Geld- und Geldwerttheorien im Privatrecht der Industrialisierung (1815–1914): Ökonomische Wechsellagen in der sogenannten Begriffsjurisprudenz [1 ed.] 9783428494392, 9783428094394

Über Geld spricht man nicht im BGB. Geld hat man bekanntlich zu haben. Kannten die BGB-Redaktoren keine Inflation und ke

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Geld- und Geldwerttheorien im Privatrecht der Industrialisierung (1815–1914): Ökonomische Wechsellagen in der sogenannten Begriffsjurisprudenz [1 ed.]
 9783428494392, 9783428094394

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KAI-PETER OTI

Geld- und Geldwerttheorien im Privatrecht der Industrialisierung ( 1815-1914)

Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 75

Geld- und Geldwerttheorien im Privatrecht der Industrialisierung

(1815 -1914)

Ökonomische Wechsellagen in der sogenannten Begriffsjurisprudenz

Von

Kai-Peter Ott

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Ott, Kai-Peter: Geld- und Geldwerttheorien im Privatrecht der Industrialisierung (1815- 1914): ökonomische Wechsellagen in der sogenannten Begriffsjurisprudenz I von Kai-Peter Ott.- Berlin: Duncker und Humblot, 1998 (Schriften zur Rechtsgeschichte ; H. 75) Zugl.: Frankfurt (Main), Univ., Diss., 1997 ISBN 3-428-09439-5

Alle Rechte vorbehalten

© 1998 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7379 ISBN 3-428-09439-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97068

"Beklagte man ehemals die Schuld der Welt, so sieht manjetzt mit Grauen auf die Schulden der Welt." Arthur Schopenhauer (1788-1860)

Inhalt Problem

13

I. "Selbstverständliche" Geltung des Nominalwertprinzips ..................... ...... ... 13

II. Grundbegriffe und Forschungsziel.. ................. .................................... .. 16 III. Pandektenwissenschaft und Nominalwertprinzip .. ....... ......... ..................... 19 IV. These ... ........... .... ...................... .. ............. ..... ................................. 24 Erster Teil

IndustrieUe Anlaufphase von Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts 26 1. Kapitel

Gerahrdung der Geldwertstabilität in den Staaten des Deutschen Bundes

26

I. Metallgeldsystem am Beispiel des preußischen Münzgesetzes von 1821.. ...... .. 30 1. Taler als "vollwertige" Währungsmünzen aus Silber.......... ................... .. 31

2. Vom Friedrichsd' or als bimetallische Währungsmünze zur Krone als Handelsmünze aus Gold im Wiener Münzvertrag .... ......... ............ .... ..... 32 3. Silbergroschen und Kupferpfennige als Scheidemünzen .. .. .. .................. .. . 33 4. Funktionsfabi.gkeit oder "Stabilität" des Systems ... ................ .... .. ....... ... . 34 a) Metallwarenwert der Münzen und der Wert der Edelmetalle ........ ......... 34 b) Geldmenge ......... .......... .... ............ ... ... .... .. ...... .... .... .... ... ........ ... 37 c) Vertrauen der Wirtschaftsteilnehmer ......... ... .... .... ... ... .. ....... ... .. .... ... 38 II. Zwischenstaatliche Verrechtlichung der Währungsverhältnisse .. ... ............ ... . 41 III. Geldwirtschaftliche Herausforderung des Privatrechts .... ...... .... ........ .... .. ... . 45 2. Kapitel

Risiko von Geldwertänderungen im Privatrecht

47

I. Vorgeschichte und privatgesetzliche Ausgangslage .. .. .... ..... .. ....... .. .... ... .. ... 48

8

Inhalt 1. Antikes römisches Recht .............................. ................ .................... 48

2. Kanonisten und Postglossatoren .................................... ... .................. 51 3. Naturrechtskodiflkationen ............. .................. .. ............................... 54 II. Übersicht der privatrechtswissenschaftlichen Literatur aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ................................... ... ..... ................ .... .. ..... .. . 57 1. Nennwerttheoretiker ....................... ......... .... ... ................... .... ..... ... . 57 2. Metallwerttheorie von Georg Priedrich Puchta ...... .. ... ... .......... ... .... .. ..... 60 3. Kurswerttheoretiker ... ......... .... ........... ... ..... .............. ......... .. .... ........ 61 111. Begründung der Theorien ......... .. .. .................. ...................... ...... ....... . 63 1. Geld .................................................... .... .... ...................... ... ..... . 63 a) Funktionen und Definitionen .................. ... .. ............ ....... ...... .... .... . 63 aa) Nennwerttheorie ... ...... ....... .. ....... .... .. ...... ....... .. .. .... ..... .. ..... .. . 63 bb) Metallwerttheorie .......... .. ........ ... ...... .... ....... .................... ... ... 65 cc) Kurswerttheorie ................ ............ ... ............................ ......... 65 b) Entstehung und Geltung .... .... ............ .. .. ... ... ..... .................. .... ...... 68 aa) Nennwerttheorie ............................ .. ...... .. ..................... ... ..... 68 bb) Metall- und Kurswerttheorie .... ........ .. .............................. ... ..... 69 c) "Verkörperung" im Münzgeld ...... .. ... .. .. ......................... .......... ..... 70 2. Geldschuldverhältnis .......... .... .... ..... ..................................... .... ....... 71 3. Geldwert .......................... ... .... .......... .... ......................... .... ... .... ... 75 a) "Innerer" Wert des Geldes und seine Bedeutung als tatsächliches Münzmetallgewicht und Münzmetallwarenwert .. ... .. .. .... .... ..... ...... ..... 75 b) "Äußerer" Wert und seine Bedeutung als Nenn- und Wechselkurswert .... 77 c) Tauschkurswert ......... ....... .......... ....... ........................ .. ... ..... ...... 80 d) Verschiedene "Geldwerte" oder rechtspraktikable Bestimmungsgründe ... 84 4. Geldwertänderungen im Geldschuldverhältnis ....................... .... ..... ... .... 85 a) Nennwertprinzip .. .... .... ..... ... .... ................................ .... ... ... ........ 85 b) Metallgehaltsprinzip .... ......... .. .. ........ .. .............................. .. ......... 89 c) Tauschwertprinzip ....... ..... ............. .......................... ....... .... ... .. ... 92 d) Abweichende Parteivereinbarungen ... ...................................... .. ... .. 94 3. Kapitel

Zweckmäßigkeit der Geldwerttheorien

97

Inhalt

9

Zweiter Teil

lndustrieUe Expansionsphase bis zur Reichsgründung

103

4. Kapitel

Anpassungsbedarf des Geldschuldrechts

103

I. Staatspapiergeld- und Banknotenausgabe ...... .... .. .... ...... ... .... ........ ... ... .... 103

Il. Währungsrechtlicher Status ..... .. ... ....... ..... ... ..... .... ...................... .... .... 109 III. Privatrechtliches Integrationsbedürfnis .... ....................................... ... .... 111 5. Kapitel

Kurswerttheorie von Friedrich Carl v. Savigny

113

I. Bedeutung des Kurswertprinzips für das Geldschuldverhältnis ............ ...... .. 113

1. Geldkurswert und Praktikabilität eines Kurswertprinzips ................ .... .... 113 2. Geltungsanspruch des Kurswerts ................. .. ........................... ........ 115 a) "Allgemeine Natur" des Geldes und das Papiergeld im besonderen ... .... 116 aa) "Wirkliches" Geld ..... ..... .... ... ......... .... .. ...... ... .................... ... 116 bb) Zeichengeld ... ... ..... .... ... .... ... ..... .... ...... .......... ... .... ......... ... .. 119 cc) Banknoten ............ ..... ... ............ .. ... ....... .... ....... ................. .. 120 b) Ablehnung der Nenn- und Metallwertgeltung ................................... 127

3. Gerichtliche Anwendung .. ..... ... ................. .. ..... .... ......................... . 131 Il. Ökonomische Wirkungsrichtung und Motivation .. .... ... ... ..... .................. .. 132 1. Markteinheit durch Vereinheitlichung der Geldwertbestimmung ............... 132

a) Geldsortenintegration und Internationalisierung der Wirtschaft .......... ... 132 b) Geldartenintegration und Geldbedarf ....... ....... ....................... .. .. .... 133 2. Geldwertstabilität .... ... .... .... .... ............ ... ... ............................ ...... .. . 135

3. Liberalisierung des Geldwesens ............ ...... ... ........... .............. ....... .. 137 4. Anlehnung an Nationalökonomen .... ... .... .................. ............... ......... 138 6. Kapitel

Ausbreitung der Kurswerttheorie

143

I. Grundsätzliche Anerkennung .... ... ........ ... .... ... .. ....... ..... .... .. ... .... .... .... .. 144 1. Ablösung der Metallgewichtstheorie mit Rudorff ............... ... .... ...... .... .. 144

10

Inhalt 2. Umschwung von Vangerow ....................... .. ........ ..................... ...... 145 3. Verständnisschwierigkeiten von Arndts und Windscheid .................. .. ... . 146 4. Verständnisvorsprung von Keller ........ ... ..... ........ .. ..................... ...... 147 5. Rechtspraktische Stellungnahme Holzschuhers . .... ........ ................. ...... 148 6. Selbstverständlichkeit der Kurswertgeltung bei Seuffert ..................... .. .. 148

II. Modifikationen des Geldbegriffs ..................... .. .......................... ...... .. . 149 1. Joseph Unger: Ausdehnung des Geld-Kurswerts auf alle mit staatlicher Erlaubnis ausgegebenen Banknoten ............. . .. ... .......... .... .. .... ..... .. ... . 149 2. Johannes Emil Kuntze: Geldtheorie vom "relativen Zwangskurs" ..... .... .. .. 151 3. Ernst lmanuel Bekker: Geldtheorie vom gesetzlichen Zahlungsmittel bei Kurswertgeltung ... .... .... .... ............. ....... ... .... ......................... .... ... 155

7. Kapitel

Kodifikationsbemühungen vor aUem der "Dresdener Entwurf"

160

8. Kapitel Neubegründung der Nennwerttheorie

im Vorfeld der Reichs- und Währungseinheit

164

I. Gustav Hartmann ............... . ..... ............................................ . ... ........ 165 1. Zielsetzung und Methode ... .. ...... ........................................ .... ......... 166 2. Rechtlicher Geldbegriff ...... .. ......... ...... ........................ .... .... .... .... ... 166 a) Soziale und wirtschaftliche Tatsache ..... ........................... ..... . ........ 166 b) Gesetzliches Zahlungsmittel ........ ..... ................................. .. ... ...... 167 c) Schuldtilgungsmittel im Privatrecht .................................... .. ... ...... 167 3. Geldtheoretische Nennwerttheorie ................. ........... ..... .... ..... ... ..... .. 169 a) Legale Zahlungsmittel und legaler Zahlungswert .. .... ... .......... . .. ... ... .. 169 b) Legitime Zahlungsmittel und legitimer Zahlungswert ... .. ... ..... .. .. .. ..... . 170 4. Wirtschafts- und rechtspolitische Einordnung ....... ..... . .... .... ... ........ .. .... 172 II. Levin Goldschmidt .......... .. . ...... ....... ..................................... .... ........ 175 1. Währung als "vollkommenes" Geld für den Rechts- und Wirtschaftsverkehr .. ....... ........ ....... .. ... ... ... ..... .. ...... ...... ... ... ... .... ....... .. .......... 176 2. Nennwerttheorie als Währungstheorie ....... ............ .. ..... .... ..... .. .......... 178

Inhalt

11

9. Kapitel

Andeutung einer Tauschwerttheorie durch Wilhelm Endemann

182

Dritter Teil

Industrielle Ausbau- und Regulierungsphase bis zum Ersten Weltkrieg 185 10. Kapitel

Reichsgoldwährung

185

I. Gesetzliche Zahlungsmittel der "hinkenden" Goldwährung .................. ...... . 187

II. Schuldrechtliche Nennwertgeltung in der Entstehung der Währungsgesetze ... 192 III. Geldwertstabilität in Theorie und Praxis des Goldwährungsmechanismus ...... 196

1. Internationaler Goldstandard ... ... ... ..... .... ... .. .... ........... ............ ..... ... . 196 2. "Spielregeln" des Goldwährungsmechanismus .......................... .... .... ... 199 3. Umsetzung der Goldmechanismustheorie im Bankgesetz von 1875 ... ....... . 200 4. Anscheinendes Funktionieren der Goldmechanismustheorie ......... ... ... ..... 203 IV. Meinungsstand in der Privatrechtswissenschaft im Licht der Reichsgoldwährung ............... .. ... .. ....... ......... ..... .. ... ............................ ... .. .... .. 205 1. Unzeitgemäßheit der Kurswerttheorie .. ... ...... .. .......... ..... .......... ... ...... . 205

2. Unbrauchbarkeit der Tauschwerttheorie ............................... .. .. ......... . 205 3. Vorzugswürdigkeit der modernisierten Metall-Nennwerttheorie gegenüber der reinen Nominaltheorie .... .. ..... ... ..... ... ...... ........... .. ...... .... .. ....... .. 206 11. Kapitel

Übergang der Pandektisten zur Nennwerttheorie

208

I. Währungsgeld und Nennwert: Pandektistisches Verständnis der Geldgesetzgebung ............... .... ........ ... .... ... .. ... .. .................... ...... .......... ...... .... 209

II. Metallwert und Nennwertgeltung: Papiergeld im Zahlungsverkehr ..... .. ........ 216 111. Körperlichkeit des Geldes und die Wertübertragung durch heute sogenanntes Giralgeld .. .... ...... .. ...... .... ....... ............................................ ...... ...... 221 IV. Zwischen subjektiver Vertragsfreiheit und objektiver "Vertragsgerechtigkeit" 227

1. Abdingbarkeit ..... .. .... .. .. ........ ... ......................... ......... .... .. .. .. .. ...... 227 a) Willensdogma ..... ..... .... .. ..................... .. ......... .. ... ........ .... ......... 227

12

Inhalt b) Nennwertgeltung als (widerlegbare) Willensvermutung ... .. ..... .. ........ .. 228 c) Wertsicherung durch Goldklauseln .... .......... .. ............. .......... .... ..... 231 2. Schuldanpassungtrotz Nennwertvereinbarung: "clausula rebus sie stantibus" ................... ............................ ............................ .. ... ... 237 12. Kapitel

Verpflichtung zur Geldwertübertragung im BGB

245

I. Redaktorenvorlage - Ein "kleiner Windscheid" ............................. .. .. ...... 245

II. Endgültige Regelung ........................................... ......... ........... .. ....... 248 111. 8GB-Kritik .................... .... .. ......................... .... ....... ... .. ................. 250 13. Kapitel

Tauschwertgedanken am Ende des 19. Jahrhunderts

254

14. Kapitel

Vom Metallnennwert zum Nominalwert

262

I. "Entgoldung" des Zahlungsverkehrs .. .. ....... .. .. .... ...... ......... .. ............... .. 263

II. Theorie des modernen Nominalwertprinzips ........ ....... ..................... ... .. .. 269 III. Privatrechtliche Reflexion und Ausblick ............. ....... ............. ......... ...... 274 1. Geldrechtliches Nominalwertprinzip .... .. ...... ........ ............................ .. 274 2. Geldwertänderungen .............. ...... .............. ....... ...... ... .......... .... ..... 277

Ergebnis ... .. ...... ..... ... ..... .... ......... .. .... ........ .... ......... ... .. ...... ........... ...... 281 Literatur ... .......... ... .............. ...... .... ................. .. .......... .. ..... ....... ... .. .. ..287

Abkürzungen nach H. Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rcchtssprache, 4. Auf!., Berlin 1993.

Problem I. "Selbstverständliche" Geltung des Nominalwertprinzips Obwohl nicht gesetzlich geregelt, wird heute das Nominalwertprinzip des Geldes zu den "tragenden Grundlagen unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung" gezählt. 1 Nach diesem Rechtsprinzip wird Geld nur als abstrakte Wertberechnungseinheit zu seinem gesetzlich bestimmten Nennwert und nicht als realer Wertträger Gegenstand eines Schuldverhältnisses, so daß sich der Schuldner - unabhängig von den zwischen Schuldbegründung und Erfüllung eingetretenen Kaufkraftänderungen des Geldes - durch Übertragung der nominal bestimmten Schuldsumme in Geldeinheiten von seiner Verbindlichkeit befreien kann. 2 Dem Nominalismus steht der Valorismus gegenüber, wonach das Geldschuldverhältnis über den konkreten wirtschaftlichen Wert des Geldes begründet wird und sich der Umfang der Verpflichtung zur Geldzahlung deshalb jeder Veränderung des Geldwerts anpaßt. 3 Auch wenn der Valorismus prinzipiell heute nicht mehr vertreten wird, sind Geltungsgrund und Reichweite des Nominalismus nicht ganz klar4 und werden im Einzelfall und in Fallgruppen5 von Rechtsprechung und Lehre festgelegt. 1 BGHZ 61, 31 (38) in Übereinstimmung mit BVerfGE 50, 57 (92); BVerfG NVwZ 1990, 356; BAG NJW 1973, 959 (960); BFH 89, 422 (436); 112, 546 (555); BVerwGE 41, 1 (5); vgl. auch die Rechtsprechungsübersichten von Benda, Geld und Währung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 9 ff.; Hahn, Geldrechtlicher Nominalismus, S. 257 ff. Auch die Literatur ist insoweit unstreitig: Hahn, Währungsrecht, S. 77 ff.; Maydell, Geldschuld und Geldwert, S. 89; MüKo!Maydell, BGB, § 244, Rdn. 13; Staudinger/Schmidt, BGB, 12. Aufl., Vor § 244, Rdn. D 21 f., D 33 m.w.N. 2 AK/Brüggemeier, BGB, Vor§§ 244, 245, Rdn. 17 ff.; MüKo/Maydell, BGB, § 244, Rdn. 13; Soergelffeichmann, BGB, § 244, Rdn. 7; Staudinger!Schmidt, BGB, 12. Aufl., Vor§ 244, Rdn. D 30 ff.

3

MüKo!Maydell, BGB, § 244, Rdn. 15.

4

Soergelffeichmann, BGB, § 244, Rdn. 9.

5

Grundlegend Maydell, Geldschuld und Geldwert, S. 105 ff.

14

Problem

In unmittelbarer Anlehnung an die Aufwertungsrechtsprechung des Reichsgerichts aus der Zeit der Weimarer Hyperinflation wich in der Geschichte der Bundesrepublik zuerst das Bundesarbeitsgericht von einer strengen Einhaltung des Nominalwertprinzips ab. 6 Es bejahte die Wertanpassung einer Pensionszahlung bei einer, mittels des Preisindex für Lebenshaltung7 , festgestellten Geldentwertung von mehr als 40 %. Der Wert der Geldleistung sei gegenüber dem, was dem Empfänger ursprünglich versprochen worden war, "in ein derartiges Mißverhältnis geraten, daß die Verweigerung eines jeden Ausgleichs das Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise" verletze. 8 Dieser 40 % -Geldentwertungsgrenze zur Aufwertung von Zahlungsverpflichtungen nach dem Grundsatz von Treu und Glauben im Rechtsverkehr hat sich kurz darauf in einem ähnlichen Fall der Bundesgerichtshof angeschlossen. 9 Demgegenüber ist im Steuerrecht der Bundesfinanzhof' 0 , gestützt durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. 12. 1978 11 , bislang nicht vom Grundsatz der Nennwertbesteuerung von Geldeinkünften abgewichen. Neben einer gerichtlichen Anpassung von Geldschuldverhältnissen, nachdem eine Geldwertverschlechterung eingetreten ist, ist für ein streng verstandenes Nominalwertprinzip die Wirksamkeit präventiver Wertsicherungsvereinbarungen problematisch. Sie sind derzeit gemäß § 3 WährG, vorbehaltlich einer hoheitlichen Genehmigung, verboten: .,Geldschulden dürfen nur mit Genehmigung der für die Erteilung von Devisengenehmigungen zuständigen Stelle in einer anderen Währung als in Deutscher Mark eingegangen werden. Das gleiche gilt für Geldschulden, deren Betrag in Deutscher Mark durch den Kurs einer solchen anderen Währung oder durch den Preis oder eine Menge von Feingold oder von anderen Gütern und Leistungen bestimmt werden soll." 12

6

BAG NJW 1973, 959.

Der Preisindex für Lebenshaltung wird monatlich vom Statistischen Bundesamt berechnet. Er gibt Preisänderungen eines bestimmten Warenkorbs auf der Endverbraucherstufe an und deckt über 60 % des Bruttosozialprodukts ab; Rasch, Wertsicherungsklausei und Preisindex für die Lebenshaltung, in: DNotZ 1991, S. 647 ff. 7

8

BAG, ebd., S. 960.

9

BGHZ 61, 31 (34 f.) vom 28.5. 1973.

10 Seit 11

BPH 89, 422 vom 27. Juli 1967 st. Rspr.

BVerfGE 50, 57.

Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Währungsgesetz) vom 20. Juni 1948, erlassen von der alliierten Militärregierung für das vereinigte Wirtschaftsgebiet der Westzonen; WiGBl. 1948, Beil. 5; BGBI. III, 7600-1 -a. 12

I. "Selbstverständliche" Gelttmg des Nominalwertprinzips

15

Für die Genehmigung ist gemäß § 49 II Außenwirtschaftsgesetz die Deutsche Bundesbank zuständig. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle der Genehmigungspraxis ist wegen eines der Bundesbank zugestandenen weiten Beurteilungsspielraums - mit der alleinigen Zielsetzung der Geldwertstabilitätssicherung - auf das rechtsstaatliche Minimum eingeschränkt worden. 13 Auf der anderen Seite werden die eine Genehmigungspflicht begründenden Tatbestände des § 3 WährG sowohl vom Bundesverwaltungsgericht als auch vom Bundesgerichtshof restriktiv ausgelegt. 14 Daher besteht durchaus ein Spielraum für einfallsreiche, genehmigungsfreie, verdeckte Wertsicherungsvereinbarungen (insbesondere sogenannte Spannungsklauseln und Leistungsbestimmungsvorbehalte), die dann im Einzelfall nach zivilrechtliehen Maßstäben in ihrer Wirksamkeit beurteilt werden. 15 Mit dem Nominalwertprinzip ist untrennbar das Verständnis des Begriffs "Währung" als der staatlich-gesetzlichen Ordnung des Geldwesens verbunden. Heute wird dem öffentlichen Währungsrecht und der Währungspolitik die Aufgabe zugeschrieben, funktionsfabiges - insbesondere wertstabiles Geld zu schaffen und zu erhalten. 16 Die Erhaltung der Funktionsfabigkeit obliegt im gesetzlichen Rahmen des Bundesbankgesetzes der Geldpolitik der Bundesbank (§ 3 BBankG). Das Ziel, Preisstabilität durch die Bundesbank oder möglicherweise demnächst durch die Europäische Zentralbank herzustellen, genießt nach Art. 88 GG sogar Verfassungsrang. Mit Blick auf die geplante europäische Währungsunion ist die verschiedene Reichweite des Nennwertprinzips in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union auffällig. Zunächst einmal, ganz abgesehen von unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Prämissen in den Unionsstaaten, sind beispielsweise sowohl in Großbritannien als auch in Frankreich und Italien Wertsiche13

BVerwGE 41, 1, S. 8 f.

14

BGHZ 14, 306 (308); BVerwG, ebd., S. 6.

Vgl. z.B. BGHZ 14, 310 "Spannungsklausel"; BGH BB 1978, 580; OLG Hamm NJW-RR 1996, 268 "Leistungsvorbehaltsklausel"; BGH NJW 1979, 1097; OLG Köln NJW-RR 1995, 146 "Preisgleitklausel"; BGHZ 82, 21 "Tagespreisklausel". Zur Ersetzung einer wegen § 3 WährG unwirksamen Wertsicherungsklausel durch eine genehmigungsfreie Klausel im Wege ergänzender Vertragsauslegung BGH NJW 1986, 932 (933) in st. Rspr. Zur gegenwärtigen Wertsicherungsproblematik ausführlich Dürkes, Wertsicherungsklauseln, S. 43 ff.; Hahn, Währungsrecht, S. 106 ff.; Maydell, Geldschuld und Geldwert, S. 369 ff.; Staudinger/Schmidt, BGB, 12. Auf!., Vor§ 244, Rdn. D 158 ff.; Zehetner, Der Euro im System der Geldwertklauseln, S. 285 ff. 15

16 North, Währung, in: North, Aktie bis Zoll, S. 408; Staudinger/Schmidt, BGB, 12. Auf!., Vor § 244, Rdn. A 28; Samm, Geld und Währung, S. 236.

16

Problem

rungsvereinbarungen grundsätzlich wirksam und gelten geradezu als ,.Musterbeispiele einer durch die Privatautonomie vollauf gerechtfertigten Selbstvorsorge" . 17 Gehen wir also mit Rechtsprechung und Literatur davon aus, daß das Nominalwertprinzip nach heute geltendem Recht grundsätzlich nicht in Frage gestellt werden kann, so ist es doch de lege ferenda unausweichlich, die Reichweite der Nennwertgeltung im europäischen Rahmen zu vereinheitlichen.18 Andernfalls wird es zu Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der Volkswirtschaft in denjenigen Staaten kommen, in denen ein strengeres Nominalwertprinzip für das gemeinsame Geld eingehalten wird. Dort müssen begründete oder unbegründete - Befürchtungen vor Geldwertverschlechterungen stärker in die Preiskalkulationen einbezogen werden oder es muß in größerem Umfang das Geldentwertungsrisiko in Kauf genommen werden. Für die europäische Rechtsangleichung der Nennwertgeltung ist der rechtspolitische Sinn des Nominalismus grundsätzlich durch Abwägung seiner rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Vor- und Nachteile zu überdenken. Die in den Rechtsordnungen aller modernen Industriestaaten heute ,.selbstverständliche" 19 Geltung des Nominalwertprinzips mit Blick auf ihre unterschiedliche Reichweite für unsere Rechtsordnung verständlich zu machen, ist das Ziel dieser Arbeit. Die Geschichte des Geldes, gerade sofern sie auch Rechtsgeschichte ist, verspricht dazu einigen Aufschluß.

D. Grundbegriffe und Forschungsziel Wir wollen versuchen, uns für einen Moment von der Einbindung in die Rechtsordnung der Gegenwart zu befreien und einen Blick in das vorige Jahrhundert werfen. In jener Zeit war der Nominalismus noch alles andere als 17 Similis, in: Kötz/Reichert-Facilides, lnflationsbewältigung, S. 104; vgl. auch Kuntze, Preiskontrollen, S. 159 ff.

18 Der deutsche Gesetzgeber hat zwar mittlerweile die Unhaltbarkeit von § 3 WährG im Hinblick auf die geplante Einführung der "Euro"-Währung durchaus erkannt. Art. 9 des Entwurfes eines Gesetzes zur Einführung des Euro (EuroEG) vom 4.12. 1997 sieht seine Aufhebung vor; BT Drs. 13/9347, S. 16. Allerdings gibt es sowohl in der Bundesregierung als auch im Bundesrat starke Bestrebungen, durch eine Nachfolgeregelung z.B. im Preisangabengesetz das Verbot von Wertsicherungsvereinbarungen im nationalen Alleingang zumindest teilweise beizubehalten; Begründung EuroEG, BT Drs. 13/9347, S. 55; Stellungnahme des Bundesrates zum EuroEG, BT Drs. 13/9347, S. 62; Gegenäußerung der Bundesregierung, BT Drs. 13/ 9347, S. 66; vgl. auch Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22.10. 1997, S. 17. 19 Similis, ebd., S. 52; vgl. insbesondere auch Mann, Recht des Geldes, S. 62 ff. ; ders., Geldentwertung und Recht, in: NJW 1974, S. 1298 in Fßn. 11.

II. Grundbegriffe 1md Forsch1mgsziel

17

selbstverständlich, setzte sich aber letztlich gegenüber valoristischen Vorstellungen durch. Der Untersuchungszeitraum schließt ab mit der erstmaligen Etablierung des Nominalwertprinzips in seiner heute bekannten, vom Metalleigenwert des Geldes gelösten, Form zu Beginn des 20. Jahrhunderts- bevor dieser Nominalwertgrundsatz sogleich durch die Hyperinflation des 1. Weltkriegs ernsthaft auf die Probe gestellt und vorübergehend außer Kraft gesetzt wurde. Deutschland zählt seit Beginn unseres Jahrhunderts zu den wirtschaftlich modernen Industrienationen. Das Deutsche Reich erreichte - bei aller staatlichen Steuerung und Intervention in das Wirtschaftsleben vor allem seit der Gründerkrise 1873 - auf Grundlage einer marktwirtschaftlich liberalen und kapitalistischen Wirtschaftsordnung die Wettbewerbsfähigkeit seiner Wirtschaft mit dem damals international führenden Großbritannien. 20 Der Außenhandel als Indikator internationaler Wirtschaftstätigkeit und Wettbewerbsfähigkeit stieg seit Mitte des 19. Jahrhunderts sprunghaft an. Die Exporttätigkeit erreichte 1914 einen Anteil von fast 20 % am Nettosozialprodukt. 21 Zusammen mit dem Handwerk holte die Industrie 1890 die landwirtschaftliche Produktion bei einem Anteil von etwa 35 % am Nettoinlandsprodukt ein und überflügelte sie in der Folgezeit. 22 Noch 1900 waren indes in der Landwirtschaft immer noch mehr Menschen beschäftigt (38 %) als in der Industrie (37 %).23 Die Herausbildung der arbeitsteiligen und privatwirtschaftliehen Gesellschaft im Verlauf des 19. Jahrhunderts bedurfte einer funktionierenden und leistungsfähigen Geldwirtschaft, in der Geld als universal einsetzbares Tauschmittel und standardisierte Wertberechnungseinheit den gegenseitigen Güteraustausch erleichtert und zugleich als Wertaufbewahrungsmittel bei Konsumverzicht - insbesondere durch Kreditvermittlung der Banken - die Mobilität des Kapitals gewährleistet. 24 Aus seinen Funktionen, als allgemeines Tauschmittel, Recheneinheit und Wertaufbewahrungsmittel im Verkehr zu dienen, wird heute das Geld sozialökonomisch definiert. 25 Davon ausgehend, daß ein auf freier, privatauto20 Borchardl, Industrielle Revolution in Deutschland, S. 146; Schremmer, Wirtschaftsordnungen, S. 136 ff.; Suppte, Industrielle Revolution, S. 198, 218 f. 21

Henning, Industrialisierung, S. 172 f., 252 f .

22

Borchardt, ebd., S. 172 f.

23 Henning, Industrialisierung, S. 20. 24 lssing,

Geldtheorie, S. 3; Schaal, Geldtheorie, S. 17 f ., 39.

AKJBrüggemeier, Vor§§ 244, 245, Rdn. 1; Duwendag, Geld, S. 4; lssing, Geldtheorie, S. 1 f.; MüKo!Maydell, BGB, § 244, Rdn. 3. 25

20tt

18

Problem

nomer Willensentscheidung beruhender Güteraustausch nur dann zustandekommt, wenn sich die Werte der zu tauschenden Güter entsprechen und Geld nur aufgrund seiner erwarteten künftigen Eintauschmöglichkeiten aufbewahrt wird, ist der Geldwert und seine Stabilität für das Funktionieren der Geldwirtschaft und der gesamten Privatwirtschaft von wesentlicher Bedeutung. Es besteht heute im Grundsatz Einigkeit darüber, was unter dem Begriff des Geldwerts und seiner Änderungen zu verstehen ist. Es wird der Tauschwert des Geldes gemeint, das heillt wie die einzelne Geldeinheit im Verhältnis zu allen anderen Wirtschaftsgütern im Verkehr bewertet wird. Dafür ist der Ausdruck "Kautkraft" des Geldes gebräuchlich. 26 Ein Ansteigen des allgemeinen Preisniveaus verringert den Geldwert (Inflation); ein Preisverfall der angebotenen Waren und Dienstleistungen erhöht den Wert jeder einzelnen Geldeinheit (Deflation). 27 Wir wollen untersuchen, inwiefern die rechtliche Ordnung des Geldverkehrs den im 19. Jahrhundert zur Grundlage der Volkswirtschaft werdenden marktwirtschaftliehen Austausch von Waren und Dienstleistungen hemmte oder förderte. Auf Grundlage der Entwicklungsstufen des Währungsrechts und im Zusammenhang mit den wachsenden Anforderungen an die Geldordnung in der entstehenden Industriegesellschaft gilt das Augenmerk dieser Arbeit dem Privatrecht. Erst im Privatrecht erhalten währungsrechtliche Vorgaben - insbesondere dazu, was als "gesetzliches Zahlungsmittel" gelten soll - ihre konkrete Bedeutung für die Verkehrswirklichkeit zwischen den einzelnen Wirtschaftssubjekten. Zu berücksichtigen ist die fundamentale Rolle des Geldes und seines Werts für das moderne Privatrecht selbst, das alle vermögenswerten Ansprüche primär oder subsidiär in dem universalen Wertträger Geld ausdrückt. Diese rechtliche Bedeutung des Geldes trifft bei Veränderungen des Geldwerts mit den wirtschaftlichen Geldfunktionen zusammen. Bei Anwendung des Neonwertprinzips auf das Geldschuldverhältnis ändert sich mit jeder Geldwertänderung auch der wirtschaftliche Wert der Geldforderung. Im schlimmsten Fall einer "hyper"-inflationären Geldentwertung hat dies zur Folge, daß das Privatrecht seine existentielle gesellschaftliche Funktion, Vermögenswertausgleichungen herzustellen, nicht mehr erfüllen kann. Die Privatrechtsordnung 26 Statt aller Duwendag, Geld, S. 35; lssing, Geldtheorie, S. 179; Staudingerl Schmidt, BGB, 12. Aufl., Vorb. § 244, Rdn. D 16; Wiesebach, Geldentwertung. in: HRG I, Sp. 1456. Problematisch ist unterdessen nach wie vor eine rechtspraktikable Bestimmung des Geldtauschwerts; dazu Schmalz. Stabilität des Geldwerts , S. 55 ff. 27 lssing, Geldtheorie, S. 179 ff.; Schaal, Geldtheorie, S. 204 f. Zu den heutigen Erklärungsmodellen für Inflationen anschaulich Duwendag, Geld, S. 37 ff. und lssing, Geldtheorie, S. 191 ff.

ID. Pandektenwissenschaft md Nominalwertprinzip

19

muß also bereits um ihrer selbst willen darüber entscheiden, inwiefern Veränderungen des Geldwerts für sie von Bedeutung sind oder unter welchen Voraussetzungen diese mit dem Nominalwertgrundsatz rechtlich unberücksichtigt bleiben können.

m. Pandektenwissenschaft und Nominalwertprinzip Das Privatrecht im 19. Jahrhundert lag mangels ausreichender Einzelgesetze und einer einheitlichen Kodifikation maßgebend in den Händen der Wissenschaft und der Gerichte. Eine möglichst allgemeingültige Regel für die rechtliche Behandlung des Geldwerts im Zahlungsverkehr mußte für das gesamte Privatrecht gefunden werden. Innerhalb der Privatrechtswissenschaft fiel die Aufstellung einer solchen Regel in den Aufgabenbereich der sich mit der Auslegung des geltenden römischen Rechts befassenden und vorherrschenden28 Pandektenwissenschaft. Das veranschaulicht nicht zuletzt das "führende deutschrechtliche Lehrbuch seiner Zeit" 29 von Georg Beseler: "Die Zahlung (solutio) ist die Aufhebung eines Obligationsverhältnisses durch die Leistung des Gegenstandes, der geschuldet wird. Für diese Lehre ist im Allgemeinen das römische Recht maaßgebend." 30

Ob die Pandektisten von Friedrich Carl von Savigny bis zu Bemhard Windscheid den Herausforderungen, die die Industrialisierung an das Recht stellte, gewachsen waren oder ob sie - wie einer ihrer berühmtesten zeitgenössischen Kritiker, der selbst aus der Pandektenwissenschaft stammende Rudolf von Jhering meinte - in einem weltfremden .,Begriffshimmel" verharrten31, ist rechtshistorisch umstritten. Es geht hierbei nicht darum, die pandektistischen Vorschläge zur juristischen Handhabung bestimmter Lebensverhältnisse als "richtig" oder "falsch" zu bewerten, sondern in die Rechtspolitik ihrer Zeit einzuordnen. Es gilt festzustellen, ob und inwiefern ihre Rechtslehre den wirtschaftlichen, politischen und sozialen Verhältnissen entsprang und außerrechtliche Folgewirkungen von ihnen als Privatrechtswissenschaftlern angestrebt worden sind. Die Wirklichkeitsfremdheit der pandektistischen Rechtslehre wird vor allem für die seit Georg Friedrich Puchta fortschreitende sogenannte "Begriffs-

28

Luig, Pandektenwissenschaft, in: HRG lll, Sp. 1429.

29

Kleinheyer/Schröder, Juristen, S. 55.

30 Beseler,

System I, S. 495 f .

31 Jhering, Scherz und Ernst, S. 320.

20

Problem

jurisprudenz" nicht selten bis heute angenommen. 32 Diese Sichtweise hat ihre Grundlage in der als "rechtswissenschaftlichen Positivismus" 33 bezeich~ neten Rechtsfindungsmethode der Pandektistik. Damit ist das bekundete Selbstverständnis der Pandektisten gemeint, ausgehend von der Vorstellung des Rechts als eines in sich geschlossenen, autonomen Systems rechtswissen~ schaftlieh zu bildender Begriffe34 allein durch die exegetische Bearbeitung und Systematisierung der Digesten (Pandekten) des antiken Corpus iuris civi~ lis das geltende römische Recht zu ermitteln. 35 Die Pandektisten seien des~ halb den "Weg einer einseitigen, abstrakten Jurisprudenz, welche die formal~ begriffliche Richtigkeit der Rechtssätze höher schätzte als deren Praktikabili~ tät und die Rücksicht auf das tatsächliche Bedürfnis, ja die sich schließlich von der gesellschaftlichen Wirklichkeit kaum noch abhängig fühlte", gegan~ gen.36 32 Zur traditionellen Sicht der Entwicklung vom ,juristischen Historismus" zur "Begriffsjurisprudenz" Wilhelm, Ausbildung der wiss. Methode, S. 75 ff.; vgl. auch Koschaker, Europa und das römische Recht, S. 289 und aus jüngerer Zeit Laufs, Rechtsentwicklungen, S. 217 f.; Luig, Pandektenwissenschaft, in: HRG III, Sp. 1424; Polay, Pandektistik, S. 57, 77 f., 95; Schlosser, PRG, S. 133 f. sowie insbesondere auch Kiejner, Geld und Geldschuld, S. 43. 33 Wieacker, PRG, S. 430. 34

Wieacker, PRG, S. 431 ff.

35 Savigny sah sein eigenes Denken zwar im allgemeinen vom Christentum gelei-

tet, was aber das Recht nicht "seines selbständigen Daseyns" beraube. Ein am "öffentlichen Wohl" orientiertes "staatswirthschaftliches" Prinzip lehnte er für das Privatrecht ausdrücklich ab; Savigny, System I, S. 53 f. Stattdessen sollte die Wissenschaft "die Rechtsverhältnisse und die Regeln der Entscheidung individualisieren und sondern", worin sich "die große Meisterschaft der Römischen Juristen (... ) durch eine sehr bestimmte Terminologie" bewähre; Savigny, System I, S. 92. Bei dem "eigentlichen Begründer der Begriffsjurisprudenz" (Kleinheyer/Schröder, Juristen, S. 328) Puchta hieß es dann: "Es ist nun die Aufgabe der Wissenschaft, die Rechtssätze in ihrem systematischen Zusammenhang (... ) zu erkennen, um die Genealogie der einzelnen bis zu ihrem Prinzip hinauf verfolgen, und eben so von den Prinzipien bis zu ihren äußersten Sprossen herabsteigen zu können"; Puchta, Institutionen I, S. 37. Schließlich war für Windscheid die rechtswissenschaftliche Erkenntnis nicht mehr als "das Resultat einer Rechnung, bei welcher die Rechtsbegriffe die Faktoren sind"; Windscheid, Pandekten I, 5. Aufl., 1879, S. 64. Den Übergang vom Rechts- zum Gesetzespositivismus im späten 19. Jahrhundert markiert Windscheidl Kipp, Pandekten I, 9. Aufl., 1906, S. 105 in Fßn. 8: "Was der Natur der Dinge, dem Bedürfnis des Verkehrs entspreche, darüber kann man verschiedener Ansicht sein; es kommt nicht darauf an, was wir darüber denken, sondern was der Gesetzgeber darüber gedacht hat."

36 Wilhelm, Ausbildung der wiss. Methode, S. 92.

ill. Pandektenwissenschaft und Nominalwertprinzip

21

Für Wieacker entsprachen die Kernaussagen - namentlich die Vertrags-, Eigentums- und Testierfreiheit - der Pandektenwissenschaft aufgrund eines "stillen", ja "geheimen Einverständnisses" mit dem Wirtschaftsliberalismus zwar der "Struktur der frühliberalen Untemehmergesellschaft". Wegen ihres methodischen Ansatzes sei es der Pandektistik aber unmöglich gewesen, sich dieser Entsprechung auch bewußt zu werden. 37 Teilweise wird der Pandektenwissenschaft mittlerweile bei der Herausbildung einer marktwirtschaftliehen Rechtsordnung eine zwar bewußte, aber passive Rolle zugeschrieben. Sie habe ihre politische Neutralität vorgeschoben, "um die Entwicklung im kapitalistischen Sinne treiben lassen zu können". 38 Schließlich hat Heinz Wagner die These aufgestellt, daß die Pandektistik "von präzisen gesellschaftspolitischen, insbesondere ökonomischen, Zielen" ausgegangen sei und diese dann aktiv "beharrlich und durchgehend" verfolgt habe. 39 Für die rechtswissenschaftliche Begründung von Regeln über den Umfang der Zahlungsverpflichtung bei eingetretenen Geldwertänderungen soll hier geklärt werden, ob entweder

(1.) der pandektistische Anspruch, auf Grundlage der antiken römischen Quellen ein von sozialen, politischen und wirtschaftlichen Zwecken befreites Privatrecht der Begriffe zu entwerfen, mit der tatsächlichen pandektistischen Problembewältigung übereinstimmte oder (2.) inwiefern die Pandektisten in der Lage waren, besonders ökonomische Problemzusammenhänge des Rechts zu erkennen, und sie mit Blick auf die wirtschaftlichen Folgen ihre Rechtsmeinungen bildeten. Die im Grenzbereich zwischen Recht und Wirtschaft liegenden Vorstellungen über den Geldwert im Schuldrecht eignen sich wegen der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung des Geldes und des Geldwerts auch dazu, die der Pandektistik zugrundeliegende und als Privatrechtswissenschaft angestrebte Idealvorstellung einer wirtschaftlichen Gesamtordnung herauszuarbeiten, wenn eine solche vorhanden war.

37

Wieacker, Industriegesellschaft, S. 60 f.; ders., PRG, S. 442 f.

Kindermann, Antwort des BGB auf die Soziale Frage, S. 212; vgl. auch Coing, Rechtsentwicklung, S. 108 und Dilcher, Der rechtswissenschaftliche Positivismus, S. 519. 38

39 Wagner, Die politische Pandektistik, S. 25. Dazu die vernichtende Kritik von Schröder, in: ZRG RA 106 (1989), S. 706 ff., der zu dem Schluß gelangt, daß Wagner für eine aktive Beteiligung der Pandektistik am "Bau der kapitalistischen Wirtschaftsordnung" jeden Beweis vennissen lasse. Aufgrund der von Wagner in Kauf genommenen rechtshistorischen Ungenauigkeiten ablehnend auch die Rezension von Benöhr, in: ZNR 11 (1989), S. 115.

22

Problem

Möglich geworden ist diese Untersuchung durch die wirtschaftshistorischen Erkenntnisse über die Geld- und Währungsverhältnisse im 19. Jahrhundert aus jüngerer Zeit. 40 Die geldwirtschaftlichen Anforderungen an das Privatrecht können nunmehr in hinreichender Genauigkeit bestimmt und sodann überprüft werden, ob und mit welchen Motivationen die Privatrechtswissenschaft diesen Genüge getan hat. Rechtshistorisch kann gerade für den Initiator der Pandektenwissenschaft, Friedeich Carl von Savigny, bereits auf ein teilweise geläutertes Bild zurückgegriffen werden. Das gilt vor allem hinsichtlich seiner Methode, die gerade nicht positivistisch, sondern idealistisch wertend "das werthaft Wahre im Wirklichen" suchte. 41 Als Wertmaßstab kann Savignys Verwurzelung im christlichen Glauben42 und seine mebf43 oder weniger44 große Beeinflussung durch die Kantsche Rechtsphilosophie und anderer Philosophen45 als bewiesen gelten. Eine bewußte gesamtwirtschaftliche Orientierung Savignys wird nach wie vor bestritten,46 obwohl seine Anlehnung an volkswirtschaft40 Besonders erwähnt seien hier die Beiträge bei Eckan Sehremmer (Hrsg.), Geld und Währung (1993), die Einzeluntersuchungen von Manfred Seeger, Die Politik der Reichsbank von 1876 bis 1914 (1968) und Bemd Sprenger, Währungswesen und Währungspolitik in Deutschland 1834-1875 (1981), Geldmengenänderungen in Deutschland im Zeitalter der Industrialisierung (1982) und Geld der Deutschen (1991). Hilfreich war auch das von Michael Nonh 1995 unter dem Titel "Von Aktie bis Zoll" herausgegebene historische Lexikon des Geldes. Mit Spannung darf die unter dem Arbeitstitel "Währung, Geld und Banken in den deutschen Staaten 1815 1866" demnächst erscheinende Dissertation von Christion Erb erwartet werden. Mit ihm stand ich während meiner Arbeit in stetem und produktiven Gedankenaustausch, gerade auch, weil wir nicht immer einer Meinung waren. 41 Rücken, Idealismus, S. 408 ff., 410; ders., Autonomie des Rechts, S. 85 f.; vgl. auch Coing, Europäisches PR II, S. 42; Nörr, Eher Hegel als Kant, S. 20. 42 Nörr, ebd., S. 21; Rücken, Idealismus, S. 212, 233, 311 f., 360, 366 f., 382 ff.; vgl. auch oben S. 20 in Fßn. 35. 43

Kiefner, Einfluß Kants, S. 13 ff.

44 Auf

die Unterschiede zwischen Kants und Savignys Rechtsvorstellungen machen besonders Behrends, Geschichte, Politik und Jurisprudenz, S. 267, 270, 298 ff. ; Nörr, ebd., S. 22 ff. und Rücken, Idealismus, S. 364 ff. aufmerksam. Mittlerweile hat auch Kiefner Selbstzweifel an seiner früheren These eingeräumt, daß Savigny eine "Neubegründung der Rechtswissenschaft auf kantscher Grundlage" geplant hatte; Kiefner, Objektiver Idealismus bei Savigny, in: ZRG RA 112 (1995), s. 445. 45 Zum Einfluß beispielsweise von Schelling auf Savigny; s. schon Stinzigl Landsberg, Rechtswissenschaft III/2, S. 214 ff.

46

In aller Deutlichkeit Nörr, ebd., S. 22.

ill. Pandektenwissenschaft 1Dld Nominalwertprinzip

23

liehe Erkenntnisse und Autoren als auch die Anstellung eigener ökonomischer Überlegungen gerade bei seiner Geldlehre bereits festgestellt sind. 47 Es fehlt bislang an einer genauen wirtschaftspolitischen Einordnung seiner Geldlehre. Das soll hier nachgeholt werden. Über Savigny hinaus geben neuere Untersuchungen zu Bekker48 , Demburg49 , Puchta50 und nicht zuletzt Windscheid51 genügenden Anlaß, an einer zufälligen Übereinstimmung ihrer Rechtsansichten mit den ökonomischen Bedürfnissen ihrer Zeit zu zweifeln. Bereits ein oberflächlicher Blick über die geldspezifische volkswirtschaftliche und juristische Literatur des 19. Jahrhunderts zeigt eine Thematisierung der juristischen Berücksichtigung ökonomischer Ziele. Entweder wurde die mangelnde Einbeziehung ökonomischer Erkenntnisse kritisiert52 oder eine zu

47 Hütter, Savignys Geldlehre, S. 107 ff.; Kiefner, Geld und Geldschuld, S. 29, 32, 38 f. 48 Kriechbaum, Dogmatik und Rechtsgeschichte, S. 216, 281, meint zwar, daß sich für Bekker ein Gesetzespositivimus nachweisen lasse. Es trete deutlich ein Verzicht Bekkers hervor, "Fragen von rechtspolitischem Gewicht durch Dogmatik zu entscheiden". Sie gesteht gleichzeitig aber ein, daß Bekker "unvoreingenommen" wirtschaftliche "Gegebenheiten" in der Rechtsdogmatik berücksichtigte. Hierzu wollen wir vorerst nur anmerken, daß es eine wirtschaftliche Gegebenheit des Geldes nicht gibt, sondern es immer einen ökonomischen Erkenntnisprozeß voraussetzt, was als eine solche "Gegebenheit" angesehen wird. Schon deshalb bestehen an der Unvoreingenommenheit Bekkers Zweifel.

49 Süss, H. Dernburg, S. 202 ff., weist auf Elemente "ökonomischer Rücksichten", "wirtschaftlicher Bedürfnisse" und sogar "sozialer Gerechtigkeit" in Dernburgs Rechtslehre hin; vgl. auch Luig, H. Dernburg, S. 241.

50 Puchta habe im "rechtspolitischen Kern" seiner Rechtstheorie "liberale Vorbehalte gegen staatliche Eingriffe in die Rechtsordnung mit konservativ-monarchischen, nicht aber absolutistischen Ordnungsvorstellungen" verbunden; Falk, Puchta, in: Stolleis, Juristen, S. 503; vgl. auch Landau, Puchta und Aristoteles, S. 10 f., 15; Ogorek, Richterkönig oder Subsumtionsautomat, S. 207 und Rücken, Autonomie des Rechts, S. 79 ff. 51 Falk, Windscheid, S. VI, 177 meint, daß von "Begriffsjurisprudenz" für Windscheid "keine Rede" sein könne und das "Paradoxon einer vollkommen daseinsabgewandten, rein formalistischen Pandektenwissenschaft, deren Ergebnisse den dominanten gesellschaftlichen Regelungsansprüchen gleichzeitig erstaunlich adäquat waren" zusehends verschwinde. Vgl. auch Coing, Europäisches PR II, S. 51 f. und Jakobs, Rechtsquellenlehre des 19. Jahrhunderts, S. 107. 52 Altmann, Geldlehre des 19. Jahrhunderts, S. 20 f.; Bekker, Geldpapiere, in: Jahrb. d. gem. Rechts, 1 (1857), S. 269 f.; Endemann, Handelsrecht, 2. Aufl., 1868, S. 395; Goldschmidt, Rechtstheorie des Geldes, in: ZHR 13 (1868), S. 367 f.;

24

Problem

starke Beeinflussung der rechtlichen Geldlehre durch wirtschaftliche Überlegungen gerügt. 53 Allein die Beteiligung der Pandektisten an dieser Diskussion, und zwar ohne daß sie eindeutig der einen oder anderen Seite zuzuordnen wären, legt zumindest ihre Kenntnis über die Bedeutung der grundlegenden ökonomischen Fragen ihrer Zeit für das Recht nahe. Wieackers These vom privatrechtlich unbewußten Wirtschaftsliberalismus erscheint deshalb für die pandektistische Geldlehre fraglich. IV. These Ebenso fraglich ist die bislang angenommene Festigung des Nominalwertprinzips im Privatrecht wegen des "gesetzespositivistischen Zugs der Zeit" in der Spätpandektistik, die den Neonwertgrundsatz angeblich ohne nähere Begründung den Währungsgesetzen nach der Reichsgründung entnommen haben soll. 54 An dieser Sicht können schon deswegen Zweifel erhoben werden, weil die prinzipielle Neonwertgeltung im Privatverkehr weder in den Reichswährungsgesetzen noch im späteren BGB ausdrücklich vorgeschrieben worden war55 - im übrigen ganz im Gegensatz zu älteren Regelungen, zum Beispiel in§ 666 des sächsischen BGB von 1863/65: "Unter dem Werthe der gültigen inländischen oder diesen gleichgestellten ausländischen Münzsorten ist, sofern nicht gesetzlich etwas Anderes bestimmt ist, der Werth zu verstehen, welcher Münzen durch ihre Prägung beigelegt ist."

Ein weiteres Beispiel ist Art. 1895 Code civil (1804), der ins Deutsche übersetzt im Badischen Landrecht (1810) lautete: "Die Verbindlichkeit aus einer Geld-Anleihe beschränkt sich auf den Ersatz der im Vertrag ausgedrückten Geldsumme nach ihrem Nennwerth. Sind vor der Zahlungszeit die Geldsorten erhöht oder abgewürdigt worden, so ersetzt der Schuldner die ihm gelehnte Geldsumme nur nach ihrem Nennwerth in solchen Münzsorten, die im Umlauf sind."

Savigny, Obligationenrecht I, S. 482; Scheel, Begriff des Geldes, S. 12 ff. (16); Seidler, Schwankungen des Geldwertes, S. 685 ff. (689). 53 Hartmann, Begriff des Geldes, S. 2; Kuntze, Inhaberpapiere, S. 428; Wolf, Geld, in: Ehrenbergs Hdb. d. ges . HandelsR IV/1, S. 575. 54 So Hüner, Savignys Geldlehre, S. 88, 151 und Kiefner, Geld und Geldschuld, S. 53; vgl. auch Hahn, Währungsrecht, S. 18 f.

55

Vgl. vorerst nur Mandry, Inhalt der Reichsgesetze, S. 223.

IV. These

25

Vergleichbare Regelungen sind in deutseben Gesetzen nach der Reichsgründung nicht mehr zu finden. Es fehlte also eine gesetzliche Vorschrift, an die in gesetzespositivistischem Verständnis die Implikation des "richtigen" Rechts anknüpfen konnte. Ohne den seinerzeit maßgebenden Einfluß der Pandektisten auf das Privatrecht in Frage zu stellen, darf deshalb die Gegenthese zu Hütterund Kiefner aufgestellt werden, daß sich das Nennwertprinzip im Privatrecht nicht deswegen durchsetzte, weil in positivistischem Verständnis die Reichswährungsgesetze dieses zwingend vorschrieben, sondern weil die Pandektisten die schuldrechtliche Nennwertgeltung für zweckmäßig hielten, um den privatrechtliehen Zahlungsverkehr im Verbund mit dem staatlichen Währungssystem für das Wirtschaftsleben optimal zu gestalten.

Erster Teil

Industrielle Anlaufphase von Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts 1. Kapitel Gefährdung der Geldwertstabilität in den Staaten des Deutschen Bundes Die Anfänge der pandektistischen Rechtslehre liegen in der Epoche des sozialen Aufbruchs aus der Ständegesellschaft. Mit der sukzessiven Befreiung der Bauern von grundherrliehen Abhängigkeiten und des Gewerbes von innovationsfeindlichen Reglementierungen der Zünfte wurden im Verlauf der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit dem Höhepunkt der revolutionären Ereignisse von 1848 - im Detail weit darüber hinaus- die rechtlichen Grundlagen für den Übergang zur Industriegesellschaft selbstverantwortlicher, in ihrer privaten Lebenssphäre rechtlich freier und gleicher Individuen durchgesetzt.1 Die rechtlichen2 Gründe für das bis zur Jahrhundertmitte noch verhaltene wirtschaftliche Wachstum3 1iegen in der nur allmählich gelingenden Beseiti-

1 In Folge der französischen Revolution, den Herrschaftsansprüchen Napoleons und dem Zusammenbruch des alten Deutschen Reichs 1806 war der Weg für grundlegende Reformen des von staatlichem Dirigismus geprägten merkantilistischen Wirtschaftssystems frei geworden. In den deutschen Einzelstaaten setzte gegen den Widerstand der auf Erhaltung ihrer Privilegien bedachten und von der alten Ordnung profitierenden Grundherren und Zünfte in unterschiedlichem Tempo liberales Wirtschaftsdenken ein. Vorreiter der Reformen waren das unter französischem Einfluß stehende Rheinland und die den marktwirtschaftliehen Ideen Adam Smiths aufgeschlossene Bürokratie in Preußen; im einzelnen Boldt, VerfG II, S. 60 ff.; Henning, Industrialisierung, S. 37 ff., 59 ff.; Kopsidis, Liberale Wirtschaftspolitik, S. 51 ff.; Zycha, Die wirtschaftsliberalen Reformen, S. 375 ff. 2 Zu den ungünstigen wirtschaftlichen (z.B. Kriegsfolgen) und politischen (z.B. Kleinstaaterei) Ausgangsbedingungen Borchardt, Industrielle Revolution, S. 141 ff., 148 ff.

1. Kap.: Geflihrd1mg der Geldwertstabilität

27

gung zünftischer und grundherrlicher Privilegien4 , sowie in den immer wiederkehrenden Phasen der Restauration wirtschaftlicher Zwangsmaßnahmen. So wurden beispielsweise in Preußen 1836 sämtliche Privatbanknoten eingezogen5 und 1844 weite Teile des Wertpapierhandels in die Illegalität getrieben. 6 Die Wirtschaftsordnung während der industriellen Anlaufphase ist gekennzeichnet von der regional und in zeitlichen Phasen sehr unterschiedlichen Gewährung wirtschaftlicher Freiheiten einerseits und fortbestehenden oder erneuerten zwangswirtschaftliehen Elementen andererseits. Die rechtliche Ordnung des Geldwesens während der Industrialisierung nimmt ihren Ausgang von den bestehenden und bis zur Jahrhundertmitte bewirkten Veränderungen der Währungsverhältnisse im Deutschen Bund, zu dem sich 1815 auf dem Wiener Kongreß einundvierzig souveräne Einzelstaaten zusammenschlossen. Die währungsrechtlichen und währungspolitischen Rahmenbedingungen für den privatrechtliehen Zahlungsverkehr im Deutschen Bund werden im folgenden erörtert. Die schuldrechtliche Handhabung des Geldes und Geldwerts insbesondere im Hinblick auf Geldwertänderungen ist Gegenstand des zweiten Kapitels. Vor dem Hintergrund der Währungsverhältnisse erfolgt dann im dritten Kapitel eine wirtschaftsrechtshistorische Einordnung der damaligen privatrechtliehen Geld- und Geldwertverständnisse. Das Gemeinsame der "Währungen" in den Staaten des Deutschen Bundes, das heißt hier zunächst nur das aufgrund hoheitlicher Legitimation in Umlauf

3 Zwischen 1800 und 1850 konnte das jährliche Nettosozialprodukt um knapp 65 % gesteigert werden. Im Vergleich dazu stieg im darauffolgenden Zeitraum zwischen 1850 und 1900 das Nettosozialprodukt um gut 253 %. Noch deutlicher wird der zurückhaltende wirtschaftliche Fortschritt bis zur Jahrhundertmitte aus einem Vergleich des Anteils am Nettosozialprodukt pro Kopf der Bevölkerung. Während dieser Anteil von 1800 bis 1850 nur um 6 % gesteigert werden konnte, erwirtschaftete 1900 eine aus der Gesamtbevölkerung herausgegriffene gleiche Personenzahl durchschnittlich mehr als doppelt soviel Waren- und Dienstleistungswert wie im Jahr 1850; Henning, Industrialisierung, S. 25. 4 Beispielsweise wurde in Bayern, Württemberg, Baden und Sachsen die Gewerbefreiheit erst in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts gesetzlich eingeführt und blieb auch danach nicht unumstritten; Borchardt, Industrielle Revolution, S. 154. 5

Kabinettsorder vom 5. Dezember 1836, GS 1836, S. 318.

Wehler, Gesellschaftsgeschichte II, S. 621 hat dies eine "antikapitalistische Strafexpedition" genannt, da staatliche Wertpapiere und der "ritterschaftliche" Hypothekenkredit, deren Börsenkurswerte seit dem Handel mit Eisenbahnaktien verfielen, als Finanzierungsquelle auf Kosten der bürgerlichen Kapitalbeschaffung erhalten werden sollten. Vgl. auch Kopsidis, Liberale Wirtschaftspolitik, S. 63. 6

28

1. Teil: Industrielle Anlautphase

gebrachte Geld7 , war das Metallgeldsystem. Die mit Münzgewalt (Münzhoheit, Münzregal)8 ausgestatteten Territorialherren9 ließen zu den von ihnen festgelegten Metallfeingehalten (Münzfuß) 10 Münzen ausprägen und setzten diese über die Prägestätten als Geld in Umlauf. 11 Nach dem inflationären Scheitern verschiedener Papiergeldexperimente im 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts12 hatte das neben dem Münzgeld im Deutschen Bund - abgesehen von Österreich - hauptsächlich von Preußen zaghaft ausgegebene Staatspapiergeld13 eine geldwirtschaftlich im Verhältnis 7 Zur heute gebräuchlichen engeren juristischen Definition des Währungsbegriffs s.o. S. 15. Diese ist aber bereits auf das Nominalwertprinzip abgestimmt, dessen Entwicklung hier erst untersucht werden soll. 8 Ob die Münzregalien verfassungsgeschichtlich nur abgeleitete Rechte einer ehemals zentralen Münzhoheit sind, kann hier dahinstehen; dazu kritisch Wadle, Münzwesen (rechtlich), in: HRG 111, Sp. 770 f.; Hägermann, Münzregal, in: North, Aktie bis Zoll, S. 267 f. Spätestens seit dem 18. Jahrhundert und erst recht nach dem Zusammenbruch des alten Reichs 1806 war die Berechtigung zur Münzemission in den Händen der absolutistischen Landesherren verselbständigt. Der Deutsche Bund war ohne den Willen der Landesherren nicht in der Lage, die Münzhoheit zu zentralisieren; Wadle, ebd., Sp. 782.

9 Vgl. § 12, Tit. 13, Teil2 preuß. ALR: "Das Recht, Münzen, Maaß und Gewicht zu bestimmen, gehört zu den Majestätsrechten" . 10 Luschin, Geldgeschichte, S. 197 ff.; Schneider, Münzfuß, in: North, Aktie bis Zoll, S. 262. 11 Von den hergestellten Münzen behielt die Prägestätte einen Teil zur Deckung ihrer Produktionskosten und als Gewinn ein. Nach weiterem Abzug des sogenannten Schlagschatzes, der steuerähnlich dem Münzherren zufloß, kaufte die Münzstätte von den verbliebenen Münzen Rohmetall zur weiteren Ausprägung an; Munro, Schlagschatz, in: North, Aktie bis Zoll, S. 357.

12 Sprenger, Geld der Deutschen, S. 150 ff. Besonders berühmt und berüchtigt sind die .,Assignaten", die die französische Revolutionsregierung seit 1789 ausgegeben hatte. Ihr Realwert fiel bis 1796 im Verhältnis zum Münzgeld auf 11300 des Nennwerts, was zur "Vernichtung des französischen Wohlstandes" führte, als schließlich 1797 die Assignaten außer Kurs gesetzt wurden; so Gaenens, Inflationen, S. 197; vgl. auch Sprenger, Geld der Deutschen, S. 154. Ähnliches widerfuhr den Österreichischen "Bancozetteln", die seit 1762 von der Wiener Stadt-Banco ausgegeben wurden. Als im Dezember 1810 schließlich für 1 Silbergulden fast 10 Gulden in Bancozetteln gezahlt werden mußten, stand Österreich am Rande eines Staatsbankrotts. Die Bancozettel wurden deshalb aus dem Verkehr genommen, und viele Österreicher erwachten aus dem "Traum der Wohlhabenheit" am "Bettelstab"; Gaenens, Inflationen, S. 208. 13 Preußen gelang es, seine seit 1806/09 emitierten sogenannten .,Tresor"- und "Thalerscheine" (Edikt vom 4. Dezember 1809, GS 1809, S. 615), die im Dezember

1. Kap.: Gef"ahrdung der Geldwertstabilität

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zum Münzgeld quantitativ geringe14 und währungsrechtlich unselbständige15 Bedeutung. Gleiches gilt bis zur Jahrhundertmitte für die von Banken in Form von Geld-"Zetteln" abgegebenen Münzgeldzahlungsversprechen

1812 an der Börse nur noch einen Kurswert von 38 % des Nennwerts erreichten, bis 1815 wieder auf Wertparität zum Münzgeld zu bringen. Auf Grundlage der Verordnung zur "Realisation der noch im Umlauf befmdlichen Tresor- und Thalerscheine" vom 1. März 1815 (GS 1815, S. 17) wollte die Regierung die Geldscheine zuerst sogleich sukzessive aus dem Verkehr ziehen, entschloß sich dann aber 1824 doch dazu, weiterhin Staatspapiergeld auszugeben. Sogenannte .. Kassen-Anweisungen" ersetzten die Tresorscheine (Allerhöchste Kabinettsorder vom 21. Dezember 1824, GS 1824, S. 238.) und wurden in der Folgezeit ohne nennenswerte Kursschwankungen zum Münzgeld frei gehandelt; Rittmann, Geldgeschichte, S. 500 ff.; Sprenger, Geld der Deutschen, S. 171 f. Das preußische Staatspapiergeld hatte 1840 einen Anteil von rund 80 % am gesamten Papiergeld einschließlich der Banknoten auf dem Gebiet des späteren Deutschen Reichs; Sprenger, Geldmengenänderungen, S. 43. Daneben kursierten zu rund 8 % sächsische "Kassen-Billets" und kleinere Ausgabemengen aus Anhalt-Coethen, Frankfurt am Main (.. Rechneischeine", seit 1837) und Nassau (seit 1840); Rittmann, Geldgeschichte, S. 498 ff., Sprenger, ebd. 14 1840 war die Münzgeldmenge (im Wert von etwa 321 Mio. Tlr.) etwa zehnmal größer als die gesamte Papiergeldmenge (im Wert von rund 32 Mio. Tlr.). 1850 betrug die Münzgeldmenge (403 Mio. Tlr.), obwohl im Zuge der revolutionären Ereignisse um 1848 viele Staaten (u.a. Hessen-Darmstadt, Kurhessen und Baden) zusätzlich Papiergeld ausgaben, immer noch fast das achtfache der Staatspapiergeldmenge (53 Mio. Tlr.). 1860 gab es schließlich mehr als vierzehnmal soviel Münzgeld (510 Mio. Tlr.) wie Staatspapiergeld (35 Mio. Tlr.), aber nur noch viermal mehr Münzen als Banknoten (126 Mio. Tlr.); Sprenger, Geld der Deutschen, S. 173; ders., Geldmengenänderungen, S. 36, 44 f., 53, 78. Zu den einzelnen Staatspapiergeldsorten Rittmann, Geldgeschichte, S. 584 ff. 15 Das preußische Staatspapiergeld mußte auf Verlangen des Inhabers jederzeit in Währungsmünzen eingetauscht werden; Kap. 3 der Kabinettsorder zur Ausgabe der preußischen Kassenanweisungen, GS 1824, S. 239, wonach diese .. wie bisher die Tresorscheine, Thaierscheine und Kassenbillets Litt. A (das war der Teil der sächsischen Kassenbilletts, der nach der preußischen Übernahme sächsischer Gebiete durch Umstempelung als preußisches Staatspapiergeld umlief; VO vom 15. Februar 1816, GS 1816, S. 99) gegen baares Geld zum vollen Nominalwerth, ohne Aufgeld" bei dem "Realisations-Komtoir" in Berlin umgetauscht werden sollten. In Art. 22 Wiener MünzV vom 24. Januar 1857 (GS 1857, S. 314) wurde schließlich neben den Zollvereinsstaaten auch Österreich dazu verpflichtet, Nennwertgeltung für Papiergeld nur dann anordnen zu dürfen, wenn "Einrichtung getroffen ist, daß solches jederzeit gegen vollwerthige Silbermünzen auf Verlangen der Inhaber umgewechselt" werden kann.

30

1. Teil: Industrielle AnlaufPhase

(Banknoten). 16 Die Dominanz des Münzgeldes in dieser Zeit wird desweiteren durch das noch verhältnismäßig gering vorhandene Buchgeld (Sicht-, Termin-, Spareinlagen bei Banken) deutlich. 17 Die Funktionsfähigkeit des Geldwesens im Deutschen Bund hing deshalb währungsrechtlich im wesentlichen von der Erkenntnis und - soweit regelbaren - Verwirklichung der Wertstabilitätsvoraussetzungen des bestehenden Metallgeldsystems und währungspolitisch von der Einhaltung diesbezüglicher Vorgaben durch die Münzherren ab. I. Metallgeldsystem am Beispiel des preußischen Münzgesetzes von 1821 18

Im Münzgeldsystem sind die eigentlichen "vollwertigen" Währungsmünzen von bloßen Handelsmünzen und "unterwertigen" Scheidemünzen zu unterscheiden.

16 Born, Entwicklung der Banknote, S. 3. Die von der Lübecker Privatbank (seit 1819), der Ritterschaftlichen Privatbank in Pommern (1825), der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank (1834) und der Leipziger Privatbank (1839) im Jahre 1840 insgesamt im Wert von 2 Mio. Tlr. ausgegebenen Banknoten erreichten nur einen Anteil von 0,6 % an der Gesamtstückgeldmenge; Born, Entwicklung der Banknote, S. 16 f.; Sprenger, Geld der Deutschen, S. 173. 17 Das Buchgeld hatte 1840 einen Anteil von 24 %, das Papiergeld von 7 % und die Münzen von 69 % an der Gesamtgeldmenge. Im Vergleich dazu teilte sich die 1870 auf 1569 Mio. Tlr. im Nennwert mehr als verdreifachte Geldmenge zu 48 % in Buchgeld, zu 22 % in Papiergeld und nur noch zu 30 % in Münzen auf; Sprenger, Geld der Deutschen, S. 179. Eine besondere Kuriosität der Geldgeschichte ist die Buchgeldwährung der bereits 1619 auf Initiative der Stadtregierung gegründeten Hamburger Girobank. Als reine Verrechnungseinheit zu den verschiedenen Landeswährungen fungierte die von ihr geschaffene "Mark-Banco". Durch Einzahlung von Barrensilber wurde bei der Hamburger Bank ein Girokonto in Mark-Banco geführt, über das bis zur Einführung der Reichswährung der Zahlungsverkehr des Hamburger Großhandels durch Anweisung auf das Konto des Geschäftspartners erledigt werden konnte, ohne daß jemals Stückgeld in Mark-Banco ausgegeben worden ist; Peters, Hamburger Bank, in: North, Aktie bis Zoll, S. 154 f.; Denzell Schwarzer, Kurant, in: North, Aktie bis Zoll, S. 210; Sprenger, Währungswesen, S. 28 f. 18 Gesetz über die Münzverfassung in den preußischen Staaten (PrMünzG) vom 30. September 1821, GS 1821, S. 159.

1. Kap.: Gefihrd1Dlg der Geldwertstabilität

31

1. Taler als "vollwertige" Währungmünzen aus Silber Durch Währungsmünzen wurde eine Rechnungseinheit, die zugleich den Wert einer bestimmten Edelmetallmenge als Ware beinhaltete, geschaffen. 19 Das war in Preußen die aus Silber geprägte Eintalermünze. Aus einer "Mark" 2 Feinsilber sollten 14 Eintalermünzen ausgeprägt werden (§ 4 PrMünzG). Die Eintalermünze hatte nach diesem "14-Taler-Münzfuß" einen Warenwert von 16,7 g Silber. 21 Der "Nennwert" von einem Taler entsprach also gesetzlich dem Metallwert von 16,7 g Silber. Der Nennwert repräsentierte - korrekte Ausprägung und keine Abnutzung der Münzen unterstellt den Wert des in den Währungsmünzen enthalteneneo Edelmetallfeingewichts. 22 In diesem Sinne galt der Taler als "vollwertige-", "grobe-" oder auch "Kurant-"münze (§ 5 PrMünzG). 23 Das gleiche galt für alle weiteren nach dem 14-Talerfuß in Silber ausgeprägten Talerstückelungen. Das waren gemäß § 5 PrMünzG 112, 113, 114, 116 und 1112 Talermünzen, wobei künftig nur noch 116 Tlr. ausgeprägt werden sollten.

°

Mit anderen Worten sollten, abgesehen von dem Mehrwert24 der Münze durch Verarbeitung des Rohmetalls, 16,7 g Silber 1 Tlr. oder rund 2,9 g Silber 116 Tlr. kosten. Der Preis, beispielsweise für einen Sack Kartoffeln, in Talern ausgedrückt konnte sich dann nach dem Wiederverkaufswert des Silbers richten. Gesetzt der Fall, der Sack Kartoffeln sollte 3 Tlr. kosten, dann mußte er in Preußen soviel Wert sein wie 50,1 g Silber. Die Preise aller Waren waren insoweit abhängig von dem - nach Angebot und Nachfrage sich verändernden - Warenwert des Währungsedelmetalls.

19 Schneider,

Währungsmünzen, in: North, Aktie bis Zoll, S. 408.

Die "Kötner Mark" definierte in Preußen die auf Grundlage der Maß- und Gewichtsordnung vom 16. Mai 1816 (GS 1816, S. 142) erlassene "Anweisung zur Verfertigung der Probemaaße und Gewichte" (GS 1816, S.149) in § 19 als preußisches Halbpfund-Grundgewicht, das "preußische Mark" genannt wurde und "zum Wiegen der Münzen" gebraucht werden sollte. Die preußische Mark entsprach einem Gewicht von 233, 855 g; Winhöft, Münzordnungen und das Grundgewicht, S. 54, 64. 20

21 Sprenger, Geld der Deutschen, S. 160; Winhöft, Münzordnungen und das Grundgewicht, S. 68. 22 Baltzarek, Münzwert, in: HRG III, Sp. 764; Schneider, Nennwert, in: North, Aktie bis Zoll, S. 278.

23 Denzel!Schwarzer,

Kurant, in: North, Aktie bis Zoll, S. 210.

Prägekosten + Münzgewinn der Prägestätte + Schlagschatz des Münzherren; s. o. S. 28 in Pßn. 11 und Schremmer, Stabiles Geld, S. 11 in Pßn. 4. 24

32

1. Teil: Industrielle Anlautphase

2. Vom Friedrichsd 'or als bimetallische Währungsmünze zur Krone als Handelsmünze aus Gold im Wiener Münzvenrag Nach dem Münzgesetz von 1821 bestand in Preußen eine Bimetallwährung, denn gemäß § 1 PrMünzG wurde mit dem "Friedrichsd 'or" neben den Silbertalermünzen eine zweite Rechnungseinheit in Gold geschaffen. Den Münzfuß des Friedrichsd 'or legte § 1 PrMünzG mit dem 35-Teil einer Mark Feingold fest. Der Nennwert von einem Friedrichsd 'or stellte also ein gerundetes Feingewicht von 6,9 g Gold dar. Nach demselben Münzfuß sollten gemäß § 3 PrMünzG doppelte und halbe Friedrichsd 'or-Stücke ausgeprägt werden. Ein Friedrichsd 'or galt also mit dem Metallwarenwert von rund 6, 9 g Gold als Kurantmünze. Zwischen Friedrichsd 'or und Silbertaler gab es kein gesetzlich festgelegtes Umtauschverhältnis für den Privatverkehr, so daß in Preußen eine Bimetallwährung vom Typ Parallelwährung und nicht vom Typ Doppelwährung bestand. 25 Die Preise konnten sowohl in Friedrichsd 'or als auch in Talern berechnet werden. Wer in Friedrichsd 'or einen in Talern berechneten Preis bezahlen wollte und umgekehrt, war - wenn dies privatrechtlich zulässig war auf das Marktwertverhältnis, den Wechselkurs, zwischen Taler und Friedrichsd 'or angewiesen. Tatsächlich spielte der Friedrichsd 'or neben dem Taler eine untergeordnete Rolle. Während zwischen 1831 und 1855 der Friedrichsd'or im Gesamtwert von rund 21 Mio. Tlr. ausgeprägt wurde, setzte Preußen in dieser Zeit über 62 Mio. Tlr. -Silberkurant in Umlauf; 1855 stellte Preußen die Prägung des Friedrichsd 'or ganz ein, zog die in Umlauf befindlichen Stücke aber nicht aus dem Verkehr. 26 Spätestens seitdem kann dennoch de facto von einer monometallischen Silberwährung in Preußen gesprochen werden. 27 Bereits in der Dresdener Münzkonvention zwischen den Zollvereinsstaaten vom 30. Juli 183828 war nur noch von Silberwährungsmünzen in den kontrahierenden Staaten die Rede. Gemäß Art. 18 des am 24. Januar 1857 zwischen den Zollvereinsstaaten, Österreich und Liechtenstein geschlossenen Wiener Münzvertrages29 sollte 25 Sprenger, Währungswesen, S. 20; ders., Geld der Deutschen, S. 150; Zellfelder, Parallelwährung, in: North, Aktie bis Zoll, S. 295; vgl. auch Gruchot, Zahlung der Geldschuld, S. 90.

26 Sprenger,

Währungswesen, S. 20 f.

27 Rittmann,

Geldgeschichte, S. 523; Sprenger, Währungswesen, S. 22.

28

GS 1839, S. 18.

29

GS 1857, S. 314.

1. Kap.: Gef"ahrdWlg der Geldwertstabilität

33

dann eine gemeinsame Goldmünze mit dem Namen "Krone" und einem Goldfeingewicht von 10 g als "Vereins-Handelsmünze" geprägt werden. Die Staaten verpflichteten sich, keine anderen Goldmünzen ausprägen zu lassen. Die Krone hatte nach derselben Vorschrift die "Erleichterung des gegenseitigen Verkehrs" und die "Förderung des Handels mit dem Auslande" zum gesetzlichen Ziel. Ihr durfte als reine Handelsmünze30 "die Eigenschaft eines die landesgesetzliche Silberwährung vertretenden Zahlmittels nicht beigelegt", ihr Wert sollte "lediglich durch das Verhältnis des Angebots zur Nachfrage bestimmt" und es durfte "zu ihrer Annahme in dieser Eigenschaft Niemand gesetzlich verpflichtet" werden (Art. 18 WienerMünzV). Damit verschwand die Goldmünze als Währungsmünze im heutigen Sinne eines gesetzlichen Zahlmittels auch rechtlich aus dem Deutschen Bund. 31

Auch das preußische Münzgesetz von 1821 war systematisch schon auf den Taler als Hauptwährungsmünze ausgerichtet, indem sich die Nennwerte der Scheidemünzen aus Silber oder Kupfer vom Taler und nicht vom Friedrichsd 'or ableiteten(§§ 7, 11 PrMünzG).

3. Silbergroschen und Kupferpfennige aLs Scheidemünzen Den Taler teilte § 7 PrMünzG in 30 Groschen, den Groschen § 11 PrMünzG in 12 Pfennige. Der Nennwert von einem Taler glich also der Nennwertsumme von 30 Gr. oder 360 Pf. Aus einer Mark Feinsilber sollten nach § 8 PrMünzG Groschenmünzen zu 16 Talern geprägt werden. Ein Groschen enthielt danach gerundet 0,5 g, die Nennwertsumme eines Talers, 30 Gr., insgesamt 15 g- dagegen die Eintatermünze 16,7 g - Silber. Der gleiche 16-Tlr.-Münzfuß galt gemäß § 11 PrMünzG entsprechend für die aus Kupfer zu prägenden Pfenningstücke. Es bestand somit eine Differenz zwischen Nenn- und Metallwert der Silbergroschen und Kupferpfennige. Ihr Nennwert war höher als ihr Metallwert. Sie waren im Verhältnis zur Währungsmünze, dem Taler, "unterwertig" - sogenannte "Scheidemünzen". 32 Bei der Zahlung mit Scheidemünzen erhielt der Gläubiger bei gleicher Nennwertsumme weniger Metallwarenwert als bei der Zahlung mit Kurantmünzen. 30 V gl. Baltzarek, Münzwert, in: HRG III, Sp. 764 f. und Schneider, Handelsmünzen, in: North, Aktie bis Zoll, S. 155 f. 31 Einzige Ausnahme blieb Bremen, das seine eigene Goldwährung bis zur Reichsgoldwährung beibehielt; Sprenger, Währungswesen, S. 26 ff.

32 Zum Begriff der Scheidemünze Schneider, Scheidemünzen, in: North, Aktie bis Zoll, S. 354. 3011

34

1. Teil: Industrielle Anlaufphase

In den Regelungen über die Scheidemünzen liegt der reformerische Kern des preußischen Münzgesetzes von 1821. Bis dahin mußten die Nennwerte der übermäßig ausgegebenen Scheidemünzen mehrfach abgewertet werden, 33 um ihre Umlaufsfähigkeit ihren Verkehrswerten entsprechend aufrechtzuerhalten. Gemäß §§ 12, 13 PrMünzG sollten nun die bisherigen Scheidemünzen eingezogen und in Kurantmünzen umgeprägt werden. Die neuen Silbergroschen mußten sowohl im Privatverkehr als auch von staatlichen Kassen nur bis zum Nennwert der 116 Tlr.-Kurantmünze angenommen werden(§ 7 PrMünzG). Die Kupferpfennige sollten nur, "soweit dies zur Ausgleichung im kleinen Verkehr nötig sein sollte, mehr aber nicht, in Umlauf gesetzt werden" (§ 11 PrMünzG). Die "vollwertige" Silbertalerwährung wurde damit vor dem Scheidemünzenumlauf sowohl qualitativ (§ 7 PrMünzG) als auch quantitativ (§ 11 PrMünzG) geschützt. In diesem Rahmen sollte die Annahme der Scheidemünzen zu ihrem "gesetzlichen Kurs", das heillt zu ihrem Nennwert aber auch nicht verweigert werden können (§§ 7, 10 PrMünzG). Gerade von den Scheidemünzen ging offenbar eine Bedrohung für die Stabilität des Metallwährungssystems aus, die diese Regelungen in Preußen nötig gemacht hatten.

4. Funktionsfähigkeit oder "Stabilität" des Systems Grundlage für die Funktionsfahigkeit des Geldes als Recheneinheit, Tausch- und Wertaufbewahrungsmittel ist der Geldwert. Die Erhaltung des Geldwerts kennzeichnet also auch die Stabilität der Geldart "Währung" und damit des jeweiligen Währungssystems. Instabilität des Metallgeldsystems, in dem die Münzen den Warenwert des in ihnen enthaltenen Edelmetalls verkörperten, konnte sich aus Veränderungen des Metallwarenwerts der Münzen, aus der Geldmenge und aus einer mangelnden Stabilitätserwartung der Wirtschaftsteilnehmer ergeben. a) Metallwarenwert der Münzen und der Wert der Edelmetalle Der Wert des Geldes im Metallwährungssystem wird zuerst vom Wert des in den Kurantmünzen enthaltenen Edelmetallfeingewichts als Ware bestimmt

33 Zuletzt von 36 Gr. (Bekanntmachung vom 4. Mai 1808, GS 1808, S. 232) auf 42 Gr. je Taler durch das Edikt vom 13. Dezember 1811, GS 1811, S. 373.

1. Kap.: GelahrdlDlg der Geldwertstabilität

35

(Metallwarenwert). 34 Die Kaufkraft der Münzen konnte unmittelbar durch eine Herabsetzung des Edelmetallgehalts vermindert werden oder verringerte sich durch Abnutzung der Münzen von selbst. Sogenannte .,Münzverschlechterungen"35 führen daher zur Instabilität des Metallwährungssystems in dem Sinne, daß der tatsächliche nicht mit dem gesetzlich bestimmten Edelmetallgehalt übereinstimmt, der Nennwert über dem Metallwarenwert liegt und die Preise deshalb mit einem falsch angenommenen Edelmetallwert der Währungsmünzen kalkuliert werden. 36 Münzverschlechterungen waren bis zum 19. Jahrhundert ein beliebtes Mittel der Münz- und Landesherren, sich auf Kosten der Wirtschaftenden mehr Geld zur Finanzierung von Staatsausgaben, insbesondere in Kriegszeiten, zu beschaffen. 37 Das gelang solange, bis die Wirtschaftenden Kenntnis von dem verringerten Edelmetallgehalt der Münzen erlangten, sodann ihre Preise entsprechend anhoben - sofern diese nicht durch Höchstpreisanordnungen festgeschrieben worden waren - und damit das System insgesamt wieder ins Gleichgewicht brachten. 38 Ein markantes Beispiel einer auf diese Weise macht- und finanzpolitisch mißbrauchten Münzhoheit lieferte noch in der Mitte des 18. Jahrhunderts Friedeich II. Er verschaffte sich während des Siebenjährigen Krieges ( 175663) aus dem besetzten Nachbarland Sachsen einen Schlagschatz in Höhe von 200.000 Rtlr. und den Sachsen ein minderwertiges Geld, indem er den Silbergehalt der bisherigen sächsischen Münzen um 25 % herabsetzte, das Prägebild aber bis hin zum Prägedatum beibehalten ließ39 , mit anderen Worten, Münzen von bisherigem Silberfeingehalt bewußt vortäuschte. Außerhalb der Einflußmöglichkeiten des Münzherren konnte sich der Geldwert durch eine Veränderung des Werts der Edelmetalle verringern oder erhöhen. Tendenziell und besonders in Zeiten gesamtwirtschaftlichen Wachstums ist das Metallgeldsystem aufgrundder natürlichen Knappheit der Edelmetalle zwar eher deflationär. Der Wert eines Edelmetalls verringerte sich aber bei einer Erhöhung des Edelmetallangebots durch die Entdeckung neuer 34 Schremmer, Stabiles Geld, S . 11 f.; vgl. auch Baltzarek, Münzwert, in: HRG III, Sp. 764, der den Metallwarenwert auch als den "Sachwert" der Münze bezeichnet.

35 Wiesebach, Geldentwertung, in: HRG I, Sp. 1458. 36

Schremmer, Stabiles Geld, S. 13 ff.

37 Wiesebach, Geldentwertung, in: HRG I, Sp. 1457 f. 38 Schremmer, Stabiles Geld, S. 14. 39 Sprenger, Geld der Deutschen, S. 139; Wiesebach, Geldentwertung, in: HRG I,

Sp. 1460 f.

36

1. Teil: Industrielle Anlautphase

Silber- oder Goldvorkommen oder durch verbesserte Bergbau- und Gewinnungstechniken. 40 Diese Ursache einer Geldentwertung wird insbesondere mit dem Anstieg des Preisniveaus in ganz Buropa während des 16. Jahrhunderts (sogenannte "Preisrevolution") in Verbindung gebracht. Die angebotene Edelmetallmenge war mit der Zufuhr aus Amerika beträchtlich angewachsen.41 Denkbar ist genauso die Wertminderung eines Edelmetalls durch eine geringere Nachfrage. Dies darf für den Preisverfall des Silbers mit dem sukzessiven weltweiten Übergang von den Silber- oder Bimetallwährungen zur Goldwährung im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts angenommen werden. 42 Direkt destabilisierend wirkt die Wertveränderung eines Edelmetalls auf das bimetallische Währungssystem der Doppelwährung. Weicht das Wertverhältnis zwischen Gold und Silber von dem gesetzlich festgelegten Umtauschkurs ab, so ist der Nennwert der an Wert verlorenen im Verhältnis zum Nennwert der wertvolleren Münze zu hoch. Dies führt dazu, daß die wertvolleren Münzen entweder durch Hortung oder durch Ausfuhr ins Ausland aus dem Verkehr genommen werden (sogenanntes "Greshamsches Gesetz")43 und der Umlauf weniger wertvoller Münzen die Preise nach oben treibt. 44 Deshalb war zum Beispiel Frankreich gezwungen, von der Doppelwährung am Ende des 19. Jahrhunderts abzugehen. 45 Keinen direkten Einfluß hat der Wertverfall eines Edelmetalls auf das System der Parallel- und Monometallwährung. Bei der Parallelwährung bleibt das Umtauschverhältnis zwischen Gold- und Silbermünzen der Marktlage entsprechend angepaßt. Systeminstabilität aus der Wertänderung eines Edelmetalls kann sich hier, ebenso wie bei der Monometallwährung, nur mittelbar aus der vorhandenen Geldmenge ergeben.

40 Wiesebach, Geldentwertung, in: HRG I, Sp. 1458 f. 41 Pieper, Preisrevolution, in: North, Aktie bis Zoll, S. 313 ff. Nach Helfferich,

Geld, S. 94 stieg die Silbergewinnung von 47.000 kg zwischen 1493 und 1520 auf 418.900 kg zwischen 1581 und 1600 an.

42 Vgl. North, Geld, S. 145 ff., 149. Zwischen 1873 und 1894 verschlechterte sich der Wert des Silbers zum Gold vom Wertverhältnis 1:15,93 bis auf 1:32,56 um über 100 %; Helfferich, Geld, S. 117. 43 Benannt nach dem Finanzberater von Elisabeth I. von England Thomas Gresham (1519-79); Munro, Greshamsches Gesetz, in: North, Aktie bis Zoll, S. 146 f. 44

Schremmer, Stabiles Geld, S. 14 f .

45

North, Geld, S. 149.

1. Kap.: Gef"ahrd1mg der Geldwertstabilität

37

b) Geldmenge Auch im Münzgeldsystem ist die ausgegebene Geldmenge im Verhältnis zum vorhandenen Waren- und Dienstleistungsangebot als Schlüsselgröße für die Kaufkraft des Geldes anzusehen. 46 Nach der seit Jean Bodin im Jahr 1568 diskutierten "Quantitätstheorie" ist der Geldwert dann stabil, wenn die Geldmenge der Warenproduktion und den geleisteten Diensten angepaßt bleibt. 47 Steigt die Nennwertsumme des in Umlauf befindlichen Geldes überproportional zum wirtschaftlichen Wachstum, so verliert das angebotene Geld gegenüber den verhältnismäßig weniger angebotenen Waren und Dienstleistungen an Tauschwert. Dieser Stabilitätsfaktor ist im Münzgeldsystem besonders bei der Ausprägung von unterwertigen Scheidemünzen und der Ausgabe von Papiergeld entscheidend, wirkt aber ebenso auf den Wert der Münzen bei Wertänderungen des Währungsedelmetalls. 48 Wird beispielsweise eine gestiegene Edelmetallmenge ausgemünzt, so ist diese Erhöhung der Geldmenge für den Geldwert (nur) dann unerheblich, wenn gleichzeitig ein entsprechendes Wirtschaftswachstum besteht. Die übermäßige Ausgabe von Scheidemünzen und vor allem von Papiergeld ist gewissermaßen die modernere und unauffälligere Variante zu den eben erwähnten Münzverschlechterungen durch Herabsetzung des Edelmetallfeingehalts, um den Staatshaushalt zu finanzieren. Wie bereits gesehen, hielten sich die Staaten des Deutschen Bundes mit der Papiergeldemission zurück. Besonders in Preußen war die Stabilität des Währungssystems aber durch eine übermäßige Nennwertsumme in Scheidemünzen49 gefährdet. Ein im Verhältnis zu den Kurantmünzen zu hoher Umlauf minderwertiger Scheidemünzen drückt den Geldwert insgesamt ebenso nach unten wie bei der Doppelwährung die Münzen aus dem geringerwertigern Metall. Das preußische Münzgesetz von 1821 demonstrierte uns bereits mögliche Gegenmaßnahmen. Indem die Scheidemünzenausgabe auf die für den Kleinzahlungsverkehr erforderliche Menge begrenzt wurde, die Scheidemünzen nur bis zum Wert der kleinsten Kurantmünze angenommen werden mußten und in diesem 46 Schremmer, Stabiles Geld, S. 15; Wiesebach, Geldentwertung, in. HRG I, Sp. 1457.

47 Born, Quantitätstheorie, in: North, Aktie bis Zoll, S. 322 f.; Hojfrnßnn, Geldwerttheorien, S. 12 ff.; Winkel, Geldtheorie, S. 9 f. ; Schremmer, Stabiles Geld, S. 16. 48

Wiesebach, Geldentwertung, in: HRG I, Sp. 1459.

Zwischen 1786 und 1806 setzte Preußen über 400 Mio. Groschen im Nennwert von insgeamt 18 Mio.Rtlr. in Umlauf; Sprenger, Geld der Deutschen, S. 157; vgl. auch Rittmann, Geldgeschichte, S. 516 ff. 49

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1. Teil: Industrielle Anlaufphase

Rahmen ein Wertherunterhandeln der Scheidemünzen verboten war, wurde eine neben der Silbertalerwährung bestehende Scheidemünzendoppelwährung ausgeschlossen- sofern der Münzherr die unbestimmte und dehnbar auszulegende Mengenbegrenzungsvorgabe einhielt. Nehmen wir die bislang besprochenen Stabilitätsbedingungen des Geldwerts und besonders die Geldmenge zum Maßstab, so können wir heute für das 19. Jahrhundert in Deutschland im ganzen Geldwertstabilität konstatieren. 50 Die Erhöhung der Geldmenge verlief weitgehend parallel zur Steigerung des Sozialprodukts, wobei allerdings einigermaßen sichere Zahlen erst für die Zeit ab 1850 vorliegen. 51 Betrügerische Münzverschlechterungen sind, wenn ich recht sehe, nicht mehr vorgekommen und dem Preisverfall von Edelmetallen52 ist man zuerst durch den Übergang von Bimetallwährungen53 zu Silberwährungen und dann zur Goldwährung rechtzeitig ausgewichen. Zumindest bis zur Einführung der Reichswährung ist allerdings sehr zweifelhaft, ob Geldwertstabilität aus Sicht der damals Wirtschaftenden auch erwartet wurde. c) Vertrauen der Wirtschaftsteilnehmer Weiterer nicht zu unterschätzender Stabilitätsfaktor des Geldwesens ist das von der Wirtschaftsgemeinschaft entgegengebrachte Vertrauen in die künftige Wertstabilität der staatlichen Währung. 54 Fehlt dieses, so können die Preise allein dadurch in die Höhe getrieben werden, daß jeder Einzelne versucht, künftig erwartete Werteinbußen durch höhere Preise von vornherein auszugleichen, oder auf andere Zahlungsmittel, die er für wertsicherer hält, ausweicht und damit die Nachfrage nach Währungsgeld mindert.

50 Schremmer, Stabiles Geld, S. 18 f. und Wiesebach, Geldentwertung, in: HRG I, Sp. 1456 f. 51 Sprenger, Geldmengenänderungen, S. 117 f. und dort Abb. 22, 25, 28. 52 Von 1848 bis 1873 war das Wertverhältnis zwischen Silber und Gold stabil und

bis 1859 eher zugunsten des Silbers verändert (1848 1:15.85, 1859 1:15.19, 1873 1:15.93); Hel.f!erich, Geld, S. 117. Zum Preisverfall des Silbers seit 1873 s.o. S. 36 in Fßn. 42.

53 Außerhalb Preußens gab es im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts in Braunschweig, Hannover, Kurhessen, Mecklenburg, Oldenburg und Sachsen BimetaUwährungen; Sprenger, Währungswesen, S. 22 ff.; ders., Geld der Deutschen, S. 159 ff. 54

Schremmer, Stabiles Geld, S. 17.

1. Kap.: GefihrdWlg der Geldwertstabilität

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Die Erhaltung des Geldwerts in den Staaten des Deutschen Bundes war abhängig vom Willen des jeweiligen Münz- und Landesherren, die Stabilitätsvoraussetzungen und die diesbezüglichen gesetzlichen Vorgaben- soweit beispielsweise über die Scheidemünzenausprägung im preußischen Münzgesetz von 1821 überhaupt vorhanden- einzuhalten und nicht, wie in der Vergangenheit so oft geschehen, aus finanziellen Interessen aufzugeben. Die Macht der Landesherren über die währungsrechtliche Geldordnung selbst wird bereits durch die Regelungsformen des Geldwesens deutlich. Das Gesetz über die preußische Münzverfassung steht unzähligen, vor allem früheren, aber auch späteren landesherrlichen Edikten und Kabinettsordern zur Gestaltung der Währungsordnung gegenüber. Die Abhängigkeit der Geldwertstabilität von der landesherrlichen Willkür mußte bei den gemachten Erfahrungen mit Münzverschlechterungen, Assignaten, Bancozetteln und Scheidemünzen das Vertrauen der Bevölkerung in die Wertstabilität der Währungen tiefgreifend erschüttern. Es ist Augenwischerei und eine Verdrehung der Tatsachen, wenn 1846 in einem "Damen-Conversationslexikon" gelesen werden konnte: "Geld der Nerv aller Dinge ( ... ) ewig im hoechsten Recht, weil es in der hoechsten Gewalt ist. ( ... ) Das Papiergeld, ein Resultat des Mangels an gemuenztem Metall, die Garantie fuer die Gesetzlichkeit der bestehenden Staaten, fuer den Kredit der Regierenden und das Vertrauen der Regierten. " 55

Wie tief stattdessen das Mißtrauen ins Bewußtsein der Wirtschaftenden eingedrungen war, beschrieb Regel am Anfang des 19. Jahrhunderts in einer Randnotiz: "Es ist ein schöner Zug, welche Verachtung man in Deutschland gegen das Geld hat und zeigt. Die Deutschen dichten ihm einen Ursprung an, der nicht verächtlicher und niedriger sein kann. Man stellt ihn fürs Auge in Figuren dar, die Geldseh-r genannt werden. Es soll eine mythologische Beziehung zugrunde liegen. Eine Bratwurst oder was es sei, mag man nicht mit einer so niedrigen Entstehungsart zusammendenken." 56

Ein meßbares Indiz für den fortdauernden Vertrauensmangel in staatliches Geld ist im Verlauf des 19. Jahrhunderts der Niedergang des Staatspapiergeldes bis hin zur Bedeutungslosigkeit. Demgegenüber konnte seit der Jahrhundertmitte die zumindest anfanglieh scheinbar grenzenloses Vertrauen findende und von der tatsächlichen Nachfrage unmittelbar abhängige Banknotenemis-

55

Zit. nach Weimer, Geschichte des Geldes, S. 170.

56

Hege/, Werke II, Aphorismen aus Hegels Wastebook 1803-06, S. 548.

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1. Teil: Industrielle Anlaufphase

sion erheblich ausgeweitet werden. 57 Sogar ein Herr Lutze konnte in seinem Namen- nachdem er sich 1854 die Erlaubnis bei seinem Landesherren eingeholt hatte - zur Finanzierung eines Hausbaus erfolgreich Eintalerscheine in Umlauf bringen. 58 Nicht das Papier schreckte die Wirtschaftenden vom Papiergeld ab, sondern sein Aussteller. Hierin mag- abgesehen davon, daß der preußische Staat eine edelmetallgedeckte Banknotenemission nicht finanzieren wollte59 - auch ein Grund für die Umwandlung der rein staatlichen Preußischen Bank in eine Aktiengesellschaft mit ganz überwiegend privaten Anteilseignem gerade in dem Moment, als sie 1846 mit der Banknotenausgabe beginnen sollte, liegen. Die Preußische Bank wurde aber unter der Tarnkappe privater Anteilseigner, genauso wie später die Reichsbank, nach wie vor von weisungsabhängigen Staatsbeamten geleitet. 60 Die Geldpolitik blieb von der Staatsregierung abhängig. Vor dem Beginn der Banknotenära in Deutschland wichen vor allem Kaufleute bereits seit dem Mittelalter auf ein anderes privat geschaffenes und wertgesichertes Zahlungsmittel, den Wechsel, aus. 61 Erst vor dem Hinter-

57 Waren 1835 noch 72,6 % des Papiergeldbestandes Staatspapiergeld, so gab es 1913 zu 93,4 % nur noch Banknoten; Sprenger, Geldmengenänderungen, S. 150 f., Tab. 5. 58

Sprenger, Geldmengenänderungen, 48 f.; Winkel, Geldtheorie, S. 16.

59 Vgl. vor§ 1 PrBankO vom 5. Oktober 1846, GS 1846, S. 435: "Nachdem Unserer, in der Order vom 11. April d. J. (GS 1846, S. 153) ausgesprochenen Absicht wegen Betheiligung von Privatpersonen bei den Geschäften der Bank durch die Zeichnung eines Einschußkapitals von zehn Millionern Thaler entsprochen worden ist, haben Wir beschlossen, der Bank eine den gegenwärtigen Bedürfnissen entsprechende Verfassung zu geben." 60 Beutler, Reichsbank, S. 102 ff. Scharfsinnig fragte 1875 der sozialliberale Frankfurter Reichstagsabgeordnete Sonnemann: "Ist es nicht in der Tat ein Widersinn, die Bank ausschließlich unter die Leitung von Reichsbeamten zu stellen, den Kanzler für die gesamte Gestion verantwortlich zu machen, die Errichtung von Filialen in die Hand des Bundesrats zu legen und doch behaupten zu wollen, man habe etwas anderes als eine Staatsanstalt geschaffen ?"; Sonnemann zit. nach Beutler, Reichsbank, S . 232.

61 Henning, Wirtschafts- und Sozialgeschichte II, S. 247; Munro/Dem:.el/Schwarzer, Wechsel, in: North, Aktie bis Zoll, S. 413 ff.; Sprenger, Geldmengenänderun-

gen, S. 67 ff. Den verbreiteten kaufmännischen Wechselverkehr führen noch die Motive zum Goldmünzengesetz von 1871, Sten.Ber. RT 1871, Bd. 1, Anl. 50, S. 126 als (schwaches) Argument gegen eine internationale Münzunion an: "Der internationale Handel aber zahlt in der Regel nicht in Geld, sondern in Wechseln, und Wechsel müssen auch bei übereinstimmender Währung und Rechnungseinheit nach

1. Kap.: Gefiihrdm1g der Geldwertstabilität

41

grund der unsicheren Währungsverhältnisse wird die volle Bedeutung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung als nicht zufällig erstes größeres gemeinsames Gesetzeswerk im Deutschen Bund deutlich. Mit ihr gelang es 1848, den Wechselzahlungsverkehr im Bundesgebiet in seinen gesetzlichen Grundlagen zu vereinheitlichen. 62 Der Umstand, daß Kaufleute den Wechsel dem staatlichen Geld als Zahlungsmittel vorzogen, dokumentiert den unbefriedigenden Zustand der Währungsverhältnisse für den gewerblichen Verkehr. Der vielfache frühere Mißbrauch der Münzhoheit durch die Landesherren führte im Deutschen Bund zum Mißtrauen der Bevölkerung in die Wertstabilität der Währungen. Dieses Mißtrauen wiederum gefährdete die Funktionsfahigkeit der Geldwirtschaft und hemmte ihren Ausbau.

ll. Zwischenstaatliche Verrechtlichung der Währungsverhältnisse In ihrem Ausmaß heute kaum mehr vorstellbar war die Währungszersplitterung im Deutschen Bund. Sprengerunterscheidet für 1834 auf dem späteren Reichsgebiet allein elf gesetzliche Silberwährungs- und zwei Goldrechnungssysteme.63 Nach einer zeitgenössischen Darstellung von 1833 liefen tatsächlich allein über 300 verschiedene deutsche Silbermünzen um. 64 Daneben gaben noch mehrere Bimetallwährungsstaaten Goldmünzen aus. Ausländische Münzen kursierten ebenso wie - nicht selten abgenutzte - Münzen aus früheren Rechnungssystemen im alltäglichen Zahlungsverkehr. Anschaulicher als von Ludwig Baroberger noch 1870 im Zollparlament am Beispiel einer Geldeintreibung in einem rheinhessischen Bauerndorf von 1869 vorgetragen, können die Währungsverhältnisse im Deutschen Bund nicht beschrieben werden: "Die Summe von 15.834 Gulden bestand aus Doppelthalem, Kronthalem, holländischen 2 112 Guldenstücken, 2-Guldenstücken, 1-Guldenstücken, 1/2-Guldenstücken, 113, 116, 1112-Rthlr., 5-Franken, 2-Franken, i-Franken; dann kommt das Gold: Pistolen, doppelte und einfache Friedrichsd' ors, l/2 Sovereigns, russische Imperials, Dollars, Napoleons. holländische Wilhelmsd'or, Österreichische und

ihrem veränderlichen Kurse, also nach dem Markt-, nicht nach dem Nominalwerthe berechnet werden."

62 Laufs, Rechtsentwicklungen, S. 228; Schlosser, PRG, S. 149 f. 63 Sprenger, Harmonisierungsbestrebungen, S. 126, Tab. 1. 64

Noback, Hdb. der Münz-, Bank- und Wechsel-Verhältnisse, S. 760 ff., 768 ff.

