Das Sonderprivatrecht der Handels- und Verbraucherverträge: Einheit, Freiheit und Gleichheit im Privatrecht 9783161512162, 9783161498657

Das deutsche Privatrecht ist dreigeteilt in das klassische BGB-Zivilrecht, das Sonderprivatrecht der Handelsverträge und

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Das Sonderprivatrecht der Handels- und Verbraucherverträge: Einheit, Freiheit und Gleichheit im Privatrecht
 9783161512162, 9783161498657

Table of contents :
Cover
Widmung
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungen
Einleitendes Kapitel Einführung in die Thematik
§ 1 Privatrecht und vertragsrechtliche Sonderordnungen
A. Die typisierende Ungleichbehandlung durch Sonderprivatrechte
B. Der Repräsentationsgehalt des Handels- und Verbraucherrechts
§ 2 Die handels- und verbraucherrechtliche Sonderrechtsbildung
A. Die Charakteristika des Handelsvertragsrechts
I. Die gesteigerte Selbstverantwortlichkeit der Kaufl eute
II. Die Vermutung der Entgeltlichkeit des Geschäftsverkehrs
III. Sorgfaltsmaßstab und Beschleunigung des Handelsverkehrs
IV. Der ausgeprägte Verkehrs- und Vertrauensschutz des Handelsverkehrs
B. Die Umsetzungsinstrumente des Verbraucherrechts
I. Informationspfl ichten – marktkomplementäre Schutzinstrumente
II. Die Verlängerung der Überlegungsfrist durch Widerrufsrechte
III. Das Verbraucherschutzinstrument der Inhaltskontrolle
IV. Sonderanknüpfung – Verhinderung der Rechtswahlfl ucht
§ 3 Dreiteilung der Vertragsrechtsordnung
A. Sondervertragsrechte und Diskrepanz der Freiheitsgewähr
B. Subsidiaritätsprinzip und Vertragsrechtsdivergenz
§ 4 Die Systembeeinflussung durch Einheits- und Gemeinschaftsrecht
A. Der Integrationsansatz des internationalen Einheitsrechts
B. Eingriffscharakter und fehlendes Eigensystem des EG-Rechts
I. Vorrang der Richtlinie – Angleichung vor Vereinheitlichung
II. Die gemeinschaftsrechtliche Ignoranz der Kaufmannsdogmatik
C. Bestrebungen für ein europäisches Zivilgesetzbuch
I. Der gemeinsame Referenzrahmen (GRR)
II. Das Netzwerk der Exzellenz (CoPECL)
D. Die verbraucherrechtliche Remanipulation des bürgerlichen Rechts
I. Die Auseinandersetzung mit der bürgerlich-rechtlichen Remanipulation
II. Der unechte Verbraucherschutz der Pauschalreiserichtlinie
§ 5 Suche nach dem »inneren« System und Aufbau der Arbeit
1. Kapitel Ausgangsproblematik der vertragsrechtlichen Dreiteilung
§ 6 Geschichtsrelevanz als systemteilungsbedingte Ausgangskoordinate
§ 7 – BGB –: Basis und Vergleichsmaßstab der Vertragsrechtsdivergenz
A. Die Schrittmacherfunktion der Grundrechte als objektive Ordnung
B. Der exemplarische Rechtsprechungswandel bei Bürgschaften und Eheverträgen
C. Keine Typisierung eines bürgerlich-rechtlichen Schwächerenschutzes
§ 8 – Recht der Handelsverträge –: Kausalfaktoren und Chronologie
A. Rezeption und handelsrechtliche Kodifi kationen
B. Handelsrechtliche Entwürfe und Kodifi kationsgenese
I. Die Kodifikation des Allgemeinen Deutschen Handelsrechts (ADHGB)
II. Aufbau und Inhalt des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs
III. Empfehlung zur Weiterführung eines gesonderten Handelsgesetzbuchs
IV. »Kleine« Kodifi kationslösung und Systemwechsel zur Sonderkodifi kation
C. Handelsrecht: (Standes-) Sonderrecht der Außenbeziehungen?
D. Die mangelnde Adaptionsfähigkeit der HGB-Dogmatik
E. Kritik des Kaufmannsbegriffs und Systemanalysen des Handelsrechts
I. Kausale Erklärungsmodelle der handelsrechtlichen Literatur
1. Die relative Theorie des Handelsrechts
a) Einheitstheorie und Korrelationsthese
b) Die Reaktionen des Schrifttums auf die Einheitsbetrachtung
2. Goldschmidts entwicklungsgeschichtliche Innovationsbetrachtung
3. Die »Dreistufen«-Ursachendefi nition von Gareis
II. Auswertung der Thesen zur Existenzberechtigung des Handelsrechts
§ 9 – Verbrauchervertragsrecht –: Chronologieu nd Sondergehalt
A. Anfänge der Verbraucherrechtskodifi kation und Systemspaltung
B. Die EG-rechtliche Beeinfl ussung der Verbraucherrechtsentwicklung
I. Die Verbraucherprogramme des Rates
II. Verbraucherschutz in der EuGH-Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten
III. Verbraucherschutz im liberalen Binnenmarktkonzept
IV. Etablierung der Verbraucherpolitik durch den Vertrag von Maastricht
V. Die Komplettierung der Verbraucherpolitik durch Amsterdam
VI. Selbstkritische Überarbeitung des verbraucherrechtlichen »acquis«
C. Entwicklung und sozio-juristische Rahmenbedingungen
I. Wegfall des Zunftwesens und Bedarf nach Verbraucherschutz
II. Die sozio-ökonomische Fortentwicklung seit der Verabschiedung des BGB
D. Verbraucherschutzdebatte und Modellspaltung im Schrifttum
§ 10 Zusammenfassung des Bisherigen und Programmthese
2. Kapitel Sondervertragliche Systemvorgaben der Rechtsordnung
§ 11 Begriff der Sonderprivatrechte – Systembegriff des Vertragsrechts?
A. Inhaltliche Spezifi täten als sonderprivatrechtliche Normmerkmale
I. Spezialität des Handels- gegenüber dem allgemeinen Vertragsrecht
II. Exklusivität und Spezialität des Verbraucherrechts
III. Exklusivitätsregelungen jenseits der Sonderprivatrechte
B. Aufspaltung in Nebengesetze und Kriterien der äußeren Systembildung
I. Der fehlende Aussagegehalt der formalen Ausgliederung
II. »Dekodifi kationsbewegungen« ohne eigenen Systemgehalt
III. Sachliche Durchdringung versus formale Segregation
C. Kriterien des inneren Systems: Sonderprivatrechtliche Kausalfaktoren
I. Die Pandekten als Systematisierungsfaktor – Herkunft und Überlieferung
II. F. Bydlinskis sonderprivatrechtliche Integrationsvorstellungen
D. Die Stellung des Handels- und Verbraucherrechts zu den Pandekten
I. Das Handelsrecht als Sonderprivatrecht mit defi zitärer Abgrenzung
II. Fehlender Sonderprivatrechtsgehalt des Verbraucherprivatrechts?
E. Pandektenexterne Freiheits- und Gleichheitstypisierung
§ 12 Etatismus und Dualismus – makrojuristische Weichenstellung
A. Staatliche Normenhierarchie und Selbstständigkeit des Privatrechts
B. Die Zweiteilung der Rechtsordnung in öffentliches und privates Recht
I. Traditionelle Verortung des Vertragsrechts
II. Historie und status quo der Rechtsordnungsdichotomie
III. Die Stellung des Vertragsrechts in der Rechtsordnungsdichotomie
1. Verbrauchervertragsrecht und Gemeinwohlbezug
2. Verbraucherrecht und subordinative Markterhaltung
IV. Jüngste Entwicklung der rechtsordnungsbezogenen Dichotomie
V. Legitimität der Gemeinwohlorientierung des Verbraucherrechts
1. Dänische Dichotomieproblematik durch die Verbraucherrichtlinien
2. Zweiteilung und Verbraucherrecht aus deutscher Perspektive
3. Registersubsidiarität und »Pufferfunktion« des Wettbewerbs(-rechts)
§ 13 Vertragsrechtsdivergenz und Einheit der Wirtschaftsverfassung
A. Supranationale Einfl ussebene und vertragsrechtliche Dreiteilung
B. Wechselwirkungen zwischen Wirtschafts und Vertragsrechtsordnung
C. Vertragsfreiheit und Pluralität der Wirtschaftsverfassung
I. Das BGB als Modell des Empfängerschutzes prozeduraler Fairness
II. Inhaltliche Fairness – kein Grundsatz des Vertragsrechtsfundaments
III. Materiale Selbstbestimmung und prozedurale Fairness
1. Verlagerung der Selbst- und Fremdverantwortung durch ius cogens
2. Kollisionsrechtliche Besonderheiten des Verbraucherrechts
IV. Das transzendierte Freiheitsverständnis des Handelsrechts
1. Modifi zierung von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung
2. Verkehrstypisches Verhalten als privatautonome Selbstbestimmung
D. Grundrechte und Grundfreiheiten: substanzielle Verbindungsfaktoren
I. Freiheitspostulate der Grundrechte – einheitsstiftender Faktor
II. Die Grundfreiheiten – wirtschaftsverfassungsrechtlicher Referenzrahmen
§ 14 Zusammenfassung und grundsätzliche Maßstabsbildung
3. Kapitel Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich
§ 15 Dogmatische Aufbereitung von Gleichheit und Freiheit
A. Dienende Funktion der Gleichheit zur Freiheitsausgestaltung
B. Privatautonomie – Ausgestaltung und Gewährleistung
§ 16 Prämissen und Maßstab der Gleichheits- und Freiheitsdivergenz
A. Die individualisierte Willenserforschung im Rahmen des BGB
B. Das besitzende Bürgertum als heimlicher Normadressat des BGB
C. Das grundrechtliche Anpassungsdefi zit der Sondervertragsrechte
I. Die mangelnde Progressionstauglichkeit der Verbraucherrichtlinien
II. Die Antiquiertheit der kaufmannsbezogenen Abgrenzung
III. Typisierung und richterliche »Entscheidungsschranken«
IV. Die schleichende Ausweitung der EuGH-Kompetenzen
§ 17 Das Verhältnis zwischen Ausgestaltung und Einwirkung
A. Vertragsrechtsmodelle in der Literatur
I. Schmidt-Rimpler und die Lehre von der Richtigkeitsgewähr
II. Flume – Privatautonome Gestaltung und Wesen der Privatautonomie
III. M. Wolfs Theorie der rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit
IV. Dauner-Lieb – »Liberales Informationsmodell«
V. Hönn – Multidimensionale Struktur der gestörten Vertragsparität
VI. L. Raiser – Soziale Funktion und Aufteilung nach Lebensbereichen
VII. Reifners prinzipielle und symptomatische Zivilrechtskritik
VIII. Reichs sozialwissenschaftliches Verbraucherschutzmodell
IX. Ökonomische Analyse des Rechts – Maßstab der Vertragsrechtsordnung?
1. Ökonomische Rechtsanalyse und Vertragsrecht
2. Ökonomische Analyse – Legitimation der Vertragsrechtsspaltung?
B. (Sonder-) Vertragskonzeption im Rechtsordnungsvergleich
I. Die kontinentalen Gesetzgebungen mit dualistischem Privatrecht
1. Französisches Vertragsrecht – Willensprinzip und Vertragsfreiheit
2. Vertragsrecht in Belgien – französische Wurzeln und Fortentwicklung
3. Vertragsrecht in Spanien – Zentralgewalt und Comunidades Autónomas
II. Österreich – Assimilierung von Unternehmerrecht und Verbraucherrecht
III. Die kontinentalen Gesetzgebungen mit monistischem Privatrecht
1. Das integrierte Zivil- und Handelsrecht in Italien
2. Niederlande – Burgerlijk Wetboek und Verbraucherrichtlinien
3. Litauen – Marktwirtschaft und monistisches Vertragsrechtssystem
IV. Die Kooperationsgesetzgebung der nordischen Staaten
1. Vertragsgesetz und traditioneller Verbraucherschutz in Dänemark
2. Schweden – ein weiteres Beispiel nordischer Rechtskultur
V. Vertragsrecht und common law – schwache Ansätze einer Systemdivergenz
1. Das Vertragsrecht nach common law historisch betrachtet
2. Materialisierungstendenzen und Instrumentalisierung des Vertragsrechts
§ 18 Zusammenfassende Auswertung und weiterer Prüfungsbedarf
4. Kapitel Leitbilder – Legitimation ungleicher Ausgestaltung?
§ 19 (Un-)Mittelbare Drittwirkung – Vorgaben für die Normgestaltung?
A. Gesetzgeberische Grundrechtsbindung bei (Privatrechts-) Gesetzen
I. Die Drittwirkungsproblematik im Handels- und bürgerlichen Recht
II. Die EG-rechtliche Drittwirkungsproblematik im Verbraucherrecht
1. Unmittelbare Grundrechtsbindung im Verbraucherrecht?
2. Grundrechtsdogmatische Besonderheiten im Verbraucherrecht?
B. Systemvorgaben durch die Drittwirkung der Grundfreiheiten?
§ 20 Die vertragsrechtlichen Schutzpfl ichten des Staates
A. Grundrechtliche Schutzpfl ichten – symmetrischer Grundrechtsschutz?
I. Der Wirkungsgehalt der grundrechtlichen Schutzpfl ichten
II. Der Vorrang der dezentralisierten Eigenverantwortlichkeit
III. Die mangelnde Generalisierungseignung der Schutzpfl ichtenlehre
B. Die Deliberalisierungswirkung der Grundfreiheiten
I. Urteil »désordre public« als Anerkennung von Schutzpfl ichten
II. Grundfreiheitliche Schutzpfl ichten und Privatrecht
§ 21 Rechtsprinzipien – Maßstab freiheitlicher Ungleichbehandlung
A. Die Peronenbilder als rollenspezifi sche Rechtsprinzipien
I. Leitbilder als empirisch-normative Sachgründe
II. Die Legitimationseignung der sonderprivatrechtlichen Personenbilder
B. Leitbild und Personenbild der (Sonder-) Vertragsrechte
I. Das Personenbild des homo oeconomicus als Vertragsrechtsgrundlage
II. (Verbraucher-) Personenbild – soziologische Leitbildmodifi zierung
1. Verbraucherleitbild und Verbraucherbegriff
2. Die Notwendigkeit perspektivischer Konzentration
3. Das Verbraucherleitbild im primärrechtlichen Koordinatensystem
a) Verbraucherschutz als zwingendes Allgemeininteresse der Grundfreiheiten
b) Keine übertriebenen Anforderungen an Produktangaben
c) Zugang zu wahren Informationen und situationsspezifi sche Leitbildflexibilität
d) Das Leitbild des verständigen Durchschnittsverbrauchers
4. Verbraucherschutz durch die Europäische Grundrechte-Charta (GRCh)
5. Lokalisierung der Normvorgaben für das Verbraucherleitbild
III. Das Unternehmerleitbild als Personenbild des Handelsrechts
1. Der Aussagegehalt des Unternehmerleitbilds
2. Ableitung des Unternehmerleitbilds aus den Grundrechten
a) Die unternehmerische Freiheit nach der Europäischen Grundrechtecharta (GRCh)
b) Die Rechtsprechung des EuGH zum unternehmerischen Grundrechtsschutz
(1) Freiheit zur Ausübung einer Geschäftstätigkeit und Eigenverantwortung
(2) Vertrauensschutz und Schutzbereich der unternehmerischen Freiheit
(3) Die Privatautonomie als notwendiger Bestandteil der unternehmerischen Freiheit
(4) Die Vertragsabschlussfreiheit als Ausfl uss der Berufsausübungsfreiheit
(5) Vertragsfreiheit und der Eigentumsschutz wohlerworbener Rechte
c) Die Unternehmerfreiheit in den EU-Mitgliedstaaten
(1) Verfassungen mit ausdrücklicher Unternehmerfreiheitsgarantie
(2) Die Unterenehmerfreiheit als Konglomerat mehrerer Grundrechtsgarantien
3. Der negative Aussagegehalt der Cassis-Grundfreiheitendogmatik
4. Die freiheitswahrende Funktion der Wettbewerbsregeln
5. Das Unternehmerleitbild des umsichtigen Wirtschaftsteilnehmers
6. Keine Gleichsetzung von Leitbild und Kaufmannsprofi l
7. Leitbildkonkretisierung und Unternehmensbegriff
a) Der Umweg der Unternehmensausrichtung
b) Die indirekten Leitbildaussagen des Unternehmensbegriffs
c) Der Unternehmer als berufs- und gemeinschaftsrechtlich induzierter Leitbegriff
8. Lokalisierung der Normvorgaben für das Unternehmerleitbild
§ 22 Privatrechtliche Leitbilder als legislative Differenzierungsgebote
5. Kapitel Typisierungskonvergenz des Handels-/Verbraucherrechts
§ 23 Leitbildkongruenz des Verbrauchervertragsrechts
A. (Leit-) Typusabbildung durch die Verbraucherrichtlinien
I. Das Verhältnis zwischen b2c-Begegnungen und Leitbilderwägungen
1. Wirtschaftliche Schwäche des Verbrauchers als Leitbilderwägung?
2. Die Verneinung einer rollensoziologischen Verbraucherposition
3. Marktstruktur und moderne Informationstheorie
II. Die objektive Situationseingrenzung als entscheidendes Leitbildventil
III. Schutzerforderlichkeit und situationsangemessener Leitbildausgleich
1. Verhältnismäßigkeit der haustürspezifi schen Ausgleichsmaßnahmen
2. Die verbraucherrechtliche Leitbildtreue der Fernabsatzrichtlinie
a) Die Verhältnismäßigkeit der vor- und nachvertraglichen Aufklärungspfl ichten
b) Das Widerrufsrecht der Fernabsatzrichtlinie
3. Die Verbraucherleitbildkongruenz der Verbraucherkreditrichtlinie
4. Die gegenständliche Leitbildkonvergenz der Klauselkontrolle
a) Das Transparenz- und Informationsdefi zit bei »standard forms«
b) Einseitige Vertragsgestaltungsmacht bei »adhesion terms«
5. Die defi zitäre Leitbildkonvergenz der Timesharingrichtlinie
a) Verarbeitungskapazitäten und Umfang der Informationspfl ichten
b) Leitbildkonvergenz des timesharingbezogenen Widerrufsrechts
6. Die fehlende Leitbildkongruenz der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie
a) Das Fehlen eines objektiven Schutzauslösers beim Verbrauchsgüterkauf
b) Fehlende Schutzsituation und Missachtung des Wettbewerbsvorrangs
IV. Leitbildkonvergenz der subjektiven Geltungsbereichseingrenzung (b2c)
1. Persönliche Geltungsbereichsbegrenzung der Haustürgeschäfterichtlinie
2. Die Beschränkung auf b2c-Situationen bei Fernabsatzgeschäften
3. Die persönliche Leitbildtreue der Verbraucherkreditrichtlinie
4. Die AGB-kontrollrechtliche Geltungsbereichseinschränkung
5. Die Bereichsbegrenzung der Timesharingrichtlinie auf b2c-Situationen
V. Ius cogens und Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung
1. Kompetenzüberschreitung durch die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie
2. Kompetenzwahrung und zwingende Ausgestaltung bei Haustürgeschäften
3. Die zwingende Ausgestaltung durch die Fernabsatzrichtlinie
4. Das kollisionsrechtliche Umsetzungsdefi zit bei Verbraucherkrediten
5. Binnenmarktkonvergenz der (Klausel-) Missbrauchskontrolle
6. Die kollisionsrechtlich leitbilddefi zitäre Ausgestaltung des Timesharing
B. Fehlende Rechtfertigung und Anpassungsbedarf
I. Sachliche Rechtfertigung der Leitbilddiskrepanzen?
1. Leitbildheterogenität und unterschiedlicher Systemzusammenhang
2. Der Unternehmer als alleiniger Normadressat?
3. Die Beeinfl ussung des Verbraucherleitbilds durch situative Elemente
II. Gegenständliche Leitbildüberschreitung und Anpassungsbedarf
§ 24 Die Begriffsspaltung des deutschen Kaufmannstypus
A. Die Grundpfeiler der subjektiven Abgrenzung des Kaufmannsbegriffs
I. Der materielle Typus des Kaufmanns kraft Gewerbebetriebs
II. Fehlende Leitbildkonvergenz der Registerpfl icht bei Einzelunternehmern
III. Formkaufl eute (§ 6 HGB) und Handelsgesellschaften
1. (Form-) Kaufmannseigenschaft juristischer Personen
2. Die marginale personengesellschaftsrechtliche Leitbilddivergenz
B. Defi zitäre Umsetzung bei Freiberufl ern und Kleingewerbetreibenden
I. Die Sonderbehandlung von Berufsträgern mit freiberufl icher Tätigkeit
1. Die fehlende Rechtfertigung für die Ausklammerung
2. Standesrechtliche Organisation und vertragsorientierter Marktauftritt
3. Bedeutungsgehalt des § 5 HGB – eine Argumentationsgrundlage?
4. Verbraucher- und gesellschaftsrechtliche Vergleichsbetrachtung
II. Fehlende Kaufmannseigenschaft unselbstständig berufstätiger Personen
III. Kleingewerbetreibende – Eintragungsoption mit konstitutiver Wirkung
1. Sachgrund für die Sonderbehandlung von Kleingewerbetreibenden?
a) Schutzbedürftigkeit wegen defi zitärer Geschäftserfahrenheit?
b) § 2 HGB und verbraucherrechtlicher Unternehmerbegriff
2. Schutzbedarf des Klein- gegenüber dem Großunternehmer?
a) Regelungsgehalt und mangelnde Verallgemeinerungsfähigkeit von § 354a HGB
b) Die EG-rechtliche Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)
3. Eintragungsunabhängige Anwendung der §§ 343 ff. HGB
4. Letztverkäuferregress – Gebot zur dispositiven Ausgestaltung?
C. Einseitige Handelsgeschäfte – neuralgischer Punkt der Abgrenzung
I. Rechtspolitische Bedenken und verfassungsrechtliche Fragestellung
II. Einseitige Handelsgeschäfte zu Lasten des Nichtunternehmers
1. Die Zinsverbotslockerung in Kontokorrentverhältnissen
2. Akzessorietätslockerung für Sicherheiten bei Kontokorrenten
3. Pfändung des Zustellungssaldos beim Kontokorrent
4. Einseitige Handelsgeschäfte beim Handelskauf
III. Resümierende Auswertung der einseitigen Handelsgeschäfte
D. Erzeugung von Leitbildtreue: Auslegungs- oder Gesetzeskorrektur?
I. Möglichkeit und Zulässigkeit von Analogiebildungen
1. Canaris: Analogiebildung im Einzelfall
2. Die Generalisierung der HGB-Sondernormen bei Neuner
3. K. Schmidts Plädoyer für eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung
a) Ausgangsbetrachtung und Rechtsfortbildungsansatz
b) Die methodologischen Hürden der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung
II. Keine teleologische Reduktion: Appell an den Gesetzgeber
§ 25 Zwischenresultat und vorläufi ge Auswertung
6. Kapitel Grundfreiheiten und Marktliberalisierung
§ 26 Unternehmerleitbild und Freiheitsschutz der Grundfreiheiten
A. Leitbilderwägungen und institutionelle Marktfreiheit
B. Die grundfreiheitliche Stellung des Handelsvertragsrechts
C. Grundfreiheiten und Verbrauchervertragsrecht
§ 27 Der Rechtsfortbildungsstand der Grundfreiheiten
A. Gemeinsamer Rechtsfortbildungsstand der Grundfreiheiten
I. Stufenbau und Grundfreiheitenbindung
1. Grundfreiheiten, Richtlinien und nationales Verbrauchervertragsrecht
2. Bindung der Gemeinschaftsorgane an die Grundfreiheiten
3. Die Verbotsdichte der Gemeinschaftsbindung
II. Inländergleichbehandlung und Beschränkungsverbot
B. Rechtsfortbildungsbesonderheiten der einzelnen Grundfreiheiten
I. Freier Warenverkehr: Produktregelungen und Verkaufsmodalitäten
II. Die Dienstleistungsfreiheit als allgemeines Beschränkungsverbot
III. Freizügigkeit/Niederlassungsfreiheit – allgemeine Beschränkungsverbote
§ 28 Binnenmarktkonvergenz des Privatrechts
A. Grundfreiheitliche Würdigung der Dreiteilung an sich
I. Rechtsordnungsunterschiede und Maßgeblichkeit der Erlassebene
II. Würdigung der vertragsrechtlichen Rechtsordnungsunterschiede
B. Die Prüfung privatrechtlicher Normen an den Grundfreiheiten
I. Die Beurteilung der mittelbaren Behinderungseignung in der Literatur
II. Anhaltspunkte zur Behinderungseignung in der EuGH-Rechtsprechung
III. Die ausschließliche Grundfreiheitenrelevanz zwingenden Rechts
C. Verkaufs- und Produktmodalitäten im Vertragsrecht
I. Vertragsexistenz und Modalitäten der Vertragsdurchführung
II. Die Konkretisierung vertriebsbezogener Maßnahmen durch den EuGH
§ 29 Verbrauchervertragsrecht und Grundfreiheiten
A. Die Beurteilung der verbraucherrechtlichen Kollisionsnormen
I. Meinungen zum kollisionsrechtlichen Regelungsgehalt der Grundfreiheiten
II. Auswertung des kollisionsrechtlichen Regelungsgehalts
III. Die Art. 27 Abs. 3, Art. 29 und 29a EGBGB vor den Grundfreiheiten
1. Art. 27 Abs. 3 EGBGB bei Sachverhaltsverbindung mit einem Staat
2. Die verbraucherrechtliche Sonderverweisung des Art. 29 EGBGB
3. Die EG-bezogene Rückverweisung des Art. 29a EGBGB
B. Die Beurteilung des zwingenden Sachvertragsrechts
I. Die grundfreiheitliche Beurteilung von Informationspfl ichten
1. Die generelle Beurteilung von Aufklärungspfl ichten
2. Interdependenz zwischen Sprachregime und Beeinträchtigungswirkung
a) Das Sprachregime der harmonisierten Informationspfl ichten
b) Das Zusammentreffen von Sprachumsetzungs und Informationspfl ichten
c) Die Grundfreiheitenwidrigkeit der timesharingbezogenen Informationspflichten
II. Verlängerung der Überlegungsfrist durch Widerrufsrechte
III. Grundfreiheiten und verbraucherrechtliche Inhaltskontrolle
1. Die AGB-Missbrauchskontrolle – eine produktbezogene Regelung?
2. Der produktregelnde Charakter der Sachmängelregelungen
C. Zusammenfassung und Auswertung
§ 30 Die gruppenspezifi sche Sonderbehandlung im Handelsrecht
A. Die Problematik um die Anknüpfung handelsrechtlicher Normen
I. Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im europäischen Vergleich
II. Die deutsche Literatur zur Anknüpfung des Kaufmannsbegriffs
1. Anknüpfung an den Ort der gewerblichen Niederlassung
2. Van Venrooys Anknüpfung an dem Sinngehalt der Sachnorm
3. Präferenzbestrebungen zum Wirkungsstatut (lex causae)
4. Interessenlage der Vertragsparteien bezüglich der Anknüpfungsfrage
III. Kollisionsrechtliche Lösungsmöglichkeiten anderer Rechtsordnungen
1. Das französische Handelsrecht – Vergleichbarkeit zu Deutschland
2. Das österreichische Handelsrecht: Genereller Unternehmerbezug
3. Italien – ehemals kaufmannsbezogene Anknüpfung
4. Englisches common law – kein besonderes Handelsrecht
IV. Kollisionsrechtliche Lösungsmöglichkeiten anderer Rechtsordnungen
B. Sondervorschriften zur Vertragsstrafe und zur Formfreiheit
I. Die HGB-Liberalisierung bei Vertragsstrafeversprechen (§ 348 HGB)
II. Die HGB-spezifische Erweiterung von Erwerb und Abtretbarkeit
III. »(Kaufmann-) Erleichterung« von BGB-Formvorschriften (§ 350 HGB)
1. Die Grundfreiheitenrelevanz der bürgschaftsrechtlichen Formvorschrift
a) Die Ermittlung des Bürgschafts- und Formstatuts
b) Die »faktische« Unabdingbarkeit der Formbefreiung
2. »Exempel 1«: Bürgschaft eines EU-ausländischen Architekten
a) Der Produktcharakter der Bürgschaftsform
b) Die Reichweite der Formbefreiung in den einzelnen Mitgliedstaaten
c) Anknüpfung nach dem Ort der gewerblichen Niederlassung
d) Anknüpfung nach dem Sinngehalt der Sachnorm bzw. nach der lex causae
3. »Exempel 2«: Bürgschaft eines deutschen Architekten
4. »Exempel 1 und 2«: Rechtfertigungsmöglichkeit nach Cassis
C. Fehlende Folgerichtigkeit der Kaufmannseigenschaft
§ 31 Zusammenfassung und Résumé der Grundfreiheitenprüfung
Abschließendes Kapitel Zusammenfassung und Thesenbildung
§ 32 Die Ausgangsproblematik der Vertragsrechtsdivergenz
§ 33 Die Geschichtsrelevanz der (sonder-) privatrechtlichen Dreiteilung
§ 34 Der Bedeutungsgehalt des Begriffs »Sonderprivatrecht«
§ 35 Die Sonderprivatrechte im Lichte der Systemvorgaben
§ 36 Begriffsimmanenz des Gleichheits und Freiheitsausgleichs?
§ 37 Drittwirkungsgehalt und Schutzpflichtenlehre
§ 38 Prinzipienbildung durch Leitbilderwägungen
§ 39 Typisierungskonvergenz des Handels und Verbraucherrechts
§ 40 »Privatrechtliche Marktliberalisierung« und Grundfreiheitenkonvergenz
§ 41 Resümierende Thesen zur Vertragsrechtsdivergenz
Literatur
Register

Citation preview

J US PR I VAT UM Beiträge zum Privatrecht Band 139

Christoph Reymann

Das Sonderprivatrecht der Handels- und Verbraucherverträge Einheit, Freiheit und Gleichheit im Privatrecht

Mohr Siebeck

Christoph Reymann, geboren 1974; 1994–1999 Studium der Rechtswissenschaften an der Universität des Saarlandes mit Auslandssemester an der University of Warwick; 1997–1999, 2000 Lehrstuhlmitarbeiter am Seminar für Völkerrecht; 2000–2002 Referendar; 2002– 2003 Steuerrechtliche Zusatzqualifi kation und Tax/Corporate-Tätigkeit in einer Großkanzlei; 2003 Magister am Europa-Institut in Saarbrücken; 2003 Promotion; seit 2003 Notarassessor; seit 2006 Lehrbeauftragter an der Universität des Saarlandes; seit 2008 Referent am Deutschen Notarinstitut; 2008 Habilitation an der Universität des Saarlandes und Erwerb der venia legendi für Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Europarecht, Rechtsvergleichung und Internationales Privatrecht.

e-ISBN PDF 978-3-16-151216-2 ISBN 978-3-16-149865-7 ISSN 0940-9610 (Jus Privatum) Die deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2009 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen aus der Sabon-Antiqua gesetzt, von GuldeDruck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Meinen Eltern

Vorwort Man mag das Bestreben, durch rechtsdogmatische Modellüberlegungen den Einheits- und Freiheitsanspruch im Vertragsrecht anhand der Dreiteilung zwischen dem klassischen bürgerlichen Recht und den Sonderprivatrechten der Handels- und Verbraucherverträge wiederherzustellen, auf den ersten Blick dem »Reich der Gedankengebäude« zuordnen. Gleichwohl waren es vor allem auch kautelarjuristische Erfahrungen in der Praxis, welche die vorliegende Abhandlung inspiriert haben. Herausgekommen ist als Ansatz, das Verbraucher- und Unternehmerleitbild als einheitsstiftende Rechtsprinzipien der Vertragsfreiheit zu begreifen. Dieser Grundgedanke, der als Kontroll- und Legitimationsmaßstab für einfachgesetzliche Vertragsrechtsnormen zum Einsatz gelangen könnte, ist gleichsam als Plädoyer an die Reformisten des acquis communautaire und den deutschen Gesetzgeber zu begreifen, bei der Fortbildung des Vertragsrechts die aufgezeigten Widersprüche im Gesamtsystem zu beseitigen und das Postulat der »Gleichheit in Freiheit« zu beherzigen. Denn »[e]s ist nicht genug zu wissen, man muss auch anwenden« (Goethe, Wilhelm Meisters Wanderjahre III). Die Arbeit wurde im Sommersemester 2008 mit dem Stand »Dezember 2007« von der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität des Saarlandes als Habilitationsschrift angenommen; sie wurde im Sommer 2008 geringfügig aktualisiert und in die vorliegende Publikationsfassung überführt. Herr Univ.-Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. mult. Michael Martinek, M. C. J., der schon meine Doktorarbeit betreute, hat sie liberal und durch bedeutende Impulse gefördert; auch im Übrigen möchte ich ihm herzlich dafür danken, dass er mich in vielfältiger Hinsicht fachlich und persönlich gefördert hat. Die Ausarbeitung erfolgte im Laufe meiner Tätigkeit als Notarassessor und ist von dem Vorstand der Saarländischen Notarkammer u. a. durch zeitweise erfolgte Freistellungen ermöglicht worden. Herrn Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann bin ich verbunden, dass er in nur kurzer Zeit die Erstellung des Zweitgutachtens übernommen hat. Für wertvolle Hinweise danke ich auch Herrn Prof. Dr. Günther Hönn, der trotz seiner Emeritierung nobile officio kraft besonderer Sachkunde in das Habilitationsverfahren einbezogen worden ist.

VIII

Vorwort

Zu danken ist ferner der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für die großzügige Publikationsbeihilfe. Die Drucklegung wurde außerdem durch die »Vereinigung der Freunde der Universität des Saarlandes e. V.« unterstützt. Saarbrücken, im August 2008

Christoph Reymann

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXI

Einleitendes Kapitel: Einführung in die Thematik . . . . . .

1

§ 1 Privatrecht und vertragsrechtliche Sonderordnungen . . . . . .

2

§ 2 Die handels- und verbraucherrechtliche Sonderrechtsbildung . .

8

§ 3 Dreiteilung der Vertragsrechtsordnung . . . . . . . . . . . . .

19

§ 4 Die Systembeeinflussung durch Einheits- und Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

§ 5 Suche nach dem »inneren« System und Aufbau der Arbeit . . .

41

1. Kapitel: Ausgangsproblematik der vertragsrechtlichen Dreiteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

§ 6 Geschichtsrelevanz als systemteilungsbedingte Ausgangskoordinate. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

§ 7 – BGB –: Basis und Vergleichsmaßstab der Vertragsrechtsdivergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

§ 8 – Recht der Handelsverträge –: Kausalfaktoren und Chronologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

§ 9 – Verbrauchervertragsrecht –: Chronologie und Sondergehalt

78

§ 10 Zusammenfassung des Bisherigen und Programmthese . . . . .

101

2. Kapitel: Sondervertragliche Systemvorgaben der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

103

§ 11 Begriff der Sonderprivatrechte – Systembegriff des Vertragsrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

103

X

Inhaltsübersicht

§ 12 Etatismus und Dualismus – makrojuristische Weichenstellung

122

§ 13 Vertragsrechtsdivergenz und Einheit der Wirtschaftsverfassung

140

§ 14 Zusammenfassung und grundsätzliche Maßstabsbildung. . . .

159

3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

161

§ 15 Dogmatische Aufbereitung von Gleichheit und Freiheit. . . . .

162

§ 16 Prämissen und Maßstab der Gleichheits- und Freiheitsdivergenz

167

§ 17 Das Verhältnis zwischen Ausgestaltung und Einwirkung . . . .

177

§ 18 Zusammenfassende Auswertung und weiterer Prüfungsbedarf

237

4. Kapitel: Leitbilder – Legitimation ungleicher Ausgestaltung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

239

§ 19 (Un-)Mittelbare Drittwirkung – Vorgaben für die Normgestaltung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

239

§ 20 Die vertragsrechtlichen Schutzpfl ichten des Staates . . . . . . .

247

§ 21 Rechtsprinzipien – Maßstab freiheitlicher Ungleichbehandlung

256

§ 22 Privatrechtliche Leitbilder als legislative Differenzierungsgebote

304

5. Kapitel: Typisierungskonvergenz des Handels-/ Verbraucherrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

307

§ 23 Leitbildkongruenz des Verbrauchervertragsrechts. . . . . . . .

307

§ 24 Die Begriffsspaltung des deutschen Kaufmannstypus . . . . . .

358

§ 25 Zwischenresultat und vorläufige Auswertung . . . . . . . . . .

399

6. Kapitel: Grundfreiheiten und Marktliberalisierung . . . .

403

§ 26 Unternehmerleitbild und Freiheitsschutz der Grundfreiheiten. .

403

§ 27 Der Rechtsfortbildungsstand der Grundfreiheiten . . . . . . .

408

§ 28 Binnenmarktkonvergenz des Privatrechts . . . . . . . . . . . .

422

§ 29 Verbrauchervertragsrecht und Grundfreiheiten . . . . . . . . .

432

§ 30 Die gruppenspezifische Sonderbehandlung im Handelsrecht . .

455

§ 31 Zusammenfassung und Résumé der Grundfreiheitenprüfung. .

491

Inhaltsübersicht

XI

Abschließendes Kapitel: Zusammenfassung und Thesenbildung . . . . . . . . . . . . .

493

§ 32 Die Ausgangsproblematik der Vertragsrechtsdivergenz . . . . .

493

§ 33 Die Geschichtsrelevanz der (sonder-) privatrechtlichen Dreiteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

495

§ 34 Der Bedeutungsgehalt des Begriffs »Sonderprivatrecht« . . . .

497

§ 35 Die Sonderprivatrechte im Lichte der Systemvorgaben . . . . .

498

§ 36 Begriffsimmanenz des Gleichheits- und Freiheitsausgleichs? . .

499

§ 37 Drittwirkungsgehalt und Schutzpfl ichtenlehre . . . . . . . . .

502

§ 38 Prinzipienbildung durch Leitbilderwägungen . . . . . . . . . .

504

§ 39 Typisierungskonvergenz des Handels- und Verbraucherrechts

505

§ 40 »Privatrechtliche Marktliberalisierung« und Grundfreiheitenkonvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

507

§ 41 Resümierende Thesen zur Vertragsrechtsdivergenz . . . . . . .

511

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

513 561

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXI

Einleitendes Kapitel: Einführung in die Thematik. . . . . . .

1

§ 1 Privatrecht und vertragsrechtliche Sonderordnungen. . . . . .

2

A. Die typisierende Ungleichbehandlung durch Sonderprivatrechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der Repräsentationsgehalt des Handels- und Verbraucherrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 2 Die handels- und verbraucherrechtliche Sonderrechtsbildung A. Die Charakteristika des Handelsvertragsrechts . . . . . . . I. Die gesteigerte Selbstverantwortlichkeit der Kaufleute II. Die Vermutung der Entgeltlichkeit des Geschäftsverkehrs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sorgfaltsmaßstab und Beschleunigung des Handelsverkehrs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Der ausgeprägte Verkehrs- und Vertrauensschutz des Handelsverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Umsetzungsinstrumente des Verbraucherrechts . . . . . I. Informationspfl ichten – marktkomplementäre Schutzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Verlängerung der Überlegungsfrist durch Widerrufsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Verbraucherschutzinstrument der Inhaltskontrolle IV. Sonderanknüpfung – Verhinderung der Rechtswahlflucht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4 6 8 8 8 10 11 12 13 14 15 17 18

XIV

Inhaltsverzeichnis

§ 3 Dreiteilung der Vertragsrechtsordnung . . . . . . . . . . . . .

19

A. Sondervertragsrechte und Diskrepanz der Freiheitsgewähr . B. Subsidiaritätsprinzip und Vertragsrechtsdivergenz. . . . . .

21 22

§ 4 Die Systembeeinfl ussung durch Einheitsund Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

A. Der Integrationsansatz des internationalen Einheitsrechts . . B. Eingriffscharakter und fehlendes Eigensystem des EGRechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorrang der Richtlinie – Angleichung vor Vereinheitlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die gemeinschaftsrechtliche Ignoranz der Kaufmannsdogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Bestrebungen für ein europäisches Zivilgesetzbuch . . . . . I. Der gemeinsame Referenzrahmen (GRR). . . . . . . . II. Das Netzwerk der Exzellenz (CoPECL) . . . . . . . . D. Die verbraucherrechtliche Remanipulation des bürgerlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Auseinandersetzung mit der bürgerlich-rechtlichen Remanipulation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der unechte Verbraucherschutz der Pauschalreiserichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

§ 5 Suche nach dem »inneren« System und Aufbau der Arbeit . . .

41

1. Kapitel: Ausgangsproblematik der vertragsrechtlichen Dreiteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

§ 6 Geschichtsrelevanz als systemteilungsbedingte Ausgangskoordinate. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

§ 7 – BGB –: Basis und Vergleichsmaßstab der Vertragsrechtsdivergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

A. Die Schrittmacherfunktion der Grundrechte als objektive Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der exemplarische Rechtsprechungswandel bei Bürgschaften und Eheverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Keine Typisierung eines bürgerlich-rechtlichen Schwächerenschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27 27 29 30 31 33 36 38 39

48 50 52

Inhaltsverzeichnis

§ 8 – Recht der Handelsverträge –: Kausalfaktoren und Chronologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Rezeption und handelsrechtliche Kodifi kationen . . . . . . B. Handelsrechtliche Entwürfe und Kodifi kationsgenese . . . . I. Die Kodifi kation des Allgemeinen Deutschen Handelsrechts (ADHGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufbau und Inhalt des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Empfehlung zur Weiterführung eines gesonderten Handelsgesetzbuchs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. »Kleine« Kodifi kationslösung und Systemwechsel zur Sonderkodifi kation . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Handelsrecht: (Standes-) Sonderrecht der Außenbeziehungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Die mangelnde Adaptionsfähigkeit der HGB-Dogmatik . . . E. Kritik des Kaufmannsbegriffs und Systemanalysen des Handelsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kausale Erklärungsmodelle der handelsrechtlichen Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die relative Theorie des Handelsrechts . . . . . . . a) Einheitstheorie und Korrelationsthese . . . . . . b) Die Reaktionen des Schrifttums auf die Einheitsbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Goldschmidts entwicklungsgeschichtliche Innovationsbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die »Dreistufen«-Ursachendefi nition von Gareis . . II. Auswertung der Thesen zur Existenzberechtigung des Handelsrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 9 – Verbrauchervertragsrecht –: Chronologie und Sondergehalt A. Anfänge der Verbraucherrechtskodifi kation und Systemspaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die EG-rechtliche Beeinflussung der Verbraucherrechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Verbraucherprogramme des Rates . . . . . . . . . II. Verbraucherschutz in der EuGH-Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verbraucherschutz im liberalen Binnenmarktkonzept IV. Etablierung der Verbraucherpolitik durch den Vertrag von Maastricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XV 54 56 57 59 60 61 62 64 65 68 69 70 70 71 72 73 75 78 78 83 84 84 85 86

XVI

Inhaltsverzeichnis

V.

Die Komplettierung der Verbraucherpolitik durch Amsterdam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Selbstkritische Überarbeitung des verbraucherrechtlichen »acquis« . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Entwicklung und sozio-juristische Rahmenbedingungen . . I. Wegfall des Zunftwesens und Bedarf nach Verbraucherschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die sozio-ökonomische Fortentwicklung seit der Verabschiedung des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Verbraucherschutzdebatte und Modellspaltung im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88 89 91 92 95 98

§ 10 Zusammenfassung des Bisherigen und Programmthese . . . .

101

2. Kapitel: Sondervertragliche Systemvorgaben der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

103

§ 11 Begriff der Sonderprivatrechte – Systembegriff des Vertragsrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

103

A. Inhaltliche Spezifitäten als sonderprivatrechtliche Normmerkmale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Spezialität des Handels- gegenüber dem allgemeinen Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Exklusivität und Spezialität des Verbraucherrechts . . . III. Exklusivitätsregelungen jenseits der Sonderprivatrechte B. Aufspaltung in Nebengesetze und Kriterien der äußeren Systembildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der fehlende Aussagegehalt der formalen Ausgliederung II. »Dekodifi kationsbewegungen« ohne eigenen Systemgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sachliche Durchdringung versus formale Segregation C. Kriterien des inneren Systems: Sonderprivatrechtliche Kausalfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Pandekten als Systematisierungsfaktor – Herkunft und Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. F. Bydlinskis sonderprivatrechtliche Integrationsvorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Die Stellung des Handels- und Verbraucherrechts zu den Pandekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

105 106 107 108 109 109 111 112 113 114 116 118

Inhaltsverzeichnis

XVII

I.

Das Handelsrecht als Sonderprivatrecht mit defi zitärer Abgrenzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fehlender Sonderprivatrechtsgehalt des Verbraucherprivatrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Pandektenexterne Freiheits- und Gleichheitstypisierung . . .

119 120

§ 12 Etatismus und Dualismus – makrojuristische Weichenstellung

122

A. Staatliche Normenhierarchie und Selbstständigkeit des Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Zweiteilung der Rechtsordnung in öffentliches und privates Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Traditionelle Verortung des Vertragsrechts . . . . . . . II. Historie und status quo der Rechtsordnungsdichotomie III. Die Stellung des Vertragsrechts in der Rechtsordnungsdichotomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verbrauchervertragsrecht und Gemeinwohlbezug . . 2. Verbraucherrecht und subordinative Markterhaltung IV. Jüngste Entwicklung der rechtsordnungsbezogenen Dichotomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Legitimität der Gemeinwohlorientierung des Verbraucherrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Dänische Dichotomieproblematik durch die Verbraucherrichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zweiteilung und Verbraucherrecht aus deutscher Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Registersubsidiarität und »Pufferfunktion« des Wettbewerbs(-rechts) . . . . . . . . . . . . . . . . § 13 Vertragsrechtsdivergenz und Einheit der Wirtschaftsverfassung A. Supranationale Einflussebene und vertragsrechtliche Dreiteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Wechselwirkungen zwischen Wirtschafts- und Vertragsrechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Vertragsfreiheit und Pluralität der Wirtschaftsverfassung . . I. Das BGB als Modell des Empfängerschutzes prozeduraler Fairness . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhaltliche Fairness – kein Grundsatz des Vertragsrechtsfundaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Materiale Selbstbestimmung und prozedurale Fairness 1. Verlagerung der Selbst- und Fremdverantwortung durch ius cogens . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

118

123 125 125 126 129 130 131 132 134 135 136 138 140 141 142 144 145 147 149 149

XVIII

Inhaltsverzeichnis

2. Kollisionsrechtliche Besonderheiten des Verbraucherrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das transzendierte Freiheitsverständnis des Handelsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Modifi zierung von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verkehrstypisches Verhalten als privatautonome Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Grundrechte und Grundfreiheiten: substanzielle Verbindungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Freiheitspostulate der Grundrechte – einheitsstiftender Faktor. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Grundfreiheiten – wirtschaftsverfassungsrechtlicher Referenzrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

151 153 154 155 157 157 159

§ 14 Zusammenfassung und grundsätzliche Maßstabsbildung . . .

159

3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

161

§ 15 Dogmatische Aufbereitung von Gleichheit und Freiheit . . . .

162

A. Dienende Funktion der Gleichheit zur Freiheitsausgestaltung B. Privatautonomie – Ausgestaltung und Gewährleistung . . .

163 164

§ 16 Prämissen und Maßstab der Gleichheits- und Freiheitsdivergenz A. Die individualisierte Willenserforschung im Rahmen des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Das besitzende Bürgertum als heimlicher Normadressat des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Das grundrechtliche Anpassungsdefi zit der Sondervertragsrechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die mangelnde Progressionstauglichkeit der Verbraucherrichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Antiquiertheit der kaufmannsbezogenen Abgrenzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Typisierung und richterliche »Entscheidungsschranken« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die schleichende Ausweitung der EuGH-Kompetenzen

167 167 169 170 171 173 174 175

Inhaltsverzeichnis

XIX

§ 17 Das Verhältnis zwischen Ausgestaltung und Einwirkung. . . .

177

A. Vertragsrechtsmodelle in der Literatur . . . . . . . . . . . . I. Schmidt-Rimpler und die Lehre von der Richtigkeitsgewähr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Flume – Privatautonome Gestaltung und Wesen der Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. M. Wolfs Theorie der rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Dauner-Lieb – »Liberales Informationsmodell« . . . . V. Hönn – Multidimensionale Struktur der gestörten Vertragsparität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. L. Raiser – Soziale Funktion und Aufteilung nach Lebensbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Reifners prinzipielle und symptomatische Zivilrechtskritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Reichs sozialwissenschaftliches Verbraucherschutzmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Ökonomische Analyse des Rechts – Maßstab der Vertragsrechtsordnung? . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ökonomische Rechtsanalyse und Vertragsrecht . . . 2. Ökonomische Analyse – Legitimation der Vertragsrechtsspaltung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. (Sonder-) Vertragskonzeption im Rechtsordnungsvergleich I. Die kontinentalen Gesetzgebungen mit dualistischem Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Französisches Vertragsrecht – Willensprinzip und Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertragsrecht in Belgien – französische Wurzeln und Fortentwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vertragsrecht in Spanien – Zentralgewalt und Comunidades Autónomas . . . . . . . . . . . . . . II. Österreich – Assimilierung von Unternehmerrecht und Verbraucherrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die kontinentalen Gesetzgebungen mit monistischem Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das integrierte Zivil- und Handelsrecht in Italien . . 2. Niederlande – Burgerlijk Wetboek und Verbraucherrichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Litauen – Marktwirtschaft und monistisches Vertragsrechtssystem. . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Kooperationsgesetzgebung der nordischen Staaten

179 179 182 184 187 190 193 196 198 201 202 204 206 207 207 211 213 217 219 220 223 225 227

XX

Inhaltsverzeichnis

1. Vertragsgesetz und traditioneller Verbraucherschutz in Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schweden – ein weiteres Beispiel nordischer Rechtskultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertragsrecht und common law – schwache Ansätze einer Systemdivergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Vertragsrecht nach common law historisch betrachtet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Materialisierungstendenzen und Instrumentalisierung des Vertragsrechts . . . . . . . . . . . . . .

234

§ 18 Zusammenfassende Auswertung und weiterer Prüfungsbedarf

237

4. Kapitel: Leitbilder – Legitimation ungleicher Ausgestaltung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

239

§ 19 (Un-)Mittelbare Drittwirkung – Vorgaben für die Normgestaltung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

239

V.

A. Gesetzgeberische Grundrechtsbindung bei (Privatrechts-) Gesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Drittwirkungsproblematik im Handels- und bürgerlichen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die EG-rechtliche Drittwirkungsproblematik im Verbraucherrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unmittelbare Grundrechtsbindung im Verbraucherrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundrechtsdogmatische Besonderheiten im Verbraucherrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Systemvorgaben durch die Drittwirkung der Grundfreiheiten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 20 Die vertragsrechtlichen Schutzpflichten des Staates . . . . . . A. Grundrechtliche Schutzpfl ichten – symmetrischer Grundrechtsschutz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Wirkungsgehalt der grundrechtlichen Schutzpfl ichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Vorrang der dezentralisierten Eigenverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

227 229 232 232

240 241 242 242 244 245 247 247 248 249

Inhaltsverzeichnis

XXI

III. Die mangelnde Generalisierungseignung der Schutzpfl ichtenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Deliberalisierungswirkung der Grundfreiheiten . . . . . I. Urteil »désordre public« als Anerkennung von Schutzpfl ichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundfreiheitliche Schutzpfl ichten und Privatrecht. . .

252 254

§ 21 Rechtsprinzipien – Maßstab freiheitlicher Ungleichbehandlung

256

A. Die Peronenbilder als rollenspezifische Rechtsprinzipien. . . I. Leitbilder als empirisch-normative Sachgründe. . . . . II. Die Legitimationseignung der sonderprivatrechtlichen Personenbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Leitbild und Personenbild der (Sonder-) Vertragsrechte . . . I. Das Personenbild des homo oeconomicus als Vertragsrechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. (Verbraucher-) Personenbild – soziologische Leitbildmodifi zierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verbraucherleitbild und Verbraucherbegriff . . . . . 2. Die Notwendigkeit perspektivischer Konzentration . 3. Das Verbraucherleitbild im primärrechtlichen Koordinatensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verbraucherschutz als zwingendes Allgemeininteresse der Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . b) Keine übertriebenen Anforderungen an Produktangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zugang zu wahren Informationen und situationsspezifische Leitbildflexibilität . . . . . . . . . . . d) Das Leitbild des verständigen Durchschnittsverbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verbraucherschutz durch die Europäische Grundrechte-Charta (GRCh) . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Lokalisierung der Normvorgaben für das Verbraucherleitbild. . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Unternehmerleitbild als Personenbild des Handelsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Aussagegehalt des Unternehmerleitbilds. . . . . 2. Ableitung des Unternehmerleitbilds aus den Grundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die unternehmerische Freiheit nach der Europäischen Grundrechtecharta (GRCh) . . . .

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XXII

Inhaltsverzeichnis

3. 4. 5. 6. 7.

8.

b) Die Rechtsprechung des EuGH zum unternehmerischen Grundrechtsschutz . . . . . . . . . (1) Freiheit zur Ausübung einer Geschäftstätigkeit und Eigenverantwortung . . . . . . . . . . . (2) Vertrauensschutz und Schutzbereich der unternehmerischen Freiheit . . . . . . . . . . (3) Die Privatautonomie als notwendiger Bestandteil der unternehmerischen Freiheit . . . . . . (4) Die Vertragsabschlussfreiheit als Ausfluss der Berufsausübungsfreiheit . . . . . . . . . . . . (5) Vertragsfreiheit und der Eigentumsschutz wohlerworbener Rechte . . . . . . . . . . . . c) Die Unternehmerfreiheit in den EU-Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verfassungen mit ausdrücklicher Unternehmerfreiheitsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Unternehmerfreiheit als Konglomerat mehrerer Grundrechtsgarantien . . . . . . . . Der negative Aussagegehalt der Cassis-Grundfreiheitendogmatik. . . . . . . . . . . . . . . . . . Die freiheitswahrende Funktion der Wettbewerbsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Unternehmerleitbild des umsichtigen Wirtschaftsteilnehmers . . . . . . . . . . . . . . . Keine Gleichsetzung von Leitbild und Kaufmannsprofi l . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitbildkonkretisierung und Unternehmensbegriff . a) Der Umweg der Unternehmensausrichtung . . . . b) Die indirekten Leitbildaussagen des Unternehmensbegriffs. . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Unternehmer als berufs- und gemeinschaftsrechtlich induzierter Leitbegriff . . . . . . . . . . Lokalisierung der Normvorgaben für das Unternehmerleitbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 22 Privatrechtliche Leitbilder als legislative Differenzierungsgebote

280 280 281 283 284 285 285 286 287 289 290 291 293 296 296 298 300 301 304

Inhaltsverzeichnis

XXIII

5. Kapitel: Typisierungskonvergenz des Handels-/ Verbraucherrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

307

§ 23 Leitbildkongruenz des Verbrauchervertragsrechts . . . . . . .

307

A. (Leit-) Typusabbildung durch die Verbraucherrichtlinien . . I. Das Verhältnis zwischen b2c-Begegnungen und Leitbilderwägungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirtschaftliche Schwäche des Verbrauchers als Leitbilderwägung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Verneinung einer rollensoziologischen Verbraucherposition . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Marktstruktur und moderne Informationstheorie . . II. Die objektive Situationseingrenzung als entscheidendes Leitbildventil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schutzerforderlichkeit und situationsangemessener Leitbildausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verhältnismäßigkeit der haustürspezifischen Ausgleichsmaßnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die verbraucherrechtliche Leitbildtreue der Fernabsatzrichtlinie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Verhältnismäßigkeit der vor- und nachvertraglichen Aufklärungspfl ichten . . . . . . . . b) Das Widerrufsrecht der Fernabsatzrichtlinie . . . 3. Die Verbraucherleitbildkongruenz der Verbraucherkreditrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die gegenständliche Leitbildkonvergenz der Klauselkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Transparenz- und Informationsdefi zit bei »standard forms« . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einseitige Vertragsgestaltungsmacht bei »adhesion terms« . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die defi zitäre Leitbildkonvergenz der Timesharingrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verarbeitungskapazitäten und Umfang der Informationspfl ichten . . . . . . . . . . . . . . . b) Leitbildkonvergenz des timesharingbezogenen Widerrufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die fehlende Leitbildkongruenz der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Fehlen eines objektiven Schutzauslösers beim Verbrauchsgüterkauf . . . . . . . . . . . . . . .

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XXIV

Inhaltsverzeichnis

b) Fehlende Schutzsituation und Missachtung des Wettbewerbsvorrangs . . . . . . . . . . . . . . . IV. Leitbildkonvergenz der subjektiven Geltungsbereichseingrenzung (b2c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Persönliche Geltungsbereichsbegrenzung der Haustürgeschäfterichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Beschränkung auf b2c-Situationen bei Fernabsatzgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die persönliche Leitbildtreue der Verbraucherkreditrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die AGB-kontrollrechtliche Geltungsbereichseinschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Bereichsbegrenzung der Timesharingrichtlinie auf b2c-Situationen . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ius cogens und Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kompetenzüberschreitung durch die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kompetenzwahrung und zwingende Ausgestaltung bei Haustürgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die zwingende Ausgestaltung durch die Fernabsatzrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das kollisionsrechtliche Umsetzungsdefi zit bei Verbraucherkrediten . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Binnenmarktkonvergenz der (Klausel-) Missbrauchskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die kollisionsrechtlich leitbilddefi zitäre Ausgestaltung des Timesharing . . . . . . . . . . . B. Fehlende Rechtfertigung und Anpassungsbedarf . . . . . . I. Sachliche Rechtfertigung der Leitbilddiskrepanzen? . . 1. Leitbildheterogenität und unterschiedlicher Systemzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Unternehmer als alleiniger Normadressat? . . . 3. Die Beeinflussung des Verbraucherleitbilds durch situative Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gegenständliche Leitbildüberschreitung und Anpassungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 24 Die Begriffsspaltung des deutschen Kaufmannstypus . . . . .

358

A. Die Grundpfeiler der subjektiven Abgrenzung des Kaufmannsbegriffs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

359

Inhaltsverzeichnis

Der materielle Typus des Kaufmanns kraft Gewerbebetriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fehlende Leitbildkonvergenz der Registerpfl icht bei Einzelunternehmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Formkaufleute (§ 6 HGB) und Handelsgesellschaften . 1. (Form-) Kaufmannseigenschaft juristischer Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die marginale personengesellschaftsrechtliche Leitbilddivergenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Defi zitäre Umsetzung bei Freiberuflern und Kleingewerbetreibenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Sonderbehandlung von Berufsträgern mit freiberufl icher Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die fehlende Rechtfertigung für die Ausklammerung 2. Standesrechtliche Organisation und vertragsorientierter Marktauftritt . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedeutungsgehalt des § 5 HGB – eine Argumentationsgrundlage? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verbraucher- und gesellschaftsrechtliche Vergleichsbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fehlende Kaufmannseigenschaft unselbstständig berufstätiger Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kleingewerbetreibende – Eintragungsoption mit konstitutiver Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachgrund für die Sonderbehandlung von Kleingewerbetreibenden? . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutzbedürftigkeit wegen defi zitärer Geschäftserfahrenheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 2 HGB und verbraucherrechtlicher Unternehmerbegriff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutzbedarf des Klein- gegenüber dem Großunternehmer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regelungsgehalt und mangelnde Verallgemeinerungsfähigkeit von § 354a HGB . . b) Die EG-rechtliche Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) . . . . . . . . . . 3. Eintragungsunabhängige Anwendung der §§ 343 ff. HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Letztverkäuferregress – Gebot zur dispositiven Ausgestaltung?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Einseitige Handelsgeschäfte – neuralgischer Punkt der Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXV

I.

360 361 362 362 364 365 365 366 368 369 371 373 374 374 375 376 377 378 379 380 381 383

XXVI

Inhaltsverzeichnis

I.

Rechtspolitische Bedenken und verfassungsrechtliche Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einseitige Handelsgeschäfte zu Lasten des Nichtunternehmers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Zinsverbotslockerung in Kontokorrentverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Akzessorietätslockerung für Sicherheiten bei Kontokorrenten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pfändung des Zustellungssaldos beim Kontokorrent 4. Einseitige Handelsgeschäfte beim Handelskauf . . . III. Resümierende Auswertung der einseitigen Handelsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Erzeugung von Leitbildtreue: Auslegungs- oder Gesetzeskorrektur?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Möglichkeit und Zulässigkeit von Analogiebildungen . 1. Canaris: Analogiebildung im Einzelfall . . . . . . . 2. Die Generalisierung der HGB-Sondernormen bei Neuner. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. K. Schmidts Plädoyer für eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausgangsbetrachtung und Rechtsfortbildungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die methodologischen Hürden der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . II. Keine teleologische Reduktion: Appell an den Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

383 385 385 386 388 389 390 392 392 393 394 396 396 397 398

§ 25 Zwischenresultat und vorläufige Auswertung . . . . . . . . .

399

6. Kapitel: Grundfreiheiten und Marktliberalisierung . . . .

403

§ 26 Unternehmerleitbild und Freiheitsschutz der Grundfreiheiten

403

A. Leitbilderwägungen und institutionelle Marktfreiheit . . . . B. Die grundfreiheitliche Stellung des Handelsvertragsrechts. . C. Grundfreiheiten und Verbrauchervertragsrecht . . . . . . .

