Gerechtere Prüfungsentscheidungen: Möglichkeiten und Grenzen der Herbeiführung materieller Gerechtigkeit durch gerichtliche Kontrolle und Gestaltung des Verwaltungsverfahrens [1 ed.] 9783428499106, 9783428099108

Im Mittelpunkt der Arbeit steht die (gerichtliche) Kontrolle von berufsbezogenen akademischen und staatlichen Abschlußpr

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Gerechtere Prüfungsentscheidungen: Möglichkeiten und Grenzen der Herbeiführung materieller Gerechtigkeit durch gerichtliche Kontrolle und Gestaltung des Verwaltungsverfahrens [1 ed.]
 9783428499106, 9783428099108

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MAREIKE LAMPE

Gerechtere Prüfungsentscheidungen

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 801

Gerechtere Prüfungsentscheidungen Möglichkeiten und Grenzen der Herbeiführung materieller Gerechtigkeit durch gerichtliche Kontrolle und Gestaltung des Verwaltungsverfahrens

Von Mareike Lampe

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Lampe, Mareike: Gerechtere Prüfungsentscheidungen : Möglichkeiten und Grenzen der Herbeiführung materieller Gerechtigkeit durch gerichtliche Kontrolle und Gestaltung des Verwaltungsverfahrens /von Mareike Lampe. Berlin : Duncker und Humblot, 1999 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 801) Zugl.: Bochum, Univ., Diss., 1999 ISBN 3-428-09910-9

Alle Rechte vorbehalten © 1999 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-09910-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Θ

Inhaltsverzeichnis Α. Einleitung

15

Β. Begrenzung der Arbeit auf akademische und staatliche berufsbezogene Abschlußprüfungen

18

I. Akademische Prüfungen II. Staatliche Prüfungen

18 19

C. Verfassungsrechtliche Vorgaben I. Verfassungsmäßigkeit und materielle Gerechtigkeit II. Prüfungsentscheidungen und Berufsfreiheit

20 20 21

1. Inhalt und Schutzbereich der Berufsfreiheit

21

2. Eingriff durch Prüfungen

23

3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs

23

a) Vorbehalt des Gesetzes, Parlamentsvorbehalt und Wesentlichkeitstheorie

25

(1) Unzulässigkeit von Verwaltungsvorschriften bei bestimmten Entscheidungen

25

(2) Wesentlichkeit einer Entscheidung und Parlamentsvorbehalt

26

(3) Zulässigkeit von Regelungen durch Hochschulsatzungen - Gefahr uneinheitlicher Berufsbilder

28

b) Bestimmtheitsgrundsatz

32

c) Verhältnismäßigkeitsprinzip

33

(1) Prüfungen - subjektive oder objektive Zulassungsbeschränkungen?

33

(2) Genügen Prüfungen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit?

36

(a) Zweck der Prüfungen: Ermittlung der Berufseignung zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter

37

(b) Einbeziehung prüfungswissenschaftlicher Forschungen zur Beurteilung der Verhältnismäßigkeit

38

(aa) Geeignetheit (α) Objektivität - Äußere und innere Eingangsbedingungen

39 39 40

- Bedingungen des Prüfungsverlaufs

41

- Bewertungsobjektivität

41

6

nsverzeichnis (β) Réhabilitât (Zuverlässigkeit)

42

(7) Validität (Gültigkeit)

43

- Konstruktvalidität

44

- Vorhersagevalidität

44

- Übereinstimmungsvalidität

44

- Inhaltsvalidität

44

(δ) Ergebnis der Geeignetheit (bb) Erforderlichkeit

48 50

(α) Abschaffung von Prüfungen als milderes Mittel?

50

(β) Prüfungen besitzen - wenn auch begrenzte - Aussagekraft

51

(7) Beachtung der kollidierenden Gemeinschaftsgüter

51

(δ) Ergebnis der Erforderlichkeit (cc) Angemessenheit III. Art. 3 I G G und materielle Gerechtigkeit

D. Unbestimmte Rechtsbegriffe und gerichtliche Kontrolldichte

52 53 54

56

I. Entwicklung

56

II. Begrifflichkeit

57

III. Einordnung des Problems

58

IV. Überblick über den Meinungsstand

60

1. Die Lehre Bachofs vom Beurteilungsspielraum

61

2. Die Vertretbarkeitslehre Ules

61

3. Weitere Ansichten und Abhandlungen

62

a) Kein struktureller Unterschied zwischen Tatbestands- und Rechtsfolgeermessen

63

b) Ausdehnung des Kontrollfreiraums auf die Subsumtion oder auf alle unbestimmten Rechtsbegriffe

64

c) Herrschende Ansicht

65

d) Ablehnung eines Beurteilungsspielraums

71

4. Die Rechtsprechung insbesondere des Bundesverwaltungsgerichts

74

5. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

75

a) Die sog. Josefine-Mutzenbacher-Entscheidung

78

nsverzeichnis b) Die Entscheidungen zum Prüfungsrecht

78

c) Die Entscheidung zur Kapazitätsverordnung für den Zugang zum Hochschulstudium

80

d) Die sog. Privatgrundschulentscheidung

80

e) Kurze Bewertung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ....

81

6. Kritische Würdigung des Meinungsstands zum Beurteilungsspielraum und eigene Ansicht

82

a) Zur Ansicht, die keinen strukturellen Unterschied zwischen Tatbestandsund Rechtsfolgeermessen sieht

82

b) Zur Ansicht, die eine Ausweitung des Kontrollfreiraums der Verwaltung auf die Subsumtion oder auf alle unbestimmten Rechtsbegriffe befürwortet

83

c) Zur herrschenden Ansicht

84

(1) Das Argument des besonderen Sachverstandes

85

(2) Das Argument des höchstpersönlichen, unwiederholbaren, nicht nachvollziehbaren und daher unvertretbaren Fachurteils

85

(3) Das Argument der normativen Ermächtigung und unvertretbaren Entscheidung

86

(4) Das Argument der Gremienentscheidung und der besonderen Verfahrensgestaltung

87

d) Zur Ansicht, die einen Beurteilungsspielraum ablehnt

88

e) Eigene Auffassung

88

E. Der Beurteilungsspielraum im Prüfungsrecht

93

I. „Alte" Ansichten (vordem 17. 4. 1991)

93

1. Prüfungsentscheidungen sind Ermessensentscheidungen

93

2. Die herrschende Ansicht einschließlich der Rechtsprechung

94

3. Ablehnung eines Beurteilungsspielraums

96

II. Die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 17. 4. 1991 1. Die Sachverhalte

96 97

a) Juristenentscheidung

97

b) Medizinerentscheidung

99

2. Entscheidungsgründe a) Juristenentscheidung

100 100

b) Medizinerentscheidung - Besonderheiten im Antwort-Wahl-Verfahren ... 104

8

nsverzeichnis III. Die Resonanz auf die Beschlüsse in Rechtsprechung und Schrifttum

105

1. Zum Verfahren des Überdenkens

107

2. Zum Überdenken durch die ursprünglichen Prüfer

108

3. Zur Abgrenzung prüfungsspezifischer Wertungen von fachwissenschaftlichen Fragen

108

4. Zur Beurteilung der Vertretbarkeit

109

5. Zu den Reaktionen der Prüfer

110

6. Zur Gefahr einer Prozeßwelle

110

IV. Die Umsetzung der Entscheidungen in der neueren Rechtsprechung V. Eigene Ansicht zu Kontrolldichte und Beurteilungsspielraum im Prüfungsrecht unter besonderer Berücksichtigung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 17. 4. 1991

110

113

1. Eigene Ansicht

113

2. Kritik an den Beschlüssen

116

a) Trennung zwischen prüfungsspezifischen Wertungen und fachwissenschaftlichen Richtigkeitsentscheidungen

116

b) Erstellung allgemeingültiger Bewertungsgrundsätze

117

c) Argument der Chancengleichheit gem. Art. 3 I GG

117

d) Kausalität des Bewertungsfehlers

118

e) Überdenken durch die ursprünglichen Prüfer

118

f) Besonderheiten im Antwort-Wahl-Verfahren

118

g) Ergebnis

119

F. Wege zu gerechteren Entscheidungen I. Materielle Fragen: Möglichkeiten der inhaltlichen Verbesserung der Prüfungsentscheidung 1. Allgemeingültige Bewertungsgrundsätze

120

120 120

2. Erstellung von Bewertungskriterien durch den einzelnen Prüfer vor der Korrektur 126 II. Formelle Fragen: Grundrechtsschutz durch Verfahren

127

1. Entwicklung und Inhalt

127

2. Was ist durch Verfahrensgestaltung überhaupt erreichbar?

128

3. Verfassungsrechtliche Determinanten

130

nsverzeichnis 4. Anforderungen an das Verfahren im einzelnen

131

a) Das Verfahren der Leistungserbringung

131

(1) Die Prüfungsfähigkeit des Kandidaten

131

(a) Begriff und Inhalt

131

(b) Rücktritt

133

(2) Äußere Prüfungsbedingungen

135

(a) Begriff und Inhalt

135

(b) Rügeobliegenheit, Abhilfe, Kompensation, Wahlrecht und vorbeugende Vermeidungspflicht

136

(3) Fairneß und Sachlichkeit

139

(4) Protokollierung

141

b) Das Verfahren der Leistungsbewertung (1) Qualifikation der Prüfer (2) Befangenheit (a) Voraussetzungen für die Annahme der Befangenheit (aa) Befangenheit aufgrund Prüferverhaltens

143 144 145 145 146

(bb) Befangenheit aufgrund erneuter Befassung mit einer Prüfungsarbeit 146 (b) Rügeobliegenheit

147

(3) Sachfremde Erwägungen, Gebot der Sachlichkeit

148

(4) Begründung

148

(5) Zweitvotum

152

c) Sonstige formelle Anforderungen

153

(1) Zulassung

153

(2) Akteneinsicht

154

d) Kausalität von Verfahrensfehlern

155

e) Verwaltungsinternes Kontrollverfahren, Überdenken durch die ursprünglichen Prüfer

156

f) Wiederholungsprüfungen

160

(1) Wiederholung nach genehmigtem Rücktritt und bei Fehlern von Prüfern bzw. Prüfungsbehörden

160

(2) Weiterer Prüfungsversuch bei Nichtbestehen

161

(3) Beteiligung der ursprünglichen Prüfer

162

5. Möglichkeiten der Verbesserung des Prüfungs verfahren s zur Herbeiführung gerechterer Prüfungsentscheidungen 162 a) Protokollierung

163

b) Qualifikation der Prüfer

164

10

nsverzeichnis c) Geringere Anforderungen an die Annahme der Befangenheit (1) Prüferäußerungen

166 166

(2) Erneute Befassung mit einer Prüfungsarbeit oder mit demselben Kandidaten 167 (3) Rüge der Befangenheit

169

d) Strengere Begründungspflicht

170

e) Mehrprüfersystem und verdeckte Bewertung

173

f) Unbeschränkte Wiederholbarkeit

175

g) Zeitliche Streckung der Prüfung und mehr Einzelleistungen

177

G. Schluß

180

Literaturverzeichnis

183

Sachwortverzeichnis

198

Abkürzungsverzeichnis ÄAppO AllgVwR AÖR Art. BayVBl. BayVerfGH BayVGH BFH BFHE BGB BRAO BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVerwGE BWVP bzgl. bzw. d. h. Diss. Diss. iur. DÖD DRiG DUZ DVB1. DVP etc. EuGH evtl. f. ff. Fn. gem. GewO GG ggf·

Ärztliche Approbationsordnung Allgemeines Verwaltungsrecht Archiv des öffentlichen Rechts Artikel Bayerische Verwaltungsblätter Bayerischer Verfassungsgerichtshof Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bürgerliches Gesetzbuch Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungstgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Baden-Württembergische Verwaltungspraxis bezüglich beziehungsweise das heißt Dissertation juristische Dissertation Der Öffentliche Dienst Deutsches Richtergesetz Deutsche Universitäts-Zeitung Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Verwaltungspraxis et cetera Europäischer Gerichtshof eventuell folgende fortfolgende Fußnote gemäß Gewerbeordnung Grundgesetz gegebenenfalls

12

Abkürzungsverzeichnis

HambOVG

Oberverwaltungsgericht Hamburg

Hdbuch des StaatsR

Handbuch des Staatsrechts

Hdb WissR

Handbuch des Wissenschaftsrechts

HessVGH

Hessischer Verwaltungsgerichtshof

HRG

Hochschulrahmengesetz

IMPP

Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen

JA

Juristische Arbeitsblätter

JAG NW

Juristenausbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen

JAO NW

Juristenausbildungsordnung Nordrhein-Westfalen

Jg.

Jahrgang

JR

Juristische Rundschau

Jura

Juristische Ausbildung

JuS

Juristische Schulung

JZ

Juristen Zeitung

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

NdsOVG

Oberverwaltungsgericht Niedersachsen

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NRW

Nordrhein-Westfalen

n.v.

nicht veröffentlicht

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NVwZ-RR

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, RechtsprechungsReport

NWVBL

Nordhrein-Westfälische Verwaltungsblätter

o. ä.

oder ähnlich

o. g.

oben genannt

OVG NW

Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen

OVG Rh.-Pf.

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz

OVG Sch.-Holst.

Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein

PersV

Die Personalvertretung

Psychol, in Erzieh, u. Unterr.

Psychologie in Erziehung und Unterricht

Psycholog. Rundschau

Psychologische Rundschau

Psychologie u. Praxis

Psychologie und Praxis

RdJB

Recht der Jugend und des Bildungswesens

Rdnr.

Randnummer

Rdnrn.

Randnummern

RWS

Recht und Wirtschaft der Schule

S.

Seite

s.

siehe

s. a.

siehe auch

s. o.

siehe oben

StaatsR

Staatsrecht

Abkürzungsverzeichnis StGB StPO s. u. UG NW unveröff. Urt. u. U. v. VB1BW VerfNW VerwArch VG VGHBad Württ. VR VVDStRL VwGO VwProzeßR VwR VwVfG WissHG NW WissR ζ. B. Z. f. Päd. ZPO ζ. T. ζ. Z.

Strafgesetzbuch Strafprozeßordnung siehe unten Universitätsgesetz Nordrhein-Westfalen unveröffentlicht Urteil unter Umständen vom Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen Verwaltungs-Archiv Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Verwaltungsrundschau Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsprozeßrecht Verwaltungsrecht Verwaltungsverfahrensgesetz Gesetz über die wissenschaftlichen Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen Wissenschaftsrecht, Wissenschaftsverwaltung, Wissenschaftsförderung zum Beispiel Zeitschrift für Pädagogik Zivilprozeßordnung zum Teil zur Zeit

Α. Einleitung Es dürfte kaum jemanden geben, der noch nicht in einer Prüfungssituation gestanden hat, häufiger sicher als Prüfling, seltener als Prüfer. Diese Situation ist oft für den Kandidaten, aber auch für den Prüfer unangenehm. Der Wunsch „Viel Glück", mit dem Freunde und Bekannte den Prüfling in die Prüfung schicken, kennzeichnet ein zentrales Problem des Prüfungswesens: Der Ausgang einer Prüfung ist nämlich nicht nur vom Wissen, den Fähigkeiten und Fertigkeiten des Kandidaten, sondern auch in einem nicht unerheblichen Umfang von diversen Unwägbarkeiten, Unvorhersehbarkeiten und Unsicherheiten, sagen wir dem Zufall, abhängig. Der Grad der Unwägbarkeit hängt teilweise von der Art der Prüfung ab. Es drängt sich daher die Frage auf, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, eine solche wichtige Entscheidung wie eine Prüfungsentscheidung auf einer verhältnismäßig unsicheren Basis zu treffen. Schließlich wird durch den Ausgang vieler Prüfungen über den weiteren Lebensweg des Kandidaten entschieden. Prüfungen haben oft erhebliche faktische, meist sogar rechtliche Auswirkungen auf die Berufschancen des Kandidaten (Art. 12 I GG). Dieser Aspekt gewinnt besondere Bedeutung, bedenkt man, daß Beruf und Ausbildung heute das „Kapital" eines Menschen sind. Ziel muß es folglich sein, den Faktor „Zufall" klein zu halten und die tatsächliche Eignung möglichst exakt, d. h. wirklichkeitsgetreu, zu ermitteln. Hinsichtlich der hier erörterten akademischen und staatlichen berufszulassenden Abschlußprüfungen 1 ergeben sich im wesentlichen drei Fragen. Zum einen ist zu klären, welche Voraussetzungen ein Kandidat überhaupt erfüllen muß, um den von ihm gewählten Beruf später „gesellschaftsverträglich" ausüben zu können. Es geht folglich darum, einen gesellschaftlichen Konsens darüber herzustellen, welche Eigenschaften, Fähigkeiten und Fertigkeiten der spätere Berufsausübende haben soll, d. h. es gilt, ein bestimmtes Berufsbild festzulegen, welches in einer Demokratie natürlich immer nur der Ansicht der Mehrheit der Bevölkerung entsprechen und nicht den Ansprüchen aller genügen kann. Zum zweiten fragt sich, wer diese Voraussetzungen in welchem Umfang festlegt bzw. festlegen muß. Auch dies hängt von verfassungsrechtlichen Grundsätzen ab. Wesentliche Entscheidungen sind unmittelbar durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber zu treffen. Andere Entscheidungen können unter gewissen Voraussetzungen delegiert werden. Schließlich ist zu erörtern, wer im Einzelfall in welcher Vorgehensweise die für den Kandidaten so wichtige Prüfungsentscheidung zu treffen hat. Im Zusammenhang damit ist von ebenso großer Bedeutung, ob diese Entscheidung endgültig ist ι S. u. Β. I. und Β. II.

16

Α. Einleitung

oder ob es noch verwaltungsinternen oder verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz gibt, und wenn ja, wie weit dieser reicht. Es zeigt sich schon hier, daß die Herbeiführung gerechterer Prüfungsentscheidungen kein Problem allein der Exekutive und Judikative darstellt, sondern daß vielmehr auch die Legislative involviert ist. Gleichwohl ist nicht zu verkennen, daß auch bei größten Bemühungen, Prüfungsentscheidungen transparent und gerecht zu machen, Prüfungsergebnisse stets sowohl von der Art und dem Inhalt der gestellten Aufgaben als auch von der „Tagesform" des Kandidaten, der Persönlichkeit der Prüfer, ihrer Kombination und vielem anderen abhängen. Unwägbarkeiten, Zufälligkeiten, oder einfach „Glück" werden immer das Prüfungsergebnis wenn auch nicht bestimmen so doch beeinflussen. Dies kann und darf jedoch nicht dazu führen, daß resigniert und untätig in der gewohnten Manier weiterverfahren wird. Vielmehr gilt es, den status quo immer wieder einer kritischen Betrachtung zu unterziehen und gegebenenfalls Änderungen bzw. Verbesserungen herbeizuführen. Daß man hier auf Grenzen stößt, ist dem Prüfungswesen systemimmanent. Solange Menschen über Menschen urteilen müssen, wird es keine absolute Gerechtigkeit geben. Das liegt daran, daß es sich bei Prüfungsentscheidungen um Entscheidungen handelt, bei denen Individuen über Individuen in höchst komplexen Zusammenhängen zu urteilen haben. Gerade die Mannigfaltigkeit und die Einmaligkeit, die den Menschen als Individuum ausmachen, erweisen sich hier als der entscheidende „Mangel". Kein Mensch ist abstrakt in bestimmte, trotz aller Bemühungen immer recht verallgemeinernd bleibende Schemata einzuordnen. Aufgrund der generellen Notwendigkeit von Prüfungen für den Schutz anderer Güter von Verfassungsrang gilt es aber, einen „modus vivendi" zu finden, der zu einem möglichst gerechten Verfahren führt, das zugleich die Belange aller widerstreitenden Interessen möglichst wenig einschränkt. Ein Ruf nach allzu radikaler Umgestaltung, der bis hin zur Forderung nach der Abschaffung von Prüfungen reicht, ist wenig hilfreich. Ohnehin haben sich Reformen des Bildungssystems - wie die Vergangenheit mehrfach bewiesen hat - stets als äußerst schwerfällig erwiesen. Um die Möglichkeiten der Verbesserung des Prüfungswesens auszuloten, wendet sich diese Arbeit, nachdem zunächst die Begrifflichkeiten und die Grenzen der Arbeit geklärt worden sind, den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu. Hier wird insbesondere die Frage der Verhältnismäßigkeit der Einschränkung des Grundrechts der Berufsfreiheit gem. Art. 121GG durch Prüfungen erörtert. Es folgt eine allgemeine Erörterung der sich im Zuge der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ergebenden Schwierigkeiten, insbesondere der gerichtlichen Überprüfbarkeit.

Α. Einleitung

Daran anschließend findet eine Konkretisierung dieses Problemkreises im Hinblick auf die gerichtliche Kontrolldichte von Prüfungsentscheidungen statt. In deren Rahmen wird der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besondere Aufmerksamkeit zuteil, da sie für die Entwicklung des Prüfungsrechts maßgebende Impulse gesetzt hat. Auf der Grundlage dieser Ausführungen werden schließlich Wege zu gerechteren Prüfungsentscheidungen erörtert. Neben der Verbesserung der inhaltlichen Bewertung selbst kommt hier insbesondere auch die Gestaltung des Prüfungsverfahrens in Betracht.

Β. Begrenzung der Arbeit auf akademische und staatliche berufsbezogene Abschlußprüfungen Eine Prüfung ist nach allgemeiner Definition ein Leistungsermittlungsverfahren - eine Feststellung von persönlichen Fähigkeiten, insbesondere von Kenntnissen in einem bestimmten Verfahren zum Zwecke des Erwerbs einer Berechtigung.1 Art. 12 I GG wirkt nicht ausnahmslos auf alle Prüfungen bzw. nicht auf alle in gleicher Intensität ein. Vielmehr werden die sog. berufsbezogenen Prüfungen von diesem Grundrecht geprägt. Hierunter versteht man alle Prüfungen, aufgrund derer unmittelbar oder mittelbar eine Zugangsberechtigung zu einem bestimmten Beruf oder einer bestimmten Berufsgruppe verliehen wird. Zu nennen sind die Abschlußprüfungen von Universitäten und Hochschulen, aber auch von Industrie-, Handelsund Handwerkskammern. Im Rahmen dieser Arbeit erfolgt eine Begrenzung auf die einen Universitätsstudiengang abschließenden Prüfungen. Dazu zählen (vgl. § 15 I HRG) die Hochschulprüfungen, die staatlichen und die kirchlichen Prüfungen 2, wobei letztere hier außer Acht gelassen werden.

I . Akademische Prüfungen Zahlreiche Hochschul-Studiengänge werden durch Diplom- oder Magisterexamen abgeschlossen. Solche akademischen Prüfungen werden von akademischen Behörden, d. h. von Organen der Hochschule abgenommen.3 Daneben zählen auch die Prüfungen im Promotions- und Habilitationsverfahren zu den akademischen Prüfungen. 4 Die Bezeichnungen „akademische Prüfungen" und „Hochschulprüfun1 Knödler, JuS 1995, 365 (366); Kröpil, JuS 1985, 322 (322); Pietzcker, Prüfungen, S. 27; abweichende Definition bei Roellecke, in: FS der Juristischen Gesellschaft, S. 625 (634). 2 Bender, in: Leuze/Bender, UG, § 90, Rdnr. 1; Leuze, in: Hailbronner, HRG, Rdnr. 92, Rozek, JA 1989, 233 (233). 3 Rozek, JA 1989, 233 (233), Salzwedel, in: HdbWissR, Bd. 1, S. 711 (713). 4 BVerwG, JZ 1995, 40 (41); Bode, in: Daliinger/Bode/Dellian, HRG, § 15 Rdnr. 3; Krüger, JZ 1995, 43 (44); Lennartz, in: Denninger, HRG, § 15, Rdnrn. 6, 12; Oebbecke, NWVBL 1995, 243 (244 f.); Rozek, JA 1989, 233 (233); Salzwedel, in: HdbWissR, Bd. 1, S. 711 (713); Waldeyer, in: Hailbronner, HRG, § 15, Rdnr. 3.

Β. Begrenzung auf akademische und staatliche berufsbezogene Abschlußprüfungen

19

gen" werden weitestgehend synonym verwendet.5 Die normative Grundlage stellen die §§ 15 I und 18 HRG und die Hochschul- und Prüfungsordnungen dar. 6

I I . Staatliche Prüfungen Ein Studienabschluß ist auch durch eine staatliche Prüfung möglich.7 Staatsprüfungen werden unter staatlicher Verantwortung aufgrund einer staatlichen Prüfungsordnung abgenommen.8 Dazu zählen die Studiengänge Medizin, Zahnmedizin, Veterinärmedizin, Pharmazie sowie Rechtswissenschaft und Lehramt, wobei die beiden letzteren landesrechtlich geregelt sind, während für die anderen Studiengänge dem Bund gem. Art. 74 Nr. 19 GG die Kompetenz zum Erlaß der Prüfungsordnungen etc. zukommt.9 In jedem Fall besteht hinsichtlich staatlicher Prüfungen ein „Begründungszwang", um der wissenschaftlichen Selbstverwaltung gerecht zu werden. 10

5 Waldeyer, in: Hailbronner, HRG, § 15, Rdnr. 3. 6 Leuze, in: Hailbronner, HRG, Rdnr. 90. 7 S. a. § 47 III HRG. 8 Rozek, JA 89, 233 (234); Waldeyer, in: Hailbronner, HRG, Rdnr. 4. 9 Rozek, JA 1989, 233 (234), Waldeyer, in: Hailbronner, HRG, § 15, Rdnr. 4. 10 Lennartz, in: Denninger, HRG, § 15 Rdnr. 5; Salzwedel, in: HdbWissR, Bd. 1, S. 711 (717); Reich, HRG, § 15 Rdnr. 1. 2*

C. Verfassungsrechtliche Vorgaben I . Verfassungsmäßigkeit und materielle Gerechtigkeit

Das Rechtsstaatsprinzip, das sich aus Art. 20 III GG und einer Zusammenschau der Art. 1 III, 19 IV, 28 I GG sowie aus der Gesamtkonzeption des Grundgesetzes ergibt, ist zu den Grundentscheidungen des Grundgesetzes zu zählen.1 Es beinhaltet vor allem die Gebote der Voraussehbarkeit und der Rechtssicherheit, aber auch der materiellen Gerechtigkeit. 2 Das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes umfaßt danach sowohl Elemente des materiellen3 als auch des formellen 4 Rechtsstaatsverständnisses im Sinne einer gegenseitigen Verstärkung und wechselseitigen Ergänzung, einer Synthese von Form und Inhalt.5 Gleichwohl ist problematisch, wie die beiden Elemente einander zuzuordnen sind, da sie nicht immer in die gleiche Richtung zielen, sondern vielmehr miteinander in Widerstreit treten. Das materielle Rechtsstaatsverständnis fordert Gerechtigkeit. Es soll eine gerechte Rechtsordnung erstellt, aber insbesondere auch Gerechtigkeit im Einzelfall geübt werden.6 Das staatliche Handeln soll folglich nicht primär in der Aufstellung formaler Freiheitsverbürgungen liegen, sondern soll der Erlangung, Erhaltung und Gewährleistung materieller Gerechtigkeit dienen.7 Dagegen verlangt das formelle Rechtsstaatsverständnis organisatorische oder verfahrensmäßige Vorkehrungen, um die Staatsgewalt zu „disziplinieren". Jede staatliche Tätigkeit muß auf eine staatliche Norm, letztlich also auf die Verfassung selbst rückführbar sein.8 Durch die Formalisierung des Rechts in Gesetzen soll das staatliche Handeln für den Bürger vorhersehbar und berechenbar und damit Rechtssicherheit und Rechtsfrieden erreicht werden.9 Der nicht selten entstehende Konflikt zwischen den

ι BVerfGE 2, 380 (403); 30, 1 (24 f.). 2 BVerfGE 25, 269 (290); 49, 148 (163 f.); Püttner, DÖV 1989, 137 (138). 3 Vgl. die Grundrechtsgarantien in Art. 1 bis 19 GG; das Verhältnismäßigkeitsprinzip; Art. 103 II und III. 4 Vgl. die Rechtsweggarantie aus Art. 19 IV GG; Art. 20 III, 103 I, 104 GG etc. 5 Henog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20, VII, Rdnrn. 21 ff.; Katz, StaatsR, Rdnr. 163.

6 Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20, VII, Rdnr. 23; Katz, StaatsR, Rdnr. 164. 7 BVerfGE 52, 131 (141 f.); Katz, StaatsR, Rdnr. 164. « Katz, StaatsR, Rdnr. 165. 9 BVerfGE 25, 269 (290); 49, 148 (164); Katz, StaatsR, Rdnr. 165.

II. Prüfungsentscheidungen und Berufsfreiheit

21

Komponenten des Rechtsstaatsprinzips ist vom Gesetzgeber aufzulösen. Solange dies willkürfrei geschieht, ist die Entscheidung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.10 Auch im Prüfungsrecht gilt es, diesen Konflikt zu entscheiden. Auf der einen Seite steht das Ziel, eine materiell möglichst gerechte und richtige Prüfungsentscheidung aufgrund von Gesetzen herbeizuführen, die dem materiellen Rechtsstaatsbegriff entsprechen. Auf der anderen Seite sind bei der Ausformung des Prüfungsrechts die Aspekte der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens nicht aus den Augen zu verlieren. Beides muß in einen gerechten Ausgleich gebracht werden.

I I . Prüfungsentscheidungen und Berufsfreiheit Das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 I GG besitzt - insbesondere nach den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 17. 4. 1991 - eine besondere Bedeutung für das Prüfungsrecht. Seine Auswirkungen sind bei der gesamten Ausgestaltung sowohl des formellen als auch des materiellen Prüfungsrechts zu beachten.

1. Inhalt und Schutzbereich der Berufsfreiheit Nach Art. 12 I GG haben alle Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Art. 12 I GG stellt ein einheitliches Grundrecht zum Schutze der Berufsfreiheit dar. 11 Unter seinen Schutz fällt sowohl die Freiheit der Berufswahl (Satz 1), d. h. die freie Entscheidung über das Ergreifen 12 und auch das spätere Aufgeben 13 eines bestimmten Berufs eigener Wahl, als auch die Freiheit der Berufsausübung (Satz 2), d. h. die freie Entscheidung über Umfang sowie Art und Weise der Betätigung im Beruf. 14 Unter einem Beruf versteht man nach allgemeiner Ansicht jede auf Dauer angelegte, der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienende Tätigkeit.15 Die Freiheit der Berufswahl ist nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im sog. Apotheken-Urteil ein echtes Grundrecht des einzelnen Bürgers,

io BVerfGE 35, 41 (47). h BVerfGE 7, 377, (402); Breuer, in: Hdbuch des StaatsR VI, S. 877 (902 f.); Frieauf, 1984, 537 (538). 12 BVerfGE 7, 377 (397); 30, 292 (334). 13 BVerfGE 7, 377 (401); 9, 338 (344 f.); 17, 269 (276); 39, 128 (141). 14 Badura, in: von Münch, BesVwR, S. 308. 15 Jarass/Pieroth, GG, Art. 12 GG, Rdnr. 4; Pieroth/Schlink, StaatsR II, Rdnr. 907.

JA

22

C. Verfassungsrechtliche Vorgaben

ein Grundrecht, das „seiner Idee nach mit der Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit eng zusammenhängt und das eben deshalb auch praktisch von größter Bedeutung für die gesamte Lebensgestaltung jedes Einzelnen ist". 1 6 „Die Berufswahl soll ein Akt der Selbstbestimmung, des freien Willensentschlusses des Einzelnen sein; sie muß von Eingriffen der öffentlichen Gewalt möglichst unberührt bleiben." 17 Tatsächlich hat die Wahl des Berufs, die in den meisten Fällen untrennbar mit der Ablegung einer für die Aufnahme der Tätigkeit vorausgesetzten Prüfung verbunden ist, in aller Regel einen ganz erheblichen Einfluß auf die Richtung des weiteren Lebenswegs. Um dieser Bedeutung gerecht zu werden, steht im Vordergrund des Schutzbereichs des Art. 121 GG die inhaltliche Richtigkeit der Prüfungsentscheidung, d. h. ihre Eignung, die jeweils gefährdeten Rechtsgüter zu schützen, nicht dagegen deren Form oder regelgerechtes Zustandekommen. Da aber - wie noch zu zeigen sein wird - die im Prüfungsrecht zu treffenden Entscheidungen nur in recht begrenztem Maße der Regelung sowohl durch formelle Gesetze als auch durch Rechtsverordnungen zugänglich sind, ist die Herbeiführung einer inhaltlich richtigen Entscheidung zu einem großen Teil in die Hände der Exekutive verlagert. 18 Zum einen ist in diesem Zusammenhang fraglich, wie weit sich der Gesetz-, aber auch der Verordnungsgeber aus der Verantwortung zur allgemeinverbindlichen Regelung prüfungsrechtlicher Fragen zurückziehen kann. Zum anderen sind - soweit den Rechtsanwendungsorganen in verfassungsmäßiger Weise solche Freiräume zugestanden werden - die Gefahren zu beachten, die eine solche Zurückhaltung der Legislative mit sich bringen. Dieses gilt insbesondere, weil Prüfungsentscheidungen auch nach den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 17. 4. 1991 noch immer nur in erheblich eingeschränkter Weise gerichtlich kontrollierbar und damit auf ihre inhaltliche Richtigkeit hin überprüfbar sind. Aus diesem Grunde ist im Prüfungsrecht besonderes Augenmerk auf den Abwicklungsmodus einer Prüfung 19, also die Form- und Verfahrensgestaltung, zu legen. Art. 12 I GG fordert spezielle Form- und Verfahrensregeln folglich nicht um ihrer selbst willen, sondern zwecks Kompensation inhaltlicher Kontrolldefizite. 20 Im folgenden werden demnach sowohl Art, Weise und Inhalt der rechtlichen Normierung des Prüfungsrechts als auch die diese konkretisierende Prüfungsentscheidung im Einzelfall an Art. 121 GG zu messen sein.

16 BVerfGE 7, 377 (400). π BVerfGE 7, 377 (403). is Becker, Prüfungsrecht, S. 95 f. 19 Becker, Prüfungsrecht, S. 94 f. 20 S. u. F. II.

II. Prüfungsentscheidungen und Berufsfreiheit

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2. Eingriff durch Prüfungen Ein Eingriff in den Schutzbereich eines Grundrechts ist zu bejahen, wenn durch die staatliche Maßnahme die Ausübung des Grundrechts erschwert oder verwehrt wird. 21 Bloße Belästigungen werden nicht erfaßt. 22 Indem die Aufnahme zahlreicher beruflicher Tätigkeiten an die erfolgreiche Ablegung einer oder auch mehrerer Prüfungen geknüpft wird, greift der Normgeber in die grundsätzlich gewährleistete Berufsfreiheit ein. Dasselbe gilt für die im Einzelfall getroffenen nachteiligen Entscheidungen durch die Prüfungsbehörden wie ζ. B. das Nichtbestehen.23 Daneben gibt es noch zahlreiche Studiengänge und sie abschließende Prüfungen, deren Absolvieren und Bestehen für die Aufnahme des entsprechenden Berufs zwar nicht zwingend vorgeschrieben ist, deren erfolgreicher Abschluß für den Bewerber um eine berufliche Anstellung oder auch für den freiberuflich Tätigen zu ganz erheblichen tatsächlichen Vorteilen führt, wie ζ. B. das betriebswirtschaftliche Diplom. 24 Das Bestehen einer Prüfung, sei es als rechtliche oder sei es nur als tatsächliche Voraussetzung für die Aufnahme eines bestimmten Berufs, betrifft nicht lediglich den Aspekt der Berufsausübung, da hiermit nicht nur die Modalitäten, in denen sich die Tätigkeit vollzieht, bestimmt werden. Vielmehr handelt es sich um einen Eingriff in die Berufswahl, weil ohne das erfolgreiche Ablegen bestimmter Prüfungen dem Grundrechtsträger rechtlich oder tatsächlich verwehrt oder erschwert wird, den von ihm gewählten Beruf auszuüben.25 Mit der angespannten Situation auf dem Arbeitsmarkt und der zunehmenden Beschäftigungslosigkeit auch hochqualifizierter Akademiker gewinnt diese faktische Beeinträchtigung erhebliche Bedeutung.

3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs Natürlich findet die Gewährleistung der Berufsfreiheit nicht schrankenlos statt. Wie alle grundrechtsbeeinträchtigenden Maßnahmen hoheitlicher Gewalt bedarf auch der Eingriff in die Berufsfreiheit gem. Art. 12 I GG einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung.

21 Pieroth/Schlink, StaatsR II, Rdnr. 274. 22 Pieroth/Schlink, StaatsR II, Rdnr. 278; Strauch, Prüfungsordnungen, S. 87. 23 Borsdorff, DVP 1996, 192 (193); Strauch, Prüfungsordnungen, S. 87. 24 Pietzcker, Prüfungen, S. 23. 25 Guhl, Prüfungen, S. 22 f.

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C. Verfassungsrechtliche Vorgaben

Nach Art. 1212 GG kann das Recht auf freie Berufsausübung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden. Diese Regelungsbefugnis erstreckt sich nach allgemeiner Ansicht auch auf die Berufswahl, obwohl der Wortlaut dies nicht nahezulegen scheint.26 Dies findet seinen Grund darin, daß Art. 12 I GG als einheitliches Grundrecht angesehen wird: Die Berufswahl steht am Anfang der Berufsausübung, und die Berufsausübung stellt eine ständige Bestätigung der Berufswahl dar. 27 Um der unterschiedlichen Schutzwürdigkeit der Betroffenen vor Eingriffen in das Grundrecht der Berufsfreiheit gerecht zu werden, je nachdem, ob die Freiheit der Wahl oder nur die der Ausübung eines Berufs tangiert ist, hat das Bundesverfassungsgericht die sog. Drei Stufentheorie entwickelt. 28 Handelt es sich um reine Ausübungsregelungen, die lediglich die Bedingungen und Modalitäten umschreiben, unter denen sich die berufliche Tätigkeit vollzieht, das „Wie" der Tätigkeit, müssen die Einschränkungen lediglich aufgrund vernünftiger Erwägungen des Gemeinwohls als zweckmäßig erscheinen (erste Stufe). 29 Eingriffe in die Freiheit der Berufswahl dagegen können sich zum einen als subjektive Zulassungsvoraussetzung (zweite Stufe) und zum anderen als objektive Zulassungsschranke (dritte Stufe) darstellen. 30 Sie betreffen das „Ob", d. h. den Wahlaspekt der beruflichen Tätigkeit.31 Die Eingriffsintensität steigert sich von Stufe zu Stufe. 32 Daher muß der Gesetzgeber stets die Form des Eingriffs wählen, die das Grundrecht am wenigsten beschränkt. 33 Jeder Eingriff muß seinerseits auf einer verfassungsmäßigen Grundlage beruhen. Die das Grundrecht einschränkenden Normen müssen mit der Verfassung vereinbar sein. Hinsichtlich der hier in Frage stehenden Normen des Prüfungsrechts könnten insbesondere bezüglich der Anforderungen, die von der sog. Wesentlichkeitstheorie aufgestellt werden, der Erfüllung der Voraussetzungen des Bestimmtheitsgrundsatzes und der Beachtung der Maßgaben des Verhältnismäßigkeitsprinzips Bedenken auftreten.

26 BVerfGE 7, 377 (402 f.); Guhl, Prüfungen, S. 21 f. 27 BVerfGE 7, 377(401); Breuer, in: Hdbuch des StaatsR VI, S. 877 (902 f.); Pieroth/ Schlink, StaatsR II, Rdnr. 903 2« BVerfGE 7, 377 (405 if.). 29 BVerfGE 7, 377 (405 f.); Pieroth/Schlink, 30 BVerfGE 7, 377 (406 ff.); Pieroth/Schlink,

StaatsR II, Rdnr. 998. StaatsR II, Rdnr. 920 ff.

31 BVerfGE 7, 737 (406 ff.); Breuer, in: Hdbuch des StaatsR VI, S. 957 (989); Pieroth/ Schlink, StaatsR II, Rdnr. 921. 32 Pieroth/Schlink, StaatsR II, Rdnr. 920. 33 BVerfGE 7, 377 (408); Breuer in: Hdbuch des StaatsR VI, S. 957 (989); Pieroth/ Schlink, StaatsR II, Rdnr. 943.

II. Prüfungsentscheidungen und Berufsfreiheit

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a) Vorbehalt des Gesetzes, Parlamentsvorbehalt und Wesentlichkeitstheorie Nach heute übereinstimmender Auffassung beansprucht der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes auch im Prüfungsrecht Geltung und bedürfen Prüfungen einer gesetzesförmigen Grundlage. 34 (1) Unzulässigkeit von Verwaltungsvorschriften bei bestimmten Entscheidungen Dagegen war es in der Vergangenheit anerkannte Praxis, Prüfungsordnungen als (verwaltungsinterne) Verwaltungsvorschriften, also nicht als Außenrechtssätze zu erlassen.35 Wegen dieser fehlenden Anerkennung der Rechtssatzqualität wurde eine gesetzliche Ermächtigung für entbehrlich gehalten und demnach die Geltung des Grundsatzes vom Vorbehalt des Gesetzes bestritten. 36 Demzufolge wurden die Gerichte nur als insofern mittelbar an die Prüfungsbestimmungen gebunden angesehen, als sie „die durch die Verwaltungsvorschriften bewirkte Selbstbindung der Verwaltungsbehörden nach Maßgabe des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 I GG zu beachten haben".37 Ein Verstoß gegen Art. 3 I GG liegt vor, wenn eine Behörde, nachdem sie die Verwaltungsvorschriften regelmäßig befolgt hat, im Einzelfall davon abweicht, ohne daß eine besondere Ausnahmesituation vorliegt. 38 Die Vertreter der sog. Lehre von den Sonderverordnungen bejahten zwar den Rechtssatzcharakter und die Möglichkeit der Außenwirkung prüfungsrechtlicher Regelungen, verneinten aber gleichwohl die Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigung. 39 Sonderverordnungen - dazu wurden auch die Prüfungsordnungen gerechnet - bildeten eine dritte Gruppe von Vorschriften. Deren Eigenart entspräche es nicht, wenn entweder die bisher für Rechtsverordnungen oder die für Verwaltungsvorschriften erarbeiteten Lösungen übernommen würden. 40 Diese Auffassungen sind jedoch überholt. Der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes wird anerkannt und damit zugleich die Möglichkeit des Erlasses einer Prüfungsordnung als reine Verwaltungsvorschrift abgelehnt.41 34 Becker, NJW 1990, 273 (275 f.); DÖV 1970, 730 (731 f.); Guhl, Prüfungen, S. 307 ff.; Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 21; Pietzcker, Prüfungen, S. 149 ff.; Wahl, DVB1. 1985, 822 (827). 35 BVerwGE 1, 260 (262); BVerwG, NJW 1959, 1843 (1843); NJW 1962, 122 (122); Groß, DÖV 1971, 186(189). 36 BVerwGE 1, 260 (262); BVerwG NJW 1959, 1843 (1843 f.); NJW 1962, 122 (122); Groß, DÖV 1971, 186(188). 37 BVerwG, NJW 1959, 1843 (1843); NJW 1962, 122 (122). 3« BVerwG, NJW 1959, 1843 (1844). 39 Böckenförde/Grawert, AÖR 95 [1970], 1 (16 ff.); Brohm, DÖV 1964, 238 (248); Ossenbühl, AÖR 92 [1967], 1 (22 ff.). 40 Böckenförde/Grawert, AÖR 95 [1970], 1 (17, 22).

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C. Verfassungsrechtliche Vorgaben

(2) Wesentlichkeit einer Entscheidung und Parlamentsvorbehalt Damit ist das Problem jedoch noch nicht gelöst. Vielmehr wirft die Lehre vom Gesetzesvorbehalt, die eine Einschränkung und Regelung - hier des Art. 121 GG durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes zuläßt, eine Reihe weiterer Fragen auf. Die Einschränkung der Berufswahl erfordert grundsätzlich die rechtssatzförmige Ausgestaltung des prüfungsrechtlichen Rechtsverhältnisses.42 Gesteigerte Anforderungen an die Normierung gelten nach der sog. Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts, wenn es sich um wesentliche, grundrechtsrelevante Entscheidungen handelt. Solche Entscheidungen im Rahmen der Grundrechtsausübung muß der parlamentarische Gesetzgeber selbst treffen (sog. Parlaments vorbehält). 43 Welche Bereiche konkret einer gesetzlichen Regelung bedürfen und welche einer untergesetzlichen Normierung durch Prüfungsordnungen überlassen werden können, ist weder eindeutig noch abschließend geklärt, weil sich der Begriff der „Wesentlichkeit" einer Konkretisierung weitgehend entzieht.44 Es hat sich allerdings ein gewisser „Kernbereich" einer Prüfung 45 herausgebildet, für den gesetzliche Regelungen der Parlamente erforderlich sind. In den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 17. 4. 1991 geht dieses davon aus, daß zumindest die Leistungsanforderungen in der Prüfung, die Bewertungsmaßstäbe und darüber hinaus bestimmte Regelungen des Bewertungsverfahrens, die Objektivität und Neutralität gewährleisten müssen, etwa die Auswahl, die Zahl und das Verhältnis der Prüfer zueinander, einer gesetzlichen Grundlage bedürfen. 46 Ähnliche, allerdings etwas differenzierter gestaltete Aufzählungen findet man im Schrifttum. Zunächst werden, als unbedingt durch formelles Gesetz zu regeln, ebenfalls der inhaltliche Gegenstand - der Prüfungsstoff - einschließlich der Leistungsanforderungen in der Prüfung genannt 47 Ebenso bedürfen die Bewertungsmaßstäbe einer gesetzlichen Regelung.48 Der Gesetzgeber muß Maßgaben für die Bewertung der Prüfungsleistung geben.49 Er muß die Leitentscheidungen treffen, 41 BVerfG, NJW 1991, 2005 (2008); Becker, NJW 1990, 273 (276); Guhl, Prüfungen, S. 310, 316 ff.; Pietzcker, Prüfungen, S. 152; Wortmann, NWVBL 1992, 304 (304). 42 Becker NJW 1990, 273 (276); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 21; Wortmann, NWVBL 1992, 304 (304). 43 BVerfGE 34, 165 (192 f.); 40, 237 (249); 41, 251 (260); 45, 400 (417); 47, 46 (78 ff.); 48, 210 (221); 49, 89 (126); 61, 260 (275); Becker, NJW 1990, 273 (277 f.); Guhl, Prüfungen, S. 317, 323; Müller, PersV 1997, 49 (49); Scherzberg, NVwZ 1991, 31 (32); Wahl, DVB1. 1985, 822 (827); Wortmann, NWVBL 1992, 304 (304). 44 Niehues, Prüfungesrecht, Rdnr. 22; Wortmann, NWVBL 1992, 304 (304). 45 Becker, NJW 1990, 273 (277). 46 BVerfG, NJW 1991, 2005 (2005). 47 Becker, NJW 1990, 273 (278); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 24, 30 ff.; Wahl, DVB1. 1985, 822 (827). 48 Niehues, Prüfungsrecht, Rdnrn. 24, 30 ff. 49 Niehues, Prüfungsrecht, Rdnrn. 24, 30.

II. Prüfungsentscheidungen und Berufsfreiheit

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nach Tendenz und Programm umgrenzen und so für den Prüfling berechenbar machen. 50 Dazu wird festgestellt, daß danach streng genommen auch das WissHG NW (§91, heute § 91 UG NW) nicht den geforderten Anforderungen entspreche, weil genau die eben genannten, durch den Gesetzgeber zu treffenden Leitentscheidungen in den Regelungsbereich der Prüfungsordnungen verwiesen würden. 51 Teilweise werden sogar alle gesetzlichen Grundlagen für unzureichend gehalten.52 Aus diesem Grunde hat das Bundesverfassungsgericht auch seine Forderungen hinsichtlich des Parlamentsvorbehalts relativiert und sieht es als ausreichend an, wenn sich die rechtlichen Vorgaben nicht unmittelbar aus der gesetzlichen Grundlage ergeben. Es genüge vielmehr, daß sie sich mit Hilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze erschließen ließen, insbesondere aus dem Zweck, dem Sinnzusammenhang und der Vorgeschichte des Gesetzes.53 Gleichwohl bleibt es höchst zweifelhaft, ob der derzeitige Rechtszustand - insbesondere der extreme Mangel an gesetzlichen, aber auch untergesetzlichen Bewertungsmaßstäben - im Einklang mit der Verfassung steht.54 Für wichtig wird auch gehalten, daß der Gesetzgeber selbst bestimmte Verfahrensregelungen vornimmt, die sowohl den äußeren Ablauf des Prüfungsgeschehens als auch das Zustandekommen der Leistungsbewertung betreffen. 55 Das sind bedeutende Verfahrensentscheidungen, mit denen, unabhängig von der Prüfungsleistung selbst, über das Grundrecht der freien Berufswahl entschieden wird, so daß nur der Gesetzgeber sie verantworten kann 56 , oder auch Regelungen, die das Verfahren in besonderen, vom normalen Prüfungsverlauf abweichenden Situationen normieren. 57 Dazu zählen ζ. B. Fragen der Zulassung, des Verfahrens und der Konsequenzen bei Täuschungen, der Folgen eines Prüfungsrücktritts und der Zahl der Wiederholungsmöglichkeiten bzw. die Frage der Wiederholbarkeit. 58 Ferner werden dem Gesetzgeber die Grundentscheidung über die Zuständigkeit, Kollisionsregelungen beim Mehrprüfersystem, die (Mindest-)Qualifikation von Prüfern und andere wichtige Fragen der Ausgestaltung des Prüfungsverlaufs, des Verfahrens der Leistungsermittlung und der Leistungsbewertung zugewiesen.59 Einzelheiten können dagegen in untergesetzlichen Rechtsnormen geregelt werden. 60 Jedenfalls ist es nicht Aufgabe des Gesetzgebers, Verfahrensvorschriften eher technischen so BVerfGE 58, 257 (268 ff.); 80, 1 (20 ff.); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 30. 51 Wortmann, NWVBL 1992, 304 (304). 52 Becker, Prüfungsrecht, S. 176 ff. 53 BVerfGE 19, 17 (30); 58, 257 (277); 62, 207 (210); BVerfG, DVB1. 1989, 814 (815). 54 Becker, Prüfungsrecht, S. 176 ff. 55 Becker, NJW 1990, 273 (278); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnrn. 24 f. 56 Becker, NJW 1990, 273 (278). 57 Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 28. 58 Becker, NJW 1990, 273 (278); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnrn. 25 ff. 59 Niehues, Prüfungsrecht, Rdnrn. 26 ff. 60

Niehues, Prüfungsrecht, Rdnrn. 27 f.

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C. Verfassungsrechtliche Vorgaben

Charakters zu verabschieden, die lediglich die äußeren Prüfungsbedingungen geschäftsmäßig ordnen. Die anderen Bereiche bzw. die Ausgestaltung des Verfahrens im einzelnen können folglich in einer untergesetzlichen Prüfungsordnung 61 in Form einer Rechtsverordnung oder Satzung geregelt werden. Sollen nähere Einzelheiten in einer Rechtsverordnung geregelt werden, so müssen in jedem Fall die in Art. 80 I GG oder in den entsprechenden Landesvorschriften genannten Modalitäten erfüllt werden, wie ζ. B. die Ermächtigung durch ein formelles Gesetz, das Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung angibt. 62 Keinesfalls können aber mit Hilfe einer Rechtsverordnung, die einer hinreichend substantiierten Verordnungsermächtigung des Gesetzgebers entbehrt, die Defizite eines ebenso unbestimmten Gesetzes ausgeglichen werden. Möglich wäre ein Ausgleich mangelnder Steuerungskraft eines Gesetzes durch eine Rechtsverordnung nur, wenn die Verordnungsermächtigung Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend genau umschreibt. 63

(3) Zulässigkeit von Regelungen durch Hochschulsatzungen Gefahr uneinheitlicher Berufsbilder Handelt es sich um Hochschulprüfungen, so wird die Prüfungsordnung in Form von Satzungen erlassen. Die Erstellung dieser Prüfungsordnungen vollzieht sich im Zusammenwirken von Staat und Hochschule.64 Die Satzung wird von dem zuständigen Universitätsorgan erlassen, ζ. B. für Prüfungsordnungen in NordrheinWestfalen dem Fachbereich gem. § 28 I UG NW, und bedarf dann gem. § 16 I HRG der Genehmigung der zuständigen Landesbehörde, ζ. B. in Nordrhein-Westfalen des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung gem. § 108 I UG NW. Gem. § 16 I HRG sind in den Prüfungsordnungen die Voraussetzungen für die Zulassung zur Prüfung, deren Wiederholung, die Anrechnung von Studien- und Prüfungsleistungen, die Prüfungsanforderungen und das Prüfungsverfahren abschließend zu regeln. Genauere Maßgaben für die Prüfungsordnungen ergeben sich aus dem Landesrecht. 65 Die Tatsache, daß den Hochschulen bei der Erstellung der Prüfungsordnung ein Mitwirkungsrecht 66 zukommt, führt dazu, daß die universitären Prüfungsordnungen von Bundesland zu Bundesland und sogar von Universität zu Universität recht unterschiedlich ausfallen. Innerhalb der Länder kann noch relativ unproblematisch durch die Genehmigung bzw. Nichtgenehmigung durch 61 Wortmann, NWVBL 1992, 304 (305). 62 Guhl, Prüfungen, S. 312 ff. 63 Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 23. 64 Oebbecke, NWVBL 1995, 243 (243); Tomerius, Hochschulautonomie, S. 187. 65 In NRW z.B. §91 I I U G N W . 66 Fall des Zusammenwirkens, s. Leuze, in: Leuze /Bender, UG, § 108, Rdnr. 4; Waldeyer, in: Hailbronner, HRG, § 16, Rdnr. 14.

II. Prüfungsentscheidungen und Berufsfreiheit

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das Land - natürlich nur sofern Versagungsgründe 67 vorliegen - eine gewisse Einheitlichkeit hergestellt werden. Erheblich schwieriger gestaltet sich dagegen eine Einigung auf Bundesebene. Die föderale Struktur setzt hier einer umfassenden Vereinheitlichung Grenzen. Lediglich Grundfragen und Grundlagen sind noch relativ einheitlich geregelt. Geht es jedoch um speziellere Fachfragen, so ist kein weitreichender Konsens mehr zu erzielen. Einheitliche Berufsbilder und damit einheitliche Anforderungen, Inhalte und Maßstäbe sind folglich in den Diplom- und Magisterprüfungsordnungen in den seltensten Fällen festzustellen. 68 Unter anderem aus diesen Gründen wird teilweise eine gewisse Zentralisierung auch der Hochschulprüfungen vergleichbar mit den staatlichen Prüfungen gefordert. 69 Zentrale Einrichtungen sollen - ähnlich dem IMPP (§ 14 III 3 ÄAppO) 7 0 unter anderem auch Prüfungsaufgaben erarbeiten, bewerten oder, sofern eine zentrale Bewertung nicht möglich ist, Richtlinien für die Bewertung vorlegen. Bei allen Vorteilen zentraler Prüfungen sind auf der anderen Seite aber auch die Nachteile und Grenzen von Zentralisierungsbestrebungen nicht zu verkennen. Als Nachteile seien ζ. B. die Einengung von MeinungsVielfalt und Wissenschaftspluralismus genannt. Eine pauschale Einführung von zentralen Prüfungen begegnet aber insbesondere auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten gewissen Bedenken. Im Hinblick auf die universitären Prüfungen gilt es nämlich, die Autonomie bzw. das Selbstverwaltungsrecht 71 der Hochschulen (vgl. § 281 2 HRG, § 11 2 UG NW, Art. 16 I Verf. NW) zu wahren, die allerdings auch bestimmten Grenzen unterliegen. 72 Es wird ebenfalls in Zweifel gezogen, ob die Rechtsform der Universität als Selbstverwaltungskörperschaft des öffentlichen Rechts verfassungsrechtlich durch Art. 5 III GG garantiert ist. 73 Auf jeden Fall aber muß die Universität eine irgendwie geartete freiheitliche Organisationsstruktur aufweisen, wozu auch das Recht zur Satzungsgebung zählt. 74 Daher gilt es, einen gerechten Ausgleich der widerstreitenden Interessen zu finden. Auf der einen Seite steht die staatliche Verantwor-

67 § 16 HRG; § 108 UG NW. 68 Becker, Prüfungsrecht, S. 90; Kurth/Mintken, PersV 1991,464 (467). 69 Becker, Prüfungsrecht, S. 171 f. 70 Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen in Mainz, Rechtsgrundlage: Abkommen über die Errichtung und Finanzierung des Instituts für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen vom 14. 10. 1970, z. B. GVB1.NW 1972, S. 10. 71

Zu den Begriffen s. Tomerius, Hochschulautonomie, S. 6 ff. 72 Leuze, DÖD, 1993, 1 (6). 73 Erichsen/Scherzberg, NVwZ 1990, 8 (9); Tomerius, Hochschulautonomie, S. 111 ff.; a.A. Klein, AÖR 90 [1965], 129 (137 ff.); Leuze, in: Leuze/Bender, UG, § 2, Rdnr. 4; Reinhardt, WissR 1968,6 (10). 74 S. z. B. § 58 HRG, § 1 UG NW, Art. 16 I VerfNW; Gallas, Staatsaufsicht, S. 83 f.; Tomerius, Hochschulautonomie, S. 114 f.

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C. Verfassungsrechtliche Vorgaben

tung für die Berufsausbildung und damit im Ergebnis auch für gerechte und richtige Prüfungsentscheidungen. Dies erfordert möglichst einheitliche Berufsbilder. Auf der anderen Seite sind jedoch die Anforderungen, die sich aus der autonomen Stellung der Hochschule ergeben, zu beachten. Folglich kann also weder der Forderung nach einer völligen Zentralisierung der Prüfungsangelegenheiten und damit einer einheitlichen Prüfungsordnung noch der nach einer allein der autonomen Satzungsgewalt der Hochschule überlassenen Erstellung der Prüfungsordnungen entsprochen werden. Einerseits besitzen Prüfungen eine Wissenschaftsrelevanz. 76 Die Inhalte der Prüfungsordnungen wirken nämlich auf die der Studienordnungen zurück. Damit wird zwangsläufig auch Einfluß auf die Lehrinhalte genommen. Art. 5 ΙΠ GG fordert aber die Freiheit der Lehre und dementsprechende Strukturen der Hochschulen.77 Andererseits kommt dem Staat insbesondere auch im Hinblick auf seine Verantwortung für die Berufsausbildung aus Art. 12 I GG eine erhebliche Verantwortung bei der Erstellung der Inhalte, Formen und Maßstäbe etc. der Prüfungen zu. 78 Um beiden Erfordernissen gerecht zu werden, ist ζ. B. in Nordrhein-Westfalen die Form des Zusammenwirkens 79 gewählt worden. Der Hochschule wird eine „Formulierungsprägorative" für die Hochschulprüfungen zugestanden.80 Indem der Entscheidungsanteil des Landes in Form einer Genehmigung zu erbringen ist, erhält dieses im Ergebnis ein „Letztentscheidungsrecht" über die Gültigkeit der jeweiligen Prüfungsordnung. Dieses Maß der Mitwirkung, das einerseits die schützenswerten Interessen der Hochschule wahrt, andererseits dem Staat im Streitfall wohl den „längeren Atem" läßt, wird den widerstreitenden Interessen grundsätzlich gerecht. Im Zweifel ist nämlich der staatlichen Funktion der Universität als Ausbildungsstätte für bestimmte Berufe und der staatlichen Verantwortung für das Prüfungsrecht der Vorrang zu geben.81 Die Hochschulen bzw. die Hochschullehrer müssen sich mit Rücksicht auf den Ausbildungszweck der Universität Einschränkungen gefallen lassen.82 Ob die genauen Bedingungen des Zusammenwirkens im Einzelfall absolut korrekt ausgestaltet sind, ist eine andere Frage. Die Versagungsgründe der Genehmigung sind in Nordrhein-Westfalen beispielsweise ganz pauschal für sämtliche Bereiche des Zusammenwirkens festgelegt (vgl. § 108 ΠΙ UG NW). Hier wäre es geboten, die Versagungsgründe je nach der Wissenschaftsrelevanz bzw. der staat75 76 77 78

Leuze, DÖD, 1993, 1 (6); Waldeyer, in: Hailbronner, HRG, § 15 Rdnr. 8; § 16 Rdnr. 6. Leuze, DÖD 1993, 1 (6); Tomerius, Hochschulautonomie, S. 215 f. Gallas, Staatsaufsicht, S. 83 f.; Tomerius, Hochschulautnomie, S. 114 f. Guhl, Prüfungen, S. 18, 21 f.; Tomerius, Hochschulautonomie, S. 216 f.

79 §§1611 HRG, 108 11 UG NW. so Leuze, DÖD 1993, 1 (7). si Leuze, DÖD 1993, 1 (6 f.). 82 VGH Bad.-Württ., DVB1. 1985, 1084(1086).

II. Prüfungsentscheidungen und Berufsfreiheit

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liehen Verantwortung differenzierter auszugestalten.83 So könnte auch eine stärkere staatliche Kontrolle und damit ein größerer staatlicher Einfluß auf den Inhalt der Prüfungsordnungen herbeigeführt werden. Eine vollständige Zentralisierung würde dagegen wegen der Wissenschaftsrelevanz der Prüfungsordnungen der Hochschulautonomie nicht gerecht. Dies würde auch gelten, wenn den Hochschulen auf die „zentrale Einrichtung" ein Einfluß eingeräumt würde; denn auch dann würde der Hochschule die Satzungsautonomie als ein Kernbestandteil der Selbstverwaltung entzogen. Die Probleme, die sich aus der Existenz solch verschiedener „Berufsbilder" ergeben, wie sie zur Zeit bestehen, sind auf einem anderen, noch näher zu erörternden Weg, einer Lösung zuzuführen. 84 Schließlich ist die Frage zu stellen, in welcher Form der Gesetzgeber die Satzungsgewalt an Körperschaften des Öffentlichen Rechts übertragen muß. Zum Teil wird die Anwendung derselben Formerfordernisse wie bei der Ermächtigung zur Verordnungsgebung gefordert. 85 Dieser Ansicht kann jedoch nicht gefolgt werden, da es an einer für eine analoge Anwendung des Art. 80 I GG notwendigen Regelungslücke fehlt und sie darüber hinaus dem Sinn der Autonomie zuwider liefe. 86 Ob allein durch den gesetzgeberischen Akt der Verleihung der Autonomie an die Körperschaft diese auch die Befugnis zum Erlaß von Prüfungsordnungen in Form von Satzungen erhält oder ob sich aus dem Gesetz der Gegenstand ersehen lassen muß, den die autonome Rechtssetzung betreffen darf 87 , braucht hier nicht entschieden zu werden, da sowohl das Hochschulrahmengesetz88 als auch die Landesgesetze89 diese Erfordernisse erfüllen. Für eine Übergangszeit kann sogar ganz auf formell-gesetzliche Grundlagen verzichtet werden, und die durch Verwaltungsvorschriften getroffenen Regelungen können allein für einen meist nicht näher umgrenzten Zeitraum fortgelten. 90 Diese Aufrechterhaltung darf nur so lange erfolgen, wie es zur Verhinderung materieller 83

Tomerius, Hochschulautonomie, S. 223 f; ähnlicher Gedanke bei Ο ebbecke, NWVBL 1995, 243 (245). «4 S. u. C. II. 3. c) (bb) (χ). 85 Wentzel, Berufsausbildungsrecht, S. 131 f., 144 ff.; Zoller, Art. 80 GG, S. 93 ff. 86 BVerfG, NJW 1972, 1504 (1056); BVerwGE 6, 247 (249, 251); Guhl, Prüfungen, S. 315; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 80, Rdnr. 47; Starck, AÖR 92 [1967], 449 (458 f.). 87 BVerwGE 6, 247 (249, 251); Guhl, Prüfungen, S. 315, 321; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 80, Rdnrn. 47 ff.; Starck, AÖR 92 [1967], 449 (458 f.). 88 § 161 HRG. 89 Vgl. ζ. B. § 911 UG NW. 90 BVerfGE 9,63 (71 f.); 21,12 (39 f.); 58, 257 (280); Guhl, Prüfungen, S. 329 f.; Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 48.

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Ungerechtigkeit unabweisbar erforderlich ist. 91 Aber auch dann sind möglichst verfassungsnahe Übergangsregelungen zu treffen. 92 In jüngerer Zeit hat diese Problematik im Zusammenhang mit dem vom Bundesverfassungsgericht 93 geforderten verwaltungsinternen Kontrollverfahren, dem sog. „Überdenken", einige Bedeutung gewonnen. Sofern die Landesgesetzgeber dieses Verfahren noch nicht durch Gesetz geregelt haben, ist es für eine Übergangszeit ohne gesetzliche Grundlage so durchzuführen, daß der Kandidat möglichst rechtzeitig und wirkungsvoll in seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit gem. Art. 12 I GG geschützt wird. 9 4 b) Bestimmtheitsgrundsatz Eng verknüpft mit dem zuvor erörterten Komplex des Vorbehalts des Gesetzes ist die Frage nach der Wahrung des aus dem Rechtsstaatsprinzip gem. Art. 20 III, 28 I GG abgeleiteten Bestimmtheitsgrundsatzes. Ebenso wie der Vorbehalt des Gesetzes gewinnt der Bestimmtheitsgrundsatz im Verhältnis zwischen der Legislative und den Rechtsanwendungsorganen, d. h. der Exekutive und der Judikative, Bedeutung. Einerseits soll der Bürger in der Lage sein, im voraus Umfang und Tragweite einer Entscheidung zu erkennen, damit er sein Handeln danach einrichten kann. 95 Die Normen des Prüfungsrechts sind sehr weit und allgemein gefaßt, eben unbestimmt, so daß der Kandidat die Prüfungsinhalte etc. nur ungenau voraussehen kann. 96 Im Jurastudium etwa ist es unmöglich, den konkreten Prüfungsstoff anhand der Definition abzugrenzen und dementsprechend zu lernen. 97 Es muß deshalb befürchtet werden, daß die Prüfungsentscheidung jedenfalls zu einem Teil eine Zufallsentscheidung ist. Andererseits ist nicht zu verkennen, daß hinsichtlich der Bestimmtheit einer Norm Grenzen bestehen. Je enger und eindeutiger die Entscheidungsfindung im einzelnen Fall vorgeschrieben ist, desto unflexibler und unübersichtlicher wird das Recht, und die einzelne Entscheidung wird möglicherweise sogar ungerechter, da die Besonderheiten des Einzelfalles nicht berücksichtigt werden können. Da wesentliche Bewertungsschritte fallbezogen bleiben müssen, ist ein gewisses Maß an Unbestimmtheit aus rechtsstaatlichen Aspekten geradezu geboten.98 Auch hier gilt Guhl, Prüfungen, S. 330. 92 BVerwG, NVwZ 1993, 681 (685). 93 BVerfG, NJW 91, 2005 (2006). 94 BVerwG, NVwZ 1993, 681 (685). 95 BVerfGE 21, 73 (79); 52, 1 (41); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 24. 96 Muckel, WissR 1994, 107 (115); Rozek, NVwZ 1992, 343 (345). 97 Zu den Folgen der Unbestimmtheit s. a. u. D. IV. 3. 98 Borsdorff, DVP 1996, 192 (196); Fröhler, in: FS für Ule, S. 54 (58); Rozek, NVwZ 1992, 343 (345).

II. Prüfungsentscheidungen und Berufsfreiheit

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der Grundsatz: Impossibilium nulla est obligatio - Unmögliches kann vom Gesetzgeber nicht verlangt werden." Die Frage ist nur, ob - insbesondere wegen des intensiven Grundrechtseingriffs in die Berufsfreiheit durch das Erfordernis der Ablegung von Prüfungen - höhere Anforderungen an die Bestimmtheit und damit an die Steuerungskraft der Normen gestellt werden müssen, als dies gegenwärtig der Fall ist.

c) Verhältnismäßigkeitsprinzip Der Regelungsvorbehalt des Art. 12 I 2 GG, der sich dem Wortlaut nach zunächst nur auf Berufsausübungsregelungen bezieht, gilt ebenso auch für Einschränkungen der Berufswahl, d. h. für subjektive und objektive Zulassungsschranken, da es sich um ein einheitliches Grundrecht handelt. 100 Wegen der unterschiedlichen Anforderungen, die an den mit der Einschränkung der Berufsfreiheit verfolgten Zweck zu stellen sind, ergibt sich zunächst die Frage, ob Prüfungen als subjektive oder objektive Zulassungsbeschränkungen anzusehen sind.

(1) Prüfungen - subjektive oder objektive Zulassungsbeschränkungen? Sollte es sich nämlich lediglich um eine subjektive Zulassungsschranke handeln, so wäre ein Eingriff bereits dann gerechtfertigt, wenn er zum Zweck des Schutzes wichtiger Gemeinschaftsgüter zwingend erforderlich ist, während dagegen objektive Zulassungsschranken nur zur Abwehr nachweisbarer und höchstwahrscheinlicher Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter von überragender Bedeutung, die nicht anders abweisbar sind, erfolgen dürfen. 101 Dabei ist ein Eingriff auf einer höheren Stufe nur dann verhältnismäßig, wenn sein Zweck nicht ebenso gut durch einen Eingriff auf einer niederen Stufe erreicht werden kann. 102 Nach der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts, dem auch das überwiegende Schrifttum gefolgt ist, handelt es sich bei einer Prüfung bzw. dem Verlangen einer solchen um eine subjektive Zulassungsvoraussetzung, da der Ausgang der Prüfung vom Prüfling zu beeinflussen ist, also in seiner Person liegt. Subjektive Zulassungsvoraussetzungen müssen zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter erforderlich sein. 103 Da nie ganz exakt bestimmt werden könne, welche Kenntnisse zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter letztlich vonnöten seien, könne auch ein

99 Redeken NVwZ 1992, 343 (345). 100 BVerfGE 7, 377 (402); Guhl, Prüfungen, S. 21. ιοί BVerfGE 7, 377 (406 ff.); Guhl, Prüfungen, S. 21 f. 102 BVerfGE 7, 377 (408); Pieroth/Schlink, StaatsR II, Rdnr. 943. 103 BVerfGE 13, 97 (107, 115 ff.); 19, 330 (337); 25, 236 (247), 80, 1 (23, 35); Guhl, Prüfungen, S. 22; Neumann, DVB1. 1987, 339 (343 f.). 3 Lampe

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C. Verfassungsrechtliche Vorgaben

gewisser sich in vernünftigen Grenzen haltender Überschuß an Ausbildungs- und Prüfungsanforderungen hinzunehmen sein. 104 Dem Einzelnen werde in Gestalt einer formalen Ausbildung nur etwas zugemutet, was er grundsätzlich der Sache nach ohnehin auf sich nehmen müßte, um den Beruf ordnungsgemäß ausüben zu können. 105 Es gibt daneben jedoch andere Stimmen, die dezidiert herausarbeiten und mit gewichtigen Argumenten begründen, daß Prüfungen - jedenfalls dann, wenn sie unter dem Verdikt der beschränkten Wiederholbarkeit stehen - eine objektive Zulassungsbeschränkung darstellen. 106 Es ist demnach zu prüfen, ob das derzeitige System, in dem die im Rahmen dieser Arbeit behandelten berufsqualifizierenden akademischen und staatlichen Abschlußprüfungen, die in aller Regel einer begrenzten Wiederholbarkeit unterliegen, mit der Verfassung, d. h. insbesondere mit Art. 12 I GG und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, das in der Dreistufentheorie seine besondere Ausprägung gefunden hat, vereinbar ist. Dazu ist zunächst herauszuarbeiten, durch welche generellen Merkmale die subjektiven und die objektiven Berufszulassungsvoraussetzungen jeweils gekennzeichnet sind und wodurch sie sich voneinander unterscheiden. Als subjektive Zulassungsvoraussetzungen werden solche angesehen, die in der Person des Bewerbers liegen - insbesondere Vor- und Ausbildung - und von ihm zu beeinflussen sind. 107 Objektive Voraussetzungen für die Zulassung sind solche, die nicht in der Person des Bewerbers liegen - beispielsweise Kapazitätsgrenzen - und auf die er keinen Einfluß nehmen kann. 108 Die Argumente der Ansichten, die eingeschränkt wiederholbare Prüfungen für eine objektive Zulassungsvoraussetzung - mit all den daraus folgenden Konsequenzen - halten 109 , überzeugen. Becker legt beispielsweise dar, wie bei der ärztlichen Prüfung anhand des Instruments der Prüfungswiederholung - durch ein Zusammenstreichen der Zahl der Prüfungsversuche von drei auf zwei - die Zahl der Berufsaspiranten gesteuert werden kann. 110 Des weiteren ist die Berufseignung des Prüflings, deren Feststellung und Überprüfung ja Zweck der Prüfung ist, absolut festzustellen. Ob einem Kandidaten die notwendigen Fähigkeiten für die Ausübung des von ihm angestrebten Berufes zugestanden werden, darf nicht davon abhängen, wie gut oder schlecht der jeweilige 104 BVerfGE 13, 97 (117 f.); 25, 236 (248); 54, 301 (330 f.); 55, 185 (196 f.). los BVerfGE 7, 377 (407). 106 Becker, Prüfungsrecht, S. 87 f., 142 ff., insbes. S. 146 ff.; Geck, Promotionsordnungen, S. 37 ff.; in bestimmten Grenzen auch Guhl, Prüfungen, S. 22, 65 f., 93. 107 BVerfGE 7, 377 (406); 13, 97 (115); 54, 301 (314 f.); 55, 185 (196 f.), 59, 302 (316); Guhl, Prüfungen, S. 21. los BVerfGE 7, 377 (406); 9, 338 (345); 33, 303 (330); 37, 104 (113); 39, 258 (269 f.); 39, 276 (293); 43, 291 (313 ff.); Guhl, Prüfungen, S. 21 f. 109 Der Schutz überragender Gemeinschaftsgüter muß Zweck der Prüfung sein, no Becker, Prüfungsrecht, S. 87 f.