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1. Teil: Industrielle Anlautphase

würtembergische Dukaten, hessische 10-Guldenstücke und endlich noch ein Stück dänisches Gold." 65

Eine Währungsvereinheitlichung setzte die Einigung der Münzherren auf gemeinsame Grundsätze für das Währungswesen voraus. Dies war indes erst die Vorbedingung, um das verlorengegangene Vertrauen der Bevölkerung durch rechtliche Verallgemeinerung von Stabilitätsprinzipien wiederzugewinnen und den Geldzahlungsverkehr zu erleichtern. Den ersten Schritt zur Vereinheitlichung stellt das bereits erörterte preußische Münzgesetz von 1821 dar, das die in Preußen bis dahin bestehenden sechs verschiedenen Provinzialrechnungssysteme66 beseitigte. Motor für weitere Währungsvereinheitlichungen war der 1833 gegründete Deutsche Zollverein, dem mit Ausnahme Österreichs und einiger nordwestdeutscher Staaten die Mitglieder des Deutschen Bundes angehörten. 67 Art. 14 der Zollverträge enthielt die Absichtserklärung, auf ein gleiches Münzsystem in den Vertragsstaaten hinzuwirken. 68 Nachdem sich 1837 die Zollvereinsmitglieder Baden, Bayern, Frankfurt, Hessen-Darmstadt, Nassau und Württemberg vertraglich durch die Münchener Münzkonvention69 zum süddeutschen Münzverein zusammengeschlossen hatten, folgte ein Jahr darauf die Dresdener Münzkonvention zwischen allen Zollvereinsstaaten - insbesondere der süddeutschen Staaten mit Preußen. Mit dem Wiener Münzvertrag gelang es schließlich 1857, zwischen dem Zollverein und Österreich allgemeine Grundsätze für das Währungswesen vertraglich zu vereinbaren. In der Münchener Münzkonvention verpflichteten sich die genannten Staaten dazu, künftig ihre Währungsmünzen nach dem 24 112-Guldenfuß mit einem Silberfeingehalt von rund 9,5 g einheitlich auszuprägen (Art. 2 MünchMünzK) - das Markgrundgewicht definierte einheitlich Art. 10 MünchMünzK mit 233, 855 gentsprechend der preußischen Mark. Der Gulden war gemäß Art. 3 MünchMünzK in 60 Kreuzer zu teilen. Die Sechsund Dreikreuzerstücke sollten als Scheidemünzen einheitlich im 27-Guldenfuß geprägt werden. Den Feingehalt von Kreuzerstücken mit geringerem Nennwert festzulegen, blieb ausdrücklich im "Ermessen der einzelnen

65

Bamberger/NL., Sten.Ber. Zollparlament, 1870, S. 187.

66 Sprenger, 67

Geld der Deutschen, S. 138, Tab. 14.

Boldt, VerfG II, S. 138 ff.

68 "Zollvereinigungs-Vertrag" zuerst zwischen Preußen, Kurhessen, Bayern und Württemberg, GS 1833, S. 145. 69 Ebenso wie auch der Dresdener- und Wiener Münzvertrag abgedruckt bei Grasser, Münzgesetze, S. 389 ff.

1. Kap.: Gefihnbmg der Geldwertstabilität

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Staaten" (Art. 2 Scheidemünzenübereinkunft70 ). Bemerkenswert ist das zwischen den süddeutschen Staaten ausgehandelte Kontrollsystem (Art. 12 MünchMünzK, Art. 4 Scheidemünzenübereinkunft). Die vorschriftsmäßige Münzausprägung sollte danach im Jahresturnus gegenseitig überprüft werden. Im ersten Jahr sollte Württemberg von Bayern, Baden von Württemberg, Hessen von Baden, Nassau von Hessen, Frankfurt von Nassau und Bayern von Frankfurt kontrolliert werden. Die Staaten verpflichteten sich weiterhin dazu, keinerlei Münzverschlechterungen vorzunehmen, ohne "die übrigen contrahierenden Staaten(!) davon vier Wochen zuvor in Kenntnis zu setzen" (Art. 13, 15 MünchMünzK). Außerdem mußten gemäß Art. 13 MünchMünzK abgenutzte Münzen, wenn sie "eine erhebliche Verminderung des ihnen ursprünglich zukommenden Metallwerths erlitten haben", von staatlichen Kassen angenommen und eingeschmolzen werden. Weiterhin waren die Sechs- und Dreikreuzerscheidemünzen gemäß Art. 5 Scheidemünzenübereinkunft in unbegrenzter Höhe von allen "öffentlichen Kassen auf Verlangen gegen cursfiihige grobe Münzen" einzutauschen. Der Dresdener Münzvertrag von 1838 legte in Art. 1 das Markgrundgewicht zu 233, 855 g für alle Zollvereinsstaaten fest und erklärte in Art. 2 zwei Silberwährungsgebiete im Zollverein für verbindlich. Dies waren das preußische 14-Talerfuß Währungsgebiet in Norddeutschland, dem sich insbesondere Kurhessen und die sächsischen Provinzländer anschlossen (Art. 3 DresdMünzV), und das 24 1/2-Guldenfußgebiet in Süddeutschland. Gemäß Art. 7 DresdMünzV sollte eine gemeinsame "Vereinsmünze" für alle Staaten mit einen Silberfeingewicht in Höhe von 33,4 g im Nennwert von 2 Tlr. oder 2 112 Gulden geprägt werden. Wegen ihres hohen Werts hieß die Vereinsmünze im Volksmund auch "Champagnertaler" und fand keine Verbreitung, so daß ihr in Art. 7 formuliertes gesetzliches Ziel "zur Vermittelung und Erleichterung des gegenseitigen Verkehrs" als künftige "Hauptsilbermünze" zu dienen, nicht erreicht werden konnte. 71 Münzverschlechterungen durften nur noch vorgenommen werden, wenn diese vorher "öffentlich" bekannt gemacht wurden (Art. 11 DresdMünzV). Im Dresdener Münzvertrag wurde es im Unterschied zur Münchener Münzkonvention also durchaus für angebracht gehalten, auch die Bevölkerungen und nicht nur die Staaten von der Herabsetzung eines Münzfußes zu informieren. Die Regelung in Art. 11 DresdMünzV über die Annahme- und Einschmelzungspflicht von abgenutzten Münzen entsprach derjenigen in Art. 13 MünchMünzK. Der Dresdener Münzvertrag enthielt zusätzlich in Art. 12 DresdMünzV eine dem § 12 70

Zwischen den Staaten der MünchMünzK gesondert vereinbart; abgedruckt bei

Grasser, Münzgesetze, S. 394 ff. 71 Rittnu:mn, Geldgeschicbte, S. 542.

1. Teil: Industrielle Anlaufphase

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PrMünzG entsprechende Generalklausel für die auszubringende Scheidemünzenmenge, ebenso eine dem § 7 PrMünzG entsprechende Annahmebeschränkung nur bis zum "Werth der kleinsten groben Münze". Dem Art. 5 der Scheidemünzenübereinkunft zwischen den süddeutschen Staaten entsprach Art. 13 Buchst. c DresdMünzV, wonach die Silberscheidemünzen bei den öffentlichen Kassen, allerdings erst ab einer Nennwertsumme von 100 Tlr., in Kurantmünzen umgetauscht werden mußten. Ein umfassendes gegenseitiges Kontrollsystem der vorschriftsmäßigen Münzprägung konnte zwischen allen Zollvereinsstaaten nicht vereinbart werden. Stattdessen sollten nur die Vereinsmünzen "von Zeit zu Zeit" auf ihr Feingewicht hin überprüft werden und im "unerwarteten Fall", daß die Ausprägung nicht korrekt erfolgte, verpflichtete sich der Staat, der diese Vereinsmünzen geprägt hatte, dazu, diese Münzen wieder einzuziehen (Art. 10 DresdMünzV). Mit dem Wiener Münzvertrag wurde 1857 in Art. 1 das Münzgrundgewicht von der Mark auf das Pfund zu 500 g umgestellt. Bei gleichbleibendem Silberfeingewicht mußten also nun die Silbertalerwährungsmünzen im 30-Talerfuß ausgeprägt und der ehemalige 24 1/2 Guldenfuß zum 52 112Guldenfuß umgestellt werden; in Österreich und Liechtenstein galt der 45Guldenfuß für die Währungsmünzen (Art. 2 WienerMünzV). Als neue gemeinsame Münze sollte von allen Staaten (Art. 11 WienerMünzV) der "Vereinstaler" im preußischen 30-Talerfuß im Nennwert von 1 und 2 Tlr. (Art. 8 WienerMünzV) ausgeprägt werden. Wie bereits im Dresdener und Münchener Münzvertrag verpflichteten sich in Art. 13 WienerMünzV nun auch Österreich und Liechtenstein dazu, Münzverschlechterungen nur noch nach vorheriger öffentlicher Bekanntmachung vorzunehmen und abgenutzte Münzen einzuschmelzen. Ebenso entsprachen die Regelungen über die Scheidemünzen (Art. 14, 15 WienerMünzV) denjenigen des Dresdener Münzvertrages, wobei die Nennwertmindestsumme zum Umtausch in Kurantmünzen auf 20 Tlr. oder 40 Gulden für die Silberscheidemünzen herabgesetzt und eine Einlösepflicht für Kupferscheidemünzen ab einer Nennwertsumme von 5 Tlr. oder 10 Gulden aufgenommen wurde. Die gegenseitige Kontrolle korrekter Münzausprägung beschränkte sich, wortgleich mit Art. 10 DresdMünzV, auf die Vereinsmünzen (Art. 12 WienerMünzV). Neu waren die Regelungen über eine gemeinsame Handelsmünze aus Gold in Art. 18 ff. 72 und das Papiergeld in Art. 22 WienerMünzV 73 •

72 S. 73

o. S. 32 f.

s. o.

S. 29 in Fßn. 15.

1. Kap.: Geflihrd1Dlg der Geldwertstabilität

45

m. Geldwirtschaftliche Herausforderung des Privatrechts Die Staatsregierungen zeigten in den Münzverträgen, insbesondere mit den Regelungen über Münzverschlechterungen, Scheidemünzen und schließlich im Wiener Münzvertrag auch über das Papiergeld ihren guten Willen, künftig die Währungen möglichst stabil zu halten. Dennoch darf bezweifelt werden, daß dies ausreichte, um das Vertrauen der Bevölkerungen in das Währungsgeld wiederzugewinnen - selbst wenn man unterstellt, daß die einzelnen Münzherren die getroffenen Vorgaben einhielten. 74 Die Münzverträge enthielten zuviele Stabilitätslücken und landesherrliche Vorbehalte: - Zum einen bestand keine Verpflichtung zur kostenaufwendigen Einziehung der oft auch bei regelrechter Ausprägung aufgrund ihrer Abnutzung mit ungewissen Edelmetallfeingewichten umlaufenden Währungsmünzen früherer Prägungen. - Zum anderen konnte eine übermäßige Scheidemünzenausgabe bei entsprechend weiter Auslegung der für den Kleinzahlungsverkehr "nötigen" Menge nicht ausgeschlossen werden. - Auch behielten sich die Einzelstaaten Münzverschlechterungen ausdrücklich vor, mußten diese nur bekanntmachen. - Die Papiergeldausgabe und der Papiergeldumlauf blieben zwischen den Einzelstaaten bis 1857 im Wiener Münzvertrag vollkommen ungeregelt. - Insbesondere fehlte es an einer von den einzelstaatlichen Finanzinteressen unabhängigen Institution zur Kontrolle der vorschriftsmäßigen Münzausprägung und Überwachung der ausgegebenen Geldmenge. Der dazu, soweit es wenigstens die korrekte Prägung betrifft, im Münchener Münzvertrag vorhandene Ansatz konnte weder im Dresdener- noch im Wiener Münzvertrag fortgesetzt werden. Es blieb bei vertraglichen Absichtserklärungen, ohne ihre Einhaltung gegenüber den einzelnen Münzherren kontrollieren, geschweige denn nötigenfalls auch durchsetzen zu können. - Wie wenig die Münzherren bereit waren, von der Eigenständigkeit ihrer Währungen abzugehen, zeigt sich daran, daß sie ausdrücklich dazu verpflichtet werden mußten, eine nach ihrer Bevölkerungszahl zu bestimmende Mindestmenge, .,24 Stücke auf je 100 Seelen", an Vereinsmünzen neben ihrer eigenen Währung ausprägen zu lassen (Art. 11 WienerMünzV, Art. 9 DresdMünzV). 74 Nach Rittmann. Geldgeschichte, S. 735 ist jedenfalls bei der Ausführung des Wiener Münzvertrages über vertragswidrige Prägungen und Beanstandungen derselben "nichts bekannt geworden".

46

1. Teil: Industrielle Anlaufphase

- Im übrigen waren die Münzverträge von vornherein nur befristet wirksam, der Dresdener Münzvertrag gemäß seines Art. 18 bis zum 31. Dezember 1858, der Wiener Münzvertrag gemäß seines Art. 27 bis zum 31. Dezember 1878, wobei sich allerdings nach denselben Vorschriften die Wirksamkeitsdauer "stillschweigend" um fünf Jahre verlängerte, sofern nicht ein Staat seinen Rücktritt von den Vereinbarungen erklärte.

- Die Staatsregierungen behielten sich demnach als "Notausstieg" ein Rücktrittsrecht, zunächst wenigstens nach dem Ablauf von 20, dann jeweils nach fünf Jahren, vor. - Der Fortbestand der Münzverträge war im übrigen von den zwischenstaatlichen Machtverhältnissen abhängig, wie am Ausschluß Österreichs und Liechtensteins nach dem Ende des preußisch-österreichischen Krieges 186775 deutlich wird. Es blieb daher auch nach den Münzverträgen bei dem heterogenen Geldumlauf und dem nicht unwesentlichen Risiko einer landesherrlich herbeigeführten Geldentwertung. Dementsprechend hoch waren die Unsicherheiten im Zahlungsverkehr und bei der Geldvermögensbildung. Wie weit entfernt man im Deutseben Bund, trotz der Münzverträge, noch von einem währungsrechtlich gesicherten Zahlungsverkehr war, beschrieb Baroberger in seiner schon eingangs dieses Abschnitts herangezogenen Rede im Zollparlament von 1870 wie folgt: "Jede Zahlung ist ein Kampf, es werden keine 50 Gulden bezahlt, ohne daß der Bauer kommt und sagt: ich habe den Friedrichsd' or mit 10 Gulden annehmen müssen, und dann steht ihm der Händler gegenüber und sagt: er ist nach dem Kourszettel nur 9 Gulden 57 Kreuzer werth, und da giebt es Zank und Streit, der Eine hält sich für betrogen, der Andere für vergewaltigt und jeder Tag, jede Zahlung, jedes Geschäft ist eine Quelle von Unfrieden, von Bosheit, von lrrthümem und Betrug." 76

Mit den Mitteln des Währungsrechts allein war der Vertrauensmangel der Bevölkerung in die Stabilität des Währungsgeldes nicht zu bewältigen, solange die einzelnen Landesherren erfolgreich an ihren Münzprivilegien festhalten konnten. Noch 1871 liefen allein rund 130 verschiedene deutsche Münzsorten um77 und nur wenige geldkundige Kaufleute wußten oder mein-

75 Art. 1 des Staatsvertrages zwischen Preußen in Vertretung der übrigen Länder des Deutschen Münzvereins, Österreich und Liechtenstein; GS 1867, 1801; vgl. dazu auch Rittmann, Geldgeschichte, S. 839 f. 76 Bamberger/NL., 77

Sten. Ber. Zollparlament, 1870, S. 187.

Sprenger, Harmonisierungsbestrebungen, S. 135.

2. Kap.: Geldwertändenmgen im Privatrecht

47

ten zu wissen, was die einzelne Münze wert ist, ganz zu schweigen davon, ob der gleiche Wert auch künftig bestehen bleibt. Aus heutiger Sicht sind die Währungsverhältnisse im Deutschen Bund weniger mit der DM-Währung der Bundesrepublik vergleichbar als (noch) mit den Währungsverhältnissen in Gesamteuropa, aber mit dem wesentlichen Unterschied, daß im Deutschen Bund ausländische Geldstücke im täglichen Zahlungsverkehr des Inlands ebenso benutzt wurden, wie Geldstücke früherer in- oder ausländischer Währungen. Die einzige gemeinsame Grundlage dazu bestand in dem realen Metalleigenwert der Währungsmünzen. Es oblag der allen deutschen Staaten "gemeinen" romanistischen Privatrechtswissenschaft, den Ungewißheiten im Verkehr mit den unterschiedlichen in-, ausländischen, alten und neuen Münzen entschiedener entgegenzutreten als es das Währungsrecht im Deutschen Bund unter den bestehenden politischen Machtverhältnissen und permanenten staatlichen Finanzierungsnöten78 konnte. Das Privatrecht leistete seinerzeit sinnvolle Dienste für die Funktionsfähigkeit und Effektivität der Geldwirtschaft und damit für das wirtschaftliche Wachstum und den Fortschritt einer marktwirtschaftliehen Ordnung, wenn es den Münzherren die Grenzen ihrer Willkür aufzeigte, den Wirtschaftenden einen wertsicheren Zahlungsverkehr - gerade mit Währungsgeld- in Aussicht stellte und so den gegenseitigen Austausch von Waren und Dienstleistungen erleichterte und die Mobilität des Kapitals förderte.

2. Kapitel

Risiko von Geldwertänderungen im Privatrecht Weniger tatsächliche Geldwertänderungen als das Risiko von solchen, insbesondere wegen der Möglichkeit willkürlicher Eingriffe in das Geldwesen durch die Münzherren, mußte privatrechtlich im 19. Jahrhundert minimiert werden, um die Funktions- und Expansionsfahigkeit der Geldwirtschaft zu gewährleisten. Wenn hierbei der Vorwurf, die Pandektenwissenschaft habe "wirthschaftliche Grundbegriffe oft auffallend vernachläßigt" und speziell die Bedeutung des Geldes in seinem Tauschwert nicht erkannt, da sie "wirthschaftliche Begriffe nicht aus der modernen Volkswirthschaft, sondern aus

78 Zwischen 1807 und 1820 verdoppelte sieb beispielsweise nochmals die preußische Staatsverscbuldung, nachdem sie sieb bereits zwischen 1790 und 1807 mehr als verdreifacht hatte. Danach trat zwar Preußen in eine Phase der Konsolidierung. Der allgemein hohe Schuldenstand der Bundesstaaten blieb aber problematisch; Henning, Wirtschafts- und Sozialgeschichte II, S. 271 f., 281 ff., 632.

48

1. Teil: Industrielle Anlaufphase

den Anschauungen der Römer und Canonisten" übernommen habe79 , überprüft werden soll, so sind zunächst diese vormaligen Geld- und Geldwertverständnisse in ihren Grundzügen darzustellen. Neben den territorialen Privatrechtskodifikationen am Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts bilden diese gleichsam, soweit kodifiziert, die gesetzliche Ausgangslage für das Privatrecht des 19. Jahrhunderts. I. Vorgeschichte und privatgesetzliche Ausgangslage

Die Nennwertgeltung ist keine Schöpfung des 19. Jahrhunderts, sondern hat, ebenso wie der Valorismus, eine lange Geschichte von der Antike bis zu den Naturrechtskodifikationendes ausgehenden 18. Jahrhunderts.

1. Antikes römisches Recht Das römische Recht enthält in seiner späten Kodifikation im Corpus iuris civilis (533) nur wenige Stellen, die sich mit dem durch Geld zu leistenden Wert befassen und daher als Gesetzesgrundlage des "gemeinen" Privatrechts im 19. Jahrhundert dienen konnten. Einerseits scheint das nominalistische Prinzip vorgeherrscht zu haben. Die römischen Juristen grenzten das Geld in seinen besonderen Funktionen als Tauschmittler und Wertmaß von den Waren ab und hoben die Aufgabe des Staates, eine Sache als Geld zu bestimmen, hervor. Um den Schritt vom Naturaltausch zur Geldwirtschaft zu vollziehen, sei eine "materia" ausgewählt worden, "cuius publica ac perpetua aestimatio difficultatibus permutationum aequalitate quantitatis subveniret; eaque materia forma publica percussa usum dominiumque non tam ex substantia praebet quam ex quantitate". 80

79 So

1866 der Ökonom Scheel, Begriff des Geldes, S. 16 Fßn. 5.

(160-ca.230) D. 18, 1, 1 pr. Im 19. Jahrhundert vielzitierte Stelle, um das Nennwertprinzip in Übereinstimmung mit dem römischen Recht zu bringen "publica aestimatio" als Notwendigkeit der Anerkennung von Geld durch die Staatsgewalt; Blumenhagen, Begriff der Geldschuld, S. 27; Glück, Pandekten XII, S. 69 m.w.N. in Fßn. 77; Huschke, Pandektenstellen, S. 233; Luden, Darlehn, in: Weiske, Rechtslexikon Ill, S. 239 in Fßn. 97; Mühlenbruch, Pandektenrecht II, S. 16 in Fßn. 11, S. 343 in Fßn. 1; Oertmann, Volkswirtschaftslehre d. C.I.C., S. 87, 94; Pfeiffer, Pract. Ausf. I, S. 52 f.; Sintenis, Civilrecht II, S. 57 in Fßn. 1. 80 Paulus

2. Kap.: Geldwertändenmgen im Privatrecht

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Der staatliche Nennwert sollte mithin aus dem Metallgewicht der Münzen bestimmt sein. Wenn Geldmünzen zur Zahlung einer Verbindlichkeit gebraucht werden, dann werde weniger auf einzelne Stücke als auf ihre Wertsumme geschaut81 , die durch eine "perpetua aestimatio" in der Zeit zwischen Schuldbegründung und Zahlung gleich bleibe. 82 Andererseits enthalten die Pandekten auch valoristische Ansätze. So durfte dem Geldgläubiger ein Geldwertschaden jedenfalls dann nicht zugemutet werden, wenn der Schuldner in anderen Münzsorten als ursprünglich die Schuld berechnet worden ist zahlen wollte: "Creditorem non esse cogendum in aliam formam nummos accipere, si ex ea re damnum aliquid passurus sit." 83

Es ist allerdings nicht mehr festzustellen, wie die Zahlungssumme ermittelt wurde, wenn der Geldgläubiger Münzsorten von geringerem Wert freiwillig annahm. 84 Es lassen sich Hinweise finden, die darauf schließen lassen, daß es den Römern letztlich auf den Tauschwert des Geldes ankam. So wurde als ,.pecunia" nicht nur Münzgeld, sondern überhaupt jedes Sachenrecht mit wirtschaftlichem Vermögenswert verstanden: "Pecuniae nomine non solum numerata pecunia, sed omnes res tarn soli quam mobiles et tam corpora quam iura continentur." 85

So gesehen bestimmten die Römer den Geldbegriff als Sache von Wert, der ihr in bezug auf alle anderen Sachen zukommt. 86 Deshalb umgekehrt

81 Vgl. auch Papinian (150-212) D. 46, 3, 94, 1: "in pecunia non corpora cogitet, sed quantitatem. "

82 Vgl. auch Javolenus (50-120) D. 46, 1, 42: " ... quia non, ut aestimatio rerum quae mercis numero habentur in pecunia numerata fieri potest, ita pecunia quoque merce aestimanda est." Zur Vorstellung vom konstanten Geldwert im klassischen römischen Recht Oertmann, Volkswirtschaftslehre des C.I.C., S. 38. 83 Paulus D. 46, 3, 99. Vgl. auch Ulpian D. 13, 7, 24 § 1: "Reproba pecunia non liberat solventem". Als allgemeines Prinzip bei Göschen, Das gemeine Civilrecht II, S. 49. Hufe/and, Rechtliche Natur der Geldschulden, S. 36, sah durch diese Digestenstelle seine Auffassung vom Geldtauschwert bestätigt. Dagegen meinten Vangerow, Pandekten III, 5. Auf!., 1852, S. 32 und Sintenis, Civilrecht II, S. 63 in Fßn. 22, daß dies nur in dem Ausnahmefall gelten sollte, wenn "ein besonderer Vertrag über die Münzsorte" geschlossen worden ist.

84 Kaser,

Das römische Privatrecht I, S. 496. Hermogenian (spät. 3. Jrhdt.) D. 50, 16, 222. 86 So Endenwnn, Handelsrecht, 2. Auf!., 1868, S. 395 f.

85

40tt

50

1. Teil: Industrielle AnlaufPhase

"possibile est omnes res in pecuniam converti" 87 , wobei es auf den Vermögenswert des Geldes ankommen mußte. 88 Der Versuch, den staatlichen Geldnennwert gesetzlich mit Strafandrohung durchzusetzen, findet sich im Codex, der Sammlung kaiserlicher Edikte im Corpus iuris civilis: "Solidus veterum principum veneratione formatos ita tradi ac suscipi ab ementibus et distrahentibus iubemus, ut nihil omnio refragationis oriatur, modo ut debiti ponderis sint et speciei probae: scituris universis, qui aliter fecerint, haud leviter in se vindicandum. Pro imminutione, quae in aestimatione solidi forte tractatur, omnium quoque specierum pretia decrescere oportet. " 89

Aus dieser währungsrechtlichen Zwangsmaßnahme darf aber nicht auf ein schuldrechtliches Nennwertprinzip, schon gar nicht im klassischen römischen Recht (bis etwa 250) geschlossen werden. 90 Sie ist im Zusammenhang mit dem hyperinflationären Kaufkraftschwund der Münzen wegen ständiger Herabsetzungen des Edelmetallgehalts, dem Edelmetallpreisverfall und der rückläufigen Wirtschaftstätigkeit im römischen Reich seit der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts zu sehen, die zur Geldreform Aurelians (270-275), zum berühmten Höchstpreisedikt Deokletians im Jahr 301 91 und auf dem Gebiet Westroms schließlich wieder zur überwiegenden Naturalwirtschaft führte. 92 Wenn der Nennwert vorher regelmäßig angewendet worden ist, 93 wie die eingangs wiedergegebene Digestenstelle von Paulus naltelegt, so beruhte dies nicht auf hoheitlichem Zwang, sondern auf der gesellschaftlichen Anerkennung des staatlich bestimmten Geldnennwerts in seiner realen, metallischen 87 Juslinian

C. 4, 18, 2, 1.

88

Kaser, Das römische Privatrecht I, S. 500 f.

89

Valentin , Gratian (spät. 4. Jrhdt.) C. 11, 11, 1 u. 2.

90 So

aber Vangerow, Pandekten III, 5. Aufl., 1852, S. 31 f. Dagegen Savigny, Obligationenrecht I, S. 472 ff., der ebenso wie Glück, Pandekten XII, S. 70, Puchta, Pandekten, 1. Aufl., 1838, S. 217 und Oertmann, Volkswirtschaftslehre d. C.I.C., S. 96 in dieser Quelle sogar eine Anerkennung des Metallwerts sehen wollte, da Münzen nur "debiti ponderis" angenommen werden sollten. 91 Gaettens, Inflationen, S. 28 ff.; Martino , Wirtschaftsgeschichte des alten Rom, S. 391 ff.; Sprenger, Niedergang des Römischen Reiches, S. 532 f. Mickwitz, Geld und Wirtschaft im röm. Reich, S. 57 errechnet zwischen 256-276 eine allgemeine Preissteigerung im römischen Reich um 1000 %. 92 Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 16, 344; Bellinger, Die römische Geldillusion, S. 149.

93 Bellinger, ebd., S. 144, 146; Mommsen, Geschichte des röm. Münzwesens, S. 194 f.

2. Kap.: Geldwertändenmgen im Privatrecht

51

Grundlage der Münzen im Zahlungsverkehr. 94 Ein theoretisches Prinzip des Nennwerts ist nur insofern erkennbar, als Münzen nicht (mehr) gewogen, sondern gezählt werden sollten. Die Nennwertgeltung führte bei den wertstabilen Münzverhältnissen im römischen Reich in der Periode der Klassik nicht zu Rechtsstreitigkeiten, die es den römischen Juristen hätte notwendig erscheinen lassen können, einen schuldrechtlich verbindlichen Geldwert vom Nennwert abweichend zu begutachten. Aus den Quellen der Spätklassik wird nicht deutlich, wonach der Umfang von Geldzahlungsverbindlichkeiten bei Geldwertverschlechterungen nach römischem Recht berechnet worden ist. Hinweise könnten sowohl für den Nennwert als auch für den Metallgehalt oder den Vermögenswert der Münzen gefunden werden. 95 Letztendlich, um es mit den Worten Savignys zu sagen, "bleibt Das, welches wir finden, noch unter dieser geringen Erwartung, indem es eigentlich gar Nichts ist". 96 Es blieb deshalb den Juristen, die sich im 19. Jahrhundert mit der Auslegung des Corpus iuris civilis befaßten, gar nichts anderes übrig als die "Natur der Sache" 97 heranzuziehen.

2. Kanonisten und Postglossatoren Ganz anders als zur Zeit des geordneten Geldwesens in der Blüte des antiken römischen Reichs stellen sich die Geldverhältnisse im Mittelalter dar. Das Mittelalter gilt wegen seiner zersplitterten, unsicheren Geldverhältnisse98 als die Epoche der Vorherrschaft des Valorismus. 99 Die "Natur der Sache" wurde maßgeblich von der Kirche bestimmt. Seitdem das Geld im 13./14. Jahrhundert gegenüber dem Naturaltausch wieder an Bedeutung gewann, wurde das Geldwertproblem in seiner wirtschaftlichen und rechtlichen Bedeutung in einem umfangreichen Schrifttum behandelt. Zu einer allgemeinverbindlichen gesetzlichen Vorschrift für den

94 Huschke,

Pandektenstellen, S. 235; Kunkel, Römisches Recht, S. 100.

95 Vgl. auch Martino, Wirtschaftsgeschichte des alten Rom, S. 407 f . 96 Savigny, Obligationenrecht I, S. 469; vgl. auch Hujelßnd, Rechtliche Natur der

Geldschulden, S. 34 ff.

97 So ausdrücklich Göschen, Das gemeine Civilrecht II, S. 49; Hujelßnd, Rechtliche Natur der Geldschulden • S. 37; Pjeiffer, Pract. Ausf. I, S. 53; Puchta, Vorlesungen I, S. 89.

98 Luschin, Geldgeschichte, S. 241 f. 99

Wiesebach, Geldentwertung, in: HRG I, Sp. 1463.

52

1. Teil: Industrielle Anlautphase

schuldrechtlichen Geldwert, etwa im Corpus iuris canonici (1582), kam es allerdings nicht. 100 Den Stein der nominalistischen Weisheit schien bereits Thomas v. Aquin gefunden zu haben. Im 13. Kapitel des zweiten Buchs seiner Schrift "De regimine principum" (um 1265)101 verurteilte er den Mißbrauch des Münzwesens zu finanziellen Zwecken der Fürsten: "In qua quidem, etsi liceat suum ius exigere in cudendo numisma, moderatus tamen debet esse princeps quicumque vel rex sive in mutando, sive in diminuendo pondus, vel metallum, quia hoc credit in detrimentum populi." 102

Thomas stellte indes nicht die hoheitliche Gewalt über das Münzwesen in Frage. Für ihn war das Geld ein Tauschmittel, dessen Zahlungswert allein durch den Fürsten bestimmt wird: "Mandant enim solvi mutua, et pacta servari iuxta illius temporis numisma in omni mensura qualitatis et quantitatis. Concluditur ergo qualiter unicuique regi numisma proprium est necessarium." 103

In Verbindung mit der von den Kanonisten gepredigten Lehre vom "gerechten Preis" ohne Gewinne oder Verluste104 mußte das Geld in der Theorie eine in seinem Wert unveränderliche Meßgröße in der Mitte der verschiedenen Warenwerte sein. 105 Deshalb war es auch unchristlich, den Vermögenswert von Geld durch Zinsen zu vermehren und Geldsorten nach ihrem unterschiedlichem Verkehrswert gegeneinander zu tauschen. 106 Thomas v. Aquin befürwortete zwar die ausnahmslose Nennwertgeltung, verpflichtete aber zugleich die Münzherren, wenn auch nur ihrem Gewissen nach107 , dafür Sorge 100 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 476.

101 Thomas, De regimine, S. 32-34. Dieser Abschnitt stammt allerdings wahrscheinlich nicht mehr von Thomas selbst, sondern vielleicht noch nach seinen Aufzeichnungen von seinem Schüler Tholomäus v. Lucca (etwa 40 Jahre später); Matz, Nachwort, in: Thomas, Über die Herrschaft der Fürsten, S. 80; Portmann, Vorwort, in: Thomas, Über die Regierung der Fürsten, S. 1. 102 Thomas, De regimine, S. 33; vgl. dazu auch Endemann, Grundsätze, S. 333 f. in Fßn. 331, 337; Stampe, Zahlkraftrecht, S. 42. 103 Thomas, De regimine, S. 33; vgl. dazu auch Luschin, Geldgeschichte, S. 243; Winkel, Geldtheorie, S. 1. 104 Endemann,

Grundsätze, S. 352.

tos Endemann, Grundsätze, S. 335 f., 351. 106 Endemann, 107

337.

Grundsätze, S. 346 ff., 352.

Thomas, Über die Regierung der Fürsten, S. 60; Endemann, Grundsätze, S.

2. Kap.: Geldwertändenm.gen im Privatrecht

53

zu tragen, daß der Geldwert nicht verschlechtert wird. Die Münzherren zeigten sich allerdings auch in der Folgezeit ziemlich gewissenlos, wenn es darum ging, sich durch Münzverschlechterungen Finanzierungsvorteile zu verschaffen. 108 Den Schritt vom Nennwert zur valoristischen Geltung des Metallwerts der Münzen vollzog Nicolaus Oresme (1320/25-1382) 109 in seiner Schrift "De mutatione monetarum" (um 1355)110 , wie bereits vor ihm die Glossatoren Azo (1150-1230) 111 und Accursius (1185-1263)112, neben ihm die Postglossatoren Bartolus (1314-57) 113 und Baldus (1327-1400) 114 und nach ihm Molinaeus (1500-1566). 115 Für sie alle war das Geld eine Sache der Allgemeinheit und nicht der Fürsten. 116 Damit die Moral erhalten bleibt, müsse die Geldzahlung nach der tatsächlichen Wertäquivalenz von Schuld und Leistung berechnet werden. 117 Der Geldwert werde durch das Edelmetallgewicht der Münzen bestimmt. 118 Während Endemann diese Hinwendung zum Valorismus vor allem darauf zurückführt, daß Geldwerteinbußen der Kirche als Geldgläubiger verhindert werden sollten119 , betont Stampe allgemein den Einfluß der Verkehrsbedürfnisse auf die durch rechtspraktische Gutachten bestimmte Geldlehre des Mittelalters. 120 Der Valorismus des Mittelalters war danach die Reaktion der Rechtsgelehrten auf die unstabilen und unüberschaubaren Währungsverhältnisse, um die Funktion des Geldes als wirtschaftliches Tausch- und rechtliches Zahlungsmittel zu erhalten. Die Realität der Münz108 Luschin,

Sp. 1460 f.

Geldgeschichte, S. 257 ff.; Wiesebach, Geldentwertung, in: HRG I,

109 Winkel, Geldtheorie, S. 1. Der Erfolg seiner Geldtheorie soll Oresme auf den Bischofsstuhl in Lisieux gebracht haben; Spufford, Oresm.ius, in: North, Aktie bis Zoll, S. 290. 110

Oresme, Traktat über Geldabwertungen, lateinisch/deutsch hrsg. v. Schorer,

Jena 1937, S. 32-101.

lll Stampe, Zahlkraftrecht, S. 36. 112 Endemann, Grundsätze, S. 333 f. in Pßn. 331.

113 Stampe,

Zahlkraftrecht, S. 46.

114 Stampe,

Zahlkraftrecht, S. 24 ff.

115 Stampe,

Zahlkraftrecht, S. 71.

116

Oresme, Traktat über Geldabwertungen, S. 45.

11 7

Stampe, Zahlkraftrecht, S. 127.

11 8

Oresme, Traktat über Geldabwertungen, S. 41.

119 Endemann, 120 Stampe,

Grundsätze, S. 349.

Zahlkraftrecht, S. 127 f.

1. Teil: Industrielle Anlaufphase

54

Verschlechterungen hatte die Theorie von der Unveränderlichkeit des Geldwerts eingeholt. Diese Theorie konnte sich in der Rechtspraxis ebensowenig behaupten wie das kanonische Zinsverbot

3. Naturrechtskodifiko.tionen Das Geltungsgebiet des römischen Rechts wurde am Ende des 18. Jahrhunderts und zu Beginn des 19. Jahrhunderts eingerahmt von territorialen Rechtskodifikationen, namentlich vom ALR (1794) in Preußen, vom Code civil (1804) in allen linksrheinischen Gebieten und vom ABGB (1811) in Österreich. Eindeutig schrieb Art. 1895 Code civil die schuldrechtliche Nennwertgeltung vor: Geld sollte immer nur nach der "somme numerique enoncee au contrat" gezahlt werden. Bemerkenswert ist die Begründung dieser Regelung aus den Gesetzesmaterialien im Kommentar von Blanchard und Maleville. Art. 1895 Code civil sei zwar "strenge genommen, nicht allerdings gerecht", jedoch "allein Staatsgründe wollen es so" . 121 Das Geld sei eine "allzu notwendige Waare, als daß sein Preis der Willkür derjenigen, die es besitzen, überlassen werden" dürfe. 122 Da der Fürst "seine Münze den Privat-Personen austheilt, um ihnen zum Zeichen des Werthes aller Sachen zu dienen, so gehört sie ihnen nur unter diesem Gesichtspunkte; und kann folglich nur in dieser Hinsicht den Gegenstand der Handels-Verträge ( ... ) ausmachen" } 23 Das Geld werde also nur als Wertberechnungseinheit und nicht als Wertträger dem Verkehr zur Verfügung gestellt. Besonders auffallend ist die beabsichtigte absolute Geltung des Nennwerts. Nach französischen Recht müsse "jeder (der Nennwertgeltung) entgegengesetzte Vertrag ( ... ) als dem StaatsRechte und der Bestimmung zuwider, die der Fürst der Münze gegeben hat, verworfen werden" . 124 Hier ist nichts zu sehen vom "laisser-faire" der französischen Physiokraten. Der staatlich-merkantilistische Wirtschaftsdirigismus des Geldwesens im französischen Absolutismus setzte sich, weder durch die Physiokraten noch durch die französische Revolution gebremst, im Code civil fort. 125 Er tritt zum Teil bis heute in Erscheinung. In der zeitgenös121 Blanchard!Maleville,

Gesetzbuch Napoleons, Bd. 111, Anm. zu Art. 1895.

122 Blanchard!Maleville,

ebd., Anm. 3 zu Art. 1907.

123 Blanchard!Maleville,

ebd., Anm. zu Art. 1895.

124 Blanchard!Maleville,

ebd., Anm. zu Art. 1895.

125 Bürge,

Das französische Privatrecht, S. 89 ff., 131 ff., 441 ff.; vgl. auch

Caroni, Privatrecht, S. 83 f.

2. Kap.: Geldwertändenmgen im Privatrecht

55

sischen wirtschaftsliberalen Kritik Frankreichs galt gerade das in Art. 1895 Code civil niedergeschriebene Nennwertprinzip als Ausdruck veralteten und verfehlten merkantilistischen Denkens. 126 Napoleon konnte durch seine persönliche Beteiligung die Gesetzgebungsarbeiten zum Code civil erheblich beeinflussen. Die trotzder schlechten Erfahrungen mit der Nennwertgeltung in der revolutionären Assignatenwirtschaft nunmehr allgemein vorgeschriebene schuldrechtliche Nennwertgeltung wird deshalb auch im Zusammenhang mit Napoleons Wirtschaftsvorstellungen und insbesondere mit seinem Kriegsfinanzierungssystem gesehen werden können. Gegenüber dem Code civil stand das Österreichische ABGB ganz im Zeichen der Metallwertgeltung. Bei jeder Veränderung des "inneren Werths" der erhaltenen Münzsorte sei die Darlehensrückzahlung "im Verhältnisse zu dem inneren Werthe, den die gegebene Münzsorte zur Zeit des Darlehens hatte" zu leisten (§ 988 ABGB). Wenn die erhaltene Münzsorte bei Rückzahlung nicht mehr im Umlauf sei, so sollte nicht etwa die Nennwertsumme in den neuen Münzsorten geleistet werden, sondern es komme darauf an, daß der Geldgläubiger den "zur Zeit des Darleihens bestandenen inneren Werth dessen, was er gegeben hat" zurück erhalte(§ 989 ABGB). In der Kommentierung von Pranz v. Zeiller, der an den Gesetzgebungsarbeiten zum ABGB maßgeblich beteiligt war, 127 hieß es dann allerdings grundsätzlich, "von Unterthanen des nähmlichen Gebiets muß der äußere, gesetzliche Wert anerkannt werden" . 128 Für diese Auslegung des ABGB im Sinne des Nennwertprinzips findet sich im Gesetzestext nicht der geringste Hinweis. Das zeigt, wie flexibel die Regelungen des ABGB handhabbar waren. Unbestimmt waren die Regelungen im preußischen ALR. Es sollten Änderungen des "Münzfußes" für die Berechnung der Geldzahlungsverpflichtung berücksichtigt werden (§ 787, Tit. 11, Teil 1 ALR). Es blieb unklar, ob damit der gesetzlich vorgesehene oder der tatsächlich vorhandene Edelmetallgehalt der Münzen gemeint war. Eine Entscheidung des Oberappellationsgerichts Münster, welche auf den tatsächlichen Metallgehalt abstellte, veranlaßte den preußischen König zur Kabinettsorder vom 4. August 1832. 129 Darin wurde ausdrücklich festgestellt, daß nicht "die Einrichtung des inneren Werthes und Gehaltes gegen den äußeren", sondern "die gesetzliche Feststellung des Gewichtes und Feingehaltes" unter dem "Münzfuß" zu verstehen sei. Neben gesetzlichen Änderungen des Münzmetallgewichts sollte

126 Bürge, 12 7

ebd. , S. 144 f.

Caroni, Privatrecht, S. 87.

128 Zeiller,

Kommentar ABGB 111, § 985, Anm. 2, S. 230.

129 Jahrbücher

f. Gesetzgebung, Bd. 40 (1832), S. 162 f., auch im folgenden.

56

1. Teil: Industrielle Anlaufphase

,.das im Handel und Wandel gewöhnliche Steigen und Fallen des Cours bei einer und derselben Münzsorte" -außer bei Verbindlichkeiten, die in ausländischen Währungen bezahlt werden konnten (§§ 785, 786, Tit. 11, Teil 1 ALR) - ,.in keine Betrachtung" kommen (§ 792, Tit. 11, Teil 1 ALR). Damit steht fest, daß der Kurswert als Wechselkurs nach dem ALR nur ausnahmsweise über den Umfang einer Geldzahlungsverbindlichkeit entscheiden sollte. Bei den in unzähliger Vielfalt umherlaufenden Münzsorten war freilich die gesetzestechnische Ausnahme einer Fremdwährungserfüllung im Verkehr von großer Bedeutung. Ungeregelt blieb, wann eine außergewöhnliche Kurswertänderung vorliegt und wie bei einer solchen zu verfahren ist. Dem ALR lag ursprünglich der Metallgehalts- und nicht der Nennwertgrundsatz zugrunde. Das wird insbesondere an der Regelung in § 790, Tit. 11, Teil 1 ALR deutlich, wonach die Darlehensrückzahlung bei einer Herabsetzung der erhaltenen Münzsorte in ihrem ,.äußern (Nenn-)Werthe, ohne Veränderung des inneren Gehalts" dennoch "in eben derselben Münzsorte geleistet und angenommen" werden mußte. 130 Es sollte beim Darlehen immer die gleiche Stückzahl mit dem gleichen Metallgewicht ohne Rücksicht auf die zwischenzeitlich veränderte Nennwertsumme der erhaltenen Münzsorte zurückgezahlt werden. 131 Es bleibt festzuhalten, daß auch das kodifizierte "Naturrecht" nicht zu einem einheitlichen gesetzlichen Prinzip des schuldrechtlichen Geldwerts führte. Abgesehen davon, daß an sich nur eine spezielle Regelung der Darlehensrückzahlung erfolgte- § 82, Tit. 16, Teil 1 ALR sah allerdings eine entsprechende Anwendung der Bestimmungen auf alle Geldschuldverhältnisse vor - gelang es nur der zentral durchorganisierten Staatsmacht Frankreichs, das Nennwertprinzip privatgesetzlich festzuschreiben. Sowohl in Österreich als auch in Preußen ging das gesetzliche Privatrecht von dem valoristischen Metallgewichtsprinzip aus. Diese uneinheitliche und, was besonders das ALR anbelangt, auch undeutliche Ausgangsgesetzeslage machte es vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung des Geldes mit dem Beginn der Industria13° Vgl.

Bomemann, Civilrecbt 111, S. 166 f.

Bomemann, ebd., S. 167; Rönne, Ergänzungen und Erläuterungen,§ 790, 11. Tit., Tei11 ALR, S. 468 f.; vgl. auch Savigny, Obligationenrecht I, S . 488 ff. Die gleiche Regelung fmdet sich in § 988 ABGB. In Preußen wurde diese Regelung durch Deklaration vom 27.9. 1808 hinsichtlich der Nennwertherabsetzung des Groschens (s.o. S. 34 in Fßn. 33) außer Kraft gesetzt; Gruchot, Zahlung der Geldschuld, S. 105. Zur regelmäßigen Metallwertgeltung im älteren Partikularrecht, etwa in den Kurfürstlieb Sächsischen Constitutionen (1572), den Statuten der Stadt Harnburg (1603), der Reformation der Stadt Frankfurt am Main (1611), oder dem Landrecht des Königreichs Preußen (1721) vgl. Gruchot, Zahlung der Geldschuld, S. 101 f. 131

2. Kap.: Geldwertändenmgen im Privatrecht

51

lisierung im 19. Jahrhundert notwendig, eine wirtschaftlich und rechtlich zweckmäßige allgemeingültige Regel für die Bestimmung des schuldrechtlich zu leistenden Geldwerts rechtswissenschaftlich zu erarbeiten.

n. Übersicht der privatrechtswissenschaftlichen Literatur aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Wenn wir uns nun der privatrechtswissenschaftlichen Literatur aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zuwenden, so sei vorab angemerkt, daß kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird. Die Quellen wurden vielmehr nach ihrer grundlegenden und auf die Meinungsbildung über ein schuldrechtliches Geldwertprinzip fortwirkenden Bedeutung ausgewählt.

1. Nennwerttheoretiker In der juristischen Literatur suchte zuerst Burchard Wilhelm Pfeiffer (1717-1852) mit terminologischer Schärfe und Überzeugungskraft nach einer wissenschaftlichen Begründung des Nennwertprinzips im privatrechtliehen Zahlungsverkehr. 132 Als Sohn eines Theologieprofessors in Marburg war er aus der Verwaltung kommend seit 1817 Richter am Oberappellationsgericht Kassel und zwischenzeitlich 1820/21 in Lübeck. Er schloß sich der bürgerlich-liberalen Verfassungsbewegung an und wurde 1832 in den heimatlichen kurhessischen Landtag gewählt. 133 Mit Savigny verband ihn lange Zeit eine "engere persönliche Freundschaft" . 134 Pfeiffers liberale verfassungspolitische Gesinnung wird besonders in seinen staatsrechtlichen Abhandlungen deutlich, in denen er für Rechtsstaatlichkeit und richterliche Unabhängigkeit eintrat. 135 In der Privatrechtswissenschaft wendete er sich gegen die "unbeugsamen Theoretiker und insonderheit der im blinden Eifer des Romanisierensbefangenen Juristen" . 136 Stattdessen bemühte er sich um eine systematische Darstellung der kurhessischen Spruchpraxis. Dazu gab er von 1825 bis 1848 insgesamt acht Bände "Practische Ausführungen aus allen Gebieten der Rechtswissenschaft - Mit 132 PfeijJer, 133

134 Nolte, 135

Pract. Ausf. I, 1825, S. 51-78.

Nolte, B. W. Pfeiffer, S. 11 ff.

B. W. Pfeiffer, S. 13.

PfeijJer, Pract. Ausf. III, S. 234 ff.; Nolte, B. W. Pfeiffer, S. 25 ff.

136 PfeijJer,

Pract. Ausf. V, S. V.

58

1. Teil: Industrielle AnlaufPhase

Erkenntnissen des Oberappellationsgericht zu Cassel" heraus. Gleich im ersten Band befaßte er sich mit den "Grundsätzen, nach welchen eine Geldschuld nach eingetretener Münzveränderung zu bezahlen ist" . 137 Seine "practischen Ausführungen" zum Geld im Privatrecht beschäftigten bis ins 20. Jahrhundert hinein die Privatrechtswissenschaft. 138 Der später am Vorabend der Reichs- und Währungseinheit pandektistische Mitbegründer einer modernisierten Nennwerttheorie, Gustav Hartmann, bezeichnete sie 1868 als einen "der besten juristischen Beiträge zu unserer Lehre" . 139 In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts schlossen sich viele namhafte Privatrechtier dem Nennwertprinzip Pfeiffers an. Ausdrücklich erkannte Carl Friedrich FerdifUlnd Sintenis (1804-1868) "Pfeiffer 's Resultate durchgehends für richtig" an. 140 Sintenis war neben seiner akademischen Tätigkeit als Professor für römisches Recht in Gießen auch in verschiedenen Staatsämtern tätig und seit 1853 Präsident des Oberlandesgerichts von Anhalt. Hervorzuheben ist seine Beteiligung an der ersten deutschen Übersetzung des Corpus iuris civilis141 und an der Ausarbeitung des sächsischen BGB von 1863/65. 142 Sintenis Wirken in der Rechtspraxis spiegelt sich in der Wahl des Titels seines Zivilrechtslehrbuchs wieder. Im zweiten Band zum Obligationenrecht seines dreibändigen Hauptwerks "Das practische gemeine Civilrecht", in erster Auflage von 1847, befaßte er sich mit der Problematik des Geldwerts im Schuldverhältnis. 143 In der Vorrede zu diesem Lehrbuch ging es Sintenis um eine rechtspraktische Ausrichtung der Zivilrechtsdogmatik, indem es ihm nicht darauf ankam, das antike römische Recht zu erörtern, sondern "ein Recht, welches einst römisch war und nun

137

Pfei.ffer, Pract. Ausf. I, S. 51.

Noch in der 9. Aufl. von 1906 werden bei Windscheid!Kipp, Pandekten II, S. 45 Pfeüfers Geldausführungen als Standardliteratur angegeben. Vgl. ferner Seidler, Schwankungen des Geldwertes (1894), S. 689; Goldschmidt, HandelsR 1/2, S. 1061 und Savigny, Obligationenrecht I, S. 478. 138

139

Hartmonn, Begriff des Geldes, S. 1.

140 Sintenis,

Civilrecht II, S. 58 in Fßn. 1.

Otto/Schilling!Sintenis, Das Corpus Juris Civilis in' s Deutsche übersetzt, 7 Bde., Leipzig 1831-1839. 141

s.

142 Ahcin, Entstehung des bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Sachsen, 187 ff., 263.

143 Sintenis, Civilrecht II, S. 57-68. Zitiert wird die letzte, 3. Aufl. von 1868 in der Sintenis nach wie vor mit unveränderter Begründung am Nennwertprinzip festhielt.

2. Kap.: Geldwertändenmgen im Privatrecht

59

unser geworden ist", so daß "alles Unpractische (!) aus dem Text wegzuweisen war". 144 Auf Pfeiffer verwies auch Karl Adolf v. Vangerow (1808-1870) als er in den, in erster Auflage zwischen 1842 und 1846 erschienenen, drei Bänden seines Pandektenlehrbuchs den "äußeren Werth" des Geldes für den Umfang der Zahlungspflicht prinzipiell für maßgeblich erklärte. 145 Im Gegensatz zu Pfeiffer und Sintenis widmete sich Vangerow ausschließlich der akademischen Lehrtätigkeit Zuerst war er Professor für römisches Recht in Marburg. Seit 1840 nahm er den ehemaligen Lehrstuhl Thibauts in Heidelberg ein. 146 Seinen wissenschaftlichen Erfolg und sein Ansehen belegen nicht zuletzt sieben Auflagen seines Pandektenlehrbuchs bis 1869. 147 Landsberg zeichnet von Vangerow das Bild eines von der historischen Schule Savignys unabhängigen Pandektisten, der seine Rechtslehre nicht "an die Praxis und ihre Bedürfnisse, sondern an die Schule und ihre juristische Erziehung" richtete und sie nicht aus einer "Beobachtung des Lebens, sondern auf ausschließlicher Quellenmäßigkeit" mit dem Corpus iuris civilis herleitete. 148 Erkennbar ist das Nennwertprinzip ferner im zweiten Band des Pandektenrechtslehrbuchs von Christion Friedrich Mühlenbruch (1785-1843) 149 , der seit 1831 das "Archiv für die civilistische Praxis" mitherausgab und seit 1833 als erster pandektistischer Professor in Göttingen lehrte. 150 Auch er berief sich ausdrücklich auf Pfeiffer. 151 Mühlenbruch soll ebenso wie Vangerow größten Wert auf "grundsätzliche und streng durchgeführte Quellenmäßigkeit" gelegt haben. Gerade sein Pandektenrechtslehrbuch sei "selbständig aus diesen Quellen (den Pandekten) gearbeitet" . 152 Ohne ausdrückliche Bezugnahme auf Pfeiffer bejahte der Savignyschüler und Professor für römisches Recht in Berlin und Göttingen, Johann Friedrich

144 Sintenis,

Civilrecht I, S. III f.

Vangerow, Pandekten III, 5. Aufl., 1852, S. 31-37 (32); ders., Pandekten I, 6. Aufl., 1851, S. 120-122 (120). 145

146 Stinzig!Landsberg,

Rechtswissenschaft III/2, S. 603 f.

147 Kleinheyer/Schröder, 148 Stinzig!Landsberg, 149 Mühlenbruch,

Rechtswissenschaft III/2, S. 602.

Pandektenrecht II, 1840, S. 342-344.

150 Stinzig!Landsberg, 151

Juristen, S. 515.

Rechtswissenschaft III/2, Noten, S. 176 ff.

Mühlenbruch, Pandektenrecht II, S. 343 in Fßn. 3.

152 Stinzig!Landsberg,

Rechtswissenschaft III/2, S. 375 f.

60

1. Teil: Industrielle Anlautphase

Ludwig Göschen (1778-1837) 153 , die prinzipielle Nennwertgeltung im Privatrecht. 154 Die weite Verbreitung, die das Nennwertprinzip ausgehend von Pfeiffer in der Privatrechtswissenschaft bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts fand, belegt nicht zuletzt das angesehene, von Julius Weiske herausgegebene "Rechtslexikon für Juristen aller teutschen Staaten". Die einschlägigen Passagen zum Geldwert im Schuldverhältnis im Artikel zum Darlehen stammen von dem Oberappellationsgerichtsrat und Professor aus Jena, Luden. Er nahm nahezu ausschließlich auf Pfeiffer Bezug und begründete bis ins Detail mit dessen Argumentation das Nennwertprinzip.l55

2. Metallwerttheorie von Georg Friedrich Puchta Das im Privatrecht auf eine lange Tradition zurückblickende Metallwertprinzip vertrat im Verlauf der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nur noch Georg Friedrich Puchta (1798-1846). 156 Er gilt als bedeutendster Pandektist neben Savigny und Begründer der sogenannten "begriffsjuristischen Methode" . 157 Nach seiner professoralen Tätigkeit in Erlangen (1823), München (1828), Marburg (1835) und Leipzig (1837) folgte er schließlich 1842 Savigny auf dessen Vorschlag hin auf den Lehrstuhl für römisches Recht in Berlin. Daneben war er seit 1844 für das preußische Obertribunal, sowie seit 1845 im preußischen Staatsrat und der Gesetzgebungskommission tätig. 158 An seinem Image als eines unvoreingenommenen und unpolitischen Juristen kamen erst in letzter Zeit Zweifel auf. Vor kurzem führte Ogorek Puchtas "Juristenrechtsdoktrin" auf politisch "liberal-konservative Vorstellungen von Recht und Staat" zurück. Puchta habe sich auf wissenschaftlicher Ebene gegen willkürliche staatliche Eingriffe in die, ihrem Wesen nach, individualistische Rechtsordnung gewehrt und dies mit konservativen Ordnungsvorstellungen des Verkehrs verbunden. 159 Puchta ist für Ogorek ein Rechtstheore153 Kleinheyer/Schröder, Juristen, S. 479; Stinzig/Landsberg, Rechtswissenschaft III/2, S. 287 f. 154 Göschen, Das gemeine Civilrecht II, 1843, S. 47-51. 155 Luden, Darlehn, in: Weiske, Rechtslexikon III, S. 227-244 (239 ff.). 156 Es wurde vor Puchta insbesondere noch von Glück, Pandecten XII, 1809, S.

67-92 (81 f.) vertreten.

157 Kleinheyer!Schröder, Juristen, S. 329 f. 158 Kleinheyer/Schröder, Juristen, S. 327 f. 159 Ogorek, Richterkönig oder Subsumtionsautomat, S. 205.

2. Kap.: Geldwertändenmgen im Privatrecht

61

tiker, der "seine Umweltbedingungen, zumal die politischen, außerordentlich wachsam mitverfolgt und in seinen fachlichen Standort einbezieht". 160 Auf ein von Puchta geradezu hervorgehobenes Rechtsprinzip der "öffentlichen Wohlfahrt" stieß jüngst Landau.161 Puchtas Geld- und Geldwertverständnis ist in seinem 1838 erstmals erschienenen Pandektenlehrbuch niedergelegt. 162 Es wird unter dem Abschnitt "Werth" im ersten Band seiner "Vorlesungen über das heutige römische Recht" näher ausgeführt. 163

3. Kurswerttheoretiker Die Kurswerttheorie nimmt im 19. Jahrhundert ihren Ausgang bei Gottlieb Hufeland (1760-1817). In seinem wissenschaftlichen Wirken stand er zeit-

lebens zwischen allen Stühlen der Rechtstheorie. Er verfaßte zuerst in Jena einen" Versuch über den Grundsatz des Naturrechts" (1785). Dann schrieb er ein "Lehrbuch der Geschichte und Encyklopädie aller in Deutschland geltenden positiven Rechte" (1796). Er vermochte ein gemeines deutsches Privatrecht nicht zu erkennen, sondern nur zufällig nebeneinander bestehende Rechtssätze heimischen Ursprungs. Schließlich hat er die Trennung von römischem und deutschem Privatrecht verworfen und sich dem römischen Recht in seinem antiken Ursprung mit der Schrift "Über den eigenthümlichen Geist des Römischen Rechts" (1815-1817) zugewendet, aber gegen Savignys vermeintlich rein geschichtliche Rechtsbetrachtung Bedenken geäußert. 164 So wundert es nicht, daß sich Hufelands wissenschaftliches Ansehen in Grenzen hielt und er als Querdenker nicht derjenige war, der ein Rechtsprinzip durch seine Autorität in der Privatrechtswissenschaft durchsetzen konnte. Während seiner Tätigkeit als Professor zuerst für Lehnrecht in Jena (1790), dann für römisches Recht in Würzburg (1803) und Landshut (1806) hielt Hufeland auch Vorlesungen in Staats- und Handelswissenschaften. 165 Er war deshalb dazu prädestiniert, sich über die schuldrechtliche Bedeutung des Geldwerts Gedanken zu machen. Diese legte er zuerst in seinem Gutach160 Ogorek, ebd., S. 207; vgl. auch Falk, Puchta, in: Stolleis, Juristen, S. 503. 161 Landau, Puchta und Aristoteles, S. 10 f., 15; Puchta, Vorlesungen I, S. 52 ff. 162 Puchta, Pandekten, 1. Auf!., 1838, S. 217-218. 163 Puchta, Vorlesungen I. 4. Auf!., 1854, S. 87-92. 164 Stim:.ig/Landsberg, Rechtswissenschaft 111/1, S. 512 f. 165 Stinzig/Landsberg, Rechtswissenschaft 111/1, Noten, S. 319; Roscher, Nationalökonomik, S. 654 f.

62

1. Teil: Industrielle Anlaufphase

ten "Über die Entscheidung der durch die Herabwürdigung der Bankozettel in Tyrol entstandenen Rechtsstreitigkeiten" 1807 nieder, das allerdings erst 1851 auf ausdrücklichen Wunsch Savignys von Hufelands Sohn unter dem Titel "Über die rechtliche Natur der Geldschulden" veröffentlicht wurde. 166 Diese Schrift Hufelands war für die Entstehung und das Fortwirken einer Kurswerttheorie im 19. Jahrhundert ähnlich grundlegend, wie Pfeiffers Ausführungen für die Nennwerttheorie. Savigny würdigte sie damit, daß ihm "unter allen Schriften über diesen Gegenstand ( ... ) keine bekannt (sei), welche die rechtliche Natur der Geldschulden so klar und überzeugend darlegte, als diese." 167 Ausführlich ist Hufelands Geld- und Geldwertverständnis dann im zweiten Band seines 1815 erschienenen ökonomischen Hauptwerks "Neue Grundlegung der Staatswirthschaftskunst durch Prüfung und Berichtigung ihrer Hauptbegriffe von Gut, Werth, Preis, Geld und Volksvermögen" niedergelegt. 168 In der Volkswirtschaftslehre gilt er nicht zuletzt wegen seiner Geldtheorie als eigenwilliger Smithianer.169 Neben Hufeland war Christian Friedrich Koch (1798-1872) bis zur Jahrhundertmitte der bedeutendste Anhänger eines Kurswertprinzips. Als Sohn eines "Tagelöhners" 170 aus einfachsten Verhältnissen stammend, brachte es Koch 1835 zum Oberlandesgerichtsrat in Breslau und 1841 zum Direktor des Füstentumsgericht in Neisse. 171 Seine politische Gesinnung bringt 1861 sein Eintritt in die linksliberale Fortschrittspartei172 zum Ausdruck. Sein rechtswissenschaftliches Wirken soll Koch aber von seinen politischen Ansichten strikt getrennt gehalten haben. 173 Sein "Recht der Forderungen nach Gemeinem und nach preußischem Rechte", in dessen ersten Band von 1836 er das privatrechtliche Kurswertprinzip für den Zahlungsverkehr darlegte174 , gilt als "eine der wichtigsten Einzeldarstellungen zum preußischen Privatrecht" im 19. Jahrhundert. 175 In diesem "Meisterwerk" habe Koch mit Landsbergs Worten versucht, die "Schätze der gemeinrechtlichen Literatur auf die dürren Felder des preußischen Landrechts zu deren Befruchtung" zu 166 Hufeland, Rechtliche Natur der Geldschulden, S. 1-47. 167 Savigny, Obligationenrecht I, S. 480. 168 Hufeland, Staatswirthschaftskunst II, S. 5-87. 169 Roscher, Nationalökonomik, S. 659 f.; Winkel, Nationalökonomie, S. 16 f . 170

Stim:ig/Landsberg, Rechtswissenschaft III/2, S. 610.

171

Kleinheyer/Schröder, Juristen, S. 490; Rückert, Koch, in: NDB 12, S. 257.

172 Rückert, ebd .• S. 259. 173

Rückert, ebd., S. 258 f .

1 74

Koch, Recht der Forderungen I, 1. Aufl., 1836, S. 47-89.

175 Kleinheyer/Schröder,

Juristen, S. 490.

2. Kap.: Geldwertändenmgen im Privatrecht

63

bringen. 176 Bei dem Savignyschüler Koch erscheine das ALR als "bloßer Anwendungsfall" des eigentlichen, römischen Rechts. 177 Diese Quellenübersicht zeigt, daß in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts innerhalb der sich mit dem geltenden römischen Recht befassenden Privatrechtswissenschaft alle damals denkbaren Prinzipien zur Ermittlung des Geldforderungswerts vertreten worden sind, wobei sich mit Koch, Pfeiffer und Sintenis vor allem auch wissenschaftliche Rechtspraktiker und mit Hufeland ein Jurist, der zugleich Wirtschaftsfachmann war, hervortaten, aber auch angesehene Rechtslehrer wie Göschen, Mühlenbruch, Puchta und Vangerow unterschiedliehst Stellung bezogen. Dies deutet darauf hin, daß hinter der Begründung der einzelnen Wertprinzipien mehr stecken muß als der für alle gleiche Normtext des Corpus iuris civilis.

m. Begründung der Theorien Soweit es der Privatrechtswissenschaft im Deutschen Bund bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts gelang, Prinzipien für die Berechnung einer Geldzahlungsverpflichtung bei verändertem Geldwert aufzustellen, beruhten diese auf dem jeweiligen Verständnis der Begriffe "Geld", "Geldschuldverhältnis", "Geldwert" und "Geldwertänderung". In den Definitionen dieser Schlüsselbegriffe unterscheiden sich die vertretenen Nenn-, Metall- und Kurswerttheorien. Wenn eine ökonomische Wirkungsrichtung der einzelnen Prinzipien vor dem Hintergrund der bestehenden Währungsverhältnisse von Privatrechtswissenschaftlern gezielt angestrebt worden sein sollte, so müßte dies in der Bestimmung der Begriffsinhalte nachzuweisen sein.

1. Geld a) Funktionen und Definitionen

aa)Nennwer.uheorie Geld war für die Mehrzahl der Nennwerttheoretiker "an und für sich etwas rein Intellektuelles" . 178 Um das Geld begrifflich zu erfassen, verlegten sie 176 Stinzig!Landsberg, 177 Rückert,

Rechtswissenschaft III/2, S. 611.

ebd., S. 259.

64

1. Teil: Industrielle AnlaufPhase

sich auf eine funktionale Betrachtung, wobei die Funktion des Geldes als Wertberechnungseinheit als einzig entscheidende angesehen wurde. Pfeiffer und Luden stellten auf die wirtschaftliche Bedeutung der Wertmesserfunktion ab, indem Geld "den allgemeinen Maßstab des Preises der dem Verkehre unterworfenen Sachen bedeutet, und deswegen im Verkehre als allgemeines Tauschmittel gebraucht" werden könne. 179 Diese wirtschaftliche Wertmesserfunktion setzte Sintenis voraus, als er von vornherein nur auf ihre rechtliche Bedeutung einging. Geld bilde "den Maasstab zur Schätzung des Vermögenswerths aller anderen Forderungen jeder Art und überhaupt dessen aller Rechte'\ die nicht "unmittelbar" erfüllt oder ausgeübt werden könnten. Geld sei daher das "absolute Mittel zur Bestimmung des Vermögenswerths der Privatrechte". Deshalb könne Geld auch als "allgemeines Mittel zur Erfüllung der Obligationen" dienen, also als allgemeines Zahlungsmittel schuldrechtlich fungieren. 180 In diesem institutionellen Begriffsverständnis stand Geld im "Gegensatz" zu den Waren und auf einer abstrakteren Stufe zu den einzelnen Münzsorten. Geld sei nur Maßeinheit für den Wert der Waren und nicht selbst Ware. Die Münzen seien lediglich das "empirische Mittel" zur Verkörperung der Wertmaßfunktion des Geldes im "wirklichen" Verkehr. 181 Als solches seien sie allerdings unverzichtbar. Neben der institutionellen Gelddefinition bestand zugleich eine feste Vorstellung vom Geld als Sache: "Dem (institutionellen Geldbegrift) unbeschadet muss natürlich vermöge der unzertrennlichen Verbindung der Begriffe des Gelds und der dasselbe darstellenden Münzen jede Geldsumme in einer gewissen Gattung von Münzen gedacht werden, weil sie ohne dieses gar nicht bestimmt sein würde." 182

Mühlenbruch und Vangerow definierten das Geld in ihren Pandektenlehrbüchern nicht im Schuldrecht, sondern im Sachenrecht als vertretbare Gattungssache, die im "Handel und Wandel nach Gewicht, Zahl und Maaß bestimmt zu werden" pflegt. 183 Als Sache gesehen war für sie das Geld konkretes Tauschgut respektive Tauschmittel und nicht nur Maßeinheit. Die Wertmaßfunktion wird von Mühlenbruch nicht einmal erwähnt. Gegenüber 178 Luden, Darlehn, in: Weiske, Rechtslexikon III, S. 239; ebenso Pfeiffer, Pract. Ausf. I, S. 52 und Sintenis, Civilrecht II, S. 58 f. 179 Luden,

ebd., S. 239; Pfeiffer, Pract. Ausf. I, S. 51 f.

l80 Sintenis, 181

Civilrecht II, S. 57 f.

Pfeiffer, Pract. Ausf. I, S. 51 f.: Sintenis, Civilrecht li, S. 59.

182 Sintenis,

Civilrecht II, S. 61; ebenso Pfeiffer, Pract. Ausf. I, S. 62.

183 Mühlenbruch, Pandektenrecht li, S. 14; Vangerow, Pandekten I, 6. Auf!., 1851, s. 120.

2. Kap.: Geldwertändenm.geo im Privatrecht

65

allen anderen Sachen hatte das Geld bei ihnen allerdings die funktionale Besonderheit, im Verkehr als allgemeines Tauschmittel zu dienen. 184 Auch Göschen stellte ausschließlich auf die wirtschaftliche Tauschmittlerfunktion des Geldes ab, indem Geld "ein Mittel für den Handel und Verkehr" sei, wodurch der "Werth der übrigen Sachen ausgeglichen wird". Genauso wie Mühlenbruch und Vangerow setzte er das Geld wegen der besonderen- weil allgemeinen- Tauschmittelfunktion "allen übrigen Sachen entgegen" . 185

bb) Metallwerttheorie Für Pucbta war das Geld in umgekehrtem Funktionsverständnis zu Pfeiffer "als allgemeines Tauschmittel Maßstab für den Vennögenswerth" . 186 Er schloß also von der rein wirtschaftlichen Tauschmittelfunktion auf die wirtschaftliche und rechtliche Wertmesserfunktion und an anderer Stelle auch auf die rechtliche Zahlungsmittelfunktion. 187 Mit dieser Betonung der Tauschmittelfunktion des Geldes ging auch bei Puchta das Verständnis des Geldes als Sache einher. Bei ihm überwog aber, genauso wie bei Göschen, Mühlenbruch und Vangerow, das funktionale Geldverständnis. 188

cc) Kurswerttheorie Vollständig vom Sachbegriff abstrahierte Hufeland den Geldbegriff. Er ging davon aus, daß "Geld bloß im Tausche existiert und lebt" 189 und bestimmte den Geldbegriff unmittelbar aus dem wirtschaftlieben Wertbegriff. Hufeland unterschied den Wert eines Wirtschaftsgutes in seinen Gebrauchsund Tauschwert. Er gilt in der Volkswirtschaftslehre mit der Herausstellung eines individuellen Gebrauchswerts der Wirtschaftsgüter als Vorreiter einer "subjektiven" Werttheorie190 , die sich gegen die, ausgebend von Adam 184 Mühlenbruch, Pandektenrecht II, S. 14; Vangerow, Pandekten I, 6. Aufl., 1851, S. 120. 185

Göschen, Das gemeine Civilrecht II, S. 48.

186

Puchta, Pandekten, 1. Aufl., 1838, S. 217.

187

Puchla, Vorlesungen I, S. 87.

188

Puchta, Vorlesungen I, S. 89.

Hufeland, Rechtliche Natur der Geldschulden, S. 19; ders., Staatswirthschaftslcunst II, S. 12; vgl. auch Koch, Recht der Forderungen I, 1. Aufl., 1836, S. 48. 189

190 Diehl,

s Ott

Wert- und Preistheorie, S. 9 f.

66

1. Teil: Industrielle Anlautphase

Smith weit verbreitete, rein angebotsorientierte "objektive" Tauschwertlehre der Güter nach ihren Produktionskosten richtete. 191 Für Hufeland wurde der Wert von Waren nachfrageorientiert, subjektiv durch ihre jeweiligen Nutzungsmöglichkeiten bestimmt. 192 Im Unterschied zur Ware diene das Geld "allein wieder zum Behufe des Tausches", so daß sein Gebrauchs- oder Sachwert ohne Bedeutung sei: "Ich will ja nicht das Metall, etwa der Einschmelzung wegen (... ); ich will nur Geld zum weiteren Tausche." 193

Das Geld als solches, das heißt in seiner Funktion als Tauschmittel, habe deshalb keinen Gebrauchswert, sondern nur einen Tauschwert, der ihm in bezug auf alle anderen Wirtschaftsgüter im Verkehr zugemessen wird, also sich danach bestimmt, wieviel Warenwert für eine Geldeinheit eingetauscht werden kann. 194 Hufeland definierte somit das Geld im Gegensatz zu Smith nicht als Ware195 , aber letztlich wieder in Übereinstimmung mit demselben196 aus dem Wert der dafür einzutauschenden Güter: "Sein ganzes Wesen beschränkt sich auf den Tauschwerth." 197

191 Smith unterschied zwischen dem "natürlichen Preis" der Güter, der sich nach den Produktionskosten richte und dem "Marktpreis" der nach Angebot und Nachfrage um den natürlichen Preis schwanke; Smith, Wohlstand der Nationen, S. 48 ff. Zur Verbreitung Diehl, ebd., S. 9 f.

Huje/arui, Staatswirthschaftskunst I, S. 20 ff., 96 ff. 193 Huje/arui, Staatswirthschaftskunst II, S. 76. 194 Huje/arui, Staatswirthschaftskunst II, S. 15. 192

195 Smith, Wohlstand der Nationen, S. 150: "Diese Eigenschaften der Nützlichkeit, Schönheit und Seltenheit sind die letzten Gründe für den hohen Preis solcher Metalle und damit für die große Menge an anderen Gütern, die man überall dafür kaufen kann. Lange bevor sie als Münzen verwendet wurden und unabhängig davon, besaßen sie schon diesen Wert. Er gab den Edelmetallen die Eigenschaft, als Geld zu fungieren. "

196 Smith, Wohlstand der Nationen, S. 239, 463: "Das Einkommen dieses Mannes besteht also eigentlich nicht in dem Stück Gold sondern eher aus dem, was er dafür bekommen kann, also seinem Tauschwert. Könnte er nichts dafür eintauschen, würde es, wie übrigens die Anweisung eines Bankrotteurs, nicht mehr Wert sein als das nutzloseste Stück Papier. (... ) Bei Geld handelt es sich nun aber um eine Ware, der gegenüber jeder ein Kaufmann ist, denn es wird nur gekauft, um wieder verkauft zu werden." 197 Hufe land, Staatswirthschaftskunst II, S. 15; ders., Rechtliche Natur des Geldes, S. 19: "Man nimmt und giebtjede Münze nach der Kenntnis oder Meinung,

2. Kap.: Geldwertändenmgen im Privatrecht

67

Geld war für Hufeland damit weder Sache oder Ware noch Münze, sondern allein Vermittler von Tauschwert - der vom Materialwert der einzelnen Geldstücke zunächst völlig unabhängig ist. Damit zerstörte er zugleich den bei Pfeiffer entstehenden Eindruck, daß der Geldbegriff überhaupt nur über die Wertmaßfunktion vom konkreten Münzgeld abstrahiert werden konnte. Diese Abstraktionsleistung gelang außer Hufeland keinem anderen Rechtswissenschaftler. Alle anderen verbanden den Geldbegriff mehr (Göschen, Mühlenbruch, Puchta, Vangerow) oder weniger (Luden, Pfeiffer, Sintenis) mit dem Sachbegriff. Auch Koch, der das Geld funktional als "allgemeines Ausgleichungsmittel" 198 sah, konnte sich Geld im Verkehr nur als Sache und Münze vorstellen: "Bei Münzen, welche aus einen anderen Stoffe als Metall gemacht sind, z.B. beim Papiergelde ... " 199 Koch und alle diejenigen, die neben ihm das Geld als Sache in seiner Tauschmittelfunktion definierten (Göschen, Mühlenbruch, Puchta, Vangerow), befanden sich insoweit in bester Gesellschaft mit der in Deutschland rezipierten Nationalökonomie Smiths. Diese Ökonomen sahen aufgrund der mangelnden Unterscheidung zwischen dem Gebrauchs- und Tauschwert der Waren gegenüber dem Nur-Tauschwert des Geldes, Geld wirtschaftlich als nichts anderes als eine Edelmetallware, deren "objektiver" Tauschwert - wie bei jeder anderen Ware auch - allein von den Kosten ihrer Herstellung, das heißt im wesentlichen vom Preis der Edelmetalle, abhängig sei: 200 "Es sollte nicht übersehen werden, daß ich unter dem Geldpreis der Waren die Menge an reinem Gold oder Silber verstehe, für die sie verkauft werden, ohne Rücksicht auf den Nennwert der Münze. " 201 Paradoxerweise war es gerade Puchta - der mit seiner schuldrechtlichen Metallwerttheorie den metallistischen Nationalökonomen im Ergebnis am nächsten stand - der neben Hufeland ökonomisch zwischen dem Gebrauchs- und Tauschwert der Waren unterschied und von daher ebenso wie Hufeland Geld bereits wirtschaftlich nicht als bloße Ware verstand. Puchta meinte aber dennoch, Geld müsse "an

die man von dem Werthe hat, in welchem sie andere wieder im Tausche geben und nehmen; so, und in diesem Verhältnis, in dieser Quantität, wird sie erst Geld." 198 Koch,

Recht der Forderungen I, 1. Aufl., 1836, S. 48.

199 Koch,

ebd., S. 48.

200 So

noch 1900 Carl Menger, Geld, S. 70 f. Ferner in Deutschland ausgehend von Johann Georg Büsch (1728-1800), Abhandlung vom Geldumlauf I, S. 133 L.H. v. Jacob, W. Lotz, K. Marx, W. Somban, K. Knies, W. Roscher, G. v. Schmoller, H. v. Storch und K. Diehl; Altmann, Geldlehre, S. 5 f., 10, 21; HojJmann, Geldwentheorien, S. 75; Winkel, Geldtheorie, S. 3, 8. 201

Smith, Wohlstand der Nationen, S. 42.

68

1. Teil: Industrielle Anlautphase

sich", also aus seinem Material Wert haben, damit es als Tauschmittel funktionieren könne. 202 Pfeiffer und die ihm folgenden Luden und Sintenis befanden sich auf der nationalökononomischen Linie des Spätmerkantilismus, der die staatlich bestimmte Wertmaßfunktion in den Vordergrund stellte und von daher das Geld nicht als Ware verstand, sondern ganz wie Pfeiffer als bloße Maßeinheit und absoluten Maßstab für den Warenwert. Geld gebe "seinen Besitzern die zuverlässige (unveränderliche) Vorstellung einer gewissen Menge Waaren" .2°3 b) Entstehung und Geltung Allen Definitionsversuchen des Geldes war gemeinsam, daß Geld seine jeweiligen Funktionen als Wertmaß oder Tauschmittel "allgemein" erfüllen mußte. Grundverschieden waren die Auffassungen darüber, worauf die Allgemeingültigkeit und damit die Funktionsflihigkeit des Geldes gründet.

aa) Nennwerttheorie Im Verständnis der damaligen Nennwerttheoretiker war für die Funktionsfähigkeit des Geldes ausschließlich die staatlich gesetzliche Bestimmung entscheidend. In vorstaatlicher Zeit sei der Gebrauch eines "Ausgleichungsmittels" immer "unvollkommen und unsicher" gewesen, da die "Annahme und Schätzung desselben der Willkür jedes Einzelnen überlassen blieb". Deshalb sei "von Seiten des Staatsoberhauptes eine allgemeine Bestimmung des Maaßstabes aller Preise erfolgt" , so daß der " Wille und die Bestimmung

202

Puchta, Vorlesungen I, S. 87 f.

203 So Joseph v. Sonnenfels (1733-1817), Grundsätze, S. 232. Gegen diese Auffassung bereits 1788 im Smithschen Sinne Christion U. D. v. Eggers (1758-1813), Ueber den richtigen Begriff vom Gelde, in: Deutsches gemeinnütziges Magazin 2 (1788), S. 210 f., 217: "Dieser weit und breit herrschende Wahn(!), das Geld sei der Maasstab des Werthes der Dinge, hat nicht blos fehlerhafte Theorie veranlaßt, er hat wirkliches Unheil in der Welt angerichtet. (... ) Sie haben wohl gar geglaubt, die a. Nazion sey befugt die Nazion b. mit Gewalt zu nöthigen, das Geld der ersten zu eben dem Werthe anzunehmen, wozu jene es ausgegeben hatte. (... ) Geld ist blos eine Ware." Zu Eggers s. Kellenbenz, Eggers, NDB 4 , S. 334 f.

2. Kap.: Geldwertändenmgen im Privatrecht

69

des Gesetzgebers der einzige Grund seiner Eigenschaft als Geld überhaupt" sei. 204 Die damit erfolgende Weichenstellung in Richtung Nennwertprinzip, auch wenn man das Geld wirtschaftlich als Tauschmittel und nicht nur als bloße Maßeinheit betrachtete, wird besonders bei Vangerow deutlich. Er meinte, daß das Geld durch das staatliche "Gepräge" rechtlich seinen Warencharakter verliere und so für das Recht mit einem "absoluten Werth" ausgestattet sei. 205 Die staatliche Ausgabe eines Tauschmittels oder Bestimmung einer Wertmaßeinheit war nach dieser Auffassung für die Geldeigenschaft konstitutiv. bb) Metall- und Kurswerttheorie Fast schon revolutionär mußte es stattdessen in den Ohren der Münzherren klingen, wenn Puchta ebenso wie Hufeland206 und Koch207 behauptete, daß Geld nur zu Geld wird "durch die Anerkennung der im Verkehr mit einander Stehenden". 208 Würde das Geld "durch das Gebot der Staatsregierung" entstehen, so wäre dies ein "erzwungenes Darlehn von den Unterthanen" und in strafrechtlicher Terminologie eine "Nöthigung" etwas als Tauschmittel zu gebrauchen, was im Verkehr als solches nicht anerkannt ist. 209 Ökonomisch würde dies, wie Hufeland betonte, auch nicht funktionieren. Der Kauf oder Tausch würde bei dem "eigentlich belebenden des menschlichen Verkehrs, dem freiwilligen(!) Tausche" unterlassen oder die Warenpreise in die Höhe getrieben, "wenn man das nicht will, was der andere anbiethet". 210 Aner204 Pfeiffer,

Pract. Ausf. I, S. 52 f.; ebenso Göschen, Das gemeine Civilrecht II,

S . 47; Luden, Darlehn, in: Weiske, Rechtslexikon 111, S . 239, 241; Mühlenbruch,

Pandektenrecht II, S. 14; Sintenis, Civilrecht II, S. 58. 205

Vangerow, Pandekten I, 6. Aufl., 1851, S. 121.

Hufeland, Rechtliche Natur der Geldschulden, S. 19; ders., Staatswirthschaftslcunst II, S. 31: "Das Geld kann nach allem Bisherigen nur gedacht werden (... ) in Dingen, deren Tauschwerth allgemein anerkannt, also durch eine allgemeine Meinung bestimmt ist. Die Möglichkeit, daß etwas zu Gelde werde, ergibt sich aus dem öfteren und anhaltenden Gebrauche eines Dinges als TauschmitteL" 206

207 Koch, Recht der Forderungen I, 1. Aufl., 1836, S. 48 spricht vom Erfordernis der "Gleichförmigkeit der Meinung" über ein Tauschmittel, damit dieses zu Geld wird. 208

Puchta, Pandekten, 1. Aufl., 1838, S. 217.

209

Puchta , Vorlesungen I, S. 88.

210

Hufeland, Staatswirthschaftslcunst II, S. 31 f., 72 ff.

70

1. Teil: Industrielle Anlautphase

kannt war allerdings auch bei den Valoristen die wichtige Bedeutung des Staates für die Funktionsfah.igkeit der Geldwirtschaft, aber nur indem er (1.) in positivem Sinne durch hoheitliche Autorität deklaratorisch die "Geltung als Geld unterstützt und bekräftigt" 211 und (2.) in negativem Sinne alle Handlungen zu unterlassen hat, die die gesellschaftliche Anerkennung des Geldes gefahrden. 212 Fast schon anarchistisch, jedenfalls aber radikalliberal drückte sich in dieser Hinsicht Koch aus: ,.Allein das Gesetz hat keinen Einfluß auf die öffentliche Meinung, und es steht nicht in seiner Gewalt, seinen Willen durchzusetzen." 213

Er meinte damit ebenso wie Puchta und Hufeland, daß Geld den Wirtschaftenden nicht aufgezwungen werden kann und darf. Das Geld wurde somit im Verständnis der Valoristen im Wirtschaftsverkehr gesellschaftlich konstituiert und vom Staat nur als solches deklariert. c) "Verkörperung" im Münzgeld Mit Ausnahme Hufelands war man schlußendlich übereinstimmend der Meinung, daß derzeit nur Münzgeld wirklich Geld ist. Für die Nennwerttheoretiker stellten nur Münzen die "gesetzliche Verkörperung" 214 des Geldes dar. Das Papiergeld wurde ganz der währungsgesetzlichen Lage entsprechend215 als "bloßes Surrogat" des Münzgeldes und nicht als "baares" Geld angesehen. 216 Im übrigen war es aber insbesondere für Pfeiffer "durchaus nicht wesentlich", daß seinerzeit gerade Metallstücke staatlich von Gesetzes wegen als Geld, das heißt als Wertmaß, und nur deswegen auch im Verkehr als Tauschmittel anerkannt sind. 217

2ll Puchta,

Vorlesungen I, S. 88.

2 12 Hujeland,

2 13 Koch,

Staatswirthschaftskunst II, S. 31 f.

Recht der Forderungen I. 1. Aufl., 1836, S. 49 f.

21 4

Sintenis, Civilrecht II, S. 59.

215

S.o. S. 29 in Fßn. 15.

216 Göschen, Das gemeine Civilrecht II, S. 47; ebenso Mühlenbruch, Pandektenrecht II, S. 343 und Sintenis, Civilrecht II, S. 58 in Fßn. 3.

Pfeif/er, Pract. Ausf., S. 53 f.; ebenso Luden, Darlehn, in: Weiske, Rechtslexikon III, S . 239. Mühlenbruch, Pandektenrecht II, S. 14, 343, der das Geld wirtschaftlich als Tauschmittel sah und dementsprechend auch die staatliche/rechtliche Anerkennung auf die Tauschmittelfunktion bezog, sprach von einem ,.allgemeinen und öffentlich sanctionirten Tauschmittel". 217

2. Kap.: Geldwertändenmgen im Privatrecht

71

Für die Valoristen waren nur Münzen Geld, weil das in ihnen enthaltene Edelmetall (Puchta) oder ihr sich vor allem darauf gründender "Kurswert" (Koch) in Gestalt der "unter öffentlicher Autorität" beglaubigten Münzen als allgemeines Tauschmittel im Wirtschaftsverkehr anerkannt seien. 218 Für Hufeland blieb der Geldbegriff völlig unabhängig vom Münzbegriff und war das vorhandene Papiergeld auch damals zu seinem Tauschwert Geld. 219 Nur der im Verkehr allgemein gebildete Tauschwert mache die Münze oder was auch immer zu Geld: "Allezeit dreht sich alles nur darum, daß die, wie immer auch gemünzte, Münze, von was immer für einem Gehalte, nur durch die Meinung der den Verkehr Treibenden gerade diesen Werth im Tausche erhalten hat; und daß die Menschen diese ihre Meinung von dem Werthe und Preise durch das Abnehmen in solchem fort und fort gleichförmig darlegen." 220

2. Geldschuldverhältnis Bei aller Umstrittenheit des Geldbegriffs war sich die rechtswissenschaftliebe Literatur darüber einig, daß Geld als solches in seinen Funktionen und nicht als Sache oder Ware Gegenstand eines Schuldverhältnisses wird. 221 In aller Deutlichkeit führte Puchta aus: "Als Geld kommen Münzen in Betracht, wo sie als Quantitäten in einem Rechtsverhältnis genommen werden. ( ... )Nicht als Geld kommen die Münzen in Betracht, wo sie zwar als Quantitäten Gegenstand des Rechtsverhältnisses sind, aber mit der Eigenschaft der

218 Puchla, Pandekten, 1. Aufl., 1838, S. 217; ders. , Vorlesungen I, S . 88; Koch, Recht der Forderungen I,2. Aufl., 1858, S. 89: "Papiergeld ist ein Surrogat des Geldes, welches die rechtliche Natur eines Staatsschuldscheins mit der Bestimmung, als Zeichengeld zu dienen, hat." Koch, Recht der Forderungen li, S. 611: "Außer dem Gelde als Zahlungsmittel" gebe es noch "geldgleiche auf jeden Inhaber lautende Papiere". 219 Hufe/and, Staatswirthschaftskunst li, S. 87 ff. ; ders., Rechtliche Natur der Geldschulden, S. 18. 220 Hufe/and,

Staatswirthschaftskunst li, S. 76.

Göschen, Das gemeine Civilrecht li, S. 48 f.; Hufeland, Rechtliche Natur der Geldschulden, S. 21 ff.; Koch, Recht der Forderungen I, 1. Aufl., 1836, S. 50, 53 f.; Luden, Darlehn, m: Weiske, Rechtslexikon 111, S. 239 f.; Mühlenbruch , Pandektenrecht li, S. 342; Pfeijfer, Pract. Ausf. I, S. 62; Puchla, Pandekten, l.Aufl., 1838, S. 217 f.; ders., Vorlesungen I, S. 89; Sintenis, Civilrecht li, S. 61, 64; Vangerow, Pandekten III, 5. Aufl., 1852, S. 31. 221

1. Teil: Industrielle Anlautphase

72

Waare, ( ... ) ferner wo sie als Individuen gelten. " 222 Das Geldschuldverhältnis sollte nur auf die Leistung einer bestimmten Menge Geld, der bei Schuldbegründung in bestimmten Rechnungseinheiten ausgedrückten " Geldsumme ", gerichtet und nicht auf Leistung der Gattung oder Spezies nach bestimmter Münzsorten oder Münzen beschränkt sein. 223 Daraus folgte für die Zahlung, daß die schuldige Geldsumme in allen als Geld geltenden Münzsorten erfüllt werden konnte. Das wurde für die regelmäßige Zahlungsvereinbarung von beispielsweise "100 Talern", "50 Gulden" u.s. w. angenommen: "Wenn von einer Geldschuld im eigentlichen Sinne die Rede ist, d.h. wenn die Schuld bloß auf eine gewisse Summe gerichtet ist, so gilt die natürliche Regel, daß der Schuldner das Recht hat, in jeder beliebigen Münze die Zahlung vorzunehmen, vorausgesetzt nur, daß sie wirklich gangbar ist." 224

Aus der Geldsummenschuld wurden diejenigen Rechtsverhältnisse ausgenommen, deren Gegenstand zwar auch Münzen sein konnten, aber eben nicht als Geld, sondern nur als Sachen. Als individuelle Sachen wurden Münzen als "Gegenstand des Eigentbums, des Depositums, des Commodats" angesehen. 225 Zwar in Summen gerechnet, aber nur als Ware betrachtet würden Münzen beim reinen Geldwechselgeschäft, wobei bestimmte Münzsorten wie Waren gegeneinander getauscht werden würden. 226 Kein Zweifel bestand unterdessen an der Möglichkeit, die Geldschuld durch Parteivereinbarung auf eine bestimmte Münzstückzahl oder -sorte zu konkretisieren (z.B. "100 Stück Taler" oder "100 Taler effektiv" 227 ). Dann lag nach einhelliger Auffassung aber keine Geldschuld vor, sondern eine

222

Puchta, Pandekten, 1. Aufl., 1838, S. 217, Vorlesungen I, S. 89.

223

Alle in Fßn. 221 genannten.

224 Vangerow, Pandekten III, 5. Autl., 1852, S. 31; ebenso Göschen, Das gemeine Civilrecht II, S. 48; Mühlenbruch, Pandektenrecht II, S. 342; Sintenis, Civilrecht II, S. 61. 225 Puchta, Vorlesungen I, S. 89; Sintenis, Civilrecht II, S. 68; Vangerow, Pandekten III, 5. Aufl., 1852, S. 37. 226 Auf diese Besonderheit des Geldwechselgeschäfts weisen ausdrücklich Göschen, Das gemeine Civilrecht II, S. 48 f.; Puchta, ebd., S. 89 und Sintenis, Civilrecht II, S. 67 f. hin. 227 Vgl. Art. 37 ADWO (1848): " ...der Aussteller durch den Gebrauch des Wortes "effectiv" oder eines ähnlichen Zusatzes die Zahlung in der im Wechsel benannten Münzsorte ausdrücklich bestimmt hat."; vgl. auch Art. 336 ADHGB (1861).

2. Kap.: Geldwertändenmgen im Privatrecht

73

Sach- oder Warenschuld. 228 Derartige Abreden wird man als die früheste Form von Wertsicherungsvereinbarungen bezeichnen dürfen, indem sich der Geldgläubiger damit die Zahlung in Münzen einer bestimmten Edelmetallsorte mit einem bestimmten Edelmetallfeingehalt sichern konnte. Als Erfüllungsmittel der Geldsummenverbindlichkeit galten alle am Zahlungsort tatsächlich "gangbaren" , das heißt in einem Wechselkursverhältnis zu den Rechnungsmünzen der Schuldsumme umlaufenden, Münzsorten - also auch ausländische Münzen und Münzen früherer Prägungen, sofern sie nicht außer Kurs gesetzt worden waren. Für die Valoristen Puchta und Koch war dies aus ihrem gesellschaftlichen Geldverständnis heraus eine Selbstverständlichkeit. 229 Im Verkehr waren ausländische und frühere Münzen sowohl als Tauschmittel als auch als Wertmesser anerkannt. Interessanterweise wurden überwiegend auch in der Nennwerttheorie ausländische Münzen als Geld angesehen. Für Göschen, Mühlenbruch, Sintenis und Vangerow konnten mit diesen ohne weiteres inländische Geldschulden beglichen werden. 230 Von dieser Anschauung wich Pfeiffer ab. Ihm schloß sich Luden an. 231 Pfeiffer sah ausländische Münzen im Inland nicht als Geld, sondern "nur als Ware" an, da "das fremde Gepräge den Staatsbürgern keine Verbindlichkeit, sie darnach gelten zu lassen, auflegt" .232 Dies entsprach konsequent dem gesetzlichen Geldverständnis seiner Nennwerttheorie. Da ein Gesetz nur innerhalb des jeweiligen Staates gilt, können Münzen von Gesetzes wegen auch nur dort Geld sein. Die in dieser Hinsicht festzustellende Inkonsequenz der anderen Nennwerttheoretiker ist nur aus den durch die Währungsverhältnisse im Deutschen Bund vorgegebenen tatsächlichen Zahlungsbedingungen erklärbar. Es erfolgte hier eine realitätsnahe Anpassung der Theorie an einen Zahlungsverkehr in dem ausländische Münzen als Geld tatsächlich fungierten. In diesem Punkt konnte sich Pfeiffers Auffassung nicht in der Pandektenwissenschaft durchsetzen. Die wegen des tatsächlichen Geldverkehrs in Kauf genommene Widersprüchlichkeit in der juristischen Konstruktion des Neonwertprinzips wird überhaupt nirgends so deutlich wie in den späteren Ausfüh-

228 Pfeif/er, Pract. Ausf. I, S. 62; vgl. statt aller Göschen, Das gemeine Civilrecht II, S. 49 f.; Mühlenbruch, Pandektenrecht II, S. 342 und Vangerow, Pandekten 111, 5. Aufl., 1852, S. 35 f. 229

Puchta ebd. (Fßn. 221), Koch ebd. (Fßn. 221).

230 Vangerow, Pandekten 111, 5. Aufl., 1852, S . 31 ; Göschen, Das gemeine Civilrecht II, S. 48; Mühlenbruch, Pandektenrecht II , S. 342; Sintenis, Civilrecht II,

S . 61.

231 Luden, 232

Darlehen, in: Weiske, Rechtslexikon 111, S. 240.

Pfeif/er, Pract. Ausf. I, S. 57 f.

74

1. Teil: Industrielle Anlaufphase

rungen von Johannes Emil Kuntze, der angeblich über eine "einseitige formale Ausübung der konstruktiven Methode nicht hinausgelangt" 233 sei: "Geld ist nur was als gesetzliches Zahlungsmittel gilt, Metall oder Papier, und es fmdet dabei nur die Regel statt, daß auch fremde Münzsorten, denen nicht die Gesetze, sondern Convenienz Geltung giebt, ihre Natur auch im fremden Lande behaupten." 234

Mit der Entscheidung für die Summenschuld als eigentliches Geldschuldverhältnis war die - bei den damaligen Währungsverhältnissen in ihrer praktischen Bedeutung überhaupt nicht zu unterschätzende - Frage, in welcher Münzsorte eine Geldverbindlichkeit zu bezahlen ist, nach gemeinem Recht dahingehend geklärt, daß die geschuldete Geldsumme mit allen am Zahlungsort tatsächlich umlaufenden Münzsorten abgegolten werden konnte. Vorbehaltlich landesgesetzlicher Einschränkungen235 hatte der Geldgläubiger kein Recht, die Annahme irgendeiner am Erfüllungsort kursierenden Münzsorte zu verweigern. Eine Zahlungsverpflichtung von "100 Talern" wurde so ausgelegt, daß der Wert von 100 Talern in Geld und nicht etwa Talermünzen zur Erfüllung geleistet werden mußten. Für das weitere Verständnis des Geldschuldverhältnisses ist es besonders im Hinblick auf das damalige Nennwertprinzip bedeutend, daß die Geldschuld durchgängig als ökonomische Wertverschajfungsschuld verstanden wurde. Diejenigen Nennwerttheoretiker, die das Geld aus seiner Tauschmittelfunktion definierten, sahen es als Sache zugleich als realen Wert(über)träger. Das Geldschuldverhältnis wurde von ihnen als Realwertverschaffungsschuld nach dem (hoheitlich festgestellten) Münzmetallwert verstanden. 236 Zum gleichen Ergebnis gelangten Pfeiffer und Sintenis über die 233

Stinzig!Landsberg, Rechtswissenschaft III/2, S. 839.

Inhaberpapiere, S. 414, 431. Eine solche Einschränkung ergab sich beispielsweise aus § 7 PrMünzG, Art. 12 DresdMünzV und Art. 14 WienerMünzV für die Zahlung mit Scheidemünzen, die nur bis zum Nennwert der kleinsten jeweiligen Kurantmünze angenommen werden mußten. Außerhalb des Vereinsgebiets geprägte Scheidemünzen wurden zum Beispiel durch Art. 6 Scheidemünzenübereinkunft der süddeutschen Staaten komplett außer Kurs gesetzt und konnten damit im Vereinsgebiet von Gesetzes wegen nicht mehr zur Zahlung von Geldschulden benutzt werden. In Preußen wurde im übrigen der Umlauf ausländischer Kurantmünzen durch Kabinettsorder vom 4.8.1832, GS 1832, S. 207, ausdrücklich für zulässig erklärt. 234 Kuntze, 235

236 Mühlenbruch, Pandektenrecht II, S. 342; vgl. auch Göschen, Das gemeine Civilrecht II, S. 49; Vangerow, Pandekten III, 5. Aufl., 1852, S. 31 und erst recht die Valoristen Hufeland, Rechtliche Natur der Geldschulden, S. 25 f.; Koch, Recht der Forderungen I, 1. Aufl., 1836, S. 49; Puchta, Pandekten, l.Aufl., 1838, S. 217.

2. Kap.: Geldwertändenmgen im Privatrecht

75

Wertmaßfunktion, indem sie das gesetzliche Edelmetallfeingewicht der Münzen als Grundlage für den Maßstab zur Wertvergleichung in das Schuldverhältnis einbezogen. 237 Nicht bloß nominale Recheneinheiten mußten also geleistet werden, sondern eine Geldforderung konnte nur durch Übertragung konkreten wirtschaftlichen Werts erfüllt werden. Es kam darauf an, daß bei der Zahlung soviel Münzen geleistet wurden, daß sie der geschuldeten Geldsumme ihrem Wert nach entsprachen. Die gegebenen Münzen mußten soviel Wert sein, wie der Wert der geschuldeten Geldsumme. Damit sind wir bei der Wertbestimmung des Geldes angelangt.

3. Geldwert Bei der Bestimmung des Geldwerts wurde der "innere" und der "äußere" Wert des Geldes unterschieden. Bei genaueren Bestimmungsversuchen splittete sich das privatrechtswissenschaftliche Geldwertverständnis weiter auf. a) "Innerer" Wert des Geldes und seine Bedeutung als tatsächliches Münzmetallgewicht und Münzmetallwarenwert Der "innere Werth" des Geldes war im Verständnis der Rechtswissenschaft zunächst nichts anderes als das in den Münzen tatsächlich enthaltene und aus dem Gesamtgewicht der Münze ("Schrot") und seinem Edelmetallfeingehalt ("Korn") bestimmte Edelmetallfeingewicht.238 Eine weitergehende Bedeutung hatte der Metallwert ökonomisch in der Vorstellung der metallischen Volkswirtschaftslehre als sogenannter "innerer Tauschwerth" 239 des Geldes. Was damit gemeint war, hellen die Ausführungen eines der berühmtesten Metallisten, Karl Knies (1821-1898) 240 , auf. Der Tauschmitteldienst des Geldes beruhe darauf, "dass das Geld ein reelles, 237 Pfeijfer, Pract. Ausf. I, S. 55, 63; Sintenis, Cvilrecht II, S. 59; ebenso Luden, Darlehn, in: Weiske, Rechtslexikon lll, S. 239 f. 238 Göschen, Das gemeine Civilrecht II, S. 47 f.; Koch, Recht der Forderungen I, 1. Aufl., 1836, S. 48; Pfeijfer, Pract. Ausf. I, S. 56 f. ; Puchta, Vorlesungen I, S. 89; Vangerow, Pandekten I, S. 121; ebenso bereits Glück, Pandekten XII, S. 80. 239 Menger, Geld, S. 90 ff. 240 Professor für Nationalökonomie in Marburg und Heidelberg. Er wird heute der systematisierenden historischen Nationalökonomie zugerechnet; Winkel, Nationalökonomie, S. 97 f.

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1. Teil: Industrielle Anlautphase

im Verkehr anerkanntes Tauschgut ist, was absolut durch nichts anderes zu vermitteln ist als dadurch, dass das Geldgut neben seinem Gebrauch zu Gelddiensten einen durch anderweitige Benutzung selbständig festgestellten Werth besitzt." 241 Knies folgerte daraus für das Münzgeld noch 1873, daß der "auf Grund des anderweitigen Gebrauchs der edlen Metalle vorhandene Verkehrswerth ausschließlich(!) ihren Verkehrswerthals Tauschmittel bestimmt". 242

Mit dem "inneren (Tausch)wert" war also ökonomisch die Tauschkraft des in der Münze enthaltenen Edelmetalls, als einziges Kriterium für die Tauschkraft der Münze als Geld gegenüber den Waren gemeint. 243 Mit anderen Worten sollten die Edelmetallpreise allein den Wert des Geldes bestimmen. Carl Menger verallgemeinerte 1900 in der Volkswirtschaftslehre den Begriff des "inneren Tauschwerts" auf alle "auf Seite des betreffenden Gutes liegenden Bestimmungsgründe des Austauschverhältnisses desselben mit anderen Gütem" . 244 Die von den Metallisten angenommene ökonomische Bedeutung des Münzmetallgewichts, als einziger oder jedenfalls wichtigster auf Seite des Geldes liegender Grund für dessen Tauschkraft, ist auch im Verständnis des "inneren" Werts in der Rechtswissenschaft nachzuweisen. Das gilt insbesondere für Puchta. Er meinte, der "Werth der Münze als Geld hängt von ihrem Feingehalt ab", definierte den Geldwert zugleich ausschließlich wirtschaftlich als "Tauschwerth in Beziehung auf die Waaren, die dafür zu bekommen sind" 245 und wehrte sich dagegen, den "inneren Wert" nur als Edelmetallgewicht zu bezeichnen. 246 Für Puchta war das Edelmetallfeingewicht das entscheidende "innere" Kriterium für den Tauschwert der Münzen. Puchta war sich also darüber im klaren, daß er mit dem Münzmetallgewicht als Leistungsgegenstand eines Geldschuldverhältnisses zugleich den "inneren" ökonomischen Tauschwert des Geldes für maßgeblich erklärte. Es war eine Frage der Bestimmtheit des Rechtsverhältnisses, einen örtlich und zeitlich unterschiedlichen Tauschwert oder gleich das maßgeblichste und einheitlich feststellbare Kriterium für diesen, das Münzedelmetallgewicht, zur Wertbestimmung zu nehmen. Zur Bestimmung des Edelmetallfeinge-

241

Knies, Geld, S. 140.

242 Knies, 243

Geld, S. 141.

Hufeland, Staatswirthschaftskunst II, S. 239; Menger, Geld, S. 86 in Fßn. 1.

244 Menger,

Geld, S. 86 in Fßn. 1.

245

Puchta, Pandekten, 1. Aufl., 1838, S. 217 f.

246

Puchta, Vorlesungen I, S. 89.

2. Kap.: Geldwertändenm.ge:n im Privatrecht

77

wichts mußte der tatsächliche Münzfuß ermittelt werden247 , wobei der gesetzliche Münzfuß eine widerlegbare Vermutung vorgab. Rechtlich irrelevant waren danach Tauschkraftänderungen des Geldes, die nicht auf Seite der Münzen lagen, sondern auf der der anderen Verkehrsgüter und Tauschwertänderungen der Edelmetalle. Inwiefern der Metallwert als "innerer" Tauschwert des Geldes auch in der Nenn- und Kurswerttheorie von Bedeutung war, werden wir nun bei der Klärung des damaligen Nenn- und Kurswertbegriffs sehen. b) "Äußerer" Wert und seine Bedeutung als Nenn- und Wechselkurswert Der sogenannte "äußere" Geldwert hatte eine doppelte Bedeutung. Zum einen verstand man darunter den Nennwert, zum anderen teilweise den Wechselkurswert. 248 Pfeiffer sah als "äußeren" Wert nur den Nennwert des Geldes an. Es sei der Geldwert, den "der Landesherr einem Geldstücke beigelegt hat" und "wofür dasselbe gelten soll. " 249 Er werde "durch das Gepräge ausgedrückt". 250 Der Nenn- oder auch "gesetzliche"251 Wert des Geldes ergebe sich indes aus "dem Gewicht des reinen (feinen) edlen Metalls" den die Münze nach ihrem gesetzlichen Münzfuß enthalte. 252 Der Münzfuß bestimme daher die Gattung des Geldes oder auch die" Währung", also im Schuldverhältnis den zu leistenden "äußeren" Geldwert. 253 Wie nahe sich an und für sich damals Nenn- und Metallwertverständnis durch den allgemeinen ökonomischen Metallismus standen, belegt gerade Pfeiffer: "Diese öffentliche Bezeichnung, wodurch das Geld entsteht, sollte nun freilich, ihrem eigentlichen Zwecke nach, nichts anderes seyn, als eine Beglaubigung, ein öffentliches Zeugnis, daß der Gegenstand, welcher als Geld bezeichnet wird, den

247

Puchta, Vorlesungen I, S. 89.

