitel C V. 6. dargestellt. 570 So auch zutreffend Buchheim/Gröner/Kühne, BB 2004, 1783, 1787; Wojcik, IAS/IFRS, 2008, S. 127; Heuser/Theile/Dörschell (2012), IFRS-Handbuch, S. 29.

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schen Rechtsraum ist die internationale Wettbewerbsfähigkeit, welche die Möglichkeit der Kapitalaufnahme an ausländischen, etwa amerikanischen Finanzmärkten erforderlich macht571. Sicherlich steht es europäischen Konzernen frei, der Problematik zu begegnen, indem sie neben der staatlich verpflichtenden Rechnungslegung nach den EU-IFRS zusätzlich nach den London-IFRS oder in Bezug auf den amerikanischen Finanzmarkt gar nach US-GAAP bilanzieren. Dies würde aber mit hohen Ausgaben, Aufbau personeller Expertise und ggf. erweiterten Offenlegungen einhergehen, so dass das Ziel der Wettbewerbsfähigkeit dennoch gefährdet sein könnte. Amerikanische Börsen erkennen die Verlautbarungen des IASB an, nicht jedoch die EU-IFRS als solche572. Je größer die Abweichungen daher sind, desto eher wird die EU ihrer Zielsetzung nicht gerecht. Das mag etwa das Beispiel des Endorsement-Prozesses von IFRS 8 zeigen. Dieser betrifft die Segmentberichterstattung und sollte IAS 14 für Geschäftsjahre, die nach dem 31. 12. 2008 begonnen hatten, ablösen. Die Verabschiedung durch das IASB hierzu erfolgt am 30. 11. 2006, das Endorsement erst am 21. 11. 2007573. Diese time-lag-Problematik ist notwendige Folge der erforderlichen Prüfung einer Verlautbarung durch die europäischen Gremien. Durch die Besorgnis der mangelnden Einflussnahme der EU auf das Standardsetting dürften die Prüfungs- und Übernahmeprozesse künftig auch mehr Zeit erfordern574. Es sind daher unterschiedliche Lösungsansätze diskutiert worden, wie einer solchen Problematik angemessen begegnet werden kann. Eine verpflichtende vorzeitige Anwendung muss nach bisherigen Überlegungen jedenfalls ausscheiden. Auch eine strenge Auslegung auf Grundlage des noch nicht übernommenen Standards würde Sinn und Zweck des Endorsement konterkarieren575. Befürwortet wird etwa die freiwillige Anwendung eines noch nicht übernommenen Standards576. Dabei wird verkannt, dass auch die damit eingeräumte 571 Insoweit wurde der »Anstoß« für die Einbindung internationaler Rechnungslegungsnormen in den europäischen Mitgliedsstaaten dadurch gegeben, dass Unternehmen wie die DaimlerBenz AG ein Listing an der US-amerikanischen Börse anstrebte und hierzu Überleitungsrechnungen auf die US-GAAP erforderlich wurde, die nationalen und europäischen Rechnungslegungsnormen also nicht mehr ausreichend waren, vgl. Zwirner, IFRS-Bilanzierungspraxis, 2007, S. 146ff. 572 Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, 2017, S. 82; daraus wird auch ein gewisses Monopol der Normsetzung in der internationalen Rechnungslegung durch das IASB gegenüber staatlichen Institutionen offenkundig. 573 Vgl. Buchheim/Knorr/Schmidt, KoR 2008, 373, 374. 574 Vgl. Bohl/Wiechmann, IFRS für Juristen, 2010, Rn. 104. 575 So auch Buchheim/Knorr/Schmidt, KoR 2008, 373, 374. 576 Hierzu und zur Unklarheit der Rechtslage auch für die freiwillige Anwendung allgemein vgl. etwa Pellens/Jödicke/Jödicke, BB 2007, 2503ff.; für Quartalsabschlüsse Kajüter/Barth, BB 2007, 428, 431; dagegen Buchheim/Gröner/Kühne, BB 2004, 1783 1786, sowie Oversberg, DB 2007, 1597, 1601.

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willkürliche Anwendung letztlich nicht zu einer Vergleichbarkeit der Abschlüsse beiträgt. Zumindest eine von den Erfordernissen der EU-IFRS befreiende, abweichende freiwillige Anwendung muss ausscheiden. Es handelt sich bei den EUIFRS um zwingendes, öffentliches Recht, welches auch öffentliche Interessen schützen soll. Es unterliegt daher nicht der Disposition der Unternehmen. Für willkürliche Anwendungsentscheidungen ist kein Platz. Die Adressaten von Jahresabschlüssen müssen sich darauf verlassen können, dass die gesetzlichen Vorschriften beachtet worden sind. Eine Berücksichtigung von Standards zur von den endorsed IFRS abweichenden Bilanzierung scheidet insoweit aus577. Eine Berücksichtigung kommt jedoch in Betracht, soweit die EU-IFRS, auch in Verbindung mit den übrigen übernommenen Verlautbarungen, für ein konkretes Problem einer Auslegung auf Basis der noch nicht übernommenen IFRS nicht entgegenstehen. Da die Standardsetzungsinitiative des IASB auch regelmäßig von praktisch auftretenden, ungelösten Bilanzierungsfragen ausgeht, dürfte dieser Fall nicht selten sein. Die praktischen Erfordernisse sowie der Umstand, dass bislang ohnehin jede Verlautbarung übernommen wurde, legt eine solche Auslegung nahe. Um jedoch eine gewisse Rückanknüpfung an die staatliche Kontrolle gewährleisten zu können, muss vornehmlich auf Erkenntnisse eines ggf. bereits laufenden Endorsementverfahrens zurückgegriffen werden. Soweit hier etwa bereits ersichtlich ist, dass eine Übernahme wegen eines Verstoßes gegen die Übernahmekriterien scheitern wird578, muss ein Rückgriff auf diesen Standard ausscheiden. Dazu sollte im laufenden Endorsementverfahren bereits möglichst öffentlichkeitswirksam publiziert werden. Der Auffassung von Buchheim/Knorr/Schmidt, welche selbst bei einer Widersprüchlichkeit des neuen Standards zu den bisherigen EU-IFRS eine Anwendung für möglich halten, wenn der Widerspruch nicht zu schwer wiegt579, kann nicht gefolgt werden. Die schwimmende Grenze, wann ein Widerspruch schwer wiegen soll, ließe eine methodisch nachvollziehbare Bilanzierungsentscheidung nicht zu. Nur über den übernommenen IAS 1.19 kann ausnahmsweise ein widersprüchlicher neuer Standard zur Lückenschließung herangezogen werden, wenn das IASB den alten Standard als irreführend in diesem Sinne klassifiziert580. Die Argumentationskette ließe sich dann daran anknüpfen, dass aus (EU-)IAS 1.19 die Nichtanwendbarkeit des Standards wegen irreführender Darstellung folgt. Hierdurch entsteht für die konkrete Bilanzierungsfrage eine Regelungslücke, welche über die allgemeinen Prinzipien der Lückenschließung, 577 Ablehnend zur vorzeitigen, freiwilligen Anwendung auch Heuser/Theile/Dörschell (2012), IFRS-Handbuch, Rn. 67; Oversberg, DB 2007, 1597, 1601. 578 Zur Frage, ob ein Verstoß gegen zwingende Übernahmekriterien durch die Verlautbarungen des IASB überhaupt denkbar ist vgl. Teil 2 Kapitel C IV. 3. d. sowie C V. 4. e. dd. (2). 579 Vgl. Buchheim/Knorr/Schmidt, KoR 2008, 373, 376f. 580 So etwa Heuser/Theile/Dörschell (2012), IFRS-Handbuch, S. 32.

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bei welcher auch die not endorsed IFRS eine Rolle spielen können, zu schließen ist. Ein Widerspruch zu den EU-IFRS besteht dann gerade nicht, da für die konkrete Bilanzierungsentscheidung wegen (EU-)IAS 1.19 kein verbindlich anzuwendender EU-Standard existiert. Freilich muss auch hier geprüft werden, ob im Übrigen eine Kohärenz besteht. Letztlich ist nicht ausgeschlossen, dass ein Standard rückwirkend angewandt werden soll581, was den Anwender unter erhebliche Rechtsunsicherheit stellt. Sollte sich ein solcher Fall abzeichnen ist dringend anzuraten, sich an den not endorsed IFRS zu orientieren. c. IAS-VO-Kommentare582 Für die Bedeutung der not endorsed IFRS hat die Europäische Kommission selbst Kommentare in Bezug auf die IAS-VO veröffentlicht, welche zu grundlegenden Auslegungsfragen Stellung beziehen. Die aus dem Jahr 2003 stammende Kommentierung ist trotz verbleibender Unklarheiten und fortschreitender praktischer Entwicklungen und Bedürfnisse die einzige umfassende Stellungnahme der Kommission. Da es sich nicht um einen Rechtsakt handelt, fehlt es auch an einer unmittelbaren Verbindlichkeit dieser Stellungnahme. Die Kommission will noch nicht freigegebene und sogar abgelehnte Standards als »Anhaltspunkte« verstanden wissen, soweit diese mit bereits übernommenen Standards kohärent sind583. Für abgelehnte Standards ist dies nicht nachvollziehbar. Die Ablehnung kann nur deshalb erfolgt sein, weil die Übernahmekriterien nicht erfüllt sind und damit der Standard im europäischen System gerade ganzheitlich nicht als kohärent angesehen werden kann. Einen solchen Standard im Wege der Auslegung zu berücksichtigen öffnete weite Räume für noch vertretbare Anwendungen des Regelungsgehalts dieser Standards auf europäischer Ebene und damit eine faktische Aushöhlung der rechtsstaatlichen Kompetenzen der EU zugunsten eines privaten Standardsetters. d. Immanente Erfüllung der Übernahmevoraussetzungen Ob die in der IAS-VO zugrunde gelegten Kriterien zur Übernahme der IFRS in europäisches Sekundärrecht zur Sicherung normativer Legitimation des europäischen Bilanzrechts geeignet sind, muss bezweifelt werden. Art. 3 Abs. 2 der IAS-VO ist relativ unbestimmt und normiert vornehmlich diejenigen Anforde581 Vgl. für eine (ältere) Übersicht etwa Pellens/Jödicke/Jödicke, BB 2007, 2503, 2505. 582 Kommentare zu bestimmten Artikeln der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Vierten Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 sowie zur Siebenten Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom 13. Juni 1983 über Rechnungslegung. 583 Vgl. Europäische Kommission (2003), IAS-VO-Kommentare, S. 4f.

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rungen an Rechnungslegungsvorschriften, welchen nach dem Framework auch das IASB bei der Entwicklung der Standards zu berücksichtigen hat584. Dies lässt auf eine immanente Erfüllung der Übernahmevoraussetzung aufgrund vergleichbarer Interessenlage schließen. Da es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt, müssen diese indes im europäischen Kontext nicht gleichermaßen dem Verständnis des IASB ausgelegt werden. Vielmehr zeigt sich hierin das Zusammenspiel demokratischer Legitimation und staatlicher Gewaltenteilung. Die staatlichen Enforcementeinrichtungen und Letztentscheidungsorgane, denen die Auslegung der IFRS obliegt, müssen bei Anwendung der europäischen Rechnungslegungsstandards den normativen Inhalt der Übernahmevoraussetzungen vor dem Hintergrund europäischer Interessen und des Willens des europäischen Gesetzgebers bestimmen. Insoweit müssen staatliche Einrichtungen die Übernahmevoraussetzungen im unionalen Kontext verstehen, so dass die Anforderungen des Art. 3 Abs. 2 der IAS-VO nicht zwingend erfüllt sein müssen585. Auf derlei Basis können die übernommenen Standards letztlich übernahmekonform ausgelegt werden. Andernfalls könnte die Europäische Union ihrem ursprünglichen Ziel, einer von den US-GAAP unabhängigen europäischen Rechnungslegung auch nicht zwingend gerecht werden. Dies gilt umso mehr, je länger das IASB am Normwalk Agreement mit der SEC festhält586. Auf Grundlage dieser Vereinbarung sollen die Rechnungslegungssysteme der IFRS und US-GAAP einander angenähert werden587. Auch das zwischenzeitlich hinsichtlich bilateraler Vereinbarungen in den Vordergrund gerückte Memorandum of Understanding zwischen der IFRSF und dem ASAF vom 08. April 2013 führt zu Abstimmungsprozessen mit weiteren Staaten, wodurch der Einfluss der EU an Gewicht verliert588. Wünschenswert wäre, dass die Europäische Kommission und die EFRAG die Bedeutung der Übernahmekriterien deutlicher hervorheben und derzeit bestehende, systema584 Das gemäß Art. 3 Abs. 2 IAS-VO i. V. m. Art. 2 Abs. 3 Richtlinie 78/660/EWG sowie Art. 16 Abs. 3 Richtlinie 83/349/EWG True and Fair View-Prinzip ist in IAS 1.15ff. enthalten und bildet eine Grundlage angelsächsisches Rechnungslegungstradition. Die Kriterien der Verständlichkeit, Erheblichkeit, Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit finden sich im F.24F.42. Lediglich die »europäischen öffentlichen Interessen« berücksichtigt das IASB nicht. 585 Hierzu im weiteren Kontext noch ausführlich Teil 2 Kapitel C V. 4. e. dd. (2). 586 Vgl. MüKo/Bilanzrecht-Watrin (2014), Einführung in die Rechnungslegung nach IFRS, Kapitel A, Rn. 11–14, auch mit einer Auflistung zu wesentlichen Ergebnissen des Konvergenzprojekts. 587 Das hat für am US-amerikanischen Kapitalmarkt gelistete, europäische Konzerne den Vorteil, dass eine Überleitungsrechnung nicht mehr erforderlich ist. Dass es immer noch erhebliche Unterschiede gibt zeigt sich etwa in der Rede des Chief Accountant der SEC James Schnurr anlässlich der 34. jährlichen SEC and Financial Reporting Institute Conference, erhältlich auf: https://www.sec.gov/news/speech/remarks-34th-sec-financial-reporting-inst itute-conference.html (letzter Zugriff am 06. 11. 2019). 588 Vgl. Driesch (2016), in: Beck’sches IFRS-Handbuch, § 1 Rn. 3.

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tische Defizite der endorsed IFRS aufheben. Gemeint ist hier auch die Übernahme von IAS 1.16, nach dem ein IFRS-konformer Abschluss sämtlichen IFRS entsprechen muss, was mitunter dergestalt missverstanden werden kann, dass hieraus ein Übernahmezwang hergeleitet werden müsste589. 4.

Schlussfolgerungen

Die mangelnde Einflussnahme europäischer Institutionen wie sie bereits seit längerer Zeit kritisiert und zuletzt von Philippe Maystadt nachgewiesen werden konnte, setzt sich fort. Es muss besorgt werden, dass öffentliche Interessen im Bilanzrecht mangels staatlicher Durchsetzungsfähigkeit in zu geringem Maße berücksichtigt werden. Der Wille zum Standardsetting für bestimmte Rechnungslegungsprobleme geht nicht von staatlicher Seite aus. Die Beteiligung von legislativen Gewalten ist minimal. Auch im Standardsettingprozess sind derart viele Akteure beteiligt, dass eine umfassende Einflussnahme des Europäischen Gesetzgebers nicht möglich ist. Das liegt zuvörderst daran, dass das IASB seine Aufgabe nicht in der europäischen Interessenvertretung, sondern der Entwicklung weltweit akzeptierter und vor dem Hintergrund eines Informationszwecks der Rechnungslegung hochwertiger Standards sieht. Da es sich um eine privatrechtlich gestaltete Institution handelt, darf diese Sichtweise auch nicht verwundern. Soweit sich die EU mit der Rezeption solcher Vorschriften aus dem Bereich der privaten Selbstregulierung begnügt, muss sie sich des damit einhergehenden geringen Niveaus demokratischer Legitimation seiner Regulierungstätigkeit bewusst sein. Abhilfe kann hier durch das Übernahmeverfahren geschaffen werden, welche die IFRS überhaupt erst zu rechtsverbindlichen Normen erhebt. Empirische Beobachtungen zeigen aber, dass bislang nahezu sämtliche IFRS ohne Einschränkungen übernommen wurden und die Kontrolle durch die EFRAG personellen und sachlichen Einschränkungen unterliegt. Es bleibt zu hoffen, dass die EFRAG-Governance-Reform hierbei einen Ausgleich schaffen kann. Es ist zu begrüßen, dass die EFRAG insoweit zukünftig nicht nur die technischen Anforderungen an die IFRS überprüfen, sondern zusätzlich europäische öffentliche Interessen einbeziehen soll und durch die gutachterliche Tätigkeit auch die Kommission in die Lage versetzt, die Standards prüfen zu können. Damit dies gelingt sollten jedoch weitere Restriktionen im Übernahmeverfahren abgebaut werden. Zunächst muss die EFRAG über die finanziellen und personellen Kapazitäten verfügen, die Standards tatsächlich

589 So etwa Schildbach, Der Schweizer Treuhänder 2004, 159, 165; a. A. in Teil 2 Kapitel C IV. 3. b. dieser Arbeit.

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eingängig und dennoch zeitnah zu überprüfen590. Dazu wäre es auch erforderlich, die Übernahmekriterien mit materiellem Norminhalt zu füllen, entweder durch den Gesetzgeber oder durch gerichtliche Entscheidungen. Außerdem dürfte die carve-out-Lösung im Zweifel einer Ablehnung der Übernahme entgegenstehen. Hier wäre eine carve-in-Lösung zu bevorzugen, damit ein Standard in angepasster Form übernommen werden kann. Die Bedeutung des Übernahmeverfahrens tritt im Übrigen in den Hintergrund, da praktische Bedürfnisse sowie die IAS-VO-Kommentare der Kommission dafürsprechen, bereits noch nicht übernommene Standards anzuwenden bzw. im Rahmen der Auslegung und Lückenschließung zu berücksichtigen. Es darf bezweifelt werden, ob die Übernahmekriterien der IAS-VO, welche Voraussetzung für ein rechtmäßiges Komitologieverfahren aus staatstheoretischer Sicht sind, zur hinreichenden staatlichen Kontrolle und Berücksichtigung europäischer Interessen führen können, da sich bei ergebnisorientierter Auslegung durchaus ein weiter Spielraum ergibt, um deren Erfüllung annehmen zu können591. Letztlich lässt sich mit einigem Gewicht die derzeitige Situation der Übernahme von Rechnungslegungsstandards eines privaten Standardsetters aufgrund erheblicher demokratiedefizitärer Umstände kritisieren. Die praktische Bedeutung der IFRS und die Versuche der EU, die Defizite auf Kompromissbasis auszugleichen, zeigen gleichwohl, dass für Unternehmen rechtspraktisch die IFRS – und zwar teilweise bereits die London-IFRS – verbindlich sind. Etwaigen Legitimationsdefiziten kann indes dadurch begegnet werden, dass eine rechtsund bilanzwissenschaftlich verständige Auslegung und Lückenschließung diejenigen Interessen beachtet, deren Berücksichtigung der Europäische Gesetzgeber nicht sicherstellen kann.

V.

Auslegungsmethodik

1.

Die »wirtschaftliche Betrachtungsweise« im Rahmen der Auslegung

Die bisherigen Ausführungen zur Auslegung und Anwendung von Rechtsnormen haben gezeigt, dass es sich um eine juristische Methodik handelt. Auch Bilanzierungsfragen sind Rechtsfragen, welche im Grundsatz den allgemeinen Prinzipien der Gesetzesauslegung folgen592. Zwar können Überlegungen aus 590 Als Budget der EFRAG für die Jahre 2017 bis 2020 werde etwa 14 Mio. € bereitgestellt, vgl. Pressemitteilung 90/17 vom 27. 2. 2017 des Rates der Europäischen Union. 591 Dazu ausführlicher Teil 2 Kapitel C V. 4. e. dd. (2). 592 Diesen Aspekt speziell für Bilanzvorschriften hervorhebend etwa Dettmeier/Pöschke, JuS 2007, 313; Großfeld, NJW 1986, 955; Hennrichs/Pöschke, Der Konzern 2009, 532.

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anderen Wissenschaftsbereichen im Rahmen teleologischer Argumente ggf. fruchtbar gemacht werden. Insgesamt ist der Rechtsanwender aber gehalten, die im Gesetz zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertung zu beachten, mag diese auch mit dem eigenen bilanztheoretischen Verständnis nicht übereinstimmen.. Es ist Aufgabe der Politik und der Legislative, auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und praktischer Erfahrungen zu normieren. Für den Bereich der Rechnungslegung zeigt sich aber auch, dass die Entwicklung der Rechnungslegungsnormen in besonderem Maße von praktischen Entwicklungen geprägt wurde. Es erscheint daher naheliegend, Einstrahlungen wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse besondere Beachtung in Bezug auf teleologische Argumente zu schenken. Die sog. wirtschaftliche Betrachtungsweise ist ein etwa dem Steuerrecht entlehntes Prinzip, wonach steuerliche Rechtsnormen entsprechend dem normativen wirtschaftlichen Sinngehalt auszulegen sind. Sie zielt darauf ab, zum Zwecke der Besteuerung ggf. abweichend von der zivilrechtlichen Erscheinungsform den wirtschaftlichen Gehalt eines Sachverhalts zu erfassen593. Dabei soll einerseits die Sachverhaltswürdigung als solche aus wirtschaftlicher Sicht vollzogen werden, andererseit eine Methode zur wirtschaftlichen Auslegung der Normmerkmale bereitgestellt werden594. Ein Beispiel hierfür ist die von der zivilrechtlichen Eigentumslage unabhängige wirtschaftliche Zuordnung von Wirtschaftsgütern im Rahmen von Leasingverhältnissen. Als Frage nach dem Sinngehalt einer Norm spielt die wirtschaftliche Betrachtungsweise indes nicht nur im Steuerrecht eine Rolle, sondern letztlich in allen Rechtsgebieten, die Einfluss auf den Wirtschaftsverkehr nehmen sollen. Hierzu zählen auch in besonderer Weise Rechnungslegungsvorschriften. Der Einfluss wirtschaftspraktischer und wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse auf die Auslegung lässt sich jedoch nicht lediglich als Spielart teleologischer Argumentation auffassen. Auch diejuristische Hermeneutik nach Savigny sah die Aufgabe der Interpretation in der »Reconstruction des dem Gesetze innewohnenden Gedankens«, d. h. der Ermittlung der gesetzgeberischen Intention und dem Übergang ins Leben unter Beachtung der tatsächlichen, realen Verhältnisse. Der Gedanke und die Realität begründen somit das Ergebnis der Interpretation. Im Rahmen realer Verhältnisse lassen sich wirtschaftliche Gesichtspunkte – und zwar in Übereinstimmung mit Savigny sowohl praktischer wie auch wissenschaftlicher Art – geltend machen. Da die realen Verhältnisse auch die sozioökonomischen Bedingungen der jeweiligen Volkswirtschaft beinhalten, lässt sich 593 Vgl. Blümich-Ratschow (2019), EStG, § 2 Rn. 50 mit Hinweis auf die gesetzliche Verankerung in §§ 39–42 AO; s. auch BT-Drs. VI/1982, 113 und zuletzt etwa FG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 08. 01. 2019, AZ: 6 K 6242/17. 594 Vgl. Blümich-Ratschow (2019), EStG, § 2 Rn. 50; zur Zulässigkeit; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit BVerfG 1 BvR 883/86 v. 10.4.87.

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im Rahmen der Interpretation internationaler Rechnungslegungsvorschriften eine sozioökonomische Betrachtungsweise anwenden. Die Frage nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise bei der Auslegung von Rechnungslegungsvorschriften ist insbesondere im Rahmen der Anwendung der EG-Bilanzrichtlinien bedeutsam geworden, resultiert aber auch auf nationaler Ebene aus §§ 246 Abs. 1 S. 2 HGB, 39 AO. Bereits in einer frühen Entscheidung zur 4. EG-Bilanzrichtlinie auf Vorlage des BGH hat sich der EuGH entgegen des Schlussantrages des Generalanwalts für wirtschaftspraktische und nicht für eine zivilrechtliche Betrachtungsweise entschieden595. Nachfolgende Entwicklungen nicht nur der Rechtsprechung, sondern auch bei Änderungen der EG-Bilanzrichtlinien zeigen eine zunehmende Verschiebung hin zu einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise596. Eine ohne wirtschaftliche Kalküle ergehende Entscheidung zum Bilanzrecht durch Rechtskundige wird daher zunehmend den Anforderungen insbesondere europäischen Bilanzrechts nicht gerecht. Die Querschnittsmaterie Bilanzrecht wird zunehmend juristischen wie auch wirtschaftlichen Sachverstand erfordern597. Eine zu Ende gedachte Anwendung und Auslegung nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise öffnet das Tor weit für Einstrahlungen verschiedener Regulierungsebenen ineinander sowie die Angleichung verschiedener Rechnungslegungssysteme, soweit sozioökonomische Grundbedingungen vergleichbar sind. Von Relevanz wird dies nicht nur für die IFRS-Auslegung sein, sondern auch für die Frage, inwieweit die internationalen Standards auch auf die übrige europäische Rechnungslegung und auch nationale Rechnungslegungsnormen und -systeme anzuwenden bzw. zum Erkenntnisgewinn innerhalb der Anwendung heranzuziehen sind. Außerdem vermögen die Probleme des EuGHs bei der Berücksichtigung juristischer und ökonomischer Erkenntnisse zu einer Verdrängung seiner Auslegungskompetenz zugunsten des IASB bzw. weiterer privater Organisationen mit faktischer Interpretationskompetenz598 führen. Grundlegend ist es auch Element teleologischer Auslegung und damit des allgemeinen juristisch-methodischen Instrumentariums, Rechtsnormen mit der zu regelnden Materie zu verknüpfen. Die rechtlichen Grundlagen dürfen jedenfalls nicht zugunsten wirtschaftlicher Betrachtungsweise vernachlässigt werden, sondern die wirtschaftliche Betrachtungsweise muss auf Grundlage 595 Vgl. Herzig, DB 1996, 1401. 596 So auch Dziadkowski, IStR 2014, 461, 466; insbesondere in Bezug auf die EU-Bilanzrichtlinie aus dem Jahr 2013: Merkt/Probst/Fink, Rechnungslegung nach HGB und IFRS, 2017, Rn. 32. 597 Vgl. Crezelius, Bilanzsteuerrecht zwischen rechtlicher und wirtschaftlicher Betrachtungsweise, in: Fischer/Mellinghoff [Hrsg.], FS-List, 2015, S. 55ff. weist ebenso darauf hin, dass zunehmend Experten mit rechts- und wirtschaftswissenschaftlicher Ausbildung erforderlich werden. 598 Vgl. hierzu Teil 2 Kapitel C V. 4. f.

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rechtlicher Strukturen berücksichtigt werden599. Nichtsdestoweniger ist im besonderen Maße eine Lösung von gesetztem Recht möglich. Deutlich wird dies am sog. Prinzip substance over form, nach dem nicht die rechtliche Form, sondern der tatsächliche Gehalt und die wirtschaftliche Realität von Geschäftsvorfällen über deren Bilanzierung entscheidet600. Zwar sehen das Framework sowie IAS 1.13ff. und IAS 8.10ff. den Vorrang von Einzelregelungen über das True and Fair View-Prinzip vor. Hierbei geht es aber um die Anknüpfung von Rechtsfolgen an bestimmte Geschäftsvorfälle. Für die Einordnung der Geschäftsvorfälle zu einem gesetzlichen Tatbestand ist die Berücksichtigung des wirtschaftlichen Gehalts vor der rechtlichen Form zwingend601. Mithin betreffen die nachfolgenden Ausführungen zu wirtschaftlichen Erkenntnisquellen nicht nur die Frage nach der Auslegung eines gesetzlichen Tatbestandes, sondern auch die nach der Bewertung eines Lebenssachverhalts, um diesen unter einen bestimmten Tatbestand subsumieren zu können. Zutreffend lässt sich die im Bilanzrecht bedeutsame wirtschaftliche Betrachtungsweise mit Beisse als »Spielart der teleologischen Interpretation«602 auffassen. 2.

Das System der IFRS

a. Aus Sicht des IASB / IFRS IC Die IFRS regeln jeweils einzelne Themenkomplexe zu bilanzierenden Geschäftsvorfällen. Ein solches einzelfallorientiertes Regelungssystem findet sich typischerweise im anglo-amerikanischen Rechtskreis. Man spricht bei der USGAAP-Rechnungslegung von einem »rule-based accounting«603. In der wissenschaftlichen Debatte ist umstritten, ob ein rule-based oder principle-based accounting zweckmäßiger ist und wie die unterschiedlichen Rechnungslegungsstandards, insbesondere IFRS und US-GAAP einzuordnen sind. Eine umfängliche Analyse dieser Problematik ist aber nicht Gegenstand dieser Arbeit604. Trotz der Einzelfallorientierung und Parallelen zum anglo-amerikanischen System des case-law wird den IFRS-Rechnungslegungsstandards eine Prinzipi599 Vgl. Kirchhof (2017), § 5 EStG Rn. 36; Blümich-Krumm (2018), § 5 EStG Rn. 209, der mit Recht darauf hinweist, dass es um eine wirtschaftliche, nicht betriebswirtschaftliche Sichtweise geht; Hoffmann, StuB 2013, 557; Arbeitskreis Bilanzrecht Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2008, 152, 155f. 600 Vgl. Lüdenbach, PiR 2005, 95ff. 601 Dies herausarbeitend: Lüdenbach, PiR 2005, 95ff.; Lüdenbach /Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 2018, § 1 Rn. 80. 602 Vgl. Beisse, StuW 1984, 1, 12. 603 Hierzu grundlegend: Benston/Bromwich/Wagenhofer, Abacus 2006, 165ff. 604 Hierzu sei etwa auf Agoglia/Doupnik/Tsakumis, The Accounting Review 2011, 747 ff; Benston/Bromwich/Wagenhofer, Abacus 2006, 165ff.; Nobes, Accounting Horizons 2005, 25ff. und Wüstemann/Wüstemann, Abacus 2010, 1ff. verwiesen.

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enorientierung zugeschrieben605. Diese Sichtweise eines »principle-based accounting« entspricht auch dem Selbstverständnis des IASB606. Unter Zugrundelegung der US-GAAP als unstreitig regelbasiertes Standardwerk mit seinen etwa 25.000 Seiten im Jahr 2010 und den IFRS mit knapp 2.700 Seiten im selben Jahr verwundert es nicht, dass gerade die US-amerikanische Literatur allein aufgrund des Umfangs der Standards diese Auffassung ohne weiteres unterstützt607. Eine Differenzierung zwischen beiden Systemen allein aufgrund des Umfangs wäre nach deutschem Verständnis nichtssagend. Eine Abgrenzung muss auf Grundlage qualitativer Kriterien erfolgen. Außerdem ist der Umfang der prinzipienorientierten HGB-Rechnungslegung im Verhältnis zu den IFRS immer noch gering. Ein prinzipienbasiertes Normenwerk zeichnet sich in der Regel gerade dadurch aus, dass kasuistische Entscheidungen durch den Normgeber vermieden werden und Methoden zur Bilanzierung von Geschäftsvorfällen aus übergeordneten Prinzipien und Grundsätzen abgeleitet werden. Der Vorteil besteht darin, dass weder der konkrete Anwendungsfall, noch darauf aufbauend ein Ausnahmenkatalog definiert werden müssen608. Dennoch muss den IFRS im Verhältnis zu den US-GAAP unter Aufgabe eines strikten kontinentaleuropäischen Kodifizierungsverständnisses attestiert werden, dass die Standards auf Grundlage eines Prinzipienwerks entwickelt werden. Die Prinzipien entstammen dem Conceptual Framework, welches als Deduktionsgrundlage609 eine Orientierung an dem Zweck der IFRS-Rechnungslegung sicherstellen soll. Im Conceptual Framework werden die allgemeinen sowie die ergänzenden Rechnungslegungsgrundsätze der IFRS dargelegt. Ziel der IFRSRechnungslegung ist zunächst allein die Vermittlung entscheidungsnützlicher Informationen (decision usefulness), vgl. IAS 1.9. Hierzu gehört nicht der Wert des Unternehmens als solcher, F.OB6. Im Vergleich zum HGB verträgt sich die umfassende und monistische Zielsetzung des IASB nicht mit den Prinzipien der Gewinnermittlungs-, Ausschüttungsbemessungs- und Gläubigerschutzfunktion des Jahresabschlusses610. 605 So etwa Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 2015, Einführung, Rn. 199. 606 Vgl. etwa Kabureck, The case for principles-based accounting, Compliance Week 14. 06. 2016; Guillaume/Pierre, International Journal of Business Policy & Governance 2016, 63, 66. 607 Vgl. zum Argument des Umfangs nur Thomas, Issues in Accounting Education 2009, 369, 371 sowie zum Umfang von US-GAAP und IFRS Tanski, IRZ 2010, 15, 19. 608 Eine anschauliche Unterscheidung am Beispiel des »Familienalltags« findet sich in Anlehnung an Lawrence M. Gill bei Tanski, IRZ 2010, 15, 19: Bei einer Regelbasierung macht der Vater seinem Kind eine exakte zeitliche Vorgabe, wann dieser zu Hause sein soll und dazu 15 präzise Ausnahmen für eine abweichende Zeit, während er bei einer Prinzipienorientierung lediglich aufgibt, dass sein Kind zu einer angemessenen Zeit zu Hause sein solle. 609 Vgl. Hayn, WPg 1994, 713. 610 Vgl. Wawrzinek/Lübbig (2016), in: IFRS-Handbuch, § 2 Rn. 39–42; zu diesen handelsrechtlichen Prinzipien s. BeBiKo-Winkeljohann/Schellhorn (2018), § 264 Rn. 35 sowie

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Als grundlegende qualitative Prinzipien (fundamental qualitative characteristics) gelten die Relevanz sowie Glaubwürdigkeit der Darstellung (relevance and faithful representation), vgl. QC 5–17. Diese werden ergänzt durch die qualitativen Annahmen (enhancing qualitative characteristics) der Vergleichbarkeit/Stetigkeit, Überprüfbarkeit, zeitlicher Nähe und Verständlichkeit (comparability, verifiability, timeliness, understandability), vgl. QC 19–33. Der Grundsatz der Vorsicht (prudence) wurde im Jahr 2010 bei einer Änderung des Rahmenkonzepts ersatzlos gestrichen611. Diese Entscheidung war folgerichtig angesichts der Tatsache, dass die IFRS-Bilanzierung verstärkt Bewertungen nach dem beizulegenden Zeitwert zulässt612. Die IFRS-Rechnungslegung zeichnet sich durch weitere, der angelsächsischen Rechnungslegungstradition entspringenden Prinzipien aus, welche für die Auslegung der Vorschriften von zentraler Bedeutung sind. Die IFRS folgen einer Shareholder-Orientierung613 und der »True and Fair View«-Sicht614. Darüber hinaus gelten die IFRS als zukunftsorientierte Rechnungslegungsvorschriften615. Dies macht in der Zusammenschau deutlich, dass sowohl ein anderer Adressatenkreis als auch eine andere Zwecksetzung im Verhältnis zur klassischen deutschen Rechnungslegung besteht. Trotz der dargelegten Prinzipien und der überzeugenden Einordnung der IFRS als prinzipienbasiertes Rechnungslegungssytem entspricht die Einzelfallorientierung nicht dem klassischen kontinentaleuropäischen Verständnis einer in sich geschlossenen, systematischen Kodifikation. Auch das Conceptual Framework ist textuell umfangreich, unübersichtlich gestaltet und von Abstraktionen losgelöst. Das macht es für Anwender von Code-Law geprägten Rechnungslegungsvorschriften wie in Deutschland oder Frankreich schwierig, entsprechende Vorschriften auszulegen. Die Norminterpretation der IFRS selbst hat induktiven Charakter616. IAS 8.10 bestimmt, dass in Fällen von Regelungslücken das Management angemessene Methoden zur Behandlung solcher Geschäftsvorfälle zu entwickeln hat. Ausgangspunkt dabei sind insbesondere praktische Gesichtspunkte wie Verlautbarungen anderer Standardsetter, anerkannte Branchenpraktiken oder auch Literaturmeinungen, IAS 8.12. Das Framework muss zwar beachtet werden, IAS 8.11,

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nachfolgen Teil 2 Kapitel C V. 2. c. und zur Annäherung der Zielsetzung des HGB an internationale Grundsätze Teil 2 Kapitel C VI. Vgl. Wawrzinek/Lübbig (2016), in: IFRS-Handbuch, § 2 Rn. 90. So auch Beinsen/Wagenhofer, IRZ 2013, 413, 416. Vgl. Hung/Subramanyam, Review of Accounting Studies 2007, 623, 624; Devalle/Onali/ Magarini, Journal of International Financial Management & Accounting 2010, 85, 89; Brown, Accounting and Business Research 2011, 269, 271. Vgl. ausführlich Kapitel C V. 4. e. ee. (7). Vgl. Küting/Lam, DStR 2011, 991, 996; Küting/Lam, DB 2013, 1738ff. Vgl. Wüstemann/Kierzek, BB 2005, 427, 428.

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eine Methode darf mit diesem jedoch lediglich nicht im Konflikt stehen, IAS 8.12. Dies öffnet den Raum für weitgehende Freiheiten des Managements. Die Prinzipienorientierung wird hierdurch abgeschwächt. Aus Sicht kontinentaleuropäischer Auslegungspraxis muss ein solches induktives Interpretationssystem in die für Gerichte operationable Auslegungsmethodik überführt werden. b. Aus europäischer Sicht Die IAS-VO sieht nicht nur die Übernahme der Standards als solche, sondern auch der Interpretationen des IFRS IC (ehemals SIC617). Bislang sind alle SIC und IFRIC übernommen worden. Dieser Umstand führt dazu, dass die Ausprägung und Anwendung spezifisch europäischer Auslegungskriterien und diesbezüglicher Erkenntnisquellen gering sind. Soweit also eine Übernahme in europäisches Sekundärrecht erfolgt ist, unterscheidet sich die IFRS-Auslegungssystematik nicht von europäischen Prinzipien. Erschwerend hinzu kommt, dass innerhalb der EU die Mitgliedsstaaten unterschiedliche Rechnungslegungssysteme verfolgen und ein europäischer Konsens nicht herausgearbeitet werden kann618. Da die IFRS der Minimalkonsens für eine kapitalmarktorientierte Rechnungslegung sind, erschöpfen sich darüberhinausgehende Erkenntnisquellen für eine europäische Sicht auf die Regulierung der Rechnungslegung schnell. Eine besondere Problematik ergibt sich aber für diejenigen Fälle, in denen eine zeitliche Diskrepanz zwischen Verlautbarung eines Standards oder einer Interpretation und dem europäischen Endorsement liegt619. Es stellt sich insoweit die Frage, ob (noch) nicht übernommene IFRS und Interpretationen als Erkenntnisquelle für die Auslegung herangezogen werden können620. Hierzu hat die Europäische Kommission eine Kommentierung der IAS-VO veröffentlicht, deren Relevanz mangels Aktualität zunehmend geringer werden dürfte. Letztlich handelt es sich hierbei um eine Auslegung der IAS-VO. Da die Auslegungskompetenz einer solchen Verordnung beim EuGH und den mitgliedsstaatlichen, nationalen Gerichten liegt621, erzeugen die IAS-VO-Kommentare also keine rechtliche Bindungswirkung622. Klargestellt wird, dass ein noch nicht von der Kommission angenommener Standard oder eine Interpretation für die Unternehmen nicht verpflichtend ist 617 Die SIC war die Vorgängerinstitution zur heutigen IFRIC. Insoweit sind viele der entwickelten und übernommenen Auslegungsregeln mit SIC durchnummeriert. 618 Vgl. hierzu schon die Ausführungen in Teil 1 Kapitel A I. sowie Teil 2 B. 619 Eine Übersicht über die möglichen »Schwebezustände« findet sich bei Buchheim/Knorr/ Schmidt, KoR 2008, 373ff. 620 Vgl. auch schon Teil 2 Kapitel C IV. 3. c. zu den IAS-VO-Kommentaren der Kommission. 621 Zur gemeinsamen Auslegungskompetenz und Abgrenzungsfragen zwischen EuGH und nationalen Gerichten vgl. Schön, BB 2004, S. 763ff. 622 S. Europäische Kommission (2003), IAS-VO-Kommentare, Einleitung, Tz. 4; so im Ergebnis auch Buchheim/Gröner/Kühne, BB 2004, 1785ff.

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bzw. in bestimmten Fällen nicht angewendet werden darf 623. Da die Verlautbarungen des IASB erst mit Abschluss des Endorsement eine demokratische Legitimation erlangen ist dies auch unmittelbar einsichtig. Soweit ein noch nicht freigegebener Standard zumindest teilweise mit bereits bestehenden und übernommenen IFRS im Einklang steht und die Voraussetzungen des IAS 1.22 erfüllt sind, kann dieser als Erkenntnisquelle für die Auslegung dienen624. Gerade die Wirkung des IAS 1.22 öffnet einen mitunter breiten Bedeutungsspielraum für das Management von Unternehmen. Die Grundsätze für die Anwendung (noch) nicht freigegebener Standards als Auslegungshilfe erklärt die EU-Kommission auch für abgelehnte Standards für anwendbar625. Nur für den Fall, dass ein nicht freigegebener Standard im Widerspruch zu einem endorsed IFRS steht, darf vor dem Hintergrund der Gesetzesbindung keine Orientierung an der neuen Verlautbarung erfolgen626. Aus europäischer Sicht muss bei der Auslegung der IFRS berücksichtigt werden, dass eine restriktivere Sicht auf die Rechnungslegung gelegt wird als durch das IASB. Im Vordergrund stehen hierbei die Aspekte der Vorsicht und Verlässlichkeit627. Im Rahmen einer zukunftsgerichteten Rechnungslegung bedeutet das Vorsichtsprinzip aber, dass eine risikoaverse Bewertung zu einer im Zweifel höheren Diskontierung unsicherer Vermögenswerte führt. Tendenziell führt dies zu einer Unterbewertung des Unternehmens. Da gerade in dieser restriktiven, vom Vorsichtsprinzip geprägten, kontinentaleuropäischen Rechnungslegung die Diskrepanz zu den IFRS liegt, kann es hierbei am ehesten zu einer Abweichung zwischen dem IFRS- und dem europäischen Auslegungssystem der IFRS kommen. Vorzugswürdig wäre indes, wenn bereits im Endorsement überprüft wird, ob der jeweilige Standard mit dem Vorsichtsprinzip als materiellen Inhalt europäischen Bilanzrechts vereinbar ist. Da dies kein Bestandteil des Frameworks mehr ist, darf es vom IASB im Rahmen des Due Process angesichts der gegenläufigen Prinzipien gerade nicht berücksichtigt werden. Eine restriktive Sicht auf die IFRS zeigt auch die ESMA. Diese betrachtet besonders die Information und den Schutz von Investoren628. Es wird interessant sein, zu beobachten, welchen Stand die EFRAG künftig zu den IFRS einnehmen 623 624 625 626 627

S. Europäische Kommission (2003), IAS-VO-Kommentare, S. 4. S. Europäische Kommission (2003), IAS-VO-Kommentare, S. 4. S. Europäische Kommission (2003), IAS-VO-Kommentare, S. 5. S. hierzu auch das Ergebnis zu Teil 2 Kapitel C IV. 3. c. sowie 4. S. EU-VO 258/2014, Erwägungsgrund 24; gerade diese Aspekte wurden von der Europäischen Kommission in Bezug auf die Kontrollpflichten der EFRAG besonders hervorgehoben und versucht durch Einflussnahme auf das IASB im Rahmenkonzept durchzusetzen. Es sei an dieser Stelle nochmals daran erinnert, dass das Vorsichtsprinzip bilanztheoretisch nur bedingt auf das System der IFRS-Rechnungslegung anwendbar ist. 628 Vgl. EU-Kommission, Maystadt-Bericht, 2013, S. 18.

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Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS

wird. Da sich bislang der Tätigkeitsbereich lediglich auf die technische Bewertung der zu übernehmenden IFRS beschränkte, war eine ökonomische und politische Analyse nicht möglich. Dies soll sich zukünftig ändern. Da die Stärkung der EFRAG gerade dem Ziel dient, die IFRS stärker an europäische Prinzipien zu orientieren629, könnte tatsächlich eine inhaltliche Überprüfung erheblichen Erkenntnisgewinn für die Interpretation der Standards bieten. Insoweit bleibt indes zu hoffen, dass die EFRAG auch über die personellen Kapazitäten für eine solche Prüfung verfügen wird. Die IFRS haben darüber hinaus eine Erkenntnisdimension für die Auslegung der europäischen Rechnungslegungsrichtlinien. Diese resultiert zwangsweise aus der partiellen Überlagerung der materiellen Grundprinzipien beider Rechnungslegungssysteme630. Daneben hat die Modernisierung der Bilanzrichtlinien auch eine Anpassung an die internationalen Harmonisierungstendenzen, insbesondere Prinzipien der IFRS-Rechnungslegung erkennen lassen, mit dem Ziel, Diskrepanzen zwischen IFRS und europäischem Bilanzrecht auszuräumen631. Die EU umgeht damit das Risiko, IFRS aufgrund unüberwindbarer Differenzen zu europäischen Rechnungslegungsgrenzen nicht übernehmen zu können. Dieser Umstand macht es aber auch schwer, abweichende europäische Interessen zu identifizieren und im Rahmen der Anwendung und Auslegung der IFRS zu berücksichtigen. c.

Aus deutscher Sicht

aa. Unmittelbare und mittelbare Anwendung der (EU-) IFRS in Deutschland Die verpflichtende IFRS-Rechnungslegung nach europäischer Verordnungsvorgabe für den deutschen Rechtsraum ist in § 315e HGB geregelt. Demnach sind die von der EU-Kommission übernommenen IFRS unmittelbar für konzernabschlusspflichtige, kapitalmarktorientierte Unternehmen verpflichtende Rechnungslegungsstandards. Wann ein Unternehmen einen Konzernabschluss aufzustellen hat ist in der IAS-VO nicht geregelt und bestimmt sich nach nationalem Recht632. Die Pflicht gilt gemäß § 315e Abs. 2 HGB auch für die Aufstellung eines Konzernabschlusses für Mutterunternehmen, deren Wertpapiere noch nicht an einem geregelten Markt633 gehandelt werden, aber bereits einen Antrag auf Zu-

629 Deshalb war die Stärkung ein Vorschlag Maystadts zur Frage, ob die IFRS stärker europäisch geprägt sein sollten. 630 So auch MüKo/HGB-Reiner (2013), § 264 Rn. 46. 631 Vgl. Schildbach/Stobbe/Brösel, Der handelsrechtliche Jahresabschluss, 2013, S. 86. 632 Vgl. BeBiKo-Grottel/Kreher (2018), § 315e HGB Rn. 5. 633 Der Begriff des geregelten Marktes bestimmt sich nach der Finanzmarktrichtlinie 2004/39/ EG. Für eine Übersicht siehe Europäische Kommission [Hrsg.], Übersicht über die geregelten

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lassung eines Wertpapiers gemäß § 1 Abs. 1 WpHG zum Handel an einem organisierten Markt gemäß § 2 Abs. 11 WpHG gestellt haben634. Für nicht-kapitalmarktorientierte Konzerne besteht ein Wahlrecht für ihre Anwendung, § 315e Abs. 3 HGB. Damit erlangen die IFRS in Deutschland für den Konzernabschluss, nicht hingegen für den Einzelabschluss Geltung. Für den Einzelabschluss besteht jedoch gemäß § 325 Abs. 2a, 2b HGB ein Wahlrecht zur (befreienden) Offenlegung eines IFRS-Abschlusses. Der Jahresabschluss ist aber verpflichtend nach HGB-Vorschriften aufzustellen. Eine empirische Studie hat festgestellt, dass nur etwa sechs Prozent der nichtkapitalmarktorientierten Konzerne vom Wahlrecht der IFRS-Bilanzierung Gebrauch machen635. Die Bedeutung der IFRS-Konzernrechnungslegung ist daher in Deutschland (noch immer) gering. Der deutsche Gesetzgeber hat sich bewusst dafür entschieden, die europäische Verordnung lediglich im Mindestanwendungsbereich umzusetzen636. Der Anwendungsbereich ist damit auch enger als der des aufgehobenen § 292a HGB a. F. Immer wieder werden indes Stimmen in der Literatur laut, welche einen befreienden IFRS-Einzelabschluss auch für das deutsche Rechtssystem fordern637. Eine mittelbare Anwendung auf den Einzelabschluss könnte durch Einstrahlungswirkungen der IFRS auf den handelsrechtlichen Einzelabschluss zum Tragen kommen. Hierauf wird noch im konkreten Kontext eingegangen638. bb. Deutsche Sicht auf die IFRS-Rechnungslegung Es ist bereits herausgearbeitet worden, dass nicht nur europäische Besonderheiten bei der Auslegung der IFRS Berücksichtigung finden sollten, sondern darüber hinaus auch nationale Unterschiede in der Rechnungslegungspraxis bestehen. Bevor nicht eine Harmonisierung des gesamten institutionellen Regulierungsrahmens und der Wirtschaftssysteme erfolgt, werden auch einheitliche Rechnungslegungsstandards nicht zur Vollharmonisierung der Bilanzierung führen. »Vergleichbarkeit ist ein hohes Gut, Gleichmacherei dagegen ist schädlich.«639

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Märkte, Amtsblatt der EU – L 145 vom 30. 4. 2004, berichtigt durch Berr 2011/C 209/13 vom 15. 07. 2011. Vgl. BeckOK/HGB-v. Kanitz/Hoffmann (2018), § 315e HGB Rn. 10. Vgl. Küting/Lam, GmbHR 2012, 1041ff. Insoweit sieht Art. 4. IAS-VO die verpflichtende Anwendung der UFRS für konsolidierte Abschlüsse kapitalmarktorientierter Gesellschaften vor, während Art. 5 IAS VO den Mitgliedsstaaten erweiternd die Anwendung für Einzelabschlüsse der in Art. 4 IAS-VO genannten Gesellschaften sowie Gesellschaften, die nicht solche im Sinne des Art. 4 IAS-VO sind, zu gestatten. Aktuell etwa Schmid, DB 2017, 377ff. S. Teil 2 Kapitel C VI. Zitat nach Barckow, IRZ 2015, 265.

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Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS

Das Handelsrecht beschränkt sich auf die Kodifizierung weniger abstrakter Normen über Ansatz, Bewertung und Offenlegung640. Es unterscheidet sich erheblich von der fallorientierten Gestaltung der IFRS. Für die deutsche Bewertung der IFRS-Bilanzierungspraxis ergibt sich – wie auch für andere Staaten der kontinentaleuropäischen Rechts- und Rechnungslegungspraxis – die Besonderheit eines kulturfremden Regierungssystems641. Deutschland galt daher auch als Kritiker der IFRS-Rechnungslegung642. Diese Kritik ist insbesondere im Zusammenhang mit der Finanzkrise erneut laut geworden, da der Fair-Value-Bewertung eine weitreichende Rolle an deren Entstehung beigemessen wurde643. In der Literatur wurde das Fair-Value-Accounting etwa als »Brandbeschleuniger«644 der Finanzmarktkrise bezeichnet645. Selbst die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR646) als Qualitätssicherungsinstitution der Rechnungslegung sieht als eine Ursache von Bilanzierungsfehlern Unzulänglichkeiten der internationalen Standards an647. Kritisiert wird auch hier die fehlende Orientierung einer Fair-Value-Bewertung an den Kriterien der Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit648. Eine gewisse Vorsicht bei der Anwendung der IFRS zeigt sich auch darin, dass Deutschland von mitgliedsstaatlichen Wahlrechten zur umfassenderen Einführung der IFRS-Bilanzierung kein Gebrauch gemacht hat. Die IAS-VO sieht die verpflichtende Anwendung der IFRS nur für den Konzernabschluss börsennotierter Unternehmen vor. Nicht-kapitalmarktorientierte Unternehmen haben seit 01. 01. 2005 das Wahlrecht, Konzernabschlüsse nach IFRS aufzustellen. Von der Möglichkeit, auch befreiende IFRS-Einzelabschlüsse zuzulassen, hat Deutschland keinen Gebrauch gemacht. Hier ist zum Zwecke der Ausschüttungsbemessung und steuerlichen Gewinnermittlung weiterhin verpflichtend 640 Vgl. Küting/Weber, Konzernabschluss, 2012, S. 6. 641 Zum »Kulturkampf« zwischen angelsächsischen und kontinentaleuropäischen Wirtschaftssystemen findet sich eine nicht mehr ganz aktuelle, aber dennoch lesenswerte Darstellung bei Abelshauser, Kulturkampf, 2003. 642 Vgl. Wagenhofer, Internationale Rechnungslegungsstandards IAS/IFRS, 2009, S. 55. 643 Vgl. Brösel/Toll/Zimmermann, Financial Crisis, 2012, S. 100f.; Schildbach, DStR 2012, 474ff. 644 Vgl. Storn, Die Zeit vom 10. 04. 2008, S. 32, Interview mit Jochen Sanio, erhältlich auf http s://www.zeit.de/2008/16/Das_ist_ein_Brandbeschleuniger (letzter Zugriff am 06. 11. 2019). 645 Zur Kritik sei auch insbesondere auf die »Saarbrücker Initiative gegen den Fair Value« verwiesen, inderen Zusammenhang namhafte Autoren die Fair-Value-Bewertung kritisieren, vgl. Bieg/Bofinger/Küting/Kußmaul/Waschbusch/Weber, DB 2008, 2549ff. Die Kritik an einer fair-value-orientierten Bewertung ist dabei nicht abgerissen, vgl. neuerlich etwa Schildbach, EXPERT FOCUS 2016, 460ff.; Schildbach, Fair value accounting: hohe Kosten bei zweifelhaftem Nutzen, in: Küting/Pfitzer/Weber [Hrsg.], Rechnungslegung im Spannungsfeld von Kosten-Nutzen-Überlegungen, 2014, S. 257–272. 646 Nähere Ausführungen zur DPR finden sich in Teil 2 Kapitel C 4. f. cc. dieser Arbeit. 647 Vgl. Schruff, WPg 2011, 856; DPR, Tätigkeitsbericht 2010, S. 2. 648 Vgl. Schruff, WPg 2011, 856; DPR, Tätigkeitsbericht 2010, S. 8.

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und neben dem ggf. freiwillig erstellten IFRS-Abschluss zu Offenlegungszwecken ein den HGB-Vorschriften entsprechender Abschluss zu erstellen649. Hieraus kann eine zögerliche Haltung Deutschlands bei der IFRS-Anwendung abgeleitet werden. Laut der von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebenen KPMGStudie zur Frage der Eignung von IFRS mit Solvenztest für Ausschüttungsbemessungszwecke (»KPMG-Machbarkeitsstudie«) hatten im Jahr 2008 insgesamt 17 der 27 EU-Mitgliedsstaaten die Verwendung von IFRS-Abschlüssen zur Bestimmung von Ausschüttungen erlaubt650. Mit Blick auf die Fair-Value-Bewertung im IFRS-System wird jedoch tendenziell eher eine frühere Ausschüttung beim Wechsel von HGB auf IFRS zu erwarten sein651, weshalb aus Sicht des im HGB vorherrschenden Vorsichtsprinzips und der Zwecksetzungen des HGBEinzelabschlusses652 die restriktive Haltung Deutschlands in Bezug auf die IFRSBilanzierung anhalten dürfte. Eine weitere Besonderheit der HGB-Rechnungslegungsvorschriften bilden die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB)653. Es findet sich kein vergleichbares Regelwerk bei den IFRS654. Diese Anforderungen an die unternehmerische Buchführung finden sich in § 238 Abs. 1 S. 1 HGB. Die Buchführung bildet die Grundlage des Jahresabschlusses. Insoweit die deutsche Bilanzierungspraxis655 bislang durch eine besondere Prinzipienorientierung geprägt. Für die Deutschen Rechnungslegungsstandards (DRS) gilt nach § 342 Abs. 2 HGB die Vermutung, dass eine auf ihren Grundlagen erstellte Rechnungslegung ordnungsgemäß ist. Die insoweit bekannt gemachten Standards tragen damit die Vermutung, mit Ihrer Beachtung wird auch den GoB für die Konzernrechnungslegung entsprochen656. Wie das IASB ist auch der die DRS erlassenden DRSC e.V. eine privatrechtlich organisierte Institution, welche in enger Zusammenarbeit mit dem IASB steht. Die restriktive Sicht gründet sich auch auf dem volkswirtschaftlichen Umfeld der Rechnungslegungsregulierung in Deutschland. Diese ist noch immer geprägt 649 Vgl. hierzu auch Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, 2018, S. 14. 650 Vgl. Pellens, Solvenztest vs. bilanzielle Kapitalerhaltung, in: Ewert/Küpper [Hrsg.], ZfB Special Issue 3/2010, 55, 57. 651 Vgl. Boecker/Busch, IRZ 2015, 52, 53, welche jedoch zu Recht in Bezug auf diese Tendenz eine jeweils unternehmensorientierte Betrachtung für notwendig erklären. 652 Vgl. zu beidem Teil 2 Kapitel C II. 653 Hierzu ausführlich Teil 2 Kapitel C VI. 654 Vgl. ausführlich Tschesche, IAS-Konzernabschlüsse, 2000, S. 226–236. 655 Im deutschsprachigen Raum finden sich weiter GoB-orientierte Buchführungssyteme in der Schweiz in Art. 958c. des Obligationenrechts und in Österreich in §§ 190ff. UGB. 656 Vgl. Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschuss, 2018, S. 50; Ballwieser, HGB-Konzernabschlussbefreiung und privates Rechnungslegungsgremium, in: Küting/Langenbucher [Hrsg.], Internationale Rechnungslegung, 1999, S. 442ff.; Scheffler, BFuP 1999, 412ff.

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Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS

von einer fremdkapitalorientierten Bankenfinanzierung657 insbesondere von KMU und einer Nischenproduktion, welche zu einem wirtschaftlich gewichtigen Mittelstand führt. Eine umfassende Offenlegung, wie sie für die kapitalmarktorientierte IFRS-Rechnungslegung vorgesehen ist, könnte im Mittelstand zu existenzgefährdenden Wettbewerbsnachteilen führen658. Außerdem wird in der deutschen bilanzwissenschaftlichen Literatur bezweifelt, dass internationale Rechnungslegungsstandards tatsächlich einen deutlich höheren Informationsnutzen mit sich bringen, jedenfalls aber schlechter zum bilanziellen Gläubigerschutz geeignet sind, als die handelsrechtlichen GoB659. Von IFRS-Befürwortern wird die kritische deutsche Sicht auf die IFRSRechnungslegung mitunter negativ und wettbewerbsschädlich gesehen660. Trotz der grundsätzlichen Berechtigung einer global angeglichenen Rechnungslegung für eine weltweit effiziente Kapitalallokation, sollte aus deutscher Sicht nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Rechnungslegungssystem auch als Standortvorteil begriffen werden kann661. Das deutsche Wirtschaftssystem gilt als eines der stabilsten der Welt. Die restriktive und vom Vorsichtsprinzip geprägte tradierte deutsche Rechnungslegungspraxis dürfte hieran einen nicht unbedeutenden Anteil haben662. Die unkritische Euphorie für einen Wechsel tradierter HGB-Rechnungslegung hin zur IFRS-Rechnungslegung wird daher zunehmend auch problematisch gesehen663. Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass das deutsche Wirtschaftssystem einige Besonderheiten aufweist, die es bei der Anwendung der IFRS zu berücksichtigen gilt. Es ist zu erwarten, dass auch andere Mitglieds- und Drittstaaten ähnliche Überlegungen anstellen. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass 657 Vgl. Gerum/Mölls/Shen, ZfbF 2011, 534–577; s. auch Teil 2 Kapitel C II. 6. 658 Vgl. hierzu Teil 2 Kapitel C. II. 4. zum betrieblichen Geheimhaltungsinteresse von Unternehmen. 659 So im Ergebnis schon Kahle, Internationale Rechnungslegung, 2002, S. 285; zur Frage, ob die handelsrechtlichen GoB nicht mittlerweile selbst durch IFRS-Bilanzierungsprinzipien durchdrungen sind vgl. Teil 2 Kapitel C VI. 660 Vgl. Böcking/Flick, DB 2009, 185, 188. 661 Insoweit legt Moxter anschaulich dar, inwieweit die angelsächsische Bilanzmentalität hinsichtlich der Ermittlung des entziehbaren Gewinns zu stabilitätsgefährdender Rechnungslegung führen kann, vgl. Moxter, Verhältnis GoB und True – and – fair – view – Gebot, in: Förschle/Budde/Kaiser/Moxter [Hrsg.], FS-Budde, 1995, S. 419ff.; zu entobjektivierenden Tendenzen einer an angelsächsischer Tradition orientierten Rechnungslegung vgl. auch Teil 2 Kapitel C VI. 2. c. und VI. 4. 662 Vgl. Schmitz, Wirtschaftskrisen und Rechnungslegung, 2016, S. 239ff., der indes aufgrund seiner Ausführungen keine »generelle Überlegenheit« deutscher Rechnungslegungsvorschriften bescheinigen kann, S. 241f. 663 So etwa Schildbach/Stobbe/Brösel, Der handelsrechtliche Jahresabschluss, 2013, S. 95; Ballwieser, IFRS-Rechnungslegung, 2013, S. 235ff.; Brinkmann, Zweckadäquanz der Rechnungslegung nach IFRS, 2006; Schildbach, IRZ 2007, 9ff., 91ff.; Küting/Pfitzer/Weber, IFRS oder HGB?, 2013.

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es sich bei der Unterscheidung zwischen kontinentaleuropäischen und angloamerikanischen Rechnungslegungssystemen keineswegs um eine Marginalität handelt: Daimler Benz hat für das Geschäftsjahr 1993 nach privaten Standards (US-GAAP) einen Gewinn von 615 Millionen DM, nach HGB hingegen einen Verlust von über 1,8 Milliarden DM ausgewiesen664. 3.

Vereinbarkeit der klassischen Auslegungstheorie mit dem »case-law«-System

a. Abstraktion und Wortsinn Aufgrund der Klassifizierung der IFRS als Hybrid zwischen Gesetzes- und Fallrecht665 besteht eine Problematik für die Anwendung der klassischen juristischen Auslegungsmethodik. Die IFRS weisen einen geringen Abstraktionsgrad auf. Aus Sicht kontinentaleuropäischer Rechtstradition scheint dies auf den ersten Blick sogar vorteilhaft. Eine höhere Konkretisierung heißt zugleich eine geringere Möglichkeit der argumentativen Präjudizienbildung durch die Gerichte. Die Entstehung von »Richterrecht« kann also verhindert werden. Weniger Abstraktion kann insoweit die Verlagerung der Normsetzung von der Rechtsprechung hin zu mehr legislativer Gewalt bewirken666. Aus historischer Sicht zeigt sich dies insbesondere am Allgemeinen Preußischen Landrecht, im welchem eine Rechtsfortbildung grundsätzlich verboten war667. Das Problem solcher Systeme liegt darin, dass für eine Auslegung im Umkehrschluss auch die hermeneutische Grundlage fehlt, weshalb es entweder zu wenig ausdifferenziert bzw. zu starr ist oder die Rechtsanwendung regelmäßig in eine Lückenschließung bzw. Rechtsfortbildung übergeht. Ein weiteres Problem liegt in der privaten Selbstregulierung im Bereich der Rechnungslegung. Der demokratisch legitimierte Gesetzgeber hat nur einen geringen Einfluss auf die Willensbildung und technische Umsetzung der Regulierung in diesem Bereich. Die Berücksichtigung öffentlicher europäischer In-

664 Vgl. Michael, Private Standardsetter und demokratisch legitimierte Rechtsetzung, S. 445, in: Bauer/Huber/Sommermann [Hrsg.], Demokratie in Europa, S. 431–455; FAZ v. 12. 12. 1995, S. 23, Bonn und Brüssel einig über neue Strategie für den Weltabschluß, erhältlich auf http ://www.genios.de/presse-archiv/artikel/FAZ/19951212/bonn-und-bruessel-einig-ueber-neu e-/F19951212BILANZ-100.html (letzter Zugriff am 12. 01. 2019). 665 Vgl. insbesondere Teil 1 D. 666 a.A. etwa Hauck/Prinz, Der Konzern 2005, 635, 638; Beckmann, Internationalisierung der Rechnungslegung, 2008, S. 135 die bei den endorsed IFRS gerade aufgrund derer Einzelfallorientierung ein besonderes Erfordernis von Auslegung und Lückenschließung sehen. 667 Vgl. §§ 46–58 (Auslegung der Gesetze) Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten vom 01. 06. 1794, erhältlich auf: https://opinioiuris.de/quelle/1621 (letzter Zugriff am 06. 11. 2019).

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teressen kann daher nur auf Anwendungsebene und damit letztlich durch die Enforcementinstanzen und Gerichte erfolgen. Die konkreten Normtextfassungen und deren Unterlegung mit Zwecksetzungen und Anhängen stecken schon eine enge Wortlautorientierung. Der hermeneutische Deutungsspielraum könnte als schwach ausgeprägt angesehen werden. Dies führt dazu, dass unter Anwendung der klassischen Auslegungsmethoden teleologische Argumente nur im Rahmen des engen Wortlauts zum Tragen kommen könnten. Insbesondere in diesem Zusammenhang muss aber eine Einschränkung bzw. Umgewichtung der klassischen kontinentaleuropäischen Auslegungsprinzipien stattfinden. Da die Abstraktion kein Bestandteil angelsächsischer Rechtstradition ist, darf dem Wortlaut bei der Auslegung kein allzu hoher Stellenwert eingeräumt werden. Es findet eine Verlagerung der Rechtsanwendung von der Auslegung hin zur Rechtsfortbildung innerhalb dieses Systems statt. Insoweit ist eine strikte Unterscheidung zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung, wie sie teilweise für den deutschen Rechtsraum zugrunde gelegt wird, nicht durchzuhalten668. Insoweit ist auf eine stärkere Orientierung an den Grundsätzen moderner juristischer Hermeneutik bei der Anwendung zu achten, dass eben nicht nur dunkle, sondern gerade auch klar formulierte Normtexte einer Interpretation zugänglich sind669. Des Weiteren bildet die Einzelfallorientierung der IFRS Inkonsistenzen und Widersprüche innerhalb des Regelwerks aufgrund permanenter Änderungen bei fehlendem Gesamtkonzept670. Eine solche »Flucht ins Detail«671 bei mangelnder Systematik erschwert die Anwendung von Auslegungsmethoden. Das Problem ist jedoch nicht einem etwaigen Willen des IASB geschuldet, den Einfluss öffentlicher Interessen gering zu halten. Vielmehr ist ein weitreichender Auslegungsspielraum auf IFRS-Anwenderebene mit dem Zweck der Rechnungslegung häufig unvereinbar. b. Induktive Norminterpretation und europäische Auslegungscanones Gesetzesinterpretation ist letztlich eine Textrezeption, die mit methodengerechter Gesetzesauslegung die reale, d. h. auf die konkrete ökonomisch-technische und sozio-kulturelle Situation gerichtete Wertung des Normgebers ermitteln soll. Auch wenn dabei die objektive Auslegungstheorie sowohl eine Bindung an das Gesetz, als auch die Möglichkeit der Auslegung auf Grundlage der Lebenswirklichkeit sicherstellen soll, ist die Auslegung letztlich ein volitiver Akt672. Rein formale Interpretationsargumente wie die Eindeutigkeitsregel (sog. sense668 669 670 671 672

Vgl. auch schon Teil 1 Kapitel C IV. Vgl. Teil 1 C II. Vgl. Brösel, Bilanzanalyse, 2017, S. 66. Vgl. Hakelmacher, Geleitwort, in: Brösel/Zwirner [Hrsg.], IFRS-Rechnungslegung, 2009. Vgl. Teil 1 C I. und V.

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clair-doctrine)673 oder die Andeutungstheorie674, die dem Gesetzeswortlaut durch logische Anwendung eine jedem Anwender gleichermaßen klare Anweisung vorgeben wollen, sind dabei fehl am Platz. Aus Sicht einer case-law orientierten Kodifikation interessanter sind die interpretationstheoretischen Regelungen »singularia non sunt extendenda« bzw. »enumeratio, ergo limitatio«, nach denen Ausnahmeregelungen und Aufzählungen eng auszulegen und nicht analogiefähig sind675. Im Rahmen fallorientierter Normen greift das klassische Regel-Ausnahme-Prinzip nicht. Insoweit käme eine strikte Anwendung solcher begrifflich-formaler Argumentationsaxiome einer Eindeutigkeitsregel bzw. einem Auslegungsverbot gleich. Dann wäre auch die kontinentaleuropäische Auslegungstheorie nicht mehr mit dem fallorientierten Gesetzesrecht vereinbar. Die begrifflich-formale Interpretation von Gesetzestexten wird indes allgemein nicht mehr verfolgt. Im Grundsatz begegnet die europäische und deutsche Methodik der Gesetzesauslegung keinen unüberwindbaren Problemen, um diese auch auf konkret gefasste Normentexte anzuwenden. Ungewohnt ist diese Art der gesetzgeberischen Tätigkeit für den kontinentaleuropäischen Normanwender aber allemal. Zunächst ist die Erarbeitung des realen Willens des Gesetzgebers bzw. des Gesetzes umso problematischer, je mehr Personen und Gremien an der Normsetzung beteiligt sind676. Hier wird regelmäßig argumentiert, dass insoweit der letztlich im Beschluss akzeptierte und in der Gesetzesbegründung übereinstimmend niedergelegte Sinn maßgeblich sein müsse (sog. Paktentheorie)677. Bei staatlichen Parlamenten als Gesetzgebungsorgane mag dies der richtige Ansatz sein, da die Demokratie letztlich vom Mehrheitsprinzip lebt, um entscheidungsfähig zu bleiben678. Im Rahmen der privaten Selbstregulierung durch das IASB sind überwiegend Personen beteiligt, die letztlich nicht Vertreter der Normverpflichteten sind. Hier kann es nicht ausreichen, der Paktentheorie zu folgen679. Vielmehr ist denkbar, den im

673 Vgl. etwa noch BGH NJW 1956, 1553; BVerfGE 4, 331, 351. 674 Vgl. Jesch, JZ 1963, 241, 244; heute von der Rechtsprechung spätestens abgelehnt seit BGHZ 4, 153, 157 (wohl auch schon RGZ 143, 36, 40). 675 Hierzu ausführlich MüKo/BGB-Säcker (2015), Einleitung Rn. 121. 676 Vgl. Fleischer, Mysterium Gesetzesmaterialien, 2013, S. 1ff.; auch BVerfGE 62, 1, 45. 677 So etwa Engisch, Einführung in das juristische Denken, 2018, S. 142. 678 Daraus darf indes nicht der Fehlschluss gezogen werden, dass Mehrheitssystem sei auch aus effizienzorientierter Betrachtung vorteilhaft. Aus solchen Gesichtspunkten ist etwa das Einstimmigkeitsprinzip vorzugswürdig. 679 Vgl. zur Paktentheorie etwa Engisch, Einführung in das juristische Denken, 2018, S. 142 m.w.N.; allgemein ablehnend zur Paktentheorie etwa Larenz, Methodenlehre, 1991, S. 328f.; zur ablehnenden Haltung Larenz aufschlussreich auch Hüpers, Karl Larenz, 2016, S. 444, 445.

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Normsetzungsverfahren hervorgetretenen Wertungen europäischen Interessenvertretern ein höheres argumentatives Gewicht beizumessen680. Hinzu tritt in der fallorientierten Normfassung, dass diese zeitnah an geänderte tatsächliche oder rechtliche Sachverhalte angepasst wird. Die Bindung des Richters an den gesetzgeberischen Willen, in diesem Fall den Willen der konkret am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Personen, kann daher enger zu verstehen sein681. Die objektive Auslegungstheorie verliert an Bedeutung. Wichtig im Rahmen kontinentaleuropäischer Auslegungspraxis ist indes, dass sich der Richter nicht von Recht und Gesetz gänzlich lösen darf, vgl. etwa Art. 20 Abs. 3 GG für den deutschen Rechtsraum. Auch die subjektiv-dezisionistische Gesetzesanwendung fordert die innere Kohärenz, die nur durch Bildung rechtsdogmatischer Funktionsgrundsätze erreicht werden kann682. Im deutschen Rechtsraum gelingt dies durch ein in der Regel nachvollziehbares System übergeordneter Prinzipien, die sich ggf. in immer feinere Unterscheidungen bis hin zur konkret-singulären Fallnorm ableiten lassen und jede richterliche Entscheidung sich wieder auf diese Ebene zurückführen lassen kann. Das funktioniert in der induktiven Norminterpretation der IFRS nicht. Schildbach pointiert, dass das kontinentaleuropäische System übergeordneter Prinzipien »kein Platz mehr in der neuen Welt«683 habe. Bei den IFRS tritt das fachmännische Ermessen (professional judgement) an dessen Stelle, vgl. IAS 8.10. Zwar sieht IAS 8.10 die Ableitung von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden aus den Grundsätzen des Rahmenkonzepts vor, was ein deduktives Vorgehen impliziert. Allerdings ermöglicht die Lückenhaftigkeit der IFRS sowie die Widersprüchlichkeit des Rahmenkonzepts, bilanztheoretisch gänzlich unterschiedliche Bilanzierungsregeln als vertretbar zu begründen, so dass ein deduktives Vorgehen regelmäßig nicht zu wenigstens in seinen Grundlagen eindeutigen Entscheidungen führen kann684. Insoweit sieht Ballwieser das Rahmenkonzept zutreffend nicht als Deduktions-, sondern lediglich als Validierungsgrundlage für eine induktiv ermittelte Bilanzierungsentscheidung685.

680 Insoweit sei auf den weiteren Gang der Untersuchung zu Teil 2 Kapitel C V. 4. e. verwiesen. 681 S. zur richterlichen Bindung bei »zeitlichen und sachlich neuartigen Regelungen« BVerfGE 54, 54; 277, 297. 682 Vgl. MüKo/BGB-Säcker (2015), Einleitung Rn. 112. 683 Vgl. Schildbach/Stobbe/Brösel, Der handelsrechtliche Jahresabschluss, 2013, S. 81f. 684 Vgl. zutreffend Wüstemann/Kierzek, ZfbF 2007, 882, 889. 685 Vgl. Ballwieser, Der Konzern 2003, 337ff.

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4.