II. Prüfungsentscheidungen und Berufsfreiheit

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Durchschnitt seiner Prüfungsgruppe bzw. seines Prüfungsjahres o. ä. ist. Ausschlaggebend muß allein die Frage sein, ob der Prüfling geeignet ist, den Beruf ohne Gefahren für das Gemeinwohl auszuüben. Nun ist es in der Praxis nahezu, wenn nicht gar vollkommen unmöglich, den Schwierigkeitsgrad von Prüfungsaufgaben abstrakt und im Vorhinein zu bestimmen. Indizien und Anhaltspunkte bieten immer u. a. die tatsächlich erbrachten Leistungen. Die „Bezugsnorm" wird nie absolut, sondern nahezu immer nur relativ sein können. 111 Ist dies aber der Fall, so hängt das Bestehen oder Nichtbestehen nicht allein vom Zutun des Kandidaten ab, sondern auch in erheblichem Maße von den durch die anderen Prüflinge erbrachten Leistungen, an denen sich die Einschätzung des Schwierigkeitsgrades und die Höhe der Anforderungen orientieren. Das gilt nicht zuletzt deshalb, weil trotz allen Bemühens um Objektivität die Prüfer geneigt sind, jedenfalls ungefähr von einer „statistischen Normalverteilung" auszugehen, oder eine solche zu erwarten. 112 Nicht selten wird sich ein Prüfer scheuen, auch wenn die Leistungen eigentlich alle „recht ansprechend" sind, keinen oder nur ein paar Prozent der Kandidaten durchfallen zu lassen. Prüfungsgruppen mit weniger als 30 bis 40 Teilnehmern, wie sie in der Praxis nicht selten auftreten, sind jedoch zu klein, um eine statistische Normalverteilung anzunehmen.113 Aufgrund dieser Problematik kann es durchaus vorkommen, daß ein an sich geeigneter Kandidat eine Prüfung lediglich deshalb nicht besteht, weil er in einer insgesamt relativ guten Gruppe „gelandet" ist. Dies zeigt deutlich, daß die Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen nicht allein von der Leistung, d. h. den vom Kandidaten zu beeinflussenden Faktoren abhängt, sondern daß tatsächlich eine Art „Kontingentierung" vorliegt, also sein Bestehen von Voraussetzungen abhängt, auf die er keinen Einfluß hat. Daß hier keine explizite und genaue Festlegung eines Kontingents besteht, wie es in anderen anerkannten Fällen objektiver Zulassungsbeschränkungen wie ζ. B. bei der Zulassung von Kassenärzten der Fall ist, ändert nichts daran, daß faktisch eine zahlenmäßige, wenn auch schwankende und in hohem Maße durch Zufall und Unwägbarkeiten bedingte Beschränkung vorliegt. Sofern berufsqualifizierende staatliche und akademische Abschlußprüfungen derzeit also einer eingeschränkten Wiederholbarkeit unterliegen, sind sie entgegen der überwiegenden Auffassung als objektive Zulassungsvoraussetzung anzusehen. Wie in anderem Zusammenhang noch eingehend erörtert und begründet werden wird 1 1 4 , widerspricht die eingeschränkte Wiederholbarkeit der Verfassung. 111

Zu den Bezugsnormen s. u. F. I. 1. Ingenkamp, in: Ingenkamp, Zensurengebung, S. 187 (188). 113 Kurth/Mintken, PersV 1991,464(472).

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114 S. u. F. II. 5. e). 3*

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Bei einer konsequenten Fortführung der Ansätze der herrschenden Meinung erweist sich diese als nicht schlüssig. Indem die überwiegende Ansicht, ohne dies näher zu problematisieren, in aller Regel Prüfungen als subjektive Berufszulassungsbeschränkungen auffaßt, geht sie vordergründig mit der Verfassung konform. Ruft man sich in Erinnerung, daß das Bundesverfassungsgericht, dem sich die Rechtsprechung und das überwiegende Schrifttum angeschlossen haben, Einschränkungen zur Freiheit der Berufswahl nur soweit toleriert, als es zum gemeinen Wohl unerläßlich ist, und der Gesetzgeber stets die Form des Eingriffs auf der Stufe wählen muß, die das Grundrecht am wenigsten beschränkt 115, so hält sich die herrschende Meinung im Rahmen der Verfassung. Als subjektive Zulassungsschranken müssen die Prüfungen „nur" zum Zweck des Schutzes wichtiger Gemeinschaftsgüter zu rechtfertigen sein. Aufgrund der eingeschränkten Wiederholbarkeit kommt man aber tatsächlich zu dem Ergebnis, daß es sich gerade nicht um ein subjektives, sondern vielmehr um ein objektives Zulassungshindernis für die Ausübung des jeweils angestrebten Berufes handelt. Dann sind aber auch an den mit diesem Zulassungshindernis verbundenen Zweck erheblich höhere Anforderungen zu stellen. Nur wenn die Prüfungen in ihrer derzeitigen Ausgestaltung, d. h. mit begrenzter Wiederholbarkeit versehen, zur Abwehr nachweisbarer und höchstwahrscheinlicher Gefahren für überragend wichtige Gemeinschaftsgüter unabweislich erforderlich sind, vermögen sie eine solche Regelung zu rechtfertigen. Eine derartige Gefahr ist jedoch kaum nachweisbar. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des derzeitigen Prüfungssystems ist folglich nicht als unproblematisch anzusehen. Vielmehr bestehen neben dem hier angedeuteten Aspekt der Beschränkung der Wiederholungsmöglichkeiten noch einige weitere Ansatzpunkte für Kritik, die zwar nicht immer so gravierend sind, daß sie ohne weiteres zur Verfassungswidrigkeit führen müßten, wohl aber durchaus geeignete Anstöße für eine weitere Verbesserung des Prüfungssystems darstellen.

(2) Genügen Prüfungen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit? Neben das Problem, ob das derzeitige Prüfungssystem mit seinen möglicherweise vorhandenen Mängeln 116 verfassungsmäßig und gerecht und damit in dieser Form aufrechterhaltbar ist, stellt sich die elementare Frage, wie es generell um die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Prüfungen, hier insbesondere der berufsqualifizierenden akademischen und staatlichen Prüfungen, im Hinblick auf Art. 121 GG bestellt ist. Prüfungen müßten zunächst einmal überhaupt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen, d. h. sie müßten, gemessen an ihrem Zweck, die Berufseignung fest-

115 BVerfGE 7, 377 (408). no S.o.C. II. 3. a), b), c) (1).

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zustellen und dadurch den Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter zu erreichen, geeignet, erforderlich und angemessen sein. Ausgangspunkt ist vorliegend, daß es sich bei den Prüfungen um eine subjektive Berufszulassungsvoraussetzung handelt - sei es, weil man der überwiegenden Ansicht zustimmt, oder sei es, weil man - wie hier vertreten - die unbeschränkte Wiederholbarkeit befürwortet. 117 (a) Zweck der Prüfungen: Ermittlung der Berufseignung zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter Abstrakt gesehen muß der Zweck sämtlicher berufsbezogener staatlicher und akademischer Abschlußprüfungen nach der Dreistufenlehre darin zu sehen sein, daß sie zum Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsguts erforderlich sind. 118 Welches konkrete Schutzgut dies nun im einzelnen Fall ist, läßt sich nur mit Blick auf die jeweilige Prüfung sagen. Je nachdem, für welchen Beruf eine Prüfung qualifizieren soll, differiert auch das kollidierende Rechtsgut, welches geschützt werden soll, indem für diese Tätigkeit ungeeignete Bewerber von vornherein nicht zugelassen werden. Verallgemeinert ausgedrückt, besteht der Zweck einer solchen Prüfung folglich in der Ermittlung der Berufseignung im Hinblick auf den angestrebten Beruf zum Schutze des gefährdeten Gemeinschaftsguts durch eine unsachgemäße Ausübung. Daraus folgt, daß in einem rechtsstaatlichen Prüfungsverfahren überhaupt nur solche Prüfungsanforderungen abverlangt werden dürfen, die durch den Prüfungszweck, d. h. den Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter, geboten sind. 119 Wohl nicht zuletzt wegen der Schwierigkeit, exakt auszumachen, welche genauen Voraussetzungen zu erfüllen und damit zu überprüfen sind, wird allgemein anerkannt, daß der Einzelne einen gewissen, sich in vernünftigen Grenzen haltenden „Überschuß" an Ausbildungs- und Prüfungsanforderungen hinnehmen müsse. 120 Ein weiterer Aspekt, der für die Rechtfertigung des Eingriffs in die nach Art. 121 GG geschützte freie Berufswahl häufig ins Feld geführt wird, ist die Annahme, daß der Einzelne ohnehin eine vorgeschriebene Ausbildung absolvieren müsse, um den Beruf ordnungsgemäß ausüben zu können. 121 Es werde also nicht mehr verlangt, als ein verständiger Berufsaspirant ohnehin auf sich nehmen würde. 122 Der Kandidat muß die Prüfung als subjektive Zulassungsbeschränkung zum einen also "7 S. u. F. II. 5. e); s. o. C. II. 3. c) (1). us BVerfGE 7, 377 (406 f.); Breuer, in: Hdbuch des StaatsR VI, S. 957 (989). 119 Guhl, Prüfungen, S. 104 f., 380; Pietzcker, Prüfungen, S. 39 ff. 120 BVerfGE 13, 97 (117 f.); 25, 236 (248); 54, 301 (330 f.); 55, 185 (196 f.); Becker, NJW 1982, 1315 (1316). 121 BVerfGE 7, 377 (407). 122 BVerfGE 7, 377 (407).

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deshalb hinnehmen, weil sie um eines höherrangigen Schutzguts willen wichtig ist. Zum anderen legitimiert sich die Beschränkung des Freiheitsbereichs aus der Sache heraus, weil ohne Ausbildung der Beruf nicht erfolgreich und sozial verträglich ausgeübt werden kann: Der vernünftig handelnde Bürger unterzieht sich der Ausbildung im eigenen Interesse und gerade, um seine Freiheit der Berufswahl mit objektiver fundierter Zuversicht betätigen zu können. 123 Noch einigermaßen übersichtlich stellt sich die Situation für die insgesamt bundesgesetzlich geregelten Berufsbilder dar, wie etwa den Staatsprüfungen der Medizin, Zahnmedizin, Tiermedizin und dem teilweise bundesgesetzlich geregelten Berufsbild des Juristen (BRAO, DRiG). 1 2 4 Bei letzterem wird es wegen der zum großen Teil landesrechtlichen Regelungen schon weniger eindeutig. 125 Als nur noch äußerst schwer durchschaubar erweisen sich die akademischen Prüfungen. Bezüglich der wichtigsten berufsbezogenen Prüfung, dem Diplom, fällt die Regelungskompetenz zum Erlaß der Diplomprüfungsordnungen in den Kompetenzbereich der Universität. Aufgrund dieser delegierten Kompetenz ergeben sich folglich mannigfaltige Probleme, ein bundeseinheitlich definiertes Berufsbild zu entwickeln. Allenfalls Ansätze dazu gibt es aufgrund der von § 9 HRG geforderten Koordination der Ordnung von Studium und Prüfungen zwischen Bund und Ländern bzw. zwischen den Ländern untereinander. Auch wenn durch die Prüfungsordnungen formell gewisse Anhaltspunkte bestehen, wie der jeweilige Beruf auszusehen hat und welche Anforderungen zu erfüllen sind, heißt das noch nicht, daß diese Definitionen und Beschreibungen materielle Richtigkeit besitzen - stets gemessen an dem Zweck, im Interesse der jeweiligen Gemeinschaftsgüter geeignete von ungeeigneten Bewerbern zu trennen. (b) Einbeziehung prüfungswissenschaftlicher zur Beurteilung der Verhältnismäßigkeit

Forschungen

Um die Frage der Verhältnismäßigkeit zufriedenstellend und nicht zu einseitig aus juristischer Sicht zu beantworten, kann sich ein Blick auf die prüfungswissenschaftliche Forschung als äußerst hilfreich erweisen. Hinzukommt, daß deren Ergebnisse nicht zusammenhanglos neben den juristischen Agenden zu sehen sind. Vielmehr verlangt die oben dargestellte Prämisse, nämlich die Schaffung gerechter und „richtiger" Prüfungsergebnisse, einen Blick auf die prüfungswissenschaftliche Forschung. Bislang wurden deren Erkenntnisse nur in wenigen Arbeiten berücksichtigt. 126 Ansonsten werden auch eindeutige Ergebnisse kaum zur Kenntnis genommen. 127 Tatsächlich sind Prüfungen nicht Selbstzweck, sondern haben sich an 123 Becker, Prüfungsrecht, S. 88. 124 Becker, Prüfungsrecht, S. 89, Fn. 17. 125 Becker, Prüfungsrecht, S. 89. 126 Ζ. B. Becker, Prüfungsrecht; Pietzcker, Prüfungen.

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tatsächlichen, auch außerjuristischen Gegebenheiten zu orientieren. Dabei bleibt zu betonen, daß über das Gerechtigkeitserfordernis hinaus auch Fragen, die man auf den ersten Blick für nichtjuristisch hält, durchaus von rechtlicher Relevanz sind. Die oft vernachlässigte 128 prüfungswissenschaftliche Literatur kann also erheblich dazu beitragen, Aufschluß über die Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit der derzeitigen Prüfungssysteme, aber auch hinsichtlich von Prüfungen schlechthin, zu geben. Hier sollen insbesondere die in der Testtheorie entwickelten und ganz allgemein anerkannten Gütekriterien einer näheren Untersuchung unterzogen werden. Dabei geht es insbesondere um die sog. Hauptgütekriterien, anhand derer man die „Brauchbarkeit" von Tests und Prüfungen ermitteln kann: Die Objektivität, die Réhabilitât (Zuverlässigkeit) und die Validität (Gültigkeit). Sollten Prüfungen in ihrer derzeitigen Form oder gar Prüfungen generell nicht annähernd diesen Gütekriterien entsprechen, so bestünden Bedenken hinsichtlich der Geeignetheit und damit auch der Verhältnis- und Verfassungsmäßigkeit des Prüfungswesens insgesamt. (aa) Geeignetheit Eine Betrachtung anhand der drei Hauptgütekriterien Objektivität, Réhabilitât und Validität zeigt, daß die Notenfindung von zahlreichen Faktoren beeinflußt wird, die die Geeignetheit von Prüfungen hinsichtlich der Feststellung einer späteren, erfolgversprechenden Ausübung des Berufes als fraglich erscheinen lassen.129 Solche Faktoren sind beispielsweise der Einfluß von Prüfungsangst 130, die Qualität der der Prüfung vorangegangenen Ausbildung 131 , das Phänomen der self-fullfilling-prophecy und die vollkommen unterschiedlichen Maßstäbe, die von verschiedenen Prüfern angelegt werden. 132 (α) Objektivität Die Objektivität einer Prüfung ist gegeben, wenn verschiedene Prüfer bei der Beurteilung einer Leistung unabhängig voneinander zu demselben Ergebnis kommen 1 3 3 , wenn also intersubjektive Einflüsse der Untersucher möglichst ausgeschal-

127 Becker, Prüfungsrecht, S. 35; Pietzcker, Prüfungen, S. 28. 128 Becker, Prüfungsrecht, S. 35. 129 Wimmer, DVB1. 1981, 473 (476). 1 30 Becker, Prüfungsrecht, S. 156 ff.; Eckstein, in: Eckstein, Hochschulprüfungen, S. 46 (48), S, 122. 131 Eckstein, in: Eckstein, Hochschulprüfungen, S. 46 (50). 132 Vgl. die Untersuchung von Starch/Elliot, in: Ingenkamp, Zensurengebung, S. 81 ff. 133 Becker, Prüfungsrecht, S. 37; Kurth/Mintken, PersV 1991, 464 (467).

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tet werden können. 134 Zudem ist das Vorliegen der Objektivität Voraussetzung für die beiden weiteren Hauptgütekriterien diagnostischer Instrumente - schriftliche und mündliche Prüfungen - , der Réhabilitât und der Validität. Im allgemeinen wird zwischen den äußeren und inneren Eingangsbedingungen der Prüfung, den Bedingungen des Prüfungsverlaufs, d. h. der Durchführungsobjektivität und der Bewertungsobjektivität unterschieden. 135 — Äußere und innere Eingangsbedingungen Relativ leicht sind die äußeren Bedingungen wie beispielsweise Ort, Zeit, Dauer etc. der Prüfungen einheitlich zu gestalten. Ganz anders stellt sich die Situation hinsichtlich der inneren situativen Bedingungen dar. Hier gibt es eine ganze Reihe von Umständen, die von erheblicher Bedeutung für Verlauf und Ausgang der Prüfung sind bzw. sein können, was in zahlreichen Arbeiten untersucht, dargestellt und analysiert wird. Von erheblichem Erkenntniswert ist ζ. B. die Frage, ob Prüfer und Prüfling einander kennen. In einem solchen Fall ist der Prüfer eher geneigt, zu einer positiven Einschätzung des Kandidaten zu gelangen. Nach dem sog. Primacy-Effekt, der insbesondere von Asch / Irle erforscht wurde, wird der Gesamteindruck am stärksten durch den ersten Eindruck bestimmt. 136 Besonders stark kann sich dieser Effekt auswirken, wenn Prüfer und Prüfling einander vorher nicht kannten und der Prüfer sich für einen guten Menschenkenner hält. 137 Dem Eindruck entsprechende Leistungen wirken bestätigend und verstärkend auf das Urteil ein, während entgegenstehende oder widersprüchliche Informationen ignoriert, verdrängt oder auf andere, äußere Umstände zurückgeführt werden. Ein weiterer zu berücksichtigender Umstand ist der sog. Halo-Effekt. Dieser besagt, daß die Wertung einer Eigenschaft leicht auf eine andere übertragen wird bzw. auf eine andere ausstrahlt. Dies gilt z. B. für die Übertragung der bewerteten Leistungsfähigkeit auf ein weiteres Fach oder eine andere Prüfung, aber auch für die Bewertung einer schriftlichen oder mündlichen Leistung durch zwei oder mehrere Prüfer nacheinander. Auch hier ist eine deutliche Tendenz festzustellen, sich von dem zuvor gefällten Urteil beeinflussen zu lassen.138 Ferner wurden in einigen Untersuchungen interessante sog. Kontrast- oder Reihenfolgeeffekte festgestellt. 139 Wie gut oder schlecht eine Leistung bewertet 134 Ingenkamp,, Lehrbuch, S. 34; Karl, DÖV 1976, 122 (126); DÖV 1979,668 (671). 135 Birkel, Mündliche Prüfungen, S. 52 f., 56; Ingenkamp, Lehrbuch, S. 35. 136 Irle, Lehrbuch, S. 122 ff. 137 Birkel, Mündliche Prüfungen, S. 32. 138 Birkel, Mündliche Prüfungen, S. 34, 35; Höhn, Der schlechte Schüler. 139 Baurmann, in: Ingenkamp, Zensurengebung, S. 117 (126); Betz, Psychol, in Erzieh, u. Untern, 21. Jg. [1974], 1 ff.

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wird, hängt danach u. a. erheblich davon ab, wie das Niveau der vorangegangenen Leistung war. Hinzukommen rhythmische Schwankungen in der Bewertung, die vollkommen unabhängig von den vom Prüfling gezeigten Leistungen sind. 140 Insbesondere wurde herausgearbeitet, daß ermüdete Prüfer eher eine bessere Note erteilen als „frisch erholte". 141 Ein großes Problem stellt auch die Einschätzung des Schwierigkeitsgrades einer Aufgabe dar. Dieser Faktor ist kaum objektivierbar. 142 — Bedingungen des Prüfungsverlaufs In mündlichen Prüfungen spielt zudem das Verhalten des Prüfers eine erhebliche Rolle für die Leistung, die der Kandidat zeigt. Zum einen unterscheidet sich die Art der Fragestellung teilweise deutlich: Manche Prüfer weisen bereits in ihrer Frage auf mögliche Antworten hin, andere formulieren ihre Fragen sehr abstrakt und ohne jeglichen Lösungshinweis. Zum anderen unterscheiden sich die Prüfer im Niveau ihrer Beurteilungstendenzen zum Teil deutlich. 143 — Bewertungsobjektivität Das zentrale Problem bei der Frage nach der Objektivität ist jedoch die sog. Bewertungsobjektivität. So kommen nicht selten verschiedene Prüfer bei der Beurteilung derselben Prüfungsleistung zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen und damit auch Benotungen.144 Hier tritt erneut das bereits erwähnte Problem des sog. Reihenfolgeeffektes auf. 145 Erheblichen Einfluß können außerdem Vorinformationen über den Kandidaten, ζ. B. über Alter, Geschlecht oder soziale Herkunft, aber auch über Vorleistungen oder Vorbeurteilungen haben. 146 Von Bedeutung kann dies insbesondere bei der Beurteilung einer Arbeit durch zwei oder mehr Prüfer sein: Bei Kenntnis des Urteils des anderen Prüfers besteht die Tendenz zur Anpassung an dieses Urteil. Solange es um die Beurteilung positiven Wissens geht, besteht noch eine relativ hohe Übereinstimmung. Demgegenüber entstehen bei Beurteilungen, deren Parameter nicht so eindeutig und klar definierbar sind, erhebliche Einbußen an Objek140 Betz, Psychol, in Erzieh, und Untern, 21. Jg. [1974], 1 (1 ff.); Kaminski, Psychologie u. Praxis, 1959, 184 ff. 141 Betz, Psychol, in Erzieh, u. Unterr., 21. Jg. [1974], 1 (10). 142 Flügge, in: Mitteilungen und Nachrichten der Hochschule für Internationale Pädagogische Forschung, Sonderheft 1954; Schnotz, Zeitschrift für Entwicklungspsychologie u. Pädagogische Psychologie 3, 1971, 2, S. 106 ff. 143 Hartog/ Rhodes, in: Ingenkamp, Zensurengebung, S. 177 ff. 144 Starch / Elliot, in: Ingenkamp, Zensurengebung, S. 81 ff. 145 Baurmann, in: Ingenkamp, Zensurengebung, S. 117 (126 ff.). 146 Baurmann, in: Ingenkamp, Zensurengebung, S. 117 ff.; Weiss, in: Ingenkamp, Zensurengebung, S. 104 ff.

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tivität. Das liegt in allererster Linie an dem Mangel an Bewertungskriterien bzw. maßstäben. Nicht zuletzt deshalb fließen - bewußt oder unbewußt - wenig objektive Kriterien, wie ζ. B. das Auftreten des Prüflings, die Kleidung, das Bekanntsein oder andere Persönlichkeitsaspekte in die Bewertung ein. Aufgrund der zentralen Bedeutung dieses Mangels an Bewertungskriterien, also der Ungesteuertheit des wichtigen Bewertungsvorgangs und -ergebnisses, soll auf dieses Problem noch gesondert eingegangen werden. 147 Bei standardisierten Tests sind solche subjektiven Faktoren - ganz im Gegensatz zu mündlichen Prüfungen - zwar weitgehend ausgeschlossen. Grenzen im Einsatz solcher Tests 148 , die sich meist nur auf eine reine Wissensabfrage beschränken, liegen jedoch insbesondere in ihrer Validität. Komplexere Zusammenhänge sind in standardisierten Tests kaum abprüfbar. 149 (ß) Réhabilitât (Zuverlässigkeit) Unter der Reliabilität versteht man den Grad der Sicherheit oder Genauigkeit, mit der ein bestimmtes Merkmal, wie ζ. B. die Leistungsfähigkeit eines Prüflings gemessen wird. 1 5 0 Sie grenzt sich von dem Gütekriterium der Objektivität dahingehend ab, daß es hier nicht auf die Egalisierung der Prüfungsbedingungen aller Kandidaten ankommt, sondern auf die Frage, ob das, was gemessen und beurteilt wird, der tatsächlichen Leistungsfähigkeit des Prüflings entspricht. 151 Um die Reliabilität einer Prüfung zu durchleuchten, bieten sich im allgemeinen zwei Methoden an. Zum einen kann man die sog. Retest-Reliabilität zum Gegenstand einer Untersuchung machen. Zu diesem Zweck läßt man denselben Prüfer bzw. dieselbe Prüfungskommission die Leistungen eines Prüflings zu zwei verschiedenen, möglichst weit auseinanderliegenden Zeitpunkten bewerten. 152 Zum anderen kann man zur Ermittlung der sog. Paralleltest-Reliabilität die Leistung eines Kandidaten zwei hinsichtlich ihrer relevanten Eigenschaften möglichst gleichen Prüfern bzw. Prüfungskommissionen vorlegen. 153 Der sog. Reliabilitätskoeffizient gibt das Maß der Übereinstimmung der jeweiligen Ergebnisse an, das bei einem Vergleich der Beurteilungen festgestellt wird. 1 5 4 Wegen der auch hier bestehenden zahlreichen Möglichkeiten des Auftretens von Meßfehlern sind - trotz einer nicht zu verkennenden Aussagekraft - die Ergebnisse 147 s . u. F. I. 148 Bryde, RdJB 1982, 344 (349); Strauch, Prüfungsordnungen, S. 12. 149 S. u. C. II. 3. c) (2) (b) ( 7 ) . 150 Becker/Kuni, DVB1. 1981, 425 (431); Ingenkamp, Lehrbuch, S. 38; Kurth/Mintken, PersV 1991,464(467). 151 Becker, Prüfungsrecht, S. 41; Birkel, Mündliche Prüfungen, S. 47 f. 152 Ingenkamp, Lehrbuch, S. 38. 153 Becker, Prüfungsrecht, S. 42. 154 Ingenkamp, Lehrbuch, S. 39.

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solcher Untersuchungen des Reliabilitätskoeffizienten kritisch aufzunehmen. Meßfehler ergeben sich aufgrund verschiedener variabler Komponenten, wie ζ. B. der Aufgabenstellungen, der Prüfer, der Prüflinge etc., der sog. Varianz des Meßinstruments. 155 Bei der sog. Retest-Reliabilität können sich Fehler ergeben, weil der Kandidat in der zwischen den einzelnen Prüfungen liegenden Zeit seinen Kenntnisstand verbessern kann, er den Stoff, von dem er hofft, daß er in der Prüfung gefordert werde, repetiert, oder weil beim Prüfer ein Erinnerungseffekt auftreten kann. 156 In manchen Tests wurde festgestellt, daß die Nachbeurteilungen meist positiver ausfielen als die Erstbeurteilung. 157 Bei der Paralleltest-Reliabilität stellt sich mangelnde Äquivalenz der Prüfer und damit auch der Bewertungskriterien als die zentrale Ursache für eine geringe Übereinstimmung dar. 158 Demzufolge sorgen zum einen die Varianz des zu messenden Merkmals, nämlich der Kenntnisstand des Kandidaten, und zum anderen des Meßinstruments, also der Prüfer, für einen geringen Grad an Übereinstimmung bzw. einen geringen Reliabilitätskoeffizienten. Da auch erhebliche Bemühungen hinsichtlich der Erhöhung der Réhabilitât - sorgfältige Vorbereitung der Prüfer auf einheitliche Bewertung, standardisiertes Prüfungsmaterial, die die zu beurteilenden Aspekte beschreibenden Beurteilungsskalen - zu nur unwesentlich besseren Ergebnissen führten 159 , werden mündliche Prüfungen teilweise als nur in äußerst engem Rahmen brauchbar eingestuft. 160 Sie wurden teilweise sogar abgeschafft und durch schriftliche ersetzt. 161

(7) Validität (Gültigkeit) Das wichtigste methodische Kriterium für ein Untersuchungsverfahren stellt die sog. Validität oder auch Gültigkeit dar. 162 Mittels der Untersuchung der Validität einer Prüfung beabsichtigt man festzustellen, inwieweit die Prüfung auch tatsächlich das mißt, was sie messen soll. 1 6 3 Dabei unterscheidet man die Inhalts Validität, die ÜbereinstimmungsValidität, die Vorhersagevalidität und die Konstruktvalidität. 164 155 Becker, Prüfungsrecht, S. 42. 156

Becker, Prüfungsrecht, S. 42 f.; Ingenkamp, Lehrbuch, S. 38 f. Ingenkamp, in: Beck/Payrhuber, Aufsatzbeurteilung heute, S. 152 ff. 158 Becker, Prüfungsrecht, S. 42. 157

159 Hubbard, Erfolgsmessung, S. 155. 160 Betz, Psychol, in Erzieh, u. Unterr., 21. Jg. [1974], 1 (1); Birkel, Mündliche Prüfungen, S. 44 f., 79; Preiser, Psycholog. Rundschau 1975, 256 (279); so sogar bzgl. aller Prüfungen: Wimmer, DVB1. 1981, 473 (476). 161 Hubbard, Erfolgsmessung, S. 155. 1 62 Ingenkamp, Lehrbuch, S. 40. 163 Becker, Prüfungsrecht, S. 45; Becker/Kuni, DVB1. 1981, 425 (432); Ingenkamp, Lehrbuch, S. 40; Kurth/Mintken, PersV 1991,464 (467). 164 Ingenkamp, Lehrbuch, S. 40.

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— Konstruktvalidität Von geringer Bedeutung im Rahmen dieser juristischen Dissertation ist - weil noch nicht einmal annähernd brauchbar bzw. gar nicht in der Prüfungswissenschaft erforscht 165 - die sog. Konstruktvalidität. Sie wird auch als „theoretische Gültigkeit4' bezeichnet166 und ist gegeben, wenn eine systematische Abstimmung aller Prüfungsformen einschließlich ihrer Auswirkungen auf den Prüfling, den Prüfer, den vorangegangenen Unterricht, die zugrunde gelegten Lernziele und die nachfolgenden Konsequenzen für das Individuum und die Gesellschaft erfolgt ist. 1 6 7 — Vorhersagevalidität Bei der Vorhersagevalidität wird der Zusammenhang zwischen einem zu einem früheren Zeitpunkt ermittelten Untersuchungsbefund - der Prüfung - und dem zu einem späteren Zeitpunkt ermittelten Kriterium - der Berufseignung des Kandidaten - berechnet. 168 Zur prognostischen Validität von Noten existieren kaum empirische Arbeiten. 169 Eine einzige Untersuchung befaßt sich mit Abiturnoten. 170 Die Aussagequalität ist jedoch äußerst gering. — Übereinstimmungsvalidität Die in verschiedenen Untersuchungen ermittelten Korrelationskoeffizienten hinsichtlich der Übereinstimmungsvalidität geben Auskunft darüber, inwieweit ein Meßinstrument gültig ist, indem sie die Ergebnisse von mündlichen und schriftlichen Prüfungen oder auch Tests zum selben Thema vergleichen. 171 Zwar kommt die Prüfungsforschung zu teilweise recht unterschiedlichen Ergebnissen, insgesamt scheint die Übereinstimmungsvalidität bei Prüfungen jedoch eher gering zu •

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sein. — Inhaltsvalidität Die Inhaltsvalidität eines Meßinstruments - hier der Prüfung - ist von ganz entscheidender Bedeutung für die weitere Beurteilung der Geeignetheit von Prüfungen im Hinblick auf den mit ihnen verfolgten Zweck. Die repräsentative Auswahl 165 Becker, Prüfungsrecht, S. 51. 1 66 Becker, Prüfungsrecht, S. 51 ; Ingenkamp, Lehrbuch, S. 41. 167 Becker, Prüfungsrecht, S. 51. 168 Ingenkamp, Lehrbuch, S. 41. 169 Birkel, Mündliche Prüfungen, S. 107. 170 Ingenkamp, in: Beck/Payrhuber, Aufsatzbeurteilung heute, S. 152 ff.; Justizministerium NW, in: Millgramm, Studienführer, S. 8; Trost, Vorhersage des Studienerfolges. 171 Ingenkamp, Lehrbuch, S. 41. 172 Vgl. die einzelnen Beispiele dazu bei Becker, Prüfungsrecht, S. 50 f.

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der Aufgaben muß so gestaltet sein, daß dieser Zweck - die Ermittlung der Eignung der Berufsbewerber - möglichst weitgehend erreicht wird. Ideal wäre dabei die Validierung an der tatsächlichen Berufseignung, dem sog. Außenkriterium. 173 Die Schwierigkeiten beginnen hier jedoch schon mit der Auswahl solcher Prüfungsinhalte, die eine so repräsentative Auswahl darstellen, daß sie tatsächlich mit einer hohen Gültigkeit die Berufseignung feststellen können. 174 Damit ist man bei einer fundamentalen Schwierigkeit im Prüfungsrecht angelangt: Neben der abstrakten Festlegung der Kenntnisse und Leistungen, die für die Berufsaufnahme durch Gesetz oder Rechtsverordnung gefordert werden sollen, steht die konkrete Auswahl durch den Prüfer im Einzelfall. Hier können erhebliche Differenzen auftreten. Folglich orientiert man sich an den in der Ausbildung vermittelten Inhalten, d. h. es erfolgt eine inhaltliche Validierung an den Lernzielen. 175 Dieses Vorgehen ist grundsätzlich auch zu begrüßen, da es gewährleisten könnte, daß die Ausbildungsinhalte auf die Berufsanforderungen ausgerichtet sind. Eine an den Prüfungszielen und der späteren Berufswirklichkeit vorbeizielende Ausbildung und Prüfung wäre vollkommen ungeeignet und stellte zudem eine nicht erforderliche und auch nicht angemessene Belastung des Kandidaten dar. Die Praxis sieht allerdings leider oft anders aus. 176 Hier sind noch gewaltige Anstrengungen nötig, um das Ausbildungs- und Prüfungswesen deutlich besser auf die spätere Berufswirklichkeit auszurichten. So einfach, wie manche Kritiker behaupten, ist dies jedoch nicht, stellt sich die heutige Universität doch nicht ausschließlich als eine Berufsausbildungsstätte dar. Vielmehr ist ihr auch als Ort der wissenschaftlichen Forschung nicht zuletzt deswegen ein erhöhter Rang zuzubilligen, weil die Lehrenden, d. h. die die Ausbildung durchführenden Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeiter, Träger des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 III GG sind. In der Prüfung sollten jedoch nur die Lemziele relevant werden, deren Erreichung im Hinblick auf Art. 12 I GG verhältnismäßig ist. Zwischen diesen beiden Interessenlagen muß ein gerechter Ausgleich geschaffen werden. Dabei ist nicht zu verkennen, daß auch ein gewisser Grad „humanistischer Bildung" für die spätere Berufstätigkeit sehr hilfreich und daher zu fordern ist. Ein wesentliches Problem hierbei ist allerdings die Weite der derzeitigen Berufsbilder und damit die Breite der Fähigkeiten, die durch das Studium an den deutschen Universitäten vermittelt werden soll und muß. Sehr gut deutlich wird dies in der Juristenausbildung und in der juristischen Prüfung: Ein künftiger Sozialrichter wird ganz andere Fähigkeiten und Fertigkeiten besitzen müssen als ein Kandidat, 173 Becker/Kuni, DVB1. 1981,425(432). 174 Becker, NJW 1982, 1315 (1316); Kurth/Mintken, PersV 1991,464 (467). 175 Becker, Prüfungsrecht, S. 45; Becker/Kuni, DVB1. 1981, 425 (432). 176 Becker/Kuni, DVB1. 1981, 425 (432); Bryde, RdJB 1982, 344 (350); Kurth/Mintken, PersV 1991, 464 (467); Wimmer, DVB1. 1981, 473 (476).

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der als Justitiar in einer Versicherung tätig werden möchte. Möglich erscheint sogar, daß ein Kandidat theoretisch als zum Sozialrichter vollkommen ungeeignet bezeichnet werden müßte, er aber durchaus die Fähigkeit besitzt, ein guter Justitiar zu werden. Nicht zuletzt aus dieser Schwierigkeit heraus erlaubt das Bundesverfassungsgericht, daß ein gewisser „Überschuß" geprüft wird. 1 7 7 Mit dieser sicherlich nicht ganz befriedigenden - Situation wird man sich abfinden müssen, will man nicht das gesamte Bildungssystem, das durchaus auch viele Vorteile aufweist, grundlegend reformieren. Gleichwohl bedarf es seiner stetigen kritischen Be- und Überarbeitung und - auf diese Arbeit bezogen - der Stoffkataloge und Anforderungsprofile im Prüfungsrecht. Als Beispiel sei das Erste Staatsexamen für Lehrer in der Primarstufe genannt. Examensarbeiten sind hier in aller Regel wissenschaftliche Erörterungen in Spezialgebieten. Dies erscheint hinsichtlich der Fähigkeiten, die zunächst im Referendariat, später dann im Lehrerberuf relevant sind, äußerst fragwürdig. Das heißt nicht, daß von künftigen Primarschullehrern keine fachlichen Fähigkeiten zu verlangen seien. Sicherlich muß ein Grundschullehrer seinen Schülern „mehr als eine Stunde voraus" sein. Sinnvoll wäre es, in einer Staatsarbeit eine praxisorientierte Unterrichtsreihe zu entwickeln und in ihr den zugrundeliegenden fachwissenschaftlichen Hintergrund vertiefend darzustellen. In diesem Sinne ist eine umfassende Revision der Lehr- und insbesondere der Prüfungsziele unter Beteiligung aller betroffenen gesellschaftlichen Gruppen geboten. Auf diese Weise könnte eine höhere Validität bzgl. der sog. Außenkriterien erreicht werden. Eine hohe Inhaltsvalidität ist nur schwer zu erzielen. Sie kann zum einen durch Art und Inhalt der Prüfungsaufgaben (sog. explizite Validität) und zum anderen durch außerhalb der Leistung liegende Faktoren wie ζ. B. der Persönlichkeit des Kandidaten, dessen Angst, Intelligenz oder psychische Belastbarkeit sowie der Person des Prüfers (sog. implizite Validität) beeinflußt werden. 178 Besonders eklatant ist der Mangel an expliziter Validität in mündlichen Prüfungen. Verschiedene Untersuchungen zeigen, daß primär reines Faktenwissen, zudem unter erschwerten Bedingungen wie Streß und Zeitdruck, geprüft wird. 1 7 9 Ruft man sich in Erinnerung, daß mündliche Prüfungen gegenüber schriftlichen im Hinblick auf die Objektivität und Reliabilität schon deutliche Nachteile aufweisen, so darf die mündliche Leistungsüberprüfung nur dann an die Stelle der schriftlichen Leistungskontrolle treten, wenn sie gegenüber der letzteren eine erheblich höhere Validität aufweist, d. h. wenn mit ihr Fähigkeiten kontrolliert werden sollen, die schriftlich gar nicht oder nur sehr viel weniger zufriedenstellend getestet 177 BVerfGE 13, 93 (117 f.); 25, 236 (248); 54, 301 (330 f.); 55, 185 (196 f.). 178 Becker, Prüfungsrecht, S. 45. 179 Mc Guire, in: Journal of Medical Education 41, S. 1966, S. 267 ff.; Evans /Ingersoll/ Smith, in: Journal of Medical Education 41, 1966, S. 561 ff.

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werden können. 180 Dies ist ζ. B. der Fall in Prüfungsfächern, in denen es auf sprachliche Gewandtheit, Ausdrucksvermögen oder Aussprache oder auf die Überprüfung der „Fähigkeit zu denken" 181 ankommt. Dann muß der Prüfer sich aber auch an diese Zielvorgabe halten und nicht maßgeblich kognitives Wissen prüfen. Geht es nämlich um reines Faktenwissen, so sprechen die Vorteile ganz eindeutig für die schriftliche Überprüfung. 182 Die am stärksten formalisierte Form schriftlicher Prüfungen, nämlich standardisierte Tests 183 , sind zwar am objektivsten, weisen jedoch erhebliche Defizite hinsichtlich der Validität auf. Grenzen im Einsatz solcher Verfahren ergeben sich insbesondere daraus, daß neben dem Abfragen von Faktenwissen andere Fähigkeiten und Fertigkeiten wie Originalität, Ausdrucksvermögen, Phantasie etc. sowie die Persönlichkeit des Kandidaten - soweit es hierauf für die Berufseignung ankommt - nicht erfaßt werden können. Untersuchungen, die sich auf die implizite Inhaltsvalidität beziehen, weisen ebenfalls auf erhebliche Schwächen - insbesondere der mündlichen - Prüfungen hin. Einflüsse auf die Validität, die ihren Grund in der Person des Kandidaten finden, ergeben sich u. a. aus dem Aussehen des Kandidaten, der Sympathie 184 , dem Geschlecht185 und besonders auch aus der Prüfungsangst, die die wahren Fähigkeiten insbesondere schwacher und sich selbst als ängstlich einschätzender Kandidaten erheblich verringern. 186 Auch vom Prüfer geht eine Reihe von Einflüssen aus, die die Validität von Prüfungen beeinträchtigt. Zum ersten wurde festgestellt, daß Frauen oft bessere Noten erteilen als Männer. 187 Zum zweiten ergaben einige Untersuchungen, daß Prüfer geneigt sind, Prüflinge vom gleichen Geschlecht besser zu beurteilen als solche vom anderen Geschlecht.188 Ferner wurde nachgewiesen, daß Prüfer in aller Regel nicht nach absoluten Maßstäben zensieren, sondern als Vergleichsmaßstab die jeweilige Prüfungsgruppe heranziehen. 189 Ähnlich wie Betz, der rhythmische Schwankungen und eine Tendenz zur milderen Benotung bei Müdigkeit des 180 Becken Prüfungsrecht, S. 50; Birkel, Mündliche Prüfungen, S. 14, 98 f.; Preiser, Psychol. Rundschau 1975, 256 (279). 181 Becker, Prüfungsrecht, S. 46; Preiser, Psychol. Rundschau 1975, 256 (279). 182 Becker, Prüfungsrecht, S. 50; Birkel, Mündliche Prüfungen, S. 14,98 f. 183 Karl, DÖV 1982, 57 (61). 184 Hadley, in: Ingenkamp, Zensurengebung, S. 159 ff. 185 Carter, in: Ingenkamp, Zensurengebung, S. 148 ff. 186 Gärtner-Harnach, Angst und Leistung, S. 75 ff.; Moeller, in: Zeitschrift für Psychotherapie und Psychologie 22, [1972], S. 1 ff.; Nickel/Schlüter, in: Krohne, Angst bei Schülern und Studenten, S. 78 ff.; Scheer/Zenz, Studenten, S. 49 ff. 187 Newton, in: School and Society, 56, 1942, 72. 188 Carter, in: Ingenkamp, Zensurengebung, S. 148 ff.; Gerstein, Studierende Mädchen, S. 84 ff. 189 Ingenkamp, Tests, 1971, S. 111 ff.

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C. Verfassungsrechtliche Vorgaben

Prüfers konstatiert 190 , ergaben auch andere Untersuchungen eine Veränderung des Beurteilungsmaßstabs im Laufe des Tages: Je später am Tag geprüft wurde, desto besser wurde die Benotung. 191 Der Mangel an und die Uneinheitlichkeit von Beurteilungsmaßstäben, die schon im Rahmen der Erörterungen zur Objektivität und Reliabilität kritisiert wurden, verringern auch die Validität von Prüfungen. Schließlich haben die Prüfungsaufgaben selbst Auswirkungen auf die Gültigkeit des Prüfungsergebnisses. Anzustreben ist grundsätzlich eine relativ hohe Anzahl von Prüfungsaufgaben. Gute bzw. schlechte Leistungen aufgrund von Zufallswissen bzw. zufälligen, da nie ganz auszuschließenden Wissenslücken können erst bei einer gewissen Anzahl von Fragen, die möglichst viele der abzuprüfenden Wissensbereiche abdeckt, ausgeschlossen werden. Um dem Zufall keine allzu großen Chancen einzuräumen, scheint eine Aufgabenzahl von mindestens zehn geboten zu sein. 192 Bei mündlichen Prüfungen sollte eine Prüfungszeit von 30 Minuten nicht unterschri tten werden. 193

(£) Ergebnis der Geeignetheit Die Ergebnisse dieser Untersuchungen zeigen in anschaulicher Weise die Fragwürdigkeit von Prüfungen und des gesamten Prüfungssystems. Die Vorschläge für die hieraus zu ziehenden Konsequenzen reichen von der Forderung der sukzessiven Abschaffung von Prüfungen 194 bis hin zu der Ansicht, das bisherige System sei so schlecht gar nicht. Andere sehen insgesamt positiv eine Zukunft für das Prüfungswesen, sofern man sich stets um Verbesserungen der Qualität der Leistungskontrollen bemühe. 195 Eine Abschaffung von Prüfungen - sei sie auch sukzessiv - kann sicherlich nicht die Lösung dieser äußerst vielschichtigen und komplexen Problematik sein. Das gilt jedenfalls, solange keine sinnvollen Alternativen ersichtlich sind, die einen allgemeinen Konsens finden. 196 Es ist äußerst fraglich, ob durch die Abschaffung von Prüfungen überhaupt eine Besserung der Situation einträte. Solange die gegenwärtig existierende Gesellschaft vornehmlich auf Leistung baut, besteht ein Bedarf, Leistungen und Eignungen u. a. bei Berufsbewerbern differenziert festzustel190 Betz, Psychol, in Erzieh, u. Unterr., 21. Jg. [1974], 1 ff. 191 Coltoti/ Peterson, Journal of Medical Education 42, 1967, S. 1005 ff.; Pokorny/ Frazier, Journal of Medical Education 41, 1966, S. 28 ff. 192 Ingenkamp, in: Ingenkamp, Tests, S. 111 ff. 193 Preiser, Psychol. Rundschau 1975, 256 (278). 194 Becker, Prüfungsrecht, S. 95 ff. 195 Guhl, Prüfungen, S. 379 f.; Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 1; Seebass, NVwZ 1985, 521 (529). 196 Guhl, Prüfungen, S. 379 f. Krause, in: Eckstein, Hochschulprüfungen; S. 17 (26 f.); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 1.

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len. 1 9 7 Prüfungen erleichtern die Auswahlentscheidung.198 Eine Abschaffung des unter staatlicher Regie stehenden Prüfungswesens würde angesichts des oben genannten Bedürfnisses vielmehr zu anderen, informellen - ζ. T. wird sogar von „dubiosen Überprüfungen" 199 gesprochen - Vorgehensweisen führen. 200 Solche Überprüfungen bestehen zwar schon heute in nicht zu unterschätzender Zahl. Vielen Einstellungen ist fast obligatorisch das Bestehen bestimmter Tests vorgeschaltet. Dies weist sicherlich auf bestehende Mängel im Prüfungssystem hin. Ob dies für dessen Abschaffung spricht, ist dagegen höchst fraglich. Vielmehr zeigt die weit verbreitete Einführung solcher Tests, daß die Arbeitgeber - oft zurecht - nicht allein auf die Aussagekraft staatlicher Prüfungen und deren Ergebnisse vertrauen. Eine rigorose Abschaffung mag zwar der einfachere, sicherlich aber nicht der bessere Weg sein. Auf irgendeine Weise wird in einer Leistungsgesellschaft immer eine Prüfung der Leistungs- und Konkurrenzfähigkeit vorgenommen werden. Zunächst wird zutreffend angeführt, daß eine Verlagerung in die ad-hoc-Entscheidung und die Bewährung im Leben den Leistungsdruck und die Leistungskontrolle nicht beseitige, sondern sie nur unberechenbar mache und die Entlastung verhindere, indem sie beide perpetuiere. 201 Des weiteren verlagert ein Verzicht auf Prüfungen nur das Problem. Die Herrschaftsmacht käme dann allein denen zu, die Stellen zu vergeben und so über die Möglichkeit, eine Tätigkeit aufzunehmen, zu entscheiden haben. Hier ist jedoch die Vergleichbarkeit der Bewerber viel weniger gesichert als in einem abstrakten und formalisierten Prüfungsverfahren. Protektion und Diskriminierung werden leichter und können verschleiert werden, wenn keine Vorentscheidungen vorliegen. 202 Hinzukäme, daß private Einstellungstests wegen der fehlenden rechtsstaatlichen Bindungen Privater all jener Sicherungen entbehrten, die ein rechtsstaatliches Prüfungswesen kennzeichnen, wie die rechtliche Durchformung, das formalisierte Verfahren, die Gewährung von Chancengleichheit und in gewissen Grenzen auch den Rechtsschutz.203 Schließlich ist nicht ersichtlich, warum all die Probleme, die im Prüfungswesen auftreten, wie ζ. B. die Objektivität, die Réhabilitât, die Validität und die mannigfaltigen Bewertungsschwierigkeiten unter privater Regie nicht existent sein sollten. Es ist nicht erkennbar, selbst wenn man davon ausgeht, daß zur Zeit die von priva197

Krause, in: Eckstein, Hochschulprüfungen, S. 17 (26 f.); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 1. 198 Roellecke, in: FS der Juristischen Gesellschaft, S. 625 (637, 639). 199 Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 1. 200 Guhl, Prüfungen, S. 380; Krause, in: Eckstein, Hochschulprüfungen, S. 17 (26 f.); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 1. 201 Krause, in: Eckstein, Hochschulprüfungen, S. 17 (26 f.). 202 Krause, in: Eckstein: Hochschulprüfungen, S. 17 (26 f.). 203 Guhl, Prüfungen, S. 380; Löhning, Vorbehalt des Gesetzes, S. 77 f. 4 Lampe

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ter Seite durchgeführten Prüfungen „besser" sein sollten, warum das staatliche Prüfungssystem grundsätzlich nicht dementsprechend veränderbar sein sollte. Es gilt folglich, alle Bemühungen darauf zu richten, berufszulassenden staatlichen und akademischen Prüfungen wieder zu einem höheren Aussagewert zu verhelfen, d. h. ihre Qualität und damit ihre Akzeptanz und Bedeutung zu steigern. Dies gilt nicht nur im Interesse der hier angedeuteten Arbeitgeber- und Arbeitsmarktinteressen. Im Auge zu behalten sind vor allem der - natürlich damit eng verknüpfte - Aspekt der Berufseignung und der daraus resultierende Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter, also verfassungsrechtliche Fragen. Daneben bleibt es den Arbeitgebern natürlich unbenommen, weitere, speziellere Tests vorzunehmen, um den absolut geeigneten Bewerber für die zu besetzende Position zu finden. Anzustreben ist jedoch, daß die Prüfungen eine wesentliche Grundlage für die Einstellungsentscheidung darstellen.

(bb) Erforderlichkeit Als weiterer Aspekt des Verhältnismäßigkeitsprinzips müßten Prüfungen erforderlich sein. Die Erforderlichkeit wäre zu verneinen, wenn der verfolgte Zweck mit einem milderen, gleich effektiven Mittel erreicht werden könnte. 204

(α) Abschaffung von Prüfungen als milderes Mittel? Qualitativ vollkommen andere Mittel als irgendwie geartete Leistungstests, um den Zweck der Ermittlung der Berufseignung und damit den Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter zu erreichen, sind nicht ersichtlich. Eine Abschaffung von Prüfungen und ein Ersatz der derzeit durch die Prüfungen wahrgenommenen Kontrollaufgaben allein durch die Ausbildung 205 erscheinen nicht genauso effektiv. Es ist nicht anzunehmen, daß tatsächlich allein die Ausbildung garantiert, daß der Beruf später sachgerecht ausgeübt wird. 2 0 6 Mag es auch in einigen Studiengängen eine gegen Null tendierende Durchfallquote geben 207 , so ist zu bedenken, daß Kandidaten möglicherweise schon vorher das Studium aufgegeben haben, da sie den hohen Anforderungen nicht gewachsen waren. Daher ist fraglich, ob die Abschaffung tatsächlich auf Dauer ein milderes Mittel darstellt. In vielen anderen Studiengängen gibt es tatsächlich mehr oder weniger hohe Durchfallquoten, die auf einen möglicherweise ungeeigneten Anteil von Berufsbewerbern hinweisen.

204 205 206 207

Katz, StaatsR, Rdnr. 207; Pieroth/Schlink, StaatsR II, Rdnrn. 324 ff. Vgl. den Vorschlag Beckers, Prüfungsrecht, S. 95 f. Α. A. Becker, Prüfungsrecht, S. 96. Vgl. Becker, S. 96, Fn. 38.

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(/?) Prüfungen besitzen - wenn auch begrenzte - Aussagekraft Bei aller Kritik an Prüfungen schlechthin und am derzeitigen Prüfungssystem und bei Beachtung der mannigfaltigen Mängel ist gleichwohl eine, wenn auch beschränkte, Aussagekraft anzuerkennen. Keine Untersuchung ergibt, daß Prüfungen jeglicher Objektivität, Réhabilitât oder Validität entbehren. Auch aus diesem Grunde erscheint es zweifelhaft, ob eine Abschaffung sinnvoll ist, solange keine brauchbaren Alternativen entwickelt worden sind. (7) Beachtung der kollidierenden Gemeinschaftsgüter Bei der Prüfung der Erforderlichkeit sind auch stets die zu schützenden, kollidierenden wichtigen Gemeinschaftsgüter zu bedenken, die bei allem Verständnis für die Ungerechtigkeiten - insbesondere was die endgültig durchgefallenen und u. U. tatsächlich geeigneten Kandidaten betrifft - nicht außer Acht und ohne Schutz gelassen werden dürfen. Hier bietet sich allerdings auch ein guter Ansatzpunkt für Verbesserungen. Es ist nämlich deutlich stärker zwischen den verschiedenen Studiengängen und -abschlüssen zu differenzieren. Vollkommen zu Recht wird danach gefragt, welches wichtige Gemeinschaftsgut denn durch Diplomprüfungen für Betriebswirte etc. in der heutigen Form geschützt wird. 2 0 8 Eine Antwort ergibt sich aber auch hier aus einer differenzierten und analytischen Betrachtung. Wichtige und unbedingt schützenswerte Gemeinschaftsgüter erfordern sicherlich eine Prüfung für Ärzte (Art. 2 I I GG), Juristen (Vertrauen in die Rechtspflege und Funktionsfähigkeit der Rechtspflege), Pharmazeuten (Art. 2 I I GG), aber auch für Lehrer (Bildungswesen und Zukunft der Auszubildenden). Etwas komplizierter ist die Lage jedoch bei Berufen wie Diplom-Betriebswirten, Diplom-Biologen, Diplom-Geologen, Diplom-Volkswirten etc. Konkrete, wichtige und schützenswerte Gemeinschaftsgüter lassen sich dort nur schwer ausmachen. Die Lösung kann nur dahingehend erfolgen, daß man als Schutzgut das generelle Vertrauen der Bevölkerung auf das Vorhandensein (irgend-)einer Universitätsausbildung sieht, die eine Aneignung gewisser, einheitlicher Grundkenntnisse umfaßt. 209 Die Erforderlichkeit, dies abschließend auf irgendeine Weise zu überprüfen, kann man bejahen. Bei einem Großteil der Diplom-Studiengänge ist zu bedenken, daß diese keine echten Zulassungsvoraussetzungen im rechtlichen Sinn darstellen. Sie erschweren lediglich die Ergreifung eines Berufes in tatsächlicher Hinsicht. Die Eingriffsintensität ist erheblich geringer als bei Berufen, bei denen die Prüfung eine rechtliche Zulassungsvoraussetzung darstellt. Die faktische Erfüllung betriebswirtschaftlicher Tätigkeit ist einem „Nicht-Diplom-Betriebswirt" nicht etwa verboten oder verwehrt. Durch die Ablegung und das Bestehen der 208 Becker, Prüfungsrecht, S. 90 f. 209 Hinsichtlich der Basiscurricula scheint eine gewisse Einigkeit zu bestehen; vgl. Becker, Prüfungsrecht, S. 92. *

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Prüfung erlangt dieser lediglich das Recht, einen bestimmten Titel zu führen und erhält damit erhöhte Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Dementsprechend geringer sind die an die kollidierenden Schutzgüter zu stellenden Anforderungen. Bei Zugrundelegung dieser Sichtweise kommt man auch der Lösung der beklagten Problematik der uneinheitlichen Definition der Berufsbilder näher. 210 Verschieden definierte Berufsbilder und ein nicht ganz herzustellender Konsens sind gerade ein positiver, möglichst nicht zu egalisierender Ausdruck unserer pluralistischen Gesellschaft. Sie sind aber auch Ausdruck der Wissenschaftsfreiheit gem. Art. 5 III GG und der daraus folgenden Selbstverwaltung der Hochschulen.211 Sowohl der Studierende als auch der Bürger oder Personalchef kennen - bzw. können sich diesbezüglich informieren - die Schwerpunkte und Richtungen 212 der Ausbildung und der darauf folgenden Prüfung an den verschiedenen Universitäten. Der zukünftige Student kann danach die Universität seiner Wahl ansteuern. Der Bürger bzw. Personalchef weiß, welche Ausbildung er bei einem Absolventen einer bestimmten Universität zu erwarten hat. (δ) Ergebnis der Erforderlichkeit Diese Argumentation ist allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen, die jedoch zur Zeit lediglich zum Teil erfüllt sind, haltbar: Der Studienanfänger muß - sofern die Berufsbilder von den Universitäten unterschiedlich definiert werden - tatsächlich die Möglichkeit haben, an dem von ihm bevorzugten Ort zu studieren. Der bundesstaatliche Verbindlichkeitsanspruch von Diplomprüfungen kann so nicht erhalten bleiben. Es gibt nämlich entgegen dem in diesem Anspruch enthaltenen Postulat in vielen Diplomstudiengängen gerade kein einheitliches Berufsbild. Das hat zur Folge, daß einem an einer Hochschule endgültig durchgefallenen Kandidaten der Zugang zu einer anderen Hochschule mit einem abweichenden Berufsbild nicht verwehrt werden darf. Das zur Zeit geltende Recht, nach dem sich eine endgültig nicht bestandene Diplomprüfung als Immatrikulationshindernis darstellt, ist folglich revisionsbedürftig. Eine andere, weitergehende Möglichkeit der Lösung dieses Problems wäre, die Einschränkung der Wiederholungsmöglichkeiten gänzlich abzuschaffen. 213 Trotz der „Erlaubnis", einen gewissen „Überschuß" an Kenntnissen und Fähigkeiten zu verlangen 214 , und gerade wegen der Tatsache, daß dem Prüfling nur das 210 Becker, Prüfungsrecht, S. 90 ff. 211 Tomerius, Hochschulautonomie, S. 214 ff., 233 ff. 212 Ζ. B. die geistes- und naturwissenschaftliche Richtung in der Psychologie oder die eher »ökonomisch" orientierte und die traditionelle Richtung in der Pädagogik. 213 Dazu s. u. F. II. 5. e). 214 BVerfGE 13, 97 (117 f.), 25, 236 (248); 54, 301 (330 f.); 55, 185 (196 f.).

II. Prüfungsentscheidungen und Berufsfreiheit

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abverlangt werde, was er vernünftigerweise ohnehin auf sich nehmen müsse 215 , ist für jeden einzelnen Studiengang kritisch zu überprüfen, ob die gestellten Anforderungen tatsächlich erforderlich sind und der späteren Berufs- und Lebenswirklichkeit entsprechen.

(cc) Angemessenheit Schließlich darf der mit den Prüfungen jeweils verfolgte Zweck nicht außer Verhältnis zum Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit gem. Art. 121 GG stehen. Dabei sind um so höhere Anforderungen an den Zweck zu stellen, je stärker die Intensität des Eingriffs ist. 2 1 6 Hier ist ebenfalls wieder zwischen den verschiedenen Prüfungen zu differenzieren. Beim Beruf des Arztes steht beispielsweise der Zweck des Schutzes der Volksgesundheit und des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit gem. Art. 2 Π GG an allererster Stelle. Dies sind wichtige Gemeinschaftsgüter. Das Mittel, nämlich das Abhängigmachen der Ausübung des Arztberufs von Prüfungen, stellt sicherlich einen recht intensiven Eingriff in die gem. Art. 12 I GG gewährleistete Berufsfreiheit dar, weshalb an den Zweck relativ hohe Anforderungen zu stellen sind. Vergleicht man aber die Gefahr, die auf der einen Seite von ungeeigneten Berufsaspiranten ausgeht, nämlich im schlimmsten Fall den Verlust eines Menschenlebens durch unsachgemäße Behandlung, auf der anderen Seite mit dem Mittel bzw. Eingriff, sprich der Ablegung einer Prüfung, in der idealiter ja ohnehin nur das verlangt wird, was zur sachgerechten Berufsausübung sowieso nötig wäre 217 , so erscheint es durchaus zumutbar und angemessen, der Ausübung des Arztberufs eine Prüfung vorzuschalten. Es bleibt die Frage, ob die Art und Weise, in der ζ. Z. die medizinischen Staatsexamina durchgeführt werden, angemessen ist. Dies ist wie auch die Frage der Geeignetheit und der Erforderlichkeit für das medizinische Staatsexamen wie auch für alle berufsqualifizierenden Studienabschlüsse nur durch eine konkrete Analyse der tatsächlichen Erfordernisse des jeweiligen Berufs und den daraus resultierenden Maßgaben für die Ausbildung und Prüfung für diesen Beruf zu beantworten. Eine solche Analyse würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Für die Diplom-Studiengänge, hinsichtlich derer teilweise das Existieren eines die Prüfung rechtfertigenden Zwecks in Zweifel gezogen wird 2 1 8 , sei hier noch exemplarisch am Beispiel der Betriebswirtschaft einiges zur Angemessenheit dieser Diplomprüfungen erörtert. Als Zweck der Diplomprüfungen kann das Vertrauen der Bevölkerung im allgemeinen und der Personalchefs, Manager, Arbeitge215 BVerfGE 7, 377 (407). 216 Katz, StaatsR, Rdnr. 108; Pieroth/Schlink, 217 BVerfGE 7, 377 (407). 218 Becker, Prüfungsrecht, S. 91.

StaatsR II, Rdnr. 328.

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C. Verfassungsrechtliche Vorgaben

ber etc. im besonderen auf eine bestimmte Ausbildung - relativ einheitliche Grundkenntnisse und verschiedene Spezialisierungsrichtungen je nach Studienort - herausgearbeitet werden. 219 Das dem gegenüberstehende Mittel ist die Möglichkeit, den Titel „Diplom-Betriebswirt" etc. zu führen, von dem Bestehen einer entsprechenden Diplomprüfung abhängig zu machen. Nicht grundsätzlich verwehrt wird einem Bewerber ohne Diplom die Möglichkeit, eine Berufstätigkeit auszuführen, die inhaltlich der eines diplomierten Bewerbers entspricht. Das zeigt auch die große Zahl der Studienabbrecher, die ohne weiteres gut dotierte, ihrem Kenntnisstand entsprechende Arbeitsplätze gefunden haben. Zu bedenken ist natürlich auf der anderen Seite, daß viele Arbeitgeber konkret nach einem „Diplom-Betriebswirt" o. ä. suchen, folglich endgültig durchgefallene Kandidaten oder Studienabbrecher tatsächlich schlechtere Chancen haben. Dies ist jedoch nicht zu beanstanden, da diese ihre Qualifikation gerade nicht durch das Bestehen von Prüfungen nachgewiesen haben. Auch dieser Aspekt vermag daher eine generelle Abschaffung von Prüfungen nicht zu rechtfertigen. Eine angemessene und zumutbare Situation ist vielmehr ebenfalls durch entsprechende Änderungen im Prüfungswesen herbeizuführen. Auch das angesprochene Problem der von Universität zu Universität äußerst unterschiedlichen Durchfallquoten 220 wäre durch Veränderung der Bedingungen zu lösen: Der Kandidat kann die Universität wählen, deren Qualifikation und Anforderungsniveau er sich wünscht, und die Arbeitgeber können je nach ihren Bedürfnissen die Absolventen auswählen.

I I I . Art. 3 1 G G und materielle Gerechtigkeit Neben dem Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 I GG stellt der Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 I GG eine bedeutsame verfassungsrechtliche Grundlage dar. Art. 3 I GG wird im Prüfungsrecht primär im Zusammenhang mit der Forderung nach formeller Chancengleichheit herangezogen. Anzustreben ist aber auch eine inhaltliche Chancengleichheit, was im Idealfall hieße, daß jeder Prüfling die Note bekommt, die seiner Leistung entspricht. 221 Dadurch daß sowohl das Bestehen von Prüfungen als auch die erzielte Note oft einen nicht unerheblichen Einfluß auf die Realisierbarkeit des Berufswunsches haben 222 , muß das Ziel stets sein, eine möglichst gleichmäßige Bewertung aller vergleichbaren Prüfungskandidaten zu erreichen. 223 Eine absolute Gleichbehandlung aller Kandidaten ist nicht S. o. C. II. 3. c) (2) (b) (bb) (χ). 220 Becker, Prüfungsrecht, S. 90 ff. 219

221 Alberts /Füssel, JA 1975, 597 (603); Seyderhelm, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz, S. 84. 222 Becker, Prüfungsrecht, S. 98. 223 s. a. Guhl, Prüfungen, S. 138 ff.; Pietzcker, Staatliche Prüfungen, S. 165 ff.

III. Art. 3 I GG und materielle Gerechtigkeit

55

möglich. 224 Dies gilt insbesondere für die akademischen Prüfungen, bei denen die Anforderungen meist schon von Universität zu Universität stark differieren. Und selbst an einer Universität bzgl. eines Studienfaches ist die Umsetzung des Gleichheitssatzes durch die Vornahme der Beurteilung durch verschiedene Prüfer, die unterschiedliche Bewertungskriterien und -maßstäbe anlegen, nur ansatzweise möglich. 2 2 5 Dem Gleichheitssatz am ehesten gerecht werden noch die zentralen Prüfungen wie ζ. B. die Examina in Medizin, Zahnmedizin und Pharmazie. 226 Für die tatsächliche Herstellung materieller Gerechtigkeit und Gleichheit müßte ein abschließender Katalog feststehender Bewertungskriterien existieren, der es ermöglicht, eine Leistung losgelöst von den Leistungen anderer Kandidaten zu bewerten. 227 Die Schwierigkeit einer solchen abstrakten Bewertung wurde bereits erörtert. 228 Obgleich die abstrakte und objektive Ermittlung der Leistung Ziel bleiben muß 2 2 9 , wird eine gewisse Ausrichtung an der Prüfungsgruppe mangels objektiver Bewertungsmaßstäbe nie ganz zu vermeiden sein. Diese mangelnde Möglichkeit der Herstellung der inhaltlichen Gleichheit kann durch eine möglichst hohe äußere oder formelle Chancengleichheit zumindest teilweise kompensiert werden. Im Interesse der materiellen Gleichheit und Gerechtigkeit gilt es ein Verfahren zu schaffen, das die größtmögliche Richtigkeit der Prüfungsentscheidung gewährleistet. 230

224 225

226 227 228 229

o. C. II. 3. c) (2) ( b ) . S. o. C. II. 3. c) (2) ( b ) . Becker, Prüfungsrecht, S. 100. Guhl, Prüfungen, S. 138 f.; Pietzcker, Staatliche Prüfungen, S. 165 f. S.o. C.II. 3 . c ) ( l ) . Guhl, Prüfungen, S. 138; Pietzcker, Staatliche Prüfungen, S. 167 f. s.

230 S. u. F. II.; Becker, Prüfungsrecht, S. 100; Guhl, Prüfungen, S. 140 ff.; Pietzcker, liche Prüfungen, S. 165 ff.

Staat-

D. Unbestimmte Rechtsbegriffe und gerichtliche Kontrolldichte I . Entwicklung Die gem. Art. 19 IV GG gebotene gerichtliche Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen ist ein wichtiger Beitrag zur Herstellung materieller Gerechtigkeit. Dies gilt im Grundsatz auch auf dem Gebiet des Prüfungsrechts, jedoch sind hier besondere Prämissen zu beachten, handelt es sich doch bei Prüfungsentscheidungen nach der herrschenden Meinung um eine der „anerkannten Fallgruppen", die nur einer eingeschränkten richterlichen Überprüfung zugänglich sind. Damit ist die Beantwortung der Frage, wieweit die gerichtliche Kontrolle geht und damit zur Herstellung materieller Gerechtigkeit überhaupt beitragen kann, untrennbar mit dem großen Themenkomplex von „Ermessen", „unbestimmtem Rechtsbegriff 4 und „Beurteilungsspielraum 44 verbunden. Dieser Problemkreis bildet einen der umstrittensten Bereiche des Verwaltungsrechts. Bachof traf diese Feststellung schon im Jahr 1955.1 Sie wird nach wie vor fast jeder Abhandlung zu diesem Thema vorangestellt. 2 Es avancierte zu einem „Dauerthema 443, das seinesgleichen sucht.4 Das gilt nicht erst seit den Arbeiten von Bachof und Ule in den 1950er Jahren, sondern seit über einem Jahrhundert. 5 Nicht zuletzt liegt das daran, daß dieses Thema nicht nur einfach verwaltungsrechtliche Dogmatik betrifft, sondern daß es von verfassungsrechtlichen Determinanten überwölbt ist. Es geht nämlich um die Austarierung der Macht im Staat zwischen den drei Gewalten, der Legislative, der Exekutive und der Judikative, deren Verhältnis zueinander sich ständig im Fluß befindet. 6 Eine erste ausführliche Stellungnahme zu der Frage, ob unbestimmte Gesetzesbegriffe die Verwaltungsbehörden zu Ermessensentscheidungen ermächtigen kön1 Bachof, JZ 1955, 97 (97). 2 So in jüngster Zeit: Bleckmann, JZ 1995, 685 (685); Brohm, JZ 1995, 369 (369); Busch, in: Knack, VwVfG, § 40, Rdnr. 6.2; Franßen, in: FS für Zeidler, S. 429 (431); Maurer, AllgVwR, § 7, Rdnr. 47; Sendler, in: FS für Ule, S. 337 ff. 3 Höfling, RdJB 1995, 387 (388); Oeter, in: Frowein, Kontrolldichte, S. 266 (266); Ossenbühl, in: FS für Redeker, S. 55 (56); DVB1. 1974, 309 (309); Papier, in: FS für Ule, S. 235 (235); Wahl, NVwZ 1991, 409 (409). 4 Papier, in: FS für Ule, S. 235 (235); Kupp, NJW 1973, 1769 (1773). 5 Erichsen, DVB1. 1985, 22 (22). 6 Meyn, JA 1980, 327 (327, 333); Pieroth/Kemm, JuS 1995, 780 (780).

II. Begrifflichkeit

57

nen, findet sich bereits im Jahr 1886 bei Bernatzik. 7 Vorher, im Jahr 1862, hatte schon F.F. Mayer Erwägungen zur Möglichkeit des Sitzes des verwaltungsrechtlichen Ermessens im unbestimmten Rechtsbegriff angestellt.8 Später folgten noch wichtige Arbeiten von Lemeyer 9 und Tezner. 10 Für die hier interessierende Zeit nach Inkrafttreten des Grundgesetzes sind aus der Flut der Veröffentlichungen die grundlegenden Arbeiten von Bachof und Ule hervorzuheben. Obwohl immer wieder versucht wurde, ein Ende der Diskussion herbeizureden, indem das Thema als offensichtlich „ausgeschrieben" bezeichnet wurde 11 oder indem beteuert wurde, daß zu diesem „Uraltthema" nichts mehr zu sagen sei 12 , entstehen noch heute Arbeiten zu diesem Fragenkomplex. Dementsprechend sehen sich die Autoren, die ihn erneut zum Gegenstand ihrer Erörterungen machen, einem hohen Erwartungsdruck ausgesetzt.13 Es ist nicht Ziel dieser Arbeit, der schon lange unüberschaubaren Literatur eine weitere Ansicht hinzuzufügen, die sich nur marginal von den bereits vorhandenen unterscheidet. Trotzdem bedarf es sowohl eines kurzen Abrisses dieser Problematik als auch ihrer Bewertung, um eine Ausgangsbasis für die weiteren Erörterungen zum Prüfungsrecht zu erlangen, das zahlreiche Berührungspunkte mit diesem Problemkreis besitzt.

I L Begrifflichkeit Wie bei der Fülle von Abhandlungen nicht anders zu erwarten, bestehen schon erhebliche Schwierigkeiten, überhaupt zu einer einheitlichen Begrifflichkeit zu gelangen. Der in der Regel Verwendung findende Terminus „unbestimmter Rechtsbegriff 4 wird teilweise für unpräzise und daher die Bezeichnung als „unbestimmter Gesetzesbegriff 4 für treffender gehalten.14 Andere Stimmen halten den Terminus „unbestimmter Begriff 4 für logisch und sachlich überhaupt nicht möglich. 15 Begriffe 7

Bernatzik, Rechtsprechung, S. 39. » Mayer, Grundsätze, S. 465 ff. 9 Lemeyer, Apologetische Studien zur Verwaltungsgerichtsbarkeit, Grünhut Zeitschrift, Bd. 22 (1885), S. 353 ff., zitiert nach: Waltner, Verwaltungsentscheidungen, S. 86 (Fn. 57). 10 Tezner, Zur Lehre von dem freien Ermessen der Verwaltungsbehörden als Grund der Unzuständigkeit der Verwaltungsgerichte, Wien 1881, zitiert nach: Waltner, Verwaltungsentscheidungen, S. 118 (Fn. 152). h Ossenbühl, DVB1. 1974, 309 (309). 12 Rupp, in: FS für Zeidler, S. 455 (455). 13 Kellner, DÖV 1972, 801 (801); Ossenbühl, DÖV 1968, 618 (618); Schmidt-Eichstaedt, AÖR 98 [1973], 173 (174). 14 Wolff, in: Wolff / Bachof, VwR I, S. 188. ι* Czermak, NJW 1961,1905 (1906); Fellner, DVB1.1966,161 (165); Wolf, NJW 1961,8(9).