404 405 406

§ 27 Der Rechtsfortbildungsstand der Grundfreiheiten . . . . . . .

408

A. Gemeinsamer Rechtsfortbildungsstand der Grundfreiheiten. I. Stufenbau und Grundfreiheitenbindung . . . . . . . .

409 409

Inhaltsverzeichnis

1. Grundfreiheiten, Richtlinien und nationales Verbrauchervertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . 2. Bindung der Gemeinschaftsorgane an die Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Verbotsdichte der Gemeinschaftsbindung . . . . II. Inländergleichbehandlung und Beschränkungsverbot . B. Rechtsfortbildungsbesonderheiten der einzelnen Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Freier Warenverkehr: Produktregelungen und Verkaufsmodalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Dienstleistungsfreiheit als allgemeines Beschränkungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Freizügigkeit/Niederlassungsfreiheit – allgemeine Beschränkungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXVII 410 411 413 416 417 418 420 421

§ 28 Binnenmarktkonvergenz des Privatrechts. . . . . . . . . . . .

422

A. Grundfreiheitliche Würdigung der Dreiteilung an sich. . . . I. Rechtsordnungsunterschiede und Maßgeblichkeit der Erlassebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Würdigung der vertragsrechtlichen Rechtsordnungsunterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Prüfung privatrechtlicher Normen an den Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Beurteilung der mittelbaren Behinderungseignung in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anhaltspunkte zur Behinderungseignung in der EuGHRechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die ausschließliche Grundfreiheitenrelevanz zwingenden Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Verkaufs- und Produktmodalitäten im Vertragsrecht . . . . I. Vertragsexistenz und Modalitäten der Vertragsdurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Konkretisierung vertriebsbezogener Maßnahmen durch den EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

422

§ 29 Verbrauchervertragsrecht und Grundfreiheiten. . . . . . . . .

432

A. Die Beurteilung der verbraucherrechtlichen Kollisionsnormen I. Meinungen zum kollisionsrechtlichen Regelungsgehalt der Grundfreiheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auswertung des kollisionsrechtlichen Regelungsgehalts

423 424 425 425 427 428 429 429 430

433 434 435

XXVIII

Inhaltsverzeichnis

III. Die Art. 27 Abs. 3, Art. 29 und 29a EGBGB vor den Grundfreiheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Art. 27 Abs. 3 EGBGB bei Sachverhaltsverbindung mit einem Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die verbraucherrechtliche Sonderverweisung des Art. 29 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die EG-bezogene Rückverweisung des Art. 29a EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Beurteilung des zwingenden Sachvertragsrechts . . . . . I. Die grundfreiheitliche Beurteilung von Informationspfl ichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die generelle Beurteilung von Aufklärungspfl ichten 2. Interdependenz zwischen Sprachregime und Beeinträchtigungswirkung . . . . . . . . . . . . . . a) Das Sprachregime der harmonisierten Informationspfl ichten . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Zusammentreffen von Sprachumsetzungsund Informationspfl ichten . . . . . . . . . . . . c) Die Grundfreiheitenwidrigkeit der timesharingbezogenen Informationspfl ichten . . . . . . . . . II. Verlängerung der Überlegungsfrist durch Widerrufsrechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grundfreiheiten und verbraucherrechtliche Inhaltskontrolle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die AGB-Missbrauchskontrolle – eine produktbezogene Regelung? . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der produktregelnde Charakter der Sachmängelregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zusammenfassung und Auswertung . . . . . . . . . . . . . § 30 Die gruppenspezifi sche Sonderbehandlung im Handelsrecht . . A. Die Problematik um die Anknüpfung handelsrechtlicher Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im europäischen Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die deutsche Literatur zur Anknüpfung des Kaufmannsbegriffs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anknüpfung an den Ort der gewerblichen Niederlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Van Venrooys Anknüpfung an dem Sinngehalt der Sachnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

436 437 438 441 442 442 443 445 445 446 448 448 450 450 453 455 455

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456

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457

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459

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462

Inhaltsverzeichnis

3. Präferenzbestrebungen zum Wirkungsstatut (lex causae) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Interessenlage der Vertragsparteien bezüglich der Anknüpfungsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kollisionsrechtliche Lösungsmöglichkeiten anderer Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das französische Handelsrecht – Vergleichbarkeit zu Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das österreichische Handelsrecht: Genereller Unternehmerbezug. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Italien – ehemals kaufmannsbezogene Anknüpfung . 4. Englisches common law – kein besonderes Handelsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kollisionsrechtliche Lösungsmöglichkeiten anderer Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Sondervorschriften zur Vertragsstrafe und zur Formfreiheit I. Die HGB-Liberalisierung bei Vertragsstrafeversprechen (§ 348 HGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die HGB-spezifische Erweiterung von Erwerb und Abtretbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. »(Kaufmann-) Erleichterung« von BGB-Formvorschriften (§ 350 HGB). . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Grundfreiheitenrelevanz der bürgschaftsrechtlichen Formvorschrift. . . . . . . . . . . . . . a) Die Ermittlung des Bürgschafts- und Formstatuts b) Die »faktische« Unabdingbarkeit der Formbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. »Exempel 1«: Bürgschaft eines EU-ausländischen Architekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Produktcharakter der Bürgschaftsform . . . b) Die Reichweite der Formbefreiung in den einzelnen Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . c) Anknüpfung nach dem Ort der gewerblichen Niederlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anknüpfung nach dem Sinngehalt der Sachnorm bzw. nach der lex causae . . . . . . . . . . . . . 3. »Exempel 2«: Bürgschaft eines deutschen Architekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. »Exempel 1 und 2«: Rechtfertigungsmöglichkeit nach Cassis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Fehlende Folgerichtigkeit der Kaufmannseigenschaft . . . . § 31 Zusammenfassung und Résumé der Grundfreiheitenprüfung

XXIX 465 466 467 467 470 472 475 477 477 478 479 480 480 481 482 483 483 484 486 487 487 488 490 491

XXX

Inhaltsverzeichnis

Abschließendes Kapitel: Zusammenfassung und Thesenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

493

§ 32 Die Ausgangsproblematik der Vertragsrechtsdivergenz . . . .

493

§ 33 Die Geschichtsrelevanz der (sonder-) privatrechtlichen Dreiteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

495

§ 34 Der Bedeutungsgehalt des Begriffs »Sonderprivatrecht« . . . .

497

§ 35 Die Sonderprivatrechte im Lichte der Systemvorgaben. . . . .

498

§ 36 Begriffsimmanenz des Gleichheits- und Freiheitsausgleichs? . .

499

§ 37 Drittwirkungsgehalt und Schutzpflichtenlehre . . . . . . . . .

502

§ 38 Prinzipienbildung durch Leitbilderwägungen . . . . . . . . .

504

§ 39 Typisierungskonvergenz des Handels- und Verbraucherrechts

505

§ 40 »Privatrechtliche Marktliberalisierung« und Grundfreiheitenkonvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

507

§ 41 Resümierende Thesen zur Vertragsrechtsdivergenz . . . . . . .

511

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

513 561

Abkürzungen a. A. ABl. Abs. AbzG AcP ACQP ADC ADHGB a. F. AG AGB AktG ALR Alt. AntitrustLJ AO ARSP Art. AT Aufl. Az. BÄO BAGE BayVBl. BetriebsKV BB belgCcivil belgCcom BeurkG BFH Bd. b2b b2c BGB BGB-InfoV

andere Ansicht Amtsblatt Absatz Gesetz betreffend die Abzahlungsgeschäfte (kurz: Abzahlungsgesetz) Archiv für die civilistische Praxis Acquis Principles Annario de Derecho Civil Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch alte Fassung Aktiengesellschaft Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen Aktiengesetz Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten Alternative Antitrust Law Journal Abgabenordnung Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Artikel / Article Allgemeiner Teil Auflage Aktenzeichen Bundesärzteordnung Sammlung der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bayerische Verwaltungsblätter Verordnung über die Aufstellung nach Betriebskosten Betriebs-Berater Code civil (Belgien) Code de Commerce (Belgien) Beurkundungsgesetz Bundesfi nanzhof Band businessman to businessman businessman to consumer Bürgerliches Gesetzbuch Verordnung über Informations- und Nachweispfl ichten nach bürgerlichem Recht

XXXII BGBl. BGH BGHZ BMJ BNotO BRAO BRD BReg BSG BT-Drucks. BVerfG BVerfGE BW bzgl. bzw. Chap. / chap. cif. CISG

Abkürzungen

Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesminister der Justiz / Bundesministerium der Justiz Bundesnotarordnung Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesrepublik Deutschland Bundesregierung Bundessozialgericht Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Burgerlijk Wetboek bezüglich beziehungsweise

CMLRev CognPschol ConstEspañ ConstLJ CoPECL CR CYEL c2c

Chapter / chapter cost, insurance, freight United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods / Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf Common Market Law Review Cognitive Psychology La Constitución Española Construction Law Journal Joint Network on European Private Law – »Network of Excellence« Computer und Recht Cambridge Yearbook of European Law consumer to consumer

dänKaufG dänVertrG DB DCFR ders. d. h. dies. DJT DNotZ DÖV Dok. DRGBl. dt. DVBl. DZWir

Kaufgesetz (Dänemark) Vertragsgesetz (Dänemark) Der Betrieb Draft Common Frame of Reference derselbe das heißt dieselbe Deutscher Juristentag Deutsche Notarzeitschrift Die Öffentliche Verwaltung Dokument Deutsches Reichsgesetzblatt deutsch Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht

ECJ

European Court of Justice

Abkürzungen

EconJournal EEA EG

EGBGB EGHGB EGV EJCL ELJ ELRev EMRK EntLRev ERCL etc. EU EuG EuGH EuGMR EuGRZ EuGVO

EuGVÜ

EuR europ. EurRevPL EUV EuZW EVÜ

EWG EWGV EWIV EWR EWS FamRZ FernUSG ff. franzCcivil franzCcom franzCcon

XXXIII

The Economic Journal Einheitliche Europäische Akte Europäische Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (AmsterdamFassung) Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Electronic Journal of Comparative Law European Law Journal European Law Review Europäische Menschenrechtskonvention Entertainment Law Review European Review of Contract Law et cetera Europäische Union Europäisches Gericht erster Instanz Europäischer Gerichtshof Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Europäische Grundrechte Zeitschrift Verordnung (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (kurz: Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen) Europarecht (Zeitschrift) europäisch European Review of Private Law Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Römisches EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (kurz: Europäisches Vertragsrechtsübereinkommen) Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Gesetz zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht (kurz: Fernunterrichtsschutzgesetz) fortfolgende Code civil (Frankreich) Code de commerce (Frankfreich) Code de la consommation (Frankreich)

XXXIV

Abkürzungen

FS

Festschrift

GbR Gebtg. GenG GesHandprakt GG GmbH GmbH & Co. KG GmbHG GPR GRCh grds. GRR GRUR GVBl. GWB GYIL

Gesellschaft bürgerlichen Rechts Geburtstag Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Gesetz über Handelspraktiken (Belgien) Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Compagnie Kommanditgesellschaft Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht Grundrechte-Charta der Europäischen Union grundsätzlich Gemeinsamer Referenzrahmen Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gesetz- und Verordnungsblatt Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen German Yearbook of International Law

Habil. Halbbd. HandelsR HaRÄG HausTWG / HWiG HeizkostenV

HRG Hrsg. Hteil.

Habilitation Halbband Handelsrecht Handelsrechts-Änderungsgesetz (Österreich) Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften Verordnung über die verbrauchsabhängige Abrechnung der Heizund Warmwasserkosten Handbuch Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Gesetz zur Neuregelung des Kaufmanns- und Firmenrechts und zur Änderung anderer handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften (kurz: Handelsrechtsreformgesetz) Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte Herausgeber Hauptteil

ICCLR IHR Inc. IPbürgR iPR / IPR IPRax irischVerf italCcivile italCcom italVerf

International Company and Commercial Law Review Internationales Handelsrecht Incorporated Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts irische Verfassung Codice civile (Italien) Codice di commercio (Italien) italienische Verfassung

Hdb. HGB h. M. HRefG

Abkürzungen

XXXV

ITRB i. V. m.

IT-Rechts-Berater in Verbindung mit

JA JBL JCP JEconPersp JJZ JLEconOrg J. O. JöR JournBusiness JPE IPRspr.

Juristische Arbeitsblätter Journal of Business Law Journal of Consumer Policy Journal of Economic Perspectives Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler Journal of Law, Economics, and Organization Journal Officiel Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Journal of Business Journal of Political Economy Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des internationalen Privatrechts: Sonderveröffentlichung der Rabels Zeitschrift Juristische Schulung Juristenzeitung

JuS JZ Kap. KartellVO

KSchG

Kapitel Verordnung gegen Mißbrauch wirtschaftlicher Machtstellungen (kurz: Kartellverordnung) Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Kritische Justiz Kleine und mittlere Unternehmen Kommentar Kommunikation & Recht Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Konsumentenschutzgesetz (Österreich)

LAG LG Ltd. litCkod

Landesarbeitsgericht Landgericht Limited Civilinio kodekso patvirtinimo (Litauen)

MaBV

MünchKomm m. w. N.

Verordnung über die Pfl ichten der Makler, Darlehens- und Anlagenvermittler, Bauträger und Baubetreuer (kurz: Makler- und Bauträgerverordnung) Monatszeitschrift für Deutsches Recht The Modern Law Review Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen

n. Chr. NJW

nach Christi Geburt Neue Juristische Wochenschrift

KG KGaA KJ KMU Komm. K&R KritV

MDR ModLawRev MPIPriv.

XXXVI

Abkürzungen

NJW-RR Nr.

NJW-Rechtsprechungs-Report-Zivilrecht Nummer

ÖBA OG oHG östABGB östHGB a. F. östKonsG östStGG

Bankarchiv – Zeitschrift für das gesamte Bank- und Börsenwesen offene Gesellschaft (Österreich) offene Handelsgesellschaft Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (Österreich) Handelsgesetzbuch (Österreich) alte Fassung Konsumentenschutzgesetz (Österreich) Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger (Österreichs) Unternehmergesetzbuch (Österreich) Oberlandesgericht OLG-Report Brandenburg Dresden Jena Naumburg Rostock Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft Oxford Journal of Legal Studies

östUGB OLG OLGR Jena Ordo OxJLSt PartGG PECL portVerf ProstG

Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe Principles of European Contract Law portugiesische Verfassung Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitutionsgesetz)

QJEcon

The Quarterly Journal of Economics

RabelsZ RDM REDC REMM RG RGZ RheinNotarK RiA RIW RJC Rn. Rs. Rspr.

Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Revista de Derecho Mercantil Revue européenne de droit de la consommation resourceful, evaluative, maximizing man Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rheinische Notarkammer Zeitschrift für den öffentlichen Dienst Recht der Internationalen Wirtschaft Revista Jurídica de Cataluna Randnummer Rechtssache Rechtsprechung

S. SchiedsV fG SCE schwVertrG schwGVV schwVerf SE Sect. SFS

Satz (bei Normen) / Seite (bei Fundstellen) Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz Societas Cooperativa Europaea Vertragsgesetz (Schweden) Gesetz zu Vertragsklauseln in Verbraucherverträgen (Schweden) schwedische Verfassung Societas Europaea Section Svensk Författningssamling (schwedische Gesetzessammlung)

Abkürzungen

XXXVII

SGb SGB SJZ Slg. SMG sog. spanCcivil spanCcom spanVerf Spstr. StanLRev StBerG sten.

Die Sozialgerichtsbarkeit – Zeitschrift für das aktuelle Sozialrecht Sozialgesetzbuch Schweizerische Juristenzeitung Sammlung Schuldrechtsmodernisierungsgesetz sogenannt Código civil (Spanien) Código de comercio (Spanien) Verfassung des Königreichs Spaniens Spiegelstrich Stanford Law Review Steuerberatungsgesetz stenographisch

Teilb. teilw. TSAR TulJIntCompL Tz.

Teilband teilweise Tydskrif vir die suid-afrikaanse reg / Journal of South African Law Tulane Journal of International & Comparative Law Textziffer

u. Ua. u. a. UCTA UN UNIDROIT

und Unterabsatz unter anderem Unfair Contract Terms Act United Nations / Vereinte Nationen Institut international pour l’unification du droit / International Institute for the Unification of Private Law Univ. Universität UnivPittsburgh University of Pittsburgh Law Review LR unveränd. unverändert URL Uniform Resource Locator (Adresse im World Wide Web) UStG Umsatzsteuergesetz u. U. unter Umständen UWG Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb VerbrKrG VersR V fGH vgl. VerschG VO VuR VVG

Verbraucherkreditgesetz Versicherungsrecht – Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht Verfassungsgerichtshof Österreich vergleiche Verschollenheitsgesetz Verordnung Verbraucher und Recht Versicherungsvertragsgesetz

WEG

Wohnungseigentumsgesetz

XXXVIII WiPro WM WRP WRV WTO ZaöRV ZAP z. B. ZEuP ZEuS ZfRV ZGH ZGS ZHG ZHK ZHR Ziff. ZIP ZLR ZMR ZPO ZRP zugl. ZVglRWiss

Abkürzungen

Gesetz über die Berufsordnng für Wirtschaftsprüfer (kurz: Wirtschaftsprüferordnung) Wertpapier-Mitteilungen Wettbewerb in Recht und Praxis Weimarer Reichsverfassung World Trade Organization Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für die Anwaltspraxis zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Europäische Studien Zeitschrift für Rechtsvergleichung Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht Zeitschrift für das gesamte Schuldrecht Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Konkursrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (ursprünglich: Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis) Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik zugleich Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft

Einleitendes Kapitel

Einführung in die Thematik Wie in einigen anderen Staaten Kontinentaleuropas ist das Privatrecht auch in Deutschland dreigeteilt in erstens das klassische BGB-Zivilrecht, zweitens das Handelsrecht als das Sonderprivatrecht der besonders geschäftserfahrenen und weniger schutzbedürftigen Kaufleute und drittens das Verbraucherrecht als das Sonderprivatrecht der weniger geschäftsgewandten und vor Übervorteilung sowie vor Ausbeutung schützenswerten privaten Nichtunternehmer. Diese Dreiteilung läuft nicht nur äußerlich dem Gedanken der Einheit des Privatrechts entgegen, sondern gerät auch mit der Vorstellung der Gleichheit aller Privatrechtssubjekte – vor allem der Idee der »Gleichheit in Freiheit« – in Konfl ikt. Denn in den beiden Sonderprivatrechten werden – beispielhaft für andere Sonderprivatrechte wie das Privatversicherungsrecht oder auch das Arbeitsrecht – die selbstbestimmt ausnutz- und ausgestaltbaren Freiheitsräume sowie Verantwortlichkeiten jeweils gegenüber dem klassischen »Privatrechtsfundament« des ursprünglichen BGB unterschiedlich verteilt. Im Grunde sieht sich der Betrachter mit einer »Dreiteilung« der Vertragsrechtsordnung konfrontiert, die nicht nur für einen vertragsrechtlichen Methodenpluralismus steht und einen hohen Exemplifi kationsgrad der sonderprivatrechtlichen Tendenzbewegung verkörpert, sondern auch eine besonders geeignete Ausgangsbasis für eine vertragstheoretische Wesensbetrachtung bildet. Pointiert ausgedrückt haben wir es mit einer Drei-Klassen-Gesellschaft im Privatrecht zu tun, die zivilrechtstheoretisch und methodologisch eine Reihe von heiklen Grundlagenproblemen aufwirft. Im Mittelpunkt der Problematik steht die Frage nach der Legitimität und den Grenzen der unterschiedlichen Freiheitszuteilungen und Gleichheitsdurchbrechungen. Wie Gilles bereits im Jahre 1980 konstatierte, bildet die »Auseinanderentwicklung der immer größer werdenden Zahl von spezialgesetzlichen, oft sogar punktuellen Vertragsrechtsnormen und den allgemeinen Vertragsrechtsregeln« ein »sich für die . . . Vertragsrechtsordnungen . . . stellendes Problem«. Bei diesem (aus der Aufspaltung in allgemeines Vertragsrecht und Sondervertragsrechte resultierenden) »Kodifikationsproblem« dürfte es sich um eine »der rechtspolitisch brisantesten Methodenfragen der gegenwärtigen Zivilrechtstheorie überhaupt« handeln.1 Die Dreiteilung des Vertragsrechts ist zu1

Gilles, JA 22 (1980), 1 (6).

2

Einleitendes Kapitel: Einführung in die Thematik

gleich von immenser praktischer Bedeutung, weil die erstrebenswerte Privatrechtsharmonisierung in der Europäischen Union durch eine derartige Dreiteilung, die nur in wenigen Nachbarländern Europas eine Entsprechung fi ndet, behindert und erschwert wird. Sie bildet einen geeigneten Anknüpfungspunkt, um die zum Teil überregulierten Sonderprivatrechte wieder in einen widerspruchsfreien Ausgleich zwischen formaler und materieller Freiheit zu überführen. 2 Trotz bestehender Unterschiede hat man lange Zeit zunächst das Handelsrecht, später dann auch das Verbraucherrecht als Sonderprivatrechte ohne weiteres toleriert und sich dabei mit der oberflächlichen Begründung begnügt, dass für die jeweiligen Normadressaten abweichende Schutzstandards erforderlich seien. Eine Sensibilität dafür, dass die Ausgestaltung von Sonderprivatrechten im Allgemeinen und die Dreiteilung in allgemeines Zivilrecht, Handelsrecht und Verbraucherrecht im Besonderen den Lebensnerv des Privatrechts mit seinem Einheits-, Freiheits- und Gleichheitsanspruch betrifft, hat die Literatur erst in den letzten Jahren entwickelt. Es mag bei dieser Debatte um keine radikale »Abschaffung« der Sonderprivatrechte gehen, zumal ein solches Vorhaben gewiss abträglich wäre. Gleichwohl gilt es, die hermeneutische Durchdringung der für die Dreiteilung ursächlichen und zielführenden Sinn- und Zweckzusammenhänge zu bewerkstelligen. Die historisch-systematische Aufarbeitung der Unterschiede und Besonderheiten der Sonderprivatrechte gegenüber dem allgemeinen Zivilrecht steht auf jeden Fall erst am Anfang der Diskussion. 3

§ 1 Privatrecht und vertragsrechtliche Sonderordnungen So umstritten die Existenz privatrechtlicher Sonderbereiche auch heute noch ist, dem BGB wurde sie durch seine normative Konservierung der formalen Gleichheit, die auf dem Leitbild des urteilsfähigen und vermögenden Bürgers aufbaut, praktisch in die Wiege gelegt.4 Trotz des Anspruchs auf Vollständigkeit und der Eignung des BGB als abstrakt-«juristische Rechenmaschine«5 konnte es den Fortbestand eines besonderen Handelsrechts nicht verhindern

2 Zöllner, JuS 28 (1988), 329 (330 ff.); Dreher, JZ 52 (1997), 167 (177); Richardi, FS für Söllner (70. Gebtg.), S. 957 (S. 957, 958). 3 Vgl. zur »Rekonstruktion« des erforderliches Maßes an Selbstverantwortung der Bürger im Privatrecht: Zöllner, Die Privatrechtsgesellschaft im Gesetzes- und Richterstaat, IV. 3. (S. 39, 40). 4 So auch: Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 2 II. 1. (S. 20). 5 Schwarz, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch in der ausländischen Rechtsentwicklung, II. (S. 8).

§ 1 Privatrecht und vertragsrechtliche Sonderordnungen

3

und die Forderung nach einem typisierten Verbraucherrecht nicht kompensieren.6 Dass die Tendenz zur Sonderbereichsbildung auch auf das Vertragsrecht übergegriffen hat, muss allerdings erstaunen: Denn nur wenn mehrere Personen bereit sind, eine selbstbestimmte, auf Vertragsschluss gerichtete Willensbekundung abzugeben, kann nach herkömmlichem Verständnis privatautonomes Handeln in einen Vertrag münden. Verträge setzen traditionell das Zusammentreffen einer eigenen mit der Willenserklärung eines Fremden voraus.7 In diesem Sinne sind Verträge Resultat des jeweils planvoll gelenkten Willens mehrerer Parteien.8 Sie treten als Ergebnis eigenverantwortlichen Handelns in Erscheinung und bilden sowohl im bürgerlichen Recht als auch im Handels- und Verbraucherrecht zentrale Kooperationsinstrumente, damit Parteien ihre Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse eigenverantwortlich planen und gestalten können. Sie sind stets »Keimzelle des Rechtslebens«, und zwar unabhängig davon, welche Herkunft, Bildung und soziale Stellung die Vertragspartner aufweisen9 . . . alles Aussagen, die nicht nur auf das deutsche Recht und die Rechtseinflüsse der EG, sondern auch auf die Rechtsordnungen ihrer Mitgliedstaaten zutreffen. Im Grunde ist es daher bereits dem Vertragsbegriff eigen, dass jeder Vertragspartner Übergriffe in seine Individualsphäre unter Berufung auf sein Selbstbestimmungsrecht abwehren kann, ohne dass es gesetzgeberischer Maßnahmen zum Schutz einer bestimmten Vertragspartei bedürfte. Die Ausgewogenheit des vertragstypischen Aushandlungsmechanismus macht Verträge bereits per se zu einem der wirksamsten Mittel gegen Fremdbestimmung. In Anbetracht dieser fundamentalen Funktion und der Einsatzmöglichkeiten des Vertrages ist es daher erstaunlich, dass gerade das Vertragsrecht Bedarf für Sonderbereiche wie diejenigen des Handels- und Verbraucherrechts hervorruft. Die dem deutschen Privatrecht inhärente Tendenz, »zunehmend für be6 Als Ausnahme zu dem Einheitsanspruch des BGB gibt das Handelsrecht Kaufleuten im Wirtschaftsverkehr die Möglichkeit, auf flexiblere Rechtsregeln als privat Agierende zurückzugreifen, um Geschäfte unter den Bedingungen des Massebetriebs einfacher eingehen und rascher abwickeln zu können [F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 3. Hteil. II. 2. (S. 445); Heinemann, FS für Fikentscher (70. Gebtg.), S. 349 (S. 351); Treber, AcP 199 (1999), 525 (541)]. Flankierend dazu, aber in eklatantem Widerspruch zu diesem Selbstbestimmungsansatz, scheint das Verbraucherrecht »eine endgültige Abkehr von der jedermann zustehenden Freiheitskompetenz und der Neutralität des Staates gegenüber dem geschlossenen Vertrag« zu propagieren [Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 1. Teil B. VII. (S. 42)]. 7 Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 3. Kap. § 1 I. 1. (S. 45); Rittner, FS für Müller-Freienfels (70. Gebtg.), S. 509 (S. 516 ff.). 8 Böhm, in: Mestmäcker (Hrsg.): Freiheit und Ordnung in der Marktwirtschaft, I. 3. (S. 121 ff.); Martinek, in: Willoweit (Hrsg.): Rechtswissenschaft und Rechtsliteratur im 20. Jahrhundert, S. 141 (S. 142); ders., TSAR 2007, 1 (1). 9 Martinek, Vertragsrechtstheorie und Bürgerliches Gesetzbuch, Ziffer I.

4

Einleitendes Kapitel: Einführung in die Thematik

stimmte Bereiche des Zivilrechts Sonderregelungen zu treffen«10, scheint dem originären Vertragsrechtsverständnis der Kodifi kationsidee des 19. Jahrhunderts sogar zu widersprechen.

A. Die typisierende Ungleichbehandlung durch Sonderprivatrechte Anders als das common law wird das deutsche Vertragsrecht in seiner heutigen Ausgestaltung maßgeblich durch die begriffliche Zergliederung von Lebenssachverhalten und deren Einordnung in das System geprägt. In einen historischen Kontext ließe sich dies allenfalls durch die Vergleichsbetrachtung bringen, dass bereits nach der Denkweise der Pandekten, die sich in Deutschland seit dem späten Mittelalter mit wissenschaftlicher Gründlichkeit verbreitet haben, dem Zivilrecht insgesamt ein »Allgemeiner Teil« (ähnlich wie den Sonderprivatrechten ein allgemeines bürgerliches Recht) vorangestellt war. Während nach dem formalen Gleichheitspostulat des klassischen Vertragsrechts nicht Stand oder Status der Vertragsbeteiligten sondern Gelegenheit und Abwicklung von Geschäftsabschlüssen im Zentrum des Privatrechts stehen, ist für Sonderprivatrechte signifi kant, dass sie einzelnen Marktteilnehmern besondere Vorrechte zuteil werden und Sonderbehandlungen zukommen lassen.11 Insgesamt scheint von den Sonderprivatrechten, unter die beispielsweise das Arbeits-, Privatversicherungs-, Verbraucher- und Handelsrecht gefasst werden12 , ein anderes Vertragsrechtsverständnis als von dem allgemeinen

10 Hagenguth, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatrecht, 1. Teil I. (S. 2). 11 Damm, JZ 33 (1978), 173 (176); Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, B. II. 2. a) (S. 54, 55); Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 31 Rn. 892 ff. (S. 356); ders., System und Prinzipien des europäischen Privatrechts, § 18 I. (S. 555, 556); Westermann, in: BMJ (Hrsg.): Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. 3, Verbraucherrecht, § 3 IV. 1. (S. 80); Lieb, AcP 178 (1978), 196 (196 ff.). 12 Zum Handelsrecht als Sonderprivatrecht: Raisch, ZHR 154 (1990), 567 (567 ff.); K. Schmidt, Handelsrecht, § 1 I. (S. 3 ff.); ders., JuS 25 (1985), 249 (250); Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, Einl v § 1 Rn. 1 ff.; Brüggemann, in: Canaris/Schilling/Ulmer (Hrsg.): Staub-HGB, Einl vor § 1 Rn. 6 ff.; Treber, AcP 199 (1999), 525 (541); Brox/Henssler, Handelsrecht, § 1 I. 3. Rn. 7 (S. 4); Horn, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, Einleitung I Rn. 1; Ensthaler, in: Ensthaler (Hrsg.): Gemeinschaftskommentar HGB, Einleitung Rn. 1; Röhricht, in: Röhricht/von Westphalen, HGB, Einleitung Rn. 1; zum Verbraucherrecht als Sonderprivatrecht: Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz in der Europäischen Union, IV. 1. a) (S. 25); ders., ZEuP 15 (2007), 161 (161 ff.); H. Roth, JZ 54 (1999), 529 (529 ff.); Tonner, JZ 51 (1996), 533 (533 ff.); zum sonderprivatrechtlichen Charakter des Verbraucherrechts skeptisch bzw. ablehnend: Medicus, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.): Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 61 (S. 69); Lurger/Augenhofer, Österreichisches und Europäisches Konsumentenschutzrecht, Ziff. 3.1 (S. 13 ff.); F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 4. Hteil. IV. 4. (S. 719 ff.); das Wirtschaftsrecht einschließlich Wettbewerbs-, Unternehmens- und Kapitalgesellschaftsrecht als Sonderprivat-

§ 1 Privatrecht und vertragsrechtliche Sonderordnungen

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bürgerlichen Privatrecht als konstituierendem Recht für alle Privatrechtssubjekte auszugehen.13 Vor allem durch die ungleiche Art und Weise, wie das Vertragsrecht in Deutschland handels-, verbraucher- und bürgerlich-rechtlich jeweils kodifiziert ist, spaltet der Gesetzgeber den einheitlichen Rechtsrahmen der Geschäftsbeziehungen auf und gestaltet das vertikale Verhältnis zwischen Bürger und Hoheitsträger – insbesondere die jeweiligen Freiheitspositionen im Privatrechtsverkehr – verschiedenartig aus. Ausgesuchte Personengruppen erfahren rollensituativ eine unterschiedliche Behandlung, sodass die Dreiteilung des Vertragsrechts auf das horizontale Verhältnis der Bürger untereinander und damit auf die Gleichheit im Privatrechtsverkehr übergreift. Vertragsrechtlich stellt das BGB, aufbauend auf der Ebene der Gleichordnung und den Idealen formaler Freiheit und Gleichheit, ein möglichst umfassendes Recht für alle Rechtssubjekte zur Verfügung14 ; es gibt als allgemeiner Referenzrahmen allen geschäftsfähigen Personen, unabhängig von ihrer Herkunft, ihren intellektuellen Fähigkeiten und ihrem wirtschaftlichen Status, die Möglichkeit, Verträge in Form von fast beliebigen gesetzesderogierenden Vereinbarungen zu treffen. Abweichend von diesem Referenzrahmen stellen die Grundgerüste der handels- und verbraucherrechtlichen Sonderbereiche für bestimmte Sachverhalte und Rechtsträgergruppen besondere Regeln auf, was zur Folge hat, dass jeweils »für einen bestimmten Kreis menschlicher Tätigkeit andere Rechtssätze gelten . . . als für die übrigen Gebiete und Richtungen unserer Betätigung«.15 Während das Verbraucherrecht an die rechtsgeschäftliche Begegnung eines Verbrauchers mit einem gewerblich Tätigen anknüpft und »bei bestimmten Geschäftstypen bzw. bestimmten Rahmenumständen des Vertragsschlusses normative Konsequenzen aus der Verbrauchereigenschaft« zieht16, stellt das Handelsrecht ein Sonderrecht für Kaufleute zur Verfügung, das gegenüber Außenstehenden eine diskriminierende Abschottungswirkung einnimmt und eine »Trennung zwischen wirtschaftender und konsumierender Tätigkeit« zur Folge hat17.

recht einstufend: Mertens, AcP 178 (1978), 227 (228); zum Arbeitsrecht als Sonderprivatrecht: Westermann, AcP 178 (1978), 151 (159 ff.). 13 Vgl. hierzu: Wiedenmann, Verbraucherleitbilder und Verbraucherbegriff im deutschen und europäischen Privatrecht, A. I. 1. (S. 17); Pfl ug, Kontrakt und Status im Recht der AGB, 1. Teil I. 3. c) (S. 20). 14 Vgl. Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 2 IV. 3. (S. 42); Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einleitung Rn. 8; Westermann, AcP 178 (1978), 151 (156). 15 Gareis, Das Deutsche Handelsrecht, § 2 (S. 3). 16 Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, Einführung C. (S. 3). 17 Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 11 III. 3. f) cc) (S. 256).

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Einleitendes Kapitel: Einführung in die Thematik

Auf diese Weise brechen die verbraucher- und handelsrechtlichen Vorschriften die der Rechtsordnung immanenten Gleichordnungsfi ktionen der Rechts- und Geschäftsfähigkeit aller Menschen auf und ergänzen sie durch vermeintlich wirklichkeitsnähere Elemente von spezifischen Schwächesituationen (Verbraucherrecht) und ökonomischen Professionsbetrachtungen (Handelsrecht). Die Ausgangsbasis gleicher Rechts- und Geschäftsfähigkeit pervertierend rufen sie »die Möglichkeit unstimmiger Entscheidungsgrundlagen« hervor18, was Konkordanzfragen im Hinblick auf das Freiheits- und Gleichheitspostulat aufwirft. Preis sieht sich vor diesem Hintergrund gar veranlasst, von einer »Dreiecksabgrenzung von Bürgerlichem Recht, Verbraucherrecht und Handelsrecht« zu sprechen.19 Die Normgruppenabspaltung erfolgt jeweils nach objektiven Kriterien, sodass es für die Frage, welches (Sonder-) Privatrecht jeweils einschlägig ist, keine Rolle spielt, ob ein Marktteilnehmer seinen Vertragspartner subjektiv für einen Kaufmann, Verbraucher oder Unternehmer hält. 20

B. Der Repräsentationsgehalt des Handels- und Verbraucherrechts War das Handelsrecht als Schrittmacher der modernen Privatrechtsentwicklung oder – wie Goldschmidts Schüler Rießer es nannte21 – als »Jungbrunnen des Zivilrechts« dem bürgerlichen Recht in seiner Entwicklung vorangegangen, eilt dem Verbraucherrecht als jüngste Sondermaterie der Ruf voraus, das bereits entwickelte Vertragsrecht nicht nur modifi ziert, sondern in weitgehendem Maße auch sozialisiert zu haben (»consumerism«22). Es ist »als eine Art dritte Regelungsebene« neben das allgemeine Privatrecht und das Handelsrecht getreten. 23 Es bringt Sonderregelungen für Personen hervor, die Waren und Dienstleistungen wegen ihres Gebrauchswerts erwerben, wohingegen sich die Regeln für Kaufleute an Personen richten, die Leistungen anbieten, um ihrerseits einen Tauschwert zu erhalten, den sie am Markt wieder einsetzen können. 24 Neben das Recht der Gewerbetreibenden (Handelsrecht), das eine Nähebeziehung zum Außenhandel aufweist, tritt das Recht der »Unternehmer-Ver18 Hagenbuth, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatrecht, 2. Teil I. 1. f) (S. 25). 19 Preis, ZHR 158 (1994), 567 (577). 20 Herresthal, JZ 61 (2006), 695 (698). 21 Rießer, Der Einfluß handelsrechtlicher Ideen auf den Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs, S. 71; vgl. Goldschmidt, Universalgeschichte des Handelsrechts, III. 1. § 3 (S. 11 ff.). 22 Unberath/Johnston, CMLRev 44 (2007), 1237 (1237). 23 Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, Einführung A. (S. 1). 24 Westermann, in: BMJ (Hrsg.): Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. 3, Verbraucherrecht, § 1 I. 2. (S. 9).

§ 1 Privatrecht und vertragsrechtliche Sonderordnungen

7

braucher«-Begegnung (Verbraucherrecht), das sich auf den Absatz an den Endverbraucher im Rahmen von immer noch national fragmentierten (lokalen) Einzelhandelsmärkten konzentriert. 25 Das bürgerliche Recht fungiert in diesem Kanon als vertragsrechtlicher Referenzrahmen sowie als (Auffang-) Rechtsordnung, wobei es gewissermaßen als Bindeglied zwischen dem lokal verwurzelten Endverbraucherrecht und dem überregional konzipierten Kaufmannsrecht in Erscheinung tritt. Wie eine Äußerung von Hagenguth aus dem Jahre 1981 veranschaulicht, reagieren Stimmen in der Literatur auf diesen Dreiklang durchaus ambivalent; so wird die bestehende Vertragsrechtsdivergenz teilweise gar als »Gefahr eines dreigleisigen Rechtssystems« begriffen, weil auf diese Weise »neben dem Bürgerlichen Recht sowohl gesondertes Handelsrecht, wie auch gesondertes Verbraucherrecht« in das Privatrechtssystem Einzug erhalten. 26 In der Gesamtabbildung der Sonderprivatrechte bieten das handels-, verbraucher- und bürgerliche Vertragsrecht Vorschriften, die den Wirtschaftsverkehr in summa abdecken. 27 Sie stellen nicht nur eine Rahmenordnung für den »businessman-to-businessman«-Bereich (Handelsrecht) und den »businessman-to-consumer«-Bereich (Verbraucherrecht), sondern auch Auffangregelungen für die »consumer-to-consumer«-Sphäre (Auffangbereich des bürgerlichen Rechts) zur Verfügung. Im Verhältnis zu dem bürgerlichen Vertragsrecht besetzen sie jeweils eine regulierend (Verbraucherrecht) und deregulierend (Handelsrecht) flankierende Komplementärstellung, nehmen also bei der Zergliederung des deutschen Vertragsrechts auf der einen und anderen Seite der Skala eine exponierte Stellung ein. Von anderen Bereichen wie dem Arbeitsrecht oder etwa dem Immaterialgüterrecht unterscheiden sie sich dadurch, dass sie sich nicht über bestimmte Lebensbereichssegmente defi nieren (Arbeitsverhältnis, Erfi ndertum, Forschung), sondern eine Person situationsoffen in ganz verschiedenen privaten oder berufl ichen Konstellationen betreffen können: Für die vorliegende Untersuchung Grund genug, sich mit dem Handels- und Verbraucherrecht auf die Sonderprivatrechte zu konzentrieren, die in ihrer Zusammenschau mit dem bürgerlichen Recht das gesamte Lebensspektrum abdecken (Berufstätigkeit, Absatz, Privatleben, Konsum) und die sonstigen Sonderprivatechte, die nur auf partikuläre Lebensbereiche abzielen (z. B. das Verhältnis zum Arbeitgeber), unberücksichtigt zu lassen!

25

G.-P. Calliess, Grenzüberschreitende Verbraucherverträge, Einleitung (S. 1 ff.). Hagenguth, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatrecht, 2. Teil I. 1. f) (S. 24). 27 Schmidt-Tedd, Kaufmann und Verbraucherschutz in der EG, 2. Teil II. 1 a) (S. 40, 41). 26

8

Einleitendes Kapitel: Einführung in die Thematik

§ 2 Die handels- und verbraucherrechtliche Sonderrechtsbildung Nimmt man den Dreiklang der Vertragsrechtsdivergenz zum Ausgangspunkt der Betrachtung, stellt sich hinsichtlich des genuinen Motivationsgrunds die Grundsatzfrage, was den Gesetzgeber überhaupt veranlasst, im Bereich der Sonderprivatrechte den Ausgleich zwischen Freiheit und Gleichheit abweichend zu dem allgemeinen Vertragsrecht zu regeln.

A. Die Charakteristika des Handelsvertragsrechts Was das Handelsrecht anbelangt, werden als Antwort auf diese Frage in Rechtsprechung und Literatur regelmäßig bestimmte Charakteristika zitiert, die übrigens nicht nur für den kaufmannsspezifischen Sonderausgleich zwischen Freiheit und Gleichheit verantwortlich zu machen sind, sondern auch als tertium comparationis des verfassungsrechtlichen Willkürverbots dienen. 28 Eine zumindest faktische Legitimation genießen diese Eigentümlichkeiten, indem sie als Grundlage handelsrechtlicher Leitbilderwägungen trotz der wiederkehrenden Diskussion um die Daseinsberechtigung der §§ 343 ff. HGB seit Erlass der ersten handelsrechtlichen Kodifi kationen nicht mehr in Frage gestellt wurden. Selbst den Reformbestrebungen der 1930er Jahre, bei denen die vollständige Aufgabe des HGB zugunsten einer »organischen Gliederung« der Wirtschaft in sich geschlossene Rechtsblöcke in Erwägung gezogen wurde, hat man sie zugrunde gelegt. 29 I. Die gesteigerte Selbstverantwortlichkeit der Kaufl eute Eines dieser Charakteristika, auf die Rechtsprechung und Literatur immer wieder Bezug nehmen, besteht aus der gesteigerten Selbstverantwortlichkeit, die Kaufleuten im Rechtsverkehr abverlangt wird. 30 Mit den Eigenschaften, 28 K. Schmidt, Handelsrecht, § 1 IV. (S. 33 ff.); F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 3. Hteil. II. 2. (S. 444 ff.); ders., Handels- oder Unternehmensrecht als Sonderprivatrecht, VII. (S. 17, 18); W.-H. Roth, in: Koller/W.-H. Roth/Morck (Hrsg.), HGB, Einleitung vor § 1 Rn. 4 ff.; Brüggemann, in: Canaris/Schilling/Ulmer (Hrsg.): Staub-HGB, Einl vor § 1 Rn. 4; kritisch: Röhricht, in: Röhricht/von Westphalen, HGB, Einleitung Rn. 4. 29 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 3. Teil 1. Abschnitt 1. Kap. II. 5. (S. 115). 30 So die h. M.: Treber, AcP 199 (1999), 525 (541); W.-H. Roth, in: Koller/W.-H. Roth/ Morck (Hrsg.), HGB, Einleitung vor § 1 Rn. 5; Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, Einl v § 1 Rn. 4; Röhricht, in: Röhricht/von Westphalen, HGB, Einleitung Rn. 5; Wellenhofer-Klein, ZIP 18 (1997), 774 (775); Brandenburgisches OLG – Urteil v. 27. 06. 2001, Az.: 7 U 246/00 – ZIP 22 (2001), 1911 (1913); a. A. Venrooy, der den maßgeblichen Gesetzeszweck des HGB ausschließlich in der Beschleunigung des Handelsverkehrs sieht: van Venrooy, Die

§ 2 Die handels- und verbraucherrechtliche Sonderrechtsbildung

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die dem Kaufmann als Person zugesprochen werden, korrespondiert die »Größe der Anforderungen, die an die rechtsgeschäftliche Tüchtigkeit des Kaufmanns gestellt werden«. 31 Gesteigerte Selbstverantwortlichkeit bedeutet für den Kaufmann, Chancen und Risiken selbst abzuschätzen32 , was zu entsprechenden sondergesetzlichen Deduktionen führt. So gelten die »besonderen Schutzvorschriften, die das B. G. B. bei manchen gefährlichen Geschäften, bei der Bürgschaft, dem abstrakten Vertrage und bei der Conventionalstrafe kennt, . . . für den Vollkaufmann nicht«. 33 Bei ihm setzt das Handelsrecht voraus, dass »er sich nicht übereilt, daß er Manns genug ist, seine Interessen selbst genügend zu wahren.«34 Damit einher geht eine qualifi zierte Selbstinformationslast. 35 Umgesetzt über zahlreiche Einzelnormen wirkt sich die »gesteigerte Selbstverantwortlichkeit« bereichsumfassend aus, sodass sich ein Kaufmann etwa nicht darauf berufen kann, dass eine verwirkte unverhältnismäßig hohe Vertragsstrafe auf Antrag durch Urteil herabzusetzen wäre (§ 343 BGB). Denn hat ein Kaufmann über die Höhe einer Vertragsstrafe rechtsgeschäftlich disponiert, schlägt diese eigenverantwortliche Bindung auf ihn zurück; bei besonders hohen Vertragsstrafen hat er im Gegensatz zu einem Privatmann im Eintrittsfall die damit verbundenen Rechtsfolgen zu tragen. 36 Dadurch, dass die handelsrechtlichen Einzelnormen die Sphäre der Eigen- von der Fremdverantwortung im vorstehenden Sinne anders als das bürgerliche Recht abgrenzen, wird andererseits auch das Maß an individueller und kollektiver Freiheit unter Kaufleuten erhöht. Neben einer größeren Distanz zum Gemeinwesen ist die individuelle Selbstbindungskraft von Kaufleuten qualifi ziert, was entweder durch die Erweiterung von bürgerlich-rechtlichen Gestaltungsspielräumen37 oder durch das Außerkraftsetzen von bürgerlich-rechtlichen Schutzmechanismen38 zum Ausdruck gebracht wird. Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im deutschen Internationalen Privatrecht, IV. 2. (S. 26). 31 Heck, AcP 92 (1902), 438 (443). 32 Brandenburgisches OLG – Urteil v. 27. 06. 2001, Az.: 7 U 246/00 – ZIP 22 (2001), 1911 (1913). 33 Heck, AcP 92 (1902), 438 (443). 34 Heck, AcP 92 (1902), 438 (443). 35 Brandenburgisches OLG – Urteil v. 27. 06. 2001, Az.: 7 U 246/00 – ZIP 22 (2001), 1911 (1913). 36 BGH – Urteil v. 13. 02. 1952, Az.: II ZR 91/51 – BGHZ 5, 133–137 (133–137); vgl. auch: BGH – Urteil v. 24. 03. 1954, Az.: II ZR 30/53 – NJW 7 (1954), 998 (998); OLG Stuttgart – Urteil v. 16. 12. 2004, Az.: 13 U 100/2004, 13 U 100/04 – MDR 59 (2005), 518 (518, 519); OLG Köln – Urteil v. 12. 10. 1984, Az.: 6 U 140/84 – WRP 31 (1985), 108 (108 ff.); LG Frankfurt – Urteil v. 16. 04. 1975, Az.: 2/1 S 4/75 – NJW 28 (1975), 1519 (1519, 1520). 37 Vgl. etwa: §§ 355, 356, 357, 373 ff. HGB. 38 Vgl. etwa: §§ 348, 349, 350 HGB.

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II. Die Vermutung der Entgeltlichkeit des Geschäftsverkehrs Ein weiteres Charakteristikum, dem auf Inhalt und Abwicklung handelsrechtlicher Sonderverträge Einfluss zugesprochen wird, ist die Entgeltlichkeitsvermutung im Handelsverkehr. 39 In diesem Sinne wird Kaufleuten unterstellt, nicht ohne entsprechende Vergütung die gesteigerten Verlust- und Haftungsgefahren des Handelsverkehrs auf sich zu nehmen.40 Umgekehrt soll sich im Handelsverkehr auch derjenige, der die Dienste eines Kaufmanns annimmt, nicht darauf berufen können, »daß mangels Einigung über eine Provision kein Vertragsverhältnis begründet worden sei . . . obwohl er weiß oder sich nach den Umständen sagen muß, daß dieser aus solchen Dienstleistungen Geschäfte macht und einen Erwerb zieht«.41 Dementsprechend ist bei Kaufleuten der Wettbewerb auf dem Parameter der Preiskonkurrenz deutlich stärker ausgeprägt als in anderen Privatrechtssegmenten. Um einen Marktteilnehmer als Kaufmann einstufen zu können, muss er nach umstrittener aber h. M. subjektiv mit Einnahmen- bzw. Gewinnerzielungsabsicht handeln.42 Dies schlägt sich auch auf die Ausgestaltung der handelsrechtlichen Vertragstypen nieder. Bürgerlich-rechtliche Vertragstypen mit unentgeltlicher Leistungsverpflichtung, wie z. B. Schenkung und Leihe, sind für den Handelsverkehr untypisch. Die unentgeltlichen Geschäfte des bürgerlichen Rechts, Auftrag und Hinterlegung, werden im Recht der Handelsgeschäfte zu entgeltlichen; Zinsen laufen auch ohne Verzug vom Tage der Fälligkeit ab und der gesetzlich geschuldete Zinssatz ist allgemein ein höherer.43 Dem Kaufmann ist die Zeit Geld und sein Kapital muss ihm Zinsen tragen.44 39 OLG Rostock – Urteil v. 22. 03. 1999, Az.: 3 U 84/98 – NJW-RR 15 (2000), 1005 (1005); Treber, AcP 199 (1999), 525 (541); vgl. auch: K. Schmidt, Handelsrecht, § 9 IV. 2. d) (S. 288 ff.); Röhricht, in: Röhricht/von Westphalen, HGB, Einleitung Rn. 5. 40 F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 3. Hteil. II. 2. (S. 446); OLG Düsseldorf – Urteil v. 19. 01. 1995, Az.: 10 U 43/95 – NJW-RR 11 (1996), 287 (287, 288). 41 BGH – Urteil v. 28. 01. 1993, Az.: I ZR 292/90 – NJW-RR 8 (1993), 802 (802). 42 BGH – Urteil v. 02. 07. 1985, Az.: X ZR 77/84 – BGHZ 95, 155 (157 ff.); Urteil v. 22. 04. 1982, Az.: VII ZR 191/81 – BGHZ 83, 382 (386); Urteil v. 11. 01. 1962, Az.: VII ZR 188/60 – BGHZ 36, 273 (276); vgl. auch: Ensthaler, in: Ensthaler (Hrsg.): Gemeinschaftskommentar HGB, § 1 Rn. 2a. 43 § 288 Abs. 2 BGB; §§ 352 ff. HGB; vgl. auch: Heck, AcP 92 (1902), 438 (444). 44 Heck, AcP 92 (1902), 438 (458). Systematisch ist die Entgeltlichkeit des Geschäftsverkehrs im Schnittbereich von subjektiver Bereichsabgrenzung und inhaltlichem Strukturprinzip anzusiedeln. Einerseits setzt bereits der Kaufmannsbegriff defi nitionsgemäß voraus, dass das kaufmännisch betriebene Handelsgewerbe entgeltlich geführt wird; denn ein Handelsgewebe betreibt grds. nur derjenige, der »ein als Vergütung ernst gemeintes – nicht notwendig kostendeckendes – Entgelt verlangt« [K. Schmidt, in: K. Schmidt (Hrsg.): Münch Komm-HGB, § 1 Rn. 31]. Andererseits beeinflusst die Entgeltlichkeitsvermutung aber auch die konkret-inhaltsbezogene Einwirkungsebene: So modifi ziert der Gedanke der Entgeltlichkeit den Sinngehalt handelsmäßiger Geschäftsbeziehungen, die im Interesse eines anderen wahrgenommen werden [BGH – Urteil v. 21. 11. 1983, Az.: VIII ZR 173/82 – NJW 37 (1984), 435 (436); BGH – Urteil v. 12. 02. 1981, Az.: IVa ZR 105/80 – WM 35 (1981), 495

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Zwar ist auch der private Waren- und Dienstleistungsverkehr unter Fremden dadurch geprägt, dass der Hauptleistungserbringer grundsätzlich kein Interesse an einer unentgeltlichen Leistungserbringung hat. Trotz dieses Interessengleichlaufs greift aber nur das Handelsrecht die Entgeltlichkeit des Geschäftsverkehrs als Vermutungstatbestand auf. Zurückzuführen ist dies darauf, dass der Privatmann Geschäfte bewusst entgeltlich oder unentgeltlich abschließt, wohingegen im kaufmännischen Handelsverkehr Vereinbarungen über die Entgeltlichkeit vielfach als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt werden. Würde diese Nachlässigkeit dem Kaufmann beim Geschäftsabschluss zu seinem Nachteil gereichen, würde das Fehlen der Entgeltabrede für ihn »durch die Häufigkeit der Wiederholung zu einer schweren Last werden«.45 III. Sorgfaltsmaßstab und Beschleunigung des Handelsverkehrs Für das Handelsprivatrecht außerdem symptomatisch ist das Interesse an einem beschleunigten Geschäftsverkehr. Zu diesem Zweck gelangen in handelsrechtlichen Vorschriften gesteigerte Sorgfaltspfl ichten und -obliegenheiten zum Audruck.46 Zustandekommen und Abwicklung bürgerlich-rechtlicher Vertragstypen sowie die Maßstäbe und Standards des im BGB enthaltenen »Allgemeinen Teils« und des »Rechts der Schuldverhältnisse« werden modifiziert und an die propagierte Einfachheit und Schnelligkeit des Handelsverkehrs angepasst.47 Beispiele hierfür bilden § 377 HGB, mit dem möglichst schnell Klarheit über feststellbare Mängel geschaffen werden soll48, die Grundsätze zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben sowie die Vorschrift des § 362 HGB, die von der Annahme ausgeht, »dass der Kaufmann, der sein Gewerbe mit Geschäftsbesorgungen betreibt, sich der Besorgung eines ihm angetragenen Geschäfts unterziehen will, wenn er nicht widerspricht«.49 Auch handelstypische Inkassoverfahren wie das erleichterte Scheck- und Lastschrifteinzugsverfahren sollen den Handelsverkehr beschleunigen. 50 Bereits Heck betonte die Beschleunigungsfunktion, indem er darauf rekurrierte, dass »[d]er Kaufmann . . . verpfl ichtet [ist], seine Rechtsgeschäfte zu buchen, seine Geschäftsbriefe zu kopieren und aufzubewahren. Er muss erhaltene Waaren sofort untersuchen, Mängel sofort anzeigen, während der Privat(495); vgl. auch: BGH – Urteil v. 14. 02. 1996, Az.: VIII ZR 185/94 – NJW 49 (1996), 1464 (1465); RG – Urteil v. 06. 11. 1928, Az.: II 235/28 – RGZ 122, 229 (232, 233)]. 45 Heck, AcP 92 (1902), 438 (458). 46 Treber, AcP 199 (1999), 525 (541); Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, Einl v § 1 Rn. 5; Röhricht, in: Röhricht/von Westphalen, HGB, Einleitung Rn. 5. 47 K. Schmidt, Handelsrecht, § 1 IV. 2. (S. 35); Röhricht, in: Röhricht/von Westphalen, HGB, Einleitung Rn. 6. 48 BGH – Urteil v. 16. 09. 1987, Az.: VIII ZR 334/86 – BGHZ 101, 337 (345). 49 OLG Hamburg – Beschluss v. 25. 02. 2002, Az.: 2 Wx 103/01 – ZMR 55 (2002), 453 (453). 50 BGH – Urteil v. 21. 12. 1987, Az.: II ZR 177/87 – ZIP 9 (1988), 360 (361).

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mann sich Zeit lassen kann u. a. mehr . . .: Eine Säumnis, die bei dem Privatmann entschuldbar ist, kann bei dem Kaufmann als schwer fahrlässig gelten.«51 Wird einer Obliegenheit nicht nachgekommen, bringen gesetzliche »Fiktionen« den Handelsverkehr in ähnlich schneller Weise wie eine ordnungsgemäße Reaktion voran. Somit vollzieht man im Handelsrecht letztlich Handlungen, »ohne daß man die Einzelheiten vorher überlegt.«52 Weil »Störungen, die bei bloß vereinzelten Handlungen ruhig hingenommen werden, beim Massenbetrieb lästig oder unerträglich erscheinen«53, wird es als gleichgültig unterstellt, ob der Kaufmann ausdrücklich (re-) agiert oder der gesetzlich kodifi zierte Automatismus zum Zug gelangt, der zumindest als Auffangregel den gewünschten Beschleunigungseffekt (hilfsweise) herbeiführt und Rechtsstreitigkeiten vermeiden hilft. 54 IV. Der ausgeprägte Verkehrs- und Vertrauensschutz des Handelsverkehrs Schließlich muss man sich im Handelsvertragsrecht auch auf den »Schein« in höherem Grade als nach bürgerlichem Recht verlassen können. 55 Um schnell und einfach Entscheidungen zu fällen, sollen Kaufleute publizitätswirksam Informationen über ihren Vertragspartner generieren und sich auf dieses Informationsmaterial auch verlassen können. Zwar ist der Verkehrsschutzgedanke dem gesamten Güterverkehr inhärent und vor allem dem bürgerlichen Immobiliarsachenrecht nicht unbekannt. Im Handelsrecht hat er allerdings zeitlich früher und in größerem Umfang Anerkennung erfahren. 56 Die Verkehrs- und Vertrauensschutzerhöhung wirkt sich über kodifi zierte Einzelvorschriften aus, was dazu führt, dass im Handelsverkehr etwa bestimmte Vollmachten unbeschränkbar sind, der gute Glaube stärker geschützt wird und man sich auf die Vollständigkeit des Handelsregisters verlassen kann. 57 Daneben kommt der gesteigerte Verkehrsschutz aber auch über Institute wie die allgemeine Rechtsscheinslehre zum Tragen. So muss sich nach der Lehre vom Scheinkaufmann ein Marktteilnehmer, der sich als Kaufmann geriert, zugunsten gutgläubiger Dritter auch als ein solcher behandeln lassen. 58 Auf diese Weise erhöht das Handelsrecht die Verkehrssicherheit zu Lasten der Rechtssicherheit, die oft im Widerspruch zu den Bedürfnissen des Geschäftsverkehrs darauf ausgerichtet ist, den vermögensrechtlichen status quo eines 51

Heck, AcP 92 (1902), 438 (443). Heck, AcP 92 (1902), 438 (455). 53 Heck, AcP 92 (1902), 438 (455). 54 OLG Celle – Urteil v. 07. 02. 2002, Az.: 11 U 163/01 – juris-Dok.Nr.: KORE408972002; vgl. hierzu auch im Überblick: Canaris, Handelsrecht, § 1 Rn. 19 (S. 7). 55 Heck, AcP 92 (1902), 438 (444); Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, Einl v § 1 Rn. 6. 56 Ehrenberg, in: Ehrenberg (Hrsg.), Hdb. des gesamten Handelsrechts, § 1 (S. 11). 57 Heck, AcP 92 (1902), 438 (444). 58 Canaris, Handelsrecht, § 6 Rn. 8 (S. 87). 52

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Marktteilnehmers nicht ohne seinen Willen zu seinem Nachteil zu verändern. 59 Korrespondierend wird dem Erwerber eines Rechts die Gewissheit verschafft, in der Ausübung des erworbenen Rechts »nicht nachträglich gestört zu werden, selbst wenn Umstände vorhanden sind, die an sich geeignet wären, den Erwerb des Rechts zu vereiteln«.60 Letztlich überschneidet sich damit das Charakteristikum des gesteigerten Verkehrs- und Vertrauensschutzes mit den Gesichtspunkten der gesteigerten Selbstverantwortung und der Schnelligkeit im Handelsverkehr61, wie überhaupt alle Charakteristika des Handelsvertragsrechts nicht zusammenhanglos nebeneinander stehen und im Übrigen nicht abschließend sind62 .