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Anwendung der klassischen Auslegungstheorie auf die IFRS unter Einfluss der privaten Selbstregulierung

a. Auslegung europäischen Gemeinschaftsrechts Die im Sinne der Basis-VO in europäisches Sekundärrecht übernommenen IFRS müssen im europäischen Kontext ausgelegt werden. Dies gilt nicht nur für die Auslegung des Unionsrechts durch den EuGH, sondern auch für die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung durch nationale Gerichte. Die normative Grundlage hierfür wird im supranationalen (Anwendungs-) Vorrang des Europarechts686 sowie aus dem Gedanken gewonnen, dass der Gesetzgeber eine zur Umsetzung von Unionsrecht erlassene Norm mit dem Willen geschaffen hat, den Anforderungen des europäischen Gesetzgebers zu entsprechen687. Innerhalb der Rechtswissenschaft wurde erkannt, dass die Überlagerung nationaler Rechtsordnungen durch das europäische Gemeinschaftsrecht auch im Lichte der juristischen Methodenlehre Probleme aufwirft688. Dies gilt insbesondere für Auslegungsfragen. Der EuGH sieht sich diesbezüglich dem Vorwurf einer »Methodenwillkür« ausgesetzt689. Das heißt nicht, dass die im Teil 1 Kapitel C hergeleiteten Auslegungsgrundsätze auf europäischer Ebene gänzlich verfehlt wären. Vielmehr zeigt der EuGH bei der Normanwendung und -auslegung oftmals eine Übereinstimmung mit der deutschen Praxis. Der EuGH orientiert sich eher an einem »beweglichem System der Auslegungskriterien«690 in welchem der teleologischen Auslegung ein hoher Stellenwert beigemessen wird691. Eine ausführliche Darstellung der vom EuGH verfolgten Auslegungsmethoden findet sich etwa bei Riesenhuber692. Hier kann nur auf einige wenige bedeutsame Aspekte eingegangen werden, welche für die weitere Bearbeitung des Themas erforderlich sind. Eine spezielle IFRS-orientierte Darstellung der Auslegungsmethoden wird sich dann anschließen. Trotz dieser grundsätzlichen Orientierung des EuGHs an Auslegungsgrundsätzen bei der Gesetzesanwendung finden sich nicht selten scharf kritisierte Urteile, bei welchen die juristische Methodik zugunsten einer »europarechts-

686 S. nur Streinz, Europarecht, 2016, Rn. 203, 204ff. m. w. N.; Schwarze, Verhältnis von nationalem Recht und Europarecht, 2013; Kruis, Anwendungsvorrang des EU-Rechts, 2013. 687 Vgl. etwa Jarass/Beljin, NVwZ 2004, 1, 2 f.; Calliess/Ruffert-Ruffert (2016), Art. 1 AEUV Rn. 24. 688 Vgl. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 2016, S. 398. 689 Vgl. Jahn, NJW 2008, 1788f. 690 Vgl. Rebhahn, ZfPW 2016, 281, 295. 691 Ausführlich hierzu Teil 2 Kapitel C V. 4. e.; zur Frage einer teleologischen Auslegung durch den EuGH s. aber auch die kritischen Anmerkungen Herzogs, Anwendung und Auslegung, 2014, S. 749 sowie Baldus, GPR 2013, 220, 223. 692 Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 2015.

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freundlichen« Auslegung auf der Strecke bleibt693. Dieses Vorgehen widerspricht dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung. Eine »Entmachtung« nationaler Parlamente durch Richterrecht auf europäischer Ebene ist mit besonderer Vorsicht zu genießen und dürfte eine der Ursachen sein, weshalb der europäische Gedanke zunehmend in Kritik gerät. Nationale Besonderheiten dürfen nur begrenzt zugunsten einer europäischen Harmonisierung missachtet werden. Die Europäisierung des Rechts ist ein Prozess, welcher auf die Akzeptanz des Volkes angewiesen ist. Soweit der EuGH daher mit einer »gemeinsamen Verfassungstradition der Mitgliedsstaaten«694 argumentiert, ist dies nur in solchen Fällen zulässig, soweit dem zu regelnden Lebensbereiche eine solche ohne Einschränkungen zugrunde liegt. Abgesehen von einigen übergeordneten Verfassungs- und Staatsstrukturprinzipien bestehen aber nationale Besonderheiten der Mitgliedsstaaten die es zu beachten gilt. Eine wertungsmäßige Ordnung existiert im Unionsrecht nur bedingt695. Soweit und solange sich aus den vorgenannten Gründen eine europäische Methodenlehre nicht entwickeln lässt, sind die nationalen und europäischen Gerichte bei der Auslegung des Unionsrechts gehalten, im Zweifel nationalen Besonderheiten den größtmöglichen Vorzug zu bieten696. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Auslegung des Unionsrechts neuartige Probleme aufwirft697. Die Entwicklung einer europäischen Methodenlehre, ggf. sogar als Konvergenz nationaler Methodiken der Rechtsanwendung, ist daher noch immer kaum möglich698 und tiefgreifende Ausführungen können in dieser Arbeit nicht geleistet werden. Es sollen aber einige Besonderheiten in der nachfolgenden Bearbeitung beachtet werden. Eine Orientierung an den klassischen juristischen Argumentationsformen im Sinne der Canones der Auslegung 693 Ein bekanntes Bespiel hierfür ist die sog. »Mangold-Entscheidung« des EuGHs vom 22. 11. 2005, Slg. 2005, I-9981, welche etwa bei Bauer/Arnold, NJW 2006, 6ff.; Hailbronner, NZA 2006, 811, 813 kritisiert wird. Rüthers et al. erheben hier den Vorwurf, der EuGH erfinde allgemeine Rechtsgrundsätze und stütze sichauf diese als Scheinbegründung, vgl. Rüthers/ Fischer/Birk, Rechtstheorie, 2016, S. 399. 694 »Mangold-Entscheidung« des EuGHs vom 22. 11. 2005, Slg. 2005, I-9981. 695 S. auch Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 2016, S. 399. 696 Vgl. bereits zur Idee der unionsrechtsorientierten Auslegung anstelle einer unionsrechtskonformen Auslegung Kahl, Der europarechtlich determinierte Verfassungswandel, in: Haratsch/Kugelmann/Repkewitz [Hrsg.], Herausforderungen an das Recht der Informationsgesellschaft,1996, S. 9, 26 f. 697 Eine kurze Übersicht findet sich bei Müller/Christensen, Juristische Methodik Band II, 2012, S. 21–25; für den interessierten Leser kann auch bezüglich weitreichenderer Ausführungen zu diesem Thema auf diese Autoren verwiesen werden. Sie haben soweit ersichtlich derzeit eine der umfassendsten Analysen der juristischen Methodik im Europarecht vorgenommen. 698 S. aber Vogenauer, ZEuP 2005, 234ff., welcher auf das Bedürfnis einer europarechtlichen Methodenlehre hingewiesen hat sowie Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, in: ders. [Hrsg.], Europäische Methodenlehre, 2010, S. 1ff., 4.

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nach Savigny699 ist möglich, da diese grundsätzlich auch vom EuGH verwendet werden700. Eine Methodik lässt sich nicht umfassend, sondern nur bereichsspezifisch entwickeln701. Konkret bedeutet das für die weitere Bearbeitung der Auslegung der IFRS im deutschen und europäischen Kontext, dass bei den einzelnen Canones die spezifische Methodik des Europarechts sowie Besonderheiten des Rechnungslegungsrechts berücksichtigt werden müssen. b. Wortsinnauslegung Der Wortsinn als Ausgangspunkt der Auslegung702 unterliegt im Rahmen IFRSAnwendung besonderen Problemen. Die konkreten Textfassungen liefern einen eng umfassten Bedeutungsspielraum. Die Rechnungslegungswirklichkeit lässt sich hiermit trotz des textuellen Umfangs nicht abbilden. Vielmehr muss über den Wortlaut hinaus eine Lückenschließung im Wege der Interpretation bzw. Rechtsanwendung erfolgen. Eine Trennung zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung lässt sich dabei nicht durchhalten703. Problematisch für die Auslegung bestimmter Begriffe ist die Frage, ob der allgemeine oder besondere Sprachgebrauch heranzuziehen ist, da Gesetze zwar für den Anwender verständlich sein sollen704, die juristische Sprache aber doch fachlich geprägt wird. Grundsätzlich orientiert sich der EuGH am gewöhnlichen, vorrangig aber am juristischen Sprachgebrauch705. Die Begriffe, auf die es für die Bilanzierungsentscheidung im Einzelfall ankommt sind aber solche des besonderen und zwar des wirtschaftswissenschaftlich-bilanztheoretischen Sprachgebrauchs. Hier wird ein so spezieller Bereich reguliert, dass auch die Sprache fachspezifisch geprägt ist. Einen gewöhnlichen, allgemeinen Sprachgebrauch gibt es in der Regel nicht, da Vorstellungsinhalte des Begriffs nicht aus allgemeiner Lebenserfahrung, sondern nur dem wirtschaftlichen Fachkontext gewonnen werden können. Das heißt indes nicht, dass das Begriffsverständnis allein der jeweiligen Fachwissenschaft bzw. -praxis entsprechen muss. Die deutschen und europäischen Gerichte müssen diese außerrechtlichen Fachtermini ihrer Auslegung jedenfalls dann zugrunde legen, wenn in Übereinstimmung mit den übrigen Auslegungs699 S. Teil 1 Kapitel C V. 700 Vgl. Müller/Christensen, Juristische Methodik Band II, 2012, S. 26f. 701 Ebd.; Augsberg, Methoden des europäischen Verwaltungsrechts, in: Terhechte [Hrsg.], Verwaltungsrecht der Europäischen Union, 2011, S. 147ff., 167. 702 Vgl. Teil 1 Kapitel C. 703 S. schon Teil 1 Kapitel C. IV. sowie Teil 2 Kapitel C V. 3. a. 704 Zum sog. Verständlichkeitspostulat s. etwa Lerch, Gesetze als Gemeingut, in: Lerch [Hrsg.], 2004, S. 225–237 sowie ganz allgemein Eichhoff-Cyrus/Antos [Hrsg.], Verständlichkeit als Bürgerrecht, 2008 und im Speziellen zur Multilingualität Messer, Verständlichkeit multilingualer Normen, 2012. 705 Vgl. Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, S. 125f.

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kriterien darauf geschlossen werden muss, dass das Gesetz sich diese zu Eigen machen wollte706. Das führt indes nicht dazu, dass die Auslegungsgrenze klar gefasst werden könnte. Eine weitere Besonderheit der IFRS liegt darin, dass diese am case-law orientierten Standards die maßgeblichen Begriffe meist in ein umfassendes Textgefüge einbetten, weshalb dem konkreten grammatikalischen Satzbezug besondere Bedeutung zukommen kann. In Verhältnis zum deutschen Privatrecht entsprechen weniger Begriffe Tatbestandsmerkmalen. Die IFRS werden vom IASB in englischer Sprache verfasst. Teilweise gibt es genehmigte Übersetzungen, welche dann Gegenstand des Endorsement sein können707. Richtlinien und Verordnungen sind in die jeweiligen Sprachen der Mitgliedsstaaten zu übersetzen. Dies gilt auch für die übernommenen IFRS. Die Sprachfassungen stehen dabei innerhalb der EU gleichrangig nebeneinander. Bei Auslegungsfragen ist im Zweifel eine kumulative Betrachtung der verschiedenen Sprachfassungen erforderlich708. Art. 55 EUV, 358 AEUV schließen ausdrücklich aus, dass eine bestimmte Sprachfassung bei Divergenzen ausschlaggebend ist. Für die wirtschaftswissenschaftlich geprägten Begriffe der IFRS-Übersetzungen muss bedacht werden, dass sich das Begriffsverständnis in der Regel in nationalökonomische Kontexte fügt. Selbst wenn das Wort als solches vergleichbar sein mag, kann der Begriffsinhalt aufgrund des nationalstaatlichen Verständnisses differieren. Ohne Kenntnis davon, was der tatsächliche Inhalt eines Begriffs in anderen Rechts- und Wirtschaftsordnungen ist, kann auch keine Auslegung aufgrund rechtsvergleichender Betrachtung des Wortlauts erfolgen. Abhilfe könnte etwa dadurch geschaffen werden, dass im europarechtlichen Kontext eine »gemeinschaftsrechtliche Wortbedeutung«709 die entscheidende Rolle spielt. Problematisch ist indes die Auswahl des »richtigen« Wortsinns. Erwogen wird hier etwa die mehrheitlich aus den verschiedenen Sprachfassungen hervorgehende Bedeutung710, die inhaltlich klarste Fassung711 oder aber das

706 Vgl. Zippelius, Juristische Methodenlehre, 2012, S. 37. 707 Vgl. Wagenhofer, Internationale Rechnungslegungsstandards, 2009, S. 89. 708 Vgl. schon EuGH, Urt. v. 12. 11. 1969 – AZ: 29/69, Slg. 1969, S. 419, Rn. 3 und aktuell etwa EuGH, Urt. v. 27. 09. 2017 – AZ: C-24/16, C-25/16 (Nintendo/BigBen), Rn. 71, 72. 709 Vgl. Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 2018, § 9 Rn. 170; EuGH, Urt. v. 28. 03. 1985, Rs. C- 100/84 = EuGHE 1985, 1169ff.; kritisch Schulze/Zuleeg/Kadelbach-Borchardt (2015), Europarecht, § 15 Rn. 35ff. 710 Vgl. Anweiler, Auslegungsmethoden des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, 1997, S. 153. 711 Vgl. mit Nachweisen aus Literatur und Rechtsprechung Müller/Christensen, Europäische Methodik Band II, 2012, S. 31f.

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»gemeinsame Minimum«712 der verschiedenen Sprachen zugrunde zu legen. Keine dieser Anknüpfungspunkte hilft im Ergebnis wirklich weiter. Der EuGH hilft sich damit, dass er zur Konkretisierung der gemeinschaftsbezogenen Bedeutung vom Wortlaut der mitgliedsstaatlichen Sprachfassungen ein Bedeutungsspektrum ableitet, hieraus eine autonome gemeinschaftsrechtliche Bedeutung ermittelt und andere methodische Elemente, etwa das systematische713 oder häufiger teleologische714, zur Validierung heranzieht. Teilweise findet sich in der Literatur die Kritik an diesem Vorgehen, dass die grammatikalische Auslegung zur Konkretisierung europäischer Normen eine geringe Bedeutung habe715. Der EuGH hebt aber die Relevanz der nationalsprachlichen Wortlaute ausdrücklich hervor716. Die Bedeutung des Wortlautarguments in der Praxis des EuGHs konnte von Dederichs717 empirisch validiert werden. Insbesondere für die IFRS-Auslegung birgt die Mehrsprachigkeit erhebliche Risiken. Es wurden teilweise gravierende Übersetzungsfehler festgestellt718. Soweit sich der Standardanwender daher auf die jeweilige mitgliedsstaatliche Sprachfassung beruft, kann diese von dem tatsächlichen intendierten Sinn und Zweck des Standardsetters und auch einer autonomen gemeinschaftsrechtlichen Bedeutung abweichen. Hinzu kommt, dass die englische Sprachfassung der IFRS außerhalb der EU als maßgeblich erachtet wird719. Da die EU mit der Übernahme der IFRS das Ziel verfolgt, international vergleichbare Standards zu schaffen, kann damit auch nur die englische Sprachfassung diesem Ziel gerecht werden. Diese Fassung ist auch Arbeitssprache des IASB720 und Gegenstand des Due Process. Außerdem bietet die englische Sprache einen weiteren Vorteil: als international anerkannte Verständigungssprache hat sie in diesem Kontext eine pragmatische Ausprägung entwickelt, welche nicht mehr viel mit der »Shakespeare’schen Sprache« gemein hat und insoweit von kulturell-nationalen Einflüssen im Vergleich zu anderen Sprachen frei ist. Der Grundsatz der Gleichrangigkeit der Sprachfassung muss daher zumindest dort zurücktreten, wo die Gefahr einer mit der englischen Sprachfassung di712 Vgl. etwa Dölle, RabelsZ 1961, 4, 27; Mössner, AVR 1972, 273, 282f.; EuGH, Urt. v. 30. 09. 1982, Rs. C-295/81 (»International Flavors amd Fragrances«); a. A. Müller/Christensen, Europäische Methodik Band II, 2012, S. 36f. 713 So etwa EuGH, Slg. 1989, S. 2763ff., 2780. 714 So etwa EuGH, Slg. 1992, S. 5089ff., 5105; EuGH, Slg. 1985, S. 2655, 2666. 715 Vgl. Anweiler, Auslegungsmethoden des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, 1997, S. 169; Buck, Über die Auslegungsmethoden des Gerichtshofs, 1998, S. 168ff., welcher sich hierbei insbesondere auf die qualitative Bedeutung bezieht. 716 Etwa EuGH, Slg. 1999, I, S 7877ff., Rn. 46. 717 Vgl. Dederichs, Die Methodik des EuGHs, 2004. 718 Vgl. Niehus, DB 2005, 2477ff. 719 Vgl. Bohl/Wiechmann, IAS/IFRS für Juristen, 2010, Rn. 307. 720 Vgl. Vorwort IFRS, Par. 23.

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vergierenden Auslegung droht. Es ist daher zu erwarten, dass der EuGH sowie außergerichtliche Kontrollinstanzen nach dem o.g. Vorgehen bei der Ermittlung der autonomen, gemeinschaftsrechtlichen Bedeutung im Zweifel die englische Sprachfassung zugrunde legen. Soweit in der Literatur der Einwand erhoben wird, mit Übernahme der IFRS sei die englische Arbeitssprache des IASB bedeutungslos und die englische Sprachfassung könne daher nicht ausschlaggebend sein721, widerspricht dies den praktischen Implikationen. Es fehlt an einer Herleitung, worauf sich der EuGH dann stützen sollte. Aufgrund der in erheblichem Maße normativ geprägten Ermittlung des Bedeutungssinns einer Norm durch den EuGH ist eine Zurückdrängung der angelsächsischen Prägung und Auslegung der IFRS722 allein durch die zahlreichen amtssprachlichen Fassungen unwahrscheinlich. Eine autonome gemeinschaftsrechtliche Bedeutung kann im Rahmen der richterlichen Konkretisierung des normativen Bedeutungsinhalts durch Einbeziehung teleologischer Bedeutungselemente ermittelt werden. Soweit sich der EuGH an teleologischen Aspekten orientiert, stellt sich auch schon an dieser Stelle das Problem, inwieweit eine Willensbildung des europäischen Gesetzgebers überhaupt stattgefunden hat. Unter Berücksichtigung der bisherigen Ergebnisse ist auch diesbezüglich ernüchternd festzustellen, dass die Auslegung nicht ohne weiteres dazu beitragen kann, die IFRS von ihrer angelsächsischen Prägung zu lösen und in gemeinschaftsrechtlich oder gar mitgliedsstaatliche, nationale Strukturen zu überführen. Durch die mangelnde Willensbildung des europäischen Gesetzgebers in Bezug auf die IFRS droht daher eine Umkehr der grammatikalischen Auslegung im Bereich des Rechnungslegungsrechts. Der Bedeutungsgehalt der Standards im Sinne eines autonomen Gemeinschaftsbegriffs wird nicht in erster Stufe durch Herleitung eines »praktischen Plausibilitätsraums«723 der Auslegung aus den verschiedenen Sprachfassungen erlangt, sondern der Bedeutungsinhalt beruht auf der IASB-Sprachfassung unter Berücksichtigung teleologischer Elemente, welche sich ebenfalls primär vom Willen des IASB ableiten lassen. Der Schwerpunkt dieser Arbeit soll daher auf der Herleitung teleologischer Auslegungselemente in Bezug auf die IFRS liegen, welche diese Gefahr vermeiden und sich stärker an nationalen und europäischen Interessen orientieren. Die Überschneidung von grammatikalischen und teleologischen Auslegungselementen ist daher bei den IFRS zusammenfassend beachtlich: Der EuGH orientiert sich bei der Ermittlung der autonomen, gemeinschaftsrechtlichen 721 So etwa Beckmann, Internationalisierung der Rechnungslegung, 2008, S. 137; insbesondere Küting/Ranker, BB 2004, 2510, 2511. 722 Vgl. Küting/Ranker, BB 2004, 2510, 2511; Hauck/Prinz, Der Konzern 2005, 635, 639. 723 Vgl. Müller/Christensen, Juristische Methodik Band II, 2012, S. 49.

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Bedeutung eines Begriffs bei divergierenden mitgliedsstaatlichen Sprachfassung an teleologischen Überlegungen, die Divergenzen der Sprachfassungen sind bei den IFRS deutlich und Beratung, Willensbildung sowie Beschlussfassung finden in englischer Sprache statt724. Die englische Sprachfassung muss daher für die teleologischen Überlegungen und damit im Rückschluss auch für grammatikalische Auslegungselemente maßgeblich sein. Der Bedeutungsinhalt der außerjuristischen IFRS-Fachsprache kann nur unter Berücksichtigung der zu regelnden Materie und damit bilanzwissenschaftlicher Überlegungen heraus erfolgen. c. Auslegung nach Systematik und Regelungszusammenhang Systematische Argumente sind auch in der Rechtsprechung des EuGHs ein zentrales Element des Normtextverständnisses725. Ausgangspunkt ist das Konstrukt einer rationalen Gesetzesstruktur mit einem Regel-Ausnahme-Verhältnis, einem allgemeinen und besonderen Teil im gesamten Vertrag sowie einer Systematik der Überschriftenbildung726. Jede Norm muss im Gesamtgefüge betrachtet werden, dort aber ihren eigenen Anwendungsbereich haben. Eine strenge Bindung an die Systematik wird vom EuGH dort aufgegeben, wo die Rechtsgrundsätze effet utile und implied powers gefährdet wären727. Effet utile beschreibt dabei einen vom EuGH entwickelten Rechtsgrundsatz, nach dem Normen des europäischen Gemeinschaftsrechts durch Ausschöpfung gemeinschaftsrechtlicher Kompetenzen sowie der Anwendungsgrundsätze eine möglichst optimale Wirkungskraft zu verleihen ist728. Insoweit wird das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung von europäischen Institutionen in der Regel dynamisch und kompetenzerweiternd verstanden. Eine Grenze muss allerdings dort gelten, wo nationale Kompetenzen in empfindlichem Maße betroffen wären. Ferner soll den europarechtlichen Normen eine optimale, keine möglichst umfassende Wirksamkeit eingeräumt werden, wobei im Einzelfall durchaus nationale Kompetenzen zu einer optimalen Wirksamkeit beitragen könnten. Die Implied-Powers-Doktrin entstammt dem US-amerikanischen Rechtssystem. Es 724 Dieser Aspekt stellt außerdem einen zusätzlichen Kritikpunkt hinsichtlich der Verlagerung der Normgebung auf den Due Process dar, weil die EU gerade die Bedeutung der Mehrsprachigkeit im Gesetzgebungsverfahren als »Anspruch der Europäer« proklamiert, vgl. http ://www.europarl.europa.eu/about-parliament/de/organisation-and-rules/multilingualism (letzter Zugriff am 06. 11. 2019). 725 Vgl. Müller/Christensen, Juristische Methodik, Band II, 2012, S. 279. 726 Vgl. Pechstein/Drechsler, Auslegung und Fortbildung des Primärrechts, in: Riesenhuber [Hrsg.], Europäische Methodenlehre, 2010, S. 224, 234. 727 Prominentes Beispiel hierfür ist die Entscheidung des EuGHs v. 03. 06. 1964, Slg. 1964, 1251, 1270 (Costa ./. E.N.E.L.); weitere Beispiele: EuGH C-46/93 und C-48/93, Slg. 1996, I-1029 (»Brasserie du pêcheur SA und Factortame Ltd.«); C-128/93, Slg. 1994, I-4583/4597 (»Fisscher«). 728 Vgl. Poctas, EuR 2009, 465, 467f.

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geht dabei um ungeschriebene Kompetenzzuweisungen im Unionsrecht. Sie wirkt kompetenzerweiternd in Fällen, in denen ausdrückliche Kompetenzen der Europäischen Organe ohne Zuerkennung der in Frage stehenden Kompetenz nicht wahrnehmbar wären729. Dabei kann es sich um die schwerlich zu trennenden Fälle einer Annexkompetenz, einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs sowie einer Kompetenz kraft Natur der Sache handeln730. Diese Auslegungsmethode der systematischen Zusammenhänge bereitet bei den IFRS Schwierigkeiten. Die IFRS verfügen gerade über keine in sich geschlossene Systematik731. Lediglich die einzelnen Standards folgen einem festen Aufbau. Ein Erkenntnisgewinn aus der inneren Systematik der IFRS kann daher nicht erwartet werden. Die fortlaufende Nummerierung der IFRS ohne übergeordnete inhaltliche Strukturierung bietet keine Anhaltspunkte, hieraus ein stimmiges System abzuleiten. In der Kommentarliteratur zeigt sich etwa bei Merkt/Probst/Fink, dass diese die Struktur der IFRS-Kommentierung, auch wegen der synoptischen Darstellung zum HGB, an die Themensystematik des HGB-Trias »Ansatz, Bewertung und Darstellung« angepasst haben, aber gleichsam darauf hinweisen, dass auch jede andere Zuordnung mit guter Begründung denkbar wäre732. Etwas anderes gilt jedoch für den Regelungszusammenhang im Gesamtsystem der europäischen Rechnungslegungsprinzipien. Die IFRS sind in das europäische Sekundärrecht konzeptionell durch die Basis-VO eingebunden. Da diese Verordnung inhaltliche Anforderungen an die Übernahme der IFRS stellt (Übernahmevoraussetzungen) wird sie erst im Rahmen der teleologischen Auslegung betrachtet. d. Historische und genetische Auslegung Der historischen und genetischen Auslegung wurden bei der Anwendung europäischer Rechtsnormen bisweilen ein geringer Stellenwert beigemessen733. Für das Primärrecht mag dies zutreffen. Für das Sekundärrecht spielen jedoch Vorund Entstehungsgeschichte eine zentrale Rolle innerhalb der EuGH-Rechtsprechung, wenngleich deutlich geringer als die der grammatikalischen Auslegung734. Der EuGH verwendet diese Methode in der Regel indes nur übereinstimmend mit

729 730 731 732 733

Ausdrücklich hierauf verweisend: EuGH, Urt. v. 29. 11. 1956, Slg 1955/56, 295. Vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim-Grabitz (2018), Art. 1 AEUV Rn. 13. Vgl. Teil 2 Kapitel A III. Vgl. Merkt/Probst/Fink, Rechnungslegung nach HGB und IFRS, 2017, Vorwort, S. V. Vgl. Schmidt, RabelsZ 1995, 569, 582; Hommelhoff, in: Schulze [Hrsg.], Die Auslegung europäischen Privatrechts, 1999, S. 33f.; Grabitz/Hilf/Nettesheim-Mayer (2018), Art. 19 EUV, Rn. 66; von der Groeben/Schwarze/Hatje-Gaitanides (2015), Art. 19 EUV, Rn. 47. 734 Vgl. Dederichs, Methodik des EuGHs, 2004, S. 99ff.

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grammatikalischen, systematischen oder teleologischen Argumenten735. Einschränkungen erfährt die historische Auslegung grundsätzlich im Rahmen des Sekundärrechts dadurch, dass die sog. Protokollerklärungen des Rates der Kommission und einzelner Mitgliedsstaaten in der Regel nicht öffentlich verfügbar sind736. In Bezug auf die IFRS ist die Transparenz des Verfahrens hingegen prävalent. Während die historische Auslegung die Vorgeschichte, insbesondere auch Vorgängernormen zur zu regelnden Materie betrachtet, werden zur genetischen Auslegung die Gesetzgebungsmaterialien herangezogen. Für die IFRS sollte beiden Methoden, die freilich eng mit der teleologischen Auslegung zu verknüpfen sind, kein untergeordneter Stellenwert beigemessen werden, da sie ständigen, dynamischen Änderungen unterliegen737. Das heißt, dass der subjektiv-historische Wille des Normgebers eng mit der veränderlichen Lebenswirklichkeit verknüpft bleibt. Probleme ergeben sich gleich auf zwei Ebenen. Einerseits muss der Normanwender aufgrund der sich ändernden Details in den einzelnen IFRS genau beobachten, was Inhalt der Vorgängernormen war und welche Tragweite die Änderung tatsächlich aufweist. Andererseits könnten die Gesetzgebungsmaterialien sowohl des Standardsetting- als auch des Übernahmeprozesses eine Rolle spielen. aa. Beachtung des Standardsetzungsprozesses Auf den ersten Blick liegt der Gedanke nahe, die Materialien des Settings unbeachtet zu lassen, da eine legitimierte Normsetzung erst durch das KomitologieVerfahren stattfindet. Dies würde aber zu kurz greifen, da es sich hierbei gerade um ein vereinfachtes Verfahren handelt, so dass wesentliche Teile der üblicherweise in der EU-Normsetzung zu findenden Materialien fehlen. Außerdem nehmen europäische Institutionen am Standardsetting teil und sollen hier einen wesentlichen Einfluss ausüben738. Die Bildung von Wertungen wird insoweit teilweise in den Due Process vorgezogen. Primäre Erkenntnisquelle des subjektiv-historischen Normverständnisses bietet daher der Due Process. Aus dem Standardsetzungsprozess lässt sich das Telos der Norm entnehmen. Da es sich um ein transparentes Verfahren handelt, sind Arbeitspapiere und Eingaben in der Regel restriktionsfrei verfügbar. Zu jedem Standardprojekt

735 Vgl. etwa EuGH, Urteil v. 23. 02. 1998, Slg. 1988, 843, 852. 736 Vgl. Calliess/Ruffert-Wegener (2016), Art. 19 EUV, Rn. 14; zur verbesserten Transparenz und leichterem Zugang zu europäischen Dokumenten unter Hinweis auf Art, 256 AEUV s. aber auch Grabitz/Hilf/Nettesheim-Mayer (2018), Art. 19 EUV Rn. 66. 737 Vgl. Teil 2 Kapitel C V. 3. a. 738 S. Teil 2 Kapitel C III. und IV.

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veröffentlich die IFRSF auf ihrer Internetpräsenz739 Erläuterungen, den derzeitigen Projektstand, Dokumente sowie die Eingaben aus den Konsultationsverfahren. Darüber hinaus können Protokolle der Sitzungen der unterschiedlichen Gremien eingesehen werden. Die Aufnahmeentscheidung in die Fünf-Jahres-Agenda des IASB zeigt, weshalb die Entwicklung eines Standards im vorliegenden Problemfeld als besonders wichtig gegenüber anderen Themen angesehen wurde. Daraus lassen sich insbesondere Rückschlüsse ziehen, ob es sich um globale oder lediglich regionale Rechnungslegungsfragen handelt, wobei letztere ggf. nach nationalen Kriterien, insbesondere durch nationale Standardsetter beantwortet werden740. Außerdem ist aufschlussreich, wer die entsprechende Fragestellung zum Gegenstand eines Standardsetzungsverfahrens gemacht hat. Wichtigste Erkenntnisquelle aus europäischer Sicht stellen die Eingaben im Konsultationsverfahren der einzelnen Verfahrensabschnitte durch europäische Institutionen und Interessenverbände dar. Das gilt, soweit die Stellungnahme vom letztlich vom IASB präferierten Lösungsvorschlag im Exposure Draft abweicht. Soweit eine solche Differenz vorliegt, stellt sich schon die Frage, ob der verabschiedete IFRS letztlich die Übernahmevoraussetzungen der IAS-VO erfüllen kann. Es ist allerdings zu erwarten, dass kleinere Missstände hinsichtlich der Übernahmekriterien hinter dem Harmonisierungsziel der Europäischen Union zurücktreten. Das muss aus rechtsstaatlicher Sicht auch nicht schädlich sein, da abweichende Lösungsansätze zwischen europäischen Institutionen und dem IASB die etwa lediglich die technische Umsetzung betreffen, nicht von unterschiedlichen Zielvorstellungen bzw. Wertungen ausgehen müssen. Dennoch muss der Standardanwender berücksichtigen, weshalb und inwieweit die Lösungsansätze europäischer Institutionen abweichen und ob bei Fragen der Auslegung und Lückenschließung nicht doch solche Lösungen präferiert werden können und müssen. Letztlich zeigen die Auswahl der vom IASB präferierten Lösung sowie die diesbezüglichen Entscheidungsgründe, welche Prinzipien für das jeweilige Rechnungslegungsfeld besonders hervorzuheben sind. Da der Exposure Draft selbst zur öffentlichen Diskussion gestellt wird, gelten die Ausführungen zu den Eingaben europäischer Institutionen entsprechend.

739 Erreichbar unter: http://www.ifrs.org/ (letzter Zugriff am 06. 11. 2019). 740 In der Regel werden jedoch Anfragen mit lediglich regionalem Anwendungsbereich nicht zu Gegenstand eines Standardsettingverfahrens gemacht, sondern entweder durch eine IFRS IC-Interpretation zu bestehenden Standards beantwortet oder die Standardsetzung dem nationalen Standardisierungsorgan (etwa in Deutschland dem DRSC e.V.) überlassen, vgl. DP-HB 4.7, 4.9.

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bb. Beachtung der Übernahme in europäisches Sekundärrecht Bei der Übernahme der IFRS in europäisches Sekundärrecht sind als Erkenntnisquellen der historischen und genetischen Auslegung sowohl die Vorgeschichte und Rechtsquellen der Basis-VO, als auch die Materialien der EFRAG als einziges beratendes Gremium im Rahmen des Endorsement anzusehen. Ein Gesetzgebungsverfahren im eigentlichen Sinne findet gerade nicht statt. Ergebnis des Übernahmeverfahrens ist die Verabschiedung einer Verordnung, welche übereinstimmend mit den Artikeln 5a und 8 des Ratsbeschlusses 1999/468 einem regulatorischen Komitologieverfahren mit Kontrolle unterliegt741. Die bereits an der Exposure Draft Consultation beteiligte EFRAG gibt im Auftrag der Europäischen Kommission nach einer technischen und materiellen Prüfung des vom IASB verabschiedeten Standards auf Grundlage der europäischen Übernahmekriterien einen Vorschlag zum Endorsement (Endorsement Advice) ab742. Der Vorschlag enthält ein vorangestelltes Votum, welchen sich allgemeine Erläuterungen, die Ergebnisse der technischen Überprüfung hinsichtlich der Endorsementkriterien sowie der Frage, ob die Übernahme den öffentlichen Interessen der Europäischen Union förderlich wäre. Hierbei handelt es sich indes um ein zusammenfassendes Statement der EFRAG. Im vorangehenden EFRAG-Konsultationsverfahren, welches mit einzelnen Materialien belegt wird, wird das Dokument in einer Entwurfsfassung der Öffentlichkeit zur Diskussion gestellt. Die Eingaben zeigen auf, inwieweit Übereinstimmung mit der Einschätzung der EFRAG besteht und werden durch diese vor der endgültigen Fassung des Vorschlags an die Europäische Kommission berücksichtigt. Im Jahr 2006 wurde ferner die Standards Advice Review Group (SARG) gegründet, welche beaufsichtigt hat, ob die Stellungnahme der EFRAG objektiv und ausgewogen war. Diese Gruppe besteht nicht mehr743. Es bleibt zu hoffen, dass die EFRAG sich ihrer veränderten Rolle infolge der EFRAG-Governance-Reform im Endorsement bewusst ist und umfassender europäische Belange berücksichtigt und im Übernahmevorschlag herausstellt. Das würde die Bedeutung des Übernahmevorschlags als Erkenntnisquelle der Auslegung gleichsam stärken. Die Europäische Union leitet einen Übernahmevorschlag an das gemäß Art. 6 der IAS-VO beteiligte ARC weiter, welche die Möglichkeit hat, dem Vorschlag zuzustimmen oder ihn abzulehnen, woraufhin in beiden Fällen der Vorschlag dem Europäischen Parlament und Rat zugeleitet wird. Im Falle der Ablehnung legt die Kommission einen geänderten Vorschlag vor. Aus den Stellungnahmen 741 S. Teil 2 Kapitel B III. 742 Vgl. Working Arrangement vom 02. 06. 2016, Nr. 4, erhältlich auf https://www.efrag.org/Abo ut/Legal (letzter Zugriff am 06. 11. 2019). 743 Ehemals Register der Expertengruppen der Kommission, Nr. E01957, nunmehr nicht mehr im Register gelistet, vgl. Register unter http://ec.europa.eu/transparency/regexpert/index.c fm (letzter Zugriff am 06. 11. 2019).

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des ARC sowie des etwaigen Änderungsbedarfs können sich ebenfalls Rückschlüsse auf die Besonderheiten des Standards aus europäischer Sicht ziehen lassen. e. Teleologische Auslegung Die vorangegangenen Überlegungen haben gezeigt, dass nach der hier angewendeten Auslegungstheorie keine der Auslegungsmethoden ohne einen Anknüpfungspunkt am Sinn und Zweck der Norm auskommt744. Es ist Kern der legislativen Gewalt, durch Normsetzung einen Lebensbereich willensgemäß zu gestalten und zu regulieren. Das Spektrum der Erkenntnisquellen für das Telos einer Norm kann dabei unüberschaubar groß werden. Der Normzweck lässt sich vom Speziellen zu immer weiter gefassten, übergeordneten Prinzipien ableiten. Je konkreter der zu regelnde Lebenssachverhalt ist, desto spezieller kann der Normzweck umgrenzt werden. Eine Norm steht nicht zusammenhanglos im Rechtsraum, sondern ist eingebunden in ein normatives Zwecksystem, welches sich bis auf die grundsätzlichen Staatsstrukturprinzipien zurückführen lässt, wobei der Erkenntnisgewinn mit zunehmender Abstraktion immer geringer wird. Für die übernommenen IFRS-Rechnungslegungsstandards heißt dies konkret, dass jeder einzelne Standard sich in das Rechnungslegungssystem der IFRS einfügt und diese in die europäische Rechnungslegungsregulierung, welche ihrerseits Teil der Wirtschaftsordnung und -regulierung auf europäischer Ebene und damit ein Grundelement der Unionsteleologie745 darstellt. Von dort werden sie mittels Rechtsakten der EU Gegenstand der nationalen Rechts- und Wirtschaftsordnungen und müssen sich auch in dieses Wertungsgefüge einbetten lassen. Das EU-Recht unterliegt insoweit nach der Praxis des Gerichtshofes gerade auch mit Hinblick auf teleologische Argumente einer eigenen unionsrechtlichen Interpretationslehre, welche besonderen und übergeordneten Grundsätzen folgt746. Das Unionsrecht wird insoweit als Ausdruck eines fortschreitenden Integrationsprozesses ausgelegt747. Besonderem Gewicht kommt dabei dem »effet utile«-Grundsatz zu. Danach sollen europäische Normen so ausgelegt werden, dass sie möglichst wirksam zur integrationsgerichteten Erreichung der Vertragsziele beiträgt748. Insoweit betrachtet der EuGH bei der teleologischen Aus744 S. hierzu auch allgemein Buck, Über die Auslegungsmethoden des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft, 1998, S. 201. 745 Vgl. Art. 3 Abs. 2 EUV. 746 Vgl. Schroeder, JuS 2004, 180. 747 Vgl. Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 2018, § 9 Rn. 176 am Beispiel der Entscheidung EuGHE 1963, 23, C-26/62 (»Van Gend & Loos«). 748 Vgl. Streinz, Der »effet utile« in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, in: Due/Everling [Hrsg.], FS-Everling, Bd. II, 1995, S. 1491; Seyr, Der effet

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legung zunächst die praktischen Folgen von gemeinschaftsrechtlichen Normen im Wege einer Prognoseentscheidung (»effet nécessaire«) 749. Folgerichtig kommt teleologischen Auslegungsargumenten in der Rechtsprechung des EuGHs eine tragende Bedeutung zu750. Ein beliebtes Argument ist insbesondere der dem Gemeinschaftsrecht zugrunde liegende Gedanke der Harmonisierung und Integration. Solche Argumente müssen hier aber mit Vorsicht genossen werden, da wie bereits gezeigt im Bereich der Rechnungslegung ein europäischer Konsens kaum möglich war und die Übernahme der IFRS lediglich einen Minimalkonsens darstellen. Naheliegend wäre daher, als Erkenntnisquellen für das Telos der jeweils anzuwendenden Standards einen möglichst klar umrissenen und speziellen Zweck des IFRS-Systems selbst zugrunde zu legen. Insoweit besteht aber die Gefahr, dass der Wille des europäischen Gesetzgebers unterlaufen und europäische Prinzipien missachtet werden. Es muss daher für jede mögliche Erkenntnisquelle eine kritische Prüfung ihrer Relevanz und der Orientierung an national-mitgliedsstaatlichen und europäischen Interessen herausgearbeitet werden. Die starre Darstellung der Auslegung »nach Sinn und Zweck« als teleologische Betrachtungsweise lässt sich indes auch kritisch betrachten. Richtig ist, dass Savignys Auslegungskanon ein entsprechendes teleologisches Argument vermissen ließ. Das ist letztlich konsequent, da das Recht für Savigny grundsätzlich zweckfrei ist751. Äußere Zwecke würden dem Freiheitsgedanken in Savignys Denken widersprechen. Erst Jhering hat dann den äußeren Zwecken die entscheidende Rolle in der Anwendungs- und Auslegungslehre eingeräumt, ein Denken, welches sich in der Spätpandektistik fortsetzte752. Entgegen Jherings Polemik hat Savigny aber die soziale Wirklichkeit im Recht nicht außer Acht gelassen. Vielmehr hat er in der Interpretation und Anwendung von Rechtsgrundsätzen deren »Übergang ins Leben« gesehen. Dabei musste in seinem Denken der Gedanke des Normgebers rekonstruiert und in die Realität überführt werden.

749 750 751 752

utile in der Rechtsprechung des EuGHs, 2008, S. 100ff.; erstmals EuGH, Urt. v. 15. 07. 1963, C34/62, Slg. 1963, 287ff., 318; hierzu auch schon Teil 2 Kapitel C V. 4. a. Vgl. Müller/Christensen, Juristische Methodik Band II, 2012, Rn. 434ff. m. w. N.; EuGH, Urt. v. 01. 10. 2002, Rs. C-167/00 (»Henkel«) Rn. 35; EuGH, Urt. v. 17. 09. 2002, Rs. C-253/00 (»Muñoz und Superior Fruiticola«) Rn. 24ff. Vgl. Beckmann, IFRS, 2008, S. 141, Schroeder, JuS 2004, 180, 183; Streinz, ZEuS 2004, 387, 404. Vgl. Herzog, Anwendung und Auslegung von Recht, 2014, S. 96 mit ausführlicher Herleitung dieser Aussage; a. A. etwa Adomeit/Hähnchen, Rechtstheorie, 2012, S. 49, die Savignys Denken als »teleologisch« bezeichnen. Vgl. Herzog, Anwendung und Auslegung von Recht, 2014, S. 171; dort heißt es auf S. 719 zusammengefasst: »Überspitzt könnte man formulieren, dass Savignys Anwendungs- und Auslegungsverständnis im Zeichen der Freiheit steht, Jherings dagegen im Zeichen des Zwecks.«

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Die Kritik der jüngeren Literatur zur Bedetung der teleologischen Betrachtung insbesondere auch im internationalen Bereich hat sicherlich ihre Berechtigung753. Der Zweck ermöglicht eine Verschleierung rechtspolitischer Überlegung bei der Anwendung des Rechts754. Mit Herzog lässt sich daher gut argumentieren, die starre Betrachtung teleologischer Argumentationsregeln aufzugeben und stattdessen in Anlehnung internationaler Prinzipien weitergehende Erkenntnisquellen in Bezug auf Gedanke und Realität zu berücksichtigen und den beschwerlichen Weg zu gehen, nicht Zwecke und Werte, sondern systematische und historische Erwägungen in den Blick zu nehmen755. Eine Alternative zur vorherrschenden Auslegung nach teleologischen Grundsätzen zu entwickeln und argumentieren würde den Rahmen dieser Arbeit übersteigen, weshalb auch hier anhand des in der Literatur und Rechtsprechung (noch) vorherrschenden Auslegungskanons aufgebaut wird. Die Gefahr teleologischer Argumente liegt auf der Hand: Es bietet für Rechtsanwender und Gerichte die Möglichkeit, den Normbereich auf ein bestimmtes Ziel hin auszulegen und damit willkürlicher Gesetzesanwendung Vorschub zu leisten756. Gerade das dynamisch verstandene und integrationsfreundlich ausgelegte EU-Recht droht den Boden einer methodisch nachvollziehbaren Anwendung zu verlassen und allgemeine politische Wertungen in den Vordergrund zu stellen757. Trotz dieser grundlegenden und berechtigten Kritik an der politischen Rückanknüpfung teleologischer Auslegungsargumente wird nicht verkannt, dass Recht und Lebenswirklichkeit keine trennbaren Bereiche sind758. Ein strenger Rechtspositivismus wird daher heute auch nicht mehr ernsthaft vertreten. 753 Vgl. kritisch etwa Höpfner/Rüthers, Europäische Methodenlehre, S. 7f.; Herzberg, Teleologische Auslegung, S. 527; Rückert/Seinecke, 12 Methodenregeln, S. 56, Herzog, Anwendung und Auslegung, 2014, S. 723f., 749. 754 Vgl. Herzog, Anwendung und Auslegung, 2014, S. 724. 755 Vgl. Herzog, Anwendung und Auslegung, 2014, S. 725, 749. 756 In diese Richtung auch: Müller/Christensen, Juristische Methodik Band II, 2012, Rn. 432; Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 2018, § 9 Rn. 176f.; Haltern, Europarecht, 2007, Rn. 629; zur Legitimation und den Grenzen der Rechtsfortbildung s. Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union, 2015, Rn. 408f. 757 Zur Kritik am EuGH als »politischer Motor des Gemeinschaftsrechts« s. Streinz-Huber (2018), Art. 19 EUV, Rn. 32ff. mit diversen Rechtsprechungsnachweisen; Calliess/RuffertWegener (2016), Art. 19 EUV, Rn. 18ff.; Weiler, The Essential Jurisprudence of the Europea Court of Justice, in: Pernice/Kokott/Saunders [Hrsg.], The Future of the European Judicial System, 2006, S. 117ff., 122; Dobler, Legitimation und Grenzen der Rechtsfortbildung durch den EuGH, in: Roth/Hilpold [Hrsg.], Der EuGH und die Souveränität der Mitgliedsstaaten, 2008, S. 509ff.; Walter, Rechtsfortbildung durch den EuGH , 2009; Haack, Verlust der Staatlichkeit, 2007, S. 342f.; kritisch auch das Bundesverfassungsgericht, vgl. BVerfGE 89, 155ff., 210. 758 Hierzu ausführlich Müller/Christensen, Juristische Methodik Band II, 2012, Rn. 467; Müller, Thesen zur Struktur von Rechtsnormen, in: Müller [Hrsg.], Rechtsstaatliche Form – Demokratische Politik, 1977, S. 257ff., 259ff.

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Gerade im Bereich der Rechnungslegung spielen tatsächliche Bedürfnisse, Entwicklungen und Gegebenheiten eine überragende Rolle, so dass eine »Prinzipienreiterei« fehl am Platz wäre. Müller/Christensen haben in Bezug auf die komplexe ökonomische Lebenswirklichkeit zutreffend formuliert, dass »Recht nicht mehr beanspruchen [kann], den Möglichkeitshorizont, etwa unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit, unmittelbar steuern zu wollen, [sondern] es vielmehr darum geht, die Selbstveränderungsfähigkeit einer pluralen Gesellschaft durch Mechanismen indirekter Steuerung zu erhalten.«759 Gerade das ist der Grund, weshalb private Selbstregulierung im Bereich der Rechnungslegung Sinn macht. Erforderlich ist aber die Wahrung des demokratischen Prinzips durch Einflussnahme des Gesetzgebers und Schaffung eines wirksamen Rahmens zur Wahrung öffentlicher Interessen. Die nachfolgenden Überlegungen sollen mögliche Erkenntnisquellen für das Telos der jeweils auszulegenden Rechnungslegungsstandards herausarbeiten und eben diese Prüfung vornehmen. Da das Endorsement der IFRS in den europäischen Rechtsraum ein vereinfachtes Übernahmeverfahren und kein förmliches Gesetzgebungsverfahren darstellt, sind in diesem Rahmen vor allen Dingen übergeordnete Rechts- und Rechnungslegungsprinzipien aus europäischer Sicht von Interesse. Spezielle Zwecke einzelner Standards lassen sich primär aus den Erkenntnisquellen der IFRS selbst ableiten760. In den nachfolgenden Kapiteln wird versucht, die Erkenntnisquellen für den europäischen und deutschen Rechtsraum zu systematisieren, ohne dass ein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden kann. aa. Grundlage – Zweckorientierte Bilanztheorie Grundlage für das Verständnis des Telos eines Rechnungslegungsstandards bildet dabei die allgemein verfolgte Bilanztheorie sowie die Rechnungslegungsprinzipien, welche ein Rechnungslegungssystem dem Grunde nach verfolgen soll. Im Bereich der Rechnungslegung lässt sich das im Ergebnis verfolgte Ziel in der Regel in Grundprinzipien zusammenfassen und dann in unterschiedlichste Mittel der Zweckerreichung aufteilen. Ohne ein grundlegendes Verständnis der Bilanztheorie, d. h. auch der Frage, was die IFRS-Rechnungslegung überhaupt erreichen kann und die konkret verfolgten Ziele und Rechnungslegungssysteme auf europäischer und deutscher Ebene lassen sich die in den nächsten Ab-

759 Vgl. Müller/Christensen, Juristische Methodik Band II, 2012, Rn. 484. 760 Vgl. Beckmann, IFRS, 2008, S. 142, welche zutreffend ausführt, dass sowohl gemeinschaftsrechtliche als auch nicht gemeinschaftsrechtliche Quellen die teleologische Auslegung stützten müssten. Auch an dieser Stelle sei aber darauf hingewiesen, dass aufgrund der mangelnden Einflussnahme der EU und insbesondere des europäischen Gesetzgebers auf das Standardsetting den übergeordneten europäischen Prinzipien besondere Bedeutung zukommen muss.

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schnitten folgenden Überlegungen zu den Erkenntnisquellen nicht sachgemäß erfassen761. Anknüpfungspunkte der Teleologie bilden das Steuerungsanliegen sowie die politischen Zielvorstellungen762. Im bilanzwissenschaftlichen Vordergrund dieser Arbeit steht daher eine zweckorientierte Bilanzbetrachtung. Der Aussagegehalt von Finanzinformationen ist begrenzt. Für den Jahresabschluss gilt dies umso mehr, da die berechtigten Interessen der Unternehmen und der Öffentlichkeit derart in Einklang zu bringen sind, dass eine vollständige Offenlegung sämtlicher Informationen weder gewollt noch zweckmäßig wäre. Soweit daher teleologische Argumente aus deutscher und europäischer Sicht über die IFRSSystematik hinaus fruchtbar gemacht werden könnten, muss herausgearbeitet werden, welche Zwecke verfolgt werden, um insoweit die Grundprinzipien herauszuarbeiten. Die Zweckermittlung und Normauslegung sind insoweit als interpendente Prozesse anzusehen763. Die Zwecke der Rechnungslegung wiederum stehen im Zusammenspiel der jeweiligen staatlichen Systeme und sozio-ökonomischen Ausgangsbedingungen. Der Harmonisierungsprozess steht hierbei am Ende, nicht am Anfang764. Während etwa das IASB mit dem IFRS-Jahresabschluss allein den monistischen Rechnungslegungszweck der Decision Usefulness verfolgt, soll der handelsrechtliche Jahresabschluss verschiedenen Zwecken genügen765. Dies macht klar, dass die Grundprinzipien der Rechnungslegungssysteme voneinander abweichen. Je enger und konkreter der Rechnungslegungszweck gefasst wird, desto genauer können die Prinzipien allein auf diesen ausgerichtet werden. Das sich die IFRS zumindest im Rahmen der Auslegung und Lückenschließung auch in das System der EU sowie der jeweiligen Mitgliedsstaaten fügen müssen, ist eine prinzipienorientierte und bilanzwissenschaftliche Herleitung teleologischer Argumente zulässig und erforderlich766. Hinzu kommt, dass fraglich ist, inwieweit die Informationsfunktion überhaupt einen hinreichend konkreten Zweck der Rechnungslegung darstellt, da letztlich jedwede Art der Rechnungslegung einem Informationszweck dienen soll. Der Begriff ist in diesem Sinne zirkulär767.

761 Vgl. hierzu die grundlegenden Ausführungen in Teil 1 Kapitel A II. 762 Vgl. Haverkate, Gewissheitsverlust im juristischen Denken, 1977, S. 113f. 763 Vgl. hierzu sowie zur Zweckermittlung für Einzelnormen sowie zur Abwägung gleichwertiger Zwecke Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 2017, S. 93, 102ff.; Ballwieser, in: Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung, 2018, B 105, Rn. 2. 764 Vgl. Fülbier/Gassen/Ott, DB 2010, 1357, 1360. 765 S. hierzu Teil 2 Kapitel C II. 5. sowie V. 2. c. 766 Zur Bedeutung der Prinzipienorientierung s. auch Schildbach, BFuP 2003, 247ff. 767 So zutreffend Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 2017, S. 98.

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bb. Grundprinzipien Europäischer Rechnungslegung Wie bereits in der historischen Entwicklung dargestellt wurde, sind Grundsätze europäischer Rechnungslegung deshalb schwer auszumachen, da ein Konsens innerhalb der Mitgliedsstaaten gerade nicht gefunden werden konnte. Ein Minimalkonsens konnte durch die EG-Bilanzrichtlinien geschaffen werden, welche zugleich ein grundlegendes europäisches Rechnungslegungssystem aufstellen. Indes entbehren die Bilanzrichtlinien einer näheren Ausgestaltung, welche Rückschlüsse auf konkrete Bilanzierungsentscheidungen zuließe. Ziel war und ist vielmehr die Aufstellung allgemeiner Bestimmungen, welchen die nationalen Rechnungslegungssyteme folgen müssen768. Das europäische Bilanzrecht verfolgt, übereinstimmend mit der allgemeinen Zielrichtung der volkswirtschaftlichen Harmonisierung, die übergeordneten Ziele des Schutzes von Share- und Stakeholdern sowie der Gleichwertigkeit der Wettbewerbsbedingungen auf dem europäischen Binnenmarkt769. Daraus lassen sich als Zwecke des europäischen Bilanzrechts allgemein die Informationsfunktion unter Berücksichtigung von Schutzfunktionen sowie die Ausschüttungsbemessungsfunktion zuordnen. Die aus letzterer herrührenden Kapitalschutzzwecke sind jedoch immer wieder in Kritik geraten770. Die Abkehr vom kontinentaleuropäischen, gesellschaftsrechtlichen Kapitalschutzverständnis hätte auch Auswirkungen auf die Ebene der Bilanzierung, greift aber derzeit nicht durch771. Die Rechnungslegung nach den EG-Bilanzrichtlinien bzw. nunmehr der neuen EU-Bilanzrichtlinie entspricht damit im Wesentlichen772 dem Zwecksystem, wie es auch im HGB zugrunde gelegt wird773. Eine umfassende Anknüpfung an die Grundprinzipien und Einzelausprägungen der IFRS besteht daher nur innerhalb des Anwendungsbereichs der IAS-VO.

768 Art. 6 der Bilanzrichtlinie stellt etwa Grundannahmen wie das Going-Concern-Prinzip (Abs. 1 lit. a) oder das Vorsichtsprinzip (Abs. 1 lit c) heraus. 769 Zur Zielhierarchie des europäischen Bilanzrechts vgl. etwa Gimpel-Kloos, Die Ausübung nationaler Wahlrechte im Hinblick auf die Zielsetzung der 4. EG-Richtlinie, 1990, S. 84; im Übrigen nimmt Erwägungsgrund 4 der EU-RL/2013/34 Bezug auf die Vielfalt der Jahresabschlussziele, die nicht nur als Informationsbasis für Kapitalmarktanleger zu betrachten sind. 770 Vgl. Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt-Fleischer (2017), GmbH-Gesetz, Systematische Darstellung 5, Rn. 82–86, auch zu Alternativkonzepten. 771 Insbesondere konnte die Vorteilhaftigkeit anderer Systeme wie etwa Solvenztests nach anglo-amerikanischem Vorbild empirisch nicht validiert werden, vgl. Schruff/Lanfermann, WPg 2008, 1099ff. 772 Ausgenommen ist lediglich die steuerrechtliche Maßgeblichkeit, welche insbesondere auf die handelsrechtlichen Gewinnermittlungs-GoB zurückwirkt, hierzu näher Teil 3 Kapitel E I. und II. 773 Vgl. MüKo/HGB-Reiner (2013), § 264 Rn. 28; s. auch Zwirner, DStR 2014, 439, 445, der hervorhebt, dass weiterhin dem »HGB-Grundgedanken« Rechnung getragen werden muss.

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cc. Grundprinzipien Deutscher Rechnungslegung Kein Rechnungslegungssystem steht für sich allein, sondern immer innerhalb eines ökonomischen Gesamtgefüges. Vor dem Hintergrund einer zweckorientierten Bilanztheorie erfordert eine Harmonisierung der Rechnungslegung daher zunächst eine Verständigung über die Zwecke des Jahresabschlusses, über die rechtlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, darüber, was ein Financial Statement im konkreten volkswirtschaftlichen Kontext überhaupt leisten kann und soll774. Keinesfalls kann es der richtige Weg sein, durch oktroyierte Systeme Harmonisierungen der zugrunde liegenden sozio-ökonomischen Bedürfnisse zu induzieren. In diesem Sinne kann es erforderlich sein, das IFRS-System auf Besonderheiten und Zielsetzungen deutscher Rechnungslegungstradition hin auszulegen. Die bereits eintretenden und zukünftig auch weiter zu erwartenden775 Konvergenzen der volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen durch Globalisierungstendenzen führen dann zwangsläufig dazu, dass Anwendung und Auslegung der IFRS deutlichere Harmonisierungstendenzen erkennen lassen. Derzeit folgt die Rechnungslegung im deutschen Raum noch immer dem tradierten Kontinentaleuropäischen Modell776. Der Jahresabschluss ist in diesem Sinne ein Vielzweckinstrument, welches diametral insbesondere die Ausschüttungsbemessungs- bzw. Kompetenzabgrenzungsfunktion sowie die Informationsfunktion erfüllen soll. Das Regulierungssystem ist daher hinsichtlich seiner Zweckmäßigkeit bei isolierter Betrachtung einzelner Ziele notwendig inkonsistent777. Der deutsche Gesetzgeber versucht diesen Zwecksetzungen gleichwohl durch abwägende kodifizierte Vorschriften zur Rechnungslegung möglichst umfassend gerecht zu werden. Daneben haben sich allgemeine Prinzipien entwickelt, welche eine normergänzende, norminterpretierende und lückenschließende Funktion erfüllen. Diese ursprünglich nicht kodifizierten, teilweise aber nachträglich ge774 So auch Havermann, Internationale Entwicklungen in der Rechnungslegung, S. 667f., in: Ballwieser/Böcking/Drukarzcyk/Schmidt [Hrsg.], 1994, FS-Moxter, S. 657–677; Meyer, Ausgewählte Fragen zur Vereinheitlichung der Rechnungslegung in der EG, S. 169 in: IdW [Hrsg.], Das vereinigte Deutschland im europäischen Markt, Bericht über die Fachtagung des IDW 1991, 1992, S. 165–175; zwar mag seit diesen zeitlich weiter zurückliegenden Beiträgen eine Angleichung auch der sozio-ökonomischen Faktoren erfolgt sein, eine völlige Harmonisierung ist allerdings nicht gegeben. 775 An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass diese Entwicklung bei Zunahme der bereits entstandenen europakritischen, teilweise auch europafeindlichen Positionen innerhalb der Mitgliedsstaaten durchaus eine Umkehrung erfahren könnte. 776 Vgl. Havermann, Internationale Entwicklungen in der Rechnungslegung, S. 659, in: Ballwieser/Böcking/Drukarzcyk/Schmidt [Hrsg.], FS-Moxter, 1994, S. 657–677; Mueller/Gernon/ Meek, Accounting: An International Perspective, 1994, S. 15f.; Rost, Der internationale Harmonisierungsprozess der Rechnungslegung, 1991, S. 67–69; Hennrichs, NZG 2013, 681. 777 So zutreffend Schildbach/Stobbe/Brösel, Der handelsrechtliche Jahresabschluss, 2013, S. 37.

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setzlich fixierten oder durch konkrete Vorschriften für bestimmte Sachverhalte konkretisierten, Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung stellen zwingend zu beachtende Rechtssätze dar, deren rechtsdogmatische Herleitung umstritten ist778. Von besonderer Bedeutung ist das Vorsichtsprinzip, welches dem Gläubigerschutz dienen soll. Wichtige Ausprägungen hiervon sind das Realisationsprinzip sowie das Imparitätsprinzip gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB. Beide zielen vereinfacht ausgedrückt darauf ab, dass GuV-wirksame Geschäftsvorfälle das Bild des Unternehmens im Falle der Unsicherheit über die tatsächliche Auswirkung nicht zu positiv darstellen779. Darin zeigt sich, dass das deutsche Bilanzrecht den Gläubigerschutz der Informationsfunktion nicht unterordnet. Seit der Einführung von § 264 Abs. 2 S. 1 HGB wird für kapitalgesellschaftliche Jahresabschlüsse ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der VFE-Lage gefordert. Dieser Grundsatz beruht auf der Umsetzung von Art. 2 Abs. 3 der 4. EG-Rechnungslegungsrichtlinie und stellt einen Kompromiss zwischen deutschen und europäischen Rechnungslegungsprinzipien dar. Während nach deutschen Vorstellungen der Jahresabschluss einen im Rahmen der Bewertungsvorschriften möglichst genauen Einblick in die Vermögens- und Ertragslage geben sollte, beruhen die europäischen Vorstellungen auf der Verankerung des angelsächsischen True and Fair View-Prinzips. § 264 Abs. 2 S. 1 HGB stellt weiterhin auf die Bewertungskonzeption der GoB aus § 252 HGB ab780. Bewusst verzichtet der deutsche Gesetzgeber auf die Übernahme von Art. 2 Abs. 5 der 4. EG-Rechnungslegungsrichtlinie, welcher eine Durchbrechung nationaler Vorschriften für den Fall vorsah, dass sie mit dem True and Fair ViewPrinzip im Einzelfall im Widerspruch stehen781. Hierin zeigt sich die kritische Haltung Deutschlands gegenüber den europäischen und internationalen Rechnungslegungsprinzipien. Auch die richtlinienkonforme Auslegung kann nicht dazu führen, dass das True and Fair View-Prinzip in seiner autonomen gemeinschaftsrechtlichen Ausprägung782 dem nationalen Recht vorgeht. Eine Auslegung contra legem ist gerade nicht möglich783. Der Wortlaut von § 264 Abs. 2 S. 1 HGB gibt vor, dass die Vorschrift entgegen Art. 2 Abs. 5 der 4. EG-Rechnungslegungs778 779 780 781 782

Hierzu näher Teil 2 Kapitel C VI. Grundlegend hierzu schon Teil 2 Kapitel C II. 2. Hierzu ausführlich Kapitel C VI. 2. b. bb. S. BT-Drs 10/310, S. 77. Vgl. hierzu Van Hulle, True and Fair View, in: Förschle/Budde/Kaiser/Moxter [Hrsg.], FSBudde, 1995, S. 313, 317 f; Ordelheide, EAR 1993, 81 f. 783 So zur Frage der Reichweite richtlinienkonformer Auslegung auch: EuGH, Urt. v. 14. 07. 1994, Rs. C-91/92 (»Faccini Dori / Recreb«) = NJW 1994, 2473; EuGH, Urt. v. 07. 03. 1996, Rs. C-192/94 (»El Corte Inglés SA«) = NJW 1996, 1401; BVerfG, Beschl. v. 26. 9. 2011, AZ: 2 BvR 2216/06 u. a. = NJW 2012, 669 (»Grenzen an dem nach innerstaatlichem Recht methodisch Erlaubten«).

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richtlinie nach deutschem Recht unter Beachtung der diesbezüglichen Rechnungslegungsprinzipien auszulegen ist. Insoweit weicht § 264 Abs. 2 S.1 HGB vom angelsächsischen True and Fair View-Prinzip ab. Im deutschen Regulierungskontext kann es sich auch deshalb um keine Zielsetzung handeln, da die GoB als Einschränkung dieses Grundsatzes durch Deduktion aus den Jahresabschlusszielen hergeleitet werden müssen und es sich damit um eine Zirkeldefinition handeln würde784. Trotz dieser grundsätzlichen Abweichung soll nicht vergessen werden, dass die HGB-Bilanzierungsvorschriften bereits heute teilweise auf den EG-Rechnungslegungsrichtlinien sowie der zunehmenden nationalen Annäherung an die angelsächsische Rechnungslegungstradition durch das BilMoG und BilRUG basieren und damit auch eine völlige Prinzipienabweichung auf bilanzwissenschaftlicher und rechtsdogmatischer Sicht nicht dauerhaft aufrecht zu erhalten sein wird. Es wird im Übrigen zunehmend befürchtet, dass bei der Auslegung der HGB-Normen insbesondere die vier größten, international tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (sog. Big-4785) IFRS-Rechnungslegungsgrundsätze berücksichtigen werden786. Diese Befürchtungen sind insbesondere dadurch berechtigt, dass der eng mit dem IASB zusammenarbeitende DRSC e.V. deutsche Rechnungslegungsstandards entwickelt787. Diese Aspekte werden ausführlich unter der Problematik der Auslegungshilfe der IFRS für handelsrechtliche Vorschriften diskutiert788. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die deutschen Rechnungslegungsvorschriften eine Annäherung an die internationalen Prinzipien erfahren, aber dennoch im deutschen Rechtsraum eine IFRS-Auslegung vor dem Hintergrund sozioökonomischer Eigenheiten und tradierte kontinentaleuropäischer Systeme angemessen Berücksichtigung finden müssen. dd. Erwägungsgründe der Basis-VO und Übernahmevoraussetzungen Tatsächlich bietet das Europäische Recht in Bezug auf die IFRS nur wenige spezifische Anknüpfungspunkte für Erkenntnisquellen der Auslegung und Lückenschließung. Ausgangspunkt ist die IAS-VO. Hier finden sich die Erwägungsgründe und die Übernahmevoraussetzungen. 784 Vgl. auch Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, 2018, S. 18. 785 Das sind Deloitte, Ernst & Young, KPMG und PricewaterhouseCoopers (PwC). 786 Vgl. hierzu etwa Moxter, WPg 2009, 7ff., welcher sich ausdrücklich gegen die Auslegung handelsrechtlicher Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung auf Grundlage der IFRS ausspricht. 787 Jüngst hat aber selbst Prof. Dr. Andreas Barckow, Präsident des DRSC e.V. darauf hingewiesen, dass das IASB die Akzeptanz der IFRS nur dann wird erhalten und steigern können, wenn es nicht sämtliche Probleme bis ins letzte Detail wird regulieren wollen und den Staaten ein gewisses Maß an Freiheit einräumt, vgl. Barckow, IRZ 2015, 265, 266. 788 Vgl. Teil 2 Kapitel C VI.

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(1) Erwägungsgründe der Basis-VO Ein Rückgriff auf die Erwägungsgründe erscheint daher wichtig, um das Telos der IAS-VO und der endorsed IFRS vor dem Hintergrund der wenigen, aber weitgreifenden Artikel der IAS-VO auszumachen. Die Frage nach der allgemeinen Bedeutung von Erwägungsgründen ist schwer zu beantworten. Die Erwägungen sind nicht integraler Bestandteil der rechtlich verbindlichen Norm, wenngleich sie in der Regel ausführlich im jeweiligen Rechtsakt dieser vorangestellt sind789. Der EuGH führt in ständiger Rechtsprechung aus, dass »[…] die Begründungserwägungen eines Gemeinschaftsrechtsakts rechtlich nicht verbindlich sind und weder herangezogen werden können, um von den Bestimmungen des betreffenden Rechtsakts abzuweichen, noch, um diese Bestimmungen in einem Sinne auszulegen, der ihrem Wortlaut offensichtlich widerspricht.«790 Eine Rechtsfortbildung ist daher auf Grundlage der Erwägungsgründe nicht möglich. Bedeutung erlangen die Erwägungsgründe indes für die Begründung teleologischer Argumente791. Da ein Verständnis des Telos eines Rechnungslegungssystems nur vor dem Hintergrund des verfolgten Bilanzzwecks möglich ist, muss dieser Zweck aus den Erwägungsgründen allgemein abgeleitet werden. Dadurch wird auch erkenntlich, weshalb die IFRS geeignete Standards für diesen Zweck darstellen sollen und können. In den Erwägungsgründen heißt es: »Um zu einer Verbesserung der Funktionsweise des Binnenmarkts beizutragen, müssen kapitalmarktorientierte Unternehmen dazu verpflichtet werden, bei der Aufstellung ihrer konsolidierten Abschlüsse ein einheitliches Regelwerk internationaler Rechnungslegungsstandards von hoher Qualität anzuwenden. Überdies ist es von großer Bedeutung, dass an den Finanzmärkten teilnehmende Unternehmen der Gemeinschaft Rechnungslegungsstandards anwenden, die international anerkannt sind und wirkliche Weltstandards darstellen. Dazu bedarf es einer zunehmenden Konvergenz der derzeitig international angewandten Rechnungslegungsstandards, mit dem Ziel, letztlich zu einem einheitlichen Regelwerk weltweiter Rechnungslegungsstandards zu gelangen.«792 »Diese Verordnung zielt darauf ab, einen Beitrag zur effizienten und kostengünstigen Funktionsweise des Kapitalmarkts zu leisten. Der Schutz der Anleger und der Erhalt des Vertrauens in die Finanzmärkte sind auch ein wichtiger Aspekt der Vollendung des Binnenmarkts in diesem Bereich.«793 789 Vgl. Deutscher Bundestag, Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 995/2010 – Auslegungsgrundsätze des EuGHs, 2016, S. 4. 790 S. etwa EuGH, Urt. v. 19. 6. 2014, Rs. C-345/13 (»Karen Millen Fashions«), Rn. 31, s. auch: EuGH, Urt. v. 24. 11. 2005, Rs. C-136/04 (»Deutsches Milchkontor«), Rn. 32; EuGH, Urt. v. 19. 11. 1998, Rs. C-162/97 (»Nilsson«), Rn. 54. 791 Vgl. Calliess/Ruffert-Wegener (2016), Art. 19 EUV, Rn. 16; von der Groeben/Schwarze/HatjeGaitanides (2015), Art. 19 EUV, Rn. 47; Bleckmann, RIW 1987, 929, 932. 792 S. IAS-VO, Erwägungsgrund 2. 793 S. IAS-VO, Erwägungsgrund 4.

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»Für die Wettbewerbsfähigkeit der gemeinschaftlichen Kapitalmärkte ist es von großer Bedeutung, dass eine Konvergenz der in Europa auf die Aufstellung von Abschlüssen angewendeten Normen mit internationalen Rechnungslegungsstandards erreicht wird, die weltweit für grenzübergreifende Geschäfte oder für die Zulassung an allen Börsen der Welt genutzt werden können.«794

Damit wird die Zielsetzung der europäischen Rechnungslegung recht genau umrissen. Die Vorschriften zielen auf die Effizienz der Kapitalmärkte ab. Dabei soll neben der europäischen Harmonisierung und Vergleichbarkeit der Abschlüsse ein Standard geschaffen werden, der global anerkannt ist und somit über die Grenzen Europas hinausgeht. Nationale Besonderheiten werden weder erwähnt, noch als berücksichtigungsfähig erklärt. Eine kapitalmarkt- und damit anlegerorientierte Rechnungslegung basiert vornehmlich auf der Überlegung, dass der »homo oeconomicus« als Idealbild des kapitalistischen Individuums seine Entscheidung an Nutzenmaßstäben orientieren wird. Den Nutzen zieht der Anleger aus den zukünftigen Zahlungsströmen, welche aus der Anlage resultieren795. Optimal wären daher Informationen, welche möglichst objektiv die Bewertung des zukünftigen Erfolges eines Unternehmens zuließen. Neben der Frage, was aus Sicht des Anlegers als mit Zahlungsströmen verbundener Erfolg zu sehen ist, verkennt eine zukunftsorientierte Rechnungslegung, dass Zukunftsprognosen nur unter Unsicherheit und Berücksichtigung vergangener Umstände erfolgen können. Eine Bilanz kann eine anlegerorientierte und verlässliche Zukunftsprognose daher nicht leisten. Soweit also Stabilität, Integrität und Effizienz von Kapitalmärkten als Zwecksetzung hinter der europäischen, internationalen Rechnungslegung stehen soll, dürfen berechtigte Zweifel daran geäußert werden, ob die Übernahme der IFRS hier zielführend sein kann. Eine abschließende Untersuchung dieser Frage würde den Rahmen dieser Arbeit jedoch sprengen. Vielmehr soll insoweit noch auf einen anderen Aspekt hingewiesen werden. Die Erwägungsgründe zeigen, dass der europäische Gesetzgeber ein anlegerorientiertes und zukunftsgerichtetes Rechnungslegungssystem implementieren will und zu diesem Zweck die Übernahme der IFRS sinnvoll erscheint. Vor dem Hintergrund des Umstandes, dass die Übernahme der IFRS als einzige konsensfähige Möglichkeit zur Schaffung einer einheitlichen und umfassenden europäischen Rechnungslegung galt, ist es aber naheliegend, dass die Zwecksetzung eher an die IFRS angepasst wurde, als dass der Gemeinschaftsgesetzgeber unter Berücksichtigung mitgliedsstaatlicher und europäischer Besonderheiten im System der Rechnungslegung mit den IFRS Rechnungslegungsstandards gefunden hat, welche einem europäischen System entsprechen. Die tatsächliche 794 S. IAS-VO, Erwägungsgrund 5. 795 Hierzu ausführlich Teil 2 Kapitel C II.

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Bedeutung der Erwägungsgründe für teleologische Argumente ist damit im Verhältnis zu den diese enthaltenden IFRS-Beurteilungen gering. (2) Übernahmekriterien der Basis-VO Als Übernahmevoraussetzungen sieht Art. 3 Abs. 2 der IAS-VO vor, dass die zu übernehmenden IFRS dem Prinzip des Artikels 2 Absatz 3 der Richtlinie 78/660/ EWG und des Artikels 16 Absatz 3 der Richtlinie 83/349/EWG nicht zuwiderlaufen sowie dem europäischen öffentlichen Interesse entsprechen und den Kriterien der Verständlichkeit, Erheblichkeit, Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit genügen, die Finanzinformationen erfüllen müssen, um wirtschaftliche Entscheidungen und die Bewertung der Leistung einer Unternehmensleitung zu ermöglichen. Artikel 2 Absatz 3 der Richtlinie 76/660/EWG sieht vor, dass der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft zu vermitteln hat. Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 83/349/EWG sieht dieselben Anforderungen für den konsolidierten Konzernabschluss vor. Erstaunlicherweise wird kein Bezug auf das Vorsichtsprinzip genommen, obwohl es gemäß Art. 6 Abs. 1c der Richtlinie 2013/34/EU Gegenstand der europäischen Rechnungslegung ist und auch schon in den Vorgängerregelungen war. Ohne Erfüllung dieser Kriterien darf ein IFRS nicht in europäisches Sekundärrecht übernommen werden und entfaltet somit auch keine normative Bindungswirkung796. Die Übernahmekriterien sind damit die eigentliche Rückbesinnung auf den gesetzgeberischen Willen beim Endorsement von Regelungen eines privaten Standardsetters. Für die hiesigen Forschungsfragen haben die Übernahmekriterien daher aus zweierlei Gesichtspunkten Bedeutung: einerseits bilden sie für den Anwender der endorsed IFRS Auslegungskriterien, andererseits sind sie bereits im Komitologieverfahren für die EFRAG die maßgebliche und einzige objektive Orientierung zur Wahrung europäischer Interessen und Wertungen. Hinsichtlich der Übernahmevoraussetzungen des True and Fair View gemäß Art 3 Abs 2 IAS-VO und der Berücksichtigung europäischer öffentlicher Interessen wird deshalb mit Recht darauf hingewiesen, dass diese über das Endorsement andauernde Leitlinien für die Interpretation und Anwendung der IFRS im europäischen Rechtsraum darstellen797.

796 Zur Problematik der nicht übernommenen Standards als Erkenntnisquellen der Auslegung und Rechtsfortbildung siehe aber Teil 2 Kapitel C IV. 3. c. 797 Vgl. MüKo/Bilanzrecht-Hennrichs (2014), Einführung in die Rechnungslegung nach IFRS, Rn. 71 m.w.N.