58

D. Unbestimmte Rechtsbegriffe und gerichtliche Kontrolldichte

seien Hilfsmittel methodischen Denkens, die der Erkenntnis von Sachverhalten dienten, indem sie diese nach Merkmalen bestimmten und es dadurch möglich machten, sie klar gegeneinander abzugrenzen. Zum Begriff des Begriffes gehöre daher im Unterschied zur allgemeinen Sprachbedeutung eines Wortes Bestimmtheit. Die Bezeichnung, „unbestimmter Begriff 4 drücke daher einen Unbegriff, eine contradictio in adjecto, aus. Es gebe zwar gedanklich unvollständig erfaßte oder erfaßbare und damit unbestimmte Sachverhalte und, weil unklar und undeutlich, mangelhafte Begriffe, der Begriff des unbestimmten Begriffs sei aber nicht denkbar. 16 Auch sonst ist der Sprachgebrauch bezüglich der Benennung des Spielraums der Verwaltung, der durch unbestimmte Rechtsbegriffe möglicherweise gewährt wird, uneinheitlich.17 Es treten die Bezeichnungen „Beurteilungsspielraum" 18, „Bewertungsspielraum" 19, „Beurteilungsermächtigung" 20, ,3eurteilungsprägorative" 21, „Einschätzungsprägorative" 22 etc. auf, um nur einige zu nennen. Mit der unterschiedlichen Begrifflichkeit wollen die Autoren nicht zuletzt auch den unterschiedlichen Gedanken und Zielsetzungen ihrer Auffassungen Ausdruck verleihen. Im folgenden wird primär der Begriff des Beurteilungsspielraums verwendet werden. Dies bedeutet jedoch nicht die Hinwendung zu einer bestimmten Theorie oder Meinung, sondern erfolgt nur deswegen, weil dieser Terminus nach wie vor der gebräuchlichste ist.

I I I . Einordnung des Problems Zunächst gibt es neben den ungeklärten Einzelfragen einige Grundprobleme, über die noch keine Einigkeit erzielt worden ist. Die Differenzen beginnen bei der Frage, ob es überhaupt einen qualitativen Unterschied gebe zwischen unbestimmten Rechtsbegriffen mit Beurteilungsspielraum, der nach der herrschenden Meinung auf der Tatbestandsseite einer Norm zu finden ist, und Ermessen, das die herrschende Meinung auf der Rechtsfolgenseite der Norm ansiedelt. Dieser auch in neuerer Zeit wieder vermehrtes Interesse findende Aspekt entspricht älteren Ansichten zu diesem Thema. 23 Bis zu den Ausführungen von Bachof und Ule bezeichnete man nämlich sowohl die Wahlfreiheit auf der Rechtsfolgenseite als auch die Möglichkeit eines Entschei16 Czermak, NJW 1961, 1905 (1906); Wolf, NJW 1961, 8 (9). π Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19IV GG, Rdnr. 191. 18 Maurer, AllgVwR, § 7, Rdnr. 31. 19 BVerfG, NJW 1991, 2005 (2005). 20 BVerwGE 21, 127 (130); 24, 60 (64); Redeker, NVwZ 1992, 305 (307). 21 Tettinger, DVB1. 1982,421 (422). 22 Rengeling, in: FS für Ule, S. 297 (307); Wolff, in: Wolff/Bachof, VwR I, S. 192. 23 Ζ. B. BVerwG, JZ 1954, 575 (575 f.); Ehmke, Ermessen, 23 ff.

III. Einordnung des Problems

59

dungsspielraums der Verwaltung auf der Tatbestandsseite in der Regel als Ermessen, auch Tatbestandsermessen oder kognitives Ermessen einerseits und Rechtsfolgeermessen andererseits genannt.24 Daneben trifft man stets auf das Problem der Abgrenzung zwischen bestimmten Begriffen und unbestimmten Begriffen, deren Vorliegen erst eine Wahlfreiheit ermöglichen kann. Auch dazu wurden zahlreiche Antwortalternativen aufgezeigt. Jesch unterscheidet ζ. B. zwischen dem Begriffskern, dessen Inhalt zweifelsfrei bestimmbar sei, und dem Begriffshof, der einen diffusen, nicht fest abgrenzbaren Bereich darstelle 25 und nicht gerichtlich überprüfbar sei 2 6 Bachof differenziert zwischen Wert- und Erfahrungsbegriffen, wobei er bei letzteren im Gegensatz zu ersteren grundsätzlich nur eine einzige Lösung als richtig akzeptieren will. 2 7 Insgesamt besteht aber wohl weitgehend Einigkeit, daß die Grenzen zwischen bestimmten und unbestimmten Begriffen fließend sind und der Unterschied nicht qualitativer, sondern quantitativer Art ist. 28 Bezüglich der prinzipiellen Zulässigkeit unbestimmter Begriffe im Gesetzestext werden keine grundsätzlichen Bedenken erhoben. Nur wenn die Norm so unbestimmt ist, daß auch unter Anwendung der klassischen Auslegungsmethoden dem Begriff kein substantieller Gehalt mehr entnehmbar ist, ist die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen erreicht und die Norm wegen mangelnder Bestimmtheit als ein Aspekt der Rechtsstaatlichkeit, die primär in Art. 20 ΠΙ GG angesiedelt wird, nichtig. 29 Die herrschende Meinung geht ferner dahin, daß nicht alle Begriffe, die eine gewisse Unbestimmtheit aufweisen, der Exekutive sogleich zu einem Beurteilungsspielraum verhelfen. Vielmehr sind zahlreiche Kriterien entwickelt worden, aufgrund derer erst ein solcher Beurteilungsspielraum angenommen werden darf. 30 Ein weiterer grundlegender Streitpunkt besteht darin, ob die unbestimmten Rechtsbegriffe im Ergebnis immer nur eine richtige Entscheidung zulassen oder ob eine tatsächliche Auswahlmöglichkeit zwischen mehreren rechtmäßigen und damit richtigen Entscheidungen besteht. Die Annahme einer Wahlfreiheit ist dann folgerichtig, wenn man keine Unterscheidung zwischen Tatbestands- und Rechtsfolgeermessen vornimmt. 31

24

Wolff,

in: Wolff/ Bachof, V w R I, S. 190.

25 Jesch, AÖR 82 [1957], 163 (176 f.). 26 Jesch, AÖR 82 [1957], 163 (234 ff.). 27 Bachof, JZ 1955, 97 (99 f.). 28 Dazu u. a. Bachof, JZ 1972,641 (644); Erichsen, DVB1. 1985, 22 (22); Waltner, Verwaltungsentscheidungen, S. 17. 29 Bachof, JZ 1972,641 (644). 30 S. u. D. IV. 3. c) und 4.; ferner u. a. Bachof, JZ 1972, 641 (644); Erichsen, DVB1. 1985, 22 (23 ff.). 31 Schmidt-Eichstaedt, Bundesgesetze, S. 173.

60

D. Unbestimmte Rechtsbegriffe und gerichtliche Kontrolldichte

Heute ist weitgehend anerkannt, daß es im Einzelfall immer nur eine richtige Entscheidung gibt. 32 Der Prüfungskandidat ist für den angestrebten Beruf entweder geeignet, oder er ist es nicht; er kann nicht zugleich geeignet und ungeeignet sein. Da es beim Finden der einen richtigen Lösung in der Praxis aber zu ganz erheblichen Schwierigkeiten und Differenzen bezüglich der Ansichten der Verwaltung, des Betroffenen und der Verwaltungsgerichte kommen kann - man bewegt sich an der „Grenze menschlichen Erkenntnisvermögens" - , ist damit das Problem noch nicht gelöst. Vielmehr stellt sich nun die auch aus verfassungsrechtlicher Sicht bedeutsame Frage, wer im Einzelfall letztverbindlich festlegen darf, welche Entscheidung die richtige ist bzw. als die richtige zu gelten hat. Es geht folglich zum einen darum, wer im Verhältnis zwischen Exekutive und Judikative die Kompetenz zur Letztentscheidung hat, und zum anderen, wie weit die Legislative den Weg zur Entscheidung im Einzelfall durch seine normativen Vorgaben steuern muß und kann. Es handelt sich damit um Fragen der Verteilung der Macht zwischen den drei Gewalten.33 In der Diskussion um den Beurteilungsspielraum wird allerdings in erster Linie die Bestimmung des Verhältnisses zwischen der Zweiten und der Dritten Gewalt thematisiert und erst in zweiter Linie das der Rechtsanwendungsorgane zur Ersten Gewalt. 34

IV. Überblick über den Meinungsstand Erörterungen zu diesem Thema finden sich in den Ausführungen Mayers, Bernatziks und Lemayers bereits im vorigen Jahrhundert. 35 Seit der Geltung des Grundgesetzes wurden entscheidende Impulse zunächst von Bachof und Ule gegeben. Angeregt durch diese grundlegenden Arbeiten entstanden zahlreiche Monographien, Aufsätze, etc. mit anderen, modifizierenden oder weiterführenden Ansätzen. Selbstverständlich haben sich auch die Rechtsprechung und insbesondere das Bundesverwaltungsgericht intensiv an der Diskussion beteiligt und eigene Ansätze entwickelt. Von den vielfältigen zu diesem Thema in der Literatur entwickelten Ansichten sollen nur zwei - die von Bachof und von Ule - eine gesonderte Darstellung erfah32 Badura, Jura 1980, 615 (616); Czermak, DÖV 1962, 504 (504); DVB1. 1966, 366 (366); Ott, NJW 1972, 1219 (1220); Pittermann, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz, S. 138; a.A. Bachof, JZ 1955, 97 (99); Kutscheidt, NWVBL 1995, 121 (125); Redeker, DÖV 1971, 757 (762); Schmidt-Eichstaedt, Bundesgesetze, S. 183 f.; die mehrere Entscheidungsalternativen für rechtlich möglich halten. 33 Bryde, RdJB 1982, 344 (346); Meyn, JA 1980, 327 (327, 333). 34 Meyn, JA 1980, 327 (327). 35 S. o. D. I.

IV. Überblick über den Meinungsstand

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ren. Die anderen werden zusammengefaßt aufgeführt. Die Rechtsprechung - insbesondere des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts wird gesondert erörtert.

1. Die Lehre Bachofs vom Beurteilungsspielraum Die grundlegende Neuerung Bachofs 36 besteht darin, daß ihm als erstem eine exakte und differenzierte Einordnung der Problematik des unbestimmten Rechtsbegriffs gelingt. Bachof unterscheidet nämlich zwischen einerseits dem Ermessen auf der Rechtsfolgenseite einer Norm, das der Behörde eine echte Wahlfreiheit, d. h. einen echten Raum eigener Entschließungsfreiheit innerhalb bestimmter Grenzen einräumt, und andererseits dem unbestimmten Rechtsbegriff auf der Tatbestandsseite der Norm. Der unbestimmte Rechtsbegriff sei hinsichtlich Tatsachenfeststellung, aber auch Auslegung gerichtlich voll überprüfbar. 37 Lediglich bei der Subsumtion verbleibe der Behörde ein Bereich eigener, gerichtlich nicht weiter überprüfbarer Wertung und Entscheidung, da die Möglichkeiten des Gerichts beim Nachvollzug der Subsumtion mangels hinreichender Konkretisierung des Begriffs durch den Gesetzgeber begrenzt sind. 38 Innerhalb bestimmter Grenzen des Beurteilungsspielraums könne man kaum von der richtigen oder falschen Beurteilung, sondern nur von verschiedenen möglichen Ansichten sprechen. 39 Sofern die Entscheidungen der Behörde innerhalb der Grenzen dieses Spielraums liegen, könnten die Verwaltungsgerichte diese nicht beanstanden, da niemandem gedient sei, wenn das überprüfende Gericht, ja sogar jede Gerichtsinstanz, seine nicht weniger subjektiven Wertvorstellungen an die Stelle derjenigen der Behörde bzw. der Vorinstanzen setzen müsse und dies letztlich keine Gewähr für eine bessere Rechtsfindung darstelle. 40

2. Die Vertretbarkeitslehre Ules Zur selben Zeit hat Ule die sog. Vertretbarkeitslehre entwickelt.41 Seine Auffassung geht im Ergebnis in eine ähnliche Richtung, d. h. er verlangt keine gerichtliche Vollkontrolle. 42 Zwar sei es unzulässig, unbestimmte Begriffe in Verwal36 37 38 39 40

Bachof, Bachof, Bachof, Bachof, Bachof,

JZ JZ JZ JZ JZ

1955, 97 ff. 1955 97 (98 f.). 1955, 97 (99). 1955, 97 (99). 1955, 97 (99); JZ 1972, 208 (208 f.).

41 Ule, in: FS für Jellinek, S. 309 ff. 42 Ule, in: FS für Jellinek, S. 309 (326 ff.).

62

D. Unbestimmte Rechtsbegriffe und gerichtliche Kontrolldichte

tungsgesetzen als Ermächtigung zu Ermessensentscheidungen aufzufassen. Vielmehr sei eine rechtliche Bindung gewollt. 43 Es gebe aber Grenzfälle, in denen sich über das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals streiten lasse, in denen verschiedene Beurteiler durchaus verschiedener Meinung sein könnten und aus diesem Grunde eine Rechtskontrolle nicht mehr möglich sei. 44 In diesen Grenzfällen sei jede der hier möglichen Entscheidungen als vertretbar und damit als rechtmäßig anzusehen.45 Im Zweifel solle das Gericht der Auffassung der Behörde folgen, wenn deren Ergebnis ohne Verletzung von Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen zustande gekommen und nach dem Sachverhalt vertretbar sei. 46 Eine sich im Rahmen der Vertretbarkeit haltende Entscheidung sei folglich von den Gerichten als rechtmäßig anzuerkennen.47

3. Weitere Ansichten und Abhandlungen Neben diesen beiden grundlegenden Abhandlungen sind noch etliche Thesen und Standpunkte entwickelt worden, die auf mehr oder weniger große Resonanz in Schrifttum und Rechtsprechung gestoßen sind. Manche Arbeiten enthalten nur einzelne neue Aspekte, andere aber auch neue Ansätze. Die Variationsbreite der Lösungsansätze reicht von der Ablehnung eines Beurteilungsspielraums und damit verbunden einer vollen gerichtlichen Kontrolle 48 bis hin zur erneuten Gleichsetzung von Tatbestands- und Rechtsfolgeermessen, was lediglich eine gerichtliche Kontrolle auf Ermessensfehler hin zur Folge hätte. 49 Zwar ist durch einige, diese Problematik betreffende Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts eine neue Entwicklung eingetreten; darauf sind aber so gut wie keine fachübergreifenden neuen Abhandlungen zum allgemeinen Thema Beurteilungsspielraum, Ermessen und unbestimmter Rechtsbegriff entstanden. Der nun folgende Überblick greift daher auch teilweise auf ältere Abhandlungen zurück. Im Wesentlichen lassen sich vier große Strömungen ausmachen. Angesichts der unzähligen verschiedenen Ansichten und Lösungsansätze ist eine Zusammenfassung in vier Hauptrichtungen nur unter Außerachtlassung von Einzelheiten der verschiedenen Auffassungen möglich. Dabei wird nicht verkannt, daß eine solche Einteilung in einige wesentliche Richtungen nur unter Preisgabe der Differenziertheit « 44 45 46 47 48 49

Ule, in: FS für Jellinek, S. 309 (311 ff.); DVB1. 1985, 939 (943). Ule, in: FS für Jellinek, S. 309 (324 f.); VwProzeßR, S. 9. Ule, in: FS für Jellinek, S. 309 (326); VwProzeßR, S. 10, 16. Ule, in: FS für Jellinek, S. 309 (326 f.); VwProzeßR, S. 17 f. Ule, in: FS für Jellinek, S. 309 (326). U. a. Czermak, JuS 1968, 399 (401 f.). U. a. Ossenbühl, DÖV 1968, 618 (620 f.); Schmidt-Eichstaedt, Bundesgesetze, S. 174 ff.

IV. Überblick über den Meinungsstand

63

und damit auch der Genauigkeit der Darstellung zu erreichen ist. Ferner sind manche Auffassungen gar nicht eindeutig einer Strömung zuzuordnen, etwa weil sie Merkmale aus zwei Gruppen enthalten oder Argumente verschiedener Ansichten verbinden. a) Kein struktureller Unterschied zwischen Tatbestands- und Rechtsfolgeermessen Zunächst gibt es einige Autoren, die einen strukturellen Unterschied zwischen dem unbestimmten Rechtsbegriff mit Beurteilungsspielraum, auch als „Tatbestandsermessen" oder „kognitives Ermessen" bezeichnet, und dem Ermessen auf der Rechtsfolgenseite verneinen. 50 Zum einen wird dies mit einem sachlogischen Zusammenhang zwischen unbestimmten Rechtsbegriffen und der Einräumung von Ermessensfreiheit 51 oder aber lediglich mit der tatsächlich nur schwer durchzuhaltenden qualitativen Unterscheidung von Beurteilungsspielraum und Ermessen52 begründet. Auch die Ähnlichkeit der Kontrollmaßstäbe stellt für diese Ansicht ein Argument für die Egalisierung dar. Zum anderen wird mit der funktional-rechtlichen Vergleichbarkeit der Grundüberlegungen der beiden Rechtsinstitute argumentiert. 53 Beide Institute wollten u. a. aus Gründen der Gewaltenteilung, der Ausgewogenheit der Gewalten, der Verwaltung einen eigenen Funktionsbereich bzw. Freiraum eigenverantwortlichen Handelns verschaffen. 54 Aus der Gleichsetzung von Beurteilungsspielraum und Ermessen resultiert eine Parallelität des gerichtlichen Kontrollumfangs, der sich im Ergebnis auf die Überprüfung der Einhaltung der Vertretbarkeitsgrenze beläuft. 55 Ein Unterschied für die richterliche Nachprüfung sei wegen der Ähnlichst) Bullinger, JZ 1984, 1001 (1008 f.); Herdegen, JZ 1991, 747 (747); Schmidt-Aßmann, VVDStRL 34 [1976], 221 (252 f.); Schmidt-Eichstaedt, DVB1. 1985, 645 (647 f.); AÖR 98 [1973], 173 (177); Schuppert, DVB1. 1988, 1191 (1198); abgeschwächt: Ossenbühl, DÖV 1968, 618 (620 f.); Rupp, in: FS für Zeidler, S. 455 (463); kritisch bzgl. klarer Unterscheidungsmöglichkeit auch: Erichsen, VerwArch 63 [1972], 337 (343); Ossenbühl, DÖV 1968, 618 (620); Rupp, in: FS für Zeidler, S. 455 (463); Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 IV, Rdnr. 192; Schmidt-Aßmann/Groß, NVwZ 1993, 618 (620, 623); Stüer, DVB1. 1974,314(316). 51 Schmidt-Eichstaedt, AÖR 98 [1973], 173 (177). 52 Erichsen, VerwArch 63 [1972], 377 (343); Herdegen, JZ 1991, 747 (747); SchmidtAßmann/ Groß, NVwZ 1993,617 (623); Schuppen, DVB1. 1988,1191 (1198). 53 Herdegen, JZ 1991, 747 (748); Schmidt-Eichstaedt, Bundesgesetze, S. 175; AÖR 98 [1973], 173 (178 f., 191); Schuppen, DVB1. 1988, 1191 (1198 f.). 54 Herdegen, JZ 1991, 747 (748); Schmidt-Eichstaedt, AÖR 98 [1973], 173 (191); DVB1. 1985,645 (646); Schuppen, DVB1. 1988,1191 (1199). 55 Schmidt-Aßmann/Groß, NVwZ 1993, 620 (624); Schmidt-Eichstaedt, Bundesgesetze, S. 178; DVB1. 1985, 645 (648); AÖR 98 [1973], 173 (191, 193); Schuppen, DVB1. 1988, 1191 (1200); Sendler, in: FS für Ule, S. 337 (334).

64

D. Unbestimmte Rechtsbegriffe und gerichtliche Kontrolldichte

keit der Kriterien kaum noch erkennbar. Einige Autoren betonen, daß trotz aller Parallelität aber der Unterschied zwischen Beurteilungsspielraum und Ermessen ein prinzipieller und kein gradueller sei. 56

b) Ausdehnung des Kontrollfreiraums auf die Subsumtion oder auf alle unbestimmten Rechtsbegriffe Eine zweite, in letzter Zeit wieder verstärkte Beachtung findende 57 Meinungsströmung möchte die - insbesondere auch vom Bundesverfassungsgericht und der Rechtsprechung z. Z. praktizierte - Kontrollintensität wieder verringern. Obwohl die Rechtsprechung und herrschende Meinung eine Beurteilungsermächtigung in bestimmten Bereichen anerkennen, sei die Verwaltung noch zu stark eingeengt. Zum einen wird eine Ausdehnung der behördlichen Entscheidungsfreiräume auf alle weiteren bzw. auf alle durch einen Mangel an Steuerungskraft gekennzeichneten Begriffe befürwortet, so daß dort in diesen Fällen eine gerichtliche Vollkontrolle ausscheide.58 Zum anderen wird eine Ausdehnung der Beurteilungsermächtigung auch auf die Auslegung in Betracht gezogen, da Auslegung und Subsumtion untrennbar miteinander verknüpft seien. Somit könne auch die Auslegung durch das Gericht nur auf die Vertretbarkeit überprüft werden. 59 In weiten Teilbereichen seien der Verwaltung administrative Prognosespielräume, sog. Einschätzungsprägorativen etc. zuzuerkennen.60 Dies gelte insbesondere für das hochspezialisierte Kenntnisse erfordernde Technikrecht. 61 Die Prüfungsbefugnis der Gerichte beschränkt sich also bei diesen weiteren Sachgebieten - ebenso wie nach der herrschenden Meinung hinsichtlich der „anerkannten Fallgruppen" - auf die Vertretbarkeit der behördlichen Entscheidung. Teilweise wird vertreten, eine Ausdehnung auf eine bestimmte „Liste" unbestimmter Rechtsbegriffe sei zu kasuistisch. Es sei daher notwendig, die Vertretbarkeitslehre durch 56 Redeker, DÖV 1971, 757 (757), DVB1. 1971, 369 (373); Schmidt-Aßmann, VVDStRL, Bd. 34 [1976], 221 (252); Ule, DÖV 1990, 418 (418). 57 Diese Einschätzung wird auch von Sendler, in: FS für Ule, S. 337 (352) geteilt. 58 Bleckmann, JZ 1995, 685 (686, 688); Koll, VR 1995, 79 (82); Ossenbühl, in: FS für Redeker, S. 55 (69 f.); Püttner, JZ 1994, 462 (463); grundsätzlich in diese Richtung tendierend wohl auch Redeker, DVB1. 1971, 369 (373). 59 Bleckmann, JZ 1995, 685 (686, 688); Jesch, AÖR 82 [1957], 163 f. (178 ff., 191 ff.); Sendler, in: FS für Ule, S. 337 (346 f.). 60 Stüer, DVB1. 1974, 314 (320); ähnlich auch Beckmann, DÖV 1986, 505 (509 ff.). 61 Bachof, in: FS für Dürig, S. 319 (323 f.); Badura, in: FS für Bachof, S. 169 (172 ff.); Breuer, DVB1. 1986, 849 (851, 858 f.); Fröhler, in: FS für Ule, S. 54 (72 f.); Lerche, BayVBl. 1980, 257 (259); Rengeling, in: FS für Ule, S. 297 (305 ff.); Salzwedel, in: FS für Redeker, S. 421 (426); Schwab, DVB1. 1986, 170 (176); Stober, DÖV 1985, 125 (134 f.); Wilke, Jura 1992, 186(193).

IV. Überblick über den Meinungsstand

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eine Generalklausel ζ. B. als § 114 a in die Verwaltungsgerichtsordnung einzuführen. 62 Danach soll der Prüfungsmaßstab, der zur Zeit für Ermessensentscheidungen gilt, auch auf unbestimmte Begriffe anzuwenden sein.63

c) Herrschende Ansicht Die Vertreter der zur Zeit wohl herrschenden Auffassung lehnen grundsätzlich einen Beurteilungsspielraum ab. Sie treten damit grundsätzlich für eine vollständige gerichtliche Kontrolle ein. Gleichwohl sind gewisse Fallgruppen entwickelt worden, bei denen der Behörde ausnahmsweise ein Freiraum eigenverantwortlicher Entscheidung zuerkannt werden soll, so daß das Gericht lediglich die Einhaltung der Grenzen des Bereichs kontrollieren kann. Damit sieht sich die herrschende Meinung weitgehend in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung. Anders als die noch unter d) zu erörternde Meinungsgruppe begründet die herrschende Meinung die Unüberprüfbarkeit der Subsumtion gewisser Tatbestandsmerkmale, die Wertungen erfordern, nicht mit rein prozessualen Schwierigkeiten der Aufklärung des Sachverhalts, sondern anhand materiellrechtlicher Gesichtspunkte. Während früher das Vorliegen eines Beurteilungsspielraums zumeist aus der Offenheit der Gesetzesfassung abgeleitet wurde 64 , knüpft man heute primär an eine normativ gezielt begründete Ermächtigung zur letztverbindlichen Entscheidung durch den Gesetzgeber an die Verwaltung an. 65 Die Entscheidung, ob die jeweilige Norm im Einzelfall der Verwaltung eine Beurteilungsermächtigung gewährt, ist im Wege der Auslegung dieses jeweils einschlägigen materiellen Gesetzes nach den allgemeinen Regeln festzustellen. 66 Die Unbestimmtheit alleine reicht jedenfalls nicht aus.67 Dabei wird eine ausdrückliche Ermächtigung durch den Gesetzgeber nicht für notwendig gehalten.68 Vielmehr soll sich diese Ermächtigung aus einer Zusammenschau sämtlicher Eigenheiten des Gesetzes wie z. B. der Art der Regelung, der betroffenen Sachmaterie, der Ausgestaltung des Verfahrens, dem zuständigen Ent62 Schmidt-Eichstaedt, DVB1. 1985, 645 (651). 63 Schmidt-Eichstaedt, Bundesgesetze, S. 196; DVB1. 1985, 645 (648 f.). 64 Vgl. ζ. B. Bachof, JZ 1955,97 (99); Ule, in: FS für Jellinek, S. 309 (324 f.) 65 Herzog, NJW 1992, 2601 (2604); Krebs, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 19, Rdnr. 65; Pieroth/Kemm, JuS 1995, 780 (780, 784); Sachs, in: Stelkens /Bonk/Sachs, VwVfG, § 40, Rdnr. 91; Wahl, NVwZ 1991,409 (410 f.); 66 Sachs, in: Stelkens /Bonk/Sachs, VwVfG, § 40, Rdnr. 93. 67 Erichsen, DVB1. 1985, 22 (26); Grupp, JuS 1983, 351 (355); Günther, NWVBL 1991, 181 (183); Kellner, DÖV 1962, 572 (575 f.); Seebass, NVwZ 1985, 521 (528); Wahl, NVwZ 1991,409 (409). 68 Erichsen, DVB1. 1985, 22 (26); Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 40, Rdnr. 93. 5 Lampe

D. Unbestimmte Rechtsbegriffe und gerichtliche Kontrolldichte

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scheidungsträger etc. ergeben. 69 Auf dieser Grundlage wurden im Laufe der Zeit nicht zuletzt auch in Anlehnung an die Rechtsprechung70 - bestimmte mehr oder weniger anerkannte Fallgruppen entwickelt, bei denen eine Beurteilungsermächtigung angenommen wird, die eine geringere Kontrolldichte nach sich zieht. Eine solche sei allerdings auf seltene Ausnahmen zu begrenzen.71 Zu den sog. anerkannten Fallgruppen zählen insbesondere: - Prüfungsentscheidungen (ζ. B. Abitur; Staatsexamen72); - prüfungsähnliche Entscheidungen, insbesondere im Schulwesen (ζ. B. Versetzung in die nächsthöhere Klasse73); - die Beurteilung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung im Rahmen beamtenrechtlicher Entscheidungen (ζ. B. dienstliche Beurteilung des Beamten durch seinen Vorgesetzten 74; Beurteilung der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung bei der Einstellung eines Beamten75); - Entscheidungen eines weisungsunabhängigen, nach besonderen Kriterien (interessenpluralistisch oder aufgrund besonderen S ach Verstandes) zusammengesetzten Gremiums, die wertende Elemente mit einem Einschlag eines vorausschauenden und zugleich richtungsweisenden Urteils enthalten (ζ. B. Zulassung zur Börse durch Börsenvorstand 76; Indizierung jugendgefährdender Schriften durch die Bundesprüfstelle 77)78; - Entscheidungen mit Prognosen, die auf politische, wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Gesamtzusammenhänge gerichtet sind (ζ. B. Bedrohung der Funktionsfähigkeit des Taxengewerbes und Beeinträchtigung der öffentlichen Verkehrsinteressen durch Neuzulassung von Taxen 79 ; behördliche Stellenplanung als Vorgabe für die Beurteilung des „dienstlichen Bedürfnisses für die Versetzung eines Beamten" 80 ). 81 69 Günther, NWVBL 1991, 181 (183); Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 40, Rdnr. 93; Wahl, NVwZ 1991,409 (410 f.). 70 S. u. D. IV. 4. 71 Hummel, Gerichtsschutz, S. 32; Kellner, DÖV 1972, 801 (803); Schmidt-Salzer, Beurteilungsspielraum, S. 80 ff. 72 BVerfG, NJW 1991, 2005 (2005 ff.); NJW 1991, 2008 (2008 ff.). 73 BVerwGE 8, 272 ff. 74 BVerwGE 21, 127 ff.; 60, 245 ff. 75 BVerwG, DVB1. 1993, 956. 76 BVerwGE 72, 195 ff. 77 BVerwGE 77, 75 ff. 78 Ule, 79 so

Bachof, JZ 1972, 208 (209); Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 40, Rdnr. 106; DVB1. 1966, 574 (575). BVerwGE 79, 208 ff.; 82, 295 ff. BVerwGE 26, 65 ff.; 39, 291 ff.

IV. Überblick über den Meinungsstand

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Eine weitere Fallgruppe, deren Anerkennung noch höchst umstritten ist, scheint sich in jüngster Zeit im Bereich von Naturwissenschaft und Technik, insbesondere im Umweltrecht zu entwickeln. 82 Selbstverständlich werden auch von den Autoren, die die herrschende Meinung grundsätzlich befürworten, Bedenken erhoben. Diese betreffen ζ. B. die pluralistisch zusammengesetzten Organe: Gerade hier sei besondere Vorsicht geboten, da die Gefahr unsachlicher Interessenverquickungen und einer verstärkten Gruppeneinwirkung gegeben sei. 83 Aber auch Entscheidungen, die zu diesen Fallgruppen zu rechnen sind, sind nicht vollständig der gerichtlichen Kontrolle entzogen. Zum einen bleibt die Auslegung unbestimmter Begriffe einer umfassenden Prüfung unterworfen. Der Freiraum bezieht sich lediglich auf die Subsumtion. Zum anderen werden diese Kontrollfreiräume nur bezüglich einzelner, spezifisch darauf angelegter Elemente der Entscheidungsvoraussetzungen angenommen.84 Sie gewähren der Verwaltung auch kein „Wahlrecht" zwischen mehreren möglichen Entscheidungen.85 Vielmehr muß die Verwaltung die - für sie - einzige richtige Entscheidung treffen. 86 Diese zeichnet sich allerdings durch ihre Letztverbindlichkeit aus und entzieht sich so einer vollständigen gerichtlichen Kontrolle. Trotzdem bleibt gerichtlich überprüfbar, ob die Verwaltungsbehörde die Verfahrensvorschriften mißachtet hat 87 , das anzuwendende Recht verkannt hat 88 , von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist 8 9 , allgemeingültige Bewertungsgrundsätze mißachtet90, keine sachfremden Erwägungen angestellt91 oder willkürlich 92 gehandelt hat. 9 3 81 Maurer, AllgVwR, § 7, Rdnrn. 37 ff.; Niehues, NJW 1997, 557 (557); Redeker, DVB1. 1971, 369 (374); Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Rdnrn. 102 ff.; SchmidtAßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 IV, Rdnrn. 191 ff.; Schulze-Fielitz, JZ 1993, 772 (772); Stober, DÖV 1995, 125 (134 f.). 82 Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 40, Rdnr. 117; Schulze-Fielitz, JZ 1993, 772 (773); Stober, DÖV 1995, 125 (134 f.). 83 Papier, in: Hdbuch des StaatsR VI, Rdnr. 66; in: FS für Ule, S. 235 (247); DÖV 1986, 621 (626); Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 IV, Rdnr. 196. 84 Kellner, DÖV 1962, 572 (577); NJW 1966, 857 (857, 859); DÖV 1969, 309 (312); Papier, in: FS für Ule, S. 235 (248); Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 40, Rdnr. 115. 85 Badura, Jura 1980, 615 (616). 86 Ott, NJW 1972, 1219(1220). 87 S. u. F. II. 4. 88 Hierunter fällt ζ. B. die Frage, was zulässiger Prüfungsstoff ist und damit zum Prüfungsgegenstand gemacht werden darf. 89 Ein derartiger Fehler liegt ζ. B. vor, wenn ein Prüfer sich über die Prüfungsaufgabe irrt, diese etwa nicht zur Kenntnis nimmt, Aufgaben verwechselt oder von anderen als den tatsächlich gestellten Aufgaben ausgeht. 90 S.u. F. I. 1. 91 Sachfremde Erwägungen stellen nach herrschender Auffassung einen besonders eklatanten Fall der Nichtbeachtung des Gebots der Sachlichkeit dar. Sie liegen vor, wenn jedweder sachliche Zusammenhang mit dem Sinn und Zweck der Leistungskontrolle in der *

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D. Unbestimmte Rechtsbegriffe und gerichtliche Kontrolldichte

Die zunächst anscheinend nur an die Aussage der einzelnen materiellen Norm anknüpfende Entscheidung über das Vorliegen einer Beurteilungsermächtigung wurzelt in der verfassungsrechtlich bedeutsamen Frage der Gewaltenteilung, d. h. der sachgerechten Verteilung der Macht zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit und nicht zuletzt auch dem Gesetzgeber.94 Auf dieser Grundlage bauen auch einige der von der herrschenden Meinung - teils einzeln, teils kumulativ 95 - ins Feld geführten Argumente für das Vorliegen einer Beurteilungsermächtigung in den genannten Fällen auf. Zur letztverbindlichen Entscheidung solle das Organ berufen sein, das am besten die richtige, weil sachgerechte Entscheidung, die in der Praxis ja oft kaum auszumachen ist, treffen kann, das also die größte Kompetenz besitzt.96 Eine funktionale und funktionsgerechte Aufgabenverteilung, nicht zuletzt auch im Interesse einer leistungsfähigen, effizienten Verwaltung, könne es verlangen, daß der Verwaltung in bestimmten Sachgebieten ein Bereich eigenständiger und letztverbindlicher Entscheidung zuzubilligen sei. 97 Dies ergebe sich aus verfassungsrechtlichen Grundsätzen wie etwa der Eigenverantwortlichkeit der Verwaltung, die aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung gem. Art. 20 I I GG abgeleitet werden könne.98 In den genannten Fallgruppen stehe der Verwaltung aufgrund ihrer besonderen FachkunPrüfung fehlt. Der Prüfer darf ζ. B. nicht das Geschlecht, das Alter, den Lebenslauf oder die Herkunft des Prüflings berücksichtigen. Auch eine Bewertungsentscheidung, die maßgeblich darauf beruht, daß ein Prüfer entgegen seiner festen Überzeugung nur um des lieben Friedens willen einlenkt, ist nicht an der zu bewertenden Prüfungsleistung orientiert und daher von sachfremden Erwägungen beeinflußt. BVerfG, NVwZ 1995,469 (470). 92 Bis zu den Beschlüssen des BVerfG am 17. 4. 1991 wurde eine Bewertung als willkürlich eingestuft, wenn sie auf einer derart gravierenden und außerhalb jedes vernünftigen Rahmens liegenden Fehleinschätzung wissenschaftlich - fachlicher Gesichtspunkte beruhte, daß sich das Prüfungsergebnis dem Richter als gänzlich unhaltbar aufdrängen muß. 93 Hamann/Vahle, VR 1990, 17 (19 ff.); Kröpil, JuS 1989, 243 (244 f.); Niehues, NJW 1997, 557 (557); Rozek, JA 1989, 233 (238 ff.); Seebass, NVwZ 1985, 521 (525 ff.); Wagner, DVB1. 1990, 183 (186 ff.). 94 Fellner, DVB1. 1966, 161 (164); Franßen, in: FS für Zeidler, S. 429 (434 f., 443); Krebs, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 19, Rdnr. 65; Kutscheidt, NWVBL 1995, 121 (124); Papier, in: Hdbuch des StaatsR VI, Rdnr. 64; in: FS für Ule, S. 235 (244); DÖV 1986, 621 (624); Oeter, in: Frowein, Kontrolldichte, S. 266 (267); Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 IV, Rdnr. 180. 95 Bryde, DÖV 1981, 193 (198). 96 Herzog, NJW 1992, 2601 (2603 f.); Kellner, DÖV 1962, 572 (578); NJW 1966, 857 (859); Wahl, NVwZ 1991, 409 (411). 97 Eckhardt, DVB1. 1969, 857 (862); Holland, DVB1. 1968, 245 (247); Kirchhof, NJW 1986, 2275 (2279); Krebs, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 19, Rdnr. 65; Ossenbühl, in: FS für Redeker, S. 55 (58 f.); DÖV 1968, 618 (626); Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 IV, Rdnr. 180, 184; Schmidt-Eichstaedt, DVB1. 1985, 645 (646); Schuppen, DVB1. 1988, 1191 (1197 ff.); Schwarze, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 55. 98 Franßen, in: FS für Zeidler, S. 429 (443 ff.); Koenig, VerwArch 83 [1992], 351 (352); Kutscheidt, NWVBL 1995, 121 (122); Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 40, Rdnr. 94; Schmidt-Aßmann, VVDStRL 34 [1976], 221 (252 f.).

IV. Überblick über den Meinungsstand

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digkeit und ihres Sachverstandes das Recht zur eigenverantwortlichen Entscheidung zu." Es handele sich hier zumeist um komplexe subjektive Wertungen, die an außerrechtliche wie ζ. B. fachliche, wissenschaftliche, pädagogische, politische oder prognostische Maßstäbe geknüpft seien, zu der die Behörde aufgrund ihrer speziellen Sach- und Fachkenntnisse geradezu prädestiniert sei. 100 Zudem seien diese (Kontroll-)Maßstäbe normativ nicht faßbar, so daß man an eine Grenze der Objektivierung stoße. 101 Das Fehlen eines eindeutigen Kontrollmaßstabs bzw. das Vorliegen rein außerrechtlicher Wertungen führe dazu, daß gar keine gerichtlicher Überprüfung unterliegende Rechtsverletzung gegeben sei. 102 Für einen Beurteilungsspielraum spreche weiterhin, daß zur Vornahme dieser durch persönliche Wertungen gekennzeichneten unvertretbaren Entscheidung meist eine höchstpersönliche Ermächtigung bzw. höchstpersönliche Elemente des zuständigen Entscheidungsträgers zur letztverbindlichen Entscheidung gegeben All dies führe oft dazu, daß die konkrete Entscheidungssituation durch die Unwiederholbarkeit und Unmöglichkeit des Nachvollzugs gekennzeichnet sei, welche eine gerichtliche Kontrolle unmöglich mache 104 bzw. eine solche an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stoße. Soweit eine Entscheidung also auf Grenzen der 99 Bachof, JZ 1955, 97 (100); JZ 1972, 641 (644); Grupp, JuS 1983, 351 (355); Kellner, DÖV 1962, 572 (578); Kirchhof NJW 1986, 2275 (2279); Kopp, DÖV 1966, 317 (321 f.); Krause, WissR 1970, 118 (121, 123, 125); Kröpil, JuS 1989, 243 (244); Lerche, in: Frowein, Kontrolldichte, S. 249 (265); Papier, in: FS für Ule, S. 235 (248 f.); Redeker, DÖV 1971, 757 (760); DÖV 1993, 10 (11); Schick, ZBR 1972, 300 (304); Theuersbacher, BayVBl. 1984, 129 (130 f.); Wahl, NVwZ 1991, 409 (411); a.A. Ott, NJW 1972, 1219 (1221), der gerade bei den Gerichten das weitaus bessere Instrumentarium von Aufklärungsmöglichkeiten sieht. 100 Bachof, JZ 1955, 97 (99); JZ 1972, 641 (644); Brohm, DVB1. 1986, 321 (326 ff., 329 ff.); Erichsen, VerwArch 63 [1972], 337 (338); Grupp, JuS 1983, 351 (355); Guhl, Prüfungen, S. 38; Holland, DVB1. 1968, 245 (247); Jarosch, DVB1. 1954, 521 (524 f.); Kirchhof, NJW 1986, 2275 (2279); Krause, WissR 1970, 118 (123); Kröpil, JuS 1989, 243 (243 f.); Rozek, JA 1989, 233 (234); Salzwedel, in: FS für Redeker, S. 421 (428, 437); Seebass, NVwZ 1985, 521 (527); NVwZ 1992, 609 (610); Stüer, DÖV 1974, 257 (260); DVB1. 1974, 315 (315, 317); Theuersbacher, BayVBl. 1984, 129 (130 f.). ιοί Grupp, JuS 1983, 351 (355); Krause, WissR 1970, 118 (118); Kröpil, JuS 1989, 243 (244); Rozek, NVwZ 1992, 343 (345); Stüer, DÖV 1974, 257 (260). 102 Klenke, NWVBL 1988, 199 (205); Krause, WissR, 1970, 118 (124); Semler, NJW 1973, 1774(1777). 103 Bachof, JZ 1972, 641 (644); Grupp, JuS 1983, 351 (355); Hamann/Vahle, VR 1990, 17 (18), Kirchhof, NJW 1986, 2275 (2279); Rozek, JA 1989, 233 (234); Schmitt, BayVBl. 1964, 86 (87); Theuersbacher, BayVBl. 1984, 129 (131). 104 Bachof, JZ 1972, 641 (644); Bullinger, NJW 1974, 769 (771); Erichsen, VerwArch 63 [1972], 337 (337 f.); Fellner, DVB1. 1966, 161 (163); Hummel, Gerichtsschutz, S. 31; Jaeger, DÖV 1966, 779 (781); Krause, WissR 1970, 118 (120, 122, 125); Ossenbühl, DVB1. 1974, 309 (312); Redeker, DÖV 1993, 10 (11); Rozek, JA 1989, 233 (234); NVwZ 1992, 343 (345); Rupp, in: FS für Zeidler, S. 455 (466); Schmitt, BayVBl. 1964, 86 (87); Stüer, DVB1. 1974, 314 (317); Theuersbacher, BayVBl. 1984, 129 (130 f.).

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D. Unbestimmte Rechtsbegriffe und gerichtliche Kontrolldichte

menschlichen Erkenntnisfähigkeit treffe, da sie von zahlreichen nicht rational erfaßbaren und nicht mitteilbaren Imponderabilien getragen sei, scheide auch eine gerichtliche Prüfung aus. 105 Dementsprechend wird dem Gericht wegen der hohen Komplexität der Materie, aber auch wegen der vorzunehmenden Wertungen und Prognosen und der damit verbundenen Schwierigkeit des gerichtlichen Nachvollzugs die Fähigkeit zur Kontrolle abgesprochen, da eine solche an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stoße 106 oder jedenfalls keine Gewähr dafür gegeben sei, daß das Gericht die richtigere Entscheidung treffe. 107 Als ein wichtiges Indiz für das Vorliegen einer Beurteilungsermächtigung gilt schließlich, daß die Entscheidung von einer besonders organisierten Stelle getroffen wird, der die Entscheidung aufgrund eines speziell ausgestalteten, mit besonderen Sicherungen ausgestatteten Verfahrens zugewiesen ist. 1 0 8 Damit wird insbesondere der Fall kollegialer, neutraler, weisungsunabhängiger und mit gesellschaftlicher Repräsentanz ausgestatteter Sachverständigengremien angesprochen. 109 Die vorstehend genannten Argumente werden häufig als „Indizien für Beurteilungsermächtigung" qualifiziert, da eine explizite Ermächtigung ja nicht vorhanden ist. Des weiteren wird vertreten, daß die Verwaltung aufgrund ihrer gegenüber der Gerichtsbarkeit stärkeren demokratisch-politischen Legitimation eher zur Letztentscheidung berufen sei. 110 Ferner benötige die Verwaltung einen Bereich eigenverantwortlichen Handelns, um ihre Funktionsfähigkeit zu erhalten. 111 Der Bürger selbst habe ein Interesse an einer leistungsfähigen Verwaltung, die ihre Aufgaben optimal erfüllt. 112 Ein übermäßiger Rechtsschutz könne dabei auch behindernd 105 Jarosch, DVB1. 1954, 521 (524); Kellner, DÖV 1962, 572 (578, 581); Kopp, DÖV 1966, 317 (322); Ossenbühl, DVB1. 1974, 309 (311); Redeker, NJW 1972,409 (411); Schmitt, BayVBl. 1964, 86 (87). 106 Franßen, in: FS für Zeidler, S. 429 (451); Jaeger, DÖV 1966, 779 (781); Kellner, NJW 1966, 857 (860) ; Lerche, in: Frowein, Kontrolldichte, S. 249 (258); Reidt, DÖV 1992, 916 (920 f.) ; Stüer, DVB1. 1974, 314 (317); Wahl, NVwZ 1991,409 (411 f.). 107 Jarosch, DVB1. 1954, 521 (525); Fellner, DVB1. 1966, 161 (166); Weber, BayVBl. 1984, 268 (268). 108 Erichsen, DVB1. 1985, 22 (26 f.); Geis, NVwZ 1992, 25 (30); Grupp, JuS 1983, 351 (355); Jannasch, in: FS für Zeidler, S. 487 (500); Kellner, DÖV 1972, 801 (806); Krause, WissR 1970, 118 (121); Papier, in: Hdbuch des StaatsR VI, § 154, Rdnr. 66; Redeker, DÖV 1993, 10 (11); Tettinger, DVB1. 1982,421 (425); Wahl, NVwZ 1991,409 (411). 109 Bachof, JZ 1972, 641 (644); Kröpil, JuS 1989, 243 (243); Ossenbühl, DVB1. 1974, 309 (312); Ossenbühl, DÖV 1972,401 (404). no Brohm, DVB1. 1986, 321 (330). m Eckhardt, DVB1. 1969, 857 (862); Franßen, in: FS für Zeidler, S. 429 (451); Kopp, DÖV 1966, 317 (322); Krebs, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 19, Rdnr. 65; Schmitt, BayVBl. 1964, 86 (86). 112 Redeker, DÖV 1971, 757 (758); Würkner, NVwZ 1992, 309 (312).

IV. Überblick über den Meinungsstand

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oder gar blockierend wirken. 113 In diese Richtung zielt auch die Aussage, daß die Verwaltungsgerichte lediglich zur Kontrolle berufen seien und keine Verwaltungstätigkeit wahrnehmen sollten. 114 Nach der herrschenden Meinung sind die Verwaltungsgerichte folglich grundsätzlich zur Vollkontrolle verpflichtet. Nur in den eng zu begrenzenden Ausnahmefällen habe sich die gerichtliche Überprüfung auf bestimmte Topoi 115 der von der Verwaltung getroffenen Entscheidung zu beschränken. Zugleich wird auch immer wieder eine sensiblere Vergewisserung der jeweiligen grundrechtlichen Grenzen angemahnt: „Das gilt um so mehr, als die Argumentation für ein kontrollfreies Verwaltungshandeln sich oft auf hochabstrakte Prinzipien wie ζ. B. die Eigenständigkeit der Verwaltung 116 , ihre Leistungsfähigkeit 117, ihre Folgenverantwortung 118 oder die Praktikabilität des Verwaltungshandelns beruft, die in ihrer Leerformelhaftigkeit besonders mißbrauchsanfällig sind." 119 d) Ablehnung eines Beurteilungsspielraums Auf der entgegengesetzten Seite des Meinungsspektrums sind die Meinungen anzusiedeln, die für eine vollständige Kontrolle aller Behördenentscheidungen plädieren. Jede gesetzliche Einschränkung der gerichtlichen Kontrolle, sei es durch die Annahme einer normativen Ermächtigung, sei es mittels Schaffung eines § 114 a VwGO, sei es durch das einzelne einschlägige Gesetz, verstoße gegen Art. 19IV GG 1 2 0 , sei mit allgemeinen rechtstheoretischen Überlegungen nicht vereinbar 121 und drohe, die Verwaltungsgerichtsbarkeit unzulässig einzuschränken. 122 Zum Teil wird auch vertreten, gerade Generalklauseln der genannten Art bedürften in besonderem Maße der gerichtlichen Kontrolle. 123 Gleichwohl können sich auch nach diesen Meinungen gewisse Grenzen bei der richterlichen Überprüfung ergeben, die aber stets nur faktische, nämlich ein Scheitern an der tatsächlichen Nachprüfbarkeit, nie aber rechtliche sein sollen. 124 "3 Franßen, in: FS für Zeidler, S. 429 (445); Kutscheidt, NWVBL 1995, 121 (122). 114 Kopp, DÖV 1966, 317 (321); Redeker, DÖV 1971, 757 (758, 762). 115 S. u. D. IV. 3. c) und 4. 116 Schmidt-Aßmann, in: FS für Menger, S. 107 (112 f.). i n Franßen, in: FS für Zeidler, S. 429 (455 ff.); Koenig, VerwArch 83 [1992] , 351 (368 ff., 370); Redeker, DÖV 1971, 757 (758). us Ossenbühl, DVB1. 1974, 309 (310 f.). 119 Schulze-Fielitz, JZ 1993, 772 (779). 120 Boeck, Akademische Prüfungen, S. 90 ff.; Jaeger, DÖV 1966, 779 (780). 121 Czermak, JuS 1968, 399 (401 f.). 122 Czermak, JuS 1968, 399 (402); Jaeger, DÖV 1966, 779 (779); von Olshausen, JuS 1973, 217 (222); Rupp, NJW 1969, 1273 (1273 ff.); in: FS für Zeidler, S. 455 (461). 123 Ott, NJW 1972, 1219(1220). 124 Müller, NJW 1972, 1587 (1588); von Olshausen, JuS 1973, 217 (222).

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D. Unbestimmte Rechtsbegriffe und gerichtliche Kontrolldichte

Die Lösung sei daher - so eine Ansicht - allein den Beweislastregeln zu entnehmen. Das Gericht habe sachlich eine volle Entscheidung des Streitfalles zu treffen. Der Ausgang des Verfahrens sei von der Darlegungs- und Beweislastführung abhängig. 125 Eine andere Auffassung hält Rechtsnormen, die nicht eindeutig umsetzbar sind, wo es also an zumindest durch Auslegung bestimmbaren Maßstäben mangelt, schlichtweg für nichtig und spricht ihnen Rechtsnormqualität ab. Zudem verstießen diese Normen, die teilweise nicht-judiziable Elemente enthielten, gegen den Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes, da Normen, die nicht judizierbar, auch nicht exekutierbar seien. 126 Der Verwaltungsjurist sei in derselben Lage wie anschließend der Richter. 127 Vom Prinzip her gehen diese Aussagen mit denen der herrschenden Meinung konform. Bei der Frage, welche Normen in concreto nicht mehr exekutierbar und judizierbar sein sollen, bestehen allerdings erhebliche Meinungsunterschiede. Die hier genannte Auffassung hält zahlreiche Normen, die von der herrschenden Meinung für bestimmt genug gehalten werden, für unwirksam. Weitere Autoren halten zwar auch jede Einräumung von Ermächtigungen zur eigenverantwortlichen Entscheidung der Verwaltung und die damit verbundene rechtliche Beschränkung der Gerichtskontrolle für verfassungsrechtlich unzulässig, setzen aber in den Fällen, in denen bei abstrakten Rechtssätzen Wertungen, Zweifelsfragen, Unsicherheiten und subjektive Einseitigkeiten auftreten können, darauf, daß der Richter sich dessen, d. h. der Relativität, Subjektivität, Fehlermöglichkeit, bewußt ist und daher die Entscheidung eines anderen als ebenso überzeugend respektiert. 128 Man möchte keine Lösung durch Ziehen rechtsdogmatischer Grenzzäune, sondern hofft auf richterlichen Takt und richterliche Selbstbeschränkung in Zweifelsfragen. 129 Wenn allerdings alle „modernen Auslegungs- und Entschlüsselungsverfahren versagen und dem geltenden Recht keine Antworten zu entlocken sind, ist die Grenze gesetzlicher Bindungsfähigkeit erreicht". Dies führe jedoch nicht zu „verwaltungseigenen Dezisionsspielräumen", sondern schlicht zur Illegalität. 130 Daneben gibt es Stimmen, die zwar nicht für die uneingeschränkte Überprüfung unbestimmter Rechtsbegriffe plädieren, wohl aber gewisse Zweifel hin125 Boeck, Akademische Prüfungen, S. 90 ff.; Czermak, JuS 1968, 399 (403); NJW 1992, 2612 (2612); Semler, JA 1968, 551 (556); Waltner, Verwaltungsentscheidungen, S. 328 ff. 126 Reuß, DVB1. 1953, 649 (654 f.); DVB1. 1959, 265 (268 f.); Rupp, NJW 1969, 1273 (1276 f.). 127 Czermak, DVB1. 1966, 366 (367). 128 Rupp, in: FS für Zeidler, S. 455 (465). 129 Müller, NJW 1972, 1587 (1588); Rupp, NJW 1969, 1273 (1278); NJW 1973, 1769 (1774); in: FS für Zeidler, S. 455 (465). 130 Rupp, NJW 1969, 1273 (1276 f.).

IV. Überblick über den Meinungsstand

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sichtlich der Verfassungsmäßigkeit eines Beurteilungsspielraums anmelden.131 Diese ergäben sich zum einen aus der eindeutigen Fassung des Art. 19 IV GG und zum anderen aus der fehlenden Eindeutigkeit einer Ermächtigung zum Beurteilungsspielraum durch ein Gesetz. In die heutigen Verwaltungsgesetze könne man wegen der fehlenden Eindeutigkeit jedenfalls keine Ermächtigung hineinlesen. Eindeutig ermächtigende Rechtsnormen seien nicht auszumachen.132 Zur Begründung einer verwaltungsgerichtlichen Vollkontrolle wird darauf hingewiesen, daß weder materielles noch verfahrensrechtliches Verwaltungsrecht eine Beschränkung der Verwaltungsgerichte bei der Anwendung einiger Rechtsbegriffe enthalte. 133 Des weiteren stelle eine Kontrollrestriktion eine Verletzung des Art. 19 IV GG dar, der grundsätzlich die volle gerichtliche Kontrolle verlange. Auch eine Verletzung des Art. 97 I GG wird dem Bestehen eines Beurteilungsspielraums entgegengehalten, denn der Richter ist nur dem Gesetz unterworfen; es bestehe keine Bindung des Gerichts an die Beurteilung einer Prozeßpartei, also primär der Verwaltungsbehörde. 134 Den Verwaltungsgerichten sei gerade die Autorität zur Letztentscheidung verliehen 135 , ein umfassender Rechtsschutz sei geradezu rechtsstaatsadäquat.136 Rupp verneint die Unüberprüfbarkeit gewisser Spielräume, weil ein Richter dann allenfalls zur Feststellung rechtswidriger, nicht aber rechtmäßiger Ermessensentscheidungen kompetent sei, denn man werde von ihm schwerlich ein Urteil über das verlangen dürfen, was er - weil innerhalb der Ermessensgrenzen liegend - gar nicht überprüfen dürfe. Überdies müßte der Prüfer spätestens bei der Prüfung seiner Kompetenz-Kompetenz doch überprüfen, was er angeblich nicht überprüfen dürfe: Denn er könnte ja nur dann zur Bejahung oder Verneinung seiner Kompetenz gelangen, wenn er vorher zu einem Urteil gekommen sei, ob die angefochtene Ermessensentscheidung rechtswidrig oder rechtmäßig sei, also in seine Kompetenz falle oder nicht. 1 3 7 Insgesamt lehnt diese Meinung jede weitere Kontrollrestriktion strikt ab und begrüßt das „justizfreundliche Verhalten" des Bundesverfassungsgerichts in seinen letzten Entscheidungen.138

131 Jaeger, DÖV 1966, 779 (781 f.); Stelkens, in: FS für Redeker, S. 313 (330 ff.). 132 Jaeger, DÖV 1966, 779 (781); Rupp, NJW 1969, 1273 (1274,1276). 133 Czermak, JuS 1968, 399 (401). 134 Czermak, JuS 1968, 399 (402); Waltner, Verwaltungsentscheidungen, S. 325 ff. 135 Czermak, JuS 1968, 399 (402); Jaeger, DÖV 1966,779 (779). 136 Boeck, Akademische Prüfungen, S. 90 ff.; Reuß, DVB1. 1959,265 (266). 137 Rupp, NJW 1969, 1273 (1273 f.). 138 S. u. D. IV. 5.; Schulze-Fielitz, JZ 1993,112 (781).

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D. Unbestimmte Rechtsbegriffe und gerichtliche Kontrolldichte

4. Die Rechtsprechung insbesondere des Bundesverwaltungsgerichts Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum unbestimmten Rechtsbegriff und Beurteilungsspielraum hat eine sehr wechselvolle und oft von Widersprüchlichkeiten gekennzeichnete Entwicklung durchlebt. Zunächst wurden bis in die 1950er Jahre hinein auch die Entscheidungen, die später dem Beurteilungsspielraum zugeschlagen bzw. sogar einer Vollkontrolle unterzogen wurden, als wertende Ermessensentscheidungen angesehen, wodurch den Verwaltungsbehörden ein kontrollfreier Raum zuerkannt wurde. 139 Ende der 1950er Jahre und Anfang der 1960er Jahre änderte das Bundesverwaltungsgericht seine Auffassung. Es verneinte für unbestimmte Rechtsbegriffe auf der Tatbestandsseite ein Ermessen und sprach sich statt dessen grundsätzlich für eine vollständige gerichtliche Nachprüfbarkeit aus. Ausnahmsweise sollte ein gerichtlich nur beschränkt nachprüfbarer Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Subsumtion vorliegen, wenn sich aus der Eigenständigkeit des betreffenden Sachgebiets oder der Natur der Sache eine Beurteilungsermächtigung ergebe. 140 Insgesamt zeichnet sich die Rechtsprechung in diesen Jahren - wie Schmidt-Salzer überzeugend darlegt 141 - durch eine frappierende Widersprüchlichkeit in der Argumentation aus, weshalb im Schrifttum der Verdacht laut wurde, die Lehre vom Beurteilungsspielraum werde vom Ergebnis her bestimmt. 142 Tatsächlich ergibt Schmidt-Salzers Untersuchung der Rechtsprechung, „daß die volle Überprüfbarkeit der unbestimmten Rechtsbegriffe häufig genau mit den Argumenten begründet wird, die im Zusammenhang mit der Anerkennung eines Beurteilungsspielraums als unbeachtlich bezeichnet werden". 143 Die mangelnde Überzeugungskraft und Schlüssigkeit vieler Argumente ist mehrfach nachgewiesen worden. 144 Sie besteht bis heute fort. Allerdings ist im Laufe der Zeit zumindest eine gewisse Rechtssicherheit dadurch entstanden, daß die Rechtsprechung konstanter wurde: Es bildeten sich bestimmte Fallgruppen heraus, bei denen ausnahmsweise ein Beurteilungsspielraum bezüglich bestimmter Elemente des gesetzlichen Tatbestands gegeben sein soll. Diese haben auch in der Literatur grundsätzliche Anerkennung erfahren. 145 139 BVerwGE 1, 92 (96); 1, 171 (173); 1,311 (314); 4, 89 (92 f.); 8, 272 (274). 140 BVerwGE 21, 127 (130); 24, 60 (64); 26, 8 (11); 26, 65 (74); BVerwG, DVB1. 1963, 366 (367). 141 Schmidt-Salzer, Beurteilungsspielraum, S. 26 ff. 142 Schmidt-Salzer, Beurteilungsspielraum, S. 28. 143 Schmidt-Salzer, Beurteilungsspielraum, S. 31 ff., 37. 144 Neufelder, BayVBl. 1973, 113 (113 ff.); BayVBl. 1973, 151 (151 ff.); Waltner, Verwaltungsentscheidungen, S. 222 ff.; Weigel, Beurteilungsspielraum, S. 86 ff. 145 S. o. D. IV. 3. c); Prüfungsentscheidungen, prüfungsähnliche Entscheidungen insbesondere im Schulrecht, beamtenrechtliche Beurteilungen, Entscheidungen wertender Art durch

IV. Überblick über den Meinungsstand

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Solche Entscheidungen sind lediglich daraufhin überprüfbar, ob die Verwaltungsbehörde den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich bewegen kann, erkannt hat, ob sie die Verfahrensvorschriften eingehalten hat, von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, sich nicht von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen und allgemein gültige bzw. anerkannte Prüfungs- und Beurteilungsmaßstäbe beachtet hat. 1 4 6 Diesem Konzept des Bundesverwaltungsgerichts ist der größte Teil der Literatur nach und nach gefolgt. 147 Allerdings sind in letzter Zeit wieder vermehrt gegenläufige Tendenzen - zurück zu geringerer Kontrolldichte - zu beobachten. In Richtung weniger Kontrolldichte hat sich das Bundesverwaltungsgericht dann im „Wyhl-Urteir vom 19. Dezember 1985 gewagt. Hier postulierte das Bundesverwaltungsgericht, „daß es nicht Sache der nachträglichen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle sein kann, die der Exekutive zugewiesene Wertung wissenschaftlicher Streitfragen einschließlich der daraus folgenden Risikoabschätzung durch eine eigene Bewertung zu ersetzen". 148 In jüngster Zeit sind die Verwaltungsgerichte allerdings durch das Bundesverfassungsgericht angehalten worden, eine deutlich umfassendere Kontrolle der Verwaltung vorzunehmen. 149 Diese Vorgaben versucht das Bundesverwaltungsgericht in seinen neueren Entscheidungen weitestgehend umzusetzen.

5. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht hat bis zu den neueren Entscheidungen selten konkret zu der Frage des unbestimmten Rechtsbegriffes, des Beurteilungsspielraums und, damit verbunden, zur verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte Stellung genommen. Allerdings finden sich in einigen Urteilen und Beschlüssen mehr oder weniger deutliche Hinweise auf die Grundeinstellung des Bundesverfassungsgerichts. Gegen die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe sei grundsätzlich nichts einzuwenden, weil sich die Vielfalt der Verwaltungsaufgaben nicht immer in klar weisungsfreie, mit Sachverständigen und bzw. oder Interessenvertretern besetzte Ausschüsse, Prognoseentscheidungen und Risikobewertungen vor allem im Bereich des Umweltrechts und des Wirtschaftsrechts und Entscheidungen bezüglich einzelner, dem unbestimmten Rechtsbegriff vorgegebener Faktoren, insbesondere verwaltungspolitischer Art. 146 Ständige Rspr.: BVerwGE 19, 128 (132 f.); 21, 127 (129); 32, 237 (238 f.); 39, 197 (204); 60, 245 (246); 61, 176 (186 ff.); 62, 330 (340); 63, 3 (5). Genauer zu den Kontrollmaßstäben, s. o. D. IV. 3. c). 147 S. o. D. IV. 3. c). 148 BVerwGE 72, 300 (316). 149 S. u. D. IV. 5.

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D. Unbestimmte Rechtsbegriffe und gerichtliche Kontrolldichte

umrissene Begriffe einfangen lasse. 150 Der Gesetzgeber sei aber gehalten, seine Regelungen so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich sei, und so, daß sie den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Normklarheit und Justiziabilität entsprächen. 151 Eine Norm müsse so formuliert sein, daß die von ihr Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten könnten. 152 Erst wenn die Norm so unbestimmt sei, daß sie von den Gerichten nicht mehr nachprüfbar sei, sei sie mit der Verfassung nicht mehr vereinbar. 153 Die Ausfüllung und Konkretisierung dieser unbestimmten Gesetzesbegriffe auf Grund richtungsweisender - sich aus dem Gesetz ergebender - Gesichtspunkte sei „herkömmliche und anerkannte Aufgabe der Rechtsanwendungsorgane". 154 In einer anderen Entscheidung weist das Bundesverfassungsgericht darauf hin, daß der Ausgleich des normativen Defizits durch Behörden und Gerichte, d. h. der Administrative und Judikative, vorzunehmen sei 1 5 5 , und dies, soweit es zu Rechtsstreitigkeiten komme, Aufgabe der Gerichte sei. 156 Selbst die schöpferische Füllung weiter Lücken auf der Grundlage einer richtungsweisenden Generalklausel sei eine herkömmliche und stets bewältigte richterliche Aufgabe. 157 Auch tatsächliche Schwierigkeiten, ζ. B. der Sachverhaltsaufklärung, wie sie die herrschende Meinung immer wieder als Grund der Kontrollrestriktion ansieht, sind für das Bundesverfassungsgericht kein grundsätzliches Hindernis, das einer gerichtlichen Überprüfung im Wege stünde. Das Gericht habe sich - notfalls mit Hilfe von Sachverständigen - einen möglichst umfassenden Einblick in die durch das Gesetz zu ordnenden Lebensverhältnisse zu verschaffen. 158 Grundsätzlich hätten die Verwaltungsgerichte die Verwaltungsentscheidung uneingeschränkt nachzuprüfen 159 , und sie seien dazu auch in der Lage. 160 Die gerichtliche Kontrolle wird sogar als geeignet angesehen, mögliche Nachteile der Unbestimmtheit der gesetzlichen Regelung bis zu einem gewissen Grade abzugleichen. 161 Daher schließt das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich eine 150 BVerfGE 168(181). 151 BVerfGE 152 BVerfGE 153 BVerfGE 154 BVerfGE 155 BVerfGE 156 BVerfGE 157 BVerfGE 158 BVerfGE 159 BVerfGE 160 BVerfGE

8, 274 (326); 21, 73 (79); 31, 255 (264); 37, 132 (142); 49, 89 (133 f.); 49, 48, 210 (221 f.); 49, 168(181). 21, 73 (79). 8, 274 (325 f.). 21, 73 (82). 49, 89 (135). 49, 89 (135). 13, 153(164). 7, 377 (412). 49, 168 (183); 64, 261 (279). 21, 73 (82).

161 BVerfGE 49, 168(181 f.).

IV. Überblick über den Meinungsstand

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Bindung der rechtsprechenden Gewalt an tatsächliche oder rechtliche Feststellungen seitens anderer Gewalten aus. 162 Das Bundesverfassungsgericht spricht sich also deutlich für den Grundsatz der Vollkontrolle aus. 163 Daß dieser Grundsatz jedoch nicht ausnahmslos gilt, gibt das Bundesverfassungsgericht in einigen Entscheidungspassagen zu erkennen, ohne daß jedoch die sehr allgemein gehaltenen Formulierungen konkrete Rückschlüsse auf den exakten Standpunkt des Bundesverfassungsgerichts zuließen. Zumindest die Existenz des Rechtsinstituts des unbestimmten Rechtsbegriffs mit Beurteilungsspielraum wird allerdings anerkannt. Das ergibt sich ζ. B. daraus, daß das Bundesverfassungsgericht die Frage aufwirft, „ [ . . . ] wo im Hinblick auf Art. 19 IV GG [ . . . ] die Grenzen richterlicher Nachprüfungspflicht liegen und ob sich die Gerichte nicht etwa darauf beschränken dürfen zu prüfen, ob bei Kenntnislücken und Unsicherheiten [ . . . ] die Grenzen der sich daraus ergebenden Bandbreite eingehalten worden sind". 1 6 4 Diese Frage wird allerdings ausdrücklich offen gehalten.165 In weiteren Entscheidungen räumt das Gericht die Existenz von Beurteilungsspielräumen ein 1 6 6 , die unbeschadet des grundsätzlichen Ausschlusses einer Bindung der rechtsprechenden Gewalt an tatsächliche oder rechtliche Feststellungen seitens anderer Gewalten, was im Einzelfall rechtens sei 1 6 7 , bestünden.168 Zudem stehe den Gerichten eine Überprüfung bestimmter Feststellungen und Bewertungen immer nur im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit zu, sie dürften aber nicht ihre eigenen Bewertungen an deren Stelle setzen.169 Diese Äußerungen sind jedoch zu vage und unbestimmt, als daß daraus mehr als eine Grundlinie des Bundesverfassungsgerichts zu dieser Thematik erstellt werden könnte. Sie können ohne weitere Ausformung als Argumente zur Unterstützung der verschiedensten Ansichten nutzbar gemacht werden, was in der Literatur auch so geschehen ist. Näheren Aufschluß über den Standpunkt des Bundesverfassungsgerichts haben erst einige jüngere Entscheidungen gegeben. Gleichzeitig wurde dadurch aber auch eine ganze Reihe neuer Fragen aufgeworfen. 170

162 BVerfGE 163 BVerfGE 164 BVerGE 165 BVerGE 166 BVerfGE

15, 275 (282); 61,82 (111). 8, 274 (326). 49,89(136). 49, 89 (136). 61, 82 (111); 64, 261 (278).

167 168 169 no

15, 275 (282); 61, 82 (111). 61, 82 (111). 49, 89 (136); 61, 82 (115). DVB1. 1994, 1089 (1089 f.).

BVerfGE BVerfGE BVerfGE Sendler,

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D. Unbestimmte Rechtsbegriffe und gerichtliche Kontrolldichte

a) Die sog. Josefine-Mutzenbacher-Entscheidung Im Beschluß vom 27. 11. 1990 171 befaßt sich das Bundesverfassungsgericht mit der Überprüfbarkeit von Indizierungsentscheidungen der Bundesprüfstelle bei der Indizierung jugendgefährdender Schriften. Zunächst wiederholt das Bundesverfassungsgericht seine schon zuvor aufgestellten Grundsätze hinsichtlich des Erfordernisses der Bestimmtheit. 172 „Gesetzliche Regelungen müssen so gefaßt sein, daß der Betroffene seine Normunterworfenheit und die Rechtslage so konkret erkennen kann, daß er sein Verhalten danach auszurichten vermag." 173 Die Anforderungen an die Bestimmtheit erhöhe sich mit der Intensität, mit der auf der Grundlage der betreffenden Regelung in grundrechtlich geschützte Bereiche eingegriffen werden könne. Dies habe jedoch nicht zur Folge, daß die Norm dann überhaupt keine Auslegungsprobleme aufwerfen dürfe. Dem Bestimmtheitserfordernis sei vielmehr genügt, wenn diese mit herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden könnten. 174 Einen Beurteilungsspielraum der Bundesprüfstelle bei der Indizierung jugendgefährdender Schriften erklärte das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich für verfassungsrechtlich unzulässig. Das Bundesverfassungsgericht verlangt - hier mit Rücksicht auf das Grundrecht der Kunstfreiheit aus Art. 5 ΙΠ 1 GG - strenge Prüfungsanforderungen an die Gerichte, auch soweit es um die Nachprüfung von Wertungen geht. 175 „Die Gerichte dürfen den Umfang ihrer Prüfung, ob die Indizierung mit der Kunstfreiheit vereinbar ist, nicht dadurch schmälern, daß sie der Bundesprüfstelle insoweit einen nur eingeschränkt nachprüfbaren Beurteilungsspielraum einräumen. Dies wäre mit dem unmittelbar aus Art. 5 ΙΠ 1 GG folgenden Gebot nicht zu vereinbaren, die widerstreitenden Güter von Verfassungsrang zur Konkordanz zu bringen." 176 Das heißt aber nicht, daß gar kein Beurteilungsspielraum denkbar wäre. 177 Der Inhalt des Beurteilungsspielraums bleibt aber in dieser Entscheidung weiter unklar. b) Die Entscheidungen zum Prüfungsrecht In seinen beiden Entscheidungen zum Prüfungsrecht vom 17. 4. 1991 178 bekräftigt das Bundesverfassungsgericht erneut die grundsätzliche Überprüfbarkeit von " ι BVerfGE 83, 130 ff. = BVerfG, JZ 1991,465 f. = NJW 1991, 1471 ff. 172 BVerfG, JZ 1991,465 (467); s. a. BVerfGE 48, 210 (221 f.); 49, 168 (181). 173 BVerfG, JZ 1991, 465 (467); s. a. BVerfGE 21, 73 (79); 45, 400 (420); 58, 257 (278); 62, 169(183). 174 BVerfG, JZ 1991,465 (467); s. a. BVerfGE 17, 67 (82). 175 BVerfG, JZ 1991,465 (468). 176 BVerfG, JZ 1991,465 (467). 177 BVerfG, JZ 1991,465 (468).