B. Die Umsetzungsinstrumente des Verbraucherrechts Mit einer dem Handelsrecht vergleichbaren Vielzahl von bereichsprägenden Charakteristika kann das Verbraucherrecht nicht aufwarten. Seinerseits hat es von vornherein damit zu kämpfen, überhaupt erst einmal für »consumer sovereignty« im vertragsrechtlichen Geschäftsverkehr zu sorgen. Denn Selbstbestimmung des Verbrauchers im Marktverkehr setzt nicht nur ausreichende Auswahlmöglichkeiten voraus, die durch Wettbewerb gewährleistet werden müssen. Konsumenten sind nach verbraucherpolitischer Mutmaßung darüber hinaus auch in die Lage zu versetzen, effektiv zwischen den zur Verfügung gestellten Abschlussmöglichkeiten wählen zu können.63 Will man auch verbraucherrechtlich von einem Charakteristikum sprechen, ist dies im Grunde immer dasselbe: Schutz des Verbrauchers, d. h. des situativ Schwächeren, in bestimmten objektiv typisierten Konstellationen.64 Weil verbraucherrechtlich lediglich die Schutzinstrumente eine kategorietaugliche Gruppeneinteilung ermöglichen, drehen sich die Darstellungen in der Literatur zu diesem Sonderprivatrecht auch weniger um bestimmte deskriptive Charakteristika (wie im Handelsrecht), sondern legen den Akzent vielmehr auf das Novum bestimmter normativer Umsetzungsinstrumente, die mittlerweile sogar auf den kollisionsrechtlichen Bereich übergreifen.65

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Ehrenberg, in: Ehrenberg (Hrsg.), Hdb. des gesamten Handelsrechts, § 1 (S. 11). Ehrenberg, in: Ehrenberg (Hrsg.), Hdb. des gesamten Handelsrechts, § 1 (S. 10). 61 K. Schmidt, Handelsrecht, § 1 IV. 3. (S. 35, 36); vgl. auch: Canaris, Handelsrecht, § 1 Rn. 18 (S. 7); Treber, AcP 199 (1999), 525 (541); W.-H. Roth, in: Koller/W.-H. Roth/Morck (Hrsg.), HGB, Einleitung vor § 1 Rn. 7. 62 Röhricht, in: Röhricht/von Westphalen, HGB, Einleitung Rn. 4. 63 Averitt/Lande, AntitrustLJ 65 (1997), 713 (713). 64 F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 4. Hteil. IV. 4. a) (S. 720). 65 S. Klauer, Das europäische Kollisionsrecht der Verbraucherverträge, 1. Kap. III. 1. (S. 23). 60

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I. Informationspflichten – marktkomplementäre Schutzinstrumente In diesem Sinne hat sich das Verbraucherrecht in erster Linie dem Umsetzungsinstrument eines sachlichen Informationstransfers verschrieben.66 Weil Information ökonomisch betrachtet »at the heart of the essential problem of consumer protection« ein zentrales Organisationskonzept für einen prinzipiellen Verbraucherschutz zur Verfügung stellt67, postulieren zahlreiche verbraucherrechtliche Vorschriften Informations- und Transparenzförderpfl ichten des Unternehmers.68 In Anbetracht der Tatsache, dass Unternehmer von sich aus häufig nur selektiv Informationen offen legen, die wegen ihrer Neigung zum ex ante-Opportunismus unrichtig oder veraltet sind, werden Verbraucher ohne Marktintervention in der Regel nur mit halben Wahrheiten konfrontiert.69 Vor allem nach der ersten Kontaktaufnahme greifen Unternehmer vermehrt auf Werbemaßnahmen zurück, die auf werbepsychologischen Erkenntnissen basieren; dagegen lassen sie ohne Nachfrage vertragsinhaltsbezogene rationale Aspekte, die sich auf das objektive Preis-Qualitäts-Leistungsverhältnis beziehen, oftmals unerwähnt.70 Auf Verbraucherseite führt dies meist zu einer suboptimalen Entscheidungsfi ndung.71 Weil die vor allem nach liberaler Vorstellung erforderliche Markttransparenz ohne die Unternehmerverpfl ichtung zur Offenlegung vielfach nicht hergestellt werden könnte, lassen sich Modelle zur Förderung des Informationstransfers mehr oder weniger »bruchlos« in das »von Angebot und Nachfrage regierte Marktgeschehen« integrieren.72 Selbst in Fällen, in denen Informati66 Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, § 5 II. 5. (S. 203 ff.); Heiderhoff, Grundstrukturen des nationalen und europäischen Verbrauchervertragsrechts, 4. Kap. C. III. 2. a) (S. 266 ff.); Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 3. Teil E. (S. 180 ff.); Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, § 3 III. (S. 142 ff.); Günther, VuR 18 (2003), 25 (25 ff.); J. Hoffmann, ZIP 26 (2005), 829 (829 ff.); Limmer, in: RheinNotarK (Hrsg.): Notar und Rechtsgestaltung, S. 15 (S. 30, 31); Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz in der Europäischen Union, IV. 2. a) (S. 28 ff.); Reich, NJW 31 (1978), 513 (513 ff.); Kocher, ZEuP 14 (2006), 785 (785 ff.). 67 Hadfi eld/Howse/Trebilcock, JCP 21 (1998), 131 (150); vgl. auch: Nelson, JPE 78 (1970), 311 (311 ff.). 68 Zur Vertragsabschlusstransparenz in der Klauselkontrolle: Brock, ZVglRWiss 99 (2000), 29 (32). 69 K. Simitis, Verbraucherschutz, Schlagwort oder Rechtsprinzip?, IV. Kap. 1. (S. 98); Hadfi eld/Howse/Trebilcock, JCP 21 (1998), 131 (145); Mackaay, Economics of Information and Law, 7. Kap. B. (S. 158 ff.); Wendlandt, VuR 19 (2004), 117 (121); M. Neumann, in: Dichtl (Hrsg.): Verbraucherschutz in der Marktwirtschaft, S. 11 (S. 18, 19); Dichtl, in: Dichtl (Hrsg.): Verbraucherschutz in der Marktwirtschaft, S. 23 (S. 31, 32). 70 Berens, Fremdbestimmung des Konsumenten bei der Vertragsanbahnung insbesondere durch Irreführung, Einleitung (S. 25); Averitt/Lande, AntitrustLJ 65 (1997), 713 (734); Franke, in: Dichtl (Hrsg.): Verbraucherschutz in der Marktwirtschaft, S. 81 (S. 81 ff.). 71 Hadfi eld/Howse/Trebilcock, JCP 21 (1998), 131 (145). 72 Martinek, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 511 (S. 520).

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onspfl ichten mit Widerrufsrechten und Eingriffen in den Vertragsinhalt kombiniert werden, fügen sie sich noch relativ gut in das wettbewerbliche Spiel der Marktkräfte ein.73 Denn eigeninitiativ verzichtet der Verbraucher typischerweise darauf, Marktparameter zu ergründen und Vergleichbarkeit herzustellen. Entweder liegt ein Fall »rationaler Apathie« vor, bei dem der Verbraucher bewusst keine Informationen einholt, weil die Chance einer besseren Entscheidung mit einem zu hohen Kostenaufwand bezahlt werden müsste.74 Oder der Verbraucher schätzt den voraussichtlichen Nutzen zusätzlicher Informationen zu niedrig ein bzw. erkennt ihn erst gar nicht. Diesem Transparenzdefi zit wollen die Aufklärungspfl ichten entgegen wirken und dem Verbraucher in Fällen eigener Unzulänglichkeit Zugang zu einer rationalen Entscheidungsfi ndung geben.75 Auf der anderen Seite kann aber nicht unerwähnt bleiben, dass verbraucherrechtliche Aufklärungspfl ichten in Intensität und Tragweite erheblich über das hinausgehen, was traditionelle Nebenverpfl ichtungen nach allgemeinem Schuldrecht implizieren.76 Denn konventionell zeichnen sich Vertragsbeziehungen dadurch aus, dass jede Vertragspartei selbst für die Beschaffung erforderlicher Informationen verantwortlich ist.77 Diesem Grundparadigma zuwiderlaufend werden in der Person des Verbrauchers chronische Informationsdefi zite vermutet, für die flächendeckend nicht er, sondern der Unternehmer die Verantwortung zu tragen hat.78 II. Die Verlängerung der Überlegungsfrist durch Widerrufsrechte Ein weiteres verbraucherrechtliches Umsetzungsinstrument betrifft die Modifi zierung des Bindungsprinzips durch verbraucherseitige Widerrufsrechte.79 Aufbauend auf typisierten b2c-Konstellationen ermöglichen sie es dem Verbraucher »als Reurechte«, einen geschlossenen Vertrag in bestimmten Situationen ohne weitere Voraussetzung zu revidieren. In Abweichung zu der traditionellen Rücktrittsdogmatik ist verbraucherrechtlich weder ein Mangel an der 73

Lurger, Vertragliche Solidarität, 2. Kap. 2.1.1. (S. 14). Zwicker, Das europäische Verbraucherleitbild bei Finanzdienstleistungen, § 3 II. 1. a) (S. 19); Stüfe, Das Informationsverhalten deutscher Privatanleger, 3.1.3. (S. 28, 29); König, Anlegerschutz im Investmentrecht, § 5 I. (S. 51). 75 Vgl. zum Preisrückgang durch Verbraucherinformation: Carlton/Perloff, Modern Industrial Organization, Chapter 13 (S. 442 ff.). 76 Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, 4. Kap. C. III. (S. 102 ff.). 77 K. Simitis, Verbraucherschutz, Schlagwort oder Rechtsprinzip?, V. Kap. 5. (S. 163, 164). 78 Vgl. M. Neumann, in: Dichtl (Hrsg.): Verbraucherschutz in der Marktwirtschaft, S. 11 (S. 14 ff.). 79 Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, 4. Kap. C. I. 4. (S. 101 ff.); Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 3. Teil D. (S. 151 ff.): Limmer, in: RheinNotarK (Hrsg.): Notar und Rechtsgestaltung, S. 15 (S. 31 ff.); Wagner, ZEuP 15 (2007), 180 (195 ff.). 74

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Wurzel des Vertrages noch eine nachträgliche Vertragsverletzung erforderlich.80 Vielmehr wird das Zusammenspiel zwischen Privatautonomie und Vertrauensprinzip pervertiert, indem der Verbraucher auf sein Widerrufsrecht »aus gutem oder schlechtem Grund oder ohne Grund« zurückgreifen kann.81 Während es dem Bürger nach formal-liberalem Verständnis verwehrt ist, sich ohne gesetzlich anerkannten Sachgrund einseitig von vertraglich eingegangenen Bindungen zu lösen82 , gewähren die Widerrufsrechte – der Rechtstradition des anglo-amerikanischen Rechts verhaftet – die Möglichkeit einer so genannten »cooling off period«, also einen Zeitraum, während dessen der Verbraucher sich die Sache noch einmal »anders überlegen« kann.83 In aus deutscher Sicht ungewöhnlicher Weise werden Situationen aufgegriffen, bei denen wegen der Unverbindlichkeit von Werbeaussagen eine Vertragsanfechtung wegen Irreführung eigentlich nur in Ausnahmefällen erfolgreich wäre (§ 119 Abs. 2, § 123 BGB).84 Unabhängig von einem konkreten Willensmangel wird es dem Verbraucher nicht zugetraut, ex ante zur Verfügung gestellte Informationen zu verarbeiten, den Umfang des eigenen fi nanziellen Engagements zu überprüfen oder die Defi zite moderner Kommunikationsmethoden zu bewältigen.85 So ebnet man ihm auch nach dem formalen Vertragsabschluss noch den Rückweg zu einer rationalen Entscheidungsfi ndung, sei es mit Rücksicht auf die Komplexität des Produktes, auf die mangelnde Prüfmöglichkeit ex ante oder auf eine andere besondere Vertragsabschlusssituation. Der Vertrag als marktwirtschaftliches Tauschinstrument erfährt dadurch eine Schwächung, wird der Verbraucher doch letztlich nicht nur vor seiner eigenen Unvernunft und fi nanzieller Selbstüberschätzung, sondern langfristig auch vor Überschuldung bewahrt.86

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Lurger, Vertragliche Solidarität, 2. Kap. 2.2.1. (S. 33). Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 31 Rn. 908 (S. 363); zum Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften vgl.: Art. 5, 6 Haustürgeschäfterichtlinie; § 312 i. V. m. § 355 BGB; zum Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen vgl.: Art. 6, 12 Fernabsatzrichtlinie, Art. 6, 12 Fernabsatz-Finanzdienstleistungsrichtlinie, § 312d i. V. m. § 355 BGB; zum Widerrufsrecht bei Timesharingverträgen vgl.: Art. 5, 8 Timesharingrichtlinie, § 485 i. V. m. § 355 BGB; zum Widerrufsrecht bei Verbraucherkreditverträgen vgl.: § 495 BGB i. V. m. § 355 BGB. 82 Larenz/M. Wolf, Allgemeiner Teil des BGB, § 34 II. Rn. 6 (S. 627). 83 Limmer, in: RheinNotarK (Hrsg.): Notar und Rechtsgestaltung, S. 15 (S. 21); N. Neumann, Bedenkzeit vor und nach Vertragsschluss, Einleitung (S. 1). 84 Berens, Fremdbestimmung des Konsumenten bei der Vertragsanbahnung insbesondere durch Irreführung, Einleitung (S. 32, 33). 85 Vgl. Schäfer, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 559 (S. 567). 86 N. Neumann, Bedenkzeit vor und nach Vertragsschluss, Teil 1 Kap. 1 III. (S. 73). 81

§ 2 Die handels- und verbraucherrechtliche Sonderrechtsbildung

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III. Das Verbraucherschutzinstrument der Inhaltskontrolle Besonders stark hebt sich das Verbraucherrecht von dem traditionellen Vertragsrecht durch die Inhaltskontrolle ab.87 Sie reduziert in b2c-Situationen nicht nur die Freiheit des Individuums, sondern auch die kollektive Freiheit im Verhältnis der Privatrechtsgesellschaft gegenüber dem Staat. Vor allem aus ökonomischer Sicht sind zwingende Normen erst einmal »suspekt«, verbauen sie doch »prima facie auch die Möglichkeiten effi zienzfördernden Austauschs«.88 Obwohl mit Vorschriften des ius cogens im Grunde Transaktionskosten nicht minimiert, sondern Markttransaktionen erschwert werden89, stellte bereits das erste EWG-Verbraucherschutzprogramm von 1975 die Forderung auf, dass der Verbraucher »vor einseitig festgelegten vertraglichen Geschäftsbedingungen, vor dem mißbräuchlichen vertraglichen Ausschluß wesentlicher Rechte [und] vor mißbräuchlichen Kreditbedingungen« zu schützen sei und kategorisierte dies unter das fundamentale Verbraucherrecht auf Schutz der wirtschaftlichen Interessen des Verbrauchers.90 Insbesondere über (halb-) zwingende Inhaltsvorgaben, die nur zu Gunsten des Verbrauchers, nicht aber zu seinem Nachteil abdingbar sind, wird seit dieser Zeit in den zunächst einmal frei verhandelten Vereinbarungsinhalt von Verbraucherverträgen eingegriffen.91 Als Unterkategorie solcher (halb-) zwingender Verbrauchervorschriften können die nicht abdingbaren Informationspfl ichten und Widerrufsrechte begriffen werden. Mittlerweile sind sie in fast sämtlichen Verbraucherrichtlinien verankert.92 Als zweite Unterkategorie tut sich die Klauselkontrolle hervor, die sich im Gegensatz zu den zwingenden Vertragsabschlussinstrumenten nicht durch die positive Verankerung von Informations- und Widerrufsrechten auszeichnet, sondern sich in erster Linie negativ gegen die einseitige Verwendung festgelegter Standardverträge und den missbräuchlichen Ausschluss (auch) verbraucherseitiger Rechtspositionen richtet. 93 Ein besonders weitreichender Dirigismus geht dagegen mit der dritten Untergruppe zwingender Vertragsinhaltvorgaben einher. Denn sie beziehen sich auf die Vertragsabwicklung, also auf das substanzielle Rechtsfolgenregime. Exemplarisch ist hier die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zu nennen, deren Vorgaben ähnlich wie das bürgerliche 87 Heiderhoff, Grundstrukturen des nationalen und europäischen Verbrauchervertragsrechts, 4. Kap. C. III. 2. b) (S. 270 ff.); Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 3. Teil F. (S. 228 ff.); Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz in der Europäischen Union, IV. 2. (S. 31 ff.). 88 Eidenmüller, JZ 60 (2005), 216 (222). 89 Eidenmüller, Effi zienz als Rechtsprinzip, Teil 1 § 2 B. II. (S. 64). 90 Rat – Erstes Programm der EWG für eine Politik zum Schutz und zur Unterrichtung der Verbraucher v. 14. 04. 1975 – ABl. 1975 Nr. C 26 S. 2 Tz. 18 ff., insbesondere Tz. 19. 91 Vgl. Art. I:203 ACQP; siehe hierzu: Schulte-Nölke/Busch, in: Acquis Group (Hrsg.): Contract I, Chapt. I Sect. 2 Art. 1: 203 (S. 34 ff.). 92 Vgl. etwa: Art. 4, 5 Haustürgeschäfterichtlinie, Art. 4, 6 Fernabsatzrichtlinie, Art. 4 Abs. 2 Verbraucherkreditrichtlinie (1987), Art. 3, 5 Timesharingrichtlinie. 93 Art. 3 und Art. 7 Klauselrichtlinie.

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Vertragstypenrecht nur mittelbar an die originäre Willensübereinkunft anknüpfen.94 Regelungen dieser dritten Gruppe zeichnen sich besonders durch das Bereitstellen von Rechtspositionen aus, die das bürgerliche Vertragsrecht entweder gar nicht kennt (z. B. die Möglichkeit des Widerrufsdurchgriffs bei verbundenen Geschäften 95 ) oder die im bürgerlichen Recht weitgehend disponibel sind (z. B. Kaufgewährleistung 96 ).

IV. Sonderanknüpfung – Verhinderung der Rechtswahlfl ucht Das jüngste Umsetzungsinstrument des Verbraucherrechts setzt sich schließlich aus kollisionsrechtlichen Sonderanknüpfungen zusammen.97 Dahinter steht die Erwägung, dass Unternehmer mit Marktmacht gar nicht erst die Möglichkeit bekommen sollen, Verbrauchern den Schutz der Sachrechtsnormen ihrer Heimatrechtsordnung dadurch zu nehmen, dass sie vertraglich die Rechtswahl zu ihrer eigenen oder zu einer fremden, weniger schutzintensiven Rechtsordnung aufdiktieren.98 Materiellrechtlich zwingende Normen steigen dadurch zu kollisionsrechtlich zwingenden Normen auf; einem uneingeschränkten Wettbewerb der Rechtsordnungen wird entgegengewirkt: Wo im materiellen Recht Schutzinteressen mit zwingenden Verbraucherschutzvorschriften Rechnung getragen wird, soll es kollisionsrechtlich nicht gutgeheißen werden, dass Vertragsparteien die Rechtsordnung bis aufs Letzte außer Kraft setzen und sich einer ausländischen Rechtsordnung zuwenden.99 Denn würden die Mitgliedstaaten einem aus der Benachteiligung einheimischer Anbieter resultierenden Anpassungsdruck nachgeben oder den Unternehmern schrankenlos eine vom Standort unabhängige Rechtswahl ermöglichen, hätte dies gegebenenfalls ein »race to the bottom« in Bezug auf die Standards zum Schutz der Verbraucher zur Folge.100 Versuchten die EG-Mitgliedstaaten mit Art. 5 EVÜ ursprünglich noch, »den Schutz des Verbrauchers in herkömmliche, einen größeren Kreis von Rechtsverhältnissen umfassende Kollisionsregeln zu kleiden«, lassen die Verbraucherrichtlinien in ihrer Generation seit der Klauselrichtlinie »an die Stelle der großen Konzeption . . . das kleine Karo« treten; sie »regeln kleine und kleinste Ausschnitte des materiellen Privatrechts« und stellen insoweit Beschränkungen gegen die Rechtswahl eines Drittlands zum Vertragsstatut auf 94

Art. 2 und Art. 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Art. 6 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 4 Fernabsatzrichtlinie; vgl. auch: Art. 7 Fernabsatz-Finanz-dienstleistungsrichtlinie; §§ 312d, 312f BGB. 96 Art. 7 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. 97 Vgl. zu den IPR-Klauseln im Richtlinienrecht: Art. 6 Abs. 2 Klauselrichtlinie; Art. 9 Timesharingrichtlinie; Art. 12 Abs. 2 Fernabsatzrichtlinie; Art. 6 Abs. 2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. 98 Vgl. Vahrenwald, EntLRev 13 (2002), 56 (57). 99 Martinek, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 511 (S. 549). 100 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 1. Teil 2. Abschnitt § 4 C. (S. 31). 95

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(vgl. Klauselrichtlinie, Timesharingrichtlinie, Fernabsatzrichtlinie und Verbrauchsgüterkaufrichtlinie).101 Voraussetzung ist lediglich, dass der Vertrag einen engen Zusammenhang mit dem Gebiet der Mitgliedstaaten aufweist.102 Auf diese Weise werden auch in Bezug auf außereuropäische Staaten Sicherheitsvorkehrungen getroffen, damit die materiellrechtlich (halb-) zwingenden Vorgaben der Richtlinien nicht durch Rechtswahl torpediert werden.103 Die IPR-Klauseln stehen dabei im Hinblick auf ihre Eingriffsintensität in keinem Stufenverhältnis zu den sachrechtlichen Schutzinstrumenten, sondern präsentieren sich als ein flankierendes Format, das den Vorschriften der »sachrechtlichen Schutzpolizei« eskortierend den Rücken stärkt. Schlupflöcher werden gefüllt um zu verhindern, dass die Parteien ohne die kollisionsrechtliche Absicherung die Grundidee der sachrechtlichen Vorgaben ins Wanken bringen könnten.

§ 3 Dreiteilung der Vertragsrechtsordnung Summa summarum sieht sich also der Betrachter angesichts der bereichseigenen Charakteristika und Umsetzungsinstrumente der Sonderprivatrechte, die vorstehend in groben Zügen dargestellt werden konnten, mit einer Dreiteilung der Vertragsrechtsordnung konfrontiert, die als Fundus eines vertragsrechtlichen Methodenpluralismus zu begreifen ist. Wegen der vordergründigen Komplementärstellung, welche dabei das Handels- und Verbraucherrecht jeweils zum bürgerlichen Recht einnehmen, geht mit diesem Dreiklang ein hoher Repräsentations- und Exemplifi kationsgehalt für das Vertragsrecht insgesamt einher.104 Bereits Reich erkannte im Jahre 1974 diesen hohen Darstellungswert des Nebeneinanders von b2b und b2c und nutzte die Simplifi kationseignung der vertragsrechtlichen Dreiteilung, um zwischen »a) de[m] Rechtsverkehr zwischen Unternehmen . . .: Unternehmensrecht, b) de[m] Warenaustausch zwischen Unternehmen und Endverbrauchern . . .: Verbraucherrecht [und] c) de[m] Bereich des privaten Rechtsverkehrs zwischen Bürgern . . .: Bürgerrecht« 101 Junker, IPRax 18 (1998), 65 (65); vgl. im Überblick: Martiny, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.): Internationales Vertragsrecht, 1. Teil A. IV. 4. (Rn. 41 ff.). 102 Im Überblick: Jayme/Kohler, IPRax 13 (1993), 357 (357 ff.); dies., IPrax 16 (1996), 377 (377 ff.); Junker, IPRax 18 (1998), 65 (70 ff.). 103 Martinek, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 511 (S. 548 ff.); siehe im Überblick m. w. N.: S. Klauer, Das europäische Kollisionsrecht der Verbraucherverträge, 1. Kap. III. 3. (S. 32 ff.). 104 So auch: Grundmann, in: Grundmann/Medicus/Rolland (Hrsg.): Europ. Kaufgewährleistungsrecht, S. 281 (S. 284); Kleindiek, in: Hommelhoff/Jayme/Mangold (Hrsg.): Europ. Binnenmarkt: IPR und Rechtsangleichung, S. 297 (S. 298).

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zu differenzieren.105 Mit Rücksicht auf die Überlegenheit sonderprivatrechtlicher Sozialmodelle zog 1978 auch Westermann in Erwägung, ein Verbraucherschutzrecht unter Anlehnung an Rechtsinstitute des Arbeitsrechts zu entwickeln, die Rechtsbeziehungen zwischen Unternehmern besonderen wirtschaftsrechtlichen Gesetzmäßigkeiten zu unterwerfen und letztlich nur das Personenrecht und die Regelung des Eigentums an Nicht-Produktivgütern dem allgemeinen Privatrecht vorzubehalten.106 Vor der Versuchung, diese Unterscheidung zu einer vertragsrechtlichen Trichotomie zu steigern, sollte man sich allerdings hüten, um nicht die Augen vor der Realität zu verschließen, dass die handels- und verbraucherrechtlichen Sonderregimes das Verhältnis zwischen Staat und Privatrechtsgesellschaft letztlich doch »sehr uneinheitlich und umstritten« defi nieren.107 Für eine Strukturbetrachtung, die sich wie vorstehend angestrebt auf das Wesentliche beschränkt, ist die Dreiteilung auf der anderen Seite aber wiederum geradezu prädestiniert. Effi zient eignet sie sich als Ausgangsbasis, um die allgemeinen Lehren und Wertungen von Sonderprivatrechten untereinander und ihr Verhältnis zu den Grundlagen des bürgerlichen Rechts aufzuzeigen, Gemeinsamkeiten zur Geltung zu bringen und Gleichbehandlung vergleichbarer Fallgestaltungen wiederherzustellen.108 Sonderprivatrechtliche Abspaltungen jenseits des Handels- und Verbraucherrechts sollten dabei außer acht gelassen werden, um nicht das privatrechtliche Pfl ichtgebot des einheitlich für alle Privatrechtssubjekte geltenden Vertragsrechts aus den Augen zu verlieren.109 Wie das Arbeits-, Privatversicherungs- und Immaterialgüterrecht beispielhaft veranschaulichen, handelt es sich bei diesen dreiteilungsexternen Sondernormgruppen lediglich um Nischenbereiche, die das Vertragsrecht nicht an sich in Frage stellen, sondern den Durchschnittsbürger in Anbetracht ihres hohen Spezialisierungsgrades nur in Teilbereichen seines Lebens konfrontieren. Angesichts ihrer nicht generalisierungstauglichen Vertragsrechtsmodifi zierungen würde ihre Einbeziehung die Strukturanalyse nicht lancieren, sondern allenfalls unübersichtlicher machen.

105 Reich, ZRP 7 (1974), 187 (188); siehe auch: F. Bydlinski, System und Prinzipien des Pri-vatrechts, 4. Hteil. IV. 4. b) (S. 724 ff.); Denkinger, Der Verbraucherbegriff, 1. Teil D. II. 1. (S. 113); aus der Perspektive der schwedischen Gesetzgebung: Ebersohl, Vertragsfreiheit und Verbraucherschutz in der schwedischen Gesetzgebung der letzten Jahrzehnte, 1. Teil 1. Kap. B. I. 2. a) (S. 42, 43). 106 Westermann, AcP 178 (1978), 150 (155); vgl. auch die b2b-, b2c- und c2c-Differenzierung bei: Schulte-Nölke, ERCL 3 (2007), 332 (333 ff.). 107 Schmidt-Tedd, Kaufmann und Verbraucherschutz in der EG, 1. Teil (S. 4). 108 So auch Preis, ZHR 158 (1994), 567 (605). 109 Anders Remien, der dem bürgerlichen Recht nicht nur das Handels- und Verbraucherrecht, sondern auch das Vergaberecht gegenüber stellt [Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 11 III. (S. 236 ff.)].

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A. Sondervertragsrechte und Diskrepanz der Freiheitsgewähr Zwar ist »Ungleichbehandlung« an sich keine Spezifität der Sondervertragsrechte. Auch das BGB basiert fast durchgehend auf Tatbeständen der Ungleichbehandlung, sodass ein Rechtsgeschäft beispielsweise nur anfechten kann, wer einem Irrtum erliegt, Schadensersatz nur fordern kann, wer einen Schaden zu verzeichnen hat, und ein Rechtsgeschäft nur abschließen kann, wer geschäftsfähig ist. Ein maßgebender Aspekt ist bei den Sondervertragsrechten jedoch anders: Während nach BGB personenbezogene Merkmale die Erfüllung eines Tatbestands beeinflussen, der grundsätzlich jedes Rechtssubjekt betrifft, aber die individuellen Umstände im Einzelfall zum Gegenstand hat, hängt das Eingreifen sondervertragsrechtlicher Normen von der Erfüllung eines Tatbestandes ab, »der von vornherein nur einen bestimmten Personenkreis anspricht, aber unabhängig von der individuellen Schutzbedürftigkeit im Einzelfall ist«.110 Dementsprechend nehmen die handels- und verbraucherrechtlichen Normgruppen innerhalb des deutschen Sachprivatrechts eine spezielle Position zu den Grundpfeilern der Zivilrechtsordnung ein; augenscheinlich heben sie sich von dem »Vertragsrecht der Allgemeinheit« in der Gesamtbetrachtung ab. Im einzelnen äußert sich dies dadurch, dass die Sonderprivatrechte ihren jeweiligen Realitätsausschnitten verglichen mit dem klassischen Pandektenrecht abweichende Leitbilderwägungen rechtspolitischer und ideologischer Art zugrunde legen, was in dem unabgestimmten Gegenübertreten von verbrauchervertraglichem Verbrauchsgüterkauf und einseitig-handelsgeschäftlichem Handelskauf mittlerweile einen Höhepunkt an Widersprüchlichkeit exemplifi ziert.111 War noch vor einigen Jahrzehnten selbst dem auf der Sozialisierungsskala im eher unteren Bereich anzusiedelnden Abzahlungsgesetz (AbzG) wegen seiner metajuristischen Sozialausrichtung die Aufnahme in das BGB verweigert worden112 , wird heute über das Verbrauchervertragsrecht in weitem Umfang über liberale Grundwerte des Privatrechts disponiert. Nicht zuletzt das internationale Verbrauchervertragsrecht steht in der Kritik.113 Die Annahme der typisierten Unterlegenheit des Verbrauchers (in prinzipieller Abkehr von der Idee formaler Rechtsgleichheit im Privatrechtsverkehr114) verdeutlicht, dass die Beschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs der 110 U. Neumann, Der persönliche Anwendungsbereich vertraglicher Schutzvorschriften, 2. Kap. A. (S. 5); so auch: Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz in der Europäischen Union, IV. 2. b) (S. 30, 31). 111 Emmerich/Hoffmann, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, vor § 373 Rn. 3; relativierend dagegen: G. Müller, in: Ebenroth/Boujong/Joost (Hrsg.): HGB-Kommentar, Vor § 373 Rn. 10. 112 Baltes, Das Abzahlungsgesetz als Verbraucherschutzgesetz, 1. Teil A. II. 2. b) (S. 54). 113 G.-P. Calliess, Grenzüberschreitende Verbraucherverträge, 3. Kap. (S. 87 ff.). 114 Neuner, Privatrecht und Sozialstaat, 3. Teil II. 2. b) (S. 276, 277).

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sondervertraglichen Normen eine pauschalierte Ungleichbehandlung zwischen solchen Rechtssubjekten bewirkt, die ihre Tatbestandsmerkmale erfüllen, und denen, die sie nicht erfüllen.115 Diese Diskrepanz könnte die mögliche Kontinuität der erstrebenswerten »Konzeption eines grundsätzlich für alle geltenden Privatrechts« endgültig in Frage stellen.116 Insgesamt mag die Verbraucherrechtsbewegung – vor allem populistisch betrachtet – zwar einen willkommenen Gegenpol zu den oft kritisierten EG- und WTO-rechtlichen Liberalisierungsbemühungen zur Verfügung stellen, sodass man es eigentlich begrüßen könnte, dass nun doch noch der bereits bei Schaffung des BGB vermisste »Tropfen sozialistischen Öles« (O. von Gierke) 117 in das deutsche Privatrecht Eingang erhalten hat. Die negativen Nebeneffekte dieser Seitwärtsbewegung sind jedoch augenfälliger, ist es doch unweigerlich dazu gekommen, dass die Fragen, welches Freiheitsverständnis dem deutschen Vertragsrecht zugrunde liegt und welche Freiheitsbeschränkungen und Gemeinschaftsinteressen in ihm zum Ausdruck kommen, schon lange nicht mehr einheitlich beurteilt werden können. Die Abstimmungsdefi zite sind teilweise hausgemacht, teilweise durch die Vereinheitlichung und Rechtsangleichung der nationalen Kollisions- und Sachprivatrechte bedingt.

B. Subsidiaritätsprinzip und Vertragsrechtsdivergenz Dabei ermahnt auf prinzipieller Ebene bereits der Subsidiaritätsgedanke zu einer Rückbesinnung. Inhaltlich steht er in engem Zusammenhang mit dem Grundsatz der Maximierung gleicher Freiheit und dem empirischen »Gesetz der Macht«.118 Zwecks Unterstützung präventiven Freiheitsschutzes stellt er die generelle Forderung nach vertikaler Gewaltenteilung auf.119 Er will der Tendenz entgegen wirken, dass Macht sich stets solange ausbreitet, bis sie auf wirksame Schranken stößt.120 Weil liberale Staatlichkeit traditionell nur insoweit legitim ist, als sie subsidiär ist121, bildet das Subsidiaritätsprinzip neben 115 U. Neumann, Der persönliche Anwendungsbereich vertraglicher Schutzvorschriften, 2. Kap. A. (S. 5). 116 Westermann, in: BMJ (Hrsg.): Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. 3, Verbraucherrecht, § 1 I. 2. (S. 11). 117 O. von Gierke, Die soziale Aufgabe des Privatrechts, S. 10; ders., in: E. Wolf (Hrsg.): Quellenbuch zur Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, S. 478 (S. 486). 118 F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 1. Hteil. V. 5. a) (S. 97). 119 F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 1. Hteil. V. 5. a) (S. 97), ders., Das Privatrecht im Rechtssystem einer »Privatrechtsgesellschaft«, VI. 6. (S. 68, 69). 120 F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 1. Hteil. V. 5. a) (S. 97). 121 Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, 1. Teil 4. Abschnitt I. 1. (S. 45); vgl. auch: Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, 1. Teil 2. Abschnitt I. 1. (S. 18 ff.); Mikluscák, in: Blickle/Hüglin/Wyduckel: Subsidiarität als rechtliches und politisches Ordnungsprinzip in Kirche, Staat und Gesellschaft, S. 25 (S. 25 ff.).

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seinen kanonischen Wurzeln und seiner Verankerung in der neuscholastischen Naturrechtslehre den Grundgedanken der liberalen Lehre von der Rechtfertigung und den Aufgaben des Staates. Es beruht auf der Erkenntnis, dass der Mensch ein auf Freiheit angelegtes Lebewesen ist, das in Selbstverwirklichung, Selbstbestimmung und Selbstverantwortung sein Dasein eigenverantwortlich gestaltet und die sich daraus ergebenden Aufgaben mit seinen verfügbaren körperlichen und geistigen Fähigkeiten erfüllen kann.122 Das allgemeine Subsidiaritätsprinzip – welches mit dem EG-vertraglich kodifi zierten (Art. 5 Abs. 2 EG) nicht gleichzusetzen ist – impliziert die Aufforderung an den Staat, Angelegenheiten von untergeordneter Bedeutung kleineren Einheiten zu überlassen, damit der Staat selbst seine ausschließlichen Zuständigkeiten umso ungehinderter, machtvoller und wirksamer wahrnehmen kann.123 Um dem Postulat der »Marktfreiheit vor Regulierung« entsprechend Rechnung zu tragen, muss demnach Ausgangspunkt jedes subsidiären Gemeinschaftsaufbaus die gleiche Chance aller Privatrechtssubjekte sein, von dem Primat der Selbstverantwortung Gebrauch zu machen und individuelle Freiheit auszuüben.124 Auch wenn aus dem Gebot von Fairness und Gleichbehandlung abzuleiten ist, dass Mitgliedern der Privatrechtsgesellschaft in Fällen, in denen sie nicht von sich aus zur tatsächlichen Freiheitsausübung in der Lage sind, gesetzliche Unterstützungsmaßnahmen zu gewähren sind, ermahnt der Subsidiaritätsgedanke stets dazu, bei der Ausgestaltung solcher Unterstützungsmaßnahmen das Leitbild der Staatsferne der Privatrechtsgesellschaft, den Vorrang des Wettbewerbs vor staatlicher Regulierung und die Prädominanz des privaten Willens vor der kollektiven Entscheidung einzuhalten.125 Vor dem Hintergrund, dass »[f]unktionierender Wettbewerb auf Märkten« immer noch »der beste Verbraucherschutz« ist126, erscheint es daher fraglich, 122

Kalkbrenner, FS für Küchenhoff (65. Gebtg.), S. 515 (S. 520). Hablitzel, BayVBl. 27 (1981), 65 (73, 74); Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, 1. Teil 2. Abschnitt I. 1. (S. 19); Neuner, Privatrecht und Sozialstaat, 1. Teil II. 2. c) aa) bbb) (S. 110); F. Bydlinski, Das Privatrecht im Rechtssystem einer »Privatrechtsgesellschaft«, VI. 6. (S. 69, 70); Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 31 Rn. 938 ff. (S. 374, 375). 124 In diesem Sinne aus dem Blickwinkel der Grundrechte als negative Kompetenzvorschriften argumentierend: Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 6 II. 1. b) (S. 232). 125 Kleindiek, in: Hommelhoff/Jayme/Mangold (Hrsg.): Europ. Binnenmarkt: IPR und Rechtsangleichung, S. 297 (S. 302, 303); vgl. auch: M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, § 5 III. 3. (S. 92); Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 1 IV. 4. und § 10 II. (S. 9 und S. 450); Böhm, in: Mestmäcker (Hrsg.): Freiheit und Ordnung in der Marktwirtschaft, I. 1. (S. 25, 26). 126 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie – »Mehr Vertragsfreiheit, geringere Regulierungsdichte, weniger Bürokratie«, Stellungnahme vom 16. 09. 2006, Ziff. III. (S. 9); so auch Mohr, AcP 204 (2004), 660 (684, 685). 123

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Einleitendes Kapitel: Einführung in die Thematik

ob insbesondere das konsumentenspezifische Sondervertragsrecht in seiner aktuellen Ausgestaltung dem Vorranggedanken des Wettbewerbs ausreichend Rechnung trägt. Unter Missachtung der Dichotomie zwischen privatem Zivilund öffentlich-rechtlichem Kartell- und Wettbewerbsrecht übernimmt das Verbraucherrecht in gewisser Weise nämlich nicht nur die Regelungsfunktion des Vertragsrechts, sondern auch die Ordnungsfunktion des Wirtschafts- und Wettbewerbsrechts. Liegen dem Zivil- und Handelsrecht nach ihrer politischen Ausrichtung noch marktkomplementäre Konzepte zugrunde (insbesondere Anbieterwettbewerb, Verbraucherinformation und Individualschutz), greift das Verbraucherrecht über eine falsch verstandene »unified theory of consumer sovereignty«127 – teilweise exzessiv – auf marktkompensierende Mittel zurück (z. B. staatliche Kontrolleingriffe oder sog. Gegenmarktstrategien); es schaltet der ordoliberalen Markterhaltung eine vertrags- und situationsspezifische Ausgleichskontrolle vor, womit im Falle übertriebener Gegenmaßnahmen eine Missachtung der Vorrangstellung des Wettbewerbs(-rechts) einhergehen kann.128

§ 4 Die Systembeeinflussung durch Einheitsund Gemeinschaftsrecht Das heutige »Mehrebenenprivatrecht«129 – so könnte das Nebeneinander zwischen nationalem (Sonder-) Privatrecht und vertikaler Kompetenzverteilung zutreffend beschrieben werden – macht eine vertragsrechtliche Systematisierung unter Abgrenzung der Gemeinschafts- und Privatbelange noch schwieriger. So ist durch den EG-Vertrag die Binnenmarktverwirklichung als weiteres Kodifi kationsziel neben die traditionellen Vertragsparadigmen der Freiheit und Gleichheit hinzugetreten. Konnte man sich zum Zeitpunkt der Kodifi kation des Bürgerlichen Gesetzbuchs noch mit der Frage begnügen, ob und inwiefern der Staat berechtigt ist, durch Gesetze oder Einzelmaßnahmen privatrechtsrelevante Gemeinschafts- und Individualbelange zu einem Ausgleich zu bringen, müssen heute die Europäischen Gemeinschaften sowie die internationale Rechtsvereinheitlichung in diese Fragestellung einbezogen werden.130 Dabei ist aus supra- und internationalem Blickwinkel bemerkenswert, 127 Hierzu aus der Perspektive von U. S. antitrust und consumer protection: Averitt/ Lande, AntitrustLJ 65 (1997), 713 (744 ff.). 128 Dreher, JZ 52 (1997), 167 (177). 129 Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, § 1 IX. 2. (S. 96); auch Joerges spricht in diesem Zusammenhang von einem »Mehrebenensystem«: Joerges, in: SchulteNölke/ Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 205 (S. 208). 130 Müller-Graff, in: Müller-Graff (Hrsg.): Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, S. 267 (S. 267 ff.).

§ 4 Die Systembeeinfl ussung durch Einheits- und Gemeinschaftsrecht

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dass die auf nationaler Ebene zu verzeichnende »Dreiteilung« des Vertragsrechts transnational entweder nur teilweise oder überhaupt nicht nachvollzogen wird.

A. Der Integrationsansatz des internationalen Einheitsrechts Die fehlende Bereitschaft, sonderprivatrechtliche Tendenzen zu berücksichtigen, gelangt besonders anschaulich im internationalen Einheitsrecht zum Ausdruck. Auch wenn die UN-Konvention zum Warenkauf als »cornerstone of ›commercial‹ law« zu begreifen ist131, kommt der Typus »Kaufmann« in keiner ihrer Normen zum Einsatz. Nicht einmal als Sonderkonvention für professionell Handeltreibende ist sie konzipiert, was sich beispielhaft an der Obliegenheitssteigerung der Art. 38, 39 CISG ablesen lässt, wonach die handelstypische Untersuchungs- und Rügepfl icht gerade nicht auf nur berufsmäßige Händler eingeschränkt wird.132 Die Ausgangsnorm des Art. 1 Abs. 3 CISG zeigt vielmehr sogar, dass es irrelevant ist, ob die Vertragsparteien Kaufleute oder Nichtkaufleute sind. Allenfalls über Art. 2 a) CISG, wonach das Übereinkommen die Sonderregimes der (nationalen) Verbrauchervertragsrechte unberührt lässt, signalisieren die CISG-Vertragsstaaten Bereitschaft, das Konsumentenrecht als Sonderprivatrecht anzuerkennen. Eine ähnliche Antipathie gegenüber Sonderprivatrechten trägt das europaweit vereinheitlichte Gerichtsstands- und Kollisionsrecht zur Schau. So fi nden das EuGVÜ und die »Brüssel I«-Verordnung unabhängig von der Art der Gerichtsbarkeit auf alle Zivil- und Handelssachen Anwendung, wobei lediglich u. a. in verbraucherrechtlicher Hinsicht Sonderregeln zum Ausgleich begrenzter Vertragsfreiheit zur Verfügung gestellt werden.133 Dagegen ist ein weltweit gültiger Verbrauchergerichtsstand wegen vorläufigen Scheiterns der Verhandlungen zur »Hague Judgments Convention« (1999/2001) nach wie vor nicht vorhanden.134 Eine Sondervorschrift für handelsrechtliche (Sonder-) Verträge weist auch das EVÜ nicht auf.135 Vielmehr sieht auch dieses Übereinkommen (beschränkt auf die europäischen Staaten), lediglich für Verbraucher- und Arbeitsverträge spezifische Sonderanknüpfungen vor (Art. 5, 6 EVÜ). Eine Sonderbehandlung erfahren Kaufleute allenfalls marginal – und gewiss nicht in-

131 Lookofsky, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, International, Tz. 1. 132 Dazu Magnus, ZEuP 5 (1997), 823 (841 ff.). 133 Erwägungsgrund 14 EuGVO. 134 G.-P. Calliess, Grenzüberschreitende Verbraucherverträge, 4. Kap. I. 1. (S. 145 ff.). 135 Zum EVÜ im Überblick: Martiny, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.): Internationales Vertragsrecht, 1. Teil A. II. und B. V. (Rn. 4 ff. und Rn. 182 ff.); Magnus, in: Staudingers Kommentar BGB, Vorbem zu Art. 27–37 EGBGB Rn. 22 ff.; Grundmann, Europäisches Schuldver-tragsrecht, 2. Teil § 4 Rn. 1 ff. (S. 149 ff.).

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Einleitendes Kapitel: Einführung in die Thematik

tendiert – durch die Nichtanwendbarkeit des EVÜ auf Verpfl ichtungen aus Wechseln, Schecks, Eigenwechseln und anderen handelbaren Papieren.136 Wirklich überraschen kann die fehlende internationale Berücksichtigung der Kaufmannsdogmatik nicht, wenn man bedenkt, dass einige Länder wie die Schweiz oder Schweden niemals ein HGB eingeführt haben, während andere Staaten wie Italien, Argentinien oder die Niederlande von einem eigenen HGB nachträglich wieder Abstand nahmen.137 Ein besonderes Regime bildet das Handelsrecht traditionell nur in denjenigen Rechtsordnungen, die durch das mittelalterliche Kaufmannsrecht geprägt worden sind.138 In diesem Sinne weisen zwar die überwiegende Zahl der Rechtsordnungen, die dem civil law system verhaftet (z. B. Argentinien139, Belgien140, Österreich141, Rumänien142 und Spanien143) oder zumindest von ihm beeinflusst worden sind (z. B. Griechenland144 und die Türkei145), ein eigenes Handelsrecht auf. Die Rechtsordnungen des common law system (z. B. Indien146, Irland147, Neuseeland148) bzw. Mischrechtsordnungen, deren Handelsrecht auch durch das common law bestimmt worden sind (z. B. Südafrika149), kennen ein Handelsrecht im kontinentaleuropäischen Sinne dagegen nicht.150 136

Art. 1 Abs. 2 lit. c) und e) EVÜ. Garro, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Argentina, Tz. 25; Monateri/Musy/Chiaves, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Italy, Tz. 25; Hartkamp/Tillema/Heide, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Netherlands, Tz. 11; Adlercreutz, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Sweden, Tz. 21; vgl. auch die Aufl istung bei: Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, Einl v § 1 Rn. 25. 138 Wieland, Handelsrecht – Bd. 1, § 2 (S. 10). 139 Garro, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Argentina, Tz. 23 ff. 140 Herbots, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Belgium, Tz. 30 ff. 141 Posch, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Austria, Tz. 27 ff. 142 Dincha, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Romania, Tz. 20. 143 Vaquer, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Spain, Tz. 26. 144 Stathopoulos, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Hellas, Tz. 11. 145 Oguzman, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Turkey, Tz. 21 ff. 146 Bhadbhade, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, India, Tz. 27. 147 O’Connor/Friel, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Ireland, Tz. 25. 148 Todd/Burrows/Finn, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, New Zealand, Tz. 13. 149 van Huyssteen/van der Merwe/Maxwell, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, South Africa, Tz. 29 ff. 150 Ebenfalls kein eigenes Handelsrecht kennt das dänische Privatrecht, auch wenn es in 137

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B. Eingriffscharakter und fehlendes Eigensystem des EG-Rechts Die supranationale Ausgestaltung des Verbraucherrechts durch die EG einschließlich ihres Desinteresses an der Kaufmannsdogmatik deutscher Provenienz verdient ebenfalls Beachtung. Von den Rechtsakten der EG gehen bis heute zwar keine Grundsätze zu einer eigenen Vertragsrechtssystematik, wohl aber nennenswerte Auslegungs- und Anpassungssignale für die nationalen Vertragsrechtsordnungen aus.151 So können die Sekundärrechtsakte der Gemeinschaft nicht nur in den sachlichen Gehalt, sondern auch in die Rechtstraditionen und das innere System der mitgliedstaatlichen Privatrechtsordnungen eingreifen, sodass insbesondere aus deutscher Sicht die Gefahr besteht, dass Kerben in das Nebeneinander von Privat- und Sonderprivatrechten geschlagen werden. Denn in der Regel sind die Gemeinschaftsorgane trotz der oft umfangreichen, aber nicht im Ansatz erschöpfenden Rechtsvergleichung durch die Kommission bei der Vorbereitung und -verabschiedung von sekundärrechtlichen Maßnahmen nicht in der Lage, die privatrechtsgesellschaftlichen Traditionen aller Mitgliedstaaten zu berücksichtigen.152 I. Vorrang der Richtlinie – Angleichung vor Vereinheitlichung Einerseits führt die Umsetzung von EG-Sekundärrecht damit nicht selten »zu Systembrüchen und Wertungswidersprüchen, zwingt zur Aufgabe von Errungenschaften nationaler Rechte und zum Verlust nationaler (teilweise identitätsstiftender) Eigenheiten«.153 Andererseits greifen die Gemeinschaftsorgane bei der Privatrechtsangleichung aber regelmäßig auf die weniger ins Detail gehende Richtlinie zurück.154 Im Gegensatz zu Verordnungen, die unmittelbar in jedem Mitgliedstaat der Gemeinschaft gelten und auf Rechtsvereinheitlichung abzielen, resultiert aus Richtlinien eine bloße Rechtsangleichung. Sie sind nur hinsichtlich des zu erreichenden Ziels, nicht jedoch hinsichtlich der Wahl von Form und Mittel für die Mitgliedstaaten verbindlich (Art. 249 Abs. 3 EG). Auf diese Weise geben die Mitgliedstaaten im Sinne eines zweistuseiner Rechtstradition dem civil law system näher als dem common law steht [vgl. hierzu: Nielsen, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Denmark, Tz. 29, 30]. 151 I. Klauer, Die Europäisierung des Privatrechts, 1. Kap. § 2 I. 1. (S. 6). 152 Vgl. Schulte-Nölke/Schulze, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsanglei-chung und nationale Privatrechte, S. 11 (S. 17); zur Problematik, dass auch bei der Auslegung des Gemeinschaftsprivatrechts nicht die Rechtstraditionen aller Mitgliedstaaten berücksichtigt werden können: Baldus, in: Baldus/Müller-Graff (Hrsg.): Die Generalklausel im Europäischen Privatrecht, S. 1 (S. 14). 153 Schulte-Nölke/Schulze, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 11 (S. 15); vgl. auch: W.-H. Roth, in: Dauner-Lieb/ Konzen/ K. Schmidt (Hrsg.): Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 25 (S. 28). 154 Martiny, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.): Internationales Vertragsrecht, 1. Teil A. IV. 4. a) aa) (Rn. 41 ff.); Georgiades, FS für Canaris (70. Gebtg.), Bd. II, S. 603 (S. 607).

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figen Verfahrens keine homogene Gesamtsystematik vor155, was unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes den Vorteil hat, dass die Ausgestaltung der Freiheitspositionen der Privatrechtssubjekte in gewissem Umfang im Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten verbleibt156. Dass die meisten Richtlinien immer noch dem Prinzip der Mindestharmonisierung verpfl ichtet sind und zwischen Verbraucher und Normgeber eine recht lange Verbindungskette besteht157, kann als negatives Beiwerk allerdings zu erheblichen Kontrollkosten führen158. Obwohl eine horizontale Direktwirkung – d. h. eine Anwendung zu Gunsten und zu Lasten von Privaten – im Falle der Nichtumsetzung einer Richtlinie abgelehnt wird159, sehen Teile der Literatur in den Richtlinienbestimmungen, nicht zuletzt wegen der drohenden Staatshaftungsansprüche im Falle der Nichtumsetzung, bereits ein »System« subjektiver Verbraucherrechte160. Ein »umfassender, monistischer Regelungsanspruch« fehlt dem Gemeinschaftsrecht jedoch.161 Es verfolgt nicht das Ziel, eine Rechtsordnung mit einer inneren Systematik zu schaffen und für sich allein genommen bereits einen gerechten Gesamtausgleich der Interessen zu gewährleisten. Resultierend aus dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung ist der Regelungsanspruch der Richtlinien stets ein begrenzter162 , sodass selbst unbedachte Überschneidungen zwischen einzelnen Richtlinien, z. B. doppelte Widerrufsrechte, auftreten können163.

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Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, 3. Kap. A. I. (S. 33 ff.). Vgl. Kommission – Vorschlag für eine Richtlinie zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über den Verbraucherkredit vom 11. 09. 2002 – KOM(2002) 443 endgültig, Ziff. 2.3 (S. 7, 8); Unberath/Johnston, CMLRev 44 (2007), 1237 (1271 ff.). 157 Vgl. Micklitz/Reich, VuR 22 (2007), 121 (122). 158 Kirchner, in: Grundmann/Medicus/Rolland (Hrsg.): Europ. Kaufgewährleistungsrecht, S. 95 (S. 104). 159 EuGH – Faccini Dori/Recreb – Urteil v. 14. 07. 1994, Rs. C-91/92 – Slg. 1994, I-3325 Tz. 19 ff.; Marshall/Health Authority – Urteil v. 26. 02. 1986, Rs. 152/84 – Slg. 1986, 723 Tz. 48; vgl. auch: Müller-Graff, in: Müller-Graff (Hrsg.): Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, S. 9 (S. 53, 54); Defl orian, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 119 (S. 133 ff.). 160 Micklitz, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht Vor A 2 Rn. 23, 24; I. Klauer, Die Europäisierung des Privatrechts, 1. Kap. § 4 I. (S. 28 ff.). 161 Schulte-Nölke/Schulze, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 11 (S. 16). 162 Kirchner, in: Grundmann/Medicus/Rolland (Hrsg.): Europ. Kaufgewährleistungsrecht, S. 95 (S. 101 ff.). 163 EuGH – Travel Vac/Sanchis – Urteil v. 22. 04. 1999, Rs. C-423/97 – Slg. 1999, I2195; Kommission – Mitteilung vom 11. 07. 2001 an den Rat und das Europäische Parlament zum Europäischen Vertragsrecht, KOM(2001) 398 endgültig – Ziff. 3.3 Rn. 35. 156

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II. Die gemeinschaftsrechtliche Ignoranz der Kaufmannsdogmatik Aus EG-rechtlicher Perspektive führt vor allem die deutschtypische Unterscheidung zwischen Kaufleuten und sonstigen Privatrechtssubjekten zu Friktionen. Beginnend bei der allgemeinen Freizügigkeit und überleitend zu den Wettbewerbsregeln, der Niederlassungsfreiheit und der Handelsvertreterrichtlinie liegen dem Gemeinschaftsrecht ausschließlich der handelsneutrale Terminus des »Unionsbürgers« (Art. 17 EG) und die kaufmannsübersteigenden Begriffe des »Unternehmers« und »Unternehmens« (Art. 43 ff., 81 ff.) zugrunde. Auch die Dienstleistungsfreiheit macht die gemeinschaftsrechtliche Gleichgültigkeit gegenüber dem Kaufmannsbegriff anschaulich: In Art. 50 Abs. 2 EG demonstriert sie ganz offen, dass sie Tätigkeiten unabhängig davon liberalisiert, ob es sich um solche gewerblicher, kaufmännischer, handwerklicher oder freiberufl icher Art handelt.164 Während körperschaftlich organisierte Formkaufleute (GmbH, AG, KGaG) damit schon seit langem das Interesse des Richtliniengebers auf sich gelenkt haben165 (wobei Rechtsangleichung maßgeblich in Umsetzung der Publizitätsrichtlinien166 und der Kapitalrichtlinie167 ergangen ist), werden die (deutschen) Einzelkaufleute und Handelsgesellschaften als (Sonder-) Normadressaten gefl issentlich ignoriert. Die Wurzeln für diese ungleiche Gewichtung von Kaufleuten und Verbrauchern sind bereits in den Eingangsartikeln des EG-Vertrages verankert. So wird nach den Zielen der Gemeinschaft zwar die Förderung einer »harmonische[n], ausgewogene[n] und nachhaltige[n] Entwicklung des Wirtschaftslebens« für erstrebenswert erachtet (Art. 2 EG), wobei Art. 3 Abs. 1 lit. g) EG die Verbesserung des Verbraucherschutzes als selbstständige Zielkomponente anerkennt. Eine spezifisch handelsrechtliche Berücksichtigung von Kaufl euten ist aus Gemeinschaftssicht aber nicht vorgesehen. Als Handel begreifen die Gemeinschaftsrechtsakte vielmehr die gesamte unternehmerische Tätigkeit am Markt, beziehen also auch die freien Berufe und die Urproduktion mit ein.168 Dass das vorbeschriebene Grundgerüst im wesentlichen nur Stützpfei164

Vgl. W.-H. Roth, VuR 22 (2007), 161 (162). Im Überblick: I. Klauer, Die Europäisierung des Privatrechts, 3. Kap. § 2 I. (S. 163 ff.). 166 Rat – Erste Richtlinie 68/151/EWG zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne es § 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten – ABl. 1968 Nr. L 65 S. 8; Richtlinie 2003/58/EG zur Änderung der Richtlinie 68/151/EWG in Bezug auf die Offenlegungspfl ichten von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen – ABl. 2003 Nr. L 221 S. 13. 167 Rat – Zweite Richtlinie 77/91/EWG zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne es § 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der AG sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten – ABl. 1976 Nr. L 26 S. 1. 168 Grundmann, ZHR 163 (1999), 635 (645). 165

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ler für Unternehmer- und Verbraucherbelange ist, eine eigene Plattform für Kaufleute aber nicht vorsieht, erlangt auch für die Rechtsanwendung Bedeutung. Denn sämtliche Vertragsrechtsvorschriften, die auf die EG zurückzuführen sind, müssen nicht nur im Lichte des Gemeinschaftsrechts ausgelegt werden, sondern auch im Sinne der Zielvorstellungen der Eingangsartikel des EG-Vertrages verstanden werden. Hinzu kommt, dass sich das Vertragsrecht aus europäischer Perspektive in einer Umbruchphase befi ndet. So hat der Europäische Rat in seinem »Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Union« vom November 2004 das diesbezügliche Grundsatzprogramm wie folgt defi niert: »Im Bereich des Vertragsrechts sollte die Qualität des bestehenden und künftigen Gemeinschaftsrechts durch Maßnahmen der Konsolidierung, Kodifi zierung und Rationalisierung geltender Rechtsakte und durch die Entwicklung eines gemeinsamen Bezugsrahmens verbessert werden. Es sollte ein Rahmen geschaffen werden, um die Möglichkeiten zur Entwicklung von EU-weiten vertragsrechtlichen Standardbestimmungen auszuloten, die von den Unternehmen und Berufsverbänden in der Union angewendet werden könnten. Es sollten Maßnahmen ergriffen werden, damit der Rat die Qualität und Kohärenz aller gemeinschaftlichen Rechtsinstrumente für die Zusammenarbeit in Zivilsachen systematischer prüfen kann.«169

C. Bestrebungen für ein europäisches Zivilgesetzbuch Die Bestrebungen der Gemeinschaft im soft law-Bereich könnten letztlich sogar dazu führen, dass das deutsche Vertragsrecht in einigen Jahren oder Jahrzehnten durch ein europäisches Einheitsrecht abgelöst wird, das u. U. in seiner persönlichen Indifferenz ähnlich wie das UN-Kaufrecht gar nicht zwischen Kaufleuten, Unternehmern und Verbrauchern unterscheidet.170 So hat das Europäische Parlament bereits im Jahre 1989 angemahnt, »dass mit den erforderlichen Vorbereitungsarbeiten zur Ausarbeitung eines einheitlichen Europäischen Gesetzbuches für das Privatrecht begonnen« werden sollte.171 Da die 169 Rat – »Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Union« – ABl. 2005 Nr. C 53 S. 1 Tz. 3.4.4. 170 Nrn. 5 und 6 der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23. 03. 2006 weisen gleichwohl auf eine Fortführung des handels- und verbraucherrechtlichen Sonderrechts auf europäischer Ebene hin: ZEuP 14 (2006), 908 (909, 910); zu den Bestrebungen im soft law-Bereich: J. Meyer, BB 59 (2004), 1285 (1285 ff.); Lehne/Haak, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.): Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 41 (S. 41 ff.); Kenny, ELRev 28 (2003), 538 (538 ff.); van Gerven, ELRev 27 (2002), 156 (156 ff.); Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, § 4 (S. 205 ff.); Weatherill, EU Consumer Law and Policy, Ziff. 7 (S. 149 ff.); Lurger, Grundfragen der Vereinheitlichung des Vertragsrechts in der EU, 1.1.2. (S. 11 ff.); Georgiades, FS für Canaris (70. Gebtg.), Bd. II, S. 603 (S. 615 ff.). 171 Parlament – Entschließung A2–157/89 – ABl. C 158 vom 26. 06. 1989, S. 400, 401;

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Kommission die geforderten Arbeiten im Jahre 1994 noch nicht angefangen hatte, forderte das Europäische Parlament zu diesem Zeitpunkt ein weiteres Mal, »die Arbeiten im Zusammenhang mit der möglichen Ausarbeitung eines einheitlichen Europäischen Gesetzbuchs für das Privatrecht in Angriff zu nehmen«.172 Mitte 2001 veröffentlichte schließlich die EG-Kommission eine Mitteilung, mit der ein Anstoß geliefert werden sollte, um die Diskussion über das europäische Vertragsrecht durch Einbeziehung des Europäischen Parlaments, des Rates und aller interessierten Kreise einschließlich der Wirtschaft, der Juristen aus Praxis und Wissenschaft und der Verbraucherverbände weiter auszuweiten.173 I. Der gemeinsame Referenzrahmen (GRR) Mittlerweile sind die soft law-Bestrebungen in die Erarbeitung eines Gemeinsamen Referenzrahmens (GRR) gemündet, zu dessen Workshops bereits ein zweiter Fortschrittsbericht erstellt worden ist.174 Für die ursprüngliche Konstituierung dieses Projekts ursächlich war die Mitteilung der Kommission vom 11. 10. 2004175, mit der im Grunde ein Auftrag zur Verbesserung des existierenden und zukünftigen vertragsrechtsrelevanten Gemeinschaftsrechts erteilt wurde.176 Die Qualität und Kohärenz des existierenden und zukünftigen Gemeinschaftsrechts soll verbessert werden177, allerdings vorrangig erst einmal im Bereich des Verbrauchervertragsrechts178. Der GRR soll dabei als eine Art Werkzeugkasten dienen, d. h. als eine »toolbox« auf dem Weg zu einem einvgl. zur Entstehung dieser Entschließung: Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 5 II 3. (S. 76, 77). 172 Parlament – Entschließung A3–0329/94 – ABl. C 205 vom 25. 07. 1994, S. 518, 519; vgl. hierzu auch: Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 5 II 4. (S. 77 ff.). 173 Kommission – Mitteilung vom 11. 07. 2001 zum Europäischen Vertragsrecht, KOM(2001) 398 endgültig. 174 Kommission – Bericht vom 25. 07. 2007 »Zweiter Fortschrittsbericht zum Gemeinsamen Referenzrahmen, KOM(2007) 447 endgültig; zu den Fortschritten bei der Erarbeitung des GRR im Überblick: Lando, ERCL 3 (2007), 245 (245 ff.); von Bahr, ERCL 3 (2007), 349 (349 ff.); kritisch auf eine Wissensanmaßung der EU-Bürokratie hinweisend: Ranieri, in: Eger/Schäfer (Hrsg.): Ökonomische Analyse der europäischen Zivilrechtsentwicklung, S. 46 (S. 54 ff.). 175 Kommission – Mitteilung vom 11. 10. 2004 – »Europäisches Vertragsrecht und Überarbeitung des gemeinschaftlichen Besitzstands – weiteres Vorgehen«, KOM(2004) 651 endgültig. 176 Zum GRR im Überblick: Miller, JBL 2007, 378 (378 ff.); Flessner, ZEuP 15 (2007), 112 (112 ff.); Reich, ZEuP 15 (2007), 161 (161 ff.); Schulze, ZEuP 15 (2007), 731 (731 ff.); Zimmermann, ZEuP 15 (2007), 109 (109 ff.); Martiny, ZEuP 15 (2007), 212 (212 ff.). 177 Kommission – Mitteilung vom 11. 10. 2004 – »Europäisches Vertragsrecht und Überarbeitung des gemeinschaftlichen Besitzstands – weiteres Vorgehen«, KOM(2004) 651 endgültig, Ziff. 2.1 (S. 2–6). 178 Kommission – Bericht vom 25. 07. 2007 »Zweiter Fortschrittsbericht zum Gemeinsamen Referenzrahmen, KOM(2007) 447 endgültig – Ziff. 2.