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(a) Tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild Das Erfordernis einer Rechnungslegungsvorschrift, welche eine Darstellung eines Geschäftsvorfalls in einer den tatsächlichen Verhältnissen der VFE-Lage eines Unternehmens entsprechender Weise vorschreibt, wirft schon aus theoretischer Sicht Probleme aus. Es gibt nicht »die Bilanz« und damit auch nicht die Darstellung »der tatsächlichen Verhältnisse«. Die Verhältnisse können nur möglichst weitgehend auf einen bestimmten Rechnungslegungszweck hin dargelegt werden. Es gibt weder ein »richtiges« Vermögen, noch einen »richtigen« Gewinn798, welche das betriebswirtschaftliche Rechnungswesen ausweisen kann, sondern lediglich eine zweckmäßige Abbildung dieser Größen799. Erst im konkreten bilanzwissenschaftlichen Kontext kann einem solchen Begriff daher materieller Inhalt verliehen werden. Auch in der deutschen Rechnungslegung findet sich dieses Grundprinzip in § 264 Abs. 2 S. 1 HGB. Hier wird es in erster Linie als Auslegungshilfe verstanden800. Die entsprechende Vorschrift entspricht den Anforderungen von Art. 2 Abs. 3 der 4. EG-Rechnungslegungsrichtlinie und entspringt damit dem Gemeinschaftsrecht. Die Richtlinie selbst orientiert sich – wie die europäische Rechnungslegung als solche801 – am angelsächsischen System des True and Fair View802. Das Prinzip ist auch Grundlage der IFRS-Bilanzierung, vgl. IAS 1.15. Auch das IASB stellt die Forderung nach einem den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendem Bild der VFE-Lage aber nicht in den leeren Raum, sondern knüpft dieses an die Übereinstimmung mit den IFRS, insbesondere dem Rahmenkonzept. Es wäre daher ein unzulässiger Schluss, aufgrund der Verfolgung des True and Fair View-Prinzips auf europäischer Ebene müsste das entsprechende Übernahmekriterium stets erfüllt sein. Vielmehr entspringt jedem Rechnungslegungssystem ein autonomer Inhalt des True and Fair View-Prinzips803. Die IAS nehmen ausdrücklich Bezug auf das Rahmenkonzept, IAS 1.15 sowie auf die immanente Erfüllung des True and Fair View-Prinzips bei mit den IFRS übereinstimmender Bilanzierung, IAS 1.17. Wie bereits erläutert setzt das deutsche Handelsrecht den Bezug auf die GoB, § 264 Abs. 2 S. 1 HGB. Das Grundprinzip 798 Vgl. Hax, Was bedeutet Periodenerfolgsmessung?, in: Gillenkirch/Laux [Hrsg.], Wertorientierte Unternehmenssteuerung, FS-Laux, 2004, S. 77–98. 799 Haaker, Potential der Goodwill-Bilanzierung für eine Konvergenz im wertorientierten Rechnungswesen, 2008, S. 47ff.; Schneider, StuW 1983, 141, 149ff. 800 So auch Baumbach/Hopt-Merkt (2018), § 264 Rn. 18; näheres hierzu in Teil 2 Kapitel C VI. 2. b. 801 Hierzu ausführlich Teil 2 Kapitel C VI. 2. b. bb. (2). 802 Vgl. Schildbach, WPg 1979, 277, 279 ff.; Niehus, DB 1979, 221 ff.; Tubbesing, AG 1979, 92 f. 803 Dahingehend für das True and Fair View-Gebot als gemeinschaftsrechtliches Prinzip auch MüKo/HGB-Reiner (2013), § 264 Rn. 35; Van Hulle, True and Fair View, in: Förschle/Budde/ Kaiser/Moxter [Hrsg.], FS-Budde, 1995, S. 313, 317 f; Ordelheide, EAR 1993, S. 81 f.

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wird also jeweils in den Gesamtkontext des Rechnungslegungssystems eingebunden. Es darf nicht dazu verwendet werden, Rechnungslegungsvorschriften contra legem bzw. abweichend vom Sinn und Zweck anzuwenden. Im Ergebnis heißt das nichts anderes, als dass ein solches Prinzip keine eigenständige Bedeutung haben kann804, sondern seinen autonomen materiellen Norminhalt erst durch den Bezug zum jeweiligen Rechnungslegungssystem erlangt. Einen wirklichen Erkenntnisinhalt für die Arbeit der EFRAG und ARC bietet das in Art. 3 Abs. 2 IAS-VO zugrunde gelegte Prinzip insoweit nicht. Auch der Standardanwender kann auf derlei Grundlage keine methodisch nachvollziehbare und validierbare teleologische Auslegung vornehmen. Zur Sinnhaftigkeit des Prinzips hat Streim zutreffend die Frage verneint »ob rational handelnde Kapitalgeber und angestellte Manager eine derart vage Generalnorm vertraglich vereinbart hätten«805. Das ist wohl auch der Grund, warum das Prinzip trotz seiner überragenden Bedeutung im angelsächsischen Rechtsraum kaum Gegenstand gerichtlicher Kontrollen geworden ist806. Ein weiteres Problem bei der Frage nach der Erfüllung des True and Fair ViewPrinzips stellt sich aufgrund der Zukunftsorientierung der IFRS-Rechnungslegung807. Gefordert wird ein den »tatsächlichen« Verhältnissen entsprechendes Bild. Tatsache meint nach allgemein anerkannter Definition sowohl im alltäglichen als juristisch-fachsprachlichen Sprachgebrauch einen nachweisbaren Sachverhalt. D. h. soweit genug Informationen vorhanden sind, muss das Vorliegen eines tatsächlichen Umstandes als wahr oder unwahr angesehen werden können. In Bezug auf zukünftige Ereignisse können denklogisch aber nur Prognosen getroffen werden. Der Begriff der Prognose leitet sich vom griechischen Wort »prognosis« ab, welches mit »Vorwissen« übersetzt werden kann oder auch vom lateinischen praedicere (»voraussagen«). Eine Prognoseentscheidung ist daher ein subjektiver Vorgang, welcher objektive Umstände im Sinne von Tatsachen lediglich zugrunde liegen. Prognosen beinhalten immer eine Unsicherheit bezüglich des Ergebnisses808. Insoweit können die internationalen Rechnungslegungsstandards, die eine zukunftsorientierte Bilanzierung von Geschäftsvor804 Insoweit sei auch auf die überzeugende Auffassung von Schildbach/Stobbe/Brösel, Der handelsrechtliche Jahresabschluss, 2013, S. 34–38 hingewiesen, welche dem Jahresabschluss weder die Fähigkeit der Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögenslage, noch der Finanz- oder Ertragslage bescheinigen. 805 Vgl. Streim, Die Generalnorm des § 264 Abs. 2 HGB, in: Ballwieser/Böcking/Drukarczyk/ Schmidt (Hrsg.), FS-Moxter, 1994, S. 393, 395. 806 Vgl. Rutherford, The True and Fair View doctrine, S. 137, in: Macdonald/Ruhterford [Hrsg.], Accounts, Accounting and Accountability, 1989, S. 125–138. 807 Siehe hierzu Kapitel C V. 2. a. 808 Zum »Wirtschaften unter Unsicherheit« allgemein Sinn, Ökonomische Entscheidungen bei Ungewißheit, 1980; Kruschwitz/Husmann, Finanzierung und Investition, 2010, S. 83 ff; Franke/Hax, Finanzwirtschaft, 2009, S. 297ff.

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fällen fordern, schon denklogisch nicht zu einem den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendem Bild der VFE-Lage eines Unternehmens beitragen. Im Ergebnis wird es kaum möglich sein dem Begriff des True and Fair View einen hinreichend objektiven Bedeutungsinhalt zu geben, um hieraus Übernahmevoraussetzungen oder handhabbare Leitlinien für die Auslegung und Anwendung der Normen ableiten zu können. (b) Entscheidungsnützlichkeit der Finanzinformationen Auch mit der Forderung der Entscheidungsnützlichkeit von Finanzinformationen legt die EU ein Prinzip zugrunde, welches die monistische Zielsetzung der Finanzberichterstattung aus Sicht des IASB ist809. Ob hiermit eine Zielsetzung zugrunde gelegt wird, die auf ein von Europa gewünschtes Rechnungslegungssystem abzielt und damit europäische öffentliche Interessen hinreichend berücksichtigt, darf bezweifelt werden. Entscheidungsprobleme lassen sich in die Einzelkomponenten der Handlungsalternativen, Umwelteinflüsse, Konsequenzen aus Handlungsalternativen und Umwelteinflüssen sowie die Ziele und Präferenzen des Entscheiders zerlegen810. Die hieraus abzuleitende Auswahl einer optimalen Entscheidung obliegt der subjektiven Einschätzung des Entscheiders. Finanzinformationen sollen keine Entscheidung beeinflussen. Vielmehr sollen sie eine objektive Grundlage für die Ermittlung der Handlungsalternativen und Umwelteinflüsse geben. Die Entscheidungsnützlichkeit basiert auf den Überlegungen zu Informationsdefiziten von Personen, die mit dem in Frage stehenden Unternehmen finanzielle Verbindungen eingehen wollen und geht darüber nicht hinaus. Insbesondere kann Investoren durch die Informationsvermittlung nicht das Problem der Risikoverteilung und -bewertung abgenommen werden. Die ordnungsgemäße Darstellung der gegenwärtigen Lage des Unternehmens bietet die bestmögliche Ausgangslage für die Prognose zukünftiger Erträge als Grundlage der Unternehmensbewertung. Die Darstellung zukünftiger Erfolgspotentiale ist hingegen bei mangelnder Realisation risiko- und prognosebehaftet und damit nicht entscheidungsnützlich811. Ihre Bewertung hängt davon ab, inwieweit der Anleger risikoavers bzw. risikofreudig eingestellt ist. 809 Zur »decision usefulness« des IFRS-Jahresabschlusses vgl. Coenenberg/Haller/ /Schultze, Jahresabschluss, 2018, S. 67f. sowie Teil 2 Kapitel C V. 2. a. 810 Vgl. Eisenführ/Weber/Langner, Rationales Entscheiden, 2010, S. 19ff. 811 Gerade am Kapitalmarkt findet durch die Verteilung auf eine möglichst große Anzahl an Anlegern eine Risikoteilung statt, bei welcher in der Regel eine optimale Erfolgs- und Risikoteilung unter dem Aspekt zu ermitteln ist, dass die Besserstellung eines Anlegers nicht durch die Schlechterstellung eines anderen einhergeht (= pareto-optimale Erfolgs- und Risikoteilung). Zum sog. Pareto-Optimum auf Kapitalmärkten vgl. auch Laux/Gillenkirch/ Schenk-Mathes, Entscheidungstheorie, 2012, S. 329ff.

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Es handelt sich bei der Entscheidungsnützlichkeit von Informationen nicht um ein Prinzip der Rechnungslegung, sondern deren Zielsetzung. Die bloße Zielsetzung einer Entscheidungsnützlichkeit ist aber zu unbestimmt, um hieraus die erforderlichen Prinzipien der Rechnungslegungsnormen ableiten zu können. Der Abbau asymmetrischer Informationen ist Zweck jedweder Rechnungslegung812. Ökonomische Entscheidungen werden jedoch nicht allein von einer einzelnen Personengruppe verfolgt und nicht sämtliche Interessengruppen verfolgen dieselben Ziele. Das führt dazu, dass die Entscheidungsnützlichkeit ohne Beantwortung der Frage, für wessen Entscheidung die Finanzinformationen nützlich sein sollen, letztlich eine leere Worthülse bleibt. Im Ergebnis dürfte es daher nicht möglich sein, jemals einen Standard oder eine Interpretation mit der Begründung abzulehnen, diese Verlautbarung verstoße gegen das Prinzip der Entscheidungsnützlichkeit der Finanzinformation. Ausnahmsweise kann etwas anderes gelten, soweit eine Verlautbarung des IASB zu einem Information Overload813 führen würde, welcher dem Informationszweck zuwiderlaufen könnte. (c) Berücksichtigung europäischer öffentlicher Interessen Worin das allgemeine Interesse der Union liegt, muss insbesondere den Zielen und Grundsätzen des Vertrages entnommen werden, wobei der Schaffung der Bedingungen eines wettbewerbsfähigen, an der sozialen Marktwirtschaft orientierten Binnenmarkts neben Sozial- und Umweltschutz vorrangige Bedeutung zukommt814. Werte und Ziele der Union sind insbesondere in den Art. 2, 3 EUV festgelegt. Die Werte betreffen die staatstheoretischen Grundprinzipien und bieten für die hiesige Untersuchung keine Kriterien, die beim Endorsement berücksichtigt werden könnten. Auf die Problematik der demokratischen Legitimation bei der Übernahme von Regelungen privater Standardsetzer wurde bereits an anderer Stelle ausgiebig eingegangen815, so dass auf die entsprechenden Ausführungen Bezug genommen werden kann. Die in Art. 3 EUV zum Ausdruck gebrachten Ziele zeigen den Willen zur Vergemeinschaftung europäischer Mitgliedsstaaten, wobei wirtschaftliche Konvergenzentwicklungen im Vordergrund stehen. Insoweit errichtet die EU 812 S. Teil 1 Kapitel A II. sowie Teil 2 Kapitel C II. 813 Gemeint ist hiermit derjenige Anteil an Informationen, welcher aufgrund begrenzter kognitiver Fähigkeiten keinen Eingang in die Entscheidungsgrundlage finden kann, vgl. Milord/Perry, The Journal of General Psychology 1977, 131ff.; zur Kritik an dieser kognitiven Theorie in der Organisationstheorie s. Schick/Gordon/Haka, Accounting, Organizations and Society 1990, 199ff. 814 Vgl. Schwarze, Europäisches Wirtschaftsrecht, 2007, S. 27ff.; Kilian/Wendt, Europäisches Wirtschaftsrecht, 2017, S. 43ff.; Grabitz/Hilf/Nettesheim-Terhechte (2018), Art. 3 EUV Rn. 38–55; Calliess/Ruffert-Ruffert (2016), Art. 3 EUV Rn. 13ff. 815 S. insbesondere Teil 2 Kapitel C. I. dieser Arbeit.

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einen Binnenmarkt und eine Wirtschafts- sowie Währungsunion, Art. 3 Abs. 3, 4 EUV. Zur aktiven Binnenmarktpolitik gehören auch die Maßnahmen zur Rechtsangleichung gemäß Art. 114 AEUV816. Nationale Interessen sollen dabei im Konvergenzprozess Berücksichtigung finden. Sie dürfen nicht missachtet werden. Letztlich sind europäische öffentliche Interessen daher auch die öffentlichen Interessen der einzelnen Mitgliedsstaaten, zu derer Wahrnehmung die EU innerhalb der ihr übertragenen Kompetenzen verpflichtet ist. Worin das Unionsinteresse im Einzelfall besteht, ergibt sich darüber hinaus aus einer Gesamtbetrachtung der politischen Praxis der Unionsorgane, wie sie u. a. im Sekundärrecht zum Ausdruck kommt. Hier wird das Unionsinteresse von zuständiger Stelle artikuliert und konkretisiert817. Diese enge Anknüpfung an die zu regelnde Materie ist auch sachgemäß. Der Gerichtshof wendet wiederholt in ähnlichen Kontexten Argumente an, die, auf den gegenwärtigen Stand des Unionsrechts rekurrierend, das Ziel der streitigen Regelung und die Besonderheiten des jeweiligen Marktes als erkenntnisleitend begreifen818. Damit ist das wohl verstandene öffentliche europäische Interesse im Sinne des Übernahmekriteriums mit den bereits herausgearbeiteten öffentlichen Interessen an der Regulierung der Rechnungslegung819 identisch, jedoch unter Beachtung der konkreten unionsspezifischen Zielsetzung820. Es geht also um das Primärziel der effizienten Kapitalallokation im europäischen Binnenmarkt. Für die großen Konzerne mit stark ausgeprägter Kapitalbeschaffung an Finanzmärkten ist es auf Ebene des gemeinschaftsrechtlichen Binnenmarktes erforderlich, dass nationale Interessen gewahrt bleiben, jedoch untereinander dergestalt in Einklang zu bringen sind, dass eine möglichst einheitliche Rechnungslegung solcher Unternehmen auf europäischer Ebene möglich wird. Europäische Interessen enden nicht bei der Schaffung eines funktionsfähigen Binnenmarkts, sondern erstrecken sich auf die Wahrung europäischer wirtschaftlicher und politischer Einflussnahme im globalen Kontext, vgl. Art. 3 Abs. 5 EUV. Dabei darf aber nicht aus den Augen verloren werden, dass die Kompetenz der EU nicht so weit geht, dass sie für die Mitgliedsstaaten global anerkannte Rechnungslegungsstandards zur verpflichtenden Anwendung schaffen muss. Das kann nur innerhalb der Wahrung europäischer Interessen ein legitimes Ziel sein und stellt nicht selbst ein entsprechendes europäisches Interesse dar. Öffentliche Interessen an der effizienten Kapitalallokation bestehen in diesem 816 817 818 819 820

Vgl. zu den Grenzen etwa Möstl, EuR 2002, 318, 323ff. Vgl. Ehricke, EuZW 1998, 741, 746ff. S. EuGH, Urt. v. 16. 11. 2000, Rs. C-279/98 (»Preussen Elektra«), Slg. 2001, I-2099 Rn. 72. S. Teil 2 Kapitel C. II. Dies sind insbesondere auch die weiteren Grundprinzipien europäischer Rechnungslegung, wie etwa auch das Vorsichtsprinzip und der Gläubigerschutz, vgl. Teil 2 Kapitel C V. 4. e. bb. und cc.

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Sinne primär auf Ebene des Binnenmarkts, da eine globale Vereinheitlichung letztlich zu Kapitalabwanderungen führen könnte und damit den Verlust von Zukunftspotentialen bedeuten würde821. Nur innerhalb eines gemeinsamen Wirtschaftssystems profitieren die Akteure von der effizienten Kapitalverteilung, nicht notwendig über dessen Grenzen hinaus822. Die Beachtung europäischer öffentlicher Interessen heißt daher im Ergebnis die Beachtung der allgemeinen Prinzipien des sozioökonomischen Kontextes der EU und ihrer Mitgliedsstaaten, womit bei einer zunehmenden Interessenvielfalt innerhalb des IFRS-Setting europäische Anforderungen an Rechnungslegungsstandards und damit europäische öffentliche Interessen verloren gehen dürften. (d) Immanente Erfüllung der Übernahmekriterien Bezogen auf die Entscheidungsnützlichkeit für Anlageentscheidungen und die Verfolgung des True and Fair View-Prinzips legen die Übernahmekriterien dieselben Grundsätze dar, wie sie auch vom IASB verfolgt werden. Es stellt sich daher die Frage, ob nicht dem System der IFRS die Erfüllung solcher Übernahmekriterien immanent ist. Das muss aus mehrerlei Gründen verneint werden. Da die IFRSF eine privatrechtlich organisierte Institution ist und das Komitologie-Verfahren gerade eine Legitimationsfunktion erfüllen soll und muss, ist eine Prüfung dieser Kriterien auch dann nötig, wenn der Standardsetzer selbst zur Beachtung der Kriterien verpflichtet ist. Außerdem hat sich gezeigt, dass die Prinzipien kontextabhängig weder auf deutscher, noch auf europäischer Ebene mit den im Wesentlichen gleichlautenden Grundsätzen in den internationalen Standards übereinstimmen. Eine autonome Auslegung ist erforderlich. Die kritische Auslegung der IFRS vor dem Hintergrund europäischer Rechnungslegungsprinzipien, wie etwa auch des Vorsichtsprinzips, durch die EFRAG ist daher geboten. Nur so kann ein Minimalgrad an demokratischer Legitimation bei der Übernahme der IFRS auf Grundlage der quasi keinen gesetzgeberischen Willensentschluss enthaltenden Übernahmekriterien erreicht werden. Jedenfalls lässt sich aus drei lediglich fragmentarisch beschriebenen Grundsätzen kein europäisches Rechnungslegungssystem ableiten, dass schon ohne Bestimmung des materiellen Norminhalts auf Grundlage des (weiteren) EU-Bilanzrechts eine

821 Vgl. zuletzt dieses Kriterium in den Vordergrund stellend: Luttermann, RIW 2017, Heft 8, S. I. 822 Insoweit wird vom Prinzip komparativer Vorteile abstrahiert, welches zwar bei global optimaler Kapitalallokation auch zu Effizienzgewinnen führen würde, gleichsam aber auch eine angemessene Distribution voraussetzt, die nur innerhalb eines gemeinsamen Wirtschafts- und Rechtssystems möglich wird.

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hinreichende Berücksichtigung des Willens des Gemeinschaftsgesetzgebers erkennen lassen würde823. (e) Stellungnahme zum Maystadt-Vorschlag zu weiteren Übernahmekriterien Philippe Maystadt hat eine Erweiterung der Übernahmekriterien vorgeschlagen, um die Berücksichtigung europäischer Interessen im Komitologie-Verfahren zu stärken. Es stellt sich die Frage, ob diese zweckmäßig sind. Als Ausprägung der Wahrung öffentlicher Interessen sieht Maystadt es als sinnvoll an, dass die Verlautbarungen des IASB dann nicht in europäisches Gemeinschaftsrecht übernommen werden dürften, wenn hierdurch die Finanzmarktstabilität oder die wirtschaftliche Entwicklung der Europäischen Union gefährdet wären824. Solche Übernahmekriterien ließen sich nicht mit den bisherigen Kriterien, insbesondere der Entscheidungsnützlichkeit der Informationen in Einklang bringen. Soweit die Informationsvermittlung, unabhängig davon, wessen Informationsinteressen vornehmlich zu berücksichtigen sind, ausschließliches Ziel der Rechnungslegung von kapitalmarktorientierten Konzernen sein soll, wäre es geradezu normwidrig einen informationsorientierten Standard unangewendet zu lassen, weil hierdurch Finanzmärkte gefährdet würden. Eine regulierte Rechnungslegung soll marktwirtschaftliche Gleichgewichte schaffen. Es darf dabei nicht im Belieben des Regulierenden stehen ungewünschte Gleichgewichte zu verzerren, was durch ein entsprechendes Übernahmekriterium letztlich möglich wäre. Die Argumentation lässt sich auf das Kriterium der wirtschaftlichen Entwicklung entsprechend übertragen. Freilich geht es Maystadt nicht darum, Marktgleichgewichte zu verzerren, sondern europäische öffentliche Interessen zu schützen. Dies kann und muss aber dadurch erreicht werden, dass die Prinzipien der europäischen Rechnungslegung sowie die sozioökonomischen Rahmenbedingungen die bisherigen Übernahmekriterien mit Leben füllen und hierdurch eine Interessenwahrung möglich wird. ee. Regelungshierarchie der IASB-Verlautbarungen Mangels geschlossener Systematik der IFRS stellte sich die Frage, wie mit IASBVerlautbarungen zu verfahren war, welche der angewandten Auslegungspraxis zu einzelnen Standards widersprachen. Normenhierarchische Beziehungen und Kollisionsregeln nach deutschem Vorbild waren aus den Verlautbarungen nicht ohne weiteres ableitbar. Anfang der 2000er Jahre hat sich das IASB jedoch entschlossen, eine grundsätzliche hierarchische Struktur zu implementieren. 823 Auch Philippe Maystadt kam zu dem Schluss, dass die bisherigen Übernahmekriterien ergänzt und erläutert werden sollten, um die Europäische Interessen angemessen berücksichtigen zu können, vgl. Europäische Kommission, Maystadt-Bericht, 2013, S. 11. 824 Vgl. EU-Kommission, Maystadt-Bericht, 2013, Recommendation 2, S. 11.

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Neben den IAS/IFRS finden sich seitens der IASB-Verlautbarungen das allgemein gehaltene Vorwort, das Conceptual Framework mit seinen grundlegenden Prinzipien sowie die in ihrem Konkretisierungsgrad die eigentlichen Standards übertreffenden Interpretationen (SIC/IFRIC)825. Eine selbstständige Regelungshierarchie hat das IASB zunächst nicht herausgegeben, sondern sich dem Problem in der fortlaufenden Standardsetzung angenommen. Im Rahmen des Improvement Project vom 18. 12. 2003826 wurde eine Hierarchie zur Schließung von Regelungslücken in IAS 8 vorgegeben827. Aus diesem von der Europäischen Kommission am 29. 09. 2003828 in europäisches Sekundärrecht übernommenen Standards resultiert folgende Hierarchie der IASB-Verlautbarungen829: Tabelle 3: Hierarchie der IASB-Verlautbarungen830 IAS 8.7, 8.9

IFRS / IAS

IAS 8.9

Nichtintegrale Bestandteile der Standards, d. h. die Application and Implementation Guidance sowie die Basis for Conclusions Illustrative Examples, d. h. Fallanalogien Systemanalogien

IAS 8.11 IAS 8.12

Verlautbarungen von anderen Standardsettern Preface Framework

IFRIC / SIC

Anerkannte Branchenpraktiken und Auffassungen der Literatur

Dabei ist Hierarchie hier grundsätzlich eng zu verstehen, d. h. die aufgeführten Ebenen dürfen nicht zu einer abweichenden Beurteilung im Verhältnis zu übergeordneten Ebenen führen. Als fundamentale Grundlage fungiert das overriding principle der Fair-Presentation, IAS 1.25ff.831. Die hierarchisch steigende Verbindlichkeit der Verlautbarungen läuft indes ihrem Konkretisierungsgrad entgegen. Daraus folgt ein Spezialitätsverhältnis, welches einem Normvorrang in codelaw basierten Rechtssystemen entspricht.

825 Vgl. hierzu die graphische Aufbereitung bei Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, 2017, S. 62. 826 Vgl. zum Improvement Project ausführlich Zülch, StuB 2004, 692ff., 737ff. 827 Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, 2017, S. 70f. 828 Verordnung EG/1725/2003 der Kommission vom 29. 09. 2003, nunmehr ersetzt durch die Verordnung EG/1126/2008 vom 03. 11. 2008. 829 Auf diese Hierarchie der »maßgeblichen Leitlinien« verweist IAS 1, Tz. 15 lit. a) ausdrücklich. 830 In enger Anlehnung an Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, 2017, S. 72. 831 Vgl. hierzu etwa MüKo/Bilanzrecht-Graf/Bisle (2013), § 264 HGB Rn. 150.

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(1) Framework Das Framework als solches ist nicht in europäisches Sekundärrecht übernommen worden. Aus Sicht der Europäischen Kommission soll dies auch nicht erforderlich sein, da es sich nicht um einen Standard oder eine Interpretation handelt832. Auch das IASB hat das Rahmenkonzept nicht in die hierarchische Ordnung aufgenommen. Es bildet allerdings die deduktive Grundlage der Systemanalogie im Sinne von IAS 8.11833. Dort werden auch die grundlegenden Bewertungsmaßstäbe eines IFRS-Abschlusses dargestellt, weshalb ein Rückgriff auf das Rahmenkonzept für das Verständnis der Standards und Interpretationen unerlässlich ist. Insoweit erkennt auch die Europäische Kommission das Rahmenkonzept als »Grundlage für die Urteilsbildung bei der Lösung von Rechnungslegungsproblemen«834 an. Dass es dennoch keiner Übernahme in europäisches Sekundärrecht bedarf, ist systematisch unverständlich. Wenn, wie von der Kommission gefordert, die Geschäftsleitung im Rahmen der Urteilsbildung Definitionen, Ansatzkriterien und Bewertungskonzepte des Rahmenkonzepts zu berücksichtigen hat835, so sollte das System auch gesamtheitlich übernommen werden. Andernfalls wird als Deduktionsgrundlage sekundären Gemeinschaftsrechts eine konzeptionelle Grundlage verwendet, die ohne demokratische Legitimation von einem privaten Standardsetter entwickelt und mithin auch nicht im Endorsement-Verfahren überprüft wurde836. Dieser Aspekt wird insbesondere dann problematisch, wenn das IASB Veränderungen des Rahmenkonzepts vornimmt, welche dann Einfluss auf die Auslegung sämtlicher übernommener Standards und Interpretationen und somit unmittelbar auf die Anwendung des Gemeinschaftsrechts Einfluss nehmen könnte. Dies entspräche einer dynamischen Verweisung. Für Fragen der Auslegung und Lückenschließung bildet das Framework in Verbindung mit den übrigen Vorgaben des IAS 8 mithin eine fundierte Basis. Es wurde den Standards angefügt und seine Rolle durch Art. 3 Abs. 2 IAS-VO

832 Vgl. Europäische Kommission, IAS-VO Kommentare, 2003, S. 6; das Rahmenkonzept wurde insoweit aös verbindlicher Anhang zu den Standards übernommen, vgl. zutreffend Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 2015, Einführung, Rn. 205. 833 Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, 2017, S. 71. 834 Vgl. Europäische Kommission, IAS-VO Kommentare, 2003, S. 6. 835 Ebd. 836 Zutreffend sprechen Hoffmann/Detzen, KoR 2012, 53 von einer »Legitimationslücke«; im Übrigen ausführlich zur Abwägung einer Erforderlichkeit der Übernahme Haaker/Freiberg, PiR 2013, 259ff.

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gestärkt. Es kann nicht aus der Systematik der IFRS herausgelöst werden und muss daher auch bei den EU-IFRS die Grundlage der Deduktion bilden837. Die Europäische Kommission hat das ursprüngliche Rahmenkonzept folgerichtig in die EU-Amtssprachen übersetzt. Für das nunmehr überarbeitete Rahmenkonzept aus September 2010 fehlt es indes an einer Übersetzung, obgleich wesentliche Teile angepasst wurden. Wie insoweit eine Wortlautauslegung nach dem autonomen gemeinschaftsrechtlichen Verständnis unter Zugrundelegung der kumulativen Betrachtung sämtlicher Amtssprachen möglich sein soll, scheint die Kommission nicht zu hinterfragen. Allerdings darf die Bedeutung des Frameworks nicht überbewertet werden. Primärer Zweck ist die Deduktionsbasis für die Neu- und Weiterentwicklung konsistenter Standards838. Dem Ziel, als Grundlage einer methodisch nachvollziehbaren prinzipienbasierten Rechnungslegung zu entsprechen, konnte es bislang nicht gerecht werden839. Es tritt grundsätzlich hinter konkreten Regelungsinhalten der IFRS zurück, vgl. Framework, Tz. 2. Soweit ein Standard oder eine Interpretation also eine ausdrückliche und insoweit weder auslegungsfähige noch lückenhafte Regelung enthält, darf grundsätzlich nicht auf das Rahmenkonzept zurückgegriffen werden. Erst dort wo eine eindeutige Regelung nicht ermittelt werden kann, dient es als Auslegungs- und Interpretationshilfe. Gerade darum geht es indes bei der in dieser Arbeit betrachteten Auslegungsproblematik. Ferner sind einzelne Teile des Rahmenkonzepts in IAS 1 und anderen IFRS übernommen worden, so dass diese eine höhere Verbindlichkeit aufweisen und auch unmittelbar aus den übernommenen Standards resultieren. Ein Rückgriff auf das Rahmenkonzept ist auch deshalb selten notwendig. Das Framework stellt zunächst die zentrale Zielsetzung eines IFRS-Abschlusses, namentlich die Bereitstellung entscheidungsrelevanter Informationen (decision usefulness) vor, F.12. Als Grundannahmen (underlying assumptions) muss der Bilanzierende von einer periodengerechten Erfolgsermittlung (accrual basis) sowie der Fortführung des Unternehmens (going concern) ausgehen, F.22f. In den fortfolgenden Textziffern regelt das Framework die qualitativen Anforderungen (qualitative characteristics) an einen IFRS-Abschluss. Nach Auffassung des IASB erfüllt ein an diesen Prinzipien orientierter Abschluss das True and Fair View-Prinzip, F 46, IAS 1.15. Fraglich ist, in welchem Rangverhältnis das Framework zu einzelnen IFRS in Konfliktfällen steht. Immerhin konnte gerade herausgearbeitet werden, dass aus 837 Dabei wird in der Literatur der Aspekt hervorgehoben, dass hierdurch die Auslegung aufgrund nationaler Bilanzierungstraditionen vermieden wird, vgl. Schön, BB 2004, 763. Dass dies nicht zwingend der Fall ist, wird sich im Laufe der Untersuchung noch zeigen. 838 Vgl. Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, 2018, S. 62. 839 Zutreffend Wawrzinek/Lübbig (2016), in: Beck’sches IFRS-Handbuch, § 2 Rn. 4.

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bilanztheoretischer Sicht das Rahmenkonzept Ziel und damit dogmatische Grundlage der IFRS-Rechnungslegung ist. Aus Sicht der kontinentaleuropäischen Rechtstradition ist das Rahmenkonzept damit teilweise und mit einiger Vorsicht mit einer höherrangigen Rechtsnorm vergleichbar. Die Problematik die sich hierbei stellt, wurde insbesondere im Rahmen der Überarbeitung des Frameworks im Conceptional Framework Project deutlich. Dabei sollte erst am Ende der Überarbeitung über den Stellenwert des Frameworks in der Normenhierarchie der IFRS entschieden werden840. Es ist nicht verständlich, wie ein Rechnungslegungssystem als Deduktionsbasis für konkrete Rechnungslegungsnormen entwickelt werden soll, dessen Verbindlichkeit ungeklärt ist841. Letztlich kann aufgrund von IAS 1.19f. und IAS 8.11f. dem Rahmenkonzept auch weiterhin ein geringer Stellenwert im Verhältnis zu den einzelnen Standards und deren Auslegung beigemessen werden. (2) Schließung von Regelungslücken nach IAS 8.10ff. IAS 8.10 bildet die Grundlage der Lückenschließung in Bezug auf IFRS. Demnach muss das Management entscheiden, welche Rechnungslegungsmethode zweckmäßigerweise anzuwenden ist. Dabei muss es sich davon leiten lassen, dass die Informationen für die Bedürfnisse wirtschaftlicher Entscheidungen der Adressaten von Bedeutung und darüber hinaus zuverlässig sind. Die Zuverlässigkeit wird dabei in IAS 8.10 lit. b) genauer definiert, wobei beachtlich ist, dass hierbei gar eine vorsichtige Bewertung als Kriterium vorgegeben wird. Einen konkreten Bezug zu Erkenntnisquellen schafft IAS 8.12 durch die Entscheidungsfindung auf Grundlage von Verlautbarungen anderer Standardsetter, anerkannter Branchenpraktiken und Literaturmeinungen. Der Verbindlichkeitsgrad dieser Erkenntnisquelle orientiert sich dabei an IAS 8.11, zu welchem stets eine Konsistenz bestehen muss. IAS 8.11 verweist seinerseits auf die Vorschriften anderer Verlautbarungen, welche ähnliche oder verwandte Fragen behandeln sowie subsidiär auf das Rahmenkonzept. Dieser Aspekt ist indes nicht unmittelbar einsichtig. Insbesondere Literaturmeinungen stellen nämlich im kontinentaleuropäischen Rechtssystem in der Regel eine Stellungnahme zur Auslegung nach Wortlaut, Systematik und Telos einer Norm dar und setzen damit häufig bereits vor der eigentlichen Regelungslücke an. Klärungsbedürftig ist auch die Frage, welche Verlautbarungen von Standardsettern, soweit diese sich widersprechen, heranzuziehen sind. Hierbei wäre auf den ersten Blick nachvollziehbar, die Verlautbarungen des dem jeweiligen Rechtssystem nächsten Standardsetters anzuwenden, d. h. die der mitgliedsstaatlichen Institutionen.

840 Vgl. hierzu noch in älterer Auflage Coenenberg/Haller/Schutze, Jahresabschluss, 2009, S. 69. 841 So auch Gassen/Fishkin/Hill, WPg 2008, 874, 875.

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Auch gibt das IASB keine hinreichenden Anhaltspunkte, wann eine Branchenpraktik anerkannt sein soll. Ungeklärt ist auch die Frage, ob IAS 8.12 tatsächlich nur auf die Schließung von Regelungslücken Anwendung findet, oder auch auf die Klärung von Zweifelsfragen in Bezug auf faktische Wahlrechte oder unbestimmte Rechtsbegriffe842. Diese Frage soll ob ihrer untergeordneten praktischen Bedeutung843 auch in dieser Arbeit nicht weiter untersucht werden. (a) Verlautbarungen »anderer Standardsetter« IAS 8.12 spricht davon, dass das Management bei seiner Entscheidungsfindung die jüngsten Verlautbarungen anderer Standardsetter, welche ein ähnliches Rahmenkonzept zur Entwicklung vom Rechnungslegungsmethoden einsetzen, berücksichtigen kann, soweit sie nicht mit den in IAS 8.11 enthaltenen Quellen (d. h. anderen Standards und dem Rahmenkonzept) in Konflikt stehen. Damit sind solche Verlautbarungen umso eher zur Entscheidungsfindung geeignet, je jünger sie sind (temporäre Dimension) sowie je näher der Standardsetter der Rechnungslegungskonzeption des IASB steht (sachliche Dimension). Dabei steht dem Management vom Wortlaut der Vorschrift her ein Ermessen zu (»kann«). Soweit sich jedoch aus IAS 8.11 keine Entscheidung ableiten lässt, muss sich das Management an den in IAS 8.12 genannten Kriterien orientieren, da andernfalls das Ziel einer Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse gefährdet wäre. Im Ergebnis ist es naheliegend zunächst Verlautbarungen solcher Standardsetter zu berücksichtigen, die auch am Setting der IFRS beteiligt sind. Besondere Bedeutung erlangen dabei regionale Zusammenschlüsse aufgrund ihrer Gestaltungsmacht. Dies sind die Asian-Oceanian Standard-Setters Group (AOSSG), die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) sowie die Group of Latin-American Standard-Setters (GLASS). Fraglich ist die Bedeutung des USamerikanischen Rechnungslegungsgremiums FASB. Dieses entwickelt die USGAAP und steht in enger Zusammenarbeit mit dem IASB844. Für die Beachtung des FASB als Standardsetter im Sinne von IAS 8.12 spricht der Wortlaut dieser 842 Vgl. hierzu Ruhnke/Nerlich, DB 2004, 389. 843 Diese resultiert daraus, dass die in IAS 8.10 genannten Kriterien unscharf sind und sich im Wesentlichen auch im Framework zugrunde legen lassen, so dass zumindest hierüber auch für die Auslegung und nicht nur die Lückenschließung eine Anwendbarkeit herleiten ließ, vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 2018, § 1 Rn. 77. 844 Beide Institutionen verfolgen ein gemeinsames Konvergenzprojekt, welches sich sowohl auf einige kurzfristige Projekte bei konkreten Bilanzierungsfragen, als auch auf langfristige gemeinsam betriebene Projekte erstreckt. Das Projekt entstand aus einer Vereinbarung aus Oktober 2002 (sog. »Normwalk Agreement«). In den letzten Jahren hat die Zusammenarbeit etwas an Bedeutung verloren. Zu Problemen der Konvergenzbemühungen und aktuellen Entwicklungen m. w. N. s. nur Guillaume/Pierre, International Journal of Business Policy & Governance 2016, 63ff.

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Vorschrift, welcher auf die konzeptionelle Nähe abstellt. Eines der Ziele der IFRS war gerade die Anerkennung durch die SEC für den US-amerikanischen Börsenverkehr, weshalb eine Nähe des Rahmenkonzepts gegeben ist. Beide Systeme entstammen angelsächsischer Rechnungslegungstradition. Auch Konvergenzbemühungen von IASB und FASB sprechen für eine umfassende Berücksichtigung. Dagegen spricht jedoch ein gewichtiges Argument: die US-GAAP sind anders als die IFRS845 ein rule-based Rechnungslegungssystem und damit von der grundsätzlichen Regelungsintention her verschieden. Argumente für Regelungslücken aus einem rule-based System für ein principle-based System zu entnehmen dürfte im Regelfall nicht denkbar sein, jedenfalls aber gegen IAS 8.11 verstoßen und damit unzulässig sein. Daraus lässt sich auch ableiten, dass die konzeptionelle Nähe eher zu den HGB-Normen bzw. den DRS besteht als zum amerikanischen Standardsetter. Ferner war ursprüngliches Ziel der Entwicklung der IAS, von den US-GAAP weniger abhängig zu sein. Nicht ausgeschlossen ist jedoch die Berücksichtigung einzelner praktischer Bilanzierungsentscheidungen amerikanischer Unternehmen als anerkannte Branchenpraktiken. Aus europäischer und nationaler Sicht spielt der Aspekt der Nähe des Standardsetters zu den jeweiligen Verbandsinteressen eine weitere wichtige Rolle. Für Europa muss daher auf die EFRAG, für Deutschland den DRSC e.V. zurückgegriffen werden. Dies gilt insbesondere, da die Anwendung der IFRS in den einzelnen Mitgliedsstaaten noch immer erheblich voneinander differiert846. Dennoch kann im Interesse der internationalen Entscheidungskongruenz eine rechtsvergleichende Interpretation durch Berücksichtigung der Verlautbarungen der Standardsetter anderer Mitgliedsstaaten wünschenswert sein. Zusammenfassend bietet sich für die Berücksichtigung der Verlautbarungen anderer Standardsetter bei den EU-IFRS folgendes Vorgehen an: Soweit nationale Belange betreffende Verlautbarungen in Frage stehen (Bsp.: IAS 37, IFRIC 6) ist vornehmlich auf nationale Standardsetter zurückzugreifen. Auch im Übrigen bietet eine nationalorientierte Auslegung eine hinreichende Begründung dafür, zunächst auf nationale, dann auf europäische und erst schließlich auf internationale Standardsetter Rücksicht zu nehmen. Letztlich wird der Universalitätsanspruch der IFRS hierdurch nicht beeinträchtigt, da die Standardsetter in enger Absprache mit dem IASB zusammenarbeiten und häufig Anfragen an das Committee stellen, so dass IFRS IC-Interpretations und Agenda Rejections

845 Vgl. hierzu Teil 2 Kapitel C V. 2. a. 846 Vgl. hierzu Vgl. Nobes/Stadler, Accounting, Organizations and Society Journal 2013, 573ff.

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(Non-IFRICs) an Bedeutung gewonnen haben bzw. die vermehrten Anfragen zum Gegenstand eines Annual-Improvement-Prozesses gemacht werden847. (b) Anerkannte Branchenpraktiken Was unter anerkannten Branchenpraktiken zu verstehen ist, klärt das IASB nicht. Aus qualitativer Hinsicht könnte in Anlehnung an die deutschen GoB auf solche Praktiken abgestellt werden, die von einem »ordentlichen und ehrenwerten Kaufmann«848 zu erwarten wären. Dabei müsste auch eine Orientierung an den dem jeweiligen System zugrunde liegenden Rechnungslegungsprinzipien erfolgen. Da IAS 8.12 vom Wortlaut her bereits eine Konsistenz mit dem die Anforderungen an Rechnungslegungsentscheidungen aufzählenden IAS 8.11 fordert, kann es allerdings um ein solches Verständnis nicht gehen. Vielmehr kommt es darauf an, wie die Vielzahl von Unternehmen bei entsprechenden Geschäftsvorfällen praktisch verfährt. Dafür bedarf es eines Mediums, welches diese Branchenpraktiken vermittelt. In Betracht kommen hierfür die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, welche den Großteil der IFRS-bilanzierungspflichtigen Gesellschaften prüft. Über bestimmte Ermessensentscheidungen im Rahmen der Prüfung stellen solche Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in der Regel sog. Hausmeinungen auf, welche bei relevanten Fragestellungen zu hausübergreifenden Meinungen verdichtet werden849. Diese verdichteten Meinungen stellen aufgrund ihrer weitreichenden Beachtung anerkannte Branchenpraktiken nach der obigen Definition dar. Hierzu zählen ferner die Verlautbarungen des IDW850. Wie bereits bei den Verlautbarungen anderer Standardsetter sollte auch bei den anerkannten Branchenpraktiken eine konzeptionelle Nähe zum jeweiligen Anwender vorhanden sein. Hierdurch können nationale, ggf. sogar regionale Besonderheiten berücksichtigt werden. Eine solche Vorgehensweise legt der Begriff der Branchenpraktiken auch gerade nahe. Es geht nicht nur darum, wie die Vielzahl der bilanzierungspflichtigen Unternehmen insgesamt, sondern innerhalb der jeweiligen Branche vorgeht.

847 Vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 2018, §1 Rn. 54; s. auch Teil 2 Kapitel C V. 4. e. ee. (6). 848 Vgl. MüKo/Bilanzrecht-Graf/Bisle (2013), § 238 HGB, Rn. 51. 849 Vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 2018, §1 Rn. 79. 850 S. Teil 2 Kapitel C V. 4. f. bb. Das IDW ist indes kein Standardsetter im Sinne von IAS 8.12, da es nicht im Auftrag des Gesetzgebers nach § 342 HGB Rechnungslegungsstandards erarbeitet.

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(c) Literaturmeinungen Neben praktischen Implikationen sollen auch Literaturmeinungen berücksichtigt werden. Gemeint sein dürfte damit nur die wirtschaftswissenschaftliche Literatur, da die rechtswissenschaftliche Literatur zwar Stellung zur Methodik der Normanwendung beziehen kann, nicht aber zu konkreten Bilanzierungsentscheidungen. Während IAS 8.12 für Branchenpraktiken fordert, dass diese »anerkannt« sein sollen, fehlt eine entsprechende Einschränkung für Literaturmeinungen. Das ist angesichts des regelmäßigen wissenschaftlichen Diskurses auch folgerichtig, da etwa eine »herrschende Meinung« nicht mit einer anerkannten Meinung gleichgestellt werden darf. Dennoch ist es dem Standardanwender anzuraten, einer Literaturmeinung zu folgen, die mit überzeugender und methodisch hergeleiteter Begründung von vielen namhaften Autoren vertreten wird und nicht lediglich eine »Mindermeinung« darstellt. Auch hierbei muss im Grundsatz gelten, dass die Autoren jedes Mitgliedsstaates bzw. aus Sicht des IASB sogar global als Meinungsgeber berücksichtigt werden müssten. Aus praktischen Gesichtspunkten sollte jedoch ein Rückgriff auf die Stellungnahmen nationaler Autoren ausreichend sein. Nationale Literatur ist regelmäßig ohne unverhältnismäßigen Aufwand zu beschaffen und bedarf keiner verständigen Übersetzung. Dies bietet auch die Möglichkeit, nationale Interessen bei der Auslegung der IFRS ausreichend zu berücksichtigen. Da es für den Anwender der (EU-)IFRS letztlich darauf ankommt, aus Sicht der den Enforcement-Institutionen und den Gerichten als Letztentscheidungsinstanzen fehlerfrei zu bilanzieren, muss auch darauf abgestellt werden, welcher Literaturmeinung diese folgen würden. Es ist zu erwarten, dass nationale Autoren berücksichtigt werden. Problematisch ist die mitunter erhebliche Meinungsverschiedenheit auf dem Gebiet der IFRS. Je nachdem, ob die Meinung einem IFRS-Kritiker oder -Befürworter zuzuordnen ist, muss mit gebotener Objektivität versucht werden, den wissenschaftlichen Kern zu erfassen. Die Fachliteratur zu den IFRS ist unüberschaubar. Es gibt Zeitschriften, welche sich ausschließlich oder überwiegend mit den IFRS befassen, etwa die IRZ oder die KoR. Für die deutsche Praxis gibt es Handbücher und Kommentare, die ein gewohntes Vorgehen ermöglichen und in der Regel bemüht sind, widerstreitende Meinungen darzulegen. Diese orientieren sich häufig an synoptischen Darstellungen von IFRS- und HGB-Bilanzierungsvorschriften, um eine Vergleichbarkeit für den Anwender handhabbar zu machen. Sie sind daher ein brauchbarer Einstieg und in der Regel wird es innerhalb der Unternehmen angesichts personeller Restriktionen nur bei komplexen und wirtschaftlich ausschlaggebenden Sachverhalten geboten sein, über die Kommentierung hinausgehende Fachliteratur heranzuziehen. Etwas anderes mag insbesondere für große WP-Gesellschaften gelten, von deren jeweiligen

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Fachgebieten eine ausführliche Lektüre einschlägiger Literatur und darauf aufbauende eigene Meinungsbildung zu erwarten ist. (d) Verhältnis der methodischen Empfehlungen Unter Berücksichtigung des Wortlauts des IAS 8.12 stehen die vorbenannten methodischen Ansätze zur Schließung von Regelungslücken gleichberechtigt nebeneinander. Die Verlautbarungen anderer Standardsetter sollten jedoch aufgrund ihrer konzeptionellen Nähe besondere Bedeutung beigemessen werden. Dies gilt besonders dann, soweit sie zwingende Standards setzen, welche in der jeweiligen Rechtsordnung Beachtung finden und ggf. unmittelbar geltendes Recht darstellen. In diesen Fällen liegt überhaupt keine Regelungslücke vor, die die Anwendung des IAS 8.12 gebietet. Soweit tatsächlich ein Sachverhalt auftritt, der sich unter keinen Regelungstatbestand subsumieren lässt, dürfte indes die Branchenpraxis die praktisch wichtigste Erkenntnisquelle darstellen. Dies gilt insbesondere, da die Hausmeinungen der WP-Gesellschaften letztlich das Maß der Dinge darstellen851. Aus rechtsdogmatischer Sicht ist dieser Aspekt jedoch zu kritisieren. IAS 8.10ff. sehen bei Regelungslücken gerade die Möglichkeit vor, dass das Management eine nachvollziehbare Methode zur Schließung entwirft. Es soll dabei mithin nicht darauf ankommen, ob diese Methode auch von der Mehrzahl der Unternehmen als vorzugswürdig angesehen wird, sondern lediglich zu vertretbaren Ergebnissen führt. Wichtiger erscheint die Orientierung an Literaturmeinungen, wobei es weniger auf die Meinung als solche, als vielmehr auf die methodische Herleitung des Ergebnisses ankommt. Insoweit kann ein wissenschaftlicher Zugang Klarheit in die systemlosen IFRS bringen und die Berücksichtigung der Kriterien der IAS 8.10ff. gewährleistet werden. Auch die WP-Gesellschaften dürften sich indes regelmäßig in nicht untergeordnetem Maße an wissenschaftlichen Erkenntnissen bei ihrer Meinungsbildung orientieren, so dass zu hoffen bleibt, dass anerkannte Branchenpraktiken und wissenschaftliche Literaturmeinungen nicht deutlich differieren. (3) Application and Implementation Guidance und Basis for Conclusions Die Anwendungsleitlinien (application guidance) sowie die Entscheidungsbegründungen (basis for conclusions) können integrale Bestandteile einzelner Standards sein und genießen damit eben jenen Verbindlichkeitsgrad des Standards selbst. Wird in den Anwendungsleitlinien ausdrücklich klargestellt, dass diese integraler Bestandteil sind, müssen sie beachtet werden, IAS 8.9. Aus dem Umkehrschluss zu Satz 2 dieser Vorschrift sind die application guidance mit 851 Dieser Aspekt wird in Teil 2 Kapitel C V. 4. f. bb. hergeleitet.

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Vorschriften zu Abschlüssen stets integraler Bestandteil. Die Umsetzungsleitlinien (implementation guidance) können keine integralen Bestandteile eines Standards sein. Soweit diese Leitlinien und Begründungen kein integraler Bestandteil sind, haben sie nicht die Verbindlichkeit eines Standards oder einer Interpretation, sind nach IAS 8.9 aber für die korrekte Anwendung und Auslegung des Standards zu berücksichtigen. Aus rechtsdogmatischer Sicht stellt sich die Frage, ob ein nicht integraler Bestandteil eines Standards überhaupt beim Endorsement des Standards mit übernommen wird. Dafür spricht, dass IAS 8, welcher die Berücksichtigung der implementation guidance ausdrücklich vorsieht, in europäisches Sekundärrecht übernommen wurde. Außerdem veröffentlicht die Kommission ihrerseits keine den Umsetzungsleitlinien entsprechenden Verlautbarungen bei Anerkennung eines Standards. Insoweit ist es für den Anwender eines IFRS zwingend, die implementation guidance zu berücksichtigen, um die korrekte Anwendung des Standards verstehen zu können. (4) Illustrative Examples – Fallanalogien Die illustrative examples stellen Fallbeispiele für die Anwendung einzelner Standards dar. Sie sind keine integralen Bestandteile852. Damit sind sie auch in den europäischen Fassungen der IFRS nicht enthalten. Durch sie soll der Anwender in die Lage versetzt werden, eine Vergleichbarkeit zu dem ihm vorliegenden Sachverhalt festzustellen. Dieses Konzept der Fallanalogie ist der kontinentaleuropäischen Rechtstradition grundsätzlich fremd. Lediglich vergleichbar ist das System der Regelbeispiele, welches etwa im Strafrecht bekannt ist. Es bedarf daher eines methodischen Vorgehens der Fallanalyse, welches ein konzeptionell schlüssiges und nachvollziehbares Konzept zum Analogieschluss in einem solchen Sinne darstellt. Andererseits stellt sich die Frage, ob solche Beispiele auch eine normbeschränkende Funktion im Sinne des Enumerationsprinzips haben können. Geklärt werden muss auch der Verbindlichkeitsgrad der Beispiele für solche Fälle, in denen ohne Rückgriff auf den Analogieschluss ein anderer Standard aufgrund der übrigen Auslegungskriterien anwendbar erscheint, d. h. ob die Fallbeispiele entgegen dem gängigen Analogieverständnis auch unabhängig von Regelungslücken zu beachten sind. Ein Beispiel für einen Standard, bei dem die Fallanalogien eine große Rolle spielen können bietet IFRS 16 über Leasingsachverhalte (leases)853, da dieser eine Vielzahl vom illustrative examples854 enthält. 852 Vgl. Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 2015, Einführung Rn. 208. 853 Dieser relativ neue Standard ersetzt die Regelungen des IAS 17 und ist verpflichtend spätestens für Geschäftsjahre ab 01. 01. 2019 anzuwenden. Die Übernahme in europäisches Recht ist bereits erfolgt und wurde als EU-VO Nr. 2017/1986 der Kommission vom 31. Oktober 2017 bekannt gemacht.

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Die illustrative examples sind schon ihrem Wortlaut nach lediglich Anwendungsbeispiele. Sie haben damit keinen abschließenden Charakter855 und sind nicht integraler Bestandteil eines Standards. Ihnen kann ein besonderer Stellenwert im Rahmen des IAS 8.11 zukommen. Kann hier eine Fallanalogie zwischen dem vorliegenden Sachverhalt und einem Anwendungsbeispiel eines IFRS gezogen werden, so sind die Vorschriften dieses Standards maßgeblich für die Entscheidungsfindung nach IAS 8.10. Andererseits sind die Fallbeispiele konkret gefasst, so dass nicht vorschnell von einer Vergleichbarkeit ausgegangen werden darf und im Zweifel (wenigstens ergänzend) die Regelungen des Rahmenkonzeptes berücksichtigt werden müssen, IAS 8.11(b). Außerdem wird hinsichtlich einzelner Illustrative Examples, etwa denen zu IFRS 16, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass zwar einzelne Aspekte des Standards dargestellt werden sollen, ihnen aber kein interpretierender Charakter zukommen soll, vgl. Einleitung zu IFRS 16 IE. Das ist methodisch auch nachvollziehbar, da die Fallbeispiele letztlich lediglich den normativen Inhalt eines Standards darstellen, ihn aber nicht erweitern sollen. Fallanalogie meint, dass die Rechtsfolge einer Regelung für einen Tatbestand A auch an einen Tatbestand B geknüpft wird, wenn diese eine vergleichbare Interessenlage aufweisen856. Angesichts der ausführlichen Regelungen dürfte regelmäßig die Abgrenzung schwerfallen, wann es sich tatsächlich um eine Fallanalogie handelt und wann schlicht ein Standard erläuternd ausgelegt wird oder der Lebenssachverhalt sogar unter einen anderen Standard fallen könnte, welcher dann vorrangig zu berücksichtigen wäre, IAS 8.11(a). Letztlich ist die fallbasierte Regulierung der IFRS so differenziert ausgestaltet, dass vor dem Hintergrund der bereits bei feinen Unterschieden mitunter erheblichen Abweichung der wirtschaftlichen Bedeutung eines Sachverhalts selten eine Vergleichbarkeit der Tatbestände anzunehmen sein wird. Für den Standardanwender bietet die Fallanalogie die Möglichkeit, durch großzügige Auslegung des Tatbestandes eine Verwandtschaft zu dem ihm vorliegenden Geschäftsvorfall herzustellen, um hierdurch eine für ihn günstige Rechtsfolge im Sinne einer vorteilhaften Ansatz- oder Bewertungsregel zu erreichen. Die gerichtliche Praxis in Deutschland etwa im Steuerrecht oder Handelsrecht zeigt, dass mitunter die Verwandtschaft zweier Tatbestände weit ge854 Insgesamt 10 Examples zu den Themen: Rail Cars, Concession space, Fibre-optical cable, Retail unit, Truck rental, Ship, Aircraft, Contract for shirts, Contract for energy/power sowie Contract for network services. 855 Am Beispiel des IFRS 16 heißt es: »The analysis in each example is not intended to represent the only manner in which the requirements could be applied, nor are the examples intended to apply only the specific industry illustrated.«, IE 1. 856 So auch Ruhnke/Nerlich, DB 2004, 389ff.; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRSKommentar, 2018, § 1 Rn. 78.

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zogen werden kann857. Im Rahmen der Bilanzierung zu ermitteln, ob tatsächlich verwandte oder zu differenzierende Geschäftsvorfälle vorliegen dürfte schwierig sein, so dass wohl viele Ergebnisse als vertretbar aufgefasst werden müssen. Zumindest muss für die Bewertung der Vergleichbarkeit primär das Kriterium der wirtschaftlichen Vergleichbarkeit, nicht die rechtliche Vergleichbarkeit im Vordergrund stehen, da die Rechnungslegung allgemein vom Prinzip der wirtschaftlichen Zuordnung dominiert wird. Der neue IFRS 16 für Leasingverhältnisse folgt etwa nunmehr dem sog. »Right-of-use«-Ansatz, d. h. dass nicht der physische Vermögenswert, sondern das durch den Leasingvertrag gewährte Nutzungsrecht für die Bewertung maßgeblich ist und bilanziert wird858. (5) Systemanalogien Wenn eine Regelungslücke nicht durch eine Fallanalogie geschlossen werden kann, sollen nach Auffassung des IASB Systemanalogien gezogen werden, IAS 8.11. Dabei dienen die grundsätzlichen Ansatz- und Bewertungskriterien des Rahmenkonzepts als Deduktionsgrundlage859. Deshalb steht diese Erkenntnisquelle in engem Zusammenhang zu den obigen Ausführungen860 zum Rahmenkonzept. Die Systemanalogie zeichnet sich dadurch aus, dass aus anderen Standards mit ihren speziellen Rechtssätzen in Verbindung mit dem Rahmenkonzept allgemeine Rechtssätze abgeleitet werden, welche sich dann wieder auf den Sachverhalt konkretisieren lassen. Die früher geäußerte Befürchtung, mangels ausreichender Rechtsgeschichte seien allgemeine Rechtsprinzipien der IFRS schwerlich auszumachen861, hat sich heute etwas relativiert. Aus Sicht des IASB sind die allgemeinen Rechtssätze insoweit auch allein aus dem System seiner Verlautbarungen zu entwickeln. Nur so kann die international vergleichbare Anwendung der Standards und Interpretationen ermöglicht werden. Aus deutscher und europäischer Sicht bietet die Systemanalogie aber gerade die Möglichkeit, auch allgemeine Rechtssätze derer jeweiligen Rechnungslegungssysteme

857 Insoweit greift im Steuerrecht nicht das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG, was jedoch mitunter strittig war, vgl. etwa Felix StBg 88, 15 sowie zu Zulässigkeit und Einschränkungen von Analogieschlüssen zu Lasten des Steuerpflichtigen BFH BStBl 75, 12; 84, 221; 86, 272. Ein Fallvergleich ermöglicht im Steuerrecht jedoch vergleichsweise umfassend die »typisierende Betrachtungsweise«, vgl. hierzu Klein-Gersch (2018), § 4 Rn. 39. 858 Vgl. Kirsch, IRZ 2016, 321ff. 859 Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, 2017, S. 71. 860 Vgl. Teil 2 Kapitel C V. 4. e. ee. (1). 861 Vgl. Ruhnke/Nerlich, DB 2004, 389.

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zu berücksichtigen862. IAS 8.11 ist durch das Endorsement Gegenstand des EUBilanzrechts. (6) IAS/IFRS und SIC/IFRIC Bei konkreten Bilanzierungsentscheidungen sind zunächst zwingend die IAS/ IFRS sowie die SIC/IFRS IC-Interpretations heranzuziehen, IAS 8.7. Die Interpretationen sind dabei grundsätzlich gleichwertig zu den IAS/IFRS863. Aus rechtsdogmatischer Sicht ist diese Gleichwertigkeit geradezu zwingend, da die Interpretation einer Norm ihren materiellen Inhalt nicht ändert, sondern lediglich konkretisiert. Dennoch ist die Interpretation durch den Normgeber selbst etwas, das der kontinentaleuropäischen Rechtstradition fremd ist. Zwar finden sich auch in Deutschland textuell umfangreichere Normwerke, etwa im Steuerrecht. Bei speziell gefassten Gesetzen handelt es sich aber dennoch nicht um eine interpretative Arbeit des Normgebers. Die Norminterpretation bezogen auf konkrete Lebenssachverhalte ist Kernkompetenz der Judikativgewalt864. Je spezieller der Norminhalt gefasst wird, desto geringer ist die hermeneutische Deutungsgrundlage, was mit einer Restriktion der Auslegungskompetenz der Gerichte einhergehen kann865. Ein Überblick über den Aufbau einer solchen Interpretation kann klären, welcher Erkenntnisgewinn von ihr zu erwarten ist. Von besonderem Interesse ist außerdem die Frage, wie mit einer Interpretation umzugehen ist, die noch nicht in europäisches Sekundärrecht übernommen wurde. Diese Problematik stellt sich noch eher als bei den Standards selbst, da die Interpretationen gerade kurzfristig zu konkreten Rechnungslegungsproblemen erstellt werden und damit die Dauer des Endorsementverfahrens zu abweichenden Beurteilungen führen kann. Umfassende Informationen zu aktuellen Entwicklungen der Tätigkeiten von IASB und IFRS IC lassen sich über den kostenpflichtigen Comprehensive Subscription Service866 des IASB gewinnen.

862 Dagegen wohl Merkt, welcher eine eigene Auslegungsmethodik der IFRS als alternativlos ansieht, wenn die IFRS eine internationale und unabhängige Rechnungslegung ermöglichen sollen, vgl. Merkt, ZfbF 2014, 477, 483ff. 863 In Bohl/Wiechmann, IAS/IFRS für Juristen, 2010, Rn. 318 heißt es insoweit, die Interpretationen seien »nahezu gleichwertig«; IAS 1.7 stellt ausdrücklich klar, dass die IFRS auch IFRIC Interpretations und SIC Interpretations umfassen. 864 Vgl. Teil 1 Kapitel B II. 865 Hierzu ausführlich Teil 3 Kapitel D. 866 Erhältlich unter: http://www.ifrs.org/products-and-services/ (letzter Zugriff am 06. 11. 2019). Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass damit Materialien zu den gemäß IAS-VOKommentaren (vgl. Teil 2 Kapitel C IV. 3. c.) zu berücksichtigenden, noch nicht übernommenen IFRS unter Umständen nur kostenpflichtig bereitgestellt werden.

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(a) IAS/IFRS Die IAS/IFRS bilden als primäre Regelung zu einzelnen Bilanzierungsfragen Ausgangspunkt und Fundament der Normanwendung und -auslegung. Jeder Standard soll ein Rechnungslegungsproblem umfassend und in sich geschlossen hinsichtlich des Ansatzes, der Bewertung und der Darstellung sowie ergänzender Erläuterungspflichten regeln867. Da ein festgelegter systematischer Aufbau der Standards fehlt, können die nachfolgenden Ausführungen je nach Standard abweichen. Schon der Wortlaut der Überschrift bietet einen Zugang zum Anwendungsbereich des jeweiligen Standards868. Dieser wird durch eine Bereichsangabe (scope) im Standard konkretisiert, mitunter auch eingeschränkt. Regelmäßig finden sich im Standard Definitionen und Klassifikationen, welche den Anwendungsbereich näher bestimmen können, etwa indem Ansatzkriterien für bestimmte Vermögensgegenstände vorgegeben werden, vgl. IFRS 9.4. Diese gehen dann den Klassifikationen des Rahmenkonzepts als speziellere Regelungen vor. Jeder Standard benennt zunächst das Ziel (objective) der Regelung und bietet damit eine Ausgangsbasis für die teleologische Auslegung der Vorschriften. Dabei wird mitunter nicht nur das Ziel umrissen, sondern auch Kriterien zur Erreichung desselbigen an die Hand gegeben, vgl. etwa IFRS 10.2. Die Standards beinhalten in einzelnen Abschnitten jeweils besondere Fälle der jeweiligen Kategorie, für welche speziellere Regelungen getroffen werden. Ein Standard kann dann insoweit in einen allgemeinen und besonderen Teil zerlegt werden. Klassische juristische Konkurrenzregelungen des kontinentaleuropäischen Rechtssystems können dennoch nicht angewandt werden. Die Standards befassen sich jeweils mit möglichst umfassend konkretisierten Rechnungslegungsproblemen. Es fehlt an abstrakten Normen, die sich in ein Spezialitätsverhältnis einordnen ließen. Eine Ausnahme bietet das Framework, welches allgemeine Regelungen zu Ansatz, Bewertung und Ausweis aufstellt. Es stellt aber nicht etwa einen »allgemeinen Teil« der IFRS dar, sondern ist vielmehr eine hiervon losgelöste Ordnung869. Probleme treten in solchen Fällen auf, in denen Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Standards bestehen, insbesondere wenn solche mit Inkonsistenzen der bilanziellen Abbildung aufgrund unterschiedlicher Begriffsverständnisse einhergehen. Dies gilt beispielsweise für die Begriffe der variablen Leasingzahlungen nach IFRS 16 und den variablen Gegenleistungen nach IFRS 867 Vgl. etwa Wagenhofer, Internationale Rechnungslegungsstandards, 2009, S. 85. 868 Beispielsweise trägt IFRS 3 die Überschrift »Unternehmenszusammenschlüsse«, IFRS 4 »Versicherungsverträge«. 869 Vgl. Teil 2 Kapitel C V. 4. e. ee. (1).

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15870. Wechselwirkungen zwischen Standards müssen beachtet werden, gleichsam können Konflikte aber nicht nach Konkurrenzregeln aufgelöst werden. Innerhalb der Standards werden einzelne Absätze durch Fettdruck hervorgehoben. Dies legt den Schluss nahe, dass solche besondere Geltung erlangen. Tatsächlich handelt es sich dabei in der Regel um grundsätzliche Norminhalte. Von diesem Mittel wird indes so umfassend Gebrauch gemacht, dass beinahe der größere Teil des Standards in Fettdruck hervorgehoben ist. Außerdem erklärt das IASB die fettgedruckten Absätze mit den übrigen für gleichrangig871. Daneben werden definierte Begriffe bei erstmaliger Verwendung im Normtext kursiv gedruckt, weshalb der Anwender darauf achten muss, in diesem Fall die im Anhang niedergelegten Definitionen zu beachten. Hierdurch erübrigt sich eine Wortlautauslegung für den definierten Begriff. Das heißt freilich nicht, dass die Definition nicht ihrerseits auslegungsbedürftige Begriffe enthalten kann. Ebenso wie die Basis for Conclusions, die Illustrative Examples und die Implementation Guidance sind auch die im Due Process geäußerten und letztlich verworfenen Gegenmeinungen einzelner Boardmitglieder (Dissenting Opinions) kein Bestandteil des Standards, werden dem Anwender aber mitgeteilt. Hieraus können (negative) Erkenntnisse für die Auslegung gewonnen werden. Zwar sind sie dem Endorsement als bloßer Bestandteil des Standardsetzungsverfahrens nicht zugänglich. Sowohl im Rahmen der induktiven Standardinterpretation der London-IFRS, als auch bei europäischen Norminterpretationsgrundsätzen spielt das Standardsetzungsverfahren für die genetische, insbesondere aber die teleologische Auslegung eine bedeutende Rolle872. Dabei drängt sich die Frage auf, wie der Anwender mit Gegenauffassung europäischer Institutionen im Setting umzugehen hat. Die Frage bezieht sich sowohl auf die in den Dissenting Opinions geäußerten Gegenmeinungen europäischer Vertreter im Board, als auch die sonst zur Kenntnis erlangten Auffassungen, welche im Due Process geäußert wurden. Die Gegenauffassung zu vertreten muss ausscheiden, da das Ergebnis des Due Process zum Gegenstand des Endorsementverfahrens wird und der europäische Gesetzgeber sich mit der IASVO bewusst dafür entschieden hat, die im pluralistischen Gremium entwickelten IFRS zu übernehmen. Wenn die Differenzen zu schwer wiegen, sind die am Übernahmeprozess beteiligten Institutionen, nunmehr insbesondere die EFRAG, gefragt, das Endorsement des Standards als solchen oder einzelner Teile abzulehnen. Im Rahmen der vertretbaren Auslegung nach den europäischen Auslegungscanones kann die Gegenauffassung aber eine restriktive Anwendung 870 Zur Herleitung der Problematik vgl. Acker, IRZ 2017, 305ff. 871 Entschieden im IASB-Meeting vom 22.–25. Mai 2001, vgl. Bericht unter https://www.iaspl us.com/en/meeting-notes/iasb/2001/agenda_0105/agenda17 (letzter Zugriff am 06. 11. 2019). 872 Vgl. auch Kapitel C V. 4. d.

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gebieten, so dass die ablehnende Sicht insoweit fruchtbar gemacht werden kann und sollte. Dass es hierbei im Einzelfall zu einer Abweichung zwischen der Anwendung von EU-IFRS und London-IFRS kommen könnte, muss angesichts der Interessenwahrung europäischer Belange in Kauf genommen werden873. (b) SIC/IFRIC Die IFRS IC-Interpretationen (IFRIC) beantworten konkrete Fragestellungen zu bestimmten Arten von Geschäftsvorfällen. Sie sollen verhindern, dass im Rahmen von Regelungslücken unterschiedliche Methoden in der Praxis entwickelt werden, welche einer Vergleichbarkeit von Abschlüssen entgegenliefen. IFRIC sollen hier zeitnah entwickelt werden und im Verhältnis zu den IFRS eine schnellere Umsetzung ermöglichen874. Da auch die Interpretationen zur rechtsverbindlichen Übernahme das Endorsementverfahren durchlaufen müssen, schlägt dieser Vorteil nur begrenzt auf die EU-IFRS durch. Hinsichtlich der IFRIC sollte aber eine zeitnahe Einschätzung der EFRAG im Verhältnis zur Übernahme der Standards möglich sein, weil lediglich der normative Inhalt einer bereits übernommenen Vorschrift konkretisiert wird, die Grundentscheidung für den Bilanzierungsfall aber bereits getroffen wurde. Ferner sprechen die IAS-VOKommentare dafür, auch noch nicht übernommene IFRIC unter bestimmten Bedingungen875 bereits zu berücksichtigen. Die Interpretationen beziehen sich nicht zwingend auf einzelne IFRS, sondern können Bedeutung für verschiedene Standards haben. Die Standards, auf welche verwiesen wird, werden in der Interpretation zunächst angegeben. Die Abschnitte Hintergrund und Anwendungsbereich umreißen dann die grundsätzliche Problematik. Kernbestandteil der Interpretation sind die als Fragen formulierten Problemstellungen, welche anschließend nacheinander beantwortet werden. Die Antworten umfassen in der Regel wenige Absätze, die IFRS ICInterpretation wenige Seiten. Es lässt sich aber mitunter eine Tendenz zu ausführlicheren Verlautbarungen erkennen. Da die IFRIC den IFRS grundsätzlich gleichgestellt und ebenso durch das Endorsement Teil europäischen Rechts werden, unterliegen auch sie den Auslegungskriterien nach IAS 8 in der Gestalt, wie dieser im Rahmen europäischer Auslegungscanones verwertet werden kann. Das heißt, dass auch eine Interpretation zur Grundlage von Fall- und Systemanalogien gemacht werden kann und ihr Anwendungsbereich damit weiter als die konkret gestellten Fragen zu sehen ist. 873 Vgl. zur ansonsten mangelnden Einflussnahme der EU auf das Standardsetting Teil 2 Kapitel C III. und IV. Zur »Gefahr« abweichender EU- und London-IFRS siehe später Teil 2 Kapitel C V. 6. 874 IFRSF (2013), Due Process Handbook, 5.15. 875 Siehe hierzu Teil 2 Kapitel C IV. 3. c.

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Die IFRIC sind gegenüber den IFRS ungleich schwerer in die europäische Auslegungspraxis einzuordnen. Aus deutscher Sicht sind sie auf den ersten Blick mit Gesetzeskommentaren, wie etwa zum HGB, vergleichbar. Dabei werden aber keine unterschiedlichen Ansichten und Rechtsprechung zum Thema verarbeitet, sondern allein die Beantwortung durch das IFRS IC dargelegt. Außerdem kommt ihnen unmittelbare rechtliche Bindungswirkung zu. Dass ein Normgeber auch verbindlich normkonkretisierend in der Einzelfallanwendung auftritt ist für das kontinentaleuropäische Rechtssystem unüblich. Es handelt sich hierbei um einen Eingriff in die Judikativgewalt, der letztlich einer besonderen Rechtfertigung bedarf. Die in Teil 1 Kapitel A herausgearbeiteten Besonderheiten der Rechnungslegungsregulierung machen deutlich, dass die Vergleichbarkeit von Jahresabschlüssen unverzichtbarer Bestandteil internationaler Kapitalmärkte ist und damit ein Bedürfnis an solchen rechtsverbindlichen Normkonkretisierungen besteht. Dennoch muss ein Kernbereich judikativer Gewalt bestehen bleiben. Zumindest in Fällen, in denen das IFRS IC nicht konkretisierend tätig geworden ist, verbleibt die Auslegungskompetenz bei den Gerichten. Deshalb sollte auf Interpretationen nicht extensiv, sondern nur im konkreten Anwendungsbezug zurückgegriffen werden. Problematisch sind Fälle auslegungsbedürftiger Interpretationen. Zweifelhaft ist in solchen Fällen, ob ein normkonkretisierender Standard überhaupt ausgelegt werden kann oder in diesen Fällen der Uneindeutigkeit nicht vielmehr der Standard allgemein auszulegen ist. Dafür spricht einerseits die Kompetenzwahrung der Gerichte, andererseits aber auch, dass die Interpretation bereits das Ergebnis einer Auslegungstätigkeit ist. Wie bereits erläutert, spielen die gleichwertigen Verlautbarungen des IFRS IC zumindest im Rahmen des IAS 8 eine Rolle. Für Fälle der Auslegung und Lückenschließung müssen die Interpretationen als Erkenntnisquelle auf teleologischer Ebene berücksichtigt werden. Im Ergebnis ist es wünschenswert, wenn die Interpretation so eindeutig wie möglich gefasst werden und damit in ihrem sachlichen Anwendungsbereich hinreichend konkret ist876. Im Übrigen wirken die Interpretationen zwar regelmäßig normkonkretisierend, aber teilweise auch normschaffend877. (c) Non-IFRICs Nicht alle Eingaben beim IFRS IC werden von diesem auch behandelt und letztlich durch die Herausgabe von Interpretationen geklärt. Angesichts der Vielzahl der Anfragen an das IFRS IC bezüglich der Auslegung der IFRS, welche dem Universalitätsanspruch des IASB entsprechen, sieht dieses sich einer »overwhelming

876 Vgl. hierzu auch Kleinmanns, DB 2014, 1325ff. 877 Vgl. hierzu Wojcik, IFRS, 2008, S. 279.

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workload«878 gegenüber. Die nicht in das Arbeitsprogramm aufgenommenen Anfragen bleiben nicht unbeachtet. Das IFRS IC gibt zu den Eingaben eine Stellungnahme ab und kann die Interpretation nationalen Standardsetzungsgremien überlassen. Non-IFRICs sind solche Stellungnahmen des IFRS IC, welche nicht in die Agenda aufgenommen werden. Sie werden als Agenda Rejections mit der Bemerkung versehen, dass sie lediglich der Information dienen, nicht jedoch einen bestehenden Standard ändern. Damit haben sie keine Rechtsverbindlichkeit. Dennoch wird den Non-IFRICs eine faktische Bindungswirkung zugesprochen879. Seit 2007 findet für diese Fälle beginnend im Oktober ein Annual-Improvement-Process (AIP) statt, in welchem offene Fragen beantwortet und in einem Omnibus Exposure Draft veröffentlicht und schließlich im April des Folgejahres – mit Inkrafttreten zum 01. Januar des darauffolgenden Jahres – in einem Omnibus Standard beschlossen werden880. Die AIP-Projekte sollen grundsätzlich nicht zu einer Änderung des materiellen Gehalts eines Standards führen, sondern lediglich eine Klarstellungsfunktion besitzen881. Mitunter kommt es dennoch zu materiellen Änderungen, weshalb für die AIP-Projekte ein Due Process mit verkürzten Fristen durchzuführen ist882. Für diese stellt sich in besonderem Maße die Frage, ob sie ohne Übernahmeprozess in europäisches Recht angewendet werden dürfen. Da materielle Rechtsänderungen indes der Legislativgewalt unterliegen, können außerstaatliche Institutionen hier keine verbindlichen Regelungen treffen. Darüber helfen auch die übernommenen Auslegungsregeln des IAS 8 nicht hinweg, durch welche zwar klarstellenden Regelungen der AIP-Projekte berücksichtigt werden müssen, der jedoch keine dynamische Verweisung bei Änderung der materiellen Rechtslage enthält. (d) IFRS/IFRIC-Entwürfe Ebenso wie für noch nicht übernommene Verlautbarungen des IASB stellt sich die Frage, ob auch Entwürfe der IFRS bzw. IFRS IC-Interpretationen bereits eine Bindungswirkung erzeugen können oder wenigstens als Erkenntnisquelle im Rahmen der Auslegung zu berücksichtigen sind. Eine rechtliche Bindungswirkung ist ausgeschlossen, da schon die beschlossenen IFRS vor dem Endorsement keine Normqualität besitzen können. Im Rahmen der Auslegung übernommener Standards könnten sie dennoch auf-

878 879 880 881 882

Vgl. IFRIC, Update March 2006. Vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 2018, § 1 Rn. 53, § 24 Rn. 21. Vgl. Ernst und Young LL.P. [Hrsg.], International GAAP, 2008, S. 42. Vgl. Morich/Overberg, WPg 2009, 351ff.; Wenk, IRZ 2017, 58. Vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 2018, § 1 Rn. 54.