IV. Überblick über den Meinungsstand

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Verwaltungsentscheidungen. Das Gericht begründet dies insbesondere mit der Relevanz von Prüfungsentscheidungen für die Berufsfreiheit aus Art. 121 GG. Ein Beurteilungsspielraum wird der Verwaltung nur bezüglich prüfungsspezifischer Wertungen zuerkannt, da diese oft in einer nicht oder nur schwer rekonstruierbaren Situation getroffen werden müßten und ein Bezugssystem erforderten, das durch die persönlichen langjährigen Erfahrungen und Vorstellungen der Prüfer beeinflußt sei. Eine aus diesem Zusammenhang isolierte gerichtliche Beurteilung der Leistung würde daher einen Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit aller Prüfungsteilnehmer gem. Art. 3 I GG bedeuten und dem Kandidaten eine „neue Prüfungschance" verschaffen. Dagegen erkennt das Bundesverfassungsgericht weder die Unmöglichkeit oder Nichtexistenz rechtsverbindlicher Maßstäbe noch das Erfordernis eines außerjuristischen fachlichen Urteils als Grund für eine Verringerung des Rechtsschutzes an. Ebenso seien, für sich gesehen, das Vorliegen eines „höchstpersönlichen" Fachurteils und Schwierigkeiten beim Nachvollzug der Prüfungssituation nicht ausreichend für die Begründung eines Beurteilungsspielraums, da diese Probleme mit Hilfe von Sachverständigen gelöst werden könn179

ten. In der Juristen- und der Medizinerentscheidung wird ausdrücklich die sich aus Art. 19 IV GG ergebende Pflicht der Gerichte hervorgehoben, angefochtene Verwaltungsakte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig nachzuprüfen. Das schließe auch eine Bindung an die im Verwaltungsverfahren getroffenen Feststellungen und Wertungen im Grundsatz aus. 180 Zugleich werden nochmals die Aufgabe der Gerichte zur uneingeschränkten Nachprüfung der Rechtsanwendung der Verwaltungsbehörden und die Nichtübertragbarkeit der Regeln der Ermessenskontrolle bekräftigt. 181 Einschränkungen könnten sich jedoch ergeben, wenn wegen hoher Komplexität oder besonderer Dynamik der geregelten Materie die unbestimmten Rechtsbegriffe so vage und ihre Konkretisierung im Nachvollzug der Verwaltungsentscheidung so schwierig seien, daß die gerichtliche Kontrolle an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stoße. 182 In diesen beiden Entscheidungen kommt aber trotz der Beibehaltung eines Bewertungsspielraums eine deutliche Tendenz zur Verdichtung der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfbarkeit zum Ausdruck. 178 BVerfGE 84, 34 ff. = BVerfG, NJW 1991, 2005 ff.; BVerfGE 84, 59 ff. = BVerfG, NJW 1991, 2008 ff. 179 BVerfG, NJW 1991, 2005 (2007). 180 BVerfG, NJW 1991, 2005 (2006); NJW 1991, 2008 (2010); s. a. BVerfGE 15, 275 (282); 62, 82 (110 f.); 78, 214 (226); BVerfG, NVwZ 1992,657 (658). 181 BVerfG, NJW 1991, 2005 (2006); NJW 1991, 2006 (2010); s. a. BVerfGE 7, 129 (154); 64, 261 (279). 182 BVerfG, NJW 1991, 2005 (2006); s. a. BVerfGE 54, 173 (197); 61, 82 (114); 83, 130 (148).

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D. Unbestimmte Rechtsbegriffe und gerichtliche Kontrolldichte

c) Die Entscheidung zur Kapazitätsverordnung für den Zugang zum Hochschulstudium In dem Beschluß zur Überprüfung von Kapazitätsverordnungen für den Zugang zum Hochschulstudium vom 22. 10. 1991 183 betont das Bundesverfassungsgericht, daß, obwohl die Kapazitätsermittlungen von Wertungen abhängig seien, kein unbeschränkter Freiraum der Wissenschaftsverwaltung bestehe. Die Entscheidung müsse vielmehr den Bedingungen rationaler Abwägung genügen, d. h. auf objektivierten und nachprüfbaren Kriterien beruhen. 184 Es genüge den Grundsätzen des Art. 121 GG nicht, wenn die auf der Kapazitätsverordnung beruhende Verwaltungsentscheidung lediglich daraufhin gerichtlich überprüfbar sei, ob sie willkürlich und in keiner Weise mehr einleuchtend oder vertretbar sei. 185 Art. 121 GG gebiete vielmehr eine genaue Kontrolle der Ableitungen, die der kapazitären Berechnungen zu Grunde gelegt wurden. Anhand dieser Ableitungen sei die Plausibilität der Entscheidung weitestmöglich zu überprüfen, ohne daß der Verwaltung oder dem Verordnungsgeber insoweit ein gerichtlicher Nachprüfung unzugänglicher Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum verbleibe. 186 Auch in dieser Entscheidung wird eine Verdichtung der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung befürwortet.

d) Die sog. Privatgrundschulentscheidung In seinem Beschluß vom 16. 12. 1992 187 befaßt sich das Bundesverfassungsgericht mit der Voraussetzung des von Art. 7 V GG geforderten „besonderen pädagogischen Interesses" für die Zulassung einer privaten Volksschule. Hier betont das Bundesverfassungsgericht, daß Art. 19 IV GG normativ eröffnete Gestaltungs-, Ermessens- und Beurteilungsspielräume der Verwaltung nicht von vornherein ausschließe188 und die gerichtliche Kontrolle behördlicher Entscheidungen an ihnen ihre Grenzen finde. 189 „Wie weit die danach erforderliche Kontrolle durch die Fachgerichte zu gehen hat, bestimmt sich nach dem zugrunde liegenden materiellen Recht und der Intensität und Bedeutung des jeweiligen Grundrechtseingriffs." 190

183 BVerfG, 184 BVerfG, 185 BVerfG, 186 BVerfG, 187 BVerfG, iss BVerfG, 189 BVerfG, 190 BVerfG,

NVwZ NVwZ NVwZ NVwZ NVwZ NVwZ NVwZ NVwZ

1992, 361 ff. 1992, 361 (361). 1992, 361 (362). 1992, 361 (362). 1993,666 ff. 1993, 660 (669); s. a. BVerfGE 6\% 82 (111); 84, 34 (50). 1993,666 (669). 1993, 666 (666, 670); s. a. BVerfGE 84, 34 (49).

IV. Überblick über den Meinungsstand

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Hinsichtlich der Bewertung des pädagogischen Konzepts vertritt das Bundesverfassungsgericht die Ansicht, daß es insoweit nicht mit Art. 7 V GG vereinbar wäre, als die Gerichte ihre Auffassung an die Stelle der behördlichen setzten. Die Auslegung des Begriffs „besonderes pädagogisches Interesse" sei hingegen in vollem Umfang nachprüfbar. 191 Die üblichen Argumente für die Annahme eines Beurteilungsspielraums werden ebenfalls abgelehnt.192 Statt dessen wird ohne nähere Begründung gesagt, das materielle Recht verlange hier der Verwaltung in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise Entscheidungen ab, ohne dafür hinreichend bestimmte Vorgaben zu enthalten, und daher könne gerichtliche Kontrolle nicht stattfinden. Die Entscheidung nach Art. 7 V GG sei also nicht in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar. Die Verwaltung handele in einer solchen Lage kraft eigener Kompetenz. 193 Die Gerichte hätten insofern die vom Gesetzgeber vorgegebene Kompetenzverteilung zu respektieren. 194 Der Behörde komme aufgrund dieser Norm kein Beurteilungsspielraum für Rechtsfragen zu, und ihr dürfe bei ihren fachlichen und prognostischen Bewertungen kein zu weiter Freiraum eingeräumt werden. Da die Entscheidung aber keine uneingeschränkt rechtsgebundene sei, sondern sie vielmehr eine wertende Erkenntnis und Gewichtung unterschiedlicher Belange mit einschließe, bestehe keine vollständige rechtliche Bindung und demzufolge keine gerichtliche Kontrolle. Obwohl dieser Entscheidung ebenfalls keine ganz klare Tendenz zu entnehmen ist, so scheint das Bundesverfassungsgericht hier die gerichtliche Kontrolle doch wieder ein wenig zu lockern. e) Kurze Bewertung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Insgesamt gesehen ist den neueren Entscheidungen keine ganz eindeutige Linie für die Zukunft zu entnehmen. Vieles bleibt unklar 195 , was sicherlich auch daran liegt, daß die Entscheidungen sehr am Einzelfall orientiert sind. Sie stellen allerdings eine eindeutige Absage an eine allzu großzügige Anerkennung kontrollfreier Beurteilungsspielräume u. a. durch das Bundesverwaltungsgericht dar. 196 Es bleibt also beim Grundsatz der vollständigen gerichtlichen Überprüfung, der jedoch auch Grenzen findet. Dabei ist eine deutliche Tendenz erkennbar, neben Art. 19 IV GG auch den materiellen Grundrechten eine erheblich größere Bedeutung für die Bestimmung 191 BVerfG, NVwZ 1993,666 (669). 192 BVerfG, NVwZ 1993, 666 (669 f.). 193 BVerfG, NVwZ 1993,666 (670). 194 BVerfG, NVwZ 1993,666 (670). 195 Redeker, NVwZ 1992, 305 (306, 308); Schulze-Fielitz, JZ 1993,772 (778). 196 Redeker, NVwZ 1992, 305 (305); Reidt, DÖV 1992, 916 (918 f.); Schulze-Fielitz, 1993, 772 (775 f.); Würkner, NVwZ 1992, 309 (310 ff.). 6 Lampe

JZ

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D. Unbestimmte Rechtsbegriffe und gerichtliche Kontrolldichte

des Kontrollumfangs beizumessen.197 Sowohl die Grundrechtsrelevanz als auch die Grundrechtsintensität würden auf die Anforderungen an die gerichtliche Kontrolldichte einwirken, wobei letztere mit dem Maß der Relevanz und Intensität steige. 198 Letzte Klarheit hinsichtlich der Begründung eines Kontrollfreiraums schaffen jedoch auch diese neueren Entscheidungen nicht. Während in der Juristenentscheidung noch das Argument der ,,Funktionsgrenzen" angeführt wird und Gründe wie „hohe Komplexität", „besondere Dynamik", „Schwierigkeit der Konkretisierung im Nachvollzug" 199 genannt werden, die eher pragmatischer Natur sind 2 0 0 , nähert sich das Bundesverfassungsgericht in der Privatgrundschulentscheidung wohl langsam der Ansicht an, die eine normative Ermächtigung verlangt 201 , indem es ausdrücklich von „normativ eröffneten [ . . . ] Beurteilungsspielräumen" spricht. 202

6. Kritische Würdigung des Meinungsstands zum Beurteilungsspielraum und eigene Ansicht a) Zur Ansicht, die keinen strukturellen Unterschied zwischen Tatbestands- und Rechtsfolgeermessen sieht Obwohl in der Tat die Überprüfungskriterien für die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe, die einen Beurteilungsspielraum beinhalten sollen, denen der Ermessenskontrolle recht ähnlich sind, so ist dennoch nicht zu verkennen, daß die Umschreibung der Handlungsvoraussetzungen im Tatbestand und die Umschreibung der Rechtsfolgen zu trennen sind. Die Ermächtigung zur Ermessensausübung auf der Rechtsfolgenseite der Norm erfolgt explizit durch Worte wie „kann", „darf 4 , „soll" etc. Aber auch diese Ermessens- oder Auswahlmöglichkeit besteht erst, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Auf der Tatbestandsseite hat der Gesetzgeber dagegen die Voraussetzungen des Handelns eindeutig festgeschrieben. Immer, aber auch nur dann, wenn der Tatbestand erfüllt ist, kann die Rechtsfolge überhaupt erst eintreten. Allein aus der Tatsache, daß der Gesetzgeber nicht stets absolut präzise Begriffe verwendet, 197 Redeker, NVwZ 1992, 305 (308); Reidt, DÖV 1992, 916 (918); Schmidt-Aßmann/ Groß, NVwZ 1993, 617 (618); Schulze- Fielitz, JZ 1993, 772 (775); Sendler, DVB1. 1994, 1089(1090). 198 Geis, DÖV 1993, 22 (24 f.); Reidt, DÖV 1992, 916 (919 f.); Schmidt-Aßmann/Groß, NVwZ 1993, 617 (618 f.). 199 BVerfGE, NJW 1991, 2005 (2006). 200 So auch Schulze-Fielitz, JZ 1993, 772 (778). 201 BVerfG, JZ 1993, 666 (669); so auch Pieroth/Kemm, JuS 1995, 780 (784); SchmidtAßmann/Groß, NVwZ 1992, 617 (621). 202 BVerfG, JZ 1993,666 (669).

IV. Überblick über den Meinungsstand

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ergibt sich kein „Wahlrecht" der zuständigen Verwaltung. Werden in den Tatbestand einer Norm unbestimmte Begriffe eingeführt, so handelt es sich allein aufgrund ihrer Verwendung im Normtatbestand um Rechtsbegriffe. Die Voraussetzung kann nur entweder erfüllt sein oder nicht, was als rechtlicher Gegenstand auch gerichtlich nachprüfbar ist. Die relative Unbestimmtheit soll nur gewährleisten, daß die Norm auf möglichst viele verschiedene Einzelfälle anwendbar ist. Bei der Definition, Auslegung und Subsumtion kann es für die Behörde aber stets nur ein einziges richtiges Ergebnis geben: Entweder ist der Kandidat geeignet oder er ist es nicht. Die Behörde muß nach all den ihr vorliegenden Tatsachen die für sie einzig richtige Entscheidung treffen, auch wenn sie dabei Wertungen vornehmen muß, und kann nicht zwischen mehreren richtigen Entscheidungen wählen, wie ζ. B. beim Rechtsfolgeermessen. Dabei ist zu bedenken, daß bei jedem Rechtsbegriff Wertungen durch den Anwender erforderlich sind, gleichwohl dies aber nicht zu einer „Wahlmöglichkeit" führt. b) Zur Ansicht, die eine Ausweitung des Kontrollfreiraums der Verwaltung auf die Subsumtion oder auf alle unbestimmten Rechtsbegriffe befürwortet Bei der Ausweitung des Beurteilungsspielraums ist zwischen zwei Möglichkeiten zu differenzieren. Zum einen kann man stets bei allen unbestimmten Rechtsbegriffen einen Beurteilungsspielraum annehmen bzw. den Beurteilungsspielraum auf weitere Fallgruppen ausdehnen. Zum anderen kann man in den gerichtlich nicht überprüfbaren Raum neben der Subsumtion auch die Auslegung einbeziehen. Bei einer Ausdehnung des Beurteilungsspielraums auf weitere bzw. alle unbestimmten Rechtsbegriffe ergibt sich zunächst einmal das Problem der Abgrenzung bestimmter von unbestimmten Begriffen. Hierzu sind zwar verschiedentlich Versuche gemacht worden, eine überzeugende und deutliche Grenzziehung ist jedoch nicht erreicht worden. 203 Auch bei Schaffung eines § 114 a VwGO bestünde dieses Problem. Anders als bei Ermessensnormen, die durch Begriffe wie „kann" oder „soll" leicht auszumachen sind, ist eine klare Unterscheidung zwischen bestimmten und unbestimmten Begriffen gerade nicht möglich. Weiterhin spricht gegen diese Meinung, daß es weder im Gesetz selbst noch in der Verfassung ein Indiz dafür gibt, daß bei unbestimmten Rechtsbegriffen eine eingeschränkte richterliche Kontrolle stattfinden soll. Vielmehr postuliert Art. 19 IV GG eindeutig den Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes. Ferner bestehen derzeit weder Anzeichen, daß die Verwaltung derart in ihrer Eigenständigkeit bedroht ist, daß sie nicht mehr funktionstüchtig ist, noch, daß die Gerichte generell mit der Ausfüllung von unbestimmten Rechtsbegriffen überfordert wären. Eine eingeschränkte Überprüfbarkeit aller unbestimmten Begriffe ist daher abzulehnen. 203 Bachof, JZ 1955, 97 (99 f.); Jesch, AÖR 82 [1957], 163 (176 f.). 6*

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D. Unbestimmte Rechtsbegriffe und gerichtliche Kontrolldichte

Neben der Subsumtion die Auslegung mit in den Beurteilungsspielraum einzubeziehen, ist ebenfalls nicht unbedenklich. Zwar ist zuzugeben, daß Auslegung und Subsumtion eng verschränkt sind und sich eine bestimmte Auslegung mit Blick auf den Fall und damit auch die Subsumtion ergibt. Es ist aber zu bedenken, daß Auslegung und Subsumtion trotzdem zwei verschiedene und zu unterscheidende Schritte der Rechtsanwendung sind. Dabei ist die Auslegung die ureigene Aufgabe der Gerichte. Sie sind gehalten, nicht aus sich heraus ohne weiteres verständliche Begriffe abstrakt einer Konkretisierung zuzuführen. Eine Ausdehnung des Beurteilungsspielraums auf die Auslegung scheidet demnach ebenfalls aus.

c) Zur herrschenden Ansicht Die Kritik an der zuvor dargestellten Ansicht greift die ζ. Z. wohl herrschende Ansicht auf und fordert neben der Unbestimmtheit des Begriffs weitere Indizien bzw. eine an die Verwaltung gerichtete Ermächtigung, um einen Beurteilungsspielraum anzuerkennen. Wie vielfältig und ζ. T. verworren der Meinungsstand, aber auch die Argumente innerhalb der herrschenden Meinung sind, wurde bereits dargestellt. 204 Im folgenden soll lediglich eine kritische Auseinandersetzung mit den wichtigsten bzw. am häufigsten genannten Argumenten erfolgen; auch die herrschende Meinung weist einige Schwachstellen und Ungereimtheiten auf. Zwar geht die herrschende Meinung bei der Rechtfertigung des eingeschränkten Rechtsschutzes zurecht im Prinzip von den verfassungsrechtlichen Vorgaben aus. Eine Einschränkung sei nur zulässig, sofern eine normative Ermächtigung vorhanden sei. Ferner ist dem Grundsatz der Gewaltenteilung gem. Art. 20 I I GG zu entnehmen, daß eine sachgerechte Funktionenteilung im Staat vorzunehmen sei, wozu nicht zuletzt die Eigenständigkeit der Verwaltung zu zählen sei. Der Verwaltung müsse ein Freiraum für eigenständige Entscheidungen zugebilligt werden. Die Anknüpfung an Verfassungsprinzipien wird allerdings häufig nicht hinreichend deutlich. Vielmehr werden die gängigen Argumente lediglich formelhaft und schlagwortartig vorgebracht, ohne eine detaillierte, schlüssige Herleitung aus Werten von Verfassungsrang zur Begründung vorzunehmen. Kommt die herrschende Meinung nun aufgrund ihrer Argumentation zu dem Ergebnis, daß ein gewisser unkontrollierbarer Freiraum der Verwaltung im Grundsatz bestehe, so schließt sich dem unmittelbar die Frage an, ob die von ihr vorgenommene Grenzziehung dem Grundsatz der praktischen Konkordanz gerecht wird. Fraglich ist nämlich, ob die widerstreitenden Interessen tatsächlich dann zu einem gerechten Ausgleich gebracht werden, wenn der Verwaltung eine gemäß der herrschenden Meinung ausgestaltete Letztentscheidungsbefugnis erteilt wird. Es könnte durchaus sein, daß der Eigenständigkeit und Funktionsfähigkeit etc. der Verwaltung ein ihr im Vergleich zu den häufig sehr gewichtigen entgegenstehen204 S. o. D. IV. 3. c).

IV. Überblick über den Meinungsstand

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den Interessen (Art. 5 ΙΠ, 7 V, 12 I, und 19 IV GG etc.) zu schweres Gewicht beigemessen wird und einseitig die Interessen derer benachteiligt werden, denen keine vollständige Kontrolle zugestanden wird.

(1) Das Argument des besonderen Sachverstandes Was das Argument des besonderen S ach Verstandes der Behörde betrifft, insbesondere auch im Hinblick auf Wertungen, die von außerrechtlichen Maßstäben geprägt sind, so ist festzustellen, daß diese Maßstäbe durch die Aufnahme in den Tatbestand einer Norm zu rechtlichen werden (ζ. B. Notendefinitionen und Prüfungsstoff). 205 Des weiteren ist ein besonderer Sachverstand grundsätzlich von jeder rechtsanwendenden Verwaltungsbehörde zu erwarten 206 und ein gewisser „Vorsprung" der Behörde vor den Gerichten durchaus nichts Ungewöhnliches. Dieser ist - wie auch in anderen Verwaltungsbereichen - grundsätzlich durch das Hinzuziehen von Sachverständigen abzugleichen. 207 Auch die Vornahme von Wertungen ist kein Spezifikum der Bereiche, für die ein Beurteilungsspielraum anerkannt ist, sondern ist auch bei unstreitig voll überprüfbaren Verwaltungsentscheidungen durchaus anzutreffen.

(2) Das Argument des höchstpersönlichen, unwiederholbaren, nicht nachvollziehbaren und daher unvertretbaren Fachurteils Fraglich ist auch, ob die oft gewählte Standardformel, es handele sich um ein höchstpersönliches und angesichts der Einmaligkeit bzw. Unwiederholbarkeit der Situation nicht (voll) nachvollziehbares und rekonstuierbares unvertretbares Fachurteil, eine genügende Begründung abgibt. Auch dieses, nach der herrschenden Meinung anscheinend nur bei bestimmten Fallgruppen gegebene Spezifikum der Schwierigkeit des Nachvollzugs, ist durchaus keine Besonderheit der Fallgruppen, für die ein Beurteilungsspielraum „anerkannt" ist. Bei Begriffen wie der „Unzuverlässigkeit" eines Gewerbetreibenden gem. § 35 11 GewO oder der „Unwürdigkeit" eines Bewerbers um die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gem. § 7 Nr. 5 BRAO kann es bei verschiedenen Anwendern ebenso zu einer unterschiedlichen Subsumtion mit differierenden Ergebnissen kommen. Die einzelnen Wertungsschritte sind schwer nachvollziehbar, kaum konkretisierbar und gründen sich auf höchstpersönliche (Fach-)Urteile. Gleichwohl wird diesen Fällen von der überwiegenden Ansicht keine eingeschränkte Überprüfbarkeit dieser unzweifelhaft unbestimmten 205 Bryde, DÖV 1981, 193 (198). 206 Czermak, JuS 1968, 399 (400 f.); Rupp, NJW 1969, 1273 (1276). 207 Schramm, Beurteilungen, S. 26.

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D. Unbestimmte Rechtsbegriffe und gerichtliche Kontrolldichte

Begriffe angenommen. Selbst im Strafrecht, wo gem. Art. 103 I I GG an die Bestimmtheit erhöhte Anforderungen zu stellen sind, gibt es Begriffe, die unterschiedlichen Auslegungs- und Subsumtionsvorgängen zugänglich sind. Beim Tatbestandsmerkmal der „Waffe" gem. § 2441 Nr. 2 StGB oder § 2501 Nr. 2 StGB ist es beispielsweise sehr umstritten, ob darunter auch Scheinwaffen fallen. 208 Diese Argumentation ist daher zur Begründung eines Beurteilungsspielraums nicht tauglich. 2 0 9 Die genannte Schwierigkeit läßt sich nämlich zum einen mit den üblichen prozessualen Instrumenten, d. h. der Lehre von der Beweislastverteilung beheben. 2 1 0 Zum anderen wird meist vorschnell eine Unwiederholbarkeit angenommen, wo diese gar nicht unbedingt gegeben sein müßte. Bei Prüfungsentscheidungen liegt sowohl die schriftliche Leistung als auch deren Beurteilung vor, so daß hier keinerlei Schwierigkeiten auftreten. 211 Aber auch mündliche Prüfungen werden protokolliert, und ein weiterer Nach Vollzug, ζ. B. anhand von Zeugenaussagen, ist jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen. Hier ist zudem zu fragen, ob nicht eine Verbesserung der Beweislage - nicht zuletzt unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten - anzustreben ist. 2 1 2 Ansonsten setzt sich die herrschende Meinung dem Vorwurf eines Zirkelschlusses aus: Wird ζ. B. eine genauere Protokollierungspflicht abgelehnt und dann ein Beurteilungsspielraum wegen Schwierigkeiten des Nachvollzugs angenommen und damit eine Pflicht zur genauen Sachverhaltsaufklärung abgelehnt, so bewegt man sich im Kreis: „Die eingeschränkte formelle Ermittlungspflicht wird mit der begrenzten materiellen Nachprüfung begründet." 213

(3) Das Argument der normativen Ermächtigung und unvertretbaren Entscheidung Zunächst läßt sich nicht hinreichend begründen, woraus diese Ermächtigung resultiert. Eine Herleitung allein aus der Verwendung unbestimmter Begriffe wird ja auch von dieser Ansicht für nicht ausreichend gehalten. Ansonsten werden verschiedentlich bestimmte Indizien angeführt, oder es wird eine solche Ermächtigung mit Auslegungsergebnissen begründet. Eine konkrete und ausdrückliche Ermächtigung findet sich jedoch nirgends.

208 Bejahend: BGHSt 24, 339 (340 ff.); BGH, NJW 1976, 248 (248); verneinend: Eser, in: Schönke/Schröder StGB, § 244 Rdnr. 14, § 250 Rdnr. 15 f. 209 Bryde, DÖV 1981, 193 (198). 210 Boeck, Akademische Prüfungen, S. 92 ff.; Czermak, DÖV 1962, 921 (924); JuS 1968, 399 (403). 211 Bryde, DÖV 1981, 193 (199); Guhl, Prüfungen, S. 37. 212 Boeck, Akademische Prüfungen, S. 104 ff.; Guhl, Prüfungen, S. 37; Neufelder, BayVBl. 1973, 151 (152). 213 Becker, Prüfungsrecht, S. 57; Schramm, Beurteilungen, S. 15.

IV. Überblick über den Meinungsstand

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Außerdem - sofern die Ermächtigung mit der Unvertretbarkeit und Unterschiedlichkeit möglicher Wertungen und daher auch Ergebnissen begründet wird - handelt es sich ebenfalls um keine Besonderheit der „anerkannten Fallgruppen". Dies gilt generell bei auslegungsfähigen Begriffen. 214 Sogar im Strafrecht, wo an das Bestimmtheitsgebot gem. Art. 103 I I GG verschärfte Anforderungen zu stellen sind 215 , kommen verschiedene Gerichte bei der Subsumtion zu divergierenden Ergebnissen. In aller Regel wird das Argument der normativen Ermächtigung jedoch nicht weiter erläutert, so daß nicht ganz klar wird, was genau sich hinter der Höchstpersönlichkeit und der Unvertretbarkeit verbirgt, wann diese Merkmale vorliegen und warum diese Indizien zu einer Ermächtigung und damit einem Beurteilungsspielraum führen sollen.

(4) Das Argument der Gremienentscheidung und der besonderen Verfahrensgestaltung Etwas anderes könnte möglicherweise dann gelten, wenn die bisher aufgeführten Argumente im Zusammenhang mit der Zuweisung der Entscheidung an ein besonderes Gremium und der Entscheidungsfindung durch ein besonderes Verfahren gesehen werden. Dies könnte tatsächlich dafür sprechen, daß dem Gesetzgeber etwas daran liegt, daß die Entscheidung gerade ein Ergebnis eines besonderen Verfahrens, des im Laufe dieses Verfahrens eingebrachten Sachverstandes und der besonderen Organisation und Zusammensetzung des Gremiums sein soll. Diese Entscheidung durch das Urteil eines Gerichts zu ersetzen, das aufgrund eines ganz anderen Verfahrens entscheidet und nach anderen Kriterien zusammengesetzt ist, könnte wohlmöglich den Willen des Gesetzgebers auf den Kopf stellen. Zu beachten ist jedoch dabei, daß auch der Gesetzgeber an die Verfassung und damit an Art. 19 IV GG gebunden ist und dieses vorbehaltlos gewährleistete Grundrecht nicht beliebig einschränken kann, indem er durch Gesetz bestimmten Gremien diverse Fragen zur Letztentscheidung überläßt. Außerdem sind die Gefahren, die von einem vorschnellen Rückschluß von der Zuweisung der Entscheidung an ein besonderes Gremium auf eine Letztentscheidungsbefugnis ausgehen, nicht zu verkennen. Zunächst können auch hier trotz der besonderen Organisation und Zusammensetzung und des besonderen Entscheidungsverfahrens Rechtsfehler unterlaufen und die Möglichkeit nachträglicher gerichtlicher Kontrolle von erheblicher Bedeutung sein. Zudem kann sich die Zusammensetzung mit Interessenvertretern negativ auswirken, indem bestimmte Interessen eine Überbewertung erfahren. Durch den Einsatz bestimmter Gremien besteht zwar eine recht gute Gewähr für die Findung einer sachgerechten und rechtmäßigen Lösung. Aber so könnte Art. 19 214 Bryde, DÖV 1981, 193 (199). 215 BVerfGE 25, 269 (285); 45, 263 (371).

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D. Unbestimmte Rechtsbegriffe und gerichtliche Kontrolldichte

IV GG umgangen werden, indem stets bei Entscheidungen, die in gewissem Umfang der gerichtlichen Kontrolle entzogen werden sollen, „einfach" ein solches Gremium eingesetzt wird. Allein die Tatsache, daß die Entscheidung von einem besonders organisierten Entscheidungsträger in einem bestimmten Verfahren herbeigeführt wird, kann folglich zu keinem Beurteilungsspielraum führen. Schließlich soll das Gericht nur die schon vorgegebene Entscheidung auf Fehler kontrollieren und nachvollziehen und nicht eine in allen Aspekten vollkommen neue Entscheidung entwerfen.

d) Zur Ansicht, die einen Beurteilungsspielraum

ablehnt

Die Autoren, die sich generell gegen einen Beurteilungsspielraum wenden, haben gewichtige verfassungsrechtliche Argumente auf ihrer Seite. In der Tat fehlt es an ausdrücklichen Ermächtigungen zur Letztentscheidung an die Verwaltung. Eine Nichtigerklärung aller Normen, die relativ weit gefaßt sind, wie es einige Stimmen vorschlagen, kann aber nicht die Lösung des Problems sein. Bestimmte Lebenssachverhalte stoßen auf Grenzen bei der Konkretisierung und folglich auch bei der Normierung. Auch ob das Problem des unbestimmten Rechtsbegriffs allein durch Beweislastregeln in den Griff zu bekommen ist, wie es andere Stimmen vorschlagen, ist höchst fraglich. Bei den Prüfungsentscheidungen stellt die Beweislast ohnehin in aller Regel nur bei mündlichen Prüfungen ein Problem dar. Die schriftlichen Arbeiten liegen unverändert vor. Man kann (weitere) Sachverständigengutachten zu der erbrachten Prüfungsleistung einholen. Gleichwohl steht das Gericht letztendlich vor der Frage, welchem Gutachten es folgt, dem der Prüfer oder dem des im Gerichtsverfahren herangezogenen Sachverständigen. Diese Ansicht garantiert demzufolge weder gerechtere Prüfungsergebnisse, noch vermag sie das eigentliche Problem des unbestimmten Rechtsbegriffs tatsächlich in den Griff zu bekommen. e) Eigene Auffassung Ausgangspunkt für die Beantwortung der Frage nach der Intensität gerichtlicher Kontrolle unbestimmter Rechtsbegriffe muß Art. 19 IV GG sein. Nach Art. 19 IV GG steht jedem, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, der Rechtsweg offen. Art. 19 IV GG gewährt als verfahrensrechtliches Hauptgrundrecht nicht nur das „Ob" der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, d. h. den Zugang zu den Gerichten, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes. Der Bürger hat einen Anspruch auf eine tatsächliche wirksame gerichtliche Kontrolle. Aus diesem Grund haben die Gerichte grundsätzlich die Pflicht, angefochtene Verwaltungsakte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig nachzuprüfen. Dies schließt eine Bindung an die im Verwaltungsverfahren getroffenen Feststellungen und Wertungen im Grundsatz aus. 216

IV. Überblick über den Meinungsstand

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Da es sich bei Art. 19 IV GG um ein Grundrecht handelt, das zudem vorbehaltlos gewährleistet wird, sind an seine Einschränkung dieselben - hohen - Anforderungen zu stellen, wie dies auch für die anderen vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechte in der Grundrechtsdogmatik anerkannt ist. 2 1 7 Die vorbehaltlose Gewährleistung verdeutlicht die besondere Bedeutung des Art. 19 IV GG: Nach den Erfahrungen der NS-Diktatur wird er zum Teil sogar als „Schlußstein im Gewölbe des Rechtsstaats"218, als dessen „Krönung" 219 oder als ,»Magna Charta" des Rechtsschutzes220 etc. bezeichnet. Eine Relativierung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes kommt nur dann in Betracht, wenn Grundrechte Dritter oder andere Werte von Verfassungsrang die Einschränkung verfassungrechtlich rechtfertigen. 221 Die Bestimmung von Umfang und Grenzen des Rechtsschutzes gem. Art. 19 IV GG ist folglich in erster Linie auf verfassungsrechtlicher Ebene vorzunehmen. Abzulehnen ist die Ansicht, Art. 19 IV GG garantiere von vornherein keine bestimmte Kontrollintensität, sondern verlange nur ein gewisses „Mindestmaß". Eine solch starke Eingrenzung des Schutzbereichs begegnet erheblichen Bedenken. Zum einen ist Art. 19 IV GG kein derartiger Hinweis zu entnehmen (vgl. dagegen Art. 8 I GG etc.). Zum anderen würde dies bedeuten, daß der Schutzbereich des Art. 19 IV GG zur Disposition des einfachen Gesetzgebers stünde, so daß er die inhaltliche Reichweite des Grundrechts bestimmen könnte 222 , bzw. daß man Art. 19IV GG de facto unter einen Gesetzesvorbehalt stellt. 223 Auch aus der Funktion der Grundrechte, dem einzelnen einen möglichst umfassenden Schutz vor den Eingriffen der staatlichen Gewalt zu gewähren, folgt, daß der Schutzbereich nicht von vornherein eng zu fassen ist und eine Einschränkung erst auf der Ebene der Abwägung mit den widerstreitenden Interessen zu suchen ist. 2 2 4 Zwar schafft Art. 19 IV GG keine subjektiven Rechte, er setzt sie vielmehr als bestehend voraus. Stehen jedoch Grundrechte in Frage, so liegt ein solches subjektives Recht unproblematisch vor. Festzuhalten ist also, daß Ausnahmen vom Grundsatz der Vollkontrolle theoretisch nicht von vornherein ausgeschlossen sind. Sie bedürfen jedoch der verfas216 BVerfGE, 15, 275 (282); 61, 82 (110); 78, 214 (226); 84, 34 (49); 84,59 (77). 217 Höfling, RdJB 1995, 387 (395). 218 Thoma, Recht-Staat-Wirtschaft, S. 9 (9). 219 Ebers, in: FS für Laforet, S. 269 (271). 220 Schöne, DÖV 1954, 552 (556). 221 Höfling, RdJB 1995, 387 (395); ähnlich: Hofmann, NVwZ 1995, 740 (744); Pietzcker, JZ 1993, 789 (790). 222 BVerfGE 33, 52 (70 f.); Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 1, Rdnr. 50; Pieroth/ Schlink, StaatsR II, Rdnrn. 366 f. 223 Geis, DÖV 1993, 22 (24). 224 Schmidt-Aßmann/Groß, NVwZ 1993, 617 (621).

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D. Unbestimmte Rechtsbegriffe und gerichtliche Kontrolldichte

sungsrechtlichen Legitimation. Daraus folgt, daß die für das Vorliegen eines Beurteilungsspielraums und damit einer Letztentscheidungskompetenz der Verwaltung ins Feld geführten Argumente nur dann durchgreifen können, wenn sie sich auf verfassungsrechtliche Werte zurückführen lassen. Die Unbestimmtheit allein ist daher keinesfalls ausreichend. Ein Großteil der von der herrschenden Meinung in die Diskussion eingebrachten Argumente läßt sich auf das Prinzip der funktionsgerechten Verteilung der Aufgaben im Staat zurückführen, das sich seinerseits aus dem Verfassungsgrundsatz der Gewaltenteilung ableitet. Angesichts der Weite des Prinzips der funktionsgerechten Aufgabenverteilung besteht jedoch die Gefahr, vorschnell in formelhafte und weite Begründungssätze zu verfallen, ohne eine konkrete Argumentation auszuarbeiten. Eine funktionsfähige Verwaltung ist ohne Zweifel eine Vorgabe des Gewaltenteilungsprinzips, die vom Grundsatz her geeignet ist, dem Rechtsschutz Grenzen zu setzen. Fraglich ist jedoch, ob die konkret zur Begründung aufgeführten Argumente und Indizien für die Bejahung eines Beurteilungsspielraums ausreichend sind oder ob die entgegenstehenden Interessen - Art. 19 IV i. V. m. dem jeweiligen Einzelgrundrecht - sogar eine weitere Einschränkung des Beurteilungsspielraums und Intensivierung des gerichtlichen Rechtsschutzes erfordern. Ferner stellt sich die Frage, wenn denn Grenzen anerkannt werden, ob diese eine rechtliche Einschränkung der Kontrollintensität erfordern oder ob nicht eine tatsächliche Grenze, ζ. B. durch die Verteilung der Beweislast, vollkommen ausreichend ist. Es wäre ζ. B. daran zu denken, den von der Legislative erlassenen Normen eine höhere Steuerungskraft zu verschaffen, indem man sie inhaltlich weiter präzisiert und konkretisiert. Diese Aufgabe könnte auch gem. Art. 80 GG auf den Verordnungsgeber übertragen werden. Letzterer kann flexibler und zügiger auf sich ändernde Anschauungen reagieren. Die Grenze dieser Delegation stellt die Wesentlichkeit einer Entscheidung dar. Bei den anerkannten Fallgruppen handelt es sich zumindest um „schwer faßbare", weitende Entscheidungen. Da der „menschlichen Erkenntnisfähigkeit" von einem gewissen Punkt an Grenzen gesetzt sind, eine weitere Normierung nicht möglich erscheint, kann dies weder von der Legislative noch über Art. 80 GG vom Verordnungsgeber verlangt werden. Wollte man in den durch mangelnde Steuerungskraft gekennzeichneten Bereichen die Normierung immer weiter vollziehen, so müßte im Extremfall jeder einzelne möglicherweise auftretende Fall im Gesetz zuvor festgeschrieben sein. Dies wäre jedoch weder praktikabel noch durchführbar, da man nie alle Fälle voraussehen kann. Bisweilen bestünde auch die Gefahr, daß die Gesetzgebung mit ihren langwierigen Verfahren der Praxis, d. h. der Verwaltung und den Gerichten, immer ein wenig „hinterherhinkt", wenn es sich um Rechtsgebiete handelt, die einem raschen Wandel unterliegen. In manchen Fällen sind folglich der Normierung Grenzen gesetzt, und es ist eine gewisse Unbestimmtheit hinzunehmen. Normen müssen auf viele ähnlich

IV. Überblick über den Meinungsstand

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gelagerte Fälle anwendbar sein. Ob die Grenzen der Normierung ζ. T. für jedes Rechtsgebiet ausreichend festgelegt sind, kann hier nicht weiter vertieft werden. Für das Prüfungsrecht wird diese Frage jedoch nochmals aufgegriffen. 225 Ist ein gewisses Maß an Unbestimmtheit einer Norm grundsätzlich hinzunehmen, so bedeutet dies zunächst lediglich, daß der Gesetzgeber seine Aufgabe erfüllt hat und die weitere Konkretisierung und Ausfüllung den Rechtsanwendungsorganen anheim gegeben hat. Das heißt aber noch lange nicht, daß diese Aufgabe nur dem Gericht oder nur der Verwaltung übertragen wäre. Vielmehr ist zur Anwendung und Ausfüllung unbestimmter Begriffe grundsätzlich das Gericht gem. Art. 19 IV GG berufen. Ausnahmefälle sind eng zu begrenzen und bedürfen einer verfassungsrechtlichen Argumentation. Zunächst müßte der Gesetzgeber die Verwaltung eindeutig ermächtigen. Ein „Herauslesen" der Letztentscheidungsmacht der Administrative kann allein den Anforderungen, die ein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht wie Art. 19IV GG im Fall seiner Einschränkung stellt, nicht genügen. Hier richtet sich die Forderung an den Gesetzgeber, genauere Aussagen zu treffen, die jedoch auch verfassungskonform sein müssen, d. h. den beteiligten widerstreitenden Interessen jeweils zur bestmöglichen Geltung zu verhelfen. Die Legislative darf sich nicht vorschnell zurückziehen. Als ein den Art. 19 IV GG einschränkendes Schutzgut kommt primär die im Grundgesetz gem. Art. 20 Π GG festgeschriebene Gewaltenteilung in Betracht. Danach muß jeder Gewalt eine gewisse Funktionsfähigkeit und Eigenständigkeit gewährt werden. Eine Verwaltung, die keine eigenen Entscheidungsbereiche mehr hat, entspricht nicht einer ausgewogenen Verteilung der Macht der drei Staatsgewalten. Vielmehr müssen die Aufgaben funktionsgerecht - ohne jedoch den Art. 19 IV GG aus dem Auge zu verlieren - verteilt werden. Aus diesem Grunde sind dann auch Fälle denkbar, in denen die Verwaltung in unverhältnismäßig besserer Weise zur Lösung einer Aufgabe in der Lage ist als die Gerichte. Dazu bedarf es wegen Art. 19 IV GG aber einer besonderen Begründung. Eine solche läßt sich für einige wenige Rechtsfragen durchführen, nämlich ζ. T. für die sog. anerkannten Fallgruppen. Viele Fragen sind mit Wertungen verknüpft und nur schwer zu durchdringen. In ihnen müssen zahlreiche verschiedene Aspekte in einer Entscheidung zusammengeführt werden. In diesem Fall erscheint es sinnvoll, wenn nicht gar geboten, die Entscheidung nicht nur einer Einzelperson zu überantworten, sondern die Entscheidungsfindung durch die Beteiligung mehrerer Personen zu verbessern. Wichtig ist dabei auch die Auswahl der Gremienmitglieder, die je nach dem Sachgebiet möglichst repräsentativ, ausgeglichen, pluralistisch das Fachgremium besetzen sollte. Außerdem darf nicht bei jedem unbestimmten Rechtsbegriff einfach ein Gremium eingesetzt werden. Vielmehr müssen kumulativ weitere Voraussetzungen 225 S . U . E.V. 1. und 2. b) und g).

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D. Unbestimmte Rechtsbegriffe und gerichtliche Kontrolldichte

wie ζ. B. die besonderen Verfahrenssicherungen erfüllt sein. Schließlich ist noch zu beachten, daß die Entscheidung eines Gremiums keinesfalls vollkommen unüberprüfbar ist. Nur bestimmte einzelne Entscheidungen im Rahmen von nicht weiter konkretisierbaren Wertungen sind der gerichtlichen Kontrolle enthoben. An diesen „Grenzen menschlichen Erkenntnisvermögens" kann der Richter an die Stelle einer schwer faßbaren und u. U. zweifelhaften Verwaltungsentscheidung lediglich eine nicht weniger „faßbare" und ggf. nicht weniger zweifelhafte Entscheidung setzen, die zudem nicht die besonderen Merkmale und Sicherungen von Gremienentscheidungen besitzt. Fraglich ist, ob damit dem Rechtsschutzsuchenden gedient ist und dies dem Prinzip der Gewaltenteilung entspricht. Unverzichtbare Voraussetzung ist dabei, daß die personelle Zusammensetzung sowie das gesamte formalisierte Verfahren strengen verfahrensrechtlichen Sicherungen unterworfen und insbesondere der Weg der Entscheidungsfindung und -Überprüfung durch den Gesetzgeber vorgezeichnet ist. Nur in diesem Fall, in dem die Verwaltung die wesentlich besser geeignete Stelle ist, über bestimmte, einzelne Aspekte einer Entscheidung so sachgerecht und gerecht wie möglich zu befinden, kann man einen gewissen Beurteilungsspielraum akzeptieren. Selbst dieser ist nicht unüberprüfbar. 226 Hier ist es auch Aufgabe des Richters, nicht vorschnell eine Unüberprüfbarkeit anzunehmen. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob die Grenzen der Kontrolle nicht doch noch enger gezogen werden können, indem ζ. B. weitere Kriterien entwickelt würden, an denen sich die Entscheidung zu orientieren hat. Diese Aufgabe läßt sich allerdings nur bereichsspezifisch lösen. Soweit dies dem Gesetzgeber zufällt, sollte er eindeutige Ermächtigungen aussprechen. Das zugrunde liegende Problem ist, daß in einer pluralistischen Gesellschaft eine große Meinungsvielfalt besteht, die auf unterschiedlichen Anschauungen und Werten beruht. Es erscheint daher mit Art. 19 IV GG vereinbar, unter bestimmten, engen Voraussetzungen manche Entscheidungen auf ein repräsentativ ausgewähltes, mehrköpfiges und fachlich qualifiziertes Gremium statt einem einzelnen Richter zu übertragen. Dies würde eine erhöhte Sachgerechtigkeit gewährleisten.

226 So beschränkt das Bundesverfassungsgericht zurecht die Unüberprüfbarkeit von Prüfungsentscheidungen auf prüfungsspezifische Wertungen. Fachwissenschaftliche Richtigkeitsentscheidungen werden ausdrücklich ausgenommen. Zudem bleiben auch die prüfungsspezifischen Wertungen einer Willkürkontrolle zugänglich. BVerfG, NJW 1991, 2005 (2007 f.); NJW 1991, 2008 (2010 f.); s. o. D. IV. 5.b); Ε. II. 2. a), b).

E. Der Beurteilungsspielraum im Prüfungsrecht Nachdem im vorhergehenden Teil festgestellt wurde, daß der gerichtlichen Kontrolle in einigen Bereichen Grenzen gesetzt sind, schließt sich die Frage an, wo diese - sofern sie überhaupt konkretisierbar sind - mit Blick auf das Prüfungsrecht zu ziehen sind. Um dem näherzutreten, sind die derzeit herrschenden Ansichten einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Eine richtige und dementsprechend auch gerechte Prüfungsentscheidung kann selbstverständlich nicht allein durch eine verstärkte gerichtliche Überprüfbarkeit erreicht werden. Gleichwohl sind die Aspekte der Kontrolldichte und der gerechten Entscheidung sehr eng miteinander verknüpft. Zum einen ist dabei an die Rückwirkungen auf das Verwaltungsverfahren zu denken, die eine intensivere Kontrolle nach sich ziehen können. In dem Wissen, daß die eigene Entscheidung überprüft werden kann, wird sich der Prüfer möglicherweise verstärkt bemühen, seine Entscheidung sachgerecht, verständlich, nachvollziehbar und einleuchtend zu begründen, und sich besondere Mühe geben, zu einer gerechten Entscheidung zu kommen. Eine klare und detaillierte Begründung kann zudem für den Prüfer selbst eine Hilfe darstellen, weil er dafür seine eigenen Wertungen kritisch überprüfen und sich Gedanken über Bewertungsmaßstäbe machen muß. Zum anderen kann im Rahmen einer intensiveren gerichtlichen Kontrolle dem einen oder anderen Kandidaten tatsächlich zu einer gerechten Entscheidung verholfen werden. Die unter D. dargelegten Grundauffassungen zur Frage der gerichtlichen Kontrolldichte bei unbestimmten Rechtsbegriffen spiegeln sich in den konkreten Meinungen der Autoren zum Beurteilungsspielraum im Prüfungsrecht wider. Dabei ist im Prüfungsrecht zwischen „alten" und „neuen" Ansichten zu trennen, da die beiden Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 17. 4. 1991 sowohl für die prüfungsrechtliche Rechtsprechung als auch für die Literatur eine wichtige Zäsur darstellen.

I . „Alte" Ansichten (vor dem 17. 4.1991) 1. Prüfungsentscheidungen sind Ermessensentscheidungen Überwunden scheint die ganz auf der einen Seite des Spektrums anzusiedelnde Meinung zu sein, die Prüfungsentscheidung sei eine freie Entscheidung des Prü-

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E. Der Beurteilungsspielraum im Prüfungsrecht

fers und folglich u. a. im Hinblick auf die Anforderungen eine Ermessensentscheidung.1

2. Die herrschende Ansicht einschließlich der Rechtsprechung Die herrschende Lehre und ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts halten Prüfungsentscheidungen für eine der Fallgruppen, bei denen der Verwaltung ausnahmsweise ein Beurteilungsspielraum zusteht, was eine erhebliche Beschränkung der gerichtlichen Überprüfung zu Folge hat. Entsprechend den oben erwähnten Überprüfungstopoi 2 können auch Prüfungsentscheidungen demnach nur daraufhin überprüft werden, - ob das Prüfungsverfahren mit rechtlich erheblichen Fehlern behaftet ist; - ob die Prüfer anzuwendendes Recht verkannt haben; - ob die Prüfer von falschen Tatsachen ausgegangen sind; - ob die Prüfer allgemeingültige Bewertungsgrundsätze außer acht gelassen haben; - ob sich die Prüfer von sachfremden Erwägungen haben leiten lassen; - ob die Bewertung willkürlich ist.3 Hinsichtlich der Überprüfung allgemeingültiger Bewertungsgrundsätze bestanden erhebliche Unsicherheiten, da kein klarer Katalog herausgearbeitet wurde. Von Bedeutung ist allerdings - insbesondere im Hinblick auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 17. 4. 1991 - , daß es keinen allgemeingültigen Bewertungsgrundsatz geben sollte, der es verböte, Richtiges als falsch und vertretbare Ansichten als unvertretbar zu bewerten.4 Zur Rechtswidrigkeit der Prüfungsentscheidung führten fachliche Fehleinschätzungen erst, wenn sie willkürlich waren. Willkür sollte dann gegeben sein, wenn „die Beurteilung des Prüfers auf einer derart eklatanten und außerhalb jedes vernünftigen Rahmens liegenden Fehleinschätzung" beruht, „daß sich ihr Ergebnis dem Richter als gänzlich unhaltbar aufdrängen muß". 5 Innerhalb dieser Grenzen stand dem Prüfer ein Beurteilungsspiel1 Bettermann, DÖV 1962, 151 (151); Thieme, NJW 1954,742 (744). 2 S. o. D. IV. 3. c) und 4. 3 BVerwGE 8, 272 (274) 12, 359 (363); 19, 128 (132); 21, 127 (130); 78, 55 (58); Hamann/Vahle, VR 1990, 17 (19); Kröpil, JuS 1985, 322 (323); JuS 1989, 243 (244 f.); von Mutius, Jura 1982, 555 (559); Rozek, JA 1989, 233 (234); Schick, ZBR 1972, 300 (305); Seebass, NVwZ 1985, 521 (526); Semler, JA 1970, 161 (163); Stüer, DÖV 1974, 257 (260); Theuersbacher, BayVBl. 1984, 129 (130); Wagner, DVB1. 1990, 183 (186). 4 BVerwG, DÖV 1980 380 (380). 5 BVerwG, DÖV 1980, 380 (380); Kröpil, JuS 1989, 243 (244); von Mutius, Jura 1982, 555 (559); Rozek, JA 1989,233 (240).

I. „Alte" Ansichten (vor dem 17. 4. 1991)

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räum oder auch Bewertungsvorrecht zu.6 Begründet wurde dies größtenteils mit den schon im Rahmen der allgemeinen Erörterungen zum Beurteilungsspielraum dargestellten Argumenten. Die fachliche Beurteilung und die Umsetzung dieser in die Bewertungsskala seien rein außerrechtliche wertende Vorgänge, so daß keine Rechtsfehler möglich seien. Die Gerichte hätten folglich auch keine Kontrollkompetenz, so daß den Prüfern eine Letztentscheidungskompetenz zukomme.7 Aus der besonderen fachlichen Qualifikation der Prüfer ergäben sich die Legitimation und der Vertrauensvorschuß der Prüfer zur Letztentscheidung.8 Darüber hinaus sei die Beurteilung durch den Prüfer ein höchstpersönliches und - angesichts der Einmaligkeit, der fehlenden Wiederholbarkeit und Rekonstuierbarkeit der Prüfungssituation - unvertretbares, pädagogisch-wissenschaftliches Fachurteil, das sich einer richterlichen Kontrolle entziehe.9 Zudem werde die Entscheidung häufig auch von Gremien getroffen. Schließlich solle das Gericht die Handlungen der Behörde nicht ersetzen, sondern nur überprüfen. 10 Eine Reihe von Stimmen äußerte sich durchaus kritisch und skeptisch zur herrschenden Lehre und Rechtsprechung11, stellte die generelle Notwendigkeit eines Beurteilungsspielraums aber nicht in Frage. 12 Es wurde lediglich das dringende Bedürfnis einer Präzisierung des Prüfungstopos „allgemeingültige Bewertungsgrundsätze" angemahnt. Sie stellten die Forderung nach gesetzlich normierten bzw. allgemein festgelegten genaueren Bewertungsmaßstäben.13 Daneben bestanden innerhalb der herrschenden Meinung noch weitere Differenzen. So wurde das eine oder andere Argument von verschiedenen Autoren nicht für tragfähig oder allein ausreichend gehalten.14 Es fanden sich auch immer wieder 6 Theuersbacher, BayVBl. 1984, 129(130). 7 Grupp, JuS 1983, 351-(355); Kröpil, JuS 1989, 243 (244); Seebass, NVwZ 1985, 521 (527); Semler, NJW 1973, 1774 (1777); Stüer, DÖV 1974, 257 (260 f.); Wolff, in: Wolff/ Bachof, VwR I, S. 192 ff. » BVerwG, DVB1. 1975, 726 (726); Kröpil, JuS 1989, 243 (244); Theuersbacher, BayVBl. 1984, 129 (130); Thürk, BayVBl. 1991, 428 (429). 9 BVerwGE 15, 39 (40 ff.); Hamann/Vahle, VR 1990, 17 (18); Kellner, DÖV 1962, 572 (576); Kröpil, JuS 1989, 243 (244); Menger, VerwArch 54 [1963], 88 (101); von Mutius, Jura 1982, 555 (558 f.); Ossenbühl, DVB1. 1974, 309 (311); Pöttgen, RWS 1962, 289 (290); Rehborn/Schäfer/Tettinger, Juristenausbildung, S. 18; Rozek, JA 1989, 233 (234); Schick, ZBR 1972, 300 (305 f.); Seebass, NVwZ 1985, 521 (526 f.); Wagner, DVB1. 1990, 183 (186); Wolff, in: Wolff/ Bachof, VwR I, S. 193 f. 10 Schick, ZBR 1972, 300 (305). u Alberts, DVB1. 1976, 622 (623); Becker, Prüfungsrecht, S. 60 f.; Berkemann, RdJB 1986, 258 (260, 265); Wimmer, Z.f.Päd. 1980, 775 (784). 12 Alberts, DVB1. 1976, 622 (626); Seebass, NVwZ 85, 521 (526 ff.). 13 Alberts, DVB1. 1976, 622 (623 ff.); Becker, Prüfungsrecht, S. 60 f., 113, 124; Berkemann, RdJB 1986, 258 (266, 269); Seebass, NVwZ 1985 521 (527); Wimmer, Z.f.Päd. 1980, 775 (784). 14 Grupp, JuS 1983, 351 (355).

E. Der Beurteilungsspielraum im Prüfungsrecht

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Stimmen, die zwar im Ergebnis den Aussagen der herrschenden Meinung zustimmten, gleichwohl aber die Gefahren einer teilweise auszumachenden allzu unkritischen und selbstverständlichen Anwendung der Grundsätze sahen und diesen Standpunkt der herrschenden Meinung einer kritischen Würdigung unterzogen und eine stete Überprüfung anmahnten. So Schloß Seebass eine Abhandlung mit der Aussage ab, daß „das Bewußtsein, daß es ungerechte Beurteilungen gibt, die vermöge der Beurteilungsermächtigung des Prüfers nicht greifbar sind und Bestand behalten, sicher schwer zu ertragen ist." 1 5 Im übrigen sollten aber „alle Anstrengungen für Verbesserungen des Prüfungswesens unternommen werden". 16

3. Ablehnung eines Beurteilungsspielraums Die Mindermeinung war und ist nach wie vor auch bezüglich des Prüfungsrechts der Auffassung, die gerichtliche Nachprüfbarkeit von Prüfungsentscheidungen finde lediglich tatsächliche, keinesfalls aber rechtliche Grenzen. 17 Der vollständige Nachvollzug scheitere einfach am Faktischen. Dies gelte insbesondere für mündliche Prüfungen. Da es sich aber primär um Beweisschwierigkeiten handele, sei die Lösung des Problems auch über Darlegungs- und Beweislastfragen vorzuneh18

men. Auch Neufelder wendet sich mit einer ausführlichen Argumentation gegen die herrschende Lehre und die Rechtsprechung, die er für verfassungswidrig hält 19 , und verlangt - zumindest für Prüfungsentscheidungen - eine uneingeschränkte gerichtliche Kontrolle. 20 Nennenswerte Schwierigkeiten beim Nachvollzug sieht er nicht, er spricht jedenfalls keine an.

I I . Die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 17. 4.1991 Die von der herrschenden Meinung vertretene starke Rücknahme der Kontrolldichte ist, wie dargestellt, auf eine deutliche Kritik gestoßen. Auch das Bundesverfassungsgericht ist den Aussagen der herrschenden Ansicht und denen des Bundesverwaltungsgerichts entgegengetreten. Dies geschah durch die nicht nur für das Prüfungsrecht bedeutsamen Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 17.4. 1991. 15 Seebass, NVwZ 1985, 521 (529). 16 Seebass, NVwZ 1985, 521 (529). 17 Czermak, DÖV 1962, 921 (923 f.). ι» Boeck, Akademische Prüfungen, S. 92 ff.; Czermak, DÖV 1962, 921 (924). 19 Neufelder, BayVBl. 1973, 113 (114 ff.); BayVBl. 1973, 151 (152 ff.). 20 Neufelder, BayVBl. 1973, 151 (154).

II. Die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 17. 4. 1991

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Das Bundesverfassungsgericht hatte zum einen über zwei Verfassungsbeschwerden gegen Prüfungsentscheidungen im Ersten und Zweiten Juristischen Staatsexamen und zum anderen über zwei Verfassungsbeschwerden gegen im Rahmen der Ärztlichen Vorprüfung und des Dritten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung ergangene Entscheidungen zu befinden. Zwar sind die Meinungen zu der Bedeutung und zu den praktischen Auswirkungen dieser beiden Beschlüsse sehr geteilt. 21 Die extrem heftige Resonanz deutet aber darauf hin, daß der „Nerv getroffen" wurde.

1. Die Sachverhalte a) Juristenentscheidung Der Beschwerdeführer zu 1 (1 BvR 419/81) bestand am31.10. 1975 dieZweite Juristische Staatsprüfung mit der Abschlußnote „befriedigend (6,36 Punkte)". Gegen diesen Prüfungsbescheid legte er Widerspruch mit der Begründung ein, jeder der drei Prüfungsabschnitte sei zu schlecht bewertet worden. Den Aktenvortrag hätten die Prüfer als unzutreffend und unvollständig mit nur 6,00 Punkten bewertet, weil sie seine rechtswissenschaftliche Auffassung nicht geteilt hätten, obwohl diese im Schrifttum vertreten werde. Für das anwaltliche Prüfungsgespräch habe er nur die Note „vollbefriedigend (8,00 Punkte)" erhalten, obwohl alle Fragen von ihm zutreffend beantwortet worden seien und ein Prüfer sogar mehrfach „ausgezeichnet" bemerkt habe. Die Note „ausreichend (4,00 Punkte") für seine Hausarbeit beruhe darauf, daß die Prüfer die Schwierigkeit der Aufgabe verkannt und unzulässige Beurteilungskriterien angelegt hätten. So hätten sie den Aufbau des Sachberichts beanstandet und die Bearbeitung verschiedener Rechtsfragen als zu oberflächlich, unzureichend und widersprüchlich kritisiert, obwohl jeweils gute Gründe für die gewählte Darstellungsform gesprochen hätten und die von ihm vertretene Rechtsansicht durchaus vertretbar gewesen sei. Das Landesjustizprüfungsamt holte Stellungnahmen der einzelnen Prüfer ein; diese hielten an ihren Bewertungen fest und widersprachen der Kritik des Beschwerdeführers mit näherer Begründung. Daraufhin wies das Landesjustizprüfungsamt den Widerspruch zurück. In der Begründung nahm es auf die Stellungnahmen der Prüfer Bezug. Die daraufhin erhobene Klage mit dem Antrag, den Prüfungsbescheid aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Leistungen des Beschwerdeführers mit „vollbefriedigend" zu bewerten, hilfsweise, das Landesjustizprüfungsamt zur Neubescheidung zu verurteilen, wies das Verwaltungsgericht ab. Zur Begründung verwies es auf den Beurteilungsspielraum der Prüfungsbehörde. Streitig seien pädagogisch-wissenschaftliche Wertungen, die den hierfür zuständigen Prüfern vorbehalten blieben. Nach einer Würdigung der einzelnen Rügen des Beschwerdeführers 2i S.u. E.III. 7 Lampe

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E. Der Beurteilungsspielraum im Prüfungsrecht

kam das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, daß die Prüfungsbehörde die Grenze ihres Beurteilungsspielraums nicht überschritten habe. Berufung und Nichtzulassungsbeschwerde blieben ohne Erfolg. Der Beschwerdeführer zu 2 (1 BvR 213/83) bestand am 7. 2. 1978 die Erste Juristische Staatsprüfung zum zweiten Mal nicht. Für seine Hausarbeit erhielt er 4,00 Punkte, für seine Aufsichtsarbeiten durchschnittlich 4,16 Punkte und in der mündlichen Prüfung 3,00 Punkte, so daß die Gesamtnote unter 4,00 Punkten lag. Mit seinem Widerspruch rügte der Beschwerdeführer die geringe Benotung seiner Hausarbeit. Mehrere Korrekturbemerkungen und Feststellungen in den Voten der Prüfer seien unrichtig oder beruhten auf Mißverständnissen. Vor allem hätten die beiden Korrektoren seine Ausführungen zur Saldo-Theorie und dem Begründungszusammenhang mit § 818ΙΠ BGB als „in mehrfacher Hinsicht grob fehlerhaft" bezeichnet; sie hätten den Stand der wissenschaftlichen Diskussion nicht gekannt und seine Literaturnachweise nicht berücksichtigt. Das Widerspruchsvorbringen wurde den beiden Korrektoren der Hausarbeit zugeleitet. Diese nahmen eingehend zu den verschiedenen Beanstandungen Stellung und wiesen sie im wesentlichen zurück. Allerdings schwächten sie die Kritik an den bereicherungsrechtlichen Ausführungen ab. Im Ergebnis sei an der Bewertung mit „ausreichend (4,00 Punkte)" festzuhalten. Ausschlaggebend seien zahlreiche Unzulänglichkeiten und Oberflächlichkeiten. Der Vorsitzende des Justizprüfungsamtes wies daraufhin den Widerspruch zurück. Grundsätzlich könne eine Prüfungsentscheidung, die eine Beurteilung von Prüfungsleistungen enthalte, im Widerspruchsverfahren nicht abgeändert werden; eine Korrektur käme nur in Betracht, wenn die Entscheidung unter Verletzung zwingender Beurteilungsmaßstäbe oder Verfahrens Vorschriften zustande gekommen sei. Derartige Fehler seien nicht feststellbar. Die daraufhin erhobene Klage, mit der der Beschwerdeführer beantragte, den Püfungsbescheid aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Erste Juristische Staatsprüfung des Beschwerdeführers für bestanden zu erklären, hilfsweise den Beschwerdeführer neu zu bescheiden, wies das Verwaltungsgericht ab. Auszugehen sei von einem Beurteilungsspielraum der Prüfungsbehörde, der nur eine begrenzte Nachprüfung im Verwaltungsrechtsweg zulasse. Die Prüfungsvermerke ließen Korrekturfehler, die sich auf das Ergebnis ausgewirkt haben könnten, nicht erkennen. Berufung und Nichtzulassungsbeschwerde blieben ohne Erfolg. Die Verfassungsbeschwerden wurden zurückgewiesen.

II. Die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 17. 4. 1991

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b) Medizinerentscheidung Die Beschwerdeführerin zu 1 (lBvR 1529/84) studierte in Heidelberg Medizin. Sie hatte im August 1981 bei der Ärztlichen Vorprüfung zum zweiten Mal keinen Erfolg. Von 320 gestellten Aufgaben hatte sie nur 176 (= 55 vom Hundert) richtig gelöst. Bei einem Bundesdurchschnitt von 216,8 richtig gelösten Fragen (= 67,7 vom Hundert) hätte sie wenigstens 178 richtige Antworten benötigt, um die Bestehensgrenze nach § 14 VÄAppO 1981 zu erreichen. Sie erhob Widerspruch und machte geltend, bei einer Frage sei ihr nur ein Übertragungsfehler unterlaufen, drei weitere Fragen seien rechtsfehlerhaft gestellt worden. Das Landesjustizprüfungsamt wies diesen Widerspruch nach einer Stellungnahme des Instituts für Medizinische und Pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) als unbegründet zurück. Mit ihrer Klage erweiterte und konkretisierte die Beschwerdeführerin die Kritik an den gestellten Fragen und den vorgegebenen Antworten. Die Prüfungsfragen Nr. 108 und Nr. 114 vom zweiten Prüfungstag verlangten Kenntnisse, die in der Vorprüfung noch nicht erwartet werden dürften. Bei den Fragen Nr. 58 und Nr. 125 vom zweiten Prüfungstag sei keine der vorgeschlagenen Antworten eindeutig zutreffend, so daß die Aufgabe unlösbar gewesen sei. Im Fall der Frage Nr. 124 vom zweiten Prüfungstag sei die vorgeschlagene Antwort unzutreffend, ihre Antwort hingegen zutreffend. Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit der Begründung zurück, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht stehe der Prüfungsbehörde auch im Antwort-Wahl-Verfahren ein umfassender Beurteilungsspielraum zu. Die Berufung blieb ebenfalls ohne Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof führte in der Begründung der Berufungsentscheidung aus, der Beurteilungsspielraum der Prüfungsbehörde werde allerdings vom Verwaltungsgericht zu weit gefaßt. Eine Gutschrift könne nur dann gerichtlich erzwungen werden, wenn sich aus der dem Studenten zur Verfügung stehenden Fachliteratur ergebe, daß auch die vom Prüfling gewählte Lösung in der medizinischen Wissenschaft mit annähernd gleichem Gewicht vertreten werde wie die der amtlichen Beantwortung zugrunde liegende Auffassung. Lege man diesen Maßstab an, sei der angegriffene Prüfungsbescheid nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer zu 2 (1 BvR 138/87) studierte in Mainz Medizin. Den schriftlichen Teil des Dritten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung bestand er nicht. Von 180 Aufgaben löste er nur 106 (= 58,9 vom Hundert) richtig. Da der Bundesdurchschnitt in jener Prüfung bei 145 richtigen Antworten (= 80,5 vom Hundert) lag, war die 60 vom Hundert-Grenze des § 14 V ÄAppO maßgebend, so daß zum Erreichen der Bestehensgrenze 108 Aufgaben richtig gelöst werden mußten. Ein Widerspruch war nicht vorgesehen (§ 681 2 Nr. 1 VwGO). 7•

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E. Der Beurteilungsspielraum im Prüfungsrecht

Mit seiner Klage beantragte der Beschwerdeführer, den Bescheid aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm ein Zeugnis über das Bestehen der Ärztlichen Prüfung auszuhändigen, hilfsweise ihm eine weitere Wiederholungsmöglichkeit einzuräumen. Er beanstandete zehn Aufgaben. Bei einer Frage ergebe sich die Richtigkeit seiner Antwort schon aus der Musterlösung eines früheren Prüfungstermins. Im Herbst 1981 sei fast die gleiche Frage im Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung gestellt worden; er habe sie entsprechend der damals festgesetzten Alternative beantwortet. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Die Entscheidung darüber, ob die Antwort eines Prüflings richtig oder falsch sei, falle in den prüfungsrechtlichen Beurteilungsspielraum. Das gleiche müsse im Antwort-WahlVerfahren auch für die Formulierung der Prüfungsaufgaben gelten. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung wies das Oberverwaltungsgericht zurück, ohne die Revision zuzulassen. Die Verfassungsbeschwerden hatten Erfolg.

2. Entscheidungsgründe a) Juristenentscheidung Als Ausgangspunkt für die Kontrolle prüfungsrechtlicher Entscheidungen nennt das Bundesverfassungsgericht das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 121 GG. Zunächst werden die an das verwaltungsinterne Kontrollverfahren zu stellenden Anforderungen erörtert. Der Kandidat müsse hier seinen Standpunkt wirksam vertreten können. Daß die Prüfer selbst in die Kontrolle ihrer Entscheidung einbezogen würden, sei unbedenklich.22 Soweit die Beschwerdeführer rügten, daß auch die Verwaltungsgerichte nur eine eingeschränkte Kontrolle der Prüfungsbescheide vorgenommen hätten, sei ihre Kritik im Ansatz berechtigt. Die Rechtsprechung zum prüfungsrechtlichen Beurteilungsspielraum lasse sich nicht in vollem Umfang mit Art. 19 IV GG vereinbaren. Das Verfahrensgrundrecht des Art. 19 IV GG garantiere demjenigen den Rechtsweg, der geltend macht, durch die öffentliche Gewalt in eigenen Rechten verletzt zu sein. Damit würden nicht nur der Zugang zu den Gerichten, sondern darüber hinaus auch die Wirksamkeit des Rechtsschutzes gewährleistet. Der Bürger habe einen Anspruch auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle. Daraus folge grundsätzlich die Pflicht der Gerichte, die angefochtenen Verwaltungsakte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig nachzuprüfen. Das schließe auch eine Bindung an die im Verwaltungsverfahren getroffenen Feststellungen und Wertungen im Grundsatz aus. Die geschützte Rechtsposition ergebe sich allerdings nicht aus Art. 19 IV GG, sondern werde darin vorausgesetzt. Aber 22 Hinsichtlich der weiteren Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an die verwaltungsinterne Kontrolle stellt: s. u. F. II. 4. b) (4), d) und e).