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heitlichen Vertragsrecht.179 Das Phänomen der Sonderprivatrechte bleibt in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt. Erkenntnisreich ist insbesondere die Parlamentsentschließung vom 23. März 2006180, wonach der geplante Referenzrahmen als allgemeines Gerüst für Verträge Geltung beansprucht, das nicht einseitig zu Gunsten eines begrenzten Teils der Teilnehmer am Rechtsverkehr konzipiert ist, sondern sich auf mehr als nur auf Großunternehmen bezieht.181 Soweit es aus Verbraucherschutzinteressen erforderlich ist, soll zwischen dem reinen Unternehmensverkehr (b2b) und dem Rechtsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern (b2c) aber durchaus eine Trennung erfolgen.182 Verabschieden wird die Kommission den GRR nach eigenen Angaben als zunächst unverbindliches Rechtsinstrument im Jahre 2009.183 Nur vage deutet die Mitteilung an, wie es danach weitergehen könnte. Im Raum stehen ein sog. »optionales Instrument« mit der Alternative zwischen einem »Opt-in«- und einem »Opt-Out«-Modell.184 Die Diskussion zu diesen Alternativen sollen zu gegebener Zeit fortgeführt werden. Während bei dem »Opt-in«-Modell die Vertragsparteien ausdrücklich erklären müssten, dass das erarbeitete Einheitsrecht auf ihr Vertragsverhältnis Anwendung fi ndet, müssten sie im Falle eines »Opt-out«-Modells ausdrücklich das Gegenteil zum Ausdruck bringen, um eine Anwendung des GRR zu verhindern. In jedem Fall sollen die Arbeiten an dem europäischen Vertragsrecht einschließlich der Entscheidung zwischen »Opt-in« und »Opt-out«-Lösung mit den Arbeiten an der Umwandlung des EVÜ in ein Gemeinschaftsinstrument sowie mit der Aktualisierung dieser kollisionsrechtlichen Einheitsbestimmungen abgestimmt werden.185 Ob und 179 So auch lit. a) des Standpunktes des Justizministerrates vom 18. 04. 2008: Council of European Union – Press Release 8397/08 (Presse 96), S. 18 – URL: http://www.eu2008. si/en/News_and_Documents/Council_Conclusions/April/0418_JHA.pdf (04. 08. 2008); vgl. auch: Remien, GPR 5 (2008), 124 (125). 180 Parlament – Entschließung vom 23. 03. 2006 zum Europäischen Vertragsrecht und zur Überarbeitung des gemeinschaftlichen Besitzstands: weiteres Vorgehen (2005/2022[INI]) – ZEuP 14 (2006), 908 (908 ff.). 181 Parlament – Entschließung vom 23. 03. 2006 zum Europäischen Vertragsrecht und zur Überarbeitung des gemeinschaftlichen Besitzstands: weiteres Vorgehen (2005/2022[INI]) – ZEuP 14 (2006), 908 (909). 182 Parlament – Entschließung vom 23. 03. 2006 zum Europäischen Vertragsrecht und zur Überarbeitung des gemeinschaftlichen Besitzstands: weiteres Vorgehen (2005/2022[INI]) – ZEuP 14 (2006), 908 (909, 910); vgl. auch: Lehne, ZEuP 15 (2007), 1 (3); Hesselink, EurRevPL 15 (2007), 323 (323 ff.). 183 Kommission – Mitteilung vom 11. 10. 2004 – »Europäisches Vertragsrecht und Überarbeitung des gemeinschaftlichen Besitzstands – weiteres Vorgehen«, KOM(2004) 651 endgültig, Ziff. 2.1.3 und 3.2.4 (S. 6 und S. 14). 184 Vgl. hierzu: Beale, ERCL 3 (2007), 257 (269 ff.); EuZW 19 (2008), 196; GPR 5 (2008), 101 (101 f.); für ein optionales Instrument: Leible, BB 63 (2008), 1469 (1469 ff.). 185 Kommission – Mitteilung vom 11. 10. 2004 – »Europäisches Vertragsrecht und Überarbeitung des gemeinschaftlichen Besitzstands – weiteres Vorgehen«, KOM(2004) 651 endgültig, Anhang II Ziff. 2. (S. 19 ff.).

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inwieweit der GRR als verbindliche Verordnung oder als bloße Empfehlung umgesetzt werden könnte, lässt die Mitteilung bewusst offen.186 Gerade im vorliegenden Zusammenhang ist bemerkenswert, dass sich die Kommission u. a. die Frage stellt, »ob sich ein optionales Instrument nur auf die Geschäfte zwischen Unternehmen oder auch auf Verträge erstrecken sollte, an denen Verbraucher beteiligt sind«.187 Der Jusitzministerrat beschreibt in seinem Standpunkt vom 18. April 2008 die Rechtswirkungen des GRR dahingehend, dass »a set of non-binding guidelines to be used by lawmakers at Community level on a voluntary basis« geplant sei, das als gemeinsame Inspirationsquelle oder Referenz eingesetzt und im Rahmen der Rechtssetzung genutzt werden könne.188 II. Das Netzwerk der Exzellenz (CoPECL) Letztlich könnte die Ausgestaltung des europäischen Vertragsrechts (einschließlich seiner Positionierung gegenüber den Sonderprivatrechten) nahezu gänzlich auf ein Produkt der Wissenschaft hinauslaufen. Bereits bei der Vorbereitung des GRR setzte die Kommission auf ein durch Forschungsmittel der EG fi nanziertes Netzwerk verschiedener europäischer Forschungsgruppen, die sich jeweils auf eine Prinzipienbildung des existierenden Vertragsrechts (»Acquis Group«) bzw. des durch europäisches Recht bisher nur marginal berührten Vertragsrechts (»Study Group on a European Civil Code«) spezialisiert haben.189 Wie der jüngst veröffentlichte erste Teil der »Principles of the Existing EC Contract Law (Acquis Principles)« belegt, sind die akademischen Strukturen vorhanden und funktionieren.190 Im Jahre 2008 folgte die vorläufige Ausgabe eines Entwurfs zum GRR (»Draft Common Frame of Reference – DCFR«), der von der »Acquis Group« und der »Study Group on a European Civil Code« publiziert wurde und mit dem »politischen« GRR nicht gleichge-

186 Kommission – Mitteilung vom 11. 10. 2004 – »Europäisches Vertragsrecht und Überarbeitung des gemeinschaftlichen Besitzstands – weiteres Vorgehen«, KOM(2004) 651 endgültig, Anhang II Ziff. 3. (S. 20, 21). 187 Kommission – Mitteilung vom 11. 10. 2004 – »Europäisches Vertragsrecht und Überarbeitung des gemeinschaftlichen Besitzstands – weiteres Vorgehen«, KOM(2004) 651 endgültig, Anhang II Ziff. 5. (S. 22). 188 So auch lit. d) des Standpunktes des Justizministerrates vom 18. 04. 2008: Council of European Union – Press Release 8397/08 (Presse 96), S. 18 – URL: http://www.eu2008. si/en/News_and_Documents/Council_Conclusions/April/0418_JHA.pdf (04. 08. 2008); vgl. auch: Remien, GPR 5 (2008), 124 (126 f.). 189 Vgl. Kommission – »Erster jährlicher Forschungsbericht zum europäischen Vertragsrecht und zur Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands« vom 23. 09. 2005 – Kom(2005) 456 endgültig, Ziff. 2.1 (S. 2 ff.); Dannemann, in: Acquis Group (Hrsg.): Contract I, Introduction, S. XXIII ff. 190 Acquis Group (Hrsg.): Contract I, S. 1 ff.; vgl. hierzu: Jansen/Zimmermann, JZ 62 (2007), 1113 ff.; Zoll, GPR 5 (2008), 106 ff.

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Einleitendes Kapitel: Einführung in die Thematik

setzt werden sollte.191 Während man rechtsvergleichend auf diese Weise versucht, »bestehende Gemeinsamkeiten in den nationalen Privatrechtsordnungen aufzuspüren und für die Rechtsharmonisierung fruchtbar zu machen«192 , ist in der Wissenschaft desweiteren eine Besinnung auf die rechtshistorische Forschung zu verzeichnen, um aus dem ius commune – als früher einmal existierenden europäischen Privatrecht – Erträge für die Wiederbelebung der gemeinsamen Rechtstraditionen zu fi nden193. Einige Bücher des DCFR (2008) basieren ihrerseits auf Arbeiten der in den 1980er Jahren gegründeten »Lando-Kommission« (»Commission on European Contract Law«), einer privaten Gruppe unabhängiger Experten unter dem Vorsitz des Kopenhagener Professors Ole Lando, die zeitweise fi nanziell von der Europäischen Kommission unterstützt worden ist.194 Aus den Sitzungen der ersten (1980–1990) und zweiten Kommission (1992–1996) dieses mit Experten aus den einzelnen EG-Mitgliedstaaten zusammengesetzten Gremiums sind im Jahre 2000 die in englischer Sprache veröffentlichten Teile I und II der »Principles of European Contract Law« (PECL) hervorgegangen195 ; im Jahre 2003 folgte Teil III196. Obwohl die Principles keine verbindlichen Rechtsregeln darstellen, liefern sie Hinweise auf Tradition und Zukunftsprognose der europäischen Vertragsrechtsordnungen.197 Dabei ist gerade im vorliegenden Zusammenhang bemerkenswert, dass sich die Principles nicht »mit irgendwel191 Von Bar/Clive/Schulte-Nölke (Hrsg.): Principles, Defi nitions and Model Rules of European Private Law (DCFR), S. 3 ff. und S. 71 ff. 192 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 1. Teil 3. Abschnitt § 2 E. (S. 40); vgl. auch: Zimmermann, in: Müller-Graff (Hrsg.): Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, S. 103 (S. 103 ff.); Lurger, Grundfragen der Vereinheitlichung des Vertragsrechts in der EU, 1.8.5. (S. 199 ff.). 193 Vgl.: Schulze, ZEuP 1 (1993), 442 (442 ff.); Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, 3. Kap. C. IV. 2. (S. 56); dies., Grundstrukturen des nationalen und europäischen Verbrauchervertragsrechts, 2. Kap. E. III. (S. 156, 157); Repgen, JJZ 1997, 9 (9 ff.); Zimmermann, JZ 1992, 8 (8 ff.); ders., ZEuP 1 (1993), 4 (4 ff.); Knütel, ZEuP 2 (1994), 244 (244 ff.); ders., JuS 36 (1996), 768 (768 ff.). 194 Vgl. hierzu im Überblick: Lando, in: Grundmann/Medicus/Rolland (Hrsg.): Europ. Kaufgewährleistungsrecht, S. 61 (S. 61 ff.); ders., in: Müller-Graff (Hrsg.): Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, S. 567 (S. 569 ff.); ders., in: Weyers (Hrsg.): Europäisches Vertragsrecht, S. 81 (S. 92 ff.); Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 5 II 5. d) bb) (S. 91 ff.); Zimmermann, JZ 50 (1995), 477 (477 ff.); aus französischer Sicht: Witz, ZEuP 12 (2004), 503 (503 ff.); differenzierend: Basedow, CMLRev 33 (1996), 1169 (1170), ders., Europäisches Vertragsrecht für Europäische Märkte, I. (S. 4). 195 Kommission für Europäisches Vertragsrecht (Hrsg.): Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts, Teile I und II, S. 2 ff. 196 Kommission für Europäisches Vertragsrecht (Hrsg.): Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts, Teil III, S. 574 ff. 197 Verbindlichen Charakter können die PECL lediglich durch ausdrückliche Vereinbarung oder im Wege der Lückenfüllung erlangen, wenn für eine bestimmte Auslegungs- bzw. Anwendungsfrage die anwendbare Rechtsordnung oder die anwendbaren Rechtsregeln keine Lösung bereithalten (vgl. Art. 1: 101 PECL).

§ 4 Die Systembeeinfl ussung durch Einheits- und Gemeinschaftsrecht

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chen besonderen Vertragstypen« oder »Spezialvorschriften für Verbraucherverträge« befassen198, sondern einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen, sodass sich ihr Anwendungsbereich auf »Verträge im Allgemeinen« erstreckt, »einschließlich solcher zwischen Kaufleuten und Verbrauchern«.199 Als weiterer Marktstein der soft law-Entwicklung ist der Vorschlag der italienischen Gandolfi-Gruppe hervorzuheben, die nach erfolgter Gründung der »Akademie Europäischer Privatrechtswissenschaftler« (1992) den Text eines Europäischen Vertragsgesetzbuches (»Code Européen des Contrats«) in zwei Bänden veröffentlichte (1999). 200 Hierbei handelt es sich im Grunde um einen privaten Vorentwurf einer möglichen Europäischen Vertragsrechtskodifi kation, der in Art. 9 Abs. 1 auch eine Sondervorschrift zu einer besonderen b2cKonstellation aufweist. Danach muss ein »Kaufmann, der einem Verbraucher ein Vertragsangebot außerhalb seiner Geschäftsräume unterbreitet, . . . diesen schriftlich über sein Recht, . . . den Vertrag aufzuheben, unterrichten«. 201 Der Bedeutungsgehalt von b2c-Kaprizen wie diesen schwindet allerdings in der Gesamtbetrachtung, wenn man bedenkt, dass mit dem »Common Core Project«, der »Pavia-Group«202 und den »Principles of European Tort Law« der Tilburg-Gruppe mittlerweile auch zahlreiche andere Arbeitsgruppen ins Leben gerufen wurden, die mit ihren (Teil-) Konzepten allesamt beanspruchen, Einfluss auszuüben. 203 198 Von Bar/Zimmermann, in: Kommission für Europäisches Vertragsrecht (Hrsg.): Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts, Teile I und II, Einführung Ziff. 3. (S. XXVII). 199 Damit sind die PECL in ihrem ganzheitlichen Einheitsanspruch ähnlich wie das klassische BGB konzipiert: Sie bilden ein Regelwerk, das größtmögliche Flexibilität gewährleisten möchte und offen sein soll, künftige Entwicklungen des Rechtsdenkens im Bereich des Vertragsrechts zu berücksichtigen [vgl. von Bar/Zimmermann, in: Kommission für Europäisches Vertragsrecht (Hrsg.): Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts, Teile I und II, Einführung Ziff. 3. (S. XXVII)]. Den Besonderheiten von Spezialkonstellationen wird nicht über personenspezifische Einzelregelungen Rechnung getragen, sondern über anpassungsfähige Auslegungsgrundsätze, die sich in erster Linie an den Paradigmen der Angemessenheit, Vernünftigkeit und an den Geboten von Treu und Glauben orientieren (vgl. Art. 1:302 PECL). Soweit die besondere Geschäftserfahrenheit bestimmter Vertragsparteien Berücksichtigung fi ndet, wird nicht auf den Unternehmer- oder Kaufmannsbegriff abgestellt, sondern lediglich zwischen professionellen und nicht professionellen Marktteilnehmern unterschieden (vgl. Art. 5:102 und Art. 6:101 PECL). 200 Französischer Text in: Gandolfi, Code Européen des Contracts, S. 3 ff.; deutsche Übersetzung des Vorentwurfs: ZEuP 10 (2002), 139 ff. 365 ff.; im Überblick: Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 5 II 5. d) dd) (S. 95 ff.); Sonnenberger, RIW 47 (2001), 409 (409 ff.). 201 Vgl. konkret zu den verbraucherrechtsrelevanten Vorschriften der Art. 9 und 159: ZEuP 10 (2002), 141 und 386. 202 Vgl. hierzu: Kommission – Mitteilung vom 11. 07. 2001 an den Rat und das Europäische Parlament zum Europäischen Vertragsrecht, KOM(2001) 398 endgültig – Ziff. 1.6 Fn. 7. 203 Hierzu im Überblick: Lurger, Grundfragen der Vereinheitlichung des Vertragsrechts

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Mit anderen Forschungsgruppen haben sie sich im Mai 2005 zum selbst ernannten »Netzwerk der Exzellenz« (»Joint Network on European Private Law« – CoPECL) zusammengeschlossen, um sich seitdem koordiniert für den gesamteuropäischen Kodifi kationsgedanken einzusetzen. 204

D. Die verbraucherrechtliche Remanipulation des bürgerlichen Rechts Auch wenn die Arbeiten an dem GRR derzeit noch keine verbindliche Wirkung entfalten, prägen die Verbraucherrichtlinien mit ihrem supranationalen Einflussgehalt schon seit langem das deutsche Vertragsrecht. Neben den Sonderprivatrechten bleibt auch das bürgerliche Vertragsrecht von diesen Akzentverschiebungen nicht unberührt. 205 Sichtbar weitreichende Folgen hatte etwa die Umsetzung der Verbrauchsgüter-, E-Commerce- und Zahlungsverzugsrichtlinie, die 2002 im Wege einer »großen Lösung« zu der tiefgreifendsten Reform des deutschen Schuldrechts seit dem Inkrafttreten des BGB im Jahre 1900 geführt hat. 206 Halten EuGH und BGH selbst nach dieser Reform noch allgemeine Regelungen wie diejenige der Nutzungsentschädigung bei Ersatzlieferung (§ 439 Abs. 4 BGB) mit der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie207 für unvereinbar208, verdeutlicht dies, dass das allgemeine und das Verbrauchervertragsrecht jedenfalls nicht so hermetisch voneinander abgeschottet sind, dass »nicht ein ständiger – offener oder versteckter – geistig-wissenschaftlicher Transfer zwischen ihnen stattfinden würde«. 209 Dieser Remanipulationsgehalt könnte in Zukunft weiter zunehmen, vielleicht sogar zu einem Verlust der Ordnungsfunktion des BGB führen. 210 Denn gemäß den Konsultationspunkten, welche die Kommission in ihrem aktuellen Grünbuch zur »Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz« zur Diskussion stellt, wird nicht nur in Erwägung gezogen, in der EU, 1.1. (S. 16 ff.); zu den Gruppierungen des CoPECL vgl. auch: Dannemann, in: Acquis Group (Hrsg.): Contract I, Introduction, S. XXIII. 204 URL: http://www.copecl.org/ (04. 08. 2008). 205 Kirchner, in: Grundmann/Medicus/Rolland (Hrsg.): Europ. Kaufgewährleistungsrecht, S. 95 (S. 106); Magnus, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht A 15 Vorbem. Rn. 4; Heiderhoff, Grundstrukturen des nationalen und europäischen Verbrauchervertragsrechts, 2. Kap. F. (S. 159 ff.); Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz in der Europäischen Union, IV. 1. (S. 24 ff.). 206 Vgl. Grundmann, in: Grundmann/Bianca (Hrsg.): EU-Kaufrechtsrichtlinie, Einl. Rn. 130; ders, in: Grundmann/Medicus/Rolland (Hrsg.): Europ. Kaufgewährleistungsrecht, S. 281 (S. 281 ff.); Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.): Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 3 (S. 6 ff.). 207 Iin concreto mit Art. 3 Abs. 2 bis 4 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. 208 EuGH – Quelle/Bundesverband – Urteil v. 17. 04. 2008, Rs. C-404/06 – NJW 2008, 1433 (1433 ff.); BGH – Beschluss v. 16. 08. 2006, Az.: VIII ZR 200/05 – EuZW 18 (2007), 286 (286 ff.). 209 Gilles, JA 22 (1980), 1 (6); vgl. auch: N. Fischer, VuR 18 (2003), 20 (23). 210 Basedow, in: Cian (Hrsg.): I cento anni del codice civile tedesco, S. 331 (S. 342).

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den Geltungsbereich der Klauselrichtlinie auf im einzelnen ausgehandelte Klauseln zu erweitern. 211 Die Kommission sieht darüber hinaus auch Konsultationsbedarf, ob die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie auf Mietverträge und Verträge zum Bezug von digitalen Inhalten erstreckt werden könnte. 212 Systematisch und nicht zuletzt ökonomisch wäre ein solcher Schritt allerdings bedenklich. Ein offensichtlicher Widerspruch würde vor allem zu dem ökonomischen moral hazard erzeugt, dass ausufernder Schutz gerade keine Eigenverantwortlichkeit fördert und weniger Anstoß zu überlegtem, als vielmehr Anreiz zu verantwortungslosem Handeln im Rechtsverkehr liefert. 213 Nicht zuletzt die Ausbildung der Privatrechtssubjekte zu Individuen, die verantwortungsbewusst handeln, würde man dadurch torpedieren. 214 Umso Besorgnis erregender ist diese Entwicklung, als bereits jetzt Teile der Literatur in dem Ausmaß an Verschuldung in privaten Haushalten eine Bestätigung dafür sehen, dass in der Praxis viele Verträge trotz Verbraucherschutz irrational und »ohne realistische Einschätzung der eigenen fi nanziellen Möglichkeiten« abgeschlossen werden. 215 Beispielhaft werden Verträge mit AGBRelevanz angeführt, die Anreiz zur Bequemlichkeit gäben, indem Verbraucher im Vertrauen auf die Klauselkontrolle gar nicht mehr darauf angewiesen seien, sich mit vorformulierten Inhalten auseinanderzusetzen. 216 Lorenz spricht – Bezug nehmend auf Singer 217 – gar von einem »Teufelskreis«218. Werde durch voreilige Kontrolle die Tendenz zur Nachlässigkeit gefördert, so schaffe nicht zuletzt das Verbraucherleitbild selbst akuten und reellen Kodifi kationsbedarf, um einen externen Schutz des künstlich kreierten Verbrauchertypus sicherzustellen. Ähnlich äußert auch der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium die Ansicht, »dass die[.] schleichende Bürokratisierung unseres Lebens nicht zuletzt Folge der . . . Tendenz zur immer weitergehenden Einschränkung der Vertragsfreiheit ist«. 219 211 Kommission – Grünbuch »Die Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz« – ABl. 2007 Nr. C 61 S. 1, Anhang 1 Tz. 4.4.1. 212 Kommission – Grünbuch »Die Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz« – ABl. 2007 Nr. C 61 S. 1, Anhang 1 Tz. 5.1. 213 Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1. Kap. § 2 II. (S. 11); N. Neumann, Bedenkzeit vor und nach Vertragsschluss, Teil 1 Kap. 1 I. A. 4. b) (S. 19); Eidenmüller, Effi zienz als Rechtsprinzip, Teil 4 § 7 B. I. (S. 329 ff.). 214 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 (170). 215 N. Neumann, Bedenkzeit vor und nach Vertragsschluss, Teil 1 Kap. 1 I. A. 4. b) (S. 19). 216 N. Neumann, Bedenkzeit vor und nach Vertragsschluss, Teil 1 Kap. 1 I. A. 4. b) (S. 19, 20). 217 Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, § 4 IV. 2. (S. 25, 26). 218 Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1. Kap. § 2 II. (S. 11). 219 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie – »Mehr Vertragsfreiheit, geringere Regulierungsdichte, weniger Bürokratie«, Stellungnahme vom 16. 09. 2006, Ziff. I. (S. 2).

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I. Die Auseinandersetzung mit der bürgerlich-rechtlichen Remanipulation Während die Appelle neoliberaler Rechtstheoretiker, die seit Jahrzehnten eine Rückbesinnung auf die »Privatrechtsgesellschaft« im Sinne F. Böhms anmahnen, ungehört blieben 220, hat sich der Verbraucher »vom Schattendasein zur ›zentralen Lichtgestalt‹« des Vertragsrechts gemausert, mit der Folge, dass er mittlerweile als Schrittmacher einer europäischen Privatrechtsdogmatik fungiert. 221 Der »Störfall der pathologischen Willenserklärung« wird immer mehr zum »Modellfall der Rechtsgeschäftsdogmatik«222 , sodass sich das Privatrecht nicht mehr »aus seinem Kern heraus, sondern von den Besonderheiten des Verbraucherrechts her«223 entwickelt 224. Wurde vertragsrechtlicher Verbraucherschutz in den Kinderjahren seiner Entwicklung »noch als seltene Ausnahme zu den allgemeinen Regeln des Vertragsrechts verstanden«, ist er mittlerweile »in vermutlich allen Mitgliedstaaten [der EG] eher die Regel als die Ausnahme und muß wohl neben dem traditionellen allgemeinen Vertragsrecht als eine zusätzliche Quelle zivilrechtlicher Prinzipien betrachtet werden«. 225 So beobachtet auch der Wissenschaftliche Beirat mit Sorge eine Tendenz, »die auf eine immer weitergehende Aushöhlung des Prinzips der privatautonomen Gestaltung von Verträgen hinausläuft«. 226 In ihrer logischen Konsequenz könnte die Anerkennung einer allgemeinen wirtschaftlichen Unterlegenheit des Verbrauchers »die Wirtschaftsordnung als ganzes« in Frage stellen 227, wenn man berücksichtigt, dass das Verbrau220 Böhm, in: Mestmäcker (Hrsg.): Freiheit und Ordnung in der Marktwirtschaft, I. 3. (S. 105 ff.); ders., Ordo 17 (1966), 75 (75 ff.); Begriff der »Privatrechtsgesellschaft« übernommen von: Mayer-Maly, Raumordnung und Privatrechtsgesellschaft, S. 7 ff.; Canaris, FS für Lerche (65. Gebtg.), S. 873 (S. 873 ff.); Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, I. (S. 11); F. Bydlinski, FS für Raisch (70. Gebtg.), S. 7 (S. 7 ff.); Damm, VersR 50 (1999), 129 (140, 141); Isensee, FS für Großfeld (65. Gebtg.), S. 485 (S. 492, 493); aus dem Blickwinkel der Angleichung des Europäischen Vertragsrechts: Ranieri, in: Riesenhuber (Hrsg.): Privatrechtsgesellschaft, S. 355 (S. 355 ff.). 221 Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, § 1 VIII. (S. 93); Lurger, Vertragliche Solidarität, 1. Kap. (S. 12). 222 Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, § 1 (S. 2). 223 Pfeiffer, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 21 (S. 22). 224 Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, § 1 VIII. (S. 93). 225 Lurger, EJCL Vol. 2.1 (1998), Tz. 1. 226 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie – »Mehr Vertragsfreiheit, geringere Regulierungsdichte, weniger Bürokratie«, Stellungnahme vom 16. 09. 2006, Ziff. I. (S. 2). 227 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, D. III. (S. 143, 144); vgl. hierzu auch Mestmäcker, nach dem »[d]ie zureichende Ordnung der Wirtschaft bei grundsätzlich dezentraler Wirtschaftsplanung . . . nicht nur eine Frage von Gerechtigkeit im Verhältnis der Privatrechtssubjekte zueinander . . . ist . . ., sondern . . . auch und gerade für das politische Gemeinwesen« Bedeutung hat [Mestmäcker, Recht und ökonomisches Gesetz, I. 2. (S. 61, 62)].

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cherrecht »Institutionen des Zivilrechts, die bislang Ausnahme sind . . . zur Leitschnur einer sozialstaatlichen Zivilrechtsdogmatik« macht. 228 Angesichts dieser Entwicklung ist man fast schon vor die Alternative gestellt, ob in Anbetracht des erreichten EG-rechtlichen Harmonisierungsniveaus »das traditionelle bürgerliche Vermögensrecht künftig ›im Geiste‹ der neuzeitlichen ›Sonderprivatrechte‹ einschließlich der neuen besonderen Verbraucherrechtsschöpfungen zu interpretieren, zu innovieren und zu reformieren oder aber das allgemeine Privatrecht vom ›systemsprengenden Gedankengut‹ der verbraucherrechtlichen Sondergesetze freizuhalten« ist. 229 Müsste die Ideologie der Anfangsjahre des Verbraucherschutzes, die Privatrechtsordnung an die gewandelten gesellschaftlichen Verhältnisse anzupassen, nicht überdacht und als Kurswechsel in Erwägung gezogen werden, die über das Ziel hinausgeschossenen gesetzgeberischen Maßnahmen auf das tatsächlich erforderliche Maß zurückzunehmen? II. Der unechte Verbraucherschutz der Pauschalreiserichtlinie Ein konkretes Beispiel für die verdeckte Remanipulation des allgemeinen Vertragsrechts liefert jedenfalls die Pauschalreiserichtlinie. Zwar tritt sie rein formal unter dem Deckmantel des Verbraucherschutzes in Erscheinung, indem sie als Reisenden fadenscheinig auf den Verbraucherbegriff abstellt. Materiell erfasst sie jedoch auch Pauschalreisen, die zu beruflichen Zwecken angetreten werden. Sie begreift als »Verbraucher« jeden Hauptkontrahenten, Begünstigten oder Erwerber einer Pauschalreise, ohne dabei einengend auf den privaten Zweckbezug abzustellen. 230 Sie spricht als Verbraucher nicht nur natürliche Personen an, sondern bezieht auch juristische Personen, Gewerbetreibende und Freiberufler in ihren Abnehmerkreis ein, die zum Besuch eines Kongresses oder einer Fortbildungsveranstaltung eine Pauschalreise buchen. 231 Statt auf den Begriff des Unternehmers nimmt sie auf die Begriffe des »Veranstalters« bzw. »Vermittlers« Bezug, erfasst atypisch auf Unternehmerseite also auch nichtgewerbliche Veranstalter (z. B. Volkshochschulen, Jugendverbände, Sportvereine etc.) 232 , sodass sie streng genommen »nicht verbraucherprivat-

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Reich, ZRP 7 (1974), 187 (189). Gilles, JA 22 (1980), 1 (6); vgl. auch: Westermann, AcP 178 (1978), 150 (153). 230 Art. 2 Abs. 2, 3 und 4 Pauschalreiserichtlinie. 231 B. Kilian, Der Verbraucherbegriff in der EU, B. I. 3. b) (3) (b) (5) (S. 71); Staudenmayer, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 63 (S. 68); Tonner, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht A 12 Art. 2 Rn. 18; Wiedenmann, Verbraucherleitbilder und Verbraucherbegriff im deutschen und europäischen Privatrecht, C. I. 2. (S. 144); Ebers, in: Acquis Group (Hrsg.): Contract I, Chapt. I Sect. 2 Art. 1: 201 A. 1. Rn. 2 (S. 23). 232 Tonner, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht A 12 Art. 2 Rn. 13 ff. 229

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Einleitendes Kapitel: Einführung in die Thematik

rechtlicher Natur, sondern Teil des im Allgemeinen geltenden Besonderen Schuldrechts« ist. 233 Pauschalreisen sind in der Regel Luxusgüter, mit denen eine breite Bevölkerungsschicht zu tun hat; auch intellektuell überforderte und ökonomisch schlechter gestellte Personenkreise befassen sich aus Eigenantrieb mit ihnen, wobei bei ihnen der jeweilige Reisepreis einen erheblichen Anteil am Jahresnettoeinkommen ausmachen kann. Trotz dieses Luxuscharakters bringt die Richtlinie gesamtbetrachtend eine »starke Kopflastigkeit . . . mit Informationspfl ichten« zum Ausdruck. 234 Prospekt- und vertragsbegleitende Informationspfl ichten werden teilweise doppelt und deckungsgleich gefordert, was die Kompatibilität der Richtlinienbestimmungen mit dem Informationsmodell des klassischen Zivilrechts zweifelhaft erscheinen lässt. Während der Veranstalter vor Vertragsschluss den Reisenden über Tatsachen informieren muss, die der Reiseleistung entgegen stehen könnten 235, hat er ihn nach Vertragsschluss, aber »rechtzeitig vor Beginn der Reise«, über Einzelheiten zu informieren, die zur geordneten Durchführung der Reise erforderlich sind, wie z. B. Reisezeiten, Notfalladressen und gängige Versicherungen 236. Gemeinhin wird der persönlich weite Anwendungsbereich der Pauschalreiserichtlinie zwar damit gerechtfertigt, dass »[d]as Bild vom wirtschaftlich unterlegenen, geschäftlich unerfahrenen privaten Verbraucher . . . auf dem Gebiet des Reiserechts [nicht passe]«237, seien gewerblich Reisende in den Fällen der Insolvenz oder Zahlungsunfähigkeit, vor denen die Pauschalreiserichtlinie u. a. schützen möchte, doch in gleicher Weise schutzbedürftig wie Verbraucher. 238 Gerade in diesem Zusammenhang liegt die Richtlinie aber »[v]öllig außerhalb eines liberalen Konzepts des Verbraucherschutzes«, wenn sie »dem Reisenden eine Zwangsversicherung gegen einen Urlaubsausfall durch Insolvenz des Veranstalters aufnötigt, wohingegen ihm beispielsweise freigestellt bleibt, ob er sich gegen den Totalverlust seines Hab und Guts durch eine Hausratsversicherung schützen möchte oder nicht«. 239 Mit dem Schutzschild des Verbraucherschutzes legitimiert sie vorschnell Staatseingriffe, obwohl der Markt eigentlich selbst in der Lage gewesen wäre, über das allgemeine Schuldrecht einen Ausgleich zu schaffen. 240 Öffentlichkeitswirksam werden Verbrau233

Bülow/Artz, Verbraucherprivatrecht, 3. Teil 5. Abschnitt B. (S. 136). Tonner, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht A 12 Art. 3 Rn. 26. 235 Art. 4 Abs. 1 a) Pauschalreiserichtlinie. 236 Art. 4 Abs. 1 b) Pauschalreiserichtlinie. 237 B. Kilian, Der Verbraucherbegriff in der EU, B. I. 3. b) (3) (b) (5) (S. 71). 238 B. Kilian, Der Verbraucherbegriff in der EU, B. I. 3. b) (3) (b) (5) (S. 71). 239 Pfeiffer, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 21 (S. 24). 240 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie – »Mehr Vertragsfreiheit, geringere Regulierungsdichte, weniger Bürokratie«, Stellungnahme vom 16. 09. 2006, Ziff. III. (S. 10). 234

§ 5 Suche nach dem »inneren« System und Aufbau der Arbeit

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chertypologie, materielle Allgemeingeltung und freiheitsbeschränkende Schutzinstrumente kombiniert.

§ 5 Suche nach dem »inneren« System und Aufbau der Arbeit Die vorliegende Abhandlung ist als Versuch zu verstehen, die Legitimität der vertragsrechtlichen Systemdivergenz zu hinterfragen und den Methodenkonfl ikt der Sondervertragsrechte unter Fokussierung auf das Handels-, Verbraucher- und bürgerliche Vertragsrecht exemplarisch aufzulösen. Dabei stellt sich zu allererst die methodische Frage, mit welchem Ansatz sich die Dreiteilung überprüfen lässt. Sicherlich keine ausschließliche Beachtung kann dabei dem Modus der gesetzlichen Aufteilung bzw. der Ausgestaltung von Begriffsstrukturen geschenkt werden, ohne dass man auf zugrunde liegende Effi zienzüberlegungen abstellt. Denn würde man – orientiert an den Begriffen des Unternehmers, Verbrauchers und Bürgers – das Vertragsrecht logisch stringent in abstrakt-allgemeine Begriffe unterteilen 241, ergäbe sich über die Grundsätze begrifflicher Logik sehr schnell, dass der antiquierte Kaufmannsbegriff lediglich als Unterkategorie des Unternehmers einen Platz einnehmen könnte. So entspräche lediglich die Untergliederung des »Bürger«-Begriffs in »Verbraucher« und »Unternehmer« voll und ganz dem BGB-eigenen Brauch von untergliedernden »Begriffspaaren, die kein drittes zulassen«. Der Kaufmannsbegriff könnte in diese Tradition komplementärer Gegensatzpaare (z. B. »absolute« und »relative« Rechte, Grundstücke und bewegliche Sachen) dagegen nicht eingefügt werden. 242 Mit einer reinen Begriffsaufteilung wäre aber auch deshalb entscheidend zu kurz gegriffen, weil die Rechnung mit dem vermeintlich lückenlosen System der abstrakten Begriffe in Wahrheit trotz eines Höchstmaßes an Übersichtlichkeit und Rechtssicherheit nirgends aufginge. Die inneren Prinzipien und Wertungszusammenhänge der Rechtsordnung blieben nämlich außen vor. 243 Aus diesem Grund soll in der vorliegenden Untersuchung das äußere System der Vertragsrechtsordnung nicht ohne materialen Zweckbezug untersucht werden. 244 Vordringlich ist auf die eigentliche Ausgangsfrage abzustellen, ob der Dreiklang zwischen bürgerlichem, Verbraucher- und Handelsvertrags241

Vgl. Hegel, Wissenschaft der Logik, 2. Bd., S. 11 ff. Vgl. auch: Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Kap. Ziff. 1. e) (S. 455). 243 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Kap. Ziff. 1. a) und e) (S. 438 und 457). 244 Vgl. Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Privatrechts, § 2 II. 3. (S. 19 ff.). 242

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Einleitendes Kapitel: Einführung in die Thematik

recht einen inneren Systemwiderspruch erzeugt und wie dieser Widerspruch gegebenenfalls aufgelöst werden kann. In diesem Sinne gilt es nachfolgend primär Sinnzusammenhänge nach solchen Kriterien zu ergründen, die durch eine isolierende Methode der Bildung abstrakter Begriffe weitgehend verdeckt blieben. Die Arbeit folgt dabei einer sechsgliedrigen Einteilung, bei der die einzelnen Kapitel auch inhaltlich aufeinander aufbauen: Der Erarbeitung einer rechtshistorischen Diskussionsgrundlage dient Kapitel eins: Dargestellt werden die Entwicklungsgeschichte der (Sonder-) Vertragsrechte einschließlich der Ursachen für die Systemspaltung. Ergänzend dazu wird im zweiten Kapitel eine einheitliche Terminologie zum Begriff des Sondervertragsrechts erarbeitet sowie die Stellung der vertragsrechtlichen Dreiteilung zur Systemdichotomie der Rechtsordnung in öffentliches und privates Recht erörtert; außerdem wird aus dem Blickwinkel der vertikalen Einwirkungsebenen das Phänomen der dreigeteilten Vertragsrechtsordnung in einen spezifischen Zusammenhang zur Einheitlichkeit der Wirtschaftsverfassung gestellt. Das dritte Kapitel steht dagegen voll und ganz im Lichte des – auch verfassungsrechtlichen – Gleichheits- und Freiheitsausgleichs: Aus dem Blickwinkel der vertragsrechtlichen Dreiteilung werden repräsentative vertragstheoretische Modellansätze der Literatur hinterfragt sowie der Deduktionsversuch einer vertragsrechtlichen Systemordnung als allgemeiner Rechtsgrundsatz der europäischen Vertragsrechtsordnungen in Angriff genommen. Im vierten Kapitel wird schließlich der Frage nach einem Beziehungszusammenhang zwischen der Streitfrage der grundrechtlichen bzw. grundfreiheitlichen Drittwirkung und der Dreiteilung der Vertragsrechtsordnung unter besonderer Berücksichtigung legislativer Schutzpfl ichten nachgegangen. Dabei wird letztlich zum idealtypischen Personenbild des Vertragsrechts übergeleitet und auf das Verbraucher- und Unternehmerleitbild Bezug genommen. Im fünften Kapitel schließt sich daran eine Kongruenzprüfung an, bei der es darum geht, inwiefern das verbraucher- und handelsrechtliche Sondervertragsrecht als gleichheits- und freiheitsgemäßes Abbild der idealtypischen Verbraucher- und Unternehmerleitbilder in Erscheinung treten. Hinsichtlich der Verbraucherrichtlinien wird dabei auch den Kompetenzaspekten der Binnenmarktparadigmen Rechnung getragen (Art. 94, 95 EG). Das sechste Kapitel rundet die Abhandlung mit einer marktfreiheitlichen Strukturbetrachtung ab; nachgegangen wird dabei der Frage, inwiefern die Spezifitäten des Handels- und Verbrauchervertragsrechts den Marktliberalisierungsvorgaben der EG-Grundfreiheiten standhalten. Aus dem Blickwinkel der Marktfreiheit werden die Vorgaben der EG-Grundfreiheiten für die Sondervertragsrechte herausgearbeitet und bestimmte Schlussfolgerungen gezogen, die sich daraus für die Neugestaltung der Vertragsrechtsdivergenz ergeben.

1. Kapitel

Ausgangsproblematik der vertragsrechtlichen Dreiteilung Die sachrechtlichen Modifi zierungen durch das Recht der Handelsgeschäfte und die jüngere Sonderentwicklung der Verbraucherverträge sind zu keiner Zeit unumstritten gewesen. Während bereits die Kommissionsberichte über die Einführung des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches von 1861 (ADHGB) sich in weiser Voraussicht mit der Frage befasst hatten, ob es überhaupt sinnvoll ist, das Handelsrecht als abgesonderten Teil des bürgerlichen Rechts zu regeln1, gelangte Nußbaum wiederum 1915 zu der Erkenntnis, dass das Handelsrecht der Sache nach im bürgerlichen Recht im Grunde genommen schon aufgegangen sei 2 . Nichtsdestotrotz wurden Forderungen nach einer Modernisierung und Reformierung des HGB, nach einer Rechtsfortbildung de lege lata und de lege ferenda bis in die jüngste Vergangenheit erhoben3 ; selbst durch das Handelsrechtsreformgesetz (HRefG) vom 22. Juni 1998 ist die damit einhergehende Kritik nicht zum Erliegen gekommen4. Eine andere Art der Missbilligung von Rechtsetzungstätigkeit hatte Mitte des 19. Jahrhunderts schon John Stuart Mill vorgetragen, als er in Anbetracht 1 P. Hirsch (Hrsg): Die Commissionsberichte und weiteren Verhandlungen über die Einführung des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs in Hamburg, S. XXIII; vgl. auch: Siems, Kaufmannsbegriff und Rechtsfortbildung, § 2 I. 3. (S. 14); Müller-Freienfels, FS für von Caemmerer (70. Gebtg.), S. 583 (S. 590 ff.). 2 Nußbaum, ZHR 76 (1915), 325 (332). 3 Neuner, ZHR 157 (1993), 243 (243 ff.); Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 3. Teil 1. Abschnitt 1. Kap. und 4. Teil 1. Abschnitt (S. 105 ff. und S. 179 ff.); ders., JuS 7 (1967), 533 (533 ff.); ders., FS für Ballerstedt (70. Gebtg.), S. 443 (S. 443 ff.); ders., FS für Stimpel (68. Gebtg.), S. 29 (S. 29 ff.); ders., FS für Rittner (70. Gebtg.), S. 471 (S. 482 ff.); ders., ZHR 154 (1990), 567 (567 ff.); K. Schmidt, Das HGB und die Gegenwartsaufgaben des Handelsrechts, S. 11 ff. und S. 31 ff.; ders., DB 47 (1994), 515 (515 ff.) ders., JuS 25 (1985), 249 (249 ff.); Zöllner, ZGR 12 (1983), 82 (82 ff.); Henssler, ZHR 161 (1997), 13 (32 ff.); Preis, ZHR 158 (1994), 567 (569 ff.); Herber, ZHR 144 (1980), 47 (47 ff.); Horn, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, Einleitung I Rn. 15, 16; Brüggemann, in: Canaris/Schilling/Ulmer (Hrsg.): Staub-HGB, Einl vor § 1 Rn. 45 ff.; Wolter, Jura 10 (1988), 169 (174 ff.); Röhricht, in: Röhricht/von Westphalen, HGB, Einleitung Rn. 10 ff.; einen berufsrechtlichen, vom Handelsrecht und Kaufmannsbegriff losgelösten Ansatz vertretend: Hopt, AcP 183 (1983), 608 (669 ff.). 4 Canaris, Handelsrecht, § 1 Rn. 23 ff. (S. 8 ff.); K. Schmidt, Handelsrecht, § 3 (S. 47 ff.); ders., ZHR 163 (1999), 87 (87 ff.); ders. JZ 58 (2003), 585 (585 ff.); P. Bydlinski, ZIP 19 (1998), 1169 (1172); Heinemann, FS für Fikentscher (70. Gebtg.), S. 349 (S. 373 ff.); Kaiser, JZ 54 (1999), 495 (495 ff.); Zöllner, in: Harrer/Mader (Hrsg.): Die HGB-Reform in Österreich, S. 1 (S. 2 ff.).

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1. Kapitel: Ausgangsproblematik der vertragsrechtlichen Dreiteilung

von legislativen Interventionen des Staates »an increasing inclination to stretch unduly the powers of society over the individual« beklagte. 5 Ähnlich, wenn auch auf einer anderen Ebene, wird auch aktuell die »diskutierte Schaffung eines durch europäische Richtlinien inspirierten Verbrauchergesetzbuches als dritte Säule neben dem BGB und dem HGB« nicht ausnahmslos begrüßt6, sondern vielfach schlicht als »Unglück für die Einheit des deutschen Privatrechts und [als] Rückfall in Standesdenken« begriffen7. Während teilweise »eindeutige Wertungswidersprüche« konstatiert werden8, stellen andere Autoren Alternativmodelle vor, die z. B. darauf gerichtet sind, die abstrakten Vertragstypen des BGB – abgestimmt auf die Besonderheiten der einzelnen Märkte – um zwingende Vorschriften mit einem engeren Anwendungsbereich zu ergänzen9. Ernsthafte Bestrebungen, ältere Sonderbereiche wie das Handelsrecht in die pandektistische Zivilrechtssystematik einzugliedern oder die Entstehung neuerer Sonderbereiche von vornherein zu unterbinden, wurden in Deutschland – anders als in Argentinien10 und Italien11 – aber zu keiner Zeit unternommen.12 Appelle für eine generelle Inhaltskontrolle, die sich auch auf vertragsdisparate Konstellationen des allgemeinen Zivilrechts erstrecken würde13, blieben unerwidert. Insbesondere die verbraucherrechtlichen Vereinheitlichungspläne sind über die primär kosmetische Eingliederung durch die Schuldrechtsmodernisierung im Jahre 2002 nicht hinausgegangen, sodass die Kardinalfragen der Sondervertragstypisierung – ob und unter welchen Voraussetzungen Belastungen Bürgern gleich oder ungleich auferlegt werden dürfen14, ob und inwiefern eine Inhalts- und Angemessenheitskontrolle zulässig

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Mill, On Liberty and Utilitarianism, On Liberty I. (S. 17). Medicus, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.): Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 61 (S. 70); Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, § 4 II. (S. 250 ff.); Wiedenmann, Verbraucherleitbilder und Verbraucherbegriff im deutschen und europäischen Privatrecht, F. IV. (S. 277 ff.) differenzierend: W.-H. Roth, in: Grundmann/Medicus/Rolland (Hrsg.): Europ. Kaufgewährleistungsrecht, S. 113 (S. 141). 7 H. Roth, JZ 54 (1999), 529 (533). 8 Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 1 III. (S. 5, 6). 9 Basedow, in: Cian (Hrsg.): I cento anni del codice civile tedesco, S. 331 (S. 346). 10 Garro, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Argentina, Tz. 25; vgl. auch: K. Schmidt, in: K. Schmidt (Hrsg.): MünchKomm-HGB, Vor § 1 Rn. 4. 11 Monateri/Musy/Chiaves, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Italy, Tz. 25; vgl. auch: K. Schmidt, in: K. Schmidt (Hrsg.): MünchKommHGB, Vor § 1 Rn. 4. 12 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1. Teil 1. Kap. (S. 7). 13 Lieb, AcP 178 (1978), 196 (204 ff.). 14 Odendahl, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.): Hdb. der europäischen Grundrechte, § 43 I. 1. Rn. 3 (S. 1143). 6

§ 6 Geschichtsrelevanz als systemteilungsbedingte Ausgangskoordinate

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sein kann15 und auf welche Weise das Verhältnis zwischen Wettbewerb und Marktregulierung zu defi nieren ist – weiterhin unbeantwortet bleiben. Vor diesem Hintergrund ist es an der Zeit, die von K. Schmidt gestellte Kernfrage zu beantworten, ob »ein Privatrechtssystem [überzeugt], das dem allgemeinen Zivilrecht in der einen Richtung ein ›Kaufmannsrecht‹ und in der anderen ein ›Verbraucherrecht‹ zur Seite stellt«.16 Bereits Collins ist in ähnlich paradigmatischer Weise im englischen Recht in die Überlegung eingestigen, »what kinds of laws and legal institutions are good for commercial transactions, and what sorts of legal regulation are efficient and effective in retail sales to consumers[:] Would it be better . . ., for instance, either to impose clear mandatory rules enforced by powerful regulators employing state sanctions, or to permit the parties to a transaction to regulate themselves, and to create their own system of private justice through mediation and arbitration?«17 Die 1981 von Joerges aufgeworfene Frage, ob »eine Koexistenz inkongruenter Rechtsmaterien – eines allgemeinen Privatrechts und eines besonderen Verbraucherrechts – [überhaupt] denkbar« ist18, ist entsprechend der heutigen Dreiteilung jedenfalls zu ergänzen: Ist das Nebeneinander von Verbraucher-, Handels- und bürgerlichem Recht überhaupt verantwortbar oder zerstört insbesondere die Ausbildung des Verbrauchervertragsrechts »die Einheit des Privatrechts ohne Not«?19

§ 6 Geschichtsrelevanz als systemteilungsbedingte Ausgangskoordinate Setzte das klassische Bild der Schuldverhältnisse voraus, dass einem wirtschaftlichen Umsatzvorgang in der Regel ein einziges Schuldverhältnis zwischen zwei Wirtschaftssubjekten entsprach, führte die wachsende Arbeitsteilung während der Industrialisierung im 20. Jahrhundert »oft zur Zerlegung eines einzigen wirtschaftlichen Leistungsvorgangs in mehrere sukzessive (Veräußerungskette), ineinander verschachtelte (mittelbares Arbeitsverhältnis) oder auf andere Weise kombinierte (Drittfi nanzierung, etwa durch ›Schecksystem‹ oder Darlehnskonstruktion) Schuldverhältnisse«. 20 Mittelbare Folge war eine »Tendenz zur typischen Gestaltung«, zur Typisierung und Differenzierung in der Gesetzgebung. 21 15

Lieb, AcP 178 (1978), 196 (196 ff.). K. Schmidt, BB 60 (2005), 837 (837). 17 Collins, Regulating Contracts, Part 1–1. (S. 6). 18 Joerges, Verbraucherschutz als Rechtsproblem, II. 1. (S. 18). 19 Müller-Graff, in: Müller-Graff (Hrsg.): Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, S. 9 (S. 47). 20 Wieacker, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 2, S. 1 (S. 16). 21 Wieacker, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 2, S. 1 (S. 10, 11). 16

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1. Kapitel: Ausgangsproblematik der vertragsrechtlichen Dreiteilung

Diese Gegenüberstellung verdeutlicht bereits, dass Zivilrechtskodifi kationen maßgeblich durch die besondere geschichtliche Situation beeinflusst werden, in der sie entstehen und fortentwickelt werden. 22 Der Gesetzgeber ist geradezu angehalten, sozialadäquate und bedürfnisentsprechende Regelungen auf der Grundlage der geistigen Grundwertungen und der Entwicklungen in der Gesellschaft zu treffen. 23 In diesem Sinne kann eine Erklärung zu den existierenden Unterschieden in der Vertragsrechtsordnung ohne eine Betrachtung der vertragsrechtlichen Genese nicht gefunden werden, insbesondere was Ansatzpunkte zu einer möglichen Systemrevision anbelangt. 24 Die Kritik, die sich mit dem Nebeneinander der Sondervertragsrechte befasst, hat daher denknotwendig bei der Frage anzusetzen, wie es zu der sach- und kollisionsrechtsspezifischen Aufteilung der Vertragsrechte überhaupt gekommen ist.

§ 7 – BGB –: Basis und Vergleichsmaßstab der Vertragsrechtsdivergenz Wesentlich beeinflusst wurden die privatrechtlichen Kodifi kationen des ausgehenden 19. Jahrhunderts durch die Wechselwirkung von politisch-nationaler Einigungsbewegung, justizpolitischer Zuversicht, ein allgemeines einheitliches Volksgesetzbuch zu erhalten, und dem rechtswissenschaftlichen Streben nach einem geschlossenen System von Dogmatik und Methode. 25 Im Mittel- wenn auch nicht am Ausgangspunkt dieser Entwicklung steht das Bürgerliche Gesetzbuch, das auch heute noch Grundlage und Vergleichsmaßstab der vertragsrechtlichen Dreiteilung ist. Im gesamteuropäischen Kontext betrachtet fiel das BGB in eine Kodifi kationszeit, in der Liberalismus und Demokratie als vorherrschende politische Ideenkreise nicht nur in Deutschland sondern auch in den meisten anderen Ländern Mittel- und Westeuropas die Privatrechtskodifi kationen beeinflusst haben. 26 Auch in Spanien, Frankreich und in den fremden Dynastien Italiens standen sich die Ausläufer des Feudalismus und des Absolutismus und die aufkommenden liberalen und demokratischen Grundwerte – später der Sozialismus – als Streitgenossen gegenüber. 27 Im Zuge der Kodifi kationsidee wurde mit dem BGB der Regelungsanspruch erhoben, mit Systemperfektion eine einheitliche Kodifi kation für das gesamte 22 Baldus, in: Baldus/Müller-Graff (Hrsg.): Die Generalklausel im Europäischen Privatrecht, S. 1 (S. 6, 7). 23 Larenz/M. Wolf, Allgemeiner Teil des BGB, § 2 Rn. 1 (S. 21). 24 In Bezug auf das Handelsrecht: Müller-Freienfels, FS für von Caemmerer (70. Gebtg.), S. 583 (S. 597). 25 Damm, JZ 33 (1978), 173 (174). 26 Wieacker, Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, S. 9 (S. 12). 27 Wieacker, Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, S. 9 (S. 12–14).

§ 7 – BGB – : Basis und Vergleichsmaßstab der Vertragsrechtsdivergenz

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Vermögensrecht zu etablieren. 28 Inhaltlich ist das allgemeine Vertragsrecht ein Kind des klassischen Liberalismus, kommen in ihm als Einflussfaktoren die wirtschaftlichen Abläufe und die gesellschaftlichen Entwicklungen des 19. Jahrhunderts, vor allem seit der Bewegung von 1848, doch maßgeblich zum Ausdruck. 29 Es hat eher konservativen und bewahrenden Charakter, da sich in ihm – im Wege eines rückwärts gerichteten Geistes – noch die sozialen Verhältnisse der Bismarckzeit widerspiegeln. 30 Der tiefgreifende Wandel in der Sozialstruktur während des letzten Jahrzehnts des 19. Jahrhunderts hat dagegen keine Berücksichtigung gefunden. 31 Vielmehr wurden im Rahmen des ersten BGB-Entwurfs bereits soziale Vorschriften weggestrichen (z. B. die Beschränkung von Bürgschaften der Frauen, die Regelungen über die Anfechtung wegen laesio enormis, die lex Anastasiana), da sie »den gesunden und ehrlichen Geschäftsverkehr in hohem Grade belästigen und vielfach zu schikanösen Streitigkeiten gemißbraucht wurden«. 32 Auch wenn Kritiker dies veranlasste, in dem Entwurf den sozialen Schwächerenschutz nicht ausreichend gewährleistet zu sehen, wurden mit dem zweiten Entwurf nur einige der Verbesserungsvorschläge aufgegriffen. Die wesentlichen Wünsche nach sozialeren Regelungen blieben unerfüllt33, sodass sich das BGB auf eine idealisierte vorrechtliche Vorstellung von dem Funktionsverlauf des Wirtschaftsgeschehens einpendelte. 34 Selbst heute lebt noch »die formale, auf Freiheit und Selbstbestimmung des Individuums gerichtete kantische Ethik . . . in der Anerkennung einer, wennschon mannigfach eingeschränkten Parteiautonomie und den zentralen Rechtsbegriffen des subjektiven Rechts und der rechtsgeschäftlichen Willenserklärung fort«. 35 Nach wie vor wird das BGB als Abbild des gegen Ende des 19. Jahrhunderts vorherrschenden Anliegens begriffen, »das Privatrecht als ein rechtswissenschaftlich und geistig einheitliches System zu ordnen«36, das dem Richter für alle Fragen eine aus dem 28

Joerges, Verbraucherschutz als Rechtsproblem, II. 1. (S. 17, 18). Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 1. Kap. V. (S. 38); Larenz/M. Wolf, Allgemeiner Teil des BGB, § 2 II. 1. Rn. 37 (S. 30); L. Raiser, JZ 13 (1958), 1 (2); Wieacker, Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, S. 9 (S. 15). 30 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 11 I. (S. 142). 31 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 11 I. (S. 142); Wagner, ZEuP 15 (2007), 180 (181, 182); differenzierend: Repgen, Die soziale Aufgabe des Privatrechts, 7. Kap. (S. 490 ff.); Seiler, Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten, § 3 I. 1. (S. 121 ff.). 32 Planck, AcP 75 (1889), 327 (409); zur Kritik im Hinblick auf die Vertragsfreiheit im Überblick: Hofer, Freiheit ohne Grenzen?, 1. Teil 4. Abschnitt (S. 132 ff.). 33 Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 4 I. (S. 48, 49). 34 Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, § 1 VI. 1. (S. 49). 35 L. Raiser, Die Zukunft des Privatrechts, I. und II. (S. 9 und 17); im einzelnen: Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 3. Abschnitt (S. 71 ff.). 36 Larenz/M. Wolf, Allgemeiner Teil des BGB, § 2 III. V. 1. Rn. 84 (S. 42). 29

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1. Kapitel: Ausgangsproblematik der vertragsrechtlichen Dreiteilung

Gesetz ableitbare Antwort ermöglichen soll37. Obwohl die Marktkräfte und die alltäglichen Bedürfnisse der Menschen im Laufe des 20. Jahrhunderts eine Vielzahl neuer Vertragstypen hervorgebracht haben (z. B. Leasing- und Factoringverträge), hat der Gesetzgeber keinen Handlungsbedarf gesehen, das gesetzliche Vertragstypenrecht um subtilere Differenzierungen zu erweitern. 38

A. Die Schrittmacherfunktion der Grundrechte als objektive Ordnung Den Generalklauseln und Allgemeinbegriffen des BGB ist es zu verdanken, dass im Laufe der Zeit zumindest verfassungsveranlasste Ausgleichsgedanken in das Vertragsrecht Eingang gefunden haben. 39 Insbesondere die richterlichen Instrumente der Ausübungskontrolle (§ 242 BGB) und Inhaltskontrolle (§ 138 BGB) haben dem Gedanken der sozialen Verantwortung Zugang zu einer »Ethisierung« der vertragsrechtlichen Beziehungen verschafft40, sodass heute die Handlungsfreiheit der Privatrechtssubjekte ihre ethische Rechtfertigung nicht mehr »in sich selbst« trägt41. Von dem Verfassungsrecht ist für das vorkonstitutionelle Recht des BGB eine »Schrittmacherfunktion« im Hinblick auf neue Rechtsgestaltungen ausgegangen.42 In diesem Sinne hat das bürgerliche Vertragsrecht zwar keine augenscheinliche (formale) Veränderung, wohl aber eine (materiale) Weiterentwicklung im Sinne einer stillen Umwälzung aus sich selbst heraus erfahren.43 Weil die Herausbildung der Grundrechte in unmittelbarem Zusammenhang mit dem bürgerlichen Verfassungsstaat der Moderne steht44, konnten sie bei den Entwürfen zum BGB in ihrer heutigen Ausprägung noch nicht berücksichtigt werden.45 Zwar hatte bereits das Reichsgericht der formalen Freiheitsethik des BGB (ohne dessen liberale Tradition aufzugeben) eine materiale Ethik der Verantwortung hinzugefügt.46 Seit dem Ersten Weltkrieg nahm der Einfluss des »ethische[n] Gedanke[ns] der sozialen Gliedstellung des Einzelnen 37

Larenz/M. Wolf, Allgemeiner Teil des BGB, § 2 III. V. 1. Rn. 84 (S. 42). Basedow, in: Cian (Hrsg.): I cento anni del codice civile tedesco, S. 331 (S. 336, 337). 39 Vgl. Jung, in: Baldus/Müller-Graff (Hrsg.): Die Generalklausel im Europäischen Privatrecht, S. 37 (S. 42 ff.). 40 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 11 III. (S. 148, 149). 41 Reuter, AcP 189 (1989), 199 (199). 42 Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 6 II. 1. e) (S. 235 ff.); Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, III. und V. (S. 17 und S. 41). 43 Westermann, AcP 178 (1978), 151 (156); siehe auch: Martinek, in: Willoweit (Hrsg.): Rechtswissenschaft und Rechtsliteratur im 20. Jahrhundert, S. 141 (S. 158 ff.); ders., TSAR 2007, 1 (11 ff.). 44 Pieroth/Schlink, Grundrechte, § 2 I. Rn. 19 (S. 6). 45 Aus einer gesamteuropäischen Perspektive: Collins, CYEL 7 (2005), 81 (87 ff.). 46 Vgl. hierzu: Wieacker, Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, S. 9 (S. 23, 24). 38

§ 7 – BGB – : Basis und Vergleichsmaßstab der Vertragsrechtsdivergenz

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und seiner daraus folgenden sozialen Verantwortlichkeit« auf die Auslegung des BGB aber noch einmal zu47, wenngleich die Grundrechte unter der Ägide der Weimarer Reichsverfassung (1919) noch lediglich in ihrer freiheitlichen Abwehrfunktion ausgeprägt waren48. Erst mit der Verabschiedung des Grundgesetzes wurde die verfassungsrechtliche Wende von dem liberalen zu dem sozialen Rechtsstaat eingeleitet, sodass also erst ab diesem Zeitpunkt Rechtsprechung und Lehre die grundrechtlichen Anspruchstypen jenseits des sparsam auf Abwehr beschränkten Verfassungstextes zu Schutzgewähr- und Teilhaberechten und einer objektiven Werteordnung fortbilden konnten.49 Während die Entstehung des BGB noch in die Zeit des wissenschaftlichen Positivismus gefallen war, nach dessen Verständnis die Rechtssätze auf logisch aufeinander abgestimmten Begriffen in einem geschlossenen und lückenlosen System abzuleiten waren50, wurden seit dem ersten Jahrzehnt nach Inkrafttreten des BGB Zweifelsfragen bei der Gesetzesauslegung zunehmend durch die Analyse der von dem Gesetzgeber berücksichtigten und bewerteten Interessen gelöst 51. Mitte des 20. Jahrhunderts gelangte schließlich die Wertungsjurisprudenz zum Durchbruch, die dem Rechtsanwender ein wertorientiertes Denken aufgab, das insbesondere an der Verfassung und den Grundrechten auszurichten ist. 52 War letztlich also die Staatstheorie des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts noch von der Vorstellung geprägt, dass der Besitz- und Bildungsbürger als Glied der bürgerlichen Gesellschaft autonom und autark sei, sodass die Grundrechte lediglich die Freiheit vor dem Staat, aber keine Freiheit durch den Staat gewährleisten müssten, setzte sich in den Nachkriegsjahren der beiden Weltkriege nach und nach das Bild durch, dass der Einzelne auf positive Gewährleistungen eines sozialen Rechtsstaates angewiesen sei, um überhaupt in Freiheit agieren zu können. 53 Seitdem entfalten die Grundrechte auch für das Privatrecht ganze Strahlungszentren prägender Leitbilder54, wobei den methodologischen Grundstock zu dieser Fortentwicklung der Wandel von der Be47 Zum Ausdruck gekommen ist dies etwa in der Ausdehnung des Prinzips von Treu und Glauben, in der Ergänzung der Willenserklärungslehre um das Prinzip des Vertrauensschutzes und in der Anerkennung von Vertragswirkungen ohne volle Willenseinigung [L. Raiser, Die Zukunft des Privatrechts, I. (S. 9)]. 48 Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, II. (S. 17 ff.); Pieroth/Schlink, Grundrechte, § 2 IV. Rn. 36 ff. (S. 11, 12). 49 Diederichsen, AcP 198 (1998), 171 (214 ff.). 50 Larenz/M. Wolf, Allgemeiner Teil des BGB, § 4 I. 1. Rn. 2 ff. (S. 73, 74). 51 Larenz/M. Wolf, Allgemeiner Teil des BGB, § 4 I. 2. Rn. 8 ff. (S. 74, 75). 52 Larenz/M. Wolf, Allgemeiner Teil des BGB, § 4 I. 3. Rn. 12 ff. (S. 75- 77); W. Kilian, AcP 180 (1980), 47 (59, 60). 53 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1. Kap. III. (S. 7); Pieroth/Schlink, Grundrechte, § 4 II. 3. Rn. 77 (S. 20, 21). 54 Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, S. 23 ff.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, § 2 V. Rn. 40 ff. (S. 12, 13); Müller-Volbehr, JZ 37 (1982), 132 (134).