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schlussreich sein883. Dies gilt umso mehr, je weiter der Due Process fortgeschritten ist und je eher lediglich eine Konkretisierung bzw. Klarstellung zu bestehenden Standards angestrebt wird, d. h. insbesondere bei IFRIC-Entwürfen und Entwürfen für Änderungsstandards. Zumindest die Lückenschließungsgrundsätze für das Management aus IAS 1.12 sowie die Systemanalogien scheinen eine Berücksichtigung rechtspraktisch zu erfordern. Insbesondere im Exposure Draft finden sich nur noch die vom IASB präferierten Ansätze884. Im Rahmen des Re-Exposure sind indes Änderungen zum ursprünglichen Entwurf grundsätzlich möglich. Es sollte daher allenfalls in einem späten Zeitraum des Due Process auf Entwürfe zur Rechtsfindung zurückgegriffen werden. Angesichts der Tatsache, dass zusätzlich noch der Endorsementprozess mit einer (mittlerweile) umfassenden technischen und materiellen Prüfung durch die EFRAG durchlaufen werden muss, sollten aus rechtsdogmatischer Sicht IFRS bzw. IFRIC-Entwürfe nicht umfassend berücksichtigt werden. Für Entwürfe, die im Widerspruch zu bestehenden Standards oder verfestigten Branchenpraktiken stehen, ist dieser Schluss zwingend. Im IFRS-Abschluss muss bestätigt werden, dass dieser nach den durch die EU anerkannten Standards erstellt wurde, was bei Berücksichtigung solcher Entwürfe nicht mehr der Fall wäre885. Denkbar wäre die Berücksichtigung für Fälle, in denen lediglich eine Auslegungs- oder Lückenschließungsentscheidung auf Grundlage der EU-IFRS validiert werden soll. (7) Overriding Principle – »True and Fair View« Das True and Fair View-Prinzip ist in IAS 1.15 mit dem inhaltsgleichen Begriff der »Fair Presentation« normiert. In angelsächsischen Rechnungslegungssystemen hat dieser Grundsatz überragende Bedeutung, weshalb es in solchen Rechtsordnungen regelmäßig als overriding principle ausgestaltet ist. Das heißt, dass – anders als etwa in den §§ 264 Abs. 2, 297 Abs. 2 HGB886 – das Prinzip als Generalnorm Vorrang vor anderen Grundsätzen oder Einzelregelungen hat, vgl. IAS 1.19. Ein Verstoß führt zur Unanwendbarkeit der speziellen Norm. Problematisch ist jedoch, aus einem solchen grundlegenden Prinzip auf konkrete Bilanzierungsentscheidungen schließen zu können. Was im Einzelfall ein den tatsächlichen Umständen entsprechendes Bild eines Geschäftsvorfalls darstellt, dürfte kaum einheitlich zu beantworten sein887. Da das Prinzip so fest in der angelsächsischen Rechnungslegungstradition verankert ist, ist es auch im Sys883 S. zur Fragestellung etwa HdJ-Wüstemann/Bischof/Kierzek (2018), Abt. I/3 Rn. 19; Wawrzinek/Lübbig (2016), in: IFRS-Handbuch, § 2 Rn. 116. 884 Vgl. Teil 2 Kapitel B II. 885 Zutreffend Wawrzinek/Lübbig (2016), in: IFRS-Handbuch, § 2 Rn. 116. 886 Vgl. hierzu Teil 2 Kapitel C VI. 2. b. 887 Hierzu ausführlich Teil 2 Kapitel C V. 4. e. dd. (2) sowie Kapitel C VI. 2. b. bb.

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temdenken der Normsetter festgesetzt, so dass ein Verstoß allgemein selten sein wird. Eine Verankerung findet sich auch im Framework sowie weiteren Einzelnormen. Es müssen schon besondere Einzelfallumstände vorliegen, dass eine Bilanzierungsentscheidung auf Grundlage der IFRS möglich wird, die zwingend ein Verstoß gegen das overriding principle darstellt. Regelmäßig wird durch Anwendung und Auslegung einer Einzelnorm bereits eine Fair Presentation durch den gewählten Bilanzansatz vertretbar sein. Insoweit spricht IAS 1.19 auch von »extremely rare circumstances« in welchen das Management tatsächlich unterstellen darf, dass eine Einzelnorm nicht zu einem den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendem Bild führt. Sollte dies trotzdem ausnahmsweise der Fall sein, legt IAS 1.20 den Unternehmen weitreichende Informationspflichten bzgl. seiner Entscheidung auf, was diese zu einer nochmaligen Überprüfung der eigenen Entscheidung zwingt. Ob sich die Möglichkeit der Ableitung konkreter Bilanzierungsentscheidungen überhaupt ergeben kann, darf bezweifelt werden888. Dagegen spricht, dass dieses Prinzip Grundsatz jeder Rechnungslegung ist, aber niemals losgelöst vom Bilanzzweck betrachtet werden kann und damit für sich allein genommen keine Relevanz erzeugt889. Nach IAS 1.24 besteht zwischen einer einzelnen Information und der Zielsetzung dann ein Konflikt, wenn die Geschäftsvorfälle nicht so glaubwürdig dargestellt werden, wie die Information es entweder vorgibt oder wie es vernünftigerweise erwartet werden kann und die Information wahrscheinlich die wirtschaftlichen Entscheidungen der Abschlussadressaten beeinflusst890. Für den Fall, dass eine gesetzliche Regelung einer abweichenden Bilanzierungsentscheidung entgegensteht sieht IAS 1.23 vor, dass eine Irreführung der Bilanzadressaten bestmöglich unter Angabe des Problems verringert wird. Die Rückanknüpfung des True and Fair View-Prinzips an die jeweilige Rechnungslegungskultur führt dazu, dass die Detailausprägung des getreuen Bildes zwischen IFRS und EU-Standards differieren kann und öffnet den Raum zur abweichenden Auslegung. Dies zeigte sich z. B. beim Impairment Only Approach gemäß IAS 3.54f., für welchen die Beachtung des Art. 3 Abs. 2 IAS-VO ausnahmsweise zu einem Richtlinienverstoß führte, da das Verbot, einen aktivierten Goodwill planmäßig abzuschreiben, weder mit Einzelvorschriften, noch den Grundprinzipien der europäischen Bilanzrichtlinien vereinbar war891.

888 Ablehnend Ballwieser, IFRS-Rechnungslegung, 2009, S. 141ff. m. w. N. zur Kritik in der Lehre. 889 S. hierzu schon Teil 2 Kapitel C V. 4. e. dd. 890 Diesen Aspekt so zusammenfassend: Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 2018, § 1 Rn. 69. 891 Vgl. Hennrichs, NZG 2005, 783, 785.

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ff. Schlussfolgerungen Die Regelungshierarchie der IASB-Verlautbarungen bietet verschiedene, insbesondere auch induktive Methoden, Regelungslücken zu schließen. Um diese Methodik für die kontinentaleuropäische Rechtsanwendung handhabbar zu machen, sollte diese Systematik im Rahmen telelogischer Argumentation berücksichtigt werden. Ausgangspunkt bilden die IAS/IFRS sowie die SIC/IFRIC, welche durch das Endorsement europäische Rechtsnormen werden. Die IAS-VO-Kommentare sowie die bislang fast durchweg anstandslose Übernahme der Standards in europäisches Sekundärrecht macht es für den Standardanwender erforderlich, auch Non-IFRICS sowie IFRS- und IFRIC-Entwürfe zu berücksichtigen. Dies gilt umso mehr, je weiter deren Entwicklung im Rahmen des Due Process fortgeschritten ist. Im Verhältnis zum deutschen Rechnungslegungsrecht spielen für die teleologische Auslegung und Lückenschließung der IFRS übergeordnete Prinzipien eher eine geringe Rolle. Das Framework dient eher als Grundlage der Entwicklung neuer Standards denn der normativen Grundlage. Das Overriding Principle eines True and Fair View ist zu unbestimmt, um als normativer Anknüpfungspunkt im Rahmen teleologischer Argumentation zu dienen. Für den Standardanwender sind die induktiven Methoden zur Schließung von Regelungslücken gem. IAS 8.10ff. von besonderer Bedeutung. Insoweit hat er auf Verlautbarungen anderer Standardsetter, anerkannte Branchenpraktiken sowie Literaturmeinungen zurückzugreifen. Aus Gründen der Rechtssicherheit bedarf der Anwender hierzu eines Rückgriffs auf eine institutionalisierte Meinungsbildung, um die induktive Regelsetzung mehrheitlich absichern zu können. In einem solchen induktiven Interpretationssystem spielen daher Institutionen eine besondere Rolle, welche daher im folgenden Kapitel besonders gewürdigt werden. Um ein geringes Legitimationsniveau ausgleichen zu können, bietet die teleologische Argumentation auch im Rahmen induktiver Interpretation die Möglichkeit, an europäische öffentliche Interessen sowie nationale Besonderheiten anzuknüpfen. Die IASB-Verlautbarungen sind insoweit nicht unmittelbar geltendes Recht, sondern in das System der Europäischen Rechnungslegung eingebunden und deren Übernahme durch die IAS-VO eingeschränkt. Eine unionsrechtskonforme Auslegung und Lückenschließung zu den IFRS erfordert es insoweit, die Übernahmekriterien der IAS-VO im Wege teleologischen Erkenntnisgewinns Inhalt zu verleihen und hierüber europäische und nationale Rechnungslegungsprinzipien und öffentliche Interessen zu berücksichtigen. Die Übernahmekriterien bieten derzeit jedoch keinen hinreichend konkretisierten Norminhalt, um als normative Vergleichsmaßstäbe dienen zu können.

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f. Institutionen mit faktischer Interpretationskompetenz Im Rahmen der Auslegung müssen in erster Linie solche Erkenntnisquellen berücksichtigt werden, welche auch bei einer etwaigen, späteren Überprüfung von Relevanz sein werden. Für den Standardanwender kommt es maßgeblich darauf an, wie die Enforcementeinrichtungen seine Bilanzierungsentscheidung bewerten werden. Er ist daher gut beraten, deren Rechtsauffassungen und Sichtweisen als Rechtserkenntnisquelle zu berücksichtigen, will er nicht Sanktionen im Enforcementverfahren riskieren892. Auf die Bedeutung der einzelnen Institutionen wird in diesem Rahmen eingegangen. Eine rangmäßige Einordnung der unterschiedlichen Erkenntnisquellen wird hingegen nicht angestrebt. Hierfür wird auf Nerlich verwiesen, welcher Relevanz, Verlässlichkeit, Verfügbarkeit und Häufigkeit als Kriterien einer Rangordnung zu berücksichtigen versucht893. aa. EFRAG und ARC Auf die Bedeutung der EFRAG und ARC bei der Einflussnahme auf das IASB sowie die Übernahme der IFRS in europäisches Sekundärrecht wurde bereits eingegangen894. Es steht noch zu klären, inwieweit Beurteilungen dieser Institutionen zu teleologischen Argumentationszwecken herangezogen werden können. Die EFRAG ist das wichtigste gemeinschaftsrechtliche Beratungsgremium der Europäischen Kommission in Bezug auf die Internationalen Rechnungslegungsstandards. Die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Kommission und der EFRAG wurde erstmals im Jahr 2006 und zuletzt im Working Arrangement von 02. Juni 2016895 geregelt und basiert auf Erwägungsgrund 10 der IASVO. Die EFRAG ist sowohl gegenüber der Kommission als auch dem IASB unabhängig und unterliegt damit keiner unmittelbaren staatlichen Aufsicht896. Zukünftig soll die EFRAG auch ökonomische und politische Überlegungen bei der Beurteilung der Übernahme eines internationalen Rechnungslegungsstandards berücksichtigen und damit öffentlichen und privaten europäischen Interessen Genüge tun897. Es handelt sich hierbei um eine Kompetenz zur Überprüfung des materiellen Norminhalts. Daraus leitet sich ein im Verhältnis zur bisherigen, lediglich technischen Überprüfung der IFRS höheres Maß an teleologischer Erkenntnis aus der Arbeit der EFRAG ab. Das gilt auch deshalb, weil die EFRAG unmittelbaren Einfluss auf das IASB bereits in der Phase der Planung

892 893 894 895 896 897

So auch Kleinmanns, DB 2014, S. 1325f. Nerlich, Auslegung IFRS, 2007, S. 261–264. Vgl. Teil 2 Kapitel C IV. Erhältlich auf https://www.efrag.org/About/Legal (letzter Zugriff am 06. 11. 2019). Vgl. EFRAG, Working Arrangements EC – EFRAG, 2016, S. 1. Vgl. Teil 2 Kapitel C III. 3. und 5.

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eines neuen IFRS ausübt898 und somit ihre Auffassung zumindest partiell mit derjenigen des Standardsetters übereinstimmt. Die EFRAG betrachtet dabei nicht nur die Standards im engeren Sinne, sondern im Sinne von IAS 1.7, d. h. IFRS, IAS, IFRS IC-Interpretations und SICInterpretations899. Die Einflussnahme auf die IFRS und damit auf deren Anwendung und Auslegung findet also auf zwei Ebenen statt: Auf das IASB im Rahmen des Due Process durch Vorschläge zur Berücksichtigung neuer Themen bei zukünftigen IASB-Vorhaben und bei öffentlichen Stellungnahmen zum Exposure Draft900 als »Sprachrohr Europas«901 durch die enge Zusammenarbeit und Konsultation nationaler Institutionen sowie im Rahmen des Endorsement Process durch die technische, ökonomische und politische Bewertung der IFRS. Aufgrund der vielfältigen Einflussnahme, der Bündelung europäischer Sichtweisen und Berücksichtigung privater und öffentlicher europäischer Interessen bei enger Bindung an die staatlichen Institutionen der Gemeinschaft, muss der EFRAG aus europäischer Sicht eine tragende Bedeutung als Erkenntnisquelle für den gemeinschaftsrechtlich-autonomen Bedeutungsinhalt der IFRS zukommen. Voraussetzung für einen Erkenntnisgewinn aus der Arbeit der EFRAG ist aber, dass die formelle und materielle Einschätzung einer IASBVerlautbarung ohne Restriktionen verfügbar ist. Die EFRAG ist effizient organisiert. Die Organisationsstruktur wird in den EFRAG-Internal Rules vom 23. Oktober 2017 (IR) auf Grundlage der Artikel 5 bis 8 der EFRAG Statutes kompetenzabgrenzend geregelt. Wichtigstes Gremium für die Überprüfung von Einzelvorschriften ist die Technical Expert Group (EFRAG TEG), vgl. Art. 23 IR. Die EFRAG TEG bildet Working Groups. Die Arbeit der EFRAG TEG folgt dem Öffentlichkeits- und Transparenzgebot, Art. 29 IR. Entscheidungsgremium ist das EFRAG Board, welchem die Einschätzung der EFRAG TEG nebst abweichenden Meinungen mitgeteilt wird. Es wird überwacht vom EFRAG General Assembly. Als Beratungsgremium des Boards und der TEG fungiert das EFRAG Consultative Forum of Standard Setters (EFRAG CFSS), in welchem nationale Standardsetter vertreten sind, Art. 30ff. IR. Die transparente Arbeit ermöglicht zwar eine Einsicht in die Tätigkeit, gleichsam ist es infolge personeller und finanzieller Restriktionen für die wenigsten Standardanwender möglich, sich ein umfassendes Bild zu verschaffen. Als Erkenntnisquellen aus der Arbeit der EFRAG steht eine Vielzahl von Dokumenten zur Verfügung. Dieser Umstand resultiert aus dem weitestgehend

898 899 900 901

Vgl. EFRAG, Working Arrangements EC – EFRAG, 2016, S. 1. Vgl. EFRAG, Statutes, 2014, S. 2. Vgl. EFRAG, Statutes, 2014, S. 2. S. EU-VO 258/2014, Erwägungsgrund 9.

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öffentlichkeitsorientierten Wirken der EFRAG902. Mit dem EU Endorsement Status Report bietet die EFRAG eine Übersicht über den aktuellen Stand des Übernahmeverfahrens für die einzelnen IFRS sowie den beabsichtigten Zeitraum für die weiteren Schritte des Endorsement-Verfahrens903. Über jede Aktivität der EFRAG auf den einzelnen Stufen des Due und Endorsement Process werden die Discussion Papers und Stellungnahmen der EFRAG veröffentlicht, so dass ein umfassender Einblick in ihre Sicht auf den entsprechenden IFRS möglich ist904. Aus rechtsdogmatisch-auslegungstheoretischer Sicht stellt sich hierbei die Frage, ob nicht ein Rückgriff auf solche Materialien eine Ausprägung subjektiver Norminterpretation vor dem Hintergrund einer privatrechtlich organisierten Institution wäre. Dabei muss berücksichtigt werden, dass es gerade nicht die Aufgabe der EFRAG ist, eine ungebundene, eigene Meinung zu den IFRS zu formulieren, sondern für den einzelnen Standard eine Bewertung auf Grundlage übergeordneter europäischer Interessen im Auftrag der Europäischen Kommission905 vorzunehmen. Insoweit soll die Arbeit der EFRAG nichts anderes darstellen als eine Konkretisierung des europäischen Telos bezogen auf den jeweiligen Standard, so dass sich die Materialien der EFRAG zur Auslegung nach dem Sinn und Zweck notwendig eignen. Darüber hinaus erstellt und veröffentlicht die EFRAG, häufig in Zusammenarbeit mit national-mitgliedsstaatlichen Standardsettern, regelmäßig Monographien, welche für Europa besonders bedeutsame Themen der IFRS-Rechnungslegung abhandeln906. Diese Arbeit wird von der EU gefördert und finanziell getragen. Solche umfassenden Studien, Diskussions- und Positionspapiere müssen von Standardanwender und Enforcement-Institutionen berücksichtigt werden. Das Accounting Regulatory Committee (ARC) ist die zweite Institution des Endorsement Process. Sie wurde auf Grundlage von Art. 3 der IAS-VO geschaffen. Die ARC setzt sich zusammen aus Vertretern der EU-Mitgliedsstaaten sowie der EZB, der BAC, der CEBS, der CESR und der CEIOPS unter Vorsitz der Europäischen Kommission907. Dieses Gremium überprüft den Übernahmevorschlag der EU-Kommission nochmals und beschließt hierüber mit qualifizierter 902 Zur Bedeutung der Öffentlichkeitsarbeit die Selbstdarstellung der EFRAG unter https://w ww.efrag.org/About/Facts#subtitle2 – »Public Accountability« (letzter Zugriff: 06. 11. 2019). 903 Vgl. aktuell: EFRAG, Endorsement Status Report vom 07. 06. 2017. 904 Solche Dokumente sind online erhältlich auf: https://www.efrag.org/Activities (letzter Zugriff: 06. 11. 2019). 905 Vgl. EFRAG, Working Arrangements EC – EFRAG, 2016, S. 1f. 906 Diese sog. »proactiv activities« starteten im Jahr 2005. Seitdem sind 46 Publikationen veröffentlicht worden (Stand: 06. 11. 2019). Die Publikationen sind öffentlichen verfügbar auf: https://www.efrag.org/Publications (letzter Zugriff: 06. 11. 2019). 907 Vgl. ARC Accounting Regulatory Committee, erhältlich auf: https://ec.europa.eu/info/sys tem/files/arc-members_en.pdf (letzter Zugriff: 06. 11. 2019).

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Mehrheit908. Im Falle der Zustimmung mit dem Kommissionsvorschlag wird der IFRS ohne Befassung des Parlaments von der Kommission freigegeben. Andernfalls wird das Europäische Parlament unterrichtet und dem Rat der Europäischen Union ein Einigungsvorschlag vorgelegt909. Das ARC trifft sich etwa vierteljährlich um über die Übernahmevorschläge der Kommission zu beraten. Dabei wird im Rahmen von Agenden der Ablauf der Treffen festgelegt und in Summary Records protokolliert. Der zeitliche Rahmen wird dabei regelmäßig auf drei Stunden begrenzt910. In dieser Zeit muss mitunter über mehrere Standards beraten werden911. Angesichts dieses Arbeitspensums kann kaum erwartet werden, dass zwischen den über 30 Beteiligten eine umfassende Diskussion unter Berücksichtigung europäischer und mitgliedsstaatlicher Interessen stattfindet. Die erkenntnistheoretische Aussagekraft der Summary Records ist daher gering bis unbedeutend. Lediglich wenn der Übernahmevorschlag durch das ARC abgelehnt wird, lassen sich hieraus Rückschlüsse auf die Bedenken und die Berücksichtigung eines solchen abgelehnten Standards für die Auslegung der endorsed IFRS ziehen. bb.

Wirtschaftsprüfer

(1) Berufsbild und Berufsverbände Eine besondere Bedeutung bei der Rechnungslegung allgemein und im Besonderen beim Standardsetting der IFRS sowie derer Auslegung kommt dem Berufszweig der Wirtschaftsprüfer zu. Sie nehmen eine öffentliche Funktion wahr, indem sie durch die Prüfung von Jahresabschlüssen und die Vergabe von Testaten das Vertrauen der Abschlussadressaten in die externe Rechnungslegung stärken912. In diesem Sinne werden sie öffentlich bestellt und müssen über besondere fachliche Qualifikationen verfügen, vgl. § 1 Abs. 1 WiPrO. Sie müssen unabhängig und unparteilich agieren können913, vgl. § 46 WiPrO. Faktisch gibt es

908 Vgl. Art. 6 Abs. 2 IAS-VO in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 des Ratsbeschlusses 1999/468 und Art. 205 Abs. 2 EG-Vertrag sowie Art. 5 Abs. 1 Rules of Procedure der ARC. 909 Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, 2017, S. 81f. 910 Vgl. hierzu die Agenden der ARC-Meetings unter https://ec.europa.eu/info/business-eco nomy-euro/banking-and-finance/financial-reforms-and-their-progress/regulatory-proces s-financial-services/expert-groups-comitology-and-other-committees/accounting-regulat ory-committee_en (letzter Zugriff am 06. 11. 2019). 911 Ebd. 912 Vgl. Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, 2018, S. 1002f. 913 An dieser Stelle sei lediglich darauf hingewiesen, dass die Unabhängigkeit und Überparteilichkeit der Wirtschaftsprüfer aufgrund der freien Wählbarkeit durch die Unternehmen und den herrschenden Wettbewerb ggf. nicht zu gewährleisten ist. Ausführungen hierzu würden aber den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Zur ablehnenden empirischen Überprüfung dieser These sei aber der Vollständigkeit halber auf Bauer, Die Unabhängigkeit der

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Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS

in der Regel keine Berufsgruppe, die über eine höhere fachliche Qualifikation und Sachkompetenz im externen Rechnungswesen verfügt. Die Berufsgruppe der Wirtschaftsprüfer wird durch Berufsverbände repräsentiert. Auf deutscher Seite übernehmen diese Funktion das IdW sowie die Wirtschaftsprüferkammer914. Die Wirtschaftsprüferkammer ist dabei mit der Berufsaufsicht betraut, vgl. §§ 57 Abs. 1, 68 WPO. Auch in anderen Staaten agieren solche Institutionen915, teils in Abstimmung auf internationaler Ebene. Insoweit gibt es auch einige namhafte Berufsverbände der Wirtschaftsprüfer auf internationaler Ebene916. Am Beispiel des IdW soll aufgezeigt werden, wie eine Einflussnahme auf die Rechnungslegungstätigkeit und insbesondere die Anwendung der IFRS durch berufsständische Rechnungslegungsorganisationen erfolgt. Wirtschaftsprüfer werden aus haftungsrechtlicher Sicht bemüht sein, sich an den IdW-Verlautbarungen zu orientieren917. (2) Ebenen der Einflussnahme Ihre Einflussnahme lässt sich dabei auf unterschiedliche Ebenen aufteilen: Einerseits haben sie die Aufgabe, Jahresabschlüsse von prüfungspflichtigen Unternehmen918 zu prüfen und deren Übereinstimmung mit den Regeln der Rechnungslegung durch Vergabe von Bestätigungsvermerken zu akkreditieren. Aufgrund ihres besonderen Sachverstands üben sie in der Regel auch darüberhinausgehende Beratungstätigkeiten aus919. Aus gerichtlicher Sicht eignen sie sich als Sachverständige in Bezug an die Einhaltung der Anforderungen von

914

915

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Abschlussprüfer im Zusammenhang mit dem gleichzeitigen Angebot von Beratungsleistungen beim Prüfungsmandat, 2004 hingewiesen. Die Wirtschaftsprüferkammer ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, § 4 Abs. 2 WPO. Pflichtmitglieder sind alle Wirtschaftsprüfer, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, vereidigte Buchprüfer und Buchprüfungsgesellschaften sowie deren Vertreter, §§ 58 Abs. 1, 128 Abs. 3 WPO. Eine der wichtigsten Aufgaben der Kammer ist die Qualitätskontrolle (peer review) sowie die Regelung der Berufsausübung, §§ 57 Abs. 3, 57c WPO. Etwa die französische Compagnie Nationale des Commissaires aux Comptes oder auch die britischen berufsständischen Rechnungslegungsorganisationen wie das Chartered Institute of Management Accountants und das Institute of Chartered Accountants in England & Wales. Beispielsweise der Weltverband »International Federation of Accountants«, die »European Federation of Accountants and Auditors for SMEs«, das »American Institute of Certified Public Accountants« oder auch die »Ordre des Experts-Comptables« (Frankreich). Zur Haftung und Haftungsrisiken allgemein IdW [Hrsg.], WP Handbuch, 2017, Teil A Rn. 302ff. Dies gilt freilich auch für solche Unternehmen, die freiwillig und satzungsgemäß ihre Jahresabschlüsse der Abschlussprüfung unterwerfen, allerdings mit begrenzten Rechtsfolgen bei Verstößen, vgl. zur Thematik BeBiKo-Schmidt/Küster (2018), § 316 Rn. 30–32. Vgl. zur fraglichen Unabhängigkeit des Wirtschaftsprüfers trotz Ausübung von Nichtprüfungsdienstleistungen etwa Lenz/Bauer/Auerbacher, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, in: Meeh [Hrsg.], FS-Fischer-Winkelmann, 2006, S. 175–223.

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Rechnungslegungsnormen aus technischer Sicht. Darüber hinaus vertreten sie die Interessen ihrer Mitglieder in verschiedenen Gremien, nehmen Einfluss auf das Standardsetting und geben Verhaltens- und Prüfungsnormen für die Tätigkeit der Berufsträger vor. Insgesamt findet daher eine durchgängige Kontrolle der Berufsverbände der Wirtschaftsprüfer vom Standardsetting bis hin zur Anwendungskontrolle statt. Die Einflussmöglichkeiten resultieren daraus, dass die Berufsverbände der Wirtschaftsprüfer innerhalb der Mitgliedsstaaten wichtige Positionen in den Institutionen der privaten Selbstregulierung im Bereich der Rechnungslegungsstandards bekleiden. Das IASC als Vorgängergremium des heutigen IASB wurde am 29. 06. 1973 in London als privatrechtlich ausgestaltete Institution von Berufsverbänden der Wirtschaftsprüfer aus überwiegend der angelsächsischen Rechtstradition folgenden Staaten920 gegründet. Die Wirtschaftsprüfer dominierten somit die Arbeit der IASC921. Heute findet sich in den Standardsettinggremien eine pluralistische Besetzung922. (3) Letztentscheidungskompetenz durch Bestätigungsvermerk Die sachverständige Kontrolle von Jahresabschlüssen durch Wirtschaftsprüfer legt nahe, dass diesen faktisch die Letztentscheidungskompetenz über Anwendungs- und Auslegungsfragen der Rechnungslegung obliegt. Ein Blick auf die Verfahrensvorschriften zur Prüfungstätigkeit und die bereits vorgestellten berufsethischen Grundsätzen zeigt immerhin, dass eine eingängige und neutrale Kontrollinstanz gefordert wird. Die Bedeutung der Wirtschaftsprüfung sei am Beispiel des deutschen Handelsrechts erläutert. Die Prüfungspflicht folgt aus § 316 Abs. 1 HGB für den Einzelabschluss aus Abs. 2 für den Konzernabschluss. Dabei verfolgt die Prüfung einen Kontroll-, Informations- sowie Beglaubigungsfunktion923. All diese Funktionen sind letztlich auf ein öffentliches Interesse an unter den maßgeblichen Normen zustande gekommenen Jahresabschlüssen zurückzuführen. Nur die Normkohärenz des Abschlusses soll und nur diese kann die Prüfung gewährleisten. In der Öffentlichkeit wird die Funktion der Wirtschaftsprüfung jedoch mit übertriebenen Erwartungen gesehen. Die »Erwartungslücke«924 (auch 920 Diese waren Australien, Großbritannien, Irland, Kanada, Mexico, die Niederlande und die USA. Weitere, dem kontinentaleuropäischen Rechtssystem folgende Gründungsverbände kamen aus Deutschland, Frankreich und Japan. Über kulturelle Einflüsse auf die Arbeit der Wirtschaftsprüfer vgl. etwa Tsakumis Abacus 2007, 27ff. 921 Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, 2017, S. 50. 922 Vgl. Teil 2 B II. 923 Vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Böcking/Gros/Rabenhorst (2014), § 316 HGB Rn. 4 ff. 924 Vgl. Biener, Die Erwartungslücke, in: Lanfermann/Havermann [Hrsg.], FS-Havermann, 1995, S. 39 ff.; Böcking/Orth, WPg 1998, 351ff.; BeBiKo-Schmidt/Küster (2018), § 322 Rn. 10,

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expectation gap) bezieht sich insbesondere darauf, dass die Prüfung eine Aussage über die wirtschaftliche (gesunde) Lage des Unternehmens bieten würde. Die Erwartungen gehen somit über die Funktion der Prüfung, die Übereinstimmung der Finanzberichterstattung mit den Rechnungslegungsvorschriften festzustellen, hinaus. Am Ende der Prüfung steht je nach Ergebnis die Erteilung eines uneingeschränkten oder eingeschränkten Bestätigungsvermerks oder dessen Versagung, § 322 Abs. 2 HGB. Nur ein testierter Jahresabschluss ist feststellungsreif. Bei Erteilung eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerk, hat der Prüfer im Bestätigungsvermerk zu erklären, dass die nach § 317 HGB durchgeführte Prüfung zu keinen Einwendungen geführt hat und der Abschluss nach seiner Beurteilung den gesetzlichen Vorschriften entspricht sowie unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung oder sonstiger maßgeblicher Rechnungslegungsgrundsätze ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens bzw. des Konzerns vermittelt. Der Bestätigungsvermerk ist dabei – unabhängig von seiner konkreten Ausprägung – nicht nur im Prüfungsbericht selbst enthalten, sondern muss darüber hinaus gemäß § 325 HGB offengelegt werden. Die Unternehmensreputation hängt damit unmittelbar vom prüferlichen Testat ab. Dies zeigt, dass der Bestätigungsvermerk, besonders unter Berücksichtigung eines expectation gap für das Unternehmen eine ganz erhebliche praktische Bedeutung hat. Soweit der Wirtschaftsprüfer also die Anwendung und ggf. Auslegung von Rechnungslegungsnormen im konkreten Abschluss als mit den vorbenannten Grundsätzen übereinstimmend ansieht, findet zunächst keine weitere Prüfung statt und der Jahresabschluss wird für die Öffentlichkeit zugänglich und erfüllt seine Funktionen. Auch eine etwaige spätere gerichtliche Kontrolle dürfte nur begrenzt denkbar sein. Wirtschaftsprüfer verfügen über besondere Sachkunde in einem Sachgebiet, welches selbst für Spezialisten einzelner Teile noch komplex ist. Richter sind gehalten in Fällen mangelnder Sachkunde Sachverständige hinzuzuziehen925. Da als Sachverständige insbesondere Wirtschaftsprüfer in Betracht kommen, wird eine Entscheidung contra nota kaum möglich sein, zumal das Gericht im Falle eigener Auslegungskompetenz einigen Begründungsaufwand betreiben muss, um die fachgerechte Normanwendung der Wirtschaftsprüfer abzulehnen.

11; Oldewurtel/Kümpel/Wolz, WP Praxis 2016, 64ff.; IdW [Hrsg.], IDW PS 400, Fassung 28. 11. 2014, Rn. 8. 925 S. aber Teil 3 Kapitel A III. zur Frage, ob hier im Rahmen der Auslegung materieller Normen nicht über Rechtsfragen zu entscheiden ist und damit ein Sachverständigengutachten an sich unzulässig wäre.

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(4) Testat und IFRS Die Bedeutung des Bestätigungsvermerks zeigt, dass unabhängig von abstrakttheoretischen Ausführungen zur dogmatischen Rangfolge der Rechtserkenntnisquellen letztlich die Wirtschaftsprüfer die zentrale Funktion der Anwendungskontrolle der IFRS ausüben und Standardanwender ihrer Auffassung folgen müssen, wollen sie nicht ein eingeschränktes Testat besorgen. Die Abschlussprüfung umfasst die Anwendung der IFRS jedenfalls für kapitalmarktorientierte Konzerne, für die deren Anwendung rechtsverbindlich ist. Über § 324a HGB sind die Prüfungsvorschriften auch auf Unternehmen anzuwenden, die freiwillig einen IFRS-Einzelabschluss nach § 325 Abs. 2a HGB offenlegen. Der prüfende Akteur wird sich an die IdW-Standards halten, welche auch für die IFRS entsprechende Hinweise geben. Der Rechnungsleger muss dies antizipieren und die IdW-Standards seinerseits bei der Anwendung berücksichtigen. Bei Zweifelsfragen kann es auch denkbar sein, dass das Unternehmen Rücksprache mit Wirtschaftsprüfern hält926. Bei ungeklärten oder umstrittenen Rechtsfragen akzeptieren die Abschlussprüfer in der Praxis vertretbare Auffassungen in der Regel ohne Testatseinschränkung927. Dieser Umstand führt dazu, dass anerkannte Branchenpraktiken928 eine noch stärkere Bedeutung erlangen. Letztlich ist eine an den praktischen Gegebenheiten orientierte Sichtweise daher unerlässlich. Das Prüfungsrecht hat gemeinschaftsrechtliche Regelungen derzeit durch die Abschlussprüferrichtlinie (2006/43/EG einschließlich der Änderungen aus der Richtlinie 2008/30/EG) erfahren, was angesichts der Harmonisierungstendenzen im Bilanzrecht nachvollziehbar ist. Für Public Interest Entities gilt ferner die Abschlussprüferverordnung (Verordnung (EU) Nr. 537/2014). In Umsetzung dieser Vorschriften sieht § 322 Abs. 1a HGB vor, dass im Rahmen der Prüfung die von der EU-Kommission im Verfahren nach Art. 26 Abs. 3 der der Richtlinie 2006/43/EG übernommenen internationalen Prüfungsstandards (International Standards of Accounting, ISA) anzuwenden sind. Die ISA werden vom International Accounting and Assurance Board (IAASB) im Auftrag der International Federation of Accountants (IFAC) entwickelt. Sinn ist unter anderem die Angleichung des Prüfungsrechts an die Internationalisierung des Rechnungslegungsrechts, mithin an die IFRS. Derzeit hat die Kommission keinen solchen Standard übernommen. Bei zukünftig zu erwartender Übernahme wird aller926 Vor dem Hintergrund des § 319 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 lit. a–d sowie § 319a Abs. 1 Nr. 2 und 3 HGB ist die Selbstprüfung jedoch ausgeschlossen. § 33 Abs 2 der Berufssatzung ist schon weniger eng gefasst und stellt allein auf eine unmittelbare Einflussnahme ab. Eine generelle Trennung von Prüfung und Beratung hat der Gesetzgeber nicht vorgenommen, vgl. MüKo/ Bilanzrecht-Bormann (2013), § 319 Rn. 47f. 927 In diese Richtung zum Beispiel IdW [Hrsg.], WP Handbuch, 2017, Teil M Rn. 829f. 928 Vgl. hierzu schon Teil 2 Kapitel C V. 4. e. ee. (2) (b).

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dings eine strengere Orientierung an IFRS-Grundsätzen durch die Wirtschaftsprüfer zu erwarten sein. (5) Marktkonzentration der »Big Four« Eine weitere Besonderheit innerhalb der Wirtschaftsprüfungsdienstleistungen besteht darin, dass auf diesem Markt eine Konzentration auf einige wenige, einflussreiche Gesellschaften erfolgt, was in verschiedener Hinsicht auf monopol- bzw. wenigstens oligopolartige Strukturen hindeutet. Heute konzentriert sich der Beratungsmarkt auf die Unternehmen PwC, Deloitte, Ernst & Young sowie KPMG. In Deutschland wurden im Jahr 2013 von 160 im DAX, M-DAX, SDAX und T-DAX gelisteten Unternehmen 142, d. h. fast 90 % durch eine der BigFour-Wirtschaftsprüfungsgesellschaften geprüft929. Ihr weltweiter Gesamtumsatz belief sich im Geschäftsjahr 2015/2016 auf 125,17 Milliarden US-Dollar930. Zum Vergleich: die BDO AG als fünftgrößte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft der Welt erzielte im Geschäftsjahr 2016 einen Umsatz von 7,6 Milliarden US-Dollar und damit immer noch nur etwa 30 % des Umsatzes der umsatzschwächsten BigFour-Gesellschaft (KPMG). Die Machtkonzentration im Sektor der Prüfungsleistungen führt notwendig dazu, dass auch Nichtprüfungsdienstleistungen von rational handelnden Akteuren bei den entsprechenden Organisationen nachgefragt werden. Die Unternehmensberatung als solche obliegt bzw. oblag zumindest bisher in weiten Teilen den Big-Four-(Beratungs-) Gesellschaften931. Die Konzentration der Marktmacht im Bereich der Prüfungsdienstleistungen erfolgte nach einer Ausweitung der Prüfungsgesellschaften durch Internationalisierungstendenzen Ende des 19. Jahrhunderts durch Konsolidierungsprozesse insbesondere ab den 1960er Jahren932. Jüngst hat die EU mit der Abschlussprüferverordnung (VO/537/2014) auf die Gefahren von Marktmachtkonzentration und Abschlussprüferabhängigkeiten reagiert. Im Zentrum dieser Verordnung steht die zukünftige Pflicht zur externen Rotation der Abschlussprüfer bei Unternehmen von öffentlichem Interesse933. Hierdurch kann erwartet 929 Vgl. WDR-Bericht vom 13.08. 2015, erhältlich auf: https://web.archive.org/web/201608102255 06/, http://www1.wdr.de/nachrichten/monitor-big-four-100.html (Zugriff am 13. 01.2019). 930 Vgl. Statistisches Bundesamt (2017), Umsatz der Big Four; auch aktuelle Studien belegen, trotz der zwischenzeitlich verpflichtenden Rotation der Abschlussprüfer für public interest entities, vgl. hierzu im Einzelnen Artikel 17 Absatz 2b) EU-Abschlussprüferverordnung (EU/ 537/2014), die Marktmacht, vgl. Zwirner/Boecker, IRZ 2017, 393, 395. 931 Vgl. zur Bedeutung der Beratungsdienstleistungen die Forschungsnachweise bei Velte, DStR 2016, 1944, 1946ff. Siehe aber auch zum zwischenzeitlichen Verbot der Erbringung von Nichtprüfungsdienstleistungen durch den Abschlussprüfer Schüppen, NZG 2016, 247, 252. 932 Vgl. etwa Oehr, Sozio-ökonomische Aspekte der Regulierung der Rechnungslegung, 2012, S. 126; Mandler, Die Internationalisierung von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, in: Giesel/Pausenberger/Glaum [Hrsg.], FS-Pausenberger, 1999, S. 429–452. 933 Vgl. etwa Velte, DStR 2014, 1688, 1690.

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werden, dass sich die Marktkonzentrationen im Bereich der Abschlussprüfung verändern934. Mit der Marktmachtkonzentration einher ging eine grundsätzliche transnationale Strukturierung der Wirtschaftsprüferbranche, d. h. auch derer Berufsverbände. Dieses besondere Zusammenspiel von Sachverstand, Machtkonzentration sowie inter- und transnationaler Netzwerkstruktur machte hier den Gedanken an außerstaatliche, private Selbstregulierung besonders fruchtbar. Die praktische Entwicklung war der politischen daher ein Stück weit voraus. (6) Marktkonzentration und Standardsetzung Dieser Umstand führte letztlich auch dazu, dass Wirtschaftsprüfer in Europa das Bedürfnis ihrer Mandanten an international anerkannte Rechnungslegungsstandards – auch im Gegenmodell zu den US-amerikanischen GAAP – erkannten und solche eigenständig entwickelten. Ihnen ist es damit gelungen, weltweit, auch von der US-amerikanischen SEC, anerkannte Standards zu entwickeln, bevor eine staatliche Einflussnahme überhaupt möglich war. Die Machtkonzentration im Prüfungs- und Beratungswesen hat sich damit auf die Standardsetzung ausgedehnt und bis heute gehalten. Mittlerweile haben der Staat und weitere Interessenten aber durch Finanzierungs-, Verfahrens- und Mitgliederkontrolle im IASB ein Stückweit Macht im Setting zurückgewonnen935. Nichtsdestotrotz könnte überspitzt von einem Monopol der Wirtschaftsprüfer beim Setting und Anwendung der IFRS unterstellt werden. Es besteht ein komplexes Konstrukt internationaler Verflechtungen936, in dem die EU lediglich einen kleinen Teil für sich beanspruchen kann. Innerhalb der Institutionen, deren Sichtweise bei der Anwendung der IFRS berücksichtigt werden müssen, nehmen Berufsverbände der Wirtschaftsprüfer daher die zentrale Stellung ein. (7) IDW-Verlautbarungen und Hausmeinungen der WP-Gesellschaften Für Wirtschaftsprüfer in Deutschland sind die Verlautbarungen des IdW Grundlage ihrer Tätigkeit. Diese werden in einem Sammelband herausgegeben937 und umfassen die Prüfungsstandards (IDW PS), die Prüfungshinweise (IDW PH), Stellungnahmen zur Rechnungslegung (IDW RS), Rechnungslegungshinweise (IDW RH), die Standards (IDW S) sowie den Qualitätssicherungsstandard, Steuer- und Praxishinweise und die bis 1998 veröffentlichten Fachgutachten und Stellungnahmen. Für die IFRS-Auslegung sind die IDW RS sowie IDW RH von 934 So auch Zwirner/Boecker, IRZ 2017, 8, 11. 935 Hierzu schon Teil 2 Kapitel C IV. 936 Vgl. Oehr, Sozio-ökonomische Aspekte der Regulierung der Rechnungslegung, 2012, S. 148 für eine brauchbare Darstellung der Verknüpfungen am Beispiel des Jahres 2001. 937 S. derzeit IdW [Hrsg.], IDW Verlautbarungen, 64. EL Januar 2018.

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besonderer Bedeutung, da hier teils auf konkrete internationale Standards eingegangen wird. Neben diesen Berufsverbandsregelungen sind die großen WP-Gesellschaften (large audit firms) bemüht, ihre Prüfungstätigkeit zu vereinheitlichen und haben auch ein Interesse daran, öffentlichkeitsorientiert fachkompetent aufzutreten und Bedürfnisse ihrer Mandanten zu artikulieren. Für wichtige Bilanzierungsund Prüfungsfragen legen sie daher sog. Hausmeinungen938 fest. Diese müssen freilich in internationalen Netzwerken samt Berücksichtigung von Enforcemententscheidungen gefasst werden. Soweit andere WP-Gesellschaften der jeweiligen Auffassung folgen, kann sich diese zu hausübergreifenden Meinungen verfestigen939, wodurch sie spätestens zur anerkannten Branchenpraxis im Sinne des IAS 8.12 werden. Solche Hausmeinungen finden sich insbesondere in den IFRS-Handbüchern der large audit firms940. Grundsätzlich ist die Entwicklung solcher Hausmeinungen auch zu begrüßen. Die großen WP-Gesellschaften verfügen über die fachlichen und personellen Kapazitäten, die im Rahmen dieser Arbeit herausgebildeten Erkenntnisquellen umfassend zu berücksichtigen und mit bilanzwissenschaftlich nachvollziehbarer Methodik bei Problemen der Anwendung und Lückenschließung konkrete Einschätzungen zu bilden. An welchen Erkenntnisquellen sie sich tatsächlich orientieren kann jedoch im Rahmen dieser Arbeit nicht analysiert werden. cc.

DPR

(1) Allgemeines Der Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung e.V.941 mit Sitz in Berlin ist ein im Jahr 2005 zur Erfüllung der Aufgaben der §§ 342b bis 342e HGB eingesetztes Gremium, welches zusammen mit der BaFin eine der Säulen942 des deutschen Rechnungslegungsenforcement darstellt. Die DPR ist damit ein gesetzlich vorgesehenes Gremium zur Vertretung deutscher Interessen im Rahmen der internationalen Rechnungslegung. Es handelt sich um eine privatrechtlich organisierte Institution, welche durch Interessenverbände unterschiedlicher Wirt938 Zum Begriff vgl. etwa Kleinmanns, DB 2014, 1325, 1332. 939 Vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 2018, § 1 Rn. 79. 940 Etwa dem »Manual of accounting IFRS« von PwC, derzeit in zwei Bänden in der Auflage für das Jahr 2019 oder den IFRS Practical Guides von Deloitte zu einzelnen Standards. 941 Eingetragen im Vereinsregister beim Amtsgericht Charlottenburg, Registernummer: 23745 Nz; international tritt der DPR unter der Bezeichnung »Financial Reporting Enforcement Panel (FREP)« auf, vgl. DPR-Satzung 2009, § 1. 942 Die weiteren Säulen sind nach dem Selbstverständnis des DPR die Abschlussprüfer sowie der Aufsichtsrat.

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schaftszweige zum Zwecke der Trägerschaft einer weisungsunabhängigen Prüfstelle im Sinne des HGB sowie für die Zusammenarbeit mit nationalen Enforcement-Institutionen im Ausland und internationalen Organisationen auftritt943. Die rechtlichen Voraussetzungen im Sinne des § 342b HGB für seine Tätigkeit sind durch Anerkennungsvertrag mit dem BMJ vom 30. 03. 2005944 auf unbestimmte Zeit geschaffen worden. Ein Einfluss von staatlicher Seite wird durch Vorschriften zur Zusammenarbeit und Mitteilungspflicht gegenüber BMJ, BMF sowie der BaFin sichergestellt945. Die Kontrolltätigkeit der DPR bezieht sich allein auf solche Unternehmen, deren Wertpapiere an einer inländischen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind, §§ 342b HGB, 37n ff. WpHG. Da solche Unternehmen die IFRS verbindlich anwenden müssen, spielt die IFRSBilanzierung die entscheidende Rolle für die Arbeit der DPR. Das heißt e contrario, dass Mittelstandsinteressen nicht berücksichtigt werden. Soweit es um die Enforcementfunktion der DPR geht, hat sie für die Auslegung und Anwendung der IFRS nur mittelbare Bedeutung. Diese resultiert einerseits aus seiner Zusammenarbeit und Einflussmöglichkeit auf andere Gremien und Rückkopplungen zu den Interessenverbänden, welche ihrerseits teilweise im IFRSF vertreten sind. Andererseits können bisherige Entscheidungen zur Fehlerfeststellung präventive Wirkung auf zukünftige Bilanzierungsfragen bedingen. Die DPR muss deutsche Interessen berücksichtigen und vertreten. Die Mitglieder des Trägervereins der DPR bilden einen breiten Querschnitt über wesentliche Wirtschaftsbereiche ab946. Dieser soll sich auch in der Besetzung des Nominierungsausschusses widerspiegeln947. Es lässt sich jedoch ein quantitatives Übergewicht der Banken- und Wertpapierdienstleistungsverbände erkennen. Hieran zeigt sich die internationale und kapitalmarktorientierte Ausrichtung der DPR. 943 Vgl. DPR-Satzung 2009, § 2. 944 Erhältlich unter https://www.frep.info/docs/rechtliche_grundlagen/20050330_anerkennun gsvertrag.pdf (letzter Zugriff am 06. 11. 2019). 945 Vgl. DPR-Anerkennungsvertrag 2005, §§ 2 und 3. 946 Zurzeit sind die Bundesverbände der Deutschen Industrie, der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, deutscher Banken, Öffentlicher Banken Deutschlands, die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, der Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband, der Deutsche Gewerkschaftsbund, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, der Deutsche Sparkassen- und Giroverband, das Deutsche Aktieninstitut, das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee, der Gesamtverband der Deutschen Versicherungsgesellschaft, das Institut der Wirtschaftsprüfer, die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, die Wirtschaftsprüferkammer als Gründungsmitglieder sowie die Steuerberaterkammer und die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management jeweils seit dem Jahr 2005 (Stand: 13. 01. 2019). 947 Vgl. DPR-Satzung 2009, § 8 Abs. 1.

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Auch die jährlich im Vorfeld festgelegten Prüfungsschwerpunkte für die einzelnen Jahre zeigen eine ausschließliche Anknüpfung an Geschäftsvorfälle in international tätigen und börsennotierten Konzernen. Die Interessenverbände haben gemein, dass sie sich der Vertretung der (nationalen) privaten Interessen ihrer jeweiligen Mitglieder verschrieben haben. Eine Vertretung für die über die privaten Interessen hinausgehenden öffentlichen Interessen von staatlicher Seite fehlt. Neben der staatlichen Einflussnahme im Rahmen des o.g. Anerkennungsvertrags, bedarf die Wahl der Mitglieder der Prüfstelle der Zustimmung durch das BMJ im Einvernehmen mit dem BMF948. Die Prüfstelle ist das wichtigste operative Organ der DPR und führt die eigentlichen Prüfungen durch. Sie beurteilt, ob die Bilanzierungsentscheidung im konkreten Einzelfall vertretbar war949. Durch die BaFin kann von staatlicher Seite die Initiative für eine Prüfung ausgehen. Die Prüfstelle führt die Prüfung dann auf Verlangen der BaFin durch950. Außerdem hat die BaFin nach Maßgabe des § 37p Abs. 1 Satz 4 WpHG die Möglichkeit, die Prüfung an sich zu ziehen951. Darüber hinaus sieht das Prüfungsverfahren in komplexen Fällen das Einholen von Fachgutachten vor, welche regelmäßig durch Wirtschaftsprüfungsgesellschaften aufgrund derer »besonderer Fachexpertise und umfangreicher Kapitalmarkterfahrung«952 erstellt werden. Hierdurch wird die Bedeutung der DPR für die Anwendung der IFRS zugunsten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften verschoben. (2) Präventivmaßnahmen Durch die Kontrolle von Jahresabschlüssen können Fehler der Bilanzierung von Geschäftsvorfällen unmittelbar aufgedeckt werden. Für die (zukünftige) Anwendung und Auslegung der IFRS durch die Unternehmen spielen die präventiven Wirkungen eine Rolle. Diese resultieren aus den Fehlerfeststellungen der Prüfstelle. Die präventive Verbesserung der Qualität der Rechnungslegung ist Zielsetzung der DPR953. Das präventive Instrumentarium umfasst die Hinweise in Bezug auf künftige Rechnungslegungsfragen, die Setzung von Prüfungsschwerpunkten, Öffentlichkeitsarbeit, Kommunikation mit Standardsetzern sowie Jahresgespräche mit den

948 Vgl. DPR-Satzung 2009, § 8 Abs. 5. 949 Vgl. Scheffler, BB-Special Heft 4/2006, 2f. 950 Von dieser Möglichkeit ist etwa im Geschäftsjahr 2016 (01. 01. 2016 bis 31. 12. 2016) zweimal Gebrauch gemacht worden, vgl. DPR, Tätigkeitsbericht 2016, S. 3. 951 Siehe hierzu auch DPR, Verfahrensordnung Prüfstelle i. d. F. vom 16. 08. 2005, § 18. 952 Vgl. DPR, Schema Prüfprozess, S. 2. 953 Vgl. BeBiKo-Grottel (2018), § 342b Rn. 1.

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Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Workshops mit Vorständen und Aufsichtsräten und die Beantwortung fallbezogener Voranfragen954. Da die Prüfungen auf Grundlage der Prüfungsschwerpunkte erfolgen, die in der Regel eng umschriebene Bilanzierungsfragen umfassen955, kann für zukünftige Geschäftsvorfälle auf diesem Gebiet auf die Arbeit der Prüfstelle besonders zurückgegriffen werden. Die Schwerpunkte werden dabei in enger Anlehnung an die »European Common Enforcement Priorities« der ESMA, ergänzt um nationale Schwerpunkte, festgelegt. Weitere Zusammenarbeit zwischen DPR und ESMA erfolgt über die aktive Teilnahme an EECS-Sitzungen, Mitwirkung in Arbeitsgruppen der ESMA sowie der Beachtung der ESMA Guidelines zur Harmonisierung des Enforcement in Europa. Die vom DPR erteilten Hinweise betreffen oftmals Fragen der durch die DRS geregelten Lageberichtserstattung und der Anhangsangaben; die eigentliche IFRS-Bilanzierung ist seltener Gegenstand solcher präventiven Hinweise956. Die Jahresgespräche werden im 1. Quartal eines Jahres mit den Vorständen bzw. Geschäftsführern der fünf größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften geführt. Einmal im Jahr finden darüber hinaus über das IdW Gespräche mit Vertretern mittelständischer Wirtschaftsprüfungsgesellschaften statt. Ziel ist die Sensibilisierung der Abschlussprüfer für die Schwachstellen der Bilanzierung. Hierdurch kann allerdings allenfalls mittelbar Einfluss auf die Anwendung der IFRS genommen werden, indem die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften oder der Standardsetzer die durch das DPR vertretenen Interessen berücksichtigen. Schon aus den verhaltenen Äußerungen zu diesen Einflussnahmen in den Jahrestätigkeitsberichten des DPR957 lässt sich indes der Schluss ziehen, dass eine nachhaltige Wirkung auf die Standardsetzung und -anwendung kaum erzielt werden dürfte. Die Prüfstelle bearbeitet etwa 105 Fälle pro Jahr bei festgestellten Fehlerquoten zwischen beachtlichen 14 % und 29 %958. Die Fehler lassen sich dabei insbesondere auf Umfang und Anwendungsschwierigkeiten bei den IFRS in Bezug auf komplexe Geschäftsvorfälle zurückführen959. Dabei kommt es auf die vertretbare Auslegung der IFRS an.

954 Vgl. DPR, Tätigkeitsbericht 2016, S. 15. 955 Für das Jahr 2017 waren dies etwa die Präsentation der finanziellen Messgrößen, Finanzinstrumente, Anhangsangaben zu den Auswirkungen neuer Standards auf den IFRS-Konzernabschluss, Anteile an anderen Unternehmen sowie Werthaltigkeitstests von Sachanlagevermögen. 956 Für das Geschäftsjahr 2016 wurden insgesamt 55 Hinweise erteilt. 29 Hinweise bezogen sich ausschließlich auf die Lageberichtserstattung sowie Anhangsangaben, vgl. DPR, Tätigkeitsbericht 2016, S. 12. 957 Vgl. etwa DPR, Tätigkeitsbericht 2016, S. 15ff. 958 Vgl. Loy/Steuer, KoR 2015, 548ff. 959 Vgl. Vgl. BeBiKo-Grottel (2018), § 342b Rn. 172; DPR, Tätigkeitsbericht 2016.

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(3) Preclearance – Die Auslegungshilfe des DPR Da es mit der DPR eine Organisation gibt, die im Einvernehmen zwischen dem Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz und dem Bundesministerium für Finanzen (vgl. § 342 b Abs. 1 HGB) als eine der Säulen des deutschen Rechnungslegungsenforcement zur Wahrung deutscher Interessen in der internationalen Rechnungslegung eingesetzt wurde und ein Instrumentarium zur Beantwortung fallbezogener Voranfragen besitzt, so liegt der Schluss nahe, dass dieses Instrument eine erhebliche Bedeutung für die Anwendung der IFRS im deutschen Rechtsraum haben muss. Fallbezogene Voranfragen, auch als Preclearance bezeichnet, bietet deutschen, dem Enforcement unterliegenden960 Unternehmen seit November 2009 einen Rechtsanspruch gegenüber der DPR zu Sachverhalten eine Stellungnahme einzufordern. Hierzu müssen der hinreichend konkretisierte Sachverhalt, ein Vorschlag zur bilanziellen Behandlung sowie eine Stellungnahme des bestellten Abschlussprüfers eingereicht werden961. Damit wird einerseits klar, dass die DPR nicht allein zu einem Sachverhalt, sondern einem vorgetragenen Vorschlag der bilanziellen Behandlung und allein hierüber Stellung bezieht, was eine von suggestiven Einflüssen losgelöste Entscheidung erschwert, obgleich grundsätzlich eine Entscheidung nach eigenem Ermessen ergehen soll962. Andererseits zeigt sich hier erneut die Einflussnahme durch den Berufsstand des Wirtschaftsprüfers, da die Stellungnahme des Wirtschaftsprüfers für die DPR bereits eine suggestive Beeinflussung bieten wird. Von der Möglichkeit der fallbezogenen Voranfragen wird selten Gebrauch gemacht. Seit Einführung im Jahr 2009 sind lediglich 18 Fälle abgeschlossen worden, im Jahr 2016 nicht ein einziger. Eine steigende Tendenz lässt sich nicht beobachten963. Die weitgehende Bedeutungslosigkeit der Preclearance zeigt sich aber vor allem in zwei weiteren Aspekten: das Verfahren kann jederzeit ohne Angabe von Gründen eingestellt werden und die DPR ist in einem späteren Verfahren nicht an seine eigene Auffassung gebunden964. Dabei kann das anfragende Unternehmen weder seine entstandenen Kosten, noch weitere Schadenersatzansprüche geltend machen und auch Dritten ist dies nicht möglich965. Letztlich scheitert die präventive Wirkung eines Preclearance-Verfahrens auch daran, dass das Unternehmen bezüglich des Ergebnisses zur Verschwiegenheit

960 Das sind solche, deren Wertpapiere an einer inländischen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind. 961 Vgl. DPR, Informationsblatt zu fallbezogenen Voranfragen, 2012, S. 1. 962 Ebd. 963 Vgl. DPR, Tätigkeitsbericht 2016, S. 16. 964 Vgl. DPR, Informationsblatt zu fallbezogenen Voranfragen, 2012, S. 2. 965 Ebd.

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verpflichtet ist966, so dass andere Personen keine Kenntnis erlangen und mithin die Auffassung bei ihrer eigenen Rechnungslegung gar nicht berücksichtigen können. Im Ergebnis kann die Möglichkeit des Preclearance daher für die Frage nach Anwendung und Auslegung der IFRS unbeachtet bleiben. Letztlich wäre es Sache des Gesetzgebers, dem Instrumentarium fallbezogener Voranfragen durch Umstrukturierung zu Durchschlagskraft zu verhelfen. Da die derzeitige Bedeutungslosigkeit bekannt ist, scheint der Wille dazu zu fehlen. dd. BaFin Das zweistufige Enforcement-System der Rechnungslegung kapitalmarktorientierter Konzerne in Deutschland sieht neben der privatrechtlich organisierten Kontrolle durch die DPR eine staatliche Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vor. Die BaFin ist als Anstalt des öffentlichen Rechts mit Sitz in Bonn und Frankfurt am Main die Aufsichtsbehörde für das Finanzwesen in Deutschland und untersteht ihrerseits der Rechts- und Fachaufsicht des BMF, §§ 1 Abs. 1 S. 1, 2, Abs. 2 FinDAG. Sie soll die Funktionsfähigkeit, Integrität und Stabilität des deutschen Finanzsektors sicherstellen und verfügt hierzu über ein breites Aufsichtsinstrumentarium im Banken-, Versicherungs- und Wertpapiersektor967. Die Befugnisse im WpHG beziehen sich dabei auf Maßnahmen, die zur Kontrolle und Durchsetzung derjenigen Vorschriften, die die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte sicherstellen sollen, erforderlich sind. Hierzu zählen aufgrund ihrer besonderen Bedeutung für die Informationssymmetrie an den Kapitalmärkten968 insbesondere Offenlegungsvorschriften. Insoweit steht die BaFin in notwendiger Verbindung zur Rechnungslegung und zu den IFRS. Die (internationale) Rechnungslegung wurde zum Gegenstand des Transparenzworkshops der BaFin am 09. 03. 2016 gemacht und dort thematisiert. Eine veröffentliche Stellungnahme zu den Ergebnissen des Workshops existieren jedoch nicht. Die Enforcement-Entscheidungen der BaFin werden auf nationaler Ebene veröffentlicht, so dass diese für nationale Standardanwender einsehbar und bei eigenen Bilanzierungsentscheidungen zu verwerten sind. § 37q Abs. 2 WpHG sieht dabei jedoch vor, dass lediglich wesentliche Teile der Begründung, nicht jedoch der zugrunde liegende Sachverhalt veröffentlicht werden969. Dieser Umstand hat zur Folge, dass die Standardanwender nur bedingt Rückschlüsse für ihre eigene Entscheidungssituation ziehen können. 966 967 968 969

Ebd. Vgl. Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 2017, Rn. 1088ff. Vgl. Teil 2 Kapitel C II. Vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 2018, § 1 Rn. 58.

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Die eigenständige Bedeutung der BaFin für die internationale Rechnungslegung ist daher eher gering. Wichtig ist die Rolle innerhalb der ESMA, deren Einfluss auf die IFRS an späterer Stelle erarbeitet wird. Außerdem treten die mitgliedsstaatlichen Enforcement-Institutionen in sog. European Enforcers Coordination Sessions (EECSs) zusammen, in denen auch die Voranfragen an die DPR zum Gegenstand der Diskussion gemacht werden können. ee. DRSC e.V. Der Deutsches Rechnungslegungs Standards Commitee e.V.970 mit Sitz in Berlin ist eine durch Standardisierungsvertrag vom 02. 12. 2011 mit dem BMJ zur Erfüllung der Aufgaben des § 342 Abs. 1 Nr. 1–4 HGB anerkannte Institution. Seine Aufgaben sind die Entwicklung nationaler Rechnungslegungsstandards (Nr. 1), die Beratung des BMJ bei Gesetzgebungsvorhaben (Nr. 2), die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in internationalen Standardisierungsgremien (Nr. 3) sowie die Erarbeitung von Interpretationen der internationalen Rechnungslegungsstandards im Sinne des § 315a Abs. 1 HGB (Nr. 4). Notwendige Voraussetzung für die Anerkennung des DRSC e.V. sind insbesondere die Unabhängigkeit und die öffentliche Beteiligung bei der Entwicklung von Empfehlungen und Interpretationen, § 342 Abs. 1 S. 2 HGB. Während die Funktionen der Nr. 1 und 2 eher national ausgerichtet sind, spielen die Nr. 3 und 4 für die Zusammenarbeit mit dem IASB eine fundamentale Rolle. Als zentrales Gremium fungiert der Deutsche Standardisierungsrat (DSR)971. Funktional ist die Aufgaben- und Kompetenzverteilung in der DRSC-Organisationsstruktur durch zwei nebeneinander fungierende Fachausschüsse (IFRS- und HGB-Fachausschuss) getrennt. Diese Aufgabenzweiteilung ist Ergebnis einer Umstrukturierung im Jahr 2011, welcher eine Diskussion zur Notwendigkeit einer Trennung der (mittelstandsorientierten) HGB- und kapitalmarktorientierten IFRS-Rechnungslegung vorausgegangen war972. Fachlich ist eine Zusammenarbeit beider Gremien vorgesehen973. Die unterschiedlichen Funktionen bergen indes ein Spannungspotential. Soweit der IFRS-Fachausschuss im Interesse des IASB die Verankerung der IFRS und der IFRS for SMEs im deutschen Handelsrecht voranzutreiben versucht, muss dies zu Konflikten mit der handelsrechtlich geprägten Entwicklung der

970 Eingetragen im Vereinsregister des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg unter Nr. HRB 18526 Nz. 971 Dieser tritt international unter dem Namen German Accounting Standards Board (GASB) auf. 972 Vgl. DGRV (2010), Neuausrichtung des DRSC. 973 Vgl. DRSC, Vereinssatzung, § 20 Abs. 6; abrufbar unter https://www.drsc.de/app/upload s/2017/07/170710_Satzung-.pdf (Stand: 13. 01. 2019).

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DRS kommen974. Umgekehrt ausgedrückt würde eine konfliktfreie Zusammenarbeit bedeuten, dass der HGB-Fachausschuss sich nicht hinreichend an deutschen Interessen orientiert, da zwischen handelsrechtlicher und internationaler Rechnungslegung (noch immer) fundamentale Unterschiede bestehen975. Im DRSC-Verwaltungsrat finden sich überwiegend dem IASB nahestehende Interessenvertreter, während der Mittelstand unterrepräsentiert ist, vgl. § 10 Abs. 1, 2, § 4 Abs. 1 DRSC-Satzung. Personell finden sich Verflechtungen mit dem IASB976. Das DRSC wird daher mitunter auch als »verlängerter Arm des IASB«977 angesehen. Daneben ist der Präsident des DRSC Prof. Dr. Andreas Barckow Mitglied im EFRAG Board, nunmehr (seit 01. 10. 2016 vor offizieller Ernennung zunächst kommissarisch) sogar als Vizepräsident978. Festhalten lässt sich, dass es Ziel des § 342 HGB war und ist, ein Gremium zu schaffen, welches auf die neuartigen Fragestellungen durch die Adaption angelsächsischer Rechnungslegungsnormen (sowohl im deutschen als auch europäischen Raum) interessengerecht reagieren kann979. Als Anknüpfungspunkt zur Beantwortung dieser Fragen wurden indes von Beginn an die Regelungen der angelsächsischen Rechnungslegungssysteme, mithin der IFRS und der US-GAAP angesehen980. Ursprünglich wurde das DRSC zur Entwicklung von Standards für die Konzernrechnungslegung in Annäherung an internationale Rechnungslegungsstandards im Sinne des KonTraG aus dem Jahr 1998 eingesetzt. Ziel war gerade nicht die bloße Übernahme der IFRS, sondern die Entwicklung von Konzernrechnungslegungsstandards nach internationalem Vorbild unter Berücksichtigung nationaler Besonderheiten981. Durch die IAS-VO und die damit einhergehende verpflichtende Anwendung der (EU-)IFRS für kapitalmarktorientierte Konzerne sowie Annäherungen des deutschen Handelsrechts an solche Grundsätze bereits durch das BilReG haben die DRS an eigenständiger Bedeutung verloren. Primär finden die DRS Anwendung auf nicht kapitalmarktorientierte

974 Pellens et al. werfen diesen Gedanken ebenfalls auf, lassen es aber »dahingestellt« ob eine spannungsfreie Kooperation möglich ist, vgl. Pellens/Fülbier/Sellhorn/Gassen, Internationale Rechnungslegung, 2017, S. 75. 975 Vgl. Teil 2 Kapitel A und C V. 2. sowie später Kapitel C VI. 976 Vgl. hierzu DRSC, Jahresbericht 2015, S. 22–24. 977 S. insbesondere Fülbier/Gassen/Sellhorn, DB 2010, 1, 4; Kritisch zum Thema der deutschen Interessenvertretung auch Pellens/Crasselt/Kemper, DB 2009, 241, 245. 978 Vgl. zur aktuellen Besetzung des EFRAG Boards: https://www.efrag.org/About/Governance /9/EFRAG-Board (letzter Zugriff am 06. 11. 2019). 979 Vgl. Schildbach, DB 1999, 645. 980 Vgl. Ballwieser, HGB-Konzernabschlussbefreiung, in: Küting/Langenbucher [Hrsg.], FSWeber, 1999, S. 433, 445; Böcking/Orth, DB 1998, 1873, 1877. 981 Vgl. Scheffler, BFuP 1999, 407ff.

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Konzerne, welche nicht vom Wahlrecht des befreienden IFRS-Konzernabschlusses aus § 315e Abs. 2 HGB Gebrauch machen. (1) DRSC-Verlautbarungen Die Verlautbarungen des DRSC gliedern sich in Standards, Interpretationen und Anwendungshinweise. Insoweit kommt das DRSC seiner Aufgabe aus § 342 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 4 HGB nach. Da diese Vorschrift Bezug auf § 315e Abs. 1 HGB nimmt, beschränkt sich die Aufgabe auf die EU-IFRS. Die DRS treffen Regelungen zur bilanziellen Behandlung konkreter Geschäftsvorfälle. Sie ähneln hinsichtlich ihrer Systematik und ihres Aufbaus den IFRS. Eine eigenständige Bedeutung für die Rechnungslegung kapitalmarktorientierter Konzerne entwickeln die Verlautbarungen des DRSC dort, wo nationalspezifische Probleme aufgegriffen und geklärt werden. Die Regelungskompetenz des DRSC wird indes dadurch gemindert, dass solche interpretationsbedürftigen IFRS-Fragestellungen grundsätzlich dem IFRS IC herangetragen werden sollen, damit dieses eine Interpretation erarbeiten kann982, welche dann im Falle des Endorsement wiederum der Regelung des DRSC vorzuziehen wäre. Lediglich bei Problemstellungen, die einem eng abzugrenzenden, nationalen Teil der IFRS-Anwender entsteht, lehnt das IFRS IC eine eigene Interpretation ab, wodurch die Kompetenz des Rechnungslegungs Interpretations Committees (RIC) des DRSC begründet wird. Die Interpretationen des DRSC beziehen sich auf IFRS und beschränken sich damit auf Fragestellungen, welche nicht durch das IFRS IC geklärt wurden und im Wesentlichen nationale Bedeutung zukommt983. Insoweit genießt die Beratung des IFRS IC Vorrang vor der Erarbeitung eigener Interpretationen984. Im Verhältnis zu den übernommenen IFRS, welche über die IAS-VO für die Mitgliedsstaaten verbindlich und vorrangig zu beachtendes Recht sind, müssen die DRS mit den handelsrechtlichen Normen übereinstimmen. Bei konkreten Bilanzierungsentscheidungen müssen primär die handelsrechtlichen Vorschriften beachtet werden. Das DRSC ist daher nicht in der Lage, beliebig DRS in Anlehnung an die IFRS für den handelsrechtlichen Konzernabschluss zu schaffen, soweit der HGB-Gesetzgeber andere Rechnungslegungsprinzipien zugrunde legt. Da die Verlautbarungen des DRSC nicht im Wege der Gesetzgebung oder einem dem IFRS-Endorsement vergleichbaren demokratisch legitimierten Verfahren »übernommen« werden, fehlt ihnen eine gesetzesgleiche Verbindlichkeit. Die RIC-Interpretationen sind mangels rechtlicher Bindungswirkung den später zu bislang nicht geklärten Bilanzierungsfragen erlassenen IFRS oder In982 Vgl. Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, 2018, S. 50. 983 Vgl. BeckOK/HGB-Reinhardt (2018), § 342 Rn. 6. 984 Vgl. BeBiKo-Schmidt/Holland (2018), § 342 Rn. 12.

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terpretationen des IFRS IC subsidiär985, soweit diese in europäisches Sekundärrecht übernommen wurden oder im Wege der Auslegungskriterien der Kommission schon zuvor Geltung erlangen. Sie sollen in »enger Zusammenarbeit mit dem IFRIC (heute IFRS IC)«986 erarbeitet werden. Die Interpretationen haben auch eine geringere Bedeutung als die Standards und sind nicht durch das BMJ bekannt zu machen987. Die DRSC Anwendungshinweise zu den IFRS erfüllen lediglich eine klarstellende und deskriptive Funktion zur sachgerechten Anwendung der IFRS und können Themen umfassen, welche keinen überwiegend nationalen Bezug aufweisen988. Diese Charakterisierung macht es unzulässig, den Anwendungshinweisen einen materiellrechtlich-konkretisierenden Inhalt beizumessen. (2) GoB-Vermutung für die Konzernrechnungslegung Soweit die Verlautbarungen des DRSC beachtet wurden, wird die Beachtung der die Konzernrechnungslegung betreffenden GoB vermutet, § 342 Abs. 2 HGB989. Eine strikte Trennung der Konzernrechnungslegungs-GoB von JahresabschlussGoB ist wegen § 297 Abs. 2 HGB nicht möglich990. Die Bindung des DRSC an handelsrechtliche Vorschriften hat zur Folge, dass er keine neuen GoB schaffen darf 991, sondern bestehende GoB, als Teile des Handelsrechts, beachten muss. Insoweit interpretiert und konkretisiert das DRSC die Konzernrechnungslegungs-GoB innerhalb des »Gesamtbestandes der kodifizierten und nicht kodifizierten Regeln zur Sicherstellung zweckadäquater Rechnungslegung«992. In Verbindung mit IDW PS 201 wird den DRS unabhängig von ihrer rechtsdogmatischen Einordnung eine faktische Bindungskraft zuteil. Danach führen Verstöße gegen die DRS in der Regel zu eingeschränkten Bestätigungsvermerken. Solche werden Unternehmen in jedem Fall zu verhindern versuchen993. Hinzu 985 986 987 988 989 990 991 992

993

Ebd. Vgl. BegrRegE BilMoG, BT-Drs 16/10067, S. 97. Vgl. BeBiKo-Schmidt/Holland (2018), § 342 Rn. 13. Vgl. Kleinmanns, DB 2014, 1325, 1328; DRSC, DRSC Interpretation 1 (IFRS) vom 19. Juli 2005, Vorbemerkung. Ausführlich zum Streit über die Bedeutung der Vermutungswirkung s. Teil 2 Kapitel C VI. 2. c. ee. Vgl. schon Spannheimer, WPg 2000, 997, 1001. So schon Ballwieser, HGB-Konzernabschlussbefreiung in: Küting/Langenbucher [Hrsg.], FS-Weber, 1999, S. 433, 443f. Vgl. MüKo/Bilanzrecht-Kleindiek (2013), § 342 Rn. 12; Möllers/Fekonja, ZGR 2012, 777, 794; a. A. Baumbach/Hopt-Merkt (2018), § 342 Rn 4 (GoB erhalten die Qualität von Konzernrechnungslegungs-GoB zumindest insoweit sie Gesetzeslücken ausfüllen oder gesetzliche Vorschriften auslegen); Spannheimer, WPg 2000, 997, 1005; Biener, Standardisierung als neue Möglichkeit, in: Küting/Langenbucher [Hrsg.], FS-Weber, 1999, S 451, 456. S. Teil 2 Kapitel C V. 4. f. bb.