Göschen, Das gemeine Civilrecht II, S. 48; Koch, Recht der Forderungen I, 1. Aufl., 1836, S. 48. 248

249

Pfeiffer, Pract. Ausf. I, S. 57.

250

Pfeijfer, ebd.• S. 57.

251

Göschen, Das gemeine Civilrecht II, S. 48.

252

Sintenis, Civilrecht 11. S. 59.

253

Pfeiffer, Pract. Ausf. I, S. 54 f.

78

1. Teil: Industrielle Anlaufphase

inneren Wenh wirklich habe, wofür er als Maaßstab des Preises gebraucht werden soll." 254

Bei dieser Rückführung des Geldnennwerts auf den Geldsachwert ist nichts mehr von der funktionalen Abstraktion des Geldes von der Sache Münze erkennbar. Einziger Unterschied zum Metallwert war, daß dieser durch das tatsächliche Edelmetallfeingewicht jeder einzelnen Münze bestimmt wurde wobei der gesetzliche Münzfuß eine widerlegbare Vermutung vorgab-, hingegen der Nennwert das gesetzlich im Münzfuß bestimmte Edelmetallfeingewicht unwiderlegbar als tatsächlich vorhanden unterstellte. Diese Grenze zwischen Metall- und Nennwert verwischt vollständig bei Sintenis, der wie Puchta den gesetzlichen Metallgehalt nur als Regelvermutung des tatsächlichen Metallgehalts ansah und den Gegenbeweis zuließ. 255 Pfeiffer kam dann auf den eigentlichen Vorteil des Nennwerts gegenüber dem Metallwert im Rechtsverhältnis und Geldverkehr zu sprechen. Während der "innere" Wert nur "relativ" für jede einzelne Münze zu bestimmen sei, könne der "äußere" Wert als Nennwert für die jeweilige Münzsorte allgemein, "absolut" festgestellt werden. 256 Es war also für Pfeiffer die Bestimmtheit der Rechtsverhältnisse, mit anderen Worten die Rechtssicherheit und die damit von ihm bezweckte Berechenbarkeit und Vereinfachung des Geldverkehrs, die den Nenn- gegenüber dem Metallwert vorzugswürdig erscheinen ließ. Den Nennwert machte er ökonomisch von dem gesetzlichen Metallwert abhängig. Den Bezug des so gesehenen Nennwerts zum Tauschwert des Geldes stellte Pfeiffer fest, indem er den "Courspreis" der Münzen, der durch "Handel und Wandel" begründet werde, als "etwas seht ähnliches mit dem äußeren Werthe der Münzsorten", also dem Nennwert bezeichnete.257 Der Nennwert war in damaligem Verständnis somit nichts anderes als eine rechtsverbindliche Bestimmung des Metallwerts als maßgebliches Kriterium für den Verkehrswert des Geldes. Soweit als "äußerer" Wert verstanden, war mit dem Geldkurswert bei den Nennwerttheoretikern der Wechselkurspreis zwischen verschiedenen Münzsorten gemeint. 258 Mit anderen Worten, dieser Kurswert war auf die Tauschkraft der Münzsorten untereinander beschränkt, die - sofern dieses Austauschverhältnis nicht gesetzlich festgelegt worden ist, was insbesondere 254

Pfeiffer, Pract. Ausf. l, S. 53.

255

Sintenis, Civilrecht ll, S. 59 f. in Fßn. 6.

256

Pfeiffer, ebd., S. 56.

257

Pfeiffer, ebd., S. 60.

258 Göschen , Das gemeine Civilrecht ll, S. 48; vgl. auch schon Glück, Pandekten XII, S. 81.

2. Kap.: Geldwertändenmgen im Privatrecht

79

für das Wertverhältnis zwischen Scheide- und Währungsmünzen der Fall war -durch den Verkehr beim Geldwechselgeschäft nach Angebot und Nachfrage bestimmt werden sollte. 259 Die Bezeichnung des Wechselkurswerts neben dem Nennwert als äußeren Geldwert gründet darauf, daß auch ausländische Münzsorten überwiegend als Geld angesehen wurden, mit dem inländische Geldverbindlichkeiten erfüllt werden konnten. Pfeiffer, der ausländische Münzen im Inland nur als Waren ansah, bezeichnete deshalb als äußeren Geldwert nur den Nennwert und den Kurswert als Wechselkurs zwischen Waren. 260

Problematisch ist die Verwendung des Begriffs "äußerer" Geldwert bei Vangerow. 261 Savigny ordnete ihn den Nennwertvertretern zu. 262 Vangerow wehrte sich dagegen und wollte in der sechsten Auflage des dritten Bandes seines Pandektenlehrbuchs klarstellen, daß er schon immer den "Kurswerth", so wie ihn auch Savigny verstünde, mit dem Ausdruck "äußerer" Wert prinzipiell auf das Geldschuldverhältnis zur Anwendung bringen wollte. 263 Ohne an dieser Stelle auf Savignys Kurswertverständnis vorzugreifen, meinte Vangerow bis zur sechsten Auflage seines Lehrbuchs in der Tat die Nennwertregel, als er auf den "äußeren" Geldwert abstellte. Der Wechselkurswert verschiedener Münzsorten untereinander ist, abgesehen vom Geldwechselgeschäft, für sich genommen gänzlich ungeeignet, im Schuldverhältnis den Geldwert prinzipiell zu bestimmen. Dabei soll keineswegs übersehen werden, daß der Wechselkurswert damals von erheblicher praktischer Bedeutung für den alltäglichen Zahlungsverkehr mit den verschiedenen Münzsorten war. Der Wechselkurs ist aber für sich kein Bestimmungsgrund des Geldtauschwerts gegenüber Waren. Das war auch Vangerow klar. So bezeichnete er als den "wahren", ökonomischen Wert des Geldes als Tauschmittel den "Tauschwerth", das heißt "wie viel Sachen andrer Art, außer Geld (!), kann ich für eine bestimmte Summe erhalten". 264 Er meinte dann aber ganz dem damaligen Nennwertverständnis entsprechend, daß der "äußere Werth des Geldes" erst durch das staatliche "Gepräge" als "Tauschwerth" mittels des Metallsachwerts im Verkehr "zu gebrauchen" sei

259

Göschen, ebd.; Pfeijfer, Pract. Ausf. I, S. 62.

260

Pfeiffer, Pract. Ausf. I, S. 60 f., 62.

Vangerow, Pandekten I, 6. Aufl., 1851, S. 121; ders., Pandekten III, 5. Aufl., 1852, s. 32. 261

26 2

Savigny, Obligationenrecht I, S. 478.

263

Vangerow, Pandekten III, 6. Aufl., 1863, S. 34.

264

Vangerow, Pandekten I, 6. Aufl., 1851, S. 120 f.

80

1. Teil: Industrielle Anlautphase

und für diesen bestimmt werde. 265 Von diesem Nennwert unterschied er einen "usuellen Werth", der sich im Verkehr bilde und den Vangerow als "Kurswerth" bezeichnete. Dieser bestimme dann den "äußeren" Wert, wenn ein gesetzlich festgelegter Wert nicht bestehe. 266 Dies konnte, abgesehen von staatlichen Höchstpreisanordnungen, nur zwischen verschiedenen Geldsorten der Fall sein. Im übrigen galt der gesetzliche Nennwert. Der "äußere" Geldwert war also auch für Vangerow der Nenn- und der Wechselkurswert. Sein Kurswert hatte keine weitergehende Bedeutung als Geldtauschwert. Vangerow unterschied selbst im folgenden ausdrücklich zwischen Änderungen "bloß" des "äußeren" Werts von Münzen und Änderungen des "Tauschwerths" der Münzen267 , so daß also dieser nicht mit seinem "äußeren" Geldwert gemeint sein konnte. Somit erweist sich Savignys Einschätzung als zutreffend, daß Vangerow mit dem "äußeren" Geldwert auf das Nennwertprinzip mit Wechselkursgeltung zwischen verschiedenen Münzsorten abstellte und nicht etwa eine valoristische Kurswertregel aufstellen wollte. c) Tauschkurswert Eine Bestimmung des Geldtauschwerts, das heißt einen Kurswert in bezug auf Waren, die für Geld einzutauschen sind, versuchte Hufeland zu fin:den. 268 Die Notwendigkeit einer Erweiterung des Kurswertbegriffs vom Wechselkurs zum Tauschkurswert gründet sich bei Hufeland darauf, daß er seinerzeit das Papiergeld als Geld ansah und deshalb auch hierfür nach einer (Tausch-)Wertbestimmung suchen mußte. Es war dazu für Hufelands "inneres" und "äußeres" umfassendes Tauschwertverständiüs an sich erforderlich, daß er einen allgemeinen Bestimmungsgrund, einen Maßstab für den Geldtauschwert finden mußte. Aller Tauschwert sei veränderlich. Er steige nach dem "Verhältnisse des Bedürfnisses und der Nachfrage zum Vorrathe oder auch zu der Meinung vom Vorrathe". So müsse "diese Veränderlichkeit mit allen ihren Folgen in Beziehung auf den Tauschwert des Geldes" berücksichtigt werden: "Man kann also nie auf einen fest stehenden Preis von Geld gegen Waaren oder gegen anderes Geld rechnen. " 269 Einen festen Maßstab für den Tauschwert konnte Hufeland 265 Vangerow,

Pandekten I, 6. Autl., 1851, S. 121.

266 Vangerow,

Pandekten I, 6. Autl., 1851, S. 121.

267 Vangerow,

Pandekten 111, 5. Autl., 1852, S. 33 f., 34 f .

268

Hufe/and, Rechtliche Natur der Geldschulden, S. 18 f., 21 ff.

269 Hufe/and,

Staatswirthschaftskunst II, S. 18 f.

2. Kap.: Geldwert.ändenmgen im Privatrecht

81

allerdings nicht finden. In Erwägung zog er den Getreidedurchschnittspreis und den Durchschnittspreis für Arbeit über einen längeren Zeitraum von etwa 30 Jahren. 270 Dabei bevorzugte Hufeland den Getreidepreis als allgemeines Tauschwertmaß nachdrücklich gegenüber den Geld- und Edelmetallpreisen, um wenigstens zu einem "annähernden Maßstab zur Vergleichung des Preises" zu gelangen, da "Menge und Mangel des Geldes weit mehr von Zufällen abhängt, wie denn eine einzige neue Silbergrube den Silberpreis ändern könnte". 271 Letztlich sei aber jede "Einheit, die man zum Messen einer Quantität wählt, willkürlich" und das Geld eben "der letzte Maßstab des Preises aller anderen Sachen", so daß das Geld "keinen Maßstab des Werthes außer sich" selbst habe. 272 Hufeland gelangte so zu folgendem ernüchternden Ergebnis: "Kein Maaß, daß man für irgend eine Geldsorte oder Geldart sucht, kann außer dem Gelde gesucht werden." 273

Damit kehrte Hufeland schließlich zum Wechselkurs in einer weitergehenden Bedeutung als Bestimmungsgrund des Tauschwerts der verschiedenen Geldarten und Geldsorten zurück. Das Papiergeld werde immer wieder in Metallgeld gewechselt, so daß "dessen Werthund Preis im eigentlichen Gelde (dem Münzgeld) wieder besonders gesucht und bestimmt werden muß". 274 In dem konkret von ihm zu begutachtenden Fall fragte er somit danach, "wie viel die streitige Summe nach dem zur Zeit und am Ort eines jeden Kontrakts bestehenden Werthe der Bankzettel im Metallgelde ausmachte, also wie viel Metallgulden man für die angegebenen Bankzettelgulden damals erhalten konnte, und zahlt diese Metallgulden dann wirklich ( ... ) oder auch in Bankzetteln, wie diese in dem heutigen Werthe gegen Metallgeld stehen" . 275 Der Umfang einer Geldzahlungsverpflichtung im Verhältnis des Papiergeldes zum Münzgeld richtete sich bei Hufeland also nach den Wechselkursänderungen des Papiers zu den in diesem benannten Münzen. Die Tauschwertbedeutung von Hufelands "Kurswert" wird deutlicher innerhalb des Münzgeldes, obwohl er sie dort rechtlich verwertbar nur andeutete. Hufeland hatte diesen Fall nicht zu begutachten. In seinem Rechtsgutachten beschränkte er sich deshalb auf die, "jetzt ziemlich anerkannte Bemer-

270

Hufe/and, Staatswirthschaftskunst II, S. 21 ff.

271

Hufe/and, Staatswirthschaftskunst II, S. 25.

272

Hufe/and, Staatswirthschaftskunst II, S. 19, 26.

273

Hufe/and, Rechtliche Natur der Geldschulden, S. 31.

274

Hufe/and, Rechtliche Natur der Geldschulden, S. 24.

275

Hufe/and, Rechtliche Natur der Geldschulden, S. 25 f.

60tt

82

1. Teil: Industrielle AnlaufPhase

kung, daß die Grundlage unseres Geldes im Silber zu suchen sey". 276 In seiner "Staatswirthschaftskunst" heißt es dann weiter: "Der Preis des Metallgeldes überhaupt nun oder sein verglichener Tauschwerth geht unstreitig zuerst von dem Preise aus, den das dazu verwandte Material, das Metall als Ware hat". 277 Es sollte also der Tauschkurswert der Münzen zum Silber schuldrechtlich geleistet und an die Änderungen dieses Werts angepaßt werden. Obwohl Hufeland ökonomisch erkannte, daß der Tauschwert der Edelmetalle nicht der alleinige Grund für den Tauschwert des Geldes ist278 , konnte auch er den rechtlich zu leistenden Geldwert nur durch den "inneren" Tauschkurswert bestimmen. Dieser sollte annähernd den allgemeinen Geldtauschwert wiedergeben. Was bei Hufeland den Anschein einer rechtspraktikablen ökonomischen Notlösung hat, ist bei Koch die zwangsläufige Folge eines nur etwas gelockerten metallischen Geldverständnisses. Den Kurswert des Geldes bezeichnete Koch wie die Mehrzahl der Nennwerttheoretiker auch als "äußeren Wert" . 279 Er verband damit aber ähnlich wie Hufeland eine über den bloßen Wechselkurs hinausgehende Bedeutung als Geldtauschwert, indem er den "Handels- oder Cours-Werth" allgemein als denjenigen Wert bezeichnete, "nach welchem die Münze zur Zeit gewöhnlich gegeben und genommen zu werden pflegt". 280 Zwar werde der Kuswert "durch mancherlei Umstände bestimmt" 281 , Koch fehlte aber die Erkenntnis Hufelands, daß der Geldwert auch durch außerhalb des Geldes und der Edelmetalle liegende Umstände beeinflußt wird. Nicht die Preise der Waren und Dienstleistungen bestimmten für ihn den Geldwert, sondern umgekehrt bestimme der Geldwert die Warenpreise. Genauer gesagt, könne sich der Geldkurswert so erheblich und langfristig ändern, daß er sich auf die Warenpreise niederschlage. 282 Dementsprechend unternahm Koch erst gar nicht den Versuch, nach einem allgemeinen Maß für den "inneren" und "äußeren" Tauschwert zu suchen. Er beschränkte sich von vornherein, ebenso wie im Ergebnis auch Hufeland, auf 276 Hufeland,

Rechtliche Natur der Geldschulden, S. 28.

277 Hufeland,

Staatswirthschaftskunst II, S. 297.

278

Hufeland, Staatswirthschaftskunst II, S. 306.

2 79 Koch,

Recht der Forderungen I, 1. Aufl., 1836, S. 48.

28 Koch,

ebd., S. 48.

281 Koch,

Recht der Forderungen I, 2. Aufl .. 1858, S. 51 f., 63 ff.

°

Recht der Forderungen I, 2. Aufl., 1858, S. 63 f.; ebenso Glück, Pandekten XII, S. 86: .,Die Erfahrung lehrt, daß das Steigen des Geldes in seinem äußerlichen Werthe eine Vertheuerung der Waaren nach sich zieht." 282 Koch,

2. Kap.: Geldwertändenmgen im Privatrecht

83

die Bestimung des Geldtauschwerts als "inneren", den vom Geld selbst ausgehenden Tauschwert, der sich für Koch im Wechselkurs ausdrückte. Eine Bestimmung des Geldtauschkurswerts in bezug auf Gold oder Silber nahm Koch nicht vor. Er ermittelte den Tauschwert aus Wechselkursänderungen in bezug auf eine bestimmte Währung: "Wenn z.B. Thaler geliehen worden, die zur Zeit des geschlossenen Kontrakts 6 Franks gelten und deren numerischer Werth nachher, zur Zeit der Rückzahlung, auf 12 Franks gebracht worden ist, so wird die Schuld durch Zahlung der Hälfte der Thalerstücke getilgt. " 283 Daß Wechselkursänderungen nicht nur auf Umständen, die auf der Seite des Geldes liegen, beruhen- so daß er im Ergebnis auch den "äußeren" Geldtauschwert im Schuldverhältnis berücksichtigte - erkannte Koch nicht. Eines "äußeren" durch den Wert von Waren und Dienstleistungen bestimmten Geldtauschwerts war sich Koch im Gegensatz zu Hufeland nicht bewußt. Es wäre aber verfehlt, Koch nun mangelndes ökonomisches Verständnis vorzuwerfen. Das Gegenteil war der Fall. Koch erweiterte den "inneren" Tauschwert auf alle den Geldwert bestimmenden Umstände, die auf der Seite des Geldes liegen. Er lockerte damit die streng metallische Anschauung, den Tauschwert des Geldes mit dem Tauschwert der Edelmetalle gleichzusetzen. Völlig unklar ist dagegen, wie sein durch Wechselkursänderungen bestimmter Geldtauschwert als rechtliches Prinzip durchführbar sein sollte. Es bleibt offen, wieso Koch in dem von ihm gewählten Beispielsfall gerade den Wechselkurs zum Franc als Maß für den Tauschwert des Talers annahm. Diese Bestimmung eines Maßes, wenn auch innerhalb des Geldes, ist mit Hufelands Worten ebenso "willkürlich", wie wenn Koch den Getreidepreis genommen hätte. Es ist zwar durchaus erfolgversprechend und annäherungsweise den Tauschwert bestimmend, wenn Wechselkursänderungen zu einer oder mehreren stabilen Währungen als Maß für Tauschwertänderungen angenommen werden (heute sogenannte Fremdwährungsvereinbarungen284 ). Dieser Maßstab muß aber auch festgelegt sein. Dies ist bei der regelmäßigen Zahlungspflicht von "100 Talern" gerade nicht der Fall. Als allgemeines schuldrechtliches Prinzip sind Wechselkursänderungen als Maßstab für den zu leistenden Geldwert überhaupt nur vorstellbar, wenn hoheitlich von Gesetzes wegen eine Fremdwährungsanbindung erfolgt, ohne das Austauschverhältnis zu inländischen Münzen gesetzlich zu fixieren. Es war aber wohl kaum zu erwarten, daß beispielsweise Preußen für den Wert seiner Talerwäh283

Koch, Recht der Forderungen I, 2. Aufl., 1858, S. 67.

284 Vgl. §

244 II BGB für die in inländischer Währung begleichbare Fremdwährungsschuld, die heute gern. § 3 WährG ohne Genehmigung der Bundesbank nicht mehr vereinbart werden darf.

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1. Teil: Industrielle Anlaufphase

rung den französischen Franc oder irgendeine andere Währung zum Maßstab erklären würde. Festzuhalten bleibt, daß sowohl Koch als auch Hufeland mit dem "Kurswert" zwar nicht nur auf den Wechselkurs für Geldwechselgeschäfte, letztlich aber auch "nur" über den "inneren" Tauschwert des Geldes gegenüber dem Münzedelmetall (Hufeland) oder anderen Münzsorten (Koch) eine Brücke zum "äußeren" Tauschwert des Geldes gegenüber den Waren schlagen konnten. Im Gegensatz zu Puchta und den Nennwertvertretern bestimmten sie nicht nur aus dem Metallgehalt selbst, sondern aus allen auf der Seite des Geldes liegenden Umständen - also insbesondere aus Preisänderungen der jeweiligen Münzedelmetalle - in Form der Tauschwertänderungen der Münzsorten untereinander oder zu den Edelmetallen, den Geldtauschwert in bezug auf Waren als möglichen Leistungsgegenstand eines Schuldverhältnisses. d) Verschiedene "Geldwerte" oder rechtspraktikable Bestimmungsgründe Nach alledem ist zu überdenken, ob wir im folgenden für die damalige Zeit überhaupt noch von einem Nominalismus als Gegenpol zum Valorismus in der Privatrechtswissenschaft sprechen können. Dazu verleitet wurden wir durch das polarisierte Geldverständnis, die Funktionsfahigkeit des Geldes entweder von staatlicher oder sozial-ökonomischer Anerkennung abhängig zu machen. Gewiß ist darin ein ganz entscheidender Ansatz in Richtung Nominal- oder Tauschwertprinzip zu erkennen. Bereits bei der Klärung des Geldschuldbegriffs, der damals einheitlich als Geldsummenschuld verstanden wurde, entstanden aber erste Zweifel an einem Nominalwertprinzip, da die Geldsummenschuld auch von damaligen Nennwerttheoretikern als Realwertverschaffungsschuld verstanden wurde. Bei den unterschiedlichen Geldwertverständnissen drängt sich nun der Eindruck auf, daß weniger verschiedene "Geldwerte" gemeint waren, als daß vielmehr für das Recht verschiedene Bestimmungsgründe einunddesselben Geldwerts, nämlich des allgemeinen - ökonomischen - Tauschwerts des Geldes gegenüber den Waren und Dienstleistungen, begründet wurden. Über diesen zeigte sich die Privatrechtswissenschaft durchgängig gut informiert. 285 Nur so ist es auch zu erklären, daß im "Normalzustande", wohl 285 So aus allen Wertungsrichtungen insbesondere Hufeland, Staatswirthschaftskunst II, S. 11 ff.; ders., Rechtliche Natur der Geldschulden, S. 18 f.; Puchta, Pandekten, 1. Aufl. , 1838, S. 218; Vangerow, Pandekten I, 6. Aufl., 1851, S. 120 und sogar Pfeif!er, Pract. Ausf. I, S. 61, der die im "Handel und Wandel" eintreten-

2. Kap.: Geldwertändenmgen im Privatrecht

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eher im Idealfall, Metall-, Nenn- und Kurswert "übereinstimmen" sollten. 286 Übereinstimmen konnten diese nur in bezug auf den Tauschwert des Geldes. Wir haben weiterhin gesehen, daß der Nennwert mit dem gesetzlichen Münzfuß seinerzeit die durchaus wichtigste und zugleich rechtlich die am besten zu beweisende Ursache des Münzgeldtauschwerts beinhaltete. Eine vollständige Abstraktion des Geldwerts vom Sachwert gelang der damaligen Nennwerttheorie nicht. Auf der anderen, Valoristischen Seite wurde beim Metallwert die staatliche Deklaration des Metallgehalts durchaus für vorentscheidend gehalten und ein Kurswert angenommen, der seinerseits schließlich selbst von Hufeland vom jeweiligen Metallgegenwert bestimmt wurde. Die Bestimmung eines den "inneren" und .,äußeren" umfassenden allgemeinen Tauschwerts scheiterte. Die Grenzen zwischen Valorismus und Nominalismus gingen somit fließend ineinander über. Das Band zwischen den verschiedenen rechtlichen Bestimmungsgründen des Geldwerts war der damalige allgemeine Metallismus respektive das Metallwährungsgeld und die damit korrespondierende ökonomische Theorie vom "inneren" Tauschwert des Geldes. Wenn also im folgenden von Valorismus oder Nominalismus die Rede ist, so ist bis auf weiteres ein metallischer Nominalismus und ein metallischer Valorismus gemeint - um nicht zu sagen ein relativ valoristischer Nominalismus und ein relativ nominalistischer Valorismus. Dies ist zu berücksichtigen, wenn wir uns nun dem Einfluß von Abweichungen vom .,Normalzustande", also Geldwertänderungen, auf das Geldschuldverhältnis zuwenden.

4. Geldwertänderungen im Geldschuldverhältnis a) Nennwertprinzip Bei den Nennwerttheoretikern folgte die prinzipielle Nennwertgeltung im Schuldverhältnis unmittelbar aus ihrem staatlichen Geldverständnis. Das wird besonders bei Pfeiffer deutlich, ist bei den anderen Nennwertvertretern aber

den Veränderungen des Geldwerts nur nicht als Geldwertänderungen "im rechtlichen Sinne"" (Hervorhebung im Original), d.h. rechtlich bestimmbar und durchsetzbar, anerkannte. 286 Koch, Recht der Forderungen I, 1. Aufl., 1836, S. 50 und Sintenis, Civilrecht II, S. 59; ebenso Savigny , Obligationenrecht I, S. 436.

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1. Teil: Industrielle Anlautphase

auch erkennbar. 287 Da die "landesherrliche Bestimmung es ist, durch welche das Metallstück zur Münze wird, ( ... ) so folgt hieraus, daß der äußere Werth der Münzen den wesentlichen Charakter derselben bildet". 288 So wie das Münzgeld allein durch das Staatsoberhaupt zu Geld werde, so sei die "von demselben herrührende äußere Bezeichnung (... ) der einzige Grund seines Werthes" .289 Die "Meinung der Staatsbürger" könne demgegenüber "schlechterdings nicht über den Werth, in welchem eine Münzsorte gelten soll, entscheiden; nur derjenige, welchen der Landesherr verordnet, kann erzwungen werden". 290 Nur der Nennwert, der gesetzliche Metallgehalt, sei also rechtlich durchsetzbar. Eine Kontrolle, ob die Münzen entsprechend dem gesetzlichen Münzfuß ausgeprägt worden sind, hielt Pfeiffer für "unstatthaft". 291 Eine Geldzahlung müsse somit grundsätzlich "in dem Werthe, welchen sie (Münzen) nach der gesetzlichen Bestimmung (Münzfuß) haben", geleistet werden.292 Die Reichweite des damaligen Nennwertprinzips ergibt sich daraus, inwiefern Geldwertänderungen zwischen Schuldbegründung und Zahlung Berücksichtigung durch eine entsprechende Anpassung der Geldzahlungsverpflichtung fanden. Als Geldwertänderungen konnten, nach den unterschiedlichen Bestimmungsgründen des Geldwerts, Änderungen des Metallgehalts, des Wechselkurswerts und des Tauschwerts die zu leistende Geldsumme beeinflussen. Der Anwendungsbereich des Nennwertprinzips war als erstes aufgrundder angenommenen Abhängigkeit des Nennwerts von dem im gesetzlichen Münzfuß bestimmten Metallgehalt eingeschränkt. Dem damaligen Nennwertprinzip immanent war daher die Berücksichtigung von Änderungen des Münzme287 Das gilt für Mühlenbruch, der keine nähere Begründung für das Nennwertprinzip angab, nur mittelbar über seine Verweise auf Pfeiffers Ausführungen; Mühlenbruch, Pandektenrecht II, S. 343 f. in Fßn. 1-3, 6-12. 288 Pfeijfer, Pract. Ausf. I, S. 57. 289 Pjeijfer, Pract. Ausf. I, S. 53; ebenso Luden, Darlehn, in: Weiske, Rechtslexikon 111, S. 241; Vangerow, Pandekten I, S. 121. 290 Pjeijfer, Pract. Ausf. I, S. 61. Diesen im Zusammenhang mit der allgemeinen Zahlungsmittelfunktion des Geldes stehenden Aspekt betonte besonders Sintenis, Civilrecht II, S. 59 f. in Fßn. 6. 291 Pjeijfer, Pract. Ausf. I, S. 57. 292 Pfeijfer, Pract. Ausf. I, S. 62; Göschen, Das gemeine Civilrecht II, S. 49; Luden, Darlehn, in: Weiske, Rechtslexikon 111, S. 241; Mühlenbruch, Pandektenrecht II, S. 342; Sintenis, Civilrecht II, S. 60; Vangerow, Pandekten 111, S. 32 f.

2. Kap.: Geldwertändenmgen im Privatrecht

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tallgehalts bei einer gesetzlichen Änderung des Münzfußes. 293 Dagegen fanden ungesetzliche, das heißt nicht gesetzlich bekannt gemachte, aber hoheitlich initiierte Münzverschlechterungen keine Berücksichtigung. 294 Die dadurch entstehende "momentane Täuschung" des Wirtschaftsverkehrs sei überhaupt nur denkbar in einer besonderen finanziellen "Notstandssituation" des Staates (insbesondere zu Kriegszeiten) und rechtfertige sich zugleich hieraus. 295 Es würde "augenscheinlich der Intention" der gesetzlichen Festlegung des Münzfußes "ganz zuwider sein, wenn man dergleichen Münzen bei Zahlung von Geldschulden auf ihren inneren Werth zurückführen wollte". 296 Innerhalb der Nennwerttheorie war umstritten, ob das Neonwertprinzip auch für im Laufe der Zeit abgenutzte Münzen gelten sollte. Vangerow meinte, daß der "Geprägewerth bei einer etwaigen Kollision mit dem inneren Werthe stets(!) vorgehen müsse" . 297 Der Nennwert galt damit bei Vangerow auch für abgenutzte Münzen. Eine Veränderung des "inneren" Werts sei "ohne allen Einfluß" auf die zu leistende Geldsumme. 298 Demgegenüber vertrat Pfeiffer die Ansicht, daß Münzen ihre Geldqualität verlieren würden, "wenn sie durch Abnutzung unter das gesetzliche Gewicht vermindert worden" seien. Die Münze "verwandele sich dann wieder zum "bloßen Metallstück", sie "hört auf, Geld zu seyn, und kommt nur noch als Waare in Betracht". 299 Es kam dann bei Pfeiffer der Wechselkurswert zur Anwendung. 300 Eine für den Zahlungsverkehr im Deutschen Bund bedeutende Einschränkung des Nennwertprinzips war die Geltung des Wechselkurswerts und damit

293 Göschen, Das gemeine Civilrecht II, S. 50 f.; Luden, Darlehn, in: Weiske, Rechtslexikon 111, S. 240 f.; Mühlenbruch, Pandektenrecht II, S. 342; Pfeiffer, Pract. Ausf. I, S. 63; Sintenis, Civilrecht II, S. 62 f.; Vangerow, Pandekten 111, 5. Aufl., 1852, s. 34. 294 Mühlenbruch, Pandektenrecht II, S. 342 f.; Pfeiffer, Pract. Ausf. I, S. 59 f., 63 f.; Sintenis, Civilrecht II, S. 60; Vangerow, Pandekten 111, 5. Aufl., 1852, S. 33; anders Göschen, Das gemeine Civilrecht II, S. 51, der dann- da es an einer gesetzlichen Bestimmung des veränderten Metallgehalts fehle - den tatsächlichen Metallgehalt zur Anwendung bringen wollte. 295

Pfeiffer, Pract. Ausf. I, S. 60.

296

Vangerow, Pandekten 111, 5. Aufl., 1852, S. 33.

Vangerow, Pandekten I, 6. Aufl., 1851, S. 121; ebenso Göschen, Das gemeine Civilrecht II, S. 50. 297

298

Vangerow, Pandekten 111. 5. Aufl .• 1852, S. 33.

299

PfeijJer, Pract. Ausf. I, S. 59.

300

Pfeiffer, Pract. Ausf. I, S. 61.

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1. Teil: Industrielle AnlaufPhase

auch die Berücksichtigung seiner zwischenzeitliehen Veränderungen immer dann, wenn eine Geldschuld in einer anderen als derjenigen Münzsorte, in der die Geldschuld bei ihrer Entstehung berechnet wurde - insbesondere mit ausländischen Münzsorten -, erfüllt werden sollte. Für Pfeiffer fungierten die Münzen in diesem Fall wiederum nur als Ware, auf die er den Wechselkurswert anwendete. 301 Für Göschen und Vangerow - die entgegen Pfeiffer alle am Zahlungsort kursierenden Münzsorten als Geld ansahen und unter den "äußeren" Geldwert neben dem Nennwert auch den Wechselkurswert faßtenkam auf das gesetzlich nicht bestimmte Verhältnis zwischen verschiedenen Münzsorten der Wechselkurswert als "äußerer" Geldwert zur Anwendung. 302 Eine theoretische Begründung für die Wechselkursanwendung auf die Zahlung mit ausländischen Münzsorten fehlte Sintenis, der zwar mit Pfeiffer als "äußeren" Geldwert nur den Nennwert verstand, aber mit Göschen und Vangerow auch ausländische Münzsorten als Geld ansah. 303 Bei Vangerow fanden unter engen Voraussetzungen sogar ausnahmsweise allgemeine Tauschwertänderungen Berücksichtigung. Zwar verstehe "es sich freilich ganz von selbst, daß eine blos momentane Theuerung oder Wohlfeilheit, welche auf zufälligen vorübergehenden Gründen beruht, schlechthin irrelevant" sei. Insoweit kommt wieder das staatliche Geldverständnis der Nennwerttheorie bei Vangerow zum Vorschein, das die rechtliche Relevanz von dem im Wirtschaftsverkehr gebildeten Tauschwert grundsätzlich ausschießt. Es sei aber "bekannt, in welch' beträchtlicher Weise der Werth des Geldes im Lauf der Zeiten, insbesondere in den drei letzten Jahrhunderten(!) gesunken" sei. 304 So kam für Vangerow bei einem Dauerschuldverhältnis oder überhaupt langfristigem Erfüllungszeitpunkt, er nannte als Beispiel Erbpachtverträge, eine Anpassung des Geldschuldverhältnisses an erhebliche Tauschwertänderungen in Betracht, wenn sich "nachweisen läßt", daß man die einst vereinbarte Zahlungssumme "als vollkommen passendes Aequivalent" für bestimmte Waren ansah. 305 Nach dem "Sinn des Vertrages", werde sich in solchen Fällen das "Recht zur Erhöhung" der zu zahlenden Geldsumme "wohl schwerlich in Abrede stellen lassen". 306 Er salt aber gleichzeitig "größte Schwierigkeiten" bei der Durchsetzung eines solchen 301

Pfeiffer, Pract. Ausf. I, S. 57 f., 61.

Göschen, Das gemeine Civilrecht II, S. 49; Vangerow, Pandekten III, 5. Aufl., 1852, s. 32. 302

303

Sintenis, Civilrecht II, S. 62.

304

305

Vangerow, Pandekten III, 5. Aufl., 1852, S. 34. Vangerow, ebd., S. 34.

306

Vangerow, ebd., S. 35.

2. Kap.: Geldwertändenmgen im Privatrecht

89

Anspruchs, da "ein genügender juristischer Beweis über das Verhältnis des Tauschwerths in den verschiedenen Zeiten ( ... ) kaum geführt werden" könne. 307 Vangerow selbst machte dazu auch keinen Vorschlag. Bei ihm wird an dieser Stelle die rechtliche Problematik bei einer allgemeinen Bestimmung des Geldtauschwerts deutlich. Es stellte sich gleich ein doppeltes Beweisproblem. Zum einen mußte für Vangerow bewiesen werden, daß die Parteien eine vom Nennwertprinzip abweichende Vereinbarung getroffen haben; es hier also dem Geldgläubiger gerade darauf ankam, mit Zahlung der vereinbarten Geldsumme Tauschwert zu erhalten. Diese Beweisführung wäre nicht notwendig, wenn Vangerow die Tauschwertgeltung zum Prinzip erklärt hätte, da dann durch Geld grundsätzlich Tauschwert zu leisten ist. Zum anderen mußten aber Tauschwertänderungen und die Höhe derselben bewiesen werden. Dieser Umstand war auch nicht durch eine Tauschwerttheorie zu beseitigen. Vangerow ließ offen, wann erhebliche Tauschwertänderungen über welchen Zeitraum vorliegen müssen und nach welchem Maßstab diese bestimmt werden können, um eine aus "Gerechtigkeitsgründen" - die ihrerseits auf dem ökonomischen Tauschwert des Geldes beruhen - erforderlich erscheinende Schuldanpassung vornehmen zu können. Wenn wir Vangerows Gerechtigkeitskorrektiv des Nennwertprinzips hinzuzählen, kommen wir in der Nennwerttheorie des 19. Jahrhunderts bislang zum gleichen Anwendungsbereich des Nennwertprinzips, wie wir ihn heute kennen: - Geltung des Nennwerts im inländischen Geldverkehr für inländisches Währungsgeld. - Bei Zahlungen in ausländischen Währungen Geltung des Wechselkurswerts. - Gerechtigkeitskorrektiv durch Anpassung des Geldschuldverhältnisses an Tauschwertänderungen nur im ganz extremen Ausnahmefall. b) Metallgehaltsprinzip So wie das Nennwertprinzip aus dem staatlichen Geldverständnis folgte, war Puchtas Entscheidung für das Metallgehaltsprinzip die Folge seines sozial-ökonomischen Geldverständnisses. Von der Vorstellung getragen, daß der im Wirtschaftsverkehr gebildete Wert des Geldes entscheidend vom Wert des in den Münzen enthaltenen Edelmetalls abhängt308 und dieser Wert die 307

Vangerow, ebd.

308

Puchta, Vorlesungen I, S. 88 f.

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1. Teil: Industrielle Anlaufphase

Anerkennung der Münzen im Verkehr als allgemeines Tauschmittel und damit als Geld gewährleistet, stellte Puchta in Abgrenzung zur Nennwerttheorie auf den tatsächlichen Metallgehalt der Münzen als Gegenstand eines Geldschuldverhältnisses ab. "Der Kaufmann nimmt daher nicht ( ... ) die im äußerlichen Gepräge angegebene Anzahl Gulden oder Thaler bey Bestimmung des Werths seiner Waare zum Maasstabe, sondern sieht nur darauf, wieviel an feinem Silber darin enthalten sey, als welches allein den wahren inneren Werth der Münze ausmacht", so meinte schon Glück. 309 Als Rechtsprinzip ausformuliert hieß es dann bei Puchta: "Wer nun Geld schuldet, muß so viel Münzen geben, als nach dem Gehalt derselben die geschuldete Summe darstellen." 310

In Abgrenzung des Metallwerts zum Kurswert als Tauschwert lehnte Puchta die rechtliche Berücksichtigung von allgemeinen Tauschwertänderungen strikt ab. Ein Rechtsverhältnis könne sich nicht dadurch ändern, daß "sein Gegenstand jetzt weniger Werth in Beziehung auf andere hat". 311 Gegenstand eines Geldschuldverhältnisses waren für Puchta Münzen in ihrer Funktion als allgemeine TauschmitteL Allgemeine Tauschmittel waren Münzen für ihn ausschließlich aufgrund ihres Edelmetallfeingewichts. Den zu leistenden Geldwert beschränkte Puchta deshalb auf das Edelmetallgewicht der zur Schuldberechnung benannten Münzsorte. An dieser Stelle dringt bei ihm deutlich sein Verständnis des Geldes als Sache durch. Münzen wurden für ihn auch als Geld nur durch ihre Sacheigenschaft, eine gewisse Menge Edelmetall zu enthalten, zum Gegenstand eines Schuldverhältnisses. Sacheigenschaften umfassen nicht den Wert in bezugauf andere Sachen, sondern nur die wertbildenden Faktoren der Sache. So konnte Puchta rechtlich nur Änderungen an der Sache Münze selbst berücksichtigen. Dies hatte im Vergleich zu einem allgemeinen Tauschwertprinzip den Vorteil, daß das Geld als Gegenstand eines Rechtsverhältnisses so genau als möglich bestimmt war. Ökonomisch gesprochen ging Puchta nicht über die Brücke des Kurswerts vom "inneren" zum "äußeren" Tauschwert des Geldes, sondern blieb bei dem durch den Edelmetallgehalt bestimmten "inneren" Tauschwert der Münzen. Puchta stand im Hinblick auf seine strikte Ablehnung der Berücksichtigung von allgemeinen Tauschwertänderungen sogar noch hinter Vangerows Nennwertprinzip zurück. Nach den Anmerkungen des Herausgebers von Puchtas Pandektenvorlesungen, Rudorff, zeige das von Vangerow als Aus309 Glück,

Pandekten XII, S. 81 f.

310

Puchta, Pandekten, 1. Auf!., 1838, S. 217; ders., Vorlesungen I, S . 90.

311

Puchta, Vorlesungen I, S. 90.

2. Kap.: Geldwertändenmgen im Privatrecht

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nahmefall des Nennwertprinzips angeführte Beispiel eines Erbpachtvertrages lediglich "wie gefahrlieh es ist, Rechtsverhältnisse von ewiger Dauer einzugehen". Tauschwertänderungen zum ökonomischen Schaden für den Geldgläubiger oder seinen Schuldner seien ein für die Vertragsparteien "unvermeidlicher Zufall" für den niemand haftbar gemacht werden könne. 312 Die Ablehnung der rechtlichen Berücksichtigung des Tauschwerts folgte also nicht, wie in der Nennwerttheorie, aus einem staatlichen Geldverständnis, sondern aus einer an den Parteiinteressen ausgerichteten Risikoverteilung im Wirtschaftsverkehr. Für Rudorff entsprach es einer durchaus "gerechten" Risikoverteilung zwischen den Parteien, Tauschwertänderungen nicht zu berücksichtigen: Jeder weiß, worauf er sich einläßt, kennt insbesondere die Möglichkeit künftiger Tauschwertänderungen und ist damit für seinen ökonomischen Schaden aus solchen selbst verantwortlich, kann jedenfalls nicht den Vertragspartner dafür verantwortlich machen. Dieser hinter der Ablehnung von Tauschwertänderungen stehende Gedanke ist rechtlicher Wirtschaftsliberalismus in seiner reinsten Form. Einen sozialen Wertausgleich zwischen den Gruppen der Geldgläubiger und ihren Schuldnern soll das Recht nicht schaffen, weil es damit in die privatautonome Lebensgestaltung des Einzelnen eingreifen würde. Hier schlägt das allgemeine Vertragsfreiheitsprinzip auf das Geldschuldverhältnis durch. Dieses ist sogleich im Zusammenhang mit der Wirksamkeit von Wertsicherungsvereinbarungen noch näher auszuführen. Das Metallgehaltsprinzip hatte im Hinblick auf den Geldverkehr im Vergleich mit dem Nennwertprinzip einen weitergehenden Anwendungsbereich. Das galt namentlich für den Verkehr mit ausländischen Münzen. Über die Geltung des Edelmetallgehalts waren ausländische Münzen den inländischen im privatrechtliehen Zahlungsverkehr gleichgestellt. Ein umständlicher Rückgriff auf den Wechselkurs war für Puchtas Metallgehaltsprinzip für ausländische Münzsorten der gleichen Edelmetallsorte nicht erforderlich. Dies war nur dann notwendig, wenn in Münzen einer anderen Edelmetallsorte gezahlt werden sollte. Hier mußte für Puchta zwangsläufig ein reines Geldwechselgeschäft vorausgehen, bei dem die Münzen nicht als Geld, sondern als Ware betrachtet werden würden und er daher den Wechselkurswert anwendete. 313 Was Änderungen des Metallgehalts anbelangt, kam Puchtas Metallgehaltsprinzip bei Änderungen des gesetzlichen Münzfußes zu den gleichen Ergebnissen wie das Nennwertprinzip. 314 Für Puchta mußte aber auch jede tat-

313

Puchta, Vorlesungen I, S. 90 f. in Fßn. 4. Puchta, Vorlesungen I, S. 89.

314

Puchta, Pandekten, 1. Aufl., 1838, S. 218; ders., Vorlesungen I, S. 90.

312

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1. Teil: Industrielle AnlaufPhase

sächliche Änderung des Metallgehalts für die zu leistende Geldsumme berücksichtigt werden, also gemessen am gesetzlichen Münzfuß unterwertige Münzausprägungen und Abnutzungen von einzelnen Zahlungsmünzen. Es müssen immer "so viele Stücke gegeben werden, als nach ihrem gegenwärtigen Gehalt die Summe ausmachen, also dem Gehalt entsprechen, der bey Entstehen der Forderung in dieser Münze lag" . 315 Es blieb aber auch bei Puchta das Problem, einen vom gesetzlichen abweichenden tatsächlichen Metallgehalt nachweisen zu können, so daß im Zweifel die Vermutung des gesetzlichen Metallgehalts Anwendung finden mußte. Puchtas Metallgehaltsprinzip war somit in bezug auf den Einfluß von Metallgewichtsänderungen auf das Geldschuldverhältnis valoristischer als das Nennwertprinzip, in bezug auf Wechselkursänderungen und Vangerows Tauschwertausnahme aber sogar nominalistischer als das Nennwertprinzip. c) Tauschwertprinzip Auf der Hand liegt die schuldrechtliche Berücksichtigung von Tauschwertänderungen bei Hufeland. Er bestimmte den Geldbegriff selbst aus dem ökonomischen Wertbegriff, erkannte, daß für Geld nur der Tauschwert entscheidend ist, mußte dann aber einsehen, daß nur der "innere" Tauschwert durch Wechselkursänderungen oder Tauschkursänderungen in bezug auf das Währungsedelmetall meß- und bestimmbar ist und übertrug diesen schließlich als zu erfüllenden Forderungswert in das Geldschuldverhältnis. 316 Nicht ganz so klar liegt die Entscheidung für den durch Wechselkursänderungen bestimmten Tauschwert bei Koch. Er ging wie Puchta und Hufeland davon aus, daß Geld nur durch sozial-ökonomische Anerkennung, die "Gleichförmigkeit der Meinung" , entsteht und erhalten bleibt. Diese sei "von dem darauf gestempelten gesetzlichen Preise unabhängig" und es sei "auch nicht der innere (Metall-) Werth an sich, wodurch sie bestimmt wird". Vielmehr sei es "vorzüglich" der Handels- oder Kurswert der Münze, "wovon jene Gleichförmigkeit der Meinung abhängt". 317 Koch kam es auf eine rechtlich "gleichmäßige" Behandlung aller Münzsorten und im Gegensatz zu Puchta zugleich auf eine in jedem Einzelfall "gerechte Ausgleichung" des Geldschuldverhältnisses an. 318 Dies war aus seiner Sicht nur über die An315

Puchta, Pandekten, l.Aufl., 1838, S. 218.

316 Hufeland,

Rechtliche Natur der Geldschulden, S. 18 f., 25 f., 28, 30 ff.

317 Koch,

Recht der Forderungen I, 1. Aufl., 1836, S. 48 f.

318 Koch,

Recht der Forderungen I, 1. Aufl., 1836, S. 49; 2. Aufl., 1858, S. 63.

2. Kap.: Geldwertändenmgen im Privatrecht

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passung der Geldforderung an Tauschwertänderungen möglich. Koch sah mit dem "gerechten" Ausgleich auf das ökonomische Interesse des Einzelnen, mit einer erhaltenen Geldsumme ebensoviel eintauschen zu können, wie bei Begründung des Schuldverhältnisses in der Preisvereinbarung vorausgesetzt: "Als Inhalt des wahren Werths einer gewissen Summe Geldes in bestimmten Münzsorten zu einer gewissen Zeit, kann also nur der damalige Courswerth angesehen werden". 319 Die Reichweite dieses Tauschwertprinzips bestimmt sich daraus, inwiefern Geldwertänderungen nicht berücksichtigt wurden. Das sollte dann der Fall sein, wenn die Änderungen des Kurswerts so unerheblich waren, daß die Warenpreise davon auf Dauer nicht betroffen wurden.320 So sei es eine "wohltätige" Vorschrift des preußischen ALR, daß die durch das bloße "Schwanken der Handelsconjunkturen verursachten Coursveränderungen auf die Rechtsgeschäfte keinen Einfluß haben sollen" . 321 Es komme dann der "gesetzliche Preis", also der Geldnennwert zur Anwendung. 322 Das gleiche gelte für die Fälle, in denen das Austauschverhältnis zwischen verschiedenen Münzsorten "durch ein besonders erlassenes Gesetz fixiert" worden sei. 323 Dies war insbesondere für das Verhältnis der Scheidemünzen zur jeweiligen Währungsmünze entscheidend. Die Reichweite des Tauschwertprinzips wurde damit von Koch auf ein realistisches Maß eingeschränkt. Weder sollten unerhebliche Tauschwertänderungen berücksichtigt werden, noch durch das Tauschwertprinzip das gesetzliche Währungssytem gestört werden. So gesehen könnte Koch sogar den Vertretern eines Neonwertprinzips zugerechnet werden. Koch, der sein Forderungsrechtslehrbuch besonders für die preußischen Verhältnisse geschrieben hatte, drehte allerdings gemeinrechtlich die Gesetzessystematik des preußischen ALR um. Die vom ALR als Ausnahme gedachte Kurswertanwendung erhob er zum allgemeinen Rechtsprinzip. "Unerhebliche" Geldwertänderungen stellten für ihn die Ausnahme dar. Dies entsprach insofern den tatsächlichen Zahlungsbedingungen, als die Kurswertrechnung im alltäglichen Verkehr seinerzeit eine wesentliche Bedeutung zukam.

319 Koch, Recht der Forderungen I, 1. 32 Koch, Recht der Forderungen I. 2. 321 Koch, Recht der Forderungen I, 2. 322 Koch, Recht der Forderungen I, 2. 323 Koch, Recht der Forderungen I, 2.

°

Autl, 1836, S. 49. Aufl., 1858, S. 64. Aufl., 1858, S. 64 in Fßn. 2. Aufl., 1858, S. 63. Aufl., 1858. S. 68.

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d) Abweichende Parteivereinbarungen Alle bisher erörterten Berücksichtigungen von Geldwertänderungen im Geldschuldverhältnis stellen keine Ausnahmen von den Prinzipien dar, sondern sind vielmehr Inhaltsbestimmungen des jeweiligen Prinzips. Ausnahmen von den Prinzipien konnten durch privatautonomen Einfallsreichtum zur Geltung kommen. Für den Fall der Vereinbarung einer Geldsorten- oder Geldstückschuld wurde gemeinhin eine reine Sachsehuld angenommen. Es mußten dann Münzen nach ihren Sacheigenschaften, aus dem gleichen Edelmetall und nach dem tatsächlichen Metallgehalt geleistet werden. 324 Außerdem berichtet Koch von der Möglichkeit, Zahlung in einer "fremden" Münzsorte auszubedingen, die "bei dem Zahlungsorte nicht zu haben ist". Dann werde die Forderung in eine "an dem Zahlungsorte gangbare Courantmünze, nach dem Course der beiden Münzsorten, wie er an dem Zahlungsorte zur Zeit des geschlossenen Kontrakts gestanden hat, umgewandelt". 325 Durch diese, heute sogenannte "unechte" Fremdwährungsvereinbarung326 wird das Geldschuldverhältnis zwar über ausländisches Geld abgeschlossen, zu erfüllen ist es aber mit inländischem Geld. Es war also rechtlich möglich, eine privatautonome Geldwertsicherung zu betreiben, indem entweder der tatsächliche Münzmetallgehalt eines bestimmten Edelmetalls oder Wechselkursänderungen der inländischen Zahlungsmünze zu einer für wertstabiler gehaltenen ausländischen Währung zur Berücksichtigung gebracht werden konnten. Dies betraf praktisch die Reichweite des Nennwertprinzips, galt aber vom Grundsatz her für alle privatrechtlieben Geldwertprinzipien.

An der Wirksamkeit parteiwillkürlicher Abweichungen von der als Regelfall angesehenen Geldsummenvereinbarung bestand gemeinhin in der Privatrechtswissenschaft kein Zweifel. 327 Hier überlagerte das Prinzip der Vertragsfreiheit die für das Geldschuldverhältnis entwickelten Sonderregelungen.

324 Göschen, Das gemeine Civilrecht II, S. 50; Luden, Darlehn, in: Weiske, Rechtslexikon 111, S. 242; Pfeijfer, Pract. Ausf . I, S. 66; Koch, Recht der Forderungen I, 2.Aufl., 1858, S. 84; Vangerow, Pandekten 111, 5.Aufl., 1852, S. 35 f.

325 Koch, Recht der Forderungen I, 2.Aufl., 1858, S. 87; vgl. ALR, 1. Teil, 11. Tit. §§ 785, 786. 326

MüKo!Maydell, § 244, Rdn. 41 ff.

Göschen, Das gemeine Civilrecht II, S. 49; Koch, Recht der Forderungen I, 1. Aufl., 1836, S. 50; Luden, Darlehn, in: Weiske, Rechtslexikon 111, S. 241 f.; Mühlenbruch, Pandektenrecht II , S. 342; Pfeijfer, Pract. Ausf. I, S. 62; Puchta, Vor327

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Das Prinzip der Vertragsfreiheit in der Pandektenwissenschaft ergibt sich aus dem von Savigny in aller Klarheit bestimmten Begriff des subjektiven Rechts: "Betrachten wir den Rechtszustand, so wie er uns im wirklichen Leben umgiebt und durchdringt, so erscheint uns darin zunächst die der einzelnen Person zustehende Macht: ein Gebiet, worin ihr Wille herrscht. ( ... ) Diese Macht nennen wir ein Recht dieser Person ( ...). Manche nennen es das Recht im subjektiven Sinn." 328

An anderer Stelle heißt es zur Rechtsordnung: "Sollen nun freye Wesen neben einander bestehen, sich gegenseitig fördernd, nicht hemmend, in ihrer Entwicklung, so ist dieses nur möglich durch Anerkennung einer unsichtbaren Gränze, innerhalb welcher das Daseyn, und die Wirksamkeit jedes Einzelnen einen sicheren, freyen Raum gewinne. Die Regel, wodurch jene Gränze und durch sie dieser freye Raum bestimmt wird, ist das Recht. ( ... ) Das Recht dient der Sittlichkeit, aber nicht indem es ihr Gebot vollzieht, sondern indem es die freye Entfaltung ihrer, jedem einzelnen Willen inwohnenden, Kraft sichert... 329

Jedes Schuldverhältnis war deshalb für Savigny ein "Verhältnis der (Willens-)Herrschaft". 330 Das subjektive Recht drückte eine originäre individuelle Willensherrschaft aus. Der Rechtsordnung kam die Aufgabe zu, die subjektiven Willen zu ordnen, nicht aber in sie einzugreifen; sie habe den Zweck einer "sicheren und selbständigen Entwicklung der Persönlichkeit" und nicht einer Willensbeschränkung. 331 Jede Bestimmung eines Rechtsverhältnisses durch eine Rechtsregel bestehe deshalb nur darin, daß dem "individuellen Willen ein Gebiet angewiesen ist, in welchem er unabhängig von jedem fremden Willen zu herrschen hat". 332 Wenn somit die "Freiheit der Wahl", des "Wollens" vorhanden war, müsse "das wirkliche, nicht blos scheinbare, Daseyn einer Willenserklärung, z.B. eines Vertrags, mit allen daran geknüpften Rechtswirkungen, unbedenklich" anerkannt werden. 333 Jeder soll also seine Lebenssphäre nach seinem eigenen Willen gestalten dürIesungen I, S. 91 f.; Sintenis, Civilrecht II, S. 64 ff.; Vangerow, Pandekten III, 5. Aufl., 1852, S. 35 f. 32S

Savigny, System I, S. 7.

329 Savigny,

System I, S. 331 f.

330 Savigny,

System I, S. 339.

331

Savigny, System III, S. 103.

332 Savigny, 333

System I, S. 333.

Savigny, System III, S. 102.

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1. Teil: Industrielle Anlautphase

fen. Mit anderen Worten soll jeder, ohne Einschränkung, Verträge schließen können, mit wem er will und über was er will. Das Mittel dazu ist die übereinstimmende beiderseitige Erklärung des Willens. Die Kehrseite dieser Vertragsfreiheit ist die Bindung an den erklärten Willen kraft der Rechtsordnung. Daraus wird nun verständlich, warum es Vangerow bei seinem Vorschlag, eine nachträgliche Schuldanpassung nach erheblichen Tauschwertänderungen des Geldes vorzunehmen, für erforderlich hielt, den auf den Geldtauschwert gerichteten Willen erst beweisen zu müssen. Nach seinem Verständnis eines Geldschuldverhältnisses war dieser Wille gerade nicht von selbst vorhanden, sondern der verbindliche Parteiwille ging für ihn grundsätzlich auf den Nennwert. Ebenso ist aus dem damaligen Willensdogma zu erklären, warum Vangerow mit diesem Vorschlag allein gelassen wurde. Ging der Parteiwille auf den Nennwert, so war dieser auch bindend und eintretende Tauschwertänderungen nicht in das Rechtsverhältnis einbezogen, so daß für den daraus entstehenden ökonomischen Schaden der Vertragspartner nicht verantwortlich gemacht werden durfte. Hätte der Geschädigte sich vor diesem Risiko schützen wollen, hätte er Selbstvorsorge durch eine ausdrückliche Wertsicherungsvereinbarung vornehmen können, auf die es wegen der Beweisschwierigkeiten auch bei Vangerow letztlich hinausläuft. So gesehen resultierten die verschiedenen Prinzipien zur Berücksichtigung von Geldwertänderungen im Schuldverhältnis aus einer unterschiedlichen Auslegung und Einordnung des regelmäßigen Parteiwillens bei der Vereinbarung einer Geldsummenschuld - was also gemeint wurde, wenn Zahlung von "100 Talern" vereinbart wurde. Eine nachträgliche Abweichung von der darauf gefundenen Antwort war sowohl für die Nenn- und Metall- als auch für die Kurswerttheorie ausgeschlossen. Rechtspraktisch bedeutete dies, daß eine gerichtliche Anpassung des Geldschuldverhältnisses allein aus, wie auch immer bestimmten, "Gerechtigkeits"-gründen nicht möglich war, weil dadurch der Vertragswille hoheitlich abgeändert werden würde. Nur die Vertragsparteien selbst konnten einen von der Regel abweichenden Willen erklärt und damit eine rechtswirksame Selbstvorsorge vor Geldwertverlusten betrieben haben. Eine andere und für die Prinzipien entscheidende Frage ist es, was den Maßstab für die Auslegung und Einordnung des regelmäßigen Parteiwillens in die Rechtsordnung bildete. Je mehr dieser Maßstab aus der Verkehrswirklichkeit bestimmt wurde, desto angemessener sollte das gefundene Ergebnis für den damaligen Geldverkehr sein und desto weniger beruhte diese Angemessenheit auf einem Zufall, sondern vielmehr auf bestimmten wirtschaftlichen Überzeugungen.

3. Kap.: Zweckmäßigkeit der Geldwerttheorien

97

3. Kapitel

Zweckmäßigkeit der Geldwerttheorien Inwiefern die jeweiligen schuldrechtlichen Geldwerttheorien den damaligen Anforderungen des Wirtschaftsverkehrs entsprachen und entsprechen sollten, ist durch eine kategorische Einordnung in liberale oder weniger liberale Vorstellungen nicht zu erschließen. Vielmehr müssen die konkret bestehenden Geldverhältnisse berücksichtigt werden, aus denen dann eine mehr oder weniger zweckmäßige Wirkungsrichtung der Prinzipien folgt. Die ökonomische Allgemessenheit ist zum einen im Hinblick auf die wirtschaftlichen Bedürfnisse jedes Einzelnen und zum anderen im Hinblick auf die gesamtwirtschaftliche Funktionsfähigkeit der Geldwirtschaft festzustellen. Wegen der für den Einzelnen kaum überschaubaren Währungsverhältnisse in den Staaten des Deutschen Bundes bestand zuerst ein Bedürfnis nach rechtlicher Bestimmtheit der Geldschuldverhältnisse (formelle Kalkulationssicherheit). Bei der Darstellung der Währungsverhältnisse haben wir ferner gesehen, daß die dauerhafte Funktionsfähigkeit der Geldwirtschaft im Deutschen Bund wegen des mangelnden Vertrauens der Wirtschaftenden in die Wertstabilität des staatlichen Geldes nur durch einen privatrechtlich wertgesicherten Geldzahlungsverkehr hergestellt werden konnte. Das kommt zugleich dem Bedürfnis jedes Einzelnen entgegen, durch Geld gleichmäßigen Tauschwert zu erhalten, aufzubewahren und wieder weggeben zu können (materielle Kalkulationssicherheit). Trennen mußten wir uns bereits von der Vorstellung, daß es damals unterschiedliche Geldwertverständnisse in der Privatrechtswissenschaft gegeben hat. Als Geldwert wurde vielmehr einheitlich der allgemeine ökonomische Tauschwert erkannt. Es ging bei den verschiedenen Geldwertprinzipien darum, diesen für das Rechtsverhältnis zu bestimmen. Am wenigsten dem Geldwertsicherungsbedürfnis und am meisten dem Rechtssicherheitsbedürfnis des Wirtschaftsverkehrs entsprach das mehrheitlich vertretene Nennwertprinzip. Pfeiffer und die ihm nachfolgenden Befürworter eines Nennwertprinzips meinten, den Wirtschaftenden könne der gesetzlich bestimmte Geldnennwert schuldrechtlich aufgezwungen werden, so daß es dann rechtlich nicht mehr auf die Anerkennung des Geldes und seines Werts im Wirtschaftsverkehr ankomme. Sie verstanden das Geld und die Geldwirtschaft aus staatlicher Perspektive. Immerhin fanden aber auch bei ihnen Änderungen des gesetzlichen Münzfußes und privatautonome Wertsicherungsvereinbarungenvollständige Berücksichtigung - insbesondere wurde die Aufgabe des Staates nicht etwa darin gesehen, eine abstrakte Rechnungsgröße zu schaffen, sondern den Metallwert des Geldes rechtsverbind7 0tt

98

1. Teil: Industrielle Anlaufphase

lieh festzustellen. Insofern gewährleistete auch das damalige - aus dem gesetzlichen Metallgehalt der Währungsmünzen definierte - Nennwertprinzip einen relativ wertsicheren Zahlungsverkehr. Die Macht der Münzherren über das Geldwesen blieb aber unangetastet. Willkürliche Geldwertmanipulationen zogen keine privatrechtliehen Konsequenzen nach sich. Insbesondere sollten ungesetzliche Münzverschlechterungen schuldrechtlich nicht berücksichtigt werden. In einem solchen Fall rechtfertige sich aus dem Notstand der Staatsfinanzen die Täuschung der Wirtschaftenden über den MünzmetallgehalL Mit anderen Worten sollten die untertänig Wirtschaftenden ihr Verhalten den (finanziellen) Bedürfnissen des Staates anpassen und nicht umgekehrt. Diese dem damaligen Nennwertprinzip zugrundeliegende antiliberale, merkantilistische Wirtschaftsvorstellung war nicht dazu geeignet, die privatwirtschaftliche Expansion der Geldwirtschaft voranzutreiben. Der von Pfeiffer in den Vordergrund geschobene Vorteil des staatlichen Nennwerts, den Geldverkehr durch einen rechtlich immer gleich bestimmten Wert zu erleichtern, versprach keinen Erfolg, solange der staatliche Geldwert gesellschaftlich über den Metallwarenwert hinaus nicht anerkannt wurde. Aus heutiger Sicht fortschrittlich, aber unter den damaligen von den Währungsverhältnissen vorgegebenen Zahlungsbedingungen unrealistisch und nicht den Bedürfnissen des Einzelnen angepaßt, war die Einschränkung des Geldschuldverhältnisses nur auf landesgesetzliche Münzsorten durch Pfeiffer. Das Bemühen um eine wirklichkeitsnahe, an den Bedürfnissen des Verkehrs ausgerichtete Geldtheorie belegt um so eindrucksvoller die in der Nennwerttheorie überwiegende - dem staatlichen Geldverständnis an sich widersprechende - Anerkennung ausländischer Münzsorten als inländisches Geld für den privatrechtliehen Zahlungsverkehr. Für den praktischen Umgang mit den ausländischen Münzsorten war in der Nennwerttheorie die einhellige Anwendung des Wechselkurswerts entscheidend, worin auch eine weitere valoristische Einschränkung des Nennwertprinzips gesehen werden kann. Eine Entscheidung der in der Nennwerttheorie umstrittenen Frage, ob ausländische Münzen im inländischen Zahlungsverkehr Geld sind, war also nur dann erforderlich, wenn ein Geldgläubiger sich weigerte, diese zum Wechselkurswert statt landesgesetzlicher Münzen anzunehmen. Für Pfeiffer war er dazu nicht verpflichtet. Dieser Fall war aber ohne gewichtige praktische Relevanz, da der Geldgläubiger regelmäßig ausländische Münzsorten zum Wechselkurswert freiwillig angenommen haben wird, bevor er wegen mangelnden landesgesetzlichen Geldes beim Schuldner auf die Erfüllung seiner Forderung verzichtete oder den Schuldner erst dazu bringen mußte die ausländischen Geldstücke anderweitig umzutauschen.

3. Kap.: Zweckmäßigkeit der Geldwerttheorien

99

Den besten Kompromiß zwischen notwendiger rechtlicher Bestimmtheit und ökonomischer Wertsicherheit hat für die damalige Zeit Puchta im Metallgehaltsprinzip gefunden. Dieses bestimmte nicht zuletzt deshalb auch lange Zeit die gerichtliche Praxis. 334 Im Ergebnis unterschied es sich von der Nennwertregel nur dadurch, daß alle Veränderungen des tatsächlichen Metallgehalts, also insbesondere auch ungesetzliche Münzverschlechterungen, für die Zahlungssumme berücksichtigt wurden; sowie dadurch, daß alle Münzsorten ohne Widersprüchlich.keit der juristischen Konstruktion gleichermaßen zur Erfüllung einer Geldverbindlichkeit benutzt werden konnten. Bei gleicher Edelmetallsorte mußte nach dem Metallgehaltsprinzip außerdem der Wechselkurs zwischen in- und ausländischen Münzen nicht festgestellt werden. Gemeinsam mit dem Nennwertprinzip hatte das Metallgehaltsprinzip die Bestimmung des Geldwerts aus dem gesetzlichen Münzfuß, der für Puchta allerdings nur eine widerlegbare Vermutung aussprach. Die Funktionsfähigkeit des Geldes führte er valoristisch auf die Anerkennung des Geldes zu seinem Metallwert im Wirtschaftsverkehr zurück. Aus dieser Grundhaltung heraus konnte er alle aus nationalökonomischer Sicht an dem damaligen Nennwertprinzip bestehenden Mängel beseitigen. Sein Metallgehaltsprinzip war universal für alle umlaufenden Münzsorten praktikabel und schützte den privaten Zahlungsverkehr umfassend vor staatlich gewillkürten Münzverschlechterungen, die der Münzherr auf Kosten der Wirtschaftenden vornahm. Gleichzeitig hielt Puchta das Geldschuldverhältnis möglichst bestimmt; in nominalistischen Worten blieb für Puchta 1 Gramm Silber gleich 1 Gramm Silber. Ihm kam es weniger darauf an, in jedem Einzelfall für einen vermeintlich "gerechten" Ausgleich zu sorgen. Das belegt seine strikte Ablehnung einer schuldrechtlichen Berücksichtigung von Tauschwertänderungen des Geldes, die nicht auf einer Veränderung des Edelmetallgewichts der Münzen beruhten. Vielmehr stand bei Puchta die Funktionsfähigkeit der gesamten Geldwirtschaft im Vordergrund. Puchta erkannte dazu die Abhängigkeit des Geldverkehrs von dem tatsächlichen Edelmetallgehalt der Münzen und hielt diesen - der in der Volkswirtschaftslehre ganz vorherrschenden streng metallistischen Geldtheorie entsprechend - für die Voraussetzung des Geldes überhaupt. Nur "um seinen Gebrauch als Geld zu erleichtern" werden Gold und Silber vom Staat als Münzen ausgegeben. 335 Diese von Puchta angenommene staatliche Ordnungsaufgabe enthielt zugleich den Appell an die 334 Vgl. nur OAG Kassel vom 26. August 1826, SeuffArch 2 (1849), S. 15 (16); OAG Lübeck aus dem Jahre 1846, SeuffArch 2 (1849), S. 190; Preußisches Obertribunal vom 27.11. 1851, PrOTE, Bd. 22 (1852), S. 308-315 (313 f.).

335

Puchta, Vorlesungen I, S. 88.

100

1. Teil: Industrielle AnlaufPhase

Wirtschaftenden, auf staatliches Geld zu vertrauen, ohne dies erzwingen zu wollen. Genau die gleiche Wirkungsrichtung hatte die Nichtberücksichtigung von allgemeinen Tauscbwertänderungen. Gleichzeitig appellierte Puchta aber eben auch an die Münzherren, Geld korrekt auszuprägen, da im Streitfall der tatsächliche Metallgehalt entscheiden sollte. Puchtas Geldlehre war im Vergleich zur damaligen Nennwerttheorie insofern fortschrittlicher, als er mit der Notwendigkeit gesellschaftlicher Anerkennung des Geldwerts auf die Stabilität der Geldwirtschaft zielte und nicht wie Pfeiffer versuchte, den staatlichen Nennwert nötigenfalls auch gegen den Willen der Wirtschaftenden im privatrechtlieben Zahlungsverkehr durchzusetzen. Es bestätigt sich somit voll und ganz der von Ogorek in anderem Zusammenhang gewonnene Eindruck von Puchta als einem sehr genauen Beobachter seiner Umwelt, der daraus gewonnene Eindrücke auch mit außerrechtlichem, hier ökonomischem, Sachverstand in seiner Rechtslehre berücksichtigte, ohne wirtschaftliche Einsichten blindlings für das Recht zu übernehmen. Puchtas Metallgehaltsprinzip ist in seine allgemeinen Ausführungen über den Billigkeitsgedanken im Recht einzuordnen. Puchta griff wohldurchdacht Smiths wirtschaftstheoretische Prämisse auf, als er meinte: .,Das individuelle Wohl schlechthin zum Gesetz für das Recht zu machen, würde eine Zerstörung des Rechts selbst sein. Auf der andem Seite ist aber eben so gewiß, das Recht muß(!) von der Beschaffenheit sein, daß das individuelle Wohl dabei bestehen kann, insoweit als ohne individuelle auch keine allgemeine Wohlfahrt existieren würde. Ein Recht, welches sich diesen Ansprüchen der individuellen Wohlfahrt, soweit die allgemeine dabei betheiligt ist, fügt und öffnet, nennen wir billiges Recht. " 336

Billigkeit des Rechts hieß damit für Puchta nichts anderes als die möglichst weitgehende Verwirklichung selbstbestimmter wirtschaftlicher Individualinteressen, die von der übergeordneten Zielsetzung volkswirtschaftlich optimalen Nutzens zugleich getragen, aber soweit nötig auch rechtlich beschränkt werden sollte. Dieser Billigkeitsgedanke werde vom lus commune nicht nur als Ausnahmerecht- "ius singulare, privilegium, Rechtswohlthat" nebenher geduldet, sondern vielmehr in sich selbst aufgenommen. 337 So verhält es sich bei seinem Metallgehaltsprinzip. Das berechtigte ökonomische Einzelinteresse, durch Geldzahlung den bei Schuldbegründung vorausgesetzten realen Geldtauschwert zu erhalten, wird verwirklicht, soweit dadurch die Verwirklichung des Allgemeininteresses an einem reibungslosen 336

Puchla, Vorlesungen I, S. 53.

337

Puchta, Vorlesungen I, S. 54.

3. Kap.: Zweckmäßigkeit der Geldwerttheorien

101

Geldverkehr nicht eingeschränkt wird. Hiernach kann nicht mehr an einer zielgerichteten ökonomischen Ausrichtung von Puchtas Geldlehre gezweifelt werden. Den Versuch, für das Geldschuldverhältnis den ökonomischen Tauschwert genauer als nur durch das Metallgewicht zu bestimmen, unternahmen Hufeland und Koch. In der Theorie erscheint ihr Kurswertprinzip für den damaligen Geldverkehr zunächst angemessener als das Nenn- oder Metallgehaltsprinzip, da es einen wertsicheren privaten Zahlungsverkehr umfassend gewährleisten sollte. Zweifelhaft war aber die rechtliche Praktikabilität ihres Tauschkurswertprinzips, sofern von einem solchen Prinzip überhaupt schon gesprochen werden darf. Der Stand der statistischen Erfassung und Berechnung von Änderungen der Warenpreise hatte es Hufeland unmöglich gemacht, ein allgemeines Tauschwertmaß zu finden. Letztendlich blieb es bei Wechselkursänderungen oder dem Geldtauschkurswert in bezugauf Gold und Silber. Damit wurden gegenüber dem Metallgehaltsprinzip vor allem auch Preisveränderungen der Edelmetalle berücksichtigt. Dafür eine nicht unerhebliche Ungewißheit der Rechtsverhältnisse in Kauf zu nehmen, war recht gewagt, zumal diese wieder die Leichtigkeit des Geldverkehrs gefährden konnte. Über diesen Zusammenhang war sich besonders Koch völlig im klaren. Er wollte unerhebliche Tauschwertänderungen und solche innerhalb eines Währungssystems nicht berücksichtigen. Das hatte den alleinigen Sinn, den Geldverkehr trotz grundsätzlicher Tauschwertgeltung nicht zu erschweren. Dennoch blieb gerade die praktische Durchführbarkeit seines Wechselkursprinzips als Rechtsprinzip für Geldschuldverhältnisse im Dunkeln. Hufeland hatte ein Kurswertprinzip überhaupt noch nicht als allgemeines Rechtsprinzip ausformuliert, sondern in seinem Rechtsgutachten über die schuldrechtliche Behandlung von Papiergeld und seiner nationalökonomischen "Staatswirthschaftskunst" nur angedeutet. Zumindest solange das Papiergeld eine noch recht geringe Rolle für die Geldverhältnisse im Deutschen Bund spielte, war somit wegen seiner Bestimmtheit das Metallgewichtsprinzip gegenüber dem Kurswertprinzip die rechtlich vorzugswürdigere Alternative zum Nennwertprinzip. Für alle damaligen Geldwerttheorien gilt, daß auf eine bestimmte Edelmetallmenge zur Geldwertbestimmung im Schuldverhältnis abgestellt worden ist. Dies war im Falle des Nennwerts das Metallgewicht der Münzen nach ihrem gesetzlichen Münzfuß, im Falle des Metallwertprinzips das tatsächliche Metallgewicht und im Falle des Kurswertprinzips die Menge rohes Währungsedelmetall oder im Falle des Wechselkursprinzips die Menge an gemünztem Edelmetall, die für die einzelne Münze eingetauscht werden konnte. Hier spiegelt sich in der gesamten Privatrechtswissenschaft die ökonomische Vorstellung vom "inneren" Tauschwert des Geldes wieder. Dieser wurde für

102

1. Teil: Industrielle Anlaufphase

das Schuldverhältnis mehr oder weniger rechtlich praktikabel umgesetzt.

Alle Geldwerttheorien gewährleisteten daher zumindest in der allgemeinen metallischen Geldvorstellung einen relativ wertsicheren Zahlungsverkehr. Wem das nicht ausreichte, der konnte sich privatautonom einen weitergehenden Schutz vor Geldwertverlusten überlegen. Vom Ergebnis her waren somit alle schuldrechtlichen Geldwertprinzipien dazu geeignet, den Vertrauensmangel in die Tauschwertstabilität des Geldes zu begrenzen und so die Funktionsfähigkeit der Geldwirtschaft im Deutschen Bund zu erhalten. Wenig Zukunftsaussichten hatte indes die damalige Begründung des Nennwertprinzips aus einer allein staatlichen Vorstellung vom Geld, die den staatlichen Finanzinteressen gegenüber dem Wertsicherheitsbedürfnis des Wirtschaftsverkehrs Vorrang einräumte. Im Konfliktfall wollte Pfeiffer den staatlichen Nennwert den Wirtschaftenden gegen ihren Willen aufzwingen. Die vorherrschende Nennwerttheorie war insofern einer Liberalisierung der Wirtschaftsordnung nicht angepaßt, sondern stand noch im Zeichen des staatlichen Wirtschaftsdirigismus. Das ändert aber nichts daran, daß das Recht des Geldschuldverhältnisses in der Verkehrswirklichkeit und den dort vom Geld zu erfüllenden Funktionen einen in der Privatrechtswissenschaft sehr wohl berücksichtigten anderen Maßstab außer sich selbst hatte. Es ist deutlich erkennbar, wie die Pandektisten versuchten, den von den damaligen Währungsverhältnissen ausgehenden Rechts- und Wertunsicherheiten im Geldverkehr in der Privatrechtsordnung gegenzusteuern. Zum einen wurde durch die Gleichstellung aller Münzsorten als Geld der Geldverkehr auf privatrechtlich-abstrakter Ebene homogenisiert. Zum anderen gewährleistete die privatrechtliche Metallanhindung des Geldes und die Möglichkeit von Wertsicherungsvereinbarungen einen relativ wertsicheren Zahlungsverkehr. Das Privatrecht leistete bereits deshalb wertvolle Dienste für die Erhaltung und den Fortschritt der Geldwirtschaft. Ausschlaggebend für die vertretenen Nenn-, Metall- und Kurswertprinzipien war eine unterschiedliche Gewichtung der verkehrswirtschaftlichen Bedeutung von rechtlicher Bestimmtheit der Geldschuldverhältnisse einerseits und Wertsicherheit des Zahlungsverkehrs andererseits. Auf einen gangbaren Mittelweg hatte sich insbesondere Puchta begeben. Das sozial-ökonomische Axiom Puchtas, daß nur eine Sache, die "an sich" - aus ihrem Material - Wert hat, als Tauschmittel überhaupt gesellschaftlich anerkannt werden könne, widerlegt seit Mitte des 19. Jahrhunderts eindrucksvoll die Ausbreitung der Banknote und ihre zunehmende Verselbständigung gegenüber dem Münzgeld. So angepaßt vor allem Puchtas Metallgehaltsprinzip für die Geldverhältnisse noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erscheint, so unbrauchbar wurde es mit dem Vordringen der Banknote in den Zahlungsverkehr.

Zweiter Teil

Industrielle Expansionsphase bis zur Reichsgründung 4. Kapitel Anpassungsbedarf des Geldschuldrechts Um die Jahrhundertmitte zeichnete sich mit der vermehrten Emission von Papiergeld und vor allem von Banknoten eine einschneidende Veränderung der Geldwirtschaft im Deutschen Bund ab. Die wirtschaftspolitische Bedeutung der Papiergeld- und Banknotenausgabe und der dadurch entstandene Anpassungsbedarf des Geldschuldrechts wird in diesem Kapitel erörtert. Bis zur Reichsgründung erschienen aus den Reihen der Pandektenwissenschaft die drei bedeutendsten Abhandlungen zum Geldschuldrecht im 19. Jahrhundert. Zuerst bezog Friedrich Carl v. Savigny Stellung (5. Kapitel). Seine Kurswerttheorie fand in der Wissenschaft weite Verbreitung (6. Kapitel) und zeigte Auswirkungen bis hin zu Gesetzgebungsvorhaben (7. Kapitel). Am Vorabend der Reichs- und Währungseinheit suchten dann Levin Goldschmidt und Gustav Hartmann nach einer grundlegenden Neubegründung der Neonwerttheorie (8. Kapitel). Neben ihren wegweisenden Ausführungen deutete zur gleichen Zeit Wilhelm Endemann eine entmetallisierte Tauschwerttheorie an (9. Kapitel).

I. Staatspapiergeld- und Banknotenausgabe Obwohl für die Zeit um 1850 nur noch selten von einem industriellen "Take-off' gesprochen wird1 , gilt der Zeitraum von 1850 bis zur "Gründerkrise" 1873 als "Phase besonders intensiven Wachstums" 2 im langfristigen Prozeß der Industrialisierung. In diesem gesamtwirtschaftlichen Wachstums1 So North, Geld, S. 157; dagegen überzeugend Henning, Industrialisierung, S. 112 ff.

2 Borchardt, Industrielle Revolution, S. 167. Während das Nettosozialprodukt 1850 nur um rund 22 %über dem von 1825 lag, stieg es bis 1875 um über 46 % an; Henning, Industrialisierung, S. 25.

104

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

zusammenbang ist der Boom des Papiergeldes seit der Jahrhundertmitte zu sehen. Die Geldnachfrage, vor allem seitdem um das Jahr 1845 regionale Eisenbahnlinien miteinander vernetzt wurden3 , überforderte das vorhandene Münzgeldangebot 4 Zum einen verbesserte die Vernetzung einzelner Eisenbahnlinien die Verkehrsinfrastruktur ganz entscheidend und förderte damit den industriellen Güteraustausch. 5 Zum anderen erforderte die Finanzierung des Eisenbahnbaus selbst erhebliche Geldmittel. 6 Dazu wurden die privaten Leipzig-Dresdener Eisenbahn-Compagnie und Anhalt-Cöthen-Bernburger Eisenbahngesellschaft sogar staatlich zur Papiergeldausgabe ermächtigt.7 Die von ihnen zwischen 1838 und 1876 ausgegebenen "Kassenscheine" hatten die Funktion eines zinslosen Darlehens für diese Unternehmen. Geldwirtschaftlich war dieses "Privatpapiergeld" wegen seiner geringen Ausgabemenge von insgesamt etwa 2 Mio. Talern ohne Bedeutung. 8 Mit Ausnahme der zur Notenausgabe berechtigten Banken waren alle übrigen Unternehmungen auf private Kreditbeschaffung und Kreditvermittlung durch Banken angewiesen. Die private Kreditnachfrage konnte durch das ressourcenabhängige Metallgeld allein nicht befriedigt werden. 9 Papiergeld war geeignet, diese Lücke auszufüllen und damit ein deflatorisches Abwürgen wirtschaftlichen Wachstums zu verhindern. Genau dies war dann auch das gesetzlich erklärte Ziel der Preußischen Bank. Nach § 1 der preußischen Bankordnung vom 5. Oktober 184610 hatte sie die Aufgabe, "den Geldumlauf des Landes zu befördern, Kapitalien nutzbar zu machen, Handel und Gewerbe zu unterstützen und einer übermäßigen Steigerung (!) des Zinsfußes vorzubeugen". Allen diesen Aufgaben konnte die Banknotenausgabe dienen. Der durch Kabinettsorder vom 5. Dezember

3 Zwischen 1845 und 1860 wurde die Gesamtstreckenlänge von 2.130 km auf 11.600 km erweitert. Bis 1880 erfolgte dann der weitere Ausbau auf 33.800 km; Henning, Industrialisierung, S. 162. 4

Born, Entwicklung der Banknote, S. 15; North, Geld, S. 157.

5 Henning,

Industrialisierung, S. 159.

Nach Henning, ebd., S. 164 betrugen die Gesamtkosten für den Eisenbahnbau von 1835 bis 1873 5,6 Mrd. Mark und damit über die Hälfte des gesamten Volkseinkommens eines Jahres um 1850 (9,4 Mrd. Mark). 6

7 Rittmann,

Geldgeschichte, S. 580 f.; Sprenger, Geldmengenänderungen, S. 48.

8

Sprenger, Geldmengenänderungen, S. 48 f.

9

Born, Geld und Banken, S. 46; Sprenger, Geld der Deutschen, S. 177 f.

10

GS 1846, S. 435.

4. Kap.: Anpass1mgsbedarf des Geldschuldrechts

10.5

183611 in Preußen zugunsten des Staatspapiergeldes vollkommen untersagte Banknotenumlauf- nachdem die seit 1765 bestehende ,.Königliche Giro- und Lehnbanco" ihre ohnehin geringe Notenausgabe bereits 1806 eingestellt hatte12 - war angesichts des zunehmenden Geldbedarfs und dem Drang vieler Privatbanken, diesen durch Banknoten zu befriedigen, nicht mehr haltbar. In § 29 PrBankO wurde 1846 die Nachfolgeorganisation der königlichen Bank, die nun Preußische Bank genannt und in eine Aktiengesellschaft mit einer privaten Kapitalbeteiligung zu 5/6 der Bankaktien umgewandelt wurde (§ 10 PrBank0), 13 zur Notenausgabe ermächtigt. Noch bis 1855 waren dann allerdings regelmäßig mehr als 90 % der preußischen Banknoten, im Jalrr 1854 sogar 126,7 %, durch Münzgeld- und Edelmetallbestände der Bank gedeckt14, obwohl § 31 PrBankO - dem sogenannten "Banking"-Prinzip entsprechend15- nur eine Dritteldeckung der umlaufenden Banknoten durch Metall vorschrieb und zwei Drittel durch Wechsel und Darlehensforderungen der Bank gedeckt werden konnten. In dieser Zeit wurde also durch die Notenausgabe der Preußischen Bank die Geldmenge nicht erhöht, sondern es fand nur ein Austausch von Metall gegen Papier statt. 16 Dementsprechend änderte sich die Geldmengenzusammensetzung. Zwischen 1840 und 1855 verdoppelte sich der Papiergeldanteil an der gesamten Geldstückmenge im Deutschen Bund ohne Österreich auf 19 % und stieg bis 1870 weiter auf 37 % an. 17 Während zwischen 1835 und 1873 die Metallgeldmenge lediglich verdoppelt wurde, nahm die Papiergeldmenge zur gleichen Zeit um das Sechzehnfache zu. 18 Aber erst, nachdem die Preußische Bank seit 1856 Noten "nach dem Bedürfnis ihres Verkehrs" ausgeben durfte19 und damit die ursprüngliche Kontingentierung der Banknotenausgabemenge auf insgesamt 21 Mio. Taler in § 29 PrBankO aufgehoben wurde, konnte durch die Notenaus11

GS 1836, S. 318.

12 Born, Entwicklung der Banknote, S. 15. 13 Born,

14

Geld und Banken, S. 30.

Sprenger, Währungswesen, S. 70.

15 Born, Banking-Theorie, in: North, Aktie bis Zoll, S. 40. 16 North, Geld, S. 157. 17 Sprenger, Geld der Deutschen, S. 179. 18 Henning, Wirtschafts- und Sozialgeschichte II, S. 589. 19 § 1 Änderungsgesetz der BankO vom 7. Mai 1856, GS 1856, S. 342. Im Ge-

genzug verpflichtete sich die Preußische Bank 30.842.347 Taler der als Staatspapiergeld ausgegebenen ,.Kassenanweisungen" für den preußischen Staat einzulösen. Vorausgegangen war der dazu zwischen der Preußischen Bank und dem preußischen Finanzministerium geschlossene Vertrag, GS 1856, S. 336.

106

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

gabe der Preußischen Bank eine Vermehrung der Geldmenge - bei einer regelmäßigen Deckung von etwa 50 % der Banknoten durch Metall20 - stattfinden. Die Preußische Bank war die bei weitem bedeutendste Notenbank auf dem späteren Reichsgebiet. Von ihr wurden, mit Ausnahme ihres Anfangsjahres 1846 und des letzten Jahres der gesetzlichen Kontingentierung 1855, stets mehr Banknoten ausgegeben als von allen anderen Notenbanken zusammen. Nach Aufhebung der Kontingentierung bis zur Gründung der Reichsbank 1876 stammten durchschnittlich rund zwei Drittel (66,9 %) aller deutschen Banknoten von der Preußischen Bank. 21 Dennoch gab sie, gemessen am Geldbedarf während der Zeit der gesetzlich kontingentierten Ausgabemenge, bis 1856, zuwenig Banknoten aus. So konnte es zwischen 1847 und 1857 zu einer allgemeinen Notenbankengründungswelle kommen. In dieser Zeit erhielten innerhalb Preußens acht Privatbanken eine Konzession zur Notenausgabe. 22 Sie spielten neben der Preußischen Bank aber nur eine geringe Rolle, da sie Noten jeweils nur bis zur Höhe von 1 Mio. Talern ausgeben durften. 23 Außerhalb Preußens entstanden zum Zweck der Notenausgabe 18 weitere Bankinstitute - nach dem Muster der Preußischen Bank - überwiegend ohne staatliche Kapitalbeteiligung. 24 Durch ihre Banknoten bei einer durchschnittlichen Metalldeckung 20

Sprenger, Währungswesen, S. 73.

21

Sprenger, Geldmengenänderungen, S. 136 f.

22 Seit

dem ~Gesetz, wegen Ausstellung von Papieren, welche eine Zahlungsverpflichtung an jeden Inhaber enthalten" vom 17. Juni 1833, GS 1833, S. 75 bedurften alle in Preußen ansässigen Banken eine staatliche Konzession zur Notenausgabe. Diese erhielten: Städtische Bank zu Breslau (1848), Ritterschaftliehe Privatbank in Pommern (1849), Bank des Berliner Kassen-Vereins (1850), Kölner Privatbank (1855), Königsherger Privatbank (1856), Magdeburger Privatbank (1856), Danziger Privataktienbank (1857), Provinzial-Aktienbank des Großherzogtums Posen (1857); Born, Entwicklung der Banknote, S. 17; Rittmann, Geldgeschichte, S. 585 f.; Sprenger, Währungswesen, S. 68. 23 Z.B. § 5 der Statuten für die Städtische Bank Breslau (GS 1848, S. 145); § 29 der Statuten für die Ritterschaftliehe Privatbank in Pommern (GS 1849, S. 359); vgl. im übrigen Sprenger, Währungswesen, S. 67.

24 Anhalt-Dessauische Landesbank (1847), Chemnitzer Stadtbank (1848), Nassauische Landesbank (1849), Rostocker Bank (1850), Kurhessische Bank zu Kassel (1850), Braunschweigische Bank (1853), Hornburger Bank (1853), Weimarische Bank (1853), Frankfurter Bank (1854), Bank für Süddeutschland (1855), Geraer Bank (1855), Mitteldeutsche Bank zu Meiningen (1856), Thüringische Bank (1856), Hannoversche Bank (1856), Privatbank zu Gotha (1856), Niedersächsische Bank (1856), Commerzbank zu Lübeck (1856), Bremer Bank (1856); Born, Entwicklung

4. Kap.: Anpasstmgsbedarf des Geldschuldrechts

107

von etwa 50 %25 wurde die Geld- und Kreditnachfrage bis 1856 abgedeckt. Zugleich kehrte sich 1856 das Mengenverhältnis von Banknoten und Staatspapiergeld um. 26 Liefen 1850 noch 53 Mio. Tlr. in Staatspapiergeld gegenüber 31 Mio. Tlr. in Banknoten um, so waren es 1860 nur noch 35 Mio. Tlr. Staatspapiergeld gegenüber 126 Mio. Tlr. in Banknoten.27 Die freizügige Befriedigung der Kreditnachfrage durch die Ausgabe ungedeckter Noten einiger Kleinbanken führte 1857 zu einer Bankenliquiditätskrise und in Folge dessen zu einer Klärung, einem "Gesundschrumpfen" der Gesamtbanknotenmenge.28 Bis zur Gründung der Sächsischen Bank 1865 kam es dann zu keiner weiteren Notenbankneugründung. 29 Das Preisniveau blieb wegen des Produktionszuwachses, trotz der von 354 Mio. Tlr. im Jahr 1840 auf 992 Mio. Tlr. fast verdreifachten Gesamtgeldstückmenge im Jahr 1870, 30 im wesentlichen stabil. 31 Festzuhalten bleibt, daß die vormals so mißtrauisch betrachtete Papiergeldausgabe Mitte des 19. Jahrhunderts zur Voraussetzung von Geldwertstabilität und weiteren wirtschaftlichen Wachstums durch Vermeidung einer Deflationskrise wurde. Der Geldbedarf der Unternehmungen förderte zugleich die Akzeptanz papierener Zahlungsmittel. 32 Dabei hatten Banknoten gegenüber dem regelmäßig ungedeckten, aus dem Staatskredit geborenen und in der Vergangenheit oft in Mißkredit gefallenen Staatspapiergeld im Verkehr eine höhere Vertrauenswürdigkeit und dementsprechend bessere Utnlaufsfab.igkeit. 33 Gegenüber dem Metallgeld brachte die gesamte Papiergeldausgabe ein der Banknote, S. 17; Rinmann, Geldgeschichte, S. 586 ff.; Sprenger, Währungswesen, S. 68.

25 Sprenger, Währungswesen, S. 70. 26 Sprenger, Geldmengenänderungen S. 136, 142. 27

Sprenger, Geld der Deutschen, S. 173.

28 Sprenger, Geld der Deutschen, S. 175 f.; ders., Währungswesen, S. 71. Ein

abschreckendes Beispiel stellte die Kurhessische Leih- und Commerzbank zu Kassel dar. Sie wurde 1859 zahlungsunfähig. Ihre seit 1850 ausgegebenen Noten wurden 1864 nur zur Hälfte ihres Nennwerts vom Staat eingelöst; Rinmann, Geldgeschichte, s. 590. 29

Sprenger, Währungswesen, S. 72.

30 Sprenger, Geld der Deutschen, S. 179. 31 Born, Entwicklung der Banknote, S. 16; Sprenger, Geldmengenänderungen, S.

83 ff.

32 Born, Geld und Banken, S. 46; Henning, Wirtschafts- und Sozialgeschichte II,

s. 588.

33 Born, Geld und Banken, S. 46; Sprenger, Währungswesen, S. 63.

108

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

ungleich höheres Wertänderungsrisiko mit sich. Der Papiergeldmarkt war mindestens ebenso unüberschaubar wie die einzelnen Münzsorten. Insgesamt gab es 1865 in etwa 145 deutsche Papiergeldsorten unterschiedlicher Deckung, von denen 43 Sorten nachweislich gefälscht waren. 34 Im Gegensatz zum Münzgeld garantierte das Papiergeld keine Kaufkraft aus seinem Materialwert. Die bedeutenden Notenbanken und insbesondere die Preußische Bank standen zudem unter Leitung und Aufsicht der Staatsregierungen. 35 Die maßvolle Banknotenausgabe hing innerhalb - veränderlicher gesetzlicher Deckungsvorschriften vom stabilitätsorientierten Willen staatlicher Geldpolitik ab. Ob Banknoten über den Zahlungsmitteldienst hinaus bereits als Geld, das heißt auch als Wertmesser und Wertautbewahrungsmittel, im Verkehr anerkannt waren oder ob dazu nicht vielmehr nach wie vor allein das Münzgeld diente, darf deshalb bezweifelt werden. Dafür spricht nicht zuletzt auch das Selbstverständnis der Banken, wie es aus dem äußeren Erscheinungsbild ihrer Noten deutlich wird. Der Aufdruck beschränkte sich nicht auf die bloße Angabe einer bestimmten Nennwertgeldsumme, wie dies heute im wesentlichen der Fall ist, sondern es wurde ein Münzgeldzahlungsversprechen niedergeschrieben. Auf den Noten der Preußischen Bank war beispielsweise zu lesen: "FÜNFUNDZWANZIG THALER zahlt die Hauptbankkasse in Berlin ohne Legitimationsnachweis dem Einlieferet dieser Banknote". 36 Es wurde also nicht bestimmt, wieviel Geld die Banknote ist, sondern wieviel Geld man für sie bekommen soll. Gleichwohl erlangten die Banknoten eine wesentliche Bedeutung für den Auf- und Ausbau einer an den Bedürfnissen der Privatwirtschaft ausgerichteten Geld- und Kreditwirtschaft. Durch die Metalldeckung - unmittelbar an das Münzgeld gebunden - konnten sie als zinsloses Bankkreditmittel zur bankmäßig auf Gewinnerzielung gerichteten und flexibel marktorientierten Befriedigung der Geldnachfrage dienen und eine übermäßige Geldmengenvermehrung durch Gewährung nicht gewinnversprechender Darlehen grundsätzlich ausschließen. Im Verkehr waren Banknoten als ein das Metallgeld ergänzendes, vermittelndes und zudem be34 Rittmann,

Geldgeschichte, S. 583.

§ 41 PrBankO: "Die Bank bleibt unter die allgemeine Oberaufsicht des Staates gestellt" und § 45 PrBankO: "Sämmtliche Beamte der Bank bleiben für die treue und vorschriftsmäßige Ausführung der ihnen obliegenden Geschäfte, wie bisher, nur Uns verantwortlich und behalten alle Rechte und Pflichten unmittelbarer Staatsbeamten." Der vom König ernannte "Chef" der Bank (§ 48 PrBankO) war seit 1851 der preußische Ministerpräsident; Born, Geld und Banken, S. 30. 35

36 Zit. nach Born, Entwicklung der Banknote, S. 4. Zahlreiche weitere Formulierungsbeispiele gleichen Inhalts bei Kuntze, Inhaberpapiere, S. 485 in Fßn. 30. Anzuschauen sind einige Banknotenbeispiele bei Sprenger, Vom unbeliebten Zettel zum Zahlungsmittel, S. 283 ff.

4. Kap.: AnpassWlgsbedarf des Geldschuldrechts

109

quemeres Zahlungsmittel benötigt und nicht zuletzt auch deshalb anerkannt, weil es noch keinen leistungsfähigen Giroverkehr gab, so daß nur die umständliche Wechselzahlung als Alternative in Betracht kam, wenn man keine Münzen versenden wollte.

ll. Währungsrechtlicher Status Währungsrechtlich erlangte -mit Ausnahme der Banknoten der 1816 gegründeten Österreichischen Nationalbank, die 1841 in Österreich das Privileg erhielten, von Gesetzes wegen Geld zu sein, also zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt wurden37 - keine Banknote im Deutschen Bund den Status währungsgesetzlichen Geldes. 38 In § 33 PrBankO hieß es dazu ausdrücklich, daß im Privatverkehr "niemand zur Annahme" der Noten der Preußischen Bank "gezwungen" sein soll. Gleiches galt zumeist39 auch für das rein staatlich, nicht bankförmig organisiert ausgegebene Papiergeld.40 Der Umlauf des Papiergeldes und der Banknoten beruhte somit regelmäßig auf der freiwilligen Annahme durch denjeweiligen Geldgläubiger. Er sollte diese aber ebenso als Erfüllungsmittel einer Geldforderung, ohne für ihn nachteilige Folgen, zurückweisen und stattdessen Zahlung in Münzgeld verlangen können. Den Banknotenumlauf sicherte die Nennwertannahmepflicht des jeweiligen Ausstellers und - im Falle der Noten der Preußischen Bank - auch der Staatskassen (§§ 32, 33 PrBankO), sowie die Pflicht des Ausstellers, seine Geldscheine auf Verlangen des Inhabers zum Nennwert gegen Münzgeld einzulö37 Born, Entwicklung der Banknote, S. 11. Schließlich wurde in Österreich durch kaiserliches Patent vom 2. Juni 1848 gegenüber jedermann ein Annahmezwang der Noten zu ihrem Nennwert, ein damals sogenannter "Zwangskurs", verordnet; Krasnopolski, Österreichisches Obligationenrecht, S. 42. 38

Schremmer, Stabiles Geld, S. 19.

39 Eine Ausnahme bildete beispielsweise Baden, das 1855 für sein Staatspapiergeld die Annahme zum "Kasseokurs" allgemein vorschrieb; Rittmann, Geldgeschichte, S. 582.

40 Sprenger, Währungswesen, S. 74. Vgl. z.B. § 6 des Edikts über die preußischen Tresor- und Talerscheine (GS 1814, S. 83): "So lange als hiernach noch Tresor- und Talerscheine im Umlauf sind, können solche, außer den oben bestimmten Fällen, wo sie in Unsere Kassen gezahlt werden müssen, nur nach freier Uebereinkunft zwischen Geber und Empfänger in Zahlung gereicht werden." Diese Regelung wurde bestätigt durch§ 7 der Verordnung zur Realisation der Tresor- und Talerscheine (GS 1815, S. 17) und galt über § 2 der Kabinettsorder zur Einführung der Kassenanweisungen (GS 1824, S. 238) für diese entsprechend.

110

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

sen (§ 32 PrBankO). Die Einlösepflicht der Emittenten stellt den Kern der währungsrechtlich unselbständigen Stellung der Banknoten und auch des Staatspapiergeldes41 im Deutschen Bund dar. 42 Es blieb somit beim Metallwährungssystem. Die Ausbreitung des Papiergeldes um die Mitte des 19. Jahrhunderts war damit im wesentlichen eine rein quantitative Veränderung der Geldwirtschaft. Dies gilt hinsichtlich der Steigerung der Gesamtgeldmenge, sowie für den Bedeutungsgewinn des Papiergeldes im Verhältnis zum Metallgeld und innerhalb der Papiergeldmenge für die Abkehr vom reinen Staatspapiergeld und die Hinwendung zu Banknoten. Dem entsprach die währungsrechtliche Gleichstellung der Noten der Preußischen Bank mit dem Staatspapiergeld, indem diese Banknoten gemäߧ 34 PrBankO "keiner Vindikation oder Amortisation unterworfen" waren. Es mußte danach im Zahlungsverkehr weder geprüft werden, ob der Inhaber einer Banknote auch verfügungsberechtigt ist, noch mußten verlorengegangene Banknoten in einem Amortisationsverfahren durch die Preußische Bank für ungültig erklärt und ersetzt werden. 43 In dieser Hinsicht wurde dieses Papiergeld also "gleich dem baaren (Metall-)Gelde" (§ 34 PrBankO) behandelt. Durch die Allgleichung der preußischen Banknoten an den Status des Staatspapiergeldes erfolgte aber keine währungsrechtlich qualitative Änderung des Papiergeldes im Verhältnis zum Münzgeld. Nur in Ausnahmefällen hatte Papiergeld den Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels und damit des Währungsgeldes. In der Regel war es währungsrechtlich kein Geld. Daran änderte auch die strafrechtliche Gleichbehandlung von Banknoten- und Metallgeldfälschungen in der preußischen Bankordnung nichts, zumal dies nicht nur für Banknoten, sondern für alle möglichen Geldpapiere galt. 44 41

S.o. S. 29 in Fßn. 15.

Auch hierin wich Österreich von den übrigen Bundesstaaten ab. Durch das oben (S. 109 in Fßn. 37) genannte kaiserliche Patent von 1848 wurde gleichzeitig mit der Anordnung der Nennwertgeltung die Nationalbank von der Einlösungsverpflichtung ihrer Noten in Silbertnünzen befreit. Die durch kaiserliches Patent vom 30. August 1858- der Verpflichtung aus Art. 22 WienerMünzV entsprechend- erfolgte Wiedereinführung der Papiergeldeinlösepflicht in Österreich setzte bereits das kaiserliche Patent vom 29. April1859 wiederum aus; Krasnopolski, Österreichisches Obligationenrecht, S. 42, 44. 42

43 Zur Vindikation und Amortisation von Inhaberpapieren vgl. Savigny, Obligationenrecht II, S. 138 ff., 178 ff. Ein Amortisationsverfahren sah z.B. § 119 PrBankO für die ausgegebenen Bankaktien vor. 44 § 120 PrBankO: "Wer Bankantheilsscheine und Dividendenscheine (§ 10), Noten(§ 29), Depositalsebeine (§ 3) und Lombardpfandscheine der Bank, sowie die Obligationen und Interimsscheine, welche dieselbe für die bei ihr belegten Kapitalien

4. Kap.: Anpass\Dlgsbedarf des Geldschuldrechts

111

Banknoten und Staatspapiergeld waren somit weder gesellschaftlich noch währungsgesetzlich als Geld - im heutigen Verständnis dieses Begriffs - anerkannt. Das heißt nun aber keinesfalls, daß dieses damalige Papier-"geld" für das privatrechtliche Geldschuldverhältnis bedeutungslos war.

m. Privatrechtliches Integrationsbedürfnis Angesichts der zentralen Bedeutung, die das Papiergeld und besonders die Banknoten seit Mitte des 19. Jahrhunderts für die Anpassung der Geldmenge an das wirtschaftliche Wachstum einnahmen, war es aus ökonomischer Sicht notwendig, das Papiergeld im Zahlungsverkehr - soweit es im Wirtschaftsverkehr anerkannt war - dem Metallgeld rechtlich gleichzustellen. Weitgehend anerkannt war das Papiergeld als Zahlungsmittel. Es war nun die Aufgabe des Privatrechts, das Papiergeld auch rechtssicher als Zahlungsmittel funktionieren zu lassen. Nur dann blieb es in Umlauf und konnte erst damit seine gesamtökonomische Bedeutung entfalten. Ökonomisch gesehen ging es in der privatrechtliehen Geldtheorie nicht mehr allein darum, einen wertgesicherten Zahlungsverkehr zu gewährleisten. Vielmehr war es nun außerdem erforderlich, dabei das Papiergeld möglichst weitgehend rechtlich zu integrieren, obwohl es nicht den Status gesetzlichen Geldes hatte. Dabei kam erschwerend hinzu, daß die Papiergeldsorten - entsprechend der uneinheitlichen Ausgabevoraussetzungen - nicht in gleichem Umfang als ein das Metallgeld ersetzendes Zahlungsmittel im Verkehr anerkannt waren. Die Noten der Preußischen Bank fanden alsbald weite Verbreitung und flossen kaum zur Metalleinlösung zurück. 45 Diesen gegenüber liefen im Volksmund sogenannte "wilde" oder "bunte" Scheine -dazu zählten viele Staatspapiergeldsorten, aber unter anderem auch die Banknoten der Anhalt-Dessauischen Landesbank - häufig nur mit Risikoabschlag (Disagio) um.46

Für eine einheitliche Behandlung der verschiedenen Geldsorten und Geldarten im Privatrecht war es nicht zwingend erforderlich und - entsprechend dem damaligen währungsrechtlichen und ökonomischen Status von Banknoten und Staatspapiergeld - erst recht nicht geboten, diese als Geld qualitativ ausfertigt, verfälscht oder nachmacht, oder dergleichen verfälschte oder nachgemachte Papiere wissentlich verbreiten hilft, soll gleich demjenigen bestraft werden, welcher falsches Geld unter landesherrlichem Gepräge gemünzt oder verbreitet hat." 45

Sprenger, Geldmengenänderungen, S. 37.