II. Die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 17. 4. 1991

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die Ausgestaltung des Rechtsweges und die Intensität der gerichtlichen Kontrolle müßten der Durchsetzung des materiellen Rechts wirkungsvoll dienen, für diesen Zweck also geeignet und angemessen sein. Beruhe die angefochtene Verwaltungsentscheidung auf der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, so sei deren Konkretisierung grundsätzlich Sache der Gerichte, die die Rechtsanwendung der Verwaltungsbehörden uneingeschränkt nachzuprüfen hätten. Unbestimmte Rechtsbegriffe könnten allerdings wegen hoher Komplexität oder besonderer Dynamik der geregelten Materie so vage und ihre Konkretisierung im Nachvollzug der Verwaltungsentscheidung so schwierig sein, daß die gerichtliche Kontrolle an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stoße. Der rechtsanwendenden Behörde möge in solchen Fällen ohne Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze ein begrenzter Entscheidungsfreiraum zuzubilligen sein. Diese Frage bedürfe hier jedoch keiner umfassenden Klärung. Für die Bewertung von Berufszugangsprüfungen gälten jedenfalls Besonderheiten. Staatsprüfungen, die den Zugang zu akademischen Berufen beschränken, erforderten schwierige Bewertungen, die mit Rücksicht auf die Chancengleichheit aller Berufsbewerber (Art. 3 I GG) im Gesamtzusammenhang des Prüfungsverfahrens getroffen werden müßten und sich nicht ohne weiteres in nachfolgenden Verwaltungsstreitverfahren einzelner Kandidaten isoliert nachvollziehen ließen. Daraus ergebe sich ein prüfungsrechtlicher Bewertungsspielraum. Dieser sei jedoch auf prüfungsspezifische Wertungen beschränkt, erstrecke sich also nicht auf alle fachlichen Fragen, die den Gegenstand der Prüfung bildeten. Das Bundesverfassungsgericht führt weiter aus, daß Prüfungsentscheidungen einen starken Einfluß auf die beruflichen Chancen hätten (Art. 12 I i.V.m. 3 I GG). Trotz dieser großen praktischen Bedeutung und grundrechtlichen Relevanz der Prüfungsbescheide seien die Bewertungskriterien im Gesetz nur ungenau bestimmt. Zum einen werde die Art der Aufgabenstellung in allen Justizausbildungsordnungen lediglich in groben Zügen thematisch eingegrenzt. Zum anderen bewegten sich die vorgegebenen Notenstufen zwischen „ungenügend" und „sehr gut" und würden nicht im eigentlichen Sinn definiert, sondern nur sehr allgemein umschrieben. Die Steuerungskraft dieser rechtlichen Vorgaben sei begrenzt. Allgemeine Bewertungsgrundsätze auf niedriger Abstraktionshöhe hätten die Verwaltungsgerichte bisher - soweit ersichtlich - nicht entwickelt. Aber selbst wenn das schon geschehen wäre, müßten die wesentlichen Bewertungsschritte fallbezogen bleiben, weil die leitenden Erwägungen, die u. a. von der Fragestellung, den Ausbildungsvoraussetzungen und der Prüfungssituation abhingen, nur sehr unzureichend in allgemeinen Regeln zu erfassen seien. Das würde die gerichtliche Kontrolle nicht von vornherein unmöglich machen und könnte deshalb allein nicht ausreichen, den Prüfungsbehörden einen Bewertungsspielraum zuzubilligen. Es komme aber ein entscheidender Umstand hinzu: Prüfer müßten bei ihrem wertenden Urteil von Einschätzungen und Erfahrungen ausgehen, die sie im Laufe ihrer Examenspraxis

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E. Der Beurteilungsspielraum im Prüfungsrecht

bei vergleichbaren Prüfungen entwickelt hätten und allgemein anwendeten. Die Notendefinitionen der Prüfungsordnungen verlangten das sogar ausdrücklich, soweit sie auf durchschnittliche Leistungen abstellten. Aber auch die Bestehensgrenze, also der Maßstab für ungenügende Prüfungsleistungen, lasse sich nicht starr und ohne Blick auf durchschnittliche Ergebnisse bestimmen. Daraus folge, daß Prüfungsnoten nicht isoliert gesehen werden dürften, sondern in einem Bewertungssystem zu finden seien, das durch die persönlichen Erfahrungen und Vorstellungen der Prüfer beeinflußt werde. Da sich andererseits die komplexen Erwägungen, die einer Prüfungsentscheidung zugrunde lägen, nicht regelhaft erfassen ließen, würde die gerichtliche Kontrolle insoweit zu einer Verzerrung der Maßstäbe führen. In dem Verwaltungsgerichtsprozeß eines einzelnen Kandidaten könnte das Gericht - auch mit der Hilfe eines Sachverständigen - die Bewertungskriterien, die für die Gesamtheit vergleichbarer Prüflinge maßgebend waren, nicht aufdecken, um sie auf eine nur in Umrissen rekonstruierbare Prüfungssituation anzuwenden. Es müßte eigene Bewertungskriterien entwickeln und an die Stelle derjenigen der Prüfer setzen. Dabei handele es sich nicht nur um praktische Schwierigkeiten der Rechtsanwendung, sondern vor allem um ein verfassungsrechtliches Problem. Nach dem Grundsatz der Chancengleichheit, der das Prüfungsrecht beherrsche, müßten für vergleichbare Prüflinge soweit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen und Bewertungskriterien gelten. Mit diesem Grundsatz wäre es unvereinbar, wenn einzelne Kandidaten, indem sie einen Verwaltungsgerichtsprozeß anstrengten, die Chance einer vom Vergleichsrahmen unabhängigen Bewertung erhielten. Die gleichmäßige Beurteilung aller vergleichbaren Kandidaten würde tiefgreifend beeinträchtigt. Sie sei nur erreichbar, wenn den Prüfungsbehörden bei prüfungsspezifischen Wertungen ein Entscheidungsspielraum verbleibe und die gerichtliche Kontrolle insoweit eingeschränkt werde. Die von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts angeführten Argumente, die auf die stark subjektiven Elemente eines „höchstpersönlichen Fachurteils" und auf die Schwierigkeiten beim Nachvollzug abstellten, könnten zwar für sich genommen nicht ausschlaggebend sein, beleuchteten aber Teilaspekte des grundsätzlichen Problems. Hingegen sei unerheblich, daß Prüfungsnoten auf fachlichen Bewertungen beruhten, die ohne spezialisierten Sachverstand nicht nachvollziehbar seien. Die daraus folgende Schwierigkeit der gerichtlichen Kontrolle lasse sich mit Hilfe von Sachverständigen überwinden und unterscheide Prüfungsfragen nicht grundsätzlich von vielen anderen Gegenständen verwaltungsgerichtlicher Verfahren. Die Grenzen des prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraums ergäben sich aus seiner verfassungsrechtlichen Legitimation. Sie bestimmten zugleich den Umfang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, die durch Art. 19 IV GG geboten sei. Nur prüfungsspezifische Wertungen - vielfach mit fachlichen Urteilen untrennbar verknüpft - blieben der Letztentscheidungskompetenz der Prüfungsbehörden überlas-

II. Die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 17. 4. 1991

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sen. Aber auch die Beantwortung solcher Wertungsfragen sei nicht jeder gerichtlichen Kontrolle entzogen. Der Bewertungsspielraum habe Grenzen, deren Einhaltung im Hinblick auf Art. 19 IV GG gerichtlich nachzuprüfen sei. Die den Gerichten verbleibende Kontrolle müsse bei berufsbezogenen Prüfungen für einen wirkungsvollen Schutz der Berufsfreiheit zweckgerichtet, geeignet und angemessen sein. Es komme entscheidend darauf an, unter welchen Voraussetzungen die Verletzung allgemeingültiger Bewertungsmaßstäbe angenommen werde und aus welchen Merkmalen auf sachfremde Erwägungen geschlossen werde. Eine so weitgehende Zurücknahme der gerichtlichen Kontrolle, wie durch das Bundesverwaltungsgericht angenommen, sei mit Art. 19 IV GG jedenfalls dann nicht vereinbar, wenn es um Prüfungen gehe, die den Berufszugang beschränken. Auszugehen sei von dem Zweck, dem eine Prüfung als Berufszugangsschranke diene und den sie nach Art. 121 GG nur im Rahmen der Verhältnismäßigkeit verfolgen dürfe. Die Erste und Zweite Juristische Staatsprüfung sollten denjenigen Bewerbern den Zugang zum angestrebten Beruf verwehren, die fachlichen Mindestanforderungen nicht genügten. Dieser Zweck sei nicht nur für den Umfang der Qualifikationsnachweise, sondern auch für deren Bewertung maßgebend. Daraus folge, daß zutreffende Antworten und brauchbare Lösungen im Prinzip nicht als falsch bewertet werden und nicht zum Nichtbestehen führen dürften. Soweit die Richtigkeit oder Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht eindeutig bestimmbar seien, die Beurteilung vielmehr unterschiedlichen Ansichten Raum lasse, gebühre zwar dem Prüfer ein Bewertungsspielraum, andererseits müsse aber auch dem Prüfling ein angemessener Antwortspielraum zugestanden werden. Eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung dürfe nicht als falsch bewertet werden. Dies sei ein allgemeiner Bewertungsgrundsatz, der bei berufsbezogenen Prüfungen aus Art. 121 GG folge. Ebenso dürfe eine Willkürkontrolle, die auch das Bundesverwaltungsgericht mit Recht für unentbehrlich halte, nicht mit der Begründung eingeschränkt werden, daß sie ohne sachverständige Hilfe nicht wirkungsvoll durchgeführt werden könnte. Es genüge nicht zu kontrollieren, ob sich die Fehlerhaftigkeit einer wissenschaftlich-fachlichen Annahme des Prüfers dem Richter als gänzlich unhaltbar „aufdränge". Eine willkürliche Fehleinschätzung sei vielmehr schon dann anzunehmen, wenn sie dem Fachkundigen als unhaltbar erscheinen müsse. Das könne ein Gericht zwar regelmäßig nur mit sachverständiger Hilfe beurteilen, aber praktische Schwierigkeiten allein seien kein ausreichender Grund, den durch Art. 19 IV GG gewährleisteten Rechtsschutz einzuschränken. Eine Kontrolle der Prüfungsnoten, die fachliche Kriterien in der dargestellten Weise einbeziehe, stelle die Verwaltungsgerichte nicht vor unlösbare Aufgaben und dränge sie auch nicht in die Rolle von Prüfungsbehörden. Eine gerichtliche Korrektur komme ohnehin nur in Betracht, wenn sich ein Bewertungsfehler auf die Notengebung ausgewirkt haben

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E. Der Beurteilungsspielraum im Prüfungsrecht

könne. Sei die Ursächlichkeit des Fehlers nicht auszuschließen, könne das Gericht die Leistungsbewertung grundsätzlich nicht ersetzen, sondern den Prüfungsbescheid nur aufheben. Das habe dann zur Folge, daß die zuständigen Prüfer eine fehlerfreie Bewertung nachholen müßten. Obwohl das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß feststellt, daß die Verwaltungsgerichte den Umfang der gerichtlichen Kontrolle zu stark zurückgenommen hätten, blieb den Verfassungsbeschwerden gleichwohl der Erfolg versagt. Die Verfassungsbeschwerden scheiterten an der mangelnden Kausalität der Bewertungsfehler für die Note.

b) Medizinerentscheidung

- Besonderheiten im Antwort-Wahl-Verfahren

In der Entscheidung, die das medizinische Antwort-Wahl-Verfahren zum Inhalt hatte, greift das Bundesverfassungsgericht weitgehend auf die zuvor in der „Juristenentscheidung" gemachten Ausführungen zurück. Sie enthält allerdings einige nicht zuletzt durch die Struktur der Prüfungen im Antwort-Wahl-Verfahren bedingte Ergänzungen und Besonderheiten. Das Bundesverfassungsgericht betont, daß prüfungsspezifische Wertungen, die nur einer beschränkten gerichtlichen Kontrolle unterlägen, auch im Antwort-WahlVerfahren getroffen werden müßten; sie seien hier nur zeitlich vorverlagert und nicht einzelfallbezogen. Ihren Ausdruck fänden sie in der Formulierung der Prüfungsfragen und Antwortalternativen. Aus diesen ergebe sich, welche Kenntnisse von einem Medizinstudenten im entsprechenden Ausbildungsstadium gefordert würden und welches Gewicht Wissenslücken und Fehler haben sollten. Da die verbleibende gerichtliche Kontrolle für einen wirksamen Schutz der Berufsfreiheit zweckgerichtet, geeignet und angemessen sein müsse, hätten die Gerichte vor allem zu kontrollieren, ob die Prüfungsbehörden die normativen Vorgaben beachtet hätten. Für medizinische Prüfungen bestimme § 14 II ÄAppO, daß die Aufgaben zuverlässige Prüfungsergebnisse ermöglichen müßten. Diesem rechtlichen Maßstab genügten Aufgaben im Antwort-Wahl-Verfahren nur dann, wenn sie verständlich, widerspruchsfrei und eindeutig seien und dem vorgegebenen Prüfungsschema entsprächen. Davon gehe zwar auch das Bundesverwaltungsgericht aus. Gleichwohl halte es eine fachwissenschaftliche Richtigkeitkontrolle den Verwaltungsgerichten im Prüfungsrecht für generell versperrt. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts sei das jedoch mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19IV GG unvereinbar. Fachwissenschaftliche Richtigkeitsentscheidungen seien selbst dann nicht völlig der gerichtlichen Kontrolle entzogen, wenn die Aufgabe zwar eindeutig und formal fehlerfrei gestellt sei, der Prüfling jedoch die darin zum Ausdruck kommende Auf fassung der Prüfer für unrichtig halte und den ungünstigen Prüfungsbescheid deshalb nicht hinnehmen wolle. Über viele fachwissenschaftliche Fragen lasse sich

III. Die Resonanz in Rechtsprechung und Schrifttum

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allerdings streiten. In Zweifelsfällen sei deshalb den Prüfern ein Entscheidungsspielraum zuzubilligen. Entschieden sie damit aber zugleich über die Berufswahl und die Berufschancen des Prüflings, müsse auch diesem ein angemessener Antwortspielraum verbleiben. Das ergebe sich aus Art. 12 I GG, wonach in die Freiheit der Berufswahl nur aus Gründen des Gemeinwohls und im Rahmen der Verhältnismäßigkeit eingegriffen werden könne. Daraus folge, daß eine mit guten Gründen vertretene Stellungnahme in einer umstrittenen Fachfrage nicht zu beruflichen Nachteilen führen dürfe, nur weil ein Prüfungsgremium anderer Ansicht sei als der Prüfling. Bei Prüfungen im Antwort-Wahl-Verfahren bestehe die Besonderheit, daß dem Prüfling nicht die Möglichkeit geboten werde, seine Auffassung zu begründen. Daraus dürfe ihm aber keine Beschränkung seines Antwortspielraums entstehen. Deshalb müsse es hier genügen, daß die angekreuzte Antwort gesicherten medizinischen Erkenntnissen entspreche, die im Fachschrifttum bereits vor der Prüfung veröffentlicht und dem Kandidaten des entsprechenden Prüfungsabschnitts im Regelfall ohne besondere Schwierigkeiten zugänglich gewesen sei. In beiden Fällen stellte das Bundesverfassungsgericht einen Verstoß gegen Art. 19IV GG fest. Die Verfassungsbeschwerden waren erfolgreich.

I I I . Die Resonanz auf die Beschlüsse in Rechtsprechung und Schrifttum Die beiden Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 17. 4. 1991 haben eine äußerst starke Resonanz erfahren. In fast jeder juristischen Fachzeitschrift sind diese Beschlüsse Gegenstand einer Abhandlung geworden. Sowohl die allgemeine Beurteilung der zukünftigen Auswirkungen der Entscheidungen insbesondere auf die Rechtsprechung in prüfungsrechtlichen Verfahren als auch die Beantwortung von Einzelfragen weisen erhebliche Differenzen auf. Insgesamt gesehen erfolgt die Diskussion keineswegs einheitlich. 23 In bezug auf die grundsätzliche Bewertung des Urteils ist vom „Anfang vom Ende des Beurteilungsspielraums 24, von der „Neuzeit des Prüfungsrechts" 25 oder einer „Wende im Prüfungsrecht" 26 die Rede; es könne eine „Trendwende" einläuten27 oder ein „entscheidender Durchbruch" 28 mit einer „Tragweite für das gesamte Prüfungsrecht" 29 sein. Die Entscheidung setze ein „deutliches Signal" 30 23 24 25 26 27

Höfling, RdJB 1995, 387 (387). Würkner, NVwZ 1992, 309 (310). Becker, NVwZ 1993, 1129 (1129). Muckel, WissR 1994, 106 (110). Rubel, JA 1991, 309 (310).

28 Rozek, NVwZ 1992, 343 (343). 29 Rozek, NVwZ 1992, 343 (348).

E. Der Beurteilungsspielraum im Prüfungsrecht

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und erteile der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht eine „klare Absage"31 bzw. versuche die Lehre vom Beurteilungsspielraum „grundsätzlich zu revidieren" 32 oder sie „erheblich zu beschränken". 33 Es „verlasse die Grundlagen des Prüfungsrechts teilweise und rüttle an dem Rest kräftig" 34 , es bedürfe jedenfalls einer „Abkehr von oder eines Überdenkens gefestigter Rechtsprechung".35 Etwas zurückhaltendere Einschätzungen betonen, daß die Entscheidungen den Beurteilungsspielraum lediglich „auf eine verfassungsrechtlich tragfähige Grundlage stellen" 3 6 oder daß die Entscheidungen mit ihrer grundsätzlichen Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung zu „begrüßen" 37 bzw. „im Kern berechtigt" seien.38 Weitere Kommentatoren stellen lediglich eine Verstärkung der richterlichen Kontrolle bzw. Verbesserung der Position des Prüflings fest. 39 Teilweise wird dem Prüfling „ein Stück mehr Gerechtigkeit" durch die Beschlüsse versprochen. 40 Die Bewertungen reichen bis hin zu der Einschätzung, die Entscheidungen seien widersprüchlich, dienten nicht der Gerechtigkeit und liefen der Rechtssicherheit zuwider 41 oder würfen mehr Fragen auf als sie beantworteten. 42 Manche Autoren vermögen sogar gar keine Änderungen - jedenfalls auf die Praxis bezogen - zu verzeichnen. 43 Daneben wird die Frage gestellt, ob sich das Bundesverfassungsgericht „auf Abwegen" befinde 44 , und von anderer Seite sogleich mit „wohl kaum" beantwortet 45 oder die Position des Bundesverfassungsgerichts als „nicht hinreichend durchdacht und nicht haltbar" dargestellt. 46 Betrachtet man diese unterschiedlichen und oft kontroversen Aussagen, so möchte man Würkner gerne zustimmen, wenn er eine „helle Aufregung" und „Orientierungslosigkeit" diagnostiziert. 47 30 Berkemann, JR 1991, 447 (452). 31 Von Mutius/Sperlich, DÖV 1993, 45 (50); Theuersbacher, BayVBl. 1991, 649 (650). 32 Berkemann, JR 1991,447 (452); Schulze-Fielitz, JZ 1993, 772 (775). 33 Reidt, DÖV 1992,916(918). 34 Seebass, NVwZ 1992,609 (609). 35 Niehues, NJW 1991, 3001 (3001); Seebass, NVwZ 1992,609 (609). 36 Hufen, JuS 1992, 252 (254). 37 Berkemann, JR 1991, 447 (451); Kopp, DVB1. 1991, 988 (989 f.); Schulze/Fielitz, JZ 1993,772 (781). 38 Pietzcker, JZ 1991, 1084 (1084). 39 Berkemann JR 1991, 447 (452); Niehues, NJW 1991, 3001 (3006); Pietzcker, JZ 1991, 1084 (1084); Rux, MDR 1991, 711 (712); Schiöder, DVP 1992, 35 (36); Wahlers, DUZ 1991,

26 (26).

40 Wahlers, DUZ 1991 26 (28). 41 ner, 42 43 44 45 46

Seebass, NVwZ 1992, 609 (617); Theuersbacher, BayVBl. 1991, 649 (649, 652); WürkNVwZ 1992, 309 (312). Redeker, NVwZ 1992, 305 (305). Stiebeier, RdJB 1992,404 (404). Würkner, NVwZ 1992, 309 (309). Wortmann, NWVBL 1993, 324 (327). Löwer, in: FS für Redeker, S. 515 (515, 528).

III. Die Resonanz in Rechtsprechung und Schrifttum

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Diesen unterschiedlichen Auffassungen entsprechend, lassen sich auch in Einzelfragen, die die Beschlüsse aufwerfen, ζ. T. recht kontroverse Ansichten ausmachen. Ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, seien hier einige Beispiele genannt.

1. Zum Verfahren des Überdenkens Differenzen bestehen hinsichtlich der Art, Ausgestaltung und Durchführung des vom Bundesverfassungsgericht geforderten verwaltungsinternen „Überdenkens". Nach der herrschenden Meinung kann dieses „Überdenken" im Rahmen des Widerspruchsverfahrens durchgeführt werden. Ist ein Widerspruchsverfahren nicht vorgesehen, so muß dem Kandidaten ein anderes Gegenvorstellungsverfahren gewährleistet werden, in dem er seine substantiierten Einwendungen rechtzeitig und wirkungsvoll vortragen kann. Liegt keine gesetzliche Grundlage vor, so ist dieses Verfahren als Übergangslösung durchzuführen. 48 Bis dahin sind aber die Gerichte verpflichtet, dem Prüfling noch während des Gerichtsverfahrens die Möglichkeit eines „Überdenkens" der Prüfungsentscheidung durch die beteiligten Prüfer zu eröffnen und ihn auf diese Möglichkeit hinzuweisen.49 Das hat in der Weise zu geschehen, daß sie auf Antrag des Prüflings das gerichtliche Verfahren aussetzen, um so eine von dem Gerichtsverfahren getrennte, verwaltungsinterne Kontrolle zu erreichen. 50 Eine andere Ansicht schließt die Möglichkeit der Heilung des Verfahrensfehlers des mangelnden Überdenkens durch Nachholung im Prozeß aus, da der vom Bundesverfassungsgericht geforderte rechtzeitige Verwaltungsrechtsschutz nur dann gewährleistet sei, wenn er vor Klageerhebung abgeschlossen sei. 51 Auf eine breite Ablehnung ist auch die Lösung des Oberverwaltungsgerichts NordrheinWestfalen gestoßen, Prüfungsentscheidungen für eine Übergangszeit, bis eine gesetzliche Ausgestaltung des „Überdenkens" vorliege, einfach keine Rechtsbehelfsbelehrung anzufügen, um so die Anfechtungsfrist auf ein Jahr zu verlängern. 52 Eine solche Vorgehensweise lasse sich kaum mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbaren. 53

47 Würkner, NVwZ 1992, 309 (310). 48 Rausching, JuS 1993, 551 (554). 49 BVerwG, NVwZ 1993, 681 (684 f.); NVwZ 1993, 686 (686 f.); NVwZ 1993, 689 (690); BayVBl. 1995, 86 (88); OVGRh.-Pf., NVwZ 1992, 399 (399). 50 BVerwG, NVwZ 1993, 681 (684 f.); NVwZ 1993, 686 (687); NVwZ 1993, 689 (689 f.); BayVBl. 1995, 86 (88); DÖV 1995, 114 (114). 51 OVG NW, NWVBL 1992, 63 (64); BWVP 1993, 68 (68); NVwZ 1993, 95 (96); NWVBL 1993, 137 (139); Wortmann, NWVBL 1992, 304 (314). 52 OVG NW, NWVBL 1992, 63 (63); NVwZ 1993, 94 (95); NVwZ 1993, 95 (96); NWVBL 1993, 137(138).

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E. Der Beurteilungsspielraum im Prüfungsrecht

2. Zum Überdenken durch die ursprünglichen Prüfer Kontrovers diskutiert wird ebenfalls die Frage, ob im verwaltungsinternen Kontrollverfahren die ursprünglichen Prüfer erneut mit der Kontrolle befaßt werden dürfen oder ob eine Überprüfung durch eine andere, neutrale Instanz zu fordern ist. Das Bundesverfassungsgericht und mit ihm ein großer Teil der Rechtsprechung und Literatur halten die Befassung mit anderen Prüfern verfassungsrechtlich nicht für geboten. Der Umstand allein, daß der Prüfer die Arbeit erneut beurteilen müsse, rechtfertige nicht den Schluß, er sei nunmehr voreingenommen. 54 Andere leiten dagegen aus dem vom Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Gebot der Unparteilichkeit und der Vermeidung auch nur des „bösen" Scheins der möglichen Voreingenommenheit ab, daß eine Neubewertung zwingend durch andere Prüfer vorgenommen werden muß. 55

3. Zur Abgrenzung prüfungsspezifischer Wertungen von fachwissenschaftlichen Fragen Des weiteren wird kontrovers diskutiert, wie die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Trennung weiterhin nur eingeschränkt kontrollierbarer prüfungsspezifischer Wertungen von den nun voll überprüfbaren fachwissenschaftlichen Richtigkeitsentscheidungen durchzuführen ist, insbesondere auch, weil das Bundesverfassungsgericht annimmt, daß häufig eine untrennbare Verknüpfung vorliege. 56 Teilweise wird diese Trennung für undurchführbar gehalten.57 Manche Stimmen sehen so häufig eine solche untrennbare Verknüpfung, daß kaum Fälle übrig blieben, in denen eine volle fachliche Überprüfung in Frage komme 58 , andere befürchten kaum zu lösende Praktikabilitätsschwierigkeiten und fordern statt dessen eine Begründung von Prüfungsentscheidungen, die die bisherige Plausibilitätskontrolle der Verwaltungsgerichte erleichtern würde. 59 Niehues 53 Krüger, NWVBL 1992, 65 (66); Muckel, NVwZ 1992, 348 (349); Rausching, JuS 1993, 551 (554). 54 BVerfG, NJW 1991, 2005 (2006); BVerwG, DÖV 1995, 114 (115); NVwZ 1993, 681 (684); NVwZ 1993, 686 (688); BayVGH, BayVBl. 1991, 499 (500); NVwZ 1991, 409 (410); HessVGH, DVB1. 1995, 436 (437); OVG NW, DVB1. 1994, 644 (647); NWVBL 1994, 135 (135). 55 Gusy, Jura 1991, 633 (638); Kopp, BayVBl. 1990, 684 (684 f.); DVB1. 1991, 988 (990); Löwer, in: FS für Redeker, S. 515 (522); Muckel, JuS 1992, 201 (204); von Mutius/Sperlich, DÖV 1993,45 (53); Rausching, JuS 1993, 551 (555). 56 BVerfG, NJW 1991, 2005 (2007). 57 Stiebeier, RdJB 1992,404 (405). 58 Theuersbacher, BayVBl. 1991,649(651). 59 Löwer, in: FS für Redeker, S. 515 (522 f.); Redeker, NVwZ 1992, 305 (308); Würkner, NVwZ 1992, 309 (310).

III. Die Resonanz in Rechtsprechung und Schrifttum

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schildert zutreffend, wie bei der Abgrenzung zu verfahren ist. Relativ leicht sind die fachwissenschaftlichen Fragen beim Antwort-Wahl-Verfahren auszumachen. Bei den sonst üblichen Prüfungen, bei denen etwa die Gründlichkeit der Untersuchungen oder die Überzeugungskraft der Argumente wichtige Bewertungskriterien seien, müsse die damit möglicherweise verflochtene fachwissenschaftliche Beurteilung erst einmal „ausgefiltert" und sodann ihre Bedeutung für die Prüfungsentscheidung erfaßt werden. 60 Erweise sich eine für die Prüfungsentscheidung erhebliche fachwissenschaftliche Beurteilung als falsch, sei den darauf fußenden prüfungsspezifischen Wertungen die Grundlage entzogen; die Prüfungsentscheidung könne insgesamt keinen Bestand haben."61

4. Zur Beurteilung der Vertretbarkeit Ebenso wird die Frage diskutiert, ob und wie sich feststellen läßt, ob eine vom Kandidaten vertretene Meinung „vertretbar" ist. Hier ist eine ganze Reihe von Aspekten zu erörtern. Eine vertretbare Meinung darf nicht als falsch bezeichnet werden. Zunächst stellt sich die Frage, wann eine Meinung vertretbar und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründet ist. 62 Dies ist ihrerseits wiederum eine Wertungsfrage, bei der verschiedene Personen zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen können. Die vom Bundesverfassungsgericht zu diesem Thema im Antwort-Wahl-Verfahren beigesteuerten Vorgaben stellen ebenfalls keine befriedigende Lösung dar: Demnach soll es genügen, wenn die angekreuzte Antwort gesicherten medizinischen Erkenntnissen entspricht, die im Fachschrifttum bereits vor der Prüfung veröffentlicht und dem Kandidaten des entsprechenden Prüfungsabschnitts im Regelfall ohne besondere Schwierigkeiten zugänglich waren. 63 Diese Vorgabe ist von zwei Seiten her angreifbar. Zum einen ist der Sinn der Einschränkung auf zugängliches Schrifttum nur schwer auszumachen. Die Vermeidung von „Zufallstreffern" wird von manchen Autoren als möglicher Zweck vorgeschlagen.64 Auch nicht veröffentlichte, ζ. B. in einer Vorlesung dargestellte Meinungen können ebenso logisch und folgerichtig, d. h. vertretbar sein.65 Zum anderen ist nicht alles, was zugänglich, weil veröffentlicht ist, unbedingt schlüssig begründet und damit vertretbar. 66 Dabei ist einerseits an die zeitliche Dimension, d. h. 60 Niehues, NJW 1991, 3001 (3004). 61 Muckel, JuS 1992, 201 (202); Niehues, NJW 1991, 3001 (3006). 62 BVerfGE, NJW 1991, 2005 (2008). 63 BVerfG, NJW 1991, 2008 (2011). 64 Hofmann, NVwZ 1995, 740 (744); von Mutius/Sperlich, DÖV 1993,45 (53). 65 Muckel, WissR 1994, 107 (121). 66 Borsdorff, DVP 1996, 192 (193); Kopp, DVB1. 1990, 988 (989); Muckel, WissR 1994, 107(121).

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E. Der Beurteilungsspielraum im Prüfungsrecht

veraltetes Schrifttum zu denken und andererseits an veröffentlichte, aber bei objektiver Bewertung nicht sinnvoll vertretbare Meinungen.67

5. Zu den Reaktionen der Prüfer Eine befürchtete Konsequenz der nun eröffneten Möglichkeit der vollen Nachprüfung fachlicher Fragen wird darin gesehen, daß die Prüfer sich nunmehr jeglicher Richtigkeitsentscheidung enthalten und ihre Äußerungen auf reine Wertungen beschränken.68 Dieser Befürchtung wird jedoch wirksam entgegengetreten. Würden künftig nur noch „unangreifbare", aber demnach auch nichtssagende Bewertungsfloskeln benutzt, so läge auf jeden Fall eine nur unzureichende Begründung und damit ein Verfahrensmangel vor. Diese nachträglich auszufüllen, dürfte, soweit überhaupt möglich, erhebliche Schwierigkeiten aufwerfen. 69

6. Zur Gefahr einer Prozeßwelle Die von einigen Autoren befürchtete Prozeßwelle als Folge der gesteigerten Prüfungsintensität und damit eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Rechtsprechung 70 ist ausgeblieben.71 Dieses scheinbar gegen die Entscheidungen des Bundesverfassungsgericht sprechende Argument kann folglich unberücksichtigt bleiben.

IV. Die Umsetzung der Entscheidungen in der neueren Rechtsprechung Nach den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts in dem Bereich des Prüfungsrechts mußten sich die Verwaltungsgerichte und mit ihnen das Bundesverwaltungsgericht neu orientieren. Gem. § 311 BVerfGG sind u. a. die Gerichte an die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gebunden. Zu analysieren ist nun, inwieweit Verwaltungsgerichte, darunter insbesondere das Bundesverwaltungsgericht, die Maßgaben des 67 Kopp, DVB1. 1991, 988 (989); Löwer, in: FS für Redeker, S. 515 (529); Muckel, WissR, 1994, 107 (121); RdJB 1995, 398 (402); von Mutius/Sperlich, DÖV 1993,45 (51, 53). 68 Hufen, JuS 1992, 252 (254); Knödler, JuS 1995, 365 (367); Niehues, NJW 1991, 3001 (3004, 3006); Rausching, JuS 1993, 551 (555); Seehass, NVwZ 1992, 609 (618). 69 Borsdorff, DVP 1996, 192 (195); Niehues, NJW 1991, 3001 (3003); Wortmann, NWVBL 1992, 304(313). 70 Schiöder, DVP 1992, 35 (36); Reidt, DÖV 1992, 916 (921). 71 Karasek, RdJB 1995,409 (409); Wortmann, NWVBL 1993, 324 (324 f.).

IV. Die Umsetzung in der neueren Rechtsprechung

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Bundesverfassungsgerichts umsetzen bzw. umgesetzt haben. Bei jeder neuen Entscheidung zu Berufszugangsprüfungen macht das Bundesverwaltungsgericht die neue Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Grundlage seiner Entscheidung.72 Ein zentraler Aspekt der Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts war die Differenzierung zwischen prüfungsspezifischen Wertungen und fachwissenschaftlichen Richtigkeitsentscheidungen in Verbindung mit der vollständigen Überprüfbarkeit letzterer. Dementsprechend befaßt sich das Bundesverwaltungsgericht im Streitfall mit der Fachfrage bzw. der Richtigkeit oder Vertretbarkeit fachwissenschaftlicher Ausführungen des Kandidaten.73 Zur Durchführung dieser Kontrolle bedienen sich die Gerichte Sachverständiger, mit deren Hilfe die Vertretbarkeit der Ausführungen des Prüflings überprüft werden kann. Eine Ausnahme können hier nur juristische Prüfungen bilden, bei denen das Gericht möglicherweise selbst den erforderlichen Sachverstand besitzt. Aber auch hier können Fälle auftreten, in denen die Gerichte selbst nicht die gebotene Sachkunde besitzen und aus diesem Grund Sachverständige heranziehen müssen.74 Diese fertigen ein „Literaturgutachten" an, in dem die vom Prüfling zur Begründung seiner Einwendung angeführten Belegstellen einer Nachprüfung unterzogen werden. Findet sich in der Literatur eine der Ansicht des Kandidaten entsprechende Meinung, so hätte diese Ansicht des Kandidaten nicht als „unzutreffend", „nicht vertretbar", „falsch" etc. bezeichnet werden dürfen. Fehlen einschlägige Veröffentlichungen, so ist ohnehin ein sachverständiges Gutachten über die Vertretbarkeit der Ansicht des Prüflings nötig. 75 Voraussetzung für eine Überprüfung ist aber stets, daß der Kandidat substantiierte Einwendungen vorträgt. 76 Auf die Kontrolle sämtlicher Prüfungsleistungen und deren Korrektur hat der Prüfling keinen Anspruch. 77 Um im Ergebnis gerichtlich Erfolg zu haben, muß der Bewertungsfehler einen Einfluß auf das Gesamtergebnis der Prüfung haben.78 Dies entspricht ebenfalls den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, das die Kausalität des Fehlers für die Bewertung und Benotung der Arbeit verlangt. 79 Ein solcher Einfluß wird jedoch extrem selten gesehen. Meist kommen die Gerichte hier - nach Stellungnahmen durch die ursprünglichen Prüfer - zu dem Ergebnis, daß deren Entscheidung trotz des Korrekturfehlers richtig war. Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts werden insoweit zwar umgesetzt. De facto haben Klagen aber in Fächern, in denen es mehr um die Art der Dar72 BVerwG, BayVBl. 1994, 443 (443); Muckel, RdJB 1995, 398, (401); Sendler, DVB1. 1994, 1089(1094). 73 BVerwG, BayVBl. 1994,443 (443 f.). 74 BVerwG, Buchholz, 421. Ο Prüfungswesen Nr. 343, S. 58 f. 75 BVerfGE, NJW 1991,2005 (2008). 76 BVerwG, DVB1. 1994,644 (645 f.). 77 BVerwG, DVB1. 1994,644 (645). 78 BVerwGE 91, 262 (269 f.); BVerwG, DVB1. 1994, 644 (647). 79 BVerfGE, NJW 1991, 2005 (2008); OVG NW, DVB1. 1994, 644 (645).

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E. Der Beurteilungsspielraum im Prüfungsrecht

Stellung, einen geschickten Aufbau und eine schlüssige Argumentation als um reine Wissenstests geht, folglich auch bei vollständiger Umsetzung kaum erhöhte Erfolgschancen. Im Gegensatz dazu können Kandidaten, die Fehler im AntwortWahl-Verfahren ausmachen, erheblich leichter mit ihren Anliegen durchdringen. Hinsichtlich der sog. prüfungsspezifischen Wertungen wie z. B. dem Schwierigkeitsgrad, der Gewichtung der Fehler, der Darstellungsweise, der Benotung, bleibt ohnehin fast alles wie bisher. 80 Hier gelten weiterhin die alten Kontrollmaßstäbe. Die einzige diesbezügliche Änderung, die auch vom Bundesverfassungsgericht gefordert wurde, führen die Verwaltungsgerichte ein: Willkür ist bereits dann anzunehmen, wenn sich die Aussage einem Fachkundigen und nicht erst dem Gericht als vollkommen unhaltbar aufdrängt. 81 Des weiteren hatten die Verwaltungsgerichte die Forderung des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen, dem Kandidaten ein verwaltungsinternes Kontrollverfahren zur Verfügung zu stellen, das ein wirkungsvolles Überdenken der vom Prüfling substantiiert beanstandeten Bewertungen durch die Prüfer sicherstellt. Hierfür bietet sich das Widerspruchsverfahren gem. §§ 68 ff. VwGO an. 82 Denkbar und zulässig sind aber auch andere verwaltungsinterne Kontrollverfahren, sofern ein wirksames Überdenken der substantiiert beanstandeten Bewertungen durch die Prüfer gewährleistet ist. 83 Ist gegen die Prüfungsentscheidung bereits Klage erhoben worden, ohne daß zuvor ein verwaltungsinternes Kontrollverfahren stattgefunden hat, so müssen die Verwaltungsgerichte für die Durchführung des Kontrollverfahrens sorgen 84, indem sie auf Antrag das gerichtliche Verfahren gem. § 94 VwGO bis zum Abschluß des Verwaltungsverfahrens aussetzen.85 Das Gericht hat den Prüfling auf diese Möglichkeit hinzuweisen. Dies gilt insbesondere, soweit noch keine gesetzliche Grundlage vorhanden ist. 86 Daß für diese Kontrolle den ursprünglichen Prüfern die Arbeit erneut vorgelegt wird 8 7 , steht ebenfalls im Einklang mit den Aussagen des Bundesverfassungsgerichts.88 Die Einwendungen des Prüflings müssen durch „wirkungsvolle Hinweise" substantiiert sein. 89 Er muß sie konkret und nachvollziehbar begründen. Einige so OVG NW, NVwZ 1992, 694 (695); NVwZ 1993, 94 (94); NWVBL 1992, 67 (68 f.); NWVBL 1992, 316 (317); NWVBL 1993, 293 (295); DVB1. 1994, 644 (646); HessVGH, NVwZ-RR 1991, 246 (248 f.). 81 BVerwG, DÖV 1980, 380 (380); OVG NW, DVB1. 1994,644 (645). 82 BVerwGE 92, 132, (141 f.); BVerwG, NVwZ 1993, 681 (684 f.); NVwZ 1993, 689 (690); OVG Rh.-Pf. y NVwZ 1994, 805 (805). 83 BVerwGE 92, 132(142). 84 BVerwGE 92, 132, (139 f.). 85 BVerwGE 92, 132 (144 ff.). 86 BVerwGE 92, 132(144). 87 BVerwGE 91, 262, (273 f.); 92, 132 (137 f.); BVerwG, DVB1. 1994,644 (647). 88 BVerfG, NJW 1991, 2005 (2006). 89 BVerwGE 92,132 (138 f.).

V. Eigene Ansicht zu Kontrolldichte und Beurteilungsspielraum im Prüfungsrecht

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Besonderheiten gelten - insbesondere für das verwaltungsinterne Kontrollverfahren - beim Antwort-Wahl-Verfahren. Hier findet ein sog. Eliminierungsverfahren statt, durch das ungeeignete Aufgaben schon vor der Feststellung der Prüfungsleistung herausgenommen werden. Dies entspricht der Forderung des Bundesverfassungsgerichts, daß für den wirksamen Schutz der Grundrechte Möglichkeiten vorbeugender Fehlervermeidung genutzt werden müssen, um die Gefahr typischer und absehbarer Fehler bei solchen besonderen Verfahren und Entscheidungen auszuschließen.90 Dieser Forderung nach vorbeugender Fehlerkontrolle entspricht das Bundesverwaltungsgericht. Insgesamt hat das Bundesverwaltungsgericht die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Kontrolle von Prüfungsentscheidungen weitestgehend beachtet und in der Praxis umgesetzt.

V. Eigene Ansicht zu Kontrolldichte und Beurteilungsspielraum im Prüfungsrecht unter besonderer Berücksichtigung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 17.4. 1991 1. Eigene Ansicht Entsprechend den Aussagen zum Beurteilungsspielraum allgemein ist auch im Prüfungsrecht vom Grundsatz der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit auszugehen. Eine Einschränkung des Art. 19 IV GG kommt nur in Betracht, wenn andere Werte von Verfassungsrang dies erfordern. Die oben angeführten Argumente für die gerichtliche Unüberprüfbarkeit gewisser Verwaltungsentscheidungen91 und das Akzeptieren von Normen minderer Steuerungskraft treffen auch für die prüfungsrechtliche Entscheidung zu. Hinsichtlich der Normierung stößt man schnell an nicht oder nur schwer überschreitbare Grenzen: Würde man die Prüfungsanforderungen im Vorhinein schon so exakt festlegen, daß der einzelne die Folgen seines Handelns voraussehen kann, wüßte der Kandidat schon genau, was geprüft wird. Der dem Sinn einer Prüfung immanente „Überraschungseffekt", d. h. insbesondere das Anwenden von Wissen auf unbekannte Sachverhalte und die eigenständige Entwicklung von Lösungen, wäre gar nicht gegeben. Bezüglich der gerichtlichen Kontrolldichte ist ebenfalls davon auszugehen, daß diese bei Prüfungsentscheidungen an Grenzen stößt. Es ist tatsächlich nicht einzusehen, warum ein Gericht, auch mit Hilfe von Sachverständigen, eine Entschei90 BVerfG, NJW 1991, 2008 (2009). 91 S. o. D. IV. 6. e). 8 Lampe

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E. Der Beurteilungsspielraum im Prüfungsrecht

dung, die aufgrund eines besonders organisierten Verfahrens unter Zuhilfenahme von Fachgremien zustandegekommen ist, aufheben oder abändern kann. Zu betonen bleibt, daß dieser Bereich möglichst eng - nämlich wirklich nur auf die nicht „faßbaren" Elemente der Entscheidung - zu begrenzen ist. Bei Prüfungsentscheidungen läßt sich ein gewisser Beurteilungsspielraum also wie folgt begründen: Der demokratisch legitimierte Gesetzgeber bzw. die Selbstverwaltungsorgane der Universitäten versuchen so weit wie möglich die Anforderungen festzulegen, die an einen Berufsaspiranten zu stellen sind. Die so entwickelten Berufsbilder entsprechen einem gesellschaftlichen Konsens darüber, welche Fähigkeiten und Eigenschaften die Gesellschaft von einem künftigen Arzt, Juristen etc. erwartet. Im Gegensatz zu anderen Rechtsgebieten stößt eine Konkretisierung der Voraussetzungen wegen der prüfungsrechtlichen Spezifika im Prüfungsrecht schon bald auf Grenzen. Die Entscheidung, ob ein Kandidat den Berufsanforderungen entspricht, kann mangels allgemeiner Kriterien daher nur mit Blick auf den jeweiligen Einzelfall getroffen werden. Um diesen Vorgang möglichst sachgerecht zu gestalten und um zu gerechten Ergebnissen zu gelangen, ist ein bestimmtes Verfahren entwickelt worden, das zahlreiche Schritte und Sicherungen enthält, die im gerichtlichen Verfahren eben nicht gegeben sind. Das betrifft insbesondere die Verfahrensvorschrift, daß mehrere Prüfer zu beteiligen sind. Auf diese Weise besteht eine höhere Gewähr dafür, daß die Entscheidung der Prüfer dem gesellschaftlichen „Konsens" hinsichtlich der Anforderungen entspricht, als wenn nur Einzelpersonen urteilen, die möglicherweise Extrempositionen vertreten. Hinzukommt, daß man auch bei einer Entscheidung im Einzelfall an einen Punkt gelangt, an dem keine weitere Konkretisierung der Ansicht möglich ist, daß z. B. eine bestimmte Argumentation des Prüflings schlüssig ist. Zwar ist dieser Punkt möglichst weit hinauszuschieben, d. h. es sind so weit wie möglich Maßstäbe zu entwickeln und offenzulegen. Sofern dies jedoch die „Grenzen menschlichen Erkenntnisvermögens" überschreitet, sollte die Entscheidung desjenigen Organs gelten, das dafür am besten ausgestattet ist, hier also die Prüfungskommission. Ob diese Grenzen gerichtlicher Kontrolle im einzelnen richtig gezogen sind, wird im folgenden zu untersuchen sein. Die detaillierte Kontrolle von Verfahrensfehlern steht außer Zweifel. Gleichwohl sind im Prüfungsverfahren weitere Aspekte verbesserungswürdig. Wesentlich größere Probleme ergeben sich bei der Kontrolle der materiellen Seite, d. h. der konkreten Korrektur, Bewertung und Notengebung. Die normativen Rechtsgrundlagen der Prüfungsentscheidungen, in denen der Prüfungszweck, Prüfungsinhalt und Prüfungsstoff beschrieben werden, sowie die Notendefinitionen sind sehr allgemein. Der Zweck der ersten juristischen Staatsprüfung wird z. B. in § 2 JAG NW wie folgt beschrieben: „Die erste juristische Staatsprüfung hat die Aufgabe festzustellen, ob der Prüfling das rechts wissenschaftliche Prüfungsziel erreicht hat und

V. Eigene Ansicht zu Kontrolldichte und Beurteilungsspielraum im Prüfungsrecht

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damit für den juristischen Vorbereitungsdienst fachlich geeignet ist. Die Prüfung soll zeigen, daß der Prüfling das Recht mit Verständnis erfassen und anwenden kann und über die hierzu erforderlichen Rechtskenntnisse in den Prüfungsfächern mit ihren geschichtlichen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und rechtsphilosophischen Bezügen verfügt. [ . . . ] " Ähnlich unbestimmt werden auch die Zwecke anderer Prüfungen umschrieben. Vergleichbar unpräzise sind die Umschreibungen des Prüfungsstoffs und -inhalts. In Nordrhein-Westfalen fordert z. B. der § 4 a JAO die Beherrschung des Ersten bis Dritten Buchs des Bürgerlichen Gesetzbuches [ . . . ] , des Vierten nur im Überblick, ebenso des Fünften [ . . . ] , des Handelsrechts im Überblick etc. Es ist leicht ersichtlich, daß der Kandidat hier recht wenig Konkretes über den von ihm erwarteten Stoff erfährt. Ebenso unbestimmt und wenig aufschlußreich ist ζ. B. die Aussage des § 7 JAO NW, daß die Aufsichtsarbeiten einen rechtlich und tatsächlich einfachen Fall betreffen sollen. Über die Frage, was einfach und was schwer ist, können die Ansichten weit auseinandergehen. Schließlich helfen die ζ. B. in § 14 JAG NW definierten Noten und Punkte auch nicht viel weiter. Was ein Prüfling konkret leisten muß, um ein Befriedigend zu erhalten, um also eine „in jeder Hinsicht durchschnittlichen Anforderungen entsprechende Leistung" zu erbringen, kann er aus dieser globalen Umschreibung ebenfalls nicht erkennen. 92 Hier stellt sich die Frage, ob es nicht möglich ist, genauere Maßstäbe und Anforderungen zu entwickeln und allgemein verbindlich festzulegen. Dies kann zum einen durch den Gesetz- oder Verordnungsgeber bzw. Satzungsgeber an den Universitäten geschehen. Zum anderen könnten aber auch die Gerichte aufgerufen sein, allgemeine sowie fachspezifische Bewertungsmaßstäbe zu entwickeln. Selbst der Prüfer kann vor der Korrektur seinen Erwartungshorizont allgemein festlegen. Er muß aber offen bleiben für eigenständige, aus dem Rahmen fallende, aber schlüssige Lösungen. 92 Nahezu unvorhersehbar wird das Ergebnis der Bewertung im ersten juristischen Staatsexamen zudem dadurch, daß dem Prüfungsausschuß gem. § 15 IV 3 JAG NW die Möglichkeit eingeräumt wird, bei der Entscheidung über das Ergebnis der Prüfung von dem rechnerisch ermittelten Wert für die Gesamtnote um bis zu einem Punkt abzuweichen, wenn dies aufgrund des Gesamteindrucks den Leistungsstand des Prüflings besser kennzeichnet und die Abweichung auf das Bestehen keinen Einfluß hat. Zwar mag es im Einzelfall für Prüfungsausschuß und Prüfling durchaus zu zufriedenstellenderen Ergebnissen aufgrund dieser sog. Sozialpunkte kommen, da man so auch die sonst schwer faßbaren Qualitäten des Kandidaten - wie ζ. B. die Sicherheit des Auftretens oder die sprachliche Gewandtheit - bei der Bildung der Endnote mit zu berücksichtigen vermag. Trotzdem ist diese Möglichkeit abzulehnen. Dadurch werden selbst die wenigen bereits festgelegten Bewertungskriterien (Stoffkataloge, Notendefinitionen) verwässert und in ihrer Bedeutung noch stärker reduziert. Wenn man der Ansicht ist, der Gesamteindruck müsse Eingang in die Prüfungsnote finden, so müßte das ausnahmslos für alle Kandidaten gelten, wobei auch hier die Kriterien allgemein festgelegt und offengelegt werden sollten. Gleichwohl ist einer solchen Regelung mit Vorsicht zu begegnen, da der Kandidat auf diese Weise noch mehr, als es ohnehin schon der Fall ist, dem subjektiven Gefühl der Prüfer ausgeliefert ist. Je nach Wohlwollen kann es zu erheblichen Unregelmäßigkeiten bei der Anwendung kommen. 8*

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E. Der Beurteilungsspielraum im Prüfungsrecht

2. Kritik an den Beschlüssen Einen wichtigen Schritt in diese Richtung, hin zu einer größeren Kontrolldichte und im Ergebnis auch zu einem gewissen Mehr an Gerechtigkeit, stellen die beiden Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 17. 4. 1991 dar. Obgleich sie grundsätzlich zu begrüßen sind, enthalten sie auch Ansatzpunkte für Kritik oder bedürfen einer Präzisierung. a) Trennung zwischen prüfungsspezifischen Wertungen und fachwissenschaftlichen Richtigkeitsentscheidungen Eine wesentliche Neuerung der Beschlüsse stellt die vom Bundesverfassungsgericht durchgeführte Trennung zwischen prüfungsspezifischen Wertungen, wie dem Urteil über Schwierigkeitsgrad, Benotung und Darstellung, und den fachwissenschaftlichen Fragen dar, wobei letztere einer uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle zugänglich sind. Dieses Vorgehen ist zu begrüßen. Zwar wird es im einzelnen Fall nicht leicht zu ermitteln sein, was richtig bzw. vertretbar ist. Schließlich ist die sich dabei stellende Frage der Vertretbarkeit, d. h. ob die Ausführungen des Kandidaten ihrerseits folgerichtig und schlüssig begründet sind, auch eine Frage, die einer Wertung bedarf und daher nur schwer „faßbar" ist. Gleichwohl sollte man sich hier nicht vorschnell aus der Kontrolle zurückziehen, sondern die Vertretbarkeit zumindest anhand eines Literaturgutachtens überprüfen lassen. Darin hat der Sachverständige darzulegen, ob und von wem die Meinung, der sich der Kandidat angeschlossen hat, tatsächlich in der Literatur oder Rechtsprechung vertreten wird. Teilweise wird vertreten, es sei unmöglich, prüfungsspezifische Wertungen von fachlichen Fragen abzugrenzen 93, oder es liege in aller Regel eine untrennbare Verknüpfung vor. 94 Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Es kann zwar eine Verknüpfung vorliegen. Trotzdem ist die fachliche Richtigkeit einer Aussage überprüfbar. Es bedarf lediglich einer Herausfilterung der fachwissenschaftlichen Beurteilung. Möglich ist allerdings, daß diese ihrerseits Grundlage oder Bestandteil einer prüfungsspezifischen Wertung ist und letztere aufrechterhalten werden kann, obwohl die fachwissenschaftliche Frage nicht korrekt beurteilt wurde. Eine Entflechtung bleibt so eventuell erfolglos, ist aber nicht unmöglich. Auch die Kontrolle der prüfungsspezifischen Wertungen hat das Bundesverfassugsgericht verschärft. Während bisher Willkür nur dann angenommen würde, wenn sich eine Aussage dem Richter als unhaltbar aufdrängte, gibt nun die Meinung eines Fachmanns den Ausschlag. Das ist ebenfalls sachgerecht. Nach der alten Rechtsprechung kam den Jura-Examenskandidaten oft ein mit Art. 3 I GG nicht zu vereinbarender Vorteil zu, da der Richter hier im Regelfall recht gute Kenntnisse hatte. Zudem werden in Abschlußprüfungen meist solch spezielle 93 Stiebeier, RdJB 1992, 404 (405). 94 Seebass, NVwZ 1992, 609 (614).

V. Eigene Ansicht zu Kontrolldichte und Beurteilungsspielraum im Prüfungsrecht

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Kenntnisse verlangt, daß dem Richter wohl kaum eine Willkürkontrolle überantwortet werden kann. Sie greift mangels Fachwissen insbesondere auch im Hinblick auf die Bedeutung der Entscheidung für die Berufsfreiheit gem. Art. 12 I GG viel zu kurz. b) Erstellung allgemeingültiger

Bewertungsgrundsätze

Mit dem eben dargestellten Grundsatz, daß Richtiges nicht als falsch bewertet werden dürfe und Vertretbares nicht als unvertretbar, stellt das Bundesverfassungsgericht einen neuen allgemeingültigen Bewertungsgrundsatz auf. Daneben stellt es die Grenzen fest, auf die die gerichtliche Kontrolle stößt, weil es eine nur ungenaue gesetzliche Bestimmung von Bewertungskriterien gibt bzw. es rechtlichen Vorgaben an Steuerungskraft fehlt und es keine auf niedrigerer Abstraktionshöhe liegenden - u. a. durch die Verwaltungsgerichte zu entwickelnden - allgemeinen Bewertungsgrundsätze gibt. Obwohl das Bundesverfassungsgericht damit den Kern des Problems trifft, zieht es an dieser Stelle nicht die notwendigen Konsequenzen und fordert eine Entwicklung oder Festlegung derartiger Kriterien. Hier bietet die prüfungswissenschaftliche Forschung tatsächlich noch einige Möglichkeiten an. 95 c) Argument der Chancengleichheit gem. Art. 3 I GG Daß sich die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts primär auf die Wahrung der Chancengleichheit gem. Art. 3 I GG stützt, ist ebenfalls von mehreren Seiten her angreifbar. Das Bundesverfassungsgericht ist der Ansicht, daß durch eine gerichtliche Kontrolle auch der prüfungsspezifischen Wertungen der Kandidat die Chance einer weiteren, vom Vergleichsrahmen unabhängigen Bewertung erhalte. Die komplexen Erwägungen des Prüfers ließen sich nicht regelhaft erfassen und seien im Verwaltungsgerichtsprozeß nicht aufzudecken. Die gerichtliche Kontrolle führe zu einer Verzerrung der Maßstäbe. Vielmehr müsse das Gericht neue Kriterien entwickeln. Diese Argumentation greift zunächst nicht bei der Korrektur von Hausarbeiten, Diplom- oder Magisterarbeiten, bei denen das Thema meist nur einmal gestellt wird. Hier fragt sich, welcher Vergleichsrahmen in diesen Fällen gemeint sein könnte. Ferner führt die Argumentation mit dem Grundsatz der Chancengleichheit tatsächlich genau zu den Argumenten zurück, die schon lange von der Literatur und Rechtsprechung vertreten werden. Daß der Grundsatz der Chancengleichheit gem. Art. 3 I GG überhaupt durch eine gerichtliche Nachprüfung verletzt werden kann, liegt ja gerade daran, daß nicht alle Kriterien der Bewertung unproblematisch aufgedeckt werden können, d. h. daß es einen Bereich gibt, der nicht weiter „faßbar" ist. Die mangelnde Möglichkeit der Mitteilbarkeit beeinträchtigt also im Ergebnis 95 S. u. F. I.

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E. Der Beurteilungsspielraum im Prüfungsrecht

die Chancengleichheit. Aber auch hier ist zu beachten, daß die Chancengleichheit nur im Ansatz durchgesetzt wird und werden kann. Schon die Kandidaten eines Prüfungstermins haben nicht dieselben Chancen, sofern mehrere Prüfer, die ja alle aufgrund ihrer persönlichen (verschiedenen) langjährigen Erfahrungen beurteilen, die Arbeiten korrigieren. Erst recht gilt dies für verschiedene Prüfungstermine, bei denen zudem die Aufgaben variieren. d) Kausalität des Bewertungsfehlers Nicht ganz befriedigend löst das Bundesverfassungsgericht auch die Frage der Kausalität eines Bewertungsfehlers. Es erkennt an, daß trotz eines Korrekturfehlers kein Einfluß auf das Gesamtergebnis vorliege. Die Endnote stellt aber stets das Produkt aller Einzelbewertungen, d. h. aller Stärken und Schwächen der Arbeit dar. Ist nun zu Unrecht eine richtige Aussage als falsch mit in die Bewertung eingeflossen, so müßte dies auch Auswirkungen auf das Gesamtergebnis haben. Es ist natürlich möglich, daß es sich um einen solch marginalen Fehler handelt, daß die Folgen für die Endnote kaum oder gar nicht meßbar sind. Gleichwohl hätte das Bundesverfassungsgericht hier ruhig strengere Anforderungen stellen können. Es ist eine genaue Begründung zu fordern, warum der Bewertungsfehler nicht kausal ist, d. h. keinen Einfluß hat. In diesem Zusammenhang hätte das Bundesverfassungsgericht insgesamt eine genauere Offenlegung der Bewertungsmaßstäbe des Prüfers fordern müssen, was zu einer erheblich transparenteren Entscheidung führen würde. e) Überdenken durch die ursprünglichen Prüfer Das Bundesverfassungsgericht hält die erneute Befassung des Prüfers, der auch die ursprüngliche Korrektur vorgenommen hat, für verfassungsrechtlich unbedenklich. Solange es sich um eine kritische Selbstkontrolle handelt, ist diese Lösung zunächst sicherlich am unproblematischsten und sinnvollsten. Jedem Prüfer kann einmal ein Fehler unterlaufen, der auf diese Art und Weise ohne großes Aufheben beseitigt werden kann. Das Überdenken stets durch die ursprünglichen Prüfer vornehmen zu lassen, hat aber auch berechtigterweise Bedenken hervorgerufen. Niemand ist gegenüber seiner eigenen Arbeit ohne jegliche Voreingenommenheit. Eine Überprüfung durch einen unbefangenen Dritten könnte durchaus geboten sein. 96 f) Besonderheiten im Antwort-Wahl-Verfahren Soweit die „Medizinerentscheidung" auf die Gründe der „Juristenentscheidung" zurückgreift, gilt das eben Gesagte auch für sie. Darüberhinaus enthält sie einige Besonderheiten, wobei vor allem ein Aspekt einer kritischen Befragung bedarf. 96 Dazu s. u. F. II. 4. b) (2) (a) (bb), e) und 5. b) (2).

V. Eigene Ansicht zu Kontrolldichte und Beurteilungsspielraum im Prüfungsrecht

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Die Prüfung im Antwort-Wahl-Verfahren unterscheidet sich - wie das Bundesverfassungsgericht zutreffend ausführt - von den „traditionellen" Prüfungsverfahren u. a. darin, daß die prüfungsspezifischen Wertungen zeitlich vorverlagert und nicht einzelfallbezogen sind. Des weiteren nimmt das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der allgemeingültigen Bewertungsgrundsätze die Modifikation vor, daß „es hier genügen muß, daß die angekreuzte Antwort gesicherten medizinischen Erkenntnissen entspricht, die im Fachschrifttum bereits vor der Prüfung veröffentlicht und dem Kandidaten [ . . . ] im Regelfall ohne besondere Schwierigkeiten zugänglich waren". Der Sinn dieser Einschränkung wird nicht ganz klar. Es wird die Vermutung aufgestellt, daß auf diese Weise Zufallstreffer vermieden werden sollen, was als Begründung allein aber nicht ausreichend ist. Es fragt sich ferner, warum eine Antwort nicht als richtig gewertet werden kann, wenn die in ihr zum Ausdruck kommende Meinung ζ. B. erst (kurz) nach der Prüfung veröffentlicht wird. Außerdem ist nicht einzusehen, warum eine Antwort weniger „korrekt" ist, wenn der Kandidat nur unter Schwierigkeiten an sie gelangen konnte. Die Zugänglichkeit allein kann wohl kaum ein Indiz für die Richtigkeit sein. Überdies gibt es durchaus Veröffentlichungen, die nicht (mehr) „vertretbar" sind. Das gilt einerseits für das aktuelle Schrifttum, andererseits aber insbesondere für veraltete Auffassungen. Es fragt sich, ab welchem Alter eine Ansicht überholt ist. Insgesamt kann man diese Einschränkung als wenig gelungen betrachten. Auch hier sollte ein sachverständiges Literaturgutachten über die Vertretbarkeit angefertigt werden.

g) Ergebnis Im Ergebnis läßt sich feststellen, daß durch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zwar eine Verbesserung der Rechtsstellung des Kandidaten eingetreten ist. Insbesondere bei standardisierten Tests ergibt sich eine höhere Erfolgschance des Rechtsschutzes, nicht zuletzt weil hier der Nachweis der Kausalität eines Bewertungsfehlers verhältnismäßig leicht zu führen ist. Die Beschlüsse zeigen aber auch deutlich, daß die inhaltliche Steuerung von Prüfungsentscheidungen nach wie vor nur in geringem Maße möglich ist. Gleichwohl sollen im folgenden die Wege aufgezeigt werden, auf denen eine inhaltliche Konkretisierung der Entscheidung möglich erscheint, nämlich bei der Erstellung bzw. Fixierung von Bewertungsgrundsätzen. 97 Eine weitere Möglichkeit, zu einer möglichst gerechten Prüfungsentscheidung zu gelangen, stellt ein verfassungsmäßig ausgestaltetes Verfahren dar. 98

97 s. u. F. I. 98 S. u. F. II.

F. Wege zu gerechteren Entscheidungen I. Materielle Fragen: Möglichkeiten der inhaltlichen Verbesserung der Prüfungsentscheidung 1. Allgemeingültige Bewertungsgrundsätze Eine prüfungsrechtliche Entscheidung kann u. a. dahingehend überprüft werden, ob durch sie allgemeingültige Bewertungsgrundsätze verletzt worden sind. Welche Grundsätze damit exakt gemeint sind, darüber geben weder die Gesetzgebung noch die Rechtsprechung, die Verwaltungspraxis oder die Literatur eine einigermaßen befriedigende Antwort. 1 Schon die Begrifflichkeit ist recht verwirrend. Die Bezeichnungen reichen von der Benennung als „allgemein prüfungsrechtliches Gebot" über „wesentlicher Prüfungsgrundsatz" „(allgemeiner) Bewertungsgrundsatz", „anerkannter Bewertungsmaßstab", „allgemein gültiger Bewertungsgrundsatz", „allgemein(er) (anerkannter) Prüfungsgrundsatz" bis hin zu „allgemeingültiger Bewertungsmaßstab" und noch anderen Bezeichnungen.2 Ebenso unergiebig ist die Suche nach einer verbindlichen Fixierung einiger solcher Maßstäbe und erst recht die nach einem systematischen Katalog von Bewertungskriterien. Hinsichtlich der Begrifflichkeit kann man wohl annehmen, daß eine synonyme Verwendung möglich ist, da keine Merkmale auszumachen sind, anhand derer man eine Abgrenzung bzw. Eingrenzung der verschiedenen Begriffe vornehmen könnte.3 Zur Beurteilung einer Leistung werden dem Prüfer in der Regel lediglich durch die Notendefinitionen und die Stoffkataloge einige Kriterien an die Hand gegeben. Die Rechtsprechung hat sich ebenfalls darauf beschränkt, im Einzelfall zu prüfen, ob ein allgemeingültiger Bewertungsgrundsatz verletzt ist. Ein systematischer Katalog kann auf diese Weise selbstverständlich nicht entstehen, sogar definitive Aussagen darüber, was nun ein allgemeingültiger Bewertungsgrundsatz ist, findet man selten. Vielmehr beschränkt sich die Rechtsprechung, wenn sie die Verletzung ι Becker, NJW 1990, 273 (280); Koenig, VerwArch 83 [1992], 351 (359); Muckel, WissR 1994, 107 (115); Semler, NJW 1973, 1774 (1775 f.); Wimmer, Z. f. Päd. 1980, 775 (784); in: FS für Redeker, S. 531 (533). 2 Hofmeyer, Bewertungsgrundsätze, S. 110. 3 Hofmeyer, Bewertungsgrundsätze, S. 110.

I. Materielle Fragen

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allgemeingültiger Bewertungsmaßstäbe prüft, in aller Regel auf die Aussage, daß ein solcher jedenfalls nicht verletzt sei. Ein Verstoß gegen einen allgemeingültigen Bewertungsgrundsatz liegt allerdings beispielsweise dann vor, wenn sog. Folgefehler, die auf einem einmaligen Versehen beruhen, mehrfach bewertet werden.4 Liegt eine falsche Weichenstellung vor, so hat der Prüfer auch die Ersatzausführungen zur Kenntnis zu nehmen.5 Ein Verstoß kann ζ. B. auch dann vorliegen, wenn sämtliche in eine Gesamtzensur einzubringenden Vornoten „befriedigend" oder schlechter waren, die Gesamtzensur aber „gut" lautet.6 Auch der Vergleich zwischen den Arbeiten verschiedener Prüflinge entspricht einem allgemeinen Bewertungsgrundsatz. 7 Der Grundsatz gleichmäßiger Beurteilung verlangt die Berücksichtigung sowohl guter als auch schlechter Leistungen bei der Notenbildung.8 Insbesondere sind möglicherweise gute Bewertungen für einen Ausgleich schlechter Bewertungen zumindest in Betracht zu ziehen.9 Prüfungsfragen müssen klar und zweifelsfrei gestellt werden 10 und dürfen keine überspannten Anforderungen enthalten.11 Auch das Gebot der Sachlichkeit stellt einen allgemeinen Bewertungsgrundsatz dar. 12 Seit den prüfungsrechtlichen Entscheidungen vom 17. 4. 1991 gilt der wichtige Grundsatz, daß Richtiges nicht als falsch und Vertretbares nicht als unvertretbar bezeichnet werden darf. 13 Schließlich kann noch angeführt werden, daß die Bewertung nach einheitlichen Kriterien und gleichen Maßstäben zu erfolgen hat 14 und insgesamt systemgerecht sein muß. 15 Um Willkür zu vermeiden, darf kein Bruch der selbstgewählten Sachgesetzlichkeit in der Bewertung enthalten sein. 16 Gerade die Bewertung nach einheitlichen Kriterien und gleichen Maßstäben ist ein großes Problem. Die vorhandenen Maßstäbe (ζ. B. Stoffkataloge, Notendefinitionen) sind sehr vage, ungenau und unzureichend. 17 Grundsätze auf niedriger

4 BVerwG, NVwZ 1986, 1017 (1018). 5 BVerwG, BayVBl. 1995,280(280). 6 OVG NW, Urt. v. 11.7. 1 9 7 5 - X V A 1206/74 - (unveröff.), S. 7, zitiert nach Hofmeyer, Bewertungsgrundsätze, S. 142, Fn. 338. 7 BVerwGE 8, 272 (273 f.). s BVerwGE 38, 105 (110); BVerwG, DÖV 1974, 752 (752). 9 OVG NW EzB2, PO-GP Bewertung, Nr. 2, 1 (4), zitiert nach Hofmeyer, Bewertungsgrundsätze, S. 120, Fn. 162. 10 BVerwG, NJW 1984, 2650 (2651). π BFHE 89, 504 (507 ff.). 12 BVerwGE 70, 143 (151 f.); Kröpil, JuS 1989, 243 (244 f.); Rozek, JA 1989, 233 (239 f.); Seebass, NVwZ 1985, 521 (527); Wagner, DVB1. 1990, 183 (187); s. auch F. II. 4. a) (3) und b) (3). 13 BVerwGE 19, 128 (132); BVerwG, DÖV 1980, 380 (380); NJW 1984, 2650 (2651). 14 BVerfGE 21, 6 (9); 21, 227 (234). 15 Stüer, NVwZ 1985, 545 (545 f.). 16 Kurth, VR 1991, 144(144).

122

F. Wege zu gerechteren Entscheidungen

Abstraktionsstufe fehlen bisher. 18 So wird immer wieder die Forderung nach einer gesetzlich bzw. durch Rechts Verordnung festgelegten Definition allgemeingültiger Bewertungsgrundsätze und nach einer Fixierung von Bewertungskriterien oder Korrekturanleitungen laut. 19 Grundsätzlich wäre eine solche Fixierung zu begrüßen. Die prüfungsrechtlichen Bewertungen würden transparenter und besser nachvollziehbar werden. Dies würde auch deren Akzeptanz erhöhen. Gegenwärtig muß jeder Prüfer - sofern ihm dies überhaupt möglich ist - eigene Bewertungsgrundsätze entwickeln, was zwangsläufig zu einer recht großen Uneinheitlichkeit führt. Nicht zu verkennen sind aber auch die Grenzen, auf die eine solche gesetzliche Regelung alsbald stoßen würde. Im Extremfall hieße das nämlich, den Prüfungsstoff bis in jede Einzelheit festzulegen und die Bewertung bzw. Bewertungsmaßstäbe für jede nur denkbare Verästelung einer Prüfungsleistung vorzugeben. Dies ist jedoch zum einen nicht möglich, weil die Berufsanforderungen nicht statisch ein für alle Mal festliegen, sondern im Fluß sind. Zum anderen sind derart detaillistische Vorschriften im Prüfungsverfahren nicht handhabbar.20 In letzter Konsequenz hieße das sogar, die zu stellenden Aufgaben samt der Bewertung im einzelnen im Vorhinein festzulegen. Dies kann nicht die Antwort auf die Frage nach besser vorhersehbaren, transparenteren und gerechteren Prüfungsentscheidungen sein. Obwohl also gewisse Grenzen der Normierbarkeit festzustellen sind, muß dies noch lange nicht bedeuten, daß der vorhandene Zustand ausreichend ist. Vielmehr ist es durchaus möglich und nötig, einen systematischen Katalog von allgemeingültigen Bewertungsgrundsätzen zu entwickeln 21 und damit das Beurteilungsverfahren transparenter zu machen. Die systematische Entwicklung von Bewertungskriterien ist aber nicht zuletzt auch Aufgabe nichtjuristischer, prüfungswissenschaftlicher Forschung. Die hier erarbeiteten Ergebnisse könnten dann normativ umgesetzt werden. Beispielhaft für eine solche Analyse und Zusammenstellung allgemeingültiger Bewertungsgrundsätze ist die Arbeit Hofmeyers 22, die sich allerdings nur auf den schulischen Bereich bezieht. Gleichwohl lassen sich etliche Erwägungen auch für staatliche und akademische Abschlußprüfungen fruchtbar machen. Ein detailliertes Eingehen auf die in dieser Arbeit entwickelten Ergebnisse und eine umfassende Übertragung dieser Ergebnisse auf Prüfungsentscheidungen in π Becker, NJW 1990, 273 (280); Berkemann, RdJB, 1986, 258 (266); Wimmer, in: FS für Redeker, S. 531 (533); s. ο. E. V. 1.; a.A. Müller, PersV 1997,49 (54), der in den Definitionen der Noten eine klare Vorgabe für die Benotung sieht. is BVerfG, NJW 1991, 2005 (2007); Koenig, VerwArch 83 [1992], 351 (359). 19 Becker, Prüfungsrecht, S. 133, 176; Knödler, JuS 1995, 365 (365, 369 ff.); Wimmer, Z. f. Päd. 1980,775 (784); a.A. Sendler, DVB1. 1982, 381 (387). 20 Becker, Prüfungsrecht, S. 95. 21 Becker, Prüfungsrecht, S. 176, ff. 22 Hofmeyer, „Allgemein anerkannte Bewertungsgrundsätze" als schulrechtliche Beurteilungskriterien.

I. Materielle Fragen

123

staatlichen und akademischen Prüfungen würden den Rahmen dieser Arbeit sprengen und können zudem nicht Thema einer juristischen Dissertation sein, sondern sind Aufgabe der Prüfungswissenschaft, Pädagogik, Psychologie etc. 23 Trotzdem sollen hier einige wichtige Erkenntnisse der Arbeit dargestellt werden, nicht zuletzt, um zu zeigen, daß eine exaktere Festsetzung und Systematisierung - entgegen einer weit verbreiteten Ansicht 24 - durchaus möglich, hilfreich und sogar geboten sind. Bewertungsgrundsätze werden nach der Arbeit Hofmeyers entweder aus der Summe der einheitlich gewonnenen Erfahrungen abgeleitet oder ausschließlich rational aus Oberzielen der Bewertung deduziert. 25 Sie geben Handlungsrichtlinien und machen dadurch den Bewertungsvorgang transparenter und besser nachprüfbar. 26 Das Merkmal der Allgemeingültigkeit wird nach umfassender Untersuchung 27 dann angenommen, wenn dem Bewertungsgrundsatz gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse zugrunde liegen, über die keine gravierenden Meinungsverschiedenheiten bestehen und die methodisch ausgewiesen und u. a. als praktisches Tun empirisch abgesichert sind oder werden können.28 Die herrschende Meinung und die Rechtsprechung nehmen allgemein anerkannte Bewertungsgrundsätze wohl schon dann an, wenn die Erkenntnisse der „herrschenden" Lehre in die Praxis eingedrungen sind und dort eine gewisse Festigung erfahren haben.29 Ein Problem ist hier unter anderem die Divergenz zwischen Theorie und Praxis. 30 Als eine grundlegende Voraussetzung für einen präziseren und damit auch objektiveren, transparenteren und gerechteren Beurteilungsvorgang wird in der pädagogischen Diagnostik die Trennung zwischen Leistungsmessung und Leistungsbewertung postuliert. 31 Bei der Leistungsmessung werden auf der Basis von Aufgaben Daten lediglich ermittelt, d. h. eine systematische Abbildung des Ausprägungsgrads einer Eigenschaft vorgenommen, dargestellt anhand von Zahlen oder Symbolen.32 Bei der Bewertung wird dem Ausprägungsgrad ein bestimmter 23

S. a. Hofmeyer, Bewertungsgrundsätze, S. 86. Das BVerwG stellte sogar teilweise fest, allgemeine Beweriungsgrundsätze bedürften keiner förmlichen Regelung (ζ. B. durch Gesetz) (BVerwGE 57, 130, 138 ff.; BVerwG, DÖV 1979, 413 (415), DVB1. 1982, 894 (895); sie könnten sich u. a. aus gewohnheitsrechtlichen Rechtssätzen ergeben (BVerwG, Buchholz, 421.0, Nr. 7, 18 (20); Nr. 10, 24 (26); Nr. 11, 27 (28 f.). 2 5 Hofmeyer, Bewertungsgrundsätze, S. 76. 24

26

Hofmeyer, Bewertungsgrundsätze, S. 77. Hofmeyer, Bewertungsgrundsätze, S. 77 ff. 2 8 Hofmeyer, Bewertungsgrundsätze, S. 87. 27

29 30 31 32

Hofmeyer, Hofmeyer, Hofmeyer, Hofmeyer,

Bewertungsgrundsätze, Bewertungsgrundsätze, Bewertungsgrundsätze, Bewertungsgrundsätze,

S. 78 ff. m. w. N. S. 81 f. S. 71 f., S. 172 f. m. w. N. S. 71 f., 172.

124

F. Wege zu gerechteren Entscheidungen

Wert beigelegt und ggf. in eine Zensur umgesetzt.33 Bei der Messung geht es folglich um das „Wieviel", während die Bewertung die „Güte" der Eigenschaft festgelegt. 34 Erfolgt die Zuordnung der gezeigten Leistung direkt anhand der Notenskala, dann liegt ein sog. Schätzurteil vor, das keine echte Messung zuläßt und aus meßtheoretischer Sicht ungenau ist. 35 Folglich ist bei solchen Urteilen auch die Subjektivität am größten. Diese Urteile lassen sich nur schwer begründen, da eine Grenzziehung zwischen Messung und Bewertung kaum möglich ist. 36 Auf dieser Grundlage werden auch die allgemeinen Bewertungsgrundsätze systematisiert. Hofmeyer differenziert zwischen solchen im Rahmen der Leistungsmessung und Leistungsbewertung. 37 Es gibt jedoch viele Verfahren, die gar keine Messung vornehmen, die sog. subjektiven Verfahren 38, bei denen also von der Leistung direkt auf die Note geschlossen wird. Aber auch bei subjektiven Beurteilungsmethoden muß der Meßund Beurteilungsvorgang nicht in jedem Fall uno acto verlaufen. 39 Die objektivierten Verfahren, die selbstverständlich auch nicht absolut objektiv sind, sind die sog. Test verfahren, in denen Meß- und Bewertungsvorgang zwei möglichst deutlich voneinander getrennte Schritte darstellen. 40 In bestimmten Fällen liegen jedoch beide Verfahren recht dicht beieinander.41 Viele Prüfungen lassen sich, u. a. aus Gründen der Validität 42 , aber auch der Praktikabilität 43 , nicht sinnvoll als Test durchführen. Die Befähigung eines künftigen Richters oder Rechtsanwalts kann nicht nur in reinen Wissenstests im Antwort-Wahl-Verfahren festgestellt werden. Vielmehr gilt es, daneben andere Qualitäten zu testen, so daß ζ. Β die Abfassung eines Urteils oder einer Relation oder das Halten eines Aktenvortrags verlangt werden muß. Für die Fälle, in denen solche „subjektiven" Instrumente geboten sind, hat Hofmeyer einige Kriterien entwickelt 44 , die der Objektivierung dienen, denen aber offenbar eine allgemeine Anerkennung bislang versagt geblieben ist. Auf den hier erarbeiteten Kriterien sollte auch in der Forschung für staatliche und akademische Prüfungen aufgebaut werden, da bei ihnen in aller Regel eher subjektive Verfahren in Betracht kommen. 33 34 35 36 37

Hofmeyer, Hofmeyer, Hofmeyer, Hofmeyer, Hofmeyer,

38 Hofmeyer, 39 Hofmeyer, 40 Hofmeyer,

Bewertungsgrundsätze, Bewertungsgrundsätze, Bewertungsgrundsätze, Bewertungsgrundsätze, Bewertungsgrundsätze,

S. 72, S. 172. S. 72 m. w. N. S. 72 m. w. N. S. 73. S. 172 f.

Bewertungsgrundsätze, S. 173 f. Bewertungsgrundsätze, S. 174. Bewertungsgrundsätze, S. 173 f.