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kommt, dass der DRSC in seiner Beratungsfunktion des handelsrechtlichen Gesetzgebers vor dem Hintergrund der Konvergenzbemühungen zu internationalen Rechnungslegungsstandards letztlich breiten Einfluss auf das Handelsrecht nehmen kann. Das gilt nicht nur für die Konzernrechnungslegung, sondern darüber hinaus auch für den handelsrechtlichen Einzelabschluss. Dies zeigt sich etwa am Beispiel des DRS 11 zur Berichterstattung über Beziehungen zu nahestehenden Personen, welcher im Rahmen des BilMoG in § 285 Nr. 21 HGB umgesetzt wurde. Diese Vorschrift bezweckt gerade eine Annäherung an die IFRS-Rechnungslegung für eine verbesserte Vergleichbarkeit von Jahresabschlüssen994. ff. ESMA Die European Securities and Markets Authority (ESMA) ist die europäische Finanzmarktaufsichtsbehörde und in dieser Funktion zwangsläufig mit den IFRS befasst. Sie ist im EFRAG-Board vertreten, legt mit den European Common Enforcement Priorities Schwerpunkte des Rechnungslegungs-Enforcement fest und bietet über die EECSs eine Austauschplattform der nationalen Enforcementinstitutionen. Ihr Ziel ist die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit, Integrität, Transparenz und Effizienz von Finanzmärkten sowie der Anlegerschutz995. Da ein funktionsfähiger Markt und eine effiziente Kapitalallokation möglichst symmetrische Informationen fordern, korrespondiert der grundlegende Rechnungslegungszweck mit dem Zielsystem der ESMA. Insoweit beschreibt die ESMA ihre Rolle bei der Anwendung der IFRS selbst wie folgt: »ESMA’s main role is to promote the consistent application of International Financial Reporting Standards (IFRS) and foster convergence of enforcement practices across Europe. With this aim, ESMA makes use of a number of tools for the enforcement of financial information and the consistent application of financial reporting standards.«996

Sie ist damit die zentrale und übergeordnete Verbindungsstelle zwischen nationalen Enforcement-Einrichtungen (IFRS Supervisory Convergence). Zur Unterstützung dieser Aufgaben, hat die ESMA ein Corporate Reporting Standing Committee (CRSC) unter derzeitigem Vorsitz von Frau Ana María MartínezPina García eingerichtet. Untergruppen sind die IFRS Project Group sowie

994 Vgl. Begr RegE BilMoG BT-Drs 16/10067, S. 72. 995 S. Art. 1 Abs. 5 der EU-VO Nr. 1095/2010; s. auch Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 2017, Rn. 1088; Hoffmann/Detzen, DB 2011, 1261. 996 Entnommen von https://www.esma.europa.eu/convergence/ifrs-supervisory-convergence (letzter Zugriff am 06. 11. 2019).

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temporäre Gruppen wie Task Forces und die Audit Working Group997. Die IFRS Project Group entwirft Kommentierungsschreiben der ESMA zu Standardentwürfen und Diskussionspapieren des IASB, des IFRS IC sowie der EFRAG und übernimmt damit die maßgebliche Beteiligungsarbeit der ESMA im Bereich des Standardsettings998. Die Auffassung der ESMA zu Anwendungs- und Auslegungsfragen der IFRS ist somit bedeutsam, da sie selbst Anteil am Standardsetting nimmt. Ferner hat die ESMA ihre Einflussnahme auf die IFRS Foundation ausgeweitet999. Primär ist die ESMA als europäische Aufsichtsbehörde mit dem Enforcement, d. h. der Durchsetzung der internationalen Rechnungslegungsstandards befasst. Da das Enforcement für die Standardanwender ohne Berücksichtigung judikativer Rechtsschutzmöglichkeiten Letztentscheidungs- und Bindungscharakter besitzt, resultiert hieraus die Bedeutung der Enforcement-Institutionen für die Auslegung der IFRS. Eine wesentliche Erkenntnisquelle für die Anwendung und Auslegung der einzelnen Standards bietet die ESMA durch die Veröffentlichung von Entscheidungen nationaler europäischer Enforcementstellen der einzelnen Mitgliedsstaaten. Zu diesem Zweck hat die ESMA eine vertrauliche Datenbank mit solchen Durchsetzungsentscheidungen entwickelt (EECS’s Database of Enforcement)1000. Hierdurch sollen Standardanwender über die Auslegungspraxis der maßgeblichen Enforcement-Institutionen informiert werden um eine sachgerechte Anwendung der IFRS zu fördern1001. Die ESMA fungiert dabei auch als Koordinierungsinstanz nationaler Enforcement-Institutionen1002. Dieser Umstand wird mit der Befürchtung betrachtet, dass hierdurch die Auslegung von Standards auf hierfür nicht bestimmte Instanzen verlagert wird1003. Das IDW hat daher gefordert, dass ungeklärte Anwendungsfälle zwingend dem IASB oder dem IFRS IC zur Klärung zuzuleiten seien1004. Eine solche Kritik verkennt den Zweck der Auslegung. Ziel ist die Anwendung abstrakter Normen auf den Einzelfall. Die Letztentscheidungskompetenz obliegt jedoch 997 Vgl. Lausch (2016), Präsentation zum CRSC auf dem BaFin Transparenzworkshop am 09. 03. 2016, erhältlich auf: https://www.bafin.de/SharedDocs/Veranstaltungen/DE/WA_16 0309_Transparenz.html (letzter Zugriff am 06. 11. 2019). 998 Ebd. 999 Vgl. ESMA (2016), ESMA/IFRS Foundation Statement of Protocols. 1000 Vgl. ESMA (2017), 20th Extract from the EECS’s Database of Enforcement, S. 2; ESMA (2017), Liste veröffentlichter Enforcement-Entscheidungen. 1001 Vgl. hierzu https://www.iasplus.com/de/news/2017/januar/esma-enforcement-decision (letzter Zugriff am 06. 11. 2019) sowie https://www.esma.europa.eu/convergence/ifrs-supe rvisory-convergence (letzter Zugriff am 06. 11. 2019). 1002 Vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 2018, § 1 Rn. 58. 1003 Ebd. 1004 Vgl. IDW, WPg 2013, 1067.

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regelmäßig nicht einem privaten Standardsetzungsgremium, sondern den zuständigen staatlichen Gerichten. Soweit ein Standardanwender nach einer Enforcemententscheidung die Auffassung vertritt, seine Auslegung sei vertretbar gewesen, kann und muss er hiergegen den Rechtsweg beschreiten. Schließlich äußert sich die ESMA in Ausnahmefällen unmittelbar zur Anwendung bestimmter Standards. Dass sie sich hierbei von der Zielsetzung stabiler Kapitalmärkte und dem Anlegerschutz leiten lässt, zeigt sich insbesondere an der öffentlichen Mitteilung zur Implementierung von IFRS 9 in die Bilanzierungspraxis vom 10. 11. 20161005. gg. Weitere Enforcement-Stellen Soweit die IFRS, wie es etwa das Selbstverständnis des IASB verlangt, zur globalen Vergleichbarkeit von Unternehmensfinanzinformationen führen sollen, muss in der Konsequenz auch deren Durchsetzung vereinheitlicht werden. Letztlich misst der Standardanwender seine Bilanzierungsentscheidung an den Maßgaben des jeweils zuständigen Trägers des Rechnungslegungsenforcement. Die International Organization of Securities Commissions (IOSCO) ist eine internationale Vereinigung der Wertpapieraufsichtsbehörden, in dem deren Zusammenarbeit gefördert werden soll1006. Insoweit findet über diese Organisation der Austausch von Enforcemententscheidungen auch im Bereich der Rechnungslegung statt. Mit dem Ziel der weltweit konsistenten Anwendung der IFRS haben die IOSCO und die IFRSF im September 2013 vereinbart1007 und dies nunmehr in der Protokollvereinbarung vom 14. 05. 2016 verstärkt1008, dass die IOSCO ihre Aktivitäten in diesem Bereich intensivieren wird. Die interessierte Öffentlichkeit kann jedoch keine Einsicht in die Entscheidungsdatenbank nehmen1009 und somit keine Erkenntnisse für die Anwendung der IFRS gewinnen. Die zunehmende Forcierung der IFRSF, die IFRS auf globaler Ebene durchzusetzen, wird damit zu einer höheren Bedeutung internationaler Enforcementinstitutionen, insbesondere auch der IOSCO, führen. Über diese internationale Zusammenarbeit können auch Entscheidungen anderer nationaler Enforcementeinrichtungen von Mitglieds- und Drittstaaten relevant werden. Zu nennen sind etwa das Financial Reporting Review Panel 1005 Vgl. ESMA (2016), ESMA/2016/1563, Issues for consideration in implementing IFRS 9: Financial Instruments, erhältlich auf: https://www.esma.europa.eu/file/20391/download? token=WpGZ91bW (letzter Zugriff am 13. 01. 2019). 1006 Vgl. Schwark/Zimmer-Beck (2010), § 7 WpHG Rn. 16. 1007 Vgl. Kleinmanns, DB 2014, 1325, 1331. 1008 Erhältlich auf http://archive.ifrs.org/Alerts/PressRelease/Documents/2016/IOSCO-IFRSFoundation-Statement-of-Protocols-2016.pdf (letzter Zugriff am 06. 11. 2019). 1009 Diese steht (noch immer) ausschließlich Regulatoren sowie autorisierten Nicht-Regierungsorganisationenzur Verfügung, vgl. schon Leu/Teitler-Feinberg, IRZ 2007, 189, 192.

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(FRRP) des britischen Financial Reporting Council, die französische Autorité Des Marchés Financiers1010 und die italienische Commissione Nazionale per le Società’ e la Borsa. Für die Europäischen Mitgliedsstaaten findet die Kommunikation freilich auch über die EECSs1011 statt. Darüber hinaus wird auch die US-SEC interpretierend in Bezug auf die IFRS tätig, was für die in den USA gelisteten Unternehmen – allerdings auch nur bezogen auf den US-amerikanischen Kapitalmarkt – bindend sein1012, im Übrigen im Rahmen der anerkannten Branchenpraktiken gemäß IAS 8.12 von Relevanz sein kann. 5.

Schlussfolgerungen zur Auslegungskonzeption

Die induktive Standardinterpretation der London-IFRS wird durch die Übernahme in europäisches Sekundärrecht im Wege des Endorsement durch die deduktive, europäische Auslegungspraxis inkorporiert. Die in IAS 8 festgelegten Regeln zur Auslegung und Lückenfüllung können und müssen dabei im Rahmen teleologischer Überlegungen ebenso herangezogen werden, wie die Auffassungen einer Vielzahl von Institutionen als Rechtserkenntnisquellen. Letztlich bietet das europäische Bilanzrecht wenige über die IFRS-Auslegungskonzeption hinausgehende Anhaltspunkte für die Anwendung der Standards in Zweifelsfällen. Es liegt hier an den staatlichen Institutionen, insbesondere dem EuGH, die Übernahmekriterien der IAS-VO mit materiellem Norminhalt zu füllen, um die Berücksichtigung europäischer öffentlicher Interessen angemessen berücksichtigt zu wissen. Für den Wortlaut eines Standards ist praktisch die englische Fassung, ggf. unter Berücksichtigung einer autonomen gemeinschaftsrechtlichen Bedeutung maßgeblich. Die Normen sind fachsprachlich geprägt, weshalb ein enger Bezug zur teleologischen Auslegung erforderlich wird. In diesem Rahmen spielt die wirtschaftliche Betrachtungsweise für das Begriffsverständnis eine maßgebliche Rolle. Nach kontinentaleuropäischem Verständnis stellt sich diese jedoch als Ausprägung telelogischer Argumentation dar. Die im deutschen und europäischen Recht wichtige Auslegung nach Systematik und Regelungszusammenhang wirft bei den IFRS Probleme auf, da diese keine in sich geschlossene Systematik aufweisen. Es erscheint auch hier eine dem HGB-System entsprechende Einordnung in Ansatz-, Bewertungs- und Darstellungsregeln zweckmäßig. Systematische Argumente beschränken sich dabei 1010 Für einen Vergleich der Enforcementsysteme von Deutschland, Frankreich und Großbritannien sei auf Eiselt/Pleitner, ZCG 2010, 302ff. verwiesen. 1011 Vgl hierzu Kapitel C V. 4. f. dd. und ff. 1012 Vgl. für Erkenntnisquellen aus der Arbeit der US-SEC: Kleinmanns, DB 2014, 1325, 1331.

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Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS

nicht auf die IFRS als solche, sondern deren Einbindung in das EU- sowie HGBBilanzrecht. Für eine historisch-genetische Auslegung stellen sowohl der Due Process als auch das Übernahmeverfahren Erkenntnisquellen dar. Die Materialien insbesondere des Due Process sind vielfältig und in der Regel restriktionsfrei verfügbar. Eine Lösung vom subjektiven Willen des Normgebers wird kaum möglich sein, da das IASB eine zeitnahe Anpassung an praktische Gegebenheiten vorsieht, weshalb Standards aktuell sind. Dies gilt auch für den »Willen« des rezipierenden europäischen Normgebers. Die teleologische Auslegung bietet den Maßstab für die gesamte Anwendung der IFRS. Hierbei kann die Verknüpfung und Abwägung argumentativer Überzeugungsbildung zwischen den Ebenen der nationalen, europäischen und internationalen Erkenntnisquellen geschaffen werden. Ausgangspunkt bildet dabei die induktiv geprägte Auslegungs- und Lückenschließungssystematik. Innerhalb dieser müssen je nach Grad der Abweichung von europäischen und nationalen Rechnungslegungsprinzipien die entsprechenden nationalen und europäischen Erkenntnisquellen berücksichtigt werden. Dies sind solche, die sich aus der Beteiligung europäischer oder nationaler Interessenvertreter im Due Process, aus dem Übernahmeverfahren, europäischen und nationalen Grundprinzipien oder nach Nähe der Institutionen mit faktischer Interpretationskompetenz zu öffentlichen Interessen ergeben. Aus Sicht des Standardsetters werden Wirtschaftsprüfer und Enforcementinstitutionen relevant. Die Übernahmekriterien der IAS-VO könnten einen normativen Beurteilungsmaßstab für die Auslegungspraxis bieten, soweit europäische Institutionen den materiellen Norminhalt konkretisieren würden. Nur hierdurch könnte auch die Übereinstimmung mit dem Normgefüge des europäischen Bilanzrechts sichergestellt werden. Derzeit fehlt es an operationablen normativen Vergleichsmaßstäben, welche eine deduktive Vorgehensweise validierbar machen könnten. Das macht eine gerichtliche Kontrolle schwierig, so dass der Anwender letztlich gut beraten ist, dem induktiven Interpretationssystem der IFRS mit der Entscheidung für eine Bilanzierungsmethode, welche sich praktisch durchgesetzt hat, Vorrang vor einer an europäischen öffentlichen Interessen orientierten Auslegung einzuräumen. Wünschenswert wäre, wenn die Grundsätze der Verlässlichkeit und Vorsicht dennoch im Rahmen teleologischer Argumentation Berücksichtigung fänden. Auslegungsfragen ergeben sich primär, soweit ein Standard unvollständig übernommen wurde oder nationale Besonderheiten eine sachgerechte Darstellung nach Maßgabe der IFRS nicht gewährleisten1013. Im letzteren Fall müssen die

1013 Vgl. Schöllhorn/Müller, DStR 2004, 1666, 1668, 1670, die schon darauf hingewiesen haben,

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Abbildung 1: Übersicht zur Auslegungskonzeption

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Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS

Zwecksetzungen des IFRS-Abschlusses zwingend unter Berücksichtigung nationaler sozio-ökonomischer Besonderheiten beurteilt werden, wobei im Zweifel auf nationale Standardsetter zurückzugreifen ist. Die IFRS-Rechnungslegung wird Gegenstand des europäischen und der jeweiligen Mitgliedsstaatlichen Rechnungslegungssysteme und steht nicht selbständig daneben. Die etwaige Gefährdung der Rechnungslegungsharmonisierung ist dabei umso eher in Kauf zu nehmen, je deutlicher sozio-ökonomische Besonderheiten der jeweiligen Volkswirtschaft berührt werden. Regelungslücken treten auf, wenn ein Standard entweder nicht vorhanden oder aber nicht bzw. noch nicht in europäisches Sekundärrecht übernommen wurde. Bei fehlendem Standard muss das Management des Unternehmens vorrangig auf IAS 8 zurückgreifen um eine eigene Methode zur Schließung von Regelungslücken zu entwickeln, da das europäische Recht nur unzureichende Methoden zur Lückenfüllung bereithält. Dabei sollte jedoch – unter Berücksichtigung kontinentaleuropäischer Prinzipien – einem deduktiven Vorgehen der Vorrang eingeräumt werden. Wurde ein Standard (noch) nicht übernommen bieten die Hinweise der Europäischen Kommission eine Anleitung, in welchem Umfang die not endorsed IFRS dennoch herangezogen werden dürfen. Im Übrigen muss in diesen Fällen durch Auslegung und Rechtsfortbildung der übernommenen Standards, des europäischen Bilanzrechts und ggf. nationaler Bilanzierungsnormen entschieden werden. Bei all diesen Entscheidungen sollte ein Verstoß gegen Prinzipien des Rahmenkonzepts – nach europäischen Gesichtspunkten – vermieden werden. Neben Institutionen mit Letztentscheidungsbefugnissen wie dem EuGH und nationalen Gerichten sowie Einrichtungen des Rechnungslegungsenforcement gibt es solche, denen aufgrund ihrer praktischen Bedeutung eine faktische Norminterpretationskompetenz zugesprochen werden muss. In besonderem Maße hat der Standardanwender hierbei die durch den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer geäußerten Meinungen zu berücksichtigen, deren Testat regelmäßig öffentlichkeitswirkam ist. Ferner können Enforcemententscheidungen mit unmittelbar reputationsschädigenden Wirkungen für ein Unternehmen verbunden sein. Eine nachträgliche Rehabilitation etwa durch gerichtliche Entscheidung kann diese in der Regel allenfalls unvollständig beseitigen. Der Standardanwender wird sich insoweit nicht primär danach richten, welche Auslegungsentscheidung einer Letztentscheidungsinstitution er erwartet, sondern welche Entscheidung der Wirtschaftsprüfer oder Enforcementeinrichtungen er antizipiert.

dass eine Übernahme des Rahmenkonzepts als dogmatische Grundlage der Auslegungstätigkeit wünschenswert wäre.

Demokratiedefizite und Auslegung der IFRS

6.

239

»Gefahr« der Bildung von EU-IFRS

Teilweise wird jede Möglichkeit europäischer Institutionen von den durch das IASB entwickelten »London-IFRS«1014 im Rahmen der Übernahme oder Anwendung inhaltlich abzuweichen, kritisch gesehen1015. Befürchtet wird die Entwicklung sog. »EU-IFRS«, hier verstanden als Standards, welche von den vom IASB herausgegebenen Standards hinsichtlich ihres materiellen Norminhalts abweichen. Besorgt wird etwa eine normspaltende Auslegung1016 mit negativen Folgen für die Integrität europäischer Kapitalmärkte und die globale Anerkennung und Vergleichbarkeit europäischer Konzernabschlüsse. In diesem Kapitel soll untersucht werden, ob diese Befürchtungen aus rechtsdogmatischer Sicht eine Grundlage finden. a. Grundlagen Die Problematik der Normspaltung wird primär im wirtschaftsstrafrechtlichen Bereich diskutiert. Gemeint ist, dass ein im System eines wirtschaftsrechtlichen Normgefüges befindlicher Straftatbestand nicht anhand der entsprechenden außerstrafrechtlichen bzw. wirtschaftsrechtlichen Auslegung bewertet werden darf, da bei außerstrafrechtlicher Auslegung weder ein Bestimmtheitsgebot vorherrscht, welches die Auslegung beschränkt, noch ein Analogieschluss gezogen werden darf 1017. Diese der strafrechtlichen Dogmatik entspringende Definition der Normspaltung trifft auf die hier diskutierte Problematik nicht zu. Soweit Normen einen ambivalenten Charakter aufweisen, ist eine Lösungsmöglichkeit, die Norm zu spalten, d. h. je nach Verfahrensart und Sanktionsgebiet unter Beachtung divergierender Auslegungsregeln anzuwenden1018. In der hier betrachteten Problematik geht es indes nicht darum, dass der Normbereich ein und derselben Vorschrift ambivalent und damit ggf. zu spalten ist, sondern darum, dass Standards mit dem Ziel einer globalen Vereinheitlichung der zu regulierenden Materie durch inhaltliche Änderung im Rahmen der Rezeption nicht mehr der ursprünglichen Zielsetzung entsprechen. Insoweit sind die Begriffe sowohl der Normspaltung als auch der Normambivalenz unglücklich 1014 Häufig werden die London-IFRS auch als »full IFRS« bezeichnet. Hier soll aus Gründen der Einheitlichkeit von London-IFRS gesprochen werden. Außerdem vermittelt der Begriff »full IFRS« den Eindruck, die EU-IFRS könnten kein vollwertiges Rechnungslegungssystem bieten. 1015 Vgl. etwa Buchheim/Knorr/Schmidt, KoR 2008, 334ff. 1016 Dieses Problem ohne nähere Betrachtung aufwerfend etwa Nerlich, Auslegungsmethodik IFRS, S. 10. 1017 Vgl. Tiedemann, Straftatbestand und Normambivalenz am Beispiel der Geschäftsberichterstattung, in: Grünwald/Schaffstein [Hrsg.], FS-Schaffstein, 1975, S. 195, 196. 1018 Zu dieser Lösungsmöglichkeit vgl. Papakiriakou, Das Europäische Unternehmensstrafrecht in Kartellsachen, 2002, S. 32.

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gewählt. Es wird daher im Folgenden von der Gefahr einer Normdivergenz gesprochen. Gemeint ist damit nicht mehr, als dass der materielle Inhalt von Rechnungslegungsvorschriften voneinander abweicht und damit in der Anwendung zu voneinander abweichenden Ergebnissen führen kann. b. EU- vs. London-IFRS Die Frage der Vergleichbarkeit bezieht sich insoweit auf die EU- sowie LondonIFRS. Dabei bezeichnen die London-IFRS die Verlautbarungen des IASB in ihrer ursprünglichen Form sowie dem intendierten Sinn und Zweck. Die EU-IFRS meinen die im Rahmen des Endorsement abschließend übernommen Verlautbarungen ggf. unter Berücksichtigung europäischer Interessen im Rahmen der Auslegung. Die Gefahr einer Divergenz wurde insbesondere mit der Einführung des neuen Komitologie-Verfahrens im Jahr 2008 gesehen1019. Die Wahrscheinlichkeit einer Abweichung der übernommenen IFRS sei zu befürchten, da der Einfluss europäischer Institutionen erweitert werde1020. Es haben sich daher auch die Stimmen gemehrt, die eine verstärkte Berücksichtigung europäischer Interessen bereits im Standardsetting gefordert haben, um eine solche Divergenzentwicklung infolge weniger Kontrolle bei der »formalen« Übernahme in europäisches Recht bei Wahrung öffentlicher Interessen umgehen zu können1021. Infolge der EFRAGGovernance-Reform1022 erscheint es möglich, die europäischen wirtschaftlichen und politischen Interessen im Endorsementverfahren zu stärken und einer Abweichung des materiellen Norminhalts entgegenzuwirken1023. Gleichsam besteht die Gefahr, dass eine verstärkte inhaltliche, über die technischen Anforderungen hinausgehende Prüfung der EFRAG das Endorsementverfahren zeitlich verlängert und hierdurch einer wenigstens temporären Abweichung Vorschub leistet. aa. Keine Normqualität der London-IFRS Zunächst muss an dieser Stelle nochmals festgehalten werden, dass die LondonIFRS vor der Übernahme in europäisches Sekundärrecht keine demokratische Legitimation erfahren und damit auch keinen Normcharakter erlangt haben1024. Somit scheidet eine Normdivergenz sowohl nach dem hier angenommenen Be1019 Vgl. Buchheim/Knorr/Schmidt, KoR 2008, 373, 374ff. 1020 Vgl. Buchheim/Knorr/Schmidt, KoR 2008, 373. 1021 Vgl. Biebel, IRZ 2008, 79, 83; Lanfermann/Röhricht, BB 2008, 826, 829; Lüdenbach/Hoffmann, DStR 2007, Beihefter zu Heft 50, S. 20. 1022 S. Teil 2 Kapitel C III. 5. 1023 Daran hat auch das IASB ein Interesse, da langwierige Übernahmeverfahren vermieden werden sollen. Allerdings hat das IASB hinlänglich verdeutlicht, dass es sich als Entwickler globaler Bilanzierungsnormen begreift, nicht als Vertreter europäischer Interessen, vgl. schon die Stellungnahme der IFRSF zum Maystadt-Bericht in Teil 2 Kapitel C III. 4. 1024 Vgl. Teil 2 Kapitel B.

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griffsverständnis, als auch im Sinne seiner rechtsdogmatischen Bedeutung aus. Vor dem Hintergrund des Demokratieprinzips wäre es unzulässig, den staatlich legitimierten Gesetzgeber als Legislativgewalt an die Entscheidungen eines privaten Standardsetters zu binden. Die europäischen Übernahmekriterien orientieren sich großzügig und weitläufig an den IFRS-Prinzipien. Damit ist bereits eine Annäherung an den privaten Standardsetter erfolgt und einer grundsätzlichen Abweichung zwischen EU- und London-IFRS vorgebeugt. Soweit die verbleibende Berücksichtigung europäischer sowie mitgliedsstaatlicher Interessen im Einzelfall zur Ablehnung eines Standards oder eines Teils hiervon führen sollte, ist dies dringend zu akzeptieren. Das Legitimationsniveau des Übernahmeverfahrens ist gering1025 und darf angesichts der Eingriffsintensität der Rechnungslegungsvorschriften für Unternehmen einerseits und den öffentlichen Interessen an einer Rechnungslegung andererseits nicht gänzlich der staatlichen Kontrolle entzogen werden. Diese Aspekte gelten auch, soweit im Rahmen einer Auslegung oder Lückenschließung auf Grundlage der herausgearbeiteten Erkenntnisquellen eine Abweichung der London-IFRS erforderlich wird. bb. Implikationen der carve-out-Lösung Das europäische Endorsement-Verfahren ist so ausgestaltet, dass die Kommission lediglich befugt ist, einen Standard ganz oder teilweise zu übernehmen oder ihn abzulehnen (sog. carve-out-Lösung)1026. Die alternative carve-in-Lösung hingegen würde die inhaltliche Anpassung eines Standards bei Übernahme ermöglichen. Eine tatsächliche materielle Normdivergenz wäre nur bei einer solchen zu befürchten. Die Divergenz zwischen London- und EU-IFRS kann daher allenfalls temporärer Natur sein oder das Standardsystem durch Ablehnung einzelner Standards insgesamt divergieren. Da die Europäische Kommission bislang jeden Standard übernommen hat, ist die Bedeutung einer solchen Abweichung bisher nur theoretischer Natur. Auch die Befürchtungen, durch das neue Endorsementverfahren würde sich die Gefahr vergrößern, haben sich letztlich nicht bewahrheitet. In Bezug auf die temporäre Abweichung hat die Kommission mit ihren Richtlinien zur Anwendung der IFRS1027 sowie die Methodik zur Lückenschließung dazu beigetragen, dass eine solche zugunsten bereits beschlossener, aber noch nicht übernommener IFRS in der Regel aufgelöst werden kann. Im Zweifel wird der europäische Gesetzgeber auch geneigt sein, einen zweifelhaften Standard zu übernehmen, da eine hinsichtlich ihrer Zweckmäßigkeit aus europäischer Sicht nicht optimale 1025 Ebd. 1026 Vgl. Kapitel C III. 2. 1027 Vgl. Teil 2 Kapitel C IV. 3. c.

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Regelung häufig besser sein dürfte als gar keine Regelung (Übernahme der IFRS als second best). Da es an einem europäischen Standardsetter fehlt, ist die Entwicklung eines eigenen, zweckmäßigen Standards insoweit keine Option. cc. Keine geschlossene Systematik der IFRS Die Abweichung des Gesamtwerks der EU- von den London-IFRS wäre besonders schwerwiegend, wenn durch die Nichtübernahme einzelner Standards die Systematik des Normwerks verzerrt würde. Da die IFRS indes keine geschlossene Systematik aufweisen, sondern einzelne Bilanzierungsfälle lösen, bezieht sich auch die Abweichung maximal auf den entsprechenden Teil. Insoweit können die Befürchtungen innerhalb der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur nur bedingt geteilt werden. Dies gilt umso mehr, je niedriger die jeweils zu übernehmende Verlautbarung in der Normhierarchie der IFRS zu verorten ist. In dieser Beziehung würde eine carve-in-Lösung ggf. sogar schonender wirken, da eine Anpassung des materiellen Norminhalts eine geringere Abweichung bewirken kann, als die Nichtübernahme eines Standards. dd. Keine Unterscheidung innerhalb eines Hoheitsgebiets Eine Einheitlichkeit des Rechtssystems kann auch grundsätzlich nur soweit erwartet werden, wie die Normsetzungskompetenz in staatstheoretischer Sicht reicht. Das heißt aber auch, dass das Volk innerhalb seines Staatsgebiets nur erwarten kann, dass dort keine widersprüchliche Normdivergenz durch die Staatsgewalt geschaffen wird. Aus Sicht des EU-IFRS-Anwenders ergibt sich insoweit auch keine Rechtsunsicherheit, da nur die jeweilige demokratische Legislativgewalt ihn rechtlich binden kann. Eine Normdivergenz innerhalb der EU wird durch die einheitliche und verbindliche Übernahme auf Grundlage der IASVO verhindert. Soweit die einzelnen Mitgliedsstaaten die übernommenen IFRS vor dem Hintergrund nationalstaatlicher Besonderheiten unterschiedlichen anwenden und auslegen ist dies kein Problem der divergierenden Normsetzung durch den legitimierten Gesetzgeber, sondern eine zwingende Divergenz der Anwendung infolge abweichender sozioökonomischer Grundbedingungen. c. Rechtsvergleich Weitere Rückschlüsse über Bedeutung und Gefahr divergierender IFRS lassen sich auch aus rechtsvergleichender Betrachtung gewinnen. Je eher es sich um weltweit anerkannte und unverändert übernommene Standards handelt, desto größer ist die Gefahr im internationalen Wettbewerb für europäische Unternehmen, soweit die endorsed IFRS abweichen1028. Die IFRS sind die weltweit bedeutsamsten Rechnungslegungsstandards1029. 1028 In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass gerade die deutsche Rechnungs-

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Im Rahmen der IFRS-Übernahme werden gemeinhin verschiedene Verfahren unterschieden. Die Adoption meint die vollständige Übernahme und Ersetzung des nationalen Normenwerks, ggf. gar mit dynamischer Verweisung. Das bereits hinlänglich angesprochene Endorsementverfahren zielt auf die Übernahme der IFRS nach zuvor festgelegten Übernahmekriterien ab, wobei die Übernahme nicht verpflichtend ist (carve-out) oder ggf. inhaltliche Änderungen zulässig sind (carve-in). Unter Konvergenz wird ein Angleichungsprozess nationaler Normen an die IFRS im Zusammenspiel zwischen dem IASB und nationalen Standardsettern verstanden1030. Die US-amerikanische FASB hat am 26. 05. 2011 ferner das sog. Condorsement vorgeschlagen, welche Elemente von Endorsement und Konvergenz verbinden soll1031. Soweit nicht weltweit eine Adoption stattfindet, ist eine Abweichung der IFRSRechnungslegung zwischen verschiedenen Jurisdiktionen ohnehin zu erwarten und entspringt schon den materiell unterschiedlichen nationalen IFRS-Ausgestaltungen. Schwerer wiegen dürfte indes die kulturabhängige Anwendung und Auslegung der IFRS. Bereits innerhalb der europäischen Mitgliedsstaaten konnte keine einheitliche Anwendung erreicht werden1032, obwohl hier materiell dieselben Normen gelten. Auch insoweit gilt, dass ohne Angleichung der sozio-ökonomischen Bedingungen die vollständige Übereinstimmung der Rechnungslegungsnormen kein erreichbares Ziel darstellt. Die IFRS sind damit zwar weltweit verbreitet, stellen aber keine weltweit gleichermaßen angewandten Standards dar. d. Anerkennung durch den US-amerikanischen Kapitalmarkt Eines der größten wirtschaftspolitischen Probleme einer Abweichung zwischen London- und EU-IFRS besteht freilich in der Akzeptanz des Jahresabschlusses für den US-amerikanischen Kapitalmarkt. Die SEC erkennt ausländische Wertpapieremittenten an, wenn sie auf Grundlage der London-IFRS bilanzieren, nicht jedoch die EU-IFRS als solche. Da gerade die internationale Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen auch über die Grenzen des europäischen Bin-

1029

1030 1031 1032

legung vielfach als Wettbewerbsvorteil angesehen wird, so dass ein »eigenes« Rechnungslegungssystem nicht zwingend nur wettbewerbsschädlich ist. Dies gilt umso mehr, je weniger internationale Kapitalmärkte durch die Unternehmen in Anspruch genommen werden. Bei einer Untersuchung der IFRSF von 150 Jurisdiktionen, welche nach eigenen Angaben zusammen 98,6 % des weltweiten GDP ausmachen, verwendeten 126 die IFRS wenigstens für einen großen Teil der Unternehmen als Rechnungslegungsstandards, vgl. »Analysis of the IFRS jurisdiction profiles« unter: http://www.ifrs.org/use-around-the-world/use-of-if rs-standards-by-jurisdiction/ (Stand: 06. 11. 2019). Vgl. Driesch (2016), in: Beck’sches IFRS-Handbuch, § 1 Rn. 53. Vgl. Barckow, BB 2011, Heft 25 Editorial. Vgl. Nobes/Stadler, Accounting, Organizations and Society Journal 2013, 573ff.

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nenmarkts hinaus Ziel der Harmonisierungsbestrebungen ist und die Rezeption IFRS auch aufgrund ihrer Anerkennung durch die SEC als bestmögliche Alternative für eine europäische Konzernrechnungslegung gesehen wurde, ist eine Normabweichung aus Sicht europäischer Unternehmen, die am US-amerikanischen Kapitalmarkt emittieren, negativ einzuschätzen. Soweit die Abweichung aber Folge der wirtschaftlich-rechtlichen Einschätzung der EFRAG ist, kann eine wirtschaftspolitische Argumentation aus rechtsdogmatischer Sicht nicht entgegengehalten werden. e. Schlussfolgerungen Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass eine Normspaltung schon begrifflich ausscheidet und eine divergierende Entwicklung des materiellen Norminhalts zwischen EU- und London-IFRS aus rechtsdogmatischer Sicht nicht zu besorgen ist. Insbesondere handelt es sich nicht um ein methodisches Problem. Entstehen kann lediglich eine Regelungsdivergenz, die für den Standardanwender mangels Bindungswirkung aber unbeachtlich ist. Ob der europäische Gesetzgeber eine Identität der europäischen Rechnungslegungsvorschriften mit den vom IASB für den globalen Gebrauch erarbeiteten IFRS sicherstellen will, ist eine politische, keine rechtsdogmatische Frage. Dementsprechend ist die Diskussion um die Folgen abweichender Regelungen ausschließlich auf wirtschaftswissenschaftlicher Ebene zu führen.

VI.

Auslegung handelsrechtlicher Vorschriften nach den IFRS

Die zunehmende Annäherung der Bilanzierungs- und Rechnungslegungsvorschriften des deutschen Handelsrechts an die internationalen Rechnungslegungsvorschriften des IASB wirft die berechtigte Frage auf, ob nicht die IFRS und die zuvor herausgearbeitete Auslegungsmethodik als Auslegungshilfe für handelsbilanzielle Vorschriften dienen kann oder gar muss. Diese Problematik wurde in der Literatur bereits angesprochen, jedoch aus rechtsdogmatischer Sicht nicht ausführlich geklärt1033. Es haben sich jedoch viele Stimmen dafür ausgesprochen, eine IFRS-orientierte Auslegung des HGB-Bilanzrechts vorzunehmen1034.

1033 Vgl. zur Fragestellung etwa Moxter, WPg 2009, 7ff.; Hennrichs/Pöschke, Der Konzern 2009, 532ff.; Hennrichs, WPg 2011, 861ff. 1034 Vgl. Hennrichs/Pöschke, Der Konzern 2009, 532ff.; Hennrichs, WPg 2011, 861ff.; Köster, BB 2007, 2791, 2792; Mujkanovic/Raatz, KoR 2008, 245; Heuser/Theile/Dörschell (2012), IFRS Handbuch, Rn. 158; a. A. etwa Moxter, WPg 2009, 7, welcher es als »verwegen« erachtet die IFRS als Auslegungshilfe für das HGB-Bilanzrecht zu verwerten.

Demokratiedefizite und Auslegung der IFRS

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Besondere Bedeutung erlangt die Fragestellung seit Inkrafttreten des BilMoG am 29. 05. 20091035. Der Gesetzgeber hat durch dieses Gesetz das Handelsrecht teils grundlegend reformiert und dabei die Zielsetzung verfolgt, »eine maßvolle Annäherung der handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften an die IFRS«1036 zu erreichen. Gleichsam zeigt die vorbenannte Regierungserklärung, dass eine umfassende oder gar grundlegende Anpassung an die IFRS nicht gewollt ist. Insoweit darf entgegen anderslautender Vorhersagen in der Literatur1037 davon ausgegangen werden, dass die HGB-Rechnungslegung noch weiterhin Bestand haben wird und insbesondere KMU mit einer durch das BilMoG geschaffenen, wettbewerbsfähigen Alternative zur IFRS-Bilanzierung weiterhin am Handelsrecht festhalten werden1038. Ohnehin entfalten die IFRS for SMEs derzeit keinerlei Rechtswirkung, da sie nicht Gegenstand der IAS-VO sind. Denkbar sind verschiedene Wege, über die die IFRS für die Auslegung und Anwendung handelsbilanzieller Vorschriften relevant werden könnten. Eine unmittelbare Wirkung wäre etwa möglich, insoweit einzelne IFRS für die Auslegung einzelner handelsbilanzieller Grundsätze herangezogen werden könnten. Mittelbar dienten die IFRS als Auslegungshilfe, soweit mit der Annäherung an diese eine geänderte Zwecksetzung im HGB Eingang erhielte, so dass ein Rückgriff auf Prinzipien des angelsächsischen Rechnungslegungssystems auch für das deutsche Recht in Betracht käme. Schließlich zeichnet sich die HGBRechnungslegung durch die Besonderheit der GoB als Deduktionsbasis für Auslegungs- und Anwendungsfragen aus, auf welche die IFRS ebenfalls Einfluss nehmen könnten. 1.

Keine Rezeption der IFRS durch das BilMoG

Mit dem BilMoG hat der deutsche Gesetzgeber das Handelsrecht an die internationale Rechnungslegung angenähert. Die Intention dahinter war indes die Stärkung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, damit dieser angesichts praktischer Entwicklungen im internationalen Vergleich anerkannt und handhabbar bleibt. Es sollte für nicht kapitalmarktorientierte Konzerne sowie ein1035 S. BGBl. I 2009, S. 1102ff. 1036 S. BT-Drucks. 16/10067, S. 34. 1037 So haben etwa Lüdenbach/Hoffmann schon im Jahr 2007 bezweifelt, dass das HGB noch 15 Jahre Bestand haben würde, vgl. Lüdenbach/Hoffmann, DStR 2007, Beihefter zu Heft 50, 3, 9. 1038 Zur untergeordneten Bedeutung der IFRS für KMU in Deutschland und der EU vgl. etwa Baetge/Klaholz, IFRS und Mittelstand, in: Winkeljohann [Hrsg.], IFRS für den Mittelstand, 2006, S. 31–45; Winkeljohann/Morich, BB 2009, 1630, 1633f.; Hane/Müller, IRZ 2011, 245ff.; Henselmann/Roos, IFRS for SMEs, 2009; Pacter, IRZ 2012, 463, 465; Driesch (2016), in: Beck’sches IFRS-Handbuch, § 46 Rn. 10; s. auch DRSC [Hrsg.], Studie zu den IFRS for SMEs vom 22. 12. 2010, welche zu keinem eindeutigen Ergebnis gelangt.

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zelabschlusspflichtige Unternehmen eine Alternative zur IFRS-Bilanzierung geschaffen werden1039. Die Schaffung einer Alternative macht nur dann Sinn, wenn hiermit weiterhin Prinzipien der kontinentaleuropäischen Rechnungslegungstradition zur Geltung verholfen werden sollte. Wäre es die gesetzgeberische Intention gewesen, die HGB-Rechnungslegung durch IFRS-Prinzipien zu überlagern, hätte der Gesetzgeber das Handelsrecht umfassender und nicht als Alternative an die IFRS angepasst und außerdem den Anwendungsbereich der europäischen IAS-VO in Ausnutzung seines Wahlrechts ausgeweitet. Auch die jüngste größere Bilanzrechtsreform durch das BilRUG mit seinem primären Zweck der Umsetzung der Bilanzrichtlinie 2013/34/EU hat zu keiner Rezeption der IFRS geführt. Lediglich einige Einzelnormen wurden partiell angenähert1040. Durch das BilMoG wurden einige Vorschriften der Rechnungslegung basierend auf IFRS oder wenigstens an diese angelehnt geschaffen1041. Dies war erforderlich, um eine praxisnahe und wettbewerbsfähige Rechnungslegung nach HGB zu ermöglichen. Mitunter handelte es sich auch um die Umsetzung von EURichtlinien. Auch diese Rechnungslegungsrichtlinien haben – im Gegensatz zur IAS-VO für den Bereich kapitalmarktorientierter Konzerne – nicht die Rezeption der IFRS oder derer Grundsätze intendiert. Somit lässt sich sagen, dass der gesetzgeberischen Intention jedenfalls keine die Grundsätze der HGB-Bilanzierung überlagernde Auslegung handelsrechtlicher Vorschriften nach den IFRS nahelegt. 2.

Mögliche Einfallstore

Rechtsverbindliche Einflüsse der IFRS auf das Handelsrecht können nur aus europäischem Sekundärrecht bzw. der Normgebung des deutschen Gesetzgebers resultieren. Da das europäische Handelsrecht von Richtlinien geprägt ist, welche auch aufgrund angelsächsischer Einflüsse zustande gekommen sind, liegt es nahe, dass eine richtlinienkonforme Auslegung deutscher Rechnungslegungsnormen Einflüsse der internationalen Standards berücksichtigen muss. Zu überlegen ist auch, ob die IFRS für die Auslegung deutschen Handelsrechts kraft Natur der Sache angebracht ist, weil eine Annäherung an einen übergeordneten Informationszweck des Jahresabschlusses aus bilanzwissenschaftlicher Sicht einen Rückgriff auf die informationsorientierten IFRS erforderlich machen könnte. Schließlich stellt sich die Frage, wie mit solchen Einzelnormen umzugehen ist, bei denen der deutsche Gesetzgeber auf die IFRS Bezug genommen hat.

1039 S. BT-Drucks. 16/10067, S. 32ff. 1040 Vgl. Kirsch, IRZ 2015, 99ff. 1041 Vgl. Hennrichs/Pöschke, Der Konzern 2009, 532ff.

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a. Richtlinienkonforme Auslegung nationalen Handelsrechts Soweit Rechtsnormen der Mitgliedsstaaten in Umsetzung einer EU-Richtlinie erlassen wurden, muss sich die Auslegung ihres Bedeutungsinhalts auch maßgeblich an der zugrunde liegenden Richtlinie orientieren (sog. richtlinienkonforme Auslegung)1042. Anders als EU-Verordnungen haben Richtlinien jedoch in der Regel keine unmittelbare Bindungswirkung1043 und sind nur hinsichtlich des verfolgten Ziels verbindlich, Art. 288 Abs. 3 AEUV. Den einzelnen Mitgliedsstaaten verbleibt damit eine Umsetzungskompetenz bezüglich der konkreten Ausgestaltung der Rechtsnormen. Verbindlichkeit hinsichtlich des Ziels besteht grundsätzlich auch nur insoweit, wie der Anwendungsbereich einer Richtlinie reicht. Darüber hinaus sind die Mitgliedsstaaten nicht an europäische Zielsetzungen gebunden und müssen daher frei in der Gestaltung der Rechtsnormen sein. Mit Blick auf die Europäisierung der handelsrechtlichen Rechnungslegung waren die 4. und 7. EG-Bilanzrichtlinien von maßgeblichem Einfluss1044. Diese werden indes von der IAS-VO überlagert bzw. konkretisiert1045. Es stellt sich daher die Frage, ob die IFRS mittelbar über richtlinienkonforme Auslegung der EG-Bilanzrichtlinien Einfluss auf die handelsrechtliche Bilanzierung nehmen können. Besonderes Interesse der Literatur an einer richtlinienkonformen und IFRSkonformen Auslegung des deutschen Bilanzrechts kam vor allen Dingen durch das sog. BIAO-Urteil des EuGHs vom 07. 01. 2003 auf 1046. Ursprung war ein Vorlageersuchen im Sinne des § 267 AEUV durch das FG Hamburg. Dieses wollten u. a. geklärt wissen, ob sich die Zuständigkeit des EuGHs auch auf die Auslegung der 4. Bilanzrechtsrichtlinie erstreckt, soweit nicht Kapitalgesellschaften betroffen sind, sondern andere jahresabschlusspflichtige Kaufleute und auch für Fragen des Steuerbilanzrechts, soweit diese im Wege der Maßgeblichkeit auf handelsrechtliche Vorschriften Bezug nimmt. Konkret stellte das FG Hamburg folgende Fragen1047:

1042 Vgl. zur richtlinienkonformen Auslegung etwa Callies/Ruffert-Wegener (2016), Art. 19 EUV Rn. 33; Grabitz/Hilf/Nettesheim-Nettesheim (2018), Art. 288 AEUV Rn. 133ff.; Auer, NJW 2007, 1106ff.; EuGH, Urt. v. 10. 04. 1984, Rs. C-14/83 (»von Colson/Kamann«), Slg. 1984, 1891, Rn. 26; EuGH, Urt. v. 13. 11. 1990, Rs. C-106/89 (»Marleasing«), Slg. 1990, I4135, Rn. 8; Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2010, S. 111ff. 1043 Zu den Voraussetzungen und Ausnahmen der unmittelbaren Wirkung s. etwa Grabitz/Hilf/ Nettesheim-Nettesheim (2018), Art. 288 AEUV Rn. 137ff. 1044 S. schon Teil 1 Kapitel A I. 1045 Ausführlich MüKo/HGB-Reiner (2013), § 264 Rn. 42; siehe auch Erwägungsgrund 3 der IAS-VO. 1046 S. EuGH, Urt. v. 07. 01. 2003, Rs. C-306/99 (»BIAO«), Slg. I 2003, 1–77. 1047 Vgl. Entscheidung des 2. Senats des FG Hamburg v. 22. 04. 1999, AZ: II 23/97.

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»1.1. Ist der EuGH im Vorabentscheidungsverfahren […] zur Auslegung der Vierten Richtlinie des Rates über den Jahresabschluß von Gesellschaften […] nicht nur zuständig bei Zweifeln über die richtlinienkonforme Anwendung des nationalen Handelsbilanzrechts für Kapitalgesellschaften (hier §§ 264ff des deutschen Handelsgesetzbuchs –HGB–), sondern auch zuständig; 1.1.1. soweit Inhalte der BiRiLi bei deren Umsetzung (hier durch das deutsche Bilanzrichtlinien-Gesetz –BiRiLiG–) in das für alle Kaufleute geltende nationale Handelsbilanzrecht übernommen wurden (hier §§ 238 ff HGB), auch wenn für diese das in Präambel und Art. 2 der BiRiLi vorangestellte Gebot des »True and Fair View« nicht in den Gesetzestext übernommen wurde (anders als bei Kapitalgesellschaften, § 264 Abs. 2, § 289 Abs. 1 HGB); 1.1.2. soweit das nationale Steuerrecht […] für die Gewinnermittlung bilanzierender Kaufleute von der Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ausgeht und a) soweit diese in den (durch das BiRiLiG) harmonisierten Vorschriften für alle Kaufleute (§§ 238 ff HGB) geregelt sind oder b) soweit die speziellen Bilanzierungsvorschriften für Kapitalgesellschaften (§§ 264 ff HGB) einschlägig sind; 1.1.3. soweit das nationale Steuerrecht im anderen Zusammenhang auf handelsbilanzrechtliche Begriffe oder Maßstäbe Bezug nimmt?«

Diese Vorlagefrage muss Erstaunen auslösen. Die 4. EG-Bilanzrichtlinie sah nur Umsetzungspflichten der Mitgliedsstaaten in Bezug auf kapitalmarktorientierte Konzerne vor. Es darf daher hinterfragt werden, weshalb das FG Hamburg überhaupt die Frage stellte, ob eine richtlinienkonforme Auslegung über den verpflichtenden Anwendungsbereich der 4. EG-Bilanzrichtlinie möglich und erforderlich ist. Das nationale Recht wird damit entgegen der Intention der Richtlinie unterwandert1048. Der handelsrechtliche Jahresabschluss sowie die hieraus abzuleitende Steuerbilanz als »Oasen der Beständigkeit«1049 entgegen internationaler Entwicklungen wäre durch eine solche Auslegung gefährdet. Konkret ging es um die Frage, ob der EuGH für die Auslegung von Gemeinschaftsrecht in einem Kontext zuständig ist, in welchem es nicht unmittelbar Anwendung findet. Notwendig beinhaltet ist die Problematik, ob in einem solchen Kontext Gemeinschaftsrecht überhaupt heranzuziehen ist. Der EuGH urteilte, dass konkrete Bilanzierungsfragen aufgrund des Allgemeincharakters und 1048 Es sei an dieser Stelle kritisch angemerkt, dass weder deutsche Gerichte vor willkürlichen Vorlagen zurückschrecken noch der EuGH eine restriktive Auffassung zur Frage seiner Zuständigkeit zeigen würde. Dies zeigte sich insbesondere auch am »Mangold-Urteil«, welches massiv kritisiert wurde, vgl. nur Bauer/Arnold, NJW 2006, 6ff.; Thüsing, BB 2007, Editorial Heft 25; Reich, EuZW 2007, 198f.; Waas, EuZW 2007, 359ff. 1049 Vgl. Hennrichs, NZG 2005, 783, 784.

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mangelnder Detailregelungen in der 4. EG-Bilanzrichtlinie nach nationalem Recht zu beurteilen sei, allerdings »gegebenenfalls unter Berücksichtigung internationaler Rechnungslegungsstandards (IAS)«1050. Eine inhaltliche Überlagerung der EG-Bilanzrichtlinien mit der IAS-VO auch auf methodischer Ebene wird daher vom EuGH bejaht. Der entsprechende Hinweis des EuGHs auf die Fortwirkung der IAS bis auf die Ebene nationalen Bilanzrechts verwundert, da eine solche überhaupt nicht Gegenstand der Vorlagefrage war1051. Soweit der EuGH also davon ausgeht, dass die 4. EG-Bilanzrichtlinie für die Beantwortung der Vorlagefrage nicht relevant ist und dennoch die internationalen Rechnungslegungsstandards beachtlich sein könnten, erklärt er diese für unabhängig vom europäischen Sekundärrecht und damit des Endorsementverfahrens für zumindest partiell bindend. Noch weiter geht das FG Hamburg in der auf die Vorlage folgenden Entscheidung: »[…] in Ermangelung von Detailregelungen sind bei der Auslegung der Bilanzrichtlinie die IAS […] ergänzend heranzuziehen«1052. Dies gelte sogar für das nationale Steuerrecht, welches über den Grundsatz der Maßgeblichkeit1053 handelsbilanzielle Prinzipien berücksichtigt. Es sind deshalb zu Recht Stimmen laut geworden, die hierin eine Unterwanderung des deutschen Steuerbilanzrechts durch die IFRS gesehen haben1054. Letztlich hat sich der BFH im anschließenden Revisionsurteil gegen das FG Hamburg gestellt und die IAS zwar primär schon aus zeitlichen Gründen, aber auch mit Verweis darauf, dass »im Übrigen […] die IAS gemäß Art. 4 der Verordnung (EG) des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards Nr. 1606/2002 vom 19. Juli 2002 (ABlEG L 243/1) […] lediglich für konsolidierte Abschlüsse börsennotierter Gesellschaften verbindlich [sind] (vgl. dazu auch die Verordnung (EG) Nr. 1725/ 2003 der Kommission vom 29. September 2003, ABlEG L 261/1)«1055. aa. 4. und 7. EG-Bilanzrichtlinie und Verhältnis zur IAS-VO Nach alledem ist zu klären, in welchem Verhältnis die EG-Bilanzrichtlinien zur IAS-VO stehen. Eine Einstrahlung der IFRS auf die mitgliedsstaatliche Ebene der Rechnungslegung über den Anwendungsbereich der IAS-VO hinaus, d. h. auch 1050 S. EuGH, Urt. v. 07. 01. 2003, Rs. C-306/99 (»BIAO«) = BB 2003, 355, Rn. 103, 118; dazu Hennrichs, NZG 2005, 783, 784; Bärenz, DStR 2003, 492; Dziadkowski, FR 2003, 552. 1051 So auch MüKo/HGB-Reiner (2013), § 264 Rn. 47; kritisch auch Lohse, EWS 2003, 129f., dem die Hinweise des EuGHs auf die Berücksichtigung des IAS im nationalen Recht ebenso befremdlich erscheinen. 1052 S. FG Hamburg, Urt. v. 28. 11. 2003, AZ: III 1/01 = BB 2004, 1220. 1053 Hierzu ausführlich Teil 3 Kapitel E I. 1054 Etwa Hennrichs, NZG 2005, 783, 784. 1055 S. BFH, Urt. v. 15. 09. 2004, AZ: I R 5/04, Rn. 20.

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für nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen, kann grundsätzlich nur mittelbar über die Bilanzrichtlinien erfolgen, welche europarechtliche Vorgaben für die Rechnungslegung der übrigen Unternehmen getroffen haben. Rechtsakte der EU dürfen jedenfalls nicht weitere Geltung erlangen, als ihr Anwendungsbereich es vorsieht1056. Eine Einstrahlung der IAS-VO auf nationales Bilanzrecht wäre aber durch die Bilanzrichtlinien als Mittler denkbar, soweit diese ihrerseits auf Grundlage bzw. unter Berücksichtigung der IAS-VO auszulegen wären. Dafür spricht, dass es sich bei beiden Rechtsquellen um Teile des europäischen Sekundärrechts handelt, welche mithin auf derselben Ebene stehen. Die Einheit der Rechtsordnung sowie die Grundsätze der Normerhaltung gebieten es dabei grundsätzlich Rechtsakte so auszulegen, dass sie sich nicht widersprechen und möglichst umfassende Wirksamkeit erlangen. Nur wenn tatsächlich eine Kollision des materiellen Norminhalts vorliegt, greifen allgemeine Normkollisionsregeln. Darüber hinaus bilden die Bilanzrichtlinien die Grundlage des europäischen Rechnungslegungsrechts1057. Die IAS-VO bildet hierzu eine Ergänzung für eine Teilmenge der bilanzierungspflichtigen Kaufleute. Dies entspricht auch der ausdrücklich geäußerten Auffassung des europäischen Gesetzgebers: »Die Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, die Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom 13. Juni1983 über den konsolidierten Abschluss, die Richtlinie 86/635/EWG des Rates vom 8. Dezember 1986 über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Banken und anderen Finanzinstituten und die Richtlinie 91/674/EWG des Rates vom 19. Dezember 1991 über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Versicherungsunternehmen richten sich auch an kapitalmarktorientierte Gesellschaften in der Gemeinschaft. Die in diesen Richtlinien niedergelegten Rechnungslegungsvorschriften können den hohen Grad an Transparenz und Vergleichbarkeit der Rechnungslegung aller kapitalmarktorientierten Gesellschaften in der Gemeinschaft als unabdingbare Voraussetzung für den Aufbau eines integrierten Kapitalmarkts, der wirksam, reibungslos und effizient funktioniert, nicht gewährleisten. Daher ist es erforderlich, den für kapitalmarktorientierte Gesellschaften geltenden Rechtsrahmen zu ergänzen.«1058

Die IAS-VO soll damit weder die Bilanzrichtlinien in ihren Anwendungsbereich begrenzen, noch ein Alternativmodell hierzu für kapitalmarktorientierte Unternehmen bieten. Als Ergänzungs- und Konkretisierungs-Verordnung muss diese zwingend bei der Anwendung und Auslegung der Bilanzrichtlinien innerhalb ihres Anwendungsbereichs berücksichtigt werden. Es stellt sich nur die 1056 Insoweit ist gemäß Art. 288 Abs. 2 S. 2 AEUV die Verordnung in all ihren Teilen verbindlich, d. h. aber nicht darüber hinaus. Die Richtlinie ist sogar »nur« hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, Art. 288 Abs. 3 AEUV. 1057 Vgl. Teil 2 Kapitel A II. 2. 1058 S. IAS-VO, Erwägungsgrund 3.

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Problematik, welcher europäische Rechtsakt bei Zweifelsfragen bzw. Widersprüchen als Erkenntnisquelle heranzuziehen ist. Angesichts der unmittelbaren und umfassenden Verbindlichkeit von Verordnungen erscheint es naheliegend, diese gegenüber Richtlinien als ranghöhere Normen einzuordnen. Es handelt sich jedoch nur um unterschiedliche Formen unionaler Rechtsakte1059. Die Qualität und Reichweite der Bilanzrichtlinie geht über diejenige der IAS-Verordnung hinaus, da letztere dogmatisch eine Konkretisierung für einen Teilbereich der rechnungslegungspflichtigen Unternehmen darstellen. Im Sekundärrecht gelten in der Regel die allgemeinen Grundsätze bei Normenkollisionen1060. Die Konfliktregeln »lex posterior derogat legi priori« sowie »lex specialis derogat legi generali« streiten für einen Vorrang der IAS-VO. Allerdings muss vom Sinn und Zweck des Normsystems sowie der Bindung der IAS-VO an die EG-Bilanzrichtlinien eine differenziertere Betrachtung erfolgen. Die Richtlinien legen allgemeine Grundsätze dar. Solche Grundsätze finden in speziellen Normen eine Konkretisierung. Umgekehrt müssen sich speziellere Normen nach kontinentaleuropäischem Normgeltungsverständnis an höherrangigen Grundsätzen messen lassen. Zwar gilt die Konfliktregel, nach der speziellere Normen allgemeinere verdrängen (»lex specialis derogat legi generali«). Eine Auslegung allgemeiner Grundsätze nach speziellen IFRS würde aber contra legem erfolgen1061. Die IAS-VO gibt in Verbindung mit den übernommenen IFRS konkrete Bilanzierungsregeln vor. Eine verpflichtende Geltung der IAS-VO über kapitalmarktorientierte Konzerne hinaus wurde aber nicht beschlossen. Eine Geltung der Verordnung für alle Unternehmen und alle Bilanzarten war gerade nicht gewollt1062. Ob die IAS-VO auch außerhalb ihres Anwendungsbereichs Einstrahlungswirkungen auf das europäische Bilanzrecht haben kann ist damit noch nicht geklärt. Dafür spricht sich im Ergebnis das FG Hamburg aus1063. In der BIAO-Entscheidung hat der EuGH eine Einstrahlung der IAS-VO auf die Bilanzrichtlinien indes ausdrücklich abgelehnt. Der EuGH hat entschieden, dass konkrete Bilanzierungsfragen nach nationalem Recht zu entscheiden seien, wobei die allgemeinen Grundsätze der Bilanzrichtlinien zu beachten wären. In diesem 1059 Zum Rangverhältnis im EU-Recht grundlegend Grabitz/Hilf/Nettesheim-Nettesheim (2018), Art. 288 AEUV Rn. 224ff. 1060 Vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim-Nettesheim (2018), Art. 288 Rn. 227f. 1061 Ähnlich Kessler, IStR 2000, 531, 535ff., welcher das Vorabentscheidungsersuchen des FG Hamburg als »Paradebeispiel für einen misslungenen Vorlagebeschluss« bezeichnet; Hennrichs, NZG 2005, 783, 784. 1062 Zutreffend Schulze-Osterloh, BB 2004, 2567; ders., BB 2005, 488. 1063 S. FG Hamburg, Urt. v. 28. 11. 2003, AZ: III 1/01 = BB 2004, 1220; ähnlich de Weerth, RIW 2003, 460, 461f.: IAS zur Konkretisierung des True and Fair View-Gebots der Jahresabschlussrichtlinie.

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nationalen Kontext könnten die IFRS gegebenenfalls zu berücksichtigen sein1064. Eine solche Berücksichtigung der IFRS kann aber nur über die IAS-VO in Betracht kommen, da erst das Endorsement zu einer rechtlichen Geltung führt1065. Da die IAS-VO aber in ihrem Anwendungsbereich nur für kapitalmarktorientierte Unternehmen gilt und Deutschland im Übrigen vom Mitgliedsstaatenwahlrecht kein Gebrauch gemacht hat, scheidet eine unmittelbare Geltung aus. Soweit nach EuGH auch eine mittelbare Wirkung über die Bilanzrichtlinien ausscheidet, ist fraglich, wie er zu einer Berücksichtigung der IFRS im nationalen Bilanzrecht gelangt. Dies kann nur mit der allgemein anerkannten praktischen Bedeutung der IFRS zusammenhängen. Eine rechtliche Herleitung für eine solche Bindungswirkung lässt sich nicht schaffen. Insoweit dürfte aus Sicht der nationalen Gerichte eine richtlinienkonforme bzw. europarechtliche Auslegung nationalen Bilanzrechts durch Zuhilfenahme der IFRS nicht nur nicht zwingend, sondern aufgrund der unterschiedlichen Zwecksetzungen in der Regel sogar systemwidrig sein. Im Ergebnis entspricht dies auch der Auffassung des BFH, welcher schlicht feststellt, dass der Anwendungsbereich der IAS-VO sich nicht auf andere als kapitalmarktorientierte Unternehmen erstreckt1066. Soweit die Entscheidung des EuGHs tatsächlich dahingehend zu verstehen sein sollte, dass die IFRS für das nationale Bilanzrecht eine Rolle spielen könnten, ohne dass sie über die Bilanzrichtlinien oder die IAS-VO Eingang finden, ist ein solches Urteil über originär nationalstaatliches Recht nicht der Kontrolle des EuGHs zugänglich1067. Mithin müssen nationale Gerichte eine so verstandene Rechtsprechung des EuGHs nicht berücksichtigen, ja dürfen diese nicht einmal berücksichtigen. Schließlich muss auch berücksichtigt werden, dass selbst eine richtlinien- bzw. europarechtskonforme Auslegung dort seine Grenze findet, wo die nationalen Gesetzgeber im Rahmen ihrer Umsetzungsbefugnis unter Wahrung der Ziele der Richtlinie Vorgaben gemacht haben, deren Auslegung nach klassischer Methodik im Konflikt stehen würde1068. Insofern die europarechtskonforme Auslegung nationalen Bilanzrechts aufgrund des eingeschränkten Anwendungsbereichs der IAS-VO nicht in Betracht kommt stellt sich andererseits die Frage, ob kapitalmarktorientierte Unternehmen einzelne Bestimmungen der IAS-VO, d. h. im Ergebnis einzelnen Verlaut1064 In diesem Sinne ist die Entscheidung des EuGHs von einigen Autoren auch aufgefasst worden, s. etwa Vater, StuB 2005, 67, 69; de Weerth, RIW 2003, 460, 461f.; Scheffler, StuB 2004, 778, 781. 1065 Vgl. auch Teil 2 Kapitel C V. 4. e. dd. 1066 S. BFH, Urt. v. 15. 09. 2004, AZ: I R 5/04 = DStR 2005, 238ff. m. Anm. Bärenz = BB 2005, 483ff. m. Anm. Schulze-Osterloh. 1067 Zur Wahrung der Kompetenzgrenzen vgl.: Calliess/Ruffert-Wagener (2016), Art. 19 AEUV, Rn. 18; Stein, Richterrecht, in: Doehring [Hrsg.], FS der Juristischen Fakultät Heidelberg, 1986, S. 619ff.; Everling, EuR 1997, 398 f; Calliess, EuGRZ 2003, 181, 194 ff. 1068 Vgl. BGH, NJW 2004, 3783; BGH, NJW-RR 2005, 354; BVerfGE 71, 81, 105.

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barungen des IASB, unangewendet lassen dürfen, soweit diese gegen die allgemeinen Grundsätze der Bilanzrichtlinien verstoßen. Das ist naheliegend, da die IAS-VO nichts anderes als eine Konkretisierung der Bilanzrichtlinien für kapitalmarktorientierte Unternehmen darstellt. Art. 3 Abs. 2 der IAS-VO sieht insoweit auch eine Bindung an die Bilanzrichtlinien als Übernahmevoraussetzung vor1069. bb. Anwendung der IFRS for SMEs über Auslegung der Bilanzrichtlinien Ein besonderes Themenfeld bieten die IFRS for SMEs. Diese entfalten derzeit keine unmittelbare Rechtswirkung innerhalb der europäischen Union, weil sie von der IAS-VO nicht abgedeckt werden. In der Literatur ist indes die Möglichkeit erwogen worden, ob die Mitgliedsstaaten diese Rechnungslegungsstandards als nationales Recht übernehmen könnten1070. Dieser Aspekt ist von Interesse, da eine Mehrheit der europäischen Staaten die Einführung des IFRS for SMEs befürwortet, während eine wirtschaftlich bedeutende Minderheit dies strikt ablehnt1071. Dazu müssten die IFRS for SMEs im Einklang mit der Bilanzrichtlinie stehen, was durch Auslegung zu ermitteln ist. Der internationale Rechnungslegungsstandard für KMU entspricht nicht der von EU mit der neuen Bilanzrichtlinie beabsichtigten Vereinfachung und Reduzierung des Verwaltungsaufwands1072. Darüber hinaus sieht die Europäische Kommission den Anwendungsbereich der IAS-VO als ausreichend an1073, hat sich also bewusst dagegen ausgesprochen, eine Ausweitung vorzunehmen. Außerdem widersprechen die IFRS for SMEs ausdrücklich der Bilanzrichtlinie. Gemäß Art. 4 Abs. 1, 6 der Richtlinie wird eine Kapitalflussrechnung als Jahresabschlussbestandteil ausgeschlossen, während SME-IFRS 3.17 lit. d) eine eben solche verpflichtend vorschreibt. Infolgedessen haben auch nur einige wenige europäische Staaten die IFRS for SMEs als Grundlage ihrer nationalen Rechnungslegungsvorschriften übernommen und nur unter teils erheblichen Einschränkungen1074. Deutschland hat sich mit dem BilMoG deutlich davon distanziert, internationale Rechnungslegungsstandards für den Einzelabschluss von KMU zu rezipieren1075. Da die neue Bilanzrichtlinie erst kürzlich überarbeitet wurde, ist auch nicht zeitnah mit einer 1069 Vgl. Teil 2 Kapitel C V. 4. e. dd. (2). 1070 Diesen Gedanken greift etwa Driesch (2016), in: Beck’sches IFRS-Handbuch, § 46 Rn. 7 auf, lehnt ihn aber im Ergebnis ab. 1071 Dafür: BG, CY, CZ, DK, EE, EL, ES, HU, IE, LT, LU, MT, NL, PL, PT, RO, SE, SL, UK; dagegen: AT, BE, DE, FR, IT, SK; vgl. Europäische Kommission (2010), Summary Report, S. 10. 1072 Vgl. Europäische Kommission (2013), Memo/13/540 vom 12. Juni 2013, Frage 12. 1073 S. Europäische Kommission (2015), Evaluation Report, S. 23. 1074 Vgl. Pacter, IRZ 2012, 463, 465. 1075 Vgl. BT-Drucks. 16/10067, S. 32ff.

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Änderung im europäischen Bilanzrecht zu rechnen, zumal sich der Mittelstand erheblich gegen die Bilanzierung nach IFRS wehrt1076. Diese Überlegungen zeigen, dass der Auslegung handelsrechtlicher Vorschriften nach den IFRS insbesondere für den Einzelabschluss mit Vorsicht zu begegnen ist. Die mitunter geäußerte Kritik, die Ablehnung der IFRS for SMEs auf europäischer Ebene sei auf Dauer infolge derer weltweit steigenden Relevanz keine nachhaltige Lösung1077, ist nicht nachvollziehbar. Für solche Unternehmen gibt es – insbesondere in der deutschen Volkswirtschaft1078 – wenig Anlass, den Informationszweck den übrigen Bilanzzwecken des Handelsrechts überzuordnen. Die IFRS bilden keine geeignete Grundlage für die Rechnungslegung solcher Unternehmen1079. Soweit eine Harmonisierung der Rechnungslegung der KMU auf europäischer Ebene erforderlich ist, sollte dies weiterhin über die Bilanzrichtlinien geschehen. b.

Anwendungsbrücke über Normzweck – Die »Natur der Sache«

aa. »Natur der Sache« als Brückennorm? Erwogen wird auch, innerhalb juristischen Systemdenkens Argumente für die Auslegung und Anwendung des deutschen Handelsrechts aus IFRS kraft »Natur der Sache«1080 zu entwickeln. Gerade für das Handelsrecht ist die These der Ableitung von Rechtssätzen aus der Natur der Sache nicht neu1081. Die Ausführungen zur juristischen Methodenlehre haben gezeigt, dass sich die Rechtsphilosophie letztlich immer weiter vom Konzept des strengen Rechtspositivismus entfernt und die Auslegung und Rechtsfortbildung an grundsätzliche Wertungen 1076 Kritisiert wird insbesondere auch, dass das IASB – insbesondere aufgrund der Zielsetzung globaler Standards unter Nichtbeachtung nationaler Standards – nicht das geeignete Gremium ist, um über mittelstandsorientierte Rechnungslegungsstandards zu entscheiden, vgl. Driesch (2016), in: Beck’sches IFRS-Handbuch, § 46 Rn. 3 f.; a. A. DRSC (2015), Initial comprehensive review of the IFRS for SMEs; DRSC (2010), IFRS for SMEs – Studie, S. 36ff. 1077 So Kajüter/Saucke/Hebestreit/Schellhorn, IRZ 2015, 15, 21f. 1078 S. Teil 2 Kapitel C II. 5. 1079 Zur Kritik auch an den IFRS for SMEs vgl. nur Schildbach/Grottke, DB 2011, 953ff.; Janssen/ Gronewold, KoR 2010, 75ff. 1080 Die These mit der entsprechenden Begrifflichkeit wurde etwa von Moxter, WPg 2009, 7ff. in die wissenschaftliche Methodik eingebracht, welcher jedoch selbst eine entsprechende Einstrahlungswirkung der IFRS in deutsches Handelsrecht ablehnt. 1081 Insbesondere um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert wurde gerne auf die Natur der Sache zur Entwicklung handelsrechtlicher Grundsätze zurückgegriffen. Dies gilt für die namhaften Handelsrechtler dieser Zeit, Büsch, Heise, Pöhl und Thöl, wobei für letzteren »ein großer Theil des Handelsrechts […] aus solchen aus der Natur der Sache folgenden Rechtssätzen« entwickelt wurde. Auch später – auch mit aufstrebendem Rechtspositivismus – hielt die Wissenschaft im Bereich des Handelsrechts an diesen Grundsätzen fest. Vgl. zum Vorstehenden Kruse (1976), Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, S. 88ff.

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geknüpft hat1082. Das öffnet den Raum für Einstrahlungswirkungen von Normsystemen, die letztlich demselben Zweck dienen sollen. Gerade für die zunehmende Internationalisierung der Normgebung könnte daher ein neuer Weg der harmonisierenden Auslegung und Rechtsfortbildung einzuschlagen sein. Eine weitgehende Abkehr vom (strengen) Rechtspositivismus birgt dabei einerseits Chancen, andererseits aber auch Gefahren, insbesondere für die Rechtssicherheit. Da die IFRS als solche keine Rechtsnormqualität besitzen, kommt eine Einstrahlung auf deutsches Handelsrecht kraft Natur der Sache nur für die EUIFRS in Betracht, soweit zugrunde gelegt wird, dass keine außerrechtlichen Wertungen, sondern nur die vom Gesetzgeber beschlossenen Wertungen maßgeblich sein können1083. Der Begriff und die Tragweite der Idee der Natur der Sache sind in der deutschen Rechtsphilosophie und -theorie schon im Grundsatz umstritten. Eine ausführliche Darstellung der rechtsphilosophischen Diskussion, welche sich »weit in rechtsphilosophische Grundfragen […] das Verhältnis von Sein und Sollen, materiellem und geistigem Sein, Wirklichkeit und Wert«1084 verstrickt, ist in dieser Arbeit nicht möglich. Es muss ausreichen darzustellen, in welchem konkreten Kontext der Begriff hier verstanden wird und welche Forschungsfrage letztlich beantwortet werden soll. Relevant ist in diesem Kontext vor allem, dass ein wertorientierter Rechtsbegriff – wie er hier zugrunde gelegt wird – letztlich ausländisches Recht als »universale Interpretationsmethode«1085 nationalen Rechts zugänglich macht. Gerade die Internationalisierungs- und Globalisierungstendenzen des Rechts und zwar auch des positiven Rechts verdeutlichen die praktische Erforderlichkeit rechtsvergleichender Untersuchungen. Insoweit geht es um ein objektiv-teleologisches Auslegungskriterium, welches davon ausgeht, dass eine vergleichbare Regelungsmaterie mit vergleichbarer Zielsetzung letztlich auch die gleichen Normen zugrunde legen muss. Ob dieses Kriterium als »Argumentation kraft Natur der Sache«1086 oder mit einem ähnlich umstrittenen und ohne weiter Ausführungen inhaltsleeren Begriff betitelt wird, kann für die nachfolgende Untersuchung dahinstehen. Letztlich handelt es sich bei den hier in die Diskussion gebrachten Kriterien um solche teleologischer 1082 Vgl. Teil 1 Kapitel C. 1083 Diese Unterscheidung ist derzeit jedoch eher theoretischer Natur, da die IFRS vollständig übernommen wurden. Soweit unmittelbar die London-IFRS herangezogen würden, ändert auch dies nichts an den nachfolgenden Ausführungen, da diese sich wie nach der Übernahme in europäisches Sekundärrecht in das europäische Bilanzrecht und handelsrechtliche System fügen müssten. 1084 Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, S. 417. 1085 Vgl. Bydlinksi, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 1982, S. 385; Zweigert, RabelsZ 1949, 5ff. 1086 So etwa Bydlinski, Juristische Methodenlehre, 1982, S. 459.