Geldgeschichte, S. 581 f.; Sprenger, Währungswesen, S. 69; ders., Geld der Deutschen, S. 175. 46 Rittmann,

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2. Teil: Industrielle Expansionsphase

den Münzen gleichzustellen. Die Möglichkeit eines privatrechtlich gesicherten und einheitlichen Zahlungsverkehrs bot vielmehr ihr Geldwert. Als solcher konnte für das Papiergeld nicht der am Edelmetallgehalt gemessene Metallwert in Betracht kommen. Dem Papiergeld fehlt es gerade an dem dafür notwendigen "inneren" Materialeigenwert. Ebensowenig war der aus dem gesetzlichen Metallgehalt definierte Geldnennwert auf das Papiergeld anwendbar. Ferner konnte Nennwertgeltung für das Papiergeld nicht auf den staatlichen Geldstatus eines gesetzlichen Zahlungsmittels gestützt werden, da es in der Regel gerade das währungsrechtlich nicht war. Nur der Kurswert war auf das Papiergeld in seiner ganzen Vielfalt anwendbar. Soweit das Papiergeld in der privatrechtliehen Geldlehre bislang Erwähnung fand, stand dementsprechend die Geltung des Wechselkurswerts zu dem im Papier benannten Metallgeld für Papiergeldzahlungen unstreitig fest. Der Nennwert sollte für das Papiergeld nur dann gelten, wenn dies ausdrücklich vorgeschrieben worden war. 47 Einzig der Ansatz des Kurswertprinzips ermöglichte nun darüber hinaus eine gleichförmige Behandlung aller Metallund Papiergeldsorten im Privatrecht. Mit einer allgemeinen Kurswertanwendung wurde das Metallgeld privatrechtlich auf die Stufe des Papiergeldes geführt. Als Tauschkurswertprinzip ausformuliert, konnte dann nicht nur ein von der Geldpolitik, sondern auch vom währungsrechtlichen Status des Papiergeldes- soweit es nur freiwillig angenommen wurde- unabhängiger, einheitlicher und wertsicherer Zahlungsverkehr mit Metall- und Papiergeld auf privatrechtlichem Wege hergestellt werden. Dies war vor allem dazu geeignet, die gesellschaftliche Akzeptanz des gesamtwirtschaftlich benötigten Papiergeldes zu sichern. So gesehen liegt es nahe, daß der Bedeutungsgewinn des Papiergeldes im Klima privatwirtschaftlicher Expansion bei währungsrechtlich gleichbleiben-

dem Status und seinen bekannten Wertänderungsgefahren Savigny motiviert haben könnte, das Kurswertprinzip als praktikables Rechtsprinzip auszuformulieren und die Pandektenwissenschaft veranlaßte, sich diesem anzuschließen.

47 Göschen, Das gemeine Civilrecht II, S. 47; Hufeklnd, Rechtliche Natur der Geldschulden, S. 25 f .; Koch, Recht der Forderungen I, 1. Aufl., 1836, S. 48 f.; Luden, Darlehn, in: Weiske, Rechtslexikon III, S. 243; Mühlenbruch, Pandektenrecht II, S. 343.

5. Kap.: Kurswerttheorie von Savigny

113

5. Kapitel

Kurswerttheorie von Friedrich Carl v. Savigny Savignys schuldrechtliches Geld und Geldwertverständnis ist im ersten Band seines "Obligationenrecht als Theil des heutigen Römischen Rechts" von 1851 niedergelegt. 48 Dort formulierte er das von Hufeland angedeutete Kurswertprinzip mit ausfiih.rlicher eigener Begründung als Rechtsprinzip aus. Dabei knüpfte Savigny an die bereits im ersten Band seines 1840 erschienenen "System des heutigen römischen Rechts" betonte herausragende Bedeutung des Geldes für das Privatrecht an. 49 I. Bedeutung des Kurswertprinzips für das Geldschuldverhältnis Bevor Savignys Begründung des Kurswertprinzips, besonders im Hinblick auf seine ökonomischen Motivationen in bezug auf das Papiergeld, untersucht und eingeordnet werden soll, wollen wir zunächst den Inhalt seines Kurswerts feststellen und die bei Hufeland und Koch bemängelte Rechtspraktikabilität der Kurswertgeltung überprüfen.

1. Geldkurswert und Praktikabilität eines Kurswertprinzips Savigny verstand unter dem Kurswert den Wert, den der "allgemeine Glaube, also die öffentliche Meinung, irgend einer Art des Geldes beilegt". 50 Wenn eine Geldzahlung unter Berücksichtigung der nach Schuldentstehung eingetretenen Änderungen des Geldkurswerts erfolge, werde dem Geldgläubiger die "Vermögensmacht" 51 übertragen, die dem Wert seiner Forderung tatsächlich entspreche. 52 Savigny ging also davon aus, daß der

48

Savigny, Obligationenrecht I, S. 403-508.

4 9 Savigny,

System I, S. 376 f.

50 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 432.

Savigny hielt den von dem Ökonom J. G. HoffmiJnn, Lehre vom Gelde, S. 11 eingeführten Begriff der "Kaufmacht" des Geldes für zu eng, da Geld "auch die Macht, zu miethen, zu pachten, durch Darlehen Anspruch auf Zinsen zu erwerben, fremde Arbeit für uns zu gewinnen u.s.w." verleihe; Savigny, Obligationenrecht I, S. 406 in Fßn. (c). 51

52 Savigny, 8 Ott

Obligationenrecht I, S. 456.

114

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

Geldtauschwert durch den im Handelsverkehr gebildeten Kurswert korrekt wiedergegeben wird. Er sah den Kurswert als Tauschkurswert. Da der Kurswert als solcher allerdings örtlich und zeitlich "stärksten Veränderungen unterworfen" sei, könne dieser nur dann zur Grundlage von Rechtsregeln werden, wenn er auf "irgend ein Unwandelbares" zurückgeführt werde. Die erforderliche allgemeine Grundlage zur Messung des Kurswerts des Geldes sah Savigny im Wert des Währungsedelmetalls am Zahlungsort, seinerzeit also in der Regel im Silberpreis. 53 Er übersah dabei nicht, daß auch der Silber- und Goldwarenpreis Schwankungen unterlag. Savigny hielt dennoch den Edelmetallwert "in Vergleichung mit jeder anderen Waare", insbesondere mit den Getreidepreisen oder dem "Preis der Arbeit", für relativ stabil und damit am besten geeignet, die für ein allgemeines Tauschkurswertprinzip rechtspraktisch notwendige Tauschwertbemessungsgrundlage des Geldes darzustellen. 54 Er wich hierin von Hufeland ab, der den Getreidepreis gegenüber dem Geldpreis als allgemeines Tauschwertmaß bevorzugt und letztlich jedes allgemeine Tauschwertmaß als willkürlich abgelehnt hatte. Savigny stützte seine Auffassung auf neuere nationalökonomische Erkenntnisse von Johann Helferich und Karl Heinrich Rau. 55 Insbesondere seien die ohnehin nur langfristigen Änderungen des Edelmetallwerts "durch den in neuererZeitsichtbar gewordenen Gang des großen Welthandels immer mehr vermindert worden". 56 Am Beispiel des Papiergeldes erläuterte Savigny die Kurswertrechnung: Es sei zu ermitteln, wieviel "reines" Silber (bei Silberwährung) oder Gold (bei Goldwährung) durch die jeweilige Geldeinheit erworben werden kann. 57 Wenn das Geldschuldverhältnis über den Kurswert begründet werde, sei der Schuldner demnach verpflichtet, soviele Geldeinheiten zu leisten, daß es dem Gläubiger möglich ist, davon zum Zeitpunkt der Zahlung diejenige Edelmetallmenge zu erwerben, die bei Schuldentstehung durch die vereinbarte Schuldsumme von ihm hätte erworben werden können. 58

53 54

Savigny, Obligationenrecht I, S. 433. Savigny, Obligationenrecht I, S. 434.

Savigny, Obligationenrecht I, S. 435 in Fßn. (h) verwies auf He/ferich, Von den periodischen Schwankungen im Werth der edlen Metalle, Nürnberg 1843, S. 40, 46 f., 266 ff. und Rau, Lehrbuch der politischen Ökonomie, Bd. 1, Heidelberg 1826, §§ 169-178. 55

56

Savigny, Obligationenrecht I, S. 434 f.

57

Savigny, Obligationenrecht I, S. 433.

58

Savigny, Obligationenrecht I, S. 456 f.

5. Kap.: Kurswerttheorie von Savigny

115

Tatsächlich sei der aus dem Edelmetallpreis bestimmte Kurswert für jeden erkennbar - also auch für den Richter feststellbar. Savigny ging von dem "größte(n) Interesse" jedes Einzelnen aus, für den Geldwert "eine allgemeine Übereinstimmung zu fördern und sich derselben zu fügen". 59 Dahinter steht der Gedanke, daß jeder im Wirschaftsleben zugleich als Geldgläubiger und -Schuldner auftritt und deshalb Geld zu dem Wert nehmen will, zu dem er es wieder weggeben kann. 60 Die einzelnen Handelsinteressen werden zentralisiert an den Kaufmannsbörsen ausgeglichen. Ihnen schrieb Savigny deshalb die entscheidende Rolle für die Festsetzung des Edelmetallpreises und damit des jeweils aktuellen Geldkurswerts zu. Durch die "unglaubliche Vervielfaltigung und Beschleunigung des Verkehrs" mittels "Eisenbahnen, Telegraphen und Dampfschiffe(n)" habe sich durch die Börsen bereits weltweit eine "Gemeinschaft der Courswerthe des Geldes" entwickeln können. 61 Der Kurswert Savignys ist also ein auf die Veränderungen der Edelmetallpreise fixierter Tauschwert. Entwicklungsgeschichtlich kann dieser mit der Geldwertanhindung an den, wenn auch von der Geldsubstanz gelösten, Edelmetallwert als Fortbildung des Metallwerts verstanden werden. 62 Im Gegensatz zu den früheren Bestimmungsversuchen eines Tauschkurswerts definierte Savigny den Kurswert so genau und umfassend, daß nun auch seine prinzipielle Anwendung auf das Geldschuldverhältnis - begünstigt durch den fortschreitenden Börsenhandel und ganz erheblich verbesserte Kommunikationstechniken - rechtspraktikabel erschien.

2. Geltungsansprnch des Kurswerts Der Kurswert "als wahrer Maßstab für den Inhalt einer Geldschuld" stellte für Savigny "eine unmittelbare Folge aus der allgemeinen Natur des Geldes"

dar.63

59

Savigny, Obligationenrecht I, S. 435.

60 Savigny, 61

Obligationenrecht I, S. 407.

Savigny, Obligationenrecht I, S. 435. Hütter, Savignys Geldlehre, S. 74 ff., 77.

62 Vgl. 63

Savigny, Obligationenrecht I, S. 454.

116

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

a) "Allgemeine Natur" des Geldes und das Papiergeld im besonderen

aa) " Wirkliches" Geld Geld verleiht nach Savigny seinem Eigentümer konkrete Vermögensmacht "auf alle Gegenstände des freien privatrechtliehen Verkehrs" und stellt zugleich diese Macht abstrakt dar, indem es den Vermögenswert repräsentiert. 64 Geld kommt in seinem Rechtssystem die zentrale Bedeutung zu, die Willensherrschaft des Einzelnen über bestimmte Sachen oder Handlungen aus einem Rechtsverhältnis - also nach seinem Verständnis alle subjektiven Rechte/Pflichten und damit das Vermögen einer Person - in "reine Quantität von gleichartigem Gehalt" aufzulösen. 65 Geld ist für Savigny das Mittel, um jedes subjektive Recht in seinem Vermögenswert ausdrücken zu können, so daß es durch Geldersatz seinem Wert nach auch dann verwirklicht werden kann, wenn die Ausübung oder Erfüllung seines ursprünglichen Inhalts ausgeschlossen ist. Ohne die rein quantitative Behandlung des Vermögens sei deshalb "eine Handhabung des Rechts nur in sehr unvollkommener Weise möglich". 66 Diese Erkenntnis entnahm Savigny dem römischen Recht. 67 Im römischen Formularprozeß mußte jedes Leistungsurteil auf eine Geldsumme lauten - omnis condemnatio pecuniaria. 68 Materiell-rechtlich bedeutete dies, daß überhaupt nur geldwette - in Geld abschätzbare - Leistungen verlangt werden konnten. 69 Savigny schloß auf diesem Boden des römischen Rechts "Handlungen, für welche die Verwandlung in Geldsummen völlig undenkbar seyn würde", als Gegenstand des Obligationenrechts aus. 70 Aus dieser privatrechtssystematischen Bedeutung des Geldbegriffs folgte Savignys Betonung der allgemeinen Wertmesserfunktion des Geldes, ohne andere Geldfunktionen - etwa die Zahlungsmittelfunktion - überhaupt zu erwähnen. 71 Als allgemeiner Wertmesser habe das Geld allerdings nicht nur die "Function eines bloßen Werkzeuges zur Messung des Werthes der einzelnen Ver64 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 405 f.

65

Savigny, System I, S. 375 f.; ders., Obligationenrecht I, S. 405 ff.

66

Savigny, System I, S. 376.

67

Savigny, System I, S. 376 in Pßn. (k).

Kaser, Das römische Zivilprozeßrecht, S. 286 f .; ders., Das römische Privatrecht I, S. 499. 68

69

Kaser, Das römische Privatrecht I, S. 491.

70 Savigny,

System I, S. 377 f.

Savigny, Obligationenrecht I, S. 405; vgl. auch Kiejner, Geld und Geldschuld, S. 30, 38 und Hüner, Savignys Geldlehre, S. 24 ff. 71

5. Kap.: Kurswerttheorie von Savigny

117

mögensbestandteile", sondern "in einer zweiten und höheren Function" trage es den "von ihm gemessenen Werth selbst in sich". 72 Geld war damit für Savigny nicht nur Maßeinheit, sondern vor allem auch "selbständiger" Vermögenswertträger.73 Die privatrechtliche Bedeutung des Geldes, als Wertmesser und Wertträger alle subjektiven Rechte ihrem Vermögenswert nach behandeln zu können, kann nun aber für das von Savigny vorgeschlagene Kurswertprinzip nicht ausschlaggebend gewesen sein, da insoweit völlige Übereinstimmung zwischen ihm und Sintenis, der als einer der wenigen Privatrechtier auch nach Veröffentlichung von Savignys Kurswertlehre am Nennwertprinzip festhielt, 74 bestand. Die Wege trennten sich vielmehr bei der Frage, worauf diese für Savigny "fast geheimnisvolle Eigenschaft" des Geldes75 beruht. Savigny sah in der "Allgemeinheit der Anerkennung des Geldwerthes, also in dem allgemeinen Glauben, wodurch Jeder zu der Bereitwilligkeit bestimmt wird, das Geld in diesem Werthe anzunehmen, weil er weill, daß jeder Andere es von ihm in demselben Werthe wieder anzunehmen bereit seyn wird", die Grundlage für den Bestand von Geld. 76 Ebenso wie Hufeland, auf dessen Erkenntnisse Savigny an dieser Stelle neben den Ökonomen Johann G. Hoffmann und Karl H. Rau verwies, 77 verknüpfte er von vornherein den Geldbegriff mit dem Geldwert und hielt allein die allgemeine Anerkennung des Tauschwerts einer Sache, zunächst völlig unabhängig von ihrem Material, für entscheidend, damit etwas Geld ist. Hierin unterschied sich Savigny insbesondere von Puchta, für den nur das Metallgeldaufgrund seines "inneren" Materialeigenwerts als Geld anerkannt werden konnte. Gemeinsam mit Puchta, Koch und Hufeland war Savigny der Meinung, daß Geld durch sozial-ökonomische Anerkennung entsteht und der Staat diese Anerkennung "unmöglich erzwingen" könne. 78 Der Staatsgewalt komme lediglich die Aufgabe zu, die allgemeine Anerkennung auf das gesamte Staatsgebiet zu vermitteln, da diese "nie von selbst" über ein größeres Gebiet entstehen werde. 79 Danach oblag es dem Staat, 72 Savigny, 73

74 Sintenis,

75

Obligationenrecht I, S. 405.

Savigny, Obligationenrecht I, S. 406. Civilrecht II, S. 51 f.

Savigny, Obligationenrecht I, S. 406.

76 Savigny, 77 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 407. Obligationenrecht I, S. 407 in Fßn. (d) zitierte an dieser Stelle

Hoffmann, Lehre vom Gelde, S. 12; Hufeland, Staatswirthschaftskunst II, §§ 95, 98, 100, 113, 145 und Rau, Politische Ökonomie I, §§ 62, 127, 257. 78

Savigny, Obligationenrecht I, S. 407.

79 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 407.

118

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

Geld herzustellen. Es sei aber "ganz irrig" und könne nur zu "verderblichen Folgen" führen, anzunehmen, daß ,.der Staat durch Gesetz das Geld begründe und schaffe". Geld entstehe nur durch den Staat, "wenn und in soweit (!)

die öffentliche Meinung es als solches anerkennt".

80

Für Savigny war somit das gesamte staatliche Währungsrecht für sich genommen ohne jede Bedeutung für die tatsächliche und damit privatrechtliche Geldqualität einer Sache. Entscheidend war für ihn, daß etwas aus staatlicher Herstellung stammend als allgemeiner Wertmesser und selbständiger Vermögenswertträger im Verkehr tatsächlich funktionierte. 81 In diesen Funktionen sah Savigny Kurantmünzen als Geld: "Sobald aber der Verkehr einen etwas größeren Aufschwung nahm, wurden die zwei edlen Metalle, Silber und Gold, zur Grundlage des Geldwesens erhoben, und dieser Zustand hat sich seitdem durch alle Jahrhunderte und durch alle in Verbindung stehenden Völker erhalten." 82 Da beide Edelmetalle an einem Ort nicht in gleichem Umfang als Wertträger anerkannt sein könnten, vielmehr "das Preisverhältnis dieser Metalle als Waare einem steten Schwanken unterworfen" sei, müsse "eines derselben als Grundlage des Geldsystems angenommen werden, neben welchem das andere eine untergeordnete Stellung einnimmt". 83 In den deutschen Ländern sei dies fast ohne Ausnahme das Silber, so daß nur Silberkurantmünzen in vollem Umfang als Wertmesser und Wertträger dienten und damit "wirkliches" Geld seien. 84

80 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 408 (Hervorhebung im Original).

Zweifelhaft ist, ob hierin eine Parallele oder gar ein Anwendungsfall von Savignys Volksgeistlehre gesehen werden kann. In diese Richtung argumentiert Hütter, Savignys Geldlehre, S. 29 ff., indem er davon ausgeht, daß Savigny die Begriffe "öffentliche Meinung" und "Volksgeist" synonym verwendete. Kiefn.er, Geld und Geldschuld, S. 40 in Fßn. 57 hält dies zu Recht für abwegig und sieht stattdessen eine "soziologische Komponente" in der Rechtslehre Savignys. Eine Parallele zwischen Geldentstehung aus der ,.öffentlichen Meinung" und Rechtsentstehung aus dem Volksgeist und durch die den Volksgeist zu erkennen berufenen Juristen ist insofern augenscheinlich, als das Recht und das Geld jedenfalls nicht durch den Staat entstehen. Während nun aber für Savigny die Juristen das Recht ermitteln, bestimmen die Wirtschaftenden selbst, was und in welchem Umfang etwas Geld ist. Die Juristen haben Geld als sozial-ökonomische Tatsache im Recht zu behandeln. Einer juristischen Vermittlung des Geldes bedarf es für Savigny gerade nicht. Sein "Volksgeist" gibt deshalb für seine Geldtheorie nichts her. 81

82

Savigny, Obligationenrecht I, S. 409.

83

Savigny, Obligationenrecht I, S. 411 f.

84

Savigny, Obligationenrecht I, S. 412 f.

5. Kap.: Kurswerttheorie von Savigny

119

bb) Zeichengeld Daneben verstand Savigny aber nicht nur die vorhandenen Goldmünzen, sondern auch Scheidemünzen und vor allem das Papiergeld im privatrechtliehen Sinne als Geld - wenn auch im Verhältnis zu den Kurantmünzen des Währungssystems nicht als gleichrangiges Geld. Scheidemünzen aus Kupfer und Papiergeld seien bloßes "Zeichengeld", "welches das wirkliche (Edelmetall-)Geld nur vorstellt, indem man ihm die Bezeichnung irgend einer Zahl von Thalem, Gulden u. s. w. willkürlich giebt". Dies geschehe durch eine "von der Regierung ausgehende Veranstaltung". 85 Die Anerkennung von Papiergeld im Verkehr beruhe "ganz besonders" auf dem "Vertrauen in die Regierung", Papiergeld "durch irgend eine Anstalt" jederzeit in Metallgeld umtauschen zu können. 86 Papiergeld habe deshalb immer "die Natur einer wahren, eigentlichen Staatsschuld". Zugleich sei es aber gerade dazu bestimmt "als wahres (!) Geld zu dienen und wirkt auch in der Tat so". 87 Als solches Papiergeld sah Savigny namentlich die preußischen Kassenanweisungen.ss Während Papiergeld, jedenfalls in Form des Staatspapiergeldes, für Savigny also Geld war, waren es Inhaberpapiere nicht. Dabei hätten Inhaber- "Geldpapiere" mit dem Papiergeld manche Ähnlichkeit: "Sie lauten auf bestimmte Geldsummen, sie sind meist auch (!) auf jeden Inhaber gerichtet, sie sind, gleich dem Gelde, einem Course( ... ) unterworfen". 89 Zunächst unterschied Savigny das Papiergeld von den Geldpapieren nach der ökonomischen Zweckbestimmung des Papiers. Während Papiergeld als allgemeiner Wertmesser und Vermögenswertrepräsentant funktioniere, seien Inhaberpapiere nur dazu bestimmt, "auf der einen Seite Geldsummen für be85

Savigny, Obligationenrecht I, S. 413 ff.

86

Savigny, Obligationenrecht I, S. 413.

87

Savigny, Obligationenrecht I, S. 414.

88

Savigny, Obligationenrecht I, S. 414 in Fßn. (o), S. 498 in Fßn. (t), (u).

89 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 496 f. Nicht wenige Juristen wollten deshalb auch Inhaberpapiere grundsätzlich als Papiergeld ansehen. Für sie war aber vom Standpunkt der metallischen Nennwerttheorie ausgehend das Papiergeld kein Geld, da es mangels eines Metallgehalts der Nennwertgeltung prinzipiell nicht zugänglich sei; Souchay, Natur der auf jeden Inhaber lautenden Verschreibungen, in: AcP 10 (1827), S. 152 f.; ders., Inhalt einer Geldschuld, Zeitschr. f. Civilrecht und Prozeß 9 (1851), S. 350 f. Dagegen so wie Savigny bereits Gönner, Staatsschulden, S. 172 ff.: "Von diesen Staatspapieren oder Staatseffecten ist das Papiergeld (Banknoten, Bankassignationen, Einlösscheine, Papierrubel u. dgl.) so wesentlich verschieden, wie Geld von Forderung."

120

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

stimmte Zwecke zusammen zu bringen, auf der anderen Seite als zinstragende Kapitalanlagen zu dienen". 90 Während nun "in dem Gelde, auch dem Papiergeld (!), das Vermögensrecht und der Werth sich vollständig verkörpert" ,91 hätten Inhaberpapiere "keinen Werth für sich". Sie seien "bloße Schuldscheine", das heißt "Beweis-Urkunden über Obligationen". 92 Für Savigny waren Inhaberpapiere nur "Urkunden über solche Forderungen, welche nicht von einer bestimmten, einzelnen Person geltend gemacht werden können, sondern vielmehr von Jedem, der in einem gewissen Verhältnis zu der Urkunde steht" .93 Dem steht ein dinglicher Geldbegriff Savignys gegenüber. Nur eine Sache und nicht eine Forderung konnte einen Vermögenswert selbständig "verkörpern", wie er es für das Geld voraussetzte. Nach seinem Verständnis von den Inhaberpapieren hatten diese als Sache gesehen aber keinen eigenen Wert, sondern ihr Wert war vom Bestand der dem Papier zugrunde liegenden Forderung abhängig. Deshalb waren sie für Savigny kein selbständiger Wertträger und damit kein Geld. Als Inhaberpapiere verstand Savigny danach Privatpfandbriefe, Aktien, Seefrachtversicherungspolicen und InhaberwechseL 94

cc) Banknoten Eine Abgrenzung des Papiergeldes von Inhabergeldpapieren gestaltete sich vor allem im Fall der Staatsschuldverschreibungen und Banknoten problematisch. Seinem Geldverständnis entsprechend waren Staatsschuldverschreibungen nicht etwa deshalb kein Geld, weil sie keinen "Zwangscours" hatten und daher nicht von Gesetzes wegen als Geld galten, sondern weil sie weder die Bestimmung hatten, als allgemeiner Wertmesser umzulaufen, noch "als Träger einer nach allen Seiten hin wirkenden Vermögensmacht" dienten. 95 An dieser Stelle betonte Savigny nochmals, daß ein gesetzlicher "Zwangscours" nicht zum "Wesen" des Geldes gehöre, sondern nur "zufällig" - durch staatliche Willkür - mit ihm zusammenfallen könne. Savigny vertiefte seine öko90

Savigny, Obligationenrecht I, S. 497.

91

Savigny, Obligationenrecht II, S. 116.

92

Savigny, Obligationenrecht II, S. 179.

93

Savigny, Obligationenrecht II, S. 93.

Savigny, Obligationenrecht II, S. 104, 106 f., 111, 112 f. Savigny , Obligationenrecht I, S. 496 f. ; ders., Obligationenrecht 11, S. 115 f., auch im folgenden. Vgl. stattdessen heute§ 935 11 BGB. 94

95

5. Kap.: Kurswerttheorie von Savigny

121

nomische Argumentation: "Bei den Staatsobligationen ist ein schwunghafter Umlauf (durch Kauf und Verkauf) meist ein Zeichen eines krankhaften Zustandes, indem ein gesunder Zustand dahin führt, daß sie in festen Händen bleiben, und gleichen Cours behalten. Bei dem Gelde dagegen führt der natürliche und gesunde Zustand auf einen steten und raschen Umlauf, und es ist stets ein schlimmes Zeichen, wenn es von Einzelnen in größeren Massen aufbewahrt, oder gar vergraben und eingemauert wird". 96 Vor dem Hintergrund dieser Argumentation befürwortete Savigny den Ausschluß der Vindikation gegen den redlichen Geldbesitzer, auch wenn die Geldscheine von irgendeinem Vorbesitzer gestohlen worden waren. 97 Demgegenüber wollte Savigny diese seiner Meinung nach zugunsten des schnellen Geldumlaufs in Kauf zu nehmende "Begünstigung der Diebe" für die Inhaberpapiere gerade nicht zulassen. 98 Uneinheitlich fiel bei'Savigny die rechtliche Qualifizierung von Banknoten aus. Er ordnete ohne weiteres die Banknoten der Österreichischen Nationalbank dem Papiergeld99 und die Banknoten des Berliner Kassenvereins den Inhaberpapieren zu. 100 Über die Rechtsqualität anderer Banknoten und insbesondere über die Noten der Preußischen Bank verlor er kein Wort. Bekannt waren sie ihm nicht zuletzt dadurch, daß er in seiner Zeit im preußischen Staatsministerium die preußische Bankordnung von 1846 mitunterzeichnete. 101 Legen wir Savignys Geldverständnis zugrunde, so mußte er die Noten der Preußischen Bank als Papiergeld und nicht nur als Geldpapiere verstehen. Bei ihnen ergab sich der Anspruch auf Metallgeldzahlung selbständig aus dem Bestand des Papiers. Die Banknote war nicht nur Urkunde über eine bestehende Forderung, sondern die Forderung entstand erst durch das Papier und war von dessen Existenz als Sache abhängig. Dies galt für alle diejenigen Banknoten, die- wie im Fall der Noten der Preußischen Bank- von der für die Inhaberpapiere von Savigny befürworteten102 Amortisation und Vindikation ausdrücklich befreit worden waren und insoweit "gleich dem haaren Gelde" (§ 34 PrBankO) behandelt werden sollten. Die Forderung auf Metallgeld ging mit dem Verlust des Papiers unter. Es traf also gerade auch auf 96 Savigny,

Obligationenrecht II, S. 117 in Fßn. (n).

97 Savigny,

Obligationenrecht II, S. 169 f.

98

Savigny, Obligationenrecht II, S. 172 ff.

99 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 438, 446.

100 Savigny, 101

Obligationenrecht II, S. 127 in Fßn. (f), 134 in Fßn. (f).

GS 1846, S. 462.

102 Savigny,

Obligationenrecht II, S. 138 ff., 178 ff.

122

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

diese Banknoten zu, wenn Savigny über das Papiergeld im Unterschied zum Inhaberpapier meinte: "Wenn Papiergeld im Meere untergeht, so ist der Verlust eben so unersetzlich, wie bei dem Untergang von Metallgeld". 103

Auch diese Banknoten hatten also wie das Staatspapiergeld einen selbständigen Vermögenswert als Sache, wenn auch nicht aus ihrem Material. Insoweit entsprachen allerdings auch die Noten der Bank des Berliner Kassenvereins dem Geldverständnis Savignys, denn auch sie waren nach § 16 der Statuten der Bank des Berliner Kassenvereins (StatBKV) von der Amortisation und Vindikation ausdrücklich befreit worden. 104 Warum der Statutengeber bei ihnen dennoch auf den Zusatz, daß sie gleich dem Bargeld zu behandeln seien, verzichtete, mußte also andere Gründe gehabt haben, die sogleich zur Sprache kommen. Tatsächlich genossen die preußischen Banknoten sogar eine höhere Umlaufsfähigkeit als das reine Staatspapiergeld und wurden auch zu diesem Zweck und nicht etwa zur verzinslichen Kapitalanlage ausgegeben. Sie standen insoweit der Geldqualität des Staatspapiergeldes in nichts nach. Hierbei sei jedoch angemerkt, daß die Nichtverzinsung von Banknoten für Savigny zwar Indiz, aber kein entscheidendes Kriterium für ihre Geldqualität war. Auch bloße Inhaberpapiere könnten unverzinslich in Umlauf kommen, wenn "schwunghafte Handelsgeschäfte vorkommen, zu welchen das gerade umlaufende Geld nicht ausreicht". Als Beispiel nannte Savigny aber nicht die Banknote, sondern den Inhaberwechsel. 105 Unabhängig davon, welche Banknoten er nun als Geld verstand und welche nicht, hatte er jedenfalls die gesamtwirtschaftliche Bedeutung aller Banknoten für die Befriedigung des Geldbedarfs der privaten Wirtschaft und ihren tatsächlichen Umlauf als Metallgeldersatz klar erkannt. Welche Banknoten Savigny (privat-)rechtlich als Papiergeld ansah, hing entscheidend davon ab, ob die jeweilige Banknote durch eine "von der Regierung ausgehende Veranstaltung" ausgegeben wurde, wie dies Savigny für das Papiergeld voraussetzte. Denkbar ist, daß er dafür die staatliche Ermächtigung zur Banknotenausgabe für ausreichend hielt. Dagegen spricht allerdings, daß auch die Ausgabe bloßer Inhaberpapiere, zum Beispiel von Aktien, in Preußen seit 1833 einer staatlichen Genehmigung bedurfte. Savigny befürwortete dies vom "Standpunkt unseren gemeinen Rechts" aus und hielt ohne staatliche Genehmigung ausgegebene Inhaberpapiere für 103 Savigny, 104 Vom

Obligationenrecht II, S. 179.

15. April1850, GS 1850, S. 301.

105 Savigny,

Obligationenrecht II, S. 125.

5. Kap.: KW'SWerttheorie von Savigny

123

rechtsunwirksam. 106 Sein Hauptargument hatte aber nichts mit den römischen Rechtsquellen zu tun, sondern "durch solche, von Privatpersonen (!), ausgehende Papiere kann das Geldwesen des Staats empfmdliche Störungen erleiden, und insbesondere kann dem Staat der V ortheil vermindert werden, auf welchen er durch das Papiergeld (so weit dazu wahres Bedürfnis vorhanden ist) ausschließenden Anspruch hat" - "obgleich jene Papiere in der That nicht Geld sind, so können sie doch auf den Geldmarkt(!) in ganz ähnlicher Weise einwirken". 107

Es war für Savigny Aufgabe des Staates, Geld herzustellen und den Geldbedarf abzudecken. Eine unkontrollierte private Schattengeldwirtschaft mit Inhaberpapieren lag nicht in seinem hier deutlich werdenden Interesse an einer auf Wertstabilität ausgerichteten Geldordnung. Umgekehrt war deshalb für Savigny Papiergeld immer auch "Staatsschuld... Dies ist bei Banknoten einer zur Notenausgabe nur ermächtigten, im übrigen aber reinen Privatbank, als vom Staat vollkommen unabhängiger Gesellschaft undenkbar. Genau hierin lag nun der für Savigny ausschlaggebende Unterschied zwischen der Österreichischen Nationalbank und der Bank des Berliner Kassenvereins. Während die Österreichische Nationalbank eine staatliche Anstalt war, war die Bank des Berliner Kassenvereins ein "Privatverein... 108 Der für die Österreichischen Noten geltende Nennwertzwang konnte für ihn kein maßgebliches Kriterium für ihre Geldqualität gewesen sein, wie spätestens bei seiner rechtlichen Qualifizierung der Staatsschuldverschreibungen deutlich wurde. Gleiches gilt auch für den währungsrechtlichen Status der Österreichischen Banknoten, gesetzliche Zahlungsmittel zu sein, und die Aufhebung der Metallgeldeinlösepflicht Ansonsten hätte Savigny die preußischen Kassenanweisungen nicht als Papiergeld ansehen können, da diese, genauso wie die Noten der Preußischen Bank, währungsgesetzlich im Privatverkehr nicht als Geld angenommen werden brauchten und auf Verlangen des Inhabers jederzeit von der ausgebenden Stelle in Metallgeld eingelöst werden mußten. Was nun die Preußische Bank anbelangt, war diese ebenso wie die Österreichische Nationalbank eine staatliche Einrichtung, wenn auch zu überwiegenden Kapitalanteilen in privaten Händen. Dafür sprach nicht nur, daß ihre Existenz von der Initiative der preußischen Regierung ausging und sie öffentlich-rechtlich gegründet wurde. Damals war ihre öffentlich-rechtliche, dem Gemeinwohl verpflichtende Zweckbestimmung in dem bereits oben wieder106

Savigny, Obligationenrecht II, S. 122 f., 126 f.

107

Savigny, Obligationenrecht II, S. 126.

108 Savigny,

Obligationenrecht II, S. 127 in Fßn. (f); vgl. auch StatBKV vor§ 1.

124

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

gegebenen § 1 PrBankO wesentlich. Nur im Rahmen dieser Zweckbestimmung war sie auch auf Gewinnerzielung ausgerichtet(§§ 17, 18, 36-38, 65, 95 PrBankO). Obwohl § 1 der Statuten der Bank des Berliner Kassenvereins oberflächlich betrachtet mit § 1 PrBankO übereinstimmt, zeigen sich doch feine, aber wesentliche Unterschiede. So führe diese Bank die "Firma" Bank des Berliner Kassenvereins. Sie betrieb also ein privates Handelsgewerbe. Ihr fehlte dagegen die Zweckbestimmung der Preußischen Bank als Zentralnotenbank, auf die Zinshöhe Einfluß zu nehmen. Während somit die Bank des Berliner Kassenvereins nur das Recht erhielt, Banknoten auszugeben, war die Preußische Bank zugleich - soweit das Gemeinwohl dies erforderte - dazu öffentlich-rechtlich verpflichtet. Außerdem wurde die Preußische Bank von Staatsbeamten geleitet und beaufsichtigt (§§ 41,45 PrBankO). Das private Einlagekapital diente lediglich zur Finanzierung der Notenausgabe. Die Geldpolitik der Preußischen Bank blieb weiterhin Teil der Staatsverwaltung. Die Bank des Berliner Kassenvereins unterlag demgegenüber nur der allgemeinen Oberaufsicht des Staates (§ 20 S. 1 Stat BKV). Die Noten der Preußischen Bank konnten aber vor allem auch deshalb als "Staatsschuld" angesehen werden, weil sie im Gegensatz zu den Noten des Berliner Kassenvereins (§ 16 Stat BKV) von allen staatlichen Kassen zum vollen Nennwert angenommen werden mußten. Diese erheblichen Unterschiede zwischen der Preußischen Bank und der Bank des Berliner Kassenvereins münden in die Feststellung des § 20 S. 2 StatBKV: "Der Staat ist für die Operationen der Bank (des Berliner Kassenvereins) nicht verantwortlich."

Davon konnte für die Preußische Bank keine Rede sein. Für ihre Verbindlichkeiten haftete, wenn der aus den erwirtschafteten Gewinnen gebildete Reservefonds (§ 18 PrBankO) und die Verwertung des eingeschlossenen Kapitals zur Gläubigerbefriedigung nicht ausreichte, der Staat durch eine vom preußischen König übernommene "Spezialgarantie" (§§ 20, 21 PrBankO in Verbindung mit § 1 BankverkehrsV0109 ). Letztere noch für die königliche Bank getroffene Regelung, die über die §§ 20, 21 PrBankO auf "sämmtliche Verbindlichkeiten" der Preußischen Bank, mithin auch auf die Metalleinlösung ihrer Noten ausgedehnt wurde, lautete: "Sämmtliche, seit dem Wiederanfange des Bankoverkehrs im Jahre 1810 bei der Hauptbank zu Berlin (... ) neu belegte Kapitalien, über welche Obligationen( ... ) ausgestellt worden, so wie alle diejenigen Kapitalien, welche von jetzt ab bei der Hauptbank und deren Komtoirs femerweitig belegt werden, erkennen Wir 109

VO wegen des Verkehrs mit der Bank vom 3. April1815, GS 1815, S. 30.

5. Kap.: Kurswerttheorie von Savigny

125

als wahre Staatsschulden (!) an, und ertheilen Unser königliches Wort, daß dieselben nach dem wörtlichen Inhalt der darüber ausgestellten Obligationen verzinset, auch ohne jede Widerrede oder Zögerung jederzeit in der dargeliehenen Münzsorte zurückgezahlt werden sollen."

Vieles sprach also dafür, die Preußische Bank als eine "von der Regierung ausgehende Veranstaltung" und ihre Banknoten damit nach Savignys Geldbegriff als Papiergeld anzusehen. Letzte Gewißheit darüber, ob Savigny die Preußische Bank als staatliche Einrichtung und damit ihre Banknoten als Papiergeld ansah, werden wir aber nicht erlangen können. Über die öffentlichrechtliche oder privatrechtliche Natur der Preußischen Bank und der ihr nachgebildeten späteren Reichsbank bestand Streit. 110 Am 20. Oktober 1862 erklärte das Berliner Stadtgericht die Preußische Bank zu einer privatrechtliehen Aktiengesellschaft. Es stützte dies vor allem auf die aus den genannten Regelungen der PrBankO deutlich werdende Gewinnerzielungsabsicht. Dagegen spiele die private Kapitalbeteiligung keine Rolle, wenn nachgewiesen werden könne, daß die Bank nur zum Gemeinwohl tätig ist. 111 Diese Entscheidung wurde sogleich am 20. Dezember 1862 duch das Kammergericht revidiert. Aus § 1 PrBankO müsse anerkannt werden, daß die Bank ausschließlich im öffentlichen Interesse Handelsgeschäfte betreibt. Sie sei deshalb keine privatrechtliche Handelsgesellschaft. 112 Savigny wollte in diesem aufkeimenden Streit sichtlich keine Stellung beziehen. Der Grund hierfür mag darin gesehen werden können, daß er davon ausging, solange der "gegenwärtige normale Zustand" des wohlgeordneten preußischen Papiergeldwesens bestehe, ein diesbezüglicher "Rechtsstreit nicht vorkommen" könne113 - er also keine rechtspraktische Notwendigkeit zur genauen Erörterung der preußischen Papiergeldsorten sah. Auch war für ihn zum Zeitpunk seines "Obligationenrechts" (1851153) die zentrale Bedeutung, die gerade die noch im Experimentierstadium stehenden Banknoten künftig für die Geldverhältnisse einnehmen sollten, so noch nicht absehbar. Zu Beginn der fünfzigerJahredes 19. Jahrhunderts bis zum Höhepunkt der Notenbankengründungswelle um das Jahr 1855 und die Aufhebung der gesetzlichen Kontingentierung der Banknotenausgabemenge der Preußischen Bank 1856 überwog noch deutlich das Staatspapiergeld in der Gesamtpapiergeldmenge.

llO Beutler, 111

Reichsbank, S. 24 ff., 102 ff. m.w.N.

Zit. nach Beutler, Reichsbank, S. 27, 103.

112 Zit.

nach Beutler, Reichsbank, S. 105.

113 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 499.

126

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

Soviel ist aber sicher: Wenn überhaupt, dann war nur über Savignys - auf sozial-ökonomische Anerkennung ausgerichteten und vom Materialwert gelösten - Geldbegriff die privatrechtliche Einordnung der Banknoten als (Papier-)geld möglich, solange sie bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts kein gesetzliches Zahlungsmittel waren. Es bleibt festzuhalten, daß Savignys Geldverständnis nicht daran anknüpfte, was kraft Gesetzes als Geld genommen werden mußte, sondern alle Sachen, die aus staatlicher Herstellung im Verkehr als Geld funktionierten, umfaßte. Dabei unterschied er zwei Arten Geldes. Nur Kurantmünzen des jeweils am Zahlungsort vorherrschenden und währungsrechtlich vermittelten Geldsystems erfüllten aus seiner Sicht in vollkommener Weise im Verkehr die Funktion eines allgemeinen Wertmessers und Wertträgers. Nur sie seien daher "wirkliches" Geld. Die Warenpreise würden nach ihrem Edelmetallwert bestimmt. 114 Damit ist nun auch klar, warum Savigny seinen Geldkurswert gerade aus ihrem Metallwert in bezug auf alle anderen Geldsorten und Geldarten bestimmte. Neben dem wirklichen Geld gab es aber auch "Zeichengeld", das insoweit als Geld funktionierte, als sich im Verkehr eine allgemeine Meinung über die Eintauschbarkeil in das Edelmetall der Kurantmünzen gebildet hat. So waren für Savigny Scheidemünzen und Papiergeld zu ihrem Kurswert Geld im privatrechtliehen Sinne. Ohne Klassifizierung blieben am Zahlungsort kursierende Münzen aus anderen Staaten und Goldmünzen. Diese stellten zu den Währungsmünzen des Zahlungsorts auch kein artverschiedenes Geld dar, sondern waren nur andere Geldsorten. Zweifellos waren sie deshalb von Savignys privatrechtliehen Geldverständnis umfaßt, insofern sie, wie das "Zeichengeld", in das Währungsedelmetall des Zahlungsortes getauscht werden konnten. Mit dem Kurswert zur Bestimmung des Geldwerts im Schuldverhältnis konnte das Geldschuldrecht für die damalige Zeit verkehrsnah von Savigny zu einem logischen System geschlossen werden. Am Anfang steht die tatsächliche Anerkennung einer staatlich hergestellten Sache als Geld im Wirtschaftsverkehr. Erst dann kann Geld seine Wertmesserfunktionen auch im Recht erfüllen. Nur der im täglichen Verkehr gebildete Kurswert gibt nach Savignys Überzeugung den Umfang der Anerkennung der jeweils als Geld umlaufenden Sache wieder. Der Kurswert erhält daher durch seine prinzipielle schuldrechtliche Geltung die sozial-ökonomische Anerkennung einer Sache als Geld, die nur dann wiederum privatrechtlich als solches gelten kann. In Verbindung mit Savignys Geldverständnis wird so in der Tat "die Realität und Wichtigkeit des Courswerts von selbst einleuchtend" . 115 114

Savigny, Obligationenrecht I, S. 462.

11 5

Savigny, Obligationenrecht I, S. 432.

5. Kap.: Kurswerttheorie von Savigny

127

Demgegenüber schaffe die staatliche Anordnung der Nennwertgeltung einen "künstlichen, gewaltsamen Zustand des Geldwesens". 116 b) Ablehnung der Nenn- und Metallwertgeltung Über die rechtssystematische Bedeutung hinaus beanspruchte Savigny auch rechtspolitisch die Geltung des Kurswerts im Geldschuldverhältnis. Besonders deutlich wird dies bei seiner Ablehnung des Nenn- und Metallwerts als Grundlage einer privatrechtlich akzeptablen Geldwertbestimmung. Vorab sei aber festgestellt, daß Savigny eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung der schuldrechtlichen Nenn- oder Metallwertgeltung respektierte. Jedes Gesetz habe Anspruch auf unbedingte Befolgung durch den Richter, auch wenn dieser den Inhalt für "tadelnswerth, hart und ungerecht" hält. 117 Das heißt aber gerade nicht, daß Savigny diese Gesetze für richtig hielt. Ihm kam es vielmehr darauf an, bei fehlenden oder auslegungsbedürftigen gesetzlichen Regelungen für den Richter und im Hinblick auf künftige gesetzliche Regelungen das "richtige" Recht zu ermitteln. Er machte ausdrücklich die Frage, was "dem Gesetzgeber zu rathen" 118 sei, zum Ziel seiner Untersuchung. Für die Rechtsfindung war für ihn die Auslegung des regelmäßigen Parteiwillens entscheidend. 119 Insoweit konnte er methodisch auf dem Boden des Rechts bleiben. Der Geltung des Metallwertes standen für Savigny zwei Gründe entgegen. Zum ersten sei die Anwendung des metallischen Substanzwerts auf das Münzgeld beschränkt. Papiergeld sei aber tatsächlich in "ungeheuerem Umfang" vorhanden. 120 Daraus folge das Verkehrsbedürfnis, "einen Grundsatz aufzusuchen von so allgemeiner Natur, daß er auf jede Art des Geldes gleichmäßig angewendet werden" kann. 121 Der Metallwertgrundsatz sei stattdessen "einseitig und unzureichend für den gegenwärtigen Zustand unseres gesammten Geldwesens". 122

116 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 449.

117 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 445.

118 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 448.

119 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 441.

120 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 426, 452.

121

Savigny, Obligationenrecht I, S. 453.

122 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 453.

128

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

Zum zweiten könne an sich nur bei der Darlehensgeldschuld an den Metallwert angeknüpft werden, wobei der Geldschuldner dasselbe Metallgewicht zurückzugeben hat, das er erhalten hatte. Dagegen versage dies beispielsweise schon beim Kauf, sofern nicht eine bestimmte Anzahl einer bestimmten Münzsorte als Kaufpreis vereinbart wurde, was dann aber keine Geldschuld als solche, daß heißt als Summenschuld, mehr sei. 123 Dieses zweite Argument gegen ein Metallgewichtsprinzip ging freilich ins Leere. Wie wir gesehen haben, bestimmte Puchta das zu leistende Edelmetallgewicht einer Geldsummenverpflichtung aus dem Edelmetallgehalt der bei Schuldbegründung benannten Rechnungsmünzen. Diese Verpflichtung konnte sodann mit allen umlaufenden Münzen erfüllt werden. Wir können also die Unbrauchbarkeit des Metallgewichtsprinzips für das Papiergeld als entscheidendes Argument Savignys festhalten. Er hielt unterdessen die "Folgen" bei prinzipieller Geltung des Metallwertes im Vergleich zur Nennwertgeltung für "ungleich weniger gefahrlich" für die Erhaltung der ökonomischen und rechtlichen Funktionsfähigkeit des Geldes. 124 Was besonders an der Nennwertgeltung für Savigny das "Gefahrliche" war, erhellen seine gegen diese vorgetragenen Argumente. (1.) Der Nennwert sei im Gegensatz zum Metallwert zwar auf alle Geldarten anwendbar, die Gewalt des Münzherrn sei aber auf das jeweilige Staatsgebiet beschränkt. 125 Der Nennwert könne daher keine Wertgrundlage für alle tatsächlich kursierenden Geldsorten bilden. Vielmehr hemme und verwirre dessen Anordnung den internationalen Wirtschaftsverkehr. 126 Die Nennwertgeltung gleiche, der Intention des Staates nach, einen Teil seiner Ausgaben durch sie zu decken, einer "Einkommenssteuer". Dieses Recht des Staates bestehe aber nicht gegenüber ausländischen Staatsgläubigem. Diese könnten deshalb auch nicht gezwungen werden, das aus ihrer Sicht ausländische Geld zum innerstaatlichen Nennwert anzunehmen. 127 Unübersehbar ist die politische Brisanz dieser Ausführungen Savignys im preußisch-österreichischen Dualismus durch die kurz zuvor in Österreich angeordnete und von Savigny gerade dort scharf kritisierte128 Nennwertgeltung. Entscheidend war aber, daß die von ihm gewünschte und nach seiner Überzeugung dem Verkehrsbedürfnis entsprechende, einheitliche Behandlung des in-, aus123 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 453 f.

124 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 454.

125 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 424, 448 f.

126 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 449.

127

Savigny, Obligationenrecht I, S. 451.

128 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 438 f., 446 f.

5. Kap.: Kurswerttheorie von Savigny

129

ländischen Metall- und Papiergeldes auch nicht durch den Nennwertgrundsatz erreicht werden konnte. (2.) Entgegen der Ansicht von Pfeiffer sei auch innerhalb eines Staates die Macht des Gesetzgebers über das Geldwesen beschränkt. Nach Anordnung der Nennwertgeltung vollziehe sich die Preisbildung für die dann vorgenommenen Geschäfte dennoch entsprechend dem Verkehrswert des Geldes. 129 Wenn der Nennwert einer bestimmten Geldart oder -sorte über ihrem im Verkehr akzeptierten Wert liegt, so erkannte Savigny, daß am Markt von selbst eine Anpassung der Preise, in diesem Fall eine Preiserhöhung, vorgenommen wird. Niemand könne zum Verkauf seiner Waren für eine bestimmte Nennwertsumme Geld gezwungen werden. Vielmehr sei für den Einzelnen allein der Geldtauschwert entscheidend, so daß er dementsprechend auch den Preis für seine Waren kalkuliert und den Tausch lieber unterläßt, wenn er den kalkulierten Gegenwert nicht bekommt. 130 Die "allermeisten Lebensverhältnisse" entzögen sich daher "unvermeidlich" ohnehin einem staatlich angeordneten Nennwertzwang. 131 (3.) Nur für die vor Nennwertanordnung entstandenen Geldschulden könne der Gesetzgeber überhaupt seine Macht durchsetzen. In diesem Fall müsse sich der Geldgläubiger gefallen lassen, daß er bei Zahlungen zum Nennwert für das erhaltene Geld "nur noch halb so viel Getreide kaufen kann, als er hätte kaufen können" . 132 Damit wirke die Nennwertgeltung einseitig zu Lasten der Gläubiger älterer Geldschulden. Dies lasse keinen Zweifel an der "Härte und Ungerechtigkeit" derartiger Regelungen zu. 133 An diesen Ausführungen Savignys wird deutlich, daß für ihn die langfristige Geldwertsicherung im privatrechtliehen Zahlungsverkehr weit weniger im Vordergrund stand, als es der erste Anschein seines Kurswertprinzips aus heutiger Sicht vielleicht vermuten lassen könnte. Savigny war vielmehr der Überzeugung, daß sich die bei Nennwertgeltung entstehenden Nachteile für die nach dessen Anordnung vorgenommenen Geschäfte zwischen den Beteiligten weitgehend ausgleichen, da sich die von ihm vorausgesetzte freie Preisbildung sowieso nach dem jeweiligen Geldtauschwert richtet und jeder im Wirtschaftsleben zugleich als Geldgläubiger und -schuldner auftritt. Er stützte seine Argumentation hier134 gerade nicht auf die nach 129 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 449.

130 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 449 f.

131 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 449.

132 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 450.

133 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 450.

134 Vgl. 90tt

ferner Savigny, Obligationenrecht I, S. 462 f.

130

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

Nennwertanordnung begründeten Geldschuldverhältnisse und die dann bei langfristigen Verträgen durch Geldentwertung eintretenden VermögenswertnachteHe für die Geldgläubiger. Vielmehr bezog er sich nur auf die vor Nennwertanordnung begründeten Geldschuldverhältnisse, also auf die Geldgläubiger, die keine Gelegenheit hatten, ihre Preise entsprechend ihrer künftigen Geldwerterwartung bei Nennwertgeltung zu kalkulieren. Die von Savigny gewählten Beispielsfälle zeigen sein eigentliches Hauptanliegen. Es ging stets um die Einführung eines Papiergeldes zum Nennwertzwangskurs, das bei gleichem Nennbetrag im Verhältnis zum Metallgeld weniger Tauschwert hat. 135 Es kam ihm also in erster Linie darauf an, im Privatrecht für das Papiergeld zu einer verkehrs- und interessengerechten Behandlung im Verhältnis zum Metallgeld zu gelangen, was seiner Meinung nach durch einen bestehenden Nennwertzwang verhindert wird. Auch für die Ablehnung des Nennwertprinzips rückte so das Papiergeld in das Zentrum von Savignys Argumentation. (4.) Savigny kritisierte im übrigen die soziale Ungerechtigkeit der Nennwertgeltung. Es sei zwar nicht die Absicht des Staates, "eine Classe der Unterthanen auf Kosten der anderen zu bereichern". Gerade so wirke aber die Nennwertgeltung. Auch wenn der staatliche Gewinn durch die Anordnung eines höheren Nenn- als Verkehrswertes im Inland "durch das Recht der Besteuerung gerechtfertigt" erscheine, so sei es ungerecht, eine Einkommenssteuer "einseitig auf die Kapitalisten, Beamten und Pensionäre zu legen" . 136 (5.) Ohne dies weiter auszuführen, führe die Nennwertgeltung schließlich zur "allgemeine(n) Erschütterung des Rechtsgefühls". Diese moralische Wirkung verdiene besondere Berücksichtigung.137

Nach alledem meinte Savigny, daß es dem wirklichen Willen der Vertragsparteien entspreche, "bei Beurtheilung ihrer auf Geld gerichteten Obligationen die Regel des Courswerthes eintreten zu lassen" . 138 Was sich hier in Savignys Obligationenrecht findet, geht aber weit über ein rechtliches Auslegungsergebnis hinaus, wie dies Kiefner annimmt. 139 Vielmehr erhob Savigny die rechtspolitische Forderung, die Kurswertgeltung - ihrer Bedeutung im und für den Wirtschaftsverkehr entsprechend - gesetzlich zu fixieren: "Der Gesetzgeber soll also entweder gar Nichts über die Geldschulden bestimmen, und Alles dem Ermessen des Richters überlassen( ...) oder er soll sich auf 135 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 449 f.

136 Savigny, Obligationenrecht I, S. 450 f.

137 Savigny, Obligationenrecht I, S. 451. 138

Savigny, Obligationenrecht I, S. 461.

139 Kiefner,

Geld und Geldschuld, S. 42.

5. Kap.: Kurswerttheorie von Savigny

131

die Aufstellung der allgemeinsten, unbedenklichsten Grundsätze beschränken, wohin namentlich die Anerkennung des Courswerthes als Grundlage der Entscheidung über Geldschulden gehört, in welcher Gestalt man übrigens diese Anerkennung aussprechen möge, um sie nicht allzu abstract erscheinen zu lassen." 140 Ausdrücklich verneinte er die Frage, ob "dem Gesetzgeber zu rathen" sei, den Nennwert anzuordnen. 141 Eine Trennung von Rechtswissenschaft und Rechtspolitik ist nicht zu sehen. Savigny forderte in seinem "Obligationenrecht" seine rechtswissenschaftliehen Erkenntnisse unmittelbar rechtspolitisch ein.

3. Gerichtliche Anwendung Bei fehlender gesetzlicher Anordnung der Nenn- oder Kurswertgeltung sollte der Kurswert richterlich angewendet werden, sofern keine andere Parteivereinbarung ausdrücklich getroffen wurde. 142 Eine Geldforderung war auch für Savigny, in Übereinstimmung mit der sich in der Rechtslehre durchgesetzten Auffassung, nicht auf die Leistung bestimmter Geldstücke (Sach-, Warenschuld) gerichtet, sondern auf die Übertragung der vereinbarten Geldsumme. 143 Es stehe den Parteien indes frei, andere Vereinbarungen zu treffen. 144 Savigny ging davon aus, daß für die Vertragsparteien allein der durch das Geld erhaltene, respektive verlorene, Vermögenswert entscheidend ist.1 45 Geldschuld war gerade für Savigny Realwertverschaffungsschuld, die mit allen tatsächlich kursierenden Geldarten und Geldsorten erfüllt werden konnte. Dementsprechend sei der wirkliche Wille der Parteien bei der Geldsummenschuld auf die Verschaffung der realen Vermögensmacht des Geldes, sprich den Geldtauschwert, gerichtet. 146 Die Höhe der zu leistenden Geldsumme sollte nach ihrem Geldwert in bezugauf die dadurch verschaffte Vermögensmacht bestimmt werden. Diesen Geldwert sah Savigny im jeweiligen Kurswert gegeben. 140 Savigny, Obligationenrecht I, S. 493. 141 Savigny, Obligationenrecht I, S. 448. 142 Savigny, Obligationenrecht I, S. 448, 461. 143 Savigny, Obligationenrecht I. S. 399, 463 f. 144 Savigny. Obligationenrecht I, S. 461 , 464. 145 Savigny, Obligationenrecht I, S. 441, 462. 146 Savigny, Obligationenrecht I, S. 456, 461.

132

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

Wenn also keine ausdrücklich anders lautende gesetzliche Regelung oder Parteivereinbarung vorlag, war für Savigny der an die börsenmäßig festgestellten Preisänderungen des Währungsedelmetalls gebundene Tauschwert maßgeblich für die Geldleistungsverpflichtung. Die zu leistende Geldsumme sollte gerichtlich nach den tatsächlichen Wertänderungen des Geldes in bezug auf das jeweilige Währungsedelmetall des Zahlungsortes festgestellt werden. ll. Ökonomische Wirkungsrichtung und Motivation Bevor wir aus dem Vorangegangenen versuchen werden, Savignys ökonomische Motivationen zu extrahieren und die ökonomische Wirkungsrichtung seines Kurswertprinzips einzuordnen, wollen wir ihn zuerst diesbezüglich nochmals selbst zu Worte kommen lassen. Die Unzulänglichkeit der römischen Rechtsquellen begründete Savigny nämlich damit, daß den Römern "zwei der wichtigsten Elemente unseres Geldwesens" völlig unbekannt gewesen seien: "das Papiergeld, und der ausgebreitete Weltverkehr, durch welchen der Courswerth allererst seine bestimmte und wichtige Bedeutung erhält" . 147 Genau diese beiden in enger Verbindung zueinander stehenden ökonomischen Entwicklungen, die Ausbreitung des Papiergeldgebrauchs und der expandierende Wirtschaftsverkehr, bestimmten seine gesamte schuldrechtliche Geldlehre.

1. Markteinheit durch Vereinheitlichung der Geldwertbestimmung Savigny suchte gezielt nach einem allgemein anwendbaren Grundsatz für die rechtliche Behandlung der Geldschuldverhältnisse, um damit einem danach bestehenden Verkehrsbedürfnis nachzukommen. Dies betraf zum einen die ausländischen und sonstige zu den Währungsmünzen im Inland parallel kursierende Geldsorten und zum anderen das zum Metallgeld artverschiedene Papiergeld. a) Geldsortenintegration und Internationalisierung der Wirtschaft Der Hauptgrund für die Ablehnung der Nennwerttheorie war für Savigny ihre beschränkte Anwendbarkeit auf die nur innerhalb eines Staates gesetzlich bestehende Geldsorte (Währung). 147 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 469.

5. Kap.: Kurswerttheorie von Savigny

133

Mit der Kurswertgeltung schlug er deshalb eine auf alle Währungen privatrechdich einheitlich anwendbare Wertbestimmung vor. Diese war geeignet, die von Savigny bei Nennwertanordnung beklagten internationalen Handelshemmnisse abzuwenden. Durch die Bindung des für die Geldverbindlichkeit maßgeblichen Geldwerts an die wirkliche Preisentwicklung der Edelmetalle konnte das Geldentwertungsrisiko für den Geldgläubiger gerade im internationalen Wirtschaftsverkehr begrenzt und dem Risiko im Inlandsverkehr angeglichen werden. Dies entsprach in dem territorialstaatlich zersplitterten Deutschen Bund den Expansionsbedürfnissen der Privatwirtschaft. Der industrielle Produktionszuwachs erforderte zunehmend die Verbesserung überregionaler Absatzchancen. Dazu war ein einheitliches Geldwesen notwendige Voraussetzung. Die zwischenstaatlichen währungsrechtlichen Harmonisierungsbemühungen waren noch weit von einer einheitlichen Währung entfernt. Deshalb konnte Savigny einzig die Vereinheitlichung der Wertbestimmung als Ausweg im Interesse des internationalen Freihandels erscheinen. Savigny schwebte dabei sogar die Vorstellung einer weltweit einheitlichen Geldordnung vor. Diese sah er nur auf Grundlage der "Gemeinschaft der Courswerte" erreichbar. Marktwirtschaftlich gesprochen ging es ihm dabei um die Herstellung eines von Staatsgrenzen unabhängigen einheitlieben Geldmarktes. Ausdrücklieb lehnte er die merkantilistische Wirtschaftsvorstellung ab, andere Staaten als ökonomische Feinde des eigenen Staates anzusehen und den eigenen Wohlstand auf Kosten ausländischer Staaten fördern zu wollen. Zwischenstaatliche Handelshemmnisse, wozu er die Nennwertgeltung zählte, wirkten für Savigny "zum größten Nachteil beider (!) Theile" . 148 Unter dem konkreten Gesichtspunkt des internationalen Freihandels fand hier eine wirtschaftsliberale Grundforderung in Savignys Geldschuldrecht Berücksichtigung. Seine Geldlehre entsprach dem gesamtwirtschaftlichen Bedürfnis nach Ausweitung des privatwirtschaftliehen Güteraustauschs über staatliche Grenzen hinaus. Indem Savigny die Förderung der internationalen Geldwirtschaft ausdrücklich zur Begründung seiner Geldlehre heranzog, zielte er auch bewußt auf diese gesamtökonomische Folge. b) Geldartenintegration und Geldbedarf Ebenso wie bei der Nennwerttheorie war für Savigny der entscheidende Grund für seine ablehnende Haltung gegenüber der Metallwerttheorie ihre nur beschränkte Anwendbarkeit. Die Metallwerttheorie Puchtas war nament14 8 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 449.

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

134

lieh nicht auf das Papiergeld anwendbar, da sie metallische Geldsubstanz als Wertgrundlage voraussetzte. Sie war daher nicht geeignet, die "wichtige Thatsache", daß Papiergeld in beträchtlicher Menge vorhanden ist, prinzipiell zu berücksichtigen. 149 Einen auf alle Geldsorten und -arten einheitlich anwendbaren Grundsatz der rechtlichen Geldwertbehandlung versprach nur der Tauschkurswert. Dabei war das Verhältnis von Savigny zum Papiergeld durchaus zwiespältig. Einerseits war es für ihn kein wirkliches Geld, sondern nur "Zeichengeld", das an sich von Willkür geprägt das eigentliche Münzgeld nur vorstelle. Andererseits sei es aber gerade dazu bestimmt, "als wahres Geld" zu dienen und könne dies auch in "sehr bequemer und vorteilhafter Weise" . 150 Mit dem Begriff des "Zeichengeldes" konnte Savigny sowohl der von ihm auch so gewollten währungsrechtlichen Ausklammerung des Papiergeldes Rechnung tragen als auch gleichzeitig dessen privatrechtliehe Integration betreiben. Es ist deshalb auch kein Widerspruch, wenn Savigny an einer Stelle das Papiergeld nicht nur als "Zeichengeld", sondern ausdrücklich als Geld bezeichnete. 151 Entgegen Hütter152 war Papiergeld für Savigny zu seinem Kurswert Geld im privatrechtliehen Sinne. Mit der privatrechtliehen Papiergeldintegration entsprach Savigny dem Bedürfnis des wachsenden Wirtschaftsverkehrs nach ausreichender Geldversorgung. Wirtschaftlich diente die Papiergeldintegration der Ausweitung des Geldmarktes. Ob ihn allerdings dieses Bedürfnis zur Papiergeldintegration bewegte, ist zweifelhaft. Zwar sah Savigny den Zweck der Papiergeldausgabe in der Vermehrung der "Masse des Geldes als Mittel zum Verkehr" . 153 Den Vorteil des Papiergeldes sah er aber gesamtwirtschaftlich nicht in der Geldmengenvermehrung, sondern in der Praktikabilität für jeden Einzelnen, "größere Summen leichter umher zu tragen, zu versenden und aufzubewahren" . 154 Nur negativ hielt er es für notwendig, die Papiergeldmenge auf das Bedürfnis des Geldumlaufs zu beschränken. 155 Deshalb ist es wahrscheinlicher, daß Savigny das Integrationsbedürfnis allein in der tatsächlich vorhandenen Anerkennung des Papiergeldes als von ihm sogenanntes Zeichengeld im Wirtschaftsverkehr sah, ohne damit auch konkret das gesamt-

149 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 452.

150 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 414.

151 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 439.

152

Hüner, Savignys Geldlehre, S. 60 ff.

153 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 413.

154 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 414.

155 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 413.

5. Kap.: Kurswerttheorie von Savigny

135

ökonomische Ziel der Geldmengenerhöhung zu verfolgen. Ausschlaggebend hierfür war ein anderer gesamtwirtschaftlicher Aspekt, die Geldwertstabilität

2. Geldwertstabilität Als weitere gesamtökonomische Wirkungsrichtung der Geldlehre Savignys ist die Erhaltung der Geldwertstabilität anzuführen. Dieses Problems war sich Savigny vollkommen bewußt. So beschrieb er den "gesunden" Idealzustand des Geldwesens in der Übereinstimmung des Nenn-, Kurs- und Metallwerts für das Münzgeld und der ersten beiden für das Papiergeld. 156 Wenn es zu bedeutenden Abweichungen von diesem Zustand komme, so werde dies nicht "ohne nachteilige Einwirkung auf den Verkehr und auf das Vermögen der Einzelnen bleiben" . 157 Als besonders nachteilige Folge führte Savigny das "Greshantsche Gesetz" an, nach dem bei unterschiedlich wertvollen Geldsorten oder -arten das wertvollere "gute" Geld dem Verkehr durch Hortung oder Abwanderung entzogen werde und die Warenpreise entsprechend dem umlaufenden geringerwertigen Geld in die Höhe getrieben werden. 158 Um dies zu vermeiden, bedurfte es einer einheitlichen und möglichst stabilen Wertgrundlage des Geldes. Dazu grenzte Savigny den Tauschwert auf die Preisänderungen des Währungsedelmetalls ein. Der Warenwert der Edelmetalle war für ihn die einzige relativ rechtssichere Möglichkeit zur Anwendung des Tauschwerts. Am Beispiel der französischen Assignaten und der Österreichischen "Zettel" demonstrierte Savigny dann die besonders großen Stabilitätsrisiken der Papiergeldausgabe, die beide Länder in die Nähe eines "Staats-Bankerottes" getrieben habe. 159 Deshalb führte er die geldpolitischen Bedingungen, unter denen das Papiergeld durchaus sinnvolle Dienste leisten kann, ausdrücklich an. 160 Die Wertstabilität von Papiergeld gründe auf dem "Vertrauen zu der Regierung". Um dieses zu fördern, müsse vor allem die "Masse des Papiergeldes auf ein gehöriges Maß, bestimmt durch das vorhandene Bedürfnis des Geldumlaufs" beschränkt werden. Savigny folgte damit für das Papiergeld dem Quantitätszusammenhang der Geldwertstabilität. Zu dessen Verwirklichung forderte er für alle öffentlichen Kassen einen Papiergeldan156

Savigny, Obligationenrecht I, S. 436.

157

Savigny, Obligationenrecht I, S. 436.

158 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 436.

159 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 437 ff.

160 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 413 f.

136

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

nahmezwang. Savigny machte zwar keine ausdrücklichen Angaben zur Deckung der Papiergeldausgabe. Er verlangte aber nicht weniger als daß der Umtausch der Geldscheine in Metallgeld "jederzeit" sichergestellt sein müsse. 161 Dies setzt genau genommen, im Gegensatz zum "Banking-Prinzip", eine einhundert prozentige Deckung der Papiergeldausgabe durch Edelmetall ("Currency-Prinzip") 162 voraus. Es findet danach nur ein Austausch von Metall gegen Papier statt, ohne die Gesamtgeldmenge auf Dauer zu verändern. Genau diese von der Preußischen Bank in dieser Zeit auch betriebene Geldpolitik bevorzugte offenbar Savigny. So erklärt sich nun auch Savignys Ansicht, im Papiergeldgebrauch volkswirtschaftlich zwar praktische Vorteile, aber keine Notwendigkeit zur Geldmengenerhöhung zu erblicken. Savignys überaus kritische Haltung gegenüber dem Papiergeld tritt hier offen zu Tage. Nur in den engen Grenzen des Currency-Prinzips und schuldrechtlicher Kurswertgeltung konnte er diesem auch positive, praktische Seiten abgewinnen. Festzuhalten ist somit, daß Savigny durchaus um die Erhaltung der Geldwertstabilität bei Kurswertgeltung bemüht war. Nichtsdestoweniger war seine Geldlehre gerade in dieser Hinsicht aus nationalökonomischer Sicht kritikanfällig. 163 Seinem Geldverständnis entsprechend wird bei ihm die Stabilität und Bedeutung der staatlichen Währung vernachlässigt. 164 Die geldpolitische Erhaltung der Geldwertstabilität erscheint bei der Übertragung des realen Geldwertes in die Geldverbindlichkeit von untergeordneter Bedeutung, da der Geldgläubiger unabhängig von Geldwertänderungen den realen Vermögenswert bekommen soll. Dies kann ein Mißtrauen in die Stabilität des Währungsgeldes und in Folge dessen seinen Wertverfall fördern. Überdies gilt der Quantitätszusammenhang nicht nur für das Papiergeld, sondern für die gesamte Geldmenge. Savigny bezog die Geldwertstabilität aber nicht auf die quantitative Ausgabe des Kurantmünzgeldes, so daß dort eine Stabilitätslücke in seiner Geldlehre bestand. Diese salt er allein durch die relative Wertsicherheit der Edelmetalle abgedeckt. Insofern blieb er dem Metallismus und dem Münzgeldsystem verhaftet. Gerade subjektiv erwartete er aber damit Geldwertstabilität.

16 1 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 413.

162 Zum

Banking- und Currency-Prinzip s. Born, Banking-Theorie, CurrencyTheorie, in: North, Von Aktie bis Zoll, S. 40; 76 f. Die langandauernden Auseinandersetzungen um beide Prinzipien in England stellt ausführlich Winkel, Geldtheorie, S. 10 ff. dar. 163 Vgl.

z.B. Knies, Geld, S. 313 ff.

164 Vgl.

Windscheid/Kipp, Pandekten II, 9. Aufl., 1906, S. 49 Pßn. 17.

5. Kap.: Kurswerttheorie von Savigny

137

3. Liberalisierung des Geldwesens In ökonomischer Gesamtsicht ist die wirtschaftsliberale Tendenz von Savignys Geldlehre unverkennbar. Diese tritt noch wesentlich deutlicher hervor als etwa bei Puchta. Savigny legte das Geldwesen - abgesehen von der Geldherstellung - insgesamt in die Hände der Wirtschaftenden. Nicht nur, daß er - wie schon Puchta - die allgemeine Anerkennung der Edelmetalle im Wirtschaftsverkehr zur historisch, mit der Entwicklung des arbeitsteiligen Güteraustauschs, entstandenen Grundlage des Geldwesens erklärte. 165 Savigny erhob darüber hinaus die wirtschaftliche Geldwertbildung am Markt zur Grundvoraussetzung für rechtliches Geld und vor allem auch den Umfang der rechtlichen Geldqualität einer Sache. Demgegenüber wies er dem Staat nur eine unterstützende und vermittelnde Aufgabe für die Entstehung und den Bestand von Geld zu. Die Geldwertfestsetzung erfolge dagegen durch die Börsen. Dementsprechend mußte er die privatrechtliche Geldordnung nur als konsequente rechtliche Sicherung der privaten Geldwirtschaft verstehen. Seiner Überzeugung nach konnte nur die Geltung des Tauschkurswerts im Geldschuldrecht die ökonomische und erst dann auch rechtliche Funktionsfähigkeit des Geldes sicherstellen und deshalb die Grundlage der Geldleistungsverpflichtung bilden. Die Brücke zwischen Wirtschaft und Recht schlug Savigny mit der rechtsgeschäftlichen Willensauslegung der Vertragsparteien. 166 Dabei kam, verpackt in rechtliche Auslegungsterminologien, Savignys rechtspolitische Forderung nach privater Wirtschaftsautonomie und Marktwirtschaft im Geldwesen zum Ausdruck. Nicht ohne Grund setzte die noch genau zu erörternde spätere Kritik von Gustav Hartmann an Savignys Geldlehre daran an, daß "bei diesem Berührungspunkte von Nationalökonomie und Jurisprudenz gar zu leicht einem allgemeinen (!) Zuge der Zeit gemäß nationalökonomische Begriffe und Gesichtspunkte auf das Rechtsgebiet übertragen und ohne Weiteres als juristische behandelt werden" . 167 Nur allzu bezeichnend für den auf Wirtschaftsliberalisierung gerichteten "Zeitgeist" ist Savignys Besorgnis um die Störung der sozialen Gerechtigkeit für "Kapitalisten" durch willkürliche, "eigenmächtige" Eingriffe der Staatsgewalt in das freie Wirtschaftsleben - als nichts anderes sah er die Anordnung eines Nennwertzwangs für das Geld. 168 165

Savigny, Obligationenrecht I, S. 409.

166 Savigny, 167

Obligationenrecht I, S. 441, 461.

Hartmann, Begriff des Geldes, S. 2.

168 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 447.

138

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

Mit seinem Kurswertprinzip bemühte sich Savigny um die Befriedigung privatwirtschaftlicher Bedürfnisse, konkret, um die Papiergeldintegration und den internationalen Geldverkehr. Auch Geldwertstabilität wurde von Savigny bei Kurswertgeltung erwartet. Deshalb ist die bereits von Hütter aufgeworfene aber letztlich unbeantwortet gebliebene Frage, ob Savignys Lösung eine wirtschaftliche sei, ohne verbleibende Zweifel zu bejahen. 169 Angesichts seines ökonomischen Sachverstands und der wirtschaftlichen Fundamentierung seiner Geldlehre erübrigen sich fast weitere Ausführungen zu Savignys ökonomischen Zweckbewußtsein. Dieses wird aber nicht zuletzt durch seine Anlehnung an die nationalökonomischen Erkenntnisse seiner Zeit bekräftigt.

4. Anlehnung an Nationalökonomen Savigny stützte seine Ausführungen nicht auf frühere juristische Darstellungen. Die hier im ersten Hauptteil erörterten privatrechtliehen Geld- und Geldwerttheorien wurden von ihm in einem gesonderten Abschnitt nur kurz zusammengestellt. 170 Ebensowenig beruhte seine Geldlehre auf einer Auslegung der kodifizierten Rechtsquellen. Savigny stellte am Ende seiner Ausführungen lediglich fest, daß den Pandekten und dem kanonischen Recht jedenfalls keine vom Kurswertprinzip abweichenden Regelungen zu entnehmen seien. 171 Die von Savigny ohnehin abgelehnten Naturrechtskodifikationen172 tadelte er, soweit sie, wie insbesondere der Code civil, mit seinem Kurswertgrundsatz nicht in Einklang zu bringen waren. 173 Stattdessen suchte Savigny an den Weichenstellungen für seinen Geld- und Geldwertbegriff betont den Anschluß an die nationalökonomischen Erkenntnisse seiner Zeit. Ausdrücklich empfahl er Johann Helferich (1817-1892), Johann Gottfried Hoffmann (1765-1847) und Gottlieb Hufelmul zur Lektüre. 174 Savigny zitierte außerdem ausgiebig Karl Heinrich Rau ( 1792-

169 Hüner, Savignys Geldlehre, S. 107. 170 Savigny, Obligationenrecht, S. 477-481. 171 Savigny, Obligationenrecht I, S. 469 ff., 476. 172 Sie seien "nämlich sämtlich aus demjenigen Zustand juristischer Bildung hervorgegangen, für welchen oben die Fähigkeit zur Verfertigung eines guten Gesetzbuchs verneint worden ist", Savigny, Beruf, S. 54. 173 Savigny, Obligationenrecht I, S. 482 ff. (zum ALR), 502 ff. (zum Code civil), 506 ff. (zum ABGB). 174 Savigny, Obligationenrecht I, S. 404.

5. Kap.: Kurswerttheorie von Savigny

139

1870). 175 Aus der Berliner Universität und dem preußischen Staatsrat dürfte Savigny wenigstens mit Hoffmann auch persönlich bekannt gewesen sein. 176 Dessen 1838 erschienene "Lehre vom Gelde, als Anleitung zu gründlichen Urteilen über das Geldwesen" bezeichnete Savigny als "vortreffliche" Darstellung.177 Von Hufelands Geldlehre war Savigny so begeistert, daß er dessen Sohn veranlaßte, das bis dahin unveröffentlicht gebliebene Rechtsgutachten "Über die Entscheidung der durch die Herabwürdigung der Bankozettel in Tyrol entstandenen Rechtsstreitigkeiten" herauszugeben. 178 Ohne Übertreibung wird man sagen können, daß Savigny die Erkenntnisse der damals führenden und einflußreichen Köpfe der deutschen Geld- und Wirtschaftstheorie heranzog. Sie sind alle der in Deutschland rezipierten und fortentwickelten Freihandelslehre Adam Smiths zuzurechnen. Dies gilt vor allem auch für Rau, der zwar zu Beginn seiner Karriere merkantilistische Anschauungen verteidigte und insbesondere noch in seiner Schrift "Ueber die Aufhebung des Zunftwesens" von 1816 als "entschiedener Gegner" der Gewerbefreiheit auftrat. 179 Die von Savigny verwerteten ersten zwei Bände seines "Lehrbuchs der politischen Oekonomie" (1826/28) verdanken ihre Bedeutung, "mehr als ein Menschenalter hindurch ( ... ) in Deutschland die maßgebende Darstellung der Materie" gewesen zu sein, aber der dieses Werk durchdringenden gewandelten, nun wirtschaftsliberalen Gesinnung Raus. 180 Raus "Politische Ökonomie" konnte deshalb bis 1869 achtmal aufgelegt werden und wurde in acht Sprachen übersetzt. Der Grund für seinen Sinneswandel wird in seiner Erschließung der ausländischen, vor allem englischsprachigen Literatur, gesehen. 181 Während Rau erst nachträglicher Anhänger der Freihandelslehre Smiths wurde, erhielt Hoffmann in seiner Königsherger Studienzeit von Christion

175 Savigny, Obligationenrecht I, S. 407 Fßn. d, 410 Fßn. (i), 411 Fßn. (m), 414 Fßn. (o) u.s.w.

176 Kiefner,

Geld und Geldschuld, S. 34 f.

177 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 406 in Fßn. c.

178

Savigny, Obligationenrecht I, S. 480.

179 Meitzel,

Karl Heinrich Rau, in: HdWStW VI, 4. Aufl., 1925, S. 1171; Leser, Karl Heinrich Rau, in: ADB 27 (1888), S. 383; Rascher, Nationalökonomik, S. 847 ff. 180 Leser,

ebd., S. 384; vgl. auch Winkel, Nationalökonomie, S. 20 f.

Leser, ebd., S. 382. Rau gab u.a. 1821 eine Übersetzung von J.B. Say heraus; Meitzel, ebd., S. 1172. 181

140

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

Jacob Kraus (1753-1807) von Anfang an eine wirtschaftsliberale Prägung} 82

Hoffmann gehörte "hinter den Kulissen", neben seiner Tätigkeit als Nachfolger von Kraus auf dem Lehrstuhl für Philosophie und Staatswissenschaft in Königsberg und seit 1810 in gleicher Funktion in Berlin, zu den führenden freihändlerischen Kräften der preußischen Wirtschaftsreformen. 183 Seit 1808 im preußischen Staatsrat tätig und als Direktor des Preußischen Statistischen Büros stand er in engem Kontakt zu Hardenberg, der Hoffmann nicht ohne Vertrauen auch als Diplomaten beim Wiener Kongreß einsetzte, ihn vor allem aber als Ratgeber für schwierige wirtschaftsrechtliche Gesetzgebungsvorhaben heranzog. So stammte beispielsweise auch das preußische Münzgesetz von 1821 aus der Feder Hoffmanns. 184 In der Geldtheorie ist er vor allem als "Vorkämpfer der Goldwährung" in Deutschland bekannt geworden. 185 Seine von Savigny in hohen Tönen gelobte "Lehre vom Gelde" besticht durch die allgemeinverständliche Darstellung und die im Stil von Smith auf der Grundlage von praktischen Beobachtungen erstellte treffende Analyse des Metallgeldsystems. Weit weniger bekannt als sein Schüler Georg Friedrich Knapp ist heute Johann Helferich. Seine von Savigny herangezogene Habilitationsschrift "Von den periodischen Schwankungen im Werte der edlen Metalle von der Entdeckung Amerikas bis zum Jahre 1830" von 1843 galt aber anerkanntermaßen als "bedeutende Leistung" und soll noch heute zitiert werden. 186 Darin argumentierte Helferich überzeugend gegen die Feststellung von Geldwertänderungen aus Änderungen des Getreide- oder Arbeitspreises. Ersichtlich waren diese Ausführungen für Savigny von zentraler Bedeutung auf der Suche nach einem rechtspraktikablen allgemeinen Tauschwertmaß des Geldes, das er dann im Edelmetallpreis gefunden zu haben glaubte. Diese nationalökonomische Literatur war Savigny nicht nur bekannt, sondern sie bildete vielmehr die Grundlage für seine Geldlehre. Aus ihr folgten seine genauen Kenntnisse über die bestehenden Geldverhältnisse und die Zugrundelegung des Kurswerts als im Wirtschaftsverkehr anerkannte einheit182 In fünf Bänden erschien zwischen 1808 und 1811 die ,.Staatswirtschaft" von Kraus, die im wesentlichen als ,.eine deutsche Überarbeitung von Smith ohne eigene kritische Stellungnahmen" gilt; Winkel, Nationalökonomie, S. 10. 183 lnama-Stemegg, Johann Gottfried Hoffmann, in: ADB 12 (1880), S. 598 ff. ; Meitzel, Johann Gottfried Hoffmann, in: HdWStW V, 4. Aufl., 1923, S. 274 f.; Roscher, Nationalökonomik, S. 732 ff.; Zunkel, Johann Gottfried Hoffmann, in: NDB 9 (1972), S. 399 f. 184 Jnama-Stemegg, 185 Altmann,

ebd., S. 600.

Geldlehre, S. 18.

186 Stavenhagen,

Johann Helferich, in: NDB 8 (1969), S. 468 f.

5. Kap.: Kmswerttheorie von Savigny

141

liehe Wertbestimmung des Geldes. Ausdrücklich sprach er sich für die Betiicksichtigung der ökonomischen Bedeutung des Geldes im Recht aus. Savigny sah die Ursache für die aus seiner Sicht irrige Metall- und Neonwerttheorie "in dem Umstand, daß die meisten (juristischen) Schriftsteller es unterlassen haben, sich von dem Gegenstand der aufzustellenden Rechtsregeln an sich, also von der nichtjuristischen Seite des Geldwesens, eine lebendige und zusammenhängende Anschauung zu verschaffen" .187

Es komme darauf an, daß "der lebendige Zusammenhang erkannt werde, welcher die Gegenwart an die Vergangenheit knüpft, und ohne dessen Kenntniß wir von dem Rechtszustand der Gegenwart nur die äußere Erscheinung wahrnehmen, nicht das innere Wesen begreifen" . 188 So heißt es in Savignys "System" allgemein über das" Wesen" der von ihm begründeten historischen Rechtswissenschaft. In seiner Geldlehre bekommt die Aufgabenstellung, den "lebendigen Zusammenhang" von Rechtsregeln zu erkennen, in concreto einen an den ökonomischen Entwicklungen ausgerichteten Inhalt. Der Vorwurf Savignys gegenüber den bisherigen Geld- und Geldwerttheorien war, wie wir im ersten Hauptteil gesehen haben, freilich unberechtigt. Pfeiffer und die überwiegend seiner Argumentation folgenden Pandektisten hatten durchaus die ökonomische Seite des Geldes betiicksichtigt; nur hatten diese ein anderes, nämlich merkantilistisches, Ökonomieverständnis. Savigny betrieb die Liberalisierung des Geldwesens auf privatrechtlicher Ebene und beteiligte sich so aktiv an der notwendigen geldwirtschaftlichen Unterstützung der entstehenden Industriegesellschaft. Zu Recht hatte Wieacker gerade Savignys Geldlehre herangezogen, um das Einverständnis der Pandektistik mit dem Wirtschaftsliberalismus zu belegen. 189 Die Liberalisierung des Geldwesens hat Savigny aber über Wieackers These hinaus, durch die offene Betiicksichtigung ökonomischer Folgen bei der Begründung seiner rechtlichen Geldlehre, auch bewußt angestrebt. Dies wurde besonders bei seiner rechtspolitischen Einforderung der Kurswertgeltung und den dabei von ihm gegen die Metall- und Nennwerttheorie vorgetragenen Argumenten deutlich. Savigny verwendete mögliche wirtschaftliche Folgen unmittelbar dazu, die "Richtigkeit" seiner rechtlichen Anschauungen darzulegen. Savignys Geldlehre zeigt beispielhaft und jedenfalls in seiner Zeit vorbildlich, wie ein vom Prinzip her abstraktes Rechtssystem durchaus konkreten

187 188

Savigny, Obligationenrecht I, S. 482. Savigny, System I, S. XIV f.

189 Wieacker,

Industriegesellschaft, S. 60.

142

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

gesamtwirtschaftlichen Belangen entsprechen kann190 und nach Überzeugung seines Schöpfers auch entsprechen sollte. Die rechtssystematische Einordnung des Geldes bei Savigny war deshalb abstrakt, weil er die tatsächlich vorhandene Geldvielfalt für das Recht auf den allen Arten und Sorten gemeinsamen Tauschkurswert abstrahierte. Es darf aber nicht vergessen werden, daß Savigny die tatsächlichen ökonomischen Entwicklungen der Geldverhältnisse und die ökonomische "Natur" des Geldes zur induktiven Grundlage für jede rechtliche Erwägung über eine abstrahierte Geldordnung machte. Nur deshalb konnte er das Papiergeld, im Gleichschritt mit der gesellschaftlichen Anerkennung dieser Geldart, in das privatrechtliche Geldschuldverhältnis und den Geldzahlungsverkehr einbinden. Savigny wollte gerade damit den gesamtökonomischen Bedürfnissen nach Markterweiterung und Marktvereinheitlichung bei Wertsicherheit im Geldwesen nachkommen. Im Kollisionsverhältnis zwischen Expansion und Stabilität räumte er der Wertsicherheit Vorrang ein. Er zielte damit insbesondere auf die Erhaltung der gesellschaftlichen Anerkennung des Papiergeldes, so daß gerade deshalb Savignys Kurswertprinzip auch gezielt der Ausbreitung des Papiergeldes und der allgemeinen privatwirtschaftliehen Expansion angemessen erscheint. Dieses Ergebnis ist für Savigny nicht mehr außergewöhnlich. Bereits Felgentraeger führte die Begründung des dem antiken römischen Recht fremden Abstraktionsprinzips auf das ökonomische Ziel der Verkehrserleichterung bei Savigny zurück. 191 Vor kurzem hat Baums nachgewiesen, daß die dem Industriezeitalter gemäße Einführung der Gefahrdungshaftung in § 25 des preußischen Eisenbahngesetzes von 1838 auf das rechtspolitische Wirken Savignys zurückzuführen ist. 192 Jüngst wies Kraus einen Wandel in Savignys Gebrauch des Bürgerbegriffs nach, indem dieser "die politisch-sozialen Veränderungen der Zeit in einigen zentralen Aspekten" aufnahm und reflektierte.193 Kraus gelangt so überzeugend auf die Spur des gerade in der Person Savignys verkörperten scheinbaren Widerspruchs der rechtswissenschaftlich begründeten und rechtspolitisch durchgesetzten fortschrittlichen Gewährung wirtschaftlicher Freiheit im Privatrecht des 19. Jahrhunderts einerseits und 190 Vgl. im allgemeinen für Savignys Rechtssystem Rückert, Idealismus, S. 182 ff. 191 Felgentraeger, Savignys Einfluß auf die Übereignungslehre, S 39 f. ; vgl. Savigny, System III, S. 355: Der vom Verpflichtungsgeschäft abstrahierte dingliche Vertrag erscheine als "die einzige Rettung des Verkehrs gegen gränzenlose Unsicherheit und Willkür". 192 Baums , Einführung der Gefährdungshaftung durch F.C. von Savigny, in: ZRG GA 104 (1987), S. 277 ff. 193 Kraus, Begriff und Verständnis des "Bürgers" bei Savigny, in: ZRG RA 110

(1993), S. 599.

6. Kap.: Ausbreitung der Kurswerttheorie

143

der konservativen Verweigerung politischer Emanzipation des Bürgertums im Verfassungsrecht andererseits. 194 Wenn es darauf ankam, zeigte sich Savigny durchaus in der Lage, veränderte Verkehrsbedürfnisse zu erkennen und in angemessener Weise rechtlich zu verwerten. In der juristischen Geldlehre leitete Savigny mit seinem klaren Bekenntnis zum wirtschaftlichen Liberalismus einen allgemeinen Sinneswandel ein.

6. Kapitel Ausbreitung der Kurswerttheorie Die Geldlehre Savignys wurde gemeinhin hoch geschätzt. Wer in der Folgezeit von seinem Kurswertprinzip abweichen wollte, mußte sich zuerst mit den von ihm überzeugend vorgetragenen Argumenten auseinandersetzen. Gerade auch Savignys frühe und spätere Kritiker erkannten durchweg die grundlegende Bedeutung seiner Ausführungen über das Geldwesen an. Savignys Geld- und Geldwerttheorie wurde damit zum Ausgangspunkt jeder weiteren Überlegung. Unmittelbar nach dem Erscheinen seines "Obligationenrechts" äußerte Souchay 195 die "freudige Anerkennung", daß Savigny immer mehr "für das wahre Heil unserer Wissenschaft, nämlich für die Verbindung der Lehre mit dem Leben, dasjenige leistet, was er schon längst als die Aufgabe einer gesunden Jurisprudenz bezeichnet hat" . 196 Für den Handelsrechder Goldschrnidt galt 1868 Savignys Geldlehre als eine "mit Recht angesehene und einen erheblichen Fortschritt enthaltende Darstellung". 197 Auch Hartmann hatte bei seiner Monographie über das Geldschuldrecht "Savignys allbekannte und berühmte Darstellung im Auge", dergegenüber 194 Kraus,

ebd., S. 600 f.

195 Eduard

Pranz Souchay (1800-1872) war Advokat (seit 1832), Appellationsgerichtsrat (1839-49), Senator und Bürgermeister der freien Stadt Frankfurt am Main (1832-49), Bevollmächtigter Frankfurts in der Deutschen Nationalversammlung (1848/49) und nach der preußischen Annexion wieder in der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung (1868-72). Er stand auf der Seite der preußenfreundlichen Frankfurter Nationalliberalen und war insbesondere maßgeblich am umstrittenen Beitritt Frankfurts in den Zollverein beteiligt; Frost, Souchay, in: Frankfurter Biographie li, S. 400. Seine ausgewiesene Kompetenz in Geldfragen rührte vor allem aus seiner Mitwirkung an der Aushandlung der Münchener Münzkonvention, die er als Bevollmächtigter Frankfurts unterzeichnete. 196 Souchay, 197

Geldschuld, in: Zeitschr. f. Civilrecht u. Prozeß 9 (1851), S. 340.

Goldschmidt, HaudelsR 1/2, S. 1061.

144

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

seine eigene Monographie "in gewisser Weise als ein kritischer Anhang" erscheinen möge. 198 Fast schon rechtshistorisch blickte Windscheid 1879 auf die "glänzenden und epochemachenden" Ausführungen Savignys zurück. 199 Der frühe Versuch von Souchay, die Nennwertgeltung für inländische Kurantmünzen zu verteidigen, da der "Maasstab für den Werth anderer Dinge ( ... )nicht unter sich selbst herabsinken" könne und gegen die mißbräuchliche Scheidemünzen- oder Papiergeldausgabe - wie gerade auch Österreichs Anordnung des Nennwertzwangs belege - keine Jurisprudenz schütze, sondern nur eine "geordnete und verständige Staatsverwaltung" 200 , blieb erfolglos.

I. Grundsätzliche Anerkennung Die Pandektisten schlossen sich ganz überwiegend der Kurswerttheorie Savignys an. Uns interessiert hier, ob sie damit auch bewußt ökonomische Ziele verfolgten oder die Ausbreitung der Kurswerttheorie weitgehend nur auf der wissenschafts-, rechts- und justizpolitischen Autorität Savignys beruhte, wie dies Rückert im allgemeinen für wahrscheinlicher hält. 2o1 I. Ablösung der Metallgewichtstheorie mit Rudorff

Das Ende der schuldrechtlich auf den "inneren" Materialwert abstellenden Metallgewichtstheorie in der Privatrechtswissenschaft kommt dadurch zum Ausdruck, daß sich der erste Bearbeiter des Pandektenlehrbuchs von Puchta nach dessen Tod, Adolf Friedrich Rudorff, der Kurswerttheorie anschloß. 202 Rudorff führte genau Savignys ökonomische Argumente an, um seinen Beweggrund für das Abweichen von der Metallwerttheorie Puchtas darzulegen. 198

Hartmann, Begriff des Geldes, S. IV.

199

Windscheid, Pandekten II, 5. Aufl., 1879, S. 28 in Fßn. 17.

ebd. , S. 349, 351. Er blieb wie auch Sintenis, Civilrecbt II, S. 58 in Fßn. 1 ganz bei der bisherigen metallischen Nennwerttbeorie: "Wenn eine Regierung sagt, mit ihrem Wappen auf der Münze bezeugt, oder gar in Verordnungen ausspricht: ein gewisses Stück Geld enthält so oder so viel edles Metall, so bat sie nicht nötig beizufügen: daß jeder Untertban dieser Angabe glauben müsse; es versteht sich ganz von selbst, daß sie diesen Glauben voraussetzt"; Souchay, ebd., S. 347. 200 Souchay,

201

Rücken, Idealismus, S. 183.

202 Puchta/Rudorff,

1863, S. 65 in Fßn. k.

Vorlesungen I, S. 90 in Fßn. 3, ders ., Pandekten, 9. Aufl.,

6. Kap.: Ausbreitlmg der Kurswerttheorie

145

Die Metallwerttheorie sei auf das Papiergeld nicht anwendbar und beruhe auf einer "Verwechslung des Verhältnisses des Geldes zum Preis der Waaren und des feinen Silbers". Ebenso wie Savigny hielt Rudorff die Nennwerttheorie aber für noch "verwerflicher". 203 Besonders hierbei bezog sich Rudorff auf die wirtschaftsliberalen Präzisierungen und Modernisierungen Savignys. Nur die Börse entscheide darüber, "ob und in welchem Grade Etwas -und zwar auch auswärtiges und Papiergeld - Geld ist". 204 Die Nennwerttheoretiker hätten außerdem übersehen, daß der staatlich festgelegte Zwangskurs nicht über Staatsgrenzen hinaus wirke. 205 Rudorff ist also gerade von den ökonomischen Argumenten Savignys überzeugt worden, als er meinte, daß dieser das Kurswertprinzip "auf das Überzeugendste" bewiesen habe. 206 Dabei war es auch nur ein relativ kleiner Schritt von Puchta zu Savigny, der im wesentlichen auf der der tatsächlichen Entwicklung entsprechenden Integration des Papiergeldes durch eine geldtheoretisch vom bloßen Materialwert abstrahierte Durchführung der Anerkennung von Geld im Wirtschaftsverkehr beruhte. Inwiefern Rudorffs an der Berliner Universität nach Landsberg "fast väterlich" gewordene persönliche Bekanntschaft mit Savigny207 eine Rolle spielte, kann dahingestellt bleiben. Fest steht, daß er mit voller Überzeugung im Hinblick auf die ökonomischen Rechtsfolgen dem Kurswertprinzip Savignys folgte. 2. Umschwung von Vangerow Anders verhält es sich mit Vangerow, der in der sechsten Auflage seines Pandektenlehrbuchs behauptete, er habe unter dem prinzipiell maßgeblichen "äußeren" Wert des Geldes nicht den Nennwert, sondern schon immer den Kurswert verstanden, sofern die Annahme zum Nennwert nicht ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben worden sei. 208 Im übrigen wiederholte er die Begründungen aus früheren Auflagen seines Pandektenlehrbuchs. Diese führten bereits oben zu der Feststellung, daß Vangerow ursprünglich in der Tat grundsätzlich den Nennwert für maßgebend hielt. Seinem nun erfolgten Lippenbekenntnis zur Kurswerttheorie Savignys fehlte der spezifische ökono203

Puchta/Rudorff, Pandekten, 9. Aufl., 1863, S. 65 in Pßn. k.

204

Puchta/RudorjJ, Vorlesungen I, S. 90 in Pßn. 3.

205

Puchta/Rudorff, Pandekten, 9. Aufl:, 1863, S. 65 in Pßn. k.

206

Puchta/Rudorff, Vorlesungen I, S. 90 in Pßn. 3.

207

Stim;ig/Landsberg, Rechtswissenschaft III/2, S. 462.

2°8 Vangerow, 10 Ott

Pandekten III, 6. Aufl., 1856, S. 34.

146

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

mische Unterbau. Wir müssen somit davon ausgehen, daß Vangerow hier nur gezielt den Anschluß an das nunmehr in der Privatrechtswissenschaft vorherrschende Kurswertprinzip suchte, auch wenn dies im allgemeinen nicht seinem Stil entsprach. 209

3. Verständnisschwierigkeiten von Arndts und Windscheid Dem Kurswertprinzip schloß sich weiterhin Karl Ludwig Arndts2 10 an. 211 Er erkannte aber nicht den von Savigny deutlich hervorgehobenen ökonomischen Zusammenhang von Kurs- und Tauschwert, obwohl er sich ausdrücklich auf Savigny berief. 212 Unter dem Kurswert verstand Arndts den Verkehrs- oder Handelswert des Geldes, "zu welchem eine Münze im rechtlichen Verkehr wirklich geschätzt und angenommen wird". Davon sei der Tauschwert zu unterscheiden, "welcher sich durch die Masse anderer Verkehrsgegenstände, die für einen gewissen Geldpreis zu haben sind, bestimmt" . 213 Daß sich der Verkehrswert von Geld nach seinem Tauschwert richtet und Savignys Kurswerttheorie von dem Geldtauschwert ausging, blieb Arndts verborgen. Vielmehr behauptete er ganz allgemein, daß Veränderungen des Tauschwertes ohne Einfluß auf das Geldschuldverhältnis blieben. 214 Deshalb bestehen, trotz der unabhängig davon erhaltenen wirtschaftsliberalen Wirkungsrichtung, erhebliche Zweifel an einem dementsprechenden ökonomischen Bewußtsein Arndts. An diesem Eindruck vermag auch seine Angabe der Hoffmannsehen "Lehre vom Gelde" nichts zu ändern. 215 Auch Windscheid befürwortete bis zur fünften Auflage seines Pandektenlehrbuchs das Kurswertprinzip Savignys. 216 Er übersah aber ebenso wie Arndts den Zusammenhang von Kurs- und Tauschwert. Ganz im Gegensatz zur Intention Savignys ging Windscheid sogar soweit, zu behaupten, daß es 209 Stinzig/Landsberg, Rechtswissenschaft III/2, S. 602 ff. 210 Über den Savignyschüler Kar! Ludwig Arndts von "streng konservativer Ge-

sinnung" Stinzig/Landsberg, Rechtswissenschaft 111/2, S. 493 ff., Noten, S. 221 f. 211

Amdts, Pandekten, 1859, S. 320-324 (321).

212 Amdts, ebd., S. 322 in Anm. 1. 213 Amdts, ebd., S. 322 in Anm. 1. 21 4 Amdts, ebd., S. 323 in Anm. 5. 215 Amdts, ebd., S. 322 in Anm. 1. 2 16 Windscheid, Pandekten II, 2. Aufl.,1869, S. 21-26 (24).

6. Kap.: Ausbreitung der Kurswerttheorie

147

für das Geldschuldverhältnis gleichgültig sei, welche Vermögensmacht dem Geldeigentümer gewährt werde. 217 Wie bei Arndts sucht man die ökonomische Argumentation Savignys bei Windscheid vergeblich. Eine wirtschaftliche Zweckorientierung Windscheids bei seinem Anschluß an die Kurswerttheorie in den frühen Auflagen seines "Pandektenrechts" ist nicht nachweisbar. Wir werden sogleich sehen, ob bei den Modifikationen der Kurswerttheorie und später bei der Hinwendung zum Nennwertprinzip für "Währungsmünzen" in der fünften Auflage seines Pandektenrechts218 eine ökonomische Reflektion seiner schuldrechtlichen Geldlehre erkennbar wird.

4. Verständnisvorsprung von Keller Nur zum Teil, dafür um so scharfsinniger, folgte Friedrich Ludwig Keller, für Landsberg einer der "glänzendsten Geister unserer Wissenschaft" 219 und Nachfolger Puchtas an der Berliner Universität, 220 der Kurswerttheorie. Keller übernahm zwar vollständig den Geldbegriff von Savigny, sah aber die Geldverhältnisse besonders in Preußen von staatlicher Seite aus bereits so stabil, daß er dem Nennwert grundsätzliche Geltung zusprach. 221 Zugunsten der Staatsfinanzen herbeigeführte Geldentwertungen gehörten für Keller bereits der Vergangenheit an: "Überhaupt hat man in neuerer Zeit jenes Manoeuvre aufgegeben, weil man einsieht, dass jener Gewinn nicht zu erreichen und zu erhalten ist, denn der Verkehr merkt sogleich die Abweichung des Nennwerthes von der Wahrheit, und gibt dieser die Ehre, indem er einen niedrigem Curswerth bildet, gegen welchen der Nennwerth, wenn auch durch die ganze Macht des Staates unterstützt, nicht aufkommen kann." 222

Für die entscheidende Frage, wie der Geldforderungswert bei eingetretenen Geldwertänderungen bestimmt werden soll, folgte Keller der Prämisse Savignys, indem die "Obligation an ihrem ökonomischen Werthe nicht verlieren" dürfe. 223 Dies ergebe sich aus der "Natur" des Geldes, die in 217

Windscheid, ebd. , S. 26 Pßn. 18.

21 8

Windscheid, Pandekten II, 5. Auf!., 1879, S. 28.

21 9

Stinzig!Landsberg, Rechtswissenschaft III/2, S. 465.

220 Kleinheyer/Schröder, 22 1 Keller,

Juristen, S. 488.

Pandekten, 1861, S. 89-93, 484-485 (484).

222

Keller, ebd., S. 92.

223

Keller,ebd., S. 484 f.

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

148

"dem festen Glauben Aller wurzelt, dasselbe in eben demselben Werthe wieder ausgeben zu können, wie man es eingenommen hat". 224 Keller fehlte es sichtlich nicht an ökonomischem Durchblick. Er vertrat seiner Überzeugung nach verkehrsgerecht eine zwischen Nenn- und Kurswert vermittelnde Anschauung.

5. Rechtspraktische Stellungnahme Holzschuhers Im Hinblick auf die künftige gerichtliche Praxis war es nicht ganz unwesentlich, daß sich Rudolf v. Holzschuber der Kurswerttheorie anschloß. Seine "Theorie und Casuistik des gemeinen Civilrechts" fand im allgemeinen besonders bei den Gerichten "raschen Eingang". 225

Er lehnte die rechtliche Bestimmung des Geldwerts aus dem Metallwert wegen der Unanwendbarkeit auf das "überhand genommene Papiergeld" ab. 226 Würde der Wert aber durch staatlichen Zwang festgesetzt, so sei es "mit der Frage über das Recht ganz vorbei". Die "Unhaltbarkeit und Gemeinschädlichkeit (!)"der Anordnung eines Nennwertzwangs sei jedoch "erprobt genug, um die Gesetzgeber davor zu warnen". Gerade bei "zerrütteten" Staatsverhältnissen könne indes die "Wahrheit nur im Courswerth" gefunden werden. Bei einem "geregelten und normalen" Geldwesen könne es dagegen überhaupt nicht zu Rechtsstreitigkeiten über die Geltung des Nennoder Kurswerts kommen. Sie stimmten dann überein. Es sollte deshalb immer dann, wenn es zu einem Rechtsstreit über die Geldwertbestimmung kommt, der Geldforderungswert nach dem Kurswert berechnet werden. Holzschuber vertrat die Kurswerttheorie aus eigener, auch ökonomisch - ausdrücklich am allgemeinen Wohlstand- orientierter Überzeugung.