41 Hofmeyer, Bewertungsgrundsätze, S. 174. 42 S. o. C. II. 3. c) (2) (b) (aa) (χ). 43 S. a. Hofmeyer, Bewertungsgrundsätze, S. 209 ff., zu kleine Gruppen, hoher Konstruktionsaufwand etc. 44 Hofmeyer, Bewertungsgrundsätze, S. 182 ff.

I. Materielle Fragen

125

Wesentlich objektiver sind dagegen formelle Tests. Hier gibt es zahlreiche Bewertungsgrundsätze, die eine wesentlich höhere Zuverlässigkeit und Objektivität gewährleisten. 45 Der formelle Test sieht sich aber auch zahlreichen Bedenken gegenüber 46, so daß er nur bedingt eingesetzt werden sollte. Auch im Rahmen der Leistungsbewertung kann man aus den Forschungen der pädagogischen Diagnostik einige Bewertungsgrundsätze entnehmen, die für die hier behandelten Prüfungen weiterhelfen können. Zunächst muß sich der Prüfer Gedanken darüber machen, welcher Art die Bezugsnormen der Leistungsbeurteilung sind. Unterschieden werden curriculare, individuelle, soziale und absolute Bezugsnormen.47 Bei der curricularen Bezugsnorm, auch kriteriumsorientierter Maßstab genannt, werden für bestimmte Lerneinheiten bestimmte Lernziele erarbeitet. Mit der Leistungsmessung wird festgestellt, ob und inwieweit diese Ziele erreicht wurden. 48 Die individuelle Bezugsnorm verdeutlicht einen bestimmten individuellen Leistungsstand. Festgestellt werden soll der Lernfortschritt des Individuums innerhalb einer bestimmten Zeit oder aufgrund einer bestimmten Lerneinheit. 49 Die soziale Bezugsnorm, auch als gruppenorientierter Bewertungsmaßstab bezeichnet, bezieht sich auf die Leistung einer bestimmten Gruppe. Vergleichsmaßstab ist die Durchschnittsleistung der Prüfungsgruppe, d. h. es kommt auf die Fähigkeiten des einzelnen im Verhältnis zu anderen Mitgliedern in dieser Gruppe an. 50 Die absolute Bezugsnorm schließlich kennzeichnet einen bestimmten Leistungsstand, der unabhängig von bestimmten Lerneinheiten und Lernzielen, unabhängig vom früheren Leistungsstand des Kandidaten und unabhängig vom Leistungsstand einer Gruppe festgelegt wird. 51 Welche Bezugsnorm im einzelnen heranzuziehen ist, ist meist nicht exakt auszumachen. Die Notendefinitionen ζ. B. des JAG NW geben darüber keinen eindeutigen Aufschluß. Auch in der Literatur besteht keine Einigkeit darüber. 52 Grundsätzlich als möglich erachtet werden sowohl eine absolute als auch eine curriculare oder eine soziale Bezugsnorm. 53 Für eine absolute Bezugsnorm spricht, daß die Anforderungen, die an einen Berufsaspiranten zu stellen sind, von den Fähigkeiten 4

5 Hofmeyer,

Bewertungsgrundsätze, S. 192 ff.

46

Hofmeyer, Bewertungsgrundsätze, S. 209 ff. 47 Hofmeyer, Bewertungsgrundsätze, S. 213; Richter, in: Giehring/Haag/HoffmannRiem/Ott, Leistungsbewertung, S. 344 (344). 4 « Hofmeyer, Bewertungsgrundsätze, S. 221 ff., S. 227; Richter, in: Giehring/Haag/Hoffmann-Riem / Ott, Leistungsbewertung, S. 344 (349). 49 Hofmeyer, Bewertungsgrundsätze, S. 227; Richter, in: Giehring/Haag/HoffmannRiem/Ott, Leistungsbewertung, S. 344 (349 f.). 50 Hofmeyer, Bewertungsgrundsätze, S. 214; Richter, in: Giering/ Haag/ Hoffmann-Riem/ Ott, Leistungsbewertung, S. 344 (350). si Richter, in: Giehring/ Haag/ Hoffmann-Riem/Ott, Leistungsbewertung, S. 344 (350). 52 Alberts /Füssel, JA 1975, 597 (600). 53 Richter, in: Giehring/Haag/ Hoffmann-Riem/Ott, Leistungsbewertung, S. 344 (344 ff.).

126

F. Wege zu gerechteren Entscheidungen

der Kandidaten unabhängig sind. 54 Andererseits werden von den Prüflingen aufgrund der Ausbildung bestimmte Leistungen erwartet, so daß eine curriculare Bezugsnorm für die Leistungsbewertung in Betracht kommen könnte.55 Die Praxis zeigt hingegen, daß die Einschätzung einer Prüfungsleistung in aller Regel auch von den Leistungen der anderen Kandidaten beeinflußt wird, also eine soziale Bezugsnorm gilt. 5 6 Gleichwohl ist eine Vermengung der Bezugsnormen zu vermeiden, da dies zu einer ungleichmäßigen und damit unzuverlässigen und ungültigen Leistungsbewertung führt. 57 Nach der hier vertretenen Ansicht sollte wegen des Zwecks berufsbezogener Prüfungen - die Feststellung der Berufseignung - primär die absolute Bezugsnorm Verwendung finden. 58 Schließlich gilt es bei der Bildung der Gesamtnote, verschiedene Grundsätze zu beachten. Als nicht nur schulrechtliches Bewertungskriterium kommt ζ. B. auch der Grundsatz eindeutig festgelegter Notenintervalle 59 oder die vorherige Festlegung von Gewichtungsfaktoren in Frage. 60 Trotz all dieser Kriterien bleibt es dabei, daß nicht die gesamte Prüfungsentscheidung „durchnormiert" werden kann. Wann eine Darstellung nun im Einzelfall „schlüssig" ist oder Argumente „überzeugend" sind, ist in bestimmten Bereichen nicht weiter objektivierbar. Dasselbe gilt für die Abschätzung des Schwierigkeitsgrads und der Ermittlung der konkreten Endnote. Ein Beurteilungsspielraum wird also zwangsläufig zu akzeptieren sein.

2. Erstellung von Bewertungskriterien durch den einzelnen Prüfer vor der Korrektur Solange es an einer umfassenden Fixierung und Anerkennung allgemeingültiger Bewertungsgrundsätze in der Praxis fehlt, ist der Erstellung von Bewertungskriterien durch den einzelnen Prüfer eine erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken. Dieser kann und sollte durch die vorherige Festlegung der Kriterien, die für ihn im Rahmen der Bewertung von Bedeutung sein sollen, in einem gewissen Maße die bestehenden Defizite bezüglich der allgemeingültigen Bewertungsgrundsätze ausgleichen oder wenigstens vermindern. 54

Richter, in: Giehring/ Haag /Hoffmann-Riem/ Ott, Leistungsbewertung, S. 344(346). Richter, in: Giehring/Haag/Hoffmann-Riem/Ott, Leistungsbewertung, S. 344 (347). 56 Richter, in: Giehring / Haag / Hoffmann-Riem / Ott, Leistungsbewertung, S. 344(347). 55

57

Hofmeyer, Bewertungsgrundsätze, S. 213; Richter, in: Giehring/Haag/HoffmannRiem/Ott, Leistungsbewertung, S. 344 (348). 58 S.o. C.II. 3. c) (1). 59 Hofmeyer, Bewertungsgrundsätze, S. 229; Stüer, NVwZ 1985, 545 (546). 60 Bergmann, BayVBl. 1965, 121 (122); Hofmeyer, Bewertungsgrundsätze, S. 230; Stüer, NVwZ 1985, 545 (545).

I.

r e l l e Fragen

127

Dies kann ζ. B. dadurch erfolgen, daß der Korrektor erst einmal selbst die Arbeit löst und ggf. eine sog. Musterlösung erarbeitet, in der er seine Erwartungen im Vorhinein formuliert, ggf. auch Leistungspunkte vergibt und so die Transparenz der Notenfindung erheblich erhöht. 61 Ein solches Verfahren darf jedoch nicht dazu führen, daß von dieser Lösung abweichende Arbeiten zwingend schlecht bewertet werden. Vielmehr ist eine flexible Handhabung geboten. In solchen Fällen sind die Schlüssigkeit, Vertretbarkeit und Darstellung der Lösung unabhängig von der Lösungsskizze zu bewerten. 62 Das kann zur Folge haben, daß der Prüfer bei bestimmten Arten der Aufgabenstellung von vornherein mehrere mögliche Antworten bzw. Lösungen in Betracht ziehen muß. Gleichwohl können Musterlösungen als Anhaltspunkt brauchbar und hilfreich sein.

I I . Formelle Fragen: Grundrechtsschutz durch Verfahren Die Erkenntnis, daß auch bei großen Bemühungen die materielle Überprüfbarkeit Grenzen findet und damit stets ein mehr oder weniger großer, nicht kontrollierbarer Raum übrigbleibt, wirft die Frage nach anderen Möglichkeiten auf, die den Grundrechten zu einer möglichst umfassenden Wirkungskraft verhelfen können und damit zu einer möglichst gerechten Prüfungsentscheidung führen. Ein Ansatzpunkt, die sehr beschränkte inhaltliche Kontrolle wenigstens teilweise zu kompensieren, besteht in der besonderen Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens. Von Bedeutung sind in diesem Rahmen insbesondere die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze zum Grundrechtsschutz durch Verfahrensgestaltung. 63 1. Entwicklung und Inhalt Auch die Verfahrensvorschriften müssen sich an dem Ziel orientieren, rechtmäßige und damit gerechte Prüfungsentscheidungen zu ermöglichen. Das Verfahren der hier behandelten akademischen und staatlichen Abschlußprüfungen ist mittlerweile relativ weitgehend formalisiert und meist auch recht genau und umfassend normiert. Dies gilt jedoch nur für die jüngere Zeit. Noch in den 1970er Jahren wurde immer wieder ein starker Handlungsbedarf moniert. Zum einen fehlten Normen, die Ablauf und Inhalt des Prüfungsverfahrens sowie die Rechte und Pflichten des Kandidaten regelten. Zum anderen wurde der formelle Rechtscharakter der Verfahrensnormen, oft als Verwaltungsvorschriften 61 Kopp, JuS 1995, 468 (470); Kurth/Mintken, PersV 1991, 464 (470 f.); zur Zulässigkeit von Mustergliederungen s. a. VGH Bad.-Württ., DVB1. 1995, 1358 (1360 f.). 62 BVerwG, DÖV 1995, 79 (79); NVwZ-RR 1996, 505 (506). 63 BVerfGE 52, 380 (389 ff.), 53, 30 (65 f.).

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F. Wege zu gerechteren Entscheidungen

erlassen, als nicht ausreichend, d. h. rechtsstaatlichen Erfordernissen nicht entsprechend angesehen.64 Anfang der 1980er Jahre setzte sich dann bald die Auffassung durch, daß eine gesetzesförmige Grundlage nötig sei. 65 Anstoß hierzu gab insbesondere das Bundesverfassungsgericht. 66 Seitdem werden viel Mühe und Aufwand in eine verfassungskonforme Ausgestaltung des Prüfungsverfahrens investiert. Art. 12 I GG stellt hier hohe Anforderungen. Das ist insbesondere noch einmal im Hinblick auf die sehr eingeschränkte inhaltliche Kontrolle zu betonen, für die eine durchdachte Verfahrensgestaltung einen möglichst guten Ausgleich schaffen muß. 67

2. Was ist durch Verfahrensgestaltung überhaupt erreichbar? Schon jetzt wird das Gros der Klagen auf Fehler im Prüfungsverfahren gestützt. Dabei sind die Gründe dafür weniger darin zu suchen, daß kaum inhaltliche Fehler bei der Prüfungsentscheidung gemacht werden. Vielmehr ist als Ursache die mangelnde Erfolgsaussicht wegen der eingeschränkten Nachprüfbarkeit einer inhaltlichen Bewertungsrüge zu sehen.68 Dies hat häufig Anlaß zur Kritik gegeben. Richtig ist sicher, daß ζ. B. der schlecht vorbereitete Kandidat, der sich eine erneute Prüfungsmöglichkeit ζ. B. wegen eines nicht ausreichenden Ausgleichs einer Lärmstörung in der ersten Prüfung erkämpft, auch mit einer zehn- oder fünfzehnminütigen Schreibzeitverlängerung wohl kaum wesentlich besser abgeschnitten hätte. Gleichwohl klagen primär schwächere Kandidaten schon nach geringsten Verfahrens verstoßen. Dies sollte man allerdings nicht verurteilen. Zwar wird mit Sicherheit auf diese Weise der eine oder andere tatsächlich nicht (so) geeignete Berufsbewerber eine erneute Prüfungschance erhalten, diese erfolgreich nutzen und damit den Zugang zum Beruf bekommen. Genauso wird man unter diesen Kandidaten aber auch durchaus geeignete finden. Betrachtet man, wie viele Klagen im „normalen" Verwaltungsgerichtsverfahren erhoben werden und wie viele Erfolg haben, so kann man daraus schließen, daß im Prüfungsverfahren ebenso viele Klagen berechtigt sein und entsprechenden Erfolg haben müßten, was jedoch nicht der Fall ist. Das legt den Schluß nahe, daß ein nicht zu unterschätzender Anteil von Kandidaten, der eine Prüfung nicht 64 Becker, DÖV 1970, 730 (731 f.); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnrn. 67 ff.; Stüer, JR 1974, 445 (450 f.). 65 Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 21. 66 BVerfGE 58, 257 (268); 47,46 (78 f.); Hufen, JuS 1992, 606 (607). 67 BVerwG, DÖV 1995, 114 (114); Bethge, NJW 1982, 1 (1); Geis, NVwZ 1992, 25 (30); Goerlich, DVB1. 1993, 490 (491); Höfling, RdJB 1995, 387 (396); Hofmann, NVwZ 1995, 740 (744); Hufen, JuS 1992, 606 (607); Pietzcker, DÖV 1994, 806 (807). 68 S. ο. Ε. II. bis V.

II. Formelle Fragen

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bestanden hat und dessen Klage wegen der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolldichte keinen Erfolg hat, in Wahrheit möglicherweise doch geeignet wäre, den angestrebten Beruf „gefahrlos" auszuüben. Die Gründe, warum meist schwache Kandidaten mit teilweise hinsichtlich der späteren Berufstauglichkeit zweifelhaftem Kenntnisstand klagen, sind vielmehr vielschichtiger Natur. Natürlich sind nicht alle durchgefallenen Kandidaten unzutreffend eingestuft worden. Es ist allerdings so, daß eine unrichtige Entscheidung besonders empfindlich trifft und besonders beeinträchtigend ist, wenn jemand möglicherweise sogar endgültig - durchgefallen ist. Das heißt aber nicht, daß unter den besser bewerteten Kandidaten keine ungerechten Bewertungen und keine Unzufriedenheit darüber anzutreffen wären. In diesen Fällen steht nur der Aufwand eines Rechtsstreits meist in keiner vernünftigen Relation mehr zum möglichen Erfolg. Die mutmaßlich falsche Bewertung wird mit Unmut hingenommen und andere Wege des beruflichen Fortkommens werden gesucht und - oft mit Erfolg beschritten. Trotzdem muß man sich darüber im klaren sein, daß das Bestreben, eine inhaltlich richtige Entscheidung durch Verfahrensgestaltung zu erreichen, ebenso wie die inhaltliche Kontrolle selbst, naturgemäß an Grenzen stößt. Das wiederum darf aber nicht dazu führen, daß man den Nutzen einer gerechten und durchdachten Verfahrensgestaltung als vollkommen unbedeutend ansieht. Vielmehr ist durch die Gestaltung des Prüfungsverfahrens ein nicht zu verkennender Einfluß auf das Prüfungsergebnis und damit die Prüfungsentscheidung vorhanden. Je nachdem, in welchem Verfahrensstadium die Vorschrift zum Tragen kommt, können die Intensität der Einwirkung und damit die Einflußmöglichkeiten auf das Prüfungsergebnis höchst verschieden sein. Gleichwohl sollen alle Normen zu einer möglichst richtigen Entscheidung - nicht zuletzt unter den Aspekten der Rechtsstaatlichkeit und Chancengleichheit - führen. Einen nur mittelbaren Einfluß auf die Prüfungsentscheidung haben ζ. B. die Vorschriften über das Zulassungsverfahren oder die Möglichkeit der Einsichtnahme in die Prüfungsakten - in der Regel nach der Prüfungsentscheidung bzw. nach der Verkündung des Prüfungsergebnisses, d. h. nach Abschluß des eigentlichen Prüfungsverfahrens. Hier wird zum einen über das „Ob" entschieden, d. h. ob der Kandidat überhaupt in das Verfahren zum Erwerb einer Berufszulassung eintreten darf. Zum anderen gewähren ihm die genannten Verfahrensvorschriften die Voraussetzung, ein weiteres Verfahren für die eventuelle nachträgliche Änderung der Prüfungsentscheidung in Gang zu setzen. Zudem können sich aus der Möglichkeit der nachträglichen Einsichtnahme Rückwirkungen auf das Korrekturverhalten der Prüfer ergeben. Einen wesentlichen Einfluß auf das Prüfungsergebnis und dessen Gerechtigkeit haben die formellen Anforderungen, die an das Verfahren bei der Erbringung der Leistung des Prüflings gestellt werden. Hier entsteht die zu bewertende Arbeit, und es wird somit auch die Grundlage für die spätere Beurteilung durch den Prüfer 9 Lampe

130

F. Wege zu gerechteren Entscheidungen

gelegt. Zwar ist es grundsätzlich denkbar, daß der Kandidat auch unter ungünstigen äußeren Bedingungen wie Lärmstörungen etc. gute Leistungen erbringt. Wahrscheinlicher ist jedoch, daß der Kandidat dadurch beeinflußt wird und ihm folglich ein mit Art. 3 I GG nicht zu vereinbarender Nachteil gegenüber seinen Mitbewerbern, die „bessere" Bedingungen vorgefunden haben, entsteht. Das Verfahren im Rahmen der Leistungsbewertung schließlich entfaltet eine ganz unmittelbare Wirkung auf die Entscheidung. Hier wird die Leistung zur Kenntnis genommen, bewertet und in die Prüfungsnote umgesetzt. An dieser Stelle kommt auch die Problematik des Beurteilungsspielraums voll zum Tragen. Nämlich nur in diesem Verfahrensstadium kommt dem Prüfer bei der Bewertung ein gewisser Freiraum zu. Verfahrensvorschriften auf dieser Ebene des Prüfungsablaufs sind daher auch in besonderer Weise geeignet, einen positiven Einfluß auf die Richtigkeit und damit die Gerechtigkeit des Prüfungsergebnisses auszuüben. Um dem Ziel gerechterer Prüfungsentscheidungen näher zu kommen, gilt es nun zu prüfen, ob die derzeitige Verfahrensgestaltung diesem Ziel ausreichend Rechnung trägt und welche Verbesserungen ggf. geboten sind. Hierzu erfolgt zunächst eine Darstellung des Meinungsstandes, um daraufhin verbesserungswürdige Vorgehensweisen zu erörtern.

3. Verfassungsrechtliche Determinanten Der Grundsatz der Chancengleichheit gem. Art. 3 I GG ist die das Prüfungsrecht beherrschende grundrechtliche Gewährleistung. Daneben hat das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 I GG - nicht zuletzt durch die Hervorhebung in den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 17. 4. 1991 - eine erhebliche Bedeutungssteigerung erfahren. Da die Leistungsbewertung de facto nicht absolut vorgenommen werden kann, sind ein Rückgriff auf die Leistungen anderer Kandidaten und ein wertender Vergleich unvermeidbar. Deshalb muß gewährleistet sein, daß die verglichenen Prüfungsleistungen unter möglichst gleichen Bedingungen zustande gekommen sind. Dabei auf eine absolute Gerechtigkeit und Gleichheit zu hoffen, wäre illusorisch. Schon hinsichtlich der Kandidaten desselben Prüfungstermins ist dies nicht erreichbar. Die Kandidaten haben unterschiedliche Anreisen hinter sich, haben verschiedene Vorlieben etc. Erst recht gilt dies für die Prüflinge, die sich zu verschiedenen Zeitpunkten der Prüfung stellen. Es ist nun Sache des an Art. 3 I GG zu messenden Prüfungsablaufs, allen Prüflingen sowohl einer Prüfungsgruppe als auch denen anderer Prüfungsgruppen 69 mit in der Regel anderen Prüfern möglichst weitgehend eine äußere Chancengleichheit zu gewähren, so daß zumindest formell jeder Kandidat dieselben Mög69 Von Mutius, Jura 1982, 555 (556).

II. Formelle Fragen

131

lichkeiten und Gegebenheiten für die Erbringung einer seinen tatsächlichen Fähigkeiten entsprechenden Leistung vorfindet. Der Grundsatz der Chancengleichheit kommt primär im Verfahren der Leistungserbringung zum Tragen. Aber auch die Vorschriften, die für das Bewertungsverfahren von Belang sind, haben Einfluß auf die gleichmäßige und damit gerechte und dem Grundsatz der Chancengleichheit gemäße Entscheidung. Schließlich sind auch bei der Zulassung, Akteneinsicht etc. allen Kandidaten vergleichbare Bedingungen zu gewähren. 4. Anforderungen an das Verfahren im einzelnen a) Das Verfahren

der Leistungserbringung

Ein korrekter, streng am Grundsatz der Chancengleichheit ausgerichteter Ablauf des Verfahrens bei der Erbringung der Prüfuftgsleistung stellt die Grundvoraussetzung für eine materiell rechtmäßige und damit auch gerechte Entscheidung dar. Verfahrensvorschriften, die dies zum Inhalt haben, sind von erheblichem Einfluß und können die Qualität der Prüfungsentscheidung deutlich verbessern. Nur eine Prüfungsleistung, die der tatsächlichen Leistungsfähigkeit möglichst nahe kommt und die alle Kandidaten unter möglichst gleichwertigen Bedingungen erbracht haben, kann die Grundlage für eine rechtmäßige Bewertung darstellen. (1) Die Prüfungsfähigkeit des Kandidaten (a) Begriff und Inhalt Der Grundsatz der Chancengleichheit ist gefährdet, wenn der Kandidat im Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht prüfungsfähig ist. Eine Prüfungsunfähigkeit kann gegeben sein, wenn der Prüfling unter einer gesundheitlichen Beeinträchtigung leidet, die verhindert, daß er sein Leistungsvermögen ausschöpft, und das Ergebnis folglich das wahre Leistungsvermögen nicht zutreffend wiedergibt. 70 Allerdings hat nicht jedes gesundheitliche Leiden eine Prüfungsunfähigkeit zur Folge, die das Leistungsbild im prüfungsrechtlich relevanten Sinn beeinträchtigt und damit zu Rücktritts- und Wiederholungsmöglichkeiten führt. Krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit liegt vielmehr nur dann vor, wenn ein gewisser Erheblichkeitsgrad überschritten wird. 71 Bloße Schwankungen der Tagesform 72 oder banale (nicht fiebrige) Erkältungen 73 scheiden daher von vornherein aus. 70 Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 153. 71 Haas, VB1BW 1985, 161 (165 f.); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 155; Schiöder, DVP 1991, 91 (92); Seebass, NVwZ 1985,521 (523). 72 Klenke, NWVBL 1988, 199 (201); Seebass, NVwZ 1985, 521 (523 f.). 73 Haas, VB1BW 1985, 161 (166). *

132

F. Wege zu gerechteren Entscheidungen

Ferner sind in der Regel sog. Dauerleiden unbeachtlich, d. h. Krankheiten, bei denen Aussichten und Dauer der Heilung offen sind. 74 Der Grund ist darin zu erblicken, daß im Prüfungsverfahren gerade das reguläre Leistungsbild ermittelt werden soll und eine Bevorzugung wegen solcher konstitutioneller Mängel dem Grundsatz der Chancengleichheit widerspricht, da sie gerade zur Bewertung der Befähigung bedeutsam sind, d. h. den normalen Fähigkeiten entsprechen.75 Eine Ausnahme wird bei Körperbehinderungen gemacht. Sie können unter Umständen bei der Gestaltung der äußeren Prüfungsbedingungen berücksichtigt werden. 76 Es können u. U. Hilfsmittel zur Verfügung gestellt oder die Bearbeitungszeit verlängert werden, dies jedoch nur, wenn sie in dem vom Prüfling angestrebten Beruf nicht als eine erhebliche Einschränkung der Leistungsverfügbarkeit erscheinen. Dadurch soll verhindert werden, daß die zur Verfügung gestellte Hilfe dem Prüfungszweck, d. h. der Ermittlung des tatsächlichen Leistungsvermögens zuwider läuft. 77 Unbeachtlich sind solche pathologischen Erscheinungen, die ihre Ursache in der Prüfung selbst finden wie ζ. B. Prüfungspsychosen und Examensängste.78 Solchen psychischen Einwirkungen ist jeder Prüfling ausgesetzt.79 Begründet wird dies ebenfalls mit dem Argument, daß der Prüfungszweck die Ermittlung der tatsächlichen Leistungsfähigkeit und der Belastbarkeit unter Prüfungsbedingungen sei. 80 Die Prüfungsunfähigkeit muß auf Belastungen beruhen, die nicht typisch mit der Prüfung verbunden sind, d. h. nicht von der Prüfungssituation selbst ausgehen.81 Entsprechend der krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit können auch andere persönliche Umstände berücksichtigt werden, die die Prüfungsfähigkeit in vergleichbarer Weise mindern und daher ebenfalls zu einer Beeinträchtigung des Grundsatzes der Chancengleichheit führen können. 74 BVerwG, NVwZ 1986, 377 (378); Haas, VB1BW 1985, 161 (167); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 155. 75 BVerwG, DVB1. 1980, 482 (483); NVwZ 1986, 377 (378); VGH Bad.-Württ., NVwZ 1994, 598 (599 f.); Haas, VB1BW 1985, 161 (167); Klenke, NWVBL 1988, 199 (200); Rozek, JA 1989, 233 (237); Schiöder, DVP 1991,91 (93); Wagner, DVB1. 1990, 183 (185). 76 OVG NW, NWVBL 1992, 170 (170 f.); Klenke, NWVBL 1988, 199 (200 f.); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 156. 77 OVG NW, NWVBL 1992, 170 (170 f.); VGH Bad.-Württ., NVwZ 1994, 598 (599 f.); Klenke, NWVBL 1988, 199 (200 f.); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 139, 156; Seebass, NVwZ 1985, 521 (524 f.); Wagner, DVB1. 1990, 183 (184). 78 Haas, VB1BW 1985, 161 (166); Klenke, NWVBL 1988, 199 (200); Müller, PersV 1997, 49 (51); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnrn. 154 f.; Rozek, JA 1989, 233 (237); Wagner, DVB1. 1990, 183(185). 79 BVerwG, DVB1. 1980, 482 (483); Müller, PersV 1997, 49 (51); von Mutius, Jura 1982, (557). so Haas, VB1BW 1985, 161 (166); von Mutius, Jura 1982, 555 (557); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 155. 8i Schiöder, DVP 1991, 91 (94); Stöppler, JuS 1991, 352 (352).

II. Formelle Fragen

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(b) Rücktritt Das Recht auf Chancengleichheit gebietet es, dem durch Krankheit im o.g. Sinn in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigten Kandidaten die Möglichkeit eines Rücktritts und einer Wiederholungsprüfung einzuräumen. 82 Die Rücktrittsmöglichkeiten finden ihrerseits wieder ihre Grenzen in der Verwirklichung der durch Art. 31 GG vorgegebenen Chancengleichheit.83 Dem gesundheitlich beeinträchtigten Kandidaten soll nur der Nachteil seiner Krankheit nicht zur Last fallen. Er soll dagegen keine Vorteile gegenüber den anderen Kandidaten aus seiner Krankheit ziehen.84 Der Chancengleichheit droht aber auch aus einer anderen Richtung Gefahr. 85 Die Möglichkeit eines Rücktritts und damit auch eines Neubeginns der Prüfung darf nicht dazu führen, daß sich der Kandidat eine weitere, ihm nicht zustehende Prüfungschance erschleicht. 86 Ein solcher Mißbrauch läge beispielsweise vor, wenn der Kandidat seine Krankheit lediglich vortäuscht und darüber noch ein Gefälligkeitsattest ausgestellt wird. 87 Daher ist die wirksame Geltendmachung krankheitsbedingter Prüfungsunfähigkeit an verschiedene Voraussetzungen geknüpft. Es gehört zu den Obliegenheiten des Prüflings, sobald er Kenntnis davon hat, unverzüglich die Prüfungsunfähigkeit geltend zu machen und die Konsequenzen zu ziehen, etwa den in der Püfungsordnung vorgesehenen Rücktritt zu erklären. 88 Er muß ohne schuldhaftes Zögern zum frühest möglichen Zeitpunkt, sobald es ihm zumutbar ist, zurücktreten. 89 Diese Mitwirkungspflicht ergibt sich aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben, der auch im Prüfungsrecht Anwendung findet. 90 Stellt der Prüfling vor oder während der Prüfung fest, daß er krank ist, muß er sofort oder sofort danach zurücktreten. 91 Auf keinen Fall darf er erst einmal das 82 BVerwG, DVB1. 1989, 102 (102); Schiöder, DVP 1991, 91 (91). 83 BVerwG, DVB1. 1994,640 (640). 84 BVerwG, DVB1. 1989, 102 (102); Hamann/Vahle, VR 1990, 17 (22); Klenke, NWVBL 1988, 199 (201). 85 BVerwG, DVB1. 1989, 102 (102). 86 BVerwG, BayVBl. 1994, 725 (725). 87 Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 153. 88 Z. B. § 10 IV JAO NW; BVerwG, NJW 1989, 2340 (2341); DÖV 1991, 808 (808); NVwZ-RR, 1994, 442 (443); BayVGH, NVwZ-RR 1992, 555 (556); VGH Bad.-Württ., BWVP 1992, 165 (165); HessVGH, BWVP 1992, 260 (260); Hamann/Vahle, VR 1990, 17 (22); Haas, VB1BW 1985, 161 (168); Klenke, NWVBL 1988, 199 (201); Kröpil, JuS 1985, 322 (324); von Mutius, Jura 1991, 163 (163); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnrn. 158 f.; Schiöder, DVP 1991, 91 (93); Seebass, NVwZ 1985, 521 (524); Stöppler, JuS 1991, 352 (352). 89 OVG Schl.-Holst., MDR 1991,1100 (1100); Hamann/Vahle, VR 1990, 17 (22); Klenke, NWVBL 1988 199 (201); von Mutius, Jura 1991, 163 (163); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnrn. 158 f.; Schiöder, DVP 1991 91 91 (93); Wortmann, NWVBL 1992, 304 (308). 90 BVerwG, NVwZ-RR 1994,442 (444). 91 Klenke, NWVBL 1988, 199 (201); von Mutius, Jura 1982, (556 f.).

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F. Wege zu gerechteren Entscheidungen

Prüfungsergebnis abwarten und dann, falls ihm dieses nicht recht ist, die Prüfungsunfähigkeit geltend machen.92 Dementsprechend bleibt auch eine Berufung auf die krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit dann ohne Erfolg, wenn sich der Kandidat in Kenntnis seines gesundheitlich nicht einwandfreien Zustandes der Prüfung unterzieht. 93 Die „Kenntnis" der Prüfungsunfähigkeit wird dann angenommen, wenn dem Prüfling sein gesundheitlicher Zustand bekannt ist und er die Auswirkungen seiner Erkrankungen auf seine Leistungsfähigkeit erfaßt. Nicht erforderlich ist, daß er Ursache und Grad seiner Leistungsminderung medizinisch erkannt hat. 94 In seltenen Fällen kann es vorkommen, daß der Kandidat unverschuldet die Prüfungsunfähigkeit nicht erkannt hat. Stellt der Prüfling erst später fest, daß die zum Zeitpunkt der Prüfung verspürten Symptome Krankheitswert hatten, so kann er die Prüfungsunfähigkeit auch noch später - ggf. sogar nach der Bekanntgabe des Ergebnisses - geltend machen, ohne daß ihm eine schuldhafte Verzögerung der Geltendmachung vorzuwerfen wäre. 95 Beruhen die Nervosität, erhöhte Herzfrequenz etc. ζ. B. auf einer nicht erkannten Schilddrüsenerkrankung und führt der Kandidat die Symptome auf die Prüfung zurück, so hat er zunächst keinen Anlaß, seine Prüfungsunfähigkeit geltend zu machen, da solche Symptome oft Begleiterscheinungen bei Prüfungsangst und -anspannung sind und als solche rechtlich unerheblich wären. Dasselbe gilt, wenn der Prüfling Kopfschmerzen und Abgeschlagenheit schon während der Prüfung wahrnimmt, sie aber fälschlich der Prüfungssituation zuschreibt und erst nachträglich Klarheit darüber gewinnt, daß sie Ausdruck einer Erkrankung - etwa eines beginnenden fiebrigen Infektes oder einer Lebererkrankung - gewesen sind. 96 Dies gilt selbstverständlich nur, solange sich dem Kandidaten nicht gewisse Erkenntnisse bezüglich einer Krankheit aufdrängen mußten.97 Sobald ihm nämlich dementsprechende Anzeichen bekannt werden, muß er sich unverzüglich auf die Prüfungsunfähigkeit berufen. 98 Der Nachweis der Krankheit ist durch ein ärztliches - viele Prüfungsordnungen verlangen sogar, ζ. T. fakultativ, ein amtsärztliches - Attest zu führen. 99 Dem Arzt 92 Klenke, NWVBL 1988, 199 (201); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnrn. 159 f.; Wortmann, NWVBL 1992, 304 (308); w Klenke, NWVBL 1988, 199 (201); Kröpil, JuS 1985, 322 (324); Müller, PersV 1997, 49 (53); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 164. 94 OVG Schl.-Holst., MDR 1991, 1100 (1101); Klenke, NWVBL 1988, 199 (201); Kröpil, JuS 1985, 322 (324); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnrn. 160, 165, 168; Schiöder, DVP 1991, 91 (94). 95 Klenke, NWVBL 1988, 199 (201); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 165; Seebass, NVwZ 1985,521 (524). 96 Klenke, NWVBL 1988, 199 (201). 97 BVerwG, NVwZ-RR 1994,442 (444); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 168. 98 BVerwG, DVB1. 1994, 640 (640); Klenke, NWVBL 1988, 199 (201).

II. Formelle Fragen

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steht es hingegen nicht zu, eine Prüfungsunfähigkeit zu bescheinigen, da nicht jede Krankheit zwingend sofort zur Prüfungsunfähigkeit führt. Ihm obliegt es lediglich, die Krankheit zu diagnostizieren. Die Frage der Prüfungsfähigkeit ist eine Rechtsfrage und dementsprechend vom Prüfungsamt und ggf. vom Gericht zu beantworten. 100 Zur Anerkennung der Prüfungsunfähigkeit und Zulassung zu einer erneuten Prüfung bedarf es nach den meisten Prüfungsordnungen eines förmlichen Antrags bei der Prüfungsbehörde. 101 Liegen die o. g. Voraussetzungen vor, erteilt die Behörde die Genehmigung des Rücktritts.

(2) Äußere Prüfungsbedingungen (a) Begriff und Inhalt Der Grundsatz der Chancengleichheit ist ebenfalls verletzt, wenn die äußeren Prüfungsbedingungen nicht für alle Prüflinge identisch sind. 102 Störungen im Prüfungsablauf können den Kandidaten daran hindern, sein volles Leistungsvermögen zu entfalten, und verhindern damit das Entstehen einer bewertungsfähigen Prüfungsleistung. 103 Zu solchen äußeren Störungen zählen physische Einwirkungen wie Lärm, große Hitze oder Kälte, Unruhe, beißender Farbgeruch etc. 1 0 4 Ebenso wie bei der krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit muß die Beeinträchtigung eine bestimmte Erheblichkeitsschwelle überschreiten. Die Leistungserbringung muß nachhaltig gestört sein und folglich ein möglicherweise falsches Leistungsbild ergeben. 105 Nicht ausreichend sind hingegen geringfügige Störungen oder Belastungen, die mit jedem Prüfungsverfahren notwendig verbunden sind. Sie sind allgemein üblich und deshalb hinzunehmen.106 Dazu zählen ζ. B. Ablenkun-

99 § 10 III JAO NW („kann"); BVerwG, DVB1. 1993, 51 (51); Kröpil, (324); von Mutius, Jura 1982, 555 (556); Schiöder, DVP 1991, 91 (92 f.). 100 Schiöder, DVP 1991, 91 (92); Seebass, NVwZ 1985,521 (524).

JuS 1985, 322

ιοί Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 171. 102 Hamann/Vahle, VR 1990, 17 (22); Müller, PersV 1997, 49 (50); Rozek, JA 1989, 233 (236); Schiöder, DVP 1991, 91 (94); Seebass, NVwZ 1985, 521 (524); Wagner, DVB1. 1990, 183 (183); Wortmann, NWVBL 1992, 304 (308). 103 Klenke, NWVBL 1988, 199 (202). 104 Klenke, NWVBL 1988, 199 (202); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 239; Schiöder, DVP 1991, 91 (94); Seebass, NVwZ 1985, 521 (524); Semler, JA 1970, 161 (163); Wagner, DVB1. 1990, 183 (183 f.); Wortmann, NWVBL 1992, 304 (309). 105 Hamann/Vahle, VR 1990, 17 (22); Klenke, NWVBL 1988, 199 (202); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 238; Rozek, JA 1989, 233 (236); Schiöder, DVP 1991, 91 (94); Seebass, NVwZ 1985, 521 (524); Wagner, DVB1. 1990, 183 (183). 106 Klenke, NWVBL 1988, 199 (202); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 238; Schiöder, DVP 1991, 91 (94); Wagner, DVB1. 1990, 183 (183).

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F. Wege zu gerechteren Entscheidungen

gen dadurch, daß Mitprüflinge sich mit Anliegen an die Aufsichtsführenden wenden oder zur Toilette gehen. Ferner sind vom normalen Dienstbetrieb der Behörde ausgehende Geräusche, sowie Beeinträchtigungen, die sofort abgestellt werden, wie z. B. Durchzug, stickige Luft, schlechtes Licht etc. unbeachtlich.107

(b) Rügeobliegenheit, Abhilfe, Kompensation, Wahlrecht und vorbeugende Vermeidungspflicht Tritt eine Störung im Prüfungsverlauf ein, so trifft den Prüfling eine Mitwirkungsobliegenheit in Form einer Rügeobliegenheit, d. h. der Prüfling muß das Seine dazu beitragen, daß die Prüfung einen ordnungsgemäßen Verlauf nimmt. 1 0 8 Dies ergibt sich aus dem Prüfungsverhältnis und dem Grundsatz von Treu und Glauben, auch wenn die einschlägige Prüfungsordnung keine dementsprechende ausdrückliche Regelung enthält. 109 Ebenso wie bei der Prüfungsfähigkeit muß auch hier die Rüge grundsätzlich unverzüglich vorgenommen werden. Begrenzt werden die Rügeobliegenheiten durch den Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. 110 Wann die Zumutbarkeit gegeben ist, hängt von der jeweiligen Prüfungssituation ab. 111 So verlangt man von einem Prüfling in der mündlichen Prüfung nicht, eine Störung (ζ. B. durch Baulärm) schon während der Prüfung gegenüber dem Prüfungsausschuß geltend zu machen, da die erforderliche Konzentration auf den Prüfungsstoff der Überlegung, ob die Störung zu einem Prüfungsmangel geführt habe und welche Konsequenzen daraus zu ziehen seien, entgegenstehen könnte. 112 Dagegen wird es in einer mehrstündigen schriftlichen Prüfung für durchaus zumutbar gehalten, daß der Kandidat eine Störung beim Aufsichtsführenden rügt, weil dies weder einen nennenswerten Zeitaufwand noch konzentrationsstörende Überlegungen fordert und anders als bei einer mündlichen Prüfung auch nicht die psychologische Hemmschwelle überwunden werden muß, sich mit der Beschwerde an 107 Klenke, NWVBL 1988, 199 (202); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnrn. 238 f.; Wagner, DVB1. 1990, 183(183). los BVerwGE 31, 190 (191); 66, 213 (215); BVerwG, DÖV 1984, 811 (812); DÖV 1995, 115 (116); BayVGH, BayVBl. 1994, 568 (568); OVG Rh.-Pf, NVwZ 1988, 457 (457); Mukkel, JA 1995, 10 (11); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 242; Schiöder, DVP 1991, 91 (94). 109 BVerwGE 31, 190 (191); 66, 213 (215); 69, 46 (49 f.); BVerwG, DÖV 1984, 811 (812); BayVGH, BayVBl. 1994, 568 (568); OVG Rh.-Pf., NVwZ 1988, 457 (457); Klenke, NWVBL 1988, 199 (202); Rozek, JA 1989, 233 (237); Schiöder, DVP 1991,91 (94); Seebass, NVwZ 1985, 521 (524); Wagner, DVB1. 1990, 183 (183). no Kröpil, JuS 1985, 322 (325); Rozek, JA 1989, 233 (237); Schiöder, DVP 1991, 91 (94); Seebass, NVwZ 1985, 521 (524); Wagner, DVB1. 1990, 183 (183). m Rozek, JA 1989, 233 (237); Seebass, NVwZ 1985, 521 (524); Wagner, DVB1. 1990, 183(183). 112 BVerwGE 31, 190 (192); Kröpil, JuS 1985, 322 (325); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 242; Rozek, JA 1989, 233 (237); Schiöder, DVP 1991, 91 (95); Seebass, NVwZ 1985, 521 (524); Wagner, DVB1. 1990, 183 (183).

II. Formelle Fragen

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seinen Prüfer oder seinen Prüfungsausschuß zu wenden. 113 In Einzelfällen kann eine Rüge auch nach Bekanntgabe des Ergebnisses in Betracht kommen. 114 Von der Zumutbarkeit der Rüge zu differenzieren ist die Frage, wann und welche darüberhinausgehenden rechtlichen Konsequenzen der Kandidat zu ziehen hat, ζ. B. daß er den Rücktritt erklärt oder daß er das Priifungsregebnis nicht gegen sich gelten lassen will. Darüber muß sich der Kandidat zum Zeitpunkt der Rüge gerade noch keine Gedanken machen.115 Denn mit erfolgter Rüge trifft erst einmal die Prüfungsbehörde eine Pflicht, zu reagieren und Abhilfe zu schaffen. 116 Zunächst muß sich die Prüfungsbehörde bemühen, die Störquelle abzustellen.117 Gelingt dies nicht oder hat die Störung bis zur Beseitigung bereits einige Zeit angedauert, so muß die Behörde Kompensationsmaßnahmen treffen. Ein derartiger Ausgleich wird in aller Regel in einer Schreibzeitverlängerung zu suchen sein. 118 Zwar ist eine starre Regelung wegen der verschiedenen Möglichkeiten der Quantität, Qualität und Intensität der Störungen abzulehnen. Dies verstieße gegen Art. 3 I GG und Art. 20ΙΠ GG. 1 1 9 Eine kurzzeitige erhebliche Lärmstörung, ζ. B. durch einen Tiefflieger, kann den Kandidaten u. U. erheblich mehr stören als länger anhaltender, weniger intensiver Lärm. 1 2 0 Als Richtschnur kann jedoch ein Verhältnis von 1:1 zwischen Störung und Verlängerung der Arbeitszeit angenommen werden. 121 Gleichwohl handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, bei der der Behörde aber kein Entscheidungsspielraum zukommt. 122 Erscheint auch dies nicht als ausreichend, etwa weil die Störung besonders nachhaltig war, so muß die Prüfungsbehörde eine Wiederholungsmöglichkeit gewähl t BVerwGE 69, 46 (51 f.); BVerwG, DÖV 1984, 811 (812); DVB1. 1994, 1364 (1364); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 242; Rozek, JA 1989, 233 (237); Schiöder, DVP 1991, 91 (95); Seehass, NVwZ 1985, 521 (524); Wagner, DVB1. 1990, 183 (183). "4 BVerwG, NJW 1976, 905 (906); BayVBl. 1994, 725 (726); NJW 1996, 2439 (2442); Kröpil, JuS 1985, 322 (325); von Mutius, Jura 1982,555 (557). us BVerwG, DÖV 1984, 811 (812); OVG Rh.-Pf., NVwZ 1988, 457 (457); Klenke, NWVBL 1988, 109 (201); Seebass, NVwZ 1985, 521 (524); Wagner, DVB1. 1990, 183 (183). 116 Hamann/Vahle, VR 1990, 17 (22); Klenke, NWVBL 1988. 199 (202); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 244; Rozek, JA 1989, 233 (237); Schiöder, DVP 1991, 91 (95); Wagner, DVB1. 1990,183(184). i n BVerwG, NJW 1996, 2439 (2440); Haas, VB1BW 1985, 161 (163). "β BVerwG, DVB1. 1994, 1364 (1365); NVwZ 1994, 486 (487); NJW 1996, 2439 (2440); Haas, VB1BW 1985, 161 (163); Kröpil, JuS 1985, 322 (325); Muckel, JA 1995, 10 (10 f.); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 244; Rozek, JA 1989, 233 (237); Schiöder, DVP 1991, 91 (95); Wagner, DVB1. 1990, 183 (184). 119 BVerwG, NVwZ 1994, 486 (487 f.); DÖV 1991, 381 (381); BFH, BayVBl. 1993, 315 (315). 120 Scherzberg, NVwZ 1992, 31 (33). 121 BVerwG, NVwZ 1994,486 (488 f.); Niehues, NJW 1997, 557 (559). 122 BVerfG, BayVBl. 1993, 495 (495 f.); BVerwG, NVwZ 1994, 486 (488); Rozek, BayVBl. 1993, 505 (506 f.); a.A.BFH, BayVBl. 1993, 315 (316).

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ren. 123 Im Normalfall bleibt also kein Raum für einen „Rücktritt". Zum Teil wird ein Rücktritt grundsätzlich gar nicht erst für möglich gehalten. Die Rücktrittsregeln blieben außer Anwendung, da sie strukturell nicht passend seien. 124 Lediglich wenn die Prüfungsbehörde eine Wiederholungsprüfung bei nicht kompensationsfähigen Mängeln fakultativ anbietet, hat der Kandidat die Möglichkeit, sich zu entscheiden, ob er das Prüfungsergebnis gegen sich gelten lassen will oder nicht. Letzteres könnte einen „Rücktritt" darstellen. Ob er ein solches „Wahlrecht" auch nach der Bekanntgabe der Note hat, ist umstritten. 125 Das Bundesverwaltungsgericht befürwortet dieses nur in Ausnahmefällen. 126 Ähnlich ist die Lage, wenn die Prüfungsbehörde trotz u. U. mehrmaliger Rügen keine genügende Abhilfe und bzw. oder nicht ausreichende Kompensationsmaßnahmen trifft. Auch hier ist fraglich, ob der Kandidat - insbesondere in Kenntnis des Ergebnisses - „wählen" darf, ob er das Ergebnis gegen sich gelten lassen will oder ob er „zurücktritt" und die Chance einer weiteren Prüfungsmöglichkeit wahrnehmen will. Um die Gefahr zu verringern, daß es überhaupt zu unzureichenden Abhilfe- und bzw. oder Kompensationsmaßnahmen kommt, muß der Prüfling ggf. während der Prüfung, solange noch Maßnahmen möglich sind, erneut rügen. 127 Immer, wenn der Prüfling der Ansicht ist, daß sich sein Einwand nicht erledigt hat, muß er dies verdeutlichen und für die Aufnahme ins Protokoll sorgen. Das ist Voraussetzung für eine spätere Beanstandung und Wiederholung. 128 Lediglich bei offensichtlichen Mängeln trifft die Prüfungsbehörde die Pflicht, auch ohne ausdrückliche Rüge Abhilfe zu schaffen. 129 Entsprechend den zu den physischen Einwirkungen aufgestellten Grundsätzen sind auch sonstige Mängel in der Organisation des Prüfungsverfahrens zu behandeln. Die Chancengleichheit ist nicht verletzt bei ganz geringfügigen „prüfungsimmanenten" Unterschieden. 130 Nur wenn eine Erheblichkeit vorliegt, die zu zeitraubenden Überlegungen oder leistungsmindernden Beunruhigungen führt wie ζ. B. eine nicht ordnungsgemäße Ladung, die Ausgabe verschiedener Kommentare, unvollständiger Prüfungsunterlagen oder eine zu kurze Prüfungsdauer liegt eine Verletzung der Chancengleichheit vor. 1 3 1 123 BVerwG, NJW 1996, 2439 (2440); Haas, VB1BW 1985, 161 (163); Klenke, NWVBL 1988, 199 (202); Kröpil, JuS 1985, 322 (325); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 245; Schiöder, DVP 1991, 91 (95); Wagner, DVB1. 1990, 183 (184). 124 Haas,VB1BW 1985, 161 (163 f.). 125 BVerwG, NJW 1976, 905 (906); OVG Rh.-Pf., NVwZ 1988, 457 (458); Kröpil, JuS 1985, 322 (325); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 245. 126 BVerwG, NJW 1996, 2439 (2442). 127 Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 244; Ausnahme bei engem zeitlichem Zusammenhang und gleichartiger Störung: BVerwG, NVwZ 1994,486 (489). 128 Hamann/Vahle, VR 1990, 17 (22); Klenke, NWVBL 1988, 199 (202). 129 BVerwG, NJW 1996, 2439 (2441); BVerwGE 94,64 (72 f.). 130 OVG Rh.-Pf., NVwZ 1988,457 (457).

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Unabhängig von den Pflichten des Kandidaten trifft die Prüfungsbehörde jedoch stets eine Pflicht zur vorbeugenden Vermeidung von Störungen. 132 Sie hat schon im vorhinein organisatorische Maßnahmen zu treffen, die einen reibungslosen Ablauf gewährleisten. Ist beispielsweise mit Baulärm o. ä. zu rechnen, so ist sogleich für eine Verlegung in einen anderen Raum zu sorgen 133 ; bei einer Verlegung muß gewährleistet sein, daß die ankommenden Prüflinge an den Ort der Prüfung geleitet werden. 134

(3) Fairneß und Sachlichkeit Das aus dem Grundsatz der Chancengleichheit (Art. 3 I GG) und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 IE GG) abgeleitete Gebot der Fairneß verpflichtet den Prüfer, darauf zu achten, daß das Prüfungsverfahren auch hinsichtlich des Stils der Prüfung und der Umgangsformen der Beteiligten einen einwandfreien Verlauf nimmt. 1 3 5 Es soll vermieden werden, daß der Prüfling durch unangemessenes Verhalten des Prüfers einer psychischen Belastung ausgesetzt ist, die das Bild seiner Leistungsfähigkeit verfälscht und dadurch seine Chancen mindert. 136 Das Fairneßgebot ist verletzt, wenn der Prüfer den Prüfling durch höhnische, sarkastische oder ähnliche Bemerkungen herabsetzt oder der Lächerlichkeit preisgibt, selbst wenn seine Leistungen noch so unzulänglich sein mögen. 137 Sachbezogene Äußerungen, auch wenn sie ungeschickt sind, deutliche Kritik oder ein Unterbrechen des Kandidaten bei falschen Antworten werden dagegen nicht als Verletzung des Fairneßgebots angesehen.138 Selbst wenn dies zu einer Verunsicherung 131 BVerwG, BayVBl. 1994, 725 (725); OVG NW, NVwZ 1988, 458 (460); NWVBL 1996, 132 (133); Klenke, NWVBL 1988,199 (202). 132 OVG NW, NVwZ 1988,459 (460). 133 BVerwG, NVwZ 1994,486 (487); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 240. 134 OVG NW, NWVBL 1996, 132 (132). 135 BVerwGE 55, 355 (358 ff.); 70, 143 (144 f.); OVG NW, NVwZ 1988, 458 (458); von Golitschek, BayVBl. 1994, 300 (300); Kröpil, JuS 1989, 243 (245); Müller, PersV 1997, 49 (51); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 184; Rozek, JA 1989, 233 (237 f.); Seebass, NVwZ 1985, 521 (525); Seyderhelm, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz, S. 84; Tettinger, Fairneß, S. 49; Wagner, DVB1. 1990, 183 (185). 136 BVerwGE 70, 143 (145); OVG NW, NVwZ 1988, 458 (459), mit Beispielen; Kröpil, JuS 1989, 243 (245); Rozek, JA 1989, 233 (238); Seebass, NVwZ 1985, 521 (525); Wagner, DVB1. 1990, 183(185). 137 BVerwG, NJW 1978, 2408 (2408 f.); Klenke, NWVBL 1988, 199 (203); Kröpil, JuS 1989, 243 (245); Müller, PersV 1997, 49 (51); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 185, mit Beispielen; Wagner, DVB1. 1990, 183 (185), mit Beispielen. 138 BVerwG, NVwZ 1993, 681 (682); DVB1. 1993, 49 (51), mit Beispielen; VGH Bad.Württ., BWVP 1995, 42 (42); Klenke, NWVBL, 1988, 199 (203) mit Kröpil, JuS 1989, 243 (245), mit Beispielen; Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 187, mit Beispielen; Wagner, DVB1. 1990, 183(185).

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des Prüflings führe, sei dies statthaft, da prüfungsimmanent, und es gehöre schließlich auch in gewissem Umfang zu dem in der Prüfung nachzuweisenden Leistungsvermögen, mit einer psychologisch als ungut empfundenen Situation fertig zu werden und Kritik hinzunehmen. Es gebe keinen Anlaß, Fehlleistungen zu beschönigen.139 Eine Verletzung des Gebots der Fairneß und damit auch der Chancengleichheit wird daher nur bei „eindeutigen Entgleisungen" beanstandet.140 Gelegentliche „Ausrutscher" und „Entgleisungen" derart, daß sie aus der Situation heraus, insbesondere im Hinblick auf Fehlleistungen des Prüflings, nicht ganz und gar unverständlich erscheinen, hat der Prüfling deshalb hinzunehmen. Dies gilt auch dann, wenn er aufgrund seiner psychischen Konstitution den Belastungen und dem Streß einer Prüfung mehr als andere ausgesetzt sein sollte. 141 Eine Verletzung des Fairneßgebotes führt zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung, da nicht auszuschließen ist, daß sich das Fehlverhalten als leistungsmindernde psychische Belastung ausgewirkt hat. 1 4 2 Da es zu einer solchen psychischen Belastung nur bei Bemerkungen in mündlichen Prüfungen kommen kann, kommt selbst bei deutlich „unfairen" Randbemerkungen und Prüfervoten in schriftlichen Arbeiten, in die in der Regel erst nach Abschluß der Prüfung Einsicht gewährt wird und die den Prüfling in diesem Zeitpunkt nicht mehr in rechtlich erheblicher Weise verunsichern können 143 , keine Verletzung des Gebots der Fairneß in Betracht. 144 Das bedeutet jedoch keinesfalls, daß solche Bemerkungen in schriftlichen Arbeiten vollkommen „ungestraft" vorgenommen werden dürften. Sie können ζ. B. ein Indiz für die Befangenheit des Prüfers darstellen 145 oder gegen das Gebot der Sachlichkeit verstoßen. 146 Das Gebot der Sachlichkeit ist nach allgemeiner Auffassung ein allgemeingültiger Bewertungsgrundsatz. 147 Im Gegensatz zum Fairneßgebot, das Stil und Umgangsformen beim Zustandekommen sichern soll, betrifft das Sachlichkeitsgebot 139 Klenke, NWVBL 1988, 199 (203); Kröpil, JuS 1989, 243 (245); Müller, PersV 1997, 49 (52). 140 BVerwG 55, 355 (359 f.); Klenke, NWVBL 1988, 199 (203); Wagner, DVB1. 1990, 183 (185). 141 BVerwGE 55, 355 (359 f.); Kröpil, JuS 1989, 243 (245, 247). 142 von Golitschek, BayVBl. 1994, 300 (301); Kröpil, JuS 1989, 243 (246). 143 Klenke, NWVBL 1988, 199 (205). 144 BVerwGE 70, 143 (145); von Golitschek, BayVBl. 1994, 300 (301); Seebass, NVwZ 1985,521 (525). 145 S. u. F. II. 4. b) (2). 146 Klenke, NWVBL 1988, 199 (205); VGH Bad.-Württ., DVB1. 1990, 944 (944), mit Beispielen; Kröpil, JuS 1989,243 (246); Seebass, NVwZ 1985,521 (525). 147 BVerwGE 70, 143 (143); Hamann/Vahle, VR 1990, 17 (20); Kröpil, JuS 1989, 243 (247); Seebass, NVwZ 1985, 521 (525, 527); nicht ganz eindeutig: Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 184.

II. Formelle Fragen

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die Bewertung der Leistungen. 148 Die Bewertung durch den Prüfer muß mit innerer Distanz und der notwendigen Gelassenheit erfolgen. 149 Die selbständige Bedeutung des auch für das Prüfungsverfahren geltenden Sachlichkeitsgebots besteht darin, daß hier nach schon die äußere Form der Darstellung ausschlaggebend sein kann, wenn die Randbemerkungen etwa ihrem Wortlaut nach unsachlich, aggressiv oder gar beleidigend sind. Auf die Intention kommt es nicht an. 1 5 0 Einen solchen Verstoß sah ζ. B. das Verwaltungsgericht Düsseldorf in der Randbemerkung: „All das ist mehr Zeichen für mangelnde Intelligenz als für mangelnde Rechtskenntnisse." Damit habe sich der Prüfer „in herabwürdigender Weise auch mit der Person des Prüflings auseinandergesetzt".151

(4) Protokollierung Dem Prüfungsprotokoll kommt die Aufgabe zu, im Bedarfsfall Beweiszwecken zu dienen. 152 Zwar ist auch in den schriftlichen Prüfungen ein Protokoll zu führen, in dem dann beispielsweise Lärmstörungen oder Rücktrittserklärungen wegen krankheitsbedingter Prüfungsunfähigkeit festgehalten werden. Eine gesteigerte Bedeutung besitzt jedoch das Prüfungsprotokoll, das über die mündliche Prüfung Aufschluß gibt. 1 5 3 Nach herrschender Ansicht muß das Protokoll der mündlichen Prüfung im allgemeinen Angaben über die teilnehmenden Prüfer, den Prüfungsstoff oder die Prüfungsaufgaben, die Bewertung der Gesamtleistung, die Dauer und den wesentlichen Verlauf der Prüfung, d. h. den äußeren Ablauf, enthalten. Dies leitet sich aus prüfungsrechtlichen Grundsätzen ab und ist so auch in zahlreichen Prüfungsordnungen geregelt. 154 Eine Pflicht zur Niederschrift von Einzelheiten der Prüfungsaufgaben, d. h. der Fragen und Antworten, wird von der überwiegenden Ansicht verneint. Die Herstellung eines Wortprotokolls sei von Verfassungs wegen weder wegen des Grundrechts der Berufsfreiheit aus Art. 12 I GG noch wegen der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 IV GG geboten. 155 Die früher u. a. vom Bundesverwaltungsgericht 148 s. u. F. II. a) (3) und b) (3); Klenke, NWVBL 1988, 199 (205); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 184. 149 OVG NW, NVwZ 1993, 94 (94). 150 Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 184. 151 VG Düsseldorf, Urt. v. 27. 05. 1994, 15 Κ 4546/91 η. v.; zustimmend Leuze, in: Hailbronner, HRG, Rdnr. 100. 152 BVerwG, NVwZ 1993, 689 (689); NVwZ 1995, 494 (494); OVG NW, DVB1. 1992, 1049 (1050); Becker, DÖV 1970, 730 (734); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 246. 153 Becker, DÖV 1970, 730 (734). 154 BVerwG, NWVBL 1994, 330 (330); OVG NW, NWVBL 1992, 67 (68); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 247.

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F. Wege zu gerechteren Entscheidungen

gegebene Begründung, eine genaue Protokollierung sei erläßlich, da die fachlichpädagogischen Bewertungen der Antworten ohnehin keiner gerichtlichen Kontrolle unterlägen und damit der Beweiszweck entfiele 156 , gibt der nunmehr für Prüfungssachen zuständige 6. Senat allerdings ausdrücklich auf. Nachdem das Bundesverfassungsgericht 1991 eine Überprüfung fachwissenschaftlicher Richtigkeitsentscheidungen durch die Gerichte und dem vorgeschaltet ein verwaltungsinternes Überdenken der Entscheidung - auch der prüfungsspezifischen Wertungen - durch die Prüfer verlangt hat, sei die Auffassung des bis dahin zuständigen 7. Senats nicht mehr haltbar. 157 Denn weder die vom Gericht ggf. zu prüfende Frage, ob die Antwort fachlich „vertretbar" ist, noch die für ein verwaltungsinternes Überdenken geforderte substantiierte Darlegung der kritisierten Bewertungsfehler durch den Kandidaten sind ohne die Kenntnis der wesentlichen Gedankengänge und Erwägungen der Prüfer möglich. 158 Gleichwohl hält das Bundesverwaltungsgericht, was das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich bestätigt hat, auch in seiner neueren Rechtsprechung eine Protokollierung des gesamten Prüfungsgeschehens einschließlich der Fragen und Antworten nicht für verfassungsrechtlich geboten.159 Zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes müßten jedoch hinreichende verfahrensmäßige Vorkehrungen getroffen werden, um das Prüfungsgeschehen auch nachträglich noch aufklären zu können. Durchaus ausreichend seien dazu die im Prozeß üblichen Beweismittel. 160 Geeignetes Mittel sei die Parteivernehmung und die Vernehmung der sachkundigen Mitprüfer, der Mitprüflinge, Protokollführer oder Zuhörer zum Nachweis über tatsächliche Vorgänge als Zeugen. 161 Darüber hinaus böten Wortlautprotokolle die Gefahr, daß hierdurch der Zweck mündlicher Prüfungen wesentlich geändert werde. 162 An die Stelle eines individuellen, flexiblen Prüfungsgesprächs träte möglicherweise ein schematisches Frage- und Antwortspiel. Fähigkeiten und Kenntnisse, die typischerweise in der besonderen Atmosphäre und unter den spezifischen Bedingungen einer mündlichen Prüfung ermittelt werden sollen, träten in den Hintergrund. 163 Ohnehin komme dem exakten Wortlaut einzelner Fragen und Antworten kaum ausschlag155 BVerfG, DVB1. 1996,433 (433); BVerwG, NVwZ 1995,494 (494). 156 BVerwGE 38, 322 (325); OVG NW, NWVBL 1992, 67 (68); von Golitschek, BayVBl. 1994,257 (261); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 248; NJW 1991, 3001 (3003). 157 BVerwG, NVwZ 1995,494 (494). 158 BVerwG, NVwZ 1993, 689 (689); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 248; a.A. von Golitschek, BayVBl. 1994, 257 (261). 159 BVerfG, DVB1. 1996, 433 (433); BVerwG, NWVBl. 1994, 330 (331); NVwZ 1995, 494 (494). 160 BVerwG, NWVBl. 1994, 330 (331); NVwZ 1995, 494 (494 f.); HessVGH, DVB1. 1995,1364 (1365), Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 249 161 BVerfG, DVB1. 1996, 433 (433); BVerwG, NWVBL 1994, 330 (331); NVwZ 1995, 494 (495); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 249. 162 BVerfG, DVB1. 1996,433 (433). 163 BVerwG, NVwZ 1995,494 (495).

II. Formelle Fragen

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gebende Bedeutung für das Bewertungsergebnis oder gar das Bestehen zu. 1 6 4 Schließlich seien Wortprotokolle auch deshalb ungeeignet, weil sie nicht erkennen ließen, ob Antworten sicher, zögernd oder erkennbar als Rateergebnis gegeben werden, ob es sich um einen sofort korrigierten Versprecher oder eine falsche Antwort handele, die erst auf eine nonverbale Prüferreaktion hin korrigiert werde, und anderes mehr. 165 Weitergehende Anforderungen an die Protokollierungspflicht wie ζ. B. Tonband- oder Videoprotokolle werden von der höchstrichterlichen Rechtsprechung verneint. 166 Einige Stimmen in der Literatur halten solche Protokolle für aus rechtsstaatlichen Gründen geboten, da sie das einzige Mittel der Aufhellung des Sachverhalts seien, um eine Fehler- und Vertretbarkeitskontrolle sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Prozeß durchzuführen. 167 Dagegen wird zum einen eingewandt, derartige Dokumentationen führten zu zusätzlicher Verunsicherung und schränkten die Unbefangenheit noch weiter ein. 1 6 8 Zum anderen entzögen sich viele Elemente der Prüfungsleistung ohnehin einer Protokollierung und könnten auch mit technischen Hilfsmitteln nicht so zuverlässig erfaßt werden, daß auf diese Weise alle maßgeblichen Grundlagen des Bewertungsvorgangs unverfälscht zutage träten. Das betreffe beispielsweise das schnelle Erfassen des Wesentlichen, das „ M i t g e h e n " im Prüfungsgespräch oder die Sicherheit der Darlegungen des Prüflings. 169 Mängel des Protokolls haben keinen selbständigen Einfluß auf das Prüfungsergebnis. Sie machen das Ergebnis der Prüfung nicht fehlerhaft, da die Bewertung aufgrund des tatsächlichen Geschehens und nicht aufgrund des Protokolls erfolgt. 170

b) Das Verfahren

der Leistungsbewertung

Das Verfahren der Leistungsbewertung hat erheblichen Einfluß auf die spätere Prüfungsnote. Obwohl der Kandidat mit dem Erbringen einer bewertungsfähigen Leistung das Seinige bereits getan hat und damit an sich schon feststeht, was er „geleistet" hat, 164 BVerfG, DVB1. 1996,433 (433 f.). 165 HessVÖH, DVB1. 1995, 1364 (1364), mit weiteren Beispielen. 166 BVerfG, DVB1. 1996,433 (433); BVerwG, NVwZ 1995,494 (494). 167 Becker, NVwZ 1993, 1229 (1234); Boeck, Akademische Prüfungen, S. 127; Brehm, RdJB 1992, 87 (91); Semler, NJW 1973, 1774 (1775); einschränkend: Guhl, Prüfungen, S. 270 ff. 168 HessVGH, DVB1. 1995, 1364(1365). 169 BVerwG, NWVBL 1994, 330 (331); NVwZ 1995,494 (495 f.). no HambOVG, BWVP 1992, 260 (260); Guhl, Prüfungen, S. 273; Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 250.

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und bereits niedergelegt ist, was er kann, folgt mit der Bewertung der Arbeit durch den Prüfer der letztlich für das Ergebnis entscheidende Schritt; nämlich, mit welcher Endnote die Arbeit begutachtet, und damit letztlich, mit welchen Berufschancen der Kandidat ins Arbeitsleben geschickt wird. Auf Grund dieser besonderen Bedeutung ist das Verfahren, in dem die Bewertung vorgenommen wird, ein sehr geeigneter - wenn nicht gar der geeignetste Ansatzpunkt für Maßnahmen zum Ausgleich materieller Steuerungs- und Kontrolldefizite. Hier erfolgt die Umsetzung der Prüfungsleistung in eine Note, und an dieser Stelle finden gerade die Vorgänge statt, die lediglich einer recht eingegrenzten Kontrolle unterliegen. Eine bessere Gestaltung dieses Bewertungsvorgangs und damit ein „gerechteres" Ergebnis können logischerweise nur dann erreicht werden, wenn gerade dieser Vorgang, der durch die „Grenzen menschlichen Erkenntnisvermögens" und die daraus folgende begrenzte Kontrolle geprägt ist, besser erfaßt bzw. formalisiert wird. Das wird leider allzu häufig übersehen und der Schwerpunkt der Verfahrensregelung statt dessen auf eine immer strengere Formalisierung des Verfahrens der Leistungsermittlung 1 7 1 gelegt. Der praktische Nutzen ist - wie zurecht oft festgestellt wird - eher gering. (1) Qualifikation der Prüfer An den Prüfer und seine Qualifikation als die Person, die im Ergebnis alles oder zumindest vieles in der Hand hat, sind besondere Anforderungen zu stellen. Der Prüfer muß fachlich qualifiziert sein, die Prüfung abzunehmen.172 Das verlangt das verfahrensrechtliche Gebot gleicher Prüfungschancen. 173 Nicht erforderlich ist, daß der Prüfer selbst den gleichen Qualifikationsnachweis erbracht, d. h. die gleiche Prüfung abgelegt hat. 1 7 4 Obgleich ein solcher formeller Nachweis der Qualifikation nicht zwingend erforderlich ist, ist materiell eine gewisse Fachkenntnis zu verlangen. Diese ist Grundvoraussetzung dafür, den Wert der Leistung eigenverantwortlich zu ermitteln, zu beurteilen und zu einer freien und unabhängigen Entscheidung zu gelangen.175 Solchen Anforderungen kann der Prüfer nur gerecht werden, wenn er eine durch die Prüfung festzustellende oder eine zumindest gleichwertige Qualifikation aufweisen kann. 176 Eine darüber hinausgehende 171 S. o. F. II. 4. a). 172 Klenke, NWVBL 1988, 199 (204); von Mutius, Jura 1982, 555 (556); Jura 1991, 502 (502); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 174; Rozek, JA 1989, 233 (236); Thürk, BayVBl. 1991, 428 (429). 173 Von Golitschek, BayVBl. 1994, 300 (303); von Mutius, Jura 1991, 502 (502). 174 BVerwG, DÖV 1992, 884 (884); von Golitschek, BayVBl. 1994, 300 (303); von Mutius, Jura 1991, 502 (502). 175 Von Mutius, Jura 1982, 555 (556); Jura 1991, 502 (502); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 174. 176 § 15 IV 2 HRG; § 92 I 2 UG NW; BVerwG, DÖV 1992, 884 (884); Müller, PersV 1997,49 (51); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 175; Rozek, JA 1989,233 (236).

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besondere Spezialisierung des Prüfers in dem Fachgebiet, dem die Aufgabe entstammt, ist nach herrschender Ansicht nicht geboten.177

(2) Befangenheit (a) Voraussetzungen fiir die Annahme der Befangenheit Die Befangenheit eines Prüfers wird zwar im Verwaltungsstreitverfahren häufig gerügt, führt jedoch in den seltensten Fällen zum Erfolg der Klage. 178 Die Mitwirkung ausgeschlossener oder befangener Prüfer verletzt die Chancengleichheit (Art. 3 I GG) und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 ΠΙ GG). 1 7 9 Wann der Ausschluß oder die Befangenheit eines Prüfers anzunehmen sind, ergibt sich aus den §§20 und 21 VwVfG und den entsprechenden Regelungen in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder, sofern nicht die jeweils einschlägige Prüfungsordnung eine speziellere Regelung aufweist. Keine besonderen Schwierigkeiten ergeben sich bei der Anwendung des § 20 VwVfG. Danach sind Prüfer, die zu dem dort genannten Personenkreis gehören, kraft Gesetzes von einer Prüfung ausgeschlossen, in der es um die Bewertung von Leistungen solcher Personen geht, die in einem persönlichen oder sonstwie besonders nahen Verhältnis zum Prüfer stehen. Von erheblich größerer praktischer Bedeutung ist die Frage nach der Besorgnis der Befangenheit gem. § 21 VwVfG. Ob eine Voreingenommenheit des Prüfers zu besorgen ist, ist aufgrund objektiver Kriterien, allerdings vom subjektiven Standpunkt aus der Sicht des Prüflings, zu beurteilen. 180 Die rein subjektive Besorgnis des Prüflings reicht hingegen nicht aus. Es muß vielmehr ein Grund vorliegen, der geeignet ist, Mißtrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen. Aus der Sicht eines vernünftigen Prüflings muß die nicht auf Mutmaßungen, sondern auf Tatsachen sich gründende Befürchtung gerechtfertigt erscheinen, der Prüfer werde die Beurteilung nicht mit der gebotenen Distanz und Objektivität vornehmen. 181 Das kann ζ. B. bei persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Prüfling und Prüfer - sofern nicht schon § 20 VwVfG einschlägig ist - , bei abwertenden Randbemerkungen oder bei bestimmten Äußerungen des Prüfers gegenüber 177 Klenke, NWVBL 1988, 199 (204); Müller, PersV 1997, 49 (51); von Mutius, Jura 1981, 555 (556); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 176. π» Klenke, NWVBL 1988,199 (204); von Mutius, Jura 1982, 555 (556). 179 Besehe, DÖV 1972, 636 (638); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 189; Semler, JA 1970, 161 (164); Wagner, DVB1. 1990,183 (185). 180 BVerwG, DVB1. 1985, 1069 (1069); von Golitschek, BayVBl. 1994, 300 (301); von Mutius, Jura 1982, 555 (556); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 91; Rozek, JA 1989, 233 (238); Wagner, DVB1. 1990, 183 (185). 181 Wagner, DVB1. 1990, 183 (185). 10 Lampe

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dem Prüfling angenommen werden. 182 Andere Stimmen halten diese Auffassung für bedenklich. Ausreichen müsse - entsprechend ζ. B. der Zivilprozeßordnung die subjektive Besorgnis der Befangenheit. 183 (aa) Befangenheit aufgrund Prüferverhaltens Deutliche Äußerungen über Prüfungsleistungen zu früherer Gelegenheit184 oder deutliche (Rand)-Bemerkungen, sofern sie sachlich bleiben, stellen für sich gesehen noch keine Tatsachen dar, die eine Besorgnis der Befangenheit begründen könnten. 185 Ein anderes Bild ergibt sich allerdings, wenn die (Rand-) Bemerkungen emotional aufgeladen sind, wobei Äußerungen, die durch einen solchen Mangel an Sachlichkeit und Objektivität gekennzeichnet sind, zugleich einen Verstoß gegen das Gebot der Sachlichkeit darstellen. 186 (bb) Befangenheit aufgrund erneuter Befassung mit einer Prüfungsarbeit Die erneute Befassung eines Prüfers mit der Bewertung einer Arbeit rechtfertigt nach herrschender Ansicht ebenfalls nicht den Schluß, er sei nunmehr voreingenommen.187 Es sei denn, der Prüfer bekräftigt mehrfach seine Entscheidung mit nicht haltbaren Gründen, da er damit seine Festlegung auf die ursprüngliche Bewertung zeigt. 188 Das gilt nicht nur für eine Neubewertung nach einer Beanstandung durch das Gericht oder die Aufsichtsbehörde bzw. im verwaltungsinternen Verfahren des Überdenkens 189, sondern wird sogar auch für eine Wiederholungsprüfung nach 182 Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 192; Rozek, JA 1989, 233 (238). 183 Semler, JA 1970, 161 (164). 184 Rozek, JA 1989, 233 (238); Wagner, DVB1. 1990, 183 (185). 185 VGH Bad.-Württ., BWVP 1995, 42 (42); OVG NW, NWVBL 1994, 135 (135), mit Beispielen; \on Golitschek, BayVBl. 1994, 300 (300 f.); Hufen, JuS 1994, 522 (523); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 192; Rozek, JA 1989, 233 (238); Wagner, DVB1. 1990, 183 (185). 186 Klenke, NWVBL 1988, 199 (205); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 192; Seebass, NVwZ 1985,521 (525). 187 BVerwG, DVB1. 1983, 90 (91); NVwZ 1985, 576 (576); NVwZ 1993, 677 (680 f.); NVwZ 1993, 681 (686); NJW 1995, 3266 (3266); DÖV 1996, 300 (301); NVwZ-RR 1996, 505 (505); BayVGH, NVwZ 1991, 499 (500); von Golitschek, BayVBl. 1994, (301 f.); Müller, PersV 1997, 49 (51); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 193; Rozek, NVwZ 1992, 33 (36); Wagner, DVB1. 1994, 183 (185). iss BVerwG, DÖV 1995, 114 (115); HessVGH, DVB1. 1995, 436 (436 f.); Müller, PersV 1997,49 (51); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 193. 189 BVerwG, DVB1. 1983, 90 (91); NVwZ 1993, 681 (686); NVwZ 1985, 576 (576); BayVGH, NVwZ 1991, 499 (500); von Golitschek, BayVBl. 1994, 300 (301 f.); Rozek, NVwZ 1992, 33 (36); Wagner, DVB1. 1990,183 (185).