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Argumentationsform1087. Die Vergleichbarkeit der Wertungen, Zwecksetzung und allgemein zugrunde gelegter Rechtsprinzipien kann dabei unmittelbar den Rechtsnormen entnommen werden1088. Jedenfalls soll der Eindruck vermieden werden, die Argumente »kraft Natur der Sache« seien gleichzusetzen mit naturrechtlichen Rechtsquellen, welche einen umfassenden Einzug außerrechtlicher Grundsätze besorgen lassen würden. Freilich kann eine solche Verbindlichkeit grundsätzlich nur von ein und demselben Normgeber innerhalb seines Herrschaftsgebiets verlangt werden. Dies gilt aber in erster Linie hinsichtlich des verfolgten Zwecks, da hierdurch der Grundstein für das Normsystem gesetzt wird. Die Frage der konkreten Ausgestaltung ist letztlich eine Frage der Effizienz des Rechts, so dass ausländisches Recht im Wege rechtsvergleichender Untersuchungen eine zweckmäßige Einstrahlungswirkung haben könnte. Eine übergreifende Bedeutung des Prinzips der Auslegung bzw. Rechtsfortbildung »kraft Natur der Sache« erscheint hier auch deshalb naheliegend, da die zu regelnde Materie – namentlich die international anerkannte Rechnungslegung – zwingend das Ziel einer grundlegenden Harmonisierung verfolgen muss und weitestgehend im sozioökonomischen Umfeld globalisierter Wirtschaft relevant wird. Die Regelungsmaterie ist dahingehend vergleichbar, dass im Sinne von internationaler Wettbewerbsfähigkeit und grenzübergreifender Effizienz der Kapitalallokation die durch die Rechnungslegung vermittelte Informationsbasis vergleichbar sein muss. Der Informationszweck ist daher sowohl der handelsrechtlichen, als auch der europäischen und IFRS-Rechnungslegungssystematik immanent, soweit es um kapitalmarktorientierte Unternehmen geht. Für andere Unternehmen ist der Informationszweck der Rechnungslegung zwar auch maßgeblich zu beachten. Aufgrund der Verschiedenartigkeit sozioökonomischer Begebenheiten kann der Informationszweck aber einen anderen Begriffsinhalt haben1089. Es ist daher konkret zu klären, ob die Grundnormen der Rechnungslegungssyteme vergleichbar sind. Andererseits läge nur eine scheinbare Vergleichbarkeit der Natur der Sache vor.

1087 Zur »Natur der Sache als Kriterium objektiv-teleologischer Interpretation« zutreffend auch Bydlinski, Juristische Methodenlehre, 1982, S. 459. 1088 Allgemein in diese Richtung auch Bydlinksi, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 1982, S. 56, welcher die »Natur der Sache« als einen für die Arbeit de lege ferenda zu beachtenden normativen Fixpunkt erachtet. Im Rahmen der Rechtsgewinnung werde sie allerdings regelmäßig durch das positive Recht überlagert. 1089 Vgl. hierzu ausführlich Teil 2 Kapitel A I., C. II., C V 2. sowie C V 4. e.

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bb. Das True and Fair View – Grundprinzip Die Veränderung der handelsrechtlichen Rechnungslegungsprinzipien ist erstmals vor allem im Zusammenhang mit der Einführung des True and Fair ViewPrinzips ins Handelsrecht in § 264 Abs. 2 S. 1 HGB diskutiert worden. Die Norm wurde quasi wörtlich der 4. EG-Bilanzrichtlinie entnommen und diente derer Umsetzung in nationales Recht1090. Insoweit liegt es nahe, das handelsrechtliche True and Fair View-Prinzip mit demjenigen auf europäischer Ebene gleichzusetzen. Dafür spricht auch, dass die Rechnungslegungszwecke im Sinne der Bilanzrichtlinien mit Ausnahme der steuerrechtlichen Maßgeblichkeit im Wesentlichen denjenigen des HGB entsprechen1091. Das True and Fair View-Prinzip wurde in seiner konkreten Gestalt vor allem auf Drängen der Vereinigten Königreiche in die 4. EG-Bilanzrichtlinie aufgenommen1092. Durch die Übernahme in § 264 Abs. 2 S. 1 HGB ist das Prinzip Grundlage der Rechnungslegung aller Kapitalgesellschaften im deutschen Rechtsraum. Der Wortlaut der Richtlinie wurde indes um den Zusatz »unter Beachtung der GoB« ergänzt. Gemeint sind also die handelsrechtlichen GoB. Damit hat der deutsche Gesetzgeber das Prinzip in das handelsrechtliche Zwecksystem der Rechnungslegung eingebunden. Es kann deshalb auch – soweit sich dieses unterscheidet – vom europäischen Prinzip abweichen. Die Literatur hat darüber gestritten, ob damit überhaupt eine vollständige Umsetzung der Bilanzrichtlinie erfolgt ist1093. Eine Klärung dieser Frage ist jedoch nicht Ziel dieser Arbeit. Eine Einbindung in das handelsrechtliche Zwecksystem ist konsequent, da das Prinzip eines »getreuen Bildes« nur dann materielle Geltung erlangt, wenn es normativ ausgefüllt wird1094. Insoweit nämlich der »wahre« oder »richtige« Gewinn ermittelt werden soll, hängt der Inhalt dieser Begriffe davon ab, was eine Rechnungslegung als Informationsbasis ausweisen soll1095.

1090 Vgl. Art. 2 Abs. 2–5 der 4. EG-Bilanzrichtlinie, s. auch Beine, WPg 1995, 467, 469ff. 1091 S. schon Teil 2 Kapitel C V. 2. 1092 Siehe z. B. MüKo/AktG-Luttermann (2003), § 264 HGB Rn. 45ff., 51, mit weiteren Einzelheiten zum britischen Bilanzrecht; zur Entstehungsgeschichte insbesondere Art. 2 der Richtlinie Schön, ZGR 2000, 706, 715f. 1093 Ablehnend etwa Hartung, RIW 1988, 52, 55; Streim, Generalnorm des § 264 Abs. 2 HGB, in: Ballwieser/Böcking/Drukarzcyk/Schmidt [Hrsg.], FS-Moxter, 1994, S. 391, 396; a. A. z. B. Ordelheide, EAR 1993, 86f.; Beine, WPg 1995, 467, 469ff. 1094 Vgl. schon Teil 2 Kapitel C V. 4. e. dd. (2). 1095 Vgl. hierzu schon die bilanztheoretischen Überlegungen in Teil 1 Kapitel A II.; so auch Schneider, BWL, Bd. 2, 1997, S. 96; zustimmend Küting, DB 2006, 1441, 1449. Generalanwalt Thesauro spricht in seinen Schlussanträgen v. 25. 1. 1996 in der Sache Tomberger (C-234/94, Rn. 4) von der »relativen Bedeutung«, die dem Adjektiv »wahr« (true) »im Bilanzrecht herkömmlich und notwendig beigemessen wird«.

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(1) Das tradierte angelsächsische True and Fair View – Prinzip Im angelsächsischen Rechnungslegungssystem bildet das True and Fair ViewPrinzip seit jeher eine beherrschende Grundnorm. Es kann dort als »overriding principle« aufgefasst werden1096. Schon 1844 verpflichtete der Joint Stock Companies Act die britischen Unternehmen, einen »full and fair balance sheet« zu erstellen1097. Auch nachfolgende Acts im englischen Common Law hoben die Bedeutung des Prinzips hervor1098. Mithin hat sich das True and Fair ViewPrinzip in über hundert Jahren in einer fremden Rechtskultur fortentwickelt und ausdifferenziert1099. Die Bedeutung des Prinzips für Großbritannien wird auch an der Entwicklungsgeschichte zum europäischen Bilanzrecht deutlich. Das True and Fair ViewPrinzip wurde nach dem Beitritt der Vereinigten Königreiche in die EWG in Art. 2 der 4. EG-Richtlinie1100 eingeführt und seitdem als Zentralnorm geführt. Dies wurde geradezu als Bedingung an den Beitritt geknüpft1101. Die überragende Einflussnahme Großbritanniens auf das europäische Bilanzrecht zeigt sich wohl auch daran, dass die Umsetzung der 4. EG-Richtlinie dort 1981, in Deutschland hingegen erst 1985 abgeschlossen wurde, woraus eine gewisse Abneigung und Schwierigkeit der Umsetzung im deutschen Rechtsraum abgeleitet werden mag. Heute sieht das britische Handelsrecht vor, dass »directors of a company must not approve accounts for the purposes of this Chapter unless they are satisfied that they give a true and fair view of the assets, liabilities, financial position and profit or loss«1102. Dabei gilt das Prinzip über die EU-Richtlinie hinaus für alle bilanzierungspflichtigen Kaufleute, nicht nur für Kapitalgesellschaften. Das muss folgerichtig auch so sein, da sich das Normsystem der Rechnungslegung in den UK gerade darauf aufbaut. »True and Fair View« ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Eine Definition findet sich in den UK weder im Gesetz, noch hat die Rechtsprechung dessen Bedeutung direkt geklärt1103. Innerhalb der britischen Rechtsliteratur wird sogar erkannt, dass

1096 Vgl. etwa Kanitz, Bilanzkunde für Juristen, 2014, Rn. 262. 1097 Vgl. Chambers/Wolnizer, Accounting, Business and Financial History 1991, 197f. 1098 So etwa 1845 der Companies Clause Act (»exact balance sheet«), 1879 der Companies Act (»a full and fair balance sheet […] to exibit a true and correct view of the state of the companies affairs«) und als Norm für die Aufstellung von Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung 1948 im Companies Act (»a true and fair view«), vgl. Flint, A True and Fair View in company accounts, 1982, S. 6, 18. 1099 Zutreffend Scholtissek, True and Fair View im Vereinigten Königreich und in der Bundesrepublik Deutschland, RIW 1986, 966, 969. 1100 S. Richtlinie des Rates vom 25. 07. 1978 (78/660/EWG). 1101 Vgl. Niehus, Companies Act 1981: Transformation der 4. EG-Bilanzrichtlinie in Großbritannien, AG 1983, 233, 234. 1102 S. UK Companies Act 2016, sec 393 I. 1103 Vgl. Flint, A True and Fair View in company accounts, 1982, S. 20.

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eine Definition des Begriffs schlicht nicht möglich sei1104. Letztlich wird auch im angelsächsischen Raum eine Konkretisierung anhand von Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung abgeleitet, für den die vom Accounting Standards Committee (ASC) erarbeiteten Statement of Standard Accounting Practice (SSAPs) besondere Bedeutung erlangen1105. Als »overriding principle« muss das True and Fair View-Prinzip indes ein über die geschriebenen Einzelnormen hinausgehenden materiellen Inhalt haben, damit diese sich an ihm als normativer Vergleichsmaßstab messen lassen können. Es setzt Maßstäbe, wenn ausdrückliche gesetzliche Regelungen fehlen1106 und verdrängt Einzelnormen, wenn sie im Widerspruch zu englischen Abschlussgrundsätzen stehen1107. (2) Das gemeinschaftsrechtliche True and Fair View – Prinzip Das Gemeinschaftsrecht sieht vor, dass »der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens zu vermitteln hat«1108. Damit folgt der europäische Gesetzgeber im Grundsatz vollständig dem True and Fair View-Prinzip. Ergänzend wird in der Richtlinie ausgeführt: »Ist in Ausnahmefällen die Anwendung einer Bestimmung dieser Richtlinie mit der Anforderung nach Absatz 3 unvereinbar, so wird die betreffende Bestimmung nicht angewandt, um sicherzustellen, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens vermittelt wird«1109. Damit wurde das Prinzip umfassend im Sinne eines »overriding principle« übernommen1110, weist also die Normqualität auf, die es im angloamerikanischen Rechnungslegungssystem vermittelt. Dennoch ist das Konzept mit der Aufnahme in die EG-Bilanzrichtlinie zu einem autonomen Gemeinschaftsbegriff geworden1111. Gemeinschaftsrechtliche Begriffe sind immer auch vor dem Hintergrund der Einzelausprägung in den Mitgliedsstaaten, d. h. durch rechtsvergleichende Analyse zu interpretieren1112. Auf die britische Bedeutung und Umsetzung wurde bereits hinlänglich eingegangen. Ähnlich ist auch Irland verfahren, wo das Prinzip eben1104 Vgl. Flint, A True and Fair View in company accounts, 1982, S. 1. 1105 Vgl. Scholtissek, RIW 1986, 966, 967. 1106 Vgl. Niehus/Scholz, Rechnungslegung und Prüfung der GmbH nach neuem Recht, 1982, S. 116, 117. 1107 Vgl. Funk, Die Bilanzierung nach neuem Recht aus der Sicht eines international tätigen Unternehmens, in: Baetge [Hrsg.], Das neue Bilanzrecht, 1985, S. 146ff., 161. 1108 In aktueller Fassung: Art. 4 Abs. 3 der EU-Richtlinie 34/2013. 1109 In aktueller Fassung: Art. 4 Abs. 4 S. 1 der EU-Richtlinie 34/2013. 1110 Vgl. hierzu auch ARC, True and Fair Principle, 2015, S. 2 mit Verweis auf EuGH Urt. v. 27. 06. 1996, Rs. C-234/94 (»Tomberger«) sowie EuGH, Urt. v. 07. 01. 2003, Rs. C-306/99 (»BIAO«) = IStR 2003, 95ff. 1111 Zutreffend MüKo/Bilanzrecht-Graf/Bisle (2013), § 264 HGB Rn. 32; Ordelheide, EAR 1993, 81. 1112 Vgl. schon Teil 2 Kapitel C V. 4. b.

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falls bereits vor der verpflichtenden Einführung durch die 4. EG-Richtlinie enorme Bedeutung besaß1113. Die Niederlande übernahmen das Prinzip als Zentralnorm, wobei die Einzelprinzipien lediglich hilfsweise herangezogen wurden, während Dänemark zwar sein Rechnungslegungssystem gänzlich umstellte und die Generalklausel des True and Fair View als Zielnorm einführte, dieser aber letztlich doch nur eine Auffangfunktion zuordnete1114. Das französische Rechnungslegungssystem ist auch bezüglich seiner historischen Entwicklung mit demjenigen des HGB vergleichbar. Insoweit stellten sich für Frankreich bei der Umsetzung der 4. EG-Richtlinie ähnliche Probleme wie in Deutschland. Das image fidèle erlangt eine ergänzende Funktion zu den das französische Bilanzrecht tragenden Grundsätzen der Ordnungsmäßigkeit und Wahrheit1115. Mitunter wird daher angenommen, das Prinzip sei ohnehin redundant1116. Zusammenfassend wird das True and Fair View-Prinzip mitgliedsstaatsspezifisch vor dem Hintergrund der jeweiligen Rechnungslegungssysteme ausgelegt. Für angelsächsisch geprägte Staaten ändert das Prinzip daher kaum etwas, während es in anderen Staaten weitestgehend in den bereits anerkannten Grundsätzen aufgeht. Trotz der Übernahme des Prinzips als übergeordneten Grundsatz ließ der EuGH bislang Durchbrechungen zu. Dies tritt deutlich in seinem Urteil vom 3. 10. 20131117 – C-322/12 hervor. Es heißt dort, dass der in Art. 2 Abs. 3, Abs. 4 der Vierten Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. 7. 1978 (4. EG-Bilanzrichtlinie) verankerte Grundsatz der Bilanzwahrheit es nicht erlaube, vom Grundsatz der Bewertung von Vermögensgegenständen auf der Basis ihrer Anschaffungs- und Herstellungskosten nach Artikel 32 dieser Richtlinie zugunsten einer Bewertung auf der Grundlage ihrer tatsächlichen Werte abzuweichen und zwar auch dann, wenn die Anschaffungskosten offenkundig niedriger sind als ihr tatsächlicher Wert1118. Damit folgt der EuGH einer eher am Vorsichtsprinzip und damit kontinentaleuropäischer Rechnungslegungspraxis orientierten Sichtweise. Gleichwohl dürfte auch aufgrund des nunmehr in Art. 6 Abs. 1 der EU-Bilanzrichtlinie dargelegten allgemeinen Grundsatzes der Bewertung nach dem »wirtschaftlichen Gehalt des Geschäftsvorfalls« die angelsächsische Betrachtung zunehmend auch auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene relevant werden. Art. 4 Abs. 3 der EU-Bilanzricht-

1113 1114 1115 1116 1117 1118

Vgl. Scholtissek, RIW 1985, 706, 707. Ausführlich Lambert, Die Rolle des § 264 Abs. 2 HGB, 2005, S. 69ff. Vgl. zum Begriff Luttermann, EuZW 1998, 151, 153. Vgl. Hossfeld, BB 1996, 1707, 1712 m.w.N. S. EuGH, Urt. v. 3. 10. 2013, Rs. C-322/12 (»GIMLE SA«) = BeckEuRS 2013, 738476. S. EuGH, Urt. v. 3. 10. 2013, Rs. C-322/12 (»GIMLE SA«), Tz. 43.

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linie stellt aber auch klar, dass das True and Fair View-Gebot primär durch Anhangsangaben gewährleistet werden soll1119. Obwohl der EuGH insoweit davon ausgeht, dass das True and Fair View-Prinzip die eigentliche Hauptzielsetzung der Bilanzrichtlinie sei1120, zeigt sich neuerlich eine zögerliche Haltung des EuGHs hinsichtlich dessen, die Bilanzrichtlinie als geschlossenes Rechnungslegungssystem aufzufassen. Der EuGH habe »diesen Grundsatz flexibel ausgelegt« und mangels konkreter Hinweise könnten »zwangsläufig verschiedene Methoden, die mit dieser Richtlinie vereinbar sind, soweit sie die allgemeinen Grundsätze beachten« zulässig sein1121. Damit entkräftet der EuGH die Bedeutung der richtlinienkonformen Auslegung, indem er selbst erkennt, dass eine systemkonforme Deduktion von Rechnungslegungsentscheidungen aus der Bilanzrichtlinie nicht zwingend eindeutig erfolgen kann1122. Gleichsam steigert dies die Bedeutung einer Auslegung gemessen an den mitgliedsstaatlichen, in sich geschlossenen Rechnungslegungssystemen. (3) Das handelsrechtliche True and Fair View – Prinzip Das in § 264 Abs. 2 HGB geregelte True and Fair View-Prinzip findet dem Wortlaut zufolge nur Anwendung auf Kapitalgesellschaften. Dies entspricht auch dem Regelungsumfang der zugrunde liegenden 4. EG-Bilanzrichtlinie. Trotz dessen wird mitunter vertreten, das Prinzip sei auch auf Nicht-Kapitalgesellschaften, d. h. im Ergebnis auf alle bilanzierungspflichtigen Kaufleute anwendbar. Hergeleitet wird eine solche Auffassung aus dem bereits besprochenen BIAO-Urteil1123. Es bleibt aber dabei, dass der EuGH insoweit seine Rechtsprechungskompetenz überschritten hat und mithin keine verbindliche Auslegungsregel festlegen konnte1124. Eine allgemeine Geltung des True and Fair View-Prinzips könnte nur insoweit einschlägig sein, als der deutsche Gesetzgeber sich bewusst für eine Angleichung entschieden hätte oder die Einheit der Rechtsordnung eine Auswirkung auf alle bilanziellen Einzelnormen erforderlich machen würde. Im Gegensatz zum angelsächsischen System bildet das True and Fair View-Prinzip in Deutschland aber nach h. M. eine Auffangnorm, wobei die tatsächliche Vermutung für eine Be-

1119 So auch Merkt/Probst/Fink, Rechnungslegung nach HGB und IFRS, 2017, Rn. 32. 1120 Vgl. jüngst EuGH, NZG 2014, S. 36 sowie EuGH, Urt. v. 15. 06. 2017, Rs. C-444/16, C-445/16, Rn. 40. 1121 Vgl. EuGH, Urt. v. 15. 06. 2017, Rs. C-444/16, C-445/16, Rn. 41, 44; zwar bezieht sich diese Entscheidung noch auf die Richtlinie 78/660/EWG vom 25. 07. 1978, bleibt aber aufgrund des entsprechenden Art. 4 Abs. 3 S. 1, Art. 6 Abs. 1 und Art. 13 Abs. 12 S. 1 der Richtlinie 2013/34/EU (»neue« Bilanzrichtlinie) anwendbar. 1122 Diese Erkenntnis herausstellend auch zutreffend Hennrichs/Pöschke, NZG 2017, 915, 918. 1123 Vgl. Glaser/Hachmeister, DB 2015, 566ff. 1124 Hierzu ausführlich Teil 2 Kapitel C VI. 1. und 2.

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achtung spricht, soweit die aus den Einzelnormen und ungeschriebenen GoB resultierenden Anforderungen beachtet wurden1125. Dieses Verständnis ist konsequent, da der Gesetzgeber bewusst eine Rückanknüpfung an die GoB vorgenommen hat, um so einen Ausgleich zwischen britischen Wünschen und deutscher Rechnungslegungstradition erreichen zu können1126. Es wäre auch nicht denkbar ein systemfremdes Prinzip unverändert als »overriding principle« in das deutsche Recht aufzunehmen, welches dann zwingend Rückwirkung auf sämtliche Einzelnormen haben müsste, mithin ein gänzlich neues System implementieren würde. Die Subsidiarität des § 264 Abs. 2 S. 1 HGB zu den Einzelvorschriften und GoB war zwingendes Erfordernis einer verfassungskonformen Umsetzung, da andernfalls die Normklarheit und Justiziabilität im deutschen Rechtssystem nicht hätte gewährleistet werden können1127. Ein Argument für ein englisches Verständnis kann auch nicht aus der Entstehungsgeschichte des § 264 Abs. 2 S. 1 HGB abgeleitet werden, da dieses Auslegungskriterium Wortlaut und Gesetzeszweck nicht zuwiderlaufen darf und in diesem Sinne subsidiär ist1128. Eine eigenständige, d. h. über Einzelnormen, Grundprinzipien und GoB hinausgehende Bedeutung kommt dem handelsrechtlichen True and Fair ViewPrinzip daher nicht zu. Das zeigt sich auch an der gesetzgeberischen Entscheidung, im Falle eines Widerspruchs zum True and Fair View-Prinzip an der handelsrechtlichen Einzelnorm festzuhalten, den Konflikt aber über Anhangsangaben aufzulösen, vgl. § 264 Abs. 2 S. 2 HGB. Der Gesetzgeber weicht damit in zweifacher Hinsicht von der EU-Vorgabe ab: Der Zusatz »unter Beachtung der

1125 Vgl. BeBiKo-Winkeljohann/Schellhorn (2018), § 264 Rn. 43; zur Subsidiaritätsfunktion s. auch Koller/Kindler/Roth/Morck-Morck (2015), § 264 Rn. 7 m.w.N.; Hinz, in: Beck’sches HdR, 2018, B 106 Rn. 4 f., 45ff. 1126 Vgl. Dziadkowski, IStR 2014, 461, 465. Hinzuweisen ist an dieser Stelle darauf, dass eine entsprechende Einschränkung des Anwendungsbereichs nicht für den Lagebericht übernommen wurde, vgl. § 289 Abs. 1 S. 1 HGB. Der Lagebericht ist seit jeher ein Prognoseinstrument, d. h. es werden gegenwärtige und zukünftige Chancen und Risiken des Unternehmens dargestellt. Der Informationszweck tritt hierbei deutlicher in den Vordergrund als im Rahmen der Bilanz. Das Vorsichtsprinzip hingegen spielt eine untergeordnete Rolle. Bezeichnenderweise verzichten die IFRS (noch immer) auf ein vergleichbares Berichtsinstrument. Das zeigt, dass die Prognoseinformationsqualität der Bilanz nach den IFRS bereits höher ist als nach den HGB-Vorschriften; eine weitere Abweichung im True and Fair View. 1127 So zutreffend BeBiKo-Winkeljohann/Schellhorn (2018), § 264 HGB Rn. 25, 26. 1128 Hierzu schon BVerfG, Urt. v. 21. 05. 1952, AZ: 2 BvH 2/52, BVerfGE 1, 299, 312; BVerfG, Beschl. v. 17. 05. 1960, AZ: 2 BvL 11/59, 2 BvL 11/60, BVerfGE 11, 126, 130, zit. nach BeBiKoWinkeljohann/Schellhorn (2018), § 264 Rn. 24.

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GoB« schränkt den Anwendungsbereich ein1129 und Art. 2 Abs. 5 der 4 EGRichtlinie, wonach Vorschriften nicht anzuwenden sind, wenn sie gegen das True and Fair View-Prinzip verstoßen, wurde überhaupt nicht aufgenommen1130. Intention des europäischen Normgebers war es klar, ein »overriding principle« zu schaffen1131. Die deutsche Praxis und Literatur haben aber aufgrund nachvollziehbaren Systemdenkens begrüßt, dass kein Änderungsbedarf gesehen wurde1132. Das Konzept des True and Fair View eignet sich nicht als Rechtserkenntnisquelle. Während das Rechnungslegungssystem im angelsächsischen Raum auf den Säulen dieses Prinzips entwickelt wurde, hat das handelsrechtliche System denselben Grundgedanken verfolgt, dass die Rechnungslegung Informationsasymmetrien abbauen muss, hierfür aber ein anderes System entwickelt. Letztlich soll jede Bilanz eine Informationsbasis im Sinne eines möglichst den objektiven Verhältnissen eines Unternehmens entsprechenden Bildes darstellen. Es bestehen aber kulturelle Unterschiede, die nur im gesamten volkswirtschaftlichen Kontext verstanden werden können, dahingehend was unter den »tatsächlichen Verhältnissen« zu verstehen ist. Das zeigt sich insbesondere an den eingangs dargestellten Bilanztheorien, die alle für sich beansprucht haben, das »richtige« Bild des Unternehmens darzustellen1133. Müller hat insoweit zutreffend festgestellt, dass »es sich bei den tatsächlichen Verhältnissen auch nicht um eine absolut wahrheitsmäßige Abbildung handeln [kann], sondern nur um eine im Prämissensystem kodifizierte oder aufgrund von Expertenmeinungen definierte Wahrheit«1134. Das handelsrechtliche True and Fair View-Prinzip unterliegt daher einer strengen Subsidiarität1135 und hat gegenüber den GoB eine untergeordnete Funktion. 1129 Ein solcher Zusatz lässt sich überzeugend durch die Anknüpfung der 4. EG-Richtlinie an das Vorsichts- und Objektivierungsprinzip rechtfertigen, vgl. Euler, StuW 1998, 15, 20f.; Hartung, RIW 1988, 52ff. zum Meinungsstand. 1130 Der Meinungsstand zur Frage der richtlinienkonformen Umsetzung ist etwa bei Altenburger, BFuP 1997, 721, 724 dargestellt. 1131 So auch Kreipl, KoR 2013, 198, 201; BeckOK/HGB-Ruppelt (2018), § 264 Rn. 38; MüKo/ Bilanzrecht-Graf/Bisle (2013), § 264 Rn. 32. 1132 S. DRSC (2014), Schreiben des HGB-FA an das BMJV vom 11. 02. 2014, S. 3, erhältlich auf http://alt.drsc.de/docs/press_releases/2014/140211_DRSC_Empfehlungen_HGB-Reform. pdf (letzter Zugriff am 13. 01. 2019); Arbeitskreis Bilanzrecht Hochschullehrer Rechtswissenschaft, NZG 2014, 892ff.; IDW, IDW zur Umsetzung der EU-Bilanzrichtlinie in deutsches Recht, FN-IDW 2014, 265. 1133 Vgl. Teil 1 Kapitel A II. 2. 1134 Bertram/Brinkmann/Kessler/Müller-Müller (2015), Haufe HGB Bilanzkommentar, § 264 Rn. 57; ausführlich zur Grundproblematik von Abbildungsmodellen auch Müller, Management-Rechnungswesen, 2003, S. 97–99. 1135 Zur Subsidiaritätsfunktion vgl. Koller/Kindler/Roth/Morck-Morck (2015), § 264 Rn. 7 m.w. N.; Hinz, in: Beck’sches HdR, 2018, B 106 Rn. 4 f., 45ff.

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Auch im Übrigen macht der Gesetzgeber klar, dass eine Einstrahlung der IFRS in die handelsrechtlichen GoB nicht gewollt ist1136, sondern nationale Bilanzierungsnormen eigenständig zu interpretieren und fortzuentwickeln sind1137. Dies schließt jedoch nicht aus, dass die IFRS als unverbindliche Erkenntnisquellen des Rechtsvergleichs fruchtbare Ergebnisse liefern können1138. Es darf auch nicht verhehlt werden, dass sich das Prämissensystem des handelsrechtlichen Jahresabschlusses im Wandel befindet und zunehmend eine Angleichung von angelsächsischen und deutschen Rechtsvorstellungen stattfindet, weshalb durchaus denkbar ist, dass mittelfristig ein geändertes Systemdenken stattfinden muss, in dem die handelsrechtlichen GoB selbst nach autonomer Auslegung den Prinzipien angelsächsischer Rechnungslegungstradition entsprechen. cc.

Annäherung an angelsächische Rechnungslegungsprinzipien und geänderte Zwecksetzung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses Dieser Umstand bedarf einer näheren Betrachtung bevor eine Einstrahlung der IFRS auf das deutsche Handelsrecht über die handelsrechtlichen GoB Sinn macht. Nach dem bisherigen Ergebnis der Untersuchung dürfte die deduktive Grundlage der GoB die handelsrechtliche Zwecksetzung des Jahresabschlusses aus Dokumentation, Information und Ausschüttungsbemessung sein. Da Informationsund Ausschüttungsbemessungsfunktion in einem sog. diametralen Zielkonflikt zueinander stehen1139, ist daher zu klären, ob auch nach den jüngsten Änderungen des HGB ein im Zweifel gegenüber der Ausschüttungsbemessungsfunktion untergeordneter Informationszweck anzunehmen ist. Nur bei vergleichbarer Zwecksetzung könnten Argumente kraft Natur der Sache fruchtbar gemacht werden. Diskutiert wird eine Annäherung der Rechnungslegungssysteme auf Grundlage der bereits besprochenen richtlinienkonformen Auslegung, HGB-Gesetzesänderungen sowie der EuGH-Rechtsprechung1140. Wichtig ist dabei zunächst die Trennung von Konzern- und Einzelabschluss. Der Konzernabschluss dient sowohl nach handelsrechtlichen Vorschriften wie

1136 So auch Herrmann/Heuer/Raupach-Anzinger (2018), § 5 EStG Rn. 46; Fink, Bilanzpolitik und Bilanzanalyse nach neuem Handelsrecht, 2010, S. 47, 55ff.; HdJ-Schulze-Osterloh (2018), Abt. I/1 Rn. 17 (»GoB werden nicht beeinflusst«); Stibi/Fuchs, DB 2009, Beil. 5, 9, 11f. 1137 S. BT-Drucks. 16/10067, S. 35. 1138 Vgl. Tipke/Lang, Steuerrecht, 2018, § 9 Rn. 53; vgl. aber innerhalb der Fallgruppen unter Kapitel C VI. 2. d. in welchen Ausprägungen der Rechtsvergleich fruchtbar gemacht werden kann. 1139 Vgl. Teil 2 Kapitel C V. 4. e. cc. 1140 Vgl. MüKo/HGB-Reiner (2013), § 264 Rn. 42ff., 66ff.; BeBiKo-Winkeljohann/Schellhorn (2018), § 264 Rn. 24; Bertram/Brinkmann/Kessler/Müller-Müller (2015), Haufe HGB Bilanzkommentar, § 264 Rn. 54.

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auch nach den IFRS der Information von Anlegern und Gläubigern1141. Der Schutz der entsprechenden Stakeholder wird auf Grundlage der Informationsbasis geschaffen. Über diesen informationellen Anleger- und Gläubigerschutz verfolgt die Konzernrechnungslegung keine weiteren Zwecke. Für die IFRS ist bereits herausgearbeitet worden, dass ohnehin lediglich ein Informationszweck verfolgt wird1142. Der deutsche Gesetzgeber hat sich daher nachvollziehbar bereits vor der gemeinschaftsrechtlichen IAS-VO entschlossen, die IFRS zur Grundlage der Konzernrechnungslegung zu machen1143. So sehr die IFRS für den informationstechnischen Konzernabschluss als zweckmäßig angesehen wurde, so deutlich ist auch die kritische Haltung der Anwendung für den Einzelabschluss geworden. Dies lässt sich gerade mit der unterschiedlichen Zwecksetzung erklären. Der Jahresabschluss verfolgte zumindest bis zum BilMoG deutlich vorrangig den Zweck der Ermittlung eines ausschüttungsfähigen Gewinns, wogegen die Informationsfunktion in den Hintergrund trat1144. Für das Verständnis vom grundlegenden Zielkonflikt innerhalb dieses funktionspluralistischen Systems ist von Bedeutung, dass der Einzelabschluss nicht das Ziel verfolgt, den aus betriebswirtschaftlich »richtigen«1145. Vom Vorsichtsprinzip geleitet wird ein unter Gläubigerschutzaspekten ausschüttungsfähiger Gewinn ermittelt, wodurch zu hohe, stabilitätsgefährdende Ausschüttungen vermieden werden1146. Dies führt in kreditfinanzierten betriebswirtschaftlichen Einheiten zu einer Abnahme des Risikos, auf (Eigen-)Kapitalmärkten aber zu Wettbewerbsverzerrungen und daraus resultierender fehlerhafter Kapitalallokation. Die zunehmende Bedeutung (internationaler) Kapitalmärkte und damit eine Veränderung sozioökonomischer Verhältnisse hat letztlich auch den deutschen Gesetzgeber dazu bewogen mit dem BilMoG eine Alternative zu den IFRS zu schaffen, damit auch unter Zugrundelegung eines handelsrechtlichen Einzelabschlusses internationale Wettbewerbsfähigkeit erhalten bleibt. Gemeint ist damit gerade die Verhinderung von Marktverzerrungen durch zu niedrig ausgewiesene ausschüttungsfähige Gewinne deutscher Unternehmen. Das BilMoG hat also 1141 Vgl. Busse von Colbe/Ordelheide, Konzernabschlüsse, 2006, S. 26ff.; Schildbach, Konzernabschluss nach HGB, IFRS und US-GAAP, 2018, S. 13, 38ff. 1142 Vgl. insbesondere Teil 2 Kapitel A III. sowie C V. 2. 1143 Im Jahr 1998 durch die Schaffung des § 292a HGB a. F. (sog. Öffnungsklausel) im Rahmen des Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz – KapAEG vom 20. 04. 1998, BGBl I, 22/1998. 1144 Vgl. schon Döllerer, BB 1959, 1217, 1219; auch Böcking/Gros, Der Konzern 2009, 355, 358 mit differenzierter Darstellung der handelsrechtlichen Rechnungslegungszwecke. 1145 Auch an dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, dass der »richtige« Gewinn ohnehin nicht losgelöst von speziellen Zwecksetzungen ermittelt werden kann und insbesondere nur zum Schluss der Totalperiode tatsächlich zu ermitteln ist. 1146 Vgl. Moxter, Bilanzlehre, Band I, 1984, S. 100; Leuz, Rechnungslegung und Kreditfinanzierung, 1996, S. 24f.

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letztlich zu einer Stärkung der Informationsfunktion des handelsrechtlichen Einzelabschlusses geführt1147. Daraus kann zwar eine Annäherung an die IFRS abgeleitet werden, nicht jedoch zwingend, dass eine Übereinstimmung der Vorschriften »kraft Natur der Sache« in Betracht kommt. Erforderlich wäre hierzu vielmehr, dass ein tatsächlicher Paradigmenwechsel der handelsrechtlichen Rechnungslegung dergestalt stattgefunden hat, dass die Informationsfunktion so stark in den Vordergrund gestellt wurde, dass die Ausschüttungsbemessungsfunktion merklich in den Hintergrund tritt. Für einen beabsichtigten Paradigmenwechsel im Handelsbilanzrecht nach dem BilMoG werden insbesondere die Abschaffung der Wahlrechte zur Bildung stiller Reserven, die Abkehr von der umgekehrten Maßgeblichkeit sowie neue, am Informationszweck orientierte Ansatz- und Beweisregelungen angeführt1148. Soweit aber die von Praktikern und Fachleuten entwickelten IFRS als wenigstens second best einer informationsorientierten Rechnungslegung herangezogen werden, zeigen die doch mitunter deutlichen Abweichungen, dass der deutsche Gesetzgeber wesentliche Elemente des Vorsichtsprinzips beibehalten bzw. internationale Standards nicht übernommen hat. Soweit Rechnungslegungsnormen zugunsten des Informationsaspektes im Bilanzausweis angepasst wurden, ist das Vorsichtsprinzip dennoch durch korrespondierende Ausschüttungssperren beibehalten worden. Als Beispiel kann hier die bis zum BilMoG verbotene Aktivierung selbst geschaffener Vermögensgegenstände des Anlagevermögens genannt werden, welche nunmehr einem Aktivierungswahlrecht unterliegen, bei gleichzeitiger Verhängung einer Ausschüttungssperre in § 268 Abs. 8 HGB1149. Es finden sich aber auch weitere Beispiele für Durchbrechungen des Realisationsprinzips, etwa die Aufhebung der Begrenzung der Stichtagskursbewertung von Fremdwährungsumrechnungen auf die Anschaffungskosten in § 256a HGB. Der Umrechnungsertrag unterliegt insoweit auch keiner Ausschüttungssperre. Insgesamt hat das Handelsrecht zwar eine Stärkung informationsgerichteter Rechnungslegung erfahren, Gläubigerschutzaspekte treten hierhinter aber nicht zurück. Die noch immer restriktive Haltung Deutschlands gegenüber internationaler Rechnungslegungsstandards zeigt sich auch daran, dass eine weitere Annäherung an die IFRS oder Ausweitung der Informationsfunktion durch das BilRUG allenfalls rudimentär stattgefunden hat1150. Teile der Literatur sind mitunter bezüglich der Anwendung von Prinzipien der internationalen Rechnungslegung vor dem Hintergrund des True and Fair View-Prinzips im Rahmen 1147 1148 1149 1150

Vgl. etwa Gros/Wallek, Der Konzern 2009, 541. Vgl. etwa Gros/Wallek, Der Konzern 2009, 541, 543ff. Dieses Beispiel anführend auch MüKo/Bilanzrecht-Tiedchen (2013), § 252 HGB, Rn. 49. Vgl. Teil 2 Kapitel C VI. 1.

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der handelsrechtlichen Rechnungslegung aufgeschlossener, stehen damit aber im Widerspruch zum Gesetzgeber1151. Neben dieser von Deutschland beabsichtigten Umgewichtung der handelsrechtlichen Rechnungslegungszwecke spielen auch die Einwirkungen der gemeinschaftsrechtlichen Bilanzrichtlinien eine Rolle. Innerhalb des Gemeinschaftsrechts ist durch den angelsächsischen Einfluss eine stärkere Orientierung am Informationszweck zu erkennen. Es hat sich bereits gezeigt, dass bei der Umsetzung der Bilanzrichtlinien im HGB deutsche Grundsätze keinesfalls aufgegeben und angelsächsische Rechnungslegungsprinzipien nur bedingt übernommen wurden1152. Eine Angleichung der Einzelnormen hat 1985 durch die Umsetzung der 4. EG-Bilanzrichtlinie aber stattgefunden1153. Trotz der restriktiven Umsetzung im HGB hat die Rechtsprechung des EuGHs dazu beigetragen, den angelsächsischen Prinzipien auch innerhalb des deutschen Rechtsraums zu mehr Durchschlagskraft zu verhelfen. Von Interesse ist das Urteil vom 27. 06. 1996 in Sachen Tomberger gegen Gebrüder von der Wettern GmbH1154. Der EuGH hat hier die Bedeutung des True and Fair View klar hervorgehoben und außerdem zu den handelsrechtlichen GoB Stellung bezogen. Bereits zum damaligen Zeitpunkt wurde erkannt, dass der Einfluss des EuGHs auf das nationale Bilanzrecht eine der spannenden Fragen der zukünftigen Entwicklung sein würde1155. Zur chronologisch nachfolgenden, fundamentalen BIAO-Entscheidung wird auf die bisherigen Ausführungen verwiesen1156. Hierbei hatte der EuGH in einer weiten Verweisungskette einen Einfluss des True and Fair View-Prinzips bis auf die Ebene des nationalen Steuerrechts für möglich gehalten. Gleichsam zeigt aber ein aktuelles Urteil des EuGHs vom 15. 06. 2017 eher wieder eine restriktivere Haltung hinsichtlich richtlinienkonformer Auslegung1157. c. Auslegungshilfe für handelsrechtliche GoB Letztlich bedeutsam kann eine veränderte Zwecksetzung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses durch Auswirkungen auf die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) werden. Im deutschen Rechnungslegungsrecht spielen die 1151 S. als Beispiel die Teilertragsrealisierung bei Fertigungsaufträgen nach dem Grad der Fertigstellung im Sinne der Percentage of Completion-Methode, vgl. BeBiKo-Winkeljohann/Büsow (2018), § 252 Rn. 44. 1152 Vgl. Teil 2 Kapitel C V. 2. c. 1153 Vgl. Eisolt, DB 1986, 1237ff.; die späte Umsetzung im Jahr 1985 (Großbritannien setzte die Richtlinie bereits im Jahr 1981 um, wobei kaum Änderungen des nationalen Rechts vorgenommen werden mussten) zeigt eine gewisse Zurückhaltung Deutschlands. 1154 S. EuGH Urt. v. 27. 06. 1996, Rs. C-234/94 (»Tomberger«). 1155 Vgl. Herzig, DB 1996, 1401, 1402. 1156 Vgl. Teil 2 Kapitel C VI. 2. a. 1157 Vgl. hierzu schon Teil 2 Kapitel C VI. 2. b. bb. (2).

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GoB eine besondere Rolle, wobei der Begriff etwas missverständlich ist, da auch Grundsätze ordnungsgemäßer Bilanzierung umfasst werden. Die generalklauselartigen GoB sind überindividuelle Verhaltensnormen, die eine zweckorientierte und zweckgerechte Rechnungslegung gewährleisten sollen1158. Hierzu werden sie zur Darstellung von Sachverhalten herangezogen, die der Gesetzgeber nicht oder nur mit auslegungsbedürftigen Normen geregelt hat1159. Sie stellen also als Deduktionsbasis eine maßgebliche Erkenntnisquelle der Auslegung handelsbilanzieller Normen dar und werden ihrerseits vom Rechnungslegungszwecksystem beeinflusst. Mithin könnte ein Einfluss auf die GoB als solche, als auch auf das handelsrechtliche Zwecksystem der Rechnungslegung Auswirkungen auf die Auslegung in Deutschland haben. Der größte Verdienst bei der Schaffung der GoB wird Ulrich Leffson zugeschrieben, der mit seiner in sechs Auflagen erschienener Habilitationsschrift »Die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung« einen konzeptionellen Rahmen für die Lösung konkreter Bilanzierungsfragen geschaffen hat1160. Die Annäherung des HGB an die IFRS-Rechnungslegung hat spätestens seit dem BilMoG eine lebhafte Diskussion darüber eröffnet, ob die handelsrechtlichen GoB im Lichte der IFRS neu zu interpretieren seien. Die Fachpresse titelte sogar bereits im Jahr 2006, d. h. vor Einführung des BilMoG, dass die deutsche Rechnungslegung und damit auch die GoB Tod seien1161. Der deutsche Gesetzgeber hat sich mit dem BilMoG vom 25. 09. 20091162 indes bewusst und ausdrücklich gegen die Übernahme der IFRS entschieden und ein Festhalten an den handelsrechtlichen GoB proklamiert1163. aa. Rechtsnatur und rechtsdogmatische Erkenntnisquelle der GoB Die Rechtsnatur der GoB ist seit jeher stark umstritten. Die Besonderheiten ihrer Herleitung machen eine »richtige« Einordnung in den rechtsdogmatischen Kontext quasi unmöglich1164. Der Begriff der GoB wird im Gesetz etwa in §§ 243 Abs. 1, 264 Abs. 2 HGB, § 5 Abs. 1 EStG verwendet. Diese Grundsätze geltem damit gemeinhin als Teil der handelsrechtlichen Rechnungslegungsnormen und

1158 1159 1160 1161 1162 1163

Vgl. MüKo/HGB-Ballwieser (2013), § 243 Rn. 6. Vgl. HdJ-Baetge/Zülch, 2018, Abt. I/2 Rn. 3, 5. S. auch Schruff, WPg 2011, 855. Vgl. F.A.Z. v. 23. 01. 2006, S. 20, »Die deutsche Rechnungslegung stirbt«. S. BGBl. I 2009, S. 1102ff. S. BT-Drucks. 16/10067, S. 32ff.; s. auch Wüstemann/Wüstemann, Das System der GoB nach dem BilMoG, in: BaumhoffDücker/Köhler [Hrsg.], FS-Krawitz, 2010, S. 751, 773. 1164 Kruse spricht in seiner ausführlichen Arbeit zur Frage nach der Rechtsnatur der GoB davon, dass derjenige, der diese als Rechtsnormen ansieht, zugleich recht und unrecht habe, derjenige der sie als Handelsbräuche qualifiziere richtig tue und doch irre, vgl. Kruse, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 1976, S. 100.

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bei Bilanzierungsfragen zu berücksichtigende, zwingende Rechtssätze1165. Diese Einordnung soll für die hiesigen Untersuchungszwecke ausreichen1166. Nach wohl noch immer vorherrschender Auffassung1167, sind die GoB rechtsform-, branchen- und konzernunabhängig. Es handelt sich beim Verweis auf die GoB nicht um planwidrige Gesetzeslücken, sondern einen plangemäßen Verweis des Gesetzgebers auf gesetzliche Grundsätze sowie außergesetzliche Normen und Erkenntnisquellen, die ein ordentlicher Kaufmann bei der Buchführung und Aufstellung der Jahresabschlüsse zu beachten hat1168. Die GoB bieten damit vor allem auch die Möglichkeit der Fortentwicklung der Rechnungslegung sowie die »Anpassung an veränderte Verhältnisse«1169. Die Grenze der Offenheit der GoB bilden die betriebliche Realität, fachwissenschaftliche Erkenntnisse sowie die Gesetzeszwecke und ausdrücklich entgegenstehende Normen1170. Eine Definition der GoB fehlt indes. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der seinerseits der Auslegung bedarf. Die Konkretisierung erfolgt allgemein nach drei kumulativ zu berücksichtigenden Methoden. Die induktive Methode erkennt als GoB diejenigen Buchführungs- und Bilanzierungsregeln, die ein ordentlicher, gewissenhafter und ehrenwerter Kaufmann zu berücksichtigen pflegt1171. Es handelt sich damit um eine praxisorientierte Betrachtung. Eine solche Sichtweise würde dem Bilanzierenden in der Regel weitreichende Freiheiten bei der Behandlung von Bilanzierungsfragen lassen, welche einer Vergleichbarkeit und Verlässlichkeit der Informationen gegenüberstehen würden. Eine Objektivierung des Aussagegehalts der GoB bei einer induktiven Herleitung ließe sich nur über eine empirisch-statistische Bestimmung dessen vornehmen, wie ein »ordentlicher Kaufmann« vorgehen würde1172. Dies kann wiederum ein Gegenstand bilanzwissenschaftlicher Forschung sein. Ergänzend ist die deduktive Methode zu berücksichtigen, welche nach dem Sinn und Zweck des Jahresabschlusses sowie der jeweiligen Regelungsintention

1165 Vgl. zur Rechtsnormqualität etwa Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, 2018, S. 38–48. 1166 Für den interessierten Leser sei insbesondere auf Kruse, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, Teil 1, 1976 verwiesen. 1167 Vgl. MüKo/HGB-Ballwieser (2013), § 243 Rn. 72f., welcher auch zu Recht Zweifel an dieser Einordnung erhebt, auf die im Rahmen der weiteren Untersuchung teilweise eingegangen wird. 1168 Vgl. Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, 1990, S. 194. 1169 Beisse, StuW 1984, 1, 2. 1170 Vgl. Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, 1990, S. 195. 1171 Zur induktiven Methode vgl. etwa Batge/Zülch, in: Beck’sches HdR, 2018, Abt. I/2 Rn. 20; Gruber, Bilanzansatz, 1991, S. 40 m.w.N. 1172 Vgl. Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, 2018, S. 39, welche eine solche Überprüfung als nicht sinnvoll erachten.

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des Gesetzgebers für einzelne Bilanzierungsnormen fragt1173. Insoweit spielt hier die Einordnung im Sinne der Bilanztheorien eine Rolle, damit der Zweck des handelsrechtlichen Jahresabschlusses hinterfragt werden kann. Die hermeneutische Methode verbindet induktive und deduktive Elemente und berücksichtigt als Determinanten der GoB sämtliche denkbare Einflussfaktoren auf die Rechnungslegung1174. Letztlich entspricht die Auslegung der GoB mithin dem, was die juristische Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe ohnehin prägt, wobei ein besonderes Augenmerk auf praktische Erwägungen zu richten ist. Zur Wahrung der Rechtssicherheit dürfen die GoB jedoch nicht ständig und ggf. in Zweckausrichtung des einzelnen Anwenders anders ausgelegt werden. Vielmehr führen grundsätzliche bilanztheoretische Überlegungen, Branchenpraktiken, Rechtsprechungsvorgaben und gesetzgeberische Intentionen zu einem gefestigten System, welches für Juristen mit dem Gewohnheitsrecht vergleichbar ist. Dieses System ist historisch-praktisch gewachsen und kann nur durch dauerhafte und maßgebliche Änderungen der Rahmenbedingungen veränderlich sein. Es ermöglicht ein lückenloses normatives Bilanzrecht, in welchem konkrete Bilanzierungsregeln regelmäßig weniger im Wege der Lückenschließung, als vielmehr im Wege der Konkretisierung der GoB gewonnen werden1175. Deshalb stellt sich für den Fortgang der Untersuchung die Frage, ob unter Zugrundelegung der gesetzgeberischen Tätigkeiten der letzten Jahre, einer etwaigen Anpassung der Zweckrichtung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses oder veränderten Branchenpraktiken tatsächlich eine »Neujustierung der GoB«1176 erforderlich wird oder gar ein »Frontalangriff auf die GoB«1177 durch Einflüsse der IFRS zu besorgen ist.

1173 Zur deduktiven Methode vgl. etwa Batge/Zülch, in: Beck’sches HdR, 2018, Abt. I/2 Rn. 21 (»im jüngeren Schrifttum überwiegend diskutiert«); Leffson, GoB, 1987, S. 28ff.; Schneider, StuW 1983, 141ff.; Beisse, StuW 1984, 1, 7. 1174 Zur interpendenten Bestimmung bzw. simultanen Konkretisierung von Gesetzeszweck (bzw. Wertung) und GoB als hermeneutische Methode m. w. N. etwa HdJ-Ballwieser (2018), B 105 Rn. 2 (welcher sich ausdrücklich gegen die induktive Methode ausspricht). Batge/ Zülch, in: Beck’sches HdR, 2018, Abt. I/2 Rn. 21, 23 sprechen sich für eine hermeneutische Methode aus, da »über die betriebswirtschaftlichen Jahresabschlusszwecke kein Konsens besteht«. 1175 Vgl. Wüstemann/Kierzek, ZfBf 2007, 882, 888. 1176 Vgl. Fülbier/Gassen, DB 2007, 2605; Herzig, DB 2008, 1; Herzig, DB 2008, 1339. 1177 Vgl. Wüstemann, BB 2007, Ed. 62, 1; Wüstemann/Wüstemann, Das System der GoB nach dem BilMoG, in: BaumhoffDücker/Köhler [Hrsg.], FS-Krawitz, 2010, S. 751, 773.

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bb. Bedeutung der GoB für die Rechnungslegung Bedeutsam sind die GoB primär für die Auslegung kodifizierter Rechnungslegungsnormen. Es lässt sich indes nicht ohne weiteres der Schluss ziehen, dass gemäß dem allgemeinen Rechtsprinzip »lex specialis derogat legi generali« spezielle Einzelnormen der Rechnungslegung den Generalvorschriften der GoB vorgehen. Vielmehr normiert § 243 Abs. 1 und 2 HGB bei der Aufstellung des Jahresabschlusses branchen-, rechtsform- und größenunabhängig von allen bilanzierungspflichtigen Kaufleuten im Sinne des § 1 ff. HGB und unabhängig ergänzender von bestimmten Kaufleuten – differenziert nach Rechtsform, Größe und Geschäftszweig – zu beachtende Sondervorschriften1178. Die praxisorientierte Prägung der Rechnungslegung und insbesondere der GoB führt dazu, dass diese nicht als subsidiäres Instrument der Rechtsfindung aufgefasst werden dürfen. Die Spezialvorschriften müssen vor dem Hintergrund der GoB ausgelegt werden. Erst nachdem durch Auslegung der tatsächliche Anwendungsbereich einer Einzelnorm festgestellt wurde, darf auf Generalvorschriften zurückgegriffen werden. Die GoB lassen es dabei zu, mit vergleichsweise wenigen konkreten Einzelnormen ein umfassendes und in sich schlüssiges Rechnungslegungssystem zu gewährleisten. Die GoB lassen sich korrespondierend zu den Zwecksetzungen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses in Informations- und Gewinnermittlungs-GoB unterteilen. Da der handelsrechtliche Einzelabschluss eine diametrale Funktion erfüllen soll, sind beide Arten von GoB miteinander verknüpft, stehen dabei aber regelmäßig im Zielkonflikt miteinander1179. Als Gewinnermittlungs-GoB fungieren etwa das Vorsichtsprinzip samt seinen speziellen Ausprägungen des Realisations- und Imparitätsprinzips sowie das Objektivierungs- und Vollständigkeitsprinzip1180. Diese GoB laufen einem Informationszweck mitunter entgegen. Beispiele für Informations-GoB bilden das Prinzip der Entscheidungsrelevanz, der neutralen Berichterstattung und Unbeachtlichkeit von Vorsicht, das Wesentlichkeits- und auch das Verlässlichkeitsprinzip1181. cc. IFRS und Informations-GoB Zunächst ist zu klären, ob die IFRS als Auslegungshilfe für die sog. InformationsGoB herangezogen werden können. Die Überlegung liegt nahe, da die (rein) informatorische Zwecksetzung des HGB-(Konzern-)Abschlusses mit derjenigen 1178 S. hierzu nur BeckOK/HGB-Ruppelt (2018), § 243 Rn. 1. 1179 S. grundlegend Ballwieser (2018), in: Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung, B 105Rn. 14; MüKo/HGB-Reiner (2013), § 264 Rn. 33f. 1180 Vgl. Teil 2 Kapitel C II. 2. sowie V. 4. e. cc. 1181 Näheres ist detailliert etwa bei Ballwieser (2018), in: Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung, B 105 Rn. 17ff.

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des IFRS-Abschlusses übereinzustimmen scheint, zumindest aber vergleichbar sein könnte. Moxter hat deshalb den Gedanken angeführt, eine Übereinstimmung von Informations-GoB und IFRS könnten aus der »Natur der Sache«1182 resultieren. Eine insoweit deduktive Ableitung der GoB stimmt jedenfalls mit dem Gedanken überein, dass sich die betriebswirtschaftlichen Zweckelemente von Buchführung und Jahresabschluss schon aus deren Natur ergäben1183. Das ist aus zweierlei Gründen abzulehnen: Einerseits kommt die Vergleichbarkeit der »Natur der Sache« nur in übergeordneten Prinzipien zum Ausdruck, nicht jedoch in konkreten Einzelnormen der Bilanzierung. Zum anderen kann die »Informationsintensität«1184 der beiden Rechnungslegungssyteme nicht klar umrissen werden, sondern bleibt recht unbestimmt und auch die Zwecksetzungen gehen auseinander. In ähnliche Richtung weist der Versuch, die IFRS aus rechtspraktischen Gesichtspunkten »kraft der Argumente«1185 jeweils einzelfallbezogen als Rechtserkenntnisquelle heranzuziehen. Allein aus der Natur der Sache ergeben sich keine zwingenden Zwecke des Jahresabschlusses, was die bisherige Untersuchung gezeigt hat. Überhaupt ist die »Natur der Sache« zu unergiebig, »da es hermeneutisch und methodisch darauf ankommt, die »Sache« nicht zu substantialisieren, um sie sodann in Beziehung zu einer substanzhaften oder logisch autonomen »Norm« zu setzen, sondern sie von vornherein als Element rechtlicher Normativität herauszuarbeiten […]«1186. Letztlich sind Argumentationen aus der Natur der Sache eine »logisch unhaltbare Ableitung eines Sollens aus dem Sein«1187. Es handelt sich dabei um eine Frage der Rechtspolitik, nicht der Rechtsanwendung1188. Naheliegend erscheint es, das True and Fair View-Gebot als (Informations-) GoB aufzufassen1189. Dagegen spricht schon, dass dieses im HGB durch die GoB

1182 Vgl. Moxter, WPg 2009, 7, 8; im Weiteren steht er der These aber selbst ablehnend gegenüber. 1183 Vgl. etwa Leffson, Die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, 1987, S. 34; Schneider, StuW 1983, 141, 143ff.; Kruse, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 1976, S. 88ff. 1184 Vgl. Moxter, WPg 2009, 7, 8. 1185 So etwa Hennrichs, NZG 2005, 783, 787; ähnlich auch Herzig, WPg 2005, 211, 214. 1186 Vgl. Müller/Christensen, Juristische Methodik I, S. 152; Maihofer, ARSP 1958, 145ff.; Kaufmann, Analogie und »Natur der Sache«; 1982; Stratenwerth, Das rechtstheoretische Problem der »Natur der Sache«, 1957. 1187 Vgl. MüKo/BGB-Säcker (2018), Einleitung, Rn. 103. 1188 Vgl. Säcker, Grundprobleme der kollektiven Koalitionsfreiheit, 1969, S. 116. 1189 Bejahend de Weerth, RIW 2003, 460, 462; Schmidt/Weber-Grellet-Weber-Grellet (2017), § 5 Rn. 59, 83; ablehnend Blümich-Krumm (2018), § 5 Rn. 89; Tipke/Lang, Steuerrecht, 2018, § 9 Rn. 56, 84ff.; Hennrichs, StuW 1999, 138, 149f.; Kirchhof/Söhn/Mellinghoff-Kempermann (2018), § 5 Rn. B 61; Moxter, DStZ 2002, 243, 244 (der allerdings zwischen Gewinnermitt-

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eine Einschränkung erfährt, § 264 Abs. 2 S. 1 HGB1190. Es wäre ein Zirkelschluss und würde damit der juristischen Logik widersprechen, hieraus selbst einen GoB abzuleiten. Einer Einwirkung der IFRS auf die GoB stehen selbst bei einer Annäherung der Informationsintensität zwingende Gründe entgegen. Das Prinzip ist im IFRS-Abschluss umfassend gemeint, widerspricht aber aus handelsrechtlicher Sicht in dieser Ausprägung Objektivierungs- bzw. Vorsichtsprinzipien1191. Das Vorsichtsprinzip als einer der wesentlichen GoB ist im Rahmenkonzept nicht enthalten, weil es im Widerspruch zur Neutralität als Bestandteil einer glaubwürdigen Darstellung (F.BC3.27) stehen soll1192. Ferner ist die Annäherung an einen Informationszweck nach Vorbild der internationalen Rechnungslegungsstandards nur eine scheinbare, da die handelsrechtliche Informationsfunktion in engem Zusammenhang zur Ausschüttungsbemessung liegt, welche für das Framework keine Rolle spielt und daher die Zielsetzung der Informationsvermittlung voneinander abweicht1193. Allgemeine Grundsätze können daher aus dem Framework nicht zur Konkretisierung der handelsrechtlichen GoB entnommen werden, geschweige denn, selbst GoB werden. dd. IFRS und Gewinnermittlungs-GoB Die Frage, ob die IFRS als Auslegungshilfe für die Gewinnermittlungs-GoB herangezogen werden können, spielt eine entscheidende Rolle für die Problematik des einheitlichen Zwecksystems der HGB-Rechnungslegung. Soweit die

1190 1191

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lungs- und Informations-GoB unterscheidet); offengelassen BFH, Urt. v. 07. 08. 2000 – GrS 2/99 = BStBl 2000 II S. 632. Deshalb leitet Kirchhof/Söhn/Mellinghoff-Kempermann (2018), EStG, § 5 Rn. B 61 nachvollziehbar aus der Entstehungsgeschichte des BiRiLiG her, dass das True and Fair ViewPrinzip auch nach Willen des Gesetzgebers keinen GoB darstellen sollte. Ferner würde ein solches Verständnis als GoB gegen die deutsche Gesetzessystematik verstoßen, in welcher (noch) die steuerliche Gewinnermittlung sowie die Rechnungslegung im öffentlichen Sektor – für welche das True and Fair View-Prinzip nach angelsächsischem Verständnis nicht gelten kann – auf die handelsrechtlichen GoB zurückgreift, vgl. Teil 2 Kapitel C VI 2. c. cc. sowie ff. Vgl. zu den abweichenden Prinzipien schon Teil 2 Kapitel C II. 2. sowie V. 2. c. bb. Neuere Entwicklungen (IASB Update, Mai 2014) zeigen Versuche des IASB, die Grundsätze der Neutralität und Vorsicht in Einklang zu bringen, obwohl es diese doch als Gegensätze auffasst. Das insoweit vom IASB angeführte, den IFRS implizite Vorsichtsprinzip darf allerdings inhaltlich nicht mit dem deutschen Verständnis gleichgestellt werden. Vgl. zur »Rückannäherung« der IFRS an das Vorsichtsprinzip Wagenhofer, IRZ 2014, 265, 266 sowie Dinh/Seitz, IRZ 2015, 145, 150 sowie Europäische Kommission, Bewertung der IAS-VO = KOM 2015, 301, S. 12, die ein solches Vorgehen »begrüßt«. Vgl. MüKo/HGB-Ballwieser (2013), § 243 Rn. 84. Diesem wird indes nicht dahingehend zugestimmt, dass mangels rechtlicher Bindungswirkung des Frameworks eine Berücksichtigung ausscheiden muss. Die GoB stellen verbindliche Rechtssätze dar, welche durch den Anwender und letztlich Gerichte konkretisiert werden. Diese Konkretisierung zieht aber gerade auch »außerrechtliche« Erkenntnisquellen zu Rate, wozu auch das Framework zählen könnte.

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Auslegung von Informations- und steuerliche Gewinnermittlungs-GoB dauerhaft auf Grund unterschiedlicher Zwecksysteme erfolgt, könnte die Einheitsbilanz nicht länger aufrecht erhalten werden1194. Dazu muss bedacht werden, dass Gewinnbemessungsfunktionen als solche den IFRS fremd sind. § 5 Abs. 1 S. 1 EStG führt die handelsrechtlichen GoB indes als Maßgabe der steuerbilanziellen Gewinnermittlung und damit auch der steuerlichen Gewinnermittlung ein. Darüber hinaus erfüllt auch die Handelsbilanz als solche eine Gewinnbemessungsfunktion in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht (Ermittlung eines ausschüttungsfähigen Gewinns). Schon aufgrund dieser abweichenden Zwecksetzung erscheint es nicht möglich, IFRS als Auslegungshilfe der Gewinnermittlungs-GoB heranzuziehen. Soweit das True and Fair View-Gebot als GoB aufzufassen wäre, könnte dieser über § 5 Abs. 1 S. 1 EStG jedoch auch auf die Ebene der Steuerbilanz durchschlagen, so dass die oben genannten Argumente für eine Einstrahlungswirkung der IFRS durch vergleichbare Zwecksetzung auch insoweit fruchtbar gemacht werden könnten. Letztlich verliert die Diskussion um Einstrahlungen der IFRS auf die steuerlichen Gewinnermittlungs-GoB dadurch an Bedeutung, dass mit der Normierung eigener Bilanzierungsregeln für die Steuerbilanz einer Anwendung über eine Verweisung aus dem Handelsrecht ohnehin der Boden entzogen wird1195. Auch in Bezug auf die auf die gewinnausschüttungsorientierten GoB verbietet sich ein Rückgriff auf IFRS. Solche Normen sollen einerseits Mindestausschüttungen an die Anteilseigner, andererseits aber auch gläubigerschützend Kapitalerhaltung sicherstellen1196. Moxter hat insoweit den Zweck auf den Punkt gebracht: »Der Kaufmann hat sich […] über den Status des Reinvermögens zu informieren, welches so vorsichtig und objektiviert zu ermitteln ist, dass ein Reinvermögenszuwachs […] unbedenklich ausschüttungsfähig ist.«1197 Damit sind die Gewinnermittlungs-GoB letztlich vom Vorsichtsprinzip geprägte Einschränkungen der Informations-GoB. Die aus dem Zweckdualismus des handelsrechtlichen Jahresabschlusses resultierenden Widersprüche zwischen Informations- und Gewinnermittlungs-GoB machen eine Einstrahlung der informationsgeleiteten IFRS auf die gewinnausschüttungsbezogenen GoB systemwidrig.

1194 Vgl. zur Problematik Teil 3 Kapitel E. 1195 Vgl. Tipke/Lang, Steuerrecht, 2018, § 9 Rn. 41, 53. 1196 Vgl. Lorson, Bedeutungsverschiebung der Bilanzierungszwecke, S. 6, in: Küting/Pfitzer/ Weber [Hrsg.], Das neue deutsche Bilanzrecht, 2008, S. 3–34. 1197 Vgl. Moxter, Bilanzlehre Bd. II, 1986, S. 81ff., 156ff.

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ee. DRS als Einfallstor der IFRS in das HGB-Bilanzrecht Für die DRS gilt gemäß § 342 Abs. 2 HGB die Vermutung, dass bei ihrer Einhaltung die Konzernrechnungslegungs-GoB beachtet wurden1198. Da der DRSC e.V. eine notwendige sachliche und personelle Nähe zum IASB aufweist und teils als »verlängerter Arm des IASB«1199 angesehen wird, stellt sich die Frage, ob die DRS derart den IFRS angenähert werden, dass de facto ein Einzug der IFRS in das deutsche Bilanzrecht zu erwarten ist. Die Vermutung der Richtigkeit unterliegt seit Schaffung der Norm verfassungsrechtlicher und gesetzessystematischer Bedenken1200. Die Reichweite der Vermutung ist umfassend. Ob die Standards im Einzelfall zu einer richtigen, gesetzmäßigen und damit ordnungsgemäßen Konzernbilanzierung geführt haben, kann im Rahmen unserer Rechtsordnung letztlich nur von den Gerichten entschieden werden1201. Für diese stellt sich die Einhaltung der DRS als gesetzliche Vermutung der Beachtung der Konzernrechnungslegungs-GoB dar. Wie bei allen beweisrechtlichen Vermutungsregeln, obliegt der Gegenseite der Gegenbeweis. Da nicht ausreichend ist, die volle Überzeugung des Gerichts im Maße des § 286 Abs. 1 ZPO für das Vorliegen einer Tatsache durch einen Gegenbeweis zu erschüttern, sondern das Gericht im Maße des § 286 Abs. 1 ZPO vom Gegenbeweis überzeugt sein muss, ist die Belastung des Gegenbeweisführers hoch. Ein Gegenbeweis wird in den seltensten Fällen zu erbringen sein, weshalb die DRS eine enorme Bedeutung haben. Hinzu kommt, dass ein Gegenbeweis bei Konzernrechnungslegungsfragen bzw. die gerichtliche Überprüfung ohnehin nicht möglich sein dürfte. Nach Auffassung der Rechtsprechung ist der Konzernabschluss mangels formeller Feststellung (vgl. § 172 AktG) nicht anfechtbar1202. Außerdem ist der Berufsverband der Wirtschaftsprüfer an die DRS gebunden, vgl. IDW PS 201, Rn. 12. Missachtet ein Wirtschaftsprüfer die DRS oder hält sie ausnahmsweise für gesetzeswidrig, bestünde für ihn die Gefahr, berufsrechtlich sanktioniert zu werden. Inwieweit Gerichte von der fachlichen Meinung der Wirtschaftsprüfer und der »qualifizierten Vorarbeit« des DRSC e.V. abweichen können sollten, ist fraglich.1203 Aus Sicht des Praktikers müssen die DRS daher in jedem Fall beachtet werden.

1198 S. hierzu schon Teil 2 Kapitel C V. 4. f. ee. (2). 1199 Vgl. etwa DGRV, Brief an das BMJ zur Neuausrichtung des DRSC, 2010, S. 1. 1200 Vgl. Hommelhoff/Schwab, BFuP 1998, 38, 42; Budde/Steuber, DStR 1998, 1181, 1184; Zitzelsberger, WPg 1998, 246, 253. 1201 Vgl. BeBiKo-Schmidt/Holland (2018), § 342 Rn. 19; Ernst, WPg 1998, 1025, 1031. 1202 Vgl. OLG Köln, Urt. v. 17. 02. 1998 – 22 U 163/97 = ZIP 1998, 994ff.; s. zur Thematik auch Budde/Steuber DStR 1998, 1181, 1184. 1203 So Beisse, BB 1999, 2180, 2186.

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Kritisch angemerkt werden muss in diesem Zusammenhang, dass die gesetzliche Vermutung in § 342 HGB rechtsdogmatisch schwierig einzuordnen ist. Die Vermutung bezieht sich auf die ordnungsmäßige Beachtung der GoB zur Konzernrechnungslegung und damit auf eine auslegungsfähige Rechtsfolge und nicht auf eine Tatsache. Es sind indes allein Tatsachenbehauptungen dem (Gegen-)Beweis zugänglich1204. Bei rechtlichen Streitigkeiten der vorliegenden Art geht es in der Regel nicht um Tatsachen, sondern Argumentationen für und wider die rechnungslegungssystematisch zutreffende Einordnung eines (unstreitigen) Sachverhalts und damit letztlich um die Rechtsanwendung. Es wird zutreffend von einer »normativen Konformitätsvermutung«1205 gesprochen, deren Wirkung sich auf die Verteilung der Argumentationslast bezieht1206. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass sich die Vermutungswirkung nicht auf die Interpretation des DRSC e.V. für internationale Rechnungslegungsstandards im Sinne von § 342 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 HGB bezieht1207. (1) Einflussnahme des IASB auf den DRSC e.V. Nach diesen Vorüberlegungen bedarf es eines genaueren Blickes auf die Einflussnahme des IASB auf den DRSC e.V. § 342 Abs. 1 S. 2 HGB stellt Anforderungen an die Satzung des eingesetzten Gremiums. Der DRSC e.V. musste diese Kriterien bei Abschluss des Standardisierungsvertrages erfüllen. Die Meinungsherrschaft bestimmter Berufsgruppen sollte damit ausgeschlossen werden. Die DRSC-Satzung vom 03. 07. 2014 hat das Organisationsmodell grundlegend reformiert und ist damit insbesondere Kritik an der Übermacht großer Unternehmen und Wirtschaftsprüfer begegnet1208. Im Verwaltungsrat des DRSC sitzen nunmehr 20 ehrenamtliche Mitglieder, die die Segmente kapitalmarktorientierte Industrieunternehmen (10 Sitze), nichtkapitalmarktorientierte Industrieunternehmen (2 Sitze), Banken (3 Sitze), Versicherungen (2 Sitze) und Wirtschaftsprüfer (3 Sitze) vertreten sollen.

1204 Hierzu aufschlussreich: Hommelhoff/Schwab, BFuP 1998, 38, 42; allgemein zum Beweisgegenstand MüKo/ZPO-Prütting (2016), § 284 Rn. 41f. 1205 So Möllers/Fekonja, ZGR 2012, 777, 799. 1206 Zutreffend die Vermutungswirkung nicht der Beweiskraft zurechnend, denn die widerlegbar vermutete GoB-Konformität betrifft keine Tatsachen-, sondern eine Rechtsfrage: MüKo/Bilanzrecht-Kleindiek (2013), § 342 Rn. 30; Auf eine »Beweiserleichterung« abstellend aber etwa Budde/Steuber, DStR 1998, 1181, 1184; BeBiKo-Schmidt/Holland (2018), § 342 Rn. 19 (»allenfalls eine Beweiserleichterung«); Baumbach/Hopt-Merkt (2018), § 342 Rn. 4; krit. schon Hommelhoff/Schwab, BFuP 1998, 38, 42. 1207 Vgl. MüKo/Bilanzrecht-Kleindiek (2013), § 342 Rn. 27. 1208 Siehe hierzu nunmehr §§ 4 Abs. 1, 10 Abs. 2 in aktueller Satzung vom 02. 07. 2018, welche eine pluralistische Besetzung sicherstellen sollen und »Segment E: Wirtschaftsprüfung und Verbände« lediglich drei Sitze (insgesamt 20 Sitze) im Verwaltungsrat einräumen.

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Zumindest vor diesen Änderungen der Organisationsstrukturen wurde der DRSC von Kritikern als »verlängerter Arm des IASB«1209 bezeichnet. Für die Zeit des ersten Standardisierungsvertrages von 1998 bis 2010 bestand eine einseitige, an den Interessen der kapitalmarktorientierten Unternehmen und Big-Four-Wirtschaftsprüfungsgesellschaften orientierte Interessenvertretung1210. Damit bestand eine zwingende sachliche und personelle Verknüpfung zur Tätigkeit des IASB. Die internationalen Rechnungslegungsstandards waren von Anfang an primär am Informationszweck und damit insbesondere an kapitalmarktrechtlichen Bedürfnissen ausgerichtet und auch dort bestand mitunter eine Meinungsherrschaft der großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Es bestand somit eine Einflussnahme des IASB auf den DRSC. Noch immer finden sich personelle Verflechtungen: Dr. Martin Schloemer (Mitglied des IFRS-FA) gehört dem IFRS IC, Dr. Jens Freiberg (Mitglied des IFRSFA) sowie Robert Köthner (Mitglied im DRSC-Verwaltungsrat) dem IFRS AC an1211. Dr. Liesel Knorr war langjährige Präsidentin des DRSC und ist nunmehr Vorsitzende des IFASS1212. Solche Personenidentitäten gehen auch mit der Einbringung derselben Anschauungen in beiden Gremien einher. Das heißt, dass nicht nur die Vertretung deutscher Interessen im IASB, sondern auch ein Einfluss von Interessen des IASB auf Ebene deutscher Rechnungslegungsstandards erfolgt. (2) Vergleich zwischen DRS und IFRS Insgesamt weisen die DRS nicht diejenige Regelungsdichte der IFRS auf. Vielmehr ergänzen sie lediglich die Einzelnormen des HGB. Eine umfassende synoptische Gegenüberstellung von DRS und IFRS ist daher nicht zielführend. Untersucht werden soll lediglich, ob auch auf Ebene der DRS eine Annäherung an die IFRS erfolgt. Dafür lassen sich einige Beispiele finden. Ab 01. 01. 2017 ist der DRS 24 zur Bilanzierung immaterieller Vermögensgegenstände verpflichtend anzuwenden. Schon das Ziel dieser Vorschrift der »Stärkung des Informationszwecks« macht deutlich, dass eine Annäherung an die IFRS naheliegt, ohne dass konzernrechnungslegungsspezifische Probleme behandelt wurden. Der Gläubigerschutz wurde hintangestellt1213. Die Definitionskriterien eines immateriellen Vermögensgegenstandes zwischen IAS 38 und 1209 Vgl. etwa DGRV (2010), Brief an das BMJ zur Neuausrichtung des DRSC, S. 1. 1210 Vgl. MüKo/Bilanzrecht-Kleindiek (2013), § 342 Rn. 6; Zwirner, StuB 2010, 627ff. 1211 S. DRSC, Jahresbericht 2015, S. 22–24, erhältlich auf https://www.drsc.de/app/uploads/20 17/02/DRSC-Jahresbericht2015_final.pdf (letzter Zugriff am 06. 11. 2019). 1212 Ebd. 1213 Das zeigt zum Beispiel die Aktivierungspflicht für erworbene immaterielle Vermögensgegenstände und Modifikationsaufwendungen, welche mit einer Umgehung von § 268 Abs. 8 S. 1 HGB einhergehen könnte.