6. Selbstverständlichkeit der Kurswertgeltung bei Seuffert Wenig aufschlußreich sind die Ausführungen von Jobann Adam Seuffert, den ebenso wie Holzschuber weniger die wissenschaftliebe Erkenntnis als eine einheitliche Gerichtspraxis interessierte. 227 Seinem "Praktischen Pandektenrecbt" sind keinerlei inhaltliche Hinweise zu entnehmen, weshalb er 224

Keller, ebd., S. 90, 485.

225

Stinzig/Landsberg, Rechtswissenschaft III/2, S. 602.

226 Holz.schuher, 227

Civilrecht III, 1858, S. 33-40 (38 f.)- auch im folgenden.

Stinzig/Landsberg, Rechtswissenschaft III/2, S. 597.

6. Kap.: Ausbreitung der Kurswerttheorie

149

dem Kurswertprinzip folgte. Er hielt dieses mit dem Verweis auf Savigny, Hufeland und Hoffmann bereits für eine Selbstverständlichkeit. 228 Ausgehend von Savigny kann somit für einige Pandektisten bereits hier fesgestellt werden, daß gerade die wirtschaftsliberale Ausrichtung des Geldwesens mit dem Kurswertprinzip zielgerichtet verfolgt wurde. Dies war über Savigny hinaus jedenfalls bei Holzschuber und Rudorff der Fall. Die Neonwerttheorie erschien ihnen demgegenüber mit dem Makel unzweckmäßiger merkantilistisch zwangswirtschaftlicher Vorstellungen behaftet. Auch Keller drohte der Staatsgewalt die Geldwertbestimmung nach dem Kurswert insbesondere bei willkürlich herbeigeführten Geldentwertungen an. Solche ökonomischen Motivationen konnten mit dem grundsätzlichen Bekenntnis zum Kurswertprinzip für Arndts, Seuffert, Vangerow und Windscheid, gemessen an der Intention Savignys, nicht nachgewiesen werden.

ll. Modirlkationen des Geldbegriffs Neue Impulse für die privatrechtliche Geldschuldlehre gingen von der Bankenkrise 1857229 aus. Sie rückte die von Savigny nur am Rande erwähnte Banknote und ihren Bezug zum Geld in den Mittelpunkt des Interesses. Zur rechten Zeit, nämlichjust in diesem Jahr, erschienen zwei Monographien und ein Aufsatz monographischen Umfangs aus den vorderen Reihen der vermeintlich begriffsjuristischen zweiten Generation der Pandektenwissenschaft zu den, mit Kuntzes Worten, wie eine "Brandfackel", in den "Bau des römischen Civiirechts hineingeschleudert(en)" Inhaberpapieren. 230 Es galt die Geldpapiere vom Papiergeld abzugrenzen und diesbezüglich insbesondere eine Entscheidung über die Banknoten zu treffen.

1. Joseph Unger: Ausdehnung des Geld-Kurswerts auf alle mit staatlicher Erlaubnis ausgegebenen Banknoten Den von Savigny für das Papiergeld vorgezeichneten Weg verfolgte Joseph Unger, der "einflußreichste Österreichische Zivilrechder des 19. Jahrhunderts"231 , weiter. In seiner Monographie über "Die rechtliche Natur der 228 Seuffen, Pandektenrecht II, 1867, S. 30-32. 229 S.o. S. 107. 230 Kuntz.e, Inhaberpapiere, S. VIII. 231 Kleinheyer/Schröder, Juristen, S. 432.

150

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

Inhaberpapiere" (1857) grenzte er das Papiergeld von den Inhaberpapieren nach den von Savigny vorgeschlagenen Kriterien ab. Während das Papiergeld als "Geldvorstellungszeichen" wie das Metallgeld als Sache "allgemeines Werthzeichen" sei, könnten Inhaberpapiere als bloß verbriefte Forderungen dieses nicht sein. Daraus folgerte er dann konsequent für die Rechtspraxis, daß die Leistung von Papiergeld Erfüllung einer Geldverbindlichkeit sei, dagegen Inhaberpapiere nur an Erfüllungsstatt freiwillig angenommen werden könnten. 2 32 Ausdrücklich faßte Unger nun unter den Papiergeldbegriff alle mit staatlicher Genehmigung ausgegebenen Banknoten. 233 Die Verpflichtung einer Bank, die von ihr ausgegebenen Noten auf Verlangen des Noteninhabers in Metallgeld einzulösen, sei nur Mittel zum Zweck, Banknoten als Zeichengeld in Umlauf zu halten. 234 Im Falle der Banknoten trete "das Papiergeld in Gestalt eines Inhaberpapieres" auf, was aber nichts an ihrer Geldqualität ändere. 235 Der obligatorische Teil der Banknote trete "besonders in den Zeiten einer Geldkrisis (!)deutlich hervor", wenn nämlich die Noteninhaber ihre Papiere "massenhaft" bei der Bank in Metallgeld einlösen wollen. 236 Den anomalen Zustand einer Notenbankenkrise wollte Unger aber nicht zur Grundlage erheben, der Banknote die Papiergeldqualität abzusprechen. 237 Entgegen Savigny setzte Unger für das Papiergeld nicht mehr voraus, daß es von einer staatlichen Einrichtung ausgegeben wird. Er modifizierte dazu den von Savigny gebrauchten Begriff einer für das Papiergeld bestehenden "Staatsschuld". Gerade im Fall des nicht bankförmig ausgegebenen Staatspapiergeldes bestehe häufig kein rechtlich durchsetzbarer Anspruch gegen den Staat, die von ihm ausgegebenen Geldscheine in Metallgeld einzulösen. Deshalb könne grundsätzlich nicht von einer juristischen, sondern lediglich von einer geld- und finanzpolitischen Verpflichtung des Staates gesprochen werden, indem er die Papiergeldeinlösung verspricht, "weil sonst sein Papiergeld in Mißkredit kommt". 238 Unger umging auf diesem Wege die, besonders für die wichtigste Banknotenemittentin - die Preußische Bank - pro-

232

Unger, Inhaberpapiere, S. 6 f.

233

Unger, Inhaberpapiere, S. 9; ders., System I, S. 378.

234

Unger, Inhaberpapiere, S. 9 f.;

117. 235

Unger, Inhaberpapiere, S. 9.

236

Unger, Inhaberpapiere, S. 10 f.

237

Unger, Inhaberpapiere, S. 11.

238

Unger, Inhaberpapiere, S. 13 f.

vgl. auch Seuffert, in: SeuffArch 10 (1856), S.

6. Kap.: Ausbreitung der Kurswerttheorie

151

blematische, Feststellung, welche Notenbanken als staatliche Einrichtungen anzusehen sind. Ohne weiteres sah er die Geldausgabe als Hoheitsrecht, das der Staat aber auch an reine Privatpersonen delegieren kann. Wieder ganz im Sinne Savignys sei deshalb die nicht staatlich autorisierte Inhaberpapierausgabe unzulässig, wenn nachgewiesen werden könne, daß "mit der Ausgabe des Inhaberpapieres im Grunde nichts anderes als die Emission von Papiergeld beabsichtigt wurde" .239 Unger dehnte somit den Geldbegriff auf alle staatlich autorisiert ausgegebenen Banknoten aus. Da dann konsequenterweise auch mit diesen eine Geldforderung erfüllt werden konnte, überbrückte er - geradezu contra Iegern - an sich verkehrsgerecht ihren währungsrechtlichen Mangel, nicht als Geld von Gesetzes wegen angenommen werden zu müssen. Die schuldrechtliche Geldwertbestimmung aus ihrem Kurswert schloß nach Savignys Kurswerttheorie Vermögenswertnachteile durch die Banknotenzahlung aus. Vor dem Hintergrund der Bankenkrise konnte sich diese von Unger in aller Konsequenz fortgeführte Geldlehre Savignys allerdings nicht behaupten.

2. Jolu:mnes Emil Kuntze: Geldtheorie vom "relativen Zwangskurs" Wenn von der formalen, begriffsjuristisch konstruktivistischen, für außerrechtliche Zusammenhänge blinden Rechtswissenschaft im 19. Jahrhundert die Rede ist, so wird häufig in einem Atemzug der Name Johannes Emil Kuntze genannt. 240 In seiner frühen "Meisterarbeit" 241 , der "Lehre von den Inhaberpapieren" (1857), ist davon wenig zu sehen. Bereits seine Vorrede zu diesem Werk legt eher das Gegenteil nahe- wenn auch die von Kuntze benutzte eigentümliche Bildersprache stilistische Kritik geradezu provozierte. Kuntze nahm dort eine allgemeine Standortbestimmung der Rechtswissenschaft vor. Er sah diesen in der Mitte "zwischen industrieller Revolution und Restauration", zwischen einem neuen "Kulturorganismus", in dem der Egoismus das "Herz", das Geld und das Kapital das "Blut" und der Kredit das "Nervengeflecht" bildeten, und den alten Werten

239

Unger, Inhaberpapiere, S. 176.

240 V gl. nur Stinzig!Landsberg. Rechtswissenschaft III/2, S. 839 und Wieacker, Industriegesellschaft, S. 55. Bereits die in Jherings .,Scherz und Ernst in der Jurisprudenz". S. 276, 319 ff., am ..Begriffshimmel" der Pandektistik: zeitgenössisch geübte Kritik hatte besonders Kuntze im Auge. 241

Stinzig!Landsberg, Rechtswissenschaft III/2, S. 840.

152

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

von "Pietät, Sitte und Tradition". 242 Kuntze sah vor sich einen von "Kapitalisten" erbauten "modernen Krystallpalast materieller Spekulation" und wies der Jurisprudenz die untergeordnete "stillere Rolle zu, die weiten Räume und hohen Wände dieses(!) Baues mit Bilderwerk und statuarischem Detail auszustatten". Es sei die Aufgabe der Rechtswissenschaft, "die einzelnen Rechtsinstitute, welche diesem weltlichen Tempel eingefügt oder einzufügen sind, in Übereinstimmung(!) mit dem Style des Ganzen wissenschaftlich auszuarbeiten". 243 Nur innerhalb dieses äußeren Rahmens kann für Kuntze von einer Autonomievorstellung des Rechts gesprochen werden, wenn er später über die Abgrenzung des Papiergeldes vom Geldpapier meinte: "Identität der Verkehrsfunktionen und Verschiedenheit der Rechtsinstitute reimt sich aber sehr wohl zusammen; denn das Rechtsgebiet ist ein ideal selbständiges. " 244 Deshalb setzte er seine Methodenkritik an der dem Kurswertprinzip zugrundeliegenden Geldtheorie Savignys nicht daran an, daß dieser überhaupt, sondern Kuntzes nicht von der Hand zu weisenden Meinung nach im wesentlichen ausschließlich ökonomische Umstände berücksichtigt hatte: "Für den Juristen genügt es nicht, daß er sich über die nationalökonomischen Funktionen eines Instituts klar geworden ist, sondern deren Feststellung gibt nur die äußere, thatsächliche Unterlage zur Aufrichtung des juristischen Bauwerks." 245

Entgegen Savigny vermochte Kuntze deshalb die sozial-ökonomische Anerkennung von Geld allein nicht als Rechtsquelle anzusehen. Er suchte stattdessen nach dem "juristischen Faktor" des Geldes, demgegenüber die Verkehrsüberzeugung aber durchaus eine "Schranke der Rechtserzeugungen" darstelle. 246 Das juristische Moment des Geldes glaubte er im "Zwangskurs" gefunden zu haben und erblickte gerade in diesem auch Verkehrsangemessenheit: "Ohne die Annahme eines solchen Zwanges wäre ein geordneter Verkehr, der über den rohesten Tauschverkehr sich erhebt, geradezu unmöglich." 247

Kuntze relativierte den Begriff des "Zwangskurses". Er lehnte die Anordnung eines "absoluten" Nennwertzwangs - wie beispielsweise für das öster242 Kuntze,

Inhaberpapiere, 1857, S. IV f., VI.

243 Kuntze,

Inhaberpapiere, S. VI.

244 Kuntze,

Inhaberpapiere, S. 409.

245

Kuntze, Inhaberpapiere, S. 428.

246 Kuntze,

Inhaberpapiere, S. 429 f.

247 Kuntze,

Inhaberpapiere, S. 430 f.

6. Kap.: Ausbreitung der Kurswerttheorie

153

reichische Papiergeld geschehen- ab, da dieser den Vermögensverkehr nicht ordne, sondern "tyrannisiere" und "natiooalökonomisch undurchführbar" sei. 248 Er erblickte aber in der staatlichen Geldausgabe einen "relativen" Nennwertzwang in dem Sinne, daß "der Gläubiger civilistisch gehalten ist, die als Geld (währungsrechtlich) anerkannte Sachenart (zum Nennwert) anzunehmen, insoweit er nicht durch gehörige Stipulation sich dagegen gewahrt hat" .249 Wer nun insbesondere für das Papiergeld diesen Zwangskurs - mit der Möglichkeit der Wertsicherung- als entscheidendes Kriterium der Geldqualität nicht anerkenne, schließe "damit das Papiergeld vom Gebiete des Geldes und vom Rechtsgebiete überhaupt aus, und verstößt es dadurch in ein nebelhaftes Reich finanzieller Experimente". 250 Er könne als Jurist einen "etwaigen Mangel der allgemeinen Anerkennung im Publikum nur als eine rechtspolitische Warnung an den Staat auffassen", nicht aber die Geldqualität der betroffenen Sache in Frage stellen. 251 Kuntze näherte sich somit der rechtlichen Behandlung von Banknoten vom Standpunkt der Nennwertgeldtheorie. Er sah danach alle Banknoten nur als Inhaberpapiere und nicht als Papiergeld - wenigstens solange die ausgebende Bank "nicht geradezu und vollständig vom Staate übernommen ist". 252 Die Banknote "entbehrt an sich des Zwangskurses", so daß diese, in der Regel von Privatanstalten ausgegeben, niemals Papiergeld sein könne, sondern allenfalls ausnahmsweise und vorübergehend vom Staat ausdrücklich mit einem (absoluten) Zwangskurs versehen werden könne. 253 Selbst für den Fall, daß eine reine Staatsbank Noten ausgibt, tendierte Kuntze dazu, diese Banknoten nur als Inhaberpapiere anzusehen, da dann der Staat nicht hoheitlich, sondern als Fiskus handele. 254 Das entscheidende Abgrenzungskriterium von Papiergeld und Inhaberpapier sah Kuntze, ebenso wie Savigny und Unger, darin, daß Papiergeld als Sache "dingliches Vermögensobjekt" sei, während das Inhaberpapier nur eine "dem Papier einverleibte Obligation" darstelle. 255 Entgegen Unger sah

248

Kuntze, Inhaberpapiere, S. , 427, 431 f.

249 Kuntze,

Inhaberpapiere, S. 430 f., 427.

250 Kuntze,

Inhaberpapiere, S. 434.

25 1 Kuntze,

Inhaberpapiere, S. 435.

252

Kuntze, Inhaberpapiere, S. 483, 485.

25 3

Kuntze, Inhaberpapiere, S. 484.

254 Kuntze, 255

Inhaberpapiere, S. 437.

Kuntze, Inhaberpapiere, S. 437.

154

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

aber Kuntze bei den Banknoten immer das "obligatorische Prinzip" vorherrschend. 256 Banknoten dienten für Kuntze nicht als Wertträger gegenüber jedermann, sondern nur als Wertträger gegenüber ihren jeweiligen Ausstellern. Die Bank übernehme "nicht bloß nebenbei" die Verpflichtung, ihre Noten in Metallgeld einzulösen, um etwa die Banknote in Umlauf zu halten, sondern diese Verpflichtung sei Voraussetzung für die Notenausgabe und damit die Existenz des Papiers selbst. An diesem schuldrechtlichen Charakter der Banknote ändere sich selbst dann nichts, wenn die Einlösungspflicht nachträglich aufgehoben werde. 257 Mit dieser klaren rechtswissenschaftliehen Trennung der Banknote als Inhaberpapier vom Papiergeld sah sich Kuntze nicht zuletzt in völliger Übereinstimmung mit der Volkswirtschaftslehre: "Nationalökonomie und Jurisprudenz gehen in der Gegenüberstellung von Papiergeld und Banknoten Hand in Hand." 258

Aus ökonomischer Sicht bevorzugte Kuntze die Banknotenausgabe, "im Interesse des Verkehrs, welcher einer größeren Menge von Umlaufsmitteln benöthigt", gegenüber der Ausgabe von Papiergeld, die für gewöhnlich im "Interesse des Staates, welcher eines haaren Kapitals bedarf" erfolge. Die Banknotenemission wirke durch die privatrechtliche Einlösepflicht "nicht so leicht drückend auf die Geldkonjunkturen" . 259 Gerade auch für ihn war deshalb die "Banknote ein organischer Theil eines stabilen Geld- und Werthsystems, während Staatspapiergeld, reines Surrogat des Metallgeldes dieses verdrängt, die metallene Tauschbasis afftzirt, und wenn es zu Luxusausgaben und plötzlichem Staatsaufwand verwendet wird, leicht zu momentanem oder dauerndem Valutasturz führt".260

Aus der Einordnung der Banknote als Inhaberpapier folgte in rechtspraktischer Hinsicht, daß Kuntze die Banknotenzahlung nicht als Geldleistung ansah, sondern Banknoten nur freiwillig als "Ware" zu ihrem Kurswert an Er-

256

Kuntze, Inhaberpapiere, S. 488 f.

257

Kuntze, Inhaberpapiere, S. 484.

Kuntze, Inhaberpapiere, S. 489. Namentlich verwies Kuntze auf den früh überzeugten Smithianer Heinrich v. Storch (1766-1835), Nationai-Wirthschaftslehre, S. 145 ff.; zu diesem Winkel, Nationalökonomie, S. 12 f. 258

259

Kuntze, Inhaberpapiere, S. 489.

Augsburger Allgemeine Zeitung vom 28. Mai 1857 zustimmend zit. von Kuntze, Inhaberpapiere, S. 483 in Fßn. 29. 260

6. Kap.: Ausbreitung der Kurswerttheorie

155

füllungsstatt einer Geldverbindlichkeit angenommen werden konnten. 261 Während sich also für Unger der Geldschuldner durch Leistung von Banknoten zum Kurswert ohne weiteres von seiner Verbindlichkeit befreien konnte, mußte für Kuntze der Geldgläubiger die zur Zahlung angebotenen Banknoten statt Metallgeld freiwillig annehmen, damit Erfüllung eintritt. Insofern fand Kuntzes deutlich ausgesprochene ökonomische Präferenz der Banknotenausgabe gegenüber dem Papiergeld keine rechtliche Entsprechung. Bedeutung erhielt dieser Unterschied aber nur dann, wenn Banknoten nicht freiwillig angenommen wurden. Gerade vor dem Hintergrund der rückläufigen Staatspapiergeldausgabe und der Bankenkrise erscheint Kuntzes engerer, seinerzeit wieder auf das Metallgeld konzentrierter, Geldbegriff daher durchaus verkehrsgerecht Gerade in dieser Zeit konnte es vorkommen, daß Geldgläubiger bestimmte Banknoten überhaupt nicht mehr annehmen wollten, weil die Metallgeldzahlungsunfähigkeit der ausgebenden Bank bereits abzusehen war. Auch das Kurswertprinzip schützte bei dem dann eintretenden raschen Kursverfall oder gar Konkurs der Bank den Geldgläubiger nicht vor Vermögensnachteilen durch Zahlung mit den davon betroffenen Banknoten.

3. Ernst Imanuel Bekker: Geldtheorie vom gesetzlichen Zahlungsmittel bei Kurswertgeltung Zwischen Unger und Kuntze vermittelte das modifizierte Kurswertprinzip Ernst Imanuel Bekkers. Er legte lange vor seinem erst 1886 erschienenen Hauptwerk "System des heutigen Pandektenrechts", in dem von ihm mitherausgegebenen Jahrbuch des gemeinen deutschen Rechts bereits 1857 eine umfassende Abhandlung über die "Geldpapiere" vor. Darin bekannte er sich ausdrücklich und über das Papiergeld hinaus zu Savignys Kurswertprinzip. 262 Gerade in bezug auf das Papiergeld ging Bekker in der ökonomischen Bewertung aber noch einen nicht unerheblichen Schritt weiter als Savigny. Er hielt das Papiergeld und die Geldpapiere gleichermaßen uneingeschränkt "als Träger von Wertben dem Verkehr in unserer Zeit unentbehrlich" . 263 Bekker erkannte also die gesamtökonomische Notwendigkeit der Papiergeldausgabe und sah in ihr nicht mehr wie Savigny überwiegend ein Stabilitätsrisiko. Entgegen Kuntze und der Nennwerttheorie

261 262

Kuntz.e, Inhaberpapiere, S. 486. Bekker, Geldpapiere, in: Jahrbuch des gemeinen deutschen Rechts 1 (1857),

s. 266-426 (316 ff.• 322 f. , 400 f.). 263 Bekker,

ebd., S. 266.

156

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

vermochte er in der staatlichen Geldausgabe keinen privatrechtliehen Nennwertzwang zu sehen. Eine ausdrückliche Anordnung der Nennwertgeltung lehnte Bekker ab, da dies aus staatlicher Sicht nur erfolge, um dem "Sinken seines Geldes" zwangsweise entgegenzutreten, dadurch aber "der Werth anderer Tauschstücke sich verhältnismäßig in die Höhe schraubt" und das nötige "Vertrauen auf den Staat erschüttert (wird), so daß selbst ein etwaiges Einlösungsversprechen keinen Glauben mehr findet", mithin das Papier seine Umlaufsfähigkeit verliert. 264 Für den privatrechtliehen Geldbegriff umriß Bekker erstmals die genauen Konturen dessen, was wir heute gesetzliches Zahlungsmittel nennen, ohne jedoch diesen Begriff zu verwenden. Damit etwas privatrechtlich als Geldleistung gilt, müsse der Geldschuldner den bestimmten Leistungsgegenstand verzugsbegründend anbieten können und sich nötigenfalls durch Hinterlegung "ohne jegliche Mitwirkung des Gläubigers" von seiner Verbindlichkeit befreien (vgl. heute §§ 372-386 BGB), mithin er die Annahme als Geld vom Gläubiger "erzwingen" können: "Was zur Bezahlung, solutio, von diesen (der Summe nach bestimmten) Geldschulden benutzt werden kann ist Geld, was nur mit Einwilligung des Gläubigers an Zahlungsstatt gegeben werden kann ist Nichtgeld." 265

Den Zirkelschluß - Geld ist, was als Geld genommen werden muß durchbrach Bekker, indem der Staat als "gesetzgebende Gewalt", mit anderen Worten das Währungsrecht, darüber zu entscheiden habe, was der dem Gesetz unterworfene Richter als Geld und was als Nichtgeld anzusehen hat. 266 Im Gegensatz zu Savigny und Kuntze und in Übereinstimmung mit Unger war für Bekker die Herstellung von Geld durch staatliche Einrichtungen kein entscheidendes Kriterium für die Geldeigenschaft, so daß auch von reinen Privatbanken ausgegebene Noten Geld sein konnten, wenn sie nur währungsgesetzlich dazu bestimmt worden waren. Im Zweifel über die währungsgesetzliche Bestimmung sollten jedenfalls alle "Münzen, aus dem Stoff, der die Werthbasis bildet" als Geld gelten, denn "was sollte sonst Geld sein?" 267 Insofern blieb Bekker Metallist. Mit Ausnahme der Österreichischen Banknoten bestand für alle Banknoten, ebenso wie für die meisten Staatspapiergeldsorten, ausdrücklich kein "Annahmezwang" im Privatverkehr, so daß sie Bekker nicht als Geld, sondern als lnhaber-"Geldpapiere" verstand. Wenn aus ihnen Papiergeld werden soll, 264 Bekker,

ebd., S. 319.

265

Bekker, ebd., S. 321.

266

Bekker, ebd., S. 321 f.

267

Bekker, ebd., S. 322.

6. Kap.: Ausbreitung der Kurswerttheorie

157

so habe der Staat zu bestimmen, daß "das Papier bei Geldschulden, nicht nach Zwangscours wol aber zum Tagescours (!), in Zahlung genommen" werden muß. 268 Der entscheidende Unterschied zwischen Bekker und der bisherigen Nennund Kurswerttheorie liegt in seiner Loslösung von dem angenommenen Automatismus zwischen einem gesetzlichen oder ökonomischen Geldbegriff und der Geldwertbestimmung aus dem gesetzlichen Nennwert oder dem ökonomischen Kurswert. Bekker konnte so die währungsrechtliche Bestimmung und Bestimmtheit eines Gegenstandes als Geld, das gesetzliche Zahlungsmittel, für das Geldschuldrecht nutzbar machen, ohne es gleichzeitig mit der nicht zuletzt von ihm selbst als zwangswirtschaftlich aufgefaSten Nennwertgeltung zu belasten. Bekker holte sich damit die rechts- und verkehrssicheren Rosinen aus der Nenn- und Kurswerttheorie. Er modifizierte Savignys Kurswerttheorie für das Papiergeld um den nennwerttheoretischen Geldbegriff vom gesetzlichen Zahlungsmittel. Was Bekkers Beweggründe anbelangt, können wir für ihn eine bewußte ökonomische Ausrichtung seiner rechtlichen Geld- und Geldwertvorstellung in aller Eindeutigkeit feststellen. Vor dem Hintergrund, daß gerade auch Bekker im allgemeinen eine Neigung zum Gesetzespositivismus nachgesagt wird269 , sind die methodischen Ausführungen gleich zu Beginn seiner Darstellung über die "Geldpapiere" erstaunlich. Sie fallen aus dem Rahmen des von Kriechbaum über Bekker gezeichneten Bildes. Kriechbaum begnügt sich für sie mit der wenig aussagekräftigen Feststellung, daß Bekker dort "manches" von Jhering aufgenommen habe. 270 Sie erkennt an anderer Stelle durchaus, daß die rechtliche Handhabung des Geldes und der Geldwirtschaft Bekker zeitlebens immer wieder beschäftigte. 271 Bekker soll unterdessen Rechtspolitik von Rechtsdogmatik getrennt gehalten haben. 272 Das kann jedenfalls für seine frühe Schrift über die "Geldpapiere" so nicht aufrecht erhalten werden. Bekker stellte fest, daß eine rein rechtliche Betrachtung für die Geldpapiere nicht zu abschließenden Erkenntnissen führen könne. Deshalb ,.müssen wir, da Gewißheit uns unentbehrlich, eine ökonomische Entscheidung an die 268

Bekker, ebd., S. 323.

Kriechbaum, Dogmatik und Rechtsgeschichte, S. 216; Kleinheyer/Schröder, Juristen, S. 466; vgl. auch bereits Stinzig/Landsberg, Rechtswissenschaft 11/2, S. 847 ff. 269

270

Kriechbaum, ebd., S. 18.

271

Kriechbaum, ebd., S. 116, 182 ff.

272

Kriechbaum, ebd., S. 181 f.

158

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

Stelle der gewünschten rein rechtlichen treten lassen". Er konkretisierte dies dahingehend, "daß wir uns umthun nach den Zwecken, welchen das Papier im Verkehr zu dienen bestimmt ist, und diejenige Entscheidung als die richtige erfassen, die einer diesen ökonomischen Zwecken angemessenen Behandlung am besten entspricht". 273

Offener kann man sich wohl kaum zu rechtspolitisch-ökonomischen Rechtsfolgeüberlegungen als Wertungsmaßstab für rechtsdogmatische Entscheidungen bekennen. Ausgehend von Kuntze und vor allem von Bekker herrschte in der Pandektenwissenschaft für das Papiergeld frühzeitig eine um den Geldbegriff vom gesetzlichen Zahlungsmittel modifizierte Kurswerttheorie vor. Für die Zahlung mit Metallgeld blieb es dagegen bei der vom Metallismus getragenen Anschauung, daß alle am Zahlungsort kursierenden Münzsorten als Geld galten und mit ihnen die Geldsummenverbindlichkeit erfüllt werden konnte. 274 Für das Münzgeld war die währungsrechtliche Bestimmung eines gesetzlichen Zahlungsmittels also nach wie vor geldtheoretisch bedeutungslos. Windscheid stellte dementsprechend folgende Grundsätze über die Behandlung des Papiergeldes und das Verhältnis von Papiergeld zum Metallgeld als "unbestritten" 275 fest. (1.) Papiergeld sei kein wirkliches Geld, sondern nur "Zeichengeld", da es eine "Quantität edlen Metalls" nicht dar-, sondern nur vorstelle. (2.) Niemand brauche es "deswegen" -und nicht etwa wegen des fehlenden Zwangskurses- "als Zahlungsmittel anzunehmen, wenn dies nicht durch eine besondere gesetzliche Vorschrift angeordnet ist". (3.) Sein Wert sei stets nach dem Kurswert zu bestimmen. 276 Später ergänzte er, daß (4.) gleiches im Ergebnis für die tatsächlich "als Geld circulierende" Banknote gelte. 277 Die Geldwertbestimmung aus dem Kurswert bei einem Papiergeldbegriff vom gesetzlichen Zahlungsmittel drang in dieser Zeit auch in die gerichtliche Praxis. 278

273

Bekker, Geldpapiere, S. 270.

274 Vgl.

nur Kuntze, Inhaberpapiere, 414; s.o. S. 73 f.

275

Windscheid, Pandekten II, 2. Aufl., 1869, S. 26 in Fßn. 20.

276

Windscheid, Pandekten II, 2. Aufl., 1869, S. 26.

Windscheid, Pandekten II, 5. Aufl., 1879, S. 31 in Fßn. 34; so bereits 1867 Seuffert, Pandekten II, S. 31 f. 277

278 Vgl. OAG Dresden vom 11. November 1847 in SeuffArch 2 (1849), S. 196 f. zur Erfüllung mit Papiergeld nur bei freiwilliger Annahme durch den Geldgläubiger

6. Kap.: Ausbreitung der Kurswerttheorie

159

Gerade diese Abweichung vom Geldbegriff von Savignys Kurswerttheorie zeigt, daß die Pandektisten nicht unreflektiert das Kurswertprinzip übernahmen und schon gar nicht als einmal erkanntes, für ewige Zeiten ideales Recht hielten. Sie zeigten sich vielmehr gegenüber weiteren Entwicklungen der Geldwirtschaft und des Währungsrechts von Anfang an flexibel. Auch wenn nur überUngerein indirekter Nachweis gefunden werden konnte, daß die im 19. Jahrhundert zuerst speziell auf das Papiergeld angewandte Geldtheorie vom gesetzlichen Zahlungsmittel und die gleichzeitige Betonung des obligatorischen Charakters der Banknote auf die Bankenkrise von 1857 zurückzuführen ist, so wäre es schon ein merkwürdiger Zufall, daß sich gerade in dieser Zeit die Pandektisten besonders den Banknoten annahmen und durch das gesetzliche Zahlungsmittel einer dem Geldverkehr angemessenen und rechtssicheren Lösung zuführten, indem sie diese de facto außerhalb des Geldes ließen. Damit sind wir wieder bei der Ausgangsfrage angelangt, ob die Pandektisten mit ihren Bekenntnissen zu Savignys Kurswerttheorie auf ökonomische Rechtsfolgen zielten. Dafür spricht ganz entscheidend, daß eine rein rechtliche Sicht des Geldes, ohne jede Rücksicht auf seinen ökonomischen Wert- wie Kuntze deutlich vor Augen führte- zwangsläufig zur Nennwerttheorie führen mußte. Damit soll aber umgekehrt weder für Kuntze noch im allgemeinen gesagt werden, daß aus der Annahme des Nennwertprinzips an sich schon auf die Nichtberücksichtigung ökonomischer Umstände geschlossen werden kann. Für Kuntze haben wir gesehen, daß ihm durchaus der gesellschaftliche und ökonomische Zusammenhang seiner rechtlichen Ausführungen vollkommen klar war. Im allgemeinen sei vorerst nur an die ökonomische- wenn auch nicht marktwirtschaftliche-Begründungeines Nennwertund das Obertribunal Stuttgart vom 19. Mai 1858 in SeuffArch 12 (1859), S. 174-178 (176 f.) zur schuldrechtlichen Geldwertbestimmung aus dem Kurswert mit ausdrücklichem Verweis auf die rechtswissenschaftliche Literatur. Die Kurswerttheorie liegt auch der Entscheidung des Wiener Gerichtshofes vom 26. Februar 1873, SeuffArch 29 (1874), S. 144 zugrunde. Dort wurde der während eines Zahlungsverzugs erlittene Kurswertverlust des Geldgläubigers als ersatzfahiger Schaden anerkannt. Am 30. April1872 entschied das Reichsoberhandelsgericht, SeuffArch 27 (1873), S. 15, daß eine außerhalb Österreichs auf Österreichische Währung kontrahierte Geldschuld auf österreichisches Metall- und nicht Papiergeld abgeschlossen wird. Dieser Rechtsstreit konnte nur aufgrund des geltenden Kurswertprinzips entstehen, da nur dann, wie das ROHG feststellte, eine Schuld in österreichischer Währung "höher oder niedriger" sein kann, ,je nachdem die Metallwährung oder die Papierwährung zum Grunde gelegt wird" . Zur gerichtlichen Feststellung des Kurswerts vgl. ausführlich OAG Lübeck vom 29.11. 1854, in: Sammlung der Entscheidungen des Ober-Appellationsgerichts der vier freien Städte zu Lübeck in Frankfurter Rechtssachen, Bd. 2 (1857), s. 336-343 (340 f.).

160

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

prinzips bei Pfeiffer oder Vangerow erinnert. Nach alledem ist es auch für diejenigen Pandektisten, für die kein unmittelbarer Beweis eines bewußten Einverständnisses mit der ökonomischen Ausrichtung von Savignys Kurswertprinzip gefunden werden konnte, zumindest höchstwahrscheinlich, daß die von Savigny in aller Deutlichkeit dargelegten ökonomischen Überlegungen eine Rolle spielten, wenn sich viele auf dem fremden Terrain auch nicht so recht wohl gefühlt haben mögen und wirtschaftliche Gründe deshalb nicht ausdrücklich in ihren Pandektenlehrbüchern niederschrieben oder wirtschaftliche Zusammenhänge, wie insbesondere der des Geldkurswerts mit dem Geldtauschwert, nicht vollständig durchschauten.

7. Kapitel Kodifikationsbemühungen vor allem der "Dresdener Entwurf" Nach Ausbreitung der (modifizierten) Kurswerttheorie in der pandektistischen Rechtslehre und ihrem Vordringen in die Gerichte wurde diese auch bei den privatrechtliehen Kodifikationsbemühungen im Deutschen Bund berücksichtigt. Gesetzliche Anerkennung fand die Kurswerttheorie in den Art. 86-88 (1. Buch des 2. Teils) im Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Bayern von 1861279: "Art. 86 Die Zahlung einer Geldschuld kann in jeder am Orte der Zahlung gangbaren Münzsorte geschehen, und diese ist nach dem dortselbst zur Zeit der Zahlung geltenden Kurswerthe zu berechnen. Art. 87 Ist die Geldschuld nur der Summe nach bestimmt, so ist in einer zur Zahlungszeit geltenden Münzsorte nach ihrem dermalen anerkannten Kurswerthe diejenige Summe Geldes zu geben, welche dem Betrage der ursprünglichen Schuld den zur Zeit ihrer Begründung bestandenen Münzverhältnissen entspricht. Art. 88 Ist die Münzsorte bestimmt, in welcher die Zahlung einer Geldsumme geschehen soll, so kann der Schuldner nur in dieser Münzsorte zahlen.

Ist hinsichtlich der bedungenen Münzsorte eine Veränderung eingetreten, so muß mit Rücksicht auf das Verhältniß des alten Münzfußes zu dem neuen und des früheren Curswerthes zu dem jetzigen die zu zahlende Summe bestimmt werden."

279 Neudr. privatrechtlicher Kodiflkationen und Entwürfe des 19. Jahrhunderts, Bd. 3, S. 67 f.

7. Kap.: Kodifikationsbemühwtgen

161

Demgegenüber normierte unter dem Einfluß von Sintenis280 § 666 des sächsischen BGB (1863/65)281 das Nennwertprinzip, das gemäß § 671 SächsBGB sogar für Papiergeld und Banknoten gelten sollte: "Bei Forderungen, deren Gegenstand Papiergeld oder Banknoten sind, dient, soweit nicht etwas Anderes festgesetzt ist, der gesetzlich bestimmte Werth dieser Papiere und in dessen Ermangelung der Curswerth zur Richtschnur, nach Analogie Dessen, was von geprägten Münzen gilt." Diese Regelungen im sächsischen BGB stießen sogleich auf heftige Kritik aus der Pandektenwissenschaft, namentlich von Unger. 282 Die dem sächsischen BGB zugrundeliegende Nennwerttheorie sei "in neuester Zeit" nur noch von Sintenis und Souchay vertreten worden, während die "herrschende" Ansicht bei Geldschuldverhältnissen für die Bestimmung des zu leistenden Geldwerts auf den Kurswert abstelle. 283 Den "meisten Anstoß" errege allerdings die Ausdehnung der Nennwertregel auf das Papiergeld, das einem besonders hohen alltäglichen Wertänderungsrisiko ausgesetzt sei. Deshalb erweise sich hier die "falsche Theorie vom Nennwerthals Inhalt der Geldschulden" als "völlig verwerflich". 284 Stellvertretend für die große Mehrzahl der Pandektisten bezweifelte Unger schließlich, daß der Gesetzgeber mit dem Nennwertprinzip "den Bedürfnissen des Verkehrs (!) und der Intention der Parteien gerecht" werde. 285 Um das Vorhaben zu verwirklichen, im Deutschen Bund ein allgemeines Gesetz über die Schuldverhältnisse zu schaffen, war eine Vereinheitlichung der landesgesetzlichen Regelungen nötig. Im sogenannten "Dresdener Entwurf"286 eines deutschen Obligationenrechtes von 1866, der zu Recht als unmittelbarer Vorläufer der Schuldrechtsregelungen im BGB gilt287 , konnte 280 S.o. S. 58. 281 Wortlaut s.o. S. 24. 282 Unger, Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Sachsen,

s. 65-67.

283 Unger, ebd., S. 65. 284 Unger, ebd., S. 66 f..

285 Unger, ebd., S. 67. 286 Neudr. privatrechtlicher Korliftkationen und Entwürfe des 19. Jahrhunderts, Bd. 2. 287 Schlosser, PRG, S. 157; Laufs, Rechtsentwicklungen, S. 228 ff. Der für das Schuldrecht des BGB zuständige Redaktor, Pranz von Kübel, verstarb vorzeitig, so daß der Schuldrechtsentwurf unvollendet blieb. Die Lücken wurden mittels des Dresdener Entwurfs ausgefüllt, an dem Kübel als Vertreter Württembergs beteiligt II Ott

162

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

das Kurswertprinzip auf Bundesebene durchgesetzt werden. Die Art. 245249 Dresdener Entwurf geben, in Gesetzesform gegossen, den Stand der herrschenden privatrechtliehen Geld- und Geldwerttheorie wieder. Vorausgeschickt wurde in Art. 245 eine allgemeine Vorschrift darüber, wie der .,lnhalt einer Geldschuld" bestimmt werden soll288 : "Ist eine nach einer Münzsorte bestimmte Summe zu leisten, so hat der Schuldner den Werth zu leisten, welchen die geschuldete Summe zur Zeit der Entstehung der Schuld gehabt hat. Dieser Werth ist, wenn es sich um Rückzahlung einer empfangenen Summe handelt, nach dem Courswerthe der Münsorte zur Zeit und am Orte des Empfanges, und wenn es sich um eine andere Geldschuld handelt, nach dem Courswerthe am Erfüllungsorte zur Zeit der Entstehung der Schuld zu bestimmen. Kann der Courswerth der Münzsorte nicht ermittelt werden, oder mußte dieselbe zur Zeit der Entstehung der Schuld vermöge gesetzlicher Vorschrift zum Nennwerthe angenommen werden, so entscheidet im ersteren Falle der Metallwerth, im letzteren der Nennwerth. "

Danach galt grundsätzlich der Kurswert der bei Schuldbegründung verwendeten Rechnungsmünzen für die Bestimmung der zu zahlenden Geldsumme. Selbst wenn dieser nicht festgestellt werden könnte, sollte nicht auf den Nennwert, sondern auf den Metallgehalt der Rechnungsmünzen zurückgegriffen werden. Nur für die als Ausnahme verstandene289 ausdrückliche gesetzliche Nennwertanordnung sollte diese auch schuldrechtlich gelten. In den Art. 246-248 wurde geregelt, in welchen Münzsorten eine nach Art. 245 bestimmte Geldverbindlichkeit erfüllt werden kann. Den Regelfall behandelte Art. 246: ,.Ist eine Geldsumme zu leisten und über die Münzsorte, in welcher die Leistung geschehen soll, keine Bestimmung getroffen, so kann die Zahlung in jeder zur Zeit und am Orte der Zahlung gangbaren Münzsorte erfolgen. Die zur Zahlung verwendete Münzsorte ist nach dem Courswerthe am Orte und zur Zeit der Zahlung zu berechnen, insofern nicht durch die Landesgesetze in Beziehung auf die Landesmünze oder auf die dieser gesetzlich gleichgestellten ausländischen Münzsorten etwas Anderes bestimmt ist. Der Gläubiger ist nicht verbunden, Papiergeld oder Banknoten statt Metallgeldes, oder Gold, fallsamOrte der Zahlung Silberwährung gilt, oder Scheidemünze bei einem Werth der kleinsten groben Münzsorte erreichenden Betrage anzunehgewesen war; Benöhr, Dresdener Entwurf, in: Hundert Jahre schweizerisches Obligationenrecht, S. 58 f.; Schubert/Jahnel, Entstehungsgeschichte des BGB, Einführung, S. 43 f., 75. 288

Schubert, Prot. zum Dresdener Entwurf I, S. 800.

289 Schubert,

Prot. zum Dresdener Entwurf I, S. 797.

7. Kap.: Kodifikationsbemühungen

163

men, wenn es sich nicht um Rückzahlung einer durch Hingabe von Papiergeld, Gold oder Scheidemünze entstandenen Schuld handelt, oder wenn nicht durch Gesetz oder Rechtsgeschäft etwas Anderes bestimmt ist."

In den Art. 247, 248 wurden die hier nicht weiter interessierenden Ausnahmefalle geregelt, in denen Zahlung einer Geldsumme mit bestimmten Münzsorten oder gar die Leistung bestimmter Münzstücke ausdrücklich vereinbart wurde. Nach Art. 249 fanden auf das Papiergeld und die Banknoten die Vorschriften über Metallgeld entsprechende Anwendung. Die Beratungen innerhalb der Schuldrechtskommission, die zur Entstehung dieser Vorschriften im Dresdener Entwurfs führten, verliefen erwartungsgemäß nicht reibungslos. Der Referent war mit der dem Kurswertprinzip bereits folgenden Vorlage des vorbereitenden Ausschusses nicht einverstanden und sprach sich für das Nennwertprinzip aus. Dieses sei, ausgehend von Pfeiffer vor Savigny, herrschende Geldlehre gewesen und ergebe sich insbesondere aus dem römischen Recht, das nur auf den Prägungswert Gewicht lege. 290 In praktischer Hinsicht sei das Münzwesen in "wohlgeordneten Staaten", womit der Referent die Teilnehmer des Wiener Münzvertrages meinte, "allenthalben so beschaffen, daß der Prägungswerth nicht bloß genau normirt sei, sondern ebenso streng eingehalten werde". Die Verbreitung des Kurswertprinzips in jüngster Zeit sei auf "Savigny 's Autorität gestützt" und werde deshalb "bei nicht Wenigen ohne die erforderliche Begründung vorgetragen". Außerdem äußerte der Referent Bedenken, ob "die betheiligten deutschen Regierungen" eine gesetzlich niedergeschriebene Kurswertgeltung "gutheißen" würden. 291 Diese altbekannten Argumente vermochten die Mehrheit der Schuldrechtskommission nicht zu überzeugen, zugunsten des Nennwertprinzips, über die unstreitige Geltung des Nennwerts bei ausdrücklicher Anordnung des Nennwertzwangs hinaus, von der Vorlage abzuweichen. Den "seit der trefflichen Ausführung Savigny's ( ... )die gemeine Meinung, einigen abweichenden Stimmen gegenüber" darstellenden Grundsätzen der Kurswerttheorie sei zu folgen. 292 Insbesondere die ökonomische Wirkungsrichtung war für die Kommission von ausschlaggebender Bedeutung. Nur der Kurswert des Geldes gebe "einen auf in- und ausländische Münzen, auf Metall- und Papiergeld gleich anwendbaren Maßstab für die Beurtheilung des Inhalts einer Geldschuld ab". 293 Dagegen sei der Nennwert "erfahrungs290

Der Referent stützte das Nennwertprinzip namentlich auf D. 18, 1, 1;

Schubert, Prot. zum Dresdener Entwurf I, S. 789. 2 9 1 Schubert,

Prot. zum Dresdener Entwurf I, S. 789 f.

292 Schubert,

Prot. zum Dresdener Entwurf I, S. 791 .

29 3 Schubert,

ebd., S. 793.

164

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

gemäß selbst nicht den Privatverkehr des Inlandes zu beherrschen im Stande" . 294 Geld sei das für den Verkehr bestimmte allgemeine Tauschmittel und nur der Verkehr habe daher das "Recht, über Werthund Unwerth der in ihm circulierenden Münzen und Geldzeichen zu entscheiden" .295

Schließlich konnte man sich, ohne im Protokoll vermerkte Gegenstimmen, ziemlich schnell auf folgende Formulierung einigen: "Die zur Zahlung verwendete Münzsorte ist nach dem Courswerthe am Orte und zur Zeit der Zahlung zu berechnen, wenn dieselbe nicht in Folge gesetzlicher Vorschrift zum Nennwerthe angenommen werden muß. " 296 Damit war die Entscheidung für das Kurswertprinzip im Dresdener Entwurf gefallen, wobei nicht in die Kompetenz des Gesetzgebers eingegriffen wurde, Nennwertgeltung künftig ausdrücklich anordnen zu können. Die Regelungen des Geldschuldrechts reihen sich in die den gesamten Entwurf tragenden Prinzipien von Vertragsfreiheit, Verkehrserleichterung, Rücksichtnahme auf die öffentliche Meinung und die Bedingungen der Gesetzgebungspolitik ein. 297 Dazu orientierte sich die Schuldrechtskommission bewußt an der herrschenden Kurswerttheorie und den von ihren Vertretern vorgetragenen Argumenten. Der Pandektenwissenschaft kann insofern rechtsfortbildende Kraft zugesprochen werden. Gerade durch die im Dresdener Entwurf vorgesehene Kurswertgeltung stand das Kurswertprinzip denkbar kurz davor, für alle deutschen Staaten gesetzlich im Privatrecht durchgesetzt zu werden. Auf theoretischer Ebene wirkte dies insofern innovativ, als das Erfordernis, die Nennwerttheorie wissenschaftlich grundlegend zu modernisieren, wenn diese künftig noch prinzipielle schuldrechtliche Geltung beanspruchen sollte, offen zu Tage trat. So gesehen leitete die Kurswerttheorie durch ihren Erfolg ihr eigenes Ende ein.

8. Kapitel

Neubegründung der Nennwerttheorie im Vorfeld der Reichs- und Währungseinheit Es ist kein Zufall, daß nur zwei Jahre nach dem Dresdener Entwurf 1868 der Versuch einer zukunftsweisenden Begründung der Nennwerttheorie in der 294 Schubert,

295

Schubert, ebd., S. 796.

296 Schubert, 29 7

ebd., S . 795. ebd., S. 799.

Benöhr, Dresdener Entwurf, S. 60 ff.

8. Kap.: NeubegründlDI.g der Nennwerttheorie

165

romanistischen Rechtswissenschaft durch Levin Goldschmidt und Gustav Hartmann unternommen wurde. Nicht zuletzt durch den Dresdener Entwurf fanden sich die deutschen298 Nennwertvertreter zunehmend in die Rolle einer geldtheoretischen Randerscheinung gedrängt. Darüber hinaus wurde eine einheitliche Geldwertbestimmung auf dem Gebiet des 1867 gegründeten Norddeutschen Bundes dringender denn je zuvor. Auf Grundlage überkommener merkantilistischer Vorstellungen war der Nominalismus wirtschaftlich nicht mehr zu begründen und politisch gegenüber der liberalen Reichstagsmehrheit nicht durchsetzbar. Die privatwirtschaftliche Expansion verlangte nach einer umfassenden theoretischen Neufundierung eines Nennwertprinzips, wenn die Nennwerttheorie nicht in der historischen Versenkung verschwinden sollte. Dabei blieb es, angesichts der nach wie vor zersplitterten Währungssituation, bei einer privatrechtliehen Problemlösung. Allerdings zeichnete sich mit der militärischen Entscheidung des preußisch-österreichischen Dualismus 1866 und der daraufhin erfolgten Konstituierung des Norddeutschen Bundes auch die Entwicklung zur staatlichen und währungsrechtlichen Einheit ab.

I. Gustav Hartmann Eine grundlegende rechtliche Neubegründung der Nennwerttheorie versuchte Gustav Hartmann in seiner 1868 veröffentlichten Monographie "Ueber den rechtlichen Begriff des Geldes und den Inhalt von Geldschulden". Hartmann, für Landsberg einer der "scharfsinnigsten und feinfühligsten Forscher" 299 , bildet insofern eine Ausnahme, als er kein Pandektenlehrbuch geschrieben hat. Ohne Zweifel ist er aber, aufgrund seiner Befassung mit der Auslegung des römischen Rechts der Pandektenwissenschaft zuzuordnen. 300 Seine Geldlehre ist gerade im Hinblick auf eine Zweckorientierung widersprüchlich interpretiert worden. Landsberg betont die enge Verbindung Hartmanns zu den fortschrittlichen Ideen Jherings. In seiner Geldmonographie erscheine er als "Jurist von objektiv gerichteter Denkart", der 298 Im internationalen Vergleich dominierte ausgehend vom französischen Code civil in den neueren niederländischen, spanischen, italienischen, portugiesischen, argentinischen und chilenischen privat- und handelsrechtliehen Kodiflkationen, sowie auch im Civil codevon New York das Nennwertprinzip; Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S. 1169 in Pßn. 5. 299 Stinzig/Landsberg,

Rechtswissenschaft III/2, S. 852.

Rechtswissenschaft III/2, S. 852 f.; vgl. auch Kiefner, Geld und Geldschuld, S. 42 in Pßn. 71. 300 Stinzig/Landsberg,

166

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

"aus dem Zwecke der Rechtseinrichtung" folgerte und so dem "Jheringschen Zweckgedanken" gerecht werden wollte. Diesen methodischen Weg sei er zudem in seiner Zeit fast alleine gegangen. 301 Demgegenüber sind Hartmanns Geldausführungen für K.iefner beispielhaft für den sich ausbreitenden rechtswissenschaftliehen Positivismus, der ökonomische Überlegungen aus der Rechtsbetrachtung ausblenden wollte. 302

1. Zielsetzung und Methode Gleich zu Beginn seiner Abhandlung lehnte es Hartmann ab, "an die Stelle scharfkantiger Rechtsbegriffe die flüssigeren Linien" der Nationalökonomie in die Rechtswissenschaft treten zu lassen. 303 Dabei war er sich durchaus der Relevanz der wirtschaftlichen Seite des Geldwesens bewußt. Er hielt auch die nationalökonomischen Erkenntnisse auf diesem Gebiet für überaus bedeutend. 304 Ihm ging es aber ausdrücklich darum, die beiden Wissenschaften getrennt voneinander zu betrachten, wobei er das "juristische Element in seiner Reinheit zur Geltung" bringen wollte. 305 Gerade Savignys Darstellung gehe aber bereits von "irrigen Vorstellungen über die thatsäcblichen wirthschaftlichen Verhältnisse" aus. 306 Diese Methode und Zielsetzung scheinen die Einordnung Hartmanns als Rechtspositivisten zu bestätigen. Wir werden sehen, ob Hartmanns Geldlehre wirklich von wirtschaftlichen Zwecken vollkommen frei war.

2. Rechtlicher Geldbegriff a) Soziale und wirtschaftliche Tatsache Hartmann bestimmte zunächst seinen "allgemeinen rechtlichen Begriff des Geldes" 307 , der wirtschaftlicher nicht formuliert werden könnte. Geld habe den alleinigen Gebrauchszweck und -wert, "Instrument des Verkehrs" zu 30l

Stinzig/Landsberg, Rechtswissenschaft III/2, S. 853.

302

Kiefner, Geld und Geldschuld, S. 43.

303

Hartmann, Begriff des Geldes, S. IV.

304

Hartmann , Begriff des Geldes, S. IV.

305

Hartmann , Begriff des Geldes, S. III.

306

Hartmann, Begriffdes Geldes, S. IV, 70, 88.

307

Hartmann, Begriffdes Geldes, S. 17.

8. Kap.: Neubegründtmg der Neonwerttheorie

167

sein. Geld seien alle Sachen, "welche durch unseren Verkehr thatsächlich in der ordentlichen Bestimmung anerkannt sind, nur durch ihren Tauschwert zu dienen". 308 Unter diesen allgemeinen Geldbegriff faßte er auch ausländische Geldsorten und das Papiergeld. 309 Hartmann ging soweit, festzustellen, daß ausländische Geldsorten sogar dann "in unserem Sinne als Geld" betrachtet werden müßten, "wenn gesetzlich ihre Verwendung zu Zahlungen bei Strafe verboten wäre". 310 b) Gesetzliches Zahlungsmittel Für die einzige rechtlich relevante Geldfunktion hielt Hartmann die Eigenschaft des Geldes als Zahlungsmittel zu dienen. 311 Nur durch die gesetzliche Normierung eines allgemeinen "Annahmezwangs" für ein Tauschmittel entstehe Geld, das als solches Gegenstand privatrechtlicher Forderungen sein könne. 312 Dagegen enthalte die Wertmesserfunktion des Geldes kein "juristisches Moment von selbständiger Bedeutung und Brauchbarkeit". 313 Die Rechtsordnung habe auf das Vergleichen von Werten im Wirtschaftsverkehr keinen Einfluß. Der Verkehr sei es selbst, der "frei werthet". Der Tauschwert eines Verkehrsgutes sei rechtlich nicht zu fixieren. Der Staat könne allenfalls indirekt auf die Preisbildung "durch Beeinflussung der Nachfrage" einwirken. 314 c) Schuldtilgungsmittel im Privatrecht Hartmann definierte dann für das Schuldrecht seinen speziellen Begriff des Geldes. Ausgehend von der im Recht ausschließlichen Aufgabe des Geldes, als Zahlungsmittel zu dienen, definierte Hartmann das schuldrechtlich relevante Geld als zwangsweises Erfüllungsmittel von Forderungen. Geld sei das, was die rechtlich ordentliche Bestimmung habe, als "letztes zwangsweises Mittel 30S

Hartmann, Begriff des Geldes, S. 34.

309 Hartmann,

Begriff des Geldes, S. 33.

3 10 Hartmann,

Begriff des Geldes, S. 33.

311

Hartmann, Begriff des Geldes, S. 16.

312 Hartmann,

313

Begriff des Geldes, S. 12, 50.

Hartmann, Begriff des Geldes, S. 6.

314 Hartmann,

Begriff des Geldes, S. 5.

168

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

der solutio von Obligationen" zu dienen. 315 Solches Geld stelle allein das rechtlich mit einem allgemeinen "Annahmezwang" belegte gesetzliche Zahlungsmittel dar. 316 Nur das gesetzliche Zahlungsmittel könne an Stelle eines privatrechtliehen Primäranspruchs zur Erfüllung eines sekundären Geldanspruchs gebraucht werden. Das gleiche gelte für alle gesetzlichen Geldansprüche. 317 Der Geldgläubiger könne rechtlich ohne weiteres nur zur Annahme von Zahlungsmitteln gezwungen werden, die kraft Gesetzes als Geld genommen werden müssen. Hartmann konnte damit sowohl das Staatspapiergeld als auch die Banknoten - unabhängig von ihrem Metallgegenwert - als wirkliches Geld und nicht nur als Metallgeldzeichen verstehen, sofern diese nur die währungsgesetzliche Bestimmung erhalten hatten, zur Erfüllung von Geldforderungen angenommen werden zu müssen. 318 Ausländisches Geld schloß er dagegen grundsätzlich aus, wenn es nicht ausdrücklich mit innerstaatlichem Annahmezwang versehen wurde, so daß mit diesem eine Geldforderung ohne Einverständnis des Gläubigers nicht erfüllt werden konnte. 319 Somit trennte Hartmann die Geltung von Geld durch die Anerkennung im Wirtschaftsverkehr (allgemeiner rechtlicher Geldbegriff) von der Geltung durch gesetzlichen Annahmezwang innerhalb eines Staates (spezieller rechtlicher Geldbegriff). Er ging dabei von Savignys rein faktischen, sozialen Grundbegriff des Geldes aus, indem es die Sache sei, die Vermögenswert abstrakt darstelle und vertrete. 320 Nur solche Gegenstände konnten durch die Rechtsordnung als Geld anerkannt werden. Auch Hartmann setzte damit an sich die sozial-ökonomische Anerkennung für rechtliches Geld voraus. Rechtlich entscheidend sollte aber nur die staatliche Bestimmung eines gesetzlichen Zahlungsmittels sein. Nur dieses könnte als Leistungsgegenstand einer Geldverbindlichkeit, insbesondere auch gesetzlicher Geldschuldverhältnisse, von Gesetzes wegen Erfüllung bewirken. Erst der gesetzliche Annahmezwang ermögliche die gerichtliche Anordnung, bestimmte Zahlungsmittel zur Erfüllung von Geldforderungen zu gebrauchen. 321 Geld im Privatrecht war für Hartmann also mit Annahmezwang belegtes Geld, mit anderen Worten nationales Währungsgeld. In der Privatrechtsordnung kann 315 Hartmann,

Begriff des Geldes, S. 50.

316 Hartmann,

Begriff des Geldes, S. 62.

317

Hartmann, Begriff des Geldes, S. 64 f.

318

Hartmann, Begriff des Geldes, S. 55 ff.

319 Hartmann,

Begriff des Geldes, S. 65.

320 Hartmann,

Begriff des Geldes, S. 66 f.

321

Hartmann, Begriff des Geldes, S. 50.

8. Kap.: NeubegriindWlg der Nennwerttheorie

169

Geld als standardisierte Werteinheit nur Währung sein. Währung ist das Geld der Rechtsordnung.

3. Geldtheoretische Nennwerttheorie Von seinem Verständnis des Geldes gelang Hartmann zur Anwendung des Nennwertes für den aufgrund einer Geldforderung zu leistenden Wert. Er unterschied die Wertbestimmung für die Erfüllung mit gesetzlichen und faktischen Zahlungsmitteln. a) Legale Zahlungsmittel und legaler Zahlungswert Für den Fall, daß mit dem gesetzlichen Zahlungsmittel eine Geldforderung erfüllt werden sollte, begründete Hartmann die grundsätzliche Nennwertgeltung im Schuldrecht. Zunächst widerlegte er kurz die alte, merkantilistisch-metallische Begründung der Nennwerttheorie von Pfeiffer. Niemand könne zur Teilnahme am Wirtschaftsverkehr durch staatliche Anordnung gezwungen werden. Es müsse deshalb konsequent auch jedem freistehen, "wie hoch er das gebotene Tauschmittel anrechnen lassen will" 322 , wenn man wie Pfeiffer die Weftmesserfunktion des Geldes für die rechtlich entscheidende Geldfunktion hält. Hartmann umging Pfeiffers zwangswirtschaftliche Geldwertfestsetzung, indem er nicht auf die Wertmesser-, sondern nur auf die Zahlungsmittelfunktion des Geldes als rechtlich entscheidende abstellte. Geld sollte zwar im Recht einen gesetzlich festgelegten Zahlungswert haben, im übrigen sollte es den Wirtschaftenden aber unbenommen bleiben, den Wert des Geldes im Verhältnis zu Waren oder Dienstleistungen frei zu bemessen. Die Nennwertgeltung folgt deshalb bei Hartmann nicht aus staatlicher Machtwillkür, sondern Geld sei im Recht überhaupt nur gesetzlich mit "Zahlkraft" ausgestattet. Wenn nun die "Rechtsordnung zu bestimmen hat, ob ein Gegenstand Zahlkraft habe", so müsse es auch von ihr abhängen, "inwiefern, d.h. in welchem Umfange ihm jene Kraft zukomme". 323 Daher sollte der "bezeichnete Werth rechtlich als vorhanden angenommen werden (... ), einerlei, ob er wirklich vorhanden sei oder nicht". 324 322 Hartmann,

Begriff des Geldes, S. 75.

32 3 Hartmann,

Begriff des Geldes, S. 75.

324

Hartmann, Begriff des Geldes, S. 76.

170

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

Dies gelte zunächst für alle Geldarten, die mit einem gesetzlichen Annahmezwang belegt seien. Die schuldrechtliche Nennwerttheorie gründet bei Hartmann unmittelbar auf seinem geldtheoretischen Begriff des gesetzlichen Zahlungsmittels, welches durch die Währungsordnung bestimmt wird. Er sah im Hinblick auf die hoheitliche Festlegung eines allgemeinen Zahlungsmittels und einer allgemeinen Werteinheit überhaupt keinen Spielraum für einen schuldrechtlichen Valorismus. Entgegen Savigny war Hartmann der Auffassung, daß die Nennwertgeltung nicht Übelstand, sondern für das Recht notwendige Voraussetzung sei, damit Geldforderungen überhaupt zu einem bestimmten Wert durchgesetzt werden können. Auffallend ist bei Hartmann in diesem Zusammenhang seine Loslösung vom Parteiwillen. Da der Rechtssatz, der etwas zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt dem öffentlichen Recht (juris publici) angehöre, sei es auch dem Parteiwillen entzogen, für dieses einen anderen Wert als den Nennwert für verbindlich zu vereinbaren. 325 Hartmann erklärte damit die Anwendung des Nennwerts nebenbei für nicht disponibles (öffentliches) Recht, wenn es sich um Währungsgeld handelte. Dies gelte für Scheidemünzen, aber insbesondere auch für das Papiergeld. 326 Es stehe den Parteien lediglich frei, sich über die Zahlung in vollwertigen Kurantmünzen abweichend zu einigen, denn andernfalls führe der gesetzliche Zwangskurs zu einem "unhaltbare(n) System gesetzlicher Preistaxen". 327 Wenn ich recht sehe, war Hartmann der erste deutsche Jurist des 19. Jahrhunderts, der überhaupt die Möglichkeit vertraglicher Wertsicherung in Zweifel zog. b) Legitime Zahlungsmittel und legitimer Zahlungswert Ausnahmen vom Nennwertprinzip machte Hartmann für die Zahlungsmittel, die ohne gesetzlichen Annahmezwang tatsächlich im Verkehr als Geld umherliefen - also seinem allgemeinen rechtlichen Begriff des Geldes entsprachen. Für den Verkehr mit Geld, das nicht zur Erfüllung von Geldforderungen gesetzlich bestimmt worden war, hielt Hartmann- in Übereinstimmung mit Savigny - den Parteiwillen für maßgebend. 328 Entgegen Savigny meinte Hartmann aber nicht, daß der Parteiwille grundsätzlich auf den Tauschwert gehe. Dies sei zwar in den von Savigny ange325

Hartmann, Begriff des Geldes, S. 99 ff.

326 Hartmann,

Begriff des Geldes, S. 76, 84 ff.

327 Hartmann,

Begriff des Geldes, S. 101.

328

Hartmann, Begriff des Geldes, S. 102.

8. Kap.: NeubegründWlg der Nennwerttheorie

171

führten Fallbeispielen richtig gewesen, da dort eine hohe Geldsumme in sehr wertunsicheren Scheidemünzen oder Papiergeld geschuldet wurde. 329 Für die Auslegung des regelmäßigen Parteiwillens war für Hartmann indes wesentlich, inwiefern Veränderungen der Kaufkraft des Geldes in ka.lkulierbarem Rahmen blieben. So sei nach dem Parteiwillen die Geldleistung an die Voraussetzung geknüpft, daß nicht zwischenzeitlich eine "wesentliche" Veränderung des Realwertes eintrete. 330 Wann eine Veränderung der Vermögensmacht des Geldes wesentlich sein soll, führte Hartmann nicht aus. Er überließ dies den Gerichten. Hartmann sah den Parteiwillen weiterhin in Zusammenhang mit dem Stabilitätszustand der Währung. Namentlich führte er das Beispiel England an, wo durch "die organisierte Kraft der öffentlichen Meinung die Annahme (von Geldeinheiten) zum vollen Nennwerth durchgängig gesichert" sei. 331 Im Umkehrschluß sah Hartmann diesen Glauben an die Geldwertstabilität im Deutschen Bund (noch) nicht erreicht. Wenn sich die Nennwertgeltung im tatsächlichen Wirtschaftsverkehr durchgesetzt habe, so gehe der Parteiwille in der Regel auf den Nennwert des Geldes. Regelmäßig wollte Hartmann den Nennwert auch auf die Erfüllung des Geldschuldverhältnisses mit Papiergeld oder ausländischem Geld anwenden. Die Parteien kalkulierten das Risiko der Wertveränderungen ein. So werde Papiergeld im Verhältnis zum Münzgeld mit Agio oder Disagio gehandelt, wenn der reale Wertbestand ungewiß sei. Der Parteiwille gehe deshalb dahin, die bei Schuldentstehung berechnete Geldsumme zum Nennwert zu schulden. 332 Ausländisches Geld stehe notwendig in einem Kursverhältnis zum inländischen, so daß auch hier die Vereinbarung der Geldschuld, in ökonomischen Worten die Preisvereinbarung, dem Kursverhältnis zum inländischen entsprechend erfolge und die Geldforderung auf die Nennwertsumme beschränkt bleibe. 333 Es sei festzuhalten, daß deshalb auch dort, wo nicht Geld im engeren Sinne Vertragsgegenstand ist, in der Regel eine "bestimmte Stückzahl des bestimmten Nominalgehalts zu leisten" sei. 334 Hartmann erweiterte damit den Nennwertgrundsatz auch auf Nichtwährungsgeld. Es ist unterdessen nicht zu übersehen, daß Hartmann eine Anpassung der Geldforderung an ihren ökonomischen Wert, entsprechend dem Parteiwillen, im Ausnahmefall für rechtlich geboten hielt. Dies war jedenfalls dann der 329 Savigny,

Obligationenrecht I, S. 456 f.; 494 f.

330 Hartmann, 331

Begriff des Geldes, S. 104.

Hartmann , Begriff des Geldes, S. 104.

332 Hartmann,

Begriff des Geldes, S. 92 ff.

333 Hartmann,

Begriff des Geldes, S. 108.

334 Hartmann,

Begriff des Geldes, S. 108 f.

172

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

Fall, wenn a) eine nicht mit gesetzlichem Annahmezwang belegte Geldartlsorte von vornherein oder bei nachträglicher Einigung über das Erfüllungsmittel vertragsgegenständlich geworden und b) eine "wesentliche" Realwertveränderung eingetreten ist und sich c) die Nennwertgeltung nicht im Wirtschaftsverkehr tatsächlich durchgesetzt hat.

4. Wirtschafts- und rechtspolitische Einordnung Entgegen seiner eigenen bescheidenen Annahme335 gehen Hartmanns Ausführungen weit über einen Anhang zu Savigny und eine bloße Kritik an dessen Kurswerttheorie hinaus. Vielmehr begründete er den Nennwertgrundsatz als moderne Alternative zum Kurswert, gerade für eine marktwirtschaftliche Ordnung. Insgesamt erscheint seine Geldlehre als wohlausgewogenes System zwischen Wirtschafts- und Rechtsordnung und zwischen öffentlichem Währungs- und privatem Schuldrecht. Anders als Savigny versuchte Hartmann nicht auf privatrechtlichem Wege eine Liberalisierung der Geldordnung herbeizuführen. Entsprechend seinem methodischen Verständnis und seiner Zielsetzung erhob er unmittelbar keine ökonomisch rechtspolitischen Forderungen. Hartmann setzte vielmehr eine freiheitliche Wirtschaftsordnung für seine Geldlehre schlichtweg voraus. Das wurde deutlich, als er sich gegen die Relevanz der Wertmesserfunktion des Geldes im Recht wendete, da der Tauschwert des Geldes überhaupt nur indirekt staatlich beeinflußbar sei, und vor allem nicht gesetzlich festgelegt werden könne. Auch war Hartmann um den Bestand der marktwirtschaftliehen Ordnung bei Nennwertgeltung bemüht, indem die Anwendung des Nennwerts auf das Währungsgeld dort ihre Schranke finden sollte, wo sie zu gesetzlichen Preistaxen führt. Weiterhin widerlegte er Savignys Kurswerttheorie damit, daß es eine wertstabile Grundlage des Geldes nicht gebe. Vielmehr unterlägen auch die Edelmetalle im Wirtschaftsverkehr ständigen Wertschwankungen. 336 Die Auswahl der Edelmetalle als relativ wertstabile Grundlage des Geldes war in der Tat, wie schon Hufeland auffiel, ziemlich willkürlich. Auch hier offenbart sich das ökonomische Verständnis Hartmanns, der die vom Privatrecht nicht zu steuernde Preisbildung am Markt für jede weitere Überlegung voraussetzte. Darüber hinaus unterstreicht sein ökonomisches Bewußtsein die umfangreich "der Parallele wegen" 337 verarbeitete neuere volkswirtschaftliche Li335 Hanmann, 336

Begriff des Geldes, S. IV.

Hanmann, Begriff des Geldes, S. 70.

337 Hanmann,

Begriff des Geldes, S. 17.

8. Kap.: Neubegründ1mg der Neonwerttheorie

173

teratur. Hartmann zitierte, um nur die für ihn Wichtigsten zu nennen, neben Samuel Oppenheim, Johann Christian Ravit, Wilhelm Georg Roscher, Lorenz v. Stein, Adolph Wagner, vor allem Karl Knies. 338 Diese hatten besonders die ökonomische Notwendigkeit gesetzlicher Zahlungsmittel betont339 , blieben aber dabei zumeist beim Metallismus. So konnte insbesondere für Knies aus ökonomischer Sicht Papiergeld niemals selbständiger Wertmesser und deshalb wirkliches Geld sein. 340 Persönlich kannte Hartmann den bedeutenden niederländischen Statistiker F. Laspeyres, auf dessen Verfahren gegenwärtig die Berechnung der amtlichen Preisstatistik in der Bundesrepublik beruht. 341 Auf den zwischen ihm und Hartmann während der gemeinsamen Zeit an der Universität Basel stattfindenden Gedankenaustausch über das Geld wies Hartmann ausdrücklich hin. 342 Bemerkenswerterweise sah Hartmann seine Geldtheorie dann auch besonders durch die neuesten Erkenntnisse der Nationalökonomie gestützt: "Im Ganzen freilich zeigt sich hier die auf den ersten Blick etwas paradoxe Erscheinung, daß gerade die Juristen selbst, darunter auch Savigny, am meisten geneigt sind, das Geld durchaus ökonomisch, nur seiner wirthschaftlichen Function nach zu bestimmen, während umgekehrt in nationalökonomischen Schriften die verdienstliebsten Ansätze zu genauer juristischer Bestimmung sich finden." 343

Was demgegenüber die Unbrauchbarkeit der römischen und kanonischen Rechtsquellen betrifft, stimmte Hartmann mit Savigny überein. Da der Rechtssatz, daß "eine bestimmte für unseren Verkehr eigends geschaffene Münzsorte ,Geld' (im speziellen Sinne) sein sollte, juristisch nur auf einen besonderen Act unserer Rechtsordnung zurückgeführt werden kann", sei nur "aus dem Sinne (!) dieser unserer Rechtsordnung abzuleiten, für welchen Werth sie gelten solle". 344 Der grundsätzliche Unterschied zwischen Savigny und Hartmann besteht darin, daß Hartmann an die rechtliche Relativität des Geldbegriffs anknüpfte, 345 während Savigny nach einer rechtlich einheitlichen Wertbestimmung 338 Hartmann, Begriff des Geldes, S. 3 ff., 16, 48, 57, 69, 72, 97 f. 339 Knies, Geldentwertung (1858), S. 266 f, 272; Ravit, Lehre vom Gelde (1862), S. 8 f.; Wagner, Geld- und Kredittheorie der Peelschen Bankacte (1862), S. 63 ff.; vgl. dazu auch Winkel, Geldtheorie, S. 5 f. 340 Knies, ebd., S. 270. 341 Duwendag, Geld, S. 136. 342 Hartmann, Begriff des Geldes, S. 97. 343 Hartmann, Begriff des Geldes, S. 3. Begriff des Geldes, S. 112. 345 Hartmann, Begriff des Geldes, S. 96. 344 Hartmann,

174

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

für alle Geldsorten und -arten suchte. Hartmann schloß die geldschuldrechtliche Wertbestimmung nach dem Tauschkurswert im Ausnahmefall ausdtiicklich nicht aus, befürwortete als Regel aber die Nennwertanwendung. Für den Nennwert sind zwei tragende Argumente Hartmanns festzuhalten. Für das Währungsgeld ergebe sich die Nennwertgeltung bereits aus der gesetzlichen Anordnung, Währungsgeld mit rechtlichem Zwang annehmen zu müssen. Für faktisches Geld entspreche die Bestimmung der Schuldsumme durch den Nennwert in der Regel den Parteiinteressen, da diese Geldwertänderungen bei der Preisvereinbarung berücksichtigten. Trotz des ökonomischen Sachverstandes verfolgte Hartmann konsequent sein Ziel, die rechtliche Perspektive des Geldes darzulegen. Nichtsdestoweniger ist festzuhalten, daß Hartmann ein bewußt marktwirtschaftliches Vorverständnis hatte, als er seine rechtlichen Überlegungen anstellte und somit seine Geldtheorie auch gezielt auf diesen ökonomischen Rahmen abgestimmt war. Hartmann kam dadurch zu einer marktwirtschaftskonformen Anwendung des Nennwertprinzips im Privatrecht, wobei im optimalen Fall die Annahme nationaler Währung zum Nennwert auch in der Wirtschaftsgemeinschaft tatsächlich anerkannt ist. In vorbildlicher Weise sah Hartmann dieses Geldsystem in England verwirklicht. Diesem Zustand suchte er nachzueifern. Er blieb bei der von ihm vorgenommenen vollkommenen rechtlichen Abstraktion des Geldes vom Geldmaterial in jeder Hinsicht innerhalb der Grenzen einer marktwirtschaftliehen Ordnung. Die Modernisierung der Nennwerttheorie liegt in seinem wirtschaftlichen Vorverständnis, wobei Hartmann eine liberale Wirtschaftsordnung nicht anstrebte, sondern unterstellte. Das Nennwertprinzip erscheint dabei nicht mehr als bedenkliche staatliche Bevormundung auf Kosten der Wirtschaftsteilnehmer, sondern als geldwertstabilisierende, weil wertstandardisierende Alternative zum Kurswertprinzip. Der sogenannte rechtswissenschaftliche Positivismus als Kennzeichnung für Hartmanns Geldlehre ist deshalb insofern irreführend, als darin ein Abbrechen der Brücke zum Ökonomischen gesehen wird. 346 Das marktwirtschaftliche Vorverständnis von Hartmann folgte nicht aus einer staatlich vorgegebenen Wirtschaftsordnung, sondern, wenn überhaupt, dann aus einer in der Nationalökonomie nunmehr vorherrschenden Meinung, vor allem aber aus eigener Überzeugung. Worum es Hartmann aus ökonomisch zweckorientierter Sicht rechtspolitisch ging, stellte er später selbst klar: "Das Rechtsgesetz, durch welches Geld in vollkommenen Sinne (gesetzliches Zahlungsmittel) geschaffen wird, ist freilich außer Stande, die wirthschaftliche Freiheit des Marktes zu beseitigen, oder die natürlichen Gesetze des Verkehrs umzuwandeln. Aber der zweckbewußte Gedanke der Rechtsbildung vermag doch 346

So aber Kiefner, Geld und Geldschuld, S. 43.

8. Kap.: NeubegründWig der Nennwerttheorie

175

stets der Wirksamkeit der natürlichen Kräfte innerhalb vernünftiger Grenzen Ziel und Richtung zu geben und feste Grundlagen zu verschaffen." 347

Hartmann wollte also, mit Hilfe des Rechts, den Geldverkehr in geordnete, sichere und überschaubare Bahnen lenken. Vor diesem Hintergrund unterschied sich Hartmann von den Ergebnissen der bisherigen Nennwerttheorie, insofern für ihn (1.) Papiergeld und Banknoten als gesetzliche Zahlungsmittel wirkliches Geld und nicht nur Metallgeldzeichen waren, (2.) die Nennwertgeltung für Papiergeld gegen Bekker und im Hinblick auf die Banknoten auch gegen Kuntze für sich keine Anomalie und kein Kennzeichen zerrütteter Geldverhältnisse darstellte, (3.) Geldforderungen im Inland grundsätzlich nur mit landesgesetzlichen Geldsorten und nicht mit allen kursierenden Kurantmünzen erfüllt werden konnten und (4.) vertragliche Wertsicherungen währungsrechtlich, sofern sie die Annahme von Währungspapiergeld oder Scheidemünzen einschränkten, währungsrechtlich unzulässig und deshalb privatrechtlich unwirksam waren. Mit der rechtlich vollständigen Lossagung Hartmanns vom Metallismus war er seiner Zeit um gut vierzig Jahre voraus. Erst von dem Nationalökonom Knapp zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausgehend, sollte einer staatlichen Theorie des Geldes, die das Geld - weit über Hartmann hinaus auch aus wirtschaftlicher Sicht nur als "Geschöpf der Rechtsordnung" 348 verstehen wollte, durchgreifender Erfolg beschert werden - dann allerdings wieder unter zwangswirtschaftliehen Vorzeichen.

ß. Levin Goldschmidt Neben Hartmann sprach sich in der romanistisch-juristischen Literatur der renomierte Handelsrechtslehrer Levin Goldschmidt für das Nennwertprinzip aus. Goldschmidt genoß im Vergleich mit Hartmann eine höhere wissenschaftliche und vor allem rechtspolitische Autorität. 349 Er war bereits zu Lebzeiten als Begründer der Handelsrechtswissenschaft anerkannt. Er gehör347 Hartmann, 348

Internationale Geldschulden, in: AcP 65 (1882), S. 172.

Knapp, Staatliche Theorie des Geldes, S. 1.

349 Zum folgenden Benöhr, Grundlage des BGB- Das Gutachten der Vorkommission, in: JuS 77, 79 ff.; Kleinheyer!Schröder, Juristen, S. 479; Kronstein, L. Goldschmidt, in: HRG I, Sp. 1748-1751; Schmidt, L. Goldschmidt, in: Heinrichs, Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, S. 215-229; Schubert/Jahnel, Entstehungsgeschichte des BGB I, S. 69 f.; Stinzig/Landsberg, Rechtswissenschaft III/2, S. 938 ff, NotenS. 394 ff.; Weyhe, L. Goldschmidt, S. 24-157.

176

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

te von 1870 bis 1875 dem Reichsoberhandelsgericht an. Schließlich wurde er Mitglied und Referent der vom Bundesrat 1874 eingesetzten Vorkommission des Bürgerlichen Gesetzbuchs. In seinem Hauptwerk, dem Handbuch des Handelsrechts, das wie Hartmanns Geldmonographie erstmals 1868 erschien, legte Goldschmidt seine Geldlehre umfassend nieder. 35 Kurz darauf entgegnete er noch im selben Jahr den weitreichenden Rechtsfolgen von Hartmanns Nennwertprinzip in seinem Aufsatz über die "Rechtstheorie des Geldes"351 .

°

1. Währung als "vollkommenes" Geld für den Rechts- und Wirtschaftsverkehr Goldschmidt richtete seine schuldrechtliche Geldlehre an den Aufgaben staatlicher Währung und der Bedeutung eines Währungssystems aus. Er entgegnete Savigny, daß ohne die "klare Erkenntnis" des Währungssystems eine "Geldtheorie, zumal in juristischer Beziehung, unmöglich" sei. 352 Nur Währung sei "vollkommenes Geld im strengjuristischen Sinne". 353 Die notwendige zeitliche und räumliche allgemeine Anerkennung von Geld vervollkommene sich in der gesetzlichen Feststellung eines allgemeinen Zahlungsmittels und Wertmessers. 354 Entgegen Hartmann beschränkte Goldschmidt die Geldfunktionen von rechtlicher Bedeutung nicht auf den Zahlungsmitteldienst. Goldschmidt hielt diesen nur für eine Ableitung aus den ökonomischen Grundfunktionen des Geldes, allgemeines Tauschgut und allgemeiner Wertmesser zu sein. Die "höhere Eigenschaft, allgemeines Zahlungsmittel zu sein, setze normaler Weise die niedere Eigenschaft, allgemeines Tauschgut zu sein" voraus. 355 Als allgemeines Tauschgut war Geld für Goldschmidt zunächst nichts anderes als eine Ware, für die alle anderen Wirtschaftsgüter eingetauscht werden könnten, woraus dann unmittelbar die Tauschmittlerrolle des Geldes folge. 356 Die Wertmesserfunktion sei schon deshalb auch für das Recht von

350 Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, 1868, S. 1060-1231. 35l

Goldschmidt, Rechtstheorie des Geldes, in: ZHR 13 (1868), S. 367-390.

352

Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S. 1121.

353 Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S. 1069, 1124. 354

355

Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S. 1069. Goldschmidt, Rechtstheorie des Geldes, S. 370.

356 Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S. 1063.

8. Kap.: Neubegründ\Dlg der Neunwerttheorie

177

Bedeutung, da andernfalls beispielsweise die Berechnung des Interesses oder einzelner Vermögensbestandteile unmöglich wäre. 357 Bei der gesetzlichen Feststellung eines Gegenstandes als Geld gehe es, über die bloße rechtliche Anerkennung hinaus, darum, die Geldverwendung "zu erleichtern, zu regeln (ordnen) und zu sichern". 358 Goldschmidt führte hier die wirtschaftspolitischen Aufgaben einer Geldordnung an, an denen er dann auch seine schuldrechtliche Geldtheorie ausrichtete. Er zeigte sich dazu bereit, in seine rechtliche Geldlehre nationalökonomische Belange einzubeziehen. 359 Daneben ist aber auch die von Hartmann hervorgehobene privatrechtliche Bedeutung von Währungsgeld für Goldschmidt von wesentlicher Bedeutung. Erfüllung einer Geldschuld "darf in Währung verlangt und muß in Währung angenommen werden". 360 Sofern nicht ausdrücklich ein anderes Zahlungsmittel vereinbart wurde, sei die Übergabe von Geld, das nicht Währung ist- ausländisches und Papiergeld-, nur Leistung an Erfüllungsstatt und nicht Erfüllung. 361 In völliger Übereinstimmung mit Savigny konnte für Goldschmidt aber nur vollwertig gemünztes Edelmetallgeld als "vollkommenes Geld der civilisierten Völker der Gegenwart" währungsrechtlich anerkannt werden. 362 Goldschmidt wendete sich gegen Hartmanns Lossagung vom Metallismus: "Jede nicht allein wi.rtbscbaftliche, sondern auch juristische Geldtheorie muß von dem naturgemäßen wie regelmäßigen Sachverhalt ausgeben, daß prinzipiell nur das Edelmetall, und zwar in Congruenz des Metall- und des Nenn-Wertbes, wahres (vollkommenes) Geld ist." 363

Für Goldschmidt erfüllte nur das Edelmetall aufgrund seines selbständigen Warenwerts die Geldeigenschaft, Tauschgut zu sein. Zwar könnten ,.Metallgeldzeichen", namentlich Scheidemünzen, Papiergeld und Geldpapiere Geldfunktionen wahrnehmen und "anomalerweise" auch zum Währungsgeld erklärt sein. Die Darstellung habe aber vom geltenden und wünschenswerten Währungssystem des Kurantmünzgeldes auszugehen. 364 357

Goldschmidt, Rechtstheorie des Geldes, S. 371 .

358

Goldschmidt, Rechtstheorie des Geldes, S. 372; ders., Handelsrecht 1/2, S.

1069.

359 V gl.

auch Weyhe, L. Goldschmidt, S. 497 ff., 505.

360

Goldschmidt, Handelsrecht 112, S. 1125.

361

Goldschmidt, Handelsrecht 112, S. 1125.

362

Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S. 1070.

363

Goldschmidt, Rechtstheorie des Geldes, S. 375.

364

Goldschmidt, Handelsrecht 112, S. 1071.

12 Ott

178

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

2. Nennwerttheorie als Währungstheorie Die Geltung des Nennwerts im Geldschuldverhältnis begründete Goldschmidt bemerkenswerterweise von der grundsätzlichen Geltung des Kurswertes ausgehend, den er als Marktpreis des Geldes bezeichnete. 365 Im "Prinzip" sei "allein der Kurs maßgebend", da nur der Kurswert "die Vermögensmacht, welche das Geld gewähren soll", ausdrücke. 366 Er wendete sich entschieden gegen die Annahme von Pfeiffer, daß der Nennwert bereits aufgrund der obrigkeitlichen Gewalt des Münzherren gelte. 367 Vielmehr sei insbesondere im internationalen Verkehr ausschließlich der Kurswert entscheidend. 368 Im Inland komme aber dem Nennwert "unter Umständen" notwendig die Bedeutung eines Zwangskurses, soll heißen der Nennwertgeltung gegenüber jedermann, bei. 369 Den Nennwert verstand Goldschmidt dabei metallistisch als den im Münzstempel (Prägung) angegebenen Metallfeingehalt 370 Die Umstände, die den Zwankskurs begründen, sah Goldschmidt in der Notwendigkeit eines funktionierenden Währungssystems gegeben. Die Annahme einer Geldeinheit zum Zwangskurs sei Voraussetzung eines Systems "gesetzlicher Werthmaße und Zahlmittel". 371 Mit anderen Worten gebe es ohne Zwangskurs keine Währung und damit auch kein vollkommenes Geld im Privatrecht, das insbesondere für die Erfüllung gesetzlicher Geldschuldverhältnisse notwendig sei. Die bereits oben herausgestellte überragende Bedeutung eines staatlichen Währungssystems sowohl für die Privatrechtsordnung als auch für den Wirtschaftsverkehr stellte Goldschmidt über möglicherweise - ohnehin rechtlich unvermeidbar - beeinträchtigte ökonomische Einzelinteressen. Der Vermögensverlust des Geldgläubigers oder Geldschuldners bei Geldwertänderungen sei zwar ein "empfindlicher, aber

natürlicher (... ) Übelstand, welchen das Recht nicht zu beseitigen vermag".312

365

Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S. 1103.

366

Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S. 1118.

367

Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S. 1117 f.

368

Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S. 1118 f.

369

Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S. 1119, 1121.

370

Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S. 1096.

371

Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S. 1121.

372

Goldschmidt, Handelsrecht 112, S. 1160.

8. Kap.: NeubegründWlg der Nennwerttheorie

179

Wie schon Souchay gelangte Goldschmidt zu der Überzeugung, daß eine Benachteiligung von Geldgläubigem oder Geldschuldnern nicht privatrechtlieh, sondern überhaupt nur durch eine "gerechte und vernünftige Münzpolitik" vermieden werden könne. 373 Für die Erfüllung eines Geldschuldverhältnisses mit Zahlungsmitteln, die nicht zum Währungssystem gehörten, also keine Kurantmünzen waren, sollte grundsätzlich der Kurswert maßgeblich sein. 374 Hinsichtlich der Scheidemünzen sei allerdings ein relativierter Zwangskurs aus allgemeinen wirthschafts- und rechtspolitischen Gründen völlig gerechtfertigt und notwendig. 375 Scheidemünzen würden in jedem Währungssystem "naturgemäß" als gesetzliches Zahlungsmittel fungieren, soweit eine Zahlung in Kurantmünzen nicht oder nicht vollständig erbracht werden könne. 376 Bis zum Nennbetrag der geringwertigsten Kurantmünze sollten deshalb Scheidemünzen nach ihrer Funktion im Währungssystem von jedermann zum Nennwert angenommen werden müssen. Bei höheren Beträgen treffe diese Pflicht nur den ausprägenden Staat, während im Privatverkehr dann der Kurswert zur Anwendung kommen müsse. 377 Ebenso wie die Scheidemünze sei das Staatspapiergeld "Creditgeld", die Banknote "Geldkreditpapier". 378 Beides gewähre dem Emittenten zumindest den Vermögensvorteil einer "unverzinslichen Anleihe". 379 Daraus zog Goldschmidt den Schluß, daß Scheidemünzen, Papiergeld und Banknoten von ihren Ausstellern immer zum Nennwert angenommen werden müssen. 380 Während nun beim Geldkreditpapier die Metallgeldeinlösung privatrechtlich garantiert werde, komme es beim Staatskredit dazu, daß der Staat "im Gedränge der Umstände seine Machtvollkommenheit benutzen kann, um ( ... ) sich ( ... ) seiner Schuld zu entledigen". 381 Deshalb dürfe kein Privater gezwungen werden, Staatspapiergeld "überhaupt oder gar zum Nennwerth" annehmen zu müssen. 382 Eine Staatspapiergeldwährung lehnte Goldschmidt 373

Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S. 1169.

374

Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S. 1169.

375

Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S. 1136.

376

Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S. 1135, 1209.

377

Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S. 1135, 1209 f.

378

Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S. 1197, 1218.

379

Goldschmidt, Handelsrecht l/2, S. 1202, 1227.

380

Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S. 1208, 1209 f. . 1228.

38t

Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S. 1205.

382

Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S. 1210.

180

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

entschieden ab. Diese führe besonders im internationalen Wirtschaftsverkehr zwangsläufig zu einem "mehr oder minder hohe(n) und wechselnde(n) Agio" auf die Währung. Daran schließe sich das "Schwanken aller Preise, Preissteigerung der Waaren, dagegen einstweiliges Sinken des Einkommens der Lohnarbeiter", mit anderen Worten eine inflationäre Geldwertentwicklung, notwendig an. 383 Namentlich führte er dafür die Wertverluste der englischen Banknoten 1820/21, des preußischen Papiergeldes 1809, des amerikanischen Papiergeldes nach 1863, der französischen Assignaten, der Österreichischen Bankzettel 1811 und von schwedischen, russischen oder südamerikanischen Papiergeld an. 384 Dem Geldgläubiger werde der Rechtsschutz des Wertes seiner Geldforderung versagt, indem er das Agio verliere. Der Zwangskurs für Papiergeld halte im übrigen eine, wegen übermäßiger Papiergeldausgabe oder sinkendem Vertrauen ausgelöste, Geldentwertung nicht auf, sondern steigere diese. Da der Staat selbst nur noch in entwertetem Geld bezahlt werden würde, werde er zu einer immer höheren Papiergeldemission angeregt, was ihn letztlich zur Herabsetzung der Nennwerte oder "zum offenen Bankerutt" nötige. 385 Eine Banknotenwährung lehnte Goldschmidt nicht endgültig ab. Wenn die Verpflichtung der Banken, Banknoten in Münzgeld einzulösen, suspendiert werde und jeder, auch der Staat, zur Annahme der Noten zum Nennwert verpflichtet sei, so führe dies zwar zu den gleichen negativen Folgen wie eine Staatspapiergeldwährung. 386 Den Grund für das Inflationsrisiko von Banknoten sah er aber lediglich darin, daß das "richtige Deckungsgesetz noch nicht gefunden" sei und sich die "rationelle Proportion von Metallgeld zu Banknoten" derzeit nicht allgemein feststellen lasse. 387 Goldschmidt stand den Banknoten wesentlich offener gegenüber als dem Staatspapiergeld. Eine Banknotenwährung war für ihn ohne besonderes Inflationsrisiko grundsätzlich denkbar, wenn dieses durch die Deckung der Banknoten ausgeschlossen werden würde. Da dies aber - noch - nicht der Fall sei, sollten Banknoten bis auf weiteres nur zum Kurswert freiwillig angenommen werden. 388 An Hartmanns Nennwerttheorie -wonach auch für Banknoten, Staatspapiergeld und sogar ausländisches Geld schuldrechtlich prinzipiell der Nennwert gelten sollte - kritisierte Goldschmidt, daß durch diese das für ausländisches Geld, 383

Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S. 1213.

384

Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S. 1213 Pßn. 65.

385

Goldschmidt, Handelsrecht 112, S. 1214.

386

Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S. 1230 f.

387

Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S. 1226, 1231.

388

Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S. 1228.

8. Kap.: Neubegründung der Neonwerttheorie

181

Papiergeld und Geldpapiere ,.berechtigte Gebiet der s. g. Kurswerthberechnung ungebührlich eingeengt" werde. 389 Goldschmidts Geldlehre sah zusammenfassend die Anwendung des Nennwerts auf währungsgesetzliches - als allgemeines Zahlmittel und Werthmaß "vollkommenes" - Geld und des Kurswerts auf Geld, das in diesem Sinne nicht Währung ist, vor. Die privatrechtliche Nennwertgeltung folgte nicht aus der gesetzlichen Festlegung einer Währung an sich, sondern aus den Aufgaben des Währungssystems für den Wirtschafts- und Rechtsverkehr. Währung sei sowohl für den allgemeinen Zahlungsmitteldienst des Geldes im Recht als auch zur Erleichterung, Sicherung und Ordnung des Wirtschaftsverkehrs unerläßlich. Der privatrechtliche Geldforderungswert müsse deshalb nach dem bestehenden Währungssystem bestimmt werden. Einen währungsrechtlichen Zwangskurs hielt Goldschmidt danach für vollwertiges Münzgeld und für Scheidemünzen, soweit dies zum Funktionieren der Scheidemünzen im Währungssystem dient, für notwendig. Dagegen lehnte er ein Währungssystem des Staatspapiergeldes grundsätzlich und eine Banknotenwährung mit seinerzeit ungewisser Ausgabemenge und Edelmetalldeckung ab. Es galt für Goldschmidt, gerade wegen der nötigen Anwendung des Nennwerts auf Währungsgeld im privaten Schuldrecht, Währung durch ein stabiles System von geldbedingten Inflationsrisiken zu befreien. Solche Risiken sah er bei einer Papierwährung in ungleich höherem Maße als im Münzgeldsystem gegeben. Die Vermeidung von Inflationsrisiken ist die entscheidende, gesamtökonomisch fortschrittliche Zielsetzung seiner Geld.lehre. Während Savignys Kurswertprinzip Geldwertänderungen für das Privatrecht akzeptierte und deren Folgen durch eine entsprechende Anpassung der geschuldeten Geldsumme an die Edelmetallpreise für den Privatverkehr egalisieren sollte, versuchte Goldschmidt die im Währungssystem liegenden Risiken von Geldwertinstabilität zu minimieren. Er setzte damit bei den Ursachen der Geldwertänderungen an. Goldschmidt ging mit der Vermeidung von Inflationsrisiken durch ein stabiles Währungssystem auch noch einen wesentlichen Schritt weiter als Hartmann, der zumindest vordergründig allein im Privatrecht verblieb. Während Hartmann unausgesprochen die Verantwortung für einen wertsicheren Zahlungsverkehr dem Währungsrecht und der Währungspolitik überließ, hob Goldschmidt ausdrücklich die Notwendigkeit währungsrechtlicher und währungspolitischer Sicherung der Geldwertstabilität bei privatrechtlicher Nennwertgeltung hervor und sprach dazu in seinen Handelsrechtslehrbuch sogar Empfehlungen aus. Nur unter dieser Voraussetzung war für Goldschmidt die Funktionsfähigkeit der gesamten Geldord-

389

Goldschmidt, Rechtstheorie des Geldes, S. 389.

182

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

nung gewährleistet. Goldscbmidts Geldlehre leitete damit unmittelbar zur Herstellung der Reichswährung über. Weder Goldscbmidt noch Hartmann mangelte es bei ihren weitergehenden Überlegungen an der Erkenntnis Savignys, daß Geld nur durch sozial-ökonomische Anerkennung seinen Funktionen vollständig gerecht werden kann. Als Goldscbmidt die staatliche Anerkennung durch Gesetz mit der tatsächlichen Anerkennung des Geldes im Verkehr gleichsetzte, 390 beschrieb er damit lediglich seinen Idealzustand des Geldwesens und vernachlässigte keineswegs die Notwendigkeit sozialer Anerkennung des Geldes, nicht nur als Tauschmittel und Wertmesser, sondern sogar als allgemeines Tauschgut Hütter wird Goldscbmidts Geldtheorie nicht gerecht, wenn er darin nur ein bloßes "Wortspiel" Goldscbmidts sehen will, um das Nennwertprinzip zu begründen. 391 Vielmehr offenbart sich hier ein im Vergleich zu Savigny gewandeltes Staatsverständnis Goldschmidts, das auch Hartmanns Geldtheorie zugrunde lag. Die Staatsregierungen konnten aus ihrer Sicht gar nicht mehr so unvernünftig sein, etwas als Geld und insbesondere als Währung mit Zwangskurs festzulegen, ohne daß dieses im Wirtschaftsverkehr auch anerkannt ist. Sie schrieben deshalb dem Staat nicht mehr lediglich die Rolle zu, Geld herzustellen, sondern übertrugen ihm zugleich die Aufgabe, Geldwertstabilität politisch zu erhalten. Hartmann und vor allem Goldschmidt definierten so im Vorfeld der Reichs- und Währungseinigung die Rolle des Staates und des Währungsgeldes neu. Vor dem Hintergrund einer - noch zu schaffenden - wertstabilen Währung war die schuldrechtliche Nennwertgeltung für Währungsgeld sowohl für den Rechts- als auch für den Wirtschaftsverkehr nach ihrer festen Überzeugung sinnvoll, insbesondere um den Geldverkehr zu erleichtern.

9. Kapitel

Andeutung einer Tauschwerttheorie durch Wilhelm Endemann Nicht unerwähnt bleiben darf die von Wilbelm Endemann392 ebenfalls bereits 1868 angedeutete, im Vergleich zur Kurswerttheorie, modernere Alter390

Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S. 1069.

39 1 Hütter,

Savignys Geldlehre, S. 143.

392 Wilhelm Endemann repräsentiert die "äußerste Linie der historischen Richtung" . Für ihn soll die "wirtschaftlich-utilitarische Seite des Rechts im Sinne freier Interessengestaltung allein maßgebend" gewesen sein. In zeitgenössischer Sicht war

9. Kap.: Andeutung einer Tauschwerttheorie

183

native zu Hartmanns und Goldschmidts Nennwerttheorie. In seinem Lehrbuch des Handelsrechts wollte Endemann auf Grundlage der "anerkanntesten Wahrheiten der Nationalökonomie" 393 ein allgemeines, nicht mehr auf die Edelmetallpreise fixiertes, Tauschwertprinzip begründen. Die Begriffe Geld und Münze seien "vollständig getrennt zu halten", wobei das Wesen des Geldes allein darin liege, im Wirtschaftsverkehr Tauschwert zu vermitteln. 394 Der Geldwert von Münzen und Papiergeld unterliege nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage ständigen Veränderungen. Münzen und auch Papiergeld seien mithin Waren, die als Geld mit ihrem Tauschwert den Gegenstand von Verträgen bildeten. 395 Es ergebe sich von selbst, daß der staatliche Zwang, Münzen und Papiergeld bei Geldwertverschlechterungen zum Nennwert annehmen zu müssen, eine "widerrechtliche Beraubung aller auf den vollen Werth begründeten Forderungsrechte" sei. 396 Es komme deshalb bei der regelmäßigen Geldzahlung, die die "Ausgleichung einer bestehenden Verbindlichkeit durch Uebertragung eines gewissen Geldwerthes" bezwecke, auf die "Gleichheit des Geldwerthes" an: "Nicht dieselbe Quantität Münzen (Edelmetall), sondern dieselbe Quantität an Geldwerth muß dem Gläubiger zu Theil werden". 397 Diese Identität des Wertes herzustellen sei "lediglich Sache der Berechnung". 398 Wie der Geldtauschwert berechnet werden sollte, verriet Endemann allerdings nicht, so daß sein allgemeines Tauschwertprinzip über einen theoretischen Ansatz nicht hinausreichte. 399

er mit "seinem durchfahrenden Wesen, mit seiner unverhohlenen Geringschätzung aller gesetzlichen Formulierungen und doktrinären Theorien" kaum dazu geeignet, etwa in einer Gesetzgebungskommission, Einfluß zu erlangen; Stinzig/Landsberg, Rechtswissenschaft III/2, S. 949 ff. 393

Endemann, Handelsrecht, 2. Aufl., 1868, S. 395 Fßn. 1.

394 Endemann, 395

Handelsrecht, 2. Aufl., 1868, S. 396, 399.

Endemann, Handelsrecht, 2. Aufl., 1868, S. 399.

396 Endemann,

Handelsrecht, 2. Aufl., 1868, S. 398 in Fßn. 16.

397 Endemann,

Handelsrecht, 2. Aufl., 1868, S. 402.

398

Endemann , Handelsrecht, 2. Aufl., 1868, S. 402.

Das hielt Endemann aber nicht davon ab, insbesondere mit Goldschmidt über Jahre hinweg über den allgemeinen Wertbegriff im Recht zu streiten; dazu ausführlich Weyhe, L. Goldschmidt, S. 497 ff. 399

184

2. Teil: Industrielle Expansionsphase

Wir haben somit im Vorfeld der Reichs- und Währungseinheit nicht weniger als vier grundverschiedene theoretische Richtungen der prinzipiellen Geldwertbestimmung im Privatrecht zu unterscheiden: - Herrschend war die metallisch-valoristische Kurswerttheorie Savignys. - Ihr standen die metallische (Goldschmidt) und

- entmetallisierte (Hartmann) Nennwerttheorie gegenüber. - Endemann stellte eine entmetallisierte Tauschwerttheorie vor. Keiner dieser Vorschläge war ohne eine ökonomische Vorstellung über die zweckmäßige Ausgestaltung der rechtlichen Geldordnung zustandegekommen. Selbst Hartmann, der mit Blick auf juristische Begriffsschärfe und Rechtsklarheit in der Tat um eine Trennung von Recht und Ökonomie bemüht war, bekannte sich offen zur "Berücksichtigung der wirthschaftlichen Seite der Sache", die "dem Einen zuviel, dem Anderen zu wenig" erscheinen mag. Er nahm für sich nicht mehr und nicht weniger in Anspruch als "um ein Weniges weiter (!) gesehen" zu haben als Savigny. 400 Nur tendenziell war deshalb zu dieser Zeit die Nennwerttheorie mehr rechtlich und die Tausch(kurs)werttheorie mehr ökonomisch orientiert. Vor allem aber bestanden unter den Juristen, wie in der Nationalökonomie, unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie eine marktwirtschaftskonforme rechtliche Geldordnung auszusehen hat. Während Savigny und Endemann die Nennwertgeltung als einen den Güteraustausch hemmenden staatlichen Eingriff in die freie Preis- und Wertbildung am Markt sahen, verstanden sie Goldschmidt und Hartmann als eine, gerade auch im Interesse der Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs, notwendige und zweckmäßige rechtliche Ordnung des freien Geld- und Warenverkehrs. Auseinander fielen die Meinungen ferner über die rechtliche Notwendigkeit einer metallischen Grundlage des Geldes. Während für Savigny und Goldschmidt nur das vollwertig geprägte Edelmetallgeld wertstabiles, "wirkliches" oder "vollkommenes" Geld sein konnte, demgegenüber das Papiergeld nur "Zeichengeld" oder "Kreditgeld" war, abstrahierten Hartmann und Endemann den Geldbegriff bereits vollständig vom Edelmetallgeld. Der entscheidende Anstoß für die künftige privatrechtliche Bestimmung des Geldforderungswerts sollte von der Herstellung und vor allem Ausgestaltung der Reichswährung ausgehen. Die Privatrechtswissenschaft zeigte sich im Vorfeld geld-und geldwerttheoretisch gründlich vorbereitet.

400 Hartmann,

Begruf des Geldes, S. IV.