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1. Kapitel: Ausgangsproblematik der vertragsrechtlichen Dreiteilung

griffs- über die Interessen- zur Wertungsjurisprudenz geliefert hatte. 55 Komplettiert durch gemeinschaftsrechtliche Einflussfaktoren tritt der Einzelne heute als EG-rechtlicher Marktbürger in Erscheinung, der im Sinne einer »new expansive conception of citizenship« nur unter staatlichen Vorkehrungen zur willensgemäßen Umsetzung kultureller und ökonomischer Belange in der Lage ist. 56

B. Der exemplarische Rechtsprechungswandel bei Bürgschaften und Eheverträgen Deutlich wird das Zusammenspiel zwischen den Grundrechten und den bürgerlich-rechtlichen Generalklauseln in der deutschen Rechtsprechung zu Bürgschaften und Eheverträgen. Hier wurde ein Wertungswandel vollzogen, welcher der in England zu verzeichnenden Rechtsprechungsfortentwicklung in Bezug auf »wives acting as sureties for their husband’s business debts« nicht unähnlich ist. 57 Hatte der IX. BGH-Senat die Sittenwidrigkeit von Bürgschaftsverträgen 1989 noch selbst in Fällen offensichtlicher Überforderung mit der Begründung verneint, dass die Vertragsfreiheit es zulasse, »auch risikoreiche Geschäfte abzuschließen und sich zu Leistungen zu verpfl ichten, die nur unter besonders günstigen Bedingungen erbracht werden können«58, änderte sich die Rechtsprechung in der Mitte der achtziger Jahre, als Zivilgerichte immer häufiger damit befasst wurden, dass junge Erwachsene in ausweglose Überschuldung gerieten59. Meist hatten sie für hohe Bankkredite ihrer Partner oder Eltern gebürgt, obwohl sie nur über geringfügige Einkünfte verfügten.60 Im Jahre 1993 nahm das BVerfG dies zum Anlass, die Zivilgerichte anzuweisen, »insbesondere bei der Konkretisierung und Anwendung von Generalklauseln wie § 138 BGB und § 242 BGB« die grundrechtliche Gewährleistung der Privatautonomie in Art. 2 Abs. 1 GG zu beachten und besonders solche 55

Rebe, Privatrecht und Wirtschaftsordnung, § 4 B. III. (S. 63 ff.). Collins, CYEL 7 (2005), 81 (90). 57 Collins, Regulating Contracts, Part 2–3. (S. 49–52); vgl. zur Rechtsprechung des Court of Appeal zu Bürgschaften von Eltern zugunsten ihrer Kinder: Joerges, in: SchulteNölke/ Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 205 (S. 212, 213). 58 BGH – Urteil v. 28. 02. 1989, Az.: IX ZR 130/88 – BGHZ 107, 92 (92); vgl. auch: BGH – Urteil v. 19. 01. 1989, Az.: IX ZR 124/88 – BGHZ 106, 269 (271). 59 Zur BGH-Rechtsprechung im Überblick: Honsell, JuS 33 (1993), 817 (818 ff.); Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 6 III. 1. (S. 264 ff.); Ebersohl, Vertragsfreiheit und Verbraucherschutz in der schwedischen Gesetzgebung der letzten Jahrzehnte, 1. Teil 2. Kap. C. (S. 59 ff.); kritisch: Isensee, in: Bayer/Koch (Hrsg.): Schranken der Vertragsfreiheit, S. 9 (S. 24 ff.). 60 BVerfG – »Bürgschaftsvertrag I« – Beschluss v. 19. 10. 1993, Az.: 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89 – BVerfGE 89, 214 (215). 56

§ 7 – BGB – : Basis und Vergleichsmaßstab der Vertragsrechtsdivergenz

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Verträge zu kontrollieren, »die einen der beiden Vertragspartner ungewöhnlich stark belasten und das Ergebnis strukturell ungleicher Verhandlungsstärke sind«.61 Sei der Inhalt des Vertrages für eine Seite offensichtlich unangemessen, so dürften sich die Gerichte nicht mit der Feststellung begnügen, »Vertrag ist Vertrag«, sondern müssten »vielmehr klären, ob die Regelung eine Folge strukturell ungleicher Verhandlungsstärke ist, und gegebenenfalls im Rahmen der Generalklauseln des geltenden Zivilrechts korrigierend eingreifen«.62 Daneben trägt die Rechtsprechung zur Überprüfung von Ehegattenvereinbarungen, für die grundsätzlich ebenfalls das allgemeine Vertragsrecht gilt63, den Einwirkungs- und Fortbildungsgehalt der Grundrechte zur Schau. Während der BGH lange Zeit die volle Vertragsfreiheit in Bezug auf ehevertragliche Gestaltungsmöglichkeiten betont hatte64, forderte die Literatur schon längere Zeit als Ausgleich ehebedingter Nachteile einen unverzichtbaren Kernbestand, der die Grenze der Vertragsfreiheit im Ehevermögens- und Scheidungsrecht markiert65. Daraufhin setzte 2001 eine Abkehr zu einer größeren Inhaltskontrolle ein, nachdem das BVerfG zwei Entscheidungen zu nachehelichen Unterhaltsverzichten getroffen hatte.66 Die Vorgaben dieser Entscheidungen griff der BGH in einem Urteil vom Februar 2004 auf und formulierte generalisierend einen »Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts«, über den Ehegatten vertraglich nur noch in Ausnahmefällen disponieren können.67 Auch insoweit dienten die Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB als Medium, um den geänderten Wirkungsgehalt der Grundrechte einfachgesetzlich nachzuvollziehen.68

61 BVerfG – »Bürgschaftsvertrag I« – Beschluss v. 19. 10. 1993, Az.: 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89 – BVerfGE 89, 214 (232, 233). 62 BVerfG – »Bürgschaftsvertrag I« – Beschluss v. 19. 10. 1993, Az.: 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89 – BVerfGE 89, 214 (232, 233); kritisch zur Bürgschaftsentscheidung des BVerfG: Zöllner, Die Privatrechtsgesellschaft im Gesetzes- und Richterstaat, IV. 2. (S. 36 ff.). 63 BVerfG – »Unterhaltsverzichtsvertrag« – Urteil v. 06. 02. 2001, Az.: 1 BvR 12/92 – BVerfGE 103, 89 (90). 64 BGH – Urteil v. 28. 11. 1990, Az.: XII ZR 16/90 – FamRZ 38 (1991), 306 (306 ff.); Urteil v. 24. 04. 1985, Az.: IV b ZR 22/84 – FamRZ 32 (1985), 788 (788 ff.). 65 Schwenzer, AcP 196 (1996), 88 (88 ff.); ähnlich auch: Büttner, FamRZ 45 (1998), 1 (1 ff.). 66 BVerfG – »Ehevertrag mit einer Schwangeren« – Beschluss v. 29. 03. 2001, Az.: 1 BvR 1766, 92 – FamRZ 48 (2001), 985 (985 ff.); »Unterhaltsverzichtsvertrag« – Urteil v. 06. 02. 2001, Az.: 1 BvR 12/92 – BVerfGE 103, 89 (89 ff.). 67 BGH – Urteil v. 11. 02. 2004, Az.: XII ZR 265/02 – FamRZ 51 (2004), 601 (601 ff.) 68 Im Überblick zur Vertragsfreiheit im Familienrecht: Kanzleiter, in: Bayer/Koch (Hrsg.): Schranken der Vertragsfreiheit, S. 65 (S. 65 ff.); Koch, in: Bayer/Koch (Hrsg.): Schranken der Vertragsfreiheit, S. 79 (S. 79 ff.).

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1. Kapitel: Ausgangsproblematik der vertragsrechtlichen Dreiteilung

C. Keine Typisierung eines bürgerlich-rechtlichen Schwächerenschutzes Ob die Zunahme der Interventionsneigung des BVerfG als Gewinn oder Verlust für die Freiheitsverbürgung in Vertragsverhältnissen zu verbuchen ist, hängt letztlich von dem Verständnis von Freiheit und Privatrecht ab, von dem man ausgeht.69 Während zahlreiche Autoren die Entscheidungen als Siegeszug eines der sozialen Wirklichkeit besser Rechnung tragenden Privatrechts zelebrieren, attestiert Zöllner dem BVerfG eine echte »Begrenzung der Vertragsfreiheit durch die Grundrechte«, die den Mitgliedern der Privatrechtsgesellschaft die unverzichtbare Grundlage zur Selbstregelung ihrer Angelegenheiten entzieht.70 Unabhängig von welchem Verständnis von Vertragsfreiheit man ausgeht, die Grundparadigmen der formalen Gleichheit werden durch die Rechtsprechung jedenfalls nicht tangiert. Denn ohne Vorgabe einer Typensystematik bewegt sich der über die Generalklauseln vermittelte Wertungswandel weiterhin in den »Außengrenzen« formal-abstrakter Gleichheit. Bereits in der Hühnerpest-Entscheidung zur Produzentenhaftung lehnte der BGH in diesem Sinne einen sonderprivatrechtlichen Ansatz ab; er verweigerte sich einer Systematik der Typenbildung, indem er sich nicht nur an Verbraucher, sondern auch an berufl iche Abnehmer als Schutzadressaten wendete.71 Einen gruppenorientierten oder sozial motivierten Schwächerenschutz hatte selbst die Rechtsprechung zu Treu und Glauben (§ 242 BGB) – insbesondere durch Institute wie »clausula rebus sic stantibus«, »Wegfall der Geschäftsgrundlage«, »unzulässige Rechtsausübung«, »venire contra factum proprium« und »Verwirkung« – nicht zur Folge gehabt.72 Was das bürgerliche Vertragsrecht anbelangt, konnten sich Forderungen nach einer »wirtschaftlichen Geschäftsunfähigkeit« für strukturell benachteiligte Personengruppen trotz singulärer BGH-Entscheidungen (z. B. zur möglichen Geschäftsunfähigkeit »für einen beschränkten Kreis von Angelegenheiten« im Falle krankhafter Eifersucht73) genauso wenig durchsetzen wie die Anregung Honsells an den Gesetzgeber, eine beschränkte Geschäftsunfähigkeit bei Personen bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres für Geschäfte mit 69 Den Materialisierungsgrad der Bürgschaftsentscheidung relativierend: Canaris, AcP 200 (2000), 273 (296 ff.). 70 Zöllner, AcP 196 (1996), 1 (3). 71 BGH – Urteil v. 26. 11. 1968, Az.: VI ZR 212/66 – BGHZ 51, 91 (91 ff.); vgl. hierzu auch: Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, A. IV. (S. 18–20); Medicus, FS für Kitagawa (65. Gebtg.), S. 471 (S. 477). 72 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 11 III. (S. 149). 73 BGH – Urteil v. 24. 09. 1955, Az.: IV ZR 162/54 – BGHZ 18, 184 (184 ff.); vgl. auch: BGH – Urteil v. 20. 11. 1970, Az.: IV ZR 104/69 – FamRZ 1971, 243 (243 ff.); RG – Urteil v. 15. 12. 1939, Az.: IV 361/39 – RGZ 162, 223 (223 ff.).

§ 7 – BGB – : Basis und Vergleichsmaßstab der Vertragsrechtsdivergenz

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einem hohen Selbstgefährdungspotenzial zu kodifi zieren.74 Damit ist es lediglich zu einem dezenten Wandel des BGB von einem begriffl ich-logisch geschlossenen System zu einem offenen System leitender Prinzipien gekommen, was andererseits den konzeptionellen Ruf nach einem (kodifi zierten) Verbraucherprivatrecht weder verdrängt noch obsolet werden gelassen hat. Auch wenn das BVerfG es im Zuge der neueren Rspr. immer wieder betont, »daß der Ausgleich gestörter Vertragsparität zu den Hauptaufgaben des geltenden Zivilrechts gehört«75, hat sich zumindest innerhalb des bürgerlichen Vertragsrechts eine wirklich eigene Dogmatik für die Berücksichtigung partikulärer Gruppeninteressen nicht herausbildet.76 Zwar hat der Gesetzgeber durchaus Versuche unternommen, das BGB durch soziale Aspekte anzureichern und damit vermeintlich an die Realität näher heranzuführen. Letztlich haben allerdings selbst die 1978 in Angriff genommenen Pläne für eine Schuldrechtsreform, mit denen ursprünglich unter anderem soziale Aspekte stärker im Schuldrecht betont werden sollten, keinen Paradigmenwechsel bewirkt.77 Vielmehr wurde der soziale Impetus der Reform nach dem Regierungswechsel von 1982 wieder aufgegeben, sodass eine Schuldrechtskommission eingesetzt wurde, die sich im wesentlichen nur mit der Überarbeitung des Leistungsstörungs- und Verjährungsrechts beschäftigen sollte.78 Durch materiale Typisierungstatbestände wurde das BGB-Vertragsrecht auch im Übrigen (abgesehen von den EG-rechtlichen Einflüssen) nicht angereichert. Zwar ist das soziale Mietrecht seit dem ersten Weltkrieg ein Problem aller europäischen Rechtsordnungen geworden und seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Deutschland fest verankert; im liberal konzipierten Wertesystem des BGB fristet es aber nach wie vor ein Sonderdasein.79 Zudem setzt es anders als die Sonderprivatrechte nicht an einem »über den Vertragsgegenstand hinausgehenden, persönlichen Vertragszweck oder einer persönlichen Eigenschaft des Vertragspartners« an, sondern leitet sich in erster Linie aus dem Vertragsgegenstand ab.80

74 Honsell, JuS 33 (1993), 817 (820); ders., JZ 44 (1989), 494 (495); Canaris lässt dagegen erkennen, dass er eine generelle Festlegung der Geschäftsfähigkeitsgrenze auf 25 Jahre wegen Verstoßes gegen das Übermaßverbot als verfassungswidrig einstuft [JZ 42 (1987), 993 (995)]. 75 BVerfG – »Bürgschaftsvertrag I« – Beschluss v. 19. 10. 1993, Az.: 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89 – BVerfGE 89, 214 (232, 233). 76 Schmidt-Tedd, Kaufmann und Verbraucherschutz in der EG, 2. Teil II. 1 c) (S. 44). 77 Joerges, KJ 30 (1987), 166 (166). 78 Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 4 I. (S. 49, 50). 79 Wieacker, Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, S. 9 (S. 27). 80 U. Neumann, Der persönliche Anwendungsbereich vertraglicher Schutzvorschriften, 1. Kap. C. (S. 2); so auch Wilhelmsson: ». . . linked to substance and not to persons« [Wilhelmsson, Critical Studies in Private Law, Chapt. IV 4. (S. 51 ff.)].

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1. Kapitel: Ausgangsproblematik der vertragsrechtlichen Dreiteilung

Betrachtet man die Ausläufer des klassischen Vertragsrechts folglich isoliert, d. h. ohne die Verzerrungen der einzelbereichsflankierenden Sonderprivatrechte, fügen sie sich nach wie vor in die vertragsrechtlichen Grundparadigmen von Freiheit und Gleichheit recht bündig ein. Lediglich die Generalklauseln wurden durch die Grundrechte infi ziert, was aber weniger typisierte (systematische), sondern vielmehr atypische (punktuelle) Interventionsmaßnahmen zur Folge hatte. Diese von Grund auf andersartige Ausrichtung des Schwächerenschutzes durch die zivilrechtlichen Generalklauseln im Vergleich zu dem typisierten Vertragsschutz des Verbraucherrechts lässt sich anhand von § 138 BGB und dem vormaligen Haustürwiderrufsgesetz mit den Worten von Joerges simplifi zierend wie folgt herausstellen: »Der so geschaffene Schutz [gemeint sind die Grundrechte und § 138 BGB] ist insofern weiter als der des HausTWG, als er sich nicht auf spezifische örtliche Gegebenheiten beschränkt; er ist insofern enger, als der Schutz von Familienmitgliedern erst dann gewährt wird, wenn diese Gefahr laufen, sich selbst zu ›ruinieren‹«. 81

Auch das Wettbewerbsparadigma wird durch die Rechtsprechungsentwicklung zum BGB nicht unbedingt in Frage gestellt. So rekurriert selbst das BVerfG in seinen Leitentscheidungen auf Sachverhaltskonstellationen, in denen allein durch eine Wettbewerbsoptimierung kein Vertragsgleichgewicht herzustellen wäre. In diesem Sinne ist es etwa für Bürgschaftskonstellationen als charakteristisch zu erachten, dass man es mit einer Ausnahmesituation zu tun hat, in der dem Hauptschuldner wegen eines aktuellen Engpasses eben kein anderer Bürge als ein vermögensloser naher Angehöriger zur Verfügung steht; dagegen ist dem Ehevertragsrecht bereits kraft Natur der Sache jegliches Wettbewerbsdenken fremd. Bürgerlich-rechtlich beansprucht die These daher weiter Gültigkeit, dass Verbraucherpolitik lediglich »eine Art Annex der Wettbewerbs(ordnungs-)politik« ist82 , in dem »Wettbewerb« als nützlichster Parameter fungiert83.

§ 8 – Recht der Handelsverträge –: Kausalfaktoren und Chronologie In Abgrenzung zu dem bürgerlichen Recht nimmt das Recht der Handelsgeschäfte als kodifi zierte Form zahlreicher Handelsbräuche und verkehrstypischer Vorgänge seit Beginn der Kodifi kationszeit eine apriorische Sonderstellung ein. Dabei scheinen es in erster Linie »geschichtliche und zeitbedingte 81 Joerges, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 205 (S. 212). 82 Joerges, Verbraucherschutz als Rechtsproblem, II. 1. a) (S. 19). 83 Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 2 IV. 1. (S. 26).

§ 8 – Recht der Handelsverträge – : Kausalfaktoren und Chronologie

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politische Gründe« gewesen zu sein, »die zu einer (formalen) Eigenständigkeit [des HGB] führten, ebenso wie in anderen Staaten der Weg zur Einheitskodifi kation durch ähnliche Umstände bestimmt« worden ist.84 Wie Wieland bemerkte, nahmen »Tradition, Herkommen, soziale Anschauungen und Vorurteile . . . einen breiten Raum« als Ursachen für die Bildung eines besonderen Handelsrechts und die Zugehörigkeit zu ihm ein.85 Fährt man auf der Zeitskala zurück und betrachtet die Regelung des Handelsverkehrs im Altertum, so war dem römischen Recht, das im wesentlichen bereits in seiner Grundkonzeption den Bedürfnissen des internationalen Handelsverkehrs genügte, ein Sonderrecht für Handelsgeschäfte fremd.86 Auch ein Kollisionsrecht im heutigen Sinne gab es noch nicht.87 Da Handel von den verschiedensten Klassen betrieben wurde, kannte die römische Bevölkerung keinen in sich geschlossenen Handelsstand.88 Mit dem römischen ius gentium mag zwar im Vergleich zu dem allgemeinen Zivilrecht ein freieres Verkehrsrecht für alle Marktteilnehmer gebildet worden sein.89 Die Regeln dieses Sonderregimes fanden im Gegensatz zu dem heutigen HGB jedoch nicht nur auf Kaufleute oder eine bestimmte Bevölkerungsschicht, sondern auf sämtliche Marktteilnehmer Anwendung.90 Ganz zu schweigen davon bestand auch in tatsächlicher Hinsicht weder eine »objektive noch eine subjektive Veranlassung«, das Handelsrecht als Sonderrecht darzustellen.91 Eigenständige Rechtsinstitute und gewohnheitsrechtliche Regelungen für den Handelsverkehr bahnten sich vielmehr erst im Mittelalter an.92 Dass gerade im Mittelalter das Bedürfnis für ein Handelsrecht als Standesrecht entstand93, beruht im wesentlichen auf drei Ursachenfaktoren: Zum einen weitete sich während dieser Zeit, insbesondere in Italien, der Geschäftsverkehr in einem erheblichen Umfang aus, was in Gestalt von Gewohnheitsrecht zur Herausbildung eines privatrechtlichen Sonderrechts führte.94 Zum zweiten strukturierte sich die Gesellschaftsordnung des Mittelalters in kauf84 Treber, AcP 199 (1999), 525 (540); so auch: Müller-Freienfels, FS für von Caemmerer (70. Gebtg.), S. 583 (S. 613). 85 Wieland, Handelsrecht – Bd. 1, § 1 (S. 8). 86 J. von Gierke, Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, § 2 (S. 8). 87 Gutzwiller, Geschichte des Internationalprivatrechts, 1. Kap. (S. 1 ff.). 88 Endemann, Hdb. des deutschen Handels-, See- und Wechselrechts, § 4 (S. 11, 12). 89 Rießer, Der Einfluß handelsrechtlicher Ideen auf den Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs, S. 6, 7. 90 Endemann, Hdb. des deutschen Handels-, See- und Wechselrechts, § 4 (S. 10); Goldschmidt, Hdb. des HandelsR: Universalgeschichte des Handelsrechts, III. 4. § 5 IV. 4. (S. 75 ff.). 91 Endemann, Hdb. des deutschen Handels-, See- und Wechselrechts, § 4 (S. 12). 92 J. von Gierke, Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, § 2 (S. 9 ff.); Wieland, Handelsrecht – Bd. 1, § 2 (S. 10 ff.). 93 J. von Gierke, Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, § 2 (S. 9 ff.); Wieland, Handelsrecht – Bd. 1, § 2 (S. 10 ff.). 94 Endemann, Hdb. des deutschen Handels,- See- und Wechselrechts, § 4 (S. 12, 13); J.

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1. Kapitel: Ausgangsproblematik der vertragsrechtlichen Dreiteilung

männische Standesgruppen, aus denen die Gilden und Zünfte als genossenschaftsähnliche Selbstverwaltungskörper mit eigener Satzungshoheit und eigener Gerichtsbarkeit hervorgingen, wobei nur Gildezugehörige das Recht des Handel- und Gewerbebetriebs besaßen.95 Darüber hinaus beschleunigten die kanonischen Rechtsprinzipien, insbesondere die christliche Wucherlehre des Mittelalters, antagonistisch die Fortentwicklung liberaler Handelsrechtsgrundsätze: Streng genommen durfte der Handel, der auf Geldgewinn spekulierte, nämlich nach kanonischem Recht gar nicht existieren.96 Umso dringender war das Bedürfnis, Ausnahmeregimes zu den christlichen Handelsverboten einzuführen und neue Rechtsprinzipien jenseits des kanonischen Rechts zu konstituieren.97

A. Rezeption und handelsrechtliche Kodifikationen Nach Deutschland, wo sich im Mittelalter in ähnlicher Weise ein Kaufmannsstand herausgebildet hatte, gelangten die italienischen Handelsusancen über die römisch-rechtliche Rezeption.98 Dabei war für die deutsche Rechtswissenschaft kennzeichnend, dass sie »niemals das reine römische Recht, sondern das romanische Recht in der Gestalt, wie es zur Zeit der Rezeption wissenschaftlich und praktisch gehandhabt wurde«, rezipierte. Das Bedürfnis für eine handelsrechtliche Kodifi kation kam in Deutschland erst im 19. Jahrhundert auf. Es erwuchs ähnlich wie in Frankreich, wo bereits im 17. Jahrhundert die Handelsgesetzgebung als Eintrittsbereich zur Rechtsvereinheitlichung gedient hatte99, aus der Notwendigkeit, dem weiten Spektrum an Territorialrechten und nicht kodifi ziertem Gewohnheitsrecht ein einheitliches Zivilrechtssystem gegenüber zu stellen. Erst mit der Industrialisierung machten zudem die neu entwickelten schnelleren Transportmittel und Informationswege auf die Rückständigkeit der privatrechtlichen Rechtszervon Gierke, Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, § 2 (S. 10); Wieland, Handelsrecht – Bd. 1, § 2 (S. 14 ff.). 95 J. von Gierke, Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, § 2 (S. 10); Wieland, Handelsrecht – Bd. 1, § 2 (S. 12); Kulischer, Allgemeine Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters und der Neuzeit, Bd. I, Kap. 19 (S. 192 ff.). 96 Endemann, Hdb. des deutschen Handels-, See- und Wechselrechts, § 4 (S. 14). 97 Endemann, Studien in der romanisch-kanonistischen Wirtschafts- und Rechtslehre, S. 2 ff.; Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1. Teil 3. Kap. I. (S. 25). 98 Eisenhardt, FS für Raisch (70. Gebtg.), S. 51 (S. 60); Endemann, Hdb. des deutschen Handels-, See- und Wechselrechts, § 4 (S. 15). 99 Angesprochen ist damit die Handelsgesetzgebung unter Colbert, aus der zum einen die Ordonnance sur le commerce de terre von 1673 und zum anderen die Ordonnance sur le commerce de mer von 1681 hervorgegangen sind; beide Gesetzeswerke haben im Jahre 1807 in den Code de commerce unter Napoleon Eingang gefunden [Herbots, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Belgium, Tz. 32]; vgl. auch: Wieland, Handelsrecht – Bd. 1, § 3 (S. 16 ff.).

§ 8 – Recht der Handelsverträge – : Kausalfaktoren und Chronologie

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splitterung aufmerksam. Es war die Zeit, als im gesamten preußischen Staatsgebiet, subsidiär zu den Provinzialrechten, die handelsrechtlichen Regelungen des Allgemeinen Landrechts (1794) galten100, im Rheinland und in Teilen von Westfalen der französische Code de commerce eingeführt worden war101, während wiederum in anderen Gebieten, die durch eine »zunehmende chaotische Rechtszersplitterung« gezeichnet waren, neben dem römischen und kanonischen Recht auch einige Reichsgesetze Anwendung fanden102 .

B. Handelsrechtliche Entwürfe und Kodifi kationsgenese Die eigentliche Kodifi kationsgeschichte des Handelsrechts in Deutschland begann mit dem Badischen Handelsrecht, das am 1. Januar 1810 im Großherzogtum Baden als Anhang zum Badischen Landrecht in Kraft trat.103 Während es sich bei dem Landrecht um eine Übersetzung des Code Napoléon handelte, enthielt das badische Handelsrecht übersetzte Auszüge aus dem Code de commerce.104 Genauso wie der Code de commerce verstand das badische Handelsrecht unter »Handelssachen« nicht nur alle »Rechtsverhältnisse und desfalsige Verhandlungen der Handelsleute unter sich . . .«, sondern auch alle »Rechtsverhältnisse und Verhandlungen über Handelsgeschäfte zwischen Personen aller Art«.105 Zwischen dem Badischen Land- und Handelsrecht bestand insofern eine dem Verhältnis von BGB und HGB vergleichbare Situation, als auch damals schon das Badische Landrecht auf die im Handelsrecht geregelten Rechtsbeziehungen nur subsidiäre Anwendung fand.106 Zwar wurde auch im Königreich Württemberg ein erster Versuch einer eigenständigen handelsrechtlichen Kodifi kation unternommen. Der im Jahre

100 Kodifi ziert waren diese Regelungen im zweiten Teil des Allgemeinen Landrechts in den Abschnitten 7 bis 15 des 8. Titels. Seit dem Frieden von Tilsit (1807) beschränkte sich der Geltungsbereich des Allgemeinen Landrechts auf die Markt Brandenburg, Pommern, Ost- und Westpreußen sowie Schlesien [vgl. Bergfeld, in: Coing (Hrsg.): Hdb. der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. III/3, 1. Abschnitt 1. Kap. I. A. 4. (S. 2880)]. 101 Bergfeld, in: Coing (Hrsg.): Hdb. der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. III/3, 1. Abschnitt 1. Kap. I. A. 4. (S. 2880); Horn, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, Einleitung IV Rn. 22; Müller-Erzbach, Deutsches Handelsrecht, B. III. b) (S. 37, 38). 102 Gareis, Das Deutsche Handelsrecht, § 3 (S. 8). 103 Bergfeld, in: Coing (Hrsg.): Hdb. der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. III/3, 1. Abschnitt 1. Kap. I. A. 1. (S. 2855). 104 Bergfeld, in: Coing (Hrsg.): Hdb. der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. III/3, 1. Abschnitt 1. Kap. I. A. 1. (S. 2855). 105 Art. 1 des badischen Handelsrechts, abgedruckt in: Land-Recht für das Großherzogtum Baden, nebst Handelsgesetzen, S. 625. 106 Bergfeld, in: Coing (Hrsg.): Hdb. der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. III/3, 1. Abschnitt 1. Kap. I. A. 1. (S. 2862).

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1. Kapitel: Ausgangsproblematik der vertragsrechtlichen Dreiteilung

1839 vorgelegte Entwurf erlangte jedoch niemals Gesetzeskraft.107 Auch im Königreich Nassau (1842) kam es – dem württembergischen Vorbild folgend – zu einem Entwurf einer »Handels- und Wechselordnung für das Herzogtum Nassau«, der nicht verabschiedet wurde.108 Anders dagegen Preußen: Obwohl hier bereits im Jahre 1804 Bemühungen um eine Vereinheitlichung und Reform des Handelsrechts eingesetzt hatten, trat ein entsprechender Entwurf erst im Jahre 1857 in Kraft.109 War dieser Entwurf innenpolitisch als Vereinheitlichungsinstrument des in der Rheinprovinz geltenden Code de commerce und der im preußischen Teil bestehenden Regelungen des Allgemeinen Landrechts angedacht, sollte er außenpolitisch die Verhandlungsposition Preußens im Deutschen Zollverein bei der geforderten gesamtdeutschen Rechtsvereinheitlichung des Handelsrechts stärken.110 Trotz vorläufiger Nichtverabschiedung fand er vor allem bei den Arbeiten zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch (ADHGB) Beachtung.111 Weniger intensiv waren die Bemühungen um eine handelsrechtliche Kodifikation im Königreich Sachsen. Während der Entwurf von 1852 für ein bürgerliches Gesetzbuch noch handelsrechtliche Sonderregelungen enthalten hatte, wurden diese im letztlich eingeführten Bürgerlichen Gesetzbuch von 1863 mit geringen Ausnahmen fallen gelassen.112 Auch Bayern unternahm keinen ernst zu nehmenden Versuch zur Kodifi zierung des Handelsrechts. So war die Regierung 1840 noch der Meinung, dass eine Handelsgesetzgebung eher für ganz Deutschland von Seiten des Deutschen Bundes angestrebt werden sollte.113 In Hannover, im Kurfürstentum Hessen, im Großherzogtum Hessen sowie in den freien Städten Hamburg, Bremen, Lübeck und Frankfurt fehlte es bereits an Impulsen für eine (neue) Handelsgesetzgebung.114

107 Bergfeld, in: Coing (Hrsg.): Hdb. der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. III/3, 1. Abschnitt 1. Kap. I. A. 2. (S. 2864 ff.); Ehrenberg, in: Ehrenberg (Hrsg.), Hdb. des gesamten Handelsrechts, § 21 (S. 237–238). 108 Bergfeld, in: Coing (Hrsg.): Hdb. der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. III/3, 1. Abschnitt 1. Kap. I. A. 3. (S. 2878. 2879); Ehrenberg, in: Ehrenberg (Hrsg.), Hdb. des gesamten Handelsrechts, § 21 (S. 237–238). 109 Bergfeld, in: Coing (Hrsg.): Hdb. der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. III/3, 1. Abschnitt 1. Kap. I. A. 4. (S. 2880 ff.). 110 Bergfeld, in: Coing (Hrsg.): Hdb. der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. III/3, 1. Abschnitt 1. Kap. I. A. 4. (S. 2880–2887). 111 Bergfeld, in: Coing (Hrsg.): Hdb. der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. III/3, 1. Abschnitt 1. Kap. I. A. 4. (S. 2890). 112 Bergfeld, in: Coing (Hrsg.): Hdb. der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. III/3, 1. Abschnitt 1. Kap. I. C. I. (S. 2910–2911). 113 Bergfeld, in: Coing (Hrsg.): Hdb. der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. III/3, 1. Abschnitt 1. Kap. I. C. 2. (S. 2913). 114 Bergfeld, in: Coing (Hrsg.): Hdb. der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. III/3, 1. Abschnitt 1. Kap. I. C. (S. 2914–2927).

§ 8 – Recht der Handelsverträge – : Kausalfaktoren und Chronologie

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I. Die Kodifikation des Allgemeinen Deutschen Handelsrechts (ADHGB) Ein erster einheitlicher Handelsgesetzentwurf für alle deutschen Staaten – der sogenannte Frankfurter Entwurf, dem in erster Linie der Code de commerce als Vorbild diente – wurde 1849 veröffentlicht.115 Zu einem weiteren verheißungsvollen Entwurf und letztlich zur Kodifi kation des »Allgemeinen Deutschen Handelsrechts« (ADHGB) führte schließlich der Antrag der bayerischen Regierung im Jahre 1856, die Bundesversammlung wolle beschließen, eine »Commission zur Entwerfung und Vorlage eines Allgemeinen Handelsgesetzbuches für die Deutschen Bundesstaaten einzusetzen . . .«.116 Nachdem Preußen und Österreich der Wahl Nürnbergs als Verhandlungsort zugestimmt hatten, beschloss der Bundestag am 18. Dezember 1856, zur Ausarbeitung eines Gesetzesentwurfes eine solche Kommission einzusetzen.117 Diese schloss 1861 ihre Arbeiten ab, woraufhin die Bundesversammlung durch Mehrheitsentscheidung den Beschluss fasste, die Empfehlung auszusprechen, dass alle dem Deutschen Bund angehörenden Regierungen dem erstellten Entwurf des ADHGB »baldmöglichst und unverändert im geeigneten Wege Gesetzeskraft in ihrem Lande . . . verschaffen«.118 Von 1861 bis 1865 geschah dies in fast allen Ländern des Deutschen Bundes; zum Reichsgesetz erhoben wurde das ADHGB allerdings erst 1871, nachdem es im Anschluss an die Errichtung des Norddeutschen Bundes und an die Gründung des Deutschen Reiches als Bundesgesetz verabschiedet worden war.119 Dass das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch (ADHGB) dem BGB als Kodifi kation vorausgegangen war, heute aber das BGB als vertragsrechtliche Grundlagenkodifi kation gilt, mag auf den ersten Blick überraschen. Der vermeintliche Widerspruch zwischen der zeitlichen Priorität des Handelsrechts und der sachlichen Vorrangstellung des bürgerlichen Rechts löst sich jedoch auf, wenn man berücksichtigt, dass die vorzeitige Kodifi kation des Handelsrechts nicht der Überzeugung entsprang, mit der systematischen Kernmaterie des Privatrechts zu beginnen, sondern auf der praktischen Notwendigkeit basierte, Realisationschancen zur Überwindung der deutschen Rechtszersplitte115 Bergfeld, in: Coing (Hrsg.): Hdb. der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. III/3, 1. Abschnitt 1. Kap. I. D. 1. (S. 2928 ff.). 116 Goldschmidt, Hdb. des HandelsR.: Einleitung u. Grundlehren, IV. A. I. c) ß) § 13a (S. 88). 117 Bergfeld, in: Coing (Hrsg.): Hdb. der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. III/3, 1. Abschnitt 1. Kap. I. D. 3. (S. 2953). 118 Bergfeld, in: Coing (Hrsg.): Hdb. der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. III/3, 1. Abschnitt 1. Kap. I. D. 3. (S. 2954). 119 Bergfeld, in: Coing (Hrsg.): Hdb. der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. III/3, 1. Abschnitt 1. Kap. I. D. 3. (S. 2954); Goldschmidt, ZHR 20 (1975), 134 (134, 135); Gareis, Das Deutsche Handelsrecht, § 3 (S. 12); Wieland, Handelsrecht – Bd. 1, § 4 (S. 26, 27); zum Inhalt des Entwurfs zum ADHGB: Lutz (Hrsg.), Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch, S. 1 ff.

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rung optimal auszunutzen.120 Ähnlich wie im Rahmen des europäischen Einigungsprozesses einhundert Jahre später war man darauf angewiesen, im Wege eines wirtschaftsfunktionalen Ansatzes zunächst einmal das Handelsrecht als ökonomisch bedeutsamsten Realitätsausschnitt des Privatrechts zu kodifi zieren, um im Anschluss daran das eigentliche Vorhaben einer Kodifi kation des Privatrechts der breiten Masse angehen zu können.121 II. Aufbau und Inhalt des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs Inhaltlich lehnte sich das ADHGB zwar an die Konzeption des französischen Code de commerce (1807) an, folgte aber im wesentlichen dem preußischen Entwurf aus dem Jahre 1857.122 Handelsgeschäfte waren nicht nur diejenigen Typen von Rechtsgeschäften, die katalogmäßig als Handelsgeschäfte aufgeführt waren (acte de commerce), sondern umfassten auch katalogfremde Geschäftstypen, sofern sie nur von einem Kaufmann geschlossen wurden (Art. 271 ff. ADHGB).123 Diese Neuerung bedeutete die entscheidende Änderung in der positiven Gesetzgebung; erstmals war nicht nur der Typus des Geschäfts ausschlaggebend, sondern auch die Kaufmannseigenschaft an sich geltungsbereichseröffnend.124 Im Grundsatz ging das ADHGB von dem Prinzip des sog. »einseitigen« Handelsgeschäfts aus, sodass es zur Anwendung der Bestimmungen des vierten Buches ausreichte, dass ein Rechtsgeschäft auf einer Seite Handelsgeschäft war (Art. 277 ADHGB).125 Gesetzestechnisch wurde dieser Grundsatz aber wieder ausgehöhlt, indem zahlreiche Sondervor-

120 Im 19. Jahrhundert krankte nicht nur das deutsche Handelsrecht, sondern das gesamte deutsche Privatrecht an einer immanenten Rechtszersplitterung. Sämtliche Kodifi kationsvorhaben zum damaligen Zeitpunkt hatten mit dem Umstand zu kämpfen, dass dem Deutschen Bund als internationaler Organisation keine legislative Kompetenz-Kompetenz zustand, eigeninitiativ privatrechtliche Normen für den gesamtdeutschen Rechtsraum zu verabschieden. Vgl. zum Handelsrecht als Rechtsvereinheitlichungsmotor auch: Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1. Teil 1. Kap. (S. 5 ff.). 121 Brüggemann, in: Canaris/Schilling/Ulmer: HGB, Einl Rn. 17; Gareis, Das Deutsche Handelsrecht, § 3 (S. 9); vgl. auch: Rebe, Privatrecht und Wirtschaftsordnung, § 6 A. I. (S. 90); Müller-Freienfels, FS für von Caemmerer (70. Gebtg.), S. 583 (S. 609, 611). 122 Bergfeld, in: Coing (Hrsg.): Hdb. der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. III/3, 1. Abschnitt 1. Kap. I. D. 3. (S. 2955). 123 Art. 273 Abs. 1 ADHGB: »Alle einzelnen Geschäfte eines Kaufmanns, welche zum Betriebe seines Handelsgewerbe gehören, sind als Handelsgeschäfte anzusehen.« 124 Hagenguth, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatrecht, 2. Teil I. 1. c) (S. 17). 125 Art. 277 HGB: »Bei jedem Rechtsgeschäft, welches auf der Seite eines der Kontrahenten ein Handelsgeschäft ist, sind die Bestimmungen dieses vierten Buchs in Beziehung auf beide Kontrahenten gleichmäßig anzuwenden, sofern nicht aus diesen Bestimmungen selbst sich ergibt, dass ihre besonderen Festsetzungen sich nur auf denjenigen von beiden Kontrahenten beziehen, auf dessen Seite das Geschäft ein Handelsgeschäft ist.«

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schriften in ihren Tatbeständen ein beiderseitiges Handelsgeschäft voraussetzten.126 Im Gegensatz zum heutigen HGB trat das ADHGB nicht als privatrechtsergänzendes Spezialgesetz, sondern als systematisch in sich geschlossene Einheitskodifi kation mit handelsrechtlichem Einschlag in Kraft.127 So enthielt es auch Bestimmungen über den Vertragsschluss, die Vertragserfüllung, über die direkte Stellvertretung, über den Eigentumsübergang und die Pfandrechtsbestellung und stellte darüber hinaus allgemeine Auslegungs- und Schadensersatzregeln zur Verfügung (Art. 317 ff. ADHGB).128 Selbst Vorschriften zur Schuldnermehrheit und Geschäftsfähigkeit bzw. Verpfl ichtungsbefugnis wies das ADHGB auf.129 Es erstreckte sich »auf ein weites Feld schuldrechtlicher Materien«, musste in Ermangelung eines bürgerlichen Gesetzbuchs also weite Teile des Vertragsrechts selbstständig regeln.130 Das Handelsrecht war Regelrecht, das bürgerliche Recht Sonderrecht131, mit der Folge, dass das ADHGB nicht nur den Dresdner Entwurf zu einem allgemeinen Obligationenrecht (1866) beeinflusste, sondern mittelbar auch die Grundlage für das Schuldrecht des BGB bildete.132 III. Empfehlung zur Weiterführung eines gesonderten Handelsgesetzbuchs Zu dem heute bekannten Paradigmenwechsel, dass die allgemeinen Regeln über den Vertragsschluss und die Geschäftsfähigkeit aus dem Handels- in das bürgerliche Recht überführt worden sind, kam es erst mit der Nachfolgekodifi kation des ADHGB – dem HGB –, welches zeitgleich mit dem BGB in Kraft getreten ist. Weil damit zu rechnen war, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des HGB dazu übergehen müsste, die allgemeinen privatrechtlichen Vor126

Zum Beispiel Art. 289, 291, 310, 311, 313 ADHGB. K. Schmidt, in: K. Schmidt (Hrsg.): MünchKomm-HGB, Vor § 1 Rn. 19. 128 Bergfeld, in: Coing (Hrsg.): Hdb. der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. III/3, 1. Abschnitt 1. Kap. I. D. 4. (S. 2959); Wieland, Handelsrecht – Bd. 1, § 4 (S. 28, 29); K. Lehmann/Ring, Kommentar – HGB, Einleitung, S. XI. 129 Art. 8 Abs. 1 ADHGB: »Eine Ehefrau, welche Handelsfrau ist, kann sich durch Handelsgeschäfte gültig verpfl ichten, ohne dass es zu den einzelnen Geschäften einer besonderen Einwilligung ihres Ehemannes bedarf.«; Art. 280 Abs. 1 ADHGB: »Wenn zwei oder mehrere Personen einem anderen gegenüber in einem Geschäft, welche auf ihrer Seite ein Handelsgeschäft ist, gemeinschaftlich eine Verpfl ichtung eingegangen sind, so sind sie als Solidarschuldner zu betrachten, sofern sich nicht aus der Übereinkunft mit dem Gläubiger das Gegenteil ergiebt.« 130 Bergfeld, in: Coing (Hrsg.): Hdb. der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. III/3, 1. Abschnitt 1. Kap. I. D. 4. (S. 2959). 131 Raisch, Die Abgrenzung des Handelsrechts vom Bürgerlichen Recht, VII. (S. 131); Bergfeld, in: Coing (Hrsg.): Hdb. der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. III/3, 1. Abschnitt 1. Kap. I. D. 3. (S. 2956). 132 Bergfeld, in: Coing (Hrsg.): Hdb. der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. III/3, 1. Abschnitt 1. Kap. I. D. 3. (S. 2956). 127

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schriften aus dem kodifi zierten Handelsrecht (ADHGB) in das BGB auszulagern, setzte der Bundesrat eine aus fünf Mitgliedern bestehende Kommission (»Vorcommission«) ein und erteilte ihr den Auftrag, »über Plan und Methode, nach welchen bei Aufstellung eines Entwurfs eines Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verfahren sei, gutachtliche Vorschläge zu machen«.133 Ihr abschließendes Gutachten, dessen Inhalt weitgehend von dem renommierten Handelsrechtler Levin Goldschmidt mitbestimmt war134, legte die Vorkommission am 15. April 1874 vor. Darin sprach sie sich eindeutig dafür aus, neben einem bürgerlichen Gesetzbuch auch eine gesonderte Handelsrechtskodifi kation beizubehalten, die im Vergleich zum ADHGB lediglich zu revidieren sei.135 Leitend für den Abschlussbericht waren die Vorstellungen Goldschmidts, dass das Handelsrecht bei der Fortbildung bürgerlich-rechtlicher Normen innerhalb der zivilrechtlichen Disziplinen eine Leitbildfunktion einnehmen müsse: Dem Handel seien eigentümliche Institute und Rechtssätze inhärent, welche miteinander in innerem und geschichtlichem Zusammenhang stünden und in die Systematik eines bürgerlichen Gesetzbuchs nicht einzuordnen seien.136 Unter Hinweis auf den Dualismus zwischen Zivil- und Handelsrecht in außerdeutschen Staaten sprach man dem Handelsrecht auch materiell eine größere Beweglichkeit als dem bürgerlichen Recht zu, was auch notwendig sei, um es besser in Übereinstimmung mit dem Recht ausländischer Staaten bringen zu können.137 Es sei beweglich genug, aus den sich ändernden Gewohnheiten des Geschäftslebens heraus neue Rechtsformen zu entwickeln, die nach einer längeren Erprobungszeit an das bürgerliche Recht weitergegeben werden könnten. Auf dieser Grundlage gelangte die Vorkommission zu dem Urteil, dass »die Kontinuität der an das Deutsche Handelsgesetzbuch sich anlehnenden Rechtsübung und Wissenschaft« im Falle einer Eingliederung der Materien des Handelsrechts in das bürgerliche Recht »erhebliche Störungen« erlitten hätte.138 IV. »Kleine« Kodifikationslösung und Systemwechsel zur Sonderkodifikation Der sich an den Bericht der Vorkommission anschließende Kodifi kationsprozess macht aus heutiger Sicht anschaulich, dass Umfang und Ausgestaltung 133 So der einleitende Satz des Gutachtens; vgl. hierzu: Goldschmidt, ZHR 20 (1875), 134 (137). 134 Bergfeld, in: Coing (Hrsg.): Hdb. der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. III/3, 1. Abschnitt 1. Kap. I. D. 4. (S. 2960). 135 Goldschmidt, ZHR 20 (1875), 134 (149). 136 Goldschmidt, ZHR 20 (1875), 134 (139, 140). 137 Goldschmidt, ZHR 20 (1875), 134 (139, 140). 138 Goldschmidt, ZHR 20 (1875), 134 (140).

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der HGB-Kodifi kation mit Zufälligkeiten behaftet waren, die es einem verwehren, das HGB als Sonderkodifi kation mit dem Handelsrecht als Sonderprivatrecht ohne weiteres gleichzusetzen. So plädierte die Vorkommission zwar im Hinblick auf den Umfang des neuen HGB in ihrem Gutachten für eine »große Lösung« und sprach die Empfehlung aus, auch die bis dahin in Spezialgesetzen geregelten Handelsrechtsmaterien in das HGB aufzunehmen. In der praktischen Umsetzung bereitete das ambitionierte Vorhaben, nicht nur das Versicherungsrecht, das Verlagsrecht und das Recht der Binnenschifffahrt139, sondern auch die Wechselordnung, das Gesetz über Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, die Seemannsordnung, das Eisenbahnrecht, das Urheberrecht, den gewerblichen Rechtsschutz und das Recht der Inhaberpapiere140 in das HGB zu integrieren, jedoch erhebliche Schwierigkeiten.141 Die konkreten Beratungen zum HGB sollten erst beginnen, nachdem die erste Lesung des Entwurfs zum bürgerlichen Gesetzbuch erfolgt war.142 Weil sich der Abschluss der Lesung zum ersten BGB-Entwurf aber verzögerte und selbst 1888 noch kein erster Entwurf vorlag, ließ die vielfache Kritik, auf die er stoßen würde, erwarten, dass auch die zweite Lesung noch zu erheblichen Verzögerungen führen könnte. Angesichts der Befürchtungen, dass vor diesem Hintergrund die ursprünglich angestrebte »große Lösung« den einheitlichen Kodifi kationsabschluss von HGB und BGB torpedieren könnte143, brachte man das HGB daraufhin in einer entschlackten Variante auf den Weg. Eine Kodifi kation, die neben dem Handelsrecht im engeren Sinne auch das Wechselrecht, das Versicherungsrecht und das gesamte Gesellschaftsrecht (mit Ausnahme der BGB-Gesellschaft) umfasst hätte, kam also nicht zustande.144 Statt dessen wurde in die neu gefasste Handelsgesetzgebung, die am 1. Mai 1897 im Reichsgesetzblatt verkündet wurde, lediglich die Aktienrechtsreform integriert. Letztlich trat das Handelsrecht – versteht man es in einem weiteren Sinne – damit lediglich als eine »Häufung ziemlich disparater Materien« in Erscheinung.145 Dabei behielt man innerhalb des HGB das subjektive System der Bereichsabgrenzung bei; lediglich mit der tätigkeitsbezogenen Defi nition des Kaufmanns brachte man eine gewisse Objektivierung zum Ausdruck.146 Gleichwohl verlor das HGB inhaltlich durch die Streichung und Überführung 139

Goldschmidt, ZHR 20 (1875), 134 (140). Goldschmidt, ZHR 20 (1875), 134 (165, 166). 141 Wieland, Handelsrecht – Bd. 1, § 5 (S. 33, 34). 142 Goldschmidt, ZHR 20 (1875), 134 (148). 143 Goldschmidt, ZHR 20 (1875), 134 (147). 144 Vgl. K. Lehmann, Lehrbuch des Handelsrechts – Halbbd. 1, § 6 (S. 22, 23). 145 Müller-Freienfels, FS für von Caemmerer (70. Gebtg.), S. 583 (S. 594); vgl. auch: S. Simitis, RabelsZ 27 (1962), 735 (736); E. Hirsch, Leitfaden für das Studium des Handelsund Gesellschaftsrechts, § 2 (S. 4); Nußbaum, ZHR 76 (1915), 325 (331 ff.). 146 Kort, AcP 193 (1993), 453 (461). 140

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zahlreicher Rechtssätze in das BGB seine Rolle als privatrechtliche Basiskodifi kation und tauschte diese gegen seine neue Funktion als Ergänzungsregime zum bürgerlichen Recht ein.147 Das HGB wurde zu einem »wirklichen Nebengesetze, das in Fragen grundlegender Art vielfach auf das Bürgerliche Gesetzbuch verw[eist]«.148 Es verlor »seine abgerundete Gestalt, die dem Kaufmannsstande den Gebrauch des Gesetzbuches so bequem gemacht hatte.«149 Während das HGB also seit dieser Zeit nur noch als inhomogenes Supplement zum BGB Konsistenz aufweist150, wurde das BGB korrespondierend dazu durch die Aufnahme einiger Institute marginal kommerzialisiert151, was rechtssystematisch möglich war, da »die Rechtsinstitute des Handelsrechts nur zum geringsten Theile dem bürgerlichen Recht fremd« sind.152

C. Handelsrecht: (Standes-) Sonderrecht der Außenbeziehungen? Kritik erfuhr der HGB-Entwurf bereits bei seiner Verabschiedung. So machte O. von Gierke auf den artifi ziellen Charakter des HGB aufmerksam und bemängelte, dass das Handelsrecht im Grunde als das Recht derer erscheine, »denen Kaufmannseigenschaft angedichtet« werde (1896).153 Nicht weniger erstaunt die starke Orientierung von ADHGB und HGB an dem Kaufmannsbegriff aus heutiger Sicht, führt man sich vor Augen, dass sich zum Zeitpunkt der Verabschiedung dieser Kodifi kationen bereits viele Umstände, die im Mittelalter für die Herausbildung handelsgewohnheitsrechtlicher Sonderregeln ursächlich gewesen waren, bereits wieder erledigt hatten. Schon zuvor waren das kanonische Zinsverbot und die kanonische Doktrin durch die Reformation bekämpft und schließlich verworfen worden154, die Zünfte und Gilden waren zerfallen und die Geschlossenheit des mittelalterlichen Kaufmannsstandes gehörte der Vergangenheit an. An die Stelle der mittelalterlichen Genossen147

Ehrenberg, in: Ehrenberg (Hrsg.), Hdb. des gesamten Handelsrechts, § 21 (S. 255). K. Lehmann/Ring, Kommentar – HGB, Einleitung, S. XIX; vgl. auch: Bergfeld, in: Coing (Hrsg.): Hdb. der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. III/3, 1. Abschnitt 1. Kap. I. D. 4. (S. 2964); Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 4 II. (S. 50, 51); Röhricht, in: Röhricht/von Westphalen, HGB, Einleitung Rn. 32. 149 K. Lehmann/Ring, Kommentar – HGB, Einleitung, S. XIX; vgl. auch: Bergfeld, in: Coing (Hrsg.): Hdb. der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. III/3, 1. Abschnitt 1. Kap. I. D. 4. (S. 2964); Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 4 II. (S. 50, 51). 150 Müller-Erzbach, Deutsches Handelsrecht, B. III. b) (S. 41), Wolter, Jura 10 (1988), 169 (170, 171); Canaris, Handelsrecht, § 1 Rn. 11 ff. (S. 4 ff.); Treber, AcP 199 (1999), 525 (526, 527). 151 Rebe, Privatrecht und Wirtschaftsordnung, § 6 A. I. (S. 88, 89). 152 Heck, AcP 92 (1902), 438 (442). 153 O. von Gierke, ZGH 45 (1896), 441 (452). 154 Endemann, Hdb. des deutschen Handels,- See- und Wechselrechts, § 4 (S. 15). 148

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schaften war die nationale Staatswirtschaft getreten155, sodass auch in dieser Hinsicht »der Boden für die Entstehung korporativer Gebräuche und autonomischer Satzungen verloren« gegangen war.156 Während bei der Verabschiedung des HGB weder eine als »Kaufmann« in Erscheinung tretende Schicht noch eine soziologische Personengruppe dieses Zuschnitts existierte157, ist als letztes großes Gesetzeswerk, dem noch eine rein standesrechtliche Auffassung zugrunde gelegen hatte, das preußische Allgemeine Landrecht (ALR) zu begreifen, dessen 8. Titel des II. Teils noch die aussagekräftige Überschrift »Vom Bürgerstande« trug158. Die Ausrichtung des ALR war jedenfalls noch insofern standesrechtlich, als im wesentlichen nur diejenigen Marktteilnehmer Kaufleute sein konnten, die Mitglied einer Innung als einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft waren.159 Nur Mitglieder in diesem Sinne durften Handel treiben und nur für sie galt dann Handelsrecht.160 Die Frage der Mitgliedschaft beurteilte sich nicht nach dem jeweiligen Landesrecht, dem der Handeltreibende unterstellt war, sondern nach der individuellen Innungssatzung, aus der sich die Kaufmannseigenschaft ergab.161 Vergleicht man hiermit die Organisationsvorstellungen des HGB, so könnte letzteres allenfalls noch in einem standesentfernten Sinne als Kaufmannsrecht der Außenbeziehungen Geltung beanspruchen.162

D. Die mangelnde Adaptionsfähigkeit der HGB-Dogmatik Die Schlussfolgerung, dass das HGB als Gesetzgebungswerk »missglückt« ist (K. Schmidt)163, drängt sich heute vor allem aus EG-Perspektive auf. Ganz offensichtlich differenziert das Gemeinschaftsrecht in keiner Weise mehr zwischen kaufmännisch und nicht kaufmännisch geprägten Rechtsgeschäften, sondern lediglich zwischen Unternehmens- und Nichtunternehmensgeschäf155 Endemann, Hdb. des deutschen Handels-, See- und Wechselrechts, § 4 (S. 15, 16); J. von Gierke, Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, § 2 (S. 11). 156 Endemann, Hdb. des deutschen Handels-, See- und Wechselrechts, § 4 (S. 16). 157 Treber, AcP 199 (1999), 525 (541). 158 Vgl. Eichler, ZHR 126 (1964), 181 (184). 159 Vgl. hierzu ALR – 2. Teil, 8. Titel, 7. Abschnitt § 480: »An Orten, wo dergleichen Innungen bestehn, hat nur der, welcher darin aufgenommen ist, die Rechte eines Kaufmanns.« 160 Hagenguth, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatrecht, 2. Teil I. 1. a) (S. 11). 161 Vgl. hierzu ALR – 2. Teil, 8. Titel, 7. Abschnitt § 479: »Wo Kaufmannsgilden oder Innungen vorhanden sind, muß ein darin aufzunehmendes Mitglied den Erfordernissen der Innungsartikel, sowohl in Ansehung der Lehrjahre, als sonst, ein Genüge leisten.« 162 Eltzbacher, Deutsches Handelsrecht, S. 7; F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 3. Hteil. II. 1. b) (S. 434); K. Schmidt, in: K. Schmidt (Hrsg.): MünchKommHGB, Vor § 1 Rn. 5 ff. 163 K. Schmidt, JuS 25 (1985), 249 (250).