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DRS 24 entsprechen sich mit einer Ausnahme1214. Beim Bilanzansatz immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens besteht die Schwierigkeit in der Trennung von Forschungs- und Entwicklungsphase1215. Sowohl IAS 38.52 wie auch § 255 Abs. 2a HGB fordern eine solche Abgrenzung. In IAS 38.56 bzw. IAS 38.59 finden sich konkretisierende Fallbeispiele für die Unterscheidung beider Phasen. Dem entlehnt sich auch die Abgrenzung gemäß DRS 24. Für solche selbst erschaffenen immateriellen Vermögensgegenstände, welche sich in der Entwicklungsphase befinden besteht bei kumulativer Erfüllung von sechs Ansatzkriterien ein Ansatzgebot nach IAS 38.57. Diese Kriterien wurden von DRS 24 übernommen. Bei Vermögensgegenständen mit materieller und immaterieller Komponente sieht DRS 24 entsprechend IAS 38.4 vor, dass der Bilanzierende nach eigenem Ermessen unter Berücksichtigung des wesentlicheren Teils über die Aktivierung entscheiden darf. Ansatzverbote in IAS 38.63–38.67 korrespondieren im DRS 24 ebenfalls. An dieser Stelle muss noch darauf hingewiesen werden, dass sicherlich nicht alle Übereinstimmungen zwischen IFRS und DRS zwingend einer gewollten Annäherung, sondern notwendigen praktischen Bedürfnissen oder gar schon vorheriger HGB-Praxis folgten. Insgesamt zeigt sich aber eine derart weitgehende Identität, dass von einer Einflussnahme der ( jeweils zuvor beschlossenen) IFRS auf die DRS ausgegangen werden kann. ff. GoB und Rechnungslegung im öffentlichen Sektor Neben der Problematik, dass die Gewinnermittlungs-GoB über § 5 Abs. 1 EStG für steuerbilanzielle Zwecke Geltung erlangen, wurde im Einführungsteil dieser Arbeit bereits darauf hingewiesen, dass die handelsrechtlichen GoB auch Grundlage der Rechnungslegung im öffentlichen Sektor sind1216. Gemäß § 7a Abs. 1 HGrG folgt die staatliche Doppik den Vorschriften des Ersten und Zweiten Abschnitts, Erster und Zweiter Unterabschnitt des Dritten Buches des HGB1217 und den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchführung und Bilanzierung, wobei die Vorschriften für Kapitalgesellschaften als maßgeblich erhoben werden. Dabei obliegt es dem Bund und den Ländern, abweichende Regelungen zu erarbeiten, die aufgrund der Besonderheiten öffentlicher Haushaltswirtschaft er1214 Sowohl Identifizierbarkeit (IAS 38.11, 38.12), Verfügungsmacht (IAS 38.13ff.) und Verlässliche Messbarkeit der AHK (IAS 38.21b) entsprechen sich; IAS 38.21a fordert darüber hinaus einen künftigen wirtschaftlichen Nutzen. 1215 Vgl. hierzu Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, 2017, S. 398, 415. 1216 Vgl. Teil 2 Kapitel A IV. 1217 Erster Abschnitt des 3. Buches beinhaltet die »Vorschriften über Handelsbücher für alle Kaufleute«, der erste Unterabschnitt des zweiten Abschnitts die »Vorschriften für den Jahresabschluss für Kapitalgesellschaft und Lagebericht« und der zweite Unterabschnitt des zweiten Teils die Vorschriften für den »Konzernabschluss und Konzernlagebericht«.

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forderlich sind, § 7a Abs. 2 in Verbindung mit § 49a Abs. 1 HGrG. Hierfür wurde das gemeinsame Gremium von Bund und Ländern zur Standardisierung des staatlichen Rechnungswesens eingerichtet, welches sich seit dem Jahr 2011 dieser Aufgabe widmet. Da somit im Rahmen der deutschen Rechtseinheitlichkeit die GoB in den öffentlichen Sektor ausstrahlen muss hinterfragt werden, wie umfassend die handelsrechtlichen GoB Anwendung finden, d. h. inwieweit Einschränkungen wegen staatshaushaltstheoretischer Abweichungen erfolgen und ob eine Einstrahlungswirkung der IFRS auf die handelsrechtlichen GoB die Übernahme für Zwecke der staatlichen Doppik – ähnlich wie bereits in Bezug auf Gewinnermittlungs-GoB moniert – gefährden würde. Für diesen Fall ließe sich ableiten, dass der deutsche Gesetzgeber aufgrund seiner Bezugnahme im Steuerrecht sowie der Rechnungslegung im öffentlichen Sektor eine solche Einstrahlungswirkung nicht gewollt haben kann. Der deutsche Gesetzgeber selbst vermag keine wesentlichen oder grundsätzlichen Abweichungen zwischen den Rechnungslegungszielen zwischen den auf den IFRS basierenden IPSAS und HGB zu erkennen1218. Das zeigt die bereits kritisierte1219, mangelhafte Orientierung der Politik an bilanzwissenschaftlichen Erkenntnissen. Die Einordnung der IFRS-Bilanz als zeitwertstatisch macht deutlich, dass die hieraus abgeleiteten IPSAS nicht die Anforderungen an handelsrechtliche Objektivierungsprinzipien erfüllen1220. Die objektivierte und vorsichtige handelsrechtliche Bilanzierung macht diese indes gerade geeignet, zur Grundlage staatlicher Doppik erhoben zu werden. Würden nunmehr Entobjektivierungstendenzen durch (stärkere) Einstrahlung der IFRS auf handelsrechtliche Grundsätze eintreten, würden diese über § 7a HGrG auch Auswirkungen auf die staatliche Doppik haben, was nicht geduldet werden kann. Zwar kann durch das Gremium zur Standardisierung des staatlichen Rechnungswesens ein Ausgleich durch Anpassung an die Erfordernisse staatlicher Rechnungslegung erfolgen. Mit zunehmender Entobjektivierung im Handelsrecht müsste aber früher oder später eine grundsätzliche Entkopplung zwischen handelsrechtlicher und staatlicher Doppik erfolgen, was zumindest derzeit nicht Wille des deutschen Gesetzgebers ist. Letztlich geht auch das IPSASB von Differenzen zwischen den IFRS-Zwecksetzungen und den Bedürfnissen der Rechnungslegung im öffentlichen Sektor

1218 S. BT-Drs. 16/12060, S. 14. 1219 Vgl. Teil 1 Kapitel A II. 1220 Vgl. so auch zutreffend zu entobjektivierenden Tendenzen der internationalen Rechnungslegung: Wüstemann/Wüstemann, EPSAS – Leitlinien zur Gestaltung, in: Hessischer Rechnungshof [Hrsg.], Entwicklung der öffentlichen Rechnungslegung in Europa, 2014, S. 585, 592ff.; Moxter/Engel-Ciric, BB 2014, 489ff.

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aus, weshalb eine stärkere Abkehr von den IFRS ersichtlich wird1221. Nach derzeitigem Stand sprechen daher auch die Grundlagen der Rechnungslegung im öffentlichen Sektor gegen eine weitreichende Ausstrahlung der IFRS auf handelsrechtliche Grundsätze, soweit dem gesetzgeberischen Willen Genüge getan werden soll, keine Entkopplung der Rechtsgebiete zu begründen. d. Auslegungshilfe für Einzelnormen Eine Pauschalaussage zur Frage, ob und in welchem Maße die IFRS als Erkenntnisquelle der Auslegung von handelsbilanziellen Einzelnormen herangezogen werden können, ist angesichts der partiellen Annäherung an die internationalen Standards durch den deutschen Gesetzgeber letztlich nicht möglich. Sinnvoll erscheint die Fallgruppenbildung nach Hennrichs/Pöschke1222, welche den nachfolgenden Überlegungen zugrunde liegt. Demgemäß können vier Fallgruppen im Verhältnis HGB-Bilanzrecht / IFRS unterschieden werden: Erstens Vorschriften, bei denen Begrifflichkeiten der IFRS genutzt werden bzw. ein Verweis auf IFRS enthalten ist. Zweitens Fälle, in denen der Gesetzgeber ersichtlich eine Konvergenz zu internationalen Standards schaffen wollte und drittens Fälle, in denen bewusst divergente Positionen eingenommen wurden. Schließlich gibt es übrige Fälle, die (bislang) keinen Bezug zu IFRS aufweisen. Zunächst ist allgemein auf die Rechtsquellenqualität der IFRS für die einzelnen Fallgruppen einzugehen. Anschließend werden Beispiele dargestellt. Soweit sich für die Fallgruppen nur wenige Beispiele finden lassen, schmälert dies nicht die Relevanz der hinter den nachfolgenden Ausführungen stehenden Forschungsfrage, da durchaus wahrscheinlich ist, dass bei zukünftigen Gesetzgebungsverfahren weitere Fälle auftreten werden. aa. Verweisung auf IFRS Denkbar ist eine konkrete oder konkludente Verweisung innerhalb des deutschen Handelsrechts auf die IFRS. Verweisungen sind ein häufiges Mittel der Gesetzgebungstechnik und dienen der Vereinfachung, aber auch der Wahrung der Rechtseinheit. Üblicherweise finden sich Verweisungen auf allgemeinere Normen desselben Normgebers. Grundsätzlich sind aber auch Verweisungen auf europäische Gesetze oder gar Regeln Dritter möglich. Auf Regeln Dritter wird dabei insbesondere dann verwiesen, wenn die technische Ausgestaltung besonderen Sachverstand erfordert1223.

1221 Vgl. Müller-Marqués Berger, WPg Sonderheft 2012, S. 74ff. 1222 Vgl. Hennrichs/Pöschke, Der Konzern 2009, 537ff. 1223 Vgl. Breuer, AöR 1976, 46, 49f.; Ehricke/Blask, JZ 2003, 722, 724; bekanntes Beispiel bilden hier etwa die DIN-Normen.

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Die Form von Verweisungen kann in vielfacher Hinsicht unterschieden werden. An dieser Stelle ist lediglich die Unterscheidung ausdrücklicher und konkludenter sowie statischer und dynamischer Verweisung von Belang1224. Bei der ausdrücklichen Verweisung ergibt sich ohne weitere Auslegung aus dem Wortlaut der Norm zweifelsfrei, dass auf andere Vorschriften verwiesen wird1225. Bei konkludenten Verweisungen kann durch Auslegung anhand systematischer Argumente eine Bezugnahme abgeleitet werden1226. Der Gesetzgeber kann eine Verweisung dadurch zum Ausdruck bringen, dass er Begrifflichkeiten anderer Vorschriften verwendet oder nach Sinn und Zweck und zur Wahrung der Rechtseinheit eine Verweisung intendiert wird. Dabei muss allerdings durch methodisch schlüssige Auslegung ermittelt werden, ob tatsächlich konkludent eine Verweisung bezweckt wird. Dies dürfte umso eher der Fall sein, je spezieller der verwendete Begriff ist. Die Spezialität bezieht sich bei den IFRS auf die Begriffsverwendung im internationalen Wirtschaftsverkehr. Denkbar ist außerdem, dass einer dieser Fälle bei einer EU-Richtlinie vorliegt, so dass mittelbar im Wege richtlinienkonformer Auslegung auf die IFRS Bezug genommen werden muss. Dieser Fall wurde im Grundsatz bereits bei der Einstrahlungswirkung von IFRS über die EG-Bilanzrichtlinien besprochen1227. Nach der überzeugenden Inkorporationstheorie wird der Inhalt des Verweisungsobjekts zugleich Inhalt der Verweisungsnorm1228. Im Falle der statischen Verweisung bleibt dabei dasjenige Element Inhalt der Verweisungsnorm, welches im Zeitpunkt der Verweisung Inhalt des Verweisungsobjekts war, während bei der dynamischen Verweisung dasjenige Element Inhalt der Verweisungsnorm wird, welches im Zeitpunkt der Rechtsgewinnung auf seiner Grundlage Inhalt der Verweisungsnorm ist1229. Aufgrund dieser mangelnden Einflussnahme auf den zukünftigen materiellen Inhalt der Verweisungsnorm wurde zu Recht darüber diskutiert, ob eine derartige dynamische Verweisung aus materieller Sicht als Ermächtigungsnorm aufzufassen ist1230. Nur Verweisungen, die als Vorbehalts- bzw. Ermächtigungsnormen verfassungskonform ausgelegt werden können, sind zu1224 Für eine ausführliche Darstellung sei auf Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, 2008, S. 49ff.; Berger, Verweisungen bei der Gesetzesdokumentation, 1971, S. 104–174; Karpen, Die Verweisung als Mittel der Gesetzgebung, 1970, S. 11ff. sowie Müller, Gesetzgebungstechnik, 1963, S. 167–181 Bezug genommen. 1225 So auch Karpen, Die Verweisung als Mittel der Gesetzgebung, 1970, S. 33f. 1226 Vgl. Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, 2008, S. 50, welcher zu Recht auf das Erfordernis der Abgrenzung zu unbestimmten Rechtsbegriffen hinweist. 1227 S. hierzu Teil 2 Kapitel C VI. 2. a. 1228 Vgl. Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, 2008, S. 83 m. w. N. 1229 Vgl. Clemens, AöR 1986, 63, 66; Guckelberger, ZG 2004, 62, 63. 1230 Dafür etwa Sachs, NJW 1981, 1651, 1652; lediglich eine der Delegation vergleichbare Wirkung annehmend: Arndt, JuS 1979, 784, 785; Bullinger, Unterermächtigung, 1955, S. 21f.; ablehnend etwa: Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, 2008, S. 86ff. m. w. N. zum Diskussionsstand.

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lässig1231. Für den Fall einer heteronom-dynamischen Verweisung auf Regelungen anderer Normsetzer liegt die materielle Normsetzung allein in den Händen des privaten Regulierers. Aus Gründen der Rechtssicherheit und staatstheoretischer Überlegungen kommt eine konkludente dynamische Verweisung auf IFRS-Normen daher nicht in Betracht. Für eine begriffliche Verweisung von HGB-Vorschriften auf die IFRS findet sich derzeit nur ein einziges Beispiel. Die §§ 285 Nr. 21, 314 Nr. 13 HGB normieren den Begriff der »nahestehenden Unternehmen und Personen«. Die Vorschriften gehen auf Art. 43 Abs. 1 Nr. 7b der Bilanzrichtlinie in der Fassung der Abänderungsrichtlinie zurück, welcher eine direkte Verknüpfung zur Begrifflichkeit in IAS 24 ausdrücklich vorsieht1232. Auch der deutsche Gesetzgeber will den Wortlaut nach IAS 24 verstanden wissen1233. Der Anwendungsbereich von §§ 285 Nr. 21, 314 Nr. 13 HGB folgt unmittelbar aus der enumerativen Aufzählung der nahe stehenden Personen bzw. Unternehmen in IAS 24.9 sowie 24.11. Daneben können die Definitionen aus anderen Gesetzen (etwa § 32d Abs. 1 Nr. 1 lit. a) EStG oder § 15a Abs. 3 WpHG) nicht angewandt werden, was nach dem Grundsatz der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung problematisch sein kann. bb. Konvergenzintention des Gesetzgebers In weiteren Fällen hat der deutsche Gesetzgeber bewusst eine Konvergenz zu den IASB-Verlautbarungen vorgesehen. Insoweit dienten die IFRS als Modell für das HGB1234. Methodisch können die IFRS dann im Rahmen teleologischer Auslegungsgrundsätze rechtsvergleichend berücksichtigt werden1235. Dazu muss allerdings im Wege der historisch-genetischen bzw. teleologischen Auslegung zunächst sichergestellt werden, dass dies vom nationalen Gesetzgeber auch tatsächlich beabsichtigt war. Soweit bewusst eine Alternative zu den IFRS geschaffen werden sollte, wird ein Rückgriff auf materielle Norminhalte der IFRS allenfalls höchst restriktiv zulässig sein.

1231 1232 1233 1234

Zutreffend Sachs, NJW 1981, 1651, 1652. Vgl. BeBiKo-Grottel (2018), § 285 HGB Rn. 605. S. RegE BilMoG, BT-Drs. 16/10067, S. 72. Im ursprünglichen Referententwurf zum BilMoG vom 08. 11. 2007 waren regelmäßig Verweise auf die IFRS zur Begründung der Neuerungen im HGB enthalten. Hierdurch wurde befürchtet, dass dies als klammheimliche Einführung der IFRS aufgefasst werden könnte. Im abschließenden Regierungsentwurf vom 21. 05. 2008 wurden die expliziten Verweise fast gänzlich gestrichen. Dies sollte gerade dem Ausdruck der Eigenständigkeit des Handelsrechts dienen, vgl. BT-Drucks. 16/10067 vom 30. 07. 2008, S. 33f. sowie zum Vorstehenden Heuser/Theile/Dörschell (2012), in: IFRS-Handbuch, S. 51. 1235 Rechtsvergleiche befürwortend etwa Hennrichs, WPg 2011, 861, 868; Hennrichs/Pöschke, Der Konzern 2009, 532, 537f.; Lüdenbach/Freiberg, BB 2009, 1230.

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Weitere Probleme ergeben sich aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber in der Regel nur eine Annäherung an die jeweilige Fassung der IFRS gewollt hat. Spätere Entwicklungen, ggf. auch durch erläuternde Verlautbarungen des IASB, konnte er hingegen nicht berücksichtigen. Soweit daher nicht aus dem in Bezug genommenen internationalen Standard, sondern erst aus nachträglichen Verlautbarungen ein Erkenntnisgewinn für nationale Normen möglich wird, muss besonders sorgfältig geprüft werden, ob der nationale Gesetzgeber eine Annäherung in diese Richtung wollte. Letztlich ist Ausgangspunkt daher stets die Auslegung des nationalen Rechts im Rahmen des jeweiligen Normsystems. Ein Beispiel in dem die Gesetzgebungsmaterialien auf eine Annäherung an IFRS hinweisen, sich aber gleichwohl Probleme beim Erkenntnisgewinn ergeben, bietet etwa § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB. Hierbei geht es um die Frage, wann ein beherrschender Einfluss eines Mutterunternehmens in Bezug auf die Mehrheit der Risiken und Chancen einer Zweckgesellschaft besteht. Der Begriff der Zweckgesellschaft ist SIC 12.1 entlehnt, der mittlerweile durch IFRS 10 (Consolidated Financial Statement) abgelöst wurde1236. Der deutsche Gesetzgeber hat eine vergleichbare Definition in der Gesetzesbegründung zugrunde gelegt1237. Ferner erfolgte eine Orientierung an IAS 271238. Im Gesetzeswortlaut des HGB findet sich der Begriff nicht wieder. Auch die Gesetzgebungsmaterialien sind im Verhältnis zu SIC 12 kurzgehalten, so dass ggf. auf diesen zurückgegriffen werden muss. Hier zeigt sich das Problem einer solchen Konvergenzintention des Gesetzgebers. IAS 27 und SIC 12 sind seit dem 01. 01. 2014 außer Kraft. Dennoch muss sich der Normanwender des § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB weiter an ihnen und nicht etwa an IFRS 10 orientieren1239, da andernfalls eine unzulässige dynamische Verweisung vorläge. In jedem Fall muss sich der materielle Norminhalt internationaler Rechnungslegungsstandards derart in die handelsrechtlichen Vorschriften einbinden lassen, dass kein Systemverstoß vorliegt. Selbst wenn der Gesetzgeber eine Konvergenz intendiert hat, darf dies im Sinne einer Gesetzeseinheit nicht dazu führen, dass eine Auslegung gegen tragende Prinzipien des HGB verstößt, insbesondere gegen das Vorsichtsprinzip. In Fällen angestrebter Konvergenz, die eine Rückanknüpfung an handelsrechtliche Wertungen nicht zulassen, weil das Handelsrecht zu diesem speziellen Gebiet überhaupt keine Wertung enthält, lässt sich die entsprechende Übernahme der IFRS auch nicht in das handelsrechtliche System einfügen. Ein Beispiel hierfür bietet die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs »aktiver 1236 1237 1238 1239

Vgl. BeckOK/HGB – v. Kanitz/Hoffmann (2018), § 290 Rn. 16. Vgl. BT-Drs. 16/12407, S. 89. Vgl. Ernst/Seidler, BB 2009, 766, 768. So zutreffend auch Glander/Blecher, KoR 2011, 467 sowie Oser/Milanova, BB 2011, 2027.

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Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS

Markt« in § 255 Abs. 4 S. 2 HGB, welcher aus IAS 39.71 (nunmehr IFRS 9 bzw. IFRS 13) entnommen ist1240. Soweit es für die Bewertung des Zeitwerts keinen ermittelbaren Marktpreis gibt, muss auf andere Bewertungsmethoden zurückgegriffen werden. In Betracht kommt dann etwa die aus IAS 39.74 übernommene markt-to-model-Methode, welche aus markttheoretischer Sicht quasi-ideale Geschäfte zugrunde legt1241. In Fällen, in denen keine anerkannte Methode zu einem verlässlichen und eindeutigen Ergebnis führt, greift das handelsrechtliche Vorsichtsprinzip, so dass dann eine Schätzung nicht mehr zulässig ist, so dass im Zweifel eine Bewertung nach Anschaffungs- und Herstellungskosten zu erfolgen hat1242. cc. Divergenzintention des Gesetzgebers Der Gesetzgeber kann nicht nur eine konvergente, sondern gegenteilig auch eine bewusst divergente Entwicklung beabsichtigen. Es liegt sogar nahe, grundsätzlich von einem divergenten Vorgehen des deutschen Gesetzgebers im Verhältnis des IASB auszugehen, da das HGB als eine Alternative zur IFRS-Rechnungslegung dauerhaft Bestand haben soll1243. Eine solche Annahme wäre allerdings zu kurz gegriffen. Da die IFRS von einem pluralistischen Gremium von Fachpraktikern entwickelt werden, ist ihnen trotz aller berechtigten Kritik an konkreten Ausgestaltungen eine technisch ausgereifte Rechnungslegung nicht generell abzuschlagen. Soweit der Gesetzgeber also dauerhaft eine Alternative schaffen will, muss sich das HGB-Rechnungslegungssystem ähnlichen praktischen Bedürfnissen fügen, ohne dass hierdurch ein Paradigmenwechsel kraft Natur der Sache vorliegen müsste. Eine Alternative wird für Unternehmen daher nur dann geschaffen, wenn diese – soweit erforderlich – international wettbewerbsfähig bleiben, ohne dass der Verwaltungsaufwand internationaler Rechnungslegungsprinzipien oder eine Abkehr vom tradierten handelsrechtlichen Rechnungslegungssystem für sie schädlich wirkt. Eine maßvolle Annäherung an den internationalen und globalen Rechnungslegungskanon unter Beachtung nationaler Besonderheiten und Interessen kann dieses Ziel sicherstellen. Soweit der Gesetzgeber bewusst von den IFRS abweichen will, kommt eine rechtsvergleichende, positive Berücksichtigung der IFRS gerade nicht in Betracht1244. Ein solcher Umstand kann im Wege des teleologischen Erkenntnisgewinns fruchtbar gemacht werden. Im Gegensatz zur Verweisung oder Konvergenzintention gibt es hierfür mannigfaltige Beispiele. Es sollen lediglich einige 1240 1241 1242 1243 1244

S. zu diesem Beispiel auch Heuser/Theile/Dörschell (2012), in: IFRS-Handbuch, S. 54. Vgl. BeBiKo-Schubert/Hutzler (2018), § 255 Rn. 519. Vgl. Koller/Kindler/Roth/Morck-Morck (2015), § 255 Rn. 15. Vgl. Teil 2 Kapitel C VI. 1. Vgl. Hennrichs spricht zutreffend davon, dass dies eine Rechtsanwendung contra legem wäre, vgl. Hennrichs, WPg 2011, 861, 869.

Demokratiedefizite und Auslegung der IFRS

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aufgezeigt werden, bei denen die grundsätzliche Divergenz zwischen Handelsrecht und IFRS besonders deutlich hervortritt. Zu dem am meisten diskutierten Gebieten der IFRS-Bilanzierung zählt die Folgebewertung des derivaten GoF in Gestalt des Impairment Only Approach (IOA) nach IFRS 31245. Für den derivaten GoF besteht seit dem BilMoG wie in der IFRS-Bilanzierung eine Aktivierungspflicht, § 246 Abs. 1 S. 4 HGB. Die Folgebewertung unterliegt grundsätzlich der planmäßigen Abschreibung, § 253 Abs. 3 S. 1–5 HGB. Der IOA stellt einen jährlichen und komplexen Werthaltigkeitstest des GoF dar. Der deutsche Gesetzgeber hat sich bewusst dagegen entschieden, ein solches Instrument in das HGB aufzunehmen1246. Auch in der deutschen Literatur ist eine mehrheitliche Ablehnung des IOA zu erkennen1247. Einen wesentlichen Bewertungsmaßstab der IFRS-Bilanzierung bildet der fair value, von dem Unternehmen nach bestimmten Standards Gebrauch machen können. Dies bedeutet die erfolgswirksame Bewertung zum beizulegenden Zeitwert, d. h. auch die Möglichkeit des Ausweises einer Wertveränderung bereits vor tatsächlicher Realisierung des Gewinns bzw. Verlustes. Nach IFRS 9 etwa ist es unter bestimmten Voraussetzungen möglich, finanzielle Vermögenswerte (Finanzinstrumente) nach dem fair value auszuweisen. Da dieser Bewertungsmaßstab letztlich mangels tatsächlicher Veräußerung von einem fiktiven Marktprozess ausgeht, unterliegt seine Aussagekraft einigen Restriktionen1248. Ein Fair-ValueAccounting wird deshalb auch eine Verstärkung pro-zyklischer Schwankungen der Wirtschaft nachgesagt, weshalb es zuletzt im Rahmen der Finanzmarktkrise eine Diskussion innerhalb der Bilanzwissenschaften auslöste1249. In Deutschland nutzen nach wie vor nur wenige Unternehmen die Fair-Value-Bilanzierung1250. Ein solcher Gewinnausweis vor Realisierung widerspricht dem Realisationsprinzip. Der Gesetzgeber hat hieran festgehalten und die Möglichkeit einer Fair-ValueBewertung nach HGB ausgeschlossen. Auch die internationalen Standards sehen indes wenigstens Offenlegungspflichten bei erfolgswirksamer Fair-Value-Bewertung vor, vgl. IFRS 7.10. Ebenfalls hat die sog. Percentage of Completion-Methode keinen Einzug in das HGB gehalten1251. Diese ermöglicht es, bei Fertigungsprozessen für einzelne fertiggestellte Teile Aufwendungen und Erträge anteilig erfolgswirksam zu verbuchen, 1245 Vgl. auch Radde/Schwarz, WPg 2015, 584ff.; Bömelburg/Landgraf/Pühl, IRZ 2017, 119ff. 1246 Vgl. Oser, DB 2008, 361ff. 1247 Vgl. Tettenborn/Rohleder, PiR 2015, 309, 314; Gundel/Möhlmann-Mahlau/Sündermann, KoR 2014, 130,136; Laschewski, WPg 2015, 929ff. m. w. N. 1248 Zur »Fair-Value-Fiktion« mit lehrreichen Ausführungen zu den erforderlichen Vermutungen s. Tanski/Zeretzke, DStR 2006, 53ff. 1249 Vgl. etwa Schildbach, DStR 2012, 474ff., welcher auch zur »scheinbaren Widerlegung« der These Stellung bezieht. 1250 Hierzu aktuell und zu früheren Untersuchungen: Ertel, IRZ 2016, 269ff. 1251 Vgl. Begr. RegE, Allgemeiner Teil, Pkt. 4. d.

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Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS

IAS 11. Nach den (weiterhin) streng am Realisationsprinzip orientierten HGBVorschriften darf ein Umsatzausweis grundsätzlich erst im Zeitpunkt der Übergabe des Gesamtwerks erfolgen, § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB. Nur bei einem Ausnahmefall im Sinne des § 252 Abs. 2 HGB darf hiervon abgewichen werden1252. Die Teilgewinnrealisierung wird in der Literatur zwar unter restriktiven Voraussetzungen auch für den HGB-Abschluss diskutiert, jedenfalls unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten wäre sie jedoch unzulässig1253. Hieraus lässt sich der Schluss ziehen, welche grundlegenden Unterschiede der nationale Gesetzgeber im Vergleich zu den IFRS beibehalten will. Diese bilden dann die Grundlage für sämtliche teleologischen Auslegungsfragen vor dem Hintergrund der IFRS. Diejenigen Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden, bei welchen der HGB-Gesetzgeber bewusst in Divergenz zu den IFRS getreten ist, sind solche, die einer objektivierten und vorsichtigen Rechnungslegung entgegenlaufen. Auch hierin zeigt sich, dass das HGB an den Gewinnermittlungs-GoB zwingend festhalten will. dd. Sonstige Fälle Als letzte Fallgruppe nennt Hennrichs den »Graubereich«, d. h. solche Fälle, »in denen das HGB weder direkt auf Begriffe der IFRS verweist noch die HGBVorschriften an die IFRS angelehnt sind, in denen sich aber auch keine bewusste Abkehr von den IFRS feststellen lässt«1254. In diesem Fall sollen die IFRS eine Erkenntnisquelle des Rechtsvergleichs darstellen können. Da der Gesetzgeber bewusst eine selbstständige, d. h. von den IFRS grundsätzlich unabhängige HGBRechnungslegung schaffen wollte, ist nicht unmittelbar einsichtig, weshalb die IFRS in dieser Allgemeinheit überhaupt als Erkenntnisquelle über rechtsvergleichende Methodik herangezogen werden sollten. Da die IASB-Verlautbarungen in ihrer fallbezogenen Ausgestaltung einen hohen Konkretisierungsgrad aufweisen, bestünde die Gefahr einer Unterwanderung der HGB-Vorschriften, da sich in der Regel ein spezieller Bilanzierungsstandard finden wird, so dass eine weitergehende Auslegung nach allgemeinen HGB-Prinzipien oder systematische Überlegungen verdrängt werden könnte. Je nach verfolgter Bilanzpolitik könnte eine großzügige Heranziehung der IFRS als Erkenntnisquelle des Rechtsvergleichs zu Verzerrungen führen. Es soll daher im Einzelfall zu prüfen sein, ob die

1252 Ausführlich zur Diskussion der Teilgewinnrealisierung bei langfristigen Fertigungsaufträgen BeBiKo-Schubert/Hutzler (2018), § 255 Rn. 457ff. 1253 Anders jedoch bei »echter« Teilgewinnrealisierung mit Teilabrechnung, vgl. Coenenberg/ Haller/Schultze, Jahresabschluss, 2018, S. 243. 1254 Vgl. Hennrichs/Pöschke, Der Konzern 2009, 532, 539.

Demokratiedefizite und Auslegung der IFRS

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IFRS-Lösung in das handelsrechtliche System passt1255, wobei zu beachten sei, dass »ein in seinen Normen unbestimmtes Regelungswerk […] schwerlich einem ähnlich unbestimmt bleibenden anderen Regelungswerk zur Bestimmtheit verhelfen [kann]«1256. Die bisherige Untersuchung hat indes gezeigt, dass das HGB und die IFRS geradezu fremde Systeme darstellen. Eine Bilanzierungsentscheidung auf Grundlage einer IFRS-orientierten Auslegung über die bereits untersuchten Einfallstore hinaus, insbesondere die GoB bzw. die DRS, ist damit ausgeschlossen. Dies mag sich ändern, soweit der deutsche Gesetzgeber weitere Annäherungen an internationale Rechnungslegungsstandards implementiert und deren Rechnungslegungsgrundsätze und Einzelvorschriften hierdurch zu demokratisch legitimierten, materiellen Rechtsnormen erhebt. Einem echten Paradigmenwechsel im Sinne einer Abkehr von der tradierten HGB-Rechnungslegung liegt in der Gestaltungsmacht des Gesetzgebers und ist letztlich eine politische Entscheidung. Selbst wenn zumindest für die Konzernrechnungslegung derselbe Grundzweck, namentlich derjenige der Information, verfolgt wird1257, so bestehen sozioökonomische und systematische Unterschiede in der konkret beabsichtigten Informationsvermittlung. Dabei darf nicht vergessen werden, dass nicht alle Konzerne kapitalmarktorientiert agieren. 3.

Einstrahlungen des HGB auf IFRS-Auslegung

Für die Einstrahlungen der IFRS auf die Ebene handelsrechtlicher Rechnungslegung zeigt sich ein differenziertes Bild. Denkbar wäre auch der umgekehrte Fall, dass handelsrechtliche Normen bei der Auslegung der IFRS Berücksichtigung finden. Solche Überlegungen können für den Fall fruchtbar gemacht werden, dass nationale Rechnungslegungsgrundsätze, welche sich auch im HGB-System widerspiegeln, im Wege teleologischer Auslegung der EU-IFRS zu beachten sein könnten. Hierzu sei auf Teil 2 Kapitel D V. dieser Arbeit verwiesen. Ergänzend soll nun geprüft werden, ob konkrete Normen deutschen Bilanzrechts relevant werden können. Diskutiert wurde die Übernahme von EStG-Normen in die handelsrechtliche und von dort aus auch in die IFRS-Bilanzierung. Speziell ging es um § 6 Abs. 2a EStG, welcher die sog. Poolabschreibung für Wirtschaftsgüter mit AK/HK zwi-

1255 So etwa Moxter, WPg 2009, 7; Herzig, WPg 2005, 211, 214; Hennrichs, Bilanzrechtsmodernisierung, in: Bitter/Schmidt [Hrsg.], FS-Schmidt, 2009, S. 581, 597; Hennrichs/Pöschke, Der Konzern 2009, 532, 539. 1256 Vgl. Moxter, WPg 2009, 7, 9. 1257 Siehe Teil 2 Kapitel C V. 4. e. sowie VI. b. und c.

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Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS

schen 150 € und 1.000 € vorsah1258. Haaker und Hoffmann haben sich etwa dafür ausgesprochen, analog der steuerrechtlichen Behandlung eine solche Vorgehensweise auch für den IFRS-Konzernabschluss zu ermöglichen1259. Das Bild der VFE-Lage werde insoweit jedenfalls nicht wesentlich verzerrt und aus Kostenund Nutzengesichtspunkten eine Anpassung der IFRS-Konzernbilanz insoweit aus Gründen der Wesentlichkeit unverhältnismäßig wäre1260. Dagegen wendet sich Brösel, welcher darauf hinweist, dass IAS 16.9 zwar eine Abweichung vom Prinzip der Einzelbewertung vorsieht, nicht jedoch eine pauschale Regelung unter Missachtung der Abschreibungsverbote des IAS 36 gestattet1261. Im Übrigen rechtfertige die wirtschaftliche Vereinfachung durch die Poolabschreibung weder eine Verzerrung der VFE-Lage noch die aus ihr resultierende Verletzung des Grundsatzes der Bilanzwahrheit1262. Im Ergebnis kommt eine Übernahme handels- oder steuerrechtlicher Einzelregelungen in den IFRS-Konzernabschluss nur dann in Betracht, soweit dieser im Rahmen der induktiven Methode zur Auslegung bzw. Lückenschließung herangezogen werden kann und diesbezüglich nicht im Widerspruch zu den bereits in Kapitel D V. 4. e. ee. herausgearbeiteten Kriterien des IAS 8 steht. 4.

Schlussfolgerungen

Der deutsche Gesetzgeber hat bewusst auf eine Rezeption der IFRS im Handelsrecht verzichtet. Er wollte eine Alternative zu den internationalen Standards schaffen und damit den handelsrechtlichen Einzel- und Konzernabschluss stärken. Die IFRS strahlen auch nicht unmittelbar in die EU-Bilanzrichtlinie ein, wohl aber konvergiert diese in Richtung internationaler Rechnungslegungsprinzipien. Versuche, eine Anwendungsbrücke für IFRS aus der »Natur der Sache« zu schlagen, müssen trotz gewisser Annäherungstendenzen noch immer an den in wesentlichen Zügen divergierenden Systemen zwischen der kontinentaleuropäischer Tradition entstammenden HGB-Rechnungslegung und den angelsächsischen Rechnungslegungsprinzipien scheitern. Insbesondere die Kopplung von Handels- und Steuerrecht bzw. Handelsrecht und der Rechnungslegung im öffentlichen Sektor macht die Gleichschaltung von HGB- und IFRS-Vorschriften derzeit unmöglich. Grundlage der Auslegung 1258 § 6 Abs. 2 Satz 1 EStG sieht nunmehr eine Höchstgrenze für die Absetzung in voller Höhe im Jahr des Zugangs von 800 € vor, weshalb die Bedeutung des Abs. 2a sich auf solche Wirtschaftsgüter beschränkt, deren AHK zwischen 800 und 1000 € liegen. 1259 Vgl. Haaker, PiR 2009, 272; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 2018, § 10 Rn. 31, welche eine andere Beurteilung nur in »extremen Fällen« für geboten halten. 1260 Vgl. Haaker, PiR 2009, 272. 1261 Vgl. Brösel, PiR 2009, 273. 1262 Vgl. Brösel, PiR 2009, 273.

Demokratiedefizite und Auslegung der IFRS

289

handelsrechtlicher Bilanzierung müssen die handelsrechtlichen GoB, insbesondere das Objektivierungs- und Vorsichtsprinzip bleiben. Grundsätze der IFRS bzw. das angelsächsische True and Fair View-Prinzip lassen sich nicht über die Informations- oder Gewinnermittlungs-GoB in das System der HGB-Rechnungslegung überführen. Der Anwendungsbereich der DRS erstreckt sich nicht auf den handelsrechtlichen Einzelabschluss, so dass auch eine methodische Nähe von DRS und IFRS keinen Systemwandel der HGB-Rechnungslegung bewirkt. Trotz des gesetzgeberischen Willens, die HGB-Rechnungslegung als eigenständige normative Grundlage deutschen Bilanzrechts wenigstens für den handelsrechtlichen Einzelabschluss aufzufassen, können die IFRS als Rechtserkenntnisquelle herangezogen werden, soweit der Gesetzgeber auf diese verweist oder zumindest eine Harmonisierung anstrebt. Die richtlinienkonforme Auslegung könnte zukünftig mitunter auch zur Berücksichtigung der IFRS über die Bilanzrichtlinie zwingen, soweit diese an Prinzipien der angelsächsischen Rechnungslegung angenähert wird. Da das Handelsrecht mittlerweile durch etliche internationale Harmonisierungstendenzen durchbrochen wird, ist die Auslegung allein aufgrund (klassischer) handelsrechtlicher Wertungen, die ggf. den neueren Entwicklungen sogar entgegenstehen, auch nicht mehr möglich1263. Die Berücksichtigung der IFRS als Auslegungshilfe für nationales Handelsrecht muss dabei auf ein Maß minimiert werden, in welchen sich die IFRS in das hiesige Rechnungslegungssystem fügen was unter sorgsamer Abwägung bilanzwissenschaftlicher Erkenntnisse zu beurteilen ist. Für die Anwendung von IFRS als Rechtserkenntnisquelle für HGB-Einzelnormen bietet sich eine Fallgruppenbildung an. Soweit der Gesetzgeber bewusst hinsichtlich des materiellen Norminhalts auf einen internationalen Standard verweist, muss dieser Grundlage der Auslegung bilden. Dabei kommt nicht nur eine Verweisung auf die EU-, sondern auch die London-IFRS in Betracht, soweit diese nicht gegen europäisches Bilanzrecht verstoßen. Zulässig ist dabei lediglich eine statische, nicht jedoch eine dynamische Verweisung. Möglich ist auch, dass das Verweisungsobjekt im HGB-Rechnungslegungssystem – etwa hinsichtlich des Begriffsverständnisses – anders auszulegen ist, als nach der IFRS-Auslegungskonzeption. Wird eine Konvergenzintention des Gesetzgebers zu internationalen Standards ersichtlich, ist sorgfältig abzuwägen, wie weit eine Annäherung stattfinden soll und wo die Grenze zur bewusst geschaffenen Alternative zur internationalen Rechnungslegung liegt. Eine Divergenzintention des Gesetzgebers macht deutlich, dass die IFRS gerade nicht als zweckmäßig und systemkonform angesehen werden, weshalb ein Erkenntnisgewinn aus Rechtsvergleichung nicht zulässig ist. 1263 So zutreffend trotz Hinweises auf den Willen des Gesetzgebers: Heuser/Theile/Dörschell (2012), IFRS-Handbuch, S. 51.

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Teil 2: Anwendung und Auslegung der IFRS

Einstrahlungen der HGB-Rechnungslegung auf die IFRS-Einzelnormen käme nur in Rahmen der induktiven Norminterpretation des IAS 8.10 in Betracht.

Teil 3: Jurisdiktion der IFRS im Deutschen und Europäischen Rechtsraum

Bislang wurde die Betrachtung der Wahrung von Staatsstrukturprinzipien durch Übernahme und Anwendung der IFRS im deutschen und europäischen Rechtsraum auf die Einflussnahme des europäischen Gesetzgebers reduziert. Die Auslegungsgrundsätze sind aber Teil der Rechtsanwendung und damit im Rahmen der Gewaltenteilung der Exekutive und Judikative zugeordnet. Rechtsstaatlichkeit beruht letztlich auf der Unterscheidung zwischen Rechtsetzung und Rechtsanwendung, weshalb eine funktionierende Rechtsprechung als ihre Grundlage zu verstehen ist1264. Die Gewaltenteilung hat auch enge Bezüge zum Demokratieprinzip, da dieses Teil der Kontrolle staatlicher Gewaltausübung ist, staatliche Gewalt aber stets dem Volk als Souverän obliegt und ihre Ausübung somit einen Ausdruck mittelbarer Demokratie darstellt1265. Die Wahrung der gerichtlichen Einzelfall- und Letztentscheidungskompetenz ist somit Grundlage zur Einhaltung des Kerns des demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzips. Diese Kompetenzen setzen indes eine Einzelfallentscheidung der Gerichte voraus, welche Auslegungs- und Lückenschließungskompetenzen erfordert. Dieser Teil der Arbeit wird daher der Problemstellung gewidmet, in welchem Rahmen eine gerichtliche Kontrolle der IFRS und derer Anwendung denkbar ist und ob der Einfluss privater Selbstregulierung geeignet ist, die gerichtliche Letztentscheidungskompetenz faktisch zu verdrängen. Denn Zweifelsfragen werden hier oft ohne Rechtsstreit geregelt1266, obgleich noch im Jahr 2006 – durchaus nachvollziehbar – vermutet wurde, dass der mittlerweile mangels praktischer Bedeutung abgeschaffte § 324 HGB a. F. zukünftig bedeutsamer als »Korrektiv zur faktischen Meinungsherrschaft«1267 der Wirtschaftsprüfer werden dürfte.

1264 1265 1266 1267

Vgl. Maunz/Dürig-Grzeszick (2018), Art. 20 GG Teil V. Rn. 58; vgl. auch Teil 1 Kapitel B II. Vgl. Imboden, Montesquieu und die Lehre der Gewaltentrennung, 1959, 24 f. Vgl. Bohl/Wiechmann, IAS/IFRS für Juristen, 2010, Rn. 325. Vgl. Maulbetsch/Dehlinger, DB 2006, 2387.

292

Teil 3: Jurisdiktion der IFRS im Deutschen und Europäischen Rechtsraum

Ein weiteres Problemfeld stellt der vermeintlich langfristig zu vermutende Wegfall der Rechtsprechung des BFH zur (handelsrechtlichen) Rechnungslegung für die Fortentwicklung und Nationalität des unternehmerischen und betrieblichen Rechnungswesens dar. Auch dieser Aspekt wird daher untersucht, da der BGH nur teilweise, überwiegend aber der BFH an der Entwicklung der GoB beteiligt war und ist1268.

A.

Grundsatz: Gerichtliche Kontrolle des Europäischen Gerichtshofs

I.

Letztentscheidungskompetenz für europäisches Bilanzrecht

Die Überprüfungskompetenz europäischen Bilanzrechts und seiner Anwendung bei Rechtsstreitigkeiten im Einzelfall obliegt zunächst den nationalen Gerichten. Soweit indes Zweifel über die Auslegung sekundären Gemeinschaftsrechts als »Handlung der Organe« bestehen, kann ein nationales Gericht den Gerichtshof der Europäischen Union ersuchen, hierüber vorab zu entscheiden, § 267 Abs. 1 lit. b AEUV. Liegt die Entscheidung einem letztinstanzlichen Gericht des Mitgliedsstaats vor, d. h. kann diese nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden, besteht eine Vorlagepflicht, § 267 Abs. 2 AEUV. Ausnahmen hiervon bestehen dann, wenn in einem gleichgelagerten Fall bereits eine Entscheidung ergangen ist (acte éclairé) oder die richtige Anwendung des Unionsrechts »derart offenkundig […ist], dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung bleibt« (acte-claire-Doktrin)1269. Dabei muss beachtet werden, dass aufgrund der Besonderheiten bei der Auslegung des Unionsrechts aufgrund des unionalen Begriffsverständnisses schon beim Wortlaut vernünftige Zweifel nicht vorschnell abgelehnt werden dürfen1270. Gerade in Bezug auf die Auslegung der IFRS dürfte daher in aller Regel eine Vorlagepflicht bestehen. Auch hinsichtlich vorausgegangener Entscheidungen in gleichgelagerten Fällen ist infolge der Dynamik der Rechtsmaterie sorgfältig abzuwägen, welche sachliche und zeitliche Dimension für die Vergleichbarkeit der Sachverhalte maßgeblich ist. Dies schränkt die Überprüfungskompetenz

1268 Vgl. Münzinger, Bilanzrechtsprechung der Zivil- und Strafgerichte, 1987; zum »Bilanzrecht als Richterrecht«, vgl. auch Teil 1 Kapitel A III. 1269 Vgl. Calliess/Ruffert-Wegener (2016), Art. 267 AUEV, Rn. 33. 1270 Zu alldem EuGH, C-283/81 (»C.I.L.F.I.T.«), Slg. 1982, 3415, Rn. 13 ff.; zu den dieser Rechtsprechung weitgehend entsprechenden Formeln deutscher Gerichte Lenz/BorchardtBorchardt (2013), EU-Verträge, Art. 267 AEUV, Rn. 46; Calliess/Ruffert-Wegener (2016), Art. 267 AEUV, Rn. 33.

Grundsatz: Gerichtliche Kontrolle des Europäischen Gerichtshofs

293

nationaler Gerichte, trotz derer Sachnähe aufgrund nationaler sozioökonomischer Besonderheiten, ein. Von besonderer Bedeutung für die Jurisdiktion des EuGHs ist das Urteil vom 27. 06. 1996 in Sachen Tomberger gegen Gebrüder von der Wetten GmbH1271. Hier hat der EuGH auf Vorlagefrage des BGH erstmals über eine konkrete Bilanzfrage entschieden und damit seine Zuständigkeit für den Bereich des europäischen Bilanzrechts bestätigt, was zuvor mitunter in der Literatur nicht einheitlich beantwortet wurde1272. Das Urteil bildet damit eine Grundlage für die Auslegung und Fortentwicklung europäischen Bilanzrechts und hat Einfluss auf die nationalen Rechnungslegungssysteme. Bedeutsam ist darüber hinaus, dass sich der EuGH nicht entsprechend dem Schlussantrag des Generalanwalts für eine enge Anlehnung an zivilrechtliche Grundsätze, sondern für eine wirtschaftspraktische Betrachtungsweise entschieden hat1273. Die Entscheidung spielt für nationale Bilanzierungsfragen eine wichtige Rolle, da auch auf Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung eingegangen wird, welche innerhalb des deutschen Rechtssystems Auswirkungen auf ertragssteuerliche Bemessungsgrundlagen haben. Aus dieser Entscheidung lässt sich indes erkennen, dass der EuGH seine Einflussnahme auf ein Minimum zu beschränken versucht. Vorausgegangen waren ein komplexer Rechtsstreit, ein offener literarischer Diskurs sowie ausführliche Ausführungen des Generalanwalts. Die Entscheidungsgründe selbst sind kurzgefasst und gehen auf wesentliche und grundsätzliche Fragestellungen nicht oder nur im Ansatz ein. Damit hat der EuGH seine Auslegungskompetenz für die EG-Bilanzrichtlinien manifestiert. Diese bilden, nunmehr durch die EU-Bilanzrichtlinie inkorporiert, die Grundpfeiler des europäischen Bilanzrechts und sind neben der IAS-VO normativer Referenzmaßstab für das Endorsement der IFRS1274. Durch die Übernahme der IFRS in europäisches Sekundärrecht wird auch formal-rechtlich eine Auslegungskompetenz des EuGHs geschaffen1275. Soweit der EuGH einen Verstoß von IFRS gegen Art. 3 Abs. 2 IAS-VO feststellt, ist die entsprechende Durchführungsverordnung zur Übernahme nichtig und die Norm darf nicht angewandt werden. Der jeweilige Basisrechtsakt ist den Durchführungsverordnungen im System der Normenhierarchie übergeordnet, da er die Kriterien für die Zulässigkeit der Durchführung abstrakt und demokratisch legitimiert festlegt, im Falle der IAS-VO also konkret die Übernahmekriterien. Das Verwerfungsmonopol für Gemeinschaftsrechtsakte obliegt allein dem EuGH, so

1271 1272 1273 1274 1275

S. EuGH, Urt. v. 27. 06. 1996 – C-234/94 = NJW 1996, 2363ff. Zum Meinungsstand Schmidt/Weber-Grellet-Weber-Grellet (2017), EStG, § 5 Rn. 3. Vgl. Herzig, DB 1996, 1401f. Vgl. Teil 2 Kapitel C V. Vgl. Schulze-Osterloh, Der Konzern 2004, 173, 176; Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, 2018, S.57; Merkt, ZfbF 2014, 477, 499.

294

Teil 3: Jurisdiktion der IFRS im Deutschen und Europäischen Rechtsraum

dass nationalen Gerichten insoweit keine Feststellungskompetenz hinsichtlich der Wirksamkeit zukommt1276. Die Besonderheit der EuGH-Rechtsprechung besteht darin, dass häufig Rechtsfortbildung betrieben wird, welche im Ergebnis Richtlinienqualität besitzt, da die Entscheidung insbesondere bei Vorlageersuchen gemäß Art. 267 AEUV auch über den konkreten Fall hinaus Bindungswirkung entfalten kann1277. Die Fortentwicklung des europäischen Bilanzrechts sowie der Einstrahlungswirkungen der IFRS kann daher nicht nur seitens der Legislative, sondern gerade auch durch die Jurisdiktion des EuGHs maßgeblich vorangetrieben werden. Der EuGH wird allgemein auch als »Motor der Integration«1278 bezeichnet. Das führt letztlich dazu, dass der EuGH nicht immer einer dogmatisch sauberen und stetigen Sichtweise folgt, sondern mitunter politischen Überlegungen in Sinne integrationsfreundlicher Rechtsprechung den Vorrang gewährt.

II.

Letztentscheidungskompetenz für handelsrechtliches Bilanzrecht

Eine Vorlagepflicht und damit Zuständigkeit des EuGHs für Fragen des europäischen Bilanzrechts dürfte damit in den meisten Fällen einschlägig sein. Rechtsdogmatisch ist der EuGH indes nicht für originär handelsbilanzielle Streitigkeiten zuständig, soweit diese nicht Gegenstand richtlinienkonformer Auslegung sind. Hierfür ist die Finanz- oder ordentliche Gerichtsbarkeit sachlich zuständig1279. Der EuGH sieht seine Zuständigkeit auch für nationale Rechtsmaterie auf dem Gebiet der Rechnungslegung weiter gefasst, als es aus rechtsdogmatischer Sicht verständlich erscheint. Nahezu gegensätzlich zur Entscheidung in Sachen Tomberger liefen Verfahren und Entscheidung in der bereits im ersten Teil dieser Arbeit1280 teilweise inhaltlich besprochenen BIAO-Entscheidung1281. Letztlich hat der EuGH hierbei eine Verweisungskette vom deutschen Gewerbesteuergesetz bis zur 4. EG-Bilanzrichtlinie geschaffen. Der BFH war bis zu diesem Zeitpunkt mit Vorlagefragen

1276 S. hierzu insbesondere EuGH, Urt. v. 22. 10. 1987, C-314/85 (»Foto-Frost«); Slg. 1987, 4199, Rn. 11ff.; Dauses/Ludwigs-Kaufmann (2017), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Kapitel P. II., Rn. 140, 141. 1277 Weiler, Washington Law Review 1986, 1103ff.; zur »erga-omnes-Wirkung« von Vorabentscheidungsverfahren außerdem ErfK/AEUV-Wißmann (2019), Art. 267 Rn. 44; Grabit/Hilf/ Nettesheim-Karpenstein (2018), Art. 267 AEUV Rn. 106. 1278 Vgl. Höpner, Berliner Journal der Soziologie 2011, 203ff. 1279 S. ergänzend Teil 3 Kapitel E. 1280 Vgl. Teil 2 Kapitel C VI. 2. a. 1281 S. EuGH, Urt. v. 07. 01. 2003, Rs. C-306/99 (»BIAO«) = IStR 2003, 95ff.

Grundsatz: Gerichtliche Kontrolle des Europäischen Gerichtshofs

295

zurückhaltend1282. Auch die Literatur sah eine Zuständigkeit des EuGHs kritisch1283. Zutreffend wird erkannt, dass eine formelle Maßgeblichkeit der IFRS für steuerrechtliche Fragen aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ausscheiden muss1284. Ebenso wies der Generalanwalt Jacobs deutlich und schlüssig auf die Unzuständigkeit des EuGHs hin1285. Die Entscheidung zeigt jedoch, dass der EuGH seine Zuständigkeit weit fasst. Es ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass die grenzüberschreitende Bedeutung des Falls zur Entscheidung der Zuständigkeitsfrage innerhalb des EuGHs beigetragen haben dürfte1286. Letztlich hält sich der EuGH nicht strikt an Zuständigkeitszuweisungen, sondern lässt sich aus praktischen Gesichtspunkten vom Grundgedanken leiten, dass den nationalen Gerichten bei der Vorlage ein weiter Beurteilungsspielraum zukäme. Soweit ein mitgliedsstaatliches Instanzgericht eine Vorlagefrage stellt, leitet der EuGH hieraus in der Regel auch seine Zuständigkeit her1287. Selbst im Falle einer unzulässigen Vorlagefrage zur Auslegung nationalen Rechts deutet der EuGH die Vorlage in der Regel dahingehend, dass über die Auslegung von Unionsrecht zu entscheiden ist und den nationalen Gerichten dann selbst überlassen wird, ob und wie die Entscheidung aus nationales Recht übertragen wird1288. Aus Sicht des EuGHs ist ein Rechtsmittel gegen die Vorlageentscheidung nationaler Gerichte ebenso ausgeschlossen wie eine Rücknahme1289. Die Entscheidung zeigt ferner, dass das nationale Bilanzrecht zunehmend eine Europäisierung erfahren wird. Durch die weitgefasste Verweisungskette für die 1282 Vgl. hierzu Schmidt/Weber-Grellet-Weber-Grellet (2017), EStG, § 5 Rn. 4. 1283 Vgl. zur Frage der Vorlagepflicht Tipke/Lang, Steuerrecht, 2018, § 4 Rn. 49ff.; § 9 Rn 60ff., § 22 Rn. 303ff.; Dziadkowski, DStZ 2001, 9ff. m. w. N. 1284 Vgl. Wendt, Bilanzrecht, in: Kube/Kirchhof [Hrsg.], FS-Kirchhof, 2013, S. 1961, 1969; WeberGrellet, DB 2010, 2298, 2302 f.; Blümich-Krumm (2018), § 5 EStG Rn. 105a, welcher davon ausgeht, dass insoweit Einigkeit besteht. 1285 Vgl. Schlussantrag des Generalanwalts Francis G. Jacobs vom 15. November 2001: »Diese Fragen stellen sich jedoch in einem Verfahren, das die – nicht durch die Richtlinie erfasste – Bilanzierung für steuerliche Zwecke der Rückstellung […] betrifft. Die Vorschriften der Richtlinie sind daher nur aufgrund einer Reihe von komplexen Verweisungen und annahmen im Rahmen des innerstaatlichen Rechts einschlägig« (Rn. 2); »Ich komme daher zu dem Ergebnis […] dass [der Gerichtshof] für die Auslegung […] nicht zuständig ist.« (Rn. 71). 1286 Die entsprechende Frage aufwerfend Dziadkowski, IStR 2003, 95, 100. 1287 Vgl. insbesondere EuGH, Urt. v. 15. 12. 1995, C-415/93 (»Bosman«), Slg. 1995, I-4921, Rn. 59, und Urt. v. 22. 1. 2002, C-218/00 (»Cisal«), Slg. 2002, I-691, Rn. 18. 1288 So etwa in Sachen EuGH, C-78/70 (»Deutsche Grammophon/METRO«), Slg 1971, 487, 498; EuGH, C-54/85 (»Mirepoix«), Slg 1986, 1067, 1076; EuGH, C-15/96 (»Schöning-Kougebetopoulou«), Slg 1998, I-47, Rn 9; EuGH, C-420/07 (»Apostolides/Orams«), Slg 2009, I-3571, Rn 63. 1289 Vgl. Calliess/Ruffert-Wegener (2016), Art. 267 AEUV Rn. 26, welcher die EuGH-Rechtsprechung hierzu jedoch nicht als ganz eindeutig ansieht.

296

Teil 3: Jurisdiktion der IFRS im Deutschen und Europäischen Rechtsraum

Anwendbarkeit der 4. EG-Bilanzrichtlinie auf nationales Steuerrecht ist bereits damals auch ein Vordringen der IFRS bis hin zu handelsrechtlichen Vorschriften des Einzelabschlusses durch die Rechtsprechung besorgt worden1290. Die Mitgliedsstaaten müssen sich daher auf eine weitreichende und über die vom Wortlaut gedeckte Einwirkung der EuGH-Rechtsprechung auf nationales Bilanzrecht einstellen, so dass auch für den Normanwender im Rahmen des handelsrechtlichen Einzelabschlusses auf die Grundsätze Rücksicht genommen werden muss. Eine Entscheidungskompetenz des EuGHs und damit eine Vorlagepflicht nach § 267 AEUV nationaler Gerichte für das Steuerbilanzrecht besteht indes nicht1291.

III.

Wirtschaftliche Betrachtungsweise

Das Erfordernis einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise bei der Überprüfung der Anwendung der IFRS stellt die Rechtsprechung vor erhebliche Probleme. Erforderlich ist nicht nur eine juristische, sondern auch wirtschaftswissenschaftliche Ausbildung der Richter1292. Aufgrund des induktiven Charakters der IFRS-Methodik meint dies neben bilanzwissenschaftlichen auch wirtschaftspraktische Kenntnisse. Solche vertieften praktischen Erfahrungswerte und materiellen Kenntnisse im Bilanzrecht und der Bilanzwissenschaft entsprechen regelmäßig nicht der juristischen Ausbildung, so dass es häufig an der erforderlichen Sachkompetenz fehlen dürfte. Dies ist indes keineswegs ein Problem, welches nur der gerichtlichen Kontrolle der IFRS immanent ist. Auch in weiteren Rechtsgebieten, etwa dem Medizinrecht, gehen die Kenntnisse, welche die Entscheidung erfordert, über das Wissen der Richter hinaus. In diesen Fällen besteht die Pflicht, fachlichen Rat einzuholen, insbesondere durch Sachverständigengutachten1293. In Handelssachen ist die Kammer darüber hinaus mit fachkundigen Laienrichtern besetzt, vgl. §§ 105, 108ff. HGB. Auch in Bilanzrechtsfragen ist eine solche Besetzung oder aber die Einholung von Sachverständigengutachten ratsam. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass als Fachkundige solcher Fragestellungen vor allen Dingen Wirtschaftsprüfer anzusehen sind. Aufgrund derer bereits herausgearbeiteten,

1290 So Dziadkowski, IStR 2003, 95, 101; kritisch auch Bärenz, DStR 2003, 492, 495. 1291 Dies treffend zusammenfassend: Blümich-Krumm (2018), EStG, § 5 Rn. 99f. 1292 Zur Problematik rechts- und wirtschaftswissenschaftlicher Experten s. Crezelius, Bilanzsteuerrecht zwischen rechtlicher und wirtschaftlicher Betrachtungsweise, in: Fischer/Mellinghoff [Hrsg.], FS-List, 2015, S. 55ff. 1293 BeckOK/ZPO-Scheuch (2017), § 403 Rn. 2, 11; MüKo/ZPO-Zimmermann (2016), § 403 Rn. 7.

Grundsatz: Gerichtliche Kontrolle des Europäischen Gerichtshofs

297

besonderen Stellung im Standardsetting sowie der Kontrolle1294, müssen solche Gutachten daher in besonderem Maße auf objektive und nachvollziehbare Begründungen überprüft werden. Darüber hinaus dienen Sachverständigengutachten im gerichtlichen Verfahren zur Aufklärung von Tatsachen, welche das Gericht zur Subsumtion benötigt. In diesem Sinne ist es Aufgabe des Sachverständigen, aus Erfahrungssätzen und aufgrund besonderer Sachkenntnis Schlussfolgerungen aus feststehenden Sachverhalten zu ziehen, um so dem Gericht diese Erfahrungssätze sowie fachbezogenen Kenntnisse auf dem jeweiligen Wissensgebiet zu vermitteln1295. Merkmal ist also gerade die fehlende Sachkenntnis des Tatrichters, bei welcher der Sachverständigenbeweis entweder von Amts wegen (§ 144 ZPO) oder auf Parteiantrag (§ 403 ZPO) angeordnet werden muss1296. Die Auslegung des Rechts verbleibt indes in der Kernkompetenz des Gerichts. Im Falle der IFRS-Anwendung würde ein Sachverständiger über Rechtsfragen entscheiden und damit die Auslegungskompetenz des Gerichts aushöhlen. Damit wäre eine gerichtliche Kontrolle faktisch zwecklos. Es dürfte indes schwierig sein die Grenze zwischen auslegungsrelevantem Wissen über bilanzwissenschaftliche Fragestellungen und Auslegung der eigentlichen Rechnungslegungsvorschrift zu ziehen. Etwa in insolvenzrechtlichen Verfahren können Sachverständigengutachten hinsichtlich der Frage nach einer Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit, welche eine wirtschaftliche Betrachtung erfordert, als Tatsachenfrage eingeholt werden1297. Insoweit könnte die Frage der Anwendbarkeit bestimmter Rechnungslegungsvorschriften auf einen konkreten Einzelfall sowie die Inhaltsbestimmung eines Begriffs den Gerichten obliegen, während Sachverständigen die Prüfung anvertraut wird, ob der entsprechende Begriffsinhalt im Einzelfall erfüllt ist. Dem Erfordernis wirtschaftlicher Betrachtungsweise des Bilanzrechts kann jedoch auch hierdurch nicht ohne entsprechend geschulte Richter Genüge getan werden. Erfreulich ist in diesem Zusammenhang die einschränkende Sichtweise des EuGHs, welcher der wirtschaftlichen Betrachtungsweise keinen umfassenden Vorrang vor europäischen und nationalen Rechnungslegungsprinzipien einräumt. Seit dem BilMoG gilt für nach dem Grundsatz der Vollständigkeit vorzunehmende Zurechnungen von Vermögensgegenständen eine wirtschaftliche Betrachtungsweise1298. Hierzu hat der EuGH entschieden, dass vom Grundsatz der Bewertung von Vermögensgegenständen nach ihren Anschaffungs- und 1294 Vgl. Teil 2 Kapitel C V. 4. f. bb. 1295 Vgl. BeckOK/ZPO-Scheuch (2017), § 402 Rn. 1; BGH NJW 1993, 1796, 1797; 2007, 2122 Rn. 21. 1296 Vgl. Musielak/Voith-Huber (2018), ZPO, § 402 Rn. 2. 1297 S. etwa BGH Urt. v. 30. 6. 2011, AZ: IX ZR 134/10 = NZI 2011, 589. 1298 Vgl. BeckOK/HGB-Regierer (2018), § 246 Rn. 1, 10.

298

Teil 3: Jurisdiktion der IFRS im Deutschen und Europäischen Rechtsraum

Herstellungskosten nach Art. 32 der Richtlinie 78/660/EWG zugunsten einer Bewertung auf Grundlage ihres tatsächlichen Werts nicht abgewichen werden darf, wenn die Anschaffungs- und Herstellungskosten offenkundig niedriger sind als ihr tatsächlicher Wert1299. Damit wird dem Vorsichtsprinzip Vorrang vor einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise eingeräumt1300. Dennoch führt der gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. h) der »neuen« EU-Bilanzrichtlinie in nationales Recht umsetzende »substance over form«-Grundsatz wohl insgesamt zu einer Verschiebung des europäischen Bilanzrechts zugunsten einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise1301.

IV.

Integrationsfreundliche Rechtsprechung und Brexit

Der Umstand integrationsfreundlicher, politisch geleiteter Entscheidungen des EuGHs1302 führt zu einer Einflussnahme mitgliedsstaatlicher Ansichten zur Auslegung von Rechtsnormen. Die gemeinschaftsrechtliche Bedeutung kann dann durch besondere Einflüsse einzelner Mitgliedsstaaten verschoben werden. Das europäische Bilanzrecht ist durchzogen von anglo-amerikanischen Grundsätzen. Die IFRS sind ein Rechnungslegungssystem, welches gänzlich angelsächsischer Tradition folgt. Es wurde bereits herausgearbeitet, dass die Vereinigten Königreiche maßgeblich dazu beigetragen haben, dass solche Grundsätze aufgenommen werden1303. Ein Austritt der UK aus der EU könnte daher zur Folge haben, dass in der zukünftigen Rechtsprechung des EuGH zum europäischen Bilanzrecht aufgrund des politischen Drucks von Staaten mit kontinentaleuropäischen Rechnungslegungssystemen die anglo-amerikanischen Prinzipien wieder mehr in den Hintergrund stellt. Eine empirische Überprüfung dieser These ist aber derzeit nicht möglich und soll auch nicht zum Gegenstand dieser Arbeit gemacht werden. Treffend dürfte aber die Einschätzung Zwirners sein, dass »die IFRS und das IASB den Brexit überleben werden, wenngleich es für die Akzeptanz der Regelungen und des europäischen EU-Verständnisses nicht förderlich sein dürfte, dass die in der EU einheitlich zu beachtenden Regelungen […] außerhalb der EU […] entwickelt werden«1304.

1299 1300 1301 1302

S. EuGH, Urt. v. 03. 10. 2013, AZ: C 322/12 (»État belge / GIMLE SA«), Leitsatz. Vgl. Hennrichs, WPg 2015, 315, 317f.; kritisch hierzu z. B. Schulze-Osterloh, NZG 2014, 1ff. So auch Dziadkowski, IStR 2014, 461, 466. Vgl. Jahn, NJW 2008, 1788 m.w.N.; Hirsch, ZRP 2007, 69f., der anschaulich herausstellt, dass dem Richter zwar schöpferische Rechtsfindung erlaubt sei, Rechtschöpfung aber dem Gesetzgeber vorbehalten bleibt. 1303 S. Teil 2 Kapitel C V. 2. 1304 Vgl. Zwirner, IRZ 2017, 239, 243.

Einfluss nationaler Gerichte

B.

299

Einfluss nationaler Gerichte

Die Auslegung nationaler Rechtsnormen untersteht grundsätzlich der Kompetenz der nationalen Gerichte. Dies gilt auch dann, wenn europäisches Sekundärrecht in Form von Richtlinien in nationales Recht umgesetzt wurde. Lediglich die mit der Richtlinie verfolgte Harmonisierung der zu regelnden Materie innerhalb der Gemeinschaftsstaaten gebietet es, dass der EuGH zur Sicherstellung der Umsetzung von Sinn und Zweck der Richtlinie tätig wird. Der EuGH hat deshalb auch wiederholt darauf hingewiesen, »dass es im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten nach Art. 234 EG [nunmehr Art. 267 AEUV] allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts ist, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der bei ihm anhängigen Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen«1305. Die nationalen Gerichte können daher unter Berücksichtigung der Grenze des Art. 234 Abs. 3 AUEV selbst festlegen, inwieweit sie Auslegungskompetenzen an die europäische Gerichtsbarkeit abgeben wollen. Soweit der EuGH aber angerufen wird, hat er auch über die Vorlagefrage zu entscheiden, so dass er in der Regel nicht selbst nochmal über seine Zuständigkeit befinden wird1306. Trotz der BIAO-Entscheidung vertritt der BFH eine eher zurückhaltende Position und lehnt eine Vorlagepflicht bei Bilanzierungsfragen, welche im Rahmen steuerrechtlicher Streitigkeiten auftreten, grundsätzlich ab1307. Damit steht der BFH mit Recht im Widerspruch zu einigen FG1308 sowie Teilen der Literatur1309. Der deutsche Gesetzgeber hat sich bewusst gegen eine Einwirkung des True and Fair View auf das Steuerbilanzrecht ausgesprochen1310. Die EG-Bilanzrichtline sollte steuerneutral umgesetzt werden1311. Ein Rückgriff auf angelsächsischen Rechtsprinzipien und damit ggf. auch die IFRS wäre daher nur nach der vom EuGH zugrunde gelegten Verweisungskette vom Steuerbilanzrecht hin zur Bilanzrichtlinie denkbar, die jedoch dogmatisch nicht nachvollziehbar ist.

1305 Vgl. insbesondere EuGH, Urt. v. 15. 12. 1995, Rs. C-415/93 (»Bosman«), Slg. 1995, I-4921, Rn. 59, und Urt. v. 22. 1. 2002, Rs. C-218/00 (»Cisal«), Slg. 2002, I-691, Rn. 18. 1306 S. EuGH, Urt. v. 07. 01. 2003, Rs. C-306/99 (»BIAO«), Tz. 89. 1307 S. BFH GrS BStBl. 2000, 632, 637; BStBl. 1999, 129; 1999, 547, 551; 2002, 227; 2008, 340. 1308 S. FG Köln EFG 1997, 1166; FG Hamburg EFG 1999, 1022. 1309 Vgl. Kirchhof-Crezelius (2014), § 5 Rn. 9 ff.; Blümich-Krumm (2018), § 5 Rn. 9 m.w.N. zum Meinungsstand. 1310 Vgl. Moxter, DStZ 2002, 243, 244; Hennrichs, StuW 1999, 138, 149f. 1311 Vgl. Biener/Berneke/Niggemann, Bilanzrichtlinien-Gesetz, 1986, S. 4f., 7, 17, 19, 22 und passim; Tipke/Lang, Steuerrecht, 2018, § 9 Rn. 62.

300

Teil 3: Jurisdiktion der IFRS im Deutschen und Europäischen Rechtsraum

Der EuGH verkennt insbesondere, dass im deutschen Recht das True and Fair View-Prinzip keinen GoB darstellt1312.

C.

Faktische Bedeutung von Schiedsgerichten

Der Umstand, dass die Bilanzrichtlinien und mittelbar auch die IFRS bisher lediglich im Rahmen der Finanzrechtsprechung relevant geworden sind, zeigt auf, dass handelsrechtliche Streitigkeiten vor den nationalen Gerichten bislang offenbar nur sehr begrenzt ausgefochten wurden. Das dürfte angesichts der vielen Problemfelder innerhalb der IFRS-Rechnungslegung und des erheblichen Konfliktpotentials nicht daran liegen, dass bisher keine Streitigkeiten bestanden. Es drängt sich auf, dass die Rechtstreitigkeiten kapitalmarktorientierter Konzerne eher auf der Ebene der Schiedsgerichtsbarkeit ausgetragen werden. Da Schiedsgerichte in ihrer Entscheidung deutlich freier sind als nationale Gerichte, ist anzunehmen, dass hier allein die IFRS-Auslegungsmethodik Anwendung findet, nicht jedoch öffentliche Interessen berücksichtigt werden. Die Schiedsgerichtsbarkeit soll allerdings nur als ein Beispiel für die Möglichkeit außergerichtlicher Entscheidungen über Rechtsstreitigkeiten dienen. Von Bedeutung sind im Wirtschaftsverkehr auch andere Wege konsensualer Streitbeilegung, wie etwa die Mediation und könnten zukünftig moderne Formen wie das Crowdvoting1313 werden. Die Schiedsgerichtsbarkeit ist in Deutschland in den §§ 1025ff. ZPO geregelt. Schiedsgerichtsbarkeit ist materielle Rechtsprechung1314. Die Bedeutung der Schiedsgerichtsbarkeit im nationalen Bereich ist schwer einzuschätzen, da es an konkreten Zahlen fehlt1315. Zwar mag der prozentuale Anteil solcher Verfahren gering sein1316, gerade im Bereich des Wirtschafts- und Unternehmensrechts ist er jedoch nicht zu vernachlässigen1317. Gerade im internationalen Wirtschafts-

1312 S. Teil 2 Kapitel C VI. 2. b. bb. 1313 Das Crowdvoting macht sich das Prinzip der Schwarmintelligenz (wisdom of the crowd) zu Nutze, indem eine möglichst große Anzahl (ggf. fachkundiger) Personen über Fragestellungen. Solche pluralistischen Entscheidungen haben den Reiz möglichst umfassender Objektivität und sind durch moderne Kommunikationsformen zeitnah erreichbar. Zur Thematik einführend Leimeister, ZfCM 2012, 388ff. 1314 St. Rspr., vgl. etwa BGH NJW-RR 2016, 892, 893 Rn. 15; NJW 2016, 2266, 2268 Rn. 24 = SchiedsVZ 2016, 218 (»Pechstein«). 1315 Vgl. MüKo/ZPO-Münch (2017), Vor § 1025, Rn. 22. 1316 Ebd. 1317 Vgl. für das Gesellschaftsrecht etwa Goette, AnwBl 2012, 33, 34 (Staatsgerichte als »Aschenputtel«).

Faktische Bedeutung von Schiedsgerichten

301

verkehr spielt die Schiedsgerichtsbarkeit eine fundamentale Rolle1318. Die möglichen Vorteile eines solchen Verfahrens für Unternehmen liegen auf der Hand: geringe Verfahrensdauer, freie Wahl sachkundiger Schiedsrichter, effiziente und flexible Verfahrensgestaltung, Geheimhaltung mangels Öffentlichkeitsgrundsatzes und einfachere Handhabung internationaler Streitigkeiten1319. Aufgrund der breiten Verwendung schiedsrichterlicher Verfahren haben sich solche insbesondere für den Wirtschaftsverkehr institutionalisiert. Wichtige Organisationen sind etwa die Internationale Handelskammer (ICC) sowie die American Arbitration Association (AAA). Aufgrund der Bedeutung der Schiedsgerichtsbarkeit insbesondere für international tätige Unternehmen sowie bei grenzüberschreitenden Vorgängen ist ein internationales Streben nach einheitlichen Regeln erkennbar. Die Freiheit, privatrechtliche Streitigkeiten in schiedsrichterliche Hände zu geben ist Ausfluss der Privatautonomie und begründet sich auf nachvollziehbare wirtschaftspraktische Überlegungen. Nichtsdestotrotz ist das Bilanzrecht eine öffentlich-rechtliche Materie1320. Soweit sich etwa bei einer Unternehmensübernahme Probleme hinsichtlich des Unternehmenswerts aufgrund fehlerhafter Finanzinformationen ergeben, könnten die Akteure sich schiedsrichterlich einigen. Die Schutzwirkung der Rechnungslegung für andere Stakeholder wäre aber hinfällig. Aus rechtsdogmatischer Sicht mag einer der größten Nachteile schiedsrichterlicher Entscheidungen die mangelnde Präjudizialität und Rechtsfortbildung sein1321. Allgemein vollzieht die Staatsgewalt im Rahmen der Schiedsgerichtsbarkeit noch Funktionen. Sie betreibt präventive und repressive Kontrollmechanismen, wobei neben die Kontrollfunktion auch eine Unterstützungsfunktion tritt1322. Ferner können öffentlich-rechtliche Enforcemententscheidungen oder gar strafrechtliche Verfolgung falscher Finanzinformationen durch schiedsrichterliche Verfahren nicht umgangen werden. Gerade das Enforcement der Rechnungslegung soll die Anwendung der Rechnungslegungsvorschriften im öffentlichen Interesse sicherstellen. Soweit darüber hinaus Streitigkeiten über die Rechnungslegung auf pri1318 Vgl. Nienaber, SchiedsVZ 2005, 273ff.; Wilske/Markert/Bräuninger, SchiedsVZ 2017, 49, 71f.; ICC-Pressemeldung vom 18. 1. 2017: https://iccwbo.org/media-wall/news-speeches/i cc-reveals-record-number-new-arbitration-cases-filed-2016/ (letzter Zugriff am 06. 11. 2019). 1319 Vgl. etwa Brosius-Gersdorf, VVDStRL 2015, 169, 174; Münch, Bittburger Gespräche in München 2016, 54, 65ff. 1320 S. Teil 2 Kapitel C II. 1321 Vgl. MüKo/ZPO-Münch (2017), Vor § 1025 Rn. 88a; einschränkend für die hiesige Untersuchung wird aber klar, dass in die induktive Norminterpretation der IFRS gerade auch schiedsrichterliche Entscheidungen als »anerkannte Branchenpraktiken« Eingang finden könnten. Mangels Zugänglichkeit solcher Entscheidungen ist dem Standardanwender damit freilich nicht geholfen. 1322 Vgl. MüKo/ZPO-Münch (2017), Vor § 1025 Rn. 9 f.