Dritter Teil

Industrielle Ausbau- und Regulierungsphase bis zum Ersten Weltkrieg 10. Kapitel Reichsgoldwährung Die wissenschaftliche Diskussion des Geldes wurde nach der Reichsgründung von währungspolitischen Reformbestrebungen überlagert, nachdem im Norddeutschen Bund die Unhaltbarkeit der bestehenden Währungsverhältnisse immer deutlicher geworden war. 1 Die notwendige Rechtsvereioheitlichung2 ermöglichte über die Geldverhältnisse hinaus eine grundlegende gesetzliche Festlegung und Modernisierung der Wirtschaftsverfassung. Der Bund und später das Reich machten von den auf sie übergegangenen Gesetzgebungskompetenzen3 regen Gebrauch. Die liberale Reichstagsmehrheit 1 Eine vom Bundesrat schließlich im Juni 1870 einberufene Enquetekommission "über die bei der Ordnung des Münzwesens in Betracht kommenden Verhältnisse" blieb wegen des Krieges mit Frankreich ergebnislos; Rittmann, Geldgeschichte, S. 763; Soetbeer, Münzverfassung I, S. 9 f. Die Reformbemühungen im Norddeutschen Bund hatten zuvor zu einem wesentlichen ersten Schritt in Richtung einer Zentralnotenbank geführt. Nach dem sogenannten Banknotensperrgesetz vom 27. März 1870, BGBI. 1870, S. 51, durfte die Errichtung weiterer Notenbanken und eine Erhöhung bestehender Notenkontingente nur noch durch Bundesgesetz und nicht mehr durch die Länder erfolgen. In der Folgezeit erhielt nur noch die Reichsbank eine Befugnis zur Notenausgabe. 2 1870 bestanden noch sechs verschiedene gesetzliche Münzrechnungssysteme: Die Silbertalerwährung mit 30 Groschen und 360 Pfenning je Taler u.a. in Preußen, mit 30 Gr. und 300 Pf. je Taler u.a. in Sachsen und mit 48 Schilling und 576 Pf. je Taler in Mecklenburg; Silberguldenwährung mit 60 Kreuzern und 240 Pf. je Gulden in den süddeutschen Staaten sowie Frankfurt/M. und Hohenzollern; Silbermarkwährung mit 16 Sch. und 192 Pf. je Mark in Harnburg und Lübeck und die Goldtalerwährung in Bremen; Sprenger, Geld der Deutschen, S. 169.

3 Art. 4 der Verfassung des Norddeutschen Bundes (BV) vom 3. Juli 1867 (BGBI. 1867, S. 1) und der Reichsverfassung (RV) vom 16. April1871 (BGBl. 1871, S. 63). Nach Art. 4 Nr. 3 BV/RV lagen die Gesetzgebungskompetenzen für die "Ordnung

186

3. Teil: Industrielle Ausbau- \Dld Regulienmgsphase

konnte besonders in der Anfangsphase bis zur Gründerkrise und dem Übergang zur Agrarschutzpolitik, häufig gegen den Widerstand des partikularistisch-konservativen Bundesrats, zahlreiche Einzelgesetze wirtschaftsliberaler Prägung durchsetzen. 4 In diesem Zusammenhang ist die Währungsgesetzgebung des Reichs zu sehen. Sie wird in diesem Kapitel erörtert. Wir wollen dann für die Pandektisten überprüfen, ob das nach der Reichsgeldgesetzgebung im Privatrecht durchgesetzte Nominalwertprinzip auf einem "Nominalismus des Rechts" beruhte, wobei aus der "Möglichkeit des Staates zum Mißbrauch seiner Münzhoheit eine Theorie des Geldes" mit einer maßlosen Überbewertung der Macht des Gesetzgebers hergeleitet worden sei 5 (11. Kapitel). Eine gesetzliche Regelung des Nennwertprinzips blieb aus. Die bizarren Vorschriften der§§ 244, 245 BGB sollen im Privatrecht den Kernbereich des Geldschuldverhältnisses, den Geldforderungswert, abdecken. Angesichts dieses Umstandes wird es nicht wundem, daß die Entstehungsgeschichte der Regelungen des BGB hier eher eine Geschichte der Nichtregelungen ist (12. Kapitel). Am Nennwertgrundsatz selbst kamen indes erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wieder Zweifel auf (13. Kapitel). Ungeachtet dieser Zweifel erfuhr zu Beginn des 20. Jahrhunderts die nominalistische Geld- und Geldwerttheorie durch den Nationalökonom Georg Friedrich Knapp ihre vorläufige Vervollkommnung (14. Kapitel).

des Maß-, Münz- und Gewichtssystems, nebst Feststellung der Grundsätze über die Emission von fundiertem und unfundiertem Papiergelde" und nach Art. 4 Nr. 4 BV/RV für das Bankwesen beim Bund/Reich. 4 Erwähnt sei hier nur die Mobilisierung der Arbeitskräfte durch das Freizügigkeitsgesetz (BGBI. 1867, S. 33, 55), die Anerkennung von Wirtschaftsgenossenschaften im Genossenschaftsgesetz (BGBI. 1868, S. 415), die Gewerbe-, Berufs- und Koalitionsfreiheit in der Gewerbeordnung (BGBI. 1869, S.245) und die Aufhebung des Konzessionszwangs für Aktiengesellschaften im Aktiengesetz (BGBI. 1870, S. 375). Zu den liberalen und antiliberalen Interessen- und Machtverhältnissen bei der Wirtschaftsgesetzgebung zwischen 1867 und 1895 Benöhr, Wirtschaftsliberalismus und Gesetzgebung am Ende des 19. Jahrhunderts, in: ZfA 1977, S. 187 ff.

5 So später während des Geldwertverfalls in der Weimarer Republik vorwurfsvoll James Goldschmidt, Aufwertungskrise, S. 9, 12 ff. ; zustimmend Jung, Das privatrechtliche Wesen des Geldes, S. 34, 36. Kiefner, Geld und Geldschuld, S. 51, spricht von einer allgemeinen Tendenz zu "positivistischer Verengung" .

10. Kap.: Reichsgoldwähnmg

187

I. Gesetzliche Zahlungsmittel der "hinkenden" Goldwährung Die Reichswährung trat für das gesamte Reichsgebiet durch kaiserliche Verordnung vom 22. September 1875 am 1. Januar 1876 in Kraft. 6 Das geltende Währungsrecht regelten im wesentlichen das "Gesetz, betreffend die Ausprägung von Reichsgoldmünzen" (GoldG) vom 4. Dezember 1871,7 das "Münzgesetz" (MünzG) vom 9. Juli 1873, 8 das "Gesetz, betreffend die Ausgabe von Reichskassenscheinen" (RKsG) vom 30. April 1874 9 und das "Bankgesetz" (BankG) vom 14. März 1875. to Das Gesetz über die Ausprägung von Reichsgoldmünzen leitete 1871 den Übergang von den Silbergulden- und Talerwährungen der Länder zur einheitlichen Goldmarkwährung im Reich in die Wege. Es sollten 10 und 20 "Mark" Reichsgoldmünzen mit dezimaler Teilung zum festgelegten Münzfuß als Kurantmünzen ausgeprägt werden (§§ 1-3 GoldG). 11 Den währungsrechtlichen Status dieser Münzen regelte § 8 GoldG: .,Alle Zahlungen, welche gesetzlich in Silbermünzen der Thalerwährung, der Süddeutschen Währung, der Lübischen oder Harnburgischen Kurantwährung, oder in Thaiern Gold Bremer Rechnung zu leisten sind oder geleistet werden dürfen, kön-

6 Verordnung, betreffend die Einführung der Reichswährung; RGBl. 1875, S. 303. Rechtsgrundlage für diese Verordnung war Art. 1 II 1 MünzG (RGBl. 1873, S. 233). Die Verordnung betraf tatsächlich nur noch Bayern, da alle anderen Länder bereits zuvor von sich aus gern. Art. 1 II 2 MünzG zur Reichswährung übergegangen waren; Rittmann, Geldgeschichte, S. 772. 7

RGBI. 1871, S. 404.

8 RGBI.

1873, S. 233.

RGBI. 1874, S. 40. 10 RGBl. 1875, S. 177.

9

11 Aus einem Pfund Gold sollten 139,5 Zehnmarkstücke und 69,75 Zwanzigmarkstücke ausgeprägt werden(§§ 1, 3 GoldG). Eine Mark wurde in 100 Pfennige geteilt (§ 2 GoldG). Das neue Zahlungsmittel sollte von Frankreich finanziert werden. Das Reich werde .,durch die Zahlung der Französischen Kriegskontribution in die Lage versetzt(... ) das nötige Gold liefern zu können. N; Motive zum Bundesratsentwurf des Goldmünzgesetzes, Sten. Ber. RT 1871, Bd. 1, Anl. 50, S. 123-128 (127).

188

3. Teil: Industrielle Ausbau- Wld Regulienmgsphase

nen in Reichsgoldmünzen dergestalt geleistet werden, daß gerechnet wird (es folgen die einzelnen Umrechnungskurse12 ). "

Die Goldmünzen konnten für alle Zahlungen, die in den bisherigen Landeswährungen geleistet werden konnten, zum gesetzlich festgeschriebenen Wechselkurs mit befreiender Wirkung benutzt werden. Jeder Geldgläubiger mußte nach dieser Vorschrift - vorbehaltlich rechtsgeschäftlicher Abweichungen13 -die neuen Goldmünzen zur Erfüllung seiner Forderung akzeptieren. Die Goldmarkmünzen galten damit als gesetzliche Zahlungsmittel. Die bisherigen Landesmünzen wurden aber nicht außer Kurs gesetzt, sondern blieben ebenfalls gesetzliche ZahlmitteL Nach den Motiven zum Bundesratsentwurf des Reichsgoldmünzengesetzes sollte durch § 8 GoldG "während der Uebergangsperiode eine Doppelwährung hergestellt (werden), indem die auf gesetzliche Währung lautenden Zahlungsverpflichtungen nach Wahl des Schuldners sowohl in Reichsgoldmünzen als auch in groben Silbermünzen bisheriger Prägung erfüllt werden können" . 14 Obwohl die bisherigen Silberkurantmünzen der Länder mit den neuen Reichsgoldmünzen für den Zahlungsverkehr gleichgestellt wurden, kann währungsrechtlich nicht von einer neben der Goldwährung gleichberechtigt stehenden Silberwährung gesprochen werden. Nach § 10 GoldG mußte die Neuausprägung von Silberkurantmünzen eingestellt werden. Ferner ermächtigte § 11 II GoldG den Reichskanzler zur Einziehung der bisherigen Kurantmünzen der Bundesstaaten. Nach den erst im Reichstagdurchgesetzen §§ 10,

12 In§ 8 GoldG/Art. 14 § 2 MünzG wurden die Umrechnungskurse genau festgelegt. Es war 1 Taler zu 3 Mark, 1 Gulden zu 1 517 Mark u.s.w. in Rechnung zu nehmen. Dies entsprach einem Metallwertverhältnis von 1:15,5 des Gold- zum Silbergehalt der Münzen. Diesen Konvertierungskurs entnahm man der französischen Doppelwährung. Er habe sich dort ,.Menschenalter hindurch bewährt"; Motive zum Bundesratsentwurf des Goldmünzgesetzes, Sten. Ber. RT 1871, Bd. 1 Anlage Nr. 50, S. 127. Tatsächlich ergab der an der Londoner Börse zur Zeit der Gesetzesberatungen gehandelte Silberpreis fast genau dieses Wertverhältnis; Heljferich, Geschichte der Geldreform I, S. 187; Soetbeer, Deutsche Münzverfassung I, S. 30, vgl. auch Munro, Gold-Silber-Relation, in: North, Aktie bis Zoll, S. 143 f. Nach Bamberger, Sten. Ber. RT 1871, Bd.1, S. 230 f., konnte man fast glauben, daß die Reichsregierung an der Londoner Börse Silber gekauft hatte, um punktgenau zu dem gewählten Wertverhältnis zu gelangen. 13 Vgl. Mandry, Inhalt der Reichsgesetze, S. 219 f. 14

Sten. Ber. RT 1871, Bd. 1 Anl. 50, S. 127.

10. Kap.: Reichsgo1dwähnmg

189

11 GoldG entstand deshalb keine bimetallische Doppelwährung. 15 Bis zur Außerkurssetzung der letzten noch umlaufenden Landesmünzen, den Eintalerstücken, am 27. Juni 190716 , wird von einer .,hinkenden Goldwährung" gesprochen. 17 Keinen Zweifel am Übergang zur Goldwährung ließ Art. 1 I MünzG von 1873: ,.An die Stelle der in Deutschland geltenden Landeswährungen tritt die Reichsgoldwährung."

Dazu sah mit lokrafttreten der Reichswährung Art. 14 MünzG eine Zwangskonvertierung aller Geldschuldverhältnisse auf Reichswährung vor. Dabei konnte nach den Übergangsvorschriften der Art. 15, 16 MünzG zwar weiterhin in bestimmten Landesmünzen bis zu deren Außerkurssetzung gezahlt werden. Davon abgesehen waren aber fortan .,alle Zahlungen, welche bis dahin in Münzen einer inländischen Währung ( ... )zu leisten waren, ( ... ) in Reichsmünzen zu leisten" (Art. 14 § 1 MünzG). Außerdem mußte gemäß Art. 14 § 4 MünzG ,.in allen gerichtlich oder notariell aufgenommenen Urkunden, welche auf einen Geldbetrag lauten, desgleichen in allen zu einem Geldbetrag verortheilenden gerichtlichen Entscheidungen( ... ) dieser Geldbetrag ( ... )in Reichswährung" ausgedrückt werden.

15 §§ 10, 11 GoldG nach den Anträgen von Lasker und Baroberger im Reichstag angenommen; Sten. Ber. RT 1871, Bd. 1, S. 358 ff. Zur Gold/Silber/DoppelWährungsfrage übersichtlich Soetbeer, Münzverfassung I, S. 19 f. 16 RGBl. 1907, S. 401. Alle anderen Landesmünzen hatte der Bundesrat bereits vorher außer Kurs gesetzt: RGBI. 1873, S. 375 (Landesgoldmünzen); RGBI. 1874, S. 21 (Kronentaler, Vereinstaler), 149 (Schleswig-Holsteinische, Kurhessische, Hannoveranerische, Sächsische, Badische Silber- und Kupfermünzen); RGBI. 1875, S. 247 (Halbguldenstücke süddeutscher Währung und vor 1753 (!) geprägte Kreuzerstücke), 304 (u.a. Hamburger und Lübecker Münzen), 307 (Silber- und Bronzemünzen der Frankenwährung), 311 (frühere Dreipfennigstücke), 315 (alle Gulden und Scheidemünzen süddeutscher Währung), RGBI. 1876, S. 162 (Scheidemünzen der Talerwährung), 221 (Zweitaler-, Eindritteltalerstücke); RGBL 1878, S. 3 (Hessische und Mecklenburgische Münzen), RGBL 1900, S. 1013 (Österreichische Vereinstaler). Die Kompetenz des Bundesrats zur Außerkurssetzung folgte aus Art. 8 MünzG. 17 Heljferich, Geschichte der deutschen Geldreform I, S. 189 f. Nach den Motiven zum Bundesratsentwurf des Münzgesetzes, Sten Ber. RT 1873, Bd. 3, Anlage Nr. 15, S. 72, sei durch das Reichsgoldmünzengesetz ein Übergangszustand geschaffen worden, der ,.in der Mitte zwischen der sogenannten Doppelwährung und der reinen Goldwährung" liege.

190

3. Teil: Industrielle Ausbau- \Dld Regulienmgsphase

Das Münzgesetz regelte auch das Scheidemünzwesen. Die unterwertig auszuprägenden Reichsscheidemünzen18 beschränkte Art. 9 MünzG in ihrer gesetzlichen Zahlungsmitteleigenschaft. Die Reichssilbermünzen mußten nur bis zum Betrag von 20 Mark, die Nickel- und Kupfermünzen bis zum Betrag von einer Mark im Privatverkehr angenommen werden. Mit dem Münzgesetz von 1873 wurde so ein vollständiges Reichswährungsmünzsystem auf Grundlage der Kurantgoldmünzen geschaffen. In der Folgezeit verbot der Bundesrat auf Grundlage des Art. 13 MünzG den Umlauf verschiedener ausländischer Geldstücke. 19 Gemäß Art. 18 MünzG durften bis zum 1. Januar 1876 desweiteren nur noch auf Reichswährung lautende Banknoten umlaufen. Das staatliche Landespapiergeld mußte sogar vollständig eingezogen werden. Damit sollte es in Deutschland endlich gelingen, einen homogenen Geldumlauf herzustellen. 20 Weder das nach dem Reichskassenscheingesetz von 1874 ausgegebene Staatspapiergeld noch die nach dem Bankgesetz von 1875 ausgegebenen Reichsbanknoten waren gesetzliche Zahlungsmittel. Nach § 5 II RKsG und § 2 BankG bestand für sie über die Ausgabestellen hinaus keine "VerpflichEs sollten silberne Fünf-, Zwei- und Einmarkstücke, Fünzig- und Zwanzigpfennigstücke, Zehn- und Fünfpfennignickehnünzen, sowie kupferne Zwei- und Einpfennigmünzen als Reichsmünzen ausgeprägt werden (Art. 3 MünzG). Die Silberscheidemünzen wurden in ein Wertverhältnis von 1:13,95 zu den Reichsgoldmünzen gesetzt. Es bestand also bereits eine nominale Unterwertigkeit in Höhe von 10 % im Vergleich zum Wertverhältnis von 1:15,5 des GoldG (Art. 3 § 1 MünzG). Die "Erhaltung der reinen Goldwährung" erfordere, daß "der Metallwert der Silberscheidemünzen auch bei dem tiefsten Fallen des Goldpreises, resp. dem höchsten Steigen des Silberpreises dem letzteren nie gleichkomme."; Bericht des Bundesratsausschuß zum Entwurf des Münzgesetzes, BR Drcks. 1873, Nr. 52; ebenso die Motive zum Bundesratsentwurf des Münzgesetzes, Sten Ber. RT 1873, Bd. 3, S. 74 f. Wegen des Sinkens des Silberpreises am Weltmarkt betrug die Unterwertigkeit der Silberscheidemünzen nach Heljferich, Geschichte der deutschen Geldreform I, S. 214, tatsächlich etwa 60 % im Verhältnis zu den vollwertigen Goldmünzen. Für die Geldwertstabilität war es wegen dieser Unterwertigkeit der Silberscheidemünzen um so wichtiger, die Ausgabemenge der Scheidemünzen in den Art. 4, 5 MünzG von vornherein auf 10 M (Silbermünzen) und 2,5 M (Nickel-, Kupfermünzen) pro Kopf zu kontingentieren und es nicht bei einer allgemeinen - nötigenfalls weit auslegbaren Beschränkung auf das Bedürfnis des Kleinzahlungsverkehrs zu belassen. 18

19 RGBI. 1874, S. 12, 111 (Österreichische, Ungarische und Niederländische Guldenstücke), 126 (Finnische Silbermünzen), 152 (u.a. Dänische Rigsdaler); RGBI. 1875, S. 134 (Polnische Talarastücke); RGBI. 1888, S. 149 (Alle ausländischen Scheidemünzen). 20 Rittmann,

ebd., S. 789; Sprenger, Geld der Deutschen, S. 188.

10. Kap.: Reichsgoldwähnmg

191

tung zur Annahme". Reichskassenscheine und Banknoten gehörten also nach wie vor nicht zum Währungsgeld. Nur die Ausgabestellen mußten ihr Papiergeld von Gesetzes wegen als Geldleistung akzeptieren und auf Verlangen des Inhabers in Münzgeld einlösen (§ 5 I RKsG, §§ 4, 19, 44 Nr. 5 BankG). Diese Annahme- und Einlösepflicht der Emittenten hatte nach den genannten Vorschriften ausdrücklich zum "Nennwerthe" zu erfolgen. Demgegenüber erklärten das Reichsgoldmünzengesetz und das Münzgesetz die Reichsmünzen zwar zu gesetzlichen Zahlungsmitteln, eine Regelung, die ihre Annahme zum Nennwert im Privatverkehr vorschrieb, fehlte aber. In § 8 GoldG und Art. 14 § 2 MünzG wurde lediglich die Umrechnung von Landes- in Reichsmünzen nach Nennwerten, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetze dem tatsächlichen Silber-Gold-Kurswertverhältnis entsprach, vorgeschrieben.21 Mit diesen Vorschriften, wie auch mit Art. 14 §§ 1,3, 4 und Art. 18 MünzG, wurde zwar in bezugauf das bisherige Landesgeld ein Rechnungszwang in Reichswährung auferlegt, den Reichsmünzen die Geldeigenschaft kraft Gesetzes verliehen und die Wechselkurse zu den bisherigen Landesmünzen festgeschrieben. Ob eine Geldverbindlichkeit privatrechtlich zum Nennwert der Währungsmünzen erfüllt werden sollte, blieb indes währungsgesetzlich ungeregelt. Von der schuldrechtlichen Nennwertgeltung soll die Reichsgesetzgebung nach Mandry aber "zweifellos" ausgegangen sein. 22 Das müßte sich in der Entstehungsgeschichte der Währungsgesetze nachweisen lassen. 21 An den gesetzlichen Umrechnungskurs wähnten sich in der Folgezeit ausländische Geldschuldner, namentlich Österreichische Eisenbahngesellschaften, nicht gebunden. Sie wollten in Deutschland für ihre vor der Reichswährung auf Taler- oder Gulden ausgestellten Schuldverschreibungen Zinsen nur nach dem - inzwischen durch den Preisverfall des Silbers - stark veränderten Kurswert in Goldwährung berechnen oder die "Coupons" einlösen. Dies führte zu den sogenannten "Couponsprozessen", die von der Rechtswissenschaft zum Anlaß genommen wurden, die Geldschuldproblematik nochmals grundsätzlich zu überdenken; vgl. insbesondere Bekker, Über die Couponsprozesse der Österreichischen Eisenbahngesellschaften, Weimar 1881; Hartmann, Internationale Geldschulden, in: AcP 65 (1882), S. 147229; Wendt, Pandekten, S. 465 f. Vor deutschen Gerichten- ganz anders in Österreich - erhielt die Rechtsauffassung der Eisenbahngesellschaften eine Absage. Die gesetzliche Fixierung der Wechselkurse im Münzgesetz sei "zur Vermeidung sonst unausbleiblicher Unsicherheit und Verwirrung im volkswirthschaftlichen Interesse aus Gründen des öffentlichen Wohls erlassen; es (das Münzgesetz) unterwirft sich ,alle Zahlungen, welche bis dahin in inländischer Währung' vertragsmäßig oder gesetzlich in Deutschland zu leisten waren, ohne zu unterscheiden, ob der Gläubiger oder Schuldner Ausländer oder Inländer" ist; ROHGE 23, 205 (210) vom 19. Februar 1878; ebenso ROHGE 25,41 vom 8. April1879 und RGZ 1, 23. 22 Mandry, Inhalt der Reichsgesetze, S. 223.

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3. Teil: Industrielle Ausbau- und Regulierungsphase

II. Schuldrechtliche Nennwertgeltung in der Entstehung der Währungsgesetze Eine vom Gesetzgeber vorausgesetzte Nennwertgeltung für die Reichsmünzen im Privatrechtsverhältnis kann sich nur daraus ergeben, daß der Gesetzgeber mit der gesetzlichen Zahlungsmitteleigenschaft einen schuldrechtlichen Annahmezwang zum Nennwert verband. Entgegen der späteren Gesetzesfassung des § 8 GoldG hatte § 6 des dem Bundesrat am 10. Oktober 1871 zur Beratung vorgelegten Regierungsentwurfs eines Goldmünzengesetzes23 einen Annahmezwang der Reichsgoldmünzen nur für staatliche Kassen vorgesehen. Selbst die angegebenen Umrechnungskurse zu den Landesmünzen hatten dort keinerlei privatrechtliche Bedeutung. 24 Die Reichsgoldmünzen waren also zunächst nicht als gesetzliche Zahlmittel für Geldschulden vorgesehen, sondern sollten im Privatverkehr zum Verkehrswert freiwillig angenommen werden. In den Motiven zum Regierungsentwurf heißt es dazu, daß "zunächst (!) eine mehr freiwillige Einbürgerung der Goldmünzen durch bloße Tarifierung bei den öffentlichen Kassen" versucht werden sollte, "damit, wenn in der Wahl des Wertverhältnisses zwischen Gold und Silber erheblich fehlgegriffen sein sollte, ( ... ) noch eine Korrektur vorgenommen werden könne" . Bei der künftigen "definitiven Ordnung des Münzwesens" müßten die Goldmünzen aber gesetzliche Zahlungsmittel werden. 25 Die gesetzliche Zahlungsmitteleigenschaft der Reichsgoldmünzen und damit der Übergang zur Goldwährung stand auf Dauer, auch nach dem Regierungsentwurf, gesetzlich nicht in Frage. Eine Verbindung der Erklärung der Goldmünzen zu gesetzlichen Zahlungsmitteln mit der schuldrechtlichen Nennwertgeltung findet sich ausdrücklich nur in der außerparlamentarischen Kritik am zögernden Verhalten der Reichsregierung beim Übergang zur Goldwährung. Nach Veröffentlichung des Regierungsentwurfs richtete der Ständige Ausschuß des Deutschen Handelstages eine Denkschrift an den Bundesrat. 26 Der Handelstag forderte da23 BR Drcks. 1871, Nr. 134; nebst Motiven abgedruckt bei Heljferich, Geschichte der deutschen Geldreform II, S. 163-184. 24

Heljferich, Geschichte der deutschen Geldreform I, S. 161.

Motive zum Regierungsentwurf eines Reichsgoldmünzgesetzes, in: Helfferich, Geschichte der deutschen Geldreform II, S. 182. 25

26 Die Eingabe verfaßte Adolf Soetbeer; Heljferich , Geschichte der deutschen Geldreform I, S. 163. Sie ist vollständig im Deutschen Handelsblatt vom 19.10 1871, S. 413-417 abgedruckt. Der Deutsche Handelstag war neben dem "Kongreß deutscher Volkswirte" bei den währungsrechtlichen Reformen die treibende Kraft außerhalb des Parlaments. Seit dem ersten Handelstag 1861 hatte man sich dort

10. Kap.: Reichsgoldwähnmg

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rin ein konsequenteres Vorgehen in Richtung Goldwährung. Im Münzwesen seien "Experimente höchst bedenklich". Deutschland mit seiner "Gottlob! soliden Edelmetallbasis seines Münzwesens" habe es "nicht nöthig, sich spätere Correctur des Münzfusses vorzubehalten( ... ), sobald das ( ... ) Münzgesetz positiv vorschreibt, dass die neuen Reichsgoldmünzen zu dem ihnen beigelegten Nennwerthe nicht nur bei den öffentlichen Kassen in Zahlung anzunehmen sind, sondern dass sie mit gleicher Geltung wie das jetzige Silbercourant in allen Zahlungen, also auch im Privatverkehr, gesetzliches Zahlungsmittel sein sollen". Der Handelstag war deshalb "der entschiedenen Ansicht, dass schon jetzt die neuen Reichsgoldmünzen nach ihrem Nennwerth als gesetzliches Zahlungsmittel für alle Zwecke im Gesetze positiv und definitiv anerkannt werden müssen". 27 Mit dem daraufhin geänderten Bundesratsentwurf zeigte sich der Deutsche Handelstag insoweit zufrieden, als damit "den von uns ausgesprochenen Wünschen darin entgegengekommen (worden sei), dass (dieser) die neu auszuprägenden Goldmünzen zum legalen Zahlungsmittel erhebt". 28 Er kritisierte im nachfolgenden nicht, daß die Neonwertgeltung gerade nicht positiv vorgeschrieben wurde. Der Deutsche Handelstag ging also aufgrund der oben wiedergegebenen in § 8 GoldG getroffenen Regelung von schuldrechtlicher Nennwertgeltung für die Reichsgoldmünzen aus. In den Reichstagsverhandlungen zum Reichsgoldmünzengesetz ist die Frage, ob die neuen Goldmünzen gesetzliche Zahlungsmittel sein sollen und als solche zum Nennwert im Privatverkehr angenommen werden müssen, nicht mehr diskutiert worden. 29 Der Wortlaut von § 8 GoldG des Bundesratsentwurfs wurde, abgesehen von einigen hier nicht interessierenden Spezifikationen, im Reichstag unverändert angenommen. 30 laufend mit den Problemen einer Vereinheitlichung der Währungen befaßt; Bettges, Meinungen über die Münz- und Zettelbankreform, S. 11 ff.; Heljferich, Geschichte der deutschen Geldreform I, S. 120 ff. 27 Deutsches Handelsblatt vom 19. 10 1871, S. 415 (Hervorhebungen nicht im Original). 28 Deutsches Handelsblatt vom 16. 11. 1871. Vgl. § 9 des Entwurfs der vereinigten Bundesrats-Ausschüsse für Handel und Verkehr und für Rechnungswesen; BR Drcks. 1871, Nr. 155. 29 In der ersten Beratung sprachen sich noch die Abgeordneten Wilmanns!K. und Gerstner/F. gegen die sofortige gesetzliche Zahlungsmitteleigenschaft der Reichsmünzen aus; Sten. Ber. RT 1871, Bd. 1, S. , 239, 242. Einen entsprechenden Änderungsantrag stellten sie aber nicht.

30 Sten. Ber. RT 1871, Bd. 1, S. 354; Gegenüberstellung der verschiedenen Entwürfe zum Reichsgoldmünzengesetz in Sten. Ber. 1871 , Bd. 1, Anlage Nr. 52. 130tt

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3. Teil: Industrielle Ausbau- Wld Reguüenmgsphase

Dieser Gesetzgebungsgang zeigt, daß eine aus den Währungsgesetzen sich ergebende Nennwertgeltung gerade nicht auf einer Zwangsverfügung des Staates gegenüber den Wirtschaftenden beruhte, sondern vielmehr vom Betreiben der führenden Vertreter der deutschen Wirtschaft gegen das zögernde Verhalten der Reichsregierung ausging. Die Nennwertgeltung entsprach dem bekundeten Interesse der gewerblichen Wirtschaft. Schwerlich konnten die Kurswerttheoretiker danach die Nennwertgeltungper se weiterhin als eine zugunsten der Staatskasse durchgeführte zwangswirtschaftliche Maßnahme zu Lasten der Wirtschaftenden bezeichnen. Sie verloren damit eines ihrer zentralen ökonomischen Argumente gegen den Nennwert-"Zwangskurs". Die Nennwerte der Reichsmünzen wurden durch die Münzgesetze nach den Regeln des beibehaltenen, nun auf Kurantgoldmünzen ausgerichteten, Metallgeldsystems definiert. Dazu wurde die 10 Mark Goldmünze in Entsprechung zu einer bestimmten Menge Gold gesetzt und nach diesem Verhältnis vollwertig ausgeprägt. Das 10 Markstück enthielt gemäß § 1 GoldG 3,59 g Gold; mit anderen Worten entsprachen 10 Mark zumindest dem Warenwert von 3,59 g Gold. Auf diesem Metalleigenwert des 10 Markstücks basierte das gesamte weitere Nennwertsystem. Die Goldmünzennennwerte zu 5 und 20 Mark ergaben sich aus dem Verhältnis zu ihren Metallfeingehalten. Das 5 Markstück enthielt nach seinem Münzfuß genau halb soviel (1, 795 g) Gold, das 20 Markstück genau doppelt soviel (7 ,18 g) Gold wie das 10 Markstück (§§ 1, 3 GoldG, Art. 2 MünzG). Die Nennwerte der Goldmünzen verhielten sich so zueinander, wie ihre Metallfeingehalte. Das gleiche galt auch für die Silberscheidemünzen im Nennwert zu 5, 2 und 1 Mark, sowie 20 und 10 Pfennig (Art. 3 § 1 MünzG). Die Nennwerte der Scheidemünzen leiteten sich aber aus ihrem Abhängigkeitsverhältnis zu den übergeordneten vollwertigen Goldmünzen ab, wobei zur Erhaltung der Goldwährung insbesondere die Silberscheidemünzen im Silber-Goldwertverhältnis bereits nominal unterwertig ausgeprägt werden sollten. Andernfalls hätte man eine bimetallische Doppelwährung hergestellt, für die es zu diesem Zeitpunkt keine Mehrheit gab. Die Nennwerte der Reichsmünzen wurden vom Währungsgesetzgeber betont nicht als staatlich-willkürliche Nominalangabe, sondern als Metallnennwert verstanden: "Die Anforderung der Praxis an eine Münze läuft in erster Linie darauf hinaus, daß sie ein bestimmtes unabänderliches Gewicht an Edelmetall enthalte und daß dieses Gewicht durch den Münzstempel ( ... )beglaubigt sei." 31

31

Mot. zum Bundesratsentwurf des GoldG, Sten. Ber. RT 1871, Bd. 1, Anl. 50,

s. 126.

10. Kap.: Reichsgoldwähnmg

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Deshalb kann von der Intention des Währungsgesetzgebers ausgegangen werden, daß die Reichsmünzen im Privatverkehr grundsätzlich auch zu diesem Nennwert, der den Wert einer bestimmten Goldmenge repräsentierte, angenommen werden sollten. Insofern ist eine vom Gesetzgeber gewollte schuldrechtliche Nennwertgeltung erkennbar. Mögliche künftige Geldwertveränderungen gelangten allerdings überhaupt nicht als Problem des privatrechtliehen Zahlungsverkehrs in das Bewußtsein des Währungsgesetzgebers. Dementsprechend wurde dies auch nicht im Reichstag erörtert und enthalten die Münzgesetze darüber keine Bestimmungen. Der Gestaltungsspielraum des Privatrechts, das Geldschuldverhältnis in bezug auf Geldwertänderungen zu regeln, wurde durch die Währungsgesetze nicht eingeschränkt. Die Reichswährungsgesetze enthielten im Hinblick auf den privatrechtliehen Zahlungswert des Geldes keine weiterreichenden Regelungen oder erkennbare Willen der Gesetzgeber als etwa das preußische Münzgesetz von 1821 oder die Münzverträge im Deutschen Bund. Hier wie dort wurden lediglich gesetzliche Zahlungsmittel und die Nennwerte derselben bestimmt. Allerdings hatten sich die Rahmenbedingungen für das Privatrecht durch die reichseinheitliche Ausgestaltung des Geldwesens und die Herstellung eines homogenen Geldumlaufs erheblich verändert. Für die Nennwertgeltung im Privatverkehr wurde vom Reichsgesetzgeber künftige Geldwertstabilität vorausgesetzt. Sollten sich aber - wider Erwarten - Geldwertänderungen einstellen, so enthielten die Währungsgesetze dafür keinerlei Präjudizierung des Privatrechts. Es ging dem Währungsgesetzgeber darum, das Problem von Geldwertverschlechterungen durch eine stabile Geldordnung zu überwinden und nicht die privatrechtliche Handhabung von Wertänderungen zu regeln, die es nicht mehr geben sollte. Bezeichnend für dieses Selbstverständnis des Währungsgesetzgebers äußerte sich der preußische Finanzminister v. Camphausen im Reichstag. Die Wertverhältnisse habe man einmalig festgelegt und er könne guten Mutes davon ausgehen, "die Zukunft sich selbst zu überlassen". 32 Künftig sollte, über die Goldwertanhindung des Geldes, Geldwertstabilität bestehen. Wechselkurs- und Kaufkraftstabilität sollte der sogenannte Goldwährungsmechanismus gewährleisten.

32 Sten.

Ber. RT 1871, Bd. l, S. 233.

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3. Teil: Industrielle Ausbau- 1DJ.d Regulienmgsphase

m. Geldwertstabilität in Theorie und Praxis des Goldwährungsmechanismm

Das überzeugendste wirtschaftliche Argument für die Nennwertgeltung im Privatverkehr ist eine bestehende Geldwertstabilität. Dann dient der Nennwert- ohne Wertverluste/-gewinne- der Vereinfachung des Geldverkehrs, da nicht für jede Zahlung erst Berechnungen über den mit dem Geld zu übertragenden Wert angestellt werden müssen. Für die Geldwertstabilität im damaligen Verständnis des Metallgeldsystems kam es auf die währungsrechtliche Absicherung und geldpolitische Erhaltung des Verhältnisses zwischen Nenn- und Goldwarenwert der Reichsmünzen (Parität) an. Nicht der Übergang von den Silberwährungen zur Reichsgoldwährung an sich, sondern Theorie und Praxis des dahinterstehenden Goldwährungsautomatismus waren geeignet, der schuldrechtlichen Nennwerttheorie die entscheidenden Argumente bereitzustellen.

1. Internationaler Goldstandard Wie wichtig die künftige Erhaltung der Geldwertstabilität für den Währungsgesetzgeber war, zeigt sich deutlich am Verzicht auf die Handelsvorteile einer internationalen Münzeinigung. 33 Es war ein Anschluß an das bestehende Münzsystem der 1865 gegründeten "Lateinischen Münzunion" möglich. 34 Die Gründe, die die Idee einer "Weltmünze" auf Grundlage der fran33 Konkret wurde die Idee einer "Weltmünze" durch die Einladung Napoleons III. zu einer internationalen Münzkonferenz, anläßtich der Weltausstellung in Paris 1867. Während die preußische Delegation von Anfang an dem Unterfangen sehr skeptisch gegenüberstand, wurde die internationale Münzeinigung von der deutschen Wirtschaft unterstützt. Der 4. Deutsche Handelstag und der 9. Kongreß deutscher Volkswirte forderten 1867 den Anschluß an das Prankensystem. In denselben Beschlüssen wurde allerdings zugleich der Übergang zur Goldwährung verlangt; Bettges, Meinungen, S. 20 ff.; Borchardt, Währung und Wirtschaft, S. 5; Helfferich , Geschichte der deutschen Geldreform I, S. 122 ff. Der Norddeutsche Reichstag beschloß daraufhin im Juni 1868 eine Resolution nach der ein Münzsystem geschaffen werden sollte, welches "möglichst viel Garantien einer Erweiterung zu einem allgemeinen Münzsystem aller civilisierten Staaten biete"; Sten. Ber. RT 1868, Bd. 1, S. 426. 34 Im Lateinischen Münzbund schlossen sich Belgien, Italien und Schweiz vertraglich dem Doppelwährungssystem Frankreichs an, obwohl auch diese ursprünglich zur Goldwährung übergehen wollten; North, Geld, S. 147. Das Ziel der Union, einen einheitlichen Münzumlauf bei konstanten Wechselkursen herzustellen, wurde wegen nationaler Finanzinteressen und einer fehlenden übergeordneten Kontrollinstanz nie

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zösischen Doppelwährung scheitern ließen, waren - wenn wir dem Präsidenten des Reichskanzleramts Delbrück glauben dürfen - "keineswegs politischer Natur, ( ... sondern) wirtschaftliche". 35 In internationaler Sicht hoben bereits die Motive zum Regierungsentwurf des Goldgesetzes hervor, daß ein universelles Münzsystem überhaupt nicht in Aussicht sei, "solange nicht Großbritannien und die Vereinigten Staaten in dasselbe eingetreten wären". 36 In den Motiven des Bundesratsentwurfs zum Goldgesetz hieß es dann: "So sehr also Deutschland in seiner auf die Förderung der friedlichen Beziehungen der Völker gerichteten Politik Veranlassung hat, auch den auf internationale Uebereinstimmung des Münzwesens gerichteten Bestrebungen seine Sympathien und jede mit dem eigenen Interesse vereinbare praktische Förderung zu bieten, ebensowenig kann es Veranlassung fmden, befriedigende Zustände seines Münzwesens in Frage zu stellen." 37

Konkret betonte der Bundesrat, daß "bei internationaler Uebereinstimmung der Münzsysteme ( ... ) der Geldumlauf jedes einzelnen Staates in Gefahr (sei), an den Nachtheilen betheiligt zu werden, welche durch übermäßige Noten- und Papiergeldemissionen des Nachbarlandes herbeigeführt werden". Die in Frankreich und Österreich bestehende Nennwertgeltung für Banknoten, ohne international kontrollierbare "unerläßliche Garantien" der Stabilität, schmälerten die Chancen auf die "Aufrechterhaltung eines soliden inländischen Geldumlaufs". 38

dauerhaft erreicht. Formal bestand der Lateinische Münzbund bis 1926; Zellfelder, Lateinische Münzunion, in: North, Aktie bis Zoll, S. 213 f. 35 Sten 36

Ber. RT 1871, Bd.1, S. 227.

BR Drcks. 1871, Nr. 134.

37 Sten.

Ber. RT 1871, Bd. 1, Anl. 50, S. 126 (auch im folgenden).

Außerdem bestehe in anderen Staaten keine Einlösepflicht für abgenutzte Münzen zum Nennwert, was die Erhaltung der Vollwichtigkeit des Geldumlaufs gefährde; Mot. zum Bundesratsentwurf eines Goldgesetzes, ebd., S. 125. Nicht zu unterschätzen sei auch die Schwierigkeit, bei einer dem Frankenmünzfuß entsprechenden Ausprägung der Reichsmünzen diese im Verhältnis zu den bisherigen deutschen Landeswährungen umzurechnen; Mot. zum Bundesratsentwurf eines Goldgesetzes, ebd., S. 126. Weiterhin laufe der internationale Zahlungsverkehr sowieso in erster Linie über Wechsel, welche "auch bei übereinstimmender Währung ( ... ) nach ihrem veränderlichen Kurse, also nach dem Markt-, nicht nach dem Nom.inalwerthe berechnet werden"; Mot. zum Bundesratsentwurf eines Goldgesetzes, ebd., S. 126. 1m timkehrschluß wird auch hieraus die vom Währungsgesetzgeber gewollte Nennwertgeltung für Währungsgeld deutlich. 38

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3. Teil: Industrielle Ausbau- \Dld Regulienmgsphase

Im Reichstag setzte sich diese Argumentation durch, 39 so daß Deutschland 1871 als erstes Land nach England, in dem bereits seit 1816 Goldwährung bestand, 40 zur Goldwährung überging. Mit Einführung der Goldwährung entschied sich der deutsche Währungsgesetzgeber international für das Geldsystem Großbritanniens und gegen die Doppelwährung Frankreichs. Innerhalb Deutschlands setzte sich damit das Industrieinteresse, den freien Kapitalverkehr durch eine stabile Goldwährung international zu fördern - gegen die Befürchtungen der Agrarier, ohne eine wechselkursschwache Silber(doppel)währung auf dem Weltmarkt nicht konkurrenzfähig anbieten zu können durch. 41 Im inländischen Verkehr wollte die hoch verschuldete Landwirtschaft durch weniger wertvolles Geld dem anhaltenden Preisrückgang für ihre Agrarprodukte seit Mitte der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts42 entgegentreten, blieb damit aber auf währungsgesetzlicher Ebene erfolglos. 43 Stattdessen versuchte man bekanntlich seit 1880 durch Einfuhrzölle das inländische Preisniveau für Agrarprodukte über dem Weltmarktpreis zu halten.

Dem Beispiel Deutschlands folgend, führten alsbald die Niederlande (1874) und die skandinavischen Länder (1878) Goldwährungen ein. Wegen des Wertverfalls des Silbers seit 1873 stellten noch in den siebziger Jahren die Mitglieder der Lateinischen Münzunion ihre Silberkurantprägungen ein und gingen damit zur "hinkenden" Goldwährung über. Es folgten schließlich die USA (1879), Österreich-Ungarn (1892), Rußland, Japan und Indien 39 Bamberger/NL., Sten. Ber. RT 1871, Bd. 1, S. 228meinte polemisch: "Die Franzosen haben gut reden; Sie sagten 1865: wir wollen ein internationales Münzsystem machen; Europa möge unser System annehmen!". Braun/NL., ebd. , S. 258 verglich die Weltmünze mit dem Ideal des ewigen Friedens, worauf man nicht warten könne. Dagegen sprachen sich die Abgeordneten Gerstner!F., ebd., S. 238, Mohl/ fraktionslos, ebd., S. 244 und Seelig!F., ebd., S. 260 für den Anschluß an die Frankenwährung aus. Ein entsprechender Änderungsantrag zum GoldG von Mohl fand im Reichstag allerdings keine Mehrheit; Sten. Ber. RT 1871, Bd. 1, S. 318 ff., 330. 40 Rittmann,

Geldgeschichte, S. 770; Sprenger, Geld der Deutschen, S. 196.

Henning, Wirtschafts- und Sozialgeschichte II, S. 1015; North, Geld, S. 150; Winkel, Geldtheorie, S. 22 ff. 41

42

Henning, Industrialisierung, S. 223 f.

Die Gesetzgebung blieb in der Frage Gold- oder Doppelwährung immer ziemlich eindeutig. Die unterlegenen Anhänger einer Doppelwährung stilisierten die Währungsfrage zur Glaubensfrage. Altmann, Geldlehre, S. 51 spricht von einem "Tummelplatz der Leidenschaft" bei der "gelehrte Phrasen" oft die "Hohlheit" ihres Inhalts überdeckten. Letztlich konnten aber auch der eigens dazu gegründete "Deutsche Verein für internationale Doppelwährung" von 1882 und der "Bund der Landwirte" mit der Parole .Die deutsche Landwirtschaft oder die Goldwährung" den Goldstandard nicht zurückdrängen; Borchardt, Währung und Wirtschaft, S. 39. 43

10. Kap.: Reichsgoldwähnm.g

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(1897). 44 So entstand - wohlgemerkt ohne jegliche völkerrechtliche Verpflichtung - der sogenannte internationale Goldstandard der führenden Industrienationen. Dieser hatte zwar nicht den einheitlichen Münzfuß einer "Weltmünze", aber durch den Warenwert des Goldes der Kurantmünzen relativ feste Wechselkurse.45

2. "Spielregeln" des Goldwährungsmechanismus Mit der ausreichenden Teilnehmerzahl wurde die Grundbedingung für die Erhaltung der nationalen Geldwertstabilität nach der von David Hume im 18. Jahrhundert erstmals formulierten und von David Ricardo aufgegriffenen, heute sogenannten Theorie des Goldwährungsmechanismus, erfüllt. 46 Diese Theorie beruhte auf der Annahme eines automatischen internationalen Ausgleichs der Handels- und Zahlungsbilanzen, sobald sich der Wechselkurswert zwischen zwei Goldwährungen veränderte. Gold sollte - von unsichtbarer Hand geleitet - aus dem Land mit der schwächeren Währung in das der stärkeren fließen. 47 Bei inländischen Kautkraftverschlechterungen bestehe ein Anreiz, Banknoten oder Buchgeld zu ihrem gesetzlichen Kurs bei der Notenbank in Gold zu tauschen, das dann wiederum im Ausland in höherwertige Noten getauscht werden könne. 48 Die sich daraus ergebende Verringerung der Goldreserven im Land der schwächeren Währung führe dort zur Einschränkung des Notenumlaufs, zum Anstieg der Zinsen und so schließlich zur Preissenkung/Geldwertsteigerung. Umgekehrt sollte im Land mit Handelsbilanzüberschüssen die Gold- und Geldmenge und dement-

44 Lexis,

149.

Gold und Goldwährung, in: HdWStW IV, S. 758 ff.; Nonh, Geld, S.

45 Henning, Wirtschafts- und Sozialgeschichte II, S. 1018; Nonh, Goldstandard, in: ders., Aktie bis Zoll, S. 144 f., Schwarzer, Goldwährungssysteme, S. 214 ff. 46 Nonh, Goldstandard, in: ders., Aktie bis Zoll, S. 144 f.; Rieter, D. Hume, in: North, Aktie bis Zoll, S. 162; Schremmer, Stabiles Geld, S. 24 f.; Schwarzer, Goldwährungssysteme, S. 217. In Deutschland wurde die Theorie ausgehend von J.G. Hoffmann über Adolf Soetbeer im Deutschen Handelstag und Ludwig Bamberger im Reichstag bis zu Schmoller, Lexis, Philippovich, Conrad, Lotz und Helfferich getragen; Altmann, Geldlehre, S. 55 ff.

47 Hoffmann, Geldwerttheorien, S. 44 ff., 107 ff. 48 Veit, Währungspolitik, S. 102 ff.

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3. Teil: Industrielle Ausbau- Wld Regulienmgsphase

sprechend das Preisniveau steigen und der Geldwert fallen. 49 Durch diesen Automatismus sollte das Pariverhältnis von Geldnennwert und Goldwarenwert von selbst, das heißt ohne eingreifende Verwaltung, aufrechterhalten werden, mit anderen Worten gewährleistet sein, daß sich für 3,59 g Gold oder 10 Mark in Münzen oder Papier immer ein gleicher Warenwert einstellt. Die internationalen Wechselkurse der Währungen und die nationale Kaufkraft des Geldes sollten auf diese Weise bei steten Schwankungen um das Pariverhältnis auf lange Sicht dauerhaft stabil bleiben. Der Automatismus setzte die Einhaltung bestimmter, marktwirtschaftlicher Regeln in den Goldwährungsstaaten voraus: 50

Regel 1: Die Geldmenge mußte an die Goldreserven gebunden werden. Regel 2: Die unbeschränkte Einlösung von Gold in Geld und umgekehrt mußte gewährleistet sein.

Regel 3: Es mußte freier, internationaler Warenverkehr ohne protektionistische Maßnahmen, vor allem für Gold, bestehen.

In unserem Zusammenhang besonders wichtig: nach

Regel 4 mußten innerstaatliche Preis-, Lohn- und Zinsschwankungen als

Resultat freier Wirtschaftstätigkeit im Rahmen des Goldautomatismus akzeptiert werden und durften nicht durch nationale Eingriffe (z.B. durch Subventionen) in eine Schieflage geraten.

3. Umsetzung der Goldmechanismustheorie im Bankgesetz von 1875 Die theoretischen Voraussetzungen des Goldwährungsmechanismus wurden in Deutschland, soweit auf gesetzlichem Wege möglich, im Bankgesetz von 1875 verwirklicht. Die praktische Umsetzung oblag der in diesem Gesetz(§ 12 BankG) als juristische Person in Form einer Aktiengesellschaft gegründeten51 Reichsbank. Sie hatte die Aufgabe "den Geldumlauf im gesamWirtschafts- und Sozialgeschichte II, S. 1017 f.; North, Geld, S. 150 f.; Schwarzer, Goldwährungssysteme, S. 217; Sprenger, Geld der Deutschen, S. 197 f. 49 Henning,

50 North, Geld, S. 150; Schremmer, Stabiles Geld, S. 24 f.; Schwarzer, Goldwährungssysteme, S. 220; Veit, Währungspolitik, S. 92 ff.

Die Reichsbank ging aus einer Übernahme der Preußischen Bank mit allen Rechten und Pflichten durch das Reich hervor; Seeger, Politik der Reichsbank, S. 21; vgl. auch Laband, Staatsrecht 111, S. 131. Das Reichsgericht sah die Reichsbank als Behörde, deren Anteilsscheine wie Aktien zu behandeln seien; RGZ 15, S. 231 (234 f.). 51

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ten Reichsgebiete zu regeln (und) Zahlungsausgleichungen zu erleichtern" (§ 12 BankG). Die Reichsbank stellte die zentrale institutionelle und administrative Garantie für die Geldwertstabilität dar. ZU Regel I: Die Anpassung der Geldmenge an die Goldreserven betraf vor allem die Papiergeldausgabe. 52 Die Reichsbank mußte deshalb ihre Banknoten zu einem Drittel in Goldmünzgeld oder Gold und zu zwei Dritteln in kurzfristig (bis 3 Monate) einlösbaren Wertpapieren decken(§ 17 BankG). Die gleiche Vorschrift galt für die noch bestehenden Privatnotenbanken (§ 44 Nr. 3 BankG). Um der gesetzlich vorgeschriebenen Golddeckung Nachdruck zu verleihen, sah§ 9 I BankG eine Notenstrafsteuer von 5 % auf den Überschuß zwischen ausgegebenen Noten und Bargeldreserve vor (sogenannte "indirekte Kontingentierung" 53 ). Im übrigen durfte die Reichsbank gemäß § 16 BankG nur nach dem "Bedürfnis ihres Verkehrs", das hieß nach der gesamtwirtschaftlichen Lage, 54 Banknoten ausgeben. Staatspapiergeld ohne rechtlich vorgeschriebene Goldwertdeckung blieben die Reichskassenscheine. Ihre Ausgabemenge wurde aber auf insgesamt 120 Mio. Mark gesetzlich kontingentiert(§ 1 RKsG). Sie waren deshalb ohne Bedeutung für die geldwirtschaftliche Dynamik und Geldwertstabilität. Ihr Anteil an der Papiergeldmenge sank von 15 % im Jahre 1876 auf 6,6 % im Jahre 1913. 55 Umlaufsfähig sollten die Reichskassenscheine allein durch die staatliche Annahmeund Einlösepflicht sein(§ 5 RKsG). ZU Regel 2: Nach § 18 BankG war die Reichsbank verpflichtet, ihre Noten auf Verlangenjederzeit in "kursfähiges deutsches Geld" einzulösen. 56 Nach § 14 BankG mußte die Reichsbank Gold zum festen Satz von 1392 M je Pfund ankaufen und danach ihre Noten ausgeben. 57 Damit erfolgte der 52 Von der Golddeckung unberücksichtigt blieben die Giroverbindlichkeiten der Reichsbank, wodurch diese aus heutiger Sicht durchaus in der Lage war, am Goldbestand vorbei Geld zu schöpfen; schon damals kritisch Breit, BankG, S. 190. 53 Breit,

BankG, S. 100 ff.

54

Borchardt, Währung und Wirtschaft, S. 17.

55

Sprenger, Geldmengenänderungen, S. 151.

Dies waren zur Zeit der "hinkenden" Goldwährung allerdings auch die bisherigen Landessilbermünzen. Erst die Bankgesetznovelle vom 1. Juni 1909, RGBl., S. 515 verpflichtete die Reichsbank in Art. 4 ausdrücklich zur Einlösung ihrer Noten in "deutsche Goldmünzen"; vgl. auch Breit, BankG, S. 192 f. 56

57 Die Düferenz von 3 Mark gegenüber dem in § 1 GoldG festgelegten Parikurs sollte die Prägekosten ersetzen; Koch, Münz- und BankG, Anm. 56 zu § 14 BankG. Pür Helfferich, Geschichte der deutschen Geldreform I, S. 297 markiert § 14 BankG den "Schlußstein der deutschen Goldwährung" , indem damit "eine unverrückbare Beziehung zwischen dem rohen Gold und dem deutschen Gelde" geschaffen wurde.

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3. Teil: Industrielle Ausbau- Wld Regulierungsphase

freie Austausch von Gold in Geld und umgekehrt über die Reichsbank. Der gesamte Goldmarkt unterlag ihrer ständigen Kontrolle. 58

Zu Regel3 und 4: Die Einhaltung von Regel 3 und 4 des Goldwährungsmechanismus war von der allgemeinen Wirtschaftsordnung und staatlichen Wirtschaftspolitik abhängig. Die Geld- und Wirtschaftspolitik konnte die Reichsbank nur durch die zentrale Zinssteuerung (§§ 13 Nr. 2, 3; 15 BankG) -im Rahmen der staatlichen Aufsicht(§§ 12, 25 ff. BankG) -beeinflussen. 59 In bezug auf die allgemeine Wirtschaftsordnung, betraf Regel 4 die hier interessierende Frage, ob der Goldwährungsmechanismus schuldrechtliche Nennwertgeltung zur Erhaltung der Geldwertstabilität zumindest theoretisch voraussetzte. Eine innerstaatliche Akzeptanz von Preisschwankungen als Resultat freier Wirtschaftstätigkeit ist in der Tat nur durch grundsätzliche Neonwertgeltung herzustellen. Nur diese spiegelt konstanten Geldwert rechtlich vor und beläßt es wirtschaftlich bei der freien Preisbestimmung für Waren und Dienstleistungen. Die Marktwertorientierung für Geldschuldverhältnisse wandelt dagegen rechtsverbindlich die Preisschwankungen von Waren in solche des Geldes um. Ausgehend von dem währungspolitischen Ziel, die Parität zwischen Nenn- und Goldwarenwert aufrechtzuerhalten, kann es nicht sein, daß im Privatverkehr Geld nach seinem realen Marktwert gezahlt wird. Soweit sich der Zahlungsverkehr privatrechtlich nach der (Gold-)Kaufkraft des Geldes richtet, besteht keine Veranlassung für die Inhaber von Papiergeld, dieses bei einer Geldentwertung in Gold(-münzen) einzulösen, um die verlorene Kaufkraft des Geldes durch die Vermögensmacht und den Tauschwert des Goldes aufzufangen. Es fehlt dann an jener "unsichtbaren Hand", die das Gold zum Fließen bringen soll. Es wandert kein Gold von den Banken ab, so daß diese aufgrund der vorgeschriebenen Golddeckung ihre Papiergeldausgabe auch nicht einschränken müssen, mithin die Geldmenge insgesamt nicht zurückgeht und die Kaufkraft des Geldes damit nicht wieder steigen kann. 60 Nur die schuldrechtliche Nennwertgeltung für Goldmünzen garantiert diesen bei Geldwertverschlechterungen im Verhältnis zum Papiergeld eine höhere Kaufkraft. Der Goldwährungsmechanismus war deshalb auf Nennwertgeltung für das Währungsmünzgeld und Kurswertgeltung für das Papiergeld ausgerichtet. Durch Kurswertgeltung für die Goldmünzen würde dieser ad absurdum geführt.

58 Breit, 59

BankG, S. 177 f.; Heljferich, ebd., S. 298.

Seeger, Politik der Reichsbank, S. 48 ff.

60 Vgl.

die Darstellung des Goldwährungsmechanismus bei Schwarzer, Goldwährungssysteme, S. 217.

10. Kap. : Reichsgoldwährung

203

Für den Nennwertgrundsatz sprach weiterhin, daß es gerade der Handelsvorteil des internationalen Goldstandards war, im Inland und im Warenverkehr mit dem Ausland in Nennwerten oder mit relativ festen Wechselkursen auf Grundlage der gemeinsamen Goldbasis rechnen zu können. Für die Kaufkraft galt es "nur", das Gleichgewicht zwischen Geld- und Goldwarenwert international sicherzustellen, was von selbst geschehen sollte, wenn nur die Spielregeln eingehalten werden würden. Soviel zur Theorie des Goldwährungsmechanismus.

4. Anscheinendes Funktionieren der Goldmeclumismustheorie Eine Abkehr von der privatrechtliehen Kurswerttheorie konnte sich aus der Goldmechanismustheorie vor allem dann ergeben, wenn diese - zumindest anscheinend - auch tatsächlich funktionierte. Die Epoche der Goldwährung gilt zu Recht als die Phase mit der langfristig höchsten Geldwertstabilität in der deutschen Geldgeschichte. 61 Systemimmanent bestanden aber erhebliche kurz- und mittelfristige Preisschwankungen. Der Lebenshaltungskostenindex stieg von 1871-1874 um 19 % an, fiel dann bis 1879 um 14 %, stieg 1880 und 81 um 7 %, fiel bis 1887 um 11 %, stieg bis 1891 wieder um 11 %, um dann bis 1896 wieder um 6 % zu fallen, bevor er dann bis 1913 kontinuierlich um etwa 2 % pro Jahr stieg. 62 Die Einhaltung der Voraussetzungen für die Geldwertstabilität nach der Goldwährungstheorie war in erheblichem Maße vom Willen der Beteiligten

61 Rittmann, Deutsche Geldgeschichte, S. 810. Schremmer, Stabiles Geld, S. 25 f. betont die Stabilität des Münzgeldsystems überhaupt. Zwischen 1820 und 1913 sei der Lebenshaltungspreisindex in Deutschland durchschnittlich um 0,8 %, zwischen 1950 und 1980 dagegen um 3,15 % gestiegen. Auch für Sprenger, Geld der Deutschen, S. 197 f. fällt ein Vergleich der Goldwährung mit der stabilsten Währung der Nachkriegszeit, der DM, zugunsten der Goldmark vor 1914 aus . Zwischen der Einführung der Reichsgoldwährung 1876 und der Erklärung der Reichsbanknoten zu gesetzlichen Zahlungsmitteln 1910 errechnet sich nach den Angaben von Sprenger, ebd., S. 199 eine durchschnittliche Steigerung des Lebenshaltungspreisindex für Lebensmittel und Wohnung von nur 0,55 % pro Jahr. Vollkommene Preisstabilität herrschte freilich auch in der Zeit des internationalen Goldstandards nicht. Dies gehört in den "Schatz verklärter Erinnerungen"; Borchardt, Währung und Wirtschaft, s. 23. 62 Berechnungen nach den Angaben von Sprenger, Geld der Deutschen, S. 199 (auch im folgenden).

204

3. Teil: Industrielle Ausbau- 1DJ.d Regulienm.gsphase

abhängig. 63 Seeger hat nachgewiesen, daß die Reichsbank die Spielregeln des Goldwährungsmechanismus keineswegs immer eingehalten hat, vielmehr zu Gunsten nationalen wirtschaftlichen Wachstums von ihnen abgewichen ist, damit zwar längst keine "schlechte" gesamtwirtschaftliche Geldpolitik betrieb, ihr aber insbesondere die Preissteigerungen seit 1896 deshalb zuzurechnen seien. 64 Die kurz- und mittelfristig erheblichen Preisschwankungen sprachen eher gegen eine Nennwertgeltung im Privatrecht. Auch langfristig errechnet sich in der Zeit von 1871 bis 1913 eine Preissteigerung, resp. ein Geldwertverlust von 40 %. Zwischen 1896 und 1913 hatte man es dabei mit dem neuartigen Phänomen der "schleichenden" Inflation zu tun. Das Problem von Geldwertänderungen blieb also auch nach Einführung der Goldwährung in Deutschland für das Privatrecht aktuell. Es stand nun aber vor dem Hintergrund der gesetzlich umgesetzten Theorie des Goldwährungsmechanismus. Nach der statistischen Erfassung der Geldwertveränderungen, und erst recht vor ihr, sprach für die privatrechtliche Behandlung von Geldwertänderungen nach dem Nennwertprinzip zunächst allein die Geldwertstabilität in der, den Geldgesetzen zugrundeliegenden, nationalökonomischen Theorie des Goldwährungsmechanismus. Auffallend ist jedoch, daß just in der 22-jährigen BOB-Gesetzgebungsarbeit zwischen 1874 und 1896 der Lebenshaltungskostenindex sogar gering (9 %) fiel. Bei einer jährlichen Deflationsrate von 0,4 % schien die Theorie auch tatsächlich zu funktionieren. Im Jahr des Inkrafttretens des BGB 1900 standen die Preise für Lebenshaltung auf genau dem gleichen Niveau, wie im Jahr nach Inkrafttreten der Goldwährung 1877. Zwischenzeitlich wurde dieses Preisniveau noch 1880 und 1891 erreicht. Die Vorhersagen der Goldmechanismustheoretiker traten in dieser Zeit - aus welchen Gründen auch immer - tatsächlich ein. Der Geldwert schien um ein bestimmtes Preisniveau zu schwanken. Stellte sich die Privatrechtswissenschaft gegen den Nennwert, um eine vermeintliche Einzelfallgerechtigkeit herzustellen, so stellte sie sich zugleich gegen den weltweit etablierten und sichtlich funktionierenden Goldwährungsmechanismus. Das währungsgesetzlich verwirklichte Konzept internationaler Geldwertsicherung durch den Goldwährungsautomatismus ebnete auf diese Weise das Feld für das schuldrechtliche Nennwertprinzip.

63

Seeger, Politik der Reichsbank, S. 132.

64 Seeger,

ebd., S. 131.

10. Kap.: Reichsgoldwähnmg

205

IV. Meinungsstand in der Privatrechtswissenschaft im Licht der Reichsgoldwährung Eine Rekapitulation der Meinungen in der Privatrechtswissenschaft zur Geldwertbestimmung im Schuldverhältnis vor dem Hintergrund der Goldwährung erhellt die Tauglichkeit der einzelnen Theorien für das neu geschaffene Währungssystem.

1. Unzeitgem4ßheit der Kurswerttheorie Die Pandektenwissenschaft folgte bis zur Reichsgründung nahezu einhellig Savignys Kurswerttheorie. Diese war auf eine privatrechtlich einheitliche Handhabung des Geldes für den Wirtschaftsverkehr bei höchst zersplitterten Geld- und Währungsverhältnissen ausgerichtet. Dazu sollte der geschuldete Geldwert an die Preisveränderungen des jeweiligen Währungsedelmetalls rechtlich gebunden werden. Die Kurswerttheorie war damit unabhängig von dem jeweils bestehenden Währungs- und Rechnungssystem universell anwendbar. Insbesondere konnte so auch das benötigte Papiergeld in den rechtlichen Zahlungsverkehr integriert werden, wozu die alte Metallgewichtstheorie nicht in der Lage war. Mit der Schaffung eines homogenen und- jedenfalls anscheinend- wertstabilen Geldumlaufs durch die Geldgesetzgebung des Reichs mußte die Kurswerttheorie veraltet erscheinen, da sie Homogenität des Geldes für den Privatverkehr erst herstellen und Geldwertänderungen - unabhängig von einer langfristig bestehenden Wertstabilität - immer privatrechtlich egalisieren wollte. Sie würde unnötig den Geldverkehr im Deutschen Reich erschweren und nicht zuletzt das Funktionieren des Goldmechanismus gefährden. Nach Einführung der Reichswährung war Savignys Kurswerttheorie gegenüber den zwischen Wirtschafts- und Rechtsordnung, respektive Währungs- und Schuldrecht wohlausgewogenen Theorien von Goldschmidt und Hartmann nur noch von historischem Wert. Sie war das (notwendige) Bindeglied zwischen veralteter, vorindustrieller und moderner Geldtheorie als Währungstheorie.

2. Unbrauchbarkeit der Tauschwerttheorie Endemann hatte den Versuch unternommen, die Kurswerttheorie Savignys zu einer allgemeinen - nicht mehr auf die Edelmetallpreise beschränkten, son-

206

3. Teil: Industrielle Ausbau-1md Regulienmgsphase

dem auf den Tauschwert an sich abstellenden - Tauschwerttheorie weiterzuentwickeln. Es zeigten sich aber schier unüberbrückbare Praktikabilitätshindernisse. Endemann zog sich aus der Verantwortung, indem es "lediglich Sache der Berechnung" sei, den Tauschwert und seine Veränderungen festzustellen. 65 Er verriet aber nicht, wie diese erfolgen sollte - wohl weil er es selbst nicht wußte, ja nicht wissen konnte. Sein Schüler, Hugo Kaufmann, lehnte 1894 eine allgemeine rechtliche Tauschwerttheorie bereits wegen der "ausserordentlich(en) Schwierig(keit)", besser "Unmöglichkeit", den Tauschwert des Geldes zu ermitteln, ab. 66 Abgesehen von der Unpraktikabilität bedrohte die von Endemann angedeutete Tauschwerttheorie - ebenso wie Savignys Kurswerttheorie - das Funktionieren des Goldmechanismus, indem Geldwertänderungen innerstaatlich immer auf privatrechtlichem Wege für den Einzelnen ausgeglichen werden sollten, so daß es schon im Ansatz nicht zu einem internationalen Zahlungsbilanzausgleich kommen konnte.

3. Vorzugswürdigkeit der modernisierten Metall-Nennwerttheorie gegenüber der reinen Nominaltheorie In dem Moment, als sich die währungsrechtliche Vereinheitlichung des Geldwesens mit der Konstituierung des Norddeutschen Bundes anbahnte, brachten Hartmann und Goldschmidt die Nennwerttheorie, nun auf marktwirtschaftlicher Grundlage, wieder ins Gespräch. Während Kurs- und Tauschwerttheorie dem einzelnen Wirtschaftsteilnehmer privatrechtlich realen Geldwert zukommen lassen wollten, erkannte die moderne Nennwerttheorie eine gesamtwirtschaftlich und rechtlich notwendige Prärogative des Staates an, den Zahlungswert von Geld allgemeinverbindlich für das Recht festzulegen und dadurch den Geldverkehr zu standardisieren. Hartmann leitete die Geltung des Nennwerts vor allem aus dem Bedürfnis der Rechtsordnung ab, über gesetzliche Zahlungsmittel mit einem rechtlich anzunehmenden konstanten Wert zu verfügen. Der Staat müsse deshalb, den Zahlungswert von Geld - im äußeren Rahmen einer marktwirtschaftliehen Ordnung67 - privatrechtsverbindlich festlegen. 68 Hartmann maß dem realen Wert und der realen Wertgrundlage des Geldes, dem Edelmetall, keinerlei 65

Endemann, Handelsrecht, 2. Aufl., 1868, S. 402.

66 Kaufmann,

Geldschuld, S. 21.

67 Hartmann,

Internationale Geldschulden, in: AcP 65 (1882), S. 172.

68

Hartmann, Begriff des Geldes, S. 66 f., 75.

10. Kap.: Reichsgoldwähnmg

207

rechtliche Bedeutung zu. 69 Die entstofflichte und insofern - im Vergleich zu Goldschmidt - modernere Nennwerttheorie war allerdings in ihren praktischen Folgen ungewiß. Sie stand insbesondere im Widerspruch zu Regel 1 des Goldautomatismus. Bei einer Lösung des Geldes vom Metall war eine Geldwertverschlechterung zu befürchten. Demgegenüber griff Goldschmidt auf die über Jahrhunderte hinweg gesammelten praktischen Erfahrungen mit dem Metallgeldsystem und nicht zuletzt deshalb auch gefestigten theoretischen Vorstellungen zurück. Danach war die Grundlage des Geldwerts der Metallwarenwert des Münzgeldes. Der Nennwert von Münzen sei nicht mehr und nicht weniger als die hoheitliche Beglaubigung des Metallfeingehalts. 70 Im Zusammenhang mit der Erklärung dieser Münzen zu gesetzlichen Zahlungsmitteln entstehe durch den Staat "vollkommenes" Geld, mit anderen Worten Währungsgeld, auf das die Rechtsordnung ebenso angewiesen sei wie der Wirtschaftsverkehr. 71 Zwar könne der Staat theoretisch auch Geld ohne Eigenwert, Papiergeld, zur Währung erklären, dies sei aber im Hinblick auf die notwendige Erhaltung der Wertstabilität des Geldes gerade wegen der privatrechtliehen Nennwertgeltung für Währungsgeld nicht ratsam. 72 Diese Metall-Nennwerttheorie Goldschmidts stimmte sichtlich genau mit der durch die Reichsgeldgesetze verwirklichten Geldordnung überein, die strikt auf dem Goldwert der Kurantmünzen aufbaute, Papiergeldsorten außerhalb des "vollkommenen" Währungsgeldes beließ und um Geldwertstabilität bei intendierter schuldrechtlicher Nennwertgeltung bemüht war. Die MetallNennwerttheorie mußte deshalb seinerzeit gegenüber der reinen Nominaltheorie Hartmanns als vorzugswürdigere Variante erscheinen. Goldschmidts Ausführungen zum Geldschuldrecht wurden gemeinhin hoch geschätzt. Nicht nur für Mandry waren sie "vom juristischen Standpunkte aus das Beste und Eingehendste" über die Lehre vom Gelde. 73 Auch in der Volkswirtschaftslehre wurde Goldschmidts Handbuch des Handelsrechts anerkannt. Roseher bezeichnete es als "zugleich in der gründlichsten Weise rechtshistorisch und in der besonnensten Weise volkswirthschaftlich" .74 Genau dies trifft den Kern von Goldschmidts dort veröffentlichter Geldlehre. 69 Hartmann,

Begriff des Geldes, S. 55 ff.

70

Goldschmidt, Rechtstheorie des Geldes, S. 375.

71

Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S. 1069; ders. , Rechtstheorie des Geldes, S.

372. 72

Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S. 1210, 1213.

73 Mandry ,

Inhalt der Reichsgesetze, S. 217 in Fßn. 1.

74 Roscher,

Nationalökonomik:, S. 1041.

208

3. Teil: Industrielle Ausbau- 1md Regulienmgspbase

Goldschmidts Ansichten bestätigte in vollem Umfang nicht zuletzt auch der angesehene Nationalökonom Karl Knies in seinem geldwirtschaftlichen Hauptwerk, das wiederum Goldschmidt daraufhin für die Rechtswissenschaft zustimmend rezensierte. 75

11. Kapitel

Übergang der Pandektisten zur Nennwerttheorie Seit der Reichsgeldgesetzgebung bestand unter den Pandektisten Einigkeit darüber, daß gesetzliche Zahlungsmittel im Geldschuldverhältnis zu ihrem Nennwert gegeben und genommen werden müssen. Damit ging die Pandektistik von der Kurs- zur Nennwerttheorie über.76 Mit diesem Umschwung überließ sie nunmehr grundsätzlich dem Währungsrecht und der Währungspolitik die Verantwortung für einen wertsiehereD Zahlungsverkehr. Sie entsprach damit zugleich den Erfordernissen für einen funktionierenden Goldmechanismus. Wir wollen klären, was die Pandektisten zu diesem Schritt veranlaßte. Inwiefern sie bewußt wirtschaftliche Zielvorstellungen verfolgten, ergibt sich daraus, ob sie gesetzespositivistisch eigene Überzeugungen wegen der geschaffenen gesetzlichen Ordnung aufgaben, sich dem Willen des Gesetzgebers unterordneten, oder ob sie selbst von dieser Ordnung, und vor allem der dieser Ordnung zugrundeliegenden nationalökonomischen Theorie, überzeugt waren. Dazu soll, ausgehend von dem pandektistischen Verständnis der Geldgesetze, das Selbstverständnis der Pandektisten, einen eigenen privatrechtlichen Gestaltungsspielraum zu sehen und auszufüllen, ausgeleuchtet werden.

75 Goldschmidt über K. Knies, Das Geld, 1873, in: ZHR 19 (1874), S . 323-327 (324). 76 Bekker, Pandekten I, S. 319; Blumenhagen, Geldschuld nach gemeinem Rechte, S. 29; Brinz, Pandekten II, S. 441; Demburg, Pandekten II, S. 76; Puchta/Schirmer, Pandekten, 12. Aufl., 1877, S. 66 in Fßn. k; Regelsberger, Pandekten I, S. 400; Wächter, Pandekten II, S. 285; Wendt, Pandekten, S. 81; Windscheid, Pandekten II, 5. Aufl., 1879, S. 28; ferner Gruchot, Zahlung der Geldschuld, S. 88, 102 ff.

11. Kap.: Übergang zur Nennwerttheorie

209

I. Währungsgeld und Nennwert: Pandeldistisches Verständnis der Geldgesetzgebung Windscheid meinte in der fünften Auflage seines Pandektenlehrbuchs von 1879, den Mangel in Savignys Kurswerttheorie erkannt zu haben. Im Anschluß an Goldschmidt war Windscheid der Auffassung, daß Savigny die .,natürliche Aufgabe und Bedeutung der Münzgesetzgebung", bestimmtes Geld kraft Gesetzes zum rechtlichen "Zwangs" -zahlungsmittel zu erklären, unzureichend berücksichtigt habe. Der .,Begriff des Währungssystems" beinhalte, daß es seinen "Münzen nicht bloß Zwangscurs verleiht, sondern auch Zwangscurs zu einem bestimmten Werth- Zwangscurs nicht zu einem bestimmten Wert wäre keiner- und daß Zwangscurs zum Nennwerth gemeint sei, ist auch ohne ausdrückliche Bestimmung anzunehmen, wenn nicht das Gegentheil ausdrücklich bestimmt ist". 77

In Deutschland sei die Frage des Währungssystems durch die Reichsgesetze mittlerweile erledigt. 78 Windscheid folgte der Argumentation Goldschmidts und wendete diese auf die nun bestehende Währungsordnung an. Er erkannte dabei, daß eine Annahmepflicht der Reichsmünzen zum Nennwert in den Währungsgesetzen für den Privatverkehr nicht ausdrücklich vorgeschrieben worden war. Eine Begründung, weshalb der "Begriff des Währungssystems" für die Reichsmünzen eine schuldrechtliche Nennwertgeltung beinhaltet, gab Windscheid nicht. Sie liegt versteckt in der "natürlichen" Aufgabe und Bedeutung der Währungsgesetzgebung. Eine wirtschaftliche Motivation Windscheids läßt sich daraus nicht eindeutig belegen, zumal er im nachfolgenden nicht auf die währungspolitische Aufgabe einging, bei Nennwertgeltung reale Geldwertstabilität zu erhalten. Jedenfalls veranlaßten aber nicht die Währungsgesetze als Gesetze, sondern Sinn und Zweck dieser Gesetze und der Währungsordnung überhaupt, Windscheid dazu, nun grundsätzlich eine privatrechtliche Nennwertgeltung für gesetzliche Zahlungsmittel zu befürworten. Ob Windscheid rechtspositivistisch Sinn und Zweck der Währungsordnung nur in dem Bedürfnis des Rechts sah, über gesetzliche Zahlungsmittel verfügen zu können, oder auch in dem Bedürfnis des Verkehrs, rechtssicheres Geld zu haben, kann hier noch nicht mit letzter Gewißheit entschieden werden. Freilich spricht seine ausdrückliche Bezugnahme auf Gold-

77 Windscheid, Pandekten II, 5. Auf!., 1879, S. 23-32 (S. 28 in Fßn. 21); vgl. auch Blumenhagen, Geldschuld nach gemeinem Rechte, S. 33. 78

Windscheid, Pandekten II, 5. Auf!., 1879, S. 28 in Fßn. 17.

14 Ott

210

3. Teil: Industrielle Ausbau- \Dld Regulienmgsphase

schmidt und den Nationalökonom Knies79 dafür, daß sich Windscheid nicht nur deren Ergebnisse, sondern auch deren wirtschaftliche Motivationen zu eigen machte. Ähnlich wie Windscheid nahm Alois Brinz Stellung. 80 Er gilt neben Windscheid und Jhering als "wohl angesehenster Dogmatiker des römischgemeinen Zivilrechts in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts". 81 Er wird von Rascher der rechtspositivistischen Methode zugeordnet. 82 Für Brinz war es die "höchste Eigenschaft des Geldes", als Währungsgeld schuldrechtlich zum Nennwert angenommen werden zu müssen. Nur dieses Geld sei überhaupt "Geld im technischen oder eigentlichen Sinn". Nennwertgeltung werde deshalb in den Reichswährungsgesetzen "für Metall-Courantgeld einheimischer Währung( ... ) stillschweigend vorausgesetzt". 83 Die gleiche Argumentation findet sich auch bei Gustav Mandry. 84 Er stellte aber von vornherein klar, daß der juristische Geldbegriff nicht abschließend von der Währungsgesetzgebung bestimmt werde, sondern daß es neben dem gesetzlichen Zahlungsmittel im Privatrechtsverhältnis auch anderes Geld gebe: "Indessen führt die an sich durchaus berechtigte Tendenz, der Währung die gebührende Bedeutung zu verschaffen, entschieden zu weit, wenn im Begriffe des Geldes nur noch auf die Annahmeverpflichtung gesehen wird und alle anderen Momente, auf welche einer Seits die ökonomischen Funktionen (!) des Geldes anderer Seits die Verkehrsanschauungen und der durch sie bedingte Verkehrswillen(!) hinführen, unbeachtet bleiben." 85

Geld, das nicht gesetzliches Zahlungsmittel ist, waren für Mandry insbesondere ausländische Münzen und ausländisches Papiergeld, sofern sie nur tatsächlich umlaufsfähig waren. Für dieses Geld gelte schuldrechtlich der Kurswert. 86 Für Mandry kann deshalb von einer einseitig auf die Geldgesetze abstellenden privatrechtliehen Geldtheorie keine Rede sein. Er wollte betont die ökonomische Seite des Geldes nicht aus den Augen verlieren. 79

Windscheid, Pandekten II, 5. Aufl., 1879, S. 29 in Fßn. 23.

80 Brinz,

Pandekten II, 2.Aufl., 1879, S. 439-457 (441 ff.).

Kleinheyer/Schröder, Juristen, S. 469; Stinzig/Landsberg, Rechtswissenschaft III/2, S. 842 ff., Noten, S. 352 f.; Lotmar, A. Brinz, in: ADB 47, S. 256 ff. 81

82 Rascher, 83

A. Brinz, S. 167, 197 ff.

Brinz, Pandekten II, S. 440 ff., insbes. in Fßn. 9.

84 Mandry,

Inhalt der Reichsgesetze (1898), S. 217-232 (223).

85 Mandry,

Inhalt der Reichsgesetze, S. 226.

86 Mandry,

Inhalt der Reichsgesetze, S. 226 f.

11. Kap.: Übergang zur Nennwerttheorie

211

Gegenüber Windscheid, Brinz und Mandry argumentierte Heinrich Demburg bei seiner Begründung der Nennwerttheorie in aller Deutlichkeit und Offenheit mit wirtschaftlicher Zweckorientierung. 87 Es sei gerade der "Zweck des Staatsgeldes ( ... )im Interesse des Verkehrs ein von den Schwankungen des Tages unabhängiges Zahlungsmittel zu schaffen". Die nur bei "außerordentlichen Verhältnissen" durch Nennwertgeltung entstehenden Nachteile für den Einzelnen rechtfertigten sich aus den "wesentliche(n) Vortheile(n) für den Verkehr" im allgemeinen. Die von Savigny angestrebte Einzelfallgerechtigkeit habe sich insbesondere der "höhere(n) Aufgabe einer festen Währung" unterzuordnen. 88 Dazu sei aber wesentlich, "daß der Staat sich in der Feststellung seiner Währung im Einklang mit der Schätzung des Verkehrs halten muß, und das jeder Mißbrauch und Fehler in dieser Hinsicht die Münzverhältnisse zerrüttet". 89

Es bestätigt sich hier die bereits von Landsberg festgestellte und neuerdings von Luig und Süss bekräftigte "sozialpraktische" 90 Ausrichtung der Rechtsfindung des Spätpandelctisten Demburg. In Demburgs Rechtsvorstellungen flossen seine staatlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Grundüberzeugungen ein. 91 Die schuldrechtliche Nennwertgeltung sollte den Geldverkehr erleichtern. Den Staat mahnte Demburg, daß dieses Ziel nur dann erreicht werden kann, wenn währungsrechtlich und währungspolitisch für Geldwertstabilität gesorgt wird. Demburg wollte eine freie Geldwirtschaft im rechtlich organisierten Rahmen. Ebenso wie Demburg sah der Tübinger und Leipziger Rechtsprofessor sowie Präsident des Oberappellationsgerichts Lübeck, Karl Georg v. Wächter,92 den alleinigen Zweck der Nennwertgeltung darin, "zur Bequemlichkeit des Verkehrs, ihren wirklichen inneren Werth anzugeben" - also rein

87 Demburg, Pandekten II, 2. Aufl., 1889, S. 73-77; ders., Preuß. Privatrecht II, 2. Aufl., 1880, S. 71-80. 88 Demburg, Pandekten II, S. 76; ebenso Blumenhagen , Geldschuld nach gemeinem Rechte, S. 34. 89 Demburg,

Preuß. Privatrecht II, S. 77 in Fßn. 2.

H. Demburg, S. 246; Stinzig!Landsberg, Rechtswissenschaft III/2, S. 932; Süss, H. Demburg, S. 43 ff. 90 Luig,

91

Luig, ebd., S. 241.

Kleinheyer!Schröder, Juristen, S. 517. Für Landsberg war Wächter einer "der größten deutschen Juristen aller Zeiten"; Stinzig/Landsberg, Rechtswissenschaft III/2, S. 386. 92

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3. Teil: Industrielle Ausbau- Wld Regulierungsphase

wirtschaftlich. 93 Eine staatliche Manipulation des Nennwerts könne "nach dem in Deutschland geltenden (Währungs-)Recht nicht mehr vorkommen" .94 Auch für Ferdinand Regelsberger95 , den Landsberg auf den "Bahnen der lediglich positiven und konstruktiven Jurisprudenz" sieht 96 , war das Geldwesen "nichts weniger als eine rein wirtschaftliche Einrichtung". Es verdanke indes seine "vollkommene Bedeutung und Leistungsfähigkeit" dem Eingriff der Rechtsordnung, gesetzliebe Zahlungsmittel, Währungsgeld, geschaffen zu haben. 97 In dem so wirtschaftlich zweckorientiert definierten, rechtlichen Begriff der Währung sah er eine "Annabmeverpflicbtung" für Währungsgeld zum Nennwert begründet. 98 Die deutlich gesamtwirtschaftliche Orientierung von Regelsberger schlägt sodann in der Forderung nach einer "gesunden Münzpolitik" mit dem Ziel, das Pariverhältnis zwischen Nenn- und Metallwarenwert aufrechtzuerhalten, durch. Auch die neuere Münzgesetzgebung stehe auf diesem Standpunkt. 99 Regelsberger erkannte damit als Voraussetzung der schuldrechtlieben Nennwertgeltung das seiner Meinung nach nunmehr währungsrechtlieb ausreichend gesicherte Ziel, Geldwertstabilität durch die Erhaltung der Parität von Nenn- und Metallwert zu garantieren. Auf den ersten Blick gesetzespositivistisch scheinen dagegen die Ausführungen von Bekker in seinem "System des heutigen Pandektemechts" . 100 In vollem Bewußtsein der möglichen wirtschaftlichen Nachteile für den Einzelnen101 ging Bekker dort von einem "den Gläubiger treffende(n) Rechtszwang" aus, die Reichsmünzen zum Nennwert annehmen zu müssen. 102 Zur Begründung zitierte er allein den Wortlaut der Art. 9, 14, 15 MünzG, welche die Reichsmünzen zu gesetzlichen Zahlungsmitteln erklärt hatten. Diese Hinwendung Bekkers zum Nennwertgrundsatz ist deshalb besonders 93

Wächter, Pandekten II, 1881, S. 283-287 (285).

94

Wächter, ebd., S. 286.

95 Regelsberger,

Pandekten I, 1893, S. 396-405.

96 Stinzig/Landsberg,

Rechtswissenschaft III/2, S. 853, Noten, S. 358.

97 Regelsberger,

Pandekten I, S. 397 f.

98 Regelsberger,

ebd., S. 400 f.

99 Regelsberger,

ebd., S. 400.

100 Beldcer, Pandekten I, 1886, S. 314-323. 101 Die "wiederholten Vergleichungen aller andem Werte mit dem des Geldes,

und die hieraus ersichtlichen Wertschwankungen der andem Güter, ergeben für das Geld den Schein einer Wertkonstanz, die in Wirklichkeit nicht besteht"; Bekker, Pandekten I, S. 318.

102 Bekker, ebd., S. 319 f.

11. Kap.: Übergang zur Nennwerttheorie

213

aufschlußreich, weil er in seiner früheren Schrift über die "Geldpapiere" bereits die rechtliche Bedeutung gesetzlicher Zahlungsmittel erkannt, sich dort aber aus wirtschaftlichen Gründen für das Kurswertprinzip ausgesprochen hatte. Für ihn können wir deshalb den Übergang zum Nennwertprinzip nicht, wie etwa für Windscheid, aus der Erkenntnis von Aufgaben und Bedeutung einer Währungsordnung begründen. Vielmehr stellt sich die Frage, ob Bekker das wirtschaftliche Element seiner Geldtheorie herausnahm oder anpaßte. Einer Wandlung Bekkers zum Gesetzespositivisten stehen seine Ausführungen in seinem kurz vor dem Pandektenlehrbuch 1881 veröffentlichten Gutachten "Über die Couponsprozesse der Österreichischen Eisenbahngesellschaften" entgegen. Darin stellte Bekker klar, daß er sich auch aus wirtschaftlicher Überzeugung nunmehr für den Nennwertgrundsatz aussprach: "Nicht blos aus Gehorsam wider den Staat, sondern weil das allgemeine Interesse dies erfordert: es ist für Alle bequemer im Verkehr alle Stücke wie vollwichtige umgehn zu sehn; es schadet Niemand, weil jeder wieder Abnehmer fmdet" , sollte der Nennwert sogar für unterwertiges Metallgeld im Privatverkehr gelten. 103

Bekker blendete also keineswegs wirtschaftliche Überlegungen aus seiner Rechtsanschauung aus. Für ihn war entscheidend, daß sich die Einstellung des Staates zum Geld und zur Geldwertstabilität, am Ende durch die währungsrechtlichen Reformen, gewendet hatte. Nachdrücklich hob er die frühere Berechtigung der Kurswerttheorie hervor und rechtfertigte namentlich Savigny und unausgesprochen sich selbst damit, daß er Verhältnisse vor Augen gehabt hatte "aus Zeiten( ... ) da die Münz- und überhaupt Geldherrlichkeit von manchen Staaten mit kurzsichtigster Willkür gemisbraucht, und die Bevölkerungen dadurch gezwungen wurden, in die entschiedenste Opposition zu derartigen Extravaganzen zu treten". In den letzten fünfzig Jahren seien aber die Staaten selbst zu der Erkenntnis gelangt, "jede Ungebürlichkeit zu meiden, die ihre Untergebenen zur Widersetzlichkeit in diesen Dingen drängen dürfte" . 104 Diesem Wandel paßte Bekker jetzt seine Geldtheorie an. Er sah die staatliche Geldausgabe inzwischen soweit an die Geldwertstabilität gebunden, daß die Vorteile der Nennwertgeltung für den Wirtschaftsverkehr genutzt werden konnten, ohne den einzelnen Verkehrsteilnehmern das Risiko von Geldwertänderungen unverhältnismäßig aufzubürden. Dieses Verständnis der Reichsgeldgesetzgebung kann nur mißverständlich als rechts- oder gesetzespositivistisch bezeichnet werden.

103

Bekker, Couponsprozesse, S. 97.

104 Bekker,

ebd., S. 96.

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3. Teil: Industrielle Ausbau- lDld Regulienmgsphase

Es entsteht so ein Gesamtbild des pandektistischen Verständnisses der Währungsgesetze, das eine unausgesprochene wirtschaftliche Rechtsfolgenausrichtung bei Windscheid und Brinz eher nahelegt als daß Bekker, Demburg, Regelsberger und Wächter die Überzeugung von der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit der Nennwertgeltung abgesprochen werden könnte. In aller Klarheit hielt Otto Wendt für die Pandektenwissenschaft die Erkenntnisse Savignys insoweit aufrecht, als .,Begriff und Wesen des Geldes sind juristisch keine anderen als auf dem rein wirthschaftlichen Gebiet" _tos

In einem Atemzug befürwortete er dann den Metall-Nennwertgrundsatz für Reichsmünzen, da sie zu diesem Wert rechtlich und wirtschaftlich als Geld fungierten. 106 Entscheidende Grundlage der schuldrechtlichen Nennwertgeltung für Währungsmünzgeld war das ökonomische Verständnis des metallischen Geldsystems der Währungsgesetze. Der im Nennwert staatlich beglaubigte Goldfeingehalt der Reichsmünzen als Ausgangspunkt des Währungssystems sollte dem Geldeigentümer stets auch feste Vermögensmacht vermitteln, sofern nur Nenn- und Metallwarenwert übereinstimmen. Nach dieser Vorstellung konnte der Tauschwert des Geldes ohne schädigende Folgen aus der juristischen Betrachtung des Geldes ausgeblendet werden, da dieser automatisch durch den Goldtauschwert auf lange Sicht konstant bleiben sollte. Der Nennwert kann gelten und mühsame Berechnungen der Zahlungssumme nach dem Tauschwert der Schuldsumme vermeiden. Vor diesem Verständnishintergrund ist Windscheids Definition des Geldschuldverhältnisses als Verpflichtung zur "Verschaffung einer gewissen Quantität edlen Metalls in Münzform", wobei die Vermögensmacht, die "dadurch dem Eigenthümer gewährt wird ( ... ) für den Inhalt der Geldschuld gleichgültig ist" , 107 ökonomisch sinnvoll. Zwar hatte das Metallgeldsystem auch schon bestanden als die Pandektisten der Kurswerttheorie folgten und als diese von Savigny begründet wurde. Der ausschlaggebende Unterschied lag nun aber zum einen darin, daß die einheitliche Goldwährung und der gesetzlich umgesetzte Goldmechanismus dauerhaft einen stabilen Geldtauschwert in Aussicht stellten, und zum anderen in der Überzeugung, diesem Währungsrecht die Sorge über einen wertsicheren Zahlungsverkehr grundsätzlich überlassen zu können. Garant

105

Wendt, Pandekten, S. 78.

106

Wendt, Pandekten, S. 81, 463 ff.

l07

Windscheid, Pandekten II, 5. Aufl., 1879, S. 31 in Fßn. 32.

11. Kap.: Übergang zur Nennwerttheorie

215

für künftige Geldwertstabilität sollte die eigens aus diesem Grund geschaffene und vom Staatsfiskus institutionell getrennte Reichsbank 108 sein.

Auch außerhalb der Pandektistik und insbesondere in der Ökonomie109 wurde nach den Reichswährungsgesetzen ganz überwiegend dem Nennwertgrundsatz gefolgt. Unter den Juristen darf der Justitiar und spätere Präsident der Reichsbank Richard Koch, 110 der sich an der wissenschaftlichen Diskussion lebhaft beteiligte, nicht unerwähnt bleiben. Ein funktionierendes Währungssystem sei ohne Nennwertzwangskurs für Währungsmünzen schlichtweg "undenkbar" . 111 Ohne weitere Aspekte hinzuzufügen, sprachen sich auch die Germanisten Beseler und Gierke für den Nennwertgrundsatz aus.l 12 Ebenso bezog der Staatsrechtier Laband Stellung, der Morgenluft für die staatsrechtliche Seite des Münzwesens schnupperte, nachdem darüber seit Jahrzehnten "gänzlich" geschwiegen worden sei. 113 Entgegen der pandektistischen Auffassung bezeichnete er die Geldeigenschaft aber als "rein juristische", die "ausschließlich auf einer Rechtsregel" beruhe. Er stellte für die Nennwertgeltung ausschließlich auf den Willen des Gesetzgebers ab, den "Zahlungswerth im Inlande" festzusetzen und klammerte an dieser Stelle etwaige volkswirtschaftliche Überlegungen aus der juristischen Betrachtung ausdrücklich aus. 114 Diesen nun in der Tat gesetzespositivistischen Weg sind die Pandektisten erkennbar nicht gegangen. Gerade im Vergleich zu Laband tritt ihr ökonomisch fundiertes Geldverständnis um so deutlicher hervor. Den Zusammenhang zwischen Goldwährungsmechanismus und schuldrechtlicher Nennwertgeltung stellte in aller Klarheit der Nationalökonom Ludwig Hasner heraus. In der Währung werde ein "bestimmtes Quantum eines bestimmten Werthstoffes, dessen Werth der Maasstab aller anderen Werthe zu sein berufen ist" rechtsverbindlich festgelegt. 115 Dann sei "die volle Uebereinstimmung des Realwerthes der Münze mit ihrem Nominalwerthe, d. i. die Realität des Münzfusses, von entscheidender ökonomischer Bedeu-

10 8

Breit, BankG, S. 108 f.

109 Knies, 110

Geld, S. 313 ff. ; Menger, Geld, S. 60 ff. (102 f.).

Pohl, Richard Koch, in: NDB 12, S. 273 f.

111 Koch, Geld- und Geldwerthzeichen, S. 118; ebenso Kaufmann, Geldschuld, S. 22, 32, 37 und Preisen, Geldschuld, S.11. 112 Beseler,

System I, S. 499; Gierke, Deutsches Privatrecht II, S. 93 f.

113 Laband,

Staatsrecht III, S. 157 f.

114 Laband,

Staatsrecht III, S. 158.

115 Hasner,

Zur Lehre vom Gelde, in: Grünhuts Zeitschr. f. d. Privat- u. öffentl. Recht der Gegenwart, Bd. 7 (1880), S. 1-45 (14, 24).

216

3. Teil: Industrielle Ausbau- 1Uld Regulienmgsphase

tung". 116 Dies soll beim Metallgeld im allgemeinen und bei der Goldwährung im besonderen117 dadurch gewährleistet werden, daß sich "das richtige Niveau, einen freien Geldverkehr vorausgesetzt, durch die Gesetze des Verkehrs selbst bald wieder" einstellt: "Das überflüssige Quantum wird abfließen ( ... ) bis das Gleichgewicht hergestellt ist." 118 Spätestens seit Hasners Aufsatz konnte also nicht mehr der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen Goldwährung und Nennwertgeltung für das Währungsmünzgeld im Unterbewußtsein der Pandektisten bleiben. Die Pandektisten schwenkten nach der Reichsgeldgesetzgebung nicht von der Kurs- zur Nennwerttheorie um, weil es Gesetze waren, die ihrer Meinung nach Nennwertgeltung für Währungsmünzen zwingend vorschrieben. Entscheidend war, daß es nach pandektistischer Überzeugung der Sache nach "richtige", das heißt - vor allem im Vergleich mit den Münzverträgen des Deutschen Bundes - für die Aussicht auf künftige Geldwertstabilität ausreichende Gesetze waren, um die Effektivität des Wirtschaftslebens durch Neonwertgeltung fördern zu können, ohne dabei die Funktionsfähigkeit der Geldwirtschaft durch ein zu hohes Geldentwertungsrisiko zu gefährden.

ll. Metallwert und Nennwertgeltung: Papiergeld im Zahlungsverkehr Neben dem Übergang zur Nennwerttheorie für Reichsmünzen zeichnete sich seit der Währungseinheit auch eine Kehrtwende in der schuldrechtlichen Behandlung der Banknoten ab. In den meisten neueren Stellungnahmen wurde die Zahlung von Reichsbanknoten als Geldleistung, mithin die Banknote für den privatrechtliehen Zahlungsverkehr als Geld aufgefaßt. Eine Geldforderung sollte durch Übergabe von Banknoten erfüllt und Banknoten nicht mehr nur an Erfüllungsstatt genommen werden können. 119 Diese Auffassung war, wie Demburg offen 116

Hasner, ebd. , S. 34.

Der im Vergleich zum Silber höhere Wert des Goldes schütze den Gebrauch "gegen jene unersetzlichen Werthverluste, welche im Verbrauche liegen."; Hasner, ebd., S. 29 ff. (30). 117

118

Hasner, ebd., S. 38.

Beseler, System I, S. 504; Brunner, Werthpapiere, S. 204; Demburg, Preuß. Privatrecht II, S. 78; Gierke, ZHR 29 (1884), S. 253; Koch, Geld- und Geldwerthzeichen, S. 133, 139; Mandry, Inhalt der Reichsgesetze, S. 225 in Fßn. 15; Regelsberger, Pandekten I, S. 398, 404; Weber, Geldqualität der Banknote, S. 31 f., 65 ff., 84; Windscheid, Pandekten II, 5. Aufl., 1879, S. 31 in Fßn. 34; dagegen 119

11. Kap.: Übergang zur Neonwerttheorie

217

zugab120 , im bestehenden reinen Metallwährungssystem "logisch nicht korrekt". Begründet wurde sie durchgehend aus der rechtlichen und ökonomischen Zweckbestimmung der Banknoten in einer modernen Geldwirtschaft. Die Banknote sei "unvollkommenes, uneigentliches, freies, usuelles Geld, aber immerhin Geld". Sie habe "nicht in erster Linie die Bestimmung, zur Einhebung einer Leistung zu dienen, sondern gleich dem Metallgeld bei Zahlungen verwendet zu werden" }21 Genommen und gegeben werde die Banknote "im Verkehr als Repräsentantin der darin versprochenen Geldsumme, nicht, um sie alsbald zur Einlösung zu bringen, sondern in der Voraussetzung, dass sie jederzeit wiederum als Tauschmittel bei Anderen verwandt werden kann" . 122 Die somit tatsächlich "als Geld circulierende" Banknote sei als Träger eines Forderungsrechts "mehr als (das eigentliche) Papiergeld" . 123 Diese altbekannte, schon bei Savigny angelegte, dann besonders von Unger vorgetragene Argumentation konnte jetzt um so mehr Zustimmung finden, als die Notenbankenkrise Ende der fünfzigerJahrefür viele nur noch eine unangenehme Erinnerung an vergangene, ungeordnete Verhältnisse war. Die Furcht vor zahlungsunfähigen Notenbanken war mit Einrichtung der Reichsbank weitgehend gewichen und stellte die Umlaufsfähigkeit der Banknoten jedenfalls nicht mehr grundsätzlich in Frage. Auch das Reichsgericht schloß sich dieser stark vordringenden Auffassung an, nachdem es noch in einer Entscheidung vom 17. Oktober 1888 die Banknoten ohne nähere Begründung als bloße Inhaberpapiere behandelt hatte. 124 Durch die Rechtswissenschaft animiert, stellte das Reichsgericht am 24. November 1902 ausdrücklich die privatrechtliche Geldqualität von Banknoten fest. Banknoten fielen ebenso wie die Reichskassenscheine "nach heutigen Begriffen" unter das Bargeld, da sie "rechtlich und wirthschaftlich" als allgemeines Umsatzmittel fungierten- "mag auch ein Zwang zur Annahme rechtlich nicht begründet sein" . 125 Letzteres geschah erst durch Art. 3 der Bank-

Blumenhagen, Geldschuld nach gemeinem Rechte, S. 28 und Laband, Staatsrecht III, S. 157 f., die für die privatrechtliche Geldeigenschaft ausschließlich auf einen währungsrechtlich begründeten allgemeinen Annahmezwang abstellten. 12o Demburg,

Preuß. Privatrecht II, S. 78.

121 Regelsberger, 122

Pandekten I, S. 398, 404.

Koch, Geld- und Geldwerthzeichen, S. 133.

Windscheid, Pandekten II, 5. Aufl. 1879, S. 31 in Fßn. 34; ebenso wie Regelsberger, Koch und Windscheid alle in Fßn. 119 zitierten Pandektisten. 124 RGZ 22, 265 (267). 123

125

RG JW 1903, S. 32, Nr. 40.

3. Teil: Industrielle Ausbau- 1D1d Regulienmgsphase

218

gesetznovelle vom 1. Juni 1909, 126 der die Reichsbanknoten zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärte. Dieser Verlauf in der Behandlung von Banknoten als Geld zeigt, daß der Geldbegriff in Privatrechtswissenschaft und von den Gerichten durchaus nicht allein an die gesetzliche Zahlungsmitteleigenschaft geknüpft, sondern funktional bestimmt wurde. Wir wollen nun danach fragen, inwiefern die Nennwertgeltung aus der gesetzlichen Zahlungsmitteleigenschaft folgte. Unbestritten galt für Banknotenzahlungen bis zu der eben genannten Bankgesetznovelle der Kurswert. 127 Durch die Kurswertgeltung für Banknoten im Privatverkehr wurde das Funktionieren des Goldwährungsmechanismus unterstützt, indem ein Anreiz geschaffen wurde, bei Kurswertverschlechterungen der Noten diese bei der ausgebenden Bank zu ihrem gesetzlichen Kurs in Gold einzulösen. Streitig war, ob Banknoten und Reichskassenscheine zum Nennwert angenommen werden müssen, wenn sie zu gesetzlichen Zahlmitteln erklärt werden würden; mit anderen Worten, ob nur für Geldstücke mit Metallwert der Nennwert gelten könne. Ganz im Sinne des metallischen Nennwertgrundsatzes des von ihm zitierten Goldschmidts und der bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ganz überwiegenden metallischen Nationalökonomie128 nahm Bekker für das Papiergeld bei ordentlichen Geldverhältnissen Kurswertgeltung an. 129 Dies begründete er zwar zuerst damit, daß das Papiergeld kein Währungsgeld im Sinne eines gesetzlichen Zahlungsmittels sei. Für Währungsgeld setzte Bekker aber

126 RGBI. 127 Vgl.

1909, S. 515.

nur Blumenhagen, Geldschuld nach gemeinem Rechte, S. 35.

128 Vgl. statt vieler Knies, Geld, S. 113 f., 141: "Es ist eine naturgesetzliche Nothwendigk:eit, dass man zur Messung d.h. zur Feststellung des besonderen quantitativen Verhältnisses in irgend einem quantitativ bestimmbaren Gegenstand nur einen solchen Gegenstand als Maasswerkzeug verwenden kann, welcher selbst die Quantität dessen, was gemessen werden soll, besitzt. (.. ) Es steht deshalb ebenso unumstösslich fest, dass wenn und soweit überhaupt das besondere Quantum wirthschaftlichen Werthes, welches die mannigfaltigen einzelnen Güter umschließen, geschätzt und bemessen werden kann und soll, dies nur mittels eines Gegenstandes möglich ist, der selbst wirthschaftlichen Werth hat, selbst ein wirthschaftliches Gut ist. (... ) Der Satz, dass der Tauschmitteldienst wie der Werthmesserdienst des Geldes abhängig ist von dem Vorhandensein jenes anderweitig (für Schmuck u.s.w.) begründeten Gebrauches der edlen Metalle bestätigt sich dann inmitten aller der Einflüsse, welche die Verwendung der edlen Metalle zu Geld für sich allein ausüben muß." Weit. Nachw. bei Winkel, Geldtheorie, S. 8. 129

Bekker, Pandekten I, S. 319 f.