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ten.164 Obwohl Handeltreibende mit hohem Güterumsatz eigentlich mehr als Verbraucher im Visier der europäischen Rechtsharmonisierung stehen müssten, hat die positivistische Dogmatik des HGB bisher so gut wie keinen Anklang auf EG-Ebene gefunden. Weder ist es zu einer europaweiten Angleichung des Kaufmannsbegriffs noch zu einer kollisionsrechtlichen Einheitsnorm zur Anknüpfung der nationalen Kaufmannseigenschaften gekommen. Vielmehr scheint die EG ihre »handelsrechtliche« Aufgabe spezifisch darin zu sehen, Marktversagen im zwischenstaatlichen Geschäftsverkehr entgegen zu wirken. Obwohl damit marktunterstützende Regelungen neben den nationalen Rechtsordnungen auch den international aufgestellten Handelsbräuchen überlassen werden165, adaptieren selbst die UNIDROIT-Prinzipien nicht einmal Ausläufer der positivrechtlichen HGB-Dogmatik166. Die HGB-relevanten Maßnahmen der Gemeinschaft sind punktuell und schlagen sich bisher nur außerhalb des Wirkungsbereichs des positivrechtlichen HGB-Katalogs nieder.167 So betreffen die meisten EG-Richtlinien und -Verordnungen, die einen professionellen oder unternehmerischen Bezug aufweisen, entweder Fragen der Anerkennung berufl icher Qualifi kationen168, sollen u. a. KMU fördern169 oder haben spezifisch gesellschaftsrechtlichen Charakter170. Richtlinien wie diejenigen im Bereich der Buchführung, Bilanzierung und Rechnungslegung (umgesetzt über das Bilanzrichtliniengesetz 1985) hatten zwar eine Änderung des HGB zur Folge, aber lediglich außerhalb des 164 Vgl. Art. 2 Nr. 1 Zahlungsverzugsrichtlinie; vgl. auch: Grundmann, ZHR 163 (1999), 636 (668). 165 Grundmann, ZHR 163 (1999), 635 (662, 663); Drobnig, in: Grundmann/Medicus/ Rolland (Hrsg.): Europ. Kaufgewährleistungsrecht, S. 49 (S. 49 ff.). 166 Vgl. insbesondere: UNIDROIT – Principles of International Commercial Contracts 2004 – URL: http://www.unidroit.org/english/principles/contracts/main.htm (04. 08. 2008). 167 Im Überblick: Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, 1. Teil § 1 II. 2. Rn. 14 ff. (S. 11 ff.). 168 Beispielhaft: Rat – Richtlinie über ein Verfahren zur Anerkennung der Befähigungsnachweise für die unter die Liberalisierungs- und Übergangsrichtlinien fallenden Berufstätigkeiten – ABl. 1999 Nr. L 201 S. 77; Richtlinie über Maßnahmen zur Vereinfachung der tatsächlichen Ausübung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für die Tätigkeit des Reisegewerbes – ABl. 1975 Nr. L 167 S. 29; Richtlinie 64/429 über die Einzelheiten der Übergangsmaßnahmen auf dem Gebiet der selbständigen Tätigkeiten der be- und verarbeitenden Gewerbe der CITI-Hauptgruppen 23–40 (Industrie und Handwerk) – ABl. 1964 Nr. B 117 S. 1880; Richtlinie 64/427 über die Einzelheiten der Übergangsmaßnahmen auf dem Gebiet der selbständigen Tätigkeiten der be- und verarbeitenden Gewerbe der CITI-Hauptgruppen 23–40 (Industrie und Handwerk) – ABl. 1964 Nr. B 117 S. 1863; im Überblick: W.-H. Roth, VuR 22 (2007), 161 (166). 169 Rat – Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt – ABl. 2006 Nr. L 376 S. 36. 170 Rat – Verordnung 2157/2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft – ABl. 2001 Nr. L 291 S. 1; Verordnung 2137/85 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung – ABl. 1985 Nr. L 199 S. 1.

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Vertragsrechts im dritten Buch.171 Wiederum in eine Ergänzung des Handelsregisterrechts (§§ 8–16 HGB) mündeten die Publizitätsrichtlinie (1968/2003)172 und die Zweigniederlassungsrichtlinie (1989)173. Lediglich die Zahlungsverzugsrichtlinie (2000) führte zu einer materiellrechtlichen Angleichung des Handelsvertragsrechts174, aber nur beschränkt auf den schmalen Bereich des Zahlungsverzugs. Noch zusammenhangloser ist die Beziehung der Handelsvertreterrichtlinie (1986) zum vierten Buch des HGB, denn auch mit dieser Richtlinie wurde nicht das im HGB kodifi zierte Vertragsrecht, sondern lediglich das Innenverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Handelsvertreter einer harmonisierten Regelung zugeführt (§§ 84–92c HGB).175 Die fehlende EG-rechtliche Akzeptanz des in Deutschland kodifi zierten Handelsvertragsrechts stellt dem HGB ein schlechtes Zeugnis aus.176 Wollte man vor diesem Hintergrund trotzdem schon von einem »Gemeinschaftshandelsrecht« sprechen, wäre dessen Abgrenzung sicherlich nicht an dem Kaufmannsbegriff, sondern allenfalls »abstrakt-institutionell an einer auf Dauer angelegten Organisation selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit oder an der öffentlichen Auftragsvergabe (›Unternehmen‹)« festzumachen.177 Dass die §§ 343 ff. HGB schon vor geraumer Zeit sinnbildlich aus dem Rennen der EGRechtsharmonisierung ausgeschieden sind, manifestiert sich auch in der partiellen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit von § 344 HGB. Indem § 344 HGB die widerlegbare Vermutung aufstellt, dass die von einem Kaufmanne vorgenom171 Rat – Vierte Richtlinie 78/660/EWG aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen – ABl. 1978 Nr. L 222 S. 11; Rat – Siebente Richtlinie 83/349/EWG aufgrund von Artikel 54 Abs. 3 Buchstabe g) des Vertrages über den konsolidierten Abschluss – ABl. 1983 Nr. L 193 S. 1; Rat – Achte Richtlinie 84/253/EWG aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über die Zulassung der mit der Pfl ichtprüfung der Rechnungslegungsunterlagen beauftragten Personen – ABl. 1984 Nr. L 126 S. 20. 172 Rat – Erste Richtlinie 68/151/EWG zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne es § 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten – ABl. 1968 Nr. L 65 S. 8; vgl. auch: Rat – Richtlinie 2003/58/EG zur Änderung der Richtlinie 68/151/EWG in Bezug auf die Offenlegungspfl ichten von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen – ABl. 2003 Nr. L 221 S. 13. 173 Rat – Elfte Richtlinie 89/666/EWG über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die einem Recht eines anderen Staates unterliegen – ABl. 1989 Nr. L 395 S. 36. 174 Rat – Richtlinie 2000/35/EG zur Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr – ABl. 2000 Nr. L 200 S. 35. 175 Rat – Richtlinie 86/653/EWG zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter – ABl. 1986 Nr. L 382 S. 17; Grundmann, ZHR 163 (1999), 635 (643). 176 Vgl. Grundmann, ZHR 163 (1999), 636 (642 ff.); Herber, ZHR 144 (1980), 47 (52 ff.). 177 Müller-Graff, in: Müller-Graff (Hrsg.): Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, S. 9 (S. 39).

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menen Rechtsgeschäfte im Zweifel als zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehörig gelten178, erschwert er Kaufleuten, die mit privatem Zweckbezug als Verbraucher ein Geschäft tätigen, den Nachweis ihrer Verbrauchereigenschaft. Soweit der Geltungsbereich einer Verbraucherrichtlinie betroffenen ist, läuft er demzufolge dem Grundsatz der effektiven EG-Rechtsumsetzung zuwider.179 Schon längst hätte daher der Normgeber – um in diesen Fällen den Vorrang des HGB nicht durchgreifen zu lassen (Art. 2 EGHGB) – eine Ausklammerung des umgesetzten Verbraucherrichtlinienrechts vom Anwendungsbereich des § 344 HGB veranlassen müssen.

E. Kritik des Kaufmannsbegriffs und Systemanalysen des Handelsrechts Insgesamt ist das rechtspolitische Résumé der handelsrechtlichen Entwicklung auf den ersten Blick frappierend: Die heute vorwiegend supra- und international veranlasste Fortentwicklung des Handelsrechts legt gerade die Vermutung nahe, dass das HGB als handelsrechtliches Erkenntnis- und Abbildungsinstrument mit einem Geburtsfehler behaftet war. Zwar mag Preis erst 1983 eine »Abkehr vom Kaufmannsbegriff hin zur funktionalen Abgrenzung des geschäftsmäßigen (unternehmerischen) und privaten Handelns im Geschäftsverkehr« konstatiert haben.180 Gleichwohl reichen die Wurzeln der ADHGB-/HGB-kodifi katorischen Fehltypisierung erheblich weiter zurück. Im Grunde wurden schon in den ersten Handelsrechtskodifi kationen die Abgrenzungstermini des Kaufmanns und des Handels fälschlicherweise dadurch gewonnen, dass man die herkömmlichen Erscheinungsformen des Kaufmanns und des Handels begriffl ich als allgemeingültige, gleichsam als naturrechtliche fi xierte.181 Vor diesem Hintergrund erscheint es schlüssig, dass sich bereits Hofacker in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts z. B. gegen die Aufnahme des Kaufmannsbegriffs in die württembergische Handelsgesetzgebung wendete und statt dessen zur Harmonisierung von Sprachgebrauch und Rechtsterminologie den Vorschlag unterbreitete, den Begriff des »Handelsmanns« als Oberbegriff zu verwenden, um sowohl den herkömmlichen Kaufmann als auch den Fabrikanten zu erfassen.182 178 Bzgl. der Anforderungen an die Widerlegung der Vermutung vgl.: Hefermehl, in: Schlegelberger, HGB-Kommentar, § 344 Rn. 12; Horn, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, § 344 Rn. 7. 179 Herresthal, JZ 61 (2006), 695 (699). 180 Preis, ZHR 158 (1994), 567 (580). 181 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 2. Teil 2. Kap. I. (S. 51). 182 Schubert (Hrsg.), Entwurf eines Handelsgesetzbuches für das Königreich Württemberg mit Motiven (1939/40), II. Teil, 1. Buch 1. Titel I Art. 4 (S. 21); vgl. auch: Bergfeld, in:

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Aber selbst um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert erhoben Literaturstimmen nicht selten den Vorwurf, dass das Handelsrecht »weder in der Auffassung des gewöhnlichen Lebens noch für die volkswirtschaftliche Betrachtung eine Einheit« bildete.183 So war man der Auffassung, dass die Begriffe »Handel« und »Kaufmann« einerseits in der juristischen Terminologie eine Bereichsausweitung erfahren, die dem gewöhnlichen Sprachgebrauch teilweise zuwiderläuft.184 Andererseits beklagte man Engstirnigkeit, weil die Begriffe des Kaufmanns und des Handels mit einem zu restriktiven Ansatz aus Kriterien des positiven Rechts deduziert worden seien, ohne »die Abgrenzungen des konkreten Rechtsstoffes an vorpositiven rechtlichen Maßstäben« zu messen.185 Vielfach stiftete die Vorstellung Verwirrung, dass das Gesetz mit den Worten »Handel und Kaufmann [.] einen anderen Sinn als der gewöhnliche Sprachgebrauch oder die Wissenschaft der Nationalökonomie« verband.186 In der Tat: Selbst Thöl legte seinen systematischen Überlegungen zum Kaufmannsbegriff ohne Leitbildreflexion die überkommenen »Handelsüsancen« zugrunde, auch wenn er als einer der ersten die deduktive Methode als handelsrechtliche Disziplin propagierte.187 I. Kausale Erklärungsmodelle der handelsrechtlichen Literatur Die Tatsache, dass der Kaufmannsbegriff von Anfang an als »zu unbeweglich« konzipiert war, »um für die Regelung der sich . . . schnell entwickelnden und verändernden wirtschaftlichen Phänomene geeignet zu sein«188, wirft die fundamentale Frage nach der eigentlichen Existenzberechtigung des Handelsvertragsrechts auf. Welchen Sinn macht ein auf antiquierten Standesvorstellungen festgeschriebenes Verkehrsrecht, dessen im Grunde betroffener Adressatenkreis doch eigentlich auf Flexibilität und Weiterentwicklung angewiesen ist? Mit dieser und ähnlichen Fragestellungen haben sich vor allem zurückliegende Systemanalysen über die Daseinsberechtigung des Handelsrechts beschäftigt, die – wenn man sie wie nachfolgend auswertet – nicht ohne Berücksichtigung der Ausgangsüberlegung betrachtet werden dürfen, dass stets die Materie selbst und nicht ein »toter oder aus heutiger Sicht durchaus mangel-

Coing (Hrsg.): Hdb. der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. III/3, 1. Abschnitt 1. Kap. I. A. 2. (S. 2871). 183 Bezogen auf das Handelsrecht vgl.: Heck, AcP 92 (1902), 438 (444). 184 Wieland, Handelsrecht – Bd. 1, § 3 (S. 21, 22). 185 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 2. Teil 2. Kap. I. (S. 52); vgl. auch: O. von Gierke, ZGH 45 (1896), 441 (455 ff.). 186 Bezogen auf das Handelsrecht vgl.: Heck, AcP 92 (1902), 438 (445). 187 Thöl, Das Handelsrecht – Bd. 1, § 5 (S. 14 ff.). 188 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 2. Teil 2. Kap. I. (S. 52).

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1. Kapitel: Ausgangsproblematik der vertragsrechtlichen Dreiteilung

hafter Normenkatalog« (K. Schmidt) den Stoff des Handelsrechts bestimmen.189 1. Die relative Theorie des Handelsrechts Als immer noch exemplarisch ist in diesem Zusammenhang die relative Theorie Endemanns zu begreifen, der die handelsrechtliche Sonderbereichsbildung maßgeblich auf die Notwendigkeit eines innovativen und flexibleren Rechtsrahmens für den kaufmännischen Handel zurückgeführt hat. Ausgangspunkt seiner Überlegungen war die These, dass das Handelsrecht auf soziologische Veränderungen stets früher als das bürgerliche Recht reagiere und sich an Bedürfnisse des Geschäftsverkehrs mit einer größeren Beweglichkeit als das bürgerliche Recht anpasse.190 Wünschenswerte Reformen gelangten regelmäßig vorrangig auf dem Gebiet des Handelsrechts zur Durchführung. So seien »z. B. gewisse plumpe Vorschriften des spätrömischen Kaiserrechts im Handelsrechte schon zu einer Zeit beseitigt [worden], als sie im bürgerlichen Rechte noch vertragen wurden«.191 Ausgehend von dieser Annahme komme dem Handelsrecht die Rolle als »Pionier des juristischen Fortschritts« zu, »[m]an könnte von einer Offensive des Handelsrechts reden«.192 Handelsrecht sei nicht als gesetzliche Ausnahme zum Obligationenrecht der breiten Masse sondern nur als der erste Schritt zu dessen Verbesserung« einzustufen. a) Einheitstheorie und Korrelationsthese Mit seinen Thesen brachte Endemann eine Einheitsbetrachtung zwischen Privat- und Handelsrecht zum Ausdruck, die einen dogmatischen Eigenwert des Handelsrechts leugnet. Anders als im Mittelalter sah er im Handelsrecht kein eigenständiges Standesrecht mehr; das Handelsrecht »häng[e] nothwendig mit dem allgemeinen Civilrecht zusammen, ha[be] in ihm seine Wurzeln«.193 Ausgehend von dieser systematischen Verbindung könne sich Handelsrecht nur dann und insoweit bilden, als das bürgerliche Recht hinter soziologischen Veränderungen und Neuerungen in der Handelspraxis hinterherhinke.194 Han-

189

K. Schmidt, JuS 25 (1985), 249 (250). Endemann, Hdb. des deutschen Handels,- See- und Wechselrechts, § 4 (S. 16). 191 Heck, AcP 92 (1902), 438 (463). 192 Heck, AcP 92 (1902), 438 (448, 449); vgl. auch: Endemann, Der Entwurf eines deutschen Handelsgesetzbuchs in seinen drei ersten Büchern, 1. Buch (S. 2); Raisch, Die Abgrenzung des Handelsrechts vom Bürgerlichen Recht, II. 2. (S. 14); ähnlich auch Wahl, der von dem Handelsverkehr als einem »Schrittmacher des Zivilrechts« spricht: Wahl, in: FS für Hefermehl (70. Gebtg.), S. 1 (S. 1 ff.). 193 Endemann, Hdb. des deutschen Handels-, See- und Wechselrechts, § 4 (S. 16). 194 Endemann, Der Entwurf eines deutschen Handelsgesetzbuchs in seinen drei ersten Bü-chern, 1. Buch (S. 4). 190

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delsrecht als sichtbares Sonderrecht sei nur insoweit möglich, als Defi zite des bürgerlichen Rechts im Handelsverkehr kompensiert werden müssten.195 Endemann machte auf diese Weise die Grenze zwischen Handels- und bürgerlichem Recht zu einer relativen: Je intensiver in einer Region oder in einer bestimmten Gesellschaft Handel ausgeprägt sei, desto größer werde das Bedürfnis, das fortschrittlichere Handelsrecht auch im bürgerlichen Recht zu adaptieren. Lasse sich das bürgerliche Recht auf die soziologischen Veränderungen im Handelsverkehr aber nicht ein, begünstige diese Unzulänglichkeit die Bildung von Handelsrecht.196 Somit könne ein gesondertes Handelsvertragsrecht immer nur als Übergangslösung begriffen werden, bis sich die gesellschaftlichen Handelsgepflogenheiten mit dem bürgerlichen Recht wieder im Einklang befänden. Da die Gestaltung des Handelsrechts notwendig Rückwirkungen auf das bürgerliche Recht ausübe, verwische sich die Verschiedenheit zwischen Handels- und bürgerlichem Recht durch die nach einer gewissen Zeit notwendige Vereinigung des bürgerlichen mit dem Handelsrecht.197 Handelsrechtliches Sonderrecht müsse nach und nach »um so mehr zurücktreten, je elastischer und freier das bürgerliche Recht gestaltet [sei]«.198 b) Die Reaktionen des Schrifttums auf die Einheitsbetrachtung In der übrigen Literatur rief die Ursachenerklärung Endemanns unterschiedliche Reaktionen hervor. Raisch konzedierte zwar einerseits, dass Endemann »die Problematik der Abgrenzung des Handelsrechts vom bürgerlichen Recht und die Voraussetzungen seiner systematischen Erfassung erkannt[.]« habe.199 Er habe gesehen, »daß Voraussetzung einer begrifflichen Erfassung des Handelsrechts ein den Interessen des ›Durchschnittsbürgers‹ gerecht werdendes bürgerliches Recht [sei]; von dessen Niveau häng[e] die Frage ab, ob für einen engeren Kreis von Personen speziellere Regeln erforderlich [seien]«. 200 Andererseits gab er aber zu bedenken, dass »[d]ie Auffassung vom relativen Handelsrecht . . . im Ergebnis zum Verzicht auf eine eigene Dogmatik des Handelsrechts [führe]«. Sie habe notwendig zur Konsequenz, dass das bürgerliche Recht so ausgestaltet werden müsse, »daß neben ihm handelsrechtliche Sondersätze entbehrlich werden«. 201

195

Endemann, Hdb. des deutschen Handels-, See- und Wechselrechts, § 4 (S. 16). Endemann, Hdb. des deutschen Handels-, See- und Wechselrechts, § 4 (S. 16); Raisch, Die Abgrenzung des Handelsrechts vom Bürgerlichen Recht, II. 2. (S. 13). 197 Endemann, Hdb. des deutschen Handels-, See- und Wechselrechts, § 4 (S. 16). 198 Heck, AcP 92 (1902), 438 (463). 199 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 2. Teil 1. Abschnitt 2. Kap. II. (S. 55). 200 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 2. Teil 1. Abschnitt 2. Kap. II. (S. 53). 201 Raisch, Die Abgrenzung des Handelsrechts vom Bürgerlichen Recht, II. 2. (S. 16) 196

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1. Kapitel: Ausgangsproblematik der vertragsrechtlichen Dreiteilung

Mit größerer Entschiedenheit lehnte Heck die Auffassung Endemanns ab. Dabei sah er sich durch die Entwicklung bestätigt, dass handelsrechtliche Revisionskodifi kationen – wie beispielsweise das HGB – im Vergleich zum ADHGB überwiegend die Tendenz zeigten, den Abstand von dem bürgerlichen Rechte nach Möglichkeit zu mindern. 202 Dass die Ursache des Handelsrechts in dem Ausgleich von Unvollkommenheit bestehe, hielt er vor dem Hintergrund dieser Rückzugsbewegung aber für abwegig. Raisch wiederum sah die von Heck angesprochenen Rückzugsbewegungen in einem größeren historischen Kontext und machte der relativen Theorie zum Vorwurf, dass »[s]ie . . . nicht erklären [könne], warum manche Rechtssätze des Handelsrechts in einem Jahrhundert abwechselnd einmal die Farben des Handelsrechts und einmal die des bürgerlichen Rechts getragen haben«. 203 2. Goldschmidts entwicklungsgeschichtliche Innovationsbetrachtung Auf Kritik ist das Unvollkommenheitsargument vor allem bei Goldschmidt gestoßen: »[D]ie Rechtsinstitute und die einzelnen Rechtssätze [dürften] nicht lediglich in der starren Ruhe des immer nur unvollkommen gesetzlich fi xierten Dogmas betrachtet werden«. Geschehe dies gleichwohl, könne »das ›geltende‹ Recht . . . nicht sicher . . . verstanden [werden]«, weil es im Rahmen der Einheitsbetrachtung »eben nur als Glied einer Entwicklungskette, also mit Vergangenheit wie Zukunft richtig verstanden werden [könne]«. 204 Goldschmidt verfolgte daher gemeinsam mit seinem Schüler Rießer einen diametral abweichenden Erklärungsversuch. 205 Das Bedürfnis für ein gesondertes Handelsrecht sei darin zu sehen, dass handelsrechtliche Normgruppen als Entwicklungsort für innovative Rechtssätze dienten, die nur kurze Zeit dort verblieben und nach einer entwicklungsgeschichtlichen Übergangszeit auch im bürgerlichen Recht adaptiert würden. 206 Im Sinne Goldschmidts sprach Rießer dem Handelsrecht die Funktion eines »untrügliche[n] Wegweiser[s]«, eines »kühnen Pionier[s]« sowie eines »Jungbrunnens des bürgerlichen Rechts« zu, »aus dem das letztere stets frische Kraft und neue Gedanken schöpf[e]«. 207 Dabei führte er die in Deutsch202

Heck, AcP 92 (1902), 438 (450). Raisch, Die Abgrenzung des Handelsrechts vom Bürgerlichen Recht, II. 2. (S. 16). 204 Goldschmidt, ZHR 28 (1882), 441 (451). 205 Goldschmidt, Hdb. des HandelsR: Universalgeschichte des Handelsrechts, III. 1. § 3 (S. 11 ff.); Rießer, Der Einfluß handelsrechtlicher Ideen auf den Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs, S. 69 ff. 206 Goldschmidt, Hdb. des HandelsR: Universalgeschichte des Handelsrechts, III. 1. § 3 (S. 11 ff.); vgl. Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1. Teil 3. Kap. I. (S. 26). 207 Rießer, Der Einfluß handelsrechtlicher Ideen auf den Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs, S. 71; vgl. Goldschmidt, Hdb. des HandelsR: Universalgeschichte des Handelsrechts, III. 1. § 3 (S. 11 ff.); Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundla203

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land bestehenden sachlichen Unterschiede darauf zurück, dass das Handelsrecht einer größeren Beweglichkeit bedarf als das bürgerliche Recht; auf dem Gebiet des Handelsrechts bestehe das Bedürfnis nach einer internationalen Rechteinheit stärker als auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts, das seinerseits »im Allgemeinen eine gewisse territoriale Abgeschlossenheit nicht zu überwinden vermag. 208 In der Literatur stießen Goldschmidts Überlegungen zur Internationalität und Anpassungsfähigkeit des Handelsrechts als Ursachenfaktoren überwiegend auf Zustimmung. 209 So brachten zahlreiche Veröffentlichungen aus der Wendezeit zum 20. Jahrhundert zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber im Handelsrecht mehr als in jedem anderen Privatrechtsbereich darauf angewiesen sei, auf gesellschaftliche Vorgänge und internationale Entwicklungen flexibel reagieren und ohne Rücksicht auf das Vertragsrecht der breiten Masse Anpassungen vornehmen zu können. 210 Die Bereitschaft zur Schaffung international einheitlicher Kalkulationsgrundlagen sei im Handelsrecht besonders groß, stelle doch die Rechtsverschiedenheit gerade für den gewerblichen Handelsverkehr einen schweren Mangel dar, gegen den »der rechtsgeschäftliche Großbetrieb . . . besonders empfi ndlich« sei. 211 Nur teilweise wurde es als »ungerechtfertigt« bezeichnet, »die . . . in Deutschland bestehenden fachlichen Unterschiede darauf zurückzuführen, dass das Handelsrecht einer größeren Beweglichkeit bedarf als das bürgerliche Recht, oder dass auf dem Gebiete des Handelsrechts das Bedürfnis nach einer internationalen Rechtseinheit stärker ist als auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts«. 212 3. Die »Dreistufen«-Ursachendefi nition von Gareis Im Vergleich zu Endemann und Goldschmidt vertrat Gareis einen beispielhaft vermittelnden Ansatz, der sowohl Elemente von Endemanns Einheitsbetrachtung als auch Aspekte von Goldschmidts Korrelationsbetrachtung in sich vereinigt. Gareis war der Meinung, dass »das Bedürfnis nach einem besonderen Handelsrechte, namentlich nach einem besonderen Handelsprivatrechte neben dem übrigen bürgerlichen Rechte . . . geschichtlich von drei Umständen abhängig und beeinflusst« sei, nämlich: gen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 2. Teil 1. Abschnitt 2. Kap. II. (S. 57); Raisch, FS für Stimpel (68. Gebtg.), S. 29 (S. 37). 208 Goldschmidt, Hdb. des HandelsR: Universalgeschichte des Handelsrechts, III. 1. § 3 (S. 11); Heck, AcP 92 (1902), 438 (450–451). 209 Ehrenberg, in: Ehrenberg (Hrsg.), Hdb. des gesamten Handelsrechts, § 1 (S. 5 ff.); von einer »Dekommerzialisierung des Handelsrechts« im Laufe der Zeit ging auch Nußbaum aus: Nußbaum, ZHR 76 (1915), 325 (331). 210 Goldschmidt, ZHR 20 (1875), 134 (140). 211 Heck, AcP 92 (1902), 438 (466). 212 Heck, AcP 92 (1902), 438 (450–451).

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1. Kapitel: Ausgangsproblematik der vertragsrechtlichen Dreiteilung

»von der Einwirkung der Rechtszustände aller Völker, die durch Handelsbeziehungen miteinander verbunden sind (internationaler Faktor zur Entstehung des HR.), von dem Zustande des sich langsamer entwickelnden allgemeinen Rechts (nationaler Faktor), und von der Sitte und Anschauung eines besonderen Handelsstandes (kommerzieller Faktor).«213

Während der internationale Faktor zur Entstehung des Handelsrechts geschichtlich am längsten, nämlich bis in die Zeit des klassischen römischen Rechts zurückreiche, kämen in dem kommerziellen und nationalen Faktor Umstände zum Ausdruck, die auch heute noch Struktur und Zustand des Handelsrechts beeinflussten. Den ersten, also den internationalen Faktor, leitete Gareis aus dem Verkehrsrecht des römischen Rechts ab. Er vertrat die Meinung, dass die Entstehung handelsspezifischer Rechtsinstitute dem römischen ius gentium sowie der Elastizität des römischen Rechts gegenüber dem Handel zu verdanken sei. Ähnlich wie Endemann und Goldschmidt sprach auch Gareis dem Handelsrecht eine Vorreiterrolle zu. Die damals entstandenen Rechtsinstitute hätten eine Vorreiterrolle eingenommen und seien mit der Zeit auch vom allgemeinen Verkehrsrecht übernommen worden, sodass sie zum Teil heute noch »die wichtigsten Elemente des Obligationenrechts im Handelsverkehr« bildeten. 214 Erst im 11. Jahrhundert sei dagegen der nationale und kommerzielle Faktor hinzugetreten. 215 Während Gareis als kommerziellen Faktor den Umstand begriff, dass der Handelsstand durch eine besondere Sitte und spezifische Anschauungen geprägt ist, bezeichnete er als nationalen Faktor die langsamere Entwicklung des allgemeinen Verkehrsrechts im Vergleich zum Handelsrecht. Von Goldschmidt unterscheidet sich Gareis’ Ansatz dadurch, dass er wie Endemann von einem Korrelationsverhältnis zwischen dem nationalen und dem kommerziellen Faktor ausgeht. Zwar passe sich das Handelsrecht über Usancen und kaufmännisches Gewohnheitsrecht flexibler als das bürgerliche Recht dem tatsächlichen Verkehrsverhalten an. Da das Handelsrecht als Sonderrecht aber von dem Zustande des sich langsamer entwickelnden bürgerlichen Rechts profitiere, gehe die Herausbildung von handelsrechtlichem Sonderrecht zurück, je mehr das bürgerliche Recht Anpassungsbereitschaft an sich ändernde Handelspraktiken zeige, was im Gegenschluss wiederum bedeute: »[J]e zurückgebliebener, je weniger praktisch das allgemeine bürgerliche Recht, desto mehr schreit der Handel nach einem Sonderrecht und desto mehr schreitet die Bildung des Sonderrechts vor, wenn ein kräftiger, solider Handelsstand festgebaut hinter ihr steht.«216 213 214 215 216

Gareis, Das Deutsche Handelsrecht, § 3 (S. 5). Gareis, Das Deutsche Handelsrecht, § 3 (S. 5, 6). Gareis, Das Deutsche Handelsrecht, § 3 (S. 6, 7). Gareis, Das Deutsche Handelsrecht, § 3 (S. 7).

§ 8 – Recht der Handelsverträge – : Kausalfaktoren und Chronologie

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II. Auswertung der Thesen zur Existenzberechtigung des Handelsrechts In der Fortentwicklung des Rechts der Handelsgeschäfte haben sich die Thesen Endemanns, Goldschmidts und Gareis’ nur bruchstückhaft verwirklicht. So hat sich etwa der Ansatz Endemanns, dass es sich bei dem Handelsrecht um ein Übergangsrecht handelt, das sich mit der Fortentwicklung des bürgerlichen Rechts erübrigt, an keiner Stelle bewahrheitet. Weder in den 1978 in Angriff genommenen Plänen für eine Schuldrechtsreform noch in der im Jahre 2002 in Kraft getretenen Schuldrechtsmodernisierung wurden Bestrebungen unternommen, das bürgerliche Vertragsrecht durch eine Integration des Rechts der Handelsgeschäfte zu liberalisieren; nicht einmal bürgerlich-rechtliche Institute wie das Kontokorrent 217, zu dem die §§ 355 ff. HGB lediglich Sonderregeln aufstellen, wurden in das BGB ausdrücklich überführt. Vielmehr entstanden neue Herausforderungen für das Handelsrecht, etwa durch die gewaltige Vergrößerung der Unternehmenseinheiten und den damit verbundenen Wandel in der Wirtschaftsstruktur218, die fortdauernde Kommerzialisierung, Technisierung und Vitalisierung des Handels während des 20. Jahrhunderts und die massenhafte Typisierung moderner Vertragstypen wie Leasing, Factoring und Franchising, die nicht nur das tatsächliche Angewiesensein der Wirtschaft auf rationelle Arbeitsteilung versinnbildlichen, sondern auch die kodifi katorische Vernachlässigung der Dienstleistungs-, Geschäftsbesorgungs- und Überlassungsverträge zur Schau tragen. 219 Obwohl das HGB besonders vor dem HRefG (1998) nur noch als »Torso einer Kodifi kation des Handelsrechts« und »Ergebnis eines bemerkenswerten Korrosionsprozesses« begriffen wurde220 und vor allem der den Warenhandel begünstigende Katalog der Grundhandelsgewerbe (§ 1 Abs. 2 HGB a. F.) Kritik erfuhr (»willkürlich und geschichtlich überholt«221 bzw. »verfassungwidrig«222), sah sich der Gesetzgeber selbst mit dem HRefG nicht veranlasst, die 217

Canaris, Handelsrecht, § 25 Rn. 55 (S. 390). Krause, Unternehmer und Unternehmung, S. 8; Th. Raiser, Das Unternehmen als Organisation, Einleitung Ziff. 3. (S. 4). Das handelsrechtliche Unternehmen hat sich mittlerweile in gewisser Weise verobjektiviert und von seinen Inhabern abgelöst – eine Entwicklung, die bereits bei der Neufassung des HGB im Jahre 1897 mit der Einfügung der §§ 25 bis 28 aufgegriffen wurde [Th. Raiser, Das Unternehmen als Organisation, Einleitung Ziff. 1. (S. 1 ff.)]. 219 K. Schmidt, JuS 25 (1985), 249 (251); Herber, ZHR 144 (1980), 47 (48 ff.). 220 So zum österreichischen HGB vor der Reform: Krejci, in: Krejci (Hrsg.): ReformKomm. UGB/ABGB, Einführung Rn. 4. 221 Neuner, ZHR 157 (1993), 243 (285); vgl. auch: Canaris, Handelsrecht, § 3 Rn. 4 (S. 26); Treber, AcP 199 (1999), 525 (548, 549); Kort, AcP 193 (1993, 453 (455); Raisch, JuS 7 (1967), 533 (538); K. Schmidt, JuS 25 (1985), 249 (251); kritisch bereits: O. von Gierke, ZGH 45 (1896), 441 (455 ff.). 222 Neuner, ZHR 157 (1993), 243 (286 ff.); kritisch hierzu: K. Schmidt, Handelsrecht, § 3 I. 1. Fn. 1 (S. 48); Henssler, ZHR 161 (1997), 13 (29 ff.); Zöllner, in: Harrer/Mader (Hrsg.): Die HGB-Reform in Österreich, S. 1 (S. 11). 218

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1. Kapitel: Ausgangsproblematik der vertragsrechtlichen Dreiteilung

jahrzehntelange Kritik erschöpfend aufzugreifen. 223 Nach wie vor bildet das »Gewerbe« – also die nach außen in Erscheinung tretende (offene), auf Dauer angelegte (planmäßige), erlaubte, auf Gewinnerzielung gerichtete, selbstständige Tätigkeit 224 – den Ausgangspunkt der Kaufmannsdogmatik 225, sodass insbesondere die von Raisch eingeleitete und von K. Schmidt ausformulierte Forderung, den Kaufmannsbegriff zu dem umfassenderen Begriff des Unternehmens zu erweitern, weitgehend unerfüllt blieb. Ebenfalls fühlte sich der Gesetzgeber mit dem HRefG nicht veranlasst, die zahlreichen neuen Vertragstypen zu kodifi zieren, die sich im Laufe des 20. Jahrhunderts in der Kautelarpraxis herausgebildet haben und allein den Handelsverkehr betreffen (z. B. Franchise-, Merchandise-, Swapverträge). 226 Obwohl es sich bei vielen dieser Vertragstypen um Langzeitverträge (relational contracts), Rahmenverträge oder in laufende Geschäftsverbindungen eingebettete Einzelgeschäfte handelt, die äußerst komplex ausgestaltet sind, wichtige theoretische Probleme aufwerfen und spezifisch zwischen Gewerbetrei-

223 Vor 1998 war ohne Registereintragung nur Kaufmann (sog. »Musskaufmann«), wer unter einen in § 1 Abs. 2 HGB a. F. aufgezählten Katalog fallenden Gewerbetreibenden subsumiert werden konnte (im Übrigen: sog. »Sollkaufmann« gemäß § 2 HGB a. F.). Infolge dieser Differenzierung stellten sich so merkwürdige Folgen wie diejenige ein, dass ein marktstarker Bauunternehmer, der von § 1 Abs. 2 Nr. 1 HGB a. F. nicht erfasste unbewegliche Sachen umsetzte, nicht Muss-, sondern lediglich Sollkaufmann war [vgl.: Kort, AcP 193 (1993, 453 (455); Raisch, JuS 7 (1967), 533 (538); Heinemann, FS für Fikentscher (70. Gebtg.), S. 349 (S. 365); Röhricht, in: Röhricht/von Westphalen, HGB, Einleitung Rn. 13]. Selbst in einigen BGH-Urteilen wurde diesbezüglich Kritik an der Unzulänglichkeit des deutschen Kaufmannsbegriffs zum Ausdruck gebracht [beispielhaft: BGH – Urteil v. 13. 07. 1972, Az.: II ZR 111/70 – BGHZ 59, 179 (182 ff.)]. Ebenfalls wenig nachvollziehbar war (wie heute übrigens auch), dass die nach § 4 HGB a. F. als sog. »Minderkaufleute« kategorisierten Kleingewerbetreibenden sowie Land- und Forstwirte nur durch fakultative Registereintragung die Kaufmannseigenschaft erwerben konnten (sog. »Kannkaufleute« gemäß § 3 HGB a. F.); im Überlick zur Rechtslage vor 1998: Schumacher, Handelsrechtsreformgesetz (HRefG), Teil 1 C. I. (S. 40 ff.). 224 Brox/Henssler, Handelsrecht, § 2 I. 1. Rn. 25 ff. (S. 16 ff.). 225 Das bisherige System wurde in der Form übernommen, dass jedes gewerbliche Unternehmen, das nicht Kleinunternehmen ist, als handelsgewerblich unter den Kaufmannsbegriff fällt (§ 1 Abs. 2 HGB). Ersatzlos weggefallen ist der Katalog der Grundhandelsgewerbe. Während nunmehr die Eintragung im Falle des § 1 Abs. 2 HGB obligatorisch ist, aber nur »deklaratorisch« wirkt, erwerben Kleingewerbetreibende (§ 2 HGB) sowie Land- und Forstwirte (§ 3 HGB) die Kaufmannseigenschaft als sog. »Kannkaufleute« nur durch Eintragung in das Handelsregister. Diese Eintragung ist nach § 2 S. 2 HGB bzw. § 3 Abs. 2 HGB fakultativ, und sie ist, weil sie die Kaufmannseigenschaft erst begründet, »konstitutiv«. Minderkaufleute (§ 4 HGB a. F.) gibt es nicht mehr, wohl aber fi nden bestimmte Vorschriften des HGB auch auf nicht eingetragene Kleinunternehmer Anwendung [vgl. zu den Empfehlungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe »Handelsrecht und Handelsregister«: BT-Drucks. 13/8444 S. 1 (S. 22)]. 226 Basedow, in: Cian (Hrsg.): I cento anni del codice civile tedesco, S. 331 (S. 337); vgl. auch: Horn, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, vor § 343 Rn. 10.

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benden verbreitet sind 227, wurde in dieser Hinsicht weder von einem Kodifi kations- noch von einem Erörterungsbedarf ausgegangen. In die Rolle, »Jungbrunnen« (Rießer) bzw. »›Pionier‹ der Rechtsentwicklung« (J. von Gierke) zu sein 228, ist seit den 1970er Jahren das Verbraucherrecht eingestiegen, mit der Folge, dass nur letzteres ein Experimentierfeld zur Verfügung stellt, um auf innovative Vertriebsmethoden und gesellschaftliche Neuerungen zu reagieren. 229 Dementsprechend wäre den Thesen Goldschmidts nur noch dann ein gewisser Wahrheitsgehalt abzuringen, wenn man in den verbraucherrechtlichen Neuregelungen gleichsam spiegelbildlich auch handelsrechtliche Privilegierungen sähe. 230 Ein derart derivativer Zweckbezug ließe sich allerdings nur mit hohem Aufwand herstellen, basierend auf der Überlegung, dass auch Kaufleute von dem liberaleren (vormals für alle geltenden) Rechtszustand ex ante profitieren, weil das Verbraucherrecht den reinen Unternehmerverkehr mit seinen freiheitsbeschränkenden Regelungen gerade unberührt lässt. 231 Der an der Kaufmannseigenschaft orientierte handelsrechtliche Dogmatisierungsversuch deutschen Zuschnitts hat sich dagegen weder als exportfähig noch als international angleichungstauglich erwiesen. Von dem Gedanken Gareis, dass sich das Handelsrecht aus Sitte und Anstand eines besonderen Handelsstandes entwickelt habe (kommerzieller Faktor), sind heute nur noch Überreste erkennbar. Weil der positivrechtliche Normenkatalog des HGB selbst mit einigem Argumentationsaufwand nicht mehr als Ausdruck der aktuellen Zusammensetzung des professionellen Geschäftsverkehrs nachvollzogen werden könnte, ist das Handelsrecht als derjenige Teil »der allgemeinen ›Handelswissenschaften‹« zu begreifen, »dessen Entwicklung am stärksten hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist, die das 19. Jahrhundert an diese Wissenschaften setzte«. 232

227 Basedow, in: Cian (Hrsg.): I cento anni del codice civile tedesco, S. 331 (S. 337); K. Schmidt, in: K. Schmidt (Hrsg.): MünchKomm-HGB, Vor § 343 Rn. 18 ff.; Kimel, OxJLSt 27 (2007), 233 (235, 236). 228 J. von Gierke, Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, § 1 (S. 5). 229 Ebenfalls von einem Bedeutungsverlust des Handelsrechts und einer Aufwertung des Verbraucherschutzrechts ausgehend: Heinemann, FS für Fikentscher (70. Gebtg.), S. 349 (S. 379). 230 Zur »Katalysator«-Funktion des Verbraucherrechts aus niederländischer Perspektive: Hondius, VuR 11 (1996), 295 (295). 231 Zum »Verlust der Vorreiterrolle« auch: K. Schmidt, Das HGB und die Gegenwartsaufgaben des Handelsrechts, III. 1. b) (S. 25 ff.). 232 K. Schmidt, Das HGB und die Gegenwartsaufgaben des Handelsrechts, I. (S. 10).

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1. Kapitel: Ausgangsproblematik der vertragsrechtlichen Dreiteilung

§ 9 – Verbrauchervertragsrecht –: Chronologie und Sondergehalt Beleuchtet man kontrastierend hierzu das Verbraucherrecht, so ist zunächst zu konstatieren, dass dieses vor allem Marktversagen entgegen wirken will und dabei dem Umstand Rechnung trägt, dass dispositive Vorschriften zur Nutzung der Marktfreiheit im Falle eines Marktversagens nicht ausreichen. Zwar wurde die Trennung zwischen Marktfreiheit bei funktionierendem Wettbewerb und Marktordnung bzw. -regulierung bei Marktversagen schon durch die ordoliberale Schule anerkannt. 233 Mit dieser nationalökonomischen Denkrichtung steht das Verbraucherrecht aber in keinem Zusammenhang, sondern stützt sich zumindest rechtspolitisch allein auf den Verbraucherschutzgedanken, der genetisch betrachtet keine europäische Erfi ndung ist. 234 Als Initiator der modernden Schutzrechtsbewegung gilt gemeinhin John F. Kennedy, der mit seiner Verbraucherbotschaft aus dem Jahre 1962 vier Basisrechte des Verbrauchers postulierte (Recht auf Sicherheit, Information, Auswahl und Anhörung). 235 Dabei hat er die Begriffsbildung des Verbrauchers – bewusst oder unbewusst – der ökonomischen Preistheorie von der Funktionsweise von Märkten als Ort des Tausches entnommen. 236 Auf diese Weise konnte der ökonomische Konsumentenbegriff zunächst in die (amerikanische) Politik und anschließend auch sonst in die Rechtsordnungen der westlichen Welt Einzug erhalten. 237

A. Anfänge der Verbraucherrechtskodifi kation und Systemspaltung Sofern bis in die 1970er Jahre überhaupt von Schwächerenschutz die Rede sein kann, war dieser nicht intendiert konsumbezogen, sondern zeichnete sich durch eine negativ-persönliche Abgrenzung über den Kaufmannsbegriff aus. So wollte der Gesetzgeber mit dem bereits vor dem BGB verabschiedeten AbzG sämtliche Abzahlungskäufer vor den Auswüchsen und Missständen von Abzahlungsgeschäften schützen. 238 Es tangierte das formale Gleichheitsprinzip in 233 Vgl. Grundmann, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 1 (S. 13). 234 Vgl. auch Seiler, der in der Verbraucherpolitik eine Fortsetzung der Wettbewerbspolitik sieht, weil letztere Verbraucherinteressen nicht ausreichend befriedigen konnte: Seiler, Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten, § 2 I. 1. (S. 21). 235 Abgedruckt als Anhang in: von Hippel, Verbraucherschutz, Anhang (S. 281 ff.). 236 Landsburg, Price Theory & Applications, 3. und 4. Kap. (S. 48 ff. und S. 84 ff.). 237 G.-P. Calliess, Grenzüberschreitende Verbraucherverträge, 2. Kap. II. 2. d) (S. 71). 238 Entwurf AbzG – Sten. Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, 9. Legislaturperiode, II. Session 1893/94, 1. Anlage-Bd., S. 720 (721); vgl. auch: Baltes, Das Abzahlungsgesetz als Verbraucherschutzgesetz, 1. Teil A. II. 2. b) (S. 56); Schmidt-Tedd, Kaufmann und Verbraucherschutz in der EG, 2. Teil II. 4. a) (S. 83 ff.); K. Simitis, Verbraucherschutz, Schlagwort oder Rechtsprinzip?, II. Kap. 6. (S. 56).

§ 9 – Verbrauchervertragsrecht – : Chronologie und Sondergehalt

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geringerem Umfang als das heutige Verbraucherkreditrecht. Eine »allgemeine[.] Differenzierung nach unterschiedlicher Schutzbedürftigkeit« war der Erstfassung des AbzG nicht zu entnehmen. 239 Unternehmen, Körperschaften des öffentlichen Rechts, (pfl ichtwidrig) nicht im Handelsregister eingetragene Kaufleute, Minderkaufleute und Freiberufler wurden genauso wie Verbraucher von seinem Anwendungsbereich erfasst (§ 8 AbzG). 240 Lediglich der eingetragene Kaufmann wurde von seinem Schutzbereich ausgeklammert, was mit der »Verkehrsfreiheit im Großhandel« begründet wurde. 241 In diesem Sinne wurde das Eintragungserfordernis als formalistisches Merkmal aufgefasst und jede Analogiebildung bei nicht eingetragenen Unternehmern abgelehnt. 242 Auch der rechtsgeschäftliche Privatbereich jedes eingetragenen Kaufmanns erfuhr keinen Schutz, da eine Sphärendifferenzierung wie in §§ 343 ff. HGB nicht vorgesehen war. 243 Eine Verfestigung des eigentlichen Verbraucherschutzgedankens trat in Deutschland erst sehr viel später in den 1970er und 1980er Jahren ein. Eine Vielzahl verbraucherschutzrechtlicher Organisationen, Lobbyvereinigungen, Verbraucherverbände und die Stiftung Warentest wurden gegründet. 244 Die neoliberalen Impulse auf dem Felde der Wirtschafts- und Sozialpolitik erlahmten, sodass der »Interventions- und Wohlfahrtsstaat« unaufhaltsam expan239 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, B. I. 1. b) (S. 34). 240 Vgl. zur Körperschaft des öffentlichen Rechts: OLG Düsseldorf – Urteil v. 30. 11. 1989, Az.: 10 U 50/89 – ZAP-EN-Nr. 287/90; vgl. auch: U. Neumann, Der persönliche Anwendungsbereich vertraglicher Schutzvorschriften, 3. Kap. C. 3. (S. 52), Treber, AcP 199 (1999), 525 (551). 241 Entwurf AbzG – Sten. Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, 9. Legislaturperiode, II. Session 1893/94, 1. Anlage-Bd., S. 720 (725, 726). 242 Obwohl diese ursprünglich weite Bereichsabgrenzung des AbzG aus der heutigen verbraucherrechtlichen Perspektive untypisch war, hat der BGH sie stringent eingehalten: »Nur eingetragene Kaufleute soll[t]en vom Schutzbereich des Abzahlungsgesetzes ausgenommen sein, nicht dagegen die nicht eingetragenen, mögen sie im Einzelfall auch nicht schutzbedürftig sein.« [BGH – Urteil v. 24. 05. 1982, Az.: VIII ZR 105/81 – NJW 35 (1982), 2249 (2249, 2250); Textpassage allerdings nur online wiedergegeben unter juris Tz. 17] Sogar Rechtsanwälte wurden als Schutzadressaten anerkannt, auch wenn sie die zu einem Abzahlungsvertrag gehörende Belehrungsklausel entworfen hatten [OLG Düsseldorf – Urteil v. 15. 12. 1988, Az.: 10 U 97/88 – BB 44 (1989), 320 (320)]. Eine Schutzbereichskorrektur »mit Rücksicht auf eine fehlende soziale Schutzbedürftigkeit eines Käufers im Einzelfall« lehnte der BGH ab [BGH – Urteil v. 24. 11. 1954, Az.: VI ZR 143/53 – BGHZ 15, 241 (241)]. Genauso wie das herkömmliche Vertragsrecht konnte das AbzG auf Privatpersonen untereinander Anwendung fi nden [BGH – Urteil v. 12. 06. 1991, Az.: VIII ZR 256/90 – BGHZ 114, 393 (393 ff.); LG Hamburg – Beschluss v. 14. 04. 1983, Az.: 2 T 46/83 – NJW 36 (1983), 1743 (1743)]. 243 Dazu kritisch: Raisch, FS für Ballerstedt (70. Gebtg.), S. 443 (S. 447); Hönn, in: Soergel/Siebert: BGB, Bd. 3, § 8 AbzG Rn. 6. 244 K. Simitis, Verbraucherschutz, Schlagwort oder Rechtsprinzip?, IV. Kap. (S. 118 ff.); vgl. auch die Begründung zum Gesetzesentwurf AGB-Gesetz: BT-Drucks. 7/3919 S. 1 (S. 43).

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1. Kapitel: Ausgangsproblematik der vertragsrechtlichen Dreiteilung

dieren konnte. 245 Parteien und Gewerkschaften begannen, die Verbraucherpolitik als Arbeitsfeld in ihre Programme aufzunehmen. Die Bundesregierung legte ihren ersten Bericht zur Verbraucherpolitik vor (18. Oktober 1971), in dem sie sich mit staatlichen verbraucherpolitischen Maßnahmen auseinandersetzte und Ziele einer künftigen Verbraucherpolitik aufzeigte. 246 Am 20. Oktober 1975 folgte der zweite Bericht zur Verbraucherpolitik, 247 der ähnlich wie der erste noch »ein allgemeines ordnungspolitisches Bekenntnis zur Wettbewerbsordnung« in sich trug. 248 Mit dem AGB-Gesetz sollten Anfang der 1970er Jahre dann Maßstäbe für eine allgemeine AGB-Kontrolle geschaffen werden. 249 Auch das AGB-Gesetz war in seiner Ursprungsfassung allerdings nicht als verbrauchertypisches Ausgleichsgesetz konzipiert 250, wenngleich der erste Referentenentwurf (Juni 1974) zu diesem Gesetz noch vorsah, dass seine Vorschriften keine Anwendung fänden, »wenn der Kunde in das Handelsregister eingetragener Kaufmann ist, sofern der Vertrag zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehört«. 251 Diese Beschränkung auf den nichtkaufmännischen Bereich rief jedoch bemerkenswerte Kritik hervor, weil man in der AGB-Kontrolle gemeinhin weniger ein Schutzinstrument zugunsten des Verbrauchers als vielmehr ein an Treu und Glauben orientiertes Ausgleichsinstrument zwischen Vertragsgerechtigkeit und Privatautonomie sah (§ 242 BGB). 252 Als Reaktion auf diese Kritik wurde schließlich ein zweiter Referentenentwurf (März 1975) erarbeitet, der als Kompromisslösung einige Vorschriften gegenüber einem Kaufmann für anwendbar erklärte (§ 24 AGBG a. F.). 253 Selbst mit die245

Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, Vorwort (S. V). Bericht zur Verbraucherpolitik – BT-Drucks. 6/2724 S. 1 (S. 1 ff.). 247 Zweiter Bericht der BReg zur Verbraucherpolitik – BT-Drucks. 7/4181 S. 1 (S. 1 ff.); auch abgedruckt als Anhang in: von Hippel, Verbraucherschutz, Anhang (S. 295 ff.). 248 Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 2 III. (S. 23). 249 Burckhardt, Das AGB-Gesetz unter dem Einfluss der EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, A. III. 2. (S. 20); hierzu ausführlich: Friedrichs, Verbraucherschutz und AGB, IV. (S. 119 ff.). 250 K. Schmidt, Handelsrecht, § 1 III. 4. a) (S. 31); Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen (Hrsg.): AGB-Recht, Einl. Rn. 47. 251 § 12 Abs. 1 Nr. des Referentenentwurfs ist abgedruckt in: BB Beilage 18/74 zu Heft 39/ 1974, S. 1 (S. 4). 252 Vgl. die 10. These zum Referat von Ulmer auf dem 50. Deutschen Juristentag in Hamburg (1974): »Eine spezielle Verbrauchergesetzgebung auf dem Gebiet der AGB begegnet trotz der typischen Schutzbedürftigkeit dieses Personenkreises und der politischen Zugkraft von Verbraucherschutzmaßnahmen grundsätzlichen Bedenken.« [Verhandlungen des 50. DJT, Bd. II, H 40]; ähnlich auch der 5. Beschluss, wonach das AGB-Gesetz in seinem »persönlichen Anwendungsbereich grundsätzlich unbeschränkt sein [sollte], vorbehaltlich sachlich gebotener Zusatzregelungen zum Schutz der Endverbraucher« [Verhandlungen des 50. DJT, Bd. II, H 231] vgl. im Überblick: Burckhardt, Das AGB-Gesetz unter dem Einfluss der EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, A. III. 2. (S. 21); Schmidt-Tedd, Kaufmann und Verbraucherschutz in der EG, 2. Teil II. 2. b) bb) (S. 58 ff.). 253 Gesetzesentwurf AGB-Gesetz – BT-Drucks. 7/3919 S. 1 (S. 7). 246

§ 9 – Verbrauchervertragsrecht – : Chronologie und Sondergehalt

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ser Partialausklammerung, die entwurfsentsprechend verabschiedet wurde, sollte allerdings weniger der Verbraucher vor dem Unternehmer geschützt als vielmehr den besonderen Bedürfnissen des professionellen Geschäftsverkehrs Rechnung getragen werden. 254 Darüber hinaus war für die 1970er Jahre prägend, dass spezifische Sondergesetze wie das Gesetz zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht (1976) 255, das Reisevertragsgesetz (1979) 256 und neue Vorschriften zum sozialen Mietrecht 257 erlassen wurden und man bestehende Gesetze verbraucherrechtlich weiterentwickelte. 258 So fanden in das Abzahlungsgesetz durch die Reformnovellen von 1969259 und 1974260 Informations-, Dokumentations- und Formvorschriften sowie Widerrufsrechte (§§ 1 a ff. AbzG) und neuartige Vertragstypen wie Teilzahlungsverträge, Sukzessivlieferungsverträge und Wiederkehrschuldverhältnisse Eingang (§ 1c AbzG). 261 Hinzu trat seit den 1980er Jahren 254 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, B. I. 1. c) (S. 41); Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 9 II. 2. d) (S. 407, 408); Burckhardt, Das AGB-Gesetz unter dem Einfluss der EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, B. I. 2. b) (S. 31 ff.). 255 FernUSG – BGBl. I Nr. 112/1976, S. 2525 (S. 2525 ff.). 256 Reisevertragsgesetz – BGBl. I Nr. 23/1979, S. 509 (S. 509 ff.). 257 Zweites Wohnraumkündigungsschutzgesetz – BGBl. I Nr. 139/1974, S. 3603 (S. 3603 ff.); Gesetz über den Kündigungsschutz für Mietverhältnisse über Wohnraum – BGBl. I Nr. 118/1971, S. 1839 (S. 1839 ff.). 258 So etwa §§ 38, 39 ZPO durch die »Gerichtsstandsnovelle«: BGBl. I Nr. 28/1974, S. 753 (S. 754); vgl. im Überblick: Gilles, JA 22 (1980), 1 (2 ff.); Denkinger, Der Verbraucherbegriff, 2. Teil A. II. 1. (S. 136 ff.). 259 Gesetz zur Änderung des AbzG – BGBl. I Nr. 90 /1969 S. 1539 (S. 1539 ff.). 260 Zweites Gesetz zur Änderung des AbzG – BGBl. I Nr. 52/1974, S. 1169 (S. 1169 ff.). 261 Für einen weiten Anwendungsbereich sorgte auch die Rspr., indem sie das AbzG auf Sondervertragstypen wie fi nanzierte Abzahlungskäufe [BGH – Urteil v. 09. 10. 1951, Az.: I ZR 20/51 – BGHZ 3, 257 (257 ff.)], Kaufpreisstundungen [BGH – Urteil v. 15. 11. 1978, Az.: VIII ZR 290/77 – NJW 32 (1979), 874 (874 ff.)], kurzfristige Mietverträge [BGH – Urteil v. 24. 04. 1985, Az.: VIII ZR 73/84 – BGHZ 94, 226 (226 ff.)], gemischte Mietverträge [BGH – Urteil v. 25. 05. 1983, Az.: VIII ZR 51/82 – NJW 36 (1983), 2027 (2027, 2028)] Dauerlieferungsverträge [BGH – Urteil v. 15. 10. 1980, Az.: VIII ZR 192/79 – BGHZ 78, 248 (248 ff.)], »Sparkaufverträge« [OLG Stuttgart – Urteil v. 01. 04. 1980, Az.: 6 U 184/79 – NJW 33 (1980), 1798 (1798 ff.)], Vertragsübernahmen [OLG Frankfurt – Urteil v. 30. 11. 1988, Az.: 17 U 194/87 – NJW-RR 4 (1989), 1082 (1082); OLG München – Urteil v. 01. 10. 1985, Az.: 25 U 3981/85 – NJW-RR 1 (1986), 150 (150, 151)], Schuldübernahmen [BGH – Urteil v. 03. 07. 1991, Az.: VIII ZR 201/90 – NJW 44 (1991), 2903 (2903 ff.)], fi nanzierte Dienstverträge [LG Augsburg – Urteil v. 02. 03. 1973, Az.: 4 S 304/72 – NJW 26 (1973), 1704 (1704 ff.)], Lizenzverträge [Hanseatisches OLG – Urteil v. 21. 08. 1986, Az.: 3 U 168/85 – NJW-RR 2 (1987), 179 (179 ff.)], Finanzierungs-Leasingverträge [BGH – Urteil v. 29. 11. 1989, Az.: VIII ZR 323/88 – BGHZ 109, 250 (250 ff.); BGH – Urteil v. 24. 04. 1985, Az.: VIII ZR 95/84 – BGHZ 94, 195 (195 ff.); BGH – Urteil v. 24. 05. 1982, Az.: VIII ZR 105/81 – NJW 35 (1982), 2249 (2249, 2250); OLG Koblenz – Urteil v. 25. 10. 1988, Az.: 3 U 686/87 – NJW-RR 4 (1989), 112 (112 ff.); OLG Hamm – Urteil v. 12. 06. 1980, Az.: 4 U 60/80 – ZIP 1 (1980), 989 (989 ff.); LG Freiburg (Breisgau) – Urteil v. 18. 03. 1980, Az.: 9 S 316/79 – BB 35 (1980), 963 (963); LG Augsburg – Urteil v. 10. 11. 1972, Az.: 4 S 117/72 – NJW 26 (1973), 709 (709 ff.)] und Franchise-Verträge

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1. Kapitel: Ausgangsproblematik der vertragsrechtlichen Dreiteilung

ein »Systemwandel« in der subjektiven Abgrenzung 262 , der nicht mehr den (Nicht-) Kaufmann, sondern das »Verbraucher-Unternehmer«-Begriffspaar im Blickfeld hatte. Dementsprechend wurde 1994 etwa das verbraucherrechtliche Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers nach § 8 Abs. 4 VVG geändert 263 : Galt dieses Widerrufsrecht in seiner alten Fassung (1991) nicht, wenn der Versicherungsnehmer Vollkaufmann war264, ist seit dem 29. Juli 1994 eine geänderte Fassung in Kraft, die alle Versicherungsverträge aus seinem Anwendungsbereich ausklammert, die nach dem Inhalt des Vertrages für eine bereits ausübte gewerbliche oder berufl iche Tätigkeit bestimmt sind 265. Auch in andere Sondergesetze fand die b2c-Typisierung Eingang, z. B. in das VerbrKrG, das seit 1991 als Nachfolgekodifi kation zum AbzG fungiert. 266 Seit 1998 orientiert sich in diesem Sinne auch die AGB-rechtliche Partialausgrenzung der »Gewerbetreibenden« nicht mehr an dem Kaufmannsbegriff, sondern daran, ob der Vertrag zu einem Zweck abgeschlossen wird, der weder der gewerblichen noch der selbstständigen berufl ichen Tätigkeit der betreffenden Person zuzurechnen ist (§ 24 Nr. 1 AGBG a. F.). 267 Für Schiedsabreden hat das Schiedsverfahrensneuregelungsgesetz eine vergleichbare Korrekturvorschrift hervorgebracht 268, sodass es bei der Formerleichterung einer [OLG Frankfurt – Urteil v. 14. 03. 1991, Az.: 6 U 5/90 – NJW-RR 6 (1991), 1272 (1272 ff.); Schleswig-Holsteinisches OLG – Urteil v. 28. 07. 1988, Az.: 2 U 28/87 – NJW 41 (1988), 3024 (3024)] für anwendbar erklärte. 262 Treber, AcP 199 (1999), 525 (550 ff.). 263 Vgl. Art. 2 des Gesetzes zur Änderung versicherungsrechtlicher Vorschriften: BGBl. I Nr. 71/1990, S. 2864 (S. 2865): Durch die Spezialvorschrift des § 8 Abs. 4 VVG sollte anfangs der Ausschluss von Versicherungsverträgen aus dem Gesetz für Haustürgeschäfte kompensiert werden [U. Neumann, Der persönliche Anwendungsbereich vertraglicher Schutzvorschriften, 2. Kap. A. (S. 5)]; vgl. auch die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses: BT-Drucks. 11/8321 S. 1 (S. 12). 264 Art. 8 Abs. 4 S. 3 VVG a. F.: »Das Widerrufsrecht besteht nicht, wenn der Versicherungsnehmer Vollkaufmann ist oder wenn der Versicherer auf Wunsch des Versicherungsnehmers sofortigen Versicherungsschutz gewährt.«: BGBl. I Nr. 71/2865 S. 2864 (S. 2865). 265 Art. 8 Abs. 4 S. 3 VVG: »Das Widerrufsrecht besteht nicht, wenn und soweit der Versicherer auf Wunsch des Versicherungsnehmers sofortigen Versicherungsschutz gewährt oder wenn die Versicherung nach dem Inhalt des Antrags für die bereits ausgeübte gewerbliche oder selbständige berufl iche Tätigkeit des Versicherungsnehmers bestimmt ist.«: BGBl. I Nr. 46/1994, S. 1630 (S. 1659). 266 VerbrKrG – BGBl. I Nr. 71/1990, S. 2840 (S. 2840 ff.); vgl. Kindler, in: Ebenroth/ Boujong/Joost (Hrsg.): HGB-Kommentar, Vor 1 § Rn. 43. 267 Regierungsentwurf HRefG – »Teil 1« abgedruckt in: ZIP 18 (1997), 942 (948); vgl. Burckhardt, Das AGB-Gesetz unter dem Einfluss der EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, C. (S. 129 ff.); zur größeren Sachgerechtigkeit dieser Abgrenzung: Lemmer, Die EG-Richtlinie über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 3. Kap. A. III. 2. (S. 75). 268 Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz – SchiedsVfG – BGBl. Nr. 88/1997, S. 3224 (3226); (siehe auch BR-Drucks. 947/97, BT-Drucks. 13/5274, 13/9124 und BR-Drucks. 211/96); zum neuen Recht der Schiedsgerichtsbarkeit: Habscheid, JZ 53 (1998), 445 (445 ff.); Kreindler/Mahlich, NJW 51 (1998), 563 (563 ff.); Labes/T. Lörcher, MDR 51

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Schiedsabrede seit 1998 nicht mehr auf Kaufmannseigenschaft und Handelsgeschäft (§ 1027 Abs. 2 ZPO a. F.), sondern auf das Nichtvorliegen der Verbrauchereigenschaft (§ 1031 Abs. 5 S. 1 ZPO) maßgeblich ankommt. 269 Dagegen stellt § 38 Abs. 1 ZPO als Ausnahme zum Prorogationsverbot nach wie vor ohne jeglichen Unternehmensbezug auf den Kaufmannsbegriff ab270 ; antiquiert erscheint im Übrigen auch die Makler- und Bauträgerverordnung, deren Schutzkorsett nur dann entfällt, wenn es sich bei dem Auftraggeber um einen in das Handelsregister eingetragenen Kaufmann handelt (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 MaBV).