302

Teil 3: Jurisdiktion der IFRS im Deutschen und Europäischen Rechtsraum

vater Ebene auftreten, spricht daher nichts gegen schiedsrichterliche Entscheidungen. Eine vollständige Verdrängung staatlicher Kontrolle ist darin jedenfalls nicht zu sehen.

D.

Verdrängung der Auslegungskompetenz der Gerichte durch das Auslegungssystem der IFRS und die Stellungnahmen des IFRS IC

Als bisheriges Ergebnis wurde in Teil 2 dieser Arbeit herausgestellt, dass die Auslegungssystematik durch Interpretationen sowie Anwendungs- und Auslegungsanordnungen seitens des privaten Standardsetters dominiert wird. Nur begrenzt und im engen hermeneutischen Spielraum bestehen Möglichkeiten »klassische« kontinentaleuropäische Auslegungsmethoden fruchtbar zu machen. Es muss davon ausgegangen werden, dass das demokratische sowie das rechtsstaatliche Prinzip durch Endorsement der IFRS gewahrt bleibt, allerdings mit geringem Legitimationsniveau, so dass die gerichtliche Kontrolle, gerade auch des EuGHs hinsichtlich der Übereinstimmung des Endorsement mit der Grundverordnung, eine wichtige Funktion erfüllt. Grundsätzlich gehört die Einzelfallanwendung im Sinne der Letztentscheidungskompetenz zur Kernkompetenz der judikativen Staatsgewalt. Während die Idee der Gewaltenteilung ursprünglich den Zweck der Mäßigung und Kontrolle der Staatsgewalt verfolgte, steht heute eher eine funktionsadäquate und effizienzorientierte Zuordnung staatlicher Aufgaben zu den Gewalten im Vordergrund1323. Vor diesem Hintergrund lässt sich aus praktischen Gesichtspunkten argumentieren, dass private Selbstregulierung im Bereich der Rechnungslegung effizientere Einzelfallentscheidungen entwickeln kann, als die Rechtsprechung. Dies gilt umso mehr, je weniger Richter wirtschaftlich geschult sind und damit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise der Auslegung von Bilanzierungsvorschriften gerecht werden können. Die Staatsgewalt darf indes nicht vollständig in private Hände gelegt werden. Entscheidend ist, dass jeweils noch die ursprüngliche Ratio der Gewaltenteilung erfüllt ist, nämlich die wechselseitige Begrenzung und Kontrolle staatlicher Macht. Die Ersetzung der gerichtlichen Kontrolle durch eine unabhängige Institution im Bereich der Exekutive darf daher vorgesehen werden, falls ein zwingender, sachlicher Grund dies erfordert, und dadurch nicht der der rechtsprechenden Gewalt vorbehaltene Kernbereich berührt wird1324. Dazu müssen 1323 Vgl. Maunz/Dürig-Grzeszick (2018), Art. 20 GG Teil V. Rn 50ff.; vgl. auch Teil 1 Kapitel B I. und II. 1324 Vgl. Maunz/Dürig- Grzeszick (2018), Art. 20 GG Teil V. Rn 108; vgl. auch Teil 1 Kapitel B II.

Verdrängung der Auslegungskompetenz der Gerichte

303

Gerichte aber auch tatsächlich mit entsprechenden Fragestellungen befasst werden, was neben Rechtsschutzmöglichkeiten der Betroffenen auch deren Inanspruchnahme voraussetzt.

I.

Empirie zur richterlichen Auslegung der IFRS

Insgesamt ergingen Anfang der 2000er Jahre aufsehenerregende Entscheidungen zum Bilanzrecht durch den EuGH, seitdem ist es aber eher ruhig geworden1325. Die 4. EG-Bilanzrichtlinie ist bislang lediglich in wenigen Fällen1326, die 7. EGBilanzrichtlinie überhaupt nicht Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung durch den EuGH geworden. Innerhalb der deutschen Rechtsprechung hat der BFH eine gerichtliche Überprüfung mangels Auslegungskompetenz abgelehnt. Er geht zutreffend davon aus, dass die IFRS mit den Grundsätzen steuerlicher Gewinnermittlung nicht vereinbar sind und insoweit steuerbilanziell keine Beachtung finden könnten1327. Das heißt aber im Umkehrschluss auch, dass der BFH keine Kompetenz besitzt, die IFRS, welche für die vor ihm geführten Rechtsstreitigkeiten keine Rolle spielen können, auszulegen. Die (berechtigten) Erwartungen, dass mit zunehmendem Zeitablauf die IAS-VO verstärkt Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung werden dürfte1328, haben sich bislang nicht bewahrheitet. Die umfassende Auslegungskompetenz der mitgliedsstaatlichen Gerichte und des EuGHs wird daher faktisch nahezu irrelevant. Das ist nur schwer nachvollziehbar angesichts der Tatsache, dass das Bilanzrecht für Unternehmen eine wichtige Bedeutung hinsichtlich ihres Marktwerts aufweist und die IFRS-Thematik im bilanz- und rechtswissenschaftlichen Kontext erhebliches Konfliktpotential birgt. 1.

Wege gerichtlicher Kontrolle

Die Wege, auf denen eine IFRS-orientierte Bilanzierung zum Gegenstand gerichtlicher Überprüfung werden könnte, sind vielfältig und lassen sich auf verschiedene Ebenen aufteilen. Im Folgenden sollen exemplarisch, d. h. ohne einen 1325 Vgl. Weber-Grellet, DStR-Beihefter 2016, 20, 22. 1326 S. EuGH, Urt. v. 27. 06. 1996, Rs. C-234/94 (»Tomberger«), Slg. 1996, I-3133; EuGH, Urt. v. 14. 09. 1999, Rs. C-275/97 (»DE+ES Bauunternehmung«), Slg. 1999, I-5331; EuGH, Urt. v. 07. 01. 2003, Rs. C-306/99 (»BIAO«), Slg. 2003, I-1; EuGH, Urt. v. 03. 10. 2013, Rs. C-322/12 (»GIMLE SE«) = IStR 2014, S. 24ff.; EuGH, Urt. v. 15. 06. 2017, Rs. C-444/16 sowie C-445/16 (»Immo Chiaradia SPRL/ Docteur De Bruyne SPRL«). 1327 Vgl. BFH Urteil vom 14. 4. 2011, AZ: IV R 46/09, Rn. 24 sowie BFH Urteil vom 25. 8. 2010, AZ: IR 103/09, Rn. 23. 1328 So etwa Wüstemann/Kierzek, BB 2006, Beil. Heft 17, 14ff.; Schön, BB 2004, 763, 764; schon früher zurückhaltend: Nerlich, Auslegungsmethodik IFRS, 2007, S. 260.

304

Teil 3: Jurisdiktion der IFRS im Deutschen und Europäischen Rechtsraum

Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen, gesellschaftsrechtliche, zivilrechtliche sowie prüfungs- und ordnungsrechtliche Streitigkeiten betrachtet werden. a. Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten Jahresabschlüsse von Kapitalgesellschaften, die keine kleinen Kapitalgesellschaften im Sinne des § 267 Abs. 1 HGB sind, unterliegen einer Prüfungspflicht, § 316 Abs. 1 S. 1. Dies gilt nach Abs. 2 auch für Konzernabschlüsse. Der Jahresabschluss darf ohne Prüfung nicht festgestellt bzw. der Konzernabschluss nicht gebilligt werden, § 316 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 HGB. Der Pflicht zur Offenlegung kommt die Gesellschaft nur nach, wenn der festgestellte oder gebilligte Jahresabschluss samt Bestätigungsvermerk oder Vermerk über dessen Versagung eingereicht werden, § 325 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB. Die Versagung eines Vermerks ist für das Unternehmen mit einer negativen Außenwirkung verbunden1329 und die Verletzung von Rechnungslegungsvorschriften kann weitreichende haftungs- und sanktionsrechtliche Folgen für die Organe der Gesellschaft haben. Meinungsverschiedenheiten zwischen der Gesellschaft und ihrem Abschlussprüfer sind daher zu erwarten. Die Möglichkeiten der Einflussnahme durch die Gesellschaft sind aus gesetzlicher Sicht gering. Gemäß § 318 Abs. 6 S. 2 HGB gilt es nicht als wichtiger Grund für eine Kündigung des Abschlussprüfungsauftrags, wenn Meinungsverschiedenheiten über den Inhalt des Bestätigungsvermerks, seine Einschränkung oder Versagung bestehen. Die vormals in § 324 HGB a. F. vorgesehene gerichtliche Entscheidung bei Meinungsverschiedenheiten mit dem Abschlussprüfer ist durch das BilMoG entfallen1330. Einige Vorschriften im Gesellschaftsrecht sehen die Nichtigkeit des Jahresabschlusses unter verschiedenen Tatbestandsvoraussetzungen vor, so etwa §§ 173 Abs. 3, 234 Abs. 3, 235 Abs. 2, 256 AktG. Lediglich § 256 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AktG bezieht sich jedoch auf eine fehlerhafte Rechnungslegung. Demnach ist ein von Vorstand und Aufsichtsrat festgestellter Jahresabschluss unter anderem nichtig, wenn er durch seinen Inhalt Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger der Gesellschaft gegeben sind. Ein solcher Fall könnte aus fehlerhafter Auslegung der IFRS-Bilanzierungsnormen resultieren1331. In solchen Fällen können Gesellschafter gem. § 257 Abs. 7 in Verbindung mit § 249 AktG auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses klagen. Die Nichtigkeit bewirkt, dass die Rechnungslegungspflichten des Unternehmens nicht erfüllt sind sowie die Nichtigkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses. Gesellschafter dürften daran nur in solchen Fällen ein Interesse haben, in denen die fehlerhafte An1329 S. hierzu schon Teil 2 Kapitel C V. 4. f. bb. 1330 Vgl. hierzu Teil 3 Kapitel D I. 1. c. 1331 Hierzu einleitend Weilep, Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses, 2011, S. 260ff.

Verdrängung der Auslegungskompetenz der Gerichte

305

wendung einer Rechnungslegungsvorschrift zu deutlich verminderten Ausschüttungen führt. In erheblichen Fällen könnten auch die Haftung von Vorstand und Aufsichtsrat für Schäden der Gesellschaft sowie die Strafbarkeitsvorschriften der §§ 331 Nr. 1, 1a HGB, 400 AktG greifen. Allerdings ist der Anwendungsbereich der Nichtigkeitsvorschrift durch § 256 Abs. 4, 5 AktG eingeschränkt. Die Rechtsprechung nimmt nur bei schwerwiegenden Verstößen eine Nichtigkeit an1332. Verhältnismäßig gering für den Bereich der Rechnungslegung dürfte die Haftung der Geschäftsführer aus § 43 Abs. 1, 2 GmbHG bzw. des Vorstandes aus § 93 AktG sein. Diese Gesellschaftsorgane haben die Pflicht, bei der Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Sie haften als Gesamtschuldner für den Schaden der aus der Verletzung ihrer Pflichten entsteht. Hierzu wurden innerhalb der betriebswirtschaftlichen Lehre die Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensführung entwickelt, zu welcher auch die Grundsätze ordnungsgemäßer Überwachung zählen1333. Dazu zählt auch die Überwachung der Buchführung, der Abschlusserstellung sowie -prüfung. Ferner wird das Management bei auslegungsbedürftigen IFRS wegen IAS 8.12 besonders in die Verantwortung genommen. Es ist denkbar, dass auf diesem Wege Regressansprüche der Gesellschaft bzw. derer Gesellschafter gegenüber Geschäftsführern bzw. dem Vorstand wegen fehlerhafter Rechnungslegung Gegenstand gerichtlicher Verfahren werden. Im Organhaftungsrecht gilt allerdings der Grundsatz, dass bei rechtlichen Zweifelsfragen, d. h. insbesondere bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe, der Geschäftsführer einerseits für die GmbH günstige Rechtspositionen vertreten darf 1334, andererseits einer Haftung aber auch dadurch entgehen, dass er bei mangelnder Sachkunde einen externen Rechtsrat von einem fachlich qualifizierten Berufsträger einholt und diesen einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle unterzieht1335. Mit der Arbeit des fachkundigen Abschlussprüfers dürfte daher regelmäßig eine Entlastung möglich sein. Darüber hinaus genügt zumindest eine vertretbare Auslegung von Rechnungslegungsvorschriften in der Regel nicht den 1332 Vgl. BGH 124, 117; 137, 384. 1333 Vgl. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack (2017), GmbHG, § 43 Rn. 19. 1334 Vgl. Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 2015, § 14 Rn. 81; Scholz-Schneider (2014), § 43 Rn. 79 (bei bestehenden Zweifeln nach Einholung eines Sachverständigenrates); zur AG: Spindler/Stilz, AktG, 2015, § 93 Rn. 30; s. auch ganz allgemein zum Ermessensspielraum des Geschäftsführers im Sinne der business judgement rule: Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen (2014), § 43 Rn. 110f. 1335 Vgl. BGH, Urt. v. 20. 09. 2011 (AZ: II ZR 234/09) = NZG 2011, S. 1271 (»ISION«); Baumbach/ Hueck-Zöllner/Noack (2017), GmbHG, § 43 Rn. 23c; zur neuerlichen Rechtsprechung zur »reliance defense« vgl. auch Fleischer, KSzW 2013, 3 ff. Der BGH hat mit Urteil vom 28. 03. 2015, BGH NZG 2015, 792, 795 (Rn. 36) deutlich gemacht, dass sowohl personelle, als auch sachliche Unabhängigkeit bestehen muss, um der Gefahr eines »Gefälligkeitsgutachtens« zu entgehen.

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Teil 3: Jurisdiktion der IFRS im Deutschen und Europäischen Rechtsraum

Organhaftungsvoraussetzungen. Letztlich wäre der Anwendungsbereich nur für solche Fälle eröffnet, in denen der sachverständige Rat offensichtlich Gefälligkeitscharakter hat1336, wobei dann auch die Auslegung der Rechnungslegungsvorschriften nur sekundäre Bedeutung in der gerichtlichen Entscheidung hat. b. Zivilrechtliche Schadenersatzansprüche Schadenersatzansprüche von Anlegern aufgrund fehlerhafter Finanzinformationen und damit verbundener misslicher Vermögensdispositionen können grundsätzlich aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit individualschützenden Normen des Handels-, Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts resultieren. Der BGH hat einen Schadenersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit der Bilanzierungspflicht des § 41 GmbHG als Schutzgesetz für den Fall hergeleitet, dass ein Dritter auf die Richtigkeit des Jahresabschlusses vertraut und daraufhin eine Vermögensdisposition getroffen hat1337. Folgerichtig muss daher auch § 238 HGB als Schutzgesetz angesehen werden, jedenfalls soweit die Verletzung der Bilanzierungsvorschriften bereits nach §§ 283 Abs. 1 Nr. 5–7, 283b StGB, § 331 HGB strafrechtlich sanktioniert wird1338. Gemäß § 323 Abs. 1 S. 1 HGB haftet der geprüften Gesellschaft auf Schadenersatz, wer vorsätzlich oder fahrlässig seine Pflichten bei Durchführung einer Pflichtprüfung verletzt. Gemeint sind die Pflichten aus Abs. 1 S. 1 und 2 dieser Vorschrift, etwa die gewissenhafte und unparteiische Prüfung. Der Abschlussprüfer haftet nach Maßgabe des § 323 HGB auch für einen unrichtigen Bestätigungsvermerk1339. Der Anspruchsteller trägt regelmäßig die Darlegungs- und Beweislast, dass die Vornahme einer nach den Umständen erforderlichen Prüfungshandlung einen bestimmten, fehlerhaften Sachverhalt aufgedeckt hätte. Es ist schwerlich vorstellbar, dass über einen solchen Schadenersatzprozess mit hohen Haftungsanforderungen tatsächlich die Auslegung von Rechnungslegungsstandards zum Gegenstand gerichtlicher Kontrolle gemacht wird. Ansprüche aus deliktischer Haftung des Abschlussprüfers gegenüber Dritten sind grundsätzlich denkbar und können aus §§ 823 Abs. 1, 2, 824, 826, 831 sowie 839a BGB resultieren1340. Solche Haftungsverhältnisse sollen hier aber ausgespart bleiben, da sie ein Verschulden des Wirtschaftsprüfers voraussetzen, es hier aber 1336 Vgl. zur Entlastungswirkung solcher Gefälligkeitsgutachten Fleischer, DB 2015, 1764, 1768f. 1337 S. BGHZ 125, 366, 377 ff. = NJW 1995, 1801, 1804f.; ablehnend noch BGH, BB 1964, 1273; zum Meinungsstand auch Baumbach/Hueck-Haas (2017), § 41 Rn. 19. 1338 Vgl. MüKo/BGB-Wagner (2017), § 823 Rn. 138; ablehnend zur Schutzgesetzwirkung etwa Baumbach/Hopt-Merkt (2018), § 238 Rn. 20, welcher aber eine Haftung aus c.i.c. gem. § 311 Abs. 2, 3 sowie § 826 für denkbar hält. Ausführlich zum Meinungsstand in Literatur und Rechtsprechung BeckOGK/BGB-Spindler (2018), § 823 Rn. 364f. m. w. N. 1339 S. BGH Urt. v. 02. 04. 1998, Az.: III ZR 245/96 = BB 1998, 1152ff. 1340 Für eine ausführliche Darstellung s. BeBiKo-Schmidt/Feldmüller (2018), § 323 HGB, Rn. 172–189.

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nur um eine fehlerhafte Auslegung von Rechnungslegungsvorschriften geht, welche dann der gerichtlichen Kontrolle unterliegen würde. Wenigstens der Auftrag zur gesetzlich vorgeschriebenen Abschlussprüfung stellt keinen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter dar. Zwar dient die gesetzliche Abschlussprüfung dem öffentlichen Interesse an der Richtigkeit und Integrität von Jahresabschlüssen1341, nicht jedoch den Vermögensinteressen einzelner Kapitalmarktteilnehmer1342. Etwas anderes kann indes gelten, soweit besondere Umstände hinzutreten, etwa der Vereinbarung, dass das Prüfungsergebnis eine Leistung ausdrücklich auch für einen konkreten Dritten darstellen soll, welcher auf die Sachkunde des Wirtschaftsprüfers vertraut. c. Rechtsbehelfe gegen Enforcement-Entscheidungen sowie Strafvorschriften Infolge der vielfältigen Enforcementeinrichtungen und Prüfungspflichten von Jahresabschlüssen sowie enger Ausschlussfristen gesellschaftsrechtlicher Klagemöglichkeiten bei fehlerhaften Finanzberichten bestehen die weitreichendsten Möglichkeiten gerichtlicher Kontrolle im Wege der Rechtbehelfe gegen Enforcemententscheidungen. Bis zum BilMoG bestand gemäß § 324 HGB a. F. die Möglichkeit, bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Abschlussprüfer und der Kapitalgesellschaft über die Auslegung und Anwendung gesetzlicher Vorschriften das Landgericht anzurufen. Dieses konnte dann durch begründeten Beschluss entscheiden. Dieses Verfahren hatte praktisch so gut wie keine Bedeutung und wurde deshalb vom Gesetzgeber aufgehoben1343. Damit besteht derzeit keine gesetzlich normierte Möglichkeit, Rechtsschutz bei solchen Meinungsverschiedenheiten zu ersuchen, was für die Unternehmen die Gefahr eines eingeschränkten Bestätigungsvermerks oder sogar dessen Versagung bei divergierender Auslegung der Rechnungslegungsvorschriften begründet. Gemäß § 37n WpHG obliegt der BaFin hinsichtlich bestimmter Unternehmen die Überprüfung, ob Jahresabschlüsse den Anforderungen der Rechnungslegungsvorschriften einschließlich der GoB entsprechen. Bei konkreten Anhaltspunkten für einen Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften ist die BaFin verpflichtet, eine Prüfung der Rechnungslegung anzuordnen, § 37o Abs. 1 S. 1 WpHG. Das kann für Unternehmen in Fällen des Satzes fünf dieser Vorschrift 1341 Vgl. IdW [Hrsg.], IDW PS 200, Stand: 03. 06. 2015, Rn. 8 ff. 1342 So zutreffend auch BGH, Urt. v. 6. 4. 2006, AZ: III ZR 256/04 = BGHZ 167, 155; auch Zugehör, WM 2006 Sonderbeilage 3, 1; BeBiKo-Schmidt/Feldmüller (2018), § 323 HGB, Rn. 200; der Gesetzgeber hat die Dritthaftung bewusst nicht normiert, vgl. BeckOK/HGB-Poll (2018), § 323 Rn. 34. 1343 In den vorherigen 50 Jahren sind nur wenige Verfahren i. S. d. § 324 HGB a. F. bekannt geworden, vgl. BilMoG BegrRegE, BT-Drs 16/10067, S. 91; zuletzt OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19. 5. 2010, AZ: 26 W 4/08 = DB 2010, 1454.

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Teil 3: Jurisdiktion der IFRS im Deutschen und Europäischen Rechtsraum

bereits mit einer Gefährdung der Reputation einhergehen. Gemäß § 37q Abs. 2 WpHG ordnet die BaFin an, dass von ihr oder der Prüfstelle festgestellte Fehler der Rechnungslegung öffentlich bekannt zu machen sind. Gegen Verfügungen der BaFin ist die Beschwerde statthaft, welche keine aufschiebende Wirkung hat § 113 Abs. 1 WpHG. Aufgrund der sachlichen Nähe für den Bereich der Rechnungslegung ist ausschließlich das OLG Frankfurt am Main zuständig, § 113 Abs. 2 WpHG in Verbindung mit § 48 Abs. 4 WpÜG. Ein weiteres Rechtsmittel gegen die Entscheidung über die Beschwerde besteht nicht1344. Obligatorisch ist vor Erhebung der Beschwerde ein Widerspruchsverfahren durchzuführen, § 112 WpHG. Der Widerspruch hat grundsätzlich aufschiebende Wirkung, § 113 Abs. 1 S. 3 WpHG, § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO. Hiervon macht § 113 Abs. 2 WpHG Ausnahmen. Ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung wird in der Regel unbegründet sein, da dies dem Gebot eines zeitnahen, schnellen und effektiven Enforcementverfahren widerspräche1345. Gegen Entscheidungen der Prüfstelle besteht kein Rechtsmittel, vgl. § 50 Abs. 6 S. 2 HGB. Das ist insoweit nachvollziehbar, als diese ohne hoheitliche Befugnisse tätig wird, es sich mithin nicht um »Verfügungen« im Sinne des § 113 Abs. 1 WpHG als Verwaltungsakte gemäß § 35 Abs. 1 VwGO handelt1346. Da auch Entscheidungen der Prüfstelle für die Unternehmen mit einer Beschwer verbunden sind, wäre es dennoch vor dem Hintergrund effektiven Rechtsschutzes geboten, einen Rechtsbehelf vorzusehen. Es besteht jedoch nach § 3 Abs. 1 Nr. 7 der Verfahrensordnung der DPR die Möglichkeit, Beschwerde vor dem DPRBeschwerdeausschuss einzulegen. Außerdem kann das Unternehmen schlicht die Mitarbeit bei der Prüfungstätigkeit der DPR versagen, woraufhin die BaFin auf zweiter Stufe des Enforcement tätig wird1347, gegen deren Entscheidungen dann wieder Rechtsbehelfe statthaft sind. Eine wichtige Funktion der ESMA im Rahmen des Enforcement stellt der in den Leitlinien festgelegte Austausch der europäischen Enforcementeinrichtungen dar. Bereits die CESR als Vorgängerinstitution zur ESMA hat mit dem ECCS ein Forum für einen solchen Austausch bei IFRS-Auslegungsfragen und strittigen Entscheidungen auszutauschen. Die ESMA veröffentlicht Enforcemententscheidungen in der EECS Database of Enforcement und veröffentlicht regelmäßig Auszüge (extracts) aus dieser Datenbank1348. Grundsätzlich ist damit die Entscheidung der nationalen Enforcementeinrichtungen Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle. Auch die Veröffentlichung stellt indes einen Beschluss der ESMA dar, welcher Gegenstand einer Beschwerde im Sinne der Art. 17, 18, 19 1344 1345 1346 1347 1348

Vgl. Assmann/Schneider (2012), WpHG § 37 u Rn. 1. So etwa OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 12. 02. 2007, AZ: WpÜG 1/06 = BB 2007, 1383. Vgl. Schwark/Zimmer-Hennrichs (2010), WpHG, § 37 t Rn. 1, 2. Ebd. S. mit Beispielen hierzu etwa Fischer, PiR 2016, 292ff.; vgl. auch Teil 2 Kapitel C V. 4. e. f. ff.

Verdrängung der Auslegungskompetenz der Gerichte

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ESMA-VO oder einer Klage vor dem EuGH sein kann, Art. 61 ESMA-VO. Allerdings ist hier in der Regel der Fehler der Rechnungslegung nicht mehr Gegenstand der eigentlichen Überprüfung, so dass die Auslegung der IFRS auf diesem Weg nicht relevant wird. Es sei an dieser Stelle noch darauf hingewiesen, dass die Fehlerfeststellung von Enforcementstellen keine aufschiebende Wirkung hat. Werden die Rechnungslegungsmethodiken, welche als fehlerhaft bewertet wurden, beibehalten, führt dies erneut zur Fehlerhaftigkeit der Rechnungslegung1349. Das heißt aber auch, dass Unternehmen bis zur gerichtlichen Entscheidung, welche sich über mehrere abschlusspflichtige Geschäftsjahre erstrecken kann, der Enforcemententscheidung folgen muss, um weiteren negativen Offenlegungen durch die Aufsichtsbehörden entgehen zu können. Eine spätere und stattgebende gerichtliche Entscheidung ist für das Unternehmen dann in der Regel kaum noch von Interesse. Die fehlerhafte Darstellung der Unternehmenslage kann sowohl straf- als auch ordnungsrechtliche Folgen haben. Beide Regelungsgebiete sind nationalem Recht vorbehalten, so dass sich die Konsequenzen für deutsche Unternehmen aus dem HGB ergeben. §§ 331, 332 HGB stellen diesbezüglich Strafvorschriften dar, § 334 HGB enthält eine Vielzahl von Bußgeldvorschriften. In Bezug auf eine strittige Auslegung von Rechnungslegungsvorschriften dürften in der Regel lediglich Bußgeldtatbestände relevant werden. Eine tatbestandliche Verwirklichung von Straftatbeständen in diesem Sinne dürfte sowohl an der regelmäßig erforderlichen Schwere der Fehldarstellung, als auch am Vorsatz scheitern. d. Normenkontrollmöglichkeiten Konkrete Normkontrollmöglichkeiten der Gerichte mit der Folge, dass übernommene IFRS als ungültig erklärt werden, gestalten sich schwierig. Ein deutsches Gericht hat grundsätzlich die Möglichkeit, ein Gesetz, auf welches es für die konkrete Entscheidung ankommt und das es für verfassungswidrig hält, dem BVerfG zur Kontrolle vorzulegen, Art. 100 GG. Das BVerfG verfügt über ein Verwerfungsmonopol. Vorlagefähig in diesem Sinne sind nur deutsche, förmliche Gesetze1350. Vorlagegegenstand ist der einzelne, entscheidungserhebliche Rechtssatz, nicht das gesamte Normwerk, außer eine Entscheidung ist nur gesamtheitlich möglich1351. Grundsätzlich erscheint daher die Überprüfung einzelner IFRS denkbar. Hinsichtlich der IFRS wird im deutschen Recht indes nur über § 315e HGB auf die maßgebliche IAS-VO verwiesen. Während das BVerfG früher auch europäisches Sekundärrecht als zulässigen Vorlagegegenstand er1349 Vgl. etwa Leitsätze des OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 09. 08. 2016, AZ: WpÜG 1/16 = ZIP 2017, 378. 1350 S. nur BVerfGE 95, 39, 44 = NJW 1997, 1359. 1351 So BVerfGE 87, 234, 254 = NJW 1993, 643.

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Teil 3: Jurisdiktion der IFRS im Deutschen und Europäischen Rechtsraum

achtet hat1352, erkennt es sich heute keine Prüfungskompetenz mehr zu, da die Prüfung ausschließlich nach europarechtlichen Grundlagen ausreichend sei und zwar selbst dann, wenn eine Richtlinie einen geringen Umsetzungsspielraum zulässt1353. Damit scheidet die konkrete Normkontrolle des Art. 100 GG sowohl für die über die IAS-VO übernommenen IFRS, als auch grundsätzlich für Vorschriften in Umsetzung der EU-Bilanzrichtlinie aus. Die zumindest frühzeitlich vom BVerfG geäußerten Bedenken hinsichtlich demokratischer und verfassungsrechtlicher Defizite im Rechtsraum der Europäischen Union sind weitestgehend beigelegt und die Übernahme der IFRS stellt keinen derart schwerwiegenden Grundrechtseingriff dar, dass das BVerfG seine Zuständigkeit wieder aufnimmt1354. Im Rahmen des Vorlageverfahrens nach Art. 267 AEUV kann nicht nur die Auslegung von Unionsrechtsakten, sondern auch deren Gültigkeit zum Verfahrensgegenstand gemacht werden, vgl. Art. 267 Abs. 1 lit. b) AEUV. Auch private Unternehmen haben die Möglichkeit, sich auf die Ungültigkeit von EU-Verordnungen zu berufen und eine gerichtliche Klärung herbeizuführen1355. Prüfungsmaßstab sind der EU-Vertrag, der AEUV, die EU-Grundrechtecharta, allgemeine Rechtsgrundsätze sowie die im Rang über europäischem Sekundärrecht stehenden völkerrechtlichen Abkommen1356. Der gleiche Prüfungsmaßstab ist dem EuGH ferner über die Nichtigkeitsklage klagebefugter individueller Kläger nach Art. 19 Abs. 3 lit a) EUV, Art. 263 Abs. 4 AEUV einschlägig. Im Komitologieverfahren müssen die übernommenen Normen insbesondere mit den Kriterien der Basisverordnung übereinstimmen, insbesondere also auch die endorsed IFRS mit den Übernahmekriterien der IASVO. Damit wird das europäische Bilanzrecht zum Prüfungsmaßstab der IFRS. Über diesen Weg obliegt die letztinstanzliche Kontrolle der endorsed IFRS dem EuGH, welcher zumindest einzelne Rechtssätze der Standards für ungültig und damit unanwendbar erklären kann. Sollte hierdurch eine Regelungslücke entstehen, wäre diese unter Beachtung der Rechtsauffassung des EuGHs nach den allgemeinen und in Teil 2 dieser Arbeit herausgestellten Prinzipien zu schließen.

1352 1353 1354 1355 1356

S. BVerfGE 52, 177, 199, 201f. = NJW 1979, 1925. Vgl. BVerfGE 129, 186 = NJW 2012, 45. Zur Verfassungskonformität der IFRS vgl. schon Teil 2 Kapitel C I. 4. Vgl. EuGH, Urt. v. 13. 02. 1979, Rs. C-107/78, Slg. 1979, 623, 637. Vgl. Streinz-Ehricke (2018), Art. 267 AEUV Rn. 25; von der Groeben/Schwarze/HatjeGaitanides (2015), EU-Recht, Art. 267 Rn. 35. Vorrangig obliegt es freilich den nationalen Gerichten, im Wege der Auslegung zu einer verhältnismäßigen und zur Gültigkeit des Unionsrechts führenden Auslegung zu gelangen, vgl. EuGH, Urt. v. 29. 04. 1999, Rs. C-293/ 97 (»Standley«), Slg. 1999, I-2603, Rn. 50.

Verdrängung der Auslegungskompetenz der Gerichte

2.

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Überlegungen zur Ursache mangelnder gerichtlicher Kontrolle

Es gibt damit eine Vielzahl von Einfallstoren für eine gerichtliche Kontrolle der IFRS. Dennoch finden sich keine Entscheidungen, in denen die IFRS und insbesondere deren Gültigkeit tatsächlich einmal Gegenstand gewesen wären. Dieser Umstand muss verwundern ob der erheblichen Diskussionen über die IFRS als solche, als auch einzelner Vorschriften. Die Probleme bei der Anwendung und Auslegung der IFRS legen den Schluss nahe, dass Unternehmen die Vertretbarkeit ihrer Bilanzierungsentscheidung überprüfen lassen wollen. Das gilt umso mehr, da das Rangverhältnis zwischen nationalen und internationalen Rechnungslegungsvorschriften im Kollisionsfall nicht geklärt ist. Ein Grund mangelnder Einlegung von Rechtsbehelfen gegen Entscheidungen der Wirtschaftsprüfer sowie von Enforcementinstitutionen dürfte ein Vertrauen auf deren Richtigkeit sein. Es hat sich gezeigt, dass diese Institutionen eng mit dem IASB zusammenarbeiten und Anwendungsleitlinien herausgeben. Es handelt sich um Experten auf ihrem Gebiet, deren Entscheidung kaum von weniger geschulten Richtern in Zweifel gezogen werden können. Jedenfalls besteht eine erhebliche Unsicherheit hinsichtlich der gerichtlichen Entscheidung, so dass die Kalkulierung des Prozessrisikos eine abschreckende Wirkung hat. Soweit im Prüfungsverfahren Fehler auffallen ist außerdem denkbar, dass Bilanzierungsentscheidungen schlicht nach Maßgabe der Wirtschaftsprüfer angepasst werden, da dies regelmäßig die effizientere Entscheidung sein wird. Der Standardanwender wird seine Fachkenntnis auch nur selten über diejenige der Wirtschaftsprüfer stellen, da die Fallorientierung der IFRS eine norminterpretierende Tätigkeit für ihn regelmäßig ohnehin schwierig macht. Die Kosten eines Unternehmens beschränken sich im Falle des Unterliegens nicht auf die Verfahrenskosten. Durch das gerichtliche Verfahren können Verstöße gegen Rechnungslegungsvorschriften öffentlichkeitswirksam werden1357. Die Reputation ist ein wichtiges Gut von Unternehmen. Es ließ sich empirisch nachweisen, dass der gute Ruf eines Unternehmens einen zählbaren Vermögenswert hat1358. Wird der Ruf beschädigt, tritt ein Reputationsvermögensschaden ein, welcher sich definieren lässt als der abgezinste Wert aller künftigen Mehrkosten und Mindereinnahmen, welcher durch das verminderte Vertrauen der Stakeholder an der zukünftigen Fähigkeit oder Bereitschaft der Unternehmen ihren Pflichten nachzukommen, bedingt wird1359. Ein Reputationsvermögensschaden konnte etwa bei der Kenntnisnahme von Anlegern über Fehlin-

1357 Vgl. etwa Reimer, JöR 2010, 275, 284. 1358 Vgl. Klöhn/Schmolke, NZG 2015, 689, 691. 1359 Vgl. Klöhn/Schmolke, NZG 2015, 689, 692.

312

Teil 3: Jurisdiktion der IFRS im Deutschen und Europäischen Rechtsraum

formation des Kapitalmarkts nachgewiesen werden1360. In diesem Zusammenhang führt ein Reputationsverlust zu eingeschränkten Außenfinanzierungsmöglichkeiten der Unternehmen. In Bezug auf die Eigenkapitalfinanzierung verfolgen insbesondere Privatanleger heuristische Unternehmensbewertungsmethoden, bei denen häufig der Reputation ausschlaggebende Bedeutung zukommt1361. Die Möglichkeiten und die Konditionen der Fremdkapitalfinanzierung können sich durch sinkende Kreditwürdigkeit infolge sinkender Eigenkapitalquoten nach den bankinternen Ratingsystemen verschlechtern1362. Relevant sind hierbei auch die Effekte des Principal-Agency-Problems, wonach Anleger aufgrund vergangener Missstände zukünftig Informationsasymmetrien antizipieren. Das Unternehmen wird daher an einer außergerichtlichen Streitbeilegung interessiert sein. Dies gilt freilich nicht, soweit Enforcemententscheidungen veröffentlicht werden und hierdurch die Unternehmensreputation in Mitleidenschaft gerät. In diesem Fall kann ein gerichtliches Verfahren im Falle des Obsiegens die Reputation teilweise wiederherstellen1363.

II.

Verbindlichkeit der IFRS IC-Interpretations

Für die Frage nach einer Verdrängung der gerichtlichen Auslegungskompetenz wiegt der Umstand schwer, dass die IFRSF mit den IFRS IC-Interpretationen selbst norminterpretierend tätig wird. Aus Sicht des IASB ist eine Normanwendungskontrolle durch nationale Gerichte oder den EuGH ein Fremdkörper, steht aber nicht zu dessen Disposition1364. Die Interpretationen unterliegen wie alle Verlautbarungen dem Endorsementverfahren, werden hierdurch aber auch zu unmittelbar geltendem Recht. IFRIC haben aus rechtsdogmatischer Sicht deshalb zwangsläufig den Charakter einer Rechtsnorm und unterliegen vollumfänglich der gerichtlichen Kontrolle und Auslegungskompetenz1365. Die Gerichte müssen also norminterpretierend hinsichtlich von Norminterpretationen tätig werden. Dieser Umstand führt dazu, dass dennoch die Auslegungskompetenz bei den nationalen und europäischen Gerichten verbleibt. Da die einzelfallorientierten IFRS nicht spezifisch genug sind, um alle Bilanzierungsfragen zu klären, 1360 Vgl. Barnett/Pollock-Karpoff, Oxford Handbook of Corporate Reputation, 2012, S. 361, 364–367. 1361 Vgl. Helm, Unternehmensreputation, 2007, S. 237. 1362 Vgl. Becker, Investition und Finanzierung, 2016, S. 184ff. 1363 Es muss aber aus Sicht des Unternehmens auch berücksichtigt werden, dass die reputationsschädigende Wirkung gerichtlicher Verfahren stärker wiegen kann, als eine reputationsheilende Wirkung positiver Entscheidungen. 1364 Vgl. MüKo/Bilanzrecht-Hennrichs (2014), Einführung IFRS, Rn. 74. 1365 So auch Schön, BB 2004, 763, 764f.; Nerlich, Auslegungsmethodik IFRS, 2007, S. 257.

Verdrängung der Auslegungskompetenz der Gerichte

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gilt dies auch für die Interpretationen, welche zwar weitere in praxi aufkommende Fragen zu IFRS klären, materiell jedoch auch nicht mehr als einen weiteren Fall klären, der wiederrum Regelungslücken und offene Fragen aufwerfen kann. Insoweit kann den Interpretationen aus dieser Sicht keine weitreichendere Verdrängungswirkung als den IFRS als solchen zugesprochen werden. Die Problematik liegt eher darin, dass im Verhältnis zu den IFRS die Interpretationen zeitnahe Antworten auf konkrete Rechnungslegungsfragen bieten sollen. Bei ungeklärten oder umstrittenen Rechtsfragen akzeptieren die Abschlussprüfer in der Praxis vertretbare Auffassungen in der Regel ohne Testatseinschränkung1366. Dadurch ist es für den Standardanwender die rechtlich sicherere und schnellere Möglichkeit der Klärung von Auslegungsfragen im Verhältnis zur Inanspruchnahme der Gerichte oder auch des DPR-Preclearance. Darüber hinaus können nach der allgemeinen Auslegungsmethodik der IFRS bereits not endorsed IFRIC wie auch Agenda Rejections Beachtung finden1367. Faktisch besteht daher kaum ein Interesse für den Standardanwender an einer gerichtlichen Entscheidung. Soweit eine Interpretation zur Lückenschließung dienen soll, dürfte es regelmäßig erforderlich sein, diese von dem allgemeineren Standard her abzuleiten. Soweit die Gerichte geneigt sein sollten, die interpretationstheoretische Regelung »singularia non sunt extendenda« bzw. »enumeratio, ergo limitatio«1368 anzuwenden, ist eine normerweiternde Anwendung einer Interpretation zumindest mit Vorsicht zu genießen. Im Rahmen der Rechtsanwendung eines Standards kann die Interpretation dann aber als Rechtserkenntnisquelle herangezogen werden.

III.

Schlussfolgerungen

Gerichtliche Entscheidungen spielen für die IFRS keine nennenswerte Rolle. Das zeigt nicht zuletzt, dass mit der Aufhebung des § 324 HGB a. F. die Möglichkeit einer konkreten gerichtlichen Entscheidung über Auslegungsfragen mangels praktischer Relevanz aufgehoben wurde. Es finden sich verschiedene Erklärungsansätze hierfür. So könnten etwa von den Unternehmen befürchtete Reputationsverluste oder mangelnde Fachkenntnis der Gerichte im Verhältnis zu den vorbefassten Enforcementinstitutionen von Bedeutung sein. Das hat zur Folge, dass die Rechtsprechung in diesem Umfeld ihrer Aufgabe der Auslegung von Rechtsvorschriften im Einzel- und Streitfall nicht gerecht werden kann. Die 1366 In diese Richtung z. B.: IdW [Hrsg.], WP Handbuch, 2017, Teil M Rn. 829f. 1367 Vgl. Teil 2 Kapitel C IV. 3. c. sowie V. 4. e. ee. (6). 1368 Vgl. hierzu Teil 2 Kapitel C V. 3.

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Teil 3: Jurisdiktion der IFRS im Deutschen und Europäischen Rechtsraum

Auslegungs- und Letztentscheidungskompetenz nationaler und europäischer Gerichte ist daher faktisch bedeutungslos. Ein mögliches Gegengewicht zur mangelnden Einflussnahme auf die private Selbstregulierung wird sich durch die judikative Staatsgewalt kaum erreichen lassen.

E.

Die Jurisdiktion des BFH – Keine Maßgeblichkeit der IFRS für die Steuerbilanz

Abseits der gesetzgeberischen Entwicklungen im Handelsrecht bieten die GoB einen Anknüpfungspunkt, über den die Gesetzesauslegung der Judikative maßgeblichen Einfluss auf die Fortentwicklung der Rechnungslegungspraxis nehmen kann. Die GoB sind Handelsrecht und unterliegen damit grundsätzlich der gerichtlichen Kontrolle des BGH. Ein Blick auf die deutsche Jurisdiktion zum Bilanzrecht zeigt hingegen, dass in der Regel fachgerichtliche Entscheidungen der Finanzrechtsprechung vorliegen1369. Dabei ist zu bedenken, dass diese als Teil der besonderen Gerichtsbarkeit sachlich für Streitigkeiten zwischen Steuerbürgern und der Finanzverwaltung zuständig ist1370, vgl. insbesondere §§ 33, 35 FGO, 98 EStG. Gegenstand von Rechnungslegungsstreitigkeit bildet insoweit die Steuer- nicht die Handelsbilanz. Beides sind grundsätzlich unabhängige Bilanzen mit unterschiedlichen Zwecksetzungen1371. Trotz dieser Unabhängigkeit hatten Entscheidungen des BFH lange einen wichtigen Einfluss auch auf handelsbilanzielle Ansatz- und Bewertungsfragen. Über den Grundsatz der Maßgeblichkeit aus § 5 Abs. 1 EStG entscheidet der BFH in steuerlichen Streitfragen über die Entwicklung der (Gewinnermittlungs-)GoB.

I.

Ausgangspunkt: Maßgeblichkeitsprinzip, § 5 Abs. 1 EStG

Ausgangspunkt für die steuerbilanzielle Beachtung handelsbilanzieller Entscheidungen bildet das Maßgeblichkeitsprinzip in § 5 Abs. 1 EStG. Dieses besagt, dass die grundsätzlich für die Handelsbilanz geltenden Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung auch für steuerbilanzielle Ansätze und Bewertungen 1369 Siehe hierzu auch schon Teil 1 Kapitel A III. 1370 Vgl. Tanski, Rechnungslegung und Bilanztheorie, 2013, S. 169 (insoweit wird das Handelsbilanzrecht auch als »tax-driven« bezeichnet); Kirchhof/Söhn/Mellinghoff-Kempermann (2018), § 5 EStG, Rn. B 56. 1371 Zur Steuerbilanz vgl. etwa Blümich-Krumm (2018), § 5 EStG Rn. 93–96; zur Unterscheidung s. etwa Haug, in: Beck′sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, 2018, Stichwort: »Steuerbilanz«.

Die Jurisdiktion des BFH

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gelten1372. Das Problem einer solchen Betrachtung liegt darin, dass die Zweckorientierung von Handels- und Steuerbilanz nicht identisch ist, weshalb die Maßgeblichkeit häufig in der Kritik stand1373. Von 1990 bis 2008 bestand ferner in § 5 Abs. 1 S. 2 HGB a. F. eine sog. umgekehrte Maßgeblichkeit der Steuerbilanz für die Handelsbilanz, was die Verknüpfung beider Bilanzen zusätzlich verstärkte. Häufig wurde in der Praxis die handelsbilanzielle Abbildung von Geschäftsvorfällen vom steuerlichen Ansatz abhängig gemacht1374. Die umgekehrte Maßgeblichkeit wurde vom Gesetzgeber mit dem BilMoG durch Neufassung von § 5 Abs. 1 EStG ausdrücklich aufgegeben1375. Anpassungen der Handels- an die Steuerbilanz sind nur dort zulässig, wo das Gesetz sie ausdrücklich zulässt, s. etwa §§ 247 Abs. 3, 254, 273, 279 Abs. 2, 280 Abs. 2 HGB. Infolge dieser Vergleichbarkeit von Steuer- und Handelsbilanz entschlossen sich viele Unternehmen zur Erstellung sog. Einheitsbilanzen. Üblich war deshalb die gesellschaftsrechtliche Satzungsklausel, dass die Bilanz so aufzustellen sei, dass handels- und steuerrechtlichen Erfordernissen genüge getan wird1376. Der Einfluss der Finanzrechtsprechung auf handelsbilanzielle Fragestellungen war demnach notwendige Folge unternehmerischer Praxis und gesetzlicher Anforderungen.

II.

Abkehr von der Einheitsbilanz

Die zunehmende Internationalisierung der handelsrechtlichen Bilanzvorschriften sowie die Anwendbarkeit der IFRS haben Zweifel am System der Einheitsbilanz aufkommen lassen. Bereits in den 1990er Jahren entschied die höchstrichterliche Rechtsprechung, dass satzungsmäßige Einheitsbilanzklauseln un1372 Vgl. Blümich-Krumm (2018), § 5 EStG, Rn. 150; teilweise wird dies auch so verstanden, dass die Vorschrift die handelsrechtlichen GoB in das Steuerrecht transformiert, so dass diese dort als steuerrechtliche GoB gelten, so etwa Schön, StuW 1995, 366, 374 m. w. N.; im Kern auch Weber-Grellet, DB 1994, 2405 m. w. N. 1373 Vgl. Pezzer, Bilanzierungsprinzipien, in: Doralt [Hrsg.], Probleme des Bilanzsteuerrechts, DStJG Bd. 14, 1991, S. 3ff.; Ahmann, Bilanzrichtlinie, in: Raupach/Schmidt [Hrsg.], FSSchmidt, 1993, S. 269ff.; Schreiber, StuW 2002, 105ff.; Schneider, Unmaßgeblichkeit; in: Baumhoff/Dücker/Köhler [Hrsg.], FS-Krawitz, 2010, S. 706, 713 ff.; Thiel, Modernisierte Maßgeblichkeit, in: Herlinghaus/Hirte/Hüttemann/Heidel [Hrsg.], FS-Meilicke, 2010, S. 733 ff.; Weber-Grellet, DB 2008, 2451ff.; zur Gegenseite s. etwa Gosch, DStR 2002, 977, 984; Moxter, DStZ 2000, 157ff.; Schön, Steuerliche Maßgeblichkeit in Deutschland und Europa, 2005, S. 119; Wehrheim/Fross, StuW 2010, 195ff.; diese Positionen fein abwägend BlümichKrumm (2018), § 5 EStG Rn. 153f. 1374 Vgl. Blümich-Krumm (2018), § 5 EStG Rn. 182; Arbeitskreis Bilanzrecht, DStR 2008, 1057, 1058. 1375 S. BT-Drs. 16/10067, S. 99. 1376 Vgl. Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 2015, Kapitel C, Rn. 720ff.

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zulässig seien, soweit nicht sichergestellt werden könne, dass zwingende handelsbilanzielle Vorschriften eingehalten werden dürfen und müssen1377. Eine Einheitsbilanz setzt somit kongruente handels- und steuerrechtliche Rechnungslegungsvorschriften voraus. Weichen Vorschriften des EStG hingegen vom HGB ab, bedarf es einer eigenständigen steuerrechtlichen Bewertung. Bereits im Jahr 2000 wurde aufgrund der Aushöhlung des Maßgeblichkeitsprinzips und der »Deformierung sowohl des Handels- als auch des Steuerrechts« ein »Abschied vor der Einheitsbilanz« gefordert1378. Die Erstellung mehrerer Bilanzen ist indes mit erheblichen Erstellungskosten für das Unternehmen verbunden. Außerdem gelingt durch eine Orientierung an detaillierten steuerrechtlichen Regelungen (insbesondere auch durch Verwaltungsvorschriften der Finanzbehörden) ein hohes Maß an Objektivität1379. Insbesondere KMU erstellen daher noch immer Einheitsbilanzen, während sie bei großen Kapitalgesellschaften bereits vor dem BilMoG eher die Ausnahme waren1380. Das mit dem BilMoG verfolgte Ziel des deutschen Gesetzgebers, ein modernes Handelsbilanzrecht als Alternative zu den IFRS zu schaffen, stellt gleichsam eine Stärkung des Maßgeblichkeitsprinzips dar, so dass zumindest eine legislativ gewollte Abkehr derzeit nicht gewünscht ist1381. Dennoch muss sich die Wahrung des Maßgeblichkeitsprinzips zunehmend schwierig gestalten, soweit der Gesetzgeber Anpassungen an die IFRS vornimmt, welche unstreitig eine strikte Trennung zwischen handels- und steuerrechtlicher Rechnungslegung erfordern. Das Festhalten an der Einheitsbilanz gilt daher mit einigem Recht als theoretisch nicht mehr und praktisch kaum mehr möglich1382.

1377 S. BayObLG, Beschl. v. 5. 11. 1987 = NJW 1988, S. 916ff.; OLG Stuttgart, Entsch. v. 26. 10. 1994 = DB 1995, S. 33ff.; BGH, Urt. v. 29. 3. 1996 = DNotZ 1997, S. 577ff.; zur Gefahr von Einheitsbilanzklauseln nach dem BilMoG s. auch Zwirner/Mugler, DStR 2011, 1191ff. 1378 Vgl. Lauth, DStR 2000, 1365, 1372. 1379 Vgl. zu Erklärungsansätzen für die Erstellung von Einheitsbilanzen Rieg/Heyd, BFuP 2015, 68, 73f. 1380 Vgl. Ertel/Rosnitschek/Schanz, DStR 2017, 2068, 2074f. 1381 Vgl. auch Böcking/Gros, DStR 2007, 2339, 2344, welche im Jahr 2007 einen Bestand der Maßgeblichkeit wenigstens für die nächsten 10 bis 15 Jahre vorhergesagt haben. Der Gesetzgeber bleibt seiner Linie insoweit treu. Bereits Art. 1 Nr. 9 des EStRefG vom 05. 08. 1974 sah eine Abschaffung des Maßgeblichkeitsprinzips vor, welche letztlich verworfen wurde, da wegen der Einheitlichkeit der Rechtsordnung und der Vereinfachung der Rechtsanwendung die Handelsbilanz für Zwecke der Besteuerung nutzbar bleiben sollte, vgl. BTDrs. 7/1470, S. 223. 1382 Vgl. Zwirner/Tippelhofer (2017), in: Beck′sches Steuerberaterhandbuch 2017/2018, A Rn. 55; Dies zeigt auch, dass die BStBK seit dem Jahr 2016 im Seminar »Einheitsbilanz passé?« über die entsprechende Problematik schult, vgl. DStR-KR 2016, S. 20. Es sei darauf hingewiesen, dass die BStBK sich jedoch ausdrücklich für die Beibehaltung der Einhaltsbilanz ausgesprochen hat, vgl. DStR-KR 2009, S. 46.

Die Jurisdiktion des BFH

III.

317

BFH-Rechtsprechung – IFRS und Steuerbilanz

Die Abkehr des Handelsrechts vom Maßgeblichkeitsprinzip und die Internationalisierung der deutschen Rechnungslegungsvorschriften und die damit einhergehende Stärkung des Informationszwecks der Rechnungslegung führen also zunehmend zu einer Entkopplung von Steuer- und Handelsbilanz. Schon 2004 hat Herzig im Auftrag des BMF das Verhältnis der IAS/IFRS zur steuerlichen Gewinnermittlung begutachtet und sich im Ergebnis für eine eigenständige Steuerbilanz ausgesprochen1383. Für die nach IFRS bilanzierenden Konzerne stellt der BFH klar, dass eine Maßgeblichkeit der IFRS für die Steuerbilanz nicht in Betracht kommt. Zunächst hat der I. Senat des BFH in seinem Stock-Option-Urteil vom 25. 08. 2010 (AZ: I R 103/09)1384 entschieden. Insoweit sei »dem FG auf darin beizupflichten, dass die International Accounting Standards bzw. die IFRS die steuerliche Gewinnermittlung nicht bestimmen«1385. Der IV. BFH-Senat hat sich mit Urteil vom 14. 04. 2011 (AZ: IV R 46/09)1386 dieser Rechtsprechung angeschlossen: »Diese Standards haben für die steuerliche Gewinnermittlung keine Bedeutung und sind deshalb nicht geeignet, den für den steuerlichen Wirtschaftsgutbegriff maßgeblichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang durch einen Komponentenansatz zu ersetzen«1387. Damit ist klargestellt, dass der BFH die Auslegung der IFRS nicht zum Gegenstand seiner Rechtsprechung macht. Das ist auch angesichts der restriktiven Ansicht zur Vorlagepflicht bei steuerrechtlichen Bilanzfragen an den EuGH aufgrund der Bilanzrichtlinien nachvollziehbar. Ganz sicher scheint sich der BFH mit seiner Ablehnung der Anwendung von IFRS in Bezug auf die steuerliche Gewinnermittlung indes nicht zu sein, da er »hilfsweise« darauf hinweist, dass die IFRS im Streitfall schon aufgrund ihres zeitlichen Anwendungsbereichs nicht einschlägig seien1388. Die IFRS haben rechtlich nichts mit der steuerlichen Gewinnermittlung zu tun, eine formelle IFRS-Maßgeblichkeit scheidet schon aus verfassungsrechtlichen Gründen aus und eine inhaltliche Übernahme für die Steuerbilanz ist eine rechtspolitische Frage für den Gesetzgeber1389.

1383 Vgl. Herzig, IAS/IFRS und steuerliche Gewinnermittlung, 2004; Herzig/Gellrich/JensenNissen, BFuP 2004, 550ff. 1384 Vgl. BFH, Urt. v. 25. 08. 2010, AZ: I R 103/09 = NJOZ 2011, S. 615ff. 1385 Ebd. Tz. 23 mit Verweis auf einschlägige Literaturauffassungen. 1386 Vgl. BFH, Urt. v. 14. 04. 2011, AZ: IV R 46/09 = DStR 2011, S. 1024ff. 1387 Ebd. Tz. 24. 1388 S. BFH, Urt. v. 25. 08. 2010, AZ: I R 103/09, Tz. 23. 1389 Vgl. Blümich-Krumm (2018), EStG, § 5 Rn. 105, 105a, welcher richtigerweise anzweifelt, ob die IFRS als Grundlage einer steuerlichen Gewinnermittlung erstrebenswert wären.

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Teil 3: Jurisdiktion der IFRS im Deutschen und Europäischen Rechtsraum

Einer Ausnahme wird sich der BFH dabei de lege lata nicht entziehen können: Die Zinsschrankenregelung des § 4 h EStG (bzw. §8a KStG) bestimmt dem Umfang der Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen. Diese stehen in Relation zu den Eigen- und Fremdkapitalpositionen, welche primär auf IFRS-Konzernabschlüssen1390 beruhen, § 4 h Abs. 2 lit. c) S. 8 EStG (Eigenkapitaltest). Bei Streitigkeiten zwischen Steuerpflichtigem und Finanzverwaltung wäre die Finanzgerichtsbarkeit zuständig, § 33 FGO. Sollte es hierbei zu einer Befassung des BFH kommen, wäre dieser bei Fragen der Auslegung verpflichtet den EuGH anzurufen, welcher dann unmittelbar über die IFRS-Anwendung mit Bezug zum deutschen Steuerrecht entscheiden würde1391. Da nach § 4 h Abs. 2 S. 1 lit. c) S. 6 EStG der Konzernabschluss den Anforderungen der handelsrechtlichen Konzernrechnungslegung genügen muss, hat der deutsche Gesetzgeber trotz der dynamischen Verweisung auch insoweit nicht jegliche Einflussnahme aus der Hand gegeben. Wegen § 315a Abs. 3 HGB dürfte der IFRS-Konzernabschluss allerdings kaum jemals nicht genügen1392.

IV.

Bedeutung der Judikatur der Finanzgerichte in Bezug auf die Fortentwicklung des Bilanzrechts

Das HGB-Bilanzrecht folgt einem prinzipienorientierten Ansatz mit hohem Abstraktionsniveau. Einem einzelfallorientierten System wie es die IFRS zugrunde legen, wurde mit dem BilMoG eine Absage erteilt. Die Abstraktion entspricht dem kontinentaleuropäischen Rechtssystem und ermöglicht den Rechtsanwendern nach den methodischen Ansätzen der Auslegung und Lückenschließung Einzelfälle adäquat zu bewerten. Gerade für juristisch geschulte Personen ist ein solches System handhabbar. Für die Unternehmen hingegen kann es problematisch sein, vertretbare Lösungen zu finden, welche die eigenen Interessen möglichst umfassend wahren. Die Prinzipien bieten hierbei grundlegende Aspekte, bei deren Beachtung grundsätzlich ein Schutz der Adressaten der Finanzinformationen gewährleistet werden kann. Dennoch kann willkürlicher Anwendung nur durch Konkretisierung der Normen in Einzelsachverhalten und konkreteren Vorschriften erfolgen. Dies geschieht im Handelsbilanzrecht vornehmlich durch die Bilanzrechtspre-

1390 Maßgeblich sind die EU-IFRS, vgl. nur Hennrichs, DB 2007, 2101, 2103; Kersten, Zinsschranke und IFRS, S. 138ff. 1391 Vgl. Schön, BB 2004, 763, 764; zur Kritik an der Verknüpfung von Steuerrecht und IFRS s. Tipke/Lang, Steuerrecht, 2018, § 9 Rn. 53 m.w.N.; zur Frage der Verfassungskonformität der Zinsschranke s. Staats, Ubg 2014, 520ff. 1392 Zum Vorstehenden auch Blümich-Heuermann (2018), EStG-Kommentar, § 4 h Rn. 85a.

Die Jurisdiktion des BFH

319

chung1393. Jedenfalls die ständige und gefestigte Rechtsprechung der Höchstgerichte wird in der Regel von Unternehmen und Enforcementeinrichtungen anerkannt1394, so dass die richterlichen Konkretisierungen als Gewohnheitsrecht eine Rechtsquelle darstellen können. Die Rechtsprechung übt damit eine normkonkretisierende Funktion aus, welche den allgemeinen Grenzen der Rechtsfortbildung folgen muss. Aufgrund der Abstraktion der prinzipienorientierten HGB-Bilanzvorschriften sind diese Grenzen weit zu fassen, woraus die erhebliche Bedeutung der Rechtsprechung für das Bilanzrecht folgt. Die richtungsweisenden Entscheidungen in diesem Bereich entstammen in der Regel der Finanzrechtsprechung des BFH. Dieser hat bislang insbesondere Fragen zu den GoB beantwortet1395. Sollte der BFH infolge einer Abkopplung von Steuer- und Handelsbilanzrecht seine Zuständigkeit diesbezüglich verlieren, fehlt eine Institution, welche die normkonkretisierende Funktion auffangen könnte. Langfristig wäre zu befürchten, dass die GoB und Einzelsachverhalte nicht mehr auf Grundlage nationaler Rechtsprechung auf aktuelle Begebenheiten angepasst werden können. Da dies letztlich eine Folge der veränderten Zweckrichtung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses hin zur Information sein würde, müssten dann konsequenterweise die IFRS zur Konkretisierung herangezogen werden, was gerade der vom Gesetzgeber gewollten eigenständigen Bedeutung des Handelsbilanzrechts als Alternative zu den IFRS entgegenstehen würde. Abhilfe könnte durch fachorientierte Rechtsprechung der ordentlichen Gerichtsbarkeit geschaffen werden. Hierdurch könnte, auch bei einer Abkopplung von Steuer- und Handelsbilanzrecht, die Normkonkretisierung auf handelsrechtlicher Basis, d. h. unabhängig vom Steuerrecht, aber auch von den IFRS erfolgen. Dies würde juristisch und wirtschaftlich geschulte Richter erfordern. Eine solche Fachorientierung könnte langfristig nur durch spezielle Handelsrechtskammern für Bilanzrechtsfragen sichergestellt werden. Eine andere Sicht wird mitunter in der Literatur geäußert, welche die Abbildung von Geschäftsvorfällen im Rahmen eines IFRS-Einzelabschlusses grundsätzlich als geeignete Ausgangsbasis für die steuerliche Gewinnermittlung sehen. Die IFRS müssten als »Starting Point« eines deutschen Steuerbilanzrechts dienen 1393 Vgl. Moxter, Bilanzrechtsprechung, 2007; Böcking/Gros, DStR 2007, 2339, 2344. 1394 Eine Ausnahme bilden insbesondere die – mitunter stark umstrittenen – Nichtanwendungserlasse des BMF. Hierbei handelt es sich um Verwaltungsvorschriften, welche den Behörden aufgibt, bestimmte Aspekte einer BFH-Entscheidung unangewendet zu lassen. Begründet werden die Nichtanwendungserlasse regelmäßig damit, dass es sich um Einzelfallentscheidungen handele, die darüber hinaus keine Geltung erlangen könne. Zumindest für das Handelsbilanzrecht kann diese Argumentation aufgrund der normkonkretisierenden Funktion der Finanzrechtsprechung nicht gelten. 1395 Vgl. MüKo/HGB-Ballwieser (2013), § 243 Rn. 7.

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Teil 3: Jurisdiktion der IFRS im Deutschen und Europäischen Rechtsraum

und bieten die Chance der Harmonisierung der steuerlichen Gewinnermittlung auf europäischer Ebene, was zu einer Senkung der Compliance Cost führen könnte, welche derzeit durch das Bestehen 27 unterschiedlicher, nationaler steuerlicher Gewinnermittlungssysteme bestünden1396.

V.

Schlussfolgerungen

Das tradierte deutsche Rechnungslegungssystem verbindet die Steuer- eng mit der Handelsbilanz. Dogmatischer Ausgangspunkt dieser Verknüpfung ist der Maßgeblichkeitsgrundsatz in § 5 Abs. 1 EStG. Dieser hat es Unternehmen ermöglicht, eine Einheitsbilanz aufzustellen. Durch die Aufgabe der umgekehrten Maßgeblichkeit und die zunehmende Herausstellung des Informationszwecks in handelsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften nach angelsächsischem Vorbild ist die Aufrechterhaltung der Maßgeblichkeit sowie der Einheitsbilanz zunehmend in die Kritik geraten. Die Verknüpfung im Sinne einer diametralen Rechnungslegung hatte zur Folge, dass die Auslegung der originär handelsrechtlichen GoB durch die Finanzrechtsprechung des BFH geprägt wurde. Finanzrechtliche Streitigkeiten unterliegen häufiger der gerichtlichen Kontrolle als handelsrechtliche Auslegungsfragen. Über kurz oder lang dürfte bei anhaltender Annäherung des europäischen und deutschen Bilanzrechts der mittlerweile wenigstens mehrheitlichen Auffassung der bilanzwissenschaftlichen Literatur zu folgen sein, und eine vollständige Abkopplung der Steuer- von der Handelsbilanz unumgänglich sein, mit allen Nachteilen die dies insbesondere für den Mittelstand mit sich bringen mag. Das führt dazu, dass eine Finanzrechtsprechung zukünftig unabhängig von handelsrechtlichen Vorschriften erfolgen muss. Damit fällt eine wesentliche Instanz gerichtlicher Kontrolle für die handelsrechtliche Rechnungslegung weg.

1396 Vgl. Böcking/Gros, DStR 2007, 2339, 2344.

Fazit

Globalisierung und Dynamik wirtschaftlicher Systeme machen klassische Gesetzgebungsverfahren unzweckmäßig. Der demokratische legitimierte Gesetzgeber muss sich daher externer Hilfe bedienen, um zeitnah technisch ausgereifte Normen schaffen zu können. Unter Berücksichtigung eines dynamischen Verständnisses des Konzepts der demokratischen Legitimation muss daher in Abwägung der betroffenen öffentlichen Interessen und dem Bedürfnis an zeitnaher und zweckmäßiger Normsetzung ein praktisches und staatstheoretisch vertretbares Maß an demokratischer Legitimation gebildet werden. Die Rezeption der IFRS im Rahmen der EU-Komitologie weist ein geringes Niveau demokratischer Legitimation auf. Weder im Due Process, noch im Übernahmeverfahren kann ein deutlicher Einfluss europäischer Interessen festgestellt werden, obgleich die öffentlichen Interessen an der Regulierung der Rechnungslegung groß sind. Damit einhergehend besteht jedoch auch ein Bedürfnis an vergleichbarer Finanzberichterstattung zur Kapitalallokation im europäischen und globalen Kontext. Insoweit darf das Maß der erforderlichen demokratischen Legitimation nicht zu hoch angesetzt werden. Auch unter Berücksichtigung eines im Rahmen der Europäisierung und Internationalisierung geminderten Legitimationsniveaus der Normsetzung im Rahmen der Internationalen Rechnungslegung, ist der Einfluss staatlicher Institutionen auf die verpflichtend anzuwenden EU-IFRS auf einem theoretisch bedenklich niedrigen Niveau. Es hat sich gezeigt, dass der staatliche Einfluss auf die IASBVerlautbarungen im Rahmen des Due Process gering ist. Europäische Vertreter in den Entscheidungsgremien treten primär für privatwirtschaftliche Interessen auf. Auch Maystadt erkennt nur eine unzureichende Einflussnahme europäischer, staatlicher Interessenvertreter. Dies ist aus legitimationsorientierter Sicht vor allem deshalb problematisch, weil die IFRS in einem vereinfachten Übernahmeverfahren rezipiert werden, wobei die IAS-VO davon ausgeht, dass eine hinreichende Einflussnahme bereits im Standardsetzungsverfahren erfolgen kann. Da dies nicht der Fall ist und die IFRSF mit ihrem Universalitätsanspruch auch zukünftig keine Machtverschiebung zugunsten der EU zulassen wird, schafft nur eine über die

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Fazit

technischen Voraussetzungen hinausgehende normative Überprüfung der Übernahmevoraussetzungen durch die EFRAG Abhilfe. Soweit im Rahmen des Endorsement jedoch nicht möglich ist, einen Standard an europäische Bedürfnisse anzupassen, wird auch ein solches System entweder dazu führen, dass im Interesse eines gesamtheitlichen Rechnungslegungssystems weiterhin Standards trotz rechtlicher Bedenken übernommen werden oder eine kapitalmarktorientierte Rechnungslegung europäischer Unternehmen mangels eines solchen Systems unmöglich wird. Eine stärkere Berücksichtigung europäischer und nationaler öffentlicher und schutzwürdiger privater Interessen im Wege der Auslegung und Lückenschließung könnte hier Abhilfe schaffen. Dabei muss das System der IFRS für kontinentaleuropäische Anwender mit Hinblick auf Auslegung und Lückenschließung handhabbar gemacht werden. Die klassischen Auslegungscanones unterliegen einigen Restriktionen. Grundlegende Erkenntnisquelle bildet die vom IASB vorgegebene Regelungshierarchie. Um demokratische Legitimation gewährleisten zu können, müssen im Rahmen der Auslegung und Lückenschließung auch allgemeine Prinzipien europäischer Rechnungslegung berücksichtigt werden und insbesondere die Übernahmekriterien im Wege europarechtskonformer Auslegung Erkenntnisquellen außerhalb der IFRS-Systematik zulassen. Dem Einflussverlust im Standardsetting kann so bei der Rechtsanwendung begegnet werden. In dem Maße, in dem sozioökonomische Unterschiede bestehen, ist auch eine Abweichung der Rechnungslegungssysteme hinzunehmen, da innerhalb der jeweiligen Volkswirtschaften eine Marktbewertung nach dem vorherrschenden Verständnis erfolgt. Nationale Besonderheiten müssen deshalb bei Auslegung und Lückenschließung eine maßvolle Annäherung schaffen. Möglich sein könnte dann langfristig auch die Ablösung nationaler Rechnungslegungsnormierung durch internationale Rechnungslegungsstandards. Vor Angleichung der sozioökonomischen Begebenheiten ist eine Auslegung der HGB-Rechnungslegung auf Grundlage der IFRS jedoch nur für Einzelfälle denkbar. Das Problem der Normspaltung, besser Normdivergenz, zwischen London- und EU-IFRS stellt sich nicht als rechtsdogmatische, sondern allein politische Fragestellung dar. Damit von staatlicher Seite das Kontrollmonopol hinsichtlich der Anwendung der IFRS gewahrt bleibt, müsste eine Prüfung durch staatliche Gerichte auch faktisch möglich sein. Hier zeichnet sich jedoch ein Kontrollverlust der Rechtsprechungsorgane ab. Die Letztentscheidungskompetenz über die Anwendung der IFRS obliegt den nationalen und europäischen Gerichten. Faktisch wird die gerichtliche Kompetenz jedoch durch das IFRS-System, insbesondere die IFRS IC-Interpretationen und Gestaltungsmacht der Wirtschaftsprüfer verdrängt. Die Wege auf denen die

Fazit

323

Anwendung der IFRS einer gerichtlichen Kontrolle unterworfen werden könnten, sind gering. Die gerichtlichen Kontrollmöglichkeiten schaffen allein nachgeschalteten Rechtsschutz. Aufgrund der Wirkungen einer einmal offengelegten Enforcemententscheidung über vermeintlich fehlerhafte Rechnungslegung oder die Versagung eines Bestätigungsvermerks durch den Abschlussprüfer lässt sich eine Rehabilitation durch ein gerichtliches Verfahren nicht mehr erreichen. Außerdem sind Richter nicht hinreichend geschult in Bezug auf Fragen der Rechnungslegung. Für das deutsche Rechnungslegungssystem, insbesondere die Entwicklung der GoB, ist die BFH-Rechtsprechung prägend. Eine fortschreitende Entkopplung von Handels- und Steuerbilanz wird indes dazu führen, dass der BFH zu handelsbilanziellen Fragen keine Stellung mehr bezieht. Insoweit fehlt eine wichtige Instanz der Fortentwicklung für den deutschen Rechtsraum.

Ausblick

Für die zukünftige Forschungsarbeit zeigen sich daher eine Vielzahl von zu beobachtenden Forschungsfragen. Von besonderem Interesse wird die Stellung der EFRAG und die Beachtung Europäischer Interessen im Due Process sowie im Endorsementverfahren sein. Sollten sich die hiesigen Befürchtungen bewahrheiten und eine Stärkung der EFRAG nicht zu einer Verbesserung der Legitimation der übernommenen IFRS führen oder aber Standards tatsächlich mangels Vereinbarkeit nicht übernommen werden, wird die EU dazu übergehen müssen, eigene Entwicklungs- oder Auslegungsgremien zur europäischen Ergänzung der IFRS zu schaffen. Damit die von Maystadt festgestellten Defizite der Standardsetzung nicht weiterhin weit über die Köpfe der Betroffenen weg auf privater Ebene und in europäischen Gremien entschieden wird, wären konkretere Normkontrollmöglichkeiten wünschenswert. Insoweit sind auch Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Wirtschaftsprüfer zu schaffen, welche bereits vor Versagung eines Testats greifen, um so einen Reputationsverlust der Unternehmen begegnen zu können. Aufgrund der Komplexität der Materie sind hierzu fachkundige Gerichte zu schaffen. Soweit gerichtliche Kontrollinstanzen geschaffen werden könnten, die auch faktisch eine Überprüfung von Rechnungslegungsentscheidungen vornehmen, ist deren Entscheidungsgegenstand zu hinterfragen. Da IAS 8.10ff. als induktive Lückenschließungsmethode eine eigene Methode des Managements fordert, dürften Gerichte auch folgerichtig nur prüfen, ob die angewandte Methode irgendwie vertretbar ist, was regelmäßig der Fall sein dürfte. Hier ist es Aufgabe der Wissenschaften, normative Abgrenzungskriterien zwischen vertretbaren und unvertretbaren induktiven Methoden zu schaffen. Der schon seit Jahren prophezeite »Tod der HGB-Rechnungslegung« ist noch nicht eingetreten. Die letzten Bestrebungen des deutschen Gesetzgebers zeigen auch, dass eine solcher in den nächsten Jahren nicht zu erwarten steht. Dennoch wird eine maßvolle Annäherung an die IFRS auch in den nationalen Rechnungslegungssystemen vermutlich andauern. Es bleibt dabei Aufgabe der Wis-

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Ausblick

senschaft, Annäherungstendenzen und grundlegende Regelungsprinzipien in Einklang zu bringen. Bislang kaum abzusehen und zukünftig in besonderem Maße zu betrachten sind Nationalisierungstendenzen der Mitgliedsstaaten. Populistische und europakritische bis -feindliche Parteien gewinnen an Zuspruch. Dies könnte die europäische Integration als solche wie auch die einzelnen Regelungsbereiche beeinträchtigen und eine Verschiebung hin zur vordergründigen Beachtung nationaler Interessen bedeuten. Zwar ist die Berücksichtigung sozioökonomischer Besonderheiten einzelner Volkswirtschaften, solange diese bestehen, zu begrüßen, nicht jedoch die Vorteile der Internationalisierung von Handelsstrukturen durch irrationale nationale »Schutzmechanismen« zunichte zu machen.

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Weitere Bände dieser Reihe Band 14: Husein Ismail

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Band 8: Alexander Djazayeri

Die Geschichte der Giroüberweisung Von den Anfängen im 19. Jahrhundert bis zum modernen Zahlungsdiensterecht 2011. 200 Seiten, gebunden € 50,– D ISBN 978-3-89971-834-8