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Nichtbestehen vor demselben Prüfer angenommen.190 Ohne objektive Anhaltspunkte könne nicht unterstellt werden, der Prüfer sei nicht fähig oder nicht willens, sich bei der erneuten Bewertung von seinem früheren Votum zu lösen. 191 Die Zweitbeurteilung durch dieselben Prüfer wird allerdings von zahlreichen Stimmen aus der Literatur, aber auch von einigen aus der Rechtsprechung für nicht unbedenklich gehalten, da der Erstprüfer nicht frei vom bösen Schein der Befangenheit sei. 1 9 2 Ob der Kläger den Anforderungen der jeweiligen Prüfung genüge, könne nur von einer anderen Prüfungskommission ohne jede Voreingenommenheit festgestellt werden. 193 Die überwiegende Auffassung nimmt an, daß der Grundsatz der Chancengleichheit im Verhältnis zu den anderen Kandidaten ausschließt, daß eine Neubewertung generell von anderen Prüfern vorgenommen werden kann. Eine Beibehaltung derselben Prüfer sei geboten, da ansonsten weder die Anwendung derselben Bewertungsmaßstäbe noch eines einheitlichen Vergleichsmaßstabs für Einordnung der Prüfungsleistung in Relation zu den anderen Arbeiten gewährleistet sei. 1 9 4 (b) Rügeobliegenheit Hat der Prüfling Bedenken bezüglich der Unvoreingenommenheit eines seiner Prüfer, so verlangt seine sich aus dem Grundsatz der Chancengleichheit ergebende Mitwirkungspflicht, daß er dies unverzüglich rügt, so daß eine Auswechselung evtl. noch vor der Prüfung stattfinden kann. 195 Noch mehr als bei der Rügeobliegenheit im Falle einer krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit gewinnt bei der Befangenheitsrüge der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit an Bedeutung. In der Regel darf der Kandidat nicht zunächst das Ergebnis abwarten, weil er sich sonst u. U. eine unberechtigte zweite Prüfungschance verschaffen könnte. 196 Sofern er Anlaß hat, eine Befangenheit des Prüfers zu besorgen, muß er dies sogar schon geltend machen, bevor er sich der Prüfung stellt, die er dann ggf. unter Vorbehalt der Entsprechung seines Befangenheitsantrags zu absolvieren hat. 1 9 7 190 BVerwG, NVwZ 1985, 576 (576); OVG NW, DÖV 1981, 587 (587); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 184; Rozek, NVwZ 1992, 33 (36). 191 BVerwG, DVB1. 1983, 90 (91); NVwZ 1993, 677 (680); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 194; Rozek, NVwZ 1992, 33 (36). 192 OVG NW, NVwZ 1993, 95 (97); Besehe, DÖV 1972, 636 (638); Kopp, DVB1. 1991, 988 (990); Löwer, in: FS für Redeker, S. 522 f.; Muckel, WissR 1994, 107 (125); Stüer, DÖV 1974, 257 (263). 193 OVG NW, NVwZ 1993, 95 (97); Stüer, DÖV 1974, 257 (263). 194 BVerwG, NVwZ 1983, 90 (92); NVwZ 1993, 677 (680); von Golitschek, 1994, 300 (301 f.); Rozek, NVwZ 1992, 33 (36). 195 Kopp, BayVBl. 1994, 109 (109); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 195. 196 OVG NW, NWVBL 1993, 293 (294 f.); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 195. 197 Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 195. 1*

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Unzumutbarkeit dürfte jedoch hinsichtlich einer Befangenheitsrüge vor und in der mündlichen Prüfung anzunehmen sein. 198 Der Kandidat hat weder Zeit noch Ruhe, um die Konsequenzen zu durchdenken und setzt sich zudem der Gefahr aus, das Verhältnis zu den Prüfern (noch mehr) zu belasten.199 Trotzdem muß die Rüge grundsätzlich noch vor der Verkündung des Ergebnisses erfolgen. 200 Als spätester Zeitpunkt wird das Ende der Klagefrist angegeben.201 (3) Sachfremde Erwägungen, Gebot der Sachlichkeit Das Verbot sachfremder Erwägungen stellt einen besonders gravierenden Fall der Nichtbeachtung des Gebots der Sachlichkeit dar. 202 Die Mißachtung des Verbots sachfremder Erwägungen erzeugt jedoch einen inhaltlichen Bewertungsfehler und nicht lediglich einen Verfahrensfehler. 203 Auch das Gebot der Sachlichkeit wird nach herrschender Ansicht als allgemeingültiger Bewertungsgrundsatz 204 angesehen und ist daher eher der materiellen Seite zuzuordnen. Wegen der engen Verknüpfung mit dem Bewertungsverfahren hat es hier gleichwohl Erwähnung erfahren. Hinsichtlich des Inhalts des Sachlichkeitsgebots und des Verbots sachfremder Erwägungen kann auf das oben Gesagte verwiesen werden. 205 (4) Begründung Das Grundrecht auf freie Berufswahl gem. Art. 121 GG und das Recht auf effektiven Rechtsschutz gem. Art. 19 IV GG erfordern, daß die Prüfer die Bewertung einer schriftlichen Prüfungsarbeit schriftlich begründen. 206 Die Begründung muß ihrem Inhalt nach so beschaffen sein, daß das Recht des Prüflings, Einwände gegen die Bewertung wirksam vorzubringen, ebenso gewährleistet ist wie die Möglichkeit einer sich daran anschließenden gerichtlichen Kon198 OVG NW, NVwZ 1988,458 (459). 199 Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 195. 200 Ausnahme vgl. OVG NW, NVwZ 1988,458 (459). 201 OVG NW, NWVBL 1992, 99 (101). 202 BVerwGE 70, 143 (151 f.); Kröpil, JuS 1989, 243 (244 f.); Rozek, JA 1989, 233 (240); Wagner, DVB1. 1990, 183 (187). 203 BVerwGE 60, 245 (246); 61, 176 (186 ff.); 62, 330 (340); 63, 3 (5); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 184; s. o. D. IV. 3. c), 4. und E. I. 2 204 BVerwGE 70, 143 (143), Hamann/Vahle, VR 1990, 17 (20); Kröpil, JuS 1989, 243 (247); Seebass, NVwZ 1985, 521 (525). 205 S. o. D. IV. 3. c); F. II. 4. a) (3). 206 BVerwGE 91, 262 (264 ff.); BVerwG, DÖV 1996, 510 (511); VGH Bad.-Württ., VB1BW 1991, 312 (312); von Golitschek, BayVBl. 1994, 257 (261); Günther, NWVBL 1991, 181 (184); Kröpil, JuS 1989, 243 (246); Neufelder, BayVBl. 1974, 335 (335 ff.); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 280; NJW 1991, 3001 (3003).

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trolle. 207 Daher müssen die maßgeblichen Gründe, die den Prüfer zu der abschließenden Bewertung veranlaßt haben, zwar nicht in den Einzelheiten, aber doch in den für das Ergebnis ausschlaggebenden Punkten erkennbar sein 2 0 8 Der Kandidat muß die grundlegenden Gedanken erfahren, die den Prüfer letztendlich zu der Bewertung bewogen haben. 209 Ansonsten könnte der Prüfling, der ein Überdenken verlangt, die Einwände aus Mangel an Anhaltspunkten gar nicht - wie vom Bundesverfassungsgericht verlangt 210 - substantiiert darlegen. Außerdem fände weder die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Kontrolle fachwissenschaftlicher Richtigkeitsentscheidungen noch die ebenfalls nach dem Bundesverfassungsgericht einer strengeren Überprüfung zu unterziehenden prüfungsspezifischen Wertungen einen hinreichenden Ansatzpunkt. 211 Teilweise wird vertreten, daß die Anforderungen an die Begründung um so strenger würden, je schlechter die abschließende Bewertung der Prüfungsarbeit sei. 212 Nicht ausreichend sind jedenfalls „unangreifbare" allgemeine, nichtssagende bzw. inhaltslose Floskeln, deren vermehrter Gebrauch angesichts der nun verbindlichen Überprüfbarkeit fach wissenschaftlicher Fragen befürchtet wurde. 213 Neben das - zwar heilbare 214 - Begründungsdefizit träte damit allerdings ein gewichtiges Indiz für ein Bewertungsdefizit. 215 Zurecht wird vertreten, daß dieses Defizit nachträglich nur schwer auszufüllen sein dürfte. Gelingt die Ausfüllung nicht, so liegt jedenfalls eine fehlerhafte Prüfungsentscheidung vor. Die meisten Prüfer werden sich - nicht nur um die soeben dargestellten Probleme zu vermeiden - ohnehin um eine nachvollziehbare und die wesentlichen Gesichtspunkte ansprechende Begründung bemühen. Die Frage der Begründungspflicht mündlicher Prüfungen wird nicht einheitlich beantwortet. 216 Im Grundsatz wird ein Anspruch auf eine Bewertungsbegründung 207 BVerwG, NVwZ 1993, 689 (689); NVwZ-RR 1994, 582 (583); DÖV 1995, 114 (114); DÖV 1996, 510 (511); OVG NW, DVB1. 1994, 644 (646); VGH Bad.-Württ., VB1BW 1991, 312(312). 208 BVerwGE 91, 262 (265); NVwZ 1993, 677 (678 f.); NVwZ-RR 1994, 582 (583); OVG NW, DVB1. 1994, 644 (646); VGH Bad.-Württ., VB1BW 1991, 312 (312); von Golitschek, BayVBl. 1994, 257 (261); Günther, NWVBL 1991, 181 (184 f.); Kröpil, JuS 1989, 243 (246); Neufelder, BayVBl. 1974, 335 (335 ff.); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 280; NJW 1997,557 (560). 209 BVerwG, NVwZ-RR 1994, 582 (584); von Golitschek, BayVBl. 1994, 257 (261); Niehues, NJW 1991, 3001 (3003). 210 BVerfG, NJW 1991, 2005 (2005 f.). 211 Niehues, NJW 1991, 3001 (3003). 212 Günther, NWVBL 1991, 181 (184); Kröpil, JuS 1989,243 (246). 213 Hufen, JuS 1992, 252 (254); Seebass, NVwZ 1992,609 (618). 214 Ζ. B. im Verfahren des Überdenkens; Niehues, NJW 1991, 3001 (3003). 215 Borsdorff, DVP 1996, 192 (195); Niehues, NJW 1991, 3001 (3003); Wortmann, NWVBL 1992, 304 (313). 216 Von Golitschek, BayVBl. 1994, 257 (261); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 281.

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aus Art. 12 I GG und Art. 19 IV GG auch für mündliche Prüfungen anerkannt. Denn nur so wird der Prüfling in den Stand versetzt, Einwände gegen die Bewertung wirksam vorzubringen und unberechtigte Eingriffe in sein Grundrecht aus Art. 12 I GG abzuwehren. 217 Allerdings müsse den besonderen Bedingungen und spezifischen Zwecken mündlicher Prüfungen im Unterschied zu schriftlichen Prüfungen Rechnung getragen werden. 218 Im Gegensatz zu schriftlichen Prüfungsleistungen werden die Leistungen in mündlichen Prüfungen sofort und von allen Prüfern gleichzeitig bewertet. 219 Nach Auffassung u. a. des Bundesverwaltungsgerichts könne der Prüfling zudem aus den Reaktionen der Prüfer auf die Antwort bereits Schlüsse hinsichtlich der Bewertung ziehen. So stimme die mitgeteilte Prüfungsnote mit den eigenen Erwartungen und Selbsteinschätzungen überein, daß sich eine Begründung erübrige. 220 Das Oberverwaltungsgericht NordrheinWestfalens ist dagegen der Ansicht, (verbale) Reaktionen der Prüfer böten gerade keinen hinreichend sicheren Anhalt für die der Bewertung zugrunde gelegten Maßstäbe. 221 Des weiteren unterschieden sich mündliche von schriftlichen Prüfungen dadurch, daß sich die Bewertung mündlicher Prüfungsleistungen nicht isoliert auf die einzelne Antwort beschränke, sondern daß das gesamte Umfeld der Prüfung wie etwa das ständige Wechseln von einem Prüfling zum anderen unter Beobachtung der Reaktionen der Prüflinge, Hilfestellungen etc. miteinbezogen werde. Ebenso wie sich diese Aspekte einer umfassenden Protokollierung entzögen222, ließen sie sich allenfalls in groben Zügen bei der Bewertungsbegründung darlegen. 223 Demzufolge liege der Schwerpunkt der Begründungspflicht bei den fachspezifischen Inhalten. Im Unterschied dazu sei bei prüfungsspezifischen Wertungen - Schwierigkeitsgrad, Überzeugungskraft der Argumente, prompte oder zögerliche Antworten, Unsicherheiten im Verhalten - eine zwingende Begründung kaum möglich. Gleichwohl entzögen sich die Grundlagen und wesentlichen Kriterien dieser Wertungen nicht schlechthin einer Begründung, so daß insoweit eine Begründung geboten sei, nicht zuletzt weil auch prüfungsspezifische Wertungen Gegenstand einer - wenngleich begrenzten - gerichtlichen Kontrolle seien. 224 217 BVerwG, DVB1. 1996, 436 (437); OVG NW, DVB1. 1995, 1370 (1371); VGH BadWürtt., BWVP 1996, 113 (114); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 281; a.A. VGH Bad.-Württ., NVwZ-RR, 1996, 34 (36 f.), der eine generelle Begründungspflicht bei mündlichen Prüfungen ablehnt. 218 BVerwG, DVB1. 1996,436 (437); VGH Bad.-Württ., NVwZ-RR 1996, 34 (37). 219 BVerwG, NVwZ 1996,436 (437). 220 BVerwG, DVB1. 1996,436 (438); VGH Bad.-Württ., NVwZ-RR 1996, 34 (37). 221 OVG NW, DVB1. 1995, 1370(1371). 222 s . o. F. II. 4. a) (4). 223 BVerwG, DVB1. 1996,436 (439); VGH Bad.-Württ., NVwZ-RR 1996, 34 (37). 224 BVerwG, DVB1. 1996, 436 (440); ähnlich: VGH Bad.-Württ., BWVP 1996, 113 (114); zu weitgehend: VGH Bad.-Württ., NVwZ-RR 1996, 34 (37), der prüfungsspezifische Wertungen als der gerichtlichen Kontrolle entzogen ansieht.

II. Formelle Fragen

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Entscheidende Voraussetzung für die Begründungspflicht mündlicher Prüfungen ist, daß der Prüfling eine Begründung ausdrücklich verlangt. Nur dann hat der Kandidat, der sich ungerecht beurteilt fühlt, einen Anspruch auf Bekanntgabe jedenfalls der tragenden Gründe. 225 Der konkrete Inhalt der Begründung soll davon abhängen, mit welchem konkreten Begehren und mit welcher Begründung der Prüfling die Begründung verlangt. Je konkreter das Verlangen des Prüflings ist, desto genauer muß auch die Begründung sein. Ein offensichtlich abwegiges Vorbringen begründet keine Pflicht zu einer weiteren, über die wesentlichen Gründe hinausgehenden Begründung. Aus der Fürsorgepflicht der Prüfungsbehörde ergibt sich deren Pflicht, auf das Erfordernis eines solchen spezifizierten Verlangens hinzuweisen.226 Eine obligat(orisch)e schriftliche Begründung stelle einen offensichtlich unnötigen Aufwand dar, weil die Mehrzahl der Prüflinge die Note akzeptiere und gar keine Begründung wolle. 2 2 7 So werde sowohl den den Prüfling betreffenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen als auch den tatsächlichen Möglichkeiten der Prüfer angemessen Rechnung getragen. 228 Umstritten ist des weiteren, ob und wann eine Begründung - soweit sie überhaupt geboten ist - in mündlicher oder in schriftlicher Form erfolgen muß. In der Regel wird eine mündliche Begründung als ausreichend für die Rechtsschutzmöglichkeiten angesehen.229 Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalens differenziert dagegen in zeitlicher Hinsicht. Werde das Ergebnis noch am Prüfungstag vom Prüfer mündlich bekanntgegeben, genüge eine zugleich gegebene mündliche Begründung. Werde die Begründung hingegen nicht bereits am Prüfungstag mitgeteilt, so müsse die spätere Bewertungsbegründung schriftlich erfolgen. In diesen Fällen bestehe insoweit nämlich kein Unterschied zu schriftlichen Prüfungen, als die Bekanntgabe und die Bewertung zeitlich auseinanderfallen. Wegen des Zeitablaufs und des nachlassenden Erinnerungsvermögens der Prüfer biete allein die schriftliche Niederlegung der tragenden Gründe hinreichende Gewähr, die Bewertungsgrundlagen vollständig zu erfahren. 230 Dies sei für den Prüfling von elementarer Bedeutung, während den Prüfern nichts Unmögliches abverlangt werde. 231

225 226 227 228 229 230

BVerwG, DVB1. 1996,436 (438); VGH Bad.-Württ., NVwZ-RR 1993, 34 (37). BVerwG, DVB1. 1996,436 (438 f.). BVerwG, DVB1. 1996,436 (438 f.). BVerwG, DVB1. 1996,436 (437). BVerwG, DVB1. 1996,436 (439); VGH Bad.-Württ., BWVP 1996, 113 (114 f.). OVG NW, DVB1. 1995, 1370 (1371 f.).

231 OVG NW, DVB1. 1996, 1370 (1372).

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F. Wege zu gerechteren Entscheidungen

(5) Zweitvotum Für staatliche und akademische Abschlußprüfungen ist - wegen der besonderen Bedeutung der Prüfungsentscheidung - in aller Regel die Bewertung durch mindestens zwei Prüfer vorgeschrieben. Dadurch sollen das Prüfungsverfahren möglichst gerecht ausgestaltet und nie ganz auszuschließende „Irrtümer" vermieden bzw. korrigiert werden. 232 Klärungsbedürftig ist, ob es sich tatsächlich nur um einen „zusätzlichen Service" handelt 233 , oder ob sich nicht u. a. aus der Vorgabe des Grundrechtsschutzes durch Verfahren eine Pflicht ergibt, bei Berufszulassungsprüfungen die Bewertungen von wenigstens zwei Korrektoren vornehmen zu lassen. Nach weit verbreiteter Ansicht stellt dies noch nicht einmal einen allgemeinen Rechtsgrundsatz dar. 234 Soweit ein Zweitvotum in der jeweiligen Prüfungsordnung vorgeschrieben ist, haben Erst- und Zweitgutachter die Korrektur selbständig und unabhängig vorzunehmen. 235 Jeder Prüfer muß sich ein eigenes Urteil bilden. 236 Dieser Urteilsbildung hat eine gründliche Lektüre der Prüfungsarbeit vorauszugehen. 237 Eine gemeinsame Erarbeitung der Beurteilung durch Erst- und Zweitprüfer ist unzulässig. 238 Der Selbständigkeit der Begutachtung steht nach der herrschenden Meinung nicht entgegen, daß der Zweitprüfer seine Bewertung in aller Regel 239 in Kenntnis sowohl der Rand- und Korrekturbemerkungen als auch des Votums des Erstprüfers vornimmt. 240 Bei gründlicher Lektüre der Prüfungsarbeit und kritischer Prüfung der Randbemerkungen und der Begründung könne sich auch der Zweitprüfer ein eigenes, unabhängiges Urteil bilden. 241 Weder lasse sich der Zweitprüfer durch die Kenntnis der Erstkorrektur pflichtwidrig dazu verleiten, eine selbständige und unabhängige Bewertung zu unterlassen, noch sei er dadurch befangen. 242 232 von Golitschek, BayVBl. 1994, 300 (302); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnrn. 127, 199; Pietzcker, DÖV 1984, 806 (807); 233 von Golitschek, BayVBl. 1994, 300 (302). 234 OVG NW, NJW 1991, 2586 (2588); Knödler, JuS 1995, 365 (367); von Mutius, Jura 1991, 502 (502); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 199. 235 Von Golitschek, BayVBl. 1994, 300 (302); Kröpil, JuS 1985, 322 (325); JuS 1989, 243 (246); von Mutius, Jura 1982, 555 (556); Jura 1991, 502 (502); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 181; Pietzcker, DÖV 1984, 806 (807). 236 Kröpil, JuS 1985, 322 (325); JuS 1989, 243 (246); von Mutius, Jura 1982, 555 (556); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 181. 237 Kröpil, JuS 1985, 322 (325); JuS 1989, 243 (246); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 179. 238 BVerwG, NJW 1983,407 (408); Kröpil, JuS 1985, 322 (325); JuS 1989, 243 (246). 239 Ausnahme: Bad.-Württ. für die Zweite Juristische Staatsprüfung nach § 39 III BadWürtt JAPrO. 240 BVerwG, NJW 1995, 3266 (3266); DÖV 1996, 300 (301); OVG NW, NWVBL 1994, 135 (136); NVwZ 1995, 800 (801); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 181. 241 Kröpil, JuS 1985, 322 (325); JuS 1989, 243 (246); von Mutius, Jura 1982, 555 (556).

II. Formelle Fragen

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Des weiteren ist allgemein anerkannt, daß das Erfordernis der Selbständigkeit dem Zweitgutachter nicht verwehrt, auf das Votum des Erstgutachters Bezug zu nehmen, sofern er diesem - ebenfalls nach kritischer Würdigung der Arbeit - zustimmt. 243 Da den Prüfern nicht zugemutet wird, bereits Gesagtes zu wiederholen, ohne neue Erkenntnisse einzubringen, wird nicht einmal beanstandet, sich lediglich mit einem kurzen Vermerk „einverstanden" dem Votum des Erstprüfers anzuschließen.244 Auch die Vorkorrektur durch Hilfspersonen wird für zulässig erachtet, solange sie sich tatsächlich auf eine reine Hilfstätigkeit beschränkt. 245 Angesichts der Bedeutung und der in vielen Punkten bestehenden Endgültigkeit, durch die die Prüferbewertung gekennzeichnet ist, ist es eine nähere Untersuchung wert, ob diese doch recht geringen Anforderungen an die Selbständigkeit der Bewertung haltbar sind. c) Sonstige formelle Anforderungen (1) Zulassung Gemessen an den zuvor dargestellten Verfahrensregelungen hat die Zulassung einen nur mittelbaren Einfluß auf das Prüfungsergebnis. Die Zulassung wirkt sich lediglich darauf aus, ob der Kandidat überhaupt an der Prüfung teilnimmt. Lediglich die Frage, ob der jeweilige Kandidat die Möglichkeit erhält, eine Prüfungsleistung zu erbringen und ob eine Bewertung dieser Leistung erfolgt, wird hier entschieden. Wegen dieses allenfalls mittelbaren Einflusses soll hier nur eine kurze Darstellung erfolgen. Die Zulassung steht am Beginn des Prüfungsverfahrens und läßt das sog. Prüfungsverhältnis, aus dem sich beiderseits zahlreiche Rechte und Pflichten ergeben, zwischen dem Prüfungskandidaten und der Prüfungsbehörde entstehen.246 Bei der Erfüllung der rechtsgültig festgelegten Zulassungsvoraussetzungen hat der Kandidat aus Art. 3 I GG i.V.m. Art. 12 I GG einen Rechtsanspruch auf die Zulassung, da schon die Entscheidung über die Zulassung auf das Grundrecht der Berufsfreiheit einwirkt. 247 242 Von Golitschek BayVBl. 1994, 300 (302); a.A. Knödler, JuS 1995, 365 (368); kritisch, allerdings bzgl. Vorkorrektur: Pietzcker, Prüfungen, S. 117 f.; Waldeyer, in: Hailbronner, HRG, § 15, Rdnr. 55. 243 Kröpil, JuS 1985, 322 (325); JuS 1989, 243 (246); von Mutius, Jura 1982, 555 (556). 244 BVerwG, NVwZ 1993, 677 (679); OVG NW, DVB1. 1994, 644 (646); Kröpil, JuS 1985, 322 (325); JuS 1989, 243 (246); von Mutius, Jura 1982, 555 (556); Jura 1991, 502 (502). 245 Von Mutius, Jura 1982, 555 (556); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 179; a.A. wohl Kröpil, JuS 1989,243 (247). 246 Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 85; Rozek, JA 1989, 233 (236); zum Widerruf der Zulassung s. a. BVerwG, DVB1. 1996,441 (443).

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F. Wege zu gerechteren Entscheidungen

Aus demselben Grund sind sowohl die inhaltlichen als auch die formellen Voraussetzungen für die Zulassung zum Prüfungsverfahren - ebenso wie die Prüfung selbst - an Art. 12 I GG zu messen.248 Insbesondere ist auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. So wird sowohl der Nachweis einer erfolgreichen Absolvierung von Vor- und Zwischenprüfungen 249 als auch einer bestimmten Vor- oder Ausbildung und ggf. deren Anrechnung für zulässig erachtet. 250 Die Grenze der Unzulässigkeit wird allerdings erreicht, wenn die Zulassungsvoraussetzungen bereits die in der Prüfung zu erbringenden Leistungen im wesentlichen vorwegnehmen. 251 Dies wäre eine unverhältnismäßige Voraussetzung und verstieße daher gegen das Übermaßverbot. 252

(2) Akteneinsicht Steht die Zulassung ganz am Anfang des Prüfungsverfahrens, so gewinnt das Recht des Prüflings auf Akteneinsicht 253 erst Bedeutung, wenn das eigentliche Prüfungsverfahren bereits abgeschlossen ist 2 5 4 , da bis dahin die Behörde zur Verweigerung der Akteneinsicht gem. § 29 Π VwVfG bzw. leges speciales im Landesrecht berechtigt ist, um die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben zu gewährleisten. Nach der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses hat das Recht auf Akteneinsicht erhebliche Bedeutung für den Kandidaten, der Bedenken bezüglich der Rechtmäßigkeit der Prüfungsentscheidung hat. Ohne ein solches Recht wäre es dem Kandidaten weder möglich, die an einen Anspruch auf ein verwaltungsinternes Überdenken geknüpften Voraussetzungen, insbesondere an die Substantiiertheit der Rüge etc. zu erfüllen, noch die Erfolgsaussichten eines Verwaltungsgerichtsprozesses abzuschätzen und u. U. einen Prozeß in geeigneter Weise vorzubereiten. 255 247 Von Mutius, Jura 1982, 555 (555); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 85; Rozek, JA 1989, 233 (236). 248 Guhl, Prüfungen, S. 60, 67 ff.; Niehues, Prüfungsrecht, Rdnrn. 86 ff. 249 Guhl, Prüfungen, S. 87 ff.; Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 92.; Salzwedel, in: HdbWissR, Bd. 1, S. 731 (733 f.). 250 Guhl, Prüfungen, S. 78 ff.; Niehues, Prüfungsrecht, Rdnrn. 90 ff. 251 Becker, NJW 1990, 273 (281); Guhl, Prüfungen, S. 79; Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 94. 252 Guhl, Prüfungen, S. 81; Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 94. 253 Guhl, Prüfungen, S. 282 ff.; Kunz, VR 1994, 217 (217 ff.); Müller, PersV 1997, 49 (52). 254 Guhl, Prüfungen, S. 291 ff.; Kunz, VR 1994, 217 (221); Müller, PersV 1997, 49 (52); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnrn. 112 f. 255 BVerwG, DVB1. 1994, 1351 (1356); DÖV 1995, 114 (114); OVG NW, DVB1. 1994, 644 (647); Kunz, VR 1994, 217 (219); Pöttgen, RWS 1962, 289 (293 f.); von Roetteken, Rechtliche Rahmenbedingungen, S. 103; Salzwedel, in: HdbWissR, Bd. 1, S. 731 (743).

II. Formelle Fragen

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Das Einsichtsrecht ist sowohl im Verwaltungsverfahren (§ 29 VwVfG) als auch im Verwaltungsprozeß (§§ 99, 100 VwGO) gegeben. Der gerechten Prüfungsentscheidung dient es jedoch nur insofern (mittelbar), als es die Voraussetzungen für Kontrolle unzutreffender Entscheidungen schafft und ggf. eine Korrektur vorgenommen werden kann. Möglich ist zudem, daß durch die Überprüfbarkeit der Prüferanmerkungen eine Vorwirkung auf künftige Begründungen und Entscheidungen der Prüfer entsteht.

d) Kausalität von Verfahrensfehlern Die Verletzung einer Verfahrensvorschrift macht das Prüfungsverfahren fehlerhaft. Zu einer fehlerhaften Prüfungsentscheidung und damit zur Aufhebung derselben führt ein Verfahrensfehler aber nur dann, wenn er wesentlich ist und sich auf das Prüfungsergebnis ausgewirkt hat. 2 5 6 Ist ein Einfluß des Verfahrensfehlers auf das Prüfungsergebnis nicht auszuschließen, so ist das Ergebnis rechtswidrig. 2 5 7 Kann die Kausalität nicht eindeutig nachgewiesen werden, so ist die Frage nach der materiellen Beweislast dahingehend zu beantworten, daß diese die Prüfungsbehörde trägt, da bei Nichtaufklärbarkeit der Ursächlichkeit zumindest nicht auszuschließen ist, daß der Fehler das Prüfungsergebnis beeinflußt hat. 258 Insoweit entspricht die Behandlung von Verfahrensfehlern im Prüfungsrecht der gem. § 2 III Nr. 2 VwVfG geltenden Regelung des § 46 VwVfG bzw. der entsprechenden Landesverwaltungsverfahrensgesetze. 259 In diesem Zusammenhang ist nochmals zu betonen, daß § 46 VwVfG natürlich nur für Verfahrensfehler gilt und nicht für materielle Rechtsfehler. Zu letzteren zählen insbesondere die inhaltlichen Bewertungsfehler, wie ζ. B. der Sachverhaltsirrtum. 260 Zwar stellt das Bundesverfassungsgericht auch für materielle Bewer256 BVerwGE 32, 179 (182); BVerwG, NVwZ 1988, 433 (434); DÖV 1991, 808 (808); NVwZ 1991, 271 (271); NVwZ 1993, 677 (679); BayVGH, NVwZ 1991, 409 (410); OVG NW, NWVBL 1992, 99 (101); NVwZ 1993, 95 (96 f.); Borsdorff, DVP 1996, 192 (195); von Golitschek, BayVBl. 1994, 257 (264); Klenke, NWVBL 1988, 199 (204); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnrn. 81,284; Rauschning, JuS 1993,551 (554); Rehborn/Schäfer/Tettinger, Juristenausbildung, S. 19; Rozek, NVwZ 1992, 33 (34); Seebass, NVwZ 1985, 521 (525); Semler, JA 1970,161 (163); Wagner, DVB1. 1990, 183 (186); Wortmann, NWVL 1988, 304 (311). 257 OVG NW, NWVBL 1992, 67 (68). 258 Klenke, NWVBL 1988, 199 (204); Seebass, NVwZ 1985, 521 (525); Wagner, DVB1. 1990, 183 (186); ebenso bei materiellen Bewertungsfehlern: Rozek, NVwZ 1992, 33 (35); Wagner, DVB1. 1990, 183 (188). 259 Z. B. §§ 46, 2 III Nr. 2, 3 VwVfG NW; von Golitschek, BayVBl. 1994, 257 (264); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 284; Rozek, NVwZ 1992, 33 (35); Wortmann, NWVBL 1992, 304 (314). 260 BVerwGE 70, 143 (144); von Golitschek, BayVBl. 1994, 257 (264); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 284; Rozek, NVwZ 1992, 33 (35); Wagner, DVB1. 1990, 183 (188).

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F. Wege zu gerechteren Entscheidungen

tungsmängel das Kausalitätserfordernis auf. Trotzdem ist zwischen Verfahrensfehlern und materiellen Mängeln streng zu differenzieren 261, was jedoch nicht immer hinreichend beachtet wird. 2 6 2 Rechtsfolge eines erheblichen Verfahrensfehlers ist also die Aufhebung der Prüfungsentscheidung. Wie nun aber eine rechtmäßige Prüfungsentscheidung herbeigeführt werden soll, ist differenziert zu beantworten, nämlich danach, ob sich der Verfahrensfehler nur auf die Bewertung der Prüfungsleistung 263 oder auch auf die Prüfungsleistung selbst 264 ausgewirkt hat. 265 Hat sich schon bei der Leistungserbringung ein Fehler eingeschlichen und so die Prüfungsleistung beeinflußt, so muß der Prüfling die Prüfungsleistung - bei teilbaren Leistungen die vom Fehler beeinflußte Teilleistung - erneut erbringen 266 , da der Zweck des Prüfungsverfahrens verbietet, eine Entscheidung aufgrund fiktiver Prüfungsleistungen zu treffen. 267 Danach ist die Überlegung unzulässig, wie wohl die Prüfungsleistung ohne den festgestellten Fehler ausgefallen wäre. Ist dagegen der Fehler erst im Verfahren der Leistungsbewertung unterlaufen, ist lediglich die Bewertung erneut vorzunehmen, da eine bewertungsfähige, da fehlerfrei zustande gekommene, Prüfungsleistung vorliegt und außerdem eine Wiederholung eine unnötige Belastung des Kandidaten darstellen würde. 268

e) Verwaltungsinternes Kontrollverfahren, Überdenken durch die ursprünglichen Prüfer Da die grundrechtsrelevanten Prüfungsentscheidungen nicht voll zu kontrollieren sind, muß dies so weit wie möglich durch verfahrensrechtliche Absicherungen ausgeglichen werden, dem sog. Grundrechtsschutz durch Verfahren. 269 261 Rozek, NVwZ 1992, 33 (33 ff.). 262 BayVGH, NVwZ 1991, 499 (499); nicht ganz eindeutig auch Rauschning, JuS 1993, 551 (555). 263 Fehler bei der Leistungsbewertung, s.o. F. II. 4. b). 264 Fehler bei der Leistungsermittlung, s.o. F. II. 4. a). 265 BVerwG, DÖV 1995, 115 (117); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnrn. 79, 297; Seebass, NVwZ 1985,521 (525); Wagner, DVB1. 1990, 183 (186). 266 BVerwG, NJW 1971, 261 (262); NJW 1980, 2208 (2208); Seebass, NVwZ 1985, 521 (525); Wagner, DVB1. 1990, 183 (186). Dabei ist zu beachten, inwieweit der jeweils betroffene Prüfungsabschnitt als Einheit konzipiert ist, die weder zum Vorteil noch zum Nachteil des Prüflings zerrissen werden darf; vgl. Wortmann, NWVBL 1988, 304 (311). 267 Klenke, NWVBL 1988, 199 (204); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnrn. 142, 297. 268 Seebass, NVwZ 1985, 521 (525); Wagner, DVB1. 1990, 183 (186). 269 BVerfGE 52, 380 (389 ff.); 53, 30 (65); OVG NW, NVwZ 1993, 95 (96); VGH BadWürtt., BWVP 1994, 113 (113); Muckel, WissR 1994, 107 (123); Niehues, NJW 1991, 3001 (3002).

II. Formelle Fragen

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Neben einer die Grundrechte des Prüflings aus Art. 3 I GG und Art. 12 I GG wahrenden Ausgestaltung des Verfahrens der Leistungserbringung und der Leistungsbewertung kann ein effektiver Verwaltungsrechtsschutz einen wichtigen Ausgleich für den eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz darstellen. 2 7 0 Dieser Bedeutung eines verwaltungsinternen Kontrollverfahrens versucht man - insbesondere seit den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 17. 4. 1991 - durch das bestimmten Anforderungen unterliegende „Überdenken" der Prüfungsentscheidung Rechnung zu tragen. 271 Danach muß dem Prüfling ein Verfahren eröffnet sein, in dem er rechtzeitig und wirkungsvoll auf vermeintliche Irrtümer und Rechtsfehler hinweisen und damit ein Überdenken anstehender oder bereits getroffener Entscheidungen erreichen kann. 272 Das Bundesverfassungsgericht und in Anlehnung daran auch das Bundesverwaltungsgericht betonen, daß es unverzichtbar sei, daß die Betroffenen ihren Standpunkt wirksam vertreten könnten. Das bedeute, daß sie rechtzeitig über den Verfahrensstand zu informieren seien und die Berücksichtigung ihres Vorbringens bei der Entscheidung gewährleistet sein müsse. 273 Das ergebe sich nicht zuletzt aus den Spezifika des prüfungsrechtlichen Verfahrens. Typisch sei, daß der Kandidat erst nach Erlaß des Prüfungsbescheids in ausreichendem Maße über die bei seiner Leistungsbewertung maßgeblichen Erwägungen informiert wird. Vorher sei dies, bedingt durch Sinn und Zweck der Prüfung, logischerweise nicht möglich. 274 Daher müsse gewährleistet sein, daß die Prüfer ihre Entscheidungen hinreichend begründen. 275 Im Rahmen eines nachträglichen Kontroll- bzw. Widerspruchsverfahrens müsse den Prüflingen die Möglichkeit eingeräumt werden, Einwände wirksam vorzubringen. Das bedeutet, daß das Widerspruchsverfahren so ausgestaltet sein muß, daß die erhobenen Einwände geprüft und gewürdigt werden. 276 Dem Recht des Prüflings, auf vermeintliche Irrtümer und Rechtsfehler wirkungsvoll hinzuweisen 277 , entspreche aber nur dann eine Pflicht der Prüfer zum Überdenken ihrer Bewertungen, wenn ihnen „wirkungsvolle Hinweise" gegeben, 270 BVerwG, NVwZ 1993, 681 (683); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 312; Wortmann, NWVBL 1992, 304(313). 271 BVerwG, NVwZ 1993,681 (683). 272 BVerfG, NJW 1991, 2005 (2006 f.); BVerwG, NVwZ 1993, 681 (683); NVwZ 1993, 689 (689); OVG NW, NWVBL 1992, 63 (63); NVwZ 1993, 94 (95); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnrn. 281, 314; Rauschning, JuS 1993, 551 (553); Wortmann, NWVBL 1992, 304 (313). 273 BVerfG, NJW 1991, 2005 (2006); BVerwG, NVwZ 1993,681 (683); NVwZ 1993, 689 (689). 274 Nolte, NWVBL 1992, 301 (301). 275 Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 313. 276 OVG NW, NWVBL 1992, 63 (63); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 313; Pietzcker, JZ 1991,1084 (1084); Rauschning, JuS 1993, 551 (554). 277 BVerfG, NJW 1991, 2005 (2006); BVerwG, NVwZ 1993, 689 (689); OVG NW, NVwZ 1993,95 (96); NVwZ-RR 1994, 585 (586).

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F. Wege zu gerechteren Entscheidungen

d. h. die Einwände konkret und nachvollziehbar begründet werden. 278 Der Prüfling müsse konkret, d. h. hinreichend substantiiert darlegen, in welchen Punkten die Bewertung bestimmter Prüfungsleistungen nach seiner Auffassung Fehler aufweist. 279 Dies bedürfe ggf. auch einer näheren Darlegung durch entsprechende Literaturfundstellen, die die Aussagen des Kandidaten als vertretbar erscheinen lassen.280 Dementsprechend wird auch keine vollständige Neubewertung der Prüfungsleistung für geboten gehalten, sondern nur eine Überprüfung vorgenommen, soweit der Kandidat hinreichend substantiierte Einwände erhoben hat. 281 Mit der Neubewertung ist in aller Regel der ursprüngliche Prüfer selbst zu befassen. 282 Das Bundesverfassungsgericht äußert sich neutral und hält die Befassung des ursprünglichen Prüfers für „ausreichend". Die erneute Befassung des Erstprüfers mit der Bewertung ist verschiedentlich auf Bedenken gestoßen, da der Erstprüfer nicht frei vom bösen Schein der Befangenheit sei. 283 Seine besondere Bedeutung erlangt das Verfahren des Überdenkens dadurch, daß hier auch die prüfungsspezifischen Wertungen, sofern gegen sie hinreichend sustantiierte Einwände vorgetragen worden sind, vollständig nachgeprüft werden, während das Gericht diese ja nur auf die Einhaltung der äußeren Grenzen überprüfen kann. 284 Sofern das Überdenken im Rahmen des grundsätzlich geeigneten Widerspruchsverfahrens vorgenommen wird, ist daher auch die übliche Übertragung des Beurteilungsspielraums ausgeschlossen 2 8 5 Werden diese Modifikationen beachtet, ist das Widerspruchsverfahren als „Grundlage" für das geforderte Überdenken durchaus geeignet. 286 Es werden aber auch andere Verfahren für zulässig gehalten, sofern die oben genannten verfassungsrechtlichen Maßgaben erfüllt werden. 287 278 BVerwG, NVwZ 1993, 681 (683); OVG NW, DVB1. 1994, 644 (645); NVwZ-RR, 1994, 585 (586). 279 BVerwG, NVwZ 1993, 689 (689); NVwZ 1993, 681 (683); DVB1. 1993,49 (50); OVG Rh.-Pf., NVwZ 1994, 805 (805); VGH Bad.-Württ., BWVP 1994, 113 (113); OVG NW, NWVBL 1992, 99 (99); NWVBL 1993, 293 (296); DVB1. 1994, 644 (648); NWVBL 1994, 135 (136); von Golitschek, BayVBl. 1994, 257 (258); Kopp, DVB1. 1991, 988 (990); Niehues, NJW 1991, 3001 (3002); Prüfungsrecht, Rdnr. 314; Vahle, DVP 1995, 171 (171). 280 OVG NW, DVB1. 1994,644 (645); NWVBL 1994, 135 (136). 281 VGH Bad.-Württ., BWVP 1994, 113 (113). 282 BVerwG, NVwZ 1993, 681 (683); NVwZ 1993, 689 (689); DÖV 1995, 114 (115); Goerlich, JZ 1993, 803 (803); Niehues, NJW 1991, 3001 (3002); Prüfungsrecht, Rdnrn. 183, 315; Rozek, NVwZ 1992, 33 (36); a.A. OVG Rh.-Pf., NVwZ 1992, 399 (399). 283 Kopp, BayVBl. 1990, 684 (684 f.); DVB1. 1991, 988 (990); Löwer, in: FS für Redeker, S. 515 (518, 522); Muckel, JuS 1992, 201 (204); Rauschning, JuS 1993, 551 (555). 284 BVerwG, DÖV 1995, 114 (114); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 320; Wortmann, NWVBL 1992, 304 (313). 285 BVerwG, NVwZ 1993,681 (683); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 320. 286 BVerwG, NVwZ 1993, 681 (684); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 318; Nolte, NWVBL 1992, 301 (301); Pietzcker, JZ 1991, 1084 (1085). 287 BVerwG, NVwZ 1993, 681 (684); Niehues, NJW 1991, 3001 (3002 f.); Prüfungsrecht, Rdnr. 318.

II. Formelle Fragen

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Solange in bestimmten Bundesländern keine Verpflichtung zu einem derartigen verwaltungsinternen Kontrollverfahren besteht, ist - bis der Gesetzgeber tätig geworden ist - gleichwohl ein solches Verfahren übergangsweise auch ohne gesetzliche Grundlage in einer Weise durchzuführen, die den genannten Anforderungen des Art. 12 I GG, dem Prüfling einen rechtzeitigen und wirkungsvollen Schutz in seinem Grundrecht der Berufsfreiheit zu gewährleisten, möglichst nahe kommt. 288 Das entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach in der Zeit bis zum Erlaß einer verfassungsrechtlich gebotenen gesetzlichen Regelung verfassungsnahe Übergangslösungen zu praktizieren sind. 289 Nicht unwidersprochen geblieben ist die vom Bundesverwaltungsgericht für zulässig erachtete Möglichkeit, das Überdenken noch nachträglich, sogar bei bereits laufendem Prozeß, nachzuholen.290 Damit werde der u. a. in § 45 VwVfG festgelegte Grundsatz, wonach eine Heilung von Fehlern nur bis zum Ende des Widerspruchsverfahrens in Betracht komme, durchbrochen. 291 Für die Dauer der Nachholung des Überdenkens ist das gerichtliche Verfahren auf Antrag des Kandidaten unverzüglich gem. § 94 VwGO auszusetzen. Auf diese Möglichkeit muß das Gericht den Prüfling gem. § 86 I I I VwGO hinweisen. 292 Unbeachtlich ist die fehlende oder fehlerhafte Durchführung des verwaltungsinternen Überdenkens jedenfalls dann, wenn der Kandidat die Möglichkeit, im Rahmen des Widerspruchsverfahrens substantiierte Einwände zu erheben, nicht nutzt. Erhebt er keine konkreten Rügen oder gibt er keine substantiierte Begründung, so stellt dies eine Obliegenheitsverletzung des Prüflings dar. Die daraus resultierende Wirkungslosigkeit des Vorverfahrens kann keinen Verfahrensmangel begründen. Dem Prüfling bleibt nur noch die Geltendmachung im gerichtlichen Verfahren, wo er aber auf die Überprüfung prüfungsspezifischer Wertungen weitgehend verzichten muß 2 9 3 Die Neubewertung der Prüfungsarbeit aufgrund begründeter Beanstandung darf nicht zur Verschlechterung der Prüfungsnote führen, da dies dem Gebot der Chancengleichheit gem. Art. 3 I GG zuwiderlaufen würde 2 9 4 Dieses verlangt, daß bei der neu vorzunehmenden Bewertung dasselbe Weitungssystem zugrunde zu 288 BVerwG, NVwZ 1993, 681 (684 f.); NVwZ 1993, 689 (690); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 319; kritisch zu der vom OVG NW gewählten Übergangslösung: Muckel, NVwZ 1992, 348 (349 f.); Nolte, NWVBL 1992, 301 (301 f.). 289 BVerfGE 37, 67 (81 f.); 41, 251 (259 ff.); BVerwGE 56, 155 (161 f.); von Golitschek, BayVBl. 1994, 257 (259); Hufen, JuS 1994, 522 (524). 290 BVerwG, NVwZ 1993, 677 (681); NVwZ 1993, 681 (685); NVwZ 1993, 689 (690); Niehues, NJW 1991, 3001 (3003); Prüfungsrecht, Rdnr. 316. 291 Wortmann, NWVBL 1992, 304 (314). 292 BVerwGE 92, 132 (144 ff.); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 316; s. ο. E. V. 293 BayVGH, NVwZ 1992, 693 (694); Vahle, DVP 1995, 171 (171); Wortmann, NWVBL 1992, 304 (313 f.). 294 BVerwG, BayVBl. 1993, 504 (505); Borsdorff, DVP 1996, 192 (195); von Golitschek, BayVBl. 1994, 257 (263 f.); Hufen, JuS 1994, 522 (524).

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F. Wege zu gerechteren Entscheidungen

legen ist wie bei der ursprünglichen Korrektur. Der Prüfer hat lediglich die als rechtsfehlerhaft beanstandeten Einzelwertungen zu überprüfen, ggf. zu korrigieren und diese neue Wertung in die komplexen Erwägungen, auf denen das Gesamtergebnis beruht, einzupassen. Das schließt eine Verschlechterung aus, da die Korrektur eines Bewertungsfehlers nur zu einer besseren oder wenigstens gleichen Bewertung führen kann. 295 Der Grundsatz des Verbots der reformatio in peius findet folglich Anwendung. 296 f) Wiederholungsprüfungen Unter der Bezeichnung „Wiederholungsprüfung" kann im wesentlichen zwischen zwei verschiedenen Fällen differenziert werden. Zum einen zählt dazu der weitere Prüfungsversuch nach einer nichtbestandenen Prüfung und zum anderen die Wiederholungsprüfung aufgrund verschiedener, im Verfahren der Leistungsermittlung aufgetretener Mängel oder die Wiederholung nach genehmigtem Rücktritt. 297

(1) Wiederholung nach genehmigtem Rücktritt und bei Fehlern von Prüfern bzw. Prüfungsbehörden Zu dieser Fallgruppe gehören zunächst die oben beschriebenen Rücktrittsfälle bei Krankheit und anderen persönlichen Gründen. Darüber hinaus sind hier alle Verfahrensfehler zu nennen, die das Zustandekommen einer unter verfahrensrechtlichen Gesichtspunkten einwandfreien, bewertungsfähigen Leistung verhindern. 298 Das sind organisatorische Fehler der Prüfungsbehörde, unfaire und unsachliche Bemerkungen der Prüfer, äußere Störungen, Baulärm und Unruhe, soweit nicht hinreichend beseitigt, oder die nicht ordnungsgemäße Zusammensetzung des Prüfungsausschusses. 299 In diesen Fällen handelt es sich um eine erneute Durchführung der Erstprüfung, da der erste Versuch unter einem Mangel litt und daher keine taugliche Grundlage für eine dem Grundsatz der Chancengleichheit gerecht werdende Bewertung darstellt. Die Erstprüfung gilt als nicht unternommen. 300 Die Prüfung muß wiederholt werden, da fiktive Leistungen, die der Prüfling bei ordnungsgemäßer Verfahrensweise vermutlich erbracht hätte, der Prüfungsentscheidung auch nicht ersatzweise zugrunde zu legen sind. 301 295 BVerwG, BayVBl. 1993, 504 (505); NVwZ 1993, 686 (688); von Golitschek, BayVBl. 1994, 257 (263). 296 Von Golitschek, BayVBl. 1994, 257 (263); Hufen, JuS 1994, 522 (524). 297 Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 290. 298 OVG NW, DVB1. 1996, 997 (998). 299 Niehues, Prüfungsrecht, Rdnrn. 291 f., 298. 300 BVerwG, DVB1. 1996,441 (443).

II. Formelle Fragen

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Da der Grundsatz der Chancengleichheit gebietet, daß der Prüfling durch einen Verfahrensfehler im Prüfungsablauf weder einen Nachteil erleiden noch einen Vorteil erzielen darf, ist hinsichtlich des Umfangs der Wiederholungsmöglichkeit bzw. der Wiederholungspflicht zu differenzieren. 302 Grundsätzlich sind daher - sofern die Prüfungsordnung keine Regelung enthält - nur diejenigen Verfahrensschritte zu wiederholen, die von dem Fehler beeinflußt sein können. 303 Handelt es sich hingegen trotz mehrerer Abschnitte insgesamt um eine prüfungsrechtliche Bewertungseinheit, so verstieße es ebenfalls gegen die Chancengleichheit, eine in zeitlichem Zusammenhang zu erbringende Prüfungsleistung aufzusplitten und in einem zeitlich gestreckten Verfahren zu erbringen. 304 So kann ausnahmsweise die nochmalige Erbringung aller Prüfungsleistungen geboten sein. Eine Einschränkung erfährt dies jedoch wieder, wenn die Wiederholung der Gesamtprüfung eine erhebliche Beeinträchtigung der Prüfungschancen gegenüber den anderen Prüflingen bedeutet, ζ. B. wenn die Wiederholung erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums möglich ist. Durch die bis dahin evtl. im Berufsleben ohne weitere Ausbildung verbrachte Zeit würde der Kandidat möglicherweise um die Früchte seines Prozeßerfolgs gebracht werden. 305 Keine Wiederholungsprüfung kommt in Betracht, wenn ein Fehler lediglich im Rahmen der Leistungsbewertung aufgetreten und wirksam geworden ist. In diesem Fall ist lediglich die Bewertung erneut vorzunehmen. 306

(2) Weiterer Prüfungsversuch bei Nichtbestehen Nicht einheitlich beantwortet wird, ob im Fall des Nichtbestehens berufsbezogener akademischer und staatlicher Abschlußprüfungen dem Kandidaten eine oder ggf. sogar zwei Wiederholungsmöglichkeiten einzuräumen sind. Nach einer Ansicht ist eine einmalige Wiederholungsmöglichkeit verfassungsrechtlich geboten, da sonst das Grundrecht auf freie Berufswahl übermäßig eingeschränkt werde. 307 Andere Stimmen sprechen vorsichtiger davon, daß eine einmalige Wiederholung „zu gewähren" sei. Der Ausschluß einer zweiten Wiederholungsmöglichkeit wird i. d. R. für unbedenklich gehalten. Dadurch würden weder rechtsstaatliche Grundsätze noch Art. 12 301 BVerwG, NJW 1980, 2208 (2208); OVG NW, DVB1. 1996, 997 (998); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnrn. 79, 297. 302 Von Mutius, Jura 1982, 555 (557); Wortmann, NWVBL 1992, 304 (311). 303 Von Mutius, Jura 1982, 555 (557). 304 BVerwG, DVB1. 1991, 759 (759); DVB1. 1996, 441 (443); Wortmann, NWVBL 1992, 304 (311). 305 BVerwG, DVB1. 1982,447 (448 f.); von Mutius, Jura 1982, 555 (558). 306 Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 302. 307 Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 304. 11 Lampe

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F. Wege zu gerechteren Entscheidungen

I GG verletzt. 308 Ein zweimaliges Nichtbestehen sei ein hinreichender Maßstab dafür, daß der Prüfling die Berufsvoraussetzungen nicht erfülle. 309 Vorgaben zur genauen Zahl der Prüfungsversuche lassen sich jedenfalls nach einhelliger Auffassung aus den allgemeinen Grundsätzen des Prüfungsrechts, insbesondere auch aus Art. 121 GG, nicht ableiten. Gleichwohl ist die Möglichkeit einer zweiten Wiederholungsprüfung - auch wenn diese vom Vorliegen eines „Ausnahmefalls" abhängig gemacht wird - obwohl nicht geboten, durchaus zulässig. 310 Die Einschränkung der Wiederholungsmöglichkeiten ist aber auch auf Kritik gestoßen, da sie einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit darstelle. 311 Ein Recht auf Wiederholung zur Notenverbesserung ist jedoch nach einhelliger Auffassung verfassungsrechtlich nicht geboten. 312 (3) Beteiligung der ursprünglichen Prüfer Bei den Wiederholungsprüfungen stellt sich wie beim verwaltungsinternen Überdenken die Frage, ob dieselben Prüfer wie in der ursprünglichen Prüfung mit der Bewertung befaßt werden dürfen. Im allgemeinen wird es als unproblematisch angesehen, wenn bei einer Wiederholungsprüfung Prüfer und Prüfling erneut aufeinandertreffen. 313 Jedoch tritt auch hier die Überlegung auf, ob der Erstprüfer frei vom bösen Schein der Befangenheit ist. 3 1 4 Teilweise wird eine Bewertung durch andere Prüfer gefordert. 315 5. Möglichkeiten der Verbesserung des Prüfungsverfahrens zur Herbeiführung gerechterer Prüfungsentscheidungen Nachdem der status quo hinsichtlich der formellen Anforderungen an das Zustandekommen einer Prüfungsentscheidung dargestellt wurde, schließt sich die Frage an, anhand welcher Änderungen gerechtere Entscheidungen erzielt werden 308 BVerwG, NJW 1976, 2313 (2313 f.); BayVGH, BayVBl. 1978, 120 (121); NdsOVG, DÖV 1994, 394 (394); von Mutius, Jura 1982, 555 (555, 557); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 305. 309 BVerwGE 80, 1 (35); BayVerfGH, NVwZ-RR 1994, 503 (504); NdsOVG, DÖV 1994, 394 (394); Pietzcker, DÖV 1984, 806 (809). 310 BayVerfGH, NVwZ-RR 1994, 503 (504); von Mutius, Jura 1982, 555 (557); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 304 f.; Wortmann, NWVBL 1992, 304 (306). 311 Becker, Prüfungsrecht, S. 145 ff.; NJW 1990, 273 (282). 312 VGH Bad.-Württ., VB1BW 1993, 263 (264). 313 Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 307. 314 S. o. F. II. 4. b) (2) (a) (bb), e) und f) (3). 315 VGH Bad.-Württ., VB1BW 1991, 312 (314); Kopp, BayVBl. 1990, 684 (684 f.).

II. Formelle Fragen

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können. Dabei ist einerseits die Praktikabilität des Prüfungsvorgangs im Auge zu behalten. Niemandem - weder Prüfling noch Prüfer - ist mit einem zu umständlichen und aufwendigen Verfahren gedient. Andererseits sind, wie bereits herausgearbeitet, die bisherigen Prüfungsentscheidungen noch mit gravierenden Unsicherheiten und Unzulänglichkeiten belastet.

a) Protokollierung Es erscheint in der Tat zweifelhaft, ob durch eine strengere Protokollierungspflicht bei mündlichen Prüfungen, der Schaffung einer „perfekten Beweislage" 316 , insbesondere mittels Tonband- und Videoaufnahmen ein Mehr an Gerechtigkeit erreicht werden kann. Eine derartige Verschärfung ist nicht zuletzt deswegen abzulehnen, weil diese Art der Protokollierung geeignet ist, zu verstärkter Nervosität und vermehrter Prüfungsangst der Kandidaten beizutragen, die ihrerseits wiederum die Aussagekraft der Prüfung schmälern. 317 Wagt man das Interesse an einem möglichst lückenlos aufgeklärten Sachverhalt und einer eher enspannten Prüfungssituation gegeneinander ab, so sollte die Abwägung im Ergebnis zugunsten der „streßfreien" Prüfung ausfallen. Prüfungsstreß beeinflußt und verfälscht in den meisten Fällen das Ergebnis. Die Prüfung ist nicht mehr hinreichend aussagekräftig, da das Ergebnis nicht der tatsächlichen Leistungsfähigkeit des Kandidaten entspricht. Fehlt dagegen eine lückenlose Dokumentation, so führt dies „nur" zu einer möglicherweise ungünstigeren Beweislage, hat aber nicht zwingend ein unrichtiges Ergebnis zur Folge. Auch eine genauere schriftliche Fixierung vermag nicht wirklich zu gerechteren Ergebnissen zu verhelfen. Die herrschende Meinung vertritt zu Recht, daß auch dadurch nicht sämtliche Eigenarten des Prüfungsgesprächs festgehalten werden können. Zudem vermag sie kein Abbild des „wahren" Prüfungsverlaufs zu geben. 318 Anders wäre es allenfalls bei einem schematischen, auf reine Wissensabfrage gerichteten Frage- und Antwortspiel. Ein solches entspricht jedoch nicht den Anforderungen der Validität und könnte daher, wenn überhaupt, besser schriftlich erfolgen. Die meisten in mündlichen Prüfungen geforderten und abzuprüfenden Qualitäten wie schnelle Auffassungsgabe, geschickter Sprachgebrauch, gute Rhetorik, sicheres Auftreten und - beispielsweise in Fremdsprachen - richtige Aussprache etc. lassen kein fachwissenschaftliches Urteil über „richtig" oder „falsch" zu. Vielmehr sind mündliche Prüfungen noch mehr als schriftliche durch prüfungsspezifische Wertungen geprägt. 319 Der Mißerfolg einer prüfungsrechtlichen Klage gegen mündliche Prüfungen ist daher primär auch nicht auf die schlechte Beweislage und 316

Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 249. 317 S. o. C. II. 3. c) (3) (b). 318 S. o. F. II. 4. a) (4). 319 S. o. C. II. 3. c) (2) (b) 11*

(7).

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F. Wege zu gerechteren Entscheidungen

folglich nicht vollständig aufgeklärte Sachverhalte zurückzuführen - Klagen gegen schriftliche Prüfungen weisen keine höheren Erfolgsquoten auf - , sondern auf die bei allen Prüfungsentscheidungen nicht kontrollierbaren prüfungsspezifischen Wertungen. Über die derzeit anerkannte Protokollierungspflicht hinaus ist allerdings zu fordern, daß der Prüfer eine falsche Antwort, die er für seine Entscheidung für erheblich hält, dokumentiert. Soweit möglich, sollte er auch bedeutende prüfungsspezifische Bewertungen wie „unklare Ausdrucksweise", „unsicheres Auftreten" etc. niederschreiben, da diese ebenfalls zumindest einer Willkürkontrolle unterliegen. Das dient letztlich auch dem Interesse des Prüfers, dem auf diese Weise die Entscheidung und ggf. deren Begründung leichter fallen wird. Weist das Protokoll offensichtlich Lücken und Unvollständigkeiten auf, die auch im Nachhinein nicht mehr zu schließen sind, würde eine Umkehr der Darlegungsund Beweislast zu Lasten der Prüfungsbehörde weiterhelfen. Gelingt dem Prüfling nämlich der Nachweis eines Verfahrensfehlers oder auch eines inhaltlichen Fehlers nur deswegen nicht, weil die Prüfer vollkommend unzureichend protokolliert haben, so wäre es unbillig, ihm die Folgen dieses Mangels aufzubürden. Die substantiierte Darlegung, warum und welche Lücken das Protokoll enthält, obläge jedoch dem Prüfling selbst. Eine Rechtswidrigkeit der Prüfungsentscheidung lediglich aufgrund unzureichender Protokollierung ist dagegen abzulehnen.

b) Qualifikation

der Prüfer

Dem Standpunkt der überwiegenden Auffassung bezüglich der fachlichen Qualifikation der Prüfer kann ohne weiteres beigetreten werden. Es entspricht der Logik, wenn man vom Prüfer zumindest die Kenntnisse verlangt, die in der durchgeführten Prüfung vom Kandidaten verlangt werden. Ebenso einsichtig ist, daß dies nicht zwingend vom Nachweis einer formellen Qualifikation, ggf. sogar der Ablegung derselben Prüfung, abhängig gemacht werden muß. Allein ausschlaggebend ist das Vorhandensein einer materiellen Qualifikation, die es dem Prüfer ermöglicht, den Wert der Leistung eigenverantwortlich zu ermitteln und zu beurteilen. Diese Eignung als Prüfer wird ζ. Z. jedoch allein aus der fachlichen Qualifikation des Prüfers gefolgert. Betrachtet man jedoch die Komplexität des Prüfungsvorgangs sowie die Probleme und Schwierigkeiten, die im Rahmen von Prüfungen und Prüfungsentscheidungen auftreten können, so drängt sich die Frage auf, ob der Prüfer allein durch seine Fachkenntnis schon in der Lage ist, eine zutreffende und damit gerechte Prüfungsentscheidung zu treffen. Der Prüfer wird im Verlauf des Prüfungsverfahrens bewußt oder unbewußt auf zahlreiche Fragen stoßen, die er allein mit seiner Fachkenntnis nicht zu beantworten vermag. Bei schriftlichen Prüfungen steht er vor dem Problem, wie er den Wert

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einer komplexen und differenzierten Arbeit des Kandidaten letztendlich auf eine Note reduzieren kann, also wie er bei der Leistungsmessung und -bewertung vorgeht. In mündlichen Prüfungen erlangt zusätzlich das Vorgehen bei der Leistungsermittlung erhebliche Bedeutung. Zudem gibt es sowohl bei mündlichen als auch bei schriftlichen Prüfungen bestimmte Phänomene, derer sich der Prüfer bewußt sein sollte. Der Prüfer müßte ζ. B. darüber aufgeklärt sein, daß in aller Regel seine Bewertungen zum Ende hin, wenn eine gewisse Müdigkeit eintritt, eher milder ausfallen als zu Beginn. Hier könnte zur Kompensation dieser „Ermüdungseffekte" ζ. B. geboten sein, daß der Prüfer die ersten Arbeiten nur vorläufig zensiert und die endgültigen Noten erst nach Durchsicht auch der anderen Arbeiten vornimmt oder, daß er bei zwei oder mehr Korrekturdurchgängen jeweils die Reihenfolge ändert. Zudem hat der Prüfer bei Bewertungen in mündlichen Prüfungen stets kritisch zu hinterfragen, ob tatsächlich lediglich die reine fachliche Leistung zur Bewertungsgrundlage geworden ist, oder ob er sich bei der Bewertung auch von anderen Faktoren hat leiten lassen. Wie oben dargestellt, hat die prüfungswissenschaftliche Forschung u. a. festgestellt, daß für die Einschätzung der Leistungsfähigkeit der Kandidaten in aller Regel der erste Eindruck zählt bzw. einen erheblichen Einfluß hat. Solche „Subjektivismen" werden in der Interaktion zweier Menschen natürlich nie vollkommen abgestellt werden können. Teilweise ist eine notwendigerweise sehr subjektive Beurteilung nichtfachlicher Aspekte sogar aus Gründen der Validität erforderlich. Durch eine umfassende Aufklärung über diese Phänomene könnten die Prüfer aber diesen Gefahren wesentlich besser entgegentreten. Neben der fachlichen Qualifikation sind in der mündlichen Prüfung gerade die methodischen, pädagogischen und psychologischen Fähigkeiten des Prüfers gefragt. Die Art und Weise der Prüfungsgestaltung und des Prüfungsaufbaus, das Verhältnis der Fragen zueinander, die Art der Fragestellung und ggf. der Hilfeleistungen, haben ganz erheblichen Einfluß auf die Leistungsfähigkeit und tatsächlich gezeigten Leistungen des Kandidaten. Daneben gibt es zahlreiche Bewertungsgrundsätze, die dem Prüfer ebenfalls geläufig sein sollten, um zu gerechten Entscheidungen zu kommen. Auch im Hinblick auf die einzelnen Prüfungsarbeiten müßte den Prüfern vermittelt werden, wie man an eine solche Korrektur herangeht, wie man spezielle Bewertungsmaßstäbe aufstellt und später in die Benotung umsetzt. Im derzeitigen System bleiben all diese Aspekte dem Prüfer mehr oder weniger selbst überlassen. Im günstigsten Fall versucht er - so gut es eben geht - seine eigene „Technik" zu entwickeln, die zwar möglicherweise von gutem Willen, aber weniger von prüfungswissenschaftlichem Fachverstand getragen ist. Hier gilt es zum einen, den Prüfern den Ablauf gewisser Mechanismen bewußt zu machen. Zum anderen muß ihnen vermittelt werden, wie sie von der einzelnen Korrekturbemerkung, die primär auf ihrem Fachverstand beruht, anhand bestimmter Maßstäbe und eines klaren Bewertungsvorgangs den Weg zu einem gerechten

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Gesamturteil finden können. Auch Prüfer müssen „prüfungsfähig" sein. Das bedeutet, daß von den Prüfern neben der rein fachlichen Qualifikation auch ein gewisses Maß an prüfungswissenschaftlichem und methodischem Hintergrundwissen zu fordern ist.

c) Geringere Anforderungen

an die Annahme der Befangenheit

(1) Prüferäußerungen Möchte ein Kandidat den Ausschluß eines Prüfers vom Prüfungsverfahren wegen Besorgnis der Befangenheit erreichen, so sieht er sich relativ hohen Hürden gegenüber. Denn allein deutliche (Rand-)Bemerkungen stellen noch keine Tatsachen dar, die die Besorgnis der Befangenheit begründen könnten. 320 Natürlich soll auch in der mündlichen Prüfung nichts beschönigt werden, und der Kandidat ist mit Sicherheit besser bedient, wenn er um den Wert seiner gerade erbrachten Leistung Bescheid weiß, als wenn er sich aufgrund positiver oder zurückhaltender Äußerungen in Sicherheit wähnt. Ob dies gerade durch „deutliche Bemerkungen" geschehen muß, ist jedoch zweifelhaft. Ein sachlicher Hinweis bzgl. des Nichtzutreffens wird in den allermeisten Fällen sicherlich ausreichend sein. Im Auge zu behalten ist nämlich immer die besondere psychische Ausnahmesituation des Kandidaten. Bemerkungen, die ζ. T. möglicherweise sogar ihre Berechtigung haben mögen, können den Kandidaten, wenn sie in scharfer Form erfolgen, weiter verunsichern und erst recht an der Erbringung seiner tatsächlichen Leistungsfähigkeit - um deren Messung und Beurteilung es hier ja letztlich wegen Art. 12 I GG geht - hindern. Zudem besteht bei zu „deutlichen Bemerkungen" u. U. gleich zu Beginn der Prüfung - die Gefahr, daß der Prüfer im Laufe der weiteren Prüfung dieses Urteil zu bestätigen und zu untermauern versucht, was einer unbefangenen Beurteilung im Wege steht (sog. primacy-effect). 321 Bei schriftlichen Arbeiten entfällt zwar der unmittelbar wirksame psychologische Effekt, den die Bemerkungen auf den Kandidaten haben, und kann daher auch nicht mehr zu einer Leistungsminderung führen. An die Art der Randbemerkungen werden daher wohl zu recht nicht ganz so strenge Anforderungen gestellt. Gleichwohl treten auch hier teilweise dieselben Effekte auf. Bei einem Korrektor, der zu deutliche oder gar emotional aufgeladene Randbemerkungen abgibt, muß man wohl die Besorgnis der Befangenheit annehmen. Die Gefahr liegt insbesondere darin, daß der Korrektor, nachdem er deutliche Randbemerkungen gemacht hat, sich im Verlaufe der Korrektur emotional in eine negative Grundhaltung der Arbeit gegenüber hineinsteigert, so daß er tatsächlich positive Ansätze der Arbeit nicht mehr hinreichend registriert und honoriert. 320 s. o. F. II. 4. b) (2) (a) (aa). 321 S. o. C. II. 3. c) (2) (b) (aa) (α).

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Keinesfalls zu akzeptieren ist die Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts, daß in mündlichen Prüfungen „gelegentliche Entgleisungen" hinzunehmen seien. 322 Auch einmaliges Fehlverhalten kann auf der einen Seite den Kandidaten derart verunsichern, daß er in der Erbringung seiner wahren Leistungsfähigkeit erheblich eingeschränkt ist, und auf der anderen Seite den Prüfer soweit voreinnehmen, daß die Besorgnis der Befangenheit begründet ist. 3 2 3 Auch die anerkannte Möglichkeit, sich bei der Bewertung des „Stilmittels der Ironie" 3 2 4 zu bedienen, ist grundsätzlich abzulehnen. (2) Erneute Befassung mit einer Prüfungsarbeit oder mit demselben Kandidaten Die Möglichkeit, daß ein Prüfer erneut mit derselben Arbeit bzw. der Leistung desselben Kandidaten konfrontiert wird, besteht zum einen, wenn eine Neubewertung nach einer Beanstandung durch das Gericht bzw. vorprozessual im verwaltungsinternen Überdenken erfolgen muß, und zum anderen, wenn der Prüfling nach Nichtbestehen einen weiteren Prüfungsversuch unternimmt. Sinnvoll und daher ohne weiteres beizubehalten ist die Praxis, im Verfahren des Überdenkens zunächst dem ursprünglichen Prüfer die Arbeit erneut zuzuleiten. Jedem Prüfer kann ein Irrtum oder ein oft ohne weiteres entschuldbares Versehen unterlaufen. Selbst wenn mehrere Prüfer korrigieren, kann dies durchaus vorkommen. Kleinere Unstimmigkeiten kann folglich ohne Zweifel am besten der ursprünglich befaßte Prüfer feststellen oder korrigieren. Vermag der Prüfer jedoch bei erneuter Vorlage der Arbeit auch im Zusammenhang mit der substantiierten Rüge des Kandidaten keinerlei Mängel hinsichtlich seiner Korrektur festzustellen - oder gibt er zwar Fehler zu, verneint aber jegliche Möglichkeit des Einflusses dieser Bewertungsfehler auf das Endergebnis 325, so ist eine Neubewertung durch andere Prüfer geboten. Von der überwiegenden Meinung wird dies zwar abgelehnt, da ansonsten weder die Anwendung der gleichen Bewertungsmaßstäbe noch eines einheitlichen Vergleichsmaßstabes für die Einordnung der Prüfungsleistung in Relation zu den anderen Arbeiten gewährleistet seien. Dies mag zutreffend sein, kann aber nicht rechtfertigen, daß ein möglicherweise befangener Prüfer eine Arbeit bewertet. Ist der Prüfer gegenüber einem Kandidaten möglicherweise befangen, so kann von Chancengleichheit ohnehin nicht die Rede sein. Selbst wenn der Prüfer durchaus willens ist, sich bei seiner erneuten Bewertung von seinem früheren Votum zu lösen und Objektivität walten zu lassen, so ist nicht auszuschließen, daß er unbewußt dem Prüfling, der Prüfungsbehörde, aber 322 BVerwGE 55, 355 (359 f.). 323 Leuze, in: Hailbronner, HRG, Rdnr. 100. 324 BVerwG, Beschluß vom 23.0300.1987-7 Β 52.87. 325 Problem der Kausalität von Bewertungsfehlern, s. o. F. II. 4. d).