B. Die EG-rechtliche Beeinflussung der Verbraucherrechtsentwicklung Zieht man im Hinblick auf die Entwicklung des Verbraucherrechts aus heutiger Sicht Zwischenbilanz, hat sich der deutsche Gesetzgeber im Grunde seit den 1980er Jahren darauf beschränkt, die auf Gemeinschaftsebene verabschiedeten Verbraucherrichtlinien umzusetzen. 271 Seit geraumer Zeit hat er dem europäischen Richtliniengeber – was die verbraucherrechtliche Fortentwicklung anbelangt – kampflos das Feld überlassen. 272 Autonome Vorstöße im Sinne einer spezifisch nationalen Materialisierung des Privatrechts werden so gut wie nicht mehr unternommen. Vielmehr sind in der eigentlichen Hochphase der Konsumentenschutzbewegung die Europäischen Gemeinschaften als Initiator hervorgetreten. Dabei lässt sich bislang diese EG-rechtlich veranlasste Verbraucherschutzbewegung aus retrospektiver Sicht in sechs verschiedene Periodenabschnitte aufteilen. 273

(1997), 420 (420 ff.); G. Lörcher, DB 51 (1998), 245 (245 ff.); mit Blick auf die Gesellschaftsrechtspraxis: K. Schmidt, ZHR 162 (1998), 265 (265 ff.). 269 Vgl. auch die Bezugnahme auf die Änderungen durch das Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz im Regierungsentwurf zum HRefG: BR-Drucks. 340/97, S. 1 (S. 83); beispielhaft zu § 1031 Abs. 5 S. 1 ZPO: BGH – Urteil v. 24. 02. 2005, Az.: III ZB 36/04 – BGHZ 162, 253 (253 ff.). 270 Kritisch zu § 38 Abs. 1 ZPO auch: K. Schmidt, Handelsrecht, § 3 II. 3. c) (S. 59); Raisch, FS für Ballerstedt (70. Gebtg.), S. 443 (S. 450); für eine teleologische Reduktion des § 38 Abs. 1 ZPO: Canaris, Handelsrecht, § 24 Rn. 6 (S. 368). 271 Diese Beschränkung war ausdrücklich Leitmotiv der Vorschläge zur Umsetzung der Klauselrichtlinie; vgl. hierzu die Begründung zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des AGB-Gesetzes: BB 50 (1995), 110 (112). 272 Wiedenmann, Verbraucherleitbilder und Verbraucherbegriff im deutschen und europäischen Privatrecht, A. I. 3. (S. 24). 273 Im Überblick: Berg, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.): EU/EG, Art. 153 EG Rn. 1 ff.; Reich, in: Reich/Micklitz (Hrsg.): Europäisches Verbraucherrecht, § 1 II. (S. 14 ff.).

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I. Die Verbraucherprogramme des Rates Die erste Phase des EG-rechtlichen Verbraucherschutzes begann bereits mit Gründung der EWG, auch wenn im ursprünglichen EWG-Vertrag (25. 03. 1957) eine eigenständige Verbraucherpolitik noch nicht vorgesehen war und der Verbraucherbegriff lediglich im Bereich der Agrar- und Wettbewerbspolitik Erwähnung fand. 274 Gleichwohl wurde der Verbraucherschutz auf dem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in Paris 1972 als gleichwertig neben den anderen Zielen der Gemeinschaft anerkannt. 275 Die Kommission wurde bei dieser Gelegenheit aufgefordert, konkrete Vorschläge zur Verwirklichung der neuen Zielsetzung zu unterbreiten und ein Aktionsprogramm aufzustellen. Es folgten die beiden EWG-Verbraucherprogramme des Rates, die trotz ihres soft law-Charakters als Meilensteine für die Verbraucherrechtsharmonisierung zu begreifen sind: Während das erste Programm, das am 14. April 1975 verabschiedet wurde, fünf fundamentale Rechte des Verbrauchers zusammenstellt (Gesundheit, wirtschaftliche Interessen, Schadenswiedergutmachung, Unterrichtung und Interessenvertretung) und konkrete Schutzmaßnahmen aus ihnen ableitet 276, diente das am 19. Mai 1981 erlassene zweite Programm der Aktualisierung dieses Rechte- und Maßnahmenkataloges277. In beiden Programmen fi nden sich die seit Kennedy in der internationalen Diskussion geforderten Basisrechte des Verbrauchers wieder. 278 II. Verbraucherschutz in der EuGH-Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten Ein zweiter bedeutender Schritt wurde von dem EuGH vollzogen, der im Jahre 1979 mit seiner Cassis de Dijon-Rechtsprechung u. a. dem Verbraucherschutz einen vertragsimmanenten Stellenwert zusprach. 279 In dieser Entschei274 Vgl. hierzu: Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 2 V. 1. a) (S. 44, 45); Frie, Die Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, C. II. 2. a) (S. 41); Weatherill, EU Consumer Law and Policy, Ziff. 1 (S. 3 ff.); Seiler, Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten, § 4 I. 1. (S. 146 ff.). 275 Weatherill, EU Consumer Law and Policy, Ziff. 1 (S. 6). 276 Rat – Entschließung vom 14. 04. 1975 betreffend ein Erstes Programm der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft für eine Politik zum Schutz und zur Unterrichtung der Verbraucher – ABl. 1975 Nr. C 92 S. 1; ebenfalls abgedruckt als Anhang in: von Hippel, Verbraucherschutz, Anhang (S. 454 ff.). 277 Rat – Entschließung vom 19. 05. 1981 betreffend ein zweites Programm der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft für eine Politik zum Schutz und zur Unterrichtung der Verbraucher – ABl. 1981 Nr. C 133 S. 1; ebenfalls abgedruckt als Anhang in: von Hippel, Verbraucherschutz, Anhang (S. 467 ff.). 278 Vgl. auch: Rat – Entschließung vom 23. 06. 1986 betreffend die künftige Ausrichtung der Politik der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zum Schutz und zur Förderung der Interessen der Verbraucher – ABl. 1986 Nr. C 167 S. 1. 279 EuGH – Rewe-Zentral/Bundesmonopolverwaltung für Branntwein – Urteil v. 20. 02. 1979, Rs. 120/78 – Slg. 1979, 649 Tz. 8.

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dung entwickelte der EuGH einen nicht abschließenden Katalog von Beispielen, welche Erfordernisse als Rechtfertigung für Behinderungen des freien Warenverkehrs in Betracht kommen. Im Wege richterlicher Rechtsfortbildung erklärte er u. a. den Verbraucherschutz zu einem »zwingenden Erfordernis des Allgemeininteresses«, der in der Lage ist, diskriminierungsfreie Beschränkungen der Grundfreiheiten auch außerhalb eines ausdrücklichen Ausnahmetatbestandes des EG-Vertrages zu rechtfertigen, sofern nur ein ausreichender Erforderlichkeitszusammenhang zwischen der betreffenden Grundfreiheitenbeschränkung und dem verbraucherschutzbezogenen Allgemeininteresse festzustellen ist. Seitdem brachte der EuGH (unter Bezugnahme auf die EWGVerbraucherschutzprogramme, anhand derer er Bedeutung und Tragweite des »Verbraucherschutzes« konkretisierte280 ) in zahlreichen Urteilen zum Ausdruck, dass er Marktliberalisierung an sich auch ohne Regulierung als ausreichend erachtet, um den Verbraucher adäquat zu schützen 281. III. Verbraucherschutz im liberalen Binnenmarktkonzept Seit den 1980er Jahren hat die Verbraucherpolitik auch sekundärrechtlich deutlichere Konturen erhalten. 282 Die ersten Verbraucherrichtlinien der Gemeinschaft wurden verabschiedet, deren primäre Aufgabe darin bestand, solche Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten zu beseitigen, die ein Hemmnis für den Gemeinsamen Markt bedeuteten und den Verbraucher davon abhielten, seine Bedürfnisse gemeinschaftsweit zu befriedigen. Da diese Richtlinien der ersten Generation, zu denen die Haustürgeschäfteund Verbraucherkreditrichtlinie zählen 283, noch der Einstimmigkeit bedurften (Art. 94 EG), konnten sie erst nach endlos langen Debatten den Rat passieren. 284 Sie stärkten weniger die individual-vertragsrechtliche Position des Verbrauchers, sondern erweiterten seine Marktfreiheit, indem sie sich weitgehend auf die Angleichung des bestehenden Konsumentenschutzes beschränkten. 285 Zu einer eigenständigen Zielkomponente wurde der Verbraucherschutz erst durch die Einheitliche Europäische Akte (1987), die das Ziel der Vollendung des Binnenmarktes bis 31. Dezember 1992 vorsah. Erst mit der Einheitlichen 280 EuGH – GB-INNO/CCL – Urteil v. 07. 03. 1990, Rs. 362/88 – Slg. 1990, I-667 Tz. 14 ff. 281 Lurger, Vertragliche Solidarität, 4. Kap. 4.1. (S. 92, 93). 282 Vgl. hierzu: Seiler, Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten, § 4 I. 2. (S. 149 ff.). 283 Rat – Richtlinie 85/577/EWG betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen Verträgen – ABl. 1985 Nr. L 372 S. 31; Richtlinie 87/102/EWG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit – ABl. 1987 Nr. L 42 S. 48. 284 Zur Entstehungsgeschichte der Haustürgeschäfterichtlinie: Micklitz, in: Grabitz/ Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht Vor A 2 Rn. 2 ff. 285 Zum Beispeil Art. 6 der FernabsatzRL (97/7/EG).

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1. Kapitel: Ausgangsproblematik der vertragsrechtlichen Dreiteilung

Europäischen Akte (EEA) fand mit Art. 95 EG die heute wichtigste Harmonisierungsgrundlage in den EG-Vertrag Eingang. 286 Über Art. 95 EG können seitdem nicht nur Richtlinien sondern auch Verordnungen verabschiedet werden 287, wobei die Kommission verpfl ichtet ist, in ihren Vorschlägen u. a. von einem hohen Verbraucherschutzniveau auszugehen (Art. 95 Abs. 3 EG). Die bis dahin erforderliche Einstimmigkeit im Rat wurde durch ein Abstimmungsverfahren der qualifi zierten Mehrheit ersetzt (Art. 95 EG), sodass die kommenden Verbraucherrichtlinien schneller und mit höherem Schutzniveau erlassen werden konnten. 288 Stets begrenzte Teilbereiche oder Ausschnitte eines Rechtsgebiets wurden angeglichen 289, was Regelungen hervorbrachte, »die im Verhältnis zu nationalem Recht bloßen punktuellen und fragmentarischen Charakter aufweisen«. 290 Die Pauschalreise- (1990) und Klauselrichtlinie (1993) seien nur als Beispiele erwähnt. 291 Darüber hinaus ebnete die EEA für die Verbraucherpolitik den Weg zu einem dreijährigen Aktionsplan für die Jahre 1990–1992292 , der 1993 durch einen zweiten verbraucherpolitischen Aktionsplan abgelöst wurde (1993– 1995) 293. IV. Etablierung der Verbraucherpolitik durch den Vertrag von Maastricht Ein eigenständiges Profi l erhielt der Verbraucherschutz als Politik zur Förderung und zum Schutz der Verbraucherinteressen mit dem Vertrag von Maastricht (07. 02. 1992). 294 Durch den neu eingeführten Art. 129a EGV a. F. wurde eine ausdrückliche Schutznorm geschaffen, die Verbraucherschutz als eigenständigen Kompetenzbereich der Gemeinschaft anerkennt und zugleich 286

Kahl, in: C. Calliess/Ruffert, EUV/EGV-Kommentar, Art. 95 EGV Rn. 1 ff. Vgl. Unberath/Johnston, CMLRev 44 (2007), 1237 (1253). 288 Weatherill, EU Consumer Law and Policy, Ziff. 3 (S. 64 ff.); Martinek, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 511 (S. 516); Micklitz, VuR 18 (2003), 2 (5); Rösler, VuR 18 (2003), 12 (12); Caruso, ELJ 3 (1997), 3 (10). 289 Im Überblick: Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 2 V. 1. c) (S. 46 ff.). 290 Martinek, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 511 (S. 517); Kirchner, in: Grundmann/Medicus/Rolland (Hrsg.): Europ. Kaufgewährleistungsrecht, S. 95 (S. 106); W.-H. Roth, in: Grundmann/ Medicus/Rolland (Hrsg.): Europ. Kaufgewährleistungsrecht, S. 113 (S. 113 ff.). 291 Rat – Richtlinie 90/314/EWG über Pauschalreisen – ABl. 1990 Nr. L 158 S. 59; Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen – ABl. 1993 Nr. L 95 S. 29. 292 van Miert, EuZW 1 (1990), 401 (401 ff.). 293 EG-Nachrichten Nr. 32 v. 16. 08. 1993, S. 2 – EuZW 4 (1993), 588 (588, 589). 294 Im Überblick: Frie, Die Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, C. II. 5. (S. 50 ff.); Seiler, Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten, § 4 I. 3. (S. 151 ff.). 287

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klarstellt, dass die Verbraucherpolitik ihren Ausgangspunkt einerseits in der Binnenmarktpolitik der Gemeinschaft und andererseits in der Unterstützungspolitik mitgliedstaatlicher Aktionen nimmt. In diesem Sinne ist die Gemeinschaft seit Maastricht ermächtigt, »spezifische Aktionen« zu verabschieden, die integrationsunabhängig Verbraucherschutz gewährleisten. 295 Während einerseits vertreten wurde, dass es sich dabei nur um eine bloße Bestätigung des status quo ante handele (dass nämlich die Kommission bereits auf Grund des durch die EEA eingefügten Art. 100a Abs. 3 EWGV a. F. von einem hohen Verbraucherschutzniveau auszugehen hatte) 296, ist nach wohl richtiger Auffassung in der Einfügung von Art. 129a EGV a. F. die Begründung einer echten konkurrierenden Gemeinschaftszuständigkeit für den Verbraucherschutz zu sehen, die allerdings stets unter den Prämissen des Subsidiaritätsprinzips auszulegen ist (Art. 3b Abs. 2 EGV a. F.) 297. Eingefügt wurde bei dieser Gelegenheit auch die Zielbestimmung des Art. 3 lit. s) EGV a. F. [= Art. 3 Abs. 1 lit. t) EG], wonach die Tätigkeit der Gemeinschaft nun generaliter »einen Beitrag zur Verbesserung des Verbraucherschutzes« beinhaltet. Die seit Maastricht verabschiedeten Richtlinien heben sich nicht zuletzt durch einen kollisionsrechtlichen Umgehungsschutz hervor298, wobei das koinzidente Zusammentreffen dieses IPR-Schutzes mit der Einführung der neuen Kompetenzgrundlage (Art. 129a EGV a. F.) allerdings reiner Zufall ist. Die Tatsache, dass Berichterstatter verschiedener frankophoner und dem romanischen Rechtskreis zuzurechnender Länder 1973 nur eine einzige speziell für Verbraucherverträge ausgestaltete Kollisionsnorm benennen konnten (die zudem außerhalb des Gemeinschaftsgebiets in Québec angesiedelt war) 299, zeigt vielmehr, dass der Richtliniengeber voll im Trend lag, erst seit den 1990er Jahren die Frage des »IPR-Verbraucherschutzes« überhaupt aufzugreifen300. So ist es als nichts anderes als eine empirische Verzögerung zu 295

Art. 129a Abs. 1 lit. b) EGV a. F. Frie, Die Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, C. II. 5. a) (S. 51, 52); Lemmer, Die EG-Richtlinie über mißbrauchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 1. Kap. B. (S. 4). 297 Die Kommission selbst spricht von einer »gemeinsamen Zuständigkeit« der EU und der Mitgliedstaaten [Mitteilung der Kommission vom 07. 05. 2002 – »Verbraucherpolitische Strategie 2002–2006«, KOM(2002) 208 endgültig, Ziff. 2.1 (S. 7)]; zum Ganzen: Martinek, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht A 13 Vorbem. Rn. 70; Staudenmayer, in: Grundmann/Medicus/Rolland (Hrsg.): Europ. Kaufgewährleistungsrecht, S. 27 (S. 28 ff.); Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz in der Europäischen Union, II. 1. (S. 3 ff.). 298 Jayme/Kohler, IPRax 13 (1993), 357 (357 ff.); dies., IPrax 16 (1996), 377 (377 ff.); Junker, IPRax 18 (1998), 65 (70 ff.). 299 Malaurie, in: Association de Henri Capitant (Hrsg.): La Protection des Consommateurs, S. 389 (S. 396); S. Klauer, Das europäische Kollisionsrecht der Verbraucherverträge, 1. Kap. III. 1. (S. 25). 300 Im Überblick zu den IPR-Klauseln der Richtlinien: Magnus, in: Staudingers Kommentar BGB, Art. 29a EGBGB Rn. 11 ff. 296

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1. Kapitel: Ausgangsproblematik der vertragsrechtlichen Dreiteilung

begreifen, dass man erst seitdem nach Lösungen sucht, um das tendenziell immer noch höhere Schutzniveau in den wohlhabenderen, auf den Export ausgerichteten Staaten Nordeuropas durch kollisionsrechtliche Regelungen abzusichern. 301 V. Die Komplettierung der Verbraucherpolitik durch Amsterdam Wie der Vertrag von Amsterdam (02. 10. 1997) zeigt, war der sozialpolitische Bedeutungszuwachs der Verbraucherpolitik und ihre Abkoppelung von dem Binnenmarktprinzip mit dem Vertrag von Maastricht noch nicht abgeschlossen. Mit dem Vertrag von Amsterdam wurde Art. 129a EGV a. F. um einige Änderungen erweitert und als Art. 153 EG neu gefasst. 302 Insbesondere mit dem Austausch des Begriffs der »spezifischen Aktionen« durch den Begriff der »Maßnahmen« haben die Mitgliedstaaten klargestellt, dass die Gemeinschaft über die Kompetenznorm des Art. 153 EG auch verbraucherpolitische Rechtsakte verbindlich verabschieden kann, ohne dass sie durch eine binnenmarktpolitische Zielsetzung gerechtfertigt werden müssten. 303 Zudem wurde Art. 153 EG um eine verbraucherrechtliche Querschnittsklausel ergänzt, die »Verbraucherschutz« auch in allen anderen Vertragspolitiken zu einem abwägungserheblichen Belang macht (Art. 153 Abs. 2 EG). Verfassungsrang könnte der Verbraucherschutz, der bereits seit 2000 in der bisher unverbindlichen EU-Grundrechtecharta enthalten ist (Art. 38) 304, möglicherweise durch die künftige Ratifi kation der EU-Reformverträge erlangen305. Im Übrigen sind seit Amsterdam vor allem aus deutscher Sicht Änderungen zu konstatieren. Hier wurde die Fernabsatzrichtlinie (1997) zum Anlass genommen, Verbraucherrecht in das BGB zu integrieren (§§ 13, 14, 361a BGB), 306 301 S. Klauer, Das europäische Kollisionsrecht der Verbraucherverträge, 1. Kap. III. 1. (S. 25); Martínez Sanchiz, in: Diaz Fraile (Hrsg.): Estudios de derecho europeo privado, S. 121 (S. 148 ff.); Salvadori, in: Sacerdoti/Frigo (Hrsg.): La Convenzione di Roma, S. 121 (S. 133). 302 Im Überblick: Reich, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 481 (S. 493 ff.). 303 Martinek, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 511 (S. 513); Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 2 V. 1. e) (S. 58); Berg, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.): EU/EG, Art. 153 EG Rn. 17; Pfeiffer, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 153 EGV Rn. 33, 34; Heiderhoff, Grundstrukturen des nationalen und europäischen Verbrauchervertragsrechts, 1. Kap. B. V. 2. (S. 28); Reich, in: Reich/Micklitz (Hrsg.): Europäisches Verbraucherrecht, § 1 III. 4. c) (S. 34). 304 Cremer, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.): Hdb. der Europäischen Grundrechte, § 62 III. 3. (S. 1706 ff.); Rengeling/Szczekalla, Grundrechte in der EU, § 33 (S. 853 ff.). 305 Weatherill, EU Consumer Law and Policy, Ziff. 1 (S. 31). 306 Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro – BGBl. Teil I 2000, S. 897 und 1139; Rat – Richtlinie 97/7/EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz – ABl. 1997 Nr. L 144 S. 19.

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– eine Methode, die mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz307 (mit dem u. a. die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie308, die Zahlungsverzugsrichtlinie309 und die E-Commerce-Richtlinie310 umgesetzt worden sind) fortgeführt worden ist. So hat der deutsche Gesetzgeber mit der Schuldrechtsmodernisierung das BGB nicht nur durch die Aufnahme bisher segmentierter Nebengesetze – unter ihnen das AGB-Gesetz, das Haustürwiderrufsgesetz, das Verbraucherkreditgesetz und das Fernabsatzgesetz – zu einer »Baustelle« umgesetzten Gemeinschaftsrechts gemacht311 und dadurch die Unterscheidung zwischen umgesetzten Gemeinschaftsbestimmungen und autonom-nationalen Regelungen erschwert312 . Er hat auch die »Generalklauseln« dezentralisiert, indem er neben die großen Generalklauseln (§§ 138, 157, 242 BGB) zusätzliche kleine Generalklauseln (§ 241 Abs. 2, 253 Abs. 2, 313, 314 BGB) und weitere unbestimmte und zur Interessenabwägung anregende Begriffe und Konzepte treten ließ (§ 275 Abs. 2 und 3, §§ 282, 284, 323 Abs. 2 Nr. 3, §§ 324, 439 Abs. 3, § 440 BGB), mit denen die bis dahin rein richterliche Rechtsfi ndung teils legislativ verfestigt worden ist. 313 VI. Selbstkritische Überarbeitung des verbraucherrechtlichen »acquis« Die nunmehr jüngste und aktuell andauernde Periode der Verbraucherrechtsentwicklung, deren Beginn in etwa auf den Vertrag von Nizza (26. 02. 2001) verortet werden kann, steht vorwiegend im Zeichen der Selbstkritik und der Überarbeitung des bestehenden Verbraucherrechts-«Acquis«. 314 Dabei wurden Akzente in der EG-Verbraucherschutzpolitik in den vergangenen Jahren vor allem durch die Kommission gesetzt, nachdem eine eigene Generaldirektion für Gesundheit und Verbraucherschutz im Jahre 1999 geschaffen worden war. 315 2002 verkündete sie ihre »Verbraucherpolitische Strategie 2002–

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Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts – BGBl. Teil I 2001, S. 3138. Rat – Richtlinie 1999/44/EG zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter – ABl. 1999 Nr. L 171 S. 12. 309 Rat – Richtlinie 2000/35/EG zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr – ABl. 2000 Nr. L 200 S. 35. 310 Rat – Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr – ABl. 2000 Nr. L 178 S. 1. 311 W.-H. Roth, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.): Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 25 (S. 26, 27). 312 Müller-Graff, in: Müller-Graff (Hrsg.): Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, S. 9 (S. 49). 313 Jung, in: Baldus/Müller-Graff (Hrsg.): Die Generalklausel im Europäischen Privatrecht, S. 37 (S. 53). 314 Im Überblick: Vogenauer/Weatherill, ELRev 30 (2005), 821 (823 ff.); Micklitz/ Reich, VuR 22 (2007), 121 (121 ff.); Seiler, Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten, § 4 I. 4. (S. 154 ff.); Loos, GPR 5 (2008), 117 (117 ff.). 315 Vgl. hierzu: Kommission – Mitteilung der Kommission vom 07. 05. 2002 – »Verbrau308

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2006«316, wobei sie nicht nur eine Überarbeitung der Timesharingrichtlinie317 und eine Aktualisierung der Verbraucherkreditrichtlinie318 in Aussicht stellte, sondern auch ankündigte, »bei der Ausarbeitung gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des internationalen Privatrechts den Interessen der Verbraucher Rechnung [zu] tragen«319. Im Grunde wird damit die Überprüfung aller bisherigen Verbraucherrichtlinien zum Hauptziel des verbesserten geltenden und künftigen Gemeinschaftsrechts. 320 Mit dem Grünbuch vom 8. Februar 2007 hat die Kommission in diesem Sinne einen Konsultationsprozess in Gang gesetzt, der im letzten Viertel des Jahres 2007 mit der Veröffentlichung einer zusammenfassenden Analyse abgeschlossen wurde. 321 Der bisherige Besitzstand des EG-Verbraucherrechts soll in Anbetracht der neuen Technologieentwicklungen am Markt, der Rechtszersplitterung infolge der bisherigen Mindestharmonisierung und des immer noch bestehenden Vertrauensmangels der Verbraucher an einem grenzüberschreitenden Einkauf auf etwaige Lücken und Unzulänglichkeiten überprüft werden. 322 Als Handlungsoptionen stellt die Kommission einen vertikalen Ansatz (Revidierung aller bestehenden Richtlinien) einem kombinierten Modell gegenüber, bei dem auf horizontaler Ebene eine Art »Allgemeiner Teil« der Verbraucherrichtlinien (Verbraucher- und Unternehmerbegriff, Dauer der Widerrufsfrist, Modalitäten und Ausübung des Rücktrittsrechts) mit vertikal-sachbereichsspezifischen Sonderregeln gekoppelt werden würde. 323 Im Rahmen dieses kombinierten Modells bietet die Kommission die Auswahl zwischen zwei weiteren Regelungsalternativen: entweder die horizontalen Instrumente auf grenzüberschreitende Sachverhalte zu beschränken oder cherpolitische Strategie 2002–2006«, KOM(2002) 208 endgültig, Ziff. 1.1 (S. 5); Weatherill, EU Consumer Law and Policy, Ziff. 4 (S. 110 ff.). 316 Kommission – Mitteilung der Kommission vom 07. 05. 2002 – »Verbraucherpolitische Strategie 2002–2006«, KOM(2002) 208 endgültig, Ziff. 1.1 und Ziff. 3. (S. 5 und S. 12 ff.). 317 Kommission – Mitteilung der Kommission vom 07. 05. 2002 – »Verbraucherpolitische Strategie 2002–2006«, KOM(2002) 208 endgültig, Ziff. 3.1.2.2 (S. 15). 318 Kommission – Mitteilung der Kommission vom 07. 05. 2002 – »Verbraucherpolitische Strategie 2002–2006«, KOM(2002) 208 endgültig, Ziff. 3.1.3 (S. 16). 319 Kommission – Mitteilung der Kommission vom 07. 05. 2002 – »Verbraucherpolitische Strategie 2002–2006«, KOM(2002) 208 endgültig, Ziff. 3.2.3 (S. 23). 320 Kommission – Mitteilung vom 11. 10. 2004 – »Europäisches Vertragsrecht und Überarbeitung ds gemeinschaftlichen Besitzstands – weiteres Vorgehen«, KOM(2004) 651 endgültig, Ziff. 2.1.1 (S. 3 ff.). 321 Commission Staff Working Paper – Report on the Outcome of the Public Consultation on the Green Paper on the Review of the Consumer Acquis – URL: http://ec.europa. eu/consumers/cons_int/safe_shop/acquis/acquis_working_doc.pdf (04. 08. 2008); hierzu auch: Heiderhoff, ELRev 32 (2007), 740 (740 ff.). 322 Kommission – Grünbuch »Die Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz« – ABl. 2007 Nr. C 61 S. 1, Tz. 2.1 und Tz. 3. 323 Kommission – Grünbuch »Die Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz« – ABl. 2007 Nr. C 61 S. 1, Tz. 4.

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rein nationale Sachverhalte in die horizontalen Regelungsinstrumente mit einzubeziehen. 324 Eine große Mehrheit der an der Konsultation teilnehmenden Interessenvertreter (Mitgliedstaaten, Wirtschaft und Verbraucher) hat sich für eine Kombination des horizontalen Instruments mit sektoralem Richtlinienrecht ausgesprochen, wobei sich das horizontale Instrument auf sämtliche Verbraucherverträge – grenzüberschreitende wie inländische – erstrecken sollte. 325 Den Übergang zur Vollharmonisierung – ein in den Augen der Kommission oftmals unterstelltes Präferenzmodell326 – wird von der großen Mehrzahl der Mitgliedstaaten und (beschränkt auf Schlüsselbereiche) von fast 80% der Wirtschaftsvertreter bevorzugt, wohingegen die meisten Verbraucherverbände eine Mindestharmonisierung kombiniert mit dem Bestimmungslandprinzip vorziehen, wie es in Art. 5 des mittlerweile redigierten Vorschlags zur »Rom I«-Verordnung (Verbraucherverträge) vorgesehen war. 327 In Fragen der gegenseitigen Anerkennung (Herkunftslandprinzip) herrscht zwischen den Interessenvertretern dagegen wenig Übereinstimmung. 328

C. Entwicklung und sozio-juristische Rahmenbedingungen Lässt man die sechs Perioden des Verbraucherrechts Revue passieren und betrachtet das Verbraucherrecht im Gesamtzusammenhang der Rechtsentwicklung, verfestigt sich die Annahme, dass das Verbraucher- im Gegensatz zum Handelsrecht weniger als gesetzgeberische Fortsetzung soziologischer Handelsusancen, denn als ideologisches Produkt der Gesetzgebung begriffen werden muss. 329 Speziell die EG-Forcierung führt dabei vor Augen, dass das Ver324 Kommission – Grünbuch »Die Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz« – ABl. 2007 Nr. C 61 S. 1, Tz. 4.4. 325 Commission Staff Working Paper – Report on the Outcome of the Public Consultation on the Green Paper on the Review of the Consumer Acquis – Ziff. 4.1 und 4.2. 326 Trotz der angeblich offenen Diskussion wird der Kommission oftmals unterstellt, sich schon längst zugunsten der Vollharmonisierung festgelegt zu haben. Begründet wird dies mit der Präferenz, welche die Kommission in der Vergangenheit bereits – mit der Verabschiedung der Fernabsatzrichtlinie für Finanzdienstleistungen und der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken – zum Ausdruck gebracht hat. Daneben explizieren in der Tat auch der Entwurf zur Verbraucherkreditrichtlinie und die »Verbraucherschutzstrategie 2007–2013« die geheime Vorliebe der Kommission zur Vollharmonisierung [vgl. Micklitz/ Reich, VuR 22 (2007), 121 (122 ff.)]. 327 Ursprünglich hatten die Kommission und ein erheblicher Teil der Mitgliedstaaten gefordert, die Rechtswahlmöglichkeit bei Verbraucherverträgen abzuschaffen und umfassend das Heimatrecht des Verbrauchers für maßgeblich zu erachten: Kommission – Vorschlag vom 15. 12. 2005 für eine VO über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht (Rom I) – KOM(2005) 650 endgültig, Ziff. 4.2 (S. 6 f.); siehe auch: Commission Staff Working Paper – Report on the Outcome of the Public Consultation on the Green Paper on the Review of the Consumer Acquis – Ziff. 4.3. 328 Commission Staff Working Paper – Report on the Outcome of the Public Consultation on the Green Paper on the Review of the Consumer Acquis – Ziff. 4.3.2. 329 Die Kommission selbst bezeichnet es als eine »politische Entscheidung«, ob und wel-

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braucherrecht als Türöffner, möglicherweise sogar als Vorwand, zum Einsatz gebracht wurde, um gemeinschaftsweit Vertragsrecht zu harmonisieren. Dementsprechend hat es sich nicht auf natürlichem Wege aus gesellschaftlichen Bräuchen entwickelt330, sondern ist der Privatrechtsgesellschaft in Realisierung der rechtspolitischen Überzeugung aufoktroyiert worden, »daß sich die besondere Schutzbedürftigkeit des Endverbrauchers auch in der Rechtsstruktur niederschlagen« müsse331. Zeichneten sich die Volksrechte des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Handelsgesetzbuchs in ihrer Entstehung noch durch eine relativ enge Verbindung zwischen dem Recht und der Sozialordnung aus, hat sich das Verbraucherrecht nicht aus dem Zusammenleben der Menschen entwickelt, sondern ist in sehr viel größerem Maße durch die fachspezifische Rationalität von Juristen geprägt. 332 Soziologisch wird dadurch die Folgefrage aufgeworfen, ob die Verbraucherschutzbewegung auf die Entwicklung der Gesellschaft nur reagiert hat, also allein Umstände aufgegriffen hat, die schon lange vor der Konsumentenschutzbewegung Bestand gehabt haben, oder aktiv rechtspolitische Akzente setzt, also gesellschaftliche Impulse verwertet, die als Folge veränderter Strukturen erst in jüngerer Zeit zu Tage getreten sind. I. Wegfall des Zunftwesens und Bedarf nach Verbraucherschutz Ein tatsächliches Bedürfnis, den Käufer vor den Abnahmegefahren beim Erwerb von Waren oder Dienstleistungen zu schützen, besteht sicherlich bereits, seit Menschen nicht nur für den eigenen Bedarf, sondern auch für den Markt Tauschwerte produzieren. 333 Seitdem Gebrauchswerte nicht nur für den Selbstkonsum, sondern überschüssig für den Austausch hergestellt wurden, stand der Produzent unter Absatzzwang, während der Abnehmer neben einer eventuellen Informationsasymmetrie der Situation ausgesetzt war, dass er die Absatzware zur Befriedigung eines dringenden Bedürfnisses erwerben wollte. 334 Nicht gleichgesetzt werden sollte diese empirische Absatzsituation bei der Suche nach den Kausalfaktoren jedoch mit der gesondert zu beurteilenden jurische verbraucherschützenden Maßnahmen ergriffen werden: Kommission – Mitteilung der Kommission vom 07. 05. 2002 – »Verbraucherpolitische Strategie 2002–2006«, KOM(2002) 208 endgültig, Ziff. 2 (S. 6). 330 Zur Funktion der Rechtsordnung als Gestaltungsfaktor für vorhandene Wirtschaftstatsachen: Eucken, Die Grundlagen der Nationalökonomie, 2. Teil 2. Kap. II. B. (S. 90, 91). 331 Damm, JZ 33 (1978), 173 (176). 332 Vgl. zu den historischen Grundlagen des Privatrechts: Willoweit, JuS 17 (1977), 292 (292, 293). 333 Lurger/Augenhofer, Österreichisches und Europäisches Konsumentenschutzrecht, Ziff. 2 (S. 8); vgl. auch: Stromer von Reichenbach, in: Dichtl (Hrsg.): Verbraucherschutz in der Marktwirtschaft, S. 97 (S. 98 ff.). 334 Schuhmacher, Verbraucher und Recht in historischer Sicht, Vorwort (S. 6).

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tisch-ökonomischen Frage, inwiefern eine rechtliche Notwendigkeit für einen Abnehmerschutz besteht. In dieser Hinsicht kam Bedarf für einen verbraucherschützenden Vertragsschutz erst mit dem Wegfall des Zunftwesens und dem Angewiesensein auf individuelle Selbstverantwortung auf. 335 Bis in das 19. Jahrhundert war dagegen trotz Tauschwirtschaft eine rechtliche Bedarfssituation gar nicht gegeben. Denn das Zunftwesen des Mittelalters war von Grund auf so organisiert, dass nur derjenige Handel treiben durfte, der die angebotenen Waren zugleich auch herstellte. Eine der Hauptfunktionen der Zünfte bestand in der Regelung des Marktes. 336 Weil nur Zunftzugehörige gewerbeberechtigt waren und der Zutritt zu den Zünften Beschränkungen unterlag, Wettbewerbsbeschränkungen unter den Zunftmitgliedern bestanden und alle zum Interessengebiet der Zünfte gehörenden Waren einem Besichtigungs- und Beschlagnahmerecht der Zünfte unterlagen, war der Anreiz für einen aggressiven Warenabsatz bei den Herstellern nur schwach ausgeprägt. 337 Der fehlende Qualitäts- und Preiswettbewerb wurde durch eine strikte Warenqualitätskontrolle der Zünfte und eine Regulierung der Preispolitik durch die Städte ausgeglichen. 338 Zudem zeichnete sich der Markt insgesamt durch eine bemerkenswerte Transparenz aus, da alle Waren nur auf dem öffentlichen Markt der jeweiligen Stadt an den Endabnehmer vertrieben werden durften, ein »Vorwegkauf« also unzulässig war. 339 Mit dem wirtschaftlichen und politischen Wandel ab dem 16. Jahrhundert wurde der Anbietermarkt zwar zunehmend intransparent. Der Boden entzogen wurde dem faktischen Verbraucherschutz des Zunftwesens allerdings erst durch die Einführung der Gewerbefreiheit und den dadurch einsetzenden Wettbewerb im 19. Jahrhundert. 340 Nachdem sich die Gewerbefreiheit als Prinzip endgültig durchgesetzt hatte, kam es in der Wirtschaft zu einem intensiven Konzentrations- und Kartellierungsprozess, der zu einer generellen Änderung der Marktstruktur in der deutschen Wirtschaft führte. 341 Anders als heute bestanden dabei die Gefahren für den Verbraucher weniger im Erfi n335

Krause, JuS 10 (1970), 313 (317). Schuhmacher, Verbraucher und Recht in historischer Sicht, A. 2. (S. 12); Stromer von Reichenbach, in: Dichtl (Hrsg.): Verbraucherschutz in der Marktwirtschaft, S. 97 (S. 102 ff.); Haussherr, Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit, 1. Teil 2. Kap. (S. 14 ff.); unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse in München: Haenert, Preispolitik im Handwerk vom 16. bis 18. Jahrhundert, S. 51 ff.; von Rohrscheidt, Vom Zunftzwange zur Gewerbefreiheit, S. 1 ff. 337 Schuhmacher, Verbraucher und Recht in historischer Sicht, A. 3. (S. 3 ff.). 338 Schuhmacher, Verbraucher und Recht in historischer Sicht, A. 4. (S. 17 ff.); Stromer von Reichenbach, in: Dichtl (Hrsg.): Verbraucherschutz in der Marktwirtschaft, S. 97 (S. 102 ff.); zum Kartellcharakter der Zünfte: Passow, Kartelle, I. (S. 42 ff.). 339 Schuhmacher, Verbraucher und Recht in historischer Sicht, A. 4. b) cc) (S. 20). 340 Vgl. Kulischer, Allgemeine Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters und der Neuzeit, Bd. II, Kap. 28 (S. 442 ff.). 341 Eucken, Die Grundlagen der Nationalökonomie, 2. Teil 2. Kap. II. B. (S. 86). 336

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1. Kapitel: Ausgangsproblematik der vertragsrechtlichen Dreiteilung

dungsreichtum subtil vorgehender Werbe- und Absatzstrategen als vielmehr in den negativen Auswirkungen von Preis-, Konditionen-, Gebiets- und Kontingentkartellen. Die Kodifi kation des BGB fiel aus Verbraucherperspektive damit in eine Zeit, in der die Gewerbe- und Wettbewerbsfreiheit schon voll zum Durchbruch gelangt war, Industrialisierung und Massenproduktion bereits angelaufen waren und die alte Zunftordnung sich erledigt hatte. Das auslaufende 19. Jahrhundert markierte einerseits das Ende eines Jahrhunderts, in dem sich der zunftreglementierte Käuferschutz erledigt hatte; andererseits kündigte sich die Kartellierung der Unternehmen bereits an. 342 Nur tendenziell und ohne Gesamtkonzept wurden während dieser wirtschaftlichen Umbruchphase konsumentenschützende Maßnahmen ergriffen (z. B. AbzG, UWG, KartellVO) 343, weil man im Grunde glaubte, ohne Verbraucherschutzregeln auskommen zu können. 344 Ausgleich sollte nicht über privatrechtliche Marktausgleichsregeln, sondern über kartell- und wettbewerbsrechtliche Überwachungsmechanismen gefunden werden. Es war die Zeit, in der Konsumgenossenschaften gegründet wurden, mit denen weniger die individuelle Verhandlungsposition der Letztabnehmer als vielmehr der Wettbewerb auf der Einzel- und Großhändlerebene gestärkt werden sollte. 345 Gesellschaftlich wurde diese Umbruchphase durch die Entstehung der sozial schwachen Klasse der Lohnarbeiter begleitet. Sie erhielten nur geringe Löhne und wurden infolgedessen als Abnehmer auf dem Warenmarkt nicht ernst genommen. 346 Wegen ihrer fehlenden Mobilität waren sie auf den örtlichen Krämer angewiesen, der auf Grund seiner lokalen Monopolstellung oftmals schlechte Ware zu hohen Preisen anbot. Das sog. Trucksystem, mit dem Lohnarbeiter statt durch Geld in Ware bezahlt wurden, tat das seinige zum schwachen Auftritt der Lohnarbeiter auf den Absatzmärkten. 347

342 Schuhmacher, Verbraucher und Recht in historischer Sicht, C. (S. 35); von Brunn, Grundzüge des Kartellrechts, 1. Abschnitt 4. b) (S. 30 ff.). 343 Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 2 I. (S. 18 ff.); zur rechtlichen Marktmachtbekämpfung: Blaich, Kartell- und Monopolpolitik im kaiserlichen Deutschland, S. 25 ff. 344 Schuhmacher, Verbraucher und Recht in historischer Sicht, C. (S. 34). 345 Schuhmacher, Verbraucher und Recht in historischer Sicht, C. 3. a) (S. 49); Schulte, Anmerkungen zur Genese der Konsumgenossenschaften in Deutschland, III. 3. (S. 73 ff.); Hasselmann, Geschichte der deutschen Konsumgenossenschaften, S. 29 ff. 346 Schuhmacher, Verbraucher und Recht in historischer Sicht, C. 1. c) (S. 38). 347 Schuhmacher, Verbraucher und Recht in historischer Sicht, C. 1. c) (S. 38, 39); Kulischer, Allgemeine Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters und der Neuzeit, Bd. II, Kap. 28 (S. 182 ff.).

§ 9 – Verbrauchervertragsrecht – : Chronologie und Sondergehalt

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II. Die sozio-ökonomische Fortentwicklung seit der Verabschiedung des BGB Im Vergleich zu damals haben sich mittlerweile die Marktverhältnisse, Vertriebswege, Absatzmodelle und Marktstrukturen wesentlich verändert. 348 Nach wie vor gibt es zwar Waren- und Dienstleistungsanbieter, denen Privatabnehmer gegenüberstehen. Konsumenten können nach wie vor in fi nanzielle Schwierigkeiten geraten, indem sie Geld ausgeben, das sie eigentlich nicht zur Verfügung haben. 349 Jedoch sind jenseits dieser Grundparadigmen wesentliche Änderungen zu verzeichnen. So hat sich die Gesellschaft durch zwei Weltkriege, eine Serie von Staatsformen und ökonomischen Durststrecken tiefgreifend gewandelt. 350 Während es im Warensektor zu einer Differenzierung in den Produktsortimenten der Anbieter und infolge der Automatisierung zu einem Abbau an Arbeitsplätzen gekommen ist, hat der Dienstleistungssektor volkswirtschaftlich an Bedeutung gewonnen. 351 Gerade hier ist bei den Anbietern ein spürbarer Anstieg der Wissensspezialisierung eingetreten. 352 Auch im Produktbereich wurden innovative Herstellungsverfahren entdeckt und neue Absatzmethoden entwickelt. 353 Aus Herstellersicht entscheiden zwar nach wie vor die Vertriebsbindungen mit Vertragshändlern und Absatzmittlern über die Kunst des Absetzens und das unternehmerische Sein oder Nichtsein. Die wirtschaftliche Bedeutung des (End-) Verbrauchers hat jedoch erheblich zugekommen. Mit dem wirtschaftlichen und sozialen Wandel der Nachkriegszeit verschob sich der betriebliche Engpass wegen des Angebotsüberhangs zusehends von der Erzeugung auf den Warenabsatz354, sodass – wie in einer verkehrswirtschaftlichen Ordnung üblich – grds. der »Konsument als Organist unmittelbar am Manual der Wirtschaftsorgel« sitzt355. Zur optimalen Gewinnerzielung sind demgemäß neue Werbepraktiken entstanden356 ; als Marketingkonzepte haben sich Vertriebs348 Im Überblick: Martinek, in: Martinek/Semler/Habermeier (Hrsg.): Hdb. des Vertriebsrechts, § 2 I. 1. a) Rn. 1 ff. (S. 32 ff.); vgl. auch: Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1. Kap. II. (S. 6). 349 N. Neumann, Bedenkzeit vor und nach Vertragsschluss, Teil 1 Kap. 1 I. B. 1. a) (S. 21). 350 L. Raiser, JZ 13 (1958), 1 (3). 351 Larenz/M. Wolf, Allgemeiner Teil des BGB, § 2 III. Rn. 67 (S. 37); K. Simitis, Verbraucherschutz, Schlagwort oder Rechtsprinzip?, IV. Kap. 1. (S. 100). 352 Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 2. Kap. I. 5.3.3. (S. 144 ff.); Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, § 5 II. 5. a) (S. 204). 353 N. Neumann, Bedenkzeit vor und nach Vertragsschluss, Teil 1 Kap. 1 I. B. 1. a) (S. 21). 354 K. Simitis, Verbraucherschutz, Schlagwort oder Rechtsprinzip?, V. Kap. 1. (S. 138). 355 Böhm, in: Mestmäcker (Hrsg.): Freiheit und Ordnung in der Marktwirtschaft, I. 2. (S. 90). 356 Berens, Fremdbestimmung des Konsumenten bei der Vertragsanbahnung insbesondere durch Irreführung, 1. Teil 1. (S. 38 ff.).

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1. Kapitel: Ausgangsproblematik der vertragsrechtlichen Dreiteilung

wegekooperationen in mannigfaltigen Erscheinungsformen gebildet, mit denen sich Hersteller und Absatzmittler gegen den Verbraucher verbünden. Traditionelle, an den eigenen Sektorgrenzen endende Beziehungen zwischen Herstellern, Großhändlern und Einzelhändlern werden zunehmend ersetzt durch kooperationsgeprägte Beziehungen, insbesondere auf logistischem Gebiet. 357 Mit Konzept und Plan setzen Unternehmer free rider-Anreize für Konsumenten, die für den einzelnen Verbraucher zwar vorteilhaft sein mögen, für die Gesamtgruppe der Konsumenten aber Wohlfahrtsverluste bringen358. Durch die Weiterentwicklung der Informationstechnologie wurden die Absatzvertriebssysteme revolutioniert, was es den Vertriebsstellen ermöglicht, mit Hilfe von EDV, Automatisierung und Laser-Lesegeräten Produkte ohne große Lagerhaltung nur dann zu bestellen, wenn sie ausverkauft sind (just in time delivery). Die Einzelhändler sind mit ihren vorgelagerten Vertriebsstufen durch Kommunikationssysteme verknüpft, sodass der Scannvorgang beim Verkauf nicht nur den Ausdruck der Rechnung, sondern auch die sofortige Nachbestellung des verkauften Produkts veranlasst. »Just in time« hat weitgehend zum Übergang vom angebotsgetragenen »Schub-Prinzip« zum nachfragegetragenen »Sog-Prinzip« geführt, sodass letztlich der Verbraucher über den Absatz entscheidet. Damit wird die Produktion immer weniger durch strategische Entscheidungen des Herstellers als durch die aktuellen Bedürfnisse des Verbrauchers bestimmt – Bedürfnisse, die es aus Herstellersicht ständig zu revitalisieren gilt. 359 Die daraus resultierende Absatzförderung, die steigende Anonymisierung des Marktgeschehens sowie die Tiefenstaffelung von Produktion und Absatz, die typischerweise mit eher kurzfristigen Käufer-Verkäufer-Beziehungen einhergehen, überfordern den Verbraucher nicht selten. 360 Insbesondere die mit dem Fernabsatz verbundenen Kommunikationsmethoden stellen ihn vor neue Anforderungen. 361 Konnte der Verbraucher vormals seine Wahl noch als Käufer auf einem örtlich begrenzten Markt treffen, ist er heute Teil eines Massemarktes und »Ziel von Werbekampagnen und Pressionen durch mächtige, gut organisierte Produktions- und Absatzsysteme«. 362 Während handelsrechtliche 357 Zur vertikalen Vorwärtsintegration bzw. vertikalen Gruppenkooperation: Martinek, in: Martinek/Semler/Habermeier (Hrsg.): Hdb. des Vertriebsrechts, § 2 I. 1. a) Rn. 1 ff. (S. 32 ff.) 358 Neeman, JLEconOrg 15 (1999), 685 (685 ff.). 359 Martinek, in: Martinek/Semler/Habermeier (Hrsg.): Hdb. des Vertriebsrechts, § 2 I. 2. Rn. 18 ff. (S. 41 ff.); K. Simitis, Verbraucherschutz, Schlagwort oder Rechtsprinzip?, IV. Kap. 1. (S. 101, 103 ff.); M. Neumann, in: Dichtl (Hrsg.): Verbraucherschutz in der Marktwirtschaft, S. 11 (S. 16, 17); Reich, Markt und Recht, 4. Kap. I. 3. (S. 182, 183). 360 Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, § 1 VI. 2. (S. 50 ff.). 361 Larenz/M. Wolf, Allgemeiner Teil des BGB, § 2 III. Rn. 67 (S. 37). 362 Rat – Erstes Programm der EWG für eine Politik zum Schutz und zur Unterrichtung der Verbraucher v. 14. 04. 1975 – ABl. 1975 Nr. C 26 S. 2 Tz. 6.

§ 9 – Verbrauchervertragsrecht – : Chronologie und Sondergehalt

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Beziehungen nach wie vor vielfach aus long term contracts bestehen, werden in b2c-Verhältnissen häufig spot contracts geschlossen, bei denen das Zulassen einer Verhandlungssituation für den Unternehmer wegen der Einmaligkeit des Austauschs ökonomisch ineffi zient wäre. 363 Die Zahl der Vertragsverhältnisse – und damit auch die Zahl der spot contracts – ist im privaten Bereich angestiegen, wozu die sozialen Sicherungssysteme, der Lebensstandard und die Versorgungslage des Bevölkerungsdurchschnitts einen Beitrag geleistet haben. 364 Weil auch die Zahl der Internet-Nutzer und die Absatzmöglichkeiten im Wege des (grenzüberschreitenden) elektronischen Handels ständig zunehmen, ist heute ein weitaus größerer Bevölkerungskreis in der Lage, sich an einem derart anonymisierten Erwerbsprozess zu beteiligen, bei dem auf Kooperationsgewinne wenig Wert gelegt wird. 365 Ermöglicht wurde die zunehmende Konsumbereitschaft nicht zuletzt auch durch die Produktwandlung im Kreditbereich. Während es in den 1960er und 1970er Jahren noch eine »cash society«, also eine »Barzahlungsgesellschaft« gab, in der Verbraucherkredite nur in Gestalt des »Ratenkaufs« und »Mietkaufs« eine Rolle spielten, werden heute dem Verbraucher Kredite in Form vieler verschiedener Finanzinstrumente – insbesondere gekoppelt mit Lebensversicherungen und Investmentfonds366 – angeboten. 367 So verfügten im Jahre 2001 bereits 50 bis 65% der Verbraucher über einen Verbraucherkredit, mit dem sie beispielsweise den Kauf ihres Autos oder anderer Waren oder Dienstleistungen fi nanzierten; 30% der Verbraucher hatten die Möglichkeit, ihr Konto zu überziehen. 368 Diese letztere Form des Kredits wurde in den 1970er Jahren gar nicht zu Konsumzwecken genutzt. 369 363

Eidenmüller, Effi zienz als Rechtsprinzip, Teil 2 § 3 A. II. (S. 88). Merz, Privatautonomie heute – Grundsatz und Rechtswirklichkeit, IV. 3. (S. 18). 365 Von März 2000 bis Dezember 2001 stieg der Prozentsatz der Haushalte mit InternetZugang von 18% auf 38% [Kommission – Mitteilung der Kommission vom 07. 05. 2002 – »Verbraucherpolitische Strategie 2002–2006«, KOM(2002) 208 endgültig, Ziff. 2.3.2 (S. 9)]; zur Entwicklung des Internet als virtueller Marktplatz für Verbraucher: Seiler, Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten, § 6 (S. 206 ff.). 366 Kommission – Vorschlag für eine Richtlinie zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über den Verbraucherkredit vom 11. 09. 2002 – KOM(2002) 443 endgültig, Ziff. 3 (S. 25). 367 Kommission – Vorschlag für eine Richtlinie zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über den Verbraucherkredit vom 11. 09. 2002 – KOM(2002) 443 endgültig, Ziff. 1.2 (S. 3); Hüttebräuker, Die Entstehung der EG-Richtlinien über den Verbraucherkredit, D. I. 1. d) aa) (S. 61, 62). 368 Kommission – Vorschlag für eine Richtlinie zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über den Verbraucherkredit vom 11. 09. 2002 – KOM(2002) 443 endgültig, Ziff. 1.2 (S. 3). 369 Kommission – Vorschlag für eine Richtlinie zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über den Verbraucherkredit vom 11. 09. 2002 – KOM(2002) 443 endgültig, Ziff. 1.2 (S. 3). 364

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1. Kapitel: Ausgangsproblematik der vertragsrechtlichen Dreiteilung

D. Verbraucherschutzdebatte und Modellspaltung im Schrifttum Trotz der vorbeschriebenen Änderungen besteht die Aufgabe des Rechts der Wettbewerbsbeschränkungen nach wie vor darin, Marktdefekte zu bekämpfen, welche die Auswahlmöglichkeiten des Verbrauchers beeinträchtigen, also extern auf den Verbraucher einwirken. Inwiefern der Verbraucher darüber hinaus in seiner individuellen Auswahlfähigkeit schützenswert ist, also intern vor Fehlfunktionen geschützt werden muss »that take place . . . ›inside the consumer’s head‹«370, ist Gegenstand eines fortdauernden Theorienstreits371. Während in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nur Teile der Literatur anfi ngen, die »Grenzen der Funktionsfähigkeit des Liberalismus« zu beklagen372 , wurde etwa Ende der 1970er Jahre bereits auf breiter Front die »›Krise‹ der Privatautonomie« proklamiert. 373 Forderungen nach alternativen Sozialmodellen wurden laut. Exemplarisch hierfür ist z. B. die von Reich im Jahre 1974 aufgestellte Forderung nach einer »sozialwissenschaftlich abgesicherte[n] Zivilrechtsdogmatik, die auf Grund einer theoretischen Reflexion über die ökonomische Verankerung des Zivilrechts einerseits und über seine verfassungsrechtliche Stellung andererseits verbraucherschützenden Konzeptionen zur Durchsetzung verhilft«. 374 Seitdem wenden sich viele Autoren gegen den »eisigen Wind«, der von dem liberalen Vertragsverständnis des auslaufenden 19. Jahrhunderts ausgegangen ist, und fordern in mehr oder weniger großem Umfang die materiell-soziologische Wende in der Privatautonomie. 375 Liberale und dem Informationsmodell verschriebene Autoren beharren dagegen auf dem idealisierten Freiheitsformalismus des ursprünglichen BGB und argumentieren nicht selten ökonomisch. 376 Der Verbrauchergesetzgebung halten sie entgegen, dass letztlich frei nach dem Grundsatz »There ain’t no such thing as a free lunch« (»TANSTAAFL«) doch wieder der Verbraucher die vordergründig unentgeltlichen Rechte zusammen mit der Ware bezahle. 377 Indem die Zusatzkosten auf den Verbraucher – individuell oder gruppenbezogen – 370 Zu dieser Unterscheidung zwischen »external market failures« (antitrust) und »internal market failures« (consumer protection) siehe: Averitt/Lande, AntitrustLJ 65 (1997), 713 (714). 371 Vgl. Wagner, ZEuP 15 (2007), 180 (191, 192); zum Unterschied zwischen »liberal« und »sozial« in diesem Zusammenhang: Canaris, AcP 200 (2000), 273 (289 ff.). 372 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 (157). 373 Im Überblick: Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 2. Kap. § 1 IV. (S. 22 ff.); 1957 bereits von einer »Krise des Vertragsrechts« sprechend: Reinhardt, FS für Schmidt-Rimpler (70. Gebtg.), S. 115 (S. 115); aus der Perspektive des nordischen Rechts: Wilhelmsson, Critical Studies in Private Law, Chapt. I 1. (S. 2, 3). 374 Reich, ZRP 7 (1974), 187 (188). 375 Honsell, JZ 44 (1989), 495 (495); Reifner, Alternatives Wirtschaftsrecht am Beispiel der Verbraucherverschuldung, S. 17 ff.; Joerges, Verbraucherschutz als Rechtsproblem, IV. (S. 123 ff.); K. Simitis, Verbraucherschutz, Schlagwort oder Rechtsprinzip?, S. 97 ff. 376 Vgl. Reuter, AcP 189 (1989), 199 (199 ff.). 377 Vgl. DNotV – Stellungnahme zum Grünbuch »Die Überprüfung des gemeinschaft-

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übergeleitet würden, komme es zu einem »regulatory backfiring«. 378 Auf diese Weise laufe vor allem das Verbrauchervertragsrecht Gefahr, in Wirklichkeit nicht dem kleinen Manne zu dienen, sondern den wohlstandsmehrenden Konsumbürger zu stützen. 379 Konträr zu der Krisenbewegung der 1970er Jahre wird das Szenario des überschießenden Verbraucherschutzes mit diesen und anderen Argumenten aufgegriffen und mit der Ausrufung einer diesmal materialen Krise des Vertragsrechts reagiert. 380 Sogar der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit wird teilweise erhoben, insbesondere was den fragwürdigen Freiheitsverlust durch die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie anbelangt. 381 Argumente wie diese lassen die soziologischen Reformisten gleichwohl nicht gelten. Den geänderten Rahmenumständen, dass der Bürger heute nicht mehr vor dem Staat, sondern vor der Marktbeeinflussung durch die »anonyme[n] Mächte[.]« bewahrt werden müsse382 , werde das »liberale Sozialmodell« des BGB nicht ausreichend gerecht, weil es den historisch überholten, ideologischen Vorstellungen der Klassenherrschaft des freien Bürgertums verpfl ichtet sei; es trage den Anforderungen des Sozialstaatsprinzips nicht hinreichend Rechnung. 383 Das Informationsmodell wird von dieser Seite weiterhin abgelehnt, weil es sich »mit den Prämissen funktionierenden Wettbewerbs und der Fähigkeit der Verbraucher zu rationaler Entscheidung in Widerspruch zur sozialen Realität« gesetzt habe. 384 Mit dem Vorwurf, dass »Wettbewerb« erwiesenermaßen als Ordnungsprinzip nur begrenzt leistungsfähig sei, um die »dysfunktionalen Folgen des Marktmechanismus« zugunsten des Verbrauchers kompensieren zu können, wird der verbraucherrechtlichen Materialisierungsbewegung der Rücken gestärkt, währenddessen man dem Konzept der ordoliberalen Marktordnung trotz der normativen Fortentwicklung nach wie vor mit Argwohn begegnet. 385

lichen Besitzstands im Verbraucherschutz« – KOM (2006) 744 fi nal, Teil 1 (S. 4, 5) – URL: http://www.dnotv.de/Dokumente/Stellungnahmen.html (04. 08. 2008). 378 Collins, Regulating Contracts, Part 4–11. (S. 274 ff.). 379 Martinek, in: Willoweit (Hrsg.): Rechtswissenschaft und Rechtsliteratur im 20. Jahrhundert, S. 141 (S. 158). 380 Martinek, TSAR 2007, 1 (6 ff.); Reuter, in: F. Bydlinsky/Mayer-Mali (Hrsg.): Die ethischen Grundlagen des Privatrechts, S. 105 (117). 381 Mohr, AcP 204 (2004), 660 (688, 689). 382 L. Raiser, JZ 13 (1958), 1 (3). 383 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, A. VI. (S. 24); vgl. Wieacker, Das Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbücher, S. 16 ff.: Wieacker selbst versteht seine Aussagen jedoch als »Wirklichkeitsanalyse« und verwahrt sich gegen einseitige, politische Schlussfolgerungen (hierzu Fn. 36 der vorgenannten Quelle). 384 Vgl. Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 2 IV. 2. (S. 29). 385 K. Simitis, Verbraucherschutz, Schlagwort oder Rechtsprinzip?, IV. Kap. 2. (S. 107 ff.); vgl. Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 2 III. (S. 23, 24).