11. Kap.: Übergang zur Nennwerttheorie

219

zwingend Metallgeld voraus. 130 Dieser Ansicht waren auch Demburg 131 , Regelsberger132 und Wächter133 • Für sie alle war Papiergeld wegen des fehlenden Metallwerts nach wie vor gar kein "wirkliches Geld, sondern bloß Repräsentant wirklichen Geldes". Sie gingen deshalb sogar soweit, daß eine staatliche Erklärung des Papiergeldes zum gesetzlichen Zahlungsmittel ihre privatrechtliche Annahme zum Nennwert nicht erzwingen könne. Der Wert von Papiergeld werde selbst dann ausschließlich vom Verkehr bestimmt. Für Papiergeldzahlungen müsse deshalb immer der Verkehrswert entscheiden. 134 Auch nach einer Erklärung des Papiergeldes zum gesetzlichen Zahlungsmittel begründe "die verschiedene innere (ökonomische) Natur eine Verschiedenheit der Rechtsgrundsätze über Metall- und Papiergeld" . 135

An dieser Behandlung des Papiergeldes zeigt sich deutlich, wie vorsichtig und besonnen viele Pandektisten dem Nennwertprinzip folgten. Das Papiergeld war für sie hinsichtlich der nötigen Wertstabilität immer noch nicht sicher genug, um es grundsätzlich zum Nennwert gelten lassen zu können. Von der theoretischen "Ewigkeitsgarantie" des Metallgeldsystems wichen aber Brinz und Windscheid für Banknoten und Papiergeld ab. Zwar mußte auch für Brinz die Geltung des Nennwerts für die gegenwärtigen Banknoten und Reichskassenscheine ausdrücklich von den Parteien bedungen worden sein, ansonsten würde der Kurswert zur Anwendung kommen. 136 Ohne auf mögliche Nachteile einzugehen, schloß Brinz aber ausdrücklich nicht aus, daß auch Papiergeld durch den Staat zu Währungsgeld gemacht werden könne und als solches unabhängig vom Metallgegenwert zum Nennwert genommen werden müßte. 137 Diese Auffassung teilte kein geringerer als Windscheid: Wenn das Papiergeld gesetzlich oder gewohnheitsrechtlich zur Währung werde, so sei es zu seinem Nennwert anzunehmen. 138 Sie schlossen also eine Weiterentwicklung des Geldsystems zur Papierwährung - unter 130 Bekker, ebd., S. 315 f., s. insbes. auch S. 319 in Fßn. ee): .,Er (der Nennwert) setzt voraus Prägegeld ... " 131

Demburg, Pandekten II, S. 74 ff. (76); ders. , Preuß. Privatrecht, S. 76 ff.

132 Regelsberger,

Pandekten I, S. 398, 404.

133

Wächter, Pandekten II, S. 284, 286.

134

Bekker, Demburg, Regelsberger, Wächter ebd.

135 Regelsberger, 136 Brinz,

Pandekten I, S. 398; ebenso Kaufmann, Geldschuld, S. 18, 41.

Pandekten II, S. 444.

137

Brinz, ebd., S. 442.

138

Windscheid, Pandekten II, 5. Aufl., 1879, S. 31 f .

220

3. Teil: Industrielle Ausbau- lUld Regulienmgsphase

welchen Stabilitätsbedingungen auch immer - ausdrücklich nicht aus. Ebenso wie für Brinz und Windscheid waren für Wendt Geldarten ohne stofflichen Wert begrifflich denkbar, wenn auch seinerzeit nicht wünschenswert. Er stellte fest, daß Geldarten "den Werth, den sie äußerlich darstellen sollen, nach dem Werth der Stoffe, aus denen sie hergestellt werden, selbst innerlich enthalten und also, als Sachen, nicht als Geld betrachtet, wirklich so viel werth sind, wie sie in ihrer Eigenschaft als Geld besagen, ( ... )ein zwar wünschenswerthes und volkswirthschaftlich gefördertes, aber doch kein begrifflich nothwendiges Verhältnis" sei.139

Während also viele Pandektisten noch die metallische Grundlage des Geldes für die Nennwertgeltung zwingend voraussetzten, bejahten bereits gewichtige Stimmen die Nennwertgeltung für Papiergeld, sofern es nur zu Währungsgeld erklärt werden würde. Im Hinblick auf das Papiergeld entfernten sich damit bedeutende Pandektisten von der von Goldschmidt vorgeschlagenen und in den Währungsgesetzen vorausgesetzten Metallnennwertgeltung und gingen in Richtung von Hartmanns modernen Nominalismus. 140 Der Nennwert gelte immer für Währungsgeld - das mit dem Begriff des gesetzlichen Zahlungsmittels gleichgesetzt wurde - und der Kurswert für Nichtwährungsgeld.141 Dies entsprach einer neueren Auffassung in der Volkswirtschaftslehre, Geld und Metall voneinander zu trennen und die Definition des Geldes allein der Währungsrechtsordnung zu überlassen. 142 Für viele Privatrechder und die meisten Ökonomen war aber die gesetzliche Zahlungsmitteleigenschaft für die schuldrechtliche Geltung des währungsgesetzlich angegebenen Wertes allein noch nicht ausreichend. Zusätzlich verlangten diese einen realen Materialwert des Geldes, den - wenn auch, wie im folgenden Knies, zumindest mittelbaren- Metallwert des Münzgeldes: "Jeder Gebrauch von Papierscheinen als gesetzliches Zahlungsmittel setzt unvermeidlich voraus, dass Gold oder Silber als gesetzliches Werthmass und gesetzlicher Preismaasstab fungiert." 143

139 Wendt, Pandekten, S. 79 f. 140 Hartmann, Internationale Geldschulden, in: AcP 65 (1882), S. 173 f. 141 Windscheid, Pandekten II, 5. Aufl., 1879, S. 28. 142 Vor Knapps staatlicher Theorie vgl. insbesondere Helfferich, Geld, S. 333 f. 143 Knies, Geld, S. 268.

11. Kap.: Übergang zur Nennwerttheorie

221

m. Körperlichkeit des Geldes und die Wertübertragung durch heute sogenanntes Giralgeld Aus dem Schatten des Metall- und Papiergeldes trat im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts das heute als sogenanntes Giralgeld bezeichnete, als Zahlmittel verwendete Buchgeld heraus. Die bereits seit Mitte der dreißiger Jahre angestiegene Buchgeldmenge überflügelte das vorhandene körperliche Geld. Der Anteil des Buchgeldes an der Gesamtgeldmenge lag 1870 bei 48 %, stieg dann bis 1876 auf 59 % an und erreichte schließlich 1913 einen Anteil von 88 % (demgegenüber: 7 % Münzgeld und 5 % Papiergeld), der in etwa dem heutigen Buchgeldanteil entspricht. 144 Während die Münz- und Papiergeldmenge zwischen 1873 und 1913 verdoppelt wurde, verzehnfachte sich im gleichen Zeitraum der Buchgeldbestand. 145 Solange das Buchgeld im 19. Jahrhundert bis weit in die Siebziger Jahre hinein ganz überwiegend aus bloßen Spareinlagen bestand146 und allenfalls regional begrenzt- etwa bei der Hamburger Girobank oder der Bank des Berliner Kassenvereins - über die Wertaufbewahrung hinaus zur Wertübertragung genutzt wurde, war es für unsere Untersuchung unbedeutend. Uns interessiert die sichtliche Verselbständigung des Buchgeldes gegenüber dem Stückgeld durch seinen flächendeckenden Gebrauch im Zahlungsverkehr über die Reichsbank. Die bargeldlose Zahlung, mittels Scheck und Giroüberweisung über Bankguthaben zu verfügen, wurde erst durch die Reichsbank147 zumindest für den untemehmerischen und öffentlichen Geldverkehr148 - organisatorisch und mit Einführung eines kostenfreien Ferngiroverkehrs eta144 Sprenger,

Geld der Deutschen, S. 179, 202.

Henning, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte II, S. 1021; Sprenger, Geldmengenänderungen, S. 122 f., 146 f., 153. 145

146 Sprenger,

Geldmengenänderungen, S. 58 f.

147 Dies

entsprach im Ergebnis ihrem gesetzlichen Auftrag, .,Zahlungsausgleichungen zu befördern" (§ 12 BankG). Die Motivation der Reichsbank zur Steigerung des Giroverkehrs lag indes darin, den Goldbestand zu schonen, einer Abnutzung der Münzen vorzubeugen und "Noten einzusparen". So jedenfalls der Reichsbankpräsident Hermann v. Dechend; zit. nach Borchardt, Währung und Wirtschaft, S. 42; vgl. auch Koch, Giroverkehr, S. 15 und Sprenger, Geldmengenänderungen, S. 63 f. Zum verhaltenen Girogeschäft anderer Banken Koch, Giroverkehr, s. 23 ff. 148 Die Reichsbank hatte 1877 lediglich 3245 Girokunden. Am Ende des Jahres 1908 nahmen bereits 24.821 Kunden an ihrem Giroverkehr teil; Koch, Giroverkehr, s. 19.

222

3. Teil: Industrielle Ausbau- tmd Regulienmgsphase

bliert. 149 Die Reichsbank konnte ihren Giroumsatz von 16,7 Mrd. Mark im Jahre 1876 auf 379,2 Mrd. Mark im Jahre 1913 steigern. 150 Wir wollen prüfen, inwiefern vor diesem Hintergrund schon damals eine - bis auf den heutigen Tag umstrittene 151 - privatrechtliche Behandlung der Girozahlung als Geldleistung in Betracht kam. Auf der Grundlage des fortdauernden geldtheoretischen Metallismus konnten Bankguthaben weder ökonomisch noch rechtlich Geld sein. Es fehlt diesen schon deshalb der Materialwert, weil sie kein Material sind. Die im Hinblick auf das Papiergeld, ausgehend von Hartmann, durch Brinz und Windscheid erfolgte Lockerung des Metallismus konnte nur dann auf Bankguthaben ausgedehnt werden, wenn nicht zumindest Körperlichkeit des Geldes vorausgesetzt wurde. Gerade das war aber der Fall. Rechtliches Geld mußte selbständiger, insbesondere forderungsunabhängiger - wenn auch nur nominal bestimmter - Vermögenswertträger, "verkörperte (allgemeine) Vermögensmacht" und als solche Sache sein. 152 So war es für Windscheid "selbstverständlich", daß die Anweisung keine Zahlung sein könne. 153 Die Leistung von Giralgeld wurde nur als Technik zur "Vermittelung von Zahlungen", aber nicht selbst als Geldübertragung angesehen. 154 Erstaunlich ist 149 Hahn, Währungsrecht, S. 8; Münch, Giralgeld, S. 35 f.; Sprenger, Geldmengenänderungen, S. 63 f. 150 Henning, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte II, S. 1021. Demgegenüber betrugen die Giroeinlagen und akzeptierten Giroanweisungen der Preußischen Bank zu ihrem Höchststand um das Jahr 1855 gerade einmal rund 9 Mio. Tlr./27 Mio. Mark; Sprenger, Geldmengenänderungen, S. 59. 151 Die in der Literatur mittlerweile stark vorgedrungene Meinung sieht die Kontogutschrift als Geldleistung, wenn der Gläubiger die Girozahlung nicht ausdrücklich ausgeschlossen hat; Breunig, Giralgeld, S. 148 ff., 177; Gemhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, S. 201 ff.; MüKo/Heinrichs, BGB, § 362, Rdn. 22; MüKo/ Maydell, BGB II, § 244, Rdn. 7; Münch, Giralgeld, S. 175 ff., 210 f.; Similis, Sonderstellung des Geldes, in: AcP 159 (1960/61), S. 436; Staudinger/Schmidt, BGB, 12. Aufl., Vor § 244, Rdn. C 45. Dagegen setzen zumindest eine konkludente Einwilligung oder nachträgliche Genehmigung des Gläubigers für die Erfüllungswirkung der Girozahlung voraus: BGH WM 1993, 2239 in st. Rspr. seit BGH NJW 1953, 897; vgl. auch schon RGZ 134, 73 (76); Staudinger!Olzen, BGB, 13. Autl., Vor §§ 362 ff., Rdn. 36 und zuletzt Meder, Rechtsfragen, des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, in: JuS 1996, 89 (90). 152 Vgl. nur Hartmann, Begriff des Geldes, S. 66 f.; Koch, Geld- und Geldwerthzeichen, S. 114. 153

Windscheid, Pandekten II, 5. Autl., 1879, S. 549 f.

154

Koch, Giroverkehr, S. 14.

11. Kap.: Übergang zur Neonwerttheorie

223

jedoch bereits, daß diese Frage - kaum daß der Giroverkehr einige überregionale Bedeutung erlangte - überhaupt im allgemeinen Privatrecht diskutiert wurde. Die Pandektisten zeigten sich hier einmal mehr als sehr genaue Beobachter neuester Entwicklungen der Geldwirtschaft. In der Volkswirtschaftslehre erkannte allein aus der Tatsache des Giroverkehrs erst Knapp zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Übertragung von Bankguthaben als Zahlung an: "Nicht körperliche Übergabe von Stücken ist erforderlich, sondern es genügt juristische Übertragung von Gegenforderungen." 155

Selbst Knapp zog aber aus dieser Erkenntnis nicht etwa die Konsequenz, daß Giroeinlagen Geld sind. Er trennte stattdessen den Zahlungsbegriff vom Geldbegriff. Wenn der Staat den gesamten Zahlungsverkehr als Giroverkehr gestalten würde, "wäre das Geld abgeschafft" - Girozahlung sei "Zahlung ohne Verwendung von Geld" . 156 Noch für Knapp waren nur körperliche Sachen als Geld überhaupt "denkbar". 157 Bemerkenswerterweise hielt Knapp die Abschaffung des Geldes aber nicht für sonderlich tragisch. Das Wesentliche für "unsere wirtschaftliche Verfassung, die wir so gerne als Geldwirtschaft bezeichnen", sei allein "die auf Werteinheiten lautende Verpflichtung" .158 Auf dieser von Knapp seinerzeit konsequent durchgeführten vollständigen Abstraktion der Zahlung von der Geldübertragung beruht die heute widersprüchliche Auffassung, wonach die Leistung von Giralgeld zwar als Erfüllung einer Geldforderung - mithin als Geldleistung - privatrechtlich anerkannt wird, daß weiterhin aber nur gesetzliche Zahlungsmittel geldtheoretisch Geld im Rechtssinne sein sollen. 159 Damit wird heute getrennt, was zusammengehört. Die Geldzahlung kann nicht von ihrem Gegenstand, dem Geld, abstrahiert werden. Heute ist das Giralgeld nicht nur in der Volkswirtschaftslehre längst als Geld anerkannt. 160 Auch nach den üblichen Ge155

Knapp, Staatliche Theorie, S. 140 ff.

Knapp, Staatliche Theorie, S. 144; ders., Theorien des Geldwesens, in: Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft 33 (1909), S. 432. 156

157 Knapp, 158

Staatliche Theorie, S. 22.

Knapp, Staatliche Theorie, S. 144.

besonders betont Staudinger/Schmidt, BGB, 12. Aufl .• Vor§ 244, Rdn. A 18, C 45; vgl. auch Breunig, Giralgeld, S. 158, 177. 159 So

160 Schaal, Geldtheorie, S. 16, 22. Sichtguthaben der Nichtbanken werden neben dem Bargeld zur primären Geldmenge M1 gerechnet; vgl. nur lssing, Geldtheorie, S. 4 ff.

224

3. Teil: Industrielle Ausbau- 1md Regulienmgsphase

pflogenheiten des Verkehrs gilt die Kontogutschrift als der Barzahlung gleichwertig. Dies ist beispielsweise in § 2 RabattG sogar gesetzlich anerkannt. 161 Danach kann ein Barzahlungsrabatt auch bei Scheckübergabe oder Überweisung gewährt werden. Die privatrechtliche Behandlung von verfügbaren Bankguthaben als Geld entspricht desweiteren regelmäßig - wenn ein ausdrücklicher Ausschluß der Girozahlung nicht entgegensteht - dem Interesse der Parteien an einer sicheren, schnellen, unaufwendigen und kostengünstigen Geldübertragung besonders größerer Summen und über größere Entfernungen hinweg und deshalb dem Allgemeininteresse. Wenn deshalb aus guten Gründen heute das Giralgeld privatrechtlich als geschuldete Geldleistung gelten soll, ist es auch Geld im rechtlichen Sinne. 162 Es kann nicht etwas als Geld gelten, was kein Geld ist. In der Tat zeigt sich hier eine übertriebene Währungslastigkeit, genauer gesagt, eine Überbewertung der Bedeutung des gesetzlichen Zahlungsmittels163 in großen Teilen der gegenwärtigen rechtlichen Geldtheorie. Angesichts der Schwierigkeiten, die wir noch heute mit der rechtlichen Einordnung des Giralgeldes als Geld haben, überrascht es nicht, wenn Windscheid die Behauptung von Botho Salpius, nach antikem römischen Recht haben die nomina transcripticia "dem haaren Gelde gleich" 164 gestanden, als "exorbitant" 165 bezeichnete. Die quellenexegetische Begründung von Salpius soll uns hier nicht weiter beschäftigen.l 66 Im Hinblick auf sein methodisches Verständnis ist bemerkenswert, daß er das aus dem Corpus iuris civilis gewonnene AuslegungserZur gesetzlichen Gleichbehandlung von Bar- und Giralgeld mit zahlreichen weiteren Beispielen Münch, Giralgeld, S. 131 ff. 161

162 So

wie hier Münch, Giralgeld, S. 182 ff. ; Samm, Geld und Währung, S. 235.

163 Auch

die Girokonten werden in Deutschland in DM-Währung als Werteinheit geführt. Das unterschied- wie Knapp, Staatliche Theorie, S. 139, treffend anmerktebereits den Giroverkehr der Reichsbank von dem friiheren der Hamburger Girobank. Während letztgenannte eine eigene Werteinheit/Währung, die "Mark-Banko", schuf lauteten die Konten bei der Reichsbank auf die staatliche Reichsmarkwährung. Heute ist diese Unterscheidung für die Abgrenzung des Giralgeldes von dem im Internet mit eigenem Wechselkurs verwendeten elektronischen "cyber-money" und nicht etwa die Ersetzung der Bücher durch digitale Datenträger von wesentlicher Bedeutung. 164 Salpius,

Novation und Delegation, S. 99.

165 Windscheid!Kipp, Pandekten II, 9. Aufl., 1906, S. 813 in Fßn. 17; ebenso Danz, Forderungsüberweisung, S. 96 in Fßn. 5. 166 Salpius, Novation und Delegation, S. 102 ff. Dazu Honsell, Römisches Recht, S. 98 ff.; Kaser, Das römische Privatrecht I, S. 650 ff.; Kunkel, Römisches Recht, S. 270 ff.; Lübtow, Darlehensbegriff, S. 25 ff. , 38 ff.

11. Kap.: Übergang zur Nennwerttheorie

225

gebnis gerade nicht ohne weiteres auf das geltende bürgerliche Recht des 19. Jahrhunderts übertragen wollte. Stattdessen müsse nach modernem "deutschen (Gewohnheits-)Recht" über die rechtliche Behandlung des Giroverkehrs entschieden werden. 167 Hiernach hielt Salpius die Anweisung, worunter er auch die Giroüberweisung faßte, 168 nur für eine "bedingte Zahlung". Der Zahlungserfolg sei "suspendiert bis zur demnächstigen Einlösung des Accepts". 169 Geldzahlung werde also erst mit der Auszahlung von Metalloder Papiergeld an den Anweisungsempfänger bewirkt. Die 1864 von Salpius erschienene Arbeit über die "Novation und Delegation nach römischem Recht" erregte in der Folgezeit einiges Aufsehen. Wenn auch die meisten Pandektisten entgegen Salpius die römischen Rechtsquellen nach wie vor in Übereinstimmung mit dem "deutschrechtlichen" Grundsatz, Anweisung ist keine Zahlung (vgl. auch § 788 BGB), sahen, 11o 167 Salpius,

Novation und Delegation, S. 489.

Die Übertragung von Bankguthaben sei .,Kreditanweisung", d.h. Anweisung zur Eingebung einer Verpflichtung. und nicht Giro-.,auftrag". Siehe Salpius, Novation und Delegation, S. 41 f.: .,Der Sprachgebrauch der Quellen lehrt uns also die Delegation in einer doppelten Bedeutung kennen, einmal als Anweisung im Allgemeinen, einmal im engeren Sinne als Creditanweisung im Besonderen." Weiter heißt es auf S. 90: .,Die Iranscriprio a persona in personam ist nun aber gerade diejenige Buchoperation, welche uns wegen der dadurch bewirkten Delegation am meisten interessiert." Vgl. auch Wendt, Pandekten, S. 183: .. Das Römische Wort für die Anweisung ist im allgemeinen jubere und jussus; näher zur Sache hält sich aber das delegare und die delegatio, insofern damit gerade das Überweisen (!) der Person und der Leistung, die sie machen soll, zum Ausdruck gebracht wird. (... ) Jussus und Delegation sind einfache und formlose Willenserklärungen, und zwar einseitige Anordnungen (!) im Gegensatz von Vertrag und Consens, so daß schon deshalb die häufige Wiedergabe mit Auftrag nicht genau ist." Dagegen gehörte die mit der Giroweisung durch Kreditanweisung bewirkte Girozahlung für Cohn, Zahlungsgeschäfte, in: Endemanns Handbuch III, S. 1051, 1056, 1095 nur zur Anweisung im weiteren Sinne. Nur die Bargeldzahlungsanweisung (z.B. Wechsel) sei Anweisung im engeren Sinne. 168

169

Salpius, Novation und Delegation, S. 489 f.

170 Gegen

den von Salpius aus den Quellen herausgearbeiteten römisch-rechtlichen Grundsatz solvit qui delegat wendete sich insbesondere Windscheid. Er ging davon aus, daß in den von Salpius herangezogenen Digestenstellen jeweils eine besondere Parteiabrede getroffen worden sei, die die Forderungsüberweisung der Geldzahlung nur in diesen Einzelfallen gleichstellte; Windscheid!Kipp, Pandekten II. 9. Autl., 1906, S. 813 f. in Fßn. 17; vgl. auch Danz. Forderungsüberweisung, S. 96 in Fßn. 5; Plucinski, Lehre von der Assignation und Delegation, in: AcP 60 (1877), S. 289 (344 ff.); Wendt, Pandekten, S. 187 f., 573; ders., Anweisungsrecht, S. 234 ff. jeweils m.w.N. Zustimmung erhielt Salpius von Demburg, Pandekten II. S. 329 in 15 On

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3. Teil: Industrielle Ausbau- 1md Regulienmgsphase

so ist Salpius doch ein wesentlicher Anteil an der- besonders nach Ausbreitung des Giroverkehrs durch die Reichsbank - einsetzenden Erörterung der vielschichtigen Rechtsprobleme der Girozahlung zuzuschreiben. Für unsere Untersuchung ganz entscheidend wurde aufgrunddes körperlichen Geldverständnisses allerdings kein Zusammenhang zwischen der Girozahlung und der rechtlichen Geldtheorie und Geldwertübertragung gesehen, obwohl beispielsweise Wendt speziell für die "Giroanweisung" bei der Reichsbank klar erkannte, daß durch diese "die Baarzahlung in der That völlig ersetzt" werde.171 Eine geldtheoretische Einbettung der Girozahlung blieb aber auch bei ihm aus. Durch den Giroverkehr trat somit keine Modifikation des Geldbegriffs ein: Es gibt nach damaliger und noch heute ganz überwiegender172 Auffassung kein rechtliches Giralgeld. Im Unterschied zur Gegenwart entsprach dies im 19. Jahrhundert dem ökonomischen Erkenntnisstand. Aufgrund des mangelnden geldtheoretischen Unterbaus war der Giroverkehr für eine Theorie der Geldwertübertragung unmittelbar ohne Bedeutung. Sicher ist dennoch, daß die Abstraktion des Zahlungsverkehrs die nominalistische Abstraktion der Geldwertübertragung begünstigte. Dem zeitlichen Ablauf entsprechend können wir noch besser umgekehrt sagen, daß die nominalistische Abstraktion der Geldwertübertragung die Abstraktion des Zahlungsverkehrs mit Geld als dem allgemeinen Zahlungsmittel erst ermöglichte. Ein leistungsfähiger, flächendeckender Giroverkehr ist kaum- besonders in der damaligen präelektronischen Zeit überhaupt nur unter sehr hohem Kostenaufwand - denkbar, wenn jede Kontobewegung erst nach dem aktuellen Goldkurswert des Geldes am Erfüllungsort berechnet werden muß.

Fßn. 11 ; ebenso von Cohn, Zahlungsgeschäfte, in: Endemanns Handbuch III, S. 998 (1054 ff.). Die jüngere rechtshistorische Forschung hat den im antiken römischen Recht geltenden Grundsatz solvit qui deiegal ganz überwiegend bestätigt; Honsell, Römisches Recht, S. 100; Kaser, Das römische Privatrecht I, S. 651 in Fßn. 43; Kunkel, Römisches Recht, S. 272; Lübtow, Darlehensbegriff, S. 38 ff. 171 Wendt, Anweisungsrecht, S. 246. 172 Eine Ausnahme bildet freilich Stebut, Geld als Zahlungsmittel und Rechtsbegriff, in: Jura 1982, S. 561 (569 f.), der das Giralgeld als rechtliches Geld anerkennt - wenn auch nur ganz im Knappsehen Sinne als Staatsgeld aufgrund der Annahme des Giralgeldes durch staatliche Stellen, insbesondere der Finanzbehörden (vgl. § 224 AO); vgl. auch Münch, Giralgeld, S. 162. Samm, Geld und Währung, S. 235, stellt treffend auf die aus dem regelmäßigen Parteiwillen zu begründende allgemeine schuldrechtliche Annahmeobliegenheit von Giralgeld im Privatverkehr ab, bejaht damit die rechtlich entscheidende Zahlungs- und Wertübertragungsmittelfunktion des Giralgeldes und rechnet es deshalb überzeugend zum Geld im rechtlichen Sinne.

11. Kap.: Übergang zur Neonwerttheorie

227

IV. Zwischen subjektiver Vertragsfreiheit und objektiver"Vertragsgerechtigkeit" Wir haben gesehen, daß der Nennwertgrundsatz für gesetzliche Zahlungsmittel kein währungsrechtlicher Selbstläufer war, sondern für die Erfüllung des Geldschuldverhältnisses eine geld- und geldwerttheoretische Umsetzung erfuhr. Hierbei wurde für währungsgesetzliches Geld mit der Nennwertgeltung den Bedürfnissen nach Rechtssicherheit und Leichtigkeit des Geldverkehrs Rechnung getragen. Für Verkehrsgeld - insbesondere Banknoten - galt nach wie vor der Kurswert. Damit sollte dem höheren Wertsicherheitsbedürfnis bei der Verwendung nicht metallener Zahlungsmittel entsprochen werden. Die Reichweite der Nennwertgeltung im übrigen ergibt sich aus der Handhabung von privatautonomen Vorkehrungen vor Geldwertverlusten einerseits und aus der Behandlung einer nachträglichen, gerichtlichen Berücksichtigung von Geldwertänderungen andererseits. Der Nennwertgrundsatz blieb besonders auch unter diesen Gesichtspunkten privatrechtlich umschlossen.

1. Abdingbarkeil Die privatrechtliche Nennwertgeltung setzte im pandektistischen Verständnis der Reichsgeldgesetzgebung staatliche Geldwerterhaltung voraus. Wir wollen danach fragen, ob sich die Pandektistik damit vom Wirtschaftsliberalismus entfernte. Dies könnte nur dann der Fall gewesen sein, wenn sie die Nennwertgeltung als absolut privatrechtsverbindlich auffaßte, mit anderen Worten, abweichende Parteivereinbarungen für unwirksam hielt. Nur dann kollidiert die Nennwertgeltung mit der Vertragsfreiheit Andernfalls stellt sie gar keinen Eingriff in die privatautonome Gestaltung der individuellen Rechtssphären dar, da den Parteien die freie Vertragsgestaltung hinsichtlich des zu leistenden Geldwerts unbenommen bleibt, sondern bildet nur den notwendigen Rahmen für einen geordneten Geldverkehr.

a) Willensdogma Den Ausgangspunkt der privatrechtliehen Wirksamkeit von Parteiabreden, die vom Nennwertgrundsatz abwichen, bildete der von Savigny begründete

228

3. Teil: Industrielle Ausbau- und Regulierungsphase

und in der Pandektenwissenschaft vorherrschende173 Begriff des subjektiven Rechts als individuelle und originäre Willensherrscbaft. Daraus folgte das privatrechtliche Grundprinzip der Vertragsfreiheit einerseits und die Bindung an den rechtsgeschäftliehen Willen andererseits. 174 Die Privatrechtsordnung war in pandektistischem Verständnis Willensordnung und nicht Willensbeschränkung. Für den Nennwertgrundsatz bedeutete dies, daß ohne weiteres nur für gesetzliche Schuldverhältnisse der Nennwert des Währungsgeldes galt. Das "die Schuld begründende Gesetz kann der Münze keinen andem Werth beilegen als das Münzgesetz" ihm beigelegt bat. 175 Für rechtsgeschäftlich begründete Geldschuldverhältnisse entschied dagegen nach wie vor der Parteiwille über die zu leistende Geldsorte und den zu leistenden Geldwert. 176 b) Nennwertgeltung als (widerlegbare) Willensvermutung Ausgehend von dem pandektistischen Willensdogma sprach gegen die Wirksamkeit einer vom Nennwert abweichenden Parteivereinbarung nur die von Hartmann aus der währungsrechtlichen Bestimmung gesetzlicher Zahlungsmittel begründete öffentlich-rechtliche und deshalb nicht disponible hoheitliche Natur der Nennwertgeltung. 177 Hartmann hielt hieran auch später fest: "Gemäß dem thatsächlichen Bedürfnis des Verkehrs nach einem dauernden und gleichbleibenden Gute, mit dem als Aequivalent für alle anderen Sachen zu festem sicheren Werthe noch auf ferne Zukunft gerechnet werden kann, ergiebt sich für die Rechtsordnung die Aufgabe, Materien von möglichst allgemeinem und gleich173 Windscheid, Pandekten I, 5. Aufl., 1879, S. 92 ff. m.w.N.; dagegen bekanntlich Jhering, Geist III, S. 330 ff.: "Das Recht ist nicht des Willens, sondern der Wille des Rechts wegen da. (... )Die rechtliche Ermöglichung und Sicherung dieser freien, gänzlich der individuellen Zwecksetzung sich anpassenden Zweckverwendung ist der Sinn der privatrechtliehen Autonomie. Dem Willen ist in bezugauf die Verwendung der ihm zustehenden Rechte dieselbe Macht eingeräumt, wie dem Steuermann über das Schiff." Jhering verstand subjektive Rechte damit als durch das Recht geschützte Interessen und nicht als Ausdruck einer Willensherrschaft. 174 S.o.

175

S. 95 f.; vgl. hierzu auch Coing, Europäisches PR II, S. 270 ff.

Windscheid, Pandekten II, 5. Aufl., 1879, S. 29 in Fßn. 25.

176 Windscheid, Pandekten II, 5. Aufl., 1879, S. 29; vgl. auch Blumenhagen, Begriff der Geldschuld, S. 21, 29; Kau.frru:Jnn, Geldschuld, S. 27 ff., 33; Preisert, Geldschuld, S. 14. 177 S.o.

S. 170.

11. Kap.: Übergang zur Nennwerttheorie

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mäßigem, stabilen Werth zum Gelddienst zu bestimmen und auf dieser Grundlage unter öffentlicher Autorität sanktionirten Stücken legale Werthconstanz und generelle vertretungsweise Solutionsieraft beizulegen, in einer für den Verkehr und die praktische Rechtshandhabung zwingenden(!) Weise." 178

Mit dieser, wie unschwer zu erkennen ist, keineswegs von ökonomischen Zwecken gelösten Auffassung wurde Hartmann in der Privatrechtswissenschaft allein gelassen. Durchgehend wurde die grundsätzliche Wirksamkeit von abweichenden Vertragsvereinbarungen befürwortet. 179 Bereits für Goldschmidt hatte, trotz des staatlich festgelegten Nennwerts, über den geschuldeten Geldwert "zunächst die Übereinkunft der Betheiligten" entschieden. 180 Ein Gesetz, welches der Nennwertgeltung "entgegengesetzte Vereinbarung ausschließt", hielt er zwar für möglich, dieses sei aber "verwerflich"; es komme nur bei einer "Entartung des Geldwesens" vor.1 81 Unmittelbar auf Goldschmidt stützte sich Bekker, indem er ausgiebig Goldschmidt zitierte. 182 Strikt am Willensdogma festhaltend meinte Bekker, "die Parteien können, soweit nur ihre Privatverhältnisse in Betracht kommen, ausmachen was sie wollen, gleichviel ob diese Ausmacbungen der ganzen Masse billig dünken oder nicht." 183 Differenzierend und wegweisend184 argumentierte Windscheid, indem er die schuldrechtliche Nennwertgeltung nicht als hoheitliche Anordnung, sondern als privatrechtliche Vermutung, als Auslegungsregel für den Partei-

178

423 f.

Hartmann, Zur Kritik der Goldklausel, in: Deutsches Wochenblatt, 1894, S.

179 Bekker, Couponsprozesse, S. 108; Brin:r., Pandekten II, S. 439, 441; Demburg, Pandekten II, S. 76 f.; ders., Preuß. Privatrecht II, S . 76 f.; Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S . 1125, 1161; Kaufmann, Geldschuld, S. 11, 21, 46; Puchta/ Schirmer, Pandekten, 12. Aufl., 1877, S. 66 in Fßn. k; Regelsberger, Pandekten I, S. 397 f.; Windscheid, Pandekten II, 5. Aufl., 1879, S. 29 ff.; vgl. auch Beseler, System I, S. 501: Die Wirksamkeit von Wertsicherungsvereinbarungen entspreche der Bedeutung des "vermittelnden Rechts ( ... ) Rechtssicherheit (herzustellen), ohne der Privatwillkür Zwang anzuthun". 180

Goldchmidt, Handelsrecht l/2, S. 1125, 1161.

181

Goldschmidt, ebd., S. 1135.

System des heutigen Pandektenrechts I, S. 319 f. in Fßn. dd), ee), ff), hh), ü); ebenso Wächter, Pandekten II, S. 286. 182 Bekker, 183 Bekker, 184

336 ff.

Couponsprozesse, S. 108.

Brin:r., Pandekten II, S. 439, 441; vgl. auch den Ökonom He/fferich, Geld, S.

230

3. Teil: Industrielle Ausbau- 1.md Regulienmgsphase

willen verstand. 185 Bei rechtsgeschäftliehen Geldschuldverhältnissen sei "im Zweifel" nicht anzunehmen, daß die Parteien "auf bloße Schwankungen des Curses haben Rücksicht nehmen wollen", so daß regelmäßig die Leistung von Währungsgeld zum Nennwert als vereinbart gelten sollte. 186 Die dahinterstehende Berücksichtigung der individuellen ökonomischen Interessenlage beschrieb später treffend der Endemann-Schüler Hugo Kaufmann: "Ist einmal Geld zum Leistungsgegenstande einer Obligation gemacht, so ist nicht anzunehmen, dass die Parteien (!) von der allenthalben erfolgten rechtlichen Regelung des Geldwesens haben absehen und eine im Werte unsichere, auf der schwankenden Grundlage wirtschaftlicher Konjunktur beruhende Grösse zum Inhalte der Schuld haben machen wollen." 187

Dies bedeutete aber, daß beispielsweise der Kurswert galt, sofern die Beteiligten dies in ihren Vereinbarungen nur ausreichend deutlich gemacht haben. Vom Nennwert abweichende Parteivereinbarungen sollten wirksam sein, wenn dies nachweislich von den Parteien so gewollt war. 188 Diese Begründung des Nennwertprinzips aus dem vermuteten regelmäßigen Parteiwillen und nicht aufgrundeines öffentlich-rechtlichen Zwanges entspricht, vom Ausgangspunkt her, der später von Jung sogenannten "privatrechtlichen Theorie des Geldes" . 189 Nicht der Staat, sondern die Vertragsparteien bestimmten, was und zu welchem Wert etwas zwischen ihnen als Geld gilt. 190 Nach diesem Grundsatz wurde, von einigen Zweiflern (Hartmann) abgesehen, spätestens seit Savigny der "Inhalt" des Geldschuldverhältnisses bestimmt. Die Pandektisten gingen freilich nicht soweit wie später Jung, der selbst den Begriff des gesetzlichen Zahlungsmittels privatrechtlich definieren wollte: "Gesetzliches Zahlungsmittel ist alles, was nach dem Wortlaut der betreffenden Parteivereinbarung zur Erfüllung geeignet ist, also zivilrechtlich vom Gläubiger genommen werden muß." 191

185 Windscheid,

Pandekten II, 5. Aufl., 1879, S. 29 ff.

186 Windscheid,

ebd., S. 29.

187 Kaufmann,

Geldschuld, S. 32.

188 So auch Brinz, Pandekten II, S. 441; Demburg, Preuß. Privatrecht II, S. 77; Puchta!Schinner, Pandekten, 12. Aufl., 1877, S. 68. 189 Jung dachte diese während der Hyperinflation in der Weimarer Republik als Gegenpol zu Knapps staatlicher Geldtheorie; Jung, Wesen des Geldes, S. 1 ff. 190 Jung, Wesen des Geldes, S. 5 ff.; vgl. auch Mann, Recht des Geldes, S. 66 und Nußbaum, Geld, S. 19. 191 Jung,

Wesen des Geldes, S. 10.

11. Kap.: Übergang zur Neonwerttheorie

231

Wie gesehen, war für die Pandektisten die Bestimmung eines gesetzlichen Zahlungsmittels ein staatlicher, währungsgesetzlicher und insoweit privatrechtsverbindlicher Akt, als gesetzliche Zahlungsmittel von Gesetzes wegen als (Währungs-)Geld galten. Das schloß aber nicht eine anderslautende Parteivereinbarung aus. Die aus der Bedeutung des Währungssystems nach Einführung der Reichsgoldwährung begründete Nennwertgeltung für gesetzliche (Metall-)Zahlungsmittel betraf zunächst nur die Erfüllung eines Geldschuldverhältnisses. Sie bildete zwar auch für die Schuldbegründung die Grundlage für eine Willensvermutung im Regelfall und kam bei zweifelhaftem Parteiwillen zur Anwendung. 192 Wenn die Parteien auf nicht näher bestimmtes Geld kontrahierten, mußten gesetzliche Zahlungsmittel, Reichsmünzen, zu ihrem Nennwert oder noch nicht außer Kurs gesetzte Landesmünzen zu ihrem gesetzlich festgelegten Wechselkurs geleistet und angenommen werden. Verweigerte der Geldgläubiger die Annahme, so konnte sich sein Schuldner durch öffentliche Hinterlegung von der Geldverbindlichkeit befreien (vgl. §§ 378, 376, 372 BGB). Der Nennwertgrundsatz war aber abdingbar. Die Parteien konnten bei Schuldbegründung wirksam vom gesetzlichen Geldwert abweichen oder auch auf ausländische Währungen kontrahieren. c) Wertsicherung durch Goldklauseln Die Frage nach der Wirksamkeit von Wertsicherungsvereinbarungen war keineswegs nur von theoretischer Bedeutung. Wegen des fortlaufenden Silberwertverfalls193 bestand im ausgehenden 19. Jahrhundert in zweierlei Hinsicht ein praktisches Bedürfnis nach privater Geldwertsicherung. Zum einen drohten Geldwertverluste durch Zahlung mit den noch umlaufenden und als unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel weitergeltenden Talermünzen zu dem in Art. 14 § 2 MünzG im Jahr 1873 festgeschriebenen Wechselkurs von 3 Mark je Taler, obwohl der Taler bei seinem tiefsten Stand 1902 nach seinem Silberwarenwert nur noch rund 1,19 Mark wert war. 194 Zum anderen wollten sich besonders Banken vor Geldwertverlusten durch Silbergeldzahlungen nach einem, in Anbetracht der zunehmenden politischen Agitation der

192 Vgl. Windscheid, Pandekten II, 5. Aufl., 1879, S. 28 f. 193 Die Silber-Gold-Wertrelation verschlechterte sich für das Silber in dem Maße

als 1871 1 Kg Gold noch 15,5 Kg Silber und 1902 1 Kg Gold an der Londoner Börse 39,15 Kg Silber wert war; Helfferich, Geld, S. 120 f.

194 Berechnung nach den Angaben von Helfferich, ebd., S. 120 f.

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3. Teil: Industrielle Ausbau- und Regulierungsphase

Bimetallisten, befürchteten Übergang zur Doppelwährung schützen. 195 Zum Ausschluß von Silbergeldzahlungen war die sogenannte "Goldklausel" gebräuchlich. Sie war in drei Variationen als Goldmetallklausel, als Goldmünzenklausel und als Goldwertklausel denkbar. Altbekannt war die Metallzahlungsvereinbarung. 196 Durch eine Goldmetallklausel sollte der Geldschuldner verpflichtet werden, ein bestimmtes Goldfeingewicht zu leisten. Die Parteien einigten sich dazu über eine Geldsorten- oder Geldstückschuld. 197 Dabei wurde die Übereignung bestimmter Geldstücke vereinbart und nicht einer Summe Geldes. Das Geld wurde dann nicht als Wertvermittler, sondern ausschließlich als Sache gesehen und nur als solche Vertragsgegenstand. Die Geldsortenschuld ist nicht Geldschuld, sondern gewöhnliche Gattungsschuld. Es sind Münzen aus der bestimmten Sorte mittlerer Art und Güte, vor allem nach ihrem Edelmetallfeingehalt, zu leisten. Die Geldstückschuld ist gar auf Leistung konkret bestimmter Geldstücke gerichtet. Sie kam insbesondere bei der Verwahrung in Betracht. 198 Die gebräuchlichste Form der Wertsicherung im ausgehenden 19. Jahrhundert war die Vereinbarung einer sogenannten unechten Geldsortenschuld durch Goldmünzenklauseln. Bei diesen wurde ausdrücklich Zahlung in Reichsgoldmünzen ausbedungen (z.B. "Alle Barzahlungen müssen in deutscher Reichswährung und unter allen Umständen in Gold gescheben"). 199 Die Bestimmung der Münzsorte war hierbei nur Nebenabrede einer Geldsummenvereinbarung, der eigentlichen Geldschuld. 200 Ebenso wie bei der echten Geldsortenschuld waren aber Münzen aus der bestimmten Sorte zu

195 Bulling, Goldlclausel, S. 3 f.; Hartmann, Goldlclausel, S. 422; Merfeld, Goldklausel, in: Gruchots Beiträgen zur Erläuterung des Deutschen Rechts 39 (1895), S. 574. 196 S.o. S. 72 f., 94. 197 Demburg, Preuß. Privatrecht, S. 79; ders. Pandekten II, S. 76 f.; Kaufmann, Geldschuld, S. 23 f. 198 Gumpel, Geld, S. 29; Planck/Siber, 8GB, § 244, Vorbem. 2; Regelsberger, Pandekten I, S. 398 f.; vgl. auch schon Savigny, Obligationenrecht I, S. 441, 466 und Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S. 1145 f., der als Beispiel für die Geldsortenschuld die Vereinbarung einer Zahlung z.B. in 100 Stück Pistolen, Kronentalern u.s.w. angab. 199 Zit. nach RGZ 50, 145 (146); vgl. auch Gumpel, Geld, S. 28; Planck/Siber, 8GB, § 245, Anm. 3. 200 Als eigentliche Geldschuld galt und gilt die Pflicht zur Verschaffung des in der Schuldsumme ausgedrückten Wertquantums; vgl. Goldschmidt, Handelsrecht 1/2, S. 1146; Planck/Siber, 8GB, Vor§§ 244,245, Anm. 2.

11. Kap.: Übergang zur Nennwerttheorie

233

leisten. 201 Wenn die bestimmte Münzsorte zum Zahlungszeitpunkt nicht mehr umlief- also insbesondere nach einem Währungswechsel -, so trat im Unterschied zur echten Geldsortenschuld jedoch nicht Unmöglichkeit der Leistung ein, sondern es mußte dann in Reichswährung zum Kurswert gezahlt werden. 202 Diese Form der Wertsicherung wurde schließlich in § 245 BGB sogar gesetzlich geregelt. Auch für die eigentliche Geldschuld, die in Währungsgeld ausgedrückte Geldsummenschuld und damit für den Anwendungsbereich des Nennwerts überhaupt, waren dem Einfallsreichtum abweichender Parteiabreden grundsätzlich keine rechtlichen Grenzen gesetzt. 203 Zur Wertsicherung waren zum einen Warenwertklauseln, zum anderen Fremdwährungsklauseln denkbar. 204 Bei der Warenwertklausel, insbesondere in Gestalt der Goldwert- oder Getreidewertklausel, sollte der mit der Geldsumme zu leistende Wert an die Preisveränderungen einer bestimmten Ware augepaßt werden. Mit der Goldwertklausel konnten also die Parteien den Savignyschen Kurswert zur Geltung bringen. Die Fremdwährungsvereinbarung knüpfte die vereinbarte Geldsumme, ausgedrückt in inländischer Währung, an die Wechselkursveränderungen der inländischen zu einer ausländischen Währung an, indem Erfüllung in ausländischer Währung vereinbart wurde. Ein Unterfall dieser Art von Wertsicherung in Form der unechten Fremdwährungsklausel wurde schließlich in § 244 BGB geregelt. Danach konnte eine von vornherein in ausländischer Währung ausgedrückte, aber im Inland zahlbare, 205 Geldschuld auch in Reichswährung erfüllt werden, wobei dann das Wechselkursverhältnis der Währungen zum Zeitpunkt der Fälligkeit maßgebend war. 206

201

Goldschmidt, ebd., S. 1146; Demburg, Preuß. Privatrecht, S. 79 f.

Pandekten II, S. 76 f.; Gumpel, Geld, S. 27 f.; Kau.frrumn, Geldschuld, S. 23 f.; Planck/Siber, BGB, § 245, Anm. 1 f.; Windscheid, Pandekten II, 5. Aufl., 1879, S. 24 f. 202 Demburg,

203 So

bereits Goldschmidt, Handelsrecht 112, S. 1160.

204 Demburg, Preuß. Privatrecht II, S. 77; vgl. dazu auch Mann, Recht des Geldes, S. 100 ff. Erst neueren Ursprungs sind die sogenannten Indexldauseln, wobei der geschuldete Geldwert an die Kaufkraftveränderungen des Geldes in Bezug auf bestimmte Warenkörbe gebunden wird (Lebenshaltungskostenindex, Großhandelspreisindex u.s.w.). Auf die theoretische Möglichkeit von solchen Geldtauschwertabreden wies aber insbesondere schon Kaufmann, Geldschuld, S. 21 hin. 205 Sofern der Zahlungsort gem. § 270 BGB im Inland lag. Ansonsten galt das internationale Privatrecht; Gumpe[, Geld, S. 27. 206

Gumpe/, ebd., S. 27.

234

3. Teil: Industrielle Ausbau- 1md Regulienmgspbase

Mit dem Ziel aller dieser Vereinbarungen, einen befürchteten Geldwertverlust durch Silberzahlungen bei einem Übergang zur Doppelwährung auszuschließen, überrascht es nicht, daß ihre Wirksamkeit vor allem durch die von der Agrarlobby unterstützten Birnetallisten in Zweifel gezogen wurde. Ihr Wortführer war der konservative Reichstagsabgeordnete Otto Arendt. 207 In der Privatrechtswissenschaft stießen seine Argumente208 aber, wie gesehen, nur bei Hartmann auf Verständnis. Von Hartmann erhielten sie auch einen rechtswissenschaftliehen Unterbau, auf den wiederum Hartmann besonderen Wert legte: "Nichts könnte unbegründeter sein, als die Annahme, daß hier auf Seiten Bullings und seiner Anhänger einzig die überlegen geschulte Jurisprudenz stände und auf der Gegenseite nur die nichtjuristische Auffassung." 209

An anderer Stelle ließ Hartmann aber auch deutliche Sympathien für eine bimetallische Währung erkennen: "Der Verfasser (Hartmann) dieser Zeilen hat acht seiner besten Jahre in einem Lande der Doppelwährung gelebt, in einer gesegneten Handels- und Universitätsstadt (Basel), wo ihn seine amtlichen Stellungen nicht bloß mit Männern der Wissenschaft, sondern auch mit Kaufleuten, Fabrikanten, Banquiers in vielfache Berührung brachten. So hatte er die beste Gelegenheit, dasjenige zu allseitiger Zufriedenheit und mit den erwünschten Folgen praktisch wirklich bestehen zu sehen, was freilich nach den herrschenden Modetheorien der damaligen deutschen Nationalökonomie innerlich unmöglich und undurchführbar war." 210

Die ganz überwiegende Privatrechtswissenschaft stärkte jedoch mit den für zulässig gehaltenen Goldklauseln die politische Stellung der Befürworter einer strikten Goldwährung. Jedenfalls das Vorhaben, die verschuldete Landwirtschaft auf Kosten der Banken und zu Lasten der Geldwertstabilität durch die Einführung einer wertschwachen Silberdoppelwährung zu entlasten, 211 versprach dadurch wenig Erfolgsaussichten. Diese Wirkungsrichtung einer währungspolitischen Festigung der Goldwährung und wirtschaftspolitischen Absage an die einseitigen Interessen der Landwirtschaft war offenbar nicht im Sinne Hartmanns.

207 Arendt, 208

10 ff.

Rückzahlung in Gold, in: Deutsches Wochenblatt, 1894, S. 90 ff.

Vgl. dazu die ausführliche Gegendarstellung von Bulling, Goldklausel, S.

209

Hartmann, Kritik der Goldklausel, S. 425.

210

Hartmann, Internationale Geldschulden, in: AcP 65 (1885), S. 217 ff. (220).

211

Vgl. Henning, Wirtschafts- und Sozialgeschichte li, S. 1015.

11. Kap.: Übergang zur Nennwerttheorie

235

Mehrfach hatten sich die Gerichte mit der Zulässigkeil der Goldklauseln zu beschäftigen. Durchgängig wurden diese mit dem durch die Währungsgesetzte nicht eingeschränkten Prinzip der Vertragsfreiheit grundsätzlich für wirksam erachtet. 212 Vor Gericht wurde überhaupt nur darüber gestritten, ob Goldklauseln zur Wertsicherung von hypothekarisch gesicherten Forderungen auch ins Grundbuch eingetragen werden können. 213 Hier kollidierte die vertragliche Wertsicherung mit dem Bestimmtheitsgebot des Grundbuchs. Nach § 1115 BGB und § 28 S. 2 GBO mußte die Forderung in Reichswährung eingetragen werden. Das Reichsgericht differenzierte für diese Fälle nach Goldmünzenklauseln und Goldwertklauseln. Die Goldmünzenklauseln hielt es für wirksam und eintragungsfahig, da durch diese der Geldbetrag der Forderung nicht verändert werde, sondern nur eine nähere Bestimmung (Qualifizierung) der Geldschuld vorgenommen werde. 214 Goldwertklauseln hielt es für nicht eintragungsfahig: "Dann würde nicht mehr ein bestimmter Geldbetrag in Reichswährung, sondern ein gegenwärtig überhaupt nicht zu bestimmender, später nach der von den Parteien an Stelle der Reichswährung gesetzten Privatwillkür zu berechnender Geldbetrag vorliegen. " 215 Die Eintragung einer Goldmünzenklausel stehe im Ermessen des Grundbuchamts. Ihre Nichteintragung ändere indes nichts an ihrer Wirksamkeit. Die Goldklausel "muß nicht im Grundbuche selbst eingetragen sein, um als eingetragen zu gelten, und sie braucht nicht eingetragen zu sein, damit einer Ordnungsvorschrift genügt werde". 216 Abgesehen von der speziellen Wertsicherung im Hypothekenrecht stand die prinzipielle Wirksamkeit der Goldklauseln gerichtlich nicht in Frage. Die bimetallistische Polemik gegen die Goldklauseln fand, einmal abgesehen von Hartmann, weder in der Privatrechtswissenschaft noch bei den Gerichten Widerhall. Das Privatrecht hielt damit für jedermann die Möglichkeit offen, sich langfristig vor den durch einen möglichen Währungswechsel verursachten und den bestehenden kurz- und mittelfristigen Geldwertverlusten schützen zu können, wenn man das wollte und gegenüber dem Vertragspartner auch durchsetzen konnte. 212 KG Berlin am 22. Oktober 1894, in: SeuffArch 50 (1895), S. 265 (266); RGZ 50, 145 (vom 22. Januar 1902); Vgl. auch den Richter Bulling, Goldklausel, S. 47 und den Justizrat Merfeld, Goldk.lausel, S. 576, 583 m.w.N., die die getroffenen Entscheidungen gegenüber Arendt verteidigten.

Vgl. die in Fßn. 212 angegebenen Entscheidungen und Breit, Bank:G, S. 69 f. sowie Merfeld, Goldk.lausel, S, 583 ff. 213

214

RGZ 50, 145 (148).

215

RGZ 50, 145 (149).

216

RGZ 50, 145 (154).

236

3. Teil: Industrielle Ausbau- 1md Regulierungsphase

Zusammenfassend galt der Nennwert gesetzlicher Zahlungsmittel für rechtsgeschäftliche Geldschuldverhältnisse nur im Zweifel, sofern keine abweichende oder eindeutig feststellbar abweichende Vertragsabrede getroffen worden war. Es ging den Pandektisten dabei sichtlich nicht darum, das Nennwertprinzip grundsätzlich in Frage zu stellen - vielmehr wurde dieses selbst als Folge des regelmäßigen vertraglichen Willens behandelt. Dazu sei nur noch nebenbei bemerkt, daß die Parteien im Falle des Nichtwährungsgeldes, also für Reichskassenscheine, Banknoten und ausländische Währungen, selbstverständlich auch Nennwertgeltung vereinbaren und so von der für Nichtwährungsgeld angenommenen, grundsätzlichen Kurswertgeltung abweichen konnten. 217 Die Vorrangstellung der ausdrücklichen Parteivereinbarungengegenüber der allgemeinen Nennwertvermutung für Währungsgeld verdeutlicht nicht nur den hohen Stellenwert der Vertragsautonomie in der Pandektenwissenschaft, sondern auch die differenzierte Betrachtung der Nennwertgeltung. Die Pandektistik ordnete ihr Privatrechtssystem nicht dem Währungsgesetzgeber unter, sondern die währungsgesetzliche Bestimmung gesetzlicher Zahlungsmittel in ihr Privatrechtssystem ein. Die Vertragsfreiheit konnte durch das so verstandene Nennwertprinzip gar nicht eingeschränkt werden. Die Möglichkeit privater Selbstvorsorge gegen die Folgen von Geldwertveränderungen blieb rechtlich unangetastet. Mit der Befürwortung der grundsätzlichen Nennwertgeltung blieben die Pandektisten damit fest auf dem Boden eines rechtlich organisierten Wirtschaftsliberalismus. Das von der Herrschaft des individuellen Willens ausgehende Privatrechtsverständnis bestimmte auch das Geldschuldrecht Daß sich die Pandektisten, sofern sie es für nötig hielten, auch aktiv an der politischen Meinungsbildung beteiligten, belegt gerade Hartmann. Derselbe Hartmann, der auf eine rein juristische Betrachtung besonders hohen Wert legte, war sich nicht zu schade, im Deutschen Wochenblatt einen Artikel zu veröffentlichen, in dem er die Unwirksamkeit der Goldklauseln als einzige rechtlich richtige Anschauung einer breiten Öffentlichkeit suggerieren wollte. Mit seinem an anderer Stelle erfolgten offenen Bekenntnis zum währungspolitisch höchst umstrittenen Bimetallismus hielt er sich in diesem Artikel bewußt zurück. Nur so konnte er sich selbst bei seiner Kritik an der Goldklausel als unbefangenen, rein juristischen Fachmann darstellen: "Nicht um diese, oft mit viel Erbitterung geführten, Kämpfe handelt es sich hier, sondern um eine einfache, davon völlig unabhängige Rechtsfrage." 218

2 17

Wächter, Pandekten II, S. 286.

218

Hartmann, Kritik der Goldklausel, S. 425.

11. Kap.: Übergang zur Nennwerttheorie

237

2. Schuldanpassungtrotz Nennwertvereinbarung: "clausula rebus sie stantibus " Ganz anders als zu den privatautonomen Vorkehrungen gegen Geldwertverluste stellt sich das Verhältnis der Pandektenwissenschaft zur nachträglichen gerichtlichen, also hoheitlichen Anpassung von Geldverbindlichkeiten an eingetretene Geldwertänderungen, dar. Ihre ganz eigene Geschichte hierzu hat die Entwicklung des Rechtsinstituts der "clausula rebus sie stantibus" (wörtlich: Klausel, wenn die Dinge unter solchen Verhältnissen, in solcher Lage bleiben). 219 In der zivilrechtliehen Behandlung von Geldwertänderungen fand diese besonders220 durch die Aufwertungsrechtsprechung des Reichsgerichts in der von einer Hyperinflation geplagten jungen Weimarer Republik221 ihren wohl wichtigsten Anwendungsbereich. Ohne die Einzelheiten der "clausula"-Historie hier auszubreiten222, verspricht es einigen Aufschluß über die Reichweite des Nennwert-

219 Der Ausdruck läßt sich seit dem frühen 16. Jrhdt. nachweisen; Köhler, Clausula, S. 1 f., 30. Zur Entstehungsgeschichte des Ausdrucks seit den Postglossatoren im 14. Jrhdt. Rummel, Clausula, S. 23 ff., 74. 220 Auf diesen Anwendungsbereich wies bereits der Kommentator Carolus Ruinus (1456-1536) hin. Er hob einen Vertrag, gegen Leistung von 100 Säcken Salz zum angenommenen jährlichen Festpreis, ein Grundstück nutzen zu können, aufgrund des von den Parteien nicht vorhersehbaren Anstiegs des Salzpreises, mit dem Hinweis auf die hinzuzudenkende Formel "rebus sie stantibus" auf; Rummel, Clausula, S. 63 f. 221 Überhaupt fehlte es dem Reichsgericht nicht an Einfallsreichtum, um die hyperinflationären Geldwertverluste privatrechtlich auszugleichen und damit vom Neonwertprinzip abzuweichen. So wurde neben der "clausula" (RGZ 100, 129 (130); 100, 134 (136); 106, 233 (235)) und in ihrem Zusammenhang auch von wirtschaftlicher Unmöglichkeit (RGZ 94, 45 (47, 49); 100, 129 (131 f.); 101, 74 (75 f.); 102, 272 (273)), von einer Äquivalenzstörung der Leistungen im gegenseitigen Vertrag (RGZ 103, 177 (179); 107, 149 (150)) und von rechtsgrundloser Bereicherung (RGZ 109, 222 (224 f.); 110, 40 (41)) gesprochen. Besondere Berühmtheit erlangte die reichsgerichtliche Anwendung der von Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 37 auf das Institut vom Wegfall der Geschäftsgrundlage ausgedehnten "clausula" in RGZ 103, 328 (332); 106, 7 (9f.); 107, 124. 222 Dazu aus der neueren Literatur Köhler, Die "clausula rebus sie stantibus" als allgemeiner Rechtsgrundsatz, Tübingen 1991 und Rummel, Die "clausula rebus sie stantibus", Hannover 1991.

238

3. Teil: Industrielle Ausbau- \Dld Regulienmgsphase

prinzips, mit einigen Worten auf die pandektistische Ablehnung223 der ,.clausula" und auf Windscheids Voraussetzungslehre einzugehen. In der ,.clausula"-Forschung wird der "geschichtliche Tiefpunkt" der .,clausula" im 19. Jahrhundert damit begründet, daß das im mittelalterlichen Recht herausgebildete Institut der ,.clausula" nicht mit dem antiken römischen Recht, auf das sich die Pandektistik in ihrem methodischen Selbstverständnis ausschließlich stützen wollte, in Einklang zu bringen war. 224 Es erscheint in unserem Zusammenhang, besonders zu der eben erörterten Anerkennung von Wertsicherungsvereinbarungen in der Pandektenwissenschaft, notwendig, auf die Unvereinbarkeit des .,clausula"-Gedankens mit einer konsequent liberal verstandenen, auf subjektive Vertragsfreiheit und Willensherrschaft ausgerichteten Privatrechts- und Wirtschaftsordnung hinzuweisen, wie sie freilich auch dem antiken römischen Recht zugrunde gelegen haben mag.

223 Baron, Pandekten, S. 123; Heimhach, Obligatio, in: Weiske, Rechtslexikon VII, S. 506 ff.; Thihaut, Pandekten I, S. 368, 500 ff.; Windscheid!Kipp, Pandekten I, 9. Aufl., 1906, S. 514 in Pßn. 5. In unserem Zusammenhang aufschlußreich sind die Ausführungen von Regelsherger, Pandekten I, S. 637, der die "clausula" als allgemeines Rechtsinstitut mit dem Hinweis auf die Verkehrssicherheit gerade im Hinblick auf Geldwertänderungen ablehnte: "Man unterstellt in willkürlicher Weise dem Vertrag den Vorbehalt, dass eine solche Aenderung nicht eintritt. ( ... ) Nichts ist für die Sicherheit des Verkehrs gefährlicher; jeder Käufer könnte vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn die Preise sinken, jeder Verkäufer, wenn sie steigen." Immerhin befürwortete er eine Vertragsaufhebung, wenn sieb diese aus Vertragsauslegung oder einer gesetzlichen Vorschrift ergibt. Regelsberger gilt deshalb - ebenso wie Hölder, Pandekten, S. 291 ff., der bereits auf "besondere Umstände", die einer "Handlung einen anderen als den sonst ihr zukommenden Sinn" beilegen, abstellte - als Beispiel für die allmähliche Lockerung der "clausula"-Ablehnung in der Pandektistik gegen Ende des 19. Jrhdts.; Köhler, ebd., S. 65 f. Um so bezeichnender ist Regelsbergers ausdruckliehe Ablehnung eines "clausula"-Gedankens bei Veränderungen des vertraglich vorausgesetzten Geldwerts. Auch Wendt, Pandekten, S. 95 ff. lehnte die "clausula" ab, befürwortete aber dazu widerspruchlieh die Aufhebung des Schuldverhältnisses wegen Interessewegfall des Gläubigers (Pandekten, S. 585). Abgesehen von diesen Einzelstimmern verschwiegen die Pandektisten, insbesondere auch Savigny, in der Regel völlig den "clausula "-Gedanken. Nur in bestimmten Einzelfallen, etwa beim Widerruf der Schenkung wegen Undanks (Savigny, System IV, S. 230 ff.) oder der Eigenbedarfskündigung des Vermieters (Seuffert, Pandekten II, S. 123), fand die "clausula" der Sache nach Anwendung. Vgl. zum ganzen Köhler, Clausula, S. 63 ff. und Pfaff, Clausel, in: FS Unger, S. 275 f. jeweils m.w. N. 224

Köhler, Clausula, S. 62 f.; Rummel, Clausula, S. 191.

11. Kap.: Übergang zur Nennwerttheorie

239

Die "clausula" betrifft Veränderungen von äußeren, objektiven Umständen eines Rechtsverhältnisses zwischen Vertragsschluß und Erfüllung. 225 Die vertraglichen Vereinbarungen sollen von der Fortdauer derjenigen Umstände abhängig sein, die bei Vertragsschluß bestanden und sinngemäß von den Beteiligten vorausgesetzt wurden und deren Änderung für sie nicht vorhersehbar war. 226 Tritt eine solche Veränderung ein, beispielsweise durch den Wertverfall des Geldes, so ist an Stelle des "formalen" Rechtsprinzips, Verträge sind zu halten, das "objektiv richtige", "gerechte" Recht zu setzen und damit der Rechtsfrieden besonders in Extremsituationen zu gewährleisten. 227 Im heutigen Verständnis ist die "clausula" damit eine sinnvolle Begrenzung des Rechtsprinzips, daß vertragliche Vereinbarungen eingehalten werden müssen. 228 Das kann aber nicht über die Durchbrechung der rechtsgeschäftliehen Willensbindung durch die "clausula"-Anwendung hinwegtäuschen. Es wird nachträglich in die bestandene Vertragsfreiheit eingegriffen. Nur aufgrund einer Veränderung äußerer Umstände soll nun an die Stelle des ausdrücklichen Vertragswillens dasjenige treten, was die Parteien vereinbart hätten, wenn ihnen die zukünftigen Veränderungen bekannt gewesen wären. Es soll also gewissermaßen ein doppelter hypothetischer Parteiwille über den Vertragsinhalt entscheiden oder sogar der Vertrag ganz aufgehoben werden. Dies ist erkennbar nicht mit der Vorstellung einer subjektiv freien Willensherrschaft vereinbar, wie sie in der Pandektistik vorherrschte. Die Bindung an den vertraglichen Willen ist das Spiegelbild der Vertragsfreiheit. 229 225

Köhler, ebd., S. 3.

Die von Köhler, ebd., S. 273 in heutiger Begrifflichkeit gebildete allgemeine "clausula"-Formel lautet: "Macht die Veränderung objektiver Umstände, die selbst nicht Vertragsgegenstand sind (Vertragsumwelt), die unveränderte Erfüllung vertraglicher Pflichten bei umfassender Abwägung der gegenseitigen Interessen für eine Partei unzumutbar, so paßt der (Schieds-)Richter das Vertragsverhältnis an. Die Gewährung eines Rücktrittsrechts ist ultima ratio." 226

227 Köhler, ebd., S. 1 f. Zur Entwicklung der flexiblen Rechtsfolge in Form der Vertragsanpassung seit Mitte des 18. Jhrdt. Köhler, ebd., S. 240 ff. 228

Vgl. nur Soergel!Teichmann, BGB, § 242, Rdn. 200 ff.

Savigny, System III, S. 99 f.: "Mit den speculativen Schwierigkeiten des Freiheitsbegriffs haben wir im Rechtsgebiet nichts zu schaffen." Vgl. auch schon Kant, Metaphysische Anfangsgründe, S. 342: "Der Hausdiener, dem sein bis zu Ende des Jahres laufender Lohn in einer binnen der Zeit verschlechterten Münzsorte bezahlt wird, womit er das nicht ausrichten kann, was er bei Schließung des Kontrakts sich dafür anschaffen konnte, kann bei gleichem Zahlwert, aber ungleichem Geldwert, sich nicht auf sein Recht berufen, deshalb schadlos gehalten zu werden, sondern nur die Billigkeit zum Grunde aufrufen (eine stumme Gottheit, die nicht gehört werden 229

240

3. Teil: Industrielle Ausbau- und Regulienmgsphase

In pandektistischem Verständnis mußte sich deshalb eine gerichtliche Schuldanpassung an Geldwertänderungen als ein nachträglicher hoheitlicher Eingriff in die Vertragsfreiheit darstellen, da der Vertragswille ausdrücklich oder unter den bei Vertragsschluß gegebenen Umständen vermutlich auf Nennwertgeltung zielte und die Parteien von der Möglichkeit einer Wertsicherung keinen Gebrauch gemacht hatten. Anders wäre freilich zu werten, wenn Wertsicherungsvereinbarungen grundsätzlich unwirksam gewesen wären, wie dies gegenwärtig wegen § 3 WährungsG der Fall ist. Dann kann ein Gericht gar nicht nachträglich durch die "clausula" in die Vertragsfreiheit eingreifen, da diese zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht bestand. Die Parteien hatten überhaupt nicht die Möglichkeit, sich vor Geldwertverlusten durch die Nennwertgeltung zu schützen. Die Ablehnung der "clausula" in der Pandektistik stellt sich so als Garantie der Vertragsfreiheit einerseits und der Bindung an den vertraglichen Willen andererseits dar. Dies verdeutlicht den individuellen Freiheitsbegriff der pandektistischen Privatrechtsordnung, die insoweit eine liberale Wirtschaftsordnung beinhaltet. Der Wirtschaftsverkehr erscheint rechtlich als Teil des privaten Rechtsverkehrs. Mit der Ablehnung der "clausula" wird deshalb zugleich das liberale Wirtschaftsverständnis der Pandektistik im Sinne einer privatautonomen Willensherrschaft manifestiert. In dem Maße, in dem die Privatrechtswissenschaft nach der Wende zum 20. Jahrhundert die clausula als allgemeines Rechtsinstitut anerkannte230 , rückte sie inhaltlich vom Wirtschaftsliberalismus ab. Hinsichtlich der pandektistischen Ablehnung der "clausula" für den Fall von Geldwertänderungen darf ferner nicht übersehen werden, daß die Pandektisten im 19. Jahrhundert und vor allem nach Einführung der Reichswährung niemals mit einer der Weimarer Hyperinflation vergleichbaren Extremsituation konfrontiert wurden. Der Geldwert blieb aufgrund einer weitgehend besonnenen, dem wirtschaftlichen Wachstum augepaßten Geldpolitik im großen und ganzen stabil - zumindest garantierte der Edelmetallwert ein Mindestmaß an Kaufkraft. Es galt also nicht, in einer Zeit wertlosen Geldes und einer geltenden Nennwerttheorie den Rechtsfrieden zu wahren. Es ging allenthalben darum, wie Regelsberger treffend bemerkte, 231 unter den vorgegebenen Währungsverhältnissen ein möglichst hohes Maß an Rechtsklarheit kann); weil nichts hierüber im Kontrakt bestimmt war, ein Richter aber nach unbestimmten Bedingungen nicht sprechen kann." 230 Bindewald, Clausula, S. 30 sprach 1901 von "Billigkeitsriicksichten" im Rahmen der Auslegung von Willenserklärungen ; vgl. auch bereits 1899 Demburg, Bürgerliches Recht II, S. 248 (s. dagegen noch 1889 ders. , Pandekten II, S. 76) und 1907 Kaufmann, Klausel, S. 4 ff. 231 S.o. S. 238 in Fßn. 223.

11. Kap.: Übergang zur Nennwerttheorie

241

und Rechtssicherheit im Umgang mit dem Geld und eben dadurch Verkehrserleichterung zu erzielen. Vor Einführung der Reichswährung war die "clausula" überdies als "Gerechtigkeitskorrektiv" für das Geldschuldverhältnis theoretisch überflüssig, da die vorherrschende Kurswerttheorie dem Geldgläubiger stets feste Vermögensmacht verschaffen sollte. Die mit der einheitlichen Goldwährung in Aussicht gestellte dauerhafte Geldwertstabilität begünstigte dann den Übergang zur Nennwerttheorie und damit zu einem Höchstmaß an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im Zahlungsverkehr. Es wäre nun widersinnig gewesen, wenn die Pandektisten das gerade durchgesetzte Nennwertprinzip durch eine völlig ungewisse "clausula"-Anwendung wieder in Frage gestellt hätten - zumal die Selbstvorsorge gegen Geldwertverluste durch Wertsicherungsvereinbarungen zugelassen wurde. Unter dem Einfluß der Pandektenwissenschaft ließ das BGB die "clausula" als allgemeines Rechtsinstitut ungeregelt. 2 32 Windscheid sollte aber mit seiner Prophezeiung, daß die stillschweigend erklärte Voraussetzung "zur Thüre herausgeworfen, zum Fenster wieder hereinkomme", 233 recht behalten. 234 Windscheid wollte mit seiner Lehre von der" Voraussetzung" 235 , die zwar in das Umfeld der "clausula" einzuordnen ist, von dieser aber doch getrennt gehalten werden muß236 , strikt am pandektistischen Willensdogma festhalten. Er knüpfte seine Voraussetzungslehre nicht an äußere Veränderungen, sondern verlagerte den rechtlich relevanten Willen auf bestimmte, mit der Willenserklärung unmittelbar verbunden bleibende Motivationen vor. 237 Die 232

Dazu Köhler, Clausula, S. 68 ff.

233

Windscheid, Die Voraussetzung, in: AcP 78 (1892), S. 161 (197).

Zur "Renaissance" der "clausula" im 20 Jrhdt. besonders in Oertmanns Lehre von der Geschäftsgrundlage Köhler, Clausula, S. 89 ff. Zur Aufwertungsrechtsprechung des Reichsgerichts s.o. S. 237 in Fßn. 221. 234

235 Windscheid, Die Lehre des römischen Rechtes von der Voraussetzung, Düsseldorf 1850. 236 Köhler, Clausula, S. 66 f. 237 Die Voraussetzungslehre war von Windscheid zunächst nur als bereicherungsrechtliche Kondiktionenlehre gedacht. Er wollte die Ursache fmden, warum im römischen Recht überhaupt eine "condictio" gewährt wird. Über die Bedeutung seiner "Voraussetzung" für Rechtsgeschäfte und Willenserklärungen war sich Windscheid aber völlig im klaren; Windscheid, Voraussetzung, S. 3. Um die rechtliche Relevanz bestimmter Motivationen nachzuweisen, verwendete er den Begriff der "Voraussetzung" und bezeichnete sie als "unentwickelte Bedingung", die nur deshalb nicht als Bedingung ausdrücklich vereinbart wurde, weil der sich willentlich im Rechtsverkehr Erklärende ganz sicher ihren Eintritt oder Fortbestand stillschweigend, aber bewußt erwartete; Windscheid, Pandekten I, 5. Aufl., 1879, S. 282 ff.; ders., 16 Ott

242

3. Teil: Industrielle Ausbau- Wld Regulienmgsphase

"clausula" selbst lehnte er dagegen beiläufig in einer Fußnote ab. 238 Im Ergebnis verschwamm aber die Grenze zwischen "clausula" und "stillschweigender Voraussetzung" fast bis zur Unkenntlichkeit.239 Nach Windscheids Voraussetzungslehre war eine nachträgliche Anpassung der Geldschuld bei Geldwertänderungen denkbar, wenn auch nur auf Grundlage des Parteiwillens und nicht wegen der Geldwertänderung an sich. Für Windscheid galt der nach dem regelmäßigen Vertragswillen vermutete Nennwert nur, solange der Geldwert schwankte und sich nicht auf Dauer in eine Richtung veränderte. Eine dauerhafte Geldwertänderung konnte für ihn im bestehenden Metallwährungssystem ausschließlich wegen einer vom bisherigen gesetzlichen Metallgehalt abweichenden Münzausprägung eintreten.240 Alle anderen- ihm sehr wohl geläufigen- Veränderungen der Geldkaufkraft hatten für ihn nur vorübergehenden Charakter, so daß er ·diesen ausdrücklich keine rechtliche Bedeutung zumaß. 241 Er beschränkte damit von sich aus den denkbaren Anwendungsbereich seiner Voraussetzungslehre auf den Fall eines wegen unterwertiger Ausprägung vom Nennwert bleibend und nicht nur vorübergehend abweichenden Kurswerts. Die Parteien waren in einem solchen Fall von der falschen Voraussetzung ausgegangen, daß der tatsächliche Münzmetallgehalt dem gesetzlichen Nennwert entspricht. Hierfür erklärte Windscheid, der seine umstrittene Voraussetzungslehre in diesem Zusammenhang noch nicht einmal erwähnte, kurzerhand den Kurswert für maßgebend.242 Im übrigen beließ er es bei der Nennwertvermutung, sofern der ausdrückliche Wille nicht entgegenstand. Das wirft die Frage auf, warum Windscheid gerade in diesem traditionell bedeutenden Anwendungsbereich der "clausula" seine Voraussetzungslehre eng eingrenzte, wenn man so will, überhaupt nicht anwendete. Das Rechtssicherheitsargument im allgemeinen kann für ihn nicht ausschlaggebend gewesen sein. Gegenüber diesem verteidigte er zeitlebens die Berechtigung seiVoraussetzung, S. 144; ders., Die Voraussetzung, in: AcP 78 (1892), S. 161 (163, 195). Rechtlich relevant und nicht nur unbeachtlicher Motivirrtum sollte eine solche Voraussetzung nur dann sein, wenn sie für den Erklärungsempfänger erkennbar war; Windscheid, Voraussetzung, S. 86 f. ; ders., Die Voraussetzung, in: AcP 78 (1892), S. 161 (175); vgl. zum ganzen Falk, Windscheid, S. 195 ff. und Köhler, Clausula, S. 66 f.

238 Windscheid!Kipp, Pandekten I, 9. Aufl., 1906, S. 514 in Fßn. 5. 239 Falk, Windscheid, S. 197 f. 240 Windscheid!Kipp, Pandekten II, 9 . Aufl., 1906, S. 51. 241 Windscheid/Kipp, Pandekten II, 9. Aufl., 1906, S. 52. 242 Windscheid!Kipp, Pandekten II, 9. Aufl., 1906, S. 51.

11. Kap.: Übergang zur Nennwerttheorie

243

ner Voraussetzungslehre. 243 Der Grund muß also auf der Seite des Geldes und des Geldschuldrechts gesucht werden. Zuerst ist an ein besonders hohes Rechtssicherheitsbedürfnis im Geldverkehr zu denken. Rechtssicheres Geld setzt, wie schon Savigny und alle ihm Nachfolgenden erkannten, ökonomischen Geldwert - wenn auch nicht notwendig Materialwert - voraus. Ansonsten kann das Geld seine Wertmesserfunktion im Recht nicht erfüllen. Mit der Bestimmung gesetzlicher Zahlungsmittel allein ist es nicht getan. Daß dies auch Windscheid klar war, obwohl er insbesondere für die Nennwertgeltung bei Banknoten scheinbar ausschließlich auf die gesetzliche Zahlungsmitteleigenschaft abstellte, zeigt sich genau an seiner Selbstbeschränkung in der Voraussetzungslehre. Nicht nur, daß er seine Verwurzelung im Metallgeldsystem dokumentierte, indem er das Geldschuldverhältnis als "Verschaffung einer gewissen Quantität edlen Metalls in Münzform" definierte. An dieser Stelle wird darüber hinaus Windscheids ökonomische Überzeugung von der nachhaltigen Geldwertstabilität der Edelmetallwährung im allgemeinen und der Reichsgoldwährung im besonderen deutlich. Die durch freie Wirtschaftstätigkeit zwangsläufig eintretenden Kaufkraftschwankungen des Geldes wollte Windscheid privatrechtlich nicht ausgleichen. Nur gesetzeswidrige, unterwertige Münzausprägungen, durch die eine dauerhafte Kurswertverschlechterung eintrete, sollten berücksichtigt werden. Ein anderer Grund, der zu einer langfristigen Kaufkraftverschlechterung des Geldes führt, war für Windscheid überhaupt nicht denkbar. Dies stimmt sichtlich bis ins Detail mit der Goldmechanismustheorie überein, die inländische Kaufkraftschwankungen des Geldes nicht nur in Kauf nahm, sondern für das Funktionieren des internationalen Bilanzausgleichs und die sich dadurch von selbst einstellende nationale Geldwertstabilität sogar voraussetze. Es ist kein anderer Grund zu sehen, warum Windscheid gerade in bezug auf Geldwertänderungen die Anwendung seiner Voraussetzungslehre so stark einschränkte, außer daß er damit das Geldschuldrecht bewußt in Übereinstimmung mit der volkswirtschaftlichen Goldmechanismustheorie bringen wollte. Mit dem nach Einführung der Reichswährung in der Pandektistik durchgesetzten Nennwertprinzip wurde, wie nun auch für Windscheid zweifelsfrei dargelegt werden konnte, ganz bewußt die Verantwortung für den Geldwert und einen wertsiehereD Zahlungsverkehr - einmal abgesehen von den Wertsicherungsvereinbarungen - dem staatlichen Währungsrecht überlassen. Die Bedeutung von wertsicherem Geld für einen funktionierenden Zahlungsverkehr verloren die Pandektisten dabei keineswegs aus den Augen. Der Umschwung von der Kurs- zur Nennwerttheorie beruhte auf der Überzeugung

24 3 Falk,

Windscheid, S. 206 ff.

244

3. Teil: Industrielle Ausbau- tm.d Regulienmgsphase

von der nachhaltigen Geldwenstabilität der Reichsgoldwährung und nicht auf einer rechts- oder gesetzespositivistischen Unterordnung des Privatrechts unter die währungsrechtliche Bestimmung eines gesetzlichen Zahlungsmittels. Die Pandektisten hatten die Intention, die winschaftlichen Vorteile der Nennwertgeltung für die Erleichterung und Sicherung des Güterverkehrs zu nutzen, insbesondere Geldschuldverhältnisse ohne aufwendige Geldwertberechnungen abzuwickeln. Der Umschwung von der Kurs- zur Nennwerttheorie blieb außerdem insofern von der Überzeugung des individuellen Wirtschaftsliberalismus getragen, als privatautonome Vorkehrungen gegen Geldwertverluste zugelassen, nachträgliche hoheitliche Eingriffe in die Vertragsfreiheit aber abgelehnt wurden. Auch Hartmann, der vom Funktionieren der Goldwährung nicht überzeugt war, hielt an der Metallwährung fest und versuchte einen zeitweilig politisch aussichtsreichen Übergang zur Doppelwährung privatrechtlich zu unterstützen. Er hob dazu besonders die vermeintlich entscheidende Bedeutung gesetzlicher Zahlungsmittel für das Privatrecht hervor und zweifelte die Wirksamkeit der Goldklauseln an - blieb damit aber weitgehend erfolglos. Für Hartmann war indes die Bestimmung eines gesetzlichen Zahlungsmittels ausdrücklich kein hoheitlicher Willkürakt. Er griff Windscheids berühmt gewordener Leipziger Rektoratsrede vom 31.10. 1894244 hinsichtlich der überragenden Stellung des Gesetzgebers bei der Rechtssetzung vor: "Nach bestem Wissen und Gewissen faßt in diesen Fällen (eines Währungswechsels) die Gesetzgebung von ihrer hohen Warte aus, mit ihrem weiten Blick, der den beschränkteren Horizont der einzelnen Civilgerichte überragt, das Ziel und die Aufgabe ins Auge, unter möglichster Wahrung der Werthconstanz die Rechtsinstitution des Geldes auf anderer metallischer Grundlage neu zu regeln. Es sind zu viele und zu erhebliche Interessen des Staates selber und aller seiner Angehörigen als Gläubiger wie als Schuldner dabei im Spiel, als daß nicht die sorgfältigste Erwägung behufs gerechter Werthung dadurch gesichert erschiene." 245

Geldwenstabilität war also auch für Hartmann von großer Bedeutung, nur war er der Auffassung, daß diese durch ein künftiges bimetallisches Währungssystem besser gewährleistet werden könne als durch die bestehende Goldwährung.

244 Vgl.

zum folgenden Windscheid, Aufgaben der Rechtswissenschaft, S. 112.

Hartmann, Internationale Geldschulden, in: AcP 65 (1882), S. 204 (Hervorhebungen im Original). 245

12. Kap.: Geldwertübertragung im BGB

245

12. Kapitel

Verpflichtung zur Geldwertübertragung im BGB Die das Geldschuldverhältnis in seinem Kern regelnden §§ 244, 245 BGB gehören ganz sicher nicht zu den Glanzlichtem kodifikatorischer Regelungskunst, sondern waren schon 1896 eher Randerscheinungen der schuldrechtlichen Verpflichtung zur Geldwertübertragung und sind durch § 3 WährG seit 1948 fast gänzlich bedeutungslos geworden. Der bereits zur Zeit der Gesetzgebungsarbeiten zum BGB das Geldschuldrecht bestimmende Nennwertgrundsatz blieb dagegen ungeregelt. Dies erscheint aus rechtshistorischer Sicht um so unbefriedigender als das BGB gleichwohl den Schlußstein der pandektistischen Geldtheorie und - zumindest bis zur Weimarer Republik überhaupt einer privatrechtsorientierten Geld- und Geldwerttheorie markiert. Wir wollen erkunden, warum das erst im Verbund mit den währungsrechtlichen Reformen gegenüber Savignys Kurswerttheorie durchgesetzte Neonwertprinzip letztlich keinen gesetzlichen Niederschlag fand.

I. Redaktorenvorlage - Ein "kleiner Windscheid" Die pandektistische Geldlehre findet sich in gesetzlicher Form zuletzt in der Schuldrechtsvorlage des in der BGB-Kommission zuständigen Redaktors, des Obertribunalsdirektors und bereits am Dresdener Entwurf und an der Vorkommission zum BGB beteiligten Pranz v. Kübel , aus dem Jahr 1882: "§ 1 Ist eine Geldsumme zu leisten und über die Münzsorte, in welcher die Leistung geschehen soll, nichts bestimmt, so hat die Leistung in Münzen der zur Leistungszeit am Erfüllungsort geltenden Landeswährung zum Nennwerthe nach Maßgabe der diesfalls bestehenden gesetzlichen Vorschriften zu erfolgen. Nimmt der Gläubiger andere Münzsorten an, so entscheidet über deren Werth in Ermangelung einer Vereinbarung ihr Kursam Erfüllungsort zur Zeit der Leistung. § 2 Soll die Leistung einer schuldigen Geldsumme thatsächlich (effektiv) in einer bestimmten Münzsorte erfolgen, so hat der Schuldner in dieser Münzsorte zu leisten.

Ist die bestimmte Münzsorte nicht mehr vorhanden, so hat die Leistung nach Maßgabe der Vorschrift des § 1 zu geschehen; in gleicher Weise darf der Schuldner leisten, wenn jene Münzsorte nur mit einem unverhältnißmäßigen Kostenaufwand zu beschaffen ist. § 3 Ist die geschuldete Geldsumme in Münze der am Erfüllungsort geltenden Landeswährung ausgedrückt, so entscheidet für den Werth der Schuld der Nennwerth der Münze. Ist zwischen der Zeit der Begründung der Schuld und derjeni-

246

3. Teil: Industrielle Ausbau- 1md Regulienmgsphase

gen der Leistung der geschuldeten Summe ein Uebergang zu einer anderen Währung oder eine Aenderung des Münzfußes erfolgt, so ist für die Berechnung des Werthes der Schuld der in dem betreffenden Landesgesetz festgesetzte Umrechnungsmaßstab maßgebend. Ist die geschuldete Geldsumme in einer anderen als in der in Absatz 1 bezeichneten Münze ausgedrückt, so entscheidet für den Werth der Schuld der Kurswerth dieser Münze am Erfüllungsort zur Zeit der Leistung. § 4 Auf die Zahlung mit Papiergeld oder Banknoten, sowie Forderungen, welche auf Leistung von Papiergeld oder Banknoten gerichtet sind, flnden die Vorschriften der §§ 1-3 entsprechende Anwendung." 246

Dieser Teil der Schuldrechtsvorlage stammte, wie die gesamte Vorlage zum allgemeinen Teil des Schuldrechts, noch von Kübel selbst.247 Es brauchte dafür nicht auf den Dresdener Entwurf zurückgegriffen werden. Zur Begründung der dem Entwurf zugrundeliegenden Nennwerttheorie führte Kübel aus, daß das "lrrthümliche und Mißliche" von Savignys Kurswerttheorie, die Vernachlässigung der ,.Bedeutung des gesetzlichen Währungssystems", mittlerweile "ziemlich allgemein erkannt" sei. Der Staat stelle einem ,.absoluten Bedürfnis" folgend ein "gesetzliches oder Zwangszahlungsmittel" aus einem "längst im allgemeinen Weltverkehr als Werthmesser sowie als Tausch- und Zahlungsmittel anerkannten Edelmetalle ( .. .) dem Verkehre zur Verfügung" und schreibe den bezeichneten Wert als rechtlich konstant vor. Deshalb müssen Währungsmünzen im Privatverkehr grundsätzlich zu ihrem Nennwert angenommen werden. 248 Kübel wechselte mit den Pandektisten vom Kurswertgrundsatz des Dresdener Entwurfs zum Nennwertgrundsatz im BGB. In bezug auf Geldwertänderungen ist entscheidend, daß es sich auch nach dem Willen des Redaktors Kübel bei den von ihm vorgeschlagenen Regelungen im Rahmen der bestehenden Währungsgesetze, wie "allerseits anerkannt" sei, um disponibles Recht handelte.249 Der Nennwert sollte zwar prinzipiell für den schuldrechtlichen Geldwert von Währungsgeld (§§ 1, 3 der Vorl.) maßgebend sein, aber nur, sofern "nicht die Betheiligten anderweitige Vereinbarung über die Münzsorte oder über den Werth, zu welchem die Wäh-

246 Kübel, 247

in: Schubert, Vorlagen zum Recht der Schuldverhältnisse I, S. 783.

Schubert, Entstehungsgeschichte des BGB, Einführung, S. 43.

Kübel, Vorlagenbegründung, in: Schubert, Vorlagen zum Recht der Schuldverhältnisse I, S. 785 f. 248

249

Kübel, ebd .. S. 795.

12. Kap.: Geldwertübertragung im BGB

247

rungsmünze berechnet werden soll, getroffen haben". Kübel nannte dies in Anlehnung an Kuntze einen "subsidiären Zwangskurs". 250 Die Vereinbarung einer unechten Geldsortenschuld regelte Kübel ausdrücklich in § 2 der Vorlage. Dagegen hielt er es für "räthlich", über die Vereinbarung einer echten Geldsorten- und Geldstückschuld im Gesetzbuch ganz zu schweigen, da dann nach dem Parteiwillen "selbstverständlich" das Metallfeingewicht der Münzen zu leisten sei. 251 Kübel erkannte durchaus, daß der Staat die Möglichkeit habe, "ausnahmsweise" Wertsicherungsvereinbarungen zu verbieten. Davon unabhängig bleibe aber die Pflicht des Staates, die Geldausgabe "im Dienste des öffentlichen Wohls" an der Geldwertstabilität, namentlich durch die "richtige Werthsrelation der Währung zu dem anderen Edelmetall, Kongruenz des Nennwerths mit dem Metallwerth (und die) Einlösung nicht vollwichtiger Münzen", auszurichten. 252 Einen spürbaren Schritt weiter als Windscheid ging Kübel allerdings bei gesetzeswidrigen, unterwertigen Münzausprägungen. Während Windscheid dann den Kurswert für maßgebend hielt, beließ es Kübel auch in diesem Fall bei der Nennwertgeltung. Der Verkehr wüßte sich "durch entsprechende Preisregulierungen" zu helfen. 253 Kübel übersah hierbei die Folgen für langfristige Verträge und Dauerschuldverhältnisse. Ein gesetzeswidriges und von der damaligen Überzeugung langfristiger Geldwertstabilität abweichendes Verhalten des Staates sollte für Kübel keine privatrechtliehen Konsequenzen nach sich ziehen. Damit war Kübel einen erkennbaren Schritt weiter in Richtung eines strengen Nominalwertprinzips gegangen als Windscheid. So wundert es nicht, daß Kübel im Hinblick auf das Papiergeld der stark vordringenden, pandektistisch nominalistischen Meinung folgte und die grundsätzliche Nennwertgeltung nicht mehr vom Metalleigenwert des Geldes abhängig machte. Allein die Währungseigenschaft einer Geldart, als gesetzliches Zahlungsmittel zu gelten, sollte zur "subsidiären" Nennwertgeltung führen (§ 4 der Vorl.), obwohl das Papiergeld ökonomisch gesehen "zweifellos nicht wirkliches Geld ist, sondern die Quantität edlen Metalles, welche es bezeichnet, nur vorstellt oder vorstellen soll". 254

250 Kübel,

ebd., S. 786, 792.

Kübel, ebd., S. 790 ff., 798 f. Vgl. zur echten Geldsorten- und Geldstückschuld demgegenüber noch ausdrücklich An. 247, 248 Dresdener Entwurf. 251

252

Kübel, ebd., S. 786.

253 Kübel,

ebd .• S. 786.

254 Kübel,

ebd., S. 787.

248

3. Teil: Industrielle Ausbau- 1md Regulienmgsphase

Kübels Regelungsvorschläge zum Geldschuldverhältnis im BGB entsprachen - einmal abgesehen von der Behandlung gesetzeswidriger Münzausprägungen - den Anschauungen der Pandektistik, namentlich des von Kübel auch immer wieder zitierten255 Windscheid, der selbst einer von zwei Professoren in der 1874 einberufenen ersten BGB-Kommission war. 256 Insofern trifft hier die als allgemeiner Vorwurf zum ersten BGB-Entwurf gedachte Formulierung Otto Bährs vom "kleinen Windscheid" 257 ziemlich genau zu. Damit wollen wir aber keine inhaltliche Kritik an der Redaktorenvorlage üben. Diese entsprach, ebenso wie die Anschauungen der Pandektenwissenschaft und des Währungsgesetzgebers, durchaus einem zwischen Währungs- und Privatrecht ökonomisch ausgewogenen Verständnis des Geldwesens unter Nutzung des staatlichen Geldnennwerts für die Erleichterung des privatrechtliehen Zahlungsverkehrs.

ß. Endgültige Regelung Die von Kübel vorgeschlagenen privatgesetzlichen Regelungen des schuldrechtlichen Geldforderungswerts wurden bereits in der ersten BGB-Kommission beseitigt. Diese strich am 29. September 1882 kurzerhand die §§ 1, 3 I und 4 seiner Vorlage. 258 Das Bestehen oder Nichtbestehen einer privatrechtliehen "Annahmepflicht" ergebe sich unmittelbar aus den Währungsgesetzen, so daß die entsprechenden privatrechtliehen Vorschriften darüber zwar "sachlich nicht zu beanstanden, aber entbehrlich" erscheinen. 259 Der Zusatz, daß Währungsgeld - vorbehaltlich ausdrücklich abweichender Parteivereinbarungen - zum Nennwert angenommen werden müsse, sei ein "deklaratorischer Eingriff" in die Reichsmünzgesetzgebung, für den gewichtige Gründe vorliegen müßten. Eine ergänzungsbedürftige Lücke bestand nach einhelliger Ansicht der Kommission nicht, da sich aus dem unbedingten Annahmezwang von Währungs-

255

Kübel, ebd., S. 785-800 auf jeder Seite.

256

Schlosser, PRG, S. 159.

Zur Beurtheilung des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich, S. 7. 257 Bähr,

258 Kommissionsprotokoll, in: Jakobs/Schubert, Beratung des 8GB, Recht der Schuldverhältnisse I, S. 59, 60, 62. 2 59

Komm.issionsprotokoll, ebd. , S. 59, 62.

12. Kap.: Geldwertübertragung im BGB

249

geld die "Annahmepflicht" zum Nennwert "von selbst" ergebe. 260 Ebenso selbstverständlich galt nach Ansicht der Kommission dem Parteiwillen gemäß der Kurswert für Nichtwährungsgeld. 26 1 Der zweite Absatz des§ 3 der Vorlage spreche dagegen das nicht zu beanstandende und "wichtige Prinzip" aus, daß eine in ausländischer Währung ausgedrückte, aber im Inland zahlbare Schuld in inländischer Währung zum Kurswert zu zahlen sei. 262 Nachdem der Antrag von Mandry, den Begriff der "inländischen Währung" durch den Begriff der Reichswährung zu ersetzen, am 14. Oktober 1887 von der BGB-Kommission angenommen wurde263, verblieb aus den §§ 1, 3 und 4 der Vorlage lediglich die Regelung zur Fremdwährungsschuld in § 215 des 1. BGB-Entwurfs: .. § 215 Die Zahlung einer im Inlande zahlbaren Geldschuld ist in Reichswährung auch dann zu bewirken, wenn die Schuld in ausländischer Währung ausgedrückt ist.

Bei der erforderlichen Umrechnung der Geldschuld in Reichswährung entscheidet der Kurswerth, zur Zeit und am Orte der Zahlung. Die Vorschrift des zweiten Abs. fmdet entsprechende Anwendung, wenn die in Reichswährung ausgedrückte Geldschuld in ausländischer Währung zu bezahlen ist." 264

Im weiteren Gesetzgebungsverfahren wurde in der sogenannten Vorkommission des Reichsjustizamts am 3. September 1891 die in Absatz 1 enthaltene Verpflichtung zur Inlandszahlung in Reichswährung bei der Fremdwährungsvereinbarung als zu weit gehend aufgehoben. Es sollte den Parteien unbenommen bleiben, sich über ein anderes als das gesetzliche Zahlungsmittel zu einigen. Mit Blick auf Zahlungsorte ohne Börse erscheine desweiteren in Absatz 2 nur ein allgemeiner Hinweis auf die Kurswertgeltung angemessen. Außerdem hielt das Reichsjustizamt Absatz 3 für überflüssig. 265 Das Ergeh-

260 Kommissionsprotokoll, ebd., S. 59; vgl. auch Mot. zum ersten 8GB-Entwurf bei Mugdan, Materialien II, S. 7. 261 Kommissionsprotokoll, ebd., S. 60; Mot., ebd., S. 7. 262 Kommissionsprotokoll, ebd., S. 61. 263 Kommissionsprotokoll, ebd., S. 63. 264 Mugdan,

Materialien Il, S. Il.

265 Prot. RJA, in: Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Recht der Schuldverhält-

nisse I, S. 64. Auch in der zweiten 8GB-Kommission bestand .,Einstimmigkeit" über die Disponibilität des § 215 des 1. 8GB-Entwurfs. Dieser sollte der Vertragsfreiheit .,keine Schranken" setzen; Achilles/Gebhardl Spahn, Prot. 2. BGB-Kom. I, S. 290.

250

3. Teil: Industrielle Ausbau- 1md Regulienmgsphase

nis war nach Durchlaufen der 2. BGB-Kommission der heutige Wortlaut des § 244 BGB. Hinsichtlich der Regelung zur unechten Geldsortenschuld in § 2 der Vorlage beschloß die erste Kommision die Streichung des ersten Absatzes, da sich die Gültigkeit einer rechtsgeschäftliehen Bestimmung, die Zahlung in einer bestimmten Münzsorte vornehmen zu müssen, bereits aus dem verbliebenen Absatz 2 "zur Genüge erhelle" . 266 Mit Klar- und Umstellungen in der Formulierung entsprach dann der§ 216 des 1. BGB-Entwurfs inhaltlich dem § 2 II der Vorlage und dem heutigen§ 245 BGß.267 Ohne inhaltlich von der privatrechtliehen Geldlehre abzuweichen, verzichtete der BGB-Gesetzgeber somit auf eine privatgesetzliche Regelung des Geldforderungswerts, da sich dieser von selbst, auf Grundlage der Währungsgesetze und der Parteivereinbarung, ergebe. Dies konnte nur wegen der einheitlichen Auslegung der Währungsgesetze einerseits und der konsequenten Durchführung der Vertragsfreiheit andererseits in der Privatrechtslehre erfolgen. Jedenfalls war es für den BGB-Gesetzgeber schon so selbstverständlich, daß Währungsgeld im Zweifel zum Nennwert und Nichtwährungsgeld im Zweifel zum Kurswert zu zahlen sei, daß ihm eine privatgesetzliche Regelung hierzu überflüssig erschien.

m. BGB-Kritik Bekanntlich rief der erste Entwurf des BGB eine Sturmwelle der Stellungnahmen und ablehnenden Kritiken hervor. 268 Hinsichtlich der Regelungen des Geldschuldverhältnisses kann hiervon indes keine Rede sein. In den allgemeinen Stellungnahmen zum BGB-Entwurf wird das Geldschuldverhältnis regelmäßig nur kurz und dem Regelungsvorschlag im wesentlichen zustimmend abgehandelt. 269 Lediglich Bekker270 und Gierke271 266 Kommissionsprotokoll vom 29. September 1882, in: Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse I, S. 66. 267 Kommissionsprotokoll, ebd., S. 66 ff. 268 Vgl. das vollständigerfaßte umfangreiche Schrifttum zum 1. 8GB-Entwurf bei Maas, Bibliographie des bürgerlichen Rechts, in: Arch. d. bürgerl. Rechts 16 (1899),

s. 39 ff.

269 Reichsjustizamt, Zusammenstellung II, S. 14-16; Gebhart, Recht der Schuldverhältnisse, Gutachten aus dem Anwaltsstande, S. 251 ff. (253 f.); Gierke, Entwurf, S. 198; Laband, Zum zweiten Buch des Entwurfes, in: AcP 73 (1888), S. 161 ff. (180 f .); Seuffert, Grundsätze, S. 10. Goldschmidl, System des Handelsrechts, S. 126 ff. kommentierte bereits die §§ 215, 216 des 1. 8GB-Entwurfs für die Rechtsanwen-

12. Kap.: Geldwertübertragung im BGB

251

bemerkten beiläufig, daß sie die Regelungen des Geldschuldverhältnisses grundsätzlich für unzureichend hielten, ohne jedoch dazu genauere Angaben zu machen oder Alternativen vorzuschlagen. Ein umfassendes Gutachten über das Geld und die Wertpapiere im BOBEntwurf erstellte der aus praktischer Sicht auch dazu berufene damalige Vizepräsident der Reichsbank, Richard Koch. 272 Er legte insbesondere auch die ökonomische Meßlatte an den Entwurf: "Daß diese Behandlung den richtigen wi.rthschaftlichen und juristischen Grundsätzen entspreche, ist für den gesammten Verkehr und vorzugsweise für den Bankverkehr, welcher täglich mit Geld und Werthpapieren zu schaffen hat und bei der Lückenhaftigkeit unseres Handelsrechts fort und fort auf die Grundsätze des bürgerlichen Rechts zurückzugreifen genöthigt ist, von ungemein großem Gewicht."

Es war deshalb für Koch "um so erfreulicher", "anerkennen zu können, daß der Entwurf auf dem vorliegenden Gebiete sieb im Allgemeinen mit den Anschauungen und Bedürfnissen des Bankverkehrs im Einklang befindet" .273 Koch befürwortete die Nichtaufnahme einer allgemeinen Geldlehre in das BGB. Der Begriff des Geldes sei in der Rechtssprache kein "gleichmäßiger", und die "Lehre von den Eigenschaften des Geldes" falle "ihrem Sitze nach" mehr dem Staats- und Verwaltungsrecht als dem Privatrecht anheim. 274 So handele es sich bei den das Geld betreffenden Regelungen des Entwurfs "nicht um ein geschlossenes System, sondern um zerstreute Bestimmungen, welche sich passend den einzelnen Abschnitten einfügen" . 275 Koch sprach hier einen bis auf den heutigen Tag zentralen Aspekt des Geldes im dung. Kritisiert wurde im wesentlichen nur die vorgesehene Einschränkung der Vertragsfreiheil durch die in der Formulierung des § 215 I bei Fremdwährungsschulden enthaltene Verpflichtung, im Inland mit Reichswährung zahlen zu müssen; so selbst Laband, ebd. , S. 180 f. Hier übertreibe der Entwurf mit der "Bedeutung des geltenden Währungssystems"; Koch, Geld und Werthpapiere im Entwurf, S. 15. Dieser Kritik an den §§ 215, 216 wurde, wie gesehen, durch das Reichsjustizamt abgeholfen. 2 70

Bekker, System und Sprache des Entwurfes, S. 9.

Gierke, Entwurf, S. 198 in einem Satz. Er verwies im übrigen auf Kochs Stellungnahme. 271

272 Koch, Geld und Werthpapiere - Eine Besprechung der für den Bankverkehr erheblichen Bestimmungen des Entwurfs eines BGB, 1889, S. 1-54. 273

Koch, ebd. , S. 2.

274 Koch,

ebd, S. 2 f.

275 Koch,

ebd., S. 3.

252

3. Teil: Industrielle Ausbau- tmd Regulienmgsphase

BGB an. Das BGB hält den Geldbegriff für geldtheoretische Weiterentwicklungen offen - das hieß nun zwar für Koch längst nicht, daß das Währungsrecht allein den Geld- und Geldwertbegriff bestimmen soll. 276 Dennoch wird gerade bei ihm die allmähliche Verlagerung der rechtlichen Geld- und Geldwerttheorie vom Privatrecht in das öffentliche Währungsrecht deutlich, die mit Inkrafttreten des BGB ihren vorläufigen Abschluß finden sollte. Die Hauptpunkte seiner Kritik betrafen die Nichtregelung der Papiergeldund der an Bedeutung gewonnenen Scheckzahlung. Koch bedauerte, daß der Entwurf die Leistung von Papiergeld nicht verbindlich zur Zahlung erkläre und damit den Streit, ob Papiergeldübereignung Erfüllung oder Leistung an Erfüllungsstatt sei, für das geltende Recht beende. 277 Es entspreche der "heutigen Verkehrsauffassung", die Leistung von Papiergeld als Erfüllung eines Geldschuldverhältnisses anzuerkennen. Papiergeld diene faktisch als Zahlmittel, wenn es auch nicht "vollkommenes", mit einem rechtlichen "Annahmezwang" belegtes Geld sei. 278 Koch ging deshalb sogar soweit, für das Papiergeld privatgesetzliche Nennwertgeltung zu fordern, sofern nichts anderes ausdrücklich vereinbart worden ist. 279 Dies wollte er unabhängig davon, ob Papiergeld künftig währungsrechtlich zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt werden würde. Zwar würde letzteres "unleugbare volkswirthschaftliche Vortheile" bringen und beende im Zahlungsverkehr "Chicanen der Gläubiger", welche "nicht ganz selten vorkommen". Es könne jedoch nicht empfohlen werden, das bestehende Spezialrecht im Rahmen des BGB zu ändern. 28 Koch wollte vorab das Papiergeld dem Währungsgeld auf privatgesetzlichem Wege insofern gleichstellen, als der Nennwertgrundsatz auf die Banknoten ausgeweitet werden sollte. Wenn jemand Banknoten als Geldleistung freiwillig annahm, dann sollte er diese zu ihrem Nennwert gelten lassen müssen. Dies hätte indes eine völlige Kehrtwende in der Behandlung des Papiergeldes im Privatrecht bedeutet, was der BGB-Gesetzgeber schon von seinem Selbstverständnis her, als Rechtsvereinheitlicher und nicht Rechtsschöpfer,281 nicht wollen konnte.

°

276 Vgl. auch Planck!Siber, BGB, Vor §§ 244, 245, Anm. 1: "Im weiteren Sinne umfaßt der Ausdruck Geld alle vertretbaren Sachen, die im Verkehre tatsächlich als Geld zirkulieren. ( ... ) Ob das Gesetzbuch, wo es von Geld redet, den engeren (gesetzliche Zahlungsmittel) oder weiteren Geldbegriff meint, ist Frage der Auslegung." 277

Koch, ebd., S. 17.