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auch sich selbst „beweisen" will, daß er jedenfalls im Ergebnis auch bisher Recht gehabt hat. Schließlich sieht er sein Prestige als sachkundiger, unparteiischer und fairer Prüfer auf dem Spiel. Um diese Versuchung von vornherein auszuschließen und auch dem Kandidaten die Sicherheit zu vermitteln, daß sein Vorbringen gewissenhaft von unvoreingenommenen Prüfern kontrolliert wird, sollten in diesen Fällen nicht dieselben Prüfer erneut mit der Arbeit befaßt werden. Eine Kontaktaufnahme oder gar ein Besprechen der Probleme zwischen dem ursprünglichen und dem neuen Prüfer ist ebenfalls zu vermeiden. Dies beides läßt sich zudem aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem darin enthaltenen Gebot der Unparteilichkeit und der Vermeidung auch nur des bösen Scheins möglicher Voreingenommenheit ableiten. Dasselbe gilt für Wiederholungsprüfungen nach erfolglosen Erstprüfungen und für Wiederholungsprüfungen aufgrund von Verfahrensfehlern. Auch hier besteht die Gefahr, daß der Prüfer sich zu sehr von seinem früheren Eindruck leiten läßt. Selbst bei krankheitsbedingtem Rücktritt geschieht es allzu leicht, daß der Kandidat als „Drückeberger" angesehen wird, der aufgrund von Schwierigkeiten mit den Prüfungsaufgaben ausgestiegen ist. Das ärztliche Attest wird gern - teils zu Recht, teils aber auch zu Unrecht - als Gefälligkeitsattest bezeichnet. Eine Ausnahme mag allenfalls dann anzunehmen sein, wenn der erneute Prüfungsversuch wegen Lärmstörungen etc. während der ursprünglichen Prüfung vorgenommen wird. Aber selbst dann ist ein erneutes Aufeinandertreffen desselben Prüflings und Prüfers nicht vollkommen unproblematisch. Dieses wurde in sämtlichen Verfahrensordnungen erkannt. Sowohl in der Zivilprozeßordnung als auch in der Strafprozeßordnung und Verwaltungsgerichtsordnung 3 2 6 ist ein Richter, der bei einer durch ein Rechtsmittel angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, von der Mitwirkung bei der Entscheidung in einer höheren Instanz ausgeschlossen. Im Verwaltungsprozeß ist auch derjenige von der Ausübung des Amtes als Richter ausgeschlossen, der bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat. 327 Die Verletzung dieses Grundsatzes führt im Gerichtsprozeß stets zu einem absoluten Revisionsgrund. 328 Zwar gibt es zahlreiche nicht zu vernachlässigende Unterschiede zwischen einem Prozeß und einem Prüfungsverfahren; insbesondere tritt im Prüfungsverfahren das Problem der Chancengleichheit auf. Gleichwohl macht der Gesetzgeber hier deutlich, daß er zum einen durchaus eine nicht fernliegende Gefahr sieht, daß eine Person bei erneuter Befassung mit einer Materie voreingenommen ist und daß zum anderen, auch wenn der einzelne Amtsträger theoretisch durchaus zu einer objektiven und unbefangenen Entscheidung in der Lage wäre, diese Gefahr von vornherein ausgeschlossen werden soll. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil der 326 § 41 I Nr. 6 ZPO; § 23 I StPO, § 541 VwGO. 327 §54 II VwGO. 328 § 551 Nr. 2 ZPO; § 338 Nr. 2 StPO; § 138 Nr. 2 VwGO.

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böse Schein der Befangenheit ansonsten zu leicht entsteht und nur schwer glaubhaft wieder auszuräumen ist. Im Prüfungsrecht ist in dieser Hinsicht die Situation nicht anders. Auch hier besteht eine große Gefahr, daß der Prüfer von seinen ursprünglichen Ansichten beeinflußt ist und sich von vielen Einschätzungen nur schwer trennen kann. Zieht man noch den Aspekt hinzu, daß der Prüfer in das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 121 GG eingreift und - in der Wiederholungsprüfung möglicherweise endgültig - über den weiteren Lebensweg und beruflichen Werdegang des Kandidaten entscheidet, so wird deutlich, daß die Entscheidung um keinen Preis einem möglicherweise befangenen Prüfer überlassen bleiben darf. Da die Befangenheit allein aufgrund der erneuten Befassung mit einem Kandidaten bzw. dessen Leistungen in aller Regel aber nur sehr schwer nachweisbar sein wird, sind auch im Prüfungsrecht bei Wiederholungsprüfungen neue Prüfer heranzuziehen. Die möglicherweise auftretende Gefahr der Beeinträchtigung der Chancengleichheit ist dagegen niedriger einzustufen und muß daher im Einzelfall zurücktreten. Dafür spricht ferner, daß es ζ. Z. durchaus vorkommt, daß die Klausuren eines Prüfungstermins ohnehin von verschiedenen Prüfern korrigiert werden. Strenggenommen hat dies ebenfalls Auswirkungen auf die Chancengleichheit. Warum bei den hier erörterten Fällen die Chancengleichheit ungleich schwerer wiegen und kein neuer Prüfer herangezogen werden soll, ist nicht ersichtlich.

(3) Rüge der Befangenheit Bei den Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Befangenheitsrüge zu stellen sind, ist neben dem berechtigten Interesse des Kandidaten, nur von unvoreingenommenen Prüfern bewertet zu werden, wiederum der Grundsatz der Chancengleichheit zu beachten. Zwar ist richtig, daß dem Kandidaten aus einer erfolgreichen Befangenheitsrüge kein Vorteil erwachsen darf. Die Anforderungen, die derzeit an eine solche Rüge gestellt werden, werden jedoch aus der Angst heraus, dem Kandidaten eine - ihm evtl. nicht zustehende - „zweite Prüfungschance" zu gewähren, überspannt. 329 Daher sind die Chancen des Kandidaten, mit einer u. U. berechtigten Rüge durchzudringen, eher gering. Die Rüge der Befangenheit schon vor der entsprechenden Prüfung zu verlangen, ist grundsätzlich unzumutbar. Es besteht stets eine große Wahrscheinlichkeit nicht zuletzt, weil zu hohe Anforderungen an eine erfolgreiche Befangenheitsrüge gestellt werden - , daß der Kandidat mit seinem Vorgehen erfolglos bleibt. Ruft 329 Ließe man, wie hier gefordert (s. u. F. II. 5. e)), eine unbegrenzte Wiederholbarkeit zu, so stellte sich dieses Problem gar nicht in dieser Deutlichkeit. Bei der Stattgabe auf eine Befangenheitsrüge müßten nicht so strenge Maßstäbe angelegt werden, weil der Kandidat sich ohnehin durch eine weitere Prüfungschance kaum einen Vorteil verschaffte. Lediglich die Möglichkeit, nur einzelne Teile der Prüfung zu wiederholen, könnte sich als Vorteil erweisen.

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man sich nun in Erinnerung, wie sensibel das Verhältnis zwischen Prüfer und Prüfling ist und wie leicht ein Prüfer auch unbewußt durch gewisse Vorbedingungen beeinflußt wird, so ist ersichtlich, daß eine Befangenheitsrüge und ggf. deren Überprüfung vor der Prüfung erhebliche Auswirkungen auf diese haben kann. Das Vertrauensverhältnis wird gestört. Dies gilt zum einen natürlich für schriftliche Prüfungen, zum anderen aber insbesondere für mündliche Prüfungen. Unter solchen Vorbedingungen ist ein normales, im wahrsten Sinne des Wortes „unbefangenes" Prüfungsgespräch nur noch schwer vorstellbar. Gleichwohl sollte die Rüge so früh wie möglich erfolgen. Das heißt bei schriftlichen Prüfungen grundsätzlich vor Bekanntgabe des Ergebnisses, es sei denn, es liegt ζ. B. einer der Fälle vor, in denen sich die Befangenheit erst aus der Art und Weise der Korrektur ergibt. Bei mündlichen Prüfungen sollte die Rüge ebenfalls möglichst vor der Bekanntgabe des Ergebnisses erfolgen. Hier sind in stärkerem Maße die Besonderheiten der Prüfungssituation zu beachten und großzügigere Ausnahmen zu machen. In aller Regel liegt hier zwischen der Ablegung der Prüfung und der Bekanntgabe der Note nur eine sehr kurze Zeit, meist sind es nur wenige Minuten. Ferner ist der Kandidat gerade im Rahmen des mündlichen Prüfungsverfahrens einer besonderen psychischen Ausnahmesituation ausgesetzt. Beides wird ihn nur schwer in die Lage versetzen, die Tragweite und die Folgen seiner Entscheidung besonnen abzuschätzen und abzuwägen. Insbesondere wenn sich die Gründe für die möglicherweise gegebene Befangenheit erst in der Prüfung selbst oder im Vorgespräch ergeben, braucht der Kandidat Zeit, den Prüfungsverlauf zu „verarbeiten", gedanklich nachzuvollziehen und zu analysieren. Evtl. ist sogar Rücksprache mit Dritten geboten, um die eigenen Wahrnehmungen zu verifizieren und keine „falsche", vorschnelle Entscheidung zu treffen. In Betracht zu ziehen wäre allerdings auch die Möglichkeit, daß der Prüfling um „Bedenkzeit" bittet und die Verkündung des Prüfungsergebnisses bis zum Ende dieser aufgeschoben wird. Das würde die Chancengleichheit nicht mehr als nötig einschränken. d) Strengere Begründungspflicht Zwar ist anerkannt, daß die wesentlichen Gründe schriftlich fixiert werden. Fraglich ist jedoch, ob dies ausreicht, d. h. rechtsstaatlichen Grundsätzen genügt. Zunächst ist der Begriff „wesentliche Gründe" äußerst dehnbar, was dem Prüfer noch ganz erhebliche Freiheiten bzgl. der Ausführlichkeit einer Begründung läßt. Des weiteren bietet die Begründung inklusive der Randbemerkungen den einzigen Anhaltspunkt für den Kandidaten, wie seine Note im Ergebnis zustande gekommen ist. Anhand der Begründung ist es ihm überhaupt erst möglich, Bewertungsrügen im Vorverfahren substantiiert vorzutragen. Schließlich bilden Begründung und Randbemerkungen auch die wesentlichen Anhaltspunkte, die das Gericht - sollte

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es zu einer Klage kommen - hat. Folglich sind an die Begründung strenge Anforderungen zu stellen. Hält man sich die o. g. Funktionen vor Augen, so ist eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Sachverständigenurteil als Beweismittel erkennbar. Für Prüfungsbegründungen ist daher erforderlich, daß diese schlüssig und aufgrund dessen nachprüfbar sind. Der Richter als fachlicher Laie muß dem Gedankengang folgen und ihn nachvollziehen können. Er muß sich anhand der Begründung ein Bild über Ablauf und Korrektheit der Bewertung machen können, damit er in der Lage ist, sich ein eigenes, selbständiges Urteil zu bilden. Die Bewertungskriterien müssen aufgedeckt und in die Begründung einbezogen werden. Auch in den Prüfungsentscheidungen, die in der Juristenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Überprüfung standen, sind ζ. T. erhebliche „Begründungskunststücke" festgestellt worden. 330 Aus der Aussage der Prüfer, die Anwendung des § 818 I I I BGB sei in „mehrfacher Hinsicht grob fehlerhaft", wurde die Kritik durch die Prüfer selbst dahingehend geändert, daß § 818 ΙΠ BGB wohl eine Rolle spielen könne, die Verwendung des Stichwortes „Saldotheorie aber in diesem Zusammenhang nicht der üblichen Terminologie entspreche". 331 Eine solche Begründung und insbesondere Änderung einer Begründung, dessen Aussageteil verkehrt und nur durch sprachlich geschickte Formulierung einigermaßen aufrechterhalten werden kann, entspricht der geforderten Schlüssigkeit in keiner Weise. In derartigen Fällen muß beinahe eine ergebnisorientierte Arbeitsweise unterstellt werden, bei der es nur um die Aufrechterhaltung der ursprünglichen Benotung geht. Das genannte Beispiel zeigt zwei weitere Mängel deutlich. Zum einen müßte eine derartige Änderung eines die Prüfungsentscheidung tragenden Grundes Auswirkungen auf das Noten- bzw. Punktergebnis haben. Stellt sich im Nachhinein heraus, daß eine Ausführung, die durchaus vertretbar war, als grob falsch bezeichnet wurde, so ist kaum verständlich, daß dies ohne Einfluß bleiben sollte. Hiermit ist die Frage der Kausalität von Bewertungsfehlern angesprochen. Zuzugeben ist in der Tat, daß marginale Korrektur- und Bewertungsfehler, die lediglich wenige Prozent der Gesamtbewertung ausmachen, nicht sofort noten- bzw. punktmäßig meßbar zu Buche schlagen können, sofern die gesamte übrige Arbeit tatsächlich an großen Mängeln leidet. Zudem kann auch eine grundsätzlich vertretbare Ausführung ihren Wert verlieren, wenn sie in keinem Zusammenhang zu den anderen Aussagen steht oder völlig unzureichend entwickelt und begründet ist. Dies darf jedoch nicht leichtfertig angenommen und behauptet werden, sondern bedarf ebenfalls einer schlüssigen Begründung. Bei eklatanten Bewertungsfehlern ist die Begründung, daß hier keinerlei Einfluß auf das Ergebnis vorliegt, nur schwer durchführbar und nachvollziehbar. 330 Löwer, in: FS für Redeker, S. 515 (523). 331 BVerfG, NJW 91, 2005 (2005).

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Die Grundsätze der Kausalität müssen ernst genommen und eine Auswirkung auf die Endnote und damit Rechtswidrigkeit der Prüfungsentscheidung dann angenommen werden, wenn es dem Prüfer nicht gelingt, die mangelnde Auswirkung tatsächlich schlüssig darzulegen. Hier sind auch die Gerichte gehalten, strenge Maßstäbe anzulegen und bei nahezu vollkommener Umkehr der Begründung, die Kausalität nicht zu verneinen. Dies ist nicht zuletzt deshalb wichtig, weil ein Großteil der Klagen daran scheitert, daß der Kandidat zwar einen Bewertungsfehler, nicht aber dessen Kausalität für das Ergebnis nachweisen kann. Zum anderen gewinnt an dieser Stelle der Grundsatz des Ausschlusses befangener Personen vom Prüfungsverfahren Bedeutung. Es ist zweifelhaft, ob ein Prüfer, der bei einem Bewertungsfehler seine Begründung so ändert, daß er anscheinend um jeden Preis die ursprüngliche Note aufrecht erhalten will, den Anforderungen eines unbefangenen Prüfers noch entspricht. 332 Strengere Begründungspflichten stellen eine zusätzliche Belastung für die ohnehin meist schon stark eingespannten Prüfer dar. Gleichwohl sollte dieses Problem nicht auf Kosten des Rechtsschutzes des Kandidaten gelöst werden. Erst wenn die Kapazitäten tatsächlich ausgeschöpft und nicht mehr erweiterungsfähig sind, kann an Abstriche bei der Begründungspflicht überhaupt erst gedacht werden. Dann läge dies ohnehin im wohlverstandenen Interesse der Kandidaten, dem mit wegen Überlastung unmotivierten und gleichgültigen Prüfern nicht geholfen ist. Den Vorgaben der Rechtsprechung zur Begründung mündlicher Prüfungen ist weitgehend zuzustimmen. Allerdings sollte nicht zuletzt aus Akzeptanzgründen stets eine kurze - die wesentlichen Entscheidungsgründe darlegende - Begründung erfolgen. Dadurch kann der Kandidat, der sich ungerecht behandelt fühlt, die Erfolgschance einer Beanstandung ungefähr abschätzen. Allein aus den Reaktionen der Prüfer während der Prüfung - wie teilweise vertreten - wird dies wohl kaum zu entnehmen sein. Jedenfalls gibt es bei der Eröffnung der Noten - auch nach mündlichen Prüfungen - immer wieder positive und negative „Überraschungen". Ein daraufhin evtl. geltend gemachtes Verlangen nach einer weiteren Begründung müßte entgegen der Ansicht der Rechtsprechung allerdings schriftlich erfolgen. Nur dann liegt eine ausreichende Fixierung insbesondere im Hinblick auf einen sich möglicherweise anschließenden verwaltungsgerichtlichen Prozeß dar. Bei einer mündlichen Begründung ist aufgrund des Zeitablaufs die Gefahr zu groß, daß Teile der Begründung nicht mehr vollständig in Erinnerung sind. Ein Streit über den Inhalt der Begründung zwischen Prüfling und Prüfer bzw. Prüfungsbehörde ist vorprogrammiert.

332 s . o. F. II. 5. b ) .

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e) Mehrprüf er system und verdeckte Bewertung Leistungen in staatlichen und akademischen Hochschulabschlußprüfungen werden in aller Regel von zwei oder mehr Prüfern bewertet. Gleichwohl wird dies nicht für zwingend gehalten. 333 Die Haltbarkeit dieser Auffassung ist höchst fraglich. Zunächst ist erneut ins Bewußtsein zu rufen, daß erwiesenermaßen die Bewertung und Benotung ein und derselben Arbeit durch verschiedene Korrektoren zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann. Bei allem Bemühen um Objektivität wird dies auch nie ganz auszuschließen sein. Aus Art. 121 GG und Art. 19IV GG ergibt sich jedoch, daß dem Prüfling wegen der Mängel in der materiellen Überprüfbarkeit ein besonderer Grundrechtsschutz durch Verfahren zu gewähren ist. Bedenkt man die vielfältigen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten, die gerade im Verfahren der Leistungsbewertung aufgrund der Individualität der Prüfer auftreten, so erscheint es sehr bedenklich, eine Pflicht zu verneinen, mehrere Prüfer an der Entscheidungsfindung zu beteiligen. Für die Kandidaten wird mit der Bewertung u. U. eine Entscheidung für den weiteren Lebensweg getroffen. Die Bewertung durch nur einen Prüfer wird den an das Prüfungsverfahren zu stellenden Anforderungen nicht gerecht. Diesem Umstand trägt auch § 15 V HRG Rechnung. Danach müssen Prüfungen, deren Bestehen Voraussetzung für die Fortsetzung des Studiums ist, von mindestens zwei Prüfern bewertet werden. Nur so kann gewährleistet werden, daß mögliche Irrtümer ausgeschlossen und daß insbesondere immer wieder auftretende Extremansichten von Prüfern 334 abgemildert werden. Gerät ein nach durchschnittlicher Auffassung ausreichende Leistungen erbringender Kandidat an einen besonders strengen Prüfer, so wird seine Leistung höchstwahrscheinlich nicht mehr als ausreichend bewertet werden und im schlimmsten Fall zum Nichtbestehen der gesamten Prüfung führen. Ein zweiter, wohlwollender Prüfer würde hingegen den Kandidaten noch bestehen lassen. Natürlich besteht die Gefahr, daß auch der zweite Prüfer ebenso strenge Anforderungen stellt wie der erste. Die Wahrscheinlichkeit der Ausgeglichenheit des Anforderungsprofils ist jedoch höher, als wenn nur ein Prüfer beteiligt ist. Je mehr Prüfer ihre Wertung abgeben, um so größer ist die Gewähr, daß tatsächlich die Leistung als durchschnittlich bezeichnet wird, die nach allgemeiner Ansicht für durchschnittlich gehalten wird. Letzteres Argument führt zum Ausgangspunkt zurück und bestätigt die Schlüssigkeit. Da niemand letztlich mit Absolutheitsanspruch die Berufsanforderungen konkretisieren kann, kommt es auf einen Grundkonsens an. Dieser spiegelt sich zum einen in den allgemeinen Rechtssätzen zum Prüfungsrecht wider. Zum anderen gilt es aber auch, in jeder einzelnen Prüfung einen Konsens herzustellen bzw. eine Art „Durchschnittsmeinung" über die vorliegende Leistung zu ermitteln. Ein einzelner Prüfer kann diese Aufgabe nicht leisten. Grundsätzlich wäre eine Befas333 BVerwG, DVB1. 1989, 98 (98 f.); Niehues, Prüfungsrecht, Rdnr. 199. 334 BVerfGE 80, 1 (38).

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sung von mindestens drei Prüfern wünschenswert. Die tatsächlichen Kapazitäten können jedoch Grenzen setzen und auch zwei Prüfer ausreichen lassen. Würden mehrere Prüfer an dieser Ermittlung des „Grundkonsenses" bzw. der „Durchschnittsmeinung" beteiligt, so bestünde grundsätzlich die Möglichkeit, diesen Konsens durch eine gemeinsame Beurteilung oder durch ein gemeinsames Gespräch herzustellen. Bei diesem Vorgehen kann es jedoch leicht zu nicht gewünschten Ausgleichsprozessen, ggf. sogar zur Durchsetzung der stärksten Prüferpersönlichkeit unter Außerachtlassung der Ansichten der anderen Prüfer kommen. Daher muß eine selbständige Korrektur vorgenommen werden, bei der sich jeder Prüfer sein eigenes Urteil bildet. Zwar fordern auch die ζ. Z. geltenden Prüfungsordnungen eine eigenständige und unabhängige Bewertung. Die Kenntnis des Votums des anderen Prüfers soll jedoch die Eigenständigkeit nach herrschender Ansicht nicht beeinträchtigen. Dies bedeutet eine Mißachtung der eindeutigen Ergebnisse der prüfungswissenschaftlichen Forschung. In zahlreichen Untersuchungen wurde nachgewiesen, daß die Bewertung einer Leistung durch einen Prüfer in ganz erheblicher Weise von den gegebenen Vorinformationen abhängt.335 Auch die Aussage, ein guter, selbstbewußter und erfahrener Prüfer werde ohnehin vor Lektüre des Erstvotums erst die Prüfungsarbeit lesen, sich selbst ein (sein) Urteil bilden und dann das Erstvotum mit seinem Zweitvotum vergleichen 336, vermag nicht die hier vertretene Ansicht zu entkräften. Zunächst ist fraglich, ob alle Prüfer diesem Ideal des „guten Prüfers" entsprechen. Schließlich geht sogar das Bundesverfassungsgericht davon aus, daß sich die wichtigen Erfahrungen erst aus einer langjährigen Examenspraxis ergeben. Jüngere Prüfer müssen erst einmal Erfahrungen sammeln und lassen sich eventuell leichter beeinflussen. Um dies von vornherein auszuschließen, darf der Zweitprüfer keine Kenntnis vom Votum des Erstprüfers haben. Dies dürfte für die erfahrenen Prüfer keine vermehrte Belastung bzw. keinen erhöhten Arbeitsaufwand bedeuten, da sie ohnehin - so wird es jedenfalls dargestellt - die Arbeit „freiwillig" in Unkenntnis des Erstvotums begutachten. 3 3 7 Für den Kandidaten würde dies zudem zu einem erheblich höheren Vertrauen in die Ordungsgemäßheit der Bewertung und einer größeren Akzeptanz führen. Soll die Befassung mehrerer Prüfer mit einer Arbeit wirklich ein wirksames Korrektiv darstellen und die o. g. Funktionen erfüllen, so macht dies nur dann Sinn, wenn die Prüfer keine Kenntnis der Rand- bzw. Korrekturbemerkungen und Noten des jeweils anderen Prüfers haben. Zusammenfassend ist folglich festzustellen, daß eine erheblich höhere Richtigkeitsgewähr hinsichtlich der Prüfungsentscheidung durch eine getrennte Bewer335 S. o. C. II. 3. c) (2) (b) (aa) (α). Zur Beeinflussung durch die Vorkorrektur vgl. Pietzcker, Prüfungen, S. 117 f.; Waldeyer, in: Hailbronner, HRG, § 15, Rdnr. 55. 33 6 Von Münch, NJW 1995, 2016 (2017). 33

? Von Münch, NJW 1995, 2016 (2017).

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tung von zwei oder mehr Prüfern jeweils in Unkenntnis der Bewertung der anderen Prüfer erreicht werden könnte. Aufgrund des Gebots, einen möglichst effektiven Grundrechtsschutz durch Verfahrensgestaltung zu erreichen, ist dies auch geboten. f) Unbeschränkte Wiederholbarkeit Die herrschende Ansicht nimmt an, daß die Einschränkung der Wiederholungsmöglichkeiten verfassungskonform ist. Für eine uneingeschränkte Wiederholbarkeit sprechen jedoch überzeugende Argumente. Wegen der dargestellten Unsicherheiten und Unwägbarkeiten, die trotz allen Bemühens um gerechtere Prüfungsentscheidungen immer vorhanden sein werden, ist an die Frage nach der Anzahl der Wiederholungsmöglichkeiten mit äußerster Sensibilität heranzugehen. Solange es immer wieder vorkommen kann, daß ansich geeignete Kandidaten wegen der Spezifika der Entscheidungsfindung im Prüfungsrecht die Zugangsberechtigung zum gewünschten Beruf nicht erhalten, sollte man sich im Zweifel für weitere, ggf. unbeschränkte Wiederholungsmöglichkeiten entscheiden. Die entgegenstehenden Rechtsgüter sind allerdings stets im Auge zu behalten. Selbstverständlich ist ein gewisser indizieller Charakter eines zweimaligen Nichtbestehens für die Nichteignung eines Kandidaten nicht zu verkennen. Solange die Prüfungen nur einen derart stichprobenartigen Charakter haben, wie es derzeit der Fall ist, ist in der Tat die Gefahr gegeben, daß auch ein eher Ungeeigneter in irgendeinem Prüfungsversuch zufällig besteht. Diese Befürchtung kann aber nicht das allein tragende Argument sein, gründet sie sich doch gerade auf die Unzulänglichkeiten des Prüfungsverfahrens, für die der Kandidat selbst gar keine Verantwortung trägt. Statt den Kandidaten nach dem zweiten bzw. letzten erfolglosen Versuch auf den Indiz- und Stichprobencharakter als Grund für die Verwehrung einer weiteren Chance hinzuweisen, ist es vielmehr angezeigt, das stichprobenartige Verfahren zu ändern. Ansonsten ist die Gefahr zu hoch, daß auch ein geeigneter Prüfling endgültig durchfällt, was wegen Art. 121 GG grundsätzlich zu vermeiden ist. Es ist anerkannt, daß sich kein Prüfling perfekt auf sämtliche Prüfungsthemen vorbereiten kann. Folglich kann auch ein geeigneter Kandidat mit Aufgaben konfrontiert werden, die er nicht hinreichend zu lösen vermag und so möglicherweise endgültig nicht besteht. Es wird hier nicht verkannt, daß eine abschließende und umfassende Kontrolle der Fähigkeiten und Fertigkeiten bei so komplexen Berufen wie ζ. B. dem Arztberuf nie möglich sein wird. Gleichwohl besteht die Möglichkeit, das Prüfungsverfahren so zu gestalten, daß die Zufälligkeit der Entscheidung über Eignung oder Nichteignung vermindert wird. 3 3 8 Des weiteren hätte eine unbeschränkte Wiederholbarkeit zur Folge, daß ein Faktor, der momentan erheblich zur Verfälschung 338 s. u. F. II. 5.

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von Prüfungsergebnissen beiträgt - nämlich die Prüfungsangst - weniger Gewicht bekäme. Ohne den „Fallbeilcharakter" 339 könnten die Prüflinge wesentlich entspannter in die Prüfung hineingehen und wären viel eher in der Lage, ihre tatsächliche Leistungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Selbst wenn mit einer Prüfung tatsächlich auch, wie einige Stimmen behaupten, die Fähigkeit getestet werden soll, was der Kandidat in Drucksituationen zu leisten vermag, so kann dies ohne weiteres auch durch wiederholbare Prüfungen geschehen. Auch vor unbeschränkt wiederholbaren Prüfungen baut sich eine gewisse Anspannung und Nervosität auf, auch hier ist die Furcht vor dem „Versagen" gegeben - nur eben weniger extrem. Später in der Praxis wird der Kandidat ohnehin nur in den seltensten Fällen diesem starken Druck ausgesetzt sein. Auch das Argument der herrschenden Meinung, es sei nicht ohne Aussagewert für die Eignung des Kandidaten, nach wie vielen vergeblichen Versuchen erstmals das erforderliche Mindestwissen nachgewiesen worden sei, greift nur auf den ersten Blick überzeugend. Natürlich wird es in der Regel so sein, daß der Prüfling, der bereits im ersten Versuch sein Können beweist, eher die Fähigkeit besitzt, Fakten schnell zu erkennen, sich zu merken, im Zusammenhang zu verstehen und darzustellen, wie es in vielen akademischen Prüfungen gefragt ist. Diese Fertigkeiten sollten jedoch durch die Prüfung selbst ermittelt werden und nicht durch die Indizwirkung des Nichtbestehens. Darüber hinaus hat der Prüfling in den meisten Fällen die Möglichkeit, die Dauer des Studiums selbst zu bestimmen. Der Prüfling kann sich also auch von vornherein erst nach einer Studien- und Vorbereitungszeit von ζ. B. 15 oder 16 Semestern zur Prüfung melden. Ob dieser Kandidat die von der herrschenden Ansicht geforderte schnelle Auffassungsgabe hat, ist zu bezweifeln. Zudem sollte man nie ausschließen, daß ein Mensch eine Entwicklung vollzieht, die ihn in Zukunft in die Lage versetzt, die Prüfungsanforderungen zu erfüllen. Das Argument, daß das zweimalige Nichtbestehen einen wichtigen Anhaltspunkt für die Ungeeignetheit des Kandidaten darstellt, verliert durch einen weiteren Aspekt an Überzeugungskraft: Da auch eine im Ausland erfolgreich abgeschlossene Ausbildung nach endgültigem Nichtbestehen an einer deutschen Universität bei Gleichwertigkeit anerkannt wird 3 4 0 , erhält so ein nach der überwiegenden Ansicht ungeeigneter Kandidat durch ein Auslandsstudium ohnehin die Berufszulassung. Eine Beschränkung der Wiederholbarkeit vermag hier jedenfalls nicht weiterzuhelfen, da die Anzahl der Prüfungsversuche letztlich keinen zwingenden Rückschluß auf die Geeignetheit des Kandidaten zuläßt. Ein weiteres Argument für die uneingeschränkte Wiederholbarkeit ist, daß auf diese Weise sog. Gnadenentscheidungen vermieden werden könnten. Gemeint sind 339 Becker, Prüfungsrecht, S. 142. 340 BVerwG, NJW 1993, 3005 (3005 f.); NJW 1993, 3007 (3007 f.); OVG NW, NWVBL 1993, 151 (152); NJW 1995, 1632 (1632 f.); zur Anerkennung s. a. EG-Richtlinie 89/48/ EWG vom 21. 12. 1988 und EuGH, DVB1. 1996,426 (426 f.).

II. Formelle Fragen

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die immer wieder auftretenden Fälle, in denen eine Kommission einen Kandidaten im letzten Versuch bestehen läßt, obwohl ihm an sich nicht der Nachweis der erforderlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten gelang, man trotzdem aber der Überzeugung ist, der Kandidat werde die bestehenden Lücken in der Zukunft ausfüllen und sich in der Praxis bewähren. Hätte der Prüfling einen weiteren Versuch, käme es nicht zu dieser mißlichen Situation. Das Argument, daß das Gemeinschaftsgut „Prüfungswesen 4' in seiner Funktionsfähigkeit erhalten werden und vor Überlastung geschützt werden müsse und aus diesem Zweck die beschränkte Wiederholbarkeit vonnöten sei, wurde ebenfalls bereits überzeugend entkräftet. 341 Zum ersten ist fraglich, ob überhaupt eine signifikante Steigerung der Prüfungsfälle eintreten wird. Zahlreiche Prüflinge, die mehrfach nicht bestehen, werden ohnehin auf weitere Prüfungsversuche verzichten, sei es aufgrund einer gewissen „Selbsterkenntnis" oder sei es, weil sich im Laufe der Zeit die Lebensumstände dergestalt geändert haben, daß die Prüfung nicht erneut in Angriff genommen wird, ζ. B. weil sie mittlerweile eine anderweitige Beschäftigung aufgenommen haben. Zum zweiten ist für eine derartige Maßnahme der konkrete Nachweis geboten, daß die Prüfungskapazität tatsächlich erschöpft ist. Die bloße Vermutung ist nicht ausreichend. 342 Zum dritten stellt der Vorschlag der Erhebung von (höheren) Gebühren für weitere Prüfungsversuche - sofern tatsächlich eine Erweiterung der Prüfungskapazitäten erforderlich werden sollte - eine geeignete Maßnahme dar, die Funktionsfähigkeit auch künftig zu erhalten. 343 Insgesamt vermag folglich weder die Notwendigkeit des Schutzes der Allgemeinheit vor ungeeigneten Kandidaten, noch die Funktionsfähigkeit des Prüfungswesens eine Einschränkung der Wiederholungsmöglichkeiten zu rechtfertigen, so daß diese Einschränkung unverhältnismäßig ist. Eine Aufhebung der eingeschränkten Wiederholbarkeit von Prüfungen ist daher zu befürworten.

g) Zeitliche Streckung der Prüfung und mehr Einzelleistungen Um den Stichprobencharakter und damit die Unwägbarkeit von Prüfungen zu vermindern, ist eine Änderung der Struktur des Prüfungsablaufs erforderlich. Eine breitere Überprüfung des Wissens kann nur erreicht werden, wenn insgesamt mehr Leistungen in die Prüfungsnote eingehen. Das große Wissensgebiet, das beispielsweise Inhalt der ersten juristischen Staatsprüfung ist, kann selbst in fünf Klausuren, einer Hausarbeit und einer mündlichen Prüfung nur zu Bruchteilen abgefragt werden. Eine hinreichend verläßliche Aussage darüber, ob der Kandidat tatsächlich den erforderlichen Kenntnisstand hat, kann nur schwer getroffen werden. Gegen341 Becker, Prüfungsrecht, S. 144 f.; NJW 1990, 273 (282). 342 BVerfGE 33, 303 (338 f.); Becker, Prüfungsrecht, S. 145; NJW 1990, 273 (282); Guhl, S. 93. 343 Becker, Prüfungsrecht, S. 148; NJW 1990, 273 (282).

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F. Wege zu gerechteren Entscheidungen

wärtig wird lediglich mit einer mehr oder weniger hohen Wahrscheinlichkeit von punktuellem Wissen auf eine dementsprechende Breite und Tiefe des Wissens geschlossen. Das kann im Extremfall dazu führen, daß gute Kandidaten, bei denen aufgrund der Stoffülle zwangsläufig ebenfalls Vorbereitungsmängel bestehen, ein schlechtes Resultat erzielen und ggf. sogar durchfallen. Umgekehrt hat ein an sich ungeeigneter Kandidat eine Chance, aufgrund von Zufallswissen die Prüfung zu bestehen. Außerdem hat bei nur wenigen Einzelleistungen die „Tagesform" einen zu hohen Einfluß. Für eine umfassendere und repräsentativere Stoffauswahl und damit eine aussagekräftigere Prüfung stehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur Verfügung. Zum einen können Prüfungsleistungen vorgezogen werden. § 15 IE HRG sieht ζ. B. vor, daß die Hochschulabschlußprüfung in Abschnitte geteilt sowie durch eine Zwischenprüfung oder durch die Anrechnung studienbegleitender Leistungsnachweise oder beides entlastet werden können. Zum anderen besteht die Möglichkeit im Verfahren der Abschlußprüfung selbst, quantitativ mehr Prüfungsleistungen zu fordern. Soweit das Ausgliedern bzw. Vorziehen von Prüfungsleistungen oder die Anrechnung von Leistungsnachweisen eine Erhöhung der Anzahl der in die Endnote eingehenden Teilnoten hat, ist dies grundsätzlich zu begrüßen. Dabei sind allerdings die Grenzen und Schwierigkeiten dieser Alternativen nicht zu verkennen. Zunächst kann es verfälschend auf das Leistungsbild einwirken, wenn der Kandidat während des gesamten Studiums dem Prüfungsstreß ausgesetzt ist. 3 4 4 Zudem sind an alle vorgezogenen Leistungsnachweise bzw. Zwischenprüfungen dieselben Anforderungen hinsichtlich des Inhalts und des Verfahrens zu stellen wie an eine Abschlußprüfung am Ende des Studiums, da durch beide Formen gleichermaßen in das Grundrecht der Berufsfreiheit eingegriffen wird. 3 4 5 Teilweise wird unter bestimmten Voraussetzungen eine begrenzt wiederholbare Zwischenprüfung sogar für unverhältnismäßig gehalten. Die vorübergehend eingeführten studienbegleitenden Leistungskontrollen für Juristen stellten einen Verstoß gegen Art. 121 GG dar, weil sie zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter nicht erforderlich seien. 346 Begrenzend wirkt sich hier ferner insbesondere der größere sachliche und personelle Aufwand aus. Zu nennen ist beispielsweise die Pflicht, die Identität der Teilnehmer zu prüfen, zur Bewertung mindestens zwei Prüfer heranzuziehen etc. 347 Hinzu kommt, daß einige Prüfungsleistungen nicht abschichtbar sind, da das verlangte Anforderungsniveau grundsätzlich erst am Ende der Studienzeit erreicht wird bzw. werden kann. Ferner reicht es zum Schutz der kollidierenden Gemein344

Strauch, Prüfungsordnungen, S. 13. S. a. § 15 III HRG, der die Gleichwertigkeit von Anforderungen und Verfahren verlangt; von Roetteken, Rechtliche Rahmenbedingungen, S. 89. 34 6 Neumann, DVB1. 1987, 339 (343 ff.). 34 7 Waldeyer, in: Hailbronner, HRG, § 15, Rdnrn. 34, 36. 345

II. Formelle Fragen

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schaftsgüter durchaus, wenn der Kandidat den erforderlichen Kenntnisstand erst mit Abschluß des Studiums erreicht. Hier gilt es, fachspezifische Lösungen zu treffen, die die Vor- und Nachteile des Vorziehens von Prüfungsleistungen in ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Weniger Aufwand und Probleme bringt die zweite Möglichkeit mit sich, die lediglich die Erhöhung der Anzahl der Einzelleistungen in der Abschlußprüfung vorsieht. Das Schreiben von ζ. B. acht oder zehn Klausuren statt fünf, ließe eine erheblich repräsentativere Stoffauswahl zu. Bei nur zwei öffentlich-rechtlichen Klausuren im ersten juristischen Staatsexamen können nur wenige Teilbereiche ζ. B. Grundrechte und Polizei- und Ordnungsrecht - abgedeckt werden. Die zahlreichen weiteren Gebiete wie Staatsorganisationsrecht, Kommunalrecht oder Baurecht müssen unberücksichtigt bleiben. Selbst im Rahmen der zur Bearbeitung gestellten Themen kann nur ein Bruchteil des zu beherrschenden Wissens abgeprüft werden. Begrenzend wirkt hier allerdings auch die Belastbarkeit der Kandidaten. Zu viele Prüfungsleistungen und damit ein zu langer Prüfungszeitraum, über den der Prüfling seine Leistungsfähigkeit gar nicht aufrechterhalten kann, schaden eher, als daß sie nützen. Auch hier gilt es einen Mittelweg zu finden, der beide Seiten in einen vernünftigen Ausgleich bringt.

G. Schluß Der Versuch der Herbeiführung gerechterer Prüfungsentscheidungen durch gerichtliche Kontrolle und Gestaltung des Verwaltungsverfahrens erweist sich als ein schwieriges und vielschichtiges Unterfangen, obschon sich diese Arbeit auf berufsbezogene akademische und staatliche Abschlußprüfungen beschränkte und den großen Bereich der Prüfungen insgesamt ausklammerte. Die Anforderungen an Art und Inhalt dieser Prüfungen werden entscheidend durch das Grundrecht der Berufsfreiheit gem. Art. 12 I GG geprägt. Das Bestehen einer Prüfung als Voraussetzung für die Ausübung eines Berufs beschränkt die Berufsfreiheit. Solange Prüfungen einer beschränkten Wiederholbarkeit unterliegen, handelt es sich um eine objektive Zulassungsschranke, da die Erlangung der Berufszulassung nicht nur an subjektive Voraussetzungen des Bewerbers anknüpft, sondern auch eine gewisse Kontingentierung vorliegt. Im Rahmen der Erörterung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung wurden Prüfungen gleichwohl als subjektive Zulassungsschranke behandelt, da hier die Notwendigkeit der Zulassung einer unbeschränkten Wiederholbarkeit vertreten wurde. Der Eingriff muß daher grundsätzlich dem Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter dienen. Hier stellte sich insbesondere die Frage der Verhältnismäßigkeit von berufsbezogenen Prüfungen im allgemeinen und der derzeitigen Ausformung im besonderen. Trotz erheblicher Bedenken, die sich insbesondere unter der Heranziehung prüfungswissenschaftlicher Forschungen ergaben - Prüfungen weisen etliche Defizite hinsichtlich der Objektivität, Réhabilitât und Validität auf - entsprechen Prüfungen als solche dem Verhältnismäßigkeitsprinzip. Das bedeutet jedoch nicht, daß das derzeitige Prüfungssystem nicht verbesserungsfähig wäre. Änderungsvorschläge lassen sich allerdings nicht erarbeiten, ohne den Blick zunächst auf die rechtlichen Grundlagen und Spezifika von Prüfungsentscheidungen und insbesondere deren gerichtliche Überprüfbarkeit zu richten. Prüfungsrechtliche Entscheidungen sind das traditionelle Erscheinungsbild des dogmatischen Themenkreises um den unbestimmten Rechtsbegriff und den Beurteilungsspielraum. Eine Erörterung des allgemeinen Meinungsstandes zum unbestimmten Rechtsbegriff und Beurteilungsspielraum ergab, daß grundsätzlich die Möglichkeit einer gewissen - eng begrenzten - Letztentscheidungsbefugnis der Verwaltung hinsichtlich bestimmter Fragen zu bejahen ist. Dieser Freiraum erstreckt sich jedoch nur auf die Subsumtion einzelner Tatbestandsmerkmale. Ferner bedarf er wegen der vorbehaltslosen Gewährleistung des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes gem. Art. 19 IV GG der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung durch kollidierende

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Rechtsgüter von Verfassungsrang. Darüber hinaus ist - entgegen der überwiegenden Ansicht - eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zu fordern. Ein „Hineinlesen" in die ohnehin vagen Formulierungen genügt nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen und ist daher abzulehnen. Bezogen auf die prüfungsrechtlichen Entscheidungen bedeutet dies, daß einem Prüfungsgremium bei Beachtung entsprechender Vorgaben grundsätzlich ein gewisser Freiraum eingeräumt werden kann. Da die Frage des Beurteilungsspielraums bei Prüfungsentscheidungen eine deutliche Prägung durch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 17. 4. 1991 erhielt, erfuhren diese eine ausführliche Darstellung. Dabei traten auch einige Ungereimtheiten und Ansatzpunkte für Kritik an dieser Rechtsprechung zu Tage. Das zeigte zum einen die lebhafte Resonanz, die die Entscheidungen in der Literatur erfuhren, und zum anderen wurde dies durch eine genaue Analyse der einzelnen Aussagen der Beschlüsse deutlich. Zwar ergaben sich einige positive Ansätze wie die Pflicht zur vollständigen gerichtlichen Kontrolle fachwissenschaftlicher Fragen und zu einer verschärften Willkürkontrolle. Einer weiteren Erörterung und Entwicklung bedürfen jedoch einige nur angerissene oder nur unbefriedigend beantwortete Fragen. Zu nennen waren u. a. die Erstellung allgemeingültiger Bewertungsgrundsätze, die Kausalität von Bewertungsfehlern und das verwaltungsinterne Überdenken durch die ursprünglichen Prüfer. Auch die scheinbare Neuerung, den Anschluß der verwaltungsgerichtlichen Vollkontrolle auf den Grundsatz der Chancengleichheit gem. Art. 3 I GG zu stützen, ergab bei genauerer Betrachtung keine wesentlichen neuen Erkenntnisse: Die Möglichkeit der Verletzung der Chancengleichheit durch die Gewährung einer vom Vergleichsrahmen unabhängigen „weiteren Prüfungschance" hat nämlich - wie es die überwiegende Ansicht stets vertreten hat - letztlich ihre Ursache in der mangelnden Faßbarkeit und Nachvollziehbarkeit komplexer Wertungen. Aus diesem Grund sind die Prüfer gehalten, „bei ihren wertenden Urteil von Einschätzungen auszugehen, die sie im Laufe ihrer Examenspraxis bei vergleichbaren Prüfungen entwickelt haben". Insgesamt führten diese Erörterungen zu dem Zwischenergebnis, daß auch Prüfungsentscheidungen einer gewissen Kontrollrestriktion unterliegen können. Auf dieser Grundlage konnte die Suche nach Möglichkeiten zur Herbeiführung gerechterer Entscheidungen aufgenommen werden. Ziel dabei war zum einen, die mangelnde Faßbarkeit und damit unvollständige inhaltliche Überprüfbarkeit der Prüfungsentscheidung einzuschränken und zum anderen diesen Mangel durch eine entsprechende Verfahrensgestaltung wenigstens teilweise zu kompensieren. Bei der weiteren Präzisierung der inhaltlichen Bewertungsentscheidung zeigten sich schon bald Grenzen. Zu fordern sind gleichwohl die Aufstellung eines Kataloges von allgemeingültigen Bewertungsgrundsätzen und die Erstellung von Bewertungskriterien durch den einzelnen Prüfer.

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Bei der Verfahrensgestaltung, die vor allem durch den Grundsatz der Chancengleichheit gem. Art. 3 I GG geprägt ist, ergab sich nach einer eingehenden Beschreibung des Status quo, daß einige Modifikationen zu fordern sind. Dabei ist jedoch stets die Gefahr einer übertriebenen Formalisierung, die für alle Seiten nur belastend wirkt, im Blick zu behalten. Insbesondere hinsichtlich der methodischen Qualifikation und der Unvoreingenommenheit der Prüfer sind strengere Maßstäbe anzulegen. Schon der böse Schein der Befangenheit muß verhindert werden. Des weiteren sind strengere Begründungspflichten, die verdeckte Bewertung durch mehrere Prüfer und die unbeschränkte Wiederholbarkeit zu fordern. Die zeitliche Streckung des Prüfungsverfahrens und die Einbeziehung von insgesamt mehr Einzelleistungen können ebenfalls einen Beitrag zur Ermittlung der tatsächlichen Leistungsfähigkeit des Kandidaten und demzufolge gerechteren Entscheidungen leisten. Zusammenfassend ergibt sich, daß das Prüfungssystem trotz der offensichtlich vorhandenen Unzureichlichkeiten grundsätzlich beizubehalten ist. Wegen der prüfungsimmanenten Spezifika stoßen Modifikationen - insbesondere inhaltlicher Art - recht bald auf Grenzen. Das entbindet allerdings nicht von der Pflicht einer steten Weiterentwicklung und Verbesserung. Dies ist sowohl durch das Grundrecht der Berufsfreiheit gem. Art. 121 GG als auch durch die kollidierenden Rechtsgüter geboten.

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arverzeichnis Abhilfe 136 ff., Abschaffung 50 f. Abschlußnote 97 Abschlußprüfung 18,178 f., - akademische 122 f., 127,152,161,180 - staatliche 122 f., 127,152, 161, 180 Administrative 76 Ärztliche Vorprüfung 99 Akademiker 23 Akademische Prüfungen 18, 34 ff., 38, 50, 176 Akteneinsicht 104,154 Aktenvortrag 97, 124 Anforderungsprofil 46 Angemessenheit 39, 53 Antwort-Wahl-Verfahren 99 f., 104 f., 109, 112 f., 118 f., 124 Antwortspielraum 103 ff. Apotheken-Urteil 21 Arbeiten, schriftliche 140 Arbeitsmarkt 23 Aufgabe, unlösbare s. unlösbare Aufgabe Aufgabenverteilung, funktionsgerechte 90 Aufsictit 136 Aufsichtsarbeiten 98, 115 Aufsichtsbehörde 146 Aufsichtsführender 136 Ausbildungsinhalte 45 Auslegung 64, 78, 83 ff. Aussagekraft 51 Attest - ärztliches 134, 168 - amtsärztliches 134 Autonomie 29 f. Beanstandung 138 - substantiierte s. substantiierte Beanstandungen Bearbeitungszeit 132

Befangenheit 108, 118, 140, 145 ff., 158, 162, 166, 168 f., 182 - Besorgnis der 145 f., 166 f. Befangenheitsantrag 147 Befangenheitsrüge 147 f., 169 f. Befassung, erneute 167 Begriffshof 59 Begriffskern 59 Begründung 110, 148 ff., 155, 157, 164, 170 ff. - mündliche 151 - schriftliche 151 Begründungsdefizit 149 Begründungspflicht 149 ff., 170, 172,182 Begründungszwang 19 Begutachtung 152 Bekanntgabe 138, 151, 154,170 Belästigung 23 Benotung 47 f., 98, 103, 112, 114, 116, 165, 171, 173 Berufsanforderungen 114, 121, 173 Berufsausbildung 30 Berufsausübung 21, 23 f., 53 Berufsausübungsregelungen 33 Berufsbild 15,28 ff., 38,45,52, 114 Berufschancen 15, 101,105, 144 Berufseignung 36 f., 44 f., 48,50, 126,129 Berufsfreiheit 16, 21, 23, 32 f., 53 f., 100, 103 f., 130, 141, 148, 153, 159, 162, 169, 178, 180, 182 Berufsvoraussetzung 162 Berufswahl 21 ff., 26 f., 36 ff., 105, 148,

161 Berufszugangsprüfung 101,111 Berufszulassung 129,176 Berufszulassungsprüfung 152 Berufszugangsschranke 103 Berufszulassungsvoraussetzung 51, 153 f. - objektiv 34 - subjektiv 34

Sachwortverzeichnis Bestehensgrenze 99, 102 Bestimmtheit 58 f., 78, 85 Bestimmtheitsgrundsatz 24, 32, 87 Beteiligung 162 Beurteilung 152, 166 - fachwissenschaftliche 109,116 Beurteilungsermächtigung 58, 64 ff., 68, 70,74,95 Beurteilungskriterien 97, 101 f., 109, 121 f., 126 Beurteilungsmaßstäbe 48,98,115,122 - allgemeingültige 103 Beurteilungsmethoden 124 Beurteilungsprägorative 58 Beurteilungsspielraum 56, 58 ff., 63 ff., 69, 71 f., 74 f., 77 ff., 87 f., 90, 92 ff., 97 ff., 105 f., 113 f., 126, 130,158,180 Beurteilungs Vorgang 123 f. Beweismittel 142, 171 Beweislage 86,163 Beweislast 88, 90,95, 155, 164 Beweislastregeln 72 Beweislastverteilung 86 Beweiszwecke 141 f. Bewertung 114, 149 f., 152, 156, 161 f., 165, 173 f., 178 - fachliche 102, 142 - prognostische 81 - verdeckte 173,182 Bewertungsbegründung 149 ff. Bewertungsdefizit 149 Bewertungseinheit 161 Bewertungsergebnis 143 Bewertungsfehler 103 f., 111, 118 f., 142, 160, 167, 171 f., 181 Bewertungsgrundlage 151, 165 Bewertungsgrundsätze 103,119,122 ff. - allgemein anerkannte 123 - allgemeine 101, 117,120 ff., 124 - allgemeingültige 67, 94 f, 117, 119 ff., 126, 140,148, 181 Bewertungskriterien 42 f., 55, 117, 120, 126, 171, 181 Bewertungsmangel 155 Bewertungsmaßstäbe 26 f., 42, 55, 93, 95,118,167 - allgemeingültige 74 - gruppenorientierte 125

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Bewertungsobjektivität 41 Bewertungsrüge 128,170 Bewertungsschritte 32,101 Bewertungsskala 43 Bewertungsspielraum 79, 101 ff. Bewertungssystem 102 Bewertungsverfahren 26,148 Bewertungsvorgang 42, 123, 143, 165 Bewertungsvorrecht 95 Bezugsnorm 35, 125 - absolute 125 f. - curriculare 125 f. - individuelle 125 - soziale 125 f. Bezugssystem 79 Bundesdurchschnitt 99 Chancen, berufliche s. Berufschancen Chancengleichheit 49, 54 f., 79, 101 f., 117 f., 129 ff., 135, 138 ff., 145, 147, 160 f., 167 ff., 181 f. Darlegung, substantiierte s. substantiierte Darlegung Dauerleiden 132 Definition 83 Denkgesetze 62 Diplom 18, 29, 38,51 ff., 117 Dissertation 123 Dreistufentheorie 24, 33 f., 37 Durchfallquote 50,54 Eigenständigkeit der Verwaltung 83 f., 91 Eigenverantwortlichkeit der Verwaltung 68 Eingangsbedingungen 40 Eingriffsintensität 51 Einmaligkeit 95 Einschätzung 101 Einschätzungsprägorative 58,64 Einsichtnahme (in Prüfungsakten) 129 Einsichtsrecht 155 Einwände 157 f. - substantiierte s. substantiierte Einwände Einwendungen, substantiierte s. substantiierte Einwendungen Einwirkungen, physische 135,138 Einzelfallentscheidung 137 Einzelleistungen 177 ff., 182

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Entscheidung zur Kapazitätsverordnung für den Zugang zum Hochschulstudium 80 Entscheidungen - gerechtere 120 - unvertretbare s. unvertretbare Entscheidungen Entscheidungsfreiraum 64, 80, 101 Entscheidungsgründe 172 Entscheidungsspielraum 58, 80, 102, 105, 137 Erbringung der Prüfungsleistung 129 Erfahrung 101,118 Erfahrungsbegriffe 59 Erfahrungssätze 62 Erfolgschancen 112 Erforderlichkeit 39, 50 ff. Erheblichkeit 138 Erheblichkeitsschwelle 135 Erinnerungseffekt 43 Erinnerungsvermögen 151 Erkenntnisse, gesicherte medizinische 119 Erkenntnisvermögen - Grenze menschlichen 60, 70, 90 f., 114, 144 Erkrankung s. Krankheit Ermächtigung, höchstpersönliche 69 Ermessen 56 ff., 61 ff. Ermessensentscheidung 56,62,65,73,93 f. Ermessensfehler 62 Ermessensfreiheit 63 Ermessensgrenzen 73 Ermessenskontrolle 79, 82 Ermessensnormen 83 Ermüdungseffekte 165 Ersatzausführungen 121 Erste Juristische Staatsprüfung 98, 102, 114, 177, 179 Erstgutachter 152 f. Erstprüfer 147,152 f., 162, 174 Erstvotum 174 Erwägungen, sachfremde s. sachfremde Erwägungen Examensangst s. Prüfungsangst Examenspraxis 174, 181 Exekutive 16,22, 32,56, 59 f., 75 Fachbereich 28 Fachfrage 104, 109 ff., 116

Fachgremien 91,114 Fachkenntnis 164 Fachkundiger 103,112 Fachliteratur 99 Fachschrifttum 105,109 Fachurteil, höchstpersönlich, unwiederholbar, nicht nachvollziehbar, unvertretbar 69, 79, 85, 95,102 Fairneß 139 f., 160 Fairneßgebot 139 Fallgruppen, anerkannte 64,66, 87 Fehlleistung 140 Floskeln 149 Folgefehler 121 Form- und Verfahrensgestaltung 22 Formulierungsprägorative 30 Forschung, prüfungswissenschaftliche s. prüfungswissenschaftliche Forschung Fragen, fachwissenschaftliche s. Fachfragen Freiheit der Lehre 30 Fürsorgepflicht 151 Funktionenteilung 84 Funktionsbereich 63 Funktionsfähigkeit 70, 83 f., 90 f., 177 - der Rechtsprechung 110 Funktionsgrenzen der Rechtsprechung 69 f., 79, 82,101 Geeignetheit 39,44,48,53 Gefälligkeitsattest 133,168 Gegen vorstellungsverfahren 107 Gemeinschaftsgüter 178 - kollidierende 51 - wichtige 33, 36 f., 50 f., 53, 178, 180 Gemeinwohl 35,105 Generalklausel 65,76 Gerechtigkeit 16, 20, 55 f., 106,129 f., 163 Gesetzgebung 120 Gesetzesbegriff, unbestimmter 57, s.a. Rechtsbegriff, unbestimmter Gesundheit 131, 133 f. Gewalt - hoheitliche/öffentliche/staatliche 22 f., 88 f., 100 Gewalten 60 Gewaltenteilung 63,68, 84,91 ff. Gleichheitsgrundsatz 25

Sachwortverzeichnis Gleichheitssatz 55 Gnadenentscheidung 176 Gremienentscheidung 87 Gremium 91 f., 95 Gründe, - persönliche 160 - wesentliche 170 Grundgesetz 15,20 Grundrechte 113 Grundrechtsrelevanz 82 Grundrechtsschutz 127,152, 173,175 Grundrechtsschutz durch Verfahren 156 Gültigkeit S.Validität Gütekriterien 39 f. Habilitationsverfahren 18 Halo-Effekt 40 Hausarbeit 97 f., 177 Heilung von Verfahrensfehlern 107, 159 Hinweise, wirkungsvolle s. wirkungsvolle Hinweise Hitze 135 Hochschulprüfungen 18, 28 f. Höchstpersönlichkeit 87 höchstpersönliche Ermächtigung s. Ermächtigung, höchstpersönliche höchstpersönliches Fachurteil s. Fachurteil, höchstpersönliches hoheitliche Gewalt s. Gewalt, hoheitliche Immatrikulationshindernis 52 Imponderabilien 70 Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen 99 Intensität 137 Josefine-Mutzenbacher-Entscheidung 78 Judikative 16, 32, 56,60, 76 Juristenentscheidung 78 f., 82, 97, 100, 104, 118, 171 Justiziabilität 76 Justizprüfungsamt 98 f., s.a. Landesjustizprüfungsamt Kälte 135 Kapazität 172, 174 Kapazitätsgrenzen 34 Kausalität 104, 111, 119,155,171 f.

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Kausalitätserfordernis 156 Kenntnisse, gesicherte medizinische 105 Kernbereich 26 Klausuren 177, 179 Körperbehinderung 132 Körperschaft des öffentlichen Rechts 31 kognitives Ermessen 59,63 Kommission 177 Kompensationsmaßnahmen 137 f. Kompetenz-Kompetenz 73 Komplexität 79, 82 Konkordanz 78, 84 Kontrasteffekt 50 Kontrolldefizite 22, 144 Kontrolldichte 75, 82,93,95,113 - gerichtliche 16 f., 56, 113, 117 Kontrolle, gerichtliche 56, 100 ff., 117, 148, 150, 180 f. Kontrollfreiraum 64,74, 83 Kontrollintensität 64, 89 Kontrollmaßstäbe 63,69,112 Kontrollrestriktion 73,76 Kontrollumfang 63, 82 Kotrollverfahren, verwaltungsinternes s. verwaltungsinternes Kontrollverfahren Korrektoren 98,152,166,173 Korrektur 98, 114 f., 126, 152, 155, 160, 165,167, 170, 174 Korrekturanleitung 122 Korrekturbemerkungen 98,152, 165,174 Korrekturdurchgänge 165 Korrekturfehler 98, 111, 118,171 Korrekturverhalten 129 Krankheit 133 f., 147,160, 168 Kunstfreiheit 78 Ladung 138 Lärm 135,137, 139,160 Lärmstörung 128,130, 137,141,168 Landesjustizprüfungsamt 97, s.a. Justizprüfungsamt Legislative 16,22, 32,56, 60,90 f. Leistungsbeurteilung 125 Leistungsbewertung 27, 104, 123 ff., 130, 141, 143, 156 f., 161, 165, 173 Leistungsbild 131 f., 135 Leistungserbringung 131,156 f. Leistungsermittlung 27,160,165

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Leistungsfähigkeit 71, 133, 139, 163, 165, 167, 176, 179 Leistungsmessung 123 ff., 165 Leistungsminderung 134, 138, 140, 166 Leistungsnachweise 178 Leistungsvermögen 131 f., 135, 140 Letztentscheidung 60, 70, 73, 84, 87 f., 91, 95 Letztentscheidungsbefugnis 180 Letztentscheidungskompetenz 102 Letztentscheidungsrecht 30 Letztverbindlichkeit 60,67 ff. Literaturgutachten 111,116,119 Lösung, folgerichtige 103 Lösungsskizze 127 Magister 18,29,117 Medizinerentscheidung 78 f., 99, 104, 118 Mehrprüfersystem 27, 173 Meinungsvielfalt 29 Mindestanforderung 102 Ministerium für Wissenschaft und Forschung 29 Mittel, milderes 50 Mitwirkung 30, 168 Mitwirkungspflicht 133, 147 Mitwirkungsrecht 28 Müdigkeit 165 Musterlösung 100,127 Nachvollzug, Unmöglichkeit des s. Unmöglichkeit des Nachvollzugs Nervosität 134 Neubewertung 108,146 f., 158 f., 167 Nichtbestehen 161 f., 173,175 f. Nichtzulassungsbeschwerde 98 Note(n) 39, 44, 47, 97, 102, 115, 118, 126, 130, 138, 143 f., 150 f., 159, 164 f., 172, 174 Notenbildung 121 Notendefinition 102,114, 120 f., 125 f. Notenfindung 127 Notenskala 124 Notenstufen 101 f. Notenverbesserung 162 Objektivität 26, 35, 39, 40, 48 ff., 125, 145 f., 167,173,180

Obliegenheitsverletzung 159 öffentliche Gewalt s. Gewalt, öffentliche Parlamentsvorbehalt 25 ff. Paralleltest-Reliabilität s. Réhabilitât Plausibilitätskontrolle 108 Praktikabilität 124 Primacy-Effekt 40, 166 Privatgrundschulentscheidung 80, 82 Prognose 66,70 Prognosespielraum 64 Promotionsverfahren 18 Protokoll 138,143,164 Prüfungsprotokoll 141 - Tonbandprotokoll 143 - Videoprotokoll 143 - Wortlautprotokoll 142 f. Protokollierung 86, 141 ff., 150, 163 f. Protokollierungspflicht 143,163 f. Prozeßwelle 110 Prüferverhalten 146 Prüfungen - akademische 15, 18, 34 ff., 50, 55, 122, 124, 127,152, 161, 173, 176,180 - berufsbezogene 18, 37 f., 103, 126, 161, 180 - berufsqualifizierende 34, 36 - berufszulassende 15,50 - juristische 111 - mündliche 42 ff., 46, 86, 88, 98, 136, 141,148,150 f., 163,165 f., 170,172 - schriftliche 43 f., 46, 136, 148, 150, 164 f., 170 - staatliche 15, 18 f., 29, 34 ff., 49 f., 122, 124, 127,152, 161, 173,180 - universitäre 29 Prüfungsablauf 130,135 Prüfungsabschnitte 97,109 Prüfungsamt 134 Prüfungsanforderungen 28, 34,37,176 Prüfungsangst 39,47,132,134, 163, 176 Prüfungsarbeit 146,149,152,159,165,167 Prüfungsaufbau 165,168 Prüfungsaufgaben 29, 35,48,100,141 Prüfungsausschuß 136 f. Prüfungsbedingungen 28,31, 132,135 Prüfüngsbehörde 23, 99, 102 f., 134 f., 137 ff., 151, 153,155,160,164,167, 172

Sachwortverzeichnis Prüfungsbescheid 97 f., 100, 104,157 Prüfungschance 144, 147, 161, 169 - weitere 133, 138 Prüfungsdauer 138 Prüfungsergebnis 16, 38, 48, 104, 129, 134, 137, 153,155 Prüfungsfächer 115 Prüfungsfähigkeit 131 ff., 147, 166 Prüfungsfragen 99, 104, 121 Prüfungsgespräch 97, 142 f., 163, 170 Prüfungsgremium 105, 181 Prüfungsgruppe 35,47,55 prüfungsimmanente Unterschiede 138,140 Prüfungsinhalt s. Prüfungsstoff Prüfungskapazität 177 Prüfungskommission 114, 147 Prüfungsleistung 26 f., 41, 98, 102, 111, 122, 131, 135, 143, 146, 147, 150, 153, 156, 158, 161, 167, 178 f. Prüfungsmangel 136 Prüfungsordnung 18 f., 25 ff., 31, 38, 133 f., 136, 141, 152, 161, 174 Prüfungspsychose 132 prüfungsrechtliche Entscheidung 100 Prüfungsschema 104 Prüfungssituation 101 f., 132, 134, 136, 163, 170 Prüfungsstoff 26, 32, 114 f., 122, 141 Prüfungsstreß 163 Prüfungssystem 182 Prüfungstermin 100, 118, 130, 169 Prüfungsthema 175 Prüfungsunterlagen 138 Prüfungsverfahren 17,28,37,49 Prüfungs Verhältnis 136, 153 Prüfungsverlauf 40 f., 136 Prüfungsversuch 160 ff., 167, 175 ff. Prüfungsvorgang 163 f. Prüfungswissenschaft 44, 123 prüfungswissenschaftliche Forschung 38 Prüfungszeitraum 179 Prüfungsziel 114 Prüfungszweck 114, 132 Qualifikation 27, 54, 95, 144, 164, 182 - fachliche 164 ff. - formelle 164 - materielle 164

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Qualifikationsnachweis 103 Qualität 39,48,50, 131, 137 Qualitäten 163 Quantität 137 Randbemerkungen 141, 145 f., 152, 166, 170, 174 Rechtsanspruch 153 Rechtsbegriff, unbestimmter 16, 56 ff., 61 ff., 72, 74 f., 77, 79, 83, 88, 101, 180 Rechtsbehelfsbelehrung 107 Rechtsfolgeermessen 59,62 f., 82 f. Rechtsfolgenseite 58,61,63,82 Rechtsfrieden 20 f. Rechtsgüter 22 Rechtsprechung 100, 120 Rechtsschutz 16, 49, 79, 83 f., 88 ff., 100, 103, 107, 119, 142, 157,172, 180 Rechtsschutzgarantie 101, 141 Rechtsschutzmöglichkeit 151 Rechtssicherheit 20 f., 74 Rechtsstaatlichkeit 49,59, 76, 161 Rechtsstaatsprinzip 20 f., 32, 108, 145, 168 Rechtsverordnung 22,25, 28,45, 122 Rechtsweg 88, 100 f. reformatio in peius, Verbot der 160 Regelungsvorbehalt 33 Reihenfolgeeffekt 40 f. Rekonstruierbarkeit 95 Reliabilität 39 f., 42 f., 48 ff., 115, 125, 180 - Paralleltest- 42 Retest- 42 f. Reliabilitätskoeffizient 42 f. Richtigkeitsentscheidung, fachwissenschaftliche 104, 108, 111, 116, 142, 149 Rücktritt 27, 133, 135, 137 f., 160,168 Rücktrittserklärung 141 Rücktrittsmöglichkeit 131 Rücktrittsregeln 138 Rüge 137 f., 148 - substantiierte s. substantiierte Rüge Rüge der Befangenheit s. Befangenheitsrüge Rügeobliegenheit 136,147 Sachbericht 97 sachfremde Erwägungen 67, 75,94, 148

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arverzeichnis

Sachlichkeit 139 f., 146, 160 - Gebot der 121,140 f., 146,148 Sachverhalt, unrichtiger 67,75 Sachverständigengremien 70 Sachverständigengutachten 88 Sachverständigenurteil 171 Sachverständiger 102 f., 111,113,116, 119 Sachverstand 69, 87, 102,111 Sachverstand, besonderer 85 Saldo-Theorie 98, 171 Satzung 28 ff. Schlüssigkeit 127,171 Schreibzeitverlängerung 128,137 Schwierigkeitsgrad 41, 112, 126, 150 Selbständigkeit 152 f. Selbstbeschränkung, richterliche 72 Selbstbindung 25 Selbstkontrolle 118 Selbstverwaltung 19,29,31,52 Self-Fullfilling-Prophecy 30 Sonderverordnungen 25 staatliche Gewalt s. Gewalt, staatliche standardisierte Tests s. Tests, standardisierte Steuerungsdefizit 144 Steuerungskraft 28, 33, 64, 90, 101, 113, 117 Störquelle 137 Störung 136 f., 139, 160 Stoffkataloge 120 f. Streß 140 substantiierte Beanstandungen 112 substantiierte Darlegung 142,164 substantiierte Einwände 158 f. substantiierte Einwendungen 107,111 substantiierte Rüge 167 Substantiiertheit 154,158 Subsumtion 61, 64 ff., 74, 83 ff., 87, 180 Täuschung 27 Tatbestandsermessen 59,62 f., 82 Tatbestandsmerkmale 180 Tatbestandsseite 58 f., 82 Tatsachen, falsche 94 Tests - formelle 125 - standardisierte 42,47,119 Testverfahren 124 Treu und Glauben 133,136

Überdenken 32, 107, 112, 118, 142, 146, 149, 153, 156 ff., 167, 181 Übereistimmungsvalidität s. Validität Übergangsregelung 32 Übermaßverbot 154 Überprüfbarkeit 61,73,83 - gerichtliche s. Kontrolldichte, gerichtliche Überschuß 46,52 Ungerechtigkeit 32,51 unhaltbar 103 unlösbare Aufgabe 89 Unmöglichkeit des Nachvollzugs 69 Unparteilichkeit 108,168 Unruhe 135 Unterschiede, prüfungsimmanente s. prüfungsimmanente Unterschiede untrennbare Verknüpfung 116 unvertretbare Entscheidung 69,86 Unvertretbarkeit 87 Unvoreingenommenheit 182 Unwägbarkeit 15, 35,173,175,177 Unwiederholbarkeit 69,85,95 Validität 39 f., 42 f., 45 ff., 51, 124, 163, 165,180 - explizite 46 - implizite 46 f. - Inhalts- 43 f., 46 - Konstrukt- 43 f. - Übereinstimmungs- 43 f. - Vorhersage- 43 f. Verbot der reformatio in peius s. reformatio in peius, Verbot der Verfahrensfehler 114, 148,155 f., 164,168 Verfahrensgestaltung 127 ff. Verfahrensgrundrecht 100 Verfahrensmangel 109,159 Verfahrensschritte 161 Verfahrensverstöße 128 Verfahrensvorschriften 67, 75, 127, 130 f., 155 Verfassungsbeschwerde 97 f., 100,105 Verfassungsgüter, kollidierende 180,182 Verfassungsmäßigkeit 20,24,33 Vergleichsmaßstab 47,125,147,167 Vergleichsrahmen 117

Sachwortverzeichnis Verhältnismäßigkeit 16, 34, 36, 38, 103, 105, 154, 180 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 36, 154 Verhältnismäßigkeitsprinzip 24, 33 f., 50,

180 Verkennen anzuwendenden Rechts 67,94 Verknüpfung, untrennbare untrennbare Verknüpfung Vermeidungspflicht, vorbeugende 136 Veröffentlichung 119 Verordnungsermächtigung 28 Verschlechterung 160 Vertrauensverhältnis 170 Vertrauensvorschuß 95 Vertretbarkeit 62 ff., 97, 109 ff., 121, 127, 116 f., 119,142 Vertretbarkeitskontrolle 143 Vertretbarkeitslehre 61,64 Verwaltungsakt 100 verwaltungsinternes Kontrollverfahren 32, 100,107 f., 113, 156 f., 159 VerwaltungsVorschriften 25,31 Vollkontrolle 61, 64,70,73 f., 77, 89,181 Voraussehbarkeit 20 Vorbehalt des Gesetzes 25, 32,72 Vorbereitungsdienst, juristischer 115 Voreingenommenheit s. Befangenheit Vorgespräch 170 Vorhersagevalidität s. Validität Vorkorrektur 153 Vorverfahren 170 Wahlfreiheit 58 f., 61 Wahlrecht 67, 83,136,138 Wertbegriffe 59 Wertungen, - pädagogisch-wissenschaftliche 97 - prüfungsspezifische 79, 102, 104, 108, l l l f . , 116 ff., 142, 149 f., 158 f., 164 Wertungsfragen 103, 109 Wertvorstellung, subjektive 61 Wesentlichkeit 90

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Wesentlichkeitstheorie 24 ff. Widerspruch 97 ff. Widerspruchsverfahren 107, 112, 157 f. Widerspruchsvorbringen 98 Wiederholung, Wiederholbarkeit 7 f., 34 ff., 52,138,161 f., 175 ff., 180, 182 Wiederholungsmöglichkeit 100, 131, 137, 161 f., 175, 177 Wiederholungspflicht 161 Wiederholungsprüfung 133, 138, 146, 160 ff., 168 f. Willkür 112, 116,121 Willkürkontrolle 103,117,164 willkürlich 67,94 wirkungsvolle Hinweise 112,157 Wissenschaft 99 Wissenschaftsfreiheit 52 Wissenschaftspluralismus 29 Zensur 121,124 Zentralisierung 29 ff. Zeugnis 100 Zufallstreffer 109, 119 Zufallswissen 178 Zugänglichkeit 105,119 Zugangsberechtigung 18,175 Zulassung 28,153 f. Zulassungsschranke 180 - objektive 24, 33 ff. - subjektive 24, 33 f., 36 f. Zulassungsverfahren 129 Zulassungsvoraussetzungen 51,153 f. - subjektive s. Zulassungsschranke, subjektive Zumutbarkeit 136 f., 147 f. Zusammenwirken 30 Zuverlässigkeit s. Reliabilität Zweitbeurteilung 147 Zweite Juristische Staatsprüfung 97,102 Zweitgutachter 152 f. Zweitprüfer 152 Zweitvotum 152, 174