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1. Kapitel: Ausgangsproblematik der vertragsrechtlichen Dreiteilung

In gewisser Weise relativiert werden die beiden vorgenannten Ausgangspositionen in jüngster Zeit durch vermittelnde Modellversuche, die vor allem auch aus ökonomischen Erkenntnissen unter Hinweis auf die Komplexität des Marktmechanismus gewonnen werden. 386 So geht unter Hinweise auf Transaktionskosten und adverse Effekte selbst die Informationstheorie mittlerweile davon aus, dass Information nicht ausreicht, sondern Marktintervention erforderlich ist, um eine Verhandlungsatmosphäre und Gleichgewicht zwischen Käufer und Verkäufer zu erzielen. 387 Auch wird der verbraucherrechtliche Diskursantagonismus auch rechtshistorisch aufgeweicht: So gelangte Hofer bei dem Unterfangen, den vermeintlichen Reinformen der zwischen formaler Freiheit und materieller Verantwortung kontrastierten Standpunkten auf den Grund zu gehen, zu dem Ergebnis, dass die Privatrechtskonzeptionen des 19. Jahrhunderts entgegen dem landläufigen Vorwurf keineswegs von dem Gedanken unbeschränkter Freiheit geprägt gewesen seien. 388 Vielmehr sei diese liberale Stilisierung als plakative Idealisierung bereits von C. A. Schmidt und O. von Gierke instrumentalisiert worden, um mit dem Bild vom absoluten Liberalismus eine artifi zielle Gegenposition zu kreieren, die leicht bekämpft und angegriffen werden könne. 389 In Wirklichkeit seien die Standpunkte subtiler verteilt und ließen sich im wesentlichen »vier Grundmodellen zuordnen: (1) Unbeschränkte Freiheit gilt als Prinzip des Privatrechts. (2) Freiheit wird als Grundsatz abgelehnt; stattdessen sollen andere Prinzipien die Gestaltung der Privatrechtsordnung bestimmen. (3) Andere Prinzipien werden neben die Freiheit gestellt und bilden deren immanente Schranke. (4) Freiheit erhält die Bedeutung einer Regel, von der Ausnahmen möglich sind.«390 Welchem dieser Ansätze gefolgt werden kann oder ob die Aufzählung möglicherweise um ein zusätzliches Modell zu ergänzen ist, um den oberflächlichen Gegensatz zwischen Verbraucher- und bürgerlichem Recht einer systematischen Kohärenz zuzuführen, ist u. a. im Folgenden weiter zu erörtern.

386 Wagner, ZEuP 15 (2007), 180 (193, 194); Westermann, FS für Lange (70. Gebtg.), S. 995 (S. 999). 387 Hadfi eld/Howse/Trebilcock, JCP 21 (1998), 131 (134, 141); Richter R. /Furubotn, Neue Institutionenökonomik, II. (S. 53 ff.). 388 Hofer, Freiheit ohne Grenzen?, Einleitung (S. 1 ff.). 389 M. w. N.: Hofer, Freiheit ohne Grenzen?, Ergebnis (S. 275). 390 Hofer, Freiheit ohne Grenzen?, Ergebnis (S. 276).

§ 10 Zusammenfassung des Bisherigen und Programmthese

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§ 10 Zusammenfassung des Bisherigen und Programmthese Sieht man von den jüngst integrierten verbraucherrechtlichen Regelungen ab, hat das BGB den hohen Abstraktionsgehalt seiner Normen und die formal gleiche Freiheitsgewähr seit seiner Kodifi kation beibehalten. Mit Ausnahme der sozial motivierten miet- und dienstvertraglichen Vorschriften ist ihm der Gedanke der Gruppentypisierung fremd. Die wachsende Interventionsbereitschaft des Staates macht sich lediglich über die BGB-Generalklauseln – und zwar mediatisiert über die verfassungsrechtliche Fortentwicklung der Grundrechte zu aktiven Schutzpfl ichten der Staatsorgane – bemerkbar. Während die zeitliche Vorreiterstellung der deutschen Handelsrechtskodifikation auf dem Einheitsstreben nach einer deutschen Privatrechtsordnung beruhte, ist ihre systematische Sonderstellung damit zu erklären, dass auch nach der Kodifi kation des BGB ein Raum für die Sonderbedürfnisse von Handeltreibenden bzw. die Sonderentwicklungen von Handelsvorschriften aufrecht erhalten werden sollte. Retrospektiv betrachtet ist das HGB dieser Vorreiterfunktion allerdings nur unzureichend gerecht geworden. Ein maßgebliches Hindernis in dieser Funktionserfüllung war der deutsche Kaufmannsbegriff, der besonders während der letzten Jahrzehnte das Recht der Handelsgeschäfte europäisch und international ins Abseits gestellt hat. Während für spezifisch handelsrechtliche Regelungen bereits im Mittelalter durch die erhebliche Ausweitung des Geschäftsverkehrs ein starkes Bedürfnis nach einem Sonderrecht in Überwindung der christlichen Wucherlehre vorhanden gewesen war, entstand ein tatsächliches Bedürfnis für ein spezifisches Verbraucherrecht erst im 19. und 20. Jahrhundert, als u. a. die umfassende Marktregulierung der Gilden abgebaut wurde, die vormals Kaufleuten jeden Anreiz bzw. jede Möglichkeit zu aggressivem Warenabsatz durch eine umfassende Marktregulierung genommen hatten. Als relativ junges Sonderrecht verdankt das Verbraucherrecht seine Ausgestaltung vor allem der europäischen Rechtsentwicklung, die u. a. auch dazu geführt hat, dass der Kaufmannsbegriff (vormals in zahlreichen Verbrauchergesetzen ein negativer Typusbegriff zur persönlichen Schutzbereichsabgrenzung), durch das »Unternehmer-Verbraucher«-Begriffspaar ersetzt worden ist. Über die Stationen der »EG-Verbraucherprogramme«, der »Cassis-Rechtsprechung«, der »EEA«, »Maastricht« und »Amsterdam« ist die EG-Verbraucherrechtsentwicklung mittlerweile an einem Punkt angelangt, an dem der Vorwurf der Überregulierung im Raume steht und die Aufgabe des Widerspruchsabbaus im Sinne einer Überarbeitung des »aquis« selbstkritisch sogar von den Gemeinschaftsorganen thematisiert wird. Die Grabenkämpfe zwischen Formalisten und Materialisten bzw. Liberalisten und Sozialisten um die Zukunftsvision der Rechtsangleichung gehen unterdessen weiter. Aus historischer Sicht ist diesem status quo ein schlechtes Zeugnis auszustellen. Mit

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1. Kapitel: Ausgangsproblematik der vertragsrechtlichen Dreiteilung

thesenartiger Provokation ließe sich die (noch näher zu untersuchende) Behauptung aufstellen, dass nicht nur die Bereichsabgrenzung des Handelsvertragsrechts, sondern auch diejenige des Verbrauchervertragsrechts durch ihre rechtspolitischen Rahmenumstände jeweils negativ beeinflusst wurden: im Handelsvertragsrecht in subjektiver Hinsicht, indem der Kaufmannsbegriff bereits bei seiner ursprünglichen Kodifi kation vorschnell aus teilweise obsoleten Handelsusancen deduziert wurde, um Rechtseinheit im Deutschen Reich herzustellen; im Verbrauchervertragsrecht in objektiver Hinsicht, indem die »Verbraucher-Unternehmer«-Begegnung aus Gründen der Binnenmarktharmonisierung teilweise auf solche Sachbereiche ausgedehnt wird, die das Prädikat Verbraucherschutz systematisch nicht verdienen.

2. Kapitel

Sondervertragliche Systemvorgaben der Rechtsordnung In ihren Grundparadigmen hängt die Daseinsberechtigung der vertragsrechtlichen Dreiteilung bei elementarer Betrachtung von dem vertikalen Verhältnis zwischen staatlicher Einflussebene, EG-rechtlicher Einflussebene und der Autonomie in der Privatrechtsgesellschaft ab. Fragen wie diejenige nach dem Maß an Einflussnahme, welches die EG und der Staat auf die vertragsrechtliche Ausgestaltung nehmen sollten, und dem Grad an unterschiedlicher Ausgestaltung, welches die EG und der Staat bei der vertragsrechtlichen Inhaltskontrolle in sachbereichs- oder personenbereichsspezifischer Hinsicht unternehmen dürfen, spielen dabei eine Rolle.1 Bevor aber aus diesem Blickwinkel der Frage nachgegangen werden kann, inwiefern die EG bzw. der Staat selbst bezogen auf das Vertragsrecht bei der Regulierung von Marktversagen, also bei der Regulierung des Handelns privater Wettbewerber, unverhältnismäßige Maßnahmen ergriffen haben könnten 2 , ist vorrangig in begriffl icher Hinsicht ein gemeinsamer Verständnishorizont herzustellen. Im vorliegenden Zusammenhang lenkt dies unweigerlich die Aufmerksamkeit auf den diskussionsprägenden Begriff der »Sonderprivatrechte«.

§ 11 Begriff der Sonderprivatrechte – Systembegriff des Vertragsrechts? Während Gesetzgeber3 und Gerichte4 es immer noch vermeiden, bestimmte Normkomplexe als »Sonderprivatrechte« zu bezeichnen, verwendet die Lite1 Zur vertikalen Dimension einer europäischen Zivilrechtsdogmatik: Basedow, in: Zimmermann/Knütel/Meincke (Hrsg.): Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 79 (S. 94, 95). 2 Grundmann, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 1 (S. 13). 3 Eine beispielhafte Regelung, in der der Begriff des Sonderprivatrechts ausnahmsweise ausdrücklich Erwähnung fi ndet: § 6 der Anordnung über die Geschäftsverteilung der Landesregierung Rheinland-Pfalz (Anordnung über die Geschäftsverteilung der Landesregierung Rheinland-Pfalz vom 20. 07. 1998 – GVBl. 1998, S. 236). 4 Während das BSG etwa in einem Urteil aus dem Jahre 2005 das HGB aufgrund seiner Anknüpfung an den Kaufmannsbegriff als »Sonderprivatrecht für den Rechtsverkehr unter

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ratur den Terminus »Sonderprivatrecht« nicht selten zur Bezeichnung ausgesuchter Normgruppen, die in ihrer Gesamtbewertung und in ihrem Verhältnis zueinander nicht unbedingt Gemeinsamkeiten aufweisen. Auch im vertragsrechtlichen Zusammenhang wird der Begriff der »Sonderprivatrechte« häufig als Oberbegriff für Abspaltungen von Teilbereichen des Sachprivatrechts verwendet. 5 Bei der Kategorisierung des Handels- und Verbraucherrechts gelangt er zum Einsatz6, wobei selbst das Richtlinienrecht der Gemeinschaft als »Sonderprivatrecht des Verbraucherschutzrechts« bezeichnet wird7. Als Rechtsbegriff hat sich das Sonderprivatrecht erst im Laufe der ersten zivilrechtlichen Kodifi kationen und im Rahmen der Debatte um die »Einheit des Privatrechts« herausgebildet.8 Während der Terminus »Sonderprivatrecht« in wissenschaftlichen Veröffentlichungen in der ersten und zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts allenfalls peripher verwendet worden ist, hat er seit den 1960er und 1970er Jahren eine neue Blütezeit erlebt. Vorläufiger Höhepunkt dieser Entwicklung war die Zivilrechtslehrertagung von 1977, durch die das Sonderprivatrecht als Schlüsselbegriff einer Vielzahl zivilrechtsdogmatischer Probleme wieder an Aktualität gewonnen hat.9 Recht plakativ kategorisiert die Literatur seitdem Rechtsgebiete wie das Handelsrecht, das Arbeitsrecht, das Immaterialgüterrecht und vereinzelt auch das Privatversicherungsrecht als Auswüchse sonderprivatrechtlicher Kodifi kationsbestrebungen10. Kaufleuten« bezeichnet hat [BSG – Urteil v. 22. 06. 2005, Az.: B 12 KR 28/03 R – Die Beiträge Beilage 3/2006, 76 (80)], sprach sich das LAG Hamm im Jahre 2003 dafür aus, dem Arbeitsrecht wegen seiner Sonderstellung gegenüber dem Bürgerlichen Recht das Attribut »Sonderprivatrecht« zuzusprechen [LAG Hamm: Urteil v. 01. 04. 2003, Az.: 19 Sa 1901/02 – ZGS 2 (2003), 232 (236)]. 5 Westermann, FS für Lange (70. Gebtg.), S. 995 (S. 1002); Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, § 7 II. (S. 240 ff.); im Überblick: Rebe, JA 20 (1978), 391 (391 ff.); Tonner, JZ 51 (1996), 533 (535, 536). 6 Vgl. hierzu: Treber, AcP 199 (1999), 525 (541); Preis, ZHR 158 (1994), 567 (569); Koziol, AcP 188 (1988), 183 (183); Singer, ZIP 13 (1992), 1058 (1058 ff.); Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, Einl v § 1 Rn. 1 ff.; Horn, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, Einleitung I Rn. 1; Ensthaler, in: Ensthaler (Hrsg.): Gemeinschaftskommentar HGB, Einleitung Rn. 1; Röhricht, in: Röhricht/von Westphalen, HGB, Einleitung Rn. 1; Hönn, Keio Law Review No. 6 1990, 201 (201 ff.); Richardi, in: Willoweit (Hrsg.): Rechtswissenschaft und Rechtsliteratur im 20. Jahrhundert, S. 473 (S. 476, 477). 7 Micklitz, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht A 2 Art. 1–3 Rn. 2. 8 Vgl. Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 2. Teil 1. Abschnitt 1. Kap. I. (S. 47, 48). 9 Hiervon legen bereits die Titel der Referate Zeugnis ab: Westermann, Sonderprivatrechtliche Sozialmodelle und das allgemeine Privatrecht [AcP 178 (1978), 150 ff.]; Lieb, Sonderprivatrecht für Ungleichgewichtslagen? Überlegungen zum Anwendungsbereich der sogenannten Inhaltskontrolle privatrechtlicher Verträge [AcP 178 (1978), 196 ff.]; Mertens, Deliktsrecht und Sonderprivatrecht – Zur Rechtsfortbildung des deliktischen Schutzes von Vermögensinteressen [AcP 178 (1978), 227 ff.]. 10 F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 3. Hteil. I. 1. (S. 417); Larenz/M. Wolf, Allgemeiner Teil des BGB, § 1 II. 2. a) Rn. 52 ff. (S. 34 ff.); Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, § 2 II. Rn. 13 ff. (S. 8 ff.).

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Ein bereichsübergreifender Meinungskonsens über den Bedeutungsgehalt von Sonderprivatrechten, dem auch Anhaltspunkte für die Divergenzgründe und den Revisionsbedarf des Handels- und Verbraucherrechts entnommen werden könnten, ist bisher jedoch ausgeblieben. Darüber, welche Kausalelemente für die Entstehung von Sonderprivatrechten jeweils maßgeblich sind, besteht noch immer Uneinigkeit.11

A. Inhaltliche Spezifitäten als sonderprivatrechtliche Normmerkmale Vielfach begründet die Literatur die Daseinsberechtigung der verbraucherund handelsrechtlichen »Sonderprivatrechte« mit inhaltlichen und politischen Argumenten.12 Ein Sonderprivatrecht zeichne sich durch seinen im Verhältnis zum allgemeinen Zivilrecht nur eingeschränkten persönlichen Anwendungsbereich aus.13 Sonderprivatrechte seien Normgruppen, die sich auf besondere Berufsgruppen oder Lebensbereiche beziehen, die wegen ihrer Komplexität und Eigenart einer spezifischen Regelung bedürften.14 Sie bestünden aus Normen, die im allgemeinen Privatrecht nicht vorkommen, die allgemeinprivatrechtliche Vorschriften verdrängten oder ein Forum bieten, allgemeinprivatrechtliche Institutionen einem spezifischen Regelungsbereich anzupassen.15 Als charakteristisch wird erachtet, dass zwar gemeinsame Wurzeln, etwa in der Funktion als Verkehrsrecht bestehen, im übrigen aber »gleichartige Tatbestände einer abweichenden, von verschiedenen Rechtsgedanken getragenen Ordnung« zugeführt werden.16 Zudem sei sonderprivatrechtlichen Vorschriften ein überdurchschnittlicher Anteil an zwingenden Rechtsvorschriften eigen, sodass sie in einer gewissen Nähe zu dem öffentlichen Recht st[ünden] oder sogar »in großem Umfang [selbst] öffentliches Recht« enthalten.17 Charakteristisch für Sonderprivatrechte sei die »Ausbildung von Ausnahmeregelungen für bestimmte Personenkreise«, insbesondere die partielle Durchbrechung der Gleichheit aller vor dem Gesetz.18 11 F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 3. Hteil. I. 1. (S. 416, 417); Preis, ZHR 158 (1994), 568 (569); Bülow/Artz, Verbraucherprivatrecht, 1. Teil 4. Abschnitt A. (S. 12); Pfl ug, Kontrakt und Status im Recht der AGB, 1. Teil I. 3. c) (S. 20). 12 Wieland, Handelsrecht – Bd. 1, § 8 (S. 54, 55). 13 Lurger/Augenhofer, Österreichisches und Europäisches Konsumentenschutzrecht, Ziff. 3.1 (S. 13); Schöttler, Verbraucherschutz durch Verfahren, 1. Teil A. II. (S. 12). 14 N. Neumann, Bedenkzeit vor und nach Vertragsschluss, Teil 1 Kap. 1 I. B. 2. (S. 22 ff., 26); Berens, Fremdbestimmung des Konsumenten bei der Vertragsanbahnung insbesondere durch Irreführung, Einleitung (S. 29); vgl. auch: F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 3. Hteil. I. 1. b) (S. 417, 418); Eltzbacher, Deutsches Handelsrecht, S. 8. 15 Horn, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, Einleitung I Rn. 4; Schöttler, Verbraucherschutz durch Verfahren, 1. Teil A. II. (S. 12). 16 Wieland, Handelsrecht – Bd. 1, § 1 (S. 4). 17 Horn, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, Einleitung I Rn. 6. 18 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, A. VI. (S. 23).

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I. Spezialität des Handels- gegenüber dem allgemeinen Vertragsrecht Dementsprechend wird auch der sonderprivatrechtliche Eigengehalt des Handelsrechts darauf zurück geführt, dass es fokussiert auf den Handelsverkehr Rechtsbeziehungen zwischen einem »bestimmten Adressatenkreis«19, nämlich »von Kaufleuten untereinander . . . und . . . zwischen Kaufleuten und anderen Personen«20, regele. Es umfasse »diejenigen privatrechtlichen Rechtssätze, welche dem Handel eigentümlich sind und nur für ihn gelten«. 21 Es stelle Sonderregelungen für jenen Teil der »Friedensordnung« auf, »welcher für diejenige menschliche Tätigkeit, die unter Handel verstanden wird, dem Bedürfnisse nach Ruhe und äußerer Sicherheit gerecht zu werden hat, soweit zur Befriedigung dieses Bedürfnisses besondere Normen notwendig sind.«22 Handelsrechtliche Vorschriften regelten »speziellere Sachverhalte . . ., als sie vom bürgerlichen Recht normiert werden«23, postulierten »Ausnahmen zu den allgemeinen Vorschriften des BGB«24, brächten also Vorschriften hervor mit einem »gegenüber dem allgemeinen Privatrecht . . . engeren Geltungskreis«25. Zwar ist in der Tat unstreitig, dass das Handelsrecht als Sonderrecht für bestimmte Lebensverhältnisse subjektiv geprägt ist. 26 Es tritt »als ein Sonderrecht für bestimmte Personen, die Kaufleute«, in Erscheinung – dergestalt, »daß es nur dort Anwendung fi ndet, wo ein Kaufmann beteiligt ist«27, unterstellt also »nicht besondere Vorgänge (zB nur Handelsgeschäfte), sondern bestimmte Rechtssubjekte dem Handelsrecht: eben die ›Kaufleute‹«. 28 Ob allein dieser Umstand aber bereits als induktionsfähiges Charakteristikum ausreicht, um abstrahiert den Begriff des Sonderprivatrechts zu beschreiben, erscheint bei genauerer Betrachtung zweifelhaft. Denn dies würde voraussetzen, 19

Treber, AcP 199 (1999), 525 (541); vgl. auch: Kort, AcP 193 (1993), 453 (454). Horn, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, Einleitung I Rn. 2; vgl. auch K. Schmidt, der die Tatsache, dass es sich bei dem Handelsrecht um Sonderprivatrecht handelt, damit begründet, dass »[e]s . . . nur für einen Ausschnitt des Privatrechtsbereichs, nach herkömmlicher Lesart eben nur für Kaufleute [gilt]« [K. Schmidt (Hrsg.): MünchKomm-HGB, Vor § 1 Rn. 3]. 21 J. von Gierke, Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, § 1 (S. 4); ähnlich auch: F. Bydlinski, Handels- oder Unternehmensrecht als Sonderprivatrecht, VII. (S. 18). 22 Gareis, Das Deutsche Handelsrecht, § 1 (S. 1). 23 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1. Teil 2. Kap. IV. (S. 24). 24 Raisch, JuS 7 (1967), 533 (534). 25 K. Schmidt, Handelsrecht, § 1 I. 1. b) (S. 3, 4); ähnlich auch: Cosack, Lehrbuch des Handelsrechts, § 1 (S. 1). 26 Wieland, Handelsrecht – Bd. 1, § 8 (S. 50); K. Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.): MünchKomm-HGB, Vor § 1 Rn. 3, Wolter, Jura 10 (1988), 169 (169); Brüggemann, in: Canaris/ Schilling/Ulmer (Hrsg.): Staub-HGB, Einl vor § 1 Rn. 6 ff.; Röhricht, in: Röhricht/von Westphalen, HGB, Einleitung Rn. 2; Landwehr, ZHR 150 (1986), 39 (51). 27 Eltzbacher, Deutsches Handelsrecht, S. 8; so auch: Brox/Henssler, Handelsrecht, § 1 I. 3. Rn. 7 (S. 4). 28 K. Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.): MünchKomm-HGB, Vor § 1 Rn. 3. 20

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dass alle sonst noch propagierten Sonderprivatrechte einschließlich des Verbraucherrechts dieses Charakteristikum ebenfalls aufweisen, Normgruppen unterhalb der Messlatte eines Sonderprivatrechts dagegen nicht. II. Exklusivität und Spezialität des Verbraucherrechts Auch das Verbraucherrecht folgt dem subjektiven System. Die im b2c-Verhältnis eingeschränkte Gestaltungsfreiheit des Konsumenten nimmt es zum Anlass einer Ergebniskorrektur. 29 Im Zentrum seiner Abgrenzung steht der Verbraucherbegriff, der als »sonderprivatrechtlicher Eindringling«30 den komplementären Unternehmerbegriff ergänzt, wobei beide Begriffe sich gleichsam ausschließen und vervollständigen. 31 Noch deutlicher als im Handelsrecht ist das Hinzutreten eines objektiven Abgrenzungsaspekts erforderlich, der das rollenspezifische Gegenübertreten komplementiert. 32 Denn für das Eingreifen des Verbraucherrechts letztlich maßgeblich ist die jeweils »schutzauslösende Situation«33, bei der typischerweise »entweder an die Situation der Überrumpelung (Haustürgeschäftewiderrufs-Richtlinie), an das Gebrauchmachen einseitiger Gestaltungsmacht (verwässert in der Klausel-Richtlinie), an die behauptete Gefährlichkeit (Komplexität) bestimmter Verträge (Verbraucherkredit-Richtlinie) oder an die erschwerte Beurteilbarkeit der Brauchbarkeit einer Leistung (Fernabsatz-Richtlinie; Time-sharing-Richtlinie)« angeknüpft wird. 34 Wie der Kaufmannsbegriff dient die »Verbraucher-Unternehmer«-Begegnung im Gegensatz zu den bürgerlich-rechtlichen Vertragstypenbeteiligten (Mieter, Käufer etc.) weniger der Kennzeichnung von Vertragspartnern eines bestimmten Vertragstyps, sondern eröffnet den Anwendungsbereich für besondere – teilweise zwingende – Regeln, die über das Vertragstypenrecht des bürgerlichen Schuldvertragsrechts hinausgehen. 35 Diese inhaltlichen Eigenheiten des Handels- und Verbraucherrechts könnten es nahelegen, dass die maßgeblichen Kausalfaktoren der Sonderprivatrechte (1) in der Exklusivität der Sondernormen mit Geltung für einen bestimmten Personenkreis, (2) der 29 Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 1. Teil B. VII. (S. 42); vgl. auch: Treber, AcP 199 (1999), 525 (541). 30 Pfeiffer, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 21 (S. 22). 31 Staudenmayer, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 63 (S. 67). 32 Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, Einführung C. und 3. Teil C. (S. 3 und S. 121). 33 Pfeiffer, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 21 (S. 28 ff.). 34 H. Roth, JZ 54 (1999), 529 (532). 35 Vgl. hierzu auch: Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 3. Teil C. (S. 120).

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Spezialität dieser Sondernormen gegenüber den allgemeinen Regeln und (3) der spiegelbildlichen Subsidiarität des bürgerlichen Rechts innerhalb des abgegrenzten Sondernormbereichs zu suchen wären. 36 Damit diese Systemmerkmale zu sonderprivatrechtlichen Begriffsmerkmalen stilisiert werden könnten, dürften andere Normgruppen als Sonderprivatrechte diese Begriffsmerkmale aber nicht aufweisen. III. Exklusivitätsregelungen jenseits der Sonderprivatrechte Eine privatrechtliche Querschnittsbetrachtung fördert allerdings recht schnell zu Tage, dass die handels- und verbraucherrechtlichen Normgruppen nicht die einzigen Regelungsbereiche mit Spezialvorschriften sind, auf welche die allgemeinen Gesetze nur hilfsweise Anwendung fi nden. 37 Vielmehr nehmen die Kriterien der Exklusivität und Spezialität auch bei anderen Normgruppen systemprägende Bedeutung ein. Bereits das bürgerliche Privatrecht enthält Sondernormen für Personengruppen mit eigenem Homogenitätsgrad, die den Bedarf für gruppenspezifische Normenkomplexe hervorrufen. 38 So stellen auch das Familienrecht, das bürgerliche Unterhaltsrecht und das Sachenrecht bestimmten Personen (Ehegatten, Kindern, Eigentümern etc.) gegenständlich exklusive Regelungen zur Verfügung, die auf bereichsexterne Personen nicht zur Anwendung gelangen. Das Familienrecht enthält einen spezialgesetzlichen Normenkatalog für Verheiratete, dem Nichtverheiratete sich privatautonom nur bedingt unterwerfen können. Ähnlich weist auch das Sachenrecht Spezialvorschriften für Eigentümer und sonstige dinglich Berechtigte auf, von denen andere Rechtsträger nur mittelbar betroffen sind. Bereits dem bürgerlichen Privatrecht ist eine auf Exklusivität, Spezialität und Subsidiarität aufbauende Systematik inhärent, was es nicht gerechtfertigt erscheinen lässt, diese Aspekte zu Charaktermerkmalen einer besonderen Kategorie von Privatrecht zu machen. Ist schon das allgemeine Privatrecht durch Elemente des Gruppenbezugs und der abgestuften Normgeltung geprägt, kann nicht von einem Systemmonopol der Sonderprivatrechte ausgegangen werden, Regeln auf einer generellen Ebene nur dann zuzulassen, wenn bereichsspezifische Sondervorschriften nicht einschlägig sind.

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Vgl. F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 3. Hteil. I. 5. (S. 431). Raisch, JA 32 (1990), 259 (261); Säcker, in: Rebmann/Säcker/Rixecker (Hrsg.): MünchKomm-BGB, Einl Rn. 1; K. Schmidt, in: K. Schmidt (Hrsg.): MünchKomm-HGB, Vor § 1 Rn. 3; M. Wolf, in: Soergel/Siebert, BGB, Bd. 1, Einl. zum BGB Rn. 8. 38 F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 3. Hteil. I. 1. (S. 417). 37

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B. Aufspaltung in Nebengesetze und Kriterien der äußeren Systembildung Eine ähnlich geringe Überzeugungskraft hat der umstrittene Ansatz, dass der begriffsprägende Kern der Sonderprivatrechte – jenseits inhaltlicher Erwägungen – im formalen Bereich anzusiedeln ist. 39 Von einem solchen Ansatz gehen etwa Lurger und Augenhofer aus, wenn sie dem deutschen Verbraucherrecht das österreichische Verbraucherrecht gegenüber stellen und lediglich hinsichtlich des österreichischen Verbraucherrechts die Einordnung als Sonderprivatrecht bejahen.40 Die Begründung für diese Differenzierung stützen sie darauf, dass sich nur in Österreich »[a]lle Bestimmungen, die nur Verbraucher schützen sollen, . . . in Sondergesetzen (KSchG uva)« wiederfi nden; damit werde »eine strikte Trennlinie zwischen dem allgemeinen Privatrecht im ABGB und dem parteispezifischen Privatrecht (zB Konsumentenschutz) gezogen«.41 Beim deutschen Verbraucherrecht sei die Einordnung als Sonderprivatrecht dagegen abzulehnen. Denn der deutsche Gesetzgeber sei einen anderen Weg gegangen. Er habe »vor einigen Jahren das gesamte Verbraucherschutzrecht in das deutsche BGB eingegliedert . . ., inklusive der Defi nition des Verbraucherbegriffs«.42 I. Der fehlende Aussagegehalt der formalen Ausgliederung Für eine derart formale Charakterisierung der Sonderprivatrechte könnte vordergründig sprechen, dass die Gesetzgebung in der Vergangenheit häufig gezeigt hat, dass sich »ein spezieller Schutzgedanke« über ein Sondergesetz, »das nicht wie die zentrale Kodifi kation von der – vielleicht fi ktiven – Vorstellung eines bestehenden Interessenmonismus getragen ist«, wesentlich leichter als über eine Änderung der Basiskodifi kation in die Praxis umsetzen lässt.43 An39 U. a. auf die gesetzliche Aufspaltung abstellend: Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 4. Kap. § 2 I. 2. b) (S. 129); ablehnend hierzu: Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1. Teil 2. Kap. II. (S. 15, 16); Wieland, Handelsrecht – Bd. 1, § 8 (S. 55); Tonner, JZ 51 (1996), 533 (536). 40 Lurger/Augenhofer, Österreichisches und Europäisches Konsumentenschutzrecht, Ziff. 3.1 (S. 14, 15). 41 Lurger/Augenhofer, Österreichisches und Europäisches Konsumentenschutzrecht, Ziff. 3.1 (S. 14). 42 Lurger/Augenhofer, Österreichisches und Europäisches Konsumentenschutzrecht, Ziff. 3.1 (S. 14, 15). 43 Westermann, in: BMJ (Hrsg.): Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. 3, Verbraucherrecht, § 1 I. 3. (S. 12). So wurde in den Anfangsjahren des Verbraucherschutzes vielfach vorgetragen, dass eine sofortige Aufnahme der Verbraucherrechtsmaterien in das BGB Gefahren für die »inhaltliche Einheit« und die individualistischliberale Konzeption des bürgerlichen Privatrechts mit sich gebracht hätte. Bei einer inhaltlichen Vermischung von bürgerlichem und Verbrauchervertragsrecht hätte die Gefahr einer »partiellen Abkehr« von den klassischen bürgerlich-rechtlichen Grundprinzipien bestan-

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dererseits können formale Divergenzgründe aber allein wegen der höheren Durchsetzungsfähigkeit eines gesetzgeberischen Gedankens nicht als ausschlaggebend für die Systemspaltung erachtet werden. Denn mit materialen Rechtssystematisierungen gehen nicht zwangsläufig formale Kodifi kationsentscheidungen einher.44 Bereits das handelsrechtliche Sonderrecht im 8. Titel des II. Teils des ALR bildete »ein deutliches Beispiel dafür, dass es auf die formale Ausgrenzung des Handelsrechts in einem besonderen Gesetzbuch nicht ankommen kann«45. Würde man der formalen Opportunität, sensible Bereiche zur Erzielung eines besseren politischen Kompromisses in Nebengesetze auszulagern, einen materiell-systematischen Sinngehalt beimessen46, würde die Entscheidung zwischen Integration und Ausgliederung unberechtigterweise zu einer alles entscheidenden Systemfrage heraufstilisiert. Dabei sind viele propagierte Sonderprivatrechte wie beispielsweise das deutsche Handelsrecht nicht einmal in einer einheitlichen Kodifi kation zusammengefasst, sondern setzen sich nicht selten aus einer Vielzahl systemverwandter Singularnormen zusammen, die in ganz unterschiedlichen Gesetzen – sogar im BGB selbst (§ 288 Abs. 2 BGB) – enthalten sein können.47 Gerade das Handelsrecht veranschaulicht, dass sonderprivatrechtliche Systembildung nicht unbedingt auf Sondergesetzen aufbauen muss, sondern sich auch aus Verkehrssitten, Handelsbräuchen oder anderen mit Rechtsüberzeugung getätigten Verhaltensweisen zusammensetzen kann.48 Auch nicht kodifizierte Bräuche (consuetudo), die sich in bestimmten Verkehrskreisen eingebürgert haben und denen eine entsprechende Rechtsüberzeugung der Verkehrsteilnehmer zugrunde liegt (opinio iuris), können als (Handels-) Gewohnheitsrecht Grundlage eines Sonderregimes sein.49 Dass auch diese gewohnheitsrechtlichen den, die schlimmstenfalls zu einer »stillen Reform« des bürgerlichen Vermögensrechts in Richtung einer »Sozialisierung« des allgemeinen Vermögensrechts hätte führen können. »Wertungswidersprüche« und »Wertungsunterschiede« wären in das Bürgerliche Gesetzbuch hineingetragen worden [Gilles, JA 22 (1980), 1 (5)]. 44 F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 3. Hteil. I. 2. (S. 424); Treber, AcP 199 (1999), 525 (538–540); so scheinbar auch: Tonner, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht A 12 Art. 2 Rn. 19. 45 Schmidt-Tedd, Kaufmann und Verbraucherschutz in der EG, 2. Teil I. 2. (S. 12). 46 Damm, JZ 33 (1978), 173 (176). 47 Canaris, Handelsrecht, § 1 Rn. 14 (S. 5). 48 Canaris, Handelsrecht, § 22 Rn. 1 ff. (S. 339 ff.); Rehme, in: Ehrenberg (Hrsg.), Hdb. des gesamten Handelsrechts, § 23 (S. 266 ff.); K. Schmidt, Handelsrecht, § 1 III. (S. 16 ff.); Hefermehl, in: Schlegelberger, HGB-Kommentar, § 346 Rn. 1 ff.; Horn, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, § 346 Rn. 1 ff. 49 Horn, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, § 346 Rn. 15, 16; Hefermehl, in: Schlegelberger, HGB-Kommentar, § 346 Rn. 2; J. von Gierke, Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, § 3 (S. 22 ff.); Rehme, in: Ehrenberg (Hrsg.), Hdb. des gesamten Handelsrechts, § 23 (S. 269, 270); Eltzbacher, Deutsches Handelsrecht, S. 15 ff.; vor allem in der Zeit vom 12. bis 15. Jahrhundert haben sich aus der Praxis der Handeltreibenden Sitten und Usancen herausge-

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Regelungen am privatrechtlichen Sondergehalt partizipieren, gelangt anschaulich in der vormaligen Vorschrift des Art. 1 ADHGB zum Ausdruck, mit welcher der Reichsgesetzgeber ausdrücklich auch dem Handelsgewohnheitsrecht Vorrang vor dem bürgerlichen Vertragsrecht eingeräumt hatte. 50 II. »Dekodifikationsbewegungen« ohne eigenen Systemgehalt Oftmals ist die formale Abspaltung nicht einmal Ausdruck eines eigenen Systemgedankens, sondern schlicht Abbild einer einheitszerstörenden Dekodifikation. 51 In diesem Sinne führten die Sonder- und Nebengesetze der Vergangenheit häufig zur Auflösung der bürgerlich-rechtlichen Basiskodifi kation (sog. Dekodifi kation), ohne kohärente Sonderbereiche mit materiellem Eigengehalt hervorzubringen. 52 Der Gesetzgeber betrieb »effektives legislatorisches Krisenmanagement«, um »anstehende Probleme kurzfristig und kurzsichtig zugleich« zu lösen, versäumte es aber, planende – die möglichen Auswirkungen auf die Gesamtorganisation penibel abwägende – Sondereinheiten zu kreieren. 53 So wurde das Wohnungseigentumsgesetz (1851) z. B. allein deshalb in ein eigenes Nebengesetz ausgelagert, weil Zweifel an seinem dauerhaften Bestand gehegt wurden bzw. materiellrechtliche mit verfahrensrechtlichen Vorschriften nicht vermengt werden sollten54 ; ähnlich die Erbbaurechtsverordnung von 1919, die zwar ursprünglich im BGB enthalten war, aber wegen ihres Umfangs in ein Nebengesetz externalisiert worden ist. 55 Mit einem vergleichbaren Ansatz fanden die (vormaligen) verbraucherrechtlichen Sondergesetze ursprünglich keinen Eingang in das BGB, was weniger mit einem inneren Grund, sondern schlichtweg mit der besseren »Übersichtlichkeit«, dem »äußeren Erscheinungsbild« oder der erhaltungswürdigen Ästhetik des BGB begründet wurde. 56 Man wollte eben nicht die innere Einheit des Privatrechts zerstören. 57 Vor diesem Hintergrund ist der im 20. Jahrhunbildet, die unabhängig von dem gelehrten Recht zu Handelsgewohnheitsrecht geworden sind: Pohlmann, in: Coing (Hrsg.): Hdb. der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. 1, 3. Teil 2. Abschnitt (S. 801 ff.). 50 Art. 1 ADHGB: »Zu Handelssachen kommen, insoweit dieses Gesetzbuch keine Bestimmungen enthält, die Handelsgebräuche und in deren Ermangelung das allgemeine bürgerliche Recht zur Anwendung.« 51 Unter Bezugnahme auf den Begriff der »decodificazione« auch: Basedow, in: Cian (Hrsg.): I cento anni del codice civile tedesco, S. 331 (S. 341); aus österreichischer Sicht: Posch, ZEuP 3 (1995), 507 (518 ff.). 52 Rübesamen, Das italienische Zivilgesetzbuch, E. II. 1. (S. 100). 53 Schlosser, in: Merten/Schreckenberger (Hrsg.): Kodifi kation gestern und heute, S. 63 (S. 81). 54 Larenz/M. Wolf, Allgemeiner Teil des BGB, § 2 V. 2. a) Rn. 87 (S. 43). 55 Larenz/M. Wolf, Allgemeiner Teil des BGB, § 2 V. 2. a) Rn. 87 (S. 43). 56 Vgl. Gilles, JA 22 (1980), 1 (4). 57 Damm, JZ 33 (1978), 173 (174); Benöhr, ZHR 138 (1974), 492 (502); vgl. auch: Gilles, JA 22 (1980), 1 (4 ff.).

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derts außerhalb des BGB zu verzeichnende Niedergang der formal-freiheitlichen Vertragsrechtstradition nicht Inbegriff eines Kodifi kationskonzepts, sondern Ergebnis von Auslagerungsgedanken ohne Systemzusammenhang. 58 III. Sachliche Durchdringung versus formale Segregation Auch Einheitskodifi kationen in ausländischen Privatrechtsordnungen bringen diesen Gedanken zum Ausdruck. So ist das Konzept eines Sonderprivatrechts für Handelsgeschäfte selbst solchen Rechtsordnungen nicht wesensfremd, die nicht in der Tradition eines formalen Dualismus zwischen Zivil- und Handelsrecht stehen. 59 Die Schweiz mit ihrem Obligationenrecht von 1881 hat zwar auf eine formal selbstständige Handelsrechtskodifi kation verzichtet; inhaltlich ist aber auch hier von einem »echten Strukturgegensatz« zwischen Handels- und bürgerlichem Recht die Rede.60 In ähnlicher Weise ist in Argentinien, wo im Jahre 1987 eine auf Vereinheitlichung von Zivil- und Handelsrecht gerichtete Reformbewegung eingesetzt hat61, die materielle Unterscheidung zwischen zivilund handelsrechtlichen Normen weiterhin vorhanden: »[B]ecause in countless instances the provisions of the civil and commercial codes differ from each other, hence the outcome of many disputes turn on whether the transaction in question is classified as commercial or whether it was entered into by merchants«.62 Daneben verdient Italien in diesem Zusammenhang Erwähnung, sieht die Rechtswissenschaft doch auch dort Bedarf für eine eigenständige Darstellung des Phänomens Handel, Unternehmen und Wirtschaft63, obwohl von einer gesonderten Kodifi kation des diritto commerciale außerhalb des Codice civile Abstand genommen wurde64. Auch hier werden externe Sondergesetze unter 58 Weiteres Beispiel: Auch das deutsche Recht der Eheschließung wurde trotz seiner zeitweisen Ausgliederung in das Ehegesetz (zwischen dem 1. Januar 1964 und 30. Juni 1998) zu keiner Zeit als Bestandteil eines Sonderprivatrechts eingestuft [vgl. Lurger/Augenhofer, Österreichisches und Europäisches Konsumentenschutzrecht, Ziff. 3.1 (S. 13)]. 59 Eichler, ZHR 126 (1964), 181 (183, 184). 60 F. Bydlinski, Handels- oder Unternehmensrecht als Sonderprivatrecht, III. (S. 10); vgl. auch: Oftinger, SJZ 50 (1954), 153 (160, 161); Bucher, in: FS für von Meier-Hayoz (50. Gebtg.), S. 1 (S. 12 ff.); Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 2. Teil 2. Abschnitt 3. Kap. IV. 3. (S. 97, 98); Wieland, Handelsrecht – Bd. 1, § 6 (S. 36 ff.); K. Lehmann, Lehrbuch des Handelsrechts – Halbbd. 1, § 1 (S. 2); Müller-Freienfels, FS für von Caemmerer (70. Gebtg.), S. 583 (S. 591, 592). 61 Garro, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Argentina, Tz. 25. 62 Garro, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Argentina, Tz. 25. 63 Beispielhaft: Jaeger/Denozza: Appunti Di Diritto Commerciale, S. 13 ff. 64 Vgl. Eichler, ZHR 126 (1964), 181 (183); Heinemann, FS für Fikentscher (70. Gebtg.),

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Berufung auf Natalino Irti eher mit dem Begriff der Dekodifi kation in Verbindung gebracht, weil sie meistens keine Sondersystematisierung hervorrufen, sondern lediglich den Codice civile zum »diritto residuale« degradieren.65 Damit zeigt sich auch im internationalen Vergleich, dass die sachliche Durchdringung vorrangig den Ausschlag gibt66, während sich in der redaktionellen Gesetzestechnik in aller Regel nur eine »Frage . . . von peripherer Formalität und Äußerlichkeit« wiederfi ndet67. Folglich muss nicht jedem Gesetz eine eigene rechtswissenschaftliche Disziplin zugrunde liegen68, was im vorliegenden Zusammenhang den Rückschluss erlaubt, dass die rein formale Unterscheidung für den Wesensgehalt eines Sonderprivatrechts nicht vorbestimmend ist.69 Allenfalls auf die Auslegungsmethode könnte sich der Kodifi kationsstandort im Ansatz auswirken.70

C. Kriterien des inneren Systems: Sonderprivatrechtliche Kausalfaktoren In Anbetracht der geringen Aussagekraft der gesetzestechnischen Ausgestaltung ist letztlich auf die Kausalfaktoren des inneren Systems der Privatrechtsordnung bei der Begriffsbestimmung Rückgriff zu nehmen.71 F. Bydlinski gehört zu den wenigen, die einen Vorstoß in diese Richtung gewagt haben. Seiner Ansicht nach zeichnen sich Sonderprivatrechte im Gegensatz zu bloßen Nebengesetzen dadurch aus, dass sie nicht einheitlich einem Teil des Pandektensystems zugeordnet werden können. Um eine Normgruppe als SonderpriS. 349 (S. 356, 357); Monateri/Musy/Chiaves, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopae-dia of Laws – Contracts, Italy, Tz. 25; Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 3. Teil 2. Abschnitt 2. Kap. V. (S. 166); Müller-Freienfels, FS für von Caemmerer (70. Gebtg.), S. 583 (S. 592). 65 Irti, L’età della decodificazione, S. 3 ff. 66 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1. Teil 2. Kap. II. (S. 16); Schmidt-Tedd, Kaufmann und Verbraucherschutz in der EG, 2. Teil I. 1. (S. 9); Wieland, Handelsrecht – Bd. 1, § 1 (S. 4). 67 Damm, JZ 33 (1978), 173 (176); vgl. auch: K. Schmidt, in: K. Schmidt (Hrsg.): Münch-Komm-HGB, Vor § 1 Rn. 4. 68 So treten beispielsweise viele Normgruppen als »Sondergesetze ohne sonderprivatrechtlichen Charakter« in Erscheinung, die sich seit jeher durch »eine Verflechtung von privatem und öffentlichem Recht . . . ausgezeichnet hatten«, im BGB aber »nur in ihrem privatrechtlichen Aspekt . . . geregelt« worden sind (z. B. das Baurecht in seiner privat- und öffentlichrechtlichen Aufspaltung) [L. Raiser, Die Zukunft des Privatrechts, II. (S. 16)]. 69 Müller-Freienfels, FS für von Caemmerer (70. Gebtg.), S. 583 (S. 593); F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 3. Hteil. I. 2. b) (S. 424); Raisch, JuS 7 (1967), 533 (534); K. Schmidt, BB 60 (2005), 837 (837). 70 Während die historische und die systematische Auslegung nämlich auch durch formale Aspekte wie den Kodifi kationsstandort und die Kodifi kationsumgebung geprägt sein können, sind die grammatikalischen und teleologischen Auslegungselemente von der Frage der Einheitskodifi kation in aller Regel unabhängig. 71 F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 3. Hteil. I. 1. (S. 417).

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vatrecht einzustufen, müsse sie nicht nur die allgemeinen Systemkriterien erfüllen, die an Rechtssysteme im allgemeinen zu stellen seien72 – also als Materie zureichend abgrenzbar sein (sich beispielsweise an einem größeren Realitätsausschnitt orientieren), eine gewisse normative Spezifität aufweisen (d. h. einem jeweils eigenständigen, inhaltlich grundlegenden Wertungsgedanken verschrieben sein) und einem an allgemeiner Zweckmäßigkeit orientierten Gliederungsmodus entsprechen.73 Erforderlich sei darüber hinaus, dass sie eine Kodifi kationsstruktur zeige, die es ihr verwehre, ohne wesentliche Modifi kationen in die tradierte Systematik des Pandektenrechts eingefügt zu werden.74 I. Die Pandekten als Systematisierungsfaktor – Herkunft und Überlieferung Dass die Pandekten bei F. Bydlinski eine zentrale Stellung einnehmen, erscheint gerechtfertigt, wenn man bedenkt, dass das BGB als »spätgeborene[s] Kind der Pandektenwissenschaft«75 in wesentlichen Teilen auf den Pandekten aufbaut und rechtshistorisch zumindest mittelbar auf die klassische Zeit und den oströmischen Kaiser Iustinian I. Bezug nimmt (527–565 n. Chr.).76 Inhaltlich basiert insbesondere das BGB-Schuldrecht weitgehend auf »römischpandektistischer Überlieferung«77, was sich auch in der Sprache des BGB niederschlägt: Es ist von Juristen für Juristen geschrieben und erhebt nicht den Anspruch, von dem juristischen Laien – dem gemeinen Bürger – verstanden zu werden78 : »Die alten Vorschriften des römischen Rechts sind zum größten Teil 72 F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 3. Hteil. I. 3. und 4. (S. 426 ff. und 429 ff.). 73 F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 1. Hteil. I. 5. und 6. (S. 17 ff. und 20 ff.). 74 Ähnlich auch: Wiedenmann, Verbraucherleitbilder und Verbraucherbegriff im deutschen und europäischen Privatrecht, A. I. 1. (S. 17). 75 Larenz/M. Wolf, Allgemeiner Teil des BGB, § 2 II. 1. Rn. 37 (S. 30); Wieacker, Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, S. 9 (S. 15); ders., Das Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbücher, II. (S. 9). 76 Mit den Pandekten, die sich inhaltlich aus einer Kompilation von 50 Büchern von grob systematisch geordneten Auszügen aus den klassischen Juristenzeitschriften (insbesondere von Ulpian, Papinian und Paulus) zusammensetzen, machte sich Iustinian zum Ziel, das römische Recht klassischer Prägung zu rekultivieren, zu systematisieren und zu dokumentieren. Im Jahre 530 n. Chr. hatte Iustinian einer von Tribonian geleiteten Kommission zu diesem Zweck unter anderem den Auftrag erteilt, ein Sammelwerk des klassischen römischen Juristenrechts fertig zu stellen. Bereits 533 n. Chr. gingen als Ergebnis aus diesem Auftragswerk die Pandekten hervor, die sich heute gemeinsam mit den Institutionen (systematisches amtliches Elementarlehrbuch für Studienanfänger), dem Codex (Sammlung von Kaiserkonstitutionen aus der Prinzipatszeit) und den Novellen (spätere Zusammenstellung von Iustinians Konstitutionen ab 535 n. Chr.) im Corpus Iuris Civilis (einer auf D. Gothofredus zurückgehenden Gesamtausgabe 1583) zusammenfi nden (Luig, in: Erler/Kaufmann (Hrsg.): HRG, 3. Bd., »Pandekten« – S. 1418). 77 Krause, JuS 10 (1970), 313 (319). 78 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 11 II. (S. 143).

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erhalten und [wurden] nur in die Sprache eines deutschen Gesetzes gebracht«.79 U. a. auch das pandektistische Vereinigungsmodell der Willenserklärungen wurde zum beherrschenden Vertragsmodell der neuen Regelungen des Vertragsabschlusses (§§ 145 ff. BGB).80 Insgesamt ist das BGB »ein typisches Produkt des 19. Jahrhunderts, in Gesetzform gegossenes Pandektenrecht, dessen System, Terminologie und hohes Abstraktionsniveau es übernommen hat«.81 Genetisch ist dies darauf zurückzuführen, dass die Pandekten, nachdem sie mit der Rezeption des römischen Rechts im 15. und 16. Jahrhundert (im europäischen Vergleich also relativ spät) nach Deutschland gelangt waren, im 17. und 18. Jahrhundert umso stärker (im Wege einer eigenen deutschen Gemeinrechtswissenschaft: dem usus modernus pandectarum) ausgebaut worden sind.82 Weil das römische Recht gebietsübergreifend galt, wurde es – ähnlich wie das EG-Recht heute – eingesetzt, um die Vielzahl von territorial und ständisch stark zersplitterten Partikularrechten in Deutschland anzugleichen.83 Die historische Rechtsschule des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts leistete zur Ausstrahlungskraft der Pandekten auf die Einflüsse im Kodifi kationszeitalter einen wichtigen Beitrag.84 Insbesondere Savigny erblickte im römischen Recht ein einheitliches System eines großen, lange bestehenden Volkes – geradezu ein Modellbeispiel zu der Überwindung der deutschen Kleinstaaterei – und forderte eine systematische Rückbesinnung auf das römische Recht in Deutschland.85 Unter Ablehnung der Kodifi kationen der Neuzeit sowie des Anspruchs des Naturrechts auf zeitlose Geltung propagierte er, dass das Recht nicht auf der Vernunft oder der Natur des Menschen, und schon gar nicht auf Gesetzgebung, sondern als organisches Produkt auf der stillen Tätigkeit des Volksgeistes und der Sprache des Volkes basieren müsse.86 Der reine Volksgeist römischer Prägung solle übernommen und von den Verfälschungen durch den usus modernus befreit werden.

79 So ein Zitat von Uwe Wesel (Juristische Weltkunde: Eine Einführung in das Recht, 1984), komprimiert dargestellt und zitiert bei: Horster, Rechtsphilosophie, 1. (S. 17). 80 Schmidlin, in: Zimmermann/Knütel/Meincke (Hrsg.): Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 187 (S. 202). 81 Wesel, Geschichte des Rechts, 17. Kap. Rn. 285 (S. 467). 82 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 1. Kap. IV. 1. (S. 24 ff.); vgl. auch: Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 10 II. (S. 131). 83 Repgen, JJZ 1997, 9 (12 ff.). 84 Im Überblick: Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, § 20 ff. (S. 348 ff.). 85 Von Savigny, Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, Ziff. 4. (S. 28); siehe auch: Horster, Rechtsphilosophie, 1. (S. 18) und 2. (S. 60); Luig, in: Erler/ Kaufmann (Hrsg.): HRG, 3. Bd., »Pandektenwissenschaft« – S. 1422 ff.; Wesenberg, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, § 21 (S. 139 ff.); Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 10 IV. (S. 137 ff.). 86 Horster, Rechtsphilosophie, 2. (S. 57 ff.).

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Savigny trug mit dieser Forderung maßgeblich dazu bei, dass die äußere Pandektensystematik, durch den Rechtsgeist der Zeit verinnerlicht und transportiert über das BGB, auch heute noch systemprägend erscheint. Die Pandekteneinteilung mit ihrem seit Heise (1807) vorangestellten Allgemeinen Teil fand mit ihren fünf Büchern (AT, Sachen-, Schuld-, Familien- und Erbrecht) nicht nur in alle Lehrbücher der historischen Rechtsschule und in die römischrechtlichen Vorlesungen des 19. Jahrhunderts87, sondern auch in das BGB Eingang, wobei lediglich Sachen-, Schuld- und Familienrecht geänderte Positionen eingenommen haben88. Durch spezifisch mittelalterliche, germanische und deutschrechtliche Einflüsse wurde das BGB in erster Linie inhaltlich geprägt, und zwar vornehmlich in Einzelbereichen wie den Regelungen zur Abtretung einer Forderung, zur vertraglichen Schuldübernahme, zur Anerkennung des Vertrages zugunsten Dritter und so segmentären Grundsätzen wie dem Theorem »Kauf bricht Miete nicht«.89

II. F. Bydlinskis sonderprivatrechtliche Integrationsvorstellungen Mit den Pandekten ruft F. Bydlinski im Grunde nicht nur die römische Tradition des Privatrechts in Erinnerung, sondern macht auch mit einer dynamisch aufgebauten Systematisierungsprüfung deutlich, dass für Sonderprivatrechte ein ständig latenter Rechtfertigungsbedarf besteht. Würden weite Teile der Sonderprivatrechte an einer am Maßstab der Grundrechte, des Gleichheitssatzes oder der Grundfreiheiten orientierten Kontrolle scheitern, wäre auch ihre Daseinsberechtigung als Sonderprivatrecht in Frage gestellt. Selbst für den Fall, dass an ihrer Legitimität nichts auszusetzen wäre, sie aber ohne Probleme in die Pandektensystematik eingegliedert werden könnten, wäre ihre begrenzte Eigenständigkeit aufzugeben. Ob eine Aufteilung auf einzelne pandektistische Teilbereiche möglich ist, will F. Bydlinski davon abhängig machen, ob die Zerschlagung der Normgruppe »einen Verlust an äußerlicher Übersichtlichkeit und inhaltlicher Konsistenz sowie an Ergiebigkeit der Prinzipienschichten für die Rechtsanwendung zur Folge hätte«.90 Letztlich begriffsentscheidend sei, ob eine bestimmte Rechtsmaterie ohne Beeinträchtigung äußerer Übersichtlichkeit oder innerer 87 Vgl. hierzu: Horster, Rechtsphilosophie, 1. (S. 19); Wesel, Geschichte des Rechts, 17. Kap. Rn. 281 (S. 453 ff.); Hausmaninger/Selb, Römisches Privatrecht, Rechtsgeschichte 7. Kap. V. 2. (S. 116); Heise propagierte in seinen Vorlesungen folgende Einteilung: 1. Buch: Allgemeine Lehren; 2. Buch: Dingliche Rechte; 3. Buch: Obligationen; 4. Buch: Dingliche persönliche Recht (= Familienrecht); 5. Buch: Erbrecht (Heise, Grundriss eines Systems des gemeinen Civilrechts, S. 12 ff.). 88 Heinrichs, Palandt BGB, Einleitung Rn. 6; Schwarz, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch in der ausländischen Rechtsordnung, IV. (S. 23 ff.). 89 Krause, JuS 10 (1970), 313 (319). 90 F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 3. Hteil. I. 4. (S. 430).

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Wertungsharmonie in einen bestimmten Teil des Pandektensystems eingruppiert werden könne oder nicht.91 Für diesen Integrationszwang liefert F. Bydlinski selbst ein Beispiel: Könnten Normgruppen, wie beispielsweise die Vorschriften über das Wohnungseigentum oder das private Baurecht, »mindestens mit ihren charakteristischen Kernvorschriften [. . .] ohne weiteres einem der Teile des Pandektensystems zu[ge]ordne[t werden]«, so wären sie als bloße Nebengesetze zum Privatrecht und nicht als echte Sonderprivatrechte einzustufen.92 Dagegen bestünde auf den ersten Blick die Vermutung, dass von einem Sonderprivatrecht ausgegangen werden könne, wenn die Eingliederung des jeweils in Frage stehenden Rechtsstoffs in einen bestimmten Teil des Pandektensystems nicht auf Anhieb ohne Beeinträchtigung äußerer Übersichtlichkeit oder innerer Wertungsharmonie möglich wäre. Erst wenn man bei einer subtileren Anschlussprüfung zu dem Ergebnis gelange, dass die oberflächliche Inkongruenz mit geringfügigen Modifi zierungen überwunden und die Sondermaterie »ohne Nachteil« auf die einschlägigen Teilbereiche der Pandekten aufgeteilt werden könnte, sei auch in diesen Fällen eine Einstufung als Sonderprivatrecht gerechtfertigt.93 Trotz dieser Dogmatik sieht F. Bydlinski in Sonderprivatrechten allerdings keine autonomen Sondersysteme. Vielmehr seien Sonderprivatrechte »alles andere als autarke, vom allgemeinen Zivilrecht völlig abgetrennte Materien«.94 Weder die Regeln über das Zustandekommen von Verträgen sowie die Vorschriften über die Rechts- und Geschäftsfähigkeit würden autonom von ihnen geregelt noch autarke Nominatverträge zur Verfügung gestellt. Nach Ansicht von F. Bydlinski bauen Sonderprivatrechte auf der Vertragstypenlehre sowie den Nominat- und Innominatverträgen des allgemeinen Vertragsrechts auf und bringen lediglich Einzelelemente der vertragsrechtlichen Ausgestaltung und besondere Rechtsfolgen des schuldrechtlichen Regelungsregimes mit den realen Bedürfnissen der jeweiligen Ausschnittsbetrachtung in Übereinstimmung. Von einer vertragsrechtlichen »Drei«-Teilung zu sprechen, mag vor diesem Hintergrund zwar ungenau sein, weil die handels- und verbraucherrechtlichen Normgruppen eigentlich auf der vertragsrechtlichen Grundordnung (BGB) als Supplementsysteme aufbauen. Trotzdem signalisiert die Projizierung als »Drei«-Teilung aber den Intensitätsgrad, mit dem sich die verbraucher- und handelsrechtlichen Aufbauordnungen mittlerweile von den vertragsrechtlichen Grundaxiomen entfernt haben. Diesen Abweichungsgehalt nimmt F. Bydlinski in das Visier und lässt erkennen, dass er die »Wieder-

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F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 3. Hteil