278 Koch,ebd., S. 17 f. 279 Koch, ebd., S. 18. 28 Koch, ebd., S. 18.

°

281 Benöhr, Vorkommission, in: JuS 77, S. 79 (80).

12. Kap.: Geldwertübertragung im BGB

253

Koch bedauerte außerdem, daß die bargeldlose Scheckzahlung, die "sich in dem deutschen Geldverkehr in Verbindung mit der großen Ausdehnung des Giroverkehrs der Reichsbank, obschon langsam, mehr und mehr einbürgert", weiterhin ohne gesetzliche Regelung bleiben sollte. 282 Dem wurde spezialgesetzlich erst durch das Scheckgesetz vom 11. März 1908283 abgeholfen. Den Giroüberweisungsverkehr hielt Koch dagegen noch nicht für regelungsbedürftig und regelungsreif. Vorläufig reichten ihm hierfür die "in den Geschäftsbedingungen der einzelnen Banken ausgedrückten Rechtsregeln" aus, aus welchen sich "mit der Zeit vielleicht gesetzliche Bestimmungen entwickeln werden" würden. 284 Abschließend stellte Koch fest, daß "die bei dem Bankverkehr belheiligten Berufskreise keinen erheblichen Grund haben, sich über den Entwurf zu beschweren". Er hoffte nichtsdestoweniger auf die Berücksichtigung seiner Anregungen, so daß ein Gesetz entstehe, das "auf Generationen hinaus den Bedürfnissen unseres Rechtslebens genügt". 285 Während Kochs Kritik eher auf die Regelungsfelder der Zukunft wies, schien das Nennwertprinzip mittlerweile unverrückbar festzustehen. Weder im BGB noch in den speziellen Geldgesetzen ausdrücklich geregelt, galt dieses für den Gesetzgeber bereits als selbstverständlich und wurde auch in der BGB-Kritik nicht in Frage gestellt. Im Gegenteil, Koch wollte es sogar auf das Papiergeld angewendet sehen, obwohl dieses kein gesetzliches Zahlungsmittel war. Bemerkenswerterweise knüpfte Koch damit das Nennwertprinzip nicht notwendig an die gesetzliche Zahlungsmitteleigenschaft, sondern an das allgemeine wirtschaftliche Bedürfnis eines möglichst reibungslosen Geldverkehrs. Das Problem von dauerhaften Geldwertverschlechterungen schien geldpolitisch mit dem Goldwährungsmechanismus ein für allemal bewältigt zu sein. Freilich war ein politischer Mißbrauch der staatlichen Währungshoheit mit der Folge einer Geldentwertung nach wie vor möglich. Dies konnte aber gerade für Koch als dem Vizepräsidenten und kurz nach seiner Kritik zum BGB-Entwurf als dem Präsidenten der Reichsbank die dazu geschaffen wurde, um die Geldwertstabilität administrativ zu garantieren - nicht in Betracht kommen, wenn er persönlich die ihm anvertraute Aufgabe ernst nahm. Diesbezüglich ist Koch, wie wir noch sehen werden, über jeden Zweifel erhaben. Auch die die Reichsbank beaufsichtigende Reichsregierung konnte aus seiner Sicht, wie aus Sicht der Pandektisten, gar

282 Koch, 283

RGBI. 1908, S. 71 und PostscheckG vom 26. Män 1914, RGBl. 1914, S. 85.

284 Koch, 285

ebd., S. 18. ebd., S. 33 f.

Koch, ebd., S. 54.

254

3. Teil: Industrielle Ausbau- und Regulierungsphase

nicht mehr politisch so unüberlegt handeln, wie mancher auf seinen kurzfristigen finanziellen Vorteil bedachte Münzherr aus früheren Tagen. Die währungsrechtliche Absicherung und Beibehaltung der Reichsgoldwährung sowie die zurückhaltende währungsrechtliche Behandlung des Papiergeldes dokumentierten damals, insbesondere hinsichtlich der Reichsbanknoten, eine eher schon übertriebene politische Einsicht in die Bedeutung langfristiger Geldwertstabilität für den Verkehr, den sozialen Frieden und nicht zuletzt auch für den Staat selbst. Die Geldgesetze des Reichs beseitigten nicht nur die Herrschaft der Einzelstaaten über das Geld- und Währungswesen, sondern auch die dadurch entstandene dominierende Rolle des Privatrechts bei der vereinheitlichenden Handhabung der Geldverhältnisse für den nicht an Landesgrenzen gebundenen Wirtschaftsverkehr. Mit Einführung und Ausgestaltung der einheitlichen Reichswährung wurde die währungsrechtliche Grundlage für Hartmanns und Goldschmidts geldtheoretische Ausführungen geschaffen. Ihre Neowerttheorie konnte sich vor diesem Hintergrund in der Privatrechtswissenschaft durchsetzen. Wir wissen heute, daß der damals mit dem Nennwertprinzip gegenüber der staatlichen Geldpolitik-trotz der anhaltenden Diskussionen um eine Doppelwährung- gewährte Vertrauensvorschuß zu voreilig war. Für die damalige Zeit ist er aber nicht nur nachvollziehbar, sondern erscheint vor allem ökonomisch zweckmäßig, wenn der Geldverkehr durch das Nennwertprinzip erleichtert werden sollte. Das durch die währungsrechtlichen Reformen und die bis dahin betriebene Währungspolitik des Reichs gewonnene Vertrauen in die staatliche Geldpolitik bewirkte erst die breite Durchsetzung der Nennwerttheorie. Es galt dann, dieses Vertrauen auf die Zukunft auszudehnen oder das Nennwertprinzip wieder in Frage zu stellen. Nur die Entscheidung für ersteres kam unterdessen damals dem Geldverkehr zugute. Bei dieser Entscheidung wurden die verbleibenden Restrisiken einer Umgestaltung der geltenden Währungsordnung oder eines Mißbrauchs der staatlichen Geldhoheit in künftigen finanziellen Krisen- oder Kriegszeiten bewußt in Kauf genommen.

13. Kapitel Tauschwertgedanken am Ende des 19. Jahrhunderts Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam es wieder zu vereinzelten kritischen Stellungnahmen aus der Jurisprudenz und der Volkswirtschaftslehre zum geltenden Nennwertprinzip. Trotz Währungsgesetzgebung und BGB hielt Wilhelm Endemann im Grundsatz an seiner Tauschwerttheorie fest.

13. Kap.: Tauschwertgedanken

255

Zwar erkannte auch er nun die Nennwertgeltung für den (Regel-)Fall an, daß auf Währungsgeld kontrahiert und keine vom Nennwert abweichende Parteivereinbarung getroffen wurde. 286 Der Nennwert sei aber nach wie vor nichts anderes "als die Beglaubigung eines gewissen Feingehalts" der Münzen. Das" Wesen des Geldes" liege dagegen "in dem Tauschwerthe ( ... ), den der Verkehr dem Gelde, dem gemünzten nach Massgabe des Metallgehalts, dem papierneo zugleich nach Massgabe seiner Kreditwürdigkeit beilegt". Jedermann wisse, daß ein "möglichst stabiler Wert der Münzen und Papierstücke zu erstreben, aber unter keinen Umständen absolut aufrecht zu erhalten" sei. 287 Im Geldschuldverhältnis komme es nach wie vor auf die "Übertragung des Werthinhalts" von Geld an. Der Wert der Zahlungssumme müsse deshalb immer mit dem Wert der Schuldsumme übereinstimmen. 288 Endemann trat damit auf der Stelle. Abgesehen von der Grundlegung einer Tauschwerttheorie hielt er die konkrete Berechnung und damit die rechtliche Praktikabilität des Geldtauschwerts immer noch offen. Im Hinblick auf den rechtlichen Anwendungsbereich seines Tauschwerts unterschied er sich nicht von den in der Privatrechtswissenschaft gemeinhin anerkannten Fällen der Kurswertgeltung. Endemann nannte namentlich lediglich die Zahlung bei einem Währungswechsel zwischen Schuldbegründung und Erfüllung, wobei in Deutschland der Umrechnungskurs der früheren Landeswährungen in Reichswährung allerdings verbindlich gesetzlich fixiert worden sei. 289 Letztlich blieb ihm so nur die Anwendung auf Fremdwährungsverbindlichkeiten, Papiergeld und bei ausdrücklicher Parteivereinbarung. 290 Nichts anderes wollten die Pandektisten und kam in den Geldgesetzen, wie auch im BGB, zum Ausdruck. Endemann ging insbesondere nicht weiter auf eine denkbare Anwendung seines "Tauschwerts" bei Veränderungen desselben in bezug auf das Währungsgeld ein. Demgegenüber finden sich im Artikel "Preis" des Handwörterbuchs der Staatswissenschaften von 1893 Ansätze einer modernen Tauschwerttheorie,

286 Endemann, Handelsrecht, 4. Aufl .• 1887, S. 358-367, 538-576 (540). Den Reichsmünzen sei durch die Währungsgesetzgebung ein Zwangskurs beigelegt worden; Endemann, ebd., S. 361. 287 Endemann,

ebd .• S. 364.

288 Endemann,

ebd., S. 366, 541 .

289 Endemann,

ebd .• S. 541.

290 Endemann,

ebd., S. 540 ff.• 548.

256

3. Teil: Industrielle Ausbau- 1md Regulienmgsphase

das heißt der schuldrechtlichen Berücksichtigung von Kaufkraftänderungen des Geldes, durch den Nationalökonom Robert Zuckerkand}. 291 Zur Erklärung der Ursachen von Geldwertschwankungen griff dieser auf die Vorstellung des sogenannten "Grenznutzens" zurück. 292 Wieser definierte diesen Begriff als "den geringsten Nutzen, zu dem ein Gut (einschließlich des Geldes) bei gegebener Sachlage mit Rücksicht auf Bedarf und Vorrat wirthschaftlicherweise noch verwendet werden darf". 293 Eine Einigung über den Kaufpreis komme nur dann zustande, "wenn der Grenznutzen der anderweitig (für den gebotenen Geldbetrag) erhältlichen Güter größer ist, als der Grenznutzen der zu verkaufenden Güter". 294 Die Vertragsparteien änderten deshalb fortwährend automatisch die Kaufkraft des Geldes. Als Beispiel führte Zuckerkandl die Ansichtsänderung der Arbeiter darüber an, ob die durch den Lohn erhältliche Gütermenge eine angemessene Entschädigung für den Einsatz ihrer Arbeitskraft darstellt. Sei dies nicht mehr der Fall oder stiegen die Preise für die "Befriedigungsgüter", so erhöhe sich damit die Kaufkraft des Geldes solange gegenüber der Arbeit, bis der einzelne Arbeitnehmer nicht mehr bereit sein wird, seine Arbeitskraft ohne Lohnerhöhung für die erhältliche Gütermenge einzusetzen. Die Lohnerhöhung bewirke dann wieder ein Sinken der Kaufkraft des Geldes gegenüber der Arbeit. Geld sei im Wirtschaftsverkehr "in Wahrheit" nichts anderes als die "sofort und leicht realisierbare Anweisung auf Güter". 295 Das ständige Schwanken der Kaufkraft des Geldes bewirke, daß "entgegen der Absicht der Kontrahenten die nämliche Geldsumme in verschiedenen Zeiten eine sehr verschiedene Verfügungsmacht über Güter" bedeute. Ohne auf den geltenden Nennwertgrundsatz einzugehen, bildete für Zuckerkand} die Parteivereinbarung das Einfallstor für die Berücksichtigung des Geldtauschwerts im Schuldverhältnis.

291 Die Idee stammte aus der englischen Nationalökonomie; Zuckerknndl, Preis, in: HdWStW V, 1893, S. 225-251 (S. 250 Fßn. 1) berief sich u.a. auf Joseph Lowe, Poulett Scrope, Jevons und MarshalL Nach Angaben von Zuckerkand! war in England gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine erhebliche Verbreitung der Tauschwertund vor allem Indexgedanken im Gange. 292 Zuckerknndl, ebd., S. 229 f. m.w.N.: "Indem man festsetzt, was man für ein Gut geben will, hat man sich entschieden, daß dieses Gut nützlicher ist, als irgend eines der anderen Güter, die für die betreffende Geldsumme erhältlich wären. " 293

Wieser, Grenznutzen, in: HdWStW IV, S. 107.

294 Zuckerknndl,

ebd., S. 230 (auch im folgenden).

295 Zuckerkandl,

ebd., S. 249 (auch im folgenden).

13. Kap.: Tauschwertgedanken

257

Während bislang in Privatrechtswissenschaft und Gesetzgebung immer nur vom Kurs- oder Metallwert als Alternative zum Nennwert die Rede war, ging es Zuckerkand! um Waren- und Preisindexklauseln. Die Wirtschaftssubjekte wollten häufig die Geldleistung von Fall zu Fall so ändern, daß "stets die nämliche Verfügungsmacht über Güter übertragen wird". So gebe es viele Fälle, in denen die Parteien Verträge schließen wollten, "welche auf nach dem Preisstande wechselnde Geldsummen lauten". Zuckerkand! bemängelte sodann die praktisch unmögliche Umsetzbarkeil dieses Parteiwillens wegen des Fehlens einer zuverlässigen Preisstatistik: "Es ist nicht einzusehen, weshalb der Staat nicht durch eine gute amtliche Preisstatistik das Mittel bieten sollte, derartige Verträge mit Sicherheit abzuschließen".

Wohlgemerkt ging es Zuckerkand! hier um wirtschaftliche Kalkulationssicherheit, denn vom Nennwert abweichende Vertragsvereinbarungen waren nach damaliger Anschauung rechtssicher wirksam abzuschließen. Besonders müsse diese Möglichkeit für langfristige Verträge und Dauerschuldverhältnisse, Zuckerkand! nennt den Darlehns- und Rentenvertrag, geschaffen werden. 296 Dazu sollten Preistabellen nach dem System der "index numbers" erstellt werden, wonach nicht die Preise, sondern die Preisänderungen bestimmter Warengruppen von bestimmten Anbietern erfaßt werden würden. 297 Der Staat könne sich aber auch auf die Ermittlung der Preise beschränken und es den Parteien überlassen, die für sie maßgeblichen Tabellen zu erstellen. 298 Die Gefahr einer staatlichen Manipulation der Statistik, etwa Preise durch Subventionierungen niedrig zu halten, um einen stabilen Geldwert vorzutäuschen, 299 sah Zuckerkand! noch nicht. Er sprach sich ohne 2 96 Zuckerlwndl,

ebd., S. 250.

ebd., S. 242 ff., 250. 298 Zuckerlwndl, ebd., S. 250. 297 Zuckerlwndl,

299 So geschehen z.B. in Finnland, wo 1947 die Arbeitslöhne an Veränderungen des Lebenshaltungspreisindex gebunden wurden und dadurch ausgelöst ein allgemeines Index-Denken um sich griff; vgl. mit weiteren Beispielen aus Belgien, Dänemark, Frankreich, Schweiz, USA u.s.w. Kuntze, Preiskontrollen, Lohnkontrollen und Lohn-Preis-lndexbindung in den europäischen Ländern, S. 159 ff. Die gesamte Wirtschaftspolitik zielte in Finnland in der Folgezeit auf die Manipulation des Indexes. Dieser wurde zum "Kernstück eines regelrechten lnflationsautomaten". Schließlich war man 1957 gezwungen, die Währung international abzuwerten und die Indexbindung wieder aufzuheben; Garding, Finnlands Kampf gegen die Inflation, S. 89 f.; vgl. auch Similis, in: Kötz/Reichert-Facilides, lnflationsbewältigung, S. 118. Gadolin, lnflationsländer, Zeitschr. f.d. ges. Kreditwesen 1958, S. 883 spricht deshalb bei dem Versuch der Geldentwertung durch generelle Indexobligationen Herr zu werden davon, den "Teufel durch Beelzebub" zu vertreiben. 17 Ott

258

3. Teil: Industrielle Ausbau- tmd Regulienmgsphase

Stabilitätsbedenken für die praktische Ermöglichung der Vereinbarung von Tauschwertschuldverhältnissen aus. Den Nennwertgrundsatz ließ er dabei aber unberührt. Die Bedeutung von Kaufkraftänderungen für das Gelschuldverhältnis betonte - durch die "Sonde der nationalökonomischen Kritik"-300 auch der in der Finanzverwaltung tätige Jurist und spätere Österreichische Ministerpräsident, Ernst Seidler. Er hob die für eine moderne Geld- und Geldwerttheorie charakteristische Trennung von Geldwertänderungen und dem Metallgehalt der Münzen hervor. Da die "Bedarfs- und Vorratsquantitäten sowohl der Edelmetalle als (auch) der anderen Waren vielfach schwanken", ergebe sich, daß die "Kaufkraft der Münzen auch bei unverändertem Metallgehalte häufigem Wechsel" unterlägen. 301 Die Kaufkraftänderungen von Geld seien ein "schwerer volkswirthschaftlicher Uebelstand", der sich gerade auch auf den "Inhalt der Geldschulden" auswirke. 302 Das Geldschuldverhältnis sei nicht auf das Münzmetallgewicht gerichtet, sondern auf die "Bedarfsgüter, welche für das Geld angeschafft werden sollen". 303 Die Veränderung der Geldkaufkraft sei somit "stets juristisch relevant", da sie eine "Veränderung des Schuldgegenstandes selbst" darstelle. 304 Immer, wenn die Zahlung auf einen späteren Zeitpunkt verlegt werden würde, also bei jeder "Kreditierung von Geldsummen", entstehe ein "unvorhergesehener und unberechenbarer ökonomischer Gewinn, resp. Verlust des Gläubigers oder des Schuldners ( ... ) lediglich aus einer Veränderung in der Kaufkraft des Geldes". 305 Seidler hatte keinen Zweifel daran, daß diese seiner Meinung nach rein zufälligen Gewinne und Verluste unberechtigt sind, da sie nicht dem "Geiste" der positiven Rechtsordnung und insbesondere auch nicht der Willensmeinung von Parteien entsprächen. 306 Verwandele sich "gegen die Intention der Parteien das Geschäft in ein aleatorisches", so widerspreche dies "nicht nur dem Wesen des ökonomischen Tauschgeschäfts, sondern auch zugleich dem Wesen des Rechtsgeschäfts". 307 Seidler löste sich hier also nicht von dem Willens300 Seidler, Schwankungen des Geldwerts, in: Jb. f. Nationalökonomie und Statistik, III. Folge, Bd. 7 (1894), S. 685-706 (689). 301 Seidler,

ebd., S. 690.

302 Seidler,

ebd., S. 692 f.

303

Seidler, ebd., S. 694.

304

Seidler, ebd., S. 694 f.

305

Seidler, ebd., S. 694.

306

Seidler, ebd., S. 694.

307

Seidler, ebd., S. 696.

13. Kap. : Tauschwertgedanken

259

dogmader Pandektisten, sondern war wie schon Savigny der Meinung, daß die durch das Geld vermittelte Vermögensmacht nach dem wirklichen Parteiwillen Vertragsgegenstand geworden ist. Seidler bedachte dabei nicht, daß jedem Geldschuldverhältnis, wie die Parteien auch wissen, von vornherein das Risiko von Geldwertänderungen anhaftet und von den Parteien - in gewissem Umfang - auch in die Preisbestimmung einkalkuliert wird. Seidler konnte so ohne weiteres feststellen, daß ,.der Gedanke, bei Geldschulden dürfe die wirtschhaftliche Vermögensmacht über die Bedarfsgüter, welche durch die geschuldete Geldsumme repräsentiert werden, zwischen Entstehung und Erfüllung der Obligation sich nicht ändern, in rechtstheoretischer Hinsicht als ein begründetes Postulat sich darstellt". 308

Er übte deshalb scharfe, polemische Kritik an dem durchgesetzten Nennwertgrundsatz: ,.Die Jurisprudenz kümmert sich nicht um den Vermögensverlust des Forderungsberechtigten, sie fmgiert ihn einfach hinweg !" 309

Indem Seidler dann die praktische Lösung des Problems vom Privatrecht in die öffentliche Wirtschaftsgesetzgebung, -verwaltung und -politik verlagerte und letztlich damit doch beim Nennwertgrundsatz im Privatrecht blieb, vollzog er einen Richtungswechsel in seiner Darstellung. Sowohl dem Kurswertansatz Savignys als auch dem neuerdings von Zuckerkand! ins Gespräch gebrachten allgemeinen Tauschwertansatz fehle "jener feste Punkt", an dem die Kaufkraft des Geldes sicher bestimmt werden könnte. 310 Die Berücksichtigung von Warenpreisänderungen führe vielmehr in ein "Labyrinth technischer Schwierigkeiten". 311 Die Kaufkraftänderungen des Geldes, die auf den Preisänderungen der Kaufgüter beruhten, könnten auf privatrechtlichem Wege nicht beseitigt werden; sie seien "vom Wesen der Geldschuld unzertrennlich". So gelangte Seidler zu dem ernüchternden Ergebnis seiner Untersuchung, daß ,.eine civilrechtliche Lösung des Problems (... ), daß auf Grundlage wirtschaftlich gegebener Währungsverhältnisse (... ) die Geldschulden nach den Schwankungen des Geldwertes zu regulieren seien, in jeder Hinsicht undenkbar ist" .312

Es müsse währungsrechtlich und geldpolitisch ein "werthbeständiges Geld" geschaffen werden, so daß der Nennwertgrundsatz im Privatrecht kei308

Seidler, ebd., S. 696.

309

Seidler, ebd., S. 698.

310

Seidler, ebd., S. 700, 703.

311

Seidler, ebd., S. 700 (auch im folgenden).

312 Seidler,

ebd., S. 704 (auch im folgenden).

260

3. Teil: Industrielle Ausbau- lDld Regulienmgsphase

nen Schaden anrichtet. Dabei hoffte Seid.ler auf das Funktionieren des internationalen Goldstandards und des internationalen "Clearings" des Zahlungsverkehrs durch die Zentralbanken. 313 Seid.ler war damit wieder bei der geltenden privat- und währungsrechtlichen Ausgangslage angekommen. Er drehte sich mit seinen Tauschwertgedanken im Kreis. Es bleibt festzuhalten, daß die vereinzelt am Ende des 19. Jahrhunderts befürwortete rechtliche Relevanz von Kaufkraftänderungen des Geldes nicht zu einer Tauschwerttheorie als Alternative zum geltenden Nennwertgrundsatz führte. Endemann trat auf der Stelle und bildete seinen angedeuteten Ansatz einer Tauschwerttheorie auf den Geldkurswert zurück, so daß er im Ergebnis, ebenso wie Seid.ler - der keine praktikable Möglichkeit einer privatrechtliehen Egalisierung der Kaufkraftänderungen des Geldes sah - privatrechtlich beim Nennwertgrundsatz verblieb. Seid.ler war dann so konsequent, die Problemlösung vollständig in das öffentliche Währungsrecht und die Währungspolitik zu verlagern. Einen für das Privatrecht wirklich bedeutenden Fortschritt brachte demgegenüber die Konkretisierung des Geldtauschwerts anband von Preisstatistiken, insbesondere des Indexsystems, durch Zuckerkand.l. Auch er stellte aber nicht den Nennwertgrundsatz in Frage, sondern beschränkte von sich aus die Anwendung statistisch erfaßbarer Geldwertänderungen auf vertragliche Wertsicherungsvereinbarungen. Dafür trat er leidenschaftlich ein und verlangte eine zuverlässige amtliche Preisstatistik als Voraussetzung für die tatsächliche Durchführbarkeit von Tauschwertabreden. Gegen vom Nennwert abweichende Parteivereinbarungen hatte aber auch die dem Nennwertgrundsatz folgende Privatrechtswissenschaft und -gesetzgebung rechtlich nichts einzuwenden. Zuckerkand! wollte Tauschwertvereinbarungen nun "nur" praktikabel machen. Eine Tauschwerttheorie des Geldes ergibt sich daraus jedoch nicht. Letzten Endes zeigen die einer schuldrechtlichen Berücksichtigung des Geldtauschwerts durchaus zugeneigten Endemann, Seid.ler und Zuckerkand.l in ihren kritischen Stellungnahmen zum Nennwertgrundsatz nur, wie wohlreflektiert dieser über den Umweg von Savignys Kurswerttheorie im Verlauf des 19. Jahrhunderts herausgebildet wurde. Das wird besonders bei Seid.ler deutlich. Er trat mit der Behauptung an, daß die Jurisprudenz "hinter den Fortschritten der volkswirtschaftlichen Erkenntnis weit zurückgeblieben" sei. 314 Den gleichen Vorwurf wiederholte wenig später in abgemilderter Form der Ökonom Altmann: "Selbstverständlich" habe auch die deutsche Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts "bedeutsame Untersuchungen über das Geld und seine Funktionen zu Tage gefördert", die "nach mancher Seite 313

Seid/er, ebd., S. 706.

3 14

Seidler, ebd., S. 689.

13. Kap.: Tauschwertgedanken

261

hin neue Fragen über die Einzelfunktionen, vor allem auch über das Problem der Geldschuld", aufgeworfen haben. Soweit, so gut: "Einen Vorwurf kann man allerdings einem großen Teil der Rechtswissenschaftler nicht ersparen, daß sie nämlich Geldwert und Substanzquantum allzu sehr identifizierten und zu wenig mit der schwankenden Kaufkraft des Geldes rechneten. " 315 Wir müssen Altmann fragen, wie ein "Tauschwert" des Geldes rechtlich berücksichtigt werden sollte, wenn man nicht mit einiger verallgemeinerungsfahi.ger Sicherheit wußte, wie er berechnet werden soll. Über die ökonomische Bedeutung des Geldtauschwerts zeigte sich die Rechtswissenschaft spätestens seit Savigny gut informiert. Es oblag der Volkswirtschaftslehre, den Geldtauschwert für die Rechtspraxis bestimmbar zu machen. Soweit ihr das gelang, haben wir das rechtliche Spiegelbild in Savignys Kurswerttheorie gesehen. Erst Zuckerkand! ließ dann einen neuen, überhaupt rechtlich verwertbaren Ansatz eines "Geldtauschwerts" in Form von Preisindextabellen erkennen. Zu diesem Zeitpunkt war aber sowohl die Rechtswissenschaft als auch die Volkswirtschaftslehre längst zum Nennwertgrundsatz übergegangen. Was dabei die Abstraktion des Geldbegriffs und der Geldwertübertragung vom Geldmaterial anbelangt, war Hartmann sogar dem bis ins 20. Jahrhundert hinein ganz vorherrschenden ökonomischen Metallismus weit voraus. In der Behandlung der Banknoten als Geld und dem für gesetzliche Zahlungsmittel als Währungsgeld entwickelten Nennwertgrundsatz hielten die überwiegend Goldschmidt folgenden Pandektisten, in der Tat vom ökonomischen Metallismus überzeugt, mit den bedeutenden Ökonomen des ausgehenden 19. Jahrhunderts, Helfferich, Knies und Menger, Schritt. Es grenzt schon an Unlauterkeit, wenn Altmann im nachhinein genau dies den Juristen vorwarf. Bei Seidler haben wir gesehen, wie er mit betonter Berücksichtigung moderner - angeblich zuvor so vernachlässigter - wirtschaftlicher Erkenntnisse genau zu den gleichen Ergebnissen gelangte wie die Pandektisten, die ökonomische Erwägungen zwar nicht immer betonten, aber oft genug erkennen ließen. Sie befürworteten zwar das Nennwertprinzip, waren sich aber dabei vollkommen über die Bedeutung des Tauschwerts und von Tauschwertänderungen des Geldes bewußt. Die zentrale Überlegung stellte hier wie dort eine im Interesse des Geldverkehrs zwischen Privat- und Währungsrecht vorgenommene Form von "Arbeitsteilung" dar. Im Privatrecht sollte der währungsgesetzlich standardisierte Nennwert gelten und damit einen möglichst unkomplizierten Geldverkehr herstellen. Das Währungsrecht und die Währungspolitik sollten dafür Sorge tragen, daß der Geldtauschwert stabil bleibt und damit ein wertsicherer Zahlungsverkehr gewährleistet ist. Erfolgversprechend war diese 315 Altmann,

Geldlehre, S. 20 f.

262

3. Teil: Industrielle Ausbau-lDld Regulienmgsphase

"Arbeitsteilung", nachdem sich das Währungsrecht mit Einführung der Reichsgoldwährung in der Lage und die Währungspolitik willens zeigte, eine privatrechtliche Nennwertgeltung für gesetzliebe Zahlungsmittel durch langfristig dauerhafte Geldwertstabilität abzusichern. Um die Jahrhundertwende gab es keine begründete Tauschwertalternative zum Nennwertprinzip, so daß in der Folgezeit der vorläufigen Vollendung der Entwicklung vom metallischen Nennwert zum modernen Nominalismus kein Hindernis entgegengestellt wurde - es sei denn, man wollte für den Tauschwert wieder auf den Materialwert des Geldes rekurrieren.

14. Kapitel Vom Metallnennwert zum Nominalwert Der mit der Reichswährungsgesetzgebung im Vertrauen auf künftige Geldwertstabilität eingeleitete freiwilige Kompetenzverlust des Privatrechts für die rechtliche Bestimmung des Geldbegriffs und des Geldwerts wurde mit dem BGB nahezu vollendet. Indem das BGB die Frage nach dem Geldforderungsweft der Geldsummenschuld unbeantwortet ließ, erklärte es indirekt die Währungsordnung für zuständig. Die geltende Geldverfassung wurde ganz im Sinne Seidlers auf die währungsrechtliche und -politische Vermeidung von Geldwertänderungen bei schuldrechtlicher Nennwertgeltung ausgerichtet. Mit der nach der Wende zum 20. Jahrhundert verstärkt aufkommenden Frage, inwiefern der metallisch definierte Nennwert beibehalten werden muß oder zum Nominalismus- der Geltung des Nennwerts, obwohl das Geld als Ware betrachtet wertlos ist - übergegangen werden soll, befaßten sich nur noch die Währungs- und Wirtschaftspolitik und die Volkswirtschaftslehre. Den Anfang der wirtschaftspolitischen Entmaterialisierung des Geldes markiert die Erklärung der Reichsbanknoten zu gesetzlichen Zahlungsmitteln zum 1. Januar 1910. 316 Mit der dann 1914 erfolgenden kriegswirtschaftlichen Zwangsmaßregelung des Geldverkehrs wurde die Goldwährung systematisch demontiert. Das wollen wir im Hinblick auf die anschließende hyperinflationäre Geldentwertung genauer untersuchen, bevor wir im nächsten Abschnitt auf den theoretischen Ausgangspunkt für die Abkehr vom Metallismus des 19. Jahrhunderts zu sprechen kommen werden. Der anfangs noch heftig kritisierte Nominalismus des Nationalökonom Georg Friedrich Knapp setzte sich in der Volkswirtschaftslehre zusehends durch. Seine

316 Art. 3 des Gesetzes, betreffend die Änderung des Bankgesetzes vom 1. Juni 1909, RGBI. 1909, S. 515.

14. Kap.: Vom Metallnennwert zum Nominalwert

263

"staatliche Theorie des Geldes" 317 vollendete den währungsrechtlichen Nominalismus. Dieser profitierte als erster von der Offenheit des Geld- und Geldwertbegriffs im BGB. Abschließend soll auf historischer Grundlage der Nominalismus, der uns heute begegnet, privatrechtlich reflektiert und ein Ausblick auf seine Zukunft gegeben werden.

I. "Entgoldung" des Zahlungsverkehrs Die Erklärung der Reichsbanknoten zu gesetzlichen Zahlungsmitteln in der Bankgesetznovelle vom 1. Juni 1909 bildet den Schlußstein der letzten zu Friedenszeiten geführten politischen Diskussion über das bestehende Geldund Banksystem. Im Reichstag wurde lebhaft über den gesamtwirtschaftlichen Erfolg der bisherigen Reichsbankorganisation und ihrer Geldpolitik gestritten. In den Reichstagssitzungen vom 17./18. Februar 1909 holten die Agrarier und Birnetallisten noch einmal zur Generalkritik am Goldwährungssystem und der - gemessen an ihren Forderungen - zu stark an der Geldwertstabilität orientierten Politik der Reichsbank aus. In der konjunkturellen Krise 1907I 08 habe sich besonders die Hochzinspolitik, an der die ständige Überlastung des Kreditmarktes durch die Industrie "Schuld.. sei, zu Lasten des Geldbedürfnisses des gewerblichen Mittelstandes und der Landwirtschaft ausgewirkt. 318 Besonders die Landwirtschaft sei das "Stiefkind" und "Aschenbrödel" der Reichsbank. 319 Es müsse dem Beispiel Frankreichs folgend, das die Wirtschaftskrise unbeschadet überstanden habe, die "Freizügigkeit und Internationalität des Goldes" beschränkt werden, um so einen "Schutz der nationalen Goldreserve" zu errichten und damit die Grundlage der Geldschöpfung für Krisenzeiten zu erhalten. 320 Die Reichsbank dürfe nicht "Bank 317 KMpp, Staatliche Theorie des Geldes, 1. Aufl., Leipzig 1905. Zitiert wird die um den Abschnitt .. über den sogenannten Geldwert" (§ 24) ergänzte 2. Aufl. von 1918. 318 Kreth/K., Sten. Ber. RT 1909, Bd. 235, S. 7046, 7050: Die Industrie müsse .,ihre Unternehmungen mit ihrem eigenen Betriebskapital in Einklang bringen."; Ebenso Raab!WV., Sten. Ber. RT 1909, Bd. 235, S. 7078. 319 Kreth, ebd., S. 7046, 7048; Raab, ebd., S. 7078, der auch vor antisemitischen Anspielungen nicht zurückschreckte, indem die Reichsbank .,den Junkern neuesten Datums" diene. So faßte jedenfalls der jüdische Abgeordnete Frank!SPD ., Sten. Ber. RT 1909, Bd. 235, S. 7092 Raabs Einlassung auf.

°

32 Kreth, ebd., S. 7047; ebenso v. Gamp-Massaunen!DRP., Sten. Ber. RT 1909, Bd. 235, S. 7088 f.; vgl. auch Arendt/DRP., Sten. Ber. RT 1909, Bd. 235, S. 7056,

264

3. Teil: Industrielle Ausbau- Wld Regulienmgsphase

der Banken" sein, sondern müsse zu einem "Zentralinstitut der allgemeinen nationalwirtschaftlichen Interessen" werden, das sein Geld "bei eintretender Dürre über das dürstende Land" verteilt. 321 Die Konservativen hofften mit ihren Forderungen bei dem neuen Reichsbankpräsidenten Rudolf v. Havenstein das Gehör zu finden, das ihnen der in dieser Funktion von 1890 bis 1908 amtierende Koch verweigert hatte. 322 Noch mehr versprachen sie sich allerdings von einer staatlichen Übernahme des privaten Reichsbankkapitals, 323 also der vollkommenen Verstaatlichung der Reichsbank. 324 Dies sollte insbesondere auch dazu dienen, daß bei der schwierigen Haushaltslage die "Finanzinteressen des Reichs möglichst gewahrt werden". 325 Die Konservativen waren bereit, zu "tiefgreifenden systematischen Änderungen" der Reichsbankorganisation zu schreiten. 326 Diese Kritik an der Reichsbank konnte sich gegenüber der liberalen und sozialdemokratischen Reichstagsmehrheit nicht durchsetzen. Die Bankgesetznovelle sollte das bestehende Geld- und Banksystem in seinen Grundlagen zum einen der Goldwährung und zum anderen "dem Bestande der Reichsbank, welche die letzte und wichtigste Geld- und Kreditquelle der deutschen Volkswirtschaft ist und unabhängig von den Finanzen des Reichs unser Währungssystem sichert und schützt" - unangetastet lassen. 327 Es gehe mit der den langjährigen Reichsbankpräsidenten Koch in dessen Überzeugung vom Goldautomatismus persönlich angriff: "Die Grundsätze des früheren Reichsbankpräsidenten Dr. Koch, daß man(... ) nur dasitzen solle und ruhig zusehen, wie sich die Dinge entwickeln" seien nicht richtig gewesen. Dagegen auf liberaler Seite statt vieler Kaempf!FRVP., Sten. Ber. RT 1909, Bd. 235, S. 7065: "Vor allem aber werden wir es dem Herrn Reichsbankpräsidenten Koch niemals vergessen, welchen unerschütterlichen Widerstand er geleistet hat gegen alle bimetalistischen Gelüste und Ansprüche, und wie er die Goldwährung in Deutschland hochgehalten hat auch unter den größten Schwierigkeiten, die ihm bereitet wurden... 321

Kreth, ebd., S. 7046, 7048.

322

Kreth, ebd., S. 7046, 7049; Arendt/DRP., ebd., S. 7056.

323 Anteilseigner waren führende Industrielle und Privatbankiers, u.a. Rothschild, v. Mendelssohn-Bartholdy, v. Oppenheim und v. Siemens; Henning, Industrialisierung, S. 256. 324 Arendt!DRP., ebd., S. 7057; Kreth, ebd., S. 7047; Raab!WV., ebd., S. 7079; Wemer/REFP, Sten. Ber. RT 1909, Bd. 235, S. 7091. 325 Arendt!DRP., 326

ebd., S. 7054, 7057; Wemer/REFP., ebd., S. 7091.

Kreth!K., ebd .• S. 7050.

327 S. auch im folgenden v. Berhmann Hollweg/Bundesratsbevollmächtigter, Sten. Ber. RT 1909, Bd. 235, S. 7043; ebenso Weber/NL., Sten. Ber. RT 1909, Bd. 235, S. 7062; Franlc/SPD., ebd., S. 7077; Mommsen/DFVP., Sten. Ber. RT 1909, Bd.

14. Kap.: Vom Metallnennwert zum Nominalwert

265

Rückblick auf die Wirtschaftskrise 1907/08 darum, mit der Bankgesetznovelle die .. vorhandenen Grundlagen weiter auszubauen, Schritt- um Schritt mit dem Wachsen des deutschen Wirtschaftslebens und mit den Anforderungen, die in kritischen Zeiten unerwartet an die Reichsbank herantreten können". Für die hohen Kreditzinsen sei weder die Industrie noch die Reichsbank, sondern allein die falsche Finanzpolitik des Reichs verantwortlich. 328 Der neue Reichsbankpräsident Havenstein stellte im Reichstag als Kommissar der Bundesrats klar, daß die Zinssätze im übrigen solange schwanken werden, solange .. wir ein wirtschaftlich junges und stark aufstrebendes Volk sind", und dies nur zu vermeiden wäre, wenn .. wir uns aus dem Kampf um und auf dem Weltmarkt zurückzögen" - mithin .. wieder das stille Bienenvolk würden, das wir bis vor einem Menschenalter gewesen sind". 329 Die Reichsbank könne die Zinssätze nicht schaffen, sondern nur feststellen und ,.innerhalb sehr maßvoller Grenzen beeinflussen". 330 Die Reichsbank werde auch künftig ,.dem notwendigen internationalen Ausgleich in Gold nicht widerstreben dürfen" und die erfolgreiche bisherige Geldpolitik fortsetzen, wobei Havenstein besonders die sachverständige Unabhängigkeit des gesamten Reichsbankdirektoriums hervorhob. Auch die Sozialdemokraten lehnten die Verstaatlichung der Reichsbank ab. Ihr Redner Frank reagierte auf den Zuruf des konservativen Abgeordneten Kreth, daß dies doch eine .. Vergesellschaftlichung von Produktionsmitteln" darstelle, gelassen mit der Bemerkung, daß die Reichsbank nicht ..von einem Regulator des Geldwesens zu einer Kreditanstalt für Junker, die Geld brauchen", werden dürfe. 331

235, S. 7083; Kaempfl FRVP., ebd., S. 7068. Für ihn hatte sich herausgestellt, daß sich unsere Verhältnisse infolge der natürlichen Entwicklung der Aufwärts- und Abwärtsbewegung ( ... )von selbst wieder in Bahnen hineinbegeben haben, die als normale zu betrachten sind" (S.7065). Dagegen befürchtete er von einer Verstaatlichung der Reichsbank "die Beeinflussung der Bankleitung durch politische Interessen" (S. 7068). Auch die Zentrumspartei hatte den Eindruck, daß "die Reichsbank im großen und ganzen die Aufgaben, welche ihr durch das Gesetz von 1875 gestellt sind, erfüllt hat" und vielmehr eine "Stärkung der Aktionskraft der Reichsbank" wünschenswert sei; Speck!Z., Sten. Ber. RT 1909, Bd. 235, S. 7050. 328 KaempflFRVP., ebd., S. 7066; Vgl. auch Frank!SPD ., ebd., S. 7076, der konkret die Schutzzollpolitik seit 1878 zugunsten der Landwirtschaft für die Schieflage der internationalen Zahlungsbilanz verantwortlich machte. 329

7071.

Haven.stein!Kommissar des Bundesrats, Sten. Ber. RT 1909, Bd. 235, S.

330 Haven.stein,

ebd., S. 7072 (auch im folgenden).

33 1 Frank/SPD.,

ebd., S. 7078.

266

3. Teil: Industrielle Ausbau- und Regulienmgsphase

So beschloß der Reichstag zur Stärkung der Reichsbank, neben der künftigen Währungsgeldqualität ihrer Banknoten (Art. 3 der Novelle), die Minderung der Gewinnbeteiligung der Anteilseigner und des Reichs zugunsten der Goldreserve (Art. 1 der Novelle}, die Erhöhung des steuerfreien Notenkontingents (Art. 2 der Novelle}, die Möglichkeit zum Ankauf von Schecks zur Banknotendeckung (Art. 5 der Novelle) und die Erweiterung des Lombardverkehrs (Art. 6 der Novelle). Im Reichstag war man sich darüber einig, daß mit der Erklärung der Reichsbanknoten zu gesetzlichen Zahlungsmitteln "lediglich dem jetzt bestehenden tatsächlichen Zustande, daß die Banknoten vom Verkehre jederzeit als Zahlungsmittel angenommen werden, eine sichere rechtliche Grundlage" gegeben wird. 332 In das bestehende Goldwährungssystem werde dadurch nicht eingegriffen, da die Einlösepflicht für die Banknoten in Goldmünzen und die Golddeckung unverändert blieben. 333 Wie die Beispiele England und Frankreich bewiesen, stelle die gesetzliche Geldqualität von Banknoten für sich keine Gefahr für das Funktionieren des Goldautomatismus dar. Es sollte eine der "heutigen Übung entsprechende Erfüllung der Geldverpflichtungen auch für schwierige Zeiten", in denen es durch wirtschaftliche Krisen vorübergehend zu einem Geldmangel kommt, gesichert werden. Der Redner der Zentrumspartei, Speck, meinte jedoch, daß "hier und da im Lande die Besorgnis (bestehe}, daß in dem Papiergeldumlauf eine Gefahr für unsere Goldwährung erwachsen könnte". 334 Sein Parteifreund Stromheck stellte deshalb einen Ergänzungsantrag, der vorsah, privatrechtliche Goldmünzenvereinbarungen ausdrücklich gesetzlich zuzulassen. 335 Da die gesetzliche Zahlkraft der Reichsbanknoten im öffentlichen Interesse angeordnet werde, hielt er es "für zweckmäßig, daß dem Publikum die Möglichkeit, sich durch privatrechtliche Rechtsgeschäfte auch Goldzahlung zu sichern", gesetzlich garantiert wird. 336 Der konservative Abgeordnete Arendt nutzte diesen Antrag 332 Mot. zur BankgesetznoveUe, Sten Ber. RT 1909, Bd. 253, Anl. Nr. 1178, S. 11; Bethmann-Hollweg/ Bundesratsbevollmächtigter, Sten. Ber. RT 1909, Bd. 235, S. 7044; Mommsen!DFVP., ebd., S. 7086; Weber!NL., ebd., S. 7061; Kreth!K., ebd., S. 7049; Arendt!DRP., ebd., S. 7056. 333 S. außer den eben genannten und auch im folgenden Kaempf/FRVP., Sten. Ber. RT 1909, Bd. 235, S. 7068; Speck/Z., Sten. Ber. RT 1909, Bd. 235, S. 7051. 334

Speck!Z., ebd., S. 7051.

Abänderungsantrag Strombeck, Sten. Ber. RT 1909, Bd. 255, Anl. Nr. 1408: "§ 2 b Durch dem bürgerlichen Recht unterliegende Rechtsgeschäfte kann die Verpflichtung zur Zahlung einer Geldschuld in deutschen Goldmünzen begründet werden." 335

336

Strombeck/Z., Sten. Ber. RT 1909, Bd. 236, S. 8427.

14. Kap.: Vom MetalJnennwert zum Nominalwert

267

dazu, seine Zweifel an der Zulässigkeil von Goldklauseln zu wiederholen. 337 Ebenso wie er früher in Privatrechtswissenschaft und Gerichtspraxis keinen Zuspruch finden konnte, stellte nun der freisinnige Abgeordnete Dove für die Reichstagsmehrheit klar, daß die Goldmünzenvereinbarung "nach wie vor zulässig ist". 338 Es habe sich bei der Goldmünzenklausel "immer darum gehandelt, die damals zulässige Zahlung in Talern auszuschließen; es ist also nichts geändert, wenn jetzt gesagt ist, daß die Banknoten Zahlungmittel sind". Dove wollte, daß "darüber kein Zweifel entsteht". Von der konservativen Minderheit abgelehnt und von der Reichstagsmehrheit für überflüssig gehalten, zog Stromheck seinen Antrag zurück. Die Bankgesetznovelle von 1909 befand sich somit, insbesondere mit der Währungsgeldeigenschaft für Reichsbanknoten, noch vollständig im Einklang mit dem Goldwährungssystem und dessen Geldwertstabilitätsbedingungen. Trotz der Erklärung der Banknoten zu gesetzlichen Zahlungsmitteln kann auch noch nicht von einer reinen Papierwährung gesprochen werden, da die Banknoten auf Verlangen zu ihrem Nennwert in Goldmünzen eingetauscht werden mußten. Wertmaßstab blieben damit nach wie vor die Goldmünzen. Künftige konjunkturelle Wirtschaftskrisen sollten durch die Erweiterung der Goldreserve und der gesetzlichen Zahlungsmittel überwunden werden. Vor allem auf konservativer Seite hatte man im Reichstag bereits die Herausforderungen, die ein Krieg an das Geldwesen stellen würden, vor Augen und versuchte dies für tiefgreifendere Reformen zu nutzen. 339 Die liberale Reichstagsmehrheit hielt die getroffenen Regelungen aber auch dafür für vorläufig ausreichend. 340

337 Arendt/DRP.,

Sten. Ber. RT 1909, Bd. 236, S. 8427.

Sten. Ber. RT 1909, Bd. 236, S. 8428 (auch im folgenden); vgl. auch Breit, BankG, S. 69 f. 338 Dove!DFVP.,

339 Arendt/DRP., Sten. Ber. RT 1909, Bd. 235, S. 7053 bezweifelte, daß im Kriegsfall "wir auch bei einer solchen wirklichen Feuerprobe mit unseren Einrichtungen bestehen." Kreth/K., Sten. Ber. RT 1909, Bd. 235, S. 7047 sprach von den "Geheimnisse(n) der fmanziellen Kriegsbereitschaft".

°

34 Kaempf!FrVp., Sten. Ber. RT 1909, Bd. 235. S. 7069; Reichsbankpräsident Havenstein, Sten. Ber. RT 1909, Bd. 235, S. 7073 betonte, daß das Kapital der Reichsbank, wenn es im Privateigentum stehe, vor einer feindlichen Beschlagnahme im Kriegsfall eher geschützt als Staatskapital sei und führte dafür Beispiele aus der Geschichte an.

268

3. Teil: Industrielle Ausbau- 1md Regulienmgsphase

Das änderte sich 1914 mit dem Übergang zur Kriegswirtschaftsordnung. Die Geldverfassung wurde zur reinen Papierwährung umgestaltet. 341 Die Goldwährung und den Goldautomatismus setzten mehrere Einzelgesetze, die der Reichstag am 4. August 1914 ohne vorherige Beratungen en bloc beschloß, 342 außer Kraft. Im einzelnen wurde der Zahlungsverkehr durch folgende Maßregelungen entgoldet: (1.) Die Einlösepflicht der Banknoten und Reichskassenscheine in Gold wurde rückwirkend zum 31. Juli 1914 aufgehoben (§§ 2, 3, 5 RksBknG). 343 (2.) Reichskassenscheine waren von nun an gesetzliche Zahlungsmittel (§ 1 RksBknG). (3.) Scheidemünzen konnten statt in Goldmünzen auch in Reichsbanknoten oder Kassenscheine eingelöst werden. 344 ( 4.) Die Notensteuer auf übermäßige Papiergeldausgabe wurde für die Reichsbank aufgehoben ( § 1 NovBankG). 345 (5.) Zur Banknotendeckung waren Reichsschuldverschreibungen gleich den Wechseln zulässig(§ 3 NovBankG). Genau hierin lag das Einfallstor zur Kriegsfinanzierung durch die Notenpresse. 346 (6.) Um den Kreditbedarf der Wirtschaft zu befriedigen, wurden sogenannte Darlehenskassenscheine als neue Zahlungsmittel in Umlauf gebracht, die zwar nicht im Privatverkehr, aber von den öffentlichen Kassen angenommen werden mußten und insbesondere auch zur Banknotendeckung zugelassen wurden (§ 2 DksG). 347 (7 .) Zahlungen ins feindliche Ausland wurden verboten. 348 Ebenso wie diese Zahlungsverbote beruhte (8.) die Unwirksamkeitserklärung aller zur Zahlung in Goldmünzen verpflichtenden bisherigen Vertragsvereinbarungen349 bereits auf bloßen Bundesratsverordnungen. 350 Die Goldmünzenklauseln wurden dadurch rückwirkend für unwirksam erklärt.

341 Vgl. Sprenger, Geld der Deutschen, S. 205. Die "finanzielle Mobilmachung" im Kriegsfalle war selbstverständlich und schon zu Friedenszeiten umfassend vorbereitet; Breit, BankG, 1911 , S. 113 m.w.N.

342 Sten. 343

347. 344

Ber.RT 1914, Bd. 306, S. 8 f.

Gesetz, betreffend die Reichskassenscheine und Banknoten, RGBI. 1914, S. Münzgesetznovelle, RGBI. 1914, S. 326.

345

Bankgesetznovelle, RGBI. 1914, S. 327.

346

Sprenger, Geld der Deutschen, S. 205.

347

Darlehnskassengesetz, RGBI. 1914, S. 340.

348

RGBI. 1914, S. 421 (England), 443 (Frankreich), 479 (Rußland).

349 Verordnung

über die Unverbindlichkeit gewisser Zahlungsvereinbarungen, RGBI. 1914, S. 417. 350 Der Bundesrat wurde am 4. August 1914, RGBI. 1914, S. 327 durch eine Generalklausel gesetzlich dazu ermächtigt, "während der Zeit des Krieges diejenigen

14. Kap.: Vom Meta11nennwert zum Nominalwert

269

Übereinstimmendes Ziel der das bisherige Geldsystem auf den Kopf stellenden Maßnahmen war es, während des Krieges dem Privatverkehr Gold zu entziehen. So sollte die Goldreserve der Reichsbank zur expansiven Geldschöpfung, bei vorschriftsmäßiger Golddritteldeckung der Banknoten, erhöht werden. 351 Eine inflationäre Geldentwertung wurde dabei bewußt in Kauf genommen. Die Inflationsfolgen sollten während des Krieges durch die staatliche Festlegung von Höchstpreisen verdeckt werden. 352 II. Theorie des modernen Nominalwertprinzips Ein unglücklicherer geld- und wirtschaftspolitischer Hintergrund für Knapps Nominalismustheorie ist kaum denkbar. Um Mißverständnisse von vornherein zu vermeiden, sei vorab klargestellt, daß Knapp seine "staatliche Theorie des Geldes" 1905 für wirtschaftliche "Normalbedingungen" zu Friedenszeiten konzipierte und er deshalb keinesfalls für die kriegsbedingten geldpolitischen Ausuferungen in der Folgezeit verantwortlich gemacht werden kann. Es war auch nicht der Übergang zur Papierwährung an sich, sondern schlichtweg der politische Wille, zur Kriegsfinanzierung übermäßig Geld zu schöpfen, der zur Inflation führte. Die Reichsbank hatte im übrigen durch den gezielten Ausbau des Giroverkehrs schon lange Zeit vor dem Übergang zur Kriegswirtschaftsordnung an den Goldreserven vorbei in erheblichem Maße Geld geschöpft, und zwar ohne nachteilige Auswirkungen auf die Geldwertstabilität. So konnte Knapp am Ende des Krieges zu Recht gelassen reagieren. Es könne nicht darum gehen, die wegen des Krieges ausgeartete Papiergeldwirtschaft zu beklagen; "sondern darauf kommt es an, wie man diesen Zustand nach eingetretenem Frieden wieder heilt." 353 Knapps Theorie ist nicht vor dem Hintergrund des Krieges zu verstehen, sondern kann nur im Rahmen des fortschreitenden wirtschaftlichen Wachstums gegesetzlichen Maßnahmen anzuordnen, welche sich zur Abhilfe wirtschaftlicher Schädigungen als notwendig erweisen" (§ 3 dieses Gesetzes). 351 Mot. zur Münzgesetznovelle, Sten. Ber. RT 114, Bd. 315, Anl. 7; Mot zum RKsBKnG, Sten. Ber. RT 1914, Bd. 315, Anl. 8; Mot. zur Bank:gesetznovelle, Sten. Ber. RT 1914, Bd. 315, Anl. 10. 352 Auf Grundlage des Gesetzes, betreffend Höchstpreise vom 4. August 1914, RGBI. 1914, S. 339 wurden für zahlreiche, vor allem kriegsrelevante Waren Höchstpreise festgesetzt, z.B. für Getreide und Kleie (RGBl. 1914, S. 462), Ammoniak (RGBl. 1914, S. 500), Kupfer, Messing, Bronze, Aluminium, Nickel und Zinn (RGBI. 1914, S. 501) und Wolle/Wollwaren (RGBI. 1914, S. 545). 353

Knapp, Staatliche Theorie, S. 433, 445.

3. Teil: Industrielle Ausbau- 1md Regulienmgsphase

270

sehen werden. Es bestand deshalb ein entsprechendes Expansionsbedürfnis der GeldumlaufsmitteL Dieses Bedürfnis hatte insbesondere zur gesetzlichen Zahlungsmitteleigenschaft der Reichsbanknoten, aber außerdem beispielsweise auch zum Scheckgesetz geführt. Knapps "Staatliche Theorie des Geldes" beruht auf der These, daß das Geld ein "Geschöpf der Rechtsordnung" ist. 354 Er meinte in der Geltung einer nur nominal definierten Werteinheit das gemeinsame und deshalb entscheidende Element aller Geldordnungen gefunden zu haben, seitdem man dazu übergegangen sei, metallene Zahlungsmittel nicht mehr als Waren abzuwiegen, sondern ihr Gewicht durch die Rechtsordnung zu deklarieren. 355 Das Geld müsse nun überhaupt nicht mehr durch eine Metallmenge definiert werden, sondern nur das "erste Glied in der historischen Kette der Definitionen" sei so festgelegt gewesen. 356 Die "Rechtsbildung des Zahlverbandes schafft die Werteinheit"; der Staat sei zwar nicht die einzige, aber die "gewöhnlichste, älteste Zahlgemeinschaft" und lege als solche die nominale Geltung einer Werteinheit fest. 357 Dieses rechtliche - wohlgemerkt nicht privatrechtliche, sondern staats- und verwaltungsrechtliche - Element wollte Knapp als Ökonom in der Geldtheorie zur Geltung bringen. Dabei betrachtete er, wie schon Hartmann, das Geld ausschließlich in seiner Funktion als Zahlungsmittel. Knapp definierte das Wesen des Geldes aber nicht als Zahlungsmittel im Privatverkehr, sondern gegenüber dem Staat. Nicht die gesellschaftliche, sondern "die staatliche Akzeptation begrenzt( ... ) den Umfang des staatlichen Geldsystems". 358 Es sollte so möglich sein, auch ohne Stoffwert des Geldes namentlich eine Papiergeldverfassung zu begründen und aufrecht zu erhalten. 359 Allein die 354 Knapp,

Staatliche Theorie, S. 1.

Knapp, Staatliche Theorie, S. 17; ders .• Rechtshistorische Grundlagen, in: Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft 30 (1906), s. 936. 355

356

Knapp, Rechtshistorische Grundlagen, S. 938.

35 7

Knapp, Staatliche Theorie, S. 137.

Knapp, Staatliche Theorie, S. 86. Vgl. besonders auch ders., Rechtshistorische Grundlagen, S. 928: "Es wäre ein großer Irrtum, zu glauben, daß (... ) private Erwägungen an letzter Stelle den Geldgebrauch maßgebend in Ordnung halten. Nicht stillschweigende Übereinkunft, nicht Gewohnheitsrecht, sondern staatliche Gebote liegen unserer Geldverfassung zugrunde. Wer sich diesen Geboten widersetzt, der stößt auf die Gerichtsherrschaft des Staates und könnte erleben, daß der Staat ihn zwingt, nach den herrschenden Regeln zu zahlen oder sich regelrechte Zahlungen gefallen zu lassen." 358

359 Knapp,

Staatliche Theorie, S. 130 ff.

14. Kap.: Vom Metallnennwert zum Nominalwert

271

rechtliche Geltung machte für Knapp eine bestimmte Sache im Inland zum Zahlungsmittel, unabhängig von ihrer "technischen" 360 Gestalt oder ihrem wirtschaftlichen Wert. Das Papiergeld steht in dieser Sicht als Währungsgeld gleichwertig neben dem Münzgeld. Während so innerhalb eines Staates die Geltung der Geldarten allein auf staatlicher .,Autorität" beruhe, seien lediglich die "intervalutarischen Verhältnisse", die "Wechselkurse", eine .,merkantile", soll heißen marktwirtschaftliche Erscheinung. 361 Die Befestigung des Kurses zwischen zwei Währungen müsse in jedem Falle administrativ reguliert werden und sei in der Theorie nicht auf die Goldparität der Geldverfassungen angewiesen. 362 Der Geldwert und seine Änderungen spielte für Knapps - nur das Wesen des Geldes analysierende - Geldtheorie keine Rolle. Selbst nach der Inflation lehnte Knapp den Geldwert als "nebelhaften Ausdruck" bereits begrifflich ab und schob die Verantwortung für die Geldentwertung von der Geld- auf die Warenseite der Volkswirtschaft, namentlich auf die durch den Krieg "gestörten Handelsbeziehungen" zum Ausland und die "Störungen auf dem inneren (insbesondere dem Arbeits-)Markte". 363 Obwohl Knapp nicht als pragmatischer, sondern analytischer Theoretiker verstanden werden wollte364 - als Pragmatiker vielmehr selbst die Goldwährung befürwortete -365 rief seine Vernachlässigung des Geldwerts erhebliche Kritik hervor. Die Metaltisten zeigten Knapp durchaus Dankbarkeit für "die Aufrüttelung aus geistiger Bequemlichkeit, die uns ohne seinen Widerspruch gedroht hätte", würdigten die Staatliche Theorie als "Meisterwerk logischen Aufbaus" und bemühten sich teilweise von Anfang an um eine Verständigung zwischen Metallismus und Nominalismus. 366 Neben der staatlichen müsse aber in je-

°Knapp, Rechtshistorische Grundlagen, S. 941.

36

361

Knapp, Staatliche Theorie, S. 203, 205.

362 Knapp,

940.

363

Staatliche Theorie, S. 212 f.; ders., Rechtshistorische Grundlagen, S.

Knapp, Staatliche Theorie, S. 443.

364 Knapp,

Theorien des Geldwesens, in: Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft, 33 (1909), S. 429 ff. (431). 365 Knapp, Staatliche Theorie, S. 133: "Darin besteht die Papierwirtschaft, so schlimm sie auch sei; und dieser Vorgang ( ...) muß hier festgestellt werden; worin doch nicht die geringste Empfehlung liegt. Auch die ökonomischen Polgen sind eine Sache für sich."; ders., Rechtshistorische Grundlagen, S. 938: "Wohl aber kann man das Metall aus dem Geldwesen hinauswerfen(... ), aber man tut vorläufig besser, das Metall noch beizubehalten." 366 Lotz, Knapps neue Geldtheorie, in: Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft 30 (1906), S. 1213, 1252; Bortkiewicz, Kon-

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3. Teil: Industrielle Ausbau- tmd Regulienmgsphase

dem Fall .,auch die wirtschaftliche Geldtheorie ihr Recht" behalten, "und der Staat wird wohl daran tun, bei der Gestaltung der Rechtsordnung des Geldes sich nach dieser zu richten". 367 Insbesondere der Geldwertbegriff solle von zentraler Bedeutung für die Geldtheorie bleiben. Zwar sei eine staatslose Geldtheorie nicht denkbar, aber die rechtliche Ordnung müsse sich darauf beschränken, den "Schutz der ausschließlichen Verfügung über ein Gut" und die .,freie Veräußerlichkeit desselben", also Eigentums- und Vertragsfreiheit, zu garantieren und sich weniger auf eine "bewußt eingreifende Verwaltung" des Geldwesens verlegen. 368 Nur in einer sozialistischen Wirtschafts- und Rechtsordnung sei die "Ausscheidung alles stofflichen Geldes ganz konsequent". Knapp gehe aber in seiner Argumentation "durchweg von der heutigen (marktbestimmten) Wirtschaftsordnung aus". Für diese sei jedoch charakteristisch, daß sich die Preisbildung einer staatlichen Regelung entziehe. Bei allen bisherigen hoheitlichen Versuchen, das Geld von seinem wirtschaftlichen Wert zu trennen, habe sich letztlich immer der reale Geldwert gegen die staatliche Anordnung durchgesetzt. 369 Erst das im 19. Jahrhundert gewonnene "Vertrauen auf die finanzielle Solidität des Staates" mache eine "einigermaßen haltbare Papiergeldwirtschaft" überhaupt denkbar. 370 Diese könne aber nur auf Währungsgrundlage des Goldes funktionieren, dessen Warenwert den Geldwert stabil halte und dem Einzelnen die Möglichkeit gebe, sich bei Geldentwertung aus dem Stoffwert zu befriedigen. Das Edelmetall bleibe Wertmesser, auch wenn mittlerweile die "meisten Zahlungen tatsächlich in Forderungen" auf (Metall-)Geld - gegen den Emittenten von Papiergeld oder aufgeschoben im Giro- und Scheckverkehr - geleistet werden würden. 371 Für die rechtliche Geldordnung komme es darauf an, "das Geldsystem so ein(zu)richten, daß nicht Umwertungen der Werte durch das Geldsystem zu den vielen Wertänderungen hinzutreten, die bei freier Preisbildung

sequenzen des Nominalismus, in: Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft 30 (1906), S. 1344. 367 Lexis, Knappsehe Geldtheorie, Jb. f. Nationalökonomie und Statistik, 3 F., Bd. 32 (1906), s. 534 (544 f.). 368 Lotz,

Knapps neue Geldtheorie, S. 1214 ff., 1233 (auch im folgenden).

369 Selbst als die französische Regierung 1793 die Zurückweisung ihrer Assignaten oder die Annahme mit Disagio durch Todesstrafe und Güterbeschlagnahme bedrohte, war der französische Staat letztlich wegen der Geldentwertung gezwungen, dieses Papiergeld vom Markt zu nehmen; Lotz, ebd., S. 1218 f., 1230; Lexis, ebd., s. 542. 370 Lexis, 371 Lotz,

ebd., S. 540.

ebd., S. 350.

14. Kap.: Vom Metallnennwert zum Nominalwert

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in unserem Wirtschaftsleben aus den in den Waren liegenden Gründen unvermeidlich sind", was nur die Metallwährung sicherstelle. 372 Zwischen diesem im 19. Jahrhundert die Nationalökonomie und Rechtswissenschaft beherrschenden Metallismus und Knapps staatlichem Nominalismus vermittelte die Geldfunktionentheorie unter der Prämisse Simmels: "Aus der Abwehr des dogmatischen Wertes des Geldes dürfen wir nicht in ein Dogma von seinem Nichtwert verfallen." 373

Der Geldwert gehöre in der Funktion, Warenwerte zu messen, zum Wesen des Geldes, 374 das auf dem sozialen Vertrauen in die Eintauschbarkeit des Geldes gegen Güter gründe. 375 Der Geldwert und damit die soziale Akzeptanz des Geldes könne und müsse aber auch unabhängig vom Materialwert geldpolitisch - erhalten werden. 376 In der Geldfunktionentheorie erscheint der Nominalismus nicht, wie bei Knapp, als auf einem hoheitlichen Befehl beruhend, sondern ist an einen administrativ tatsächlich stabil gehaltenen Geldwert geknüpft. Der Staat und die Rechtsordnung sind an diese ökonomische Grundbedingung für eine funktionierende Geldwirtschaft bei Neonwertgeltung gebunden. Altmann nannte dies deshalb treffend "wirtschaftlichen Nominalismus". 377 372 Lotz, ebd., S. 1220; ebenso Knies, Lexis, Mengerund in der sozialistischen Wirtschaftstheorie Rudolf Hilferding; Hardach, Abschied vom Gold, in: Studien zur Entwicklung der ökonomischen Theorie VIII, S. 148. 373 Simmel, Philosophie des Geldes, S. 129; ebenso Helfferich, Geld, S. 334 in Fßn. 1, 478 ff. Der Geldfunktionentheorie und dem nichtstaatlichen Nominalismus werden ferner zugerechnet: Ludwig v. Mises, Philippovich und Adolph Wagner; Winkel, Geldtheorie, S. 8; Hardach, Abschied vom Gold, S. 148 f. 374 Simmel,

Philosophie des Geldes, S. 115, 151.

Wagner, Sozialökonomische Theorie des Geldes, S. 121: "Geld im vollen ökonomischen und rechtlichen Sinn ist dann dasjenige Objekt, welches herkömmlich in einem Verkehrsgebiet allgemein als Tauschmittel und Wertmaß und als rechtliches Zahl- und Schuldlösungsmitel unter den verkehrenden Personen auf Grund des Vertrauens benützt wird, daß es, wie vomEmpfangerund Besitzer, in der gleichen Weise von anderen benützt, daher in Zahlung als voller Gegenwert angenommen wird." 375

376 Bortkiewicz, Konsequenzen des Nominalismus, S. 1340. Helfferich, Geld, S. 72 f., 483 führt als historisches Beispiel die Papiergeldwirtschaft in England zwischen 1792 und 1824 an, wo es den "Maßregeln der Bankpolitik und der staatlichen Finanzpolitik" gelungen sei, das Papiergeld auf volle Parität mit dem Münzgeld zu bringen; vgl. auch Wagner, ebd., S. 118 ff. Simmel, ebd., S. 136 meinte jedoch, daß das Geld "wegen gewisser Unvollkommenheiten der ökonomischen Technik" einen "Rest von substantiellem Werte" wohl nicht abstreifen könnte. 377 Altmann, 18 Ott

Geldlehre, S. 34.

274

3. Teil: Industrielle Ausbau- 1md Regulienmgsphase

Im Zusammenhang mit der durch die Schutzzollgesetzgebung 1878 begonnenen Entwicklung von der kurzen Phase des politisch überwiegenden Wirtschaftsliberalismus zur zunehmenden staatlichen Interventionspolitik und Steuerung des Wirtschaftsverkebrs, im bisweilen sogenannten "organisierten Kapitalismus", 378 fand Knapps währungsrechtlicher Nominalismus besonders nach 1914 recht schnell weite Verbreitung. 379 Bis dahin überwog noch der Metallismus. Einer der ersten Anhänger von Knapp, Friedrich Bendixen, konnte 1918 feststellen: "Mancher metallistische Saulus ist zum nomina-

listischen Paulus geworden. " 380

Die weite Verbreitung des strengen Nominalismus in Knapps staatlicher Ausformung bezeichnet Rardach heute als "deutschen Sonderweg", der auf der innigen Beziehung der herrschenden deutschen Volkswirtschaftslehre zur Staatsführung beruht haben soll. 381 In der Tat war die systematische Demontage der Goldwährung, unter bewußter Iokaufnahme der Inflation, theoretisch - wenn überhaupt - nur auf Grundlage von Knapps staatlicher Geldtheorie zu erklären und - wenn Rardach so will - zu rechtfertigen. ID. Privatrechtliche Reflexion und Ausblick

1. Geldrechtliches Nominalwertprinzip Der ausformulierte und praktizierte, heute sogenannte "geldrechtliche" oder- genauer- "währungsrechtliche" 382 Nominalismus, wonach die einzelne Geldeinheit unabhängig von ihrem wirtschaftlichen Wert schuldrechtsverbindlich währungsgesetzlich definiert und dies währungspolitisch begründet

378 Hardach,

ebd., S. 153.

Neben Priedrich Bendixen feierte besonders Herbert Döring die staatliche Geldtheorie als "Markstein in der Geschichte der deutschen Geldliteratur" und Max Weber bezeichnete sie als "das großartigste Werk des Fachs"; zit. nach Hardach, ebd., S. 147; vgl. auch Winkel, Geldtheorie, S. 7. 379

380 Bendixen, 381

Wesen des Geldes, S. V.

Hardach, ebd., S. 149.

Entgegen BAG NJW 1973, 959, das das Nominalwertprinzip zum "Ordnungsgefüge des Zivilrechts" rechnete, ist das Nominalwertprinzip heute als Ordnungsprinzip der geltenden Währungsordnung und Wirtschaftspolitik und nicht des Privatrechts zu verstehen; so insbesondere auch BVerfG NVwZ 1990, 356 vom 15.12. 89. 382

14. Kap.: Vom Metallnennwert zum Nominalwert

275

wird383 , ist nach dem eben Gesagten - ausgehend von Knapp - die theoretische Schöpfung der Volkswirtschaftslehre seit Beginn des 20. Jahrhunderts384 und nicht der Pandektenwissenschaft. Diese stand in der Zeit ihres geldtheoretischen Wirkens im 19. Jahrhundert fest auf dem Boden des Metallismus. Teilweise konnten zwar bereits nominalistische Vorstellungen, etwa bei Hartmann oder Kuntze und in der Banknotenfrage auch bei Windscheid, festgestellt werden. Diese waren aber immer nur entfernte Visionen in dem bis 1914 völlig unbestritten geltenden währungsrechtlichen Metallgeldsystem. Selbst die dann erfolgende geldpolitische Aushebelung der Metallwährung war nur als eine vorübergehende Kriegsmaßnahme gedacht, und in der Tat kehrte man 1924 wieder zur Goldwährung zurück. 385 Die deutsche Goldwährung endete erst, als mit der Weltwirtschaftskrise 1931 abermals die Goldeinlösungspflicht für die Banknoten aufgehoben wurde und schließlich im Nationalsozialismus die Geldpolitik von Anfang an zur Befriedigung staatlicher Finanzierungsinteressen mißbraucht wurde. 386 Heute kommt im Nennwert von Banknoten und Münzen nicht mehr ein konkreter Vermögenswert, sondern nur noch nominale Vermögensmacht zum Ausdruck. Mit dem Wegfallen des Materialwertes von Geld als Bindeglied zwischen den Geldstücken und ihrer Kaufkraft ist der schuldrechtlichen Nennwertgeltung der direkte Bezug zur Vermittlung wirtschaftlichen Werts abhanden gekommen. Das erkannte scharfsinnig bereits 1917 Martin Wolff: "Leistung einer Geldsumme bedeutet vielmehr die Verschaffung einer unkörperlichen (!) Vermögensmacht von bestimmter rechnerischer Größe. ( ... ) Die Verpflichtung geht daher auf Übereignung solcher Sachen, die zur Zeit der Übereignung Geld sind, und so vieler derartiger Sachen, daß die in ihnen verbrieften Rechnungsgrößen nach ihrem Nennwert zusammen die geschuldete Geldsumme betragen. Ob die Geldstücke Papiergeld oder Metallgeld sind, ob ablehnbar oder unablehnbar (!), ist gleichgültig." 387

Der geldtheoretische Nominalismus ist heute insofern schuldrechtlich aufgenommen, als die summenmäßige Verpflichtung zur Geldwertverschaffung

383 Vgl. Maydell, Geldschuld und Geldwert, S. 90; Hahn, Geldrechtlicher Nominalismus, S. 251 ff.; ders., Währungsrecht, S. 77 ff.

384 Vgl. Hahn, Währungsrecht, S. 79; Schmidt, Staatliche Theorie, S. 83 ff. 385 Hardach,

Abschied vom Gold, S. 162 f.

386 Hardach, ebd., S. 164. 387

Wolff, Geld, in: Ehrenbergs Handbuch des ges. Handelsrechts IV/1, S. 637.

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3. Teil: Industrielle Ausbau- Wld Regulienmgsphase

nur auf Übertragung rechnerisch bestimmter, "abstrakter" Vermögensmacht und nicht auf Realwertverschaffung gerichtet ist. 388 Der Übergang vom Metallismus zum Nominalismus im Währungsrecht und in der Volkswirtschaftslehre ist dennoch im Privatrecht bis in die jüngste Zeit nicht vollständig gelungen. 389 Vor kurzem gab es nicht wenige Juristen, die in der Geldschuld eine reine Sachsehuld sehen wollten. 390 Zu Beginn der achtziger Jahre unseres Jahrhunderts mußte namentlich gegen Ernst Wolf391 festgestellt werden, daß die Geldschuld "Wertverschaffungsschuld" ist und der Schuldner nicht Geldzeichen als Gattungssachen zu leisten hat. 392 In der Vorstellung des Geldes als eines körperlichen Gegenstandes liegt genau das Problem, das wir noch immer mit der schuldrechtlichen Integration des Giralgeldes in den Zahlungsverkehr haben und mit der fortschreitenden Verbreitung des elektronischen Zahlungsverkehrs bekommen werden. Es ist hinsichtlich des Giralgeldes erforderlich, den privatrechtliehen Geldbegriff von der Fixierung auf das gesetzliche Zahlungsmittel zu lösen und funktional zu erweitern. 393 Andernfalls laufen wir Gefahr, daß sich das Geldschuldrecht vom tatsächlichen Geldverkehr zu weit entfernt und zu schwerfallig wird, um die immer mehr beschleunigten Geldzahlungen den individuellen und damit allgemeinen Verkehrsinteressen angemessen rechtlich zu handhaben.

388 Maydell, Geldschuld und Geldwert, S. 11; Schmidt, Geld und Geldschuld, in: JUS 1984, S. 741; ders., in: Staudinger, BGB 12. Aufl., Vor§ 244, Rdn. C 2, 7; Similis, Sonderstellung des Geldes, in: AcP 159 (1960/61), S. 443 ff. jew. m.w.N. 389 Nach der Hyperinflation in der Weimarer Republik erblickte gegen M. Wolff zuerst Nußbaum, Geld, S. 67 ff. in der Geldschuld wieder eine Sachschuld, dagegen ging dann Tiemann, Geldschuld, 20 ff. von einer nominalen Wertschuld aus, ehe 1941 Peitmann, Grundlagen des Geldes, S. 55 ff. zur Sachsehuld zurückkehrte. Zur Entwicklung der Geldschuldlehre in der Weimarer Zeit Schwander, Geldschuldlehre, s. 53 ff. 390

Soergel/Schmidt, BGB, 10. Aufl., § 244, Rdn. 1; Wolf, SchuldR I, S. 148 ff.

39l

Wolf, ebd., S. 148 ff.

392 Schmidt, Geld und Geldschuld, in: JUS 1984, S.741; ders., in: Staudinger, BGB, 12. Aufl., Vor§ 244, Rdn. C 4, 7. 393 Eine dem tatsächlichen Giroverkehr entsprechende "sekundärrechtliche", soll heißen privatrechtliche, Ausdehung des Begriffs vom gesetzlichen Zahlungsmittel auf das Giralgeld schlägt Samm, Geld und Währung, S. 244, vor.

14. Kap.: Vom Metallnennwert zum Nominalwert

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2. Geldwertänderungen Solange Abweichungen zwischen nominaler und realer Vermögensmacht der geschuldeten und geleisteten Geldsumme geldpolitisch in kalkulierbarem Rahmen gehalten werden, stellt sich nicht die Frage nach der "Gerechtigkeit" des schuldrechtlichen Nominalwertprinzips. Realistisch betrachtet, berücksichtigt jeder Einzelne die üblichen Veränderungen des Geldtauschwerts bei der Preisbildung. Überschreiten Geldwertänderungen aber diesen Rahmen, so entstehen durch den Nominalismus Unausgewogenheiten bei der Interessenverwirklichung. 394 Die von den Parteien bei Begründung des Schuldverhältnisses vorausgesetzte Wertäquivalenz von Leistung und Gegenleistung wird außerhalb ihrer Einflußmöglichkeiten und Erwartungshaltung gestört. Davon ist das privatrechtliche Gebot der Einzelfallgerechtigkeit betroffen. Überdies greift das bestehende Verbot von Wertsicherungsvereinbarungen in ein weiteres Grundprinzip unserer Privatrechts- und Wirtschaftsordnung, die Privatautonomie, ein. 395 Rechtsklarheit und Rechtssicherheit garantiert der Nominalismus dagegen heute nicht mehr allein. Als klare und sichere Alternative steht die Indexobligation, im Zweifel nach Maßgabe des vom Statistischen Bundesamt monatlich errechneten Preisindex für Lebenshaltung aller privaten Haushalte, zur Verfügung. 396 Die Nominalwertgeltung ist lediglich bequemer.

394 Vgl. nur Amim, Der ausgebeutete Geldwertsparer, in: ZRP 1980, S. 201; Bettermann, Nominalismus, in: RdA 1975, S. 3; Reichert-Facilides, Geldentwertung und Recht, in: JZ 1974, S. 485. Medicus, Schuldrecht I, S. 87 bezeichnet die Nichtregelung des Problems der Geldwertänderungen im BGB heute als eine der "rückständigsten und ungerechtesten Stellen des gesetzlichen Zivilrechts". Das Pesthalten am Nominalismus trotz Geldentwertung hält er nicht nur für "ungerecht", sondern insbesondere auch für "unsozial"; Medicus, Privatrechtliche Fragen zur Geldentwertung, in: DB 74, S. 754. Auch die Befüworter eines strikten Nominalismus bezweifeln zumeist nicht die soziale Unausgewogenheit des Nominalismus; Reuter, Nominalprinzip und Geldentwertung, in: ZHR 137 (1974), S. 492 f. 395 Bettermann, ebd., S. 4 f.; Fricke, Inflation und Geldwertsicherungsklauseln, in: Jura 1987, S. 591. 396 Es bereitet beim heutigen Stand der Datenerfassung und -Verarbeitung keine technischen Schwierigkeiten, Geldforderungen an Preisstatistiken anzupassen. Eine Auslegungsregel für entsprechende Vereinbarungen könnte gesetzlich bestimmt werden; Schmalz, Stabilität des Geldwerts, S. 55 ff., 151 ff., 288 ff. Eine Anleitung insbesondere für den Fall von Indexneuberechnungen durch das Statistische Bundesamt gibt Rasch, Wertsicherungsklausel und Preisindex für Lebenshaltung, in: DNotZ 1991 , s. 654 ff.

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Wird dennoch das schuldrechtliche Nominalprinzip "zu den tragenden Grundlagen unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung" gezählt, so kann dies nur unter gesamtwirtschaftlichen Vorzeichen geschehen. Die Verletzung geltender allgemeiner Grundprinzipien des Privatrechts durch den Nominalismus im Fall von unkalkulierbaren Geldwertänderungen ist nur mit seinen auf die gesamte Wirtschaftsordnung bezogenen überwiegenden Vorteilen zu rechtfertigen. Dazu gehört gerade auch die Bequemlichkeit oder Leichtigkeit des Zahlungsverkehrs. Insbesondere gilt der Nominalismus aber selbst als Voraussetzung für die Geldwertstabilität 397 In dem Maße, in dem diese These und die überragende Stellung, die der Geldwertstabilität überhaupt in der Volkswirtschaft gegenüber anderen Zielen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts eingeräumt wird, wirtschaftspolitisch und in der Wirtschaftswissenschaft bezweifelt werden, 398 werden wir auch privatrechtlich eine Lockerung des Nominalismus erwägen müssen. Hierbei könnte von derbevorstehenden europäischen Währungsunion ein entscheidender Impuls ausgehen. Zuerst ist an eine Freigabe der Wertsicherungsvereinbarungen zu denken, so daß wieder eine privatautonome Prävention vor Geldwertverlusten möglich ist. Dies würde besonders für Im- und Exportgeschäfte außerhalb des Unionsgebietes Kalkulationsvorteile bringen, da das Wechselkursrisiko begrenzt werden könnte. Innerhalb der Union darf es nach Einführung der Buropawährung jedenfalls nicht mehr so sein, daß die Wirksamkeit von Wertsicherungsvereinbarungen in den Einzelstaaten unterschiedlich beurteilt werden. Dies würde zu unterschiedlichen Voraussetzungen für die Preiskalkulationen und deshalb zu Wettbewerbsverzerrungen führen. In diesem Zusammenhang ist ferner die Möglichkeit einer Kapitalflucht zu befürchten, wenn bei gleicher Währung im Ausland indexgesicherte Anlageformen angeboten werden können, dies in Deutschland ansässigen Banken aber nicht möglich ist. Außerdem ist schon jetzt die Wirksamkeit von Wertsicherungsvereinbarungen ein fester Bestandteil des Rechts der Europäischen Union. 399 Auch die Genehmigungspraxis der Bundesbank hat sich im Laufe der Zeit

397 Stütze/, Mark-gleich-Mark, S. 24 ff.; Stebut, Sicherung des Geldwerts, in: Jura 1983, S. 451; dagegen Fricke, Inflation und Geldwertsicherungsklauseln, in: Jura 1987, S. 595 f.; Horn, Geldwertveränderungen, Privatrecht und Wirtschaftsordnung, S. 25ff.; Schmalz, Stabilität des Geldwerts, S. 257 ff. jeweils m.w.N.

398 Fricke, ebd., S. 596; weitere Nachweise bei Reuter, ebd., S. 484. 399 Hahn, Wertsicherung im Recht der Europäischen Gemeinschaften, in: PS Sasse, Europa der zweiten Generation, S. 441 ff.; Zehetner, Der Euro im System der Geldwertklauseln, S. 285 ff.

14. Kap.: Vom Metallnennwert zum Nominalwert

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immer mehr gelockert. 400 Es ist deshalb nicht davon auszugehen, daß das dem deutschen Währungsrecht eigentümliche Verbot - mit Genehmigungsvorbehalt der Zentralbank - von Wertsicherungsvereinbarungen im europäischen Rahmen, sofern überhaupt noch gewollt, durchsetzbar ist. Wir können also künftig mit ihrer Wirksamkeit rechnen. Dementsprechend sieht jetzt Art. 9 des Entwurfes des Gesetzes zur Einführung des Euro vom 4.12. 1997 die Aufhebung des umfassenden Verbots von Wertsicherungsklauseln in § 3 WährG vor. 401 Damit scheint § 3 WährG in absehbarer Zeit zur Zeitgeschichte zu werden und sollte dies aus den angeführten Gründen auch bleiben, zumal - wie auch immer man bisher zur währungspolitischen Bedeutung des Verbots gestanden haben mag - eine stabilisierende Wirkung nur von europaeinheitlichen Regelungen ausgehen könnte. Da Wertsicherungsklauseln immer tatsächlich gegenüber dem jeweiligen Vertragspartner durchgesetzt werden müssen, ist auch darüber nachzudenken, für bestimmte Geldschuldverhältnisse mit unausgewogenen sozialen Kräfteverhältnissen eine Vertragsanpassung -beispielsweise nach Maßgabe des Lebenshaltungspreisindex -gesetzlich vorzusehen,402 sofern eingetretene Geldwertänderungen außerhalb der üblichen Preiskalkulation liegen. Denkbar ist dies beispielsweise für Sparverträge jedenfalls dann, wenn die Inflationsrate den gezahlten Sparzins übersteigt und eine bewußte Spekulation mit Geldwertänderungen nicht gewollt war. Auch hierfür könnte allerdings auf lange Sicht bereits die Freigabe der Wertsicherungsvereinbarungen ausreichen, indem wertgesicherte, dafür vielleicht geringer verzinste und nicht wertgesicherte, dafür aber höher verzinste Sparverträge, nebeneinander angeboten werden könnten und es jedem überlassen bleibt, welche Sparform er wählt. 403 Ein Minimum im Interesse der Rechtssicherheit ist es, die Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage auf Geldschuldverhältnisse für nie auszuschließende Extremfälle im BGB gesetzlich zu sichern und zu bestimmen. Obwohl sich das bisherige System in der Geschichte der Bundesrepublik im großen und ganzen bewährt hat und sich die strenge Nennwertgeltung gegenüber den zuletzt vor dem Hintergrund erheblicher Geldwertverschlechterungen Mitte der siebziger und zu Beginn der achtziger Jahre geäußerten 400 Dürkes, 401

Wertsicherungsldauseln, S. 181 ff.

EuroEG, BT Drs. 13/9347, S. 16.

402 Problematischer und im demokratischen Rechtsstaat bedenklich erscheint es stattdessen auf die ,.sozialpolitische Verantwortung" und ..Vertragsethik" der Gerichte zu vertrauen; so aber Horn, Geldwertveränderungen, Privatrecht und Wirtschaftsordnung, S. 10, 39 ff. 403

Vgl. Reichert-Facilides, Geldentwertung und Recht, in: JZ 1974, S. 487.

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3. Teil: Industrielle Ausbau- 1Dld Regulienmgspbase

Zweifeln behaupten konnte, bestehen ernstzunehmende Zweifel daran, ob es der europäischen Zentralbank gelingen wird, die heterogenen wirtschaftspolitischen Interessen in den Staaten der europäischen Union auf Dauer so im Zaum zu halten, wie dies der Bundesbank in Deutschland gelungen ist. 404 Das wird insbesondere davon abhängen, ob auf die durchgeführte Währungsunion alsbald weitere Schritte zur Vereinheitlichung der Finanz- und Wirtschaftspolitik folgen. 405 Diese sind indes zur Zeit nicht in Sicht. Gerade für den Erfolg der europäischen Währungsunion erscheint deshalb eine europaeinheitliche gesetzliche Eingrenzung des Nominalprinzips geboten. Eine solche könnte im Vorfeld auch die notwendige Akzeptanz der "Euro"Währung in den Bevölkerungen mit bislang stabilen Landeswährungen entscheidend fördern. Der Einzelne müßte sich dann nicht mehr auf Gedeih und Verderb einer noch ungewissen künftigen Wirtschaftspolitik in den europäischen Staaten ausgeliefert sehen. Bei Wertstabilität des "Euro" werden Wertsicherungsvereinbarungen oder gerichtliche Vertragsanpassungen dabei nicht einmal praktisch angewendet werden. Das Privatrecht könnte auf diese Weise einen wertvollen Beitrag zur europäischen Einheit leisten. Um diese Fragen herumkommen wird es jedenfalls nicht. Dem steht der Zwang zur europäischen Rechtsvereinheitlichung entgegen, wenn man es mit der politischen Vollendung der europäischen Einheit wirklich ernst meint. Im Zeitalter des "Cyber-money" sollte es aber auch möglich sein, die Buropawährung zu verwirklichen und nicht wegen nationaler Stabilitätsbedenken scheitern zu lassen, wie die Idee der "Weltmünze" im 19. Jahrhundert deswegen gescheitert ist. Allein mit Vertrauensappellen auf die künftige europäische Geldpolitik und - wie auch immer ausgestalteten und angewendeten- "Konvergenzkriterien" wird es allerdings nicht getan sein.

404 Dazu Morgenthaler, Der Euro, in: JuS 97, S. 673 (679 ff.). In diesem Zusammenhang sei hier nur auf die problematische innerstaatliche Verteilung europarechtlieber Ordnungsmittel auf die für eine Übertretung der Konvergenzkriterien verantwortlichen Haushaltsträger in Deutschland hingewiesen; vgl. dazu Hartmann , Ein nationaler Stabilitätspakt zwischen Bund und Ländern, S. 161 ff. 405 In diesem Sinne hat sich insbesondere der Vertreter der Bundesbank vor dem Bundesverfassungsgericht eingelassen; BVerfGE 89, 155 (206 f.).

Ergebnis Mit dieser Arbeit sollte die Rechtsfindung in der romanistischen Privatrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts untersucht werden und zugleich Inhalt und Schranken des geltenden Nennwertprinzips aus seiner jüngeren historischen Entstehung heraus verständlich gemacht werden. Was die Rechtsbildung der Pandektistik betrifft, konnten in unterschiedlichem Ausmaß, aber nahezu durchgehend wirtschaftliche Rechtsfolgeüberlegungen nachgewiesen werden. Dies war insbesondere immer dann der Fall, wenn ein von der jeweils vorherrschenden Meinung abweichendes schuldrechtliches Geldwertprinzip begründet wurde. Besonders bemerkenswert ist die Offenheit, Selbstverständlichkeit und Sachkunde, mit der die Pandektisten häufig wirtschaftliche, und zwar sowohl die individuellen Interessenlagen als auch die gesamtwirtschaftlichen Erfordernisse berücksichtigende, Argumente aufgriffen und auf die jeweils neueste einschlägige Wirtschaftsliteratur Bezug nahmen. Das gilt nicht nur für Savigny, sondern gerade auch für die Begründung des Nennwertprinzips durch Goldschmidt und Hartmann. Für sich betrachtet scheint zwar aus heutiger Sicht die Besonderheit des Nennwertprinzips gerade in einer formal-juristischen Abstraktion des Geldes von seiner sozial-ökonomischen Wirklichkeit zu liegen, indem für den schuldrechtlichen Geldwert eine legale Wertkonstanz konstruiert wird. Für die Durchsetzung des Nennwertprinzips in der Privatrechtswisenschaft nach Einführung der Reichswährung war aber die Erkenntnis entscheidend, daß nicht nur die ökonomischen Individualinteressen das Geldschuldrecht bestimmen, sondern auch das öffentliche Währungsrecht gesamtökonomisch - für eine Standardisierung des Zahlungsverkehrs - sinnvolle Dienste leisten kann. Die Geltung des Nennwerts im Geldschuldrecht steigert die Effektivität des Zahlungsverkehrs, solange der Geldtauschwert währungsrechtlich und währungspolitisch in kalkulierbaren Bandbreiten stabil gehalten wird. Genau das erkannten Goldschmidt und Hartmann und in ihrem Gefolge Windscheid, Bekker, Brinz, Dernburg, Regelsberger, Wächter und Wendt und genau das wollten sie. Dieses Ziel konnte nur durch eine Abstraktion des schuldrechtlich zu leistenden Geldwerts von seinem ständig sich verändernden tatsächlichen Tauschwert erreicht werden. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts formulierte dann ein Ökonom, Georg Friedrich Knapp, eine rein rechtliche und zwar währungsrechtliche Geldtheorie. Ein bezeichnendes, wenn auch polemisierendes, Bild auf die Beein-

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flussung der pandektistischen Geldtheorie durch die metallistische Nationalökonomie ihrer Zeit warf Knapp, indem er die mangelnde Unterstützung für seine juristische Geldtheorie in der Jurisprudenz beklagte: "Weiter besinnt sich nur der philosophisch gestimmte Jurist- von denen aber viele die Last des Nachdenkens zwar für erforderlich halten, aber auf den Nationalökonomen abwälzen. So etwa liegt es jetzt." 1

Es blieb dem Nationalökonom Knapp vorbehalten, die nur allzu häufig den Pandektisten vorgeworfene Ausklammerung wirtschaftlicher Funktionen und Rechtsfolgen bei der juristischen Betrachtung des Geldes vorzunehmen. 2 Weitaus schwieriger als von bestimmten situationsbedingten ökonomischen Grund- und Zielvorstellungen läßt sich von einer ökonomischen Idealvorstellung der Pandektisten sprechen. Die Pandektisten verfolgten in der Geldlehre im Verlauf des 19. Jahrhunderts nicht eine ideale Geldordnung, sondern sie reagierten bewußt unter Berücksichtigung der nationalökonomischen Lehrmeinungen und der konkreten ökonomischen Interessenlagen auf jeweils bestehende gesamtökonomische Bedürfnisse. Das ist besonders deutlich an der schwankenden rechtlichen Behandlung der Banknoten abzulesen. Es galt in der jeweiligen Gesamtsituation, das in Anbetracht der wachsenden Wirtschaftstätigkeit bestehende Bedürfnis nach einer Erweiterung der Geldumlaufsmittel zu berücksichtigen und gegenüber dem zum Münzgeld ungleich höheren Wertstabilitätsrisiko papierener Zahlungsmittel abzuwägen. Diese Abwägung führte zunächst zur vorsichtigen Erweiterung des privatrechtliehen Geldbegriffs auf das Papiergeld und Banknoten durch Savigny, dann vor dem Hintergrund der Bankenkrise Ende der fünfziger Jahre zur Einschränkung des Papiergeldbegriffs auf gesetzliche Zahlungsmittel und schließlich zur Ausdehnung des Geldbegriffs auf die Reichsbanknoten, noch bevor diese 1909 auch gesetzlich als Geld anerkannt wurden. So kontrovers einzelne geldrelevante Fragen, etwa über das Papiergeld oder die Bedeutung des gesetzlichen Zahlungsmittels, in der Volkswirtschaftslehre diskutiert wurden, lassen sich dementsprechend reflektierte Meinungen in der Privatrechtswissenschaft wiederfinden. Wenn wir dennoch annäherungsweise eine Typisierung der ökonomischen Geldvorstellungen in der Pandektistik vornehmen wollen, so sind drei Epochen zu unterscheiden: (1.) Mit dem bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts mehrheitlich vertretenen Nennwertprinzip überwog - bereits nicht wenigen Zweiflern (Hufeland, Koch, Puchta) gegenüber - noch eine antiliberale, staatlich-merkantilistische 1 Knapp,Theorien des Geldwesens, in: Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirthschaft 33 (1909), S. 432. 2 Vgl.

auch Schmidt, Staatliche Theorie, S. 92.

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Wirtschaftsvorstellung. Die untertänig Wirtschaftenden sollten sich nach den finanziellen Bedürfnissen des Staates richten. Der Münzherr könne im Staatsinteresse nötigenfalls auch gegen ihren Willen sein Geld und seinen Geldnennwert auf rechtlichem Wege im Verkehr durchsetzen. (2.) Zunächst fand dann mit Savignys Kurswerttheorie die gegenteilige, individualistisch-liberale Sichtweise weite Verbreitung. Allein die Wirtschaftenden bestimmten darüber, was und zu welchem Wert für sie etwas Geld ist. Dem Staat obliege es lediglich, in ihrem Interesse Geld zentralisiert herzustellen. Er habe aber keine Möglichkeit, etwas als Geld oder den von ihm bestimmten Geldnennwert gegen den Willen der Wirtschaftenden im Verkehr durchzusetzen. (3.) Das schließlich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts einhellig vertretene schuldrechtliche Nennwertprinzip bringt ein zwischen den vorgenannten Auffassungen vermittelndes ökonomisches Geldverständnis zum Ausdruck, das wir als ordoliberal bezeichnen wollen. Der Staat könne und solle zur Verkehrserleichterung gesetzlich bestimmen, was im Verkehr von Rechts wegen grundsätzlich als Geld gilt. Für dieses Währungsgeld, das gesetzliche Zahlungsmittel, gelte schuldrechtlich der gesetzliche Nennwert, wenn die Vertragsparteien nicht ausdrücklich eine vom Nennwert abweichende Vereinbarung getroffen haben. Dem Nennwertprinzip liegt demnach ein Jahrzehnte dauernder wirtschaftstheoretischer Erkenntnisprozeß von der staatlichen Bevormundung der Wirtschaftenden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum staatlich und rechtlich organisierten Wirtschaftsliberalismus im Deutschen Reich zu Grunde. Selbst wenn wir aber zum Zwecke einer Typisierung auf die jeweils vorherrschende Meinung abstellen und abweichende Stimmen unberücksichtigt lassen, kann von einer der pandektistischen Rechtslehre zugrundeliegenden Idealvorstellung der Wirtschaftsordnung keine Rede sein. Genauso wie sich die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen sowie die volkswirtschaftlichen Lehrmeinungen im Verlauf des 19. Jahrhunderts im Fluß befanden, unterlagen auch die wirtschaftspolitischen Vorstellungen der Pandektisten einem Wandel. Während das in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts überwiegend vertretene Nennwertprinzip so gesehen als "konservativ" bezeichnet werden kann, war die dann verbreitete Kurswerttheorie in ihrer Zeit "progressiv", bevor sich mit dem Nennwertprinzip seit Einführung der Reichswährung ein gemäßigt liberales Ökonomieverständnis einpendelte. Bezeichnend für die Entwicklungsfahigkeit der pandektistischen Rechtslehre ist das Pandektenlehrbuch von Puchta. In der zwölften Auflage, herausgegeben von Schirmer, findet sich in diesem neben der Metallgewichtstheorie von Puchta sowohl die Kurswerttheorie von dem ersten Bearbeiter Rudorff als

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auch die Nennwerttheorie von dem zweiten Bearbeiter Schirmer. 3 Es weist damit die gesamte Bandbreite der schuldrechtlichen Geldwertlehren im 19. Jahrhundert auf. Ferner belegt besonders der Umschwung von Windscheid und Bekker von der Kurs- zur Nennwerttheorie nach Einführung der Reichsgoldwährung, daß die Pandektisten in ihren schuldrechtlichen Geldwertvorstellungen nicht idealistisch starr, sondern den politischen und wirtschaftlichen Umständen angemessen dynamisch waren. Wohldosiert mit dem Fortschritt der Industrialisierung und den Veränderungen der politischen Rahmenbedingungen paßten sie ihre rechtlichen Geldlehren an. Im Hinblick auf das Verständnis des heute geltenden Nennwertprinzips scheint das Ergebnis zunächst eher enttäuschend auszufallen. Nur bedingt ist die heutige fortentwickelte Geldwirtschaft noch mit der vom Metallgeldsystem bestimmten Reichsgoldwährung vergleichbar. Nahezu unmöglich ist ein Vergleich mit den Geld- und Währungsverhältnissen im Deutschen Bund, sofern für diese Zeit überhaupt schon von "Währungsverhältnissen" gesprochen werden darf. In heutiger Begrifflichkeit steht und fällt der rechtliche Begriff der "Währung" und des "Währungsgeldes" mit dem Begriff des "gesetzlichen Zahlungsmittels". Eben dieser spielte aber tatsächlich zur Zeit des Deutschen Bundes bis zum Ende der fünfziger Jahre des 19. Jahrhunderts so gut wie keine Rolle. Wir können freilich bereits im preußischen ALR § 76, Tit. 16, Teil 1 nachlesen und im Sinne eines sogenannten gesetzlichen "Annahmezwangs" oder einer "Annahmeverpflichtung" verstehen: "Jede Zahlung muß, wenn nicht besondere Verabredungen oder Gesetze auf Gold oder Scheidemünze vorhanden sind, in dem zur Zahlungszeit gangbaren Preußischen Silber-Courant geleistet und angenommen werden."

Es bedarf allerdings keiner großen Vorstellungskraft, daß eine solche Vorschrift bei gleichzeitig an einem Ort in unzähliger Vielfalt kursierenden Geldstücken keine besondere Wirksamkeit entfalten konnte und nur dazu diente, den Geldverkehr in Zweifels- und Streitfragen überhaupt rechtlich handhaben zu können. Der Begriff des gesetzlichen Zahlungsmittels als eines währungsrechtlichen Hilfsmittels zur geldpolitischen Durchsetzung einer bestimmten Rechnungseinheit im Verkehr ist nicht in diese Zeit übertragbar. Es wurde alltäglich in allen möglichen Rechnungseinheiten gerechnet. Dies förderte im Privatrecht eine frühzeitige Trennung des Geldbegriffs als Sache vom schuldrechtlichen Geldforderungswert. Das eigentliche Geldschuldverhältnis wurde von den Pandektisten bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einhel-

3

Puchta/Schirmer, Pandekten, 12. Aufl., 1877, S. 62-66 (S. 65 f. in Pßn. k).

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lig als Geldsummenschuld verstanden. Es sollten nicht bestimmte Geldstücke, sondern der Geldwert einer Zahlungsverpflichtung von "100 Talern" geleistet werden. Dazu konnte der Geldschuldner nach seinem Belieben alle tatsächlich am Zahlungsort umlaufenden Geldstücke verwenden. Die Geldschuld wurde damit als Wertverschaffungsschuld verstanden. Das damals mehrheitlich vertretene Nennwertprinzip für Landesmünzen im Landesgebiet war weniger kennzeichnend für die rechtliche Handhabung des Zahlungsverkehrs als die davon gemachten "Ausnahmen", insbesondere die Wechselkursgeltung für ausländische Münzen und Münzen früherer Prägungen sowie das in geringerem Umfang bereits vorhandene Papiergeld. Ohne für Münzen aus dem gleichen Edelmetall auf den Wechselkurs zurückzugreifen, bestimmte Puchta den zu leistenden Geldwert aus dem Metallgewicht. Er zielte mit seinem Metallgewichtsprinzip auf eine verkehrsgerechte einheitliche Behandlung der verschiedenen Münzsorten. Nur angedeutet wurden von Hufeland und Koch auf alle Geldarten und Geldsorten anwendbare Tauschkurswertprinzipien. Sie blieben aber in dieser noch vom Münzgeld dominierten Epoche von relativ geringer praktischer Bedeutung und waren im Detail, insbesondere im Hinblick auf die rechnerische Bestimmung eines Tauschkurswerts, noch nicht ganz klar. Angetrieben von der Ausbreitung des Papiergeldverkehrs und besonders der Banknotenausgabe änderte sich dies mit Savigny. Seine Kurswerttheorie zielte nicht nur darauf, schuldrechtlich einen wertsiehereD Zahlungsverkehr herzustellen, sondern insbesondere auch auf die rechtliche Integration des Papiergeldes in den Zahlungsverkehr. Metall- und Papiergeldeinheiten sollten immer nach ihrem börsenmäßig am Zahlungsort festgestellten Gold- oder Silbergegenwert geleistet werden. Gesetzliche Zahlungsmittel spielten für Savigny dagegen im Geldschuldverhältnis keine Rolle. Der Nennwert sollte nur dann gelten, wenn er ausdrücklich angeordnet worden war. Eine solche Anordnung empfahl Savigny nicht, da dadurch der Staat zwangswirtschaftlich in die von Privatwillkür bestimmten Geldverhältnisse eingreife und deshalb der freie Güteraustausch gehemmt werde. Erst mit der Bankenkrise am Ende der fünfzigerJahredes 19. Jahrhunderts wurde der Begriff des gesetzlichen Zahlungsmittels für die Abgrenzung des Münz- und Papiergeldes von den Inhabergeldpapieren durch Bekker und Kuntze herausgearbeitet. Etwa ein weiteres Jahrzehnt später wurde das gesetzliche Zahlungsmittel durch Hartmann und Goldschmidt zu einem zentralen Begriff der gesamten rechtlichen Geld- und Geldwerttheorie und ist dies bis heute geblieben. Mit der Reichsgoldwährung konnte sich schließlich eine einheitliche Rechnungseinheit im Verkehr durchsetzen. Erst seitdem können wir zweifelsfrei von einer Währung sprechen, und seitdem ist das schuldrechtliche Nennwertprinzip mit vorübergehenden Unterbrechungen maßge-

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bend für den Geldverkehr. Während aber das Nennwertprinzip zur Zeit der Spätpandektisten im ausgehenden 19. Jahrhundert häufig noch an den gesetzlich bestimmten Metallwert der Reichsgoldmünzen angeknüpft wurde und für das Papiergeld der tatsächliche Metallgegenwert gelten sollte, ist heute ausschließlich die gesetzliche Bestimmung einer Werteinheit für die grundsätzliche Nennwertgeltung entscheidend. Unabhängig davon, ob der Nennwert metallisch oder rein gesetzlich definiert ist, ist das Nennwertprinzip Ausdruck einer effektivitätssteigemden rechtlichen "Arbeitsteilung" zwischen öffentlichem Währungs- und privatem Schuldrecht. Schuldrechtliche Nennwertgeltung setzt voraus, daß währungsrechtlich und währungspolitisch ein stabiler Geldtauschwert erhalten bleibt. Ansonsten kann Geld weder rechtlich noch wirtschaftlich funktionieren. Zeigen sich das Währungsrecht und die Währungspolitik nicht in der Lage, ihrer Aufgabe nachzukommen, ist es deshalb nicht nur zweckmäßig, sondern in unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung auch geboten, schuldrechtlich einen wertgesicherten Geldzahlungsverkehr herzustellen. Das gilt um so mehr, wenn nicht einmal eine privatautonome Selbstvorsorge durch Wertsicherungsvereinbarungen betrieben werden darf. Es dient für den Fall unkalkulierbarer Geldwertänderungen der besonders im Geldverkehr erforderlichen Rechtssicherheit und Rechtsklarheit und nicht zuletzt der Erhaltung der Geldwirtschaft, Anpassungen von Geldschuldverhältnissen nach Maßgabe von Geldtauschwertänderungen durch das im Grundsatz längst anerkannte Institut vom Wegfall der Geschäftsgrundlage gesetzlich vorzusehen und damit aus der rechtsstaatliehen Grauzone des Richterrechts mit der rechtlich nebulösen Anknüpfung an eine "objektive Vertragsgerechtigkeit", "Vertragsethik", "sozialpolitische Verantwortung" oder gar das "Gerechtigkeitsempfinden" herauszunehmen. Mit der Erfahrung von zwei Hyperinflationen seit Inkrafttreten des BGB und einer steten "schleichenden" Inflation sind insoweit uotz aller gegenwärtigen währungsrechtlichen Garantien und währungspolitischen Bekundungen- die Bestimmungen der§§ 244, 245 BGB ergänzungsbedürftig und ergänzungsreif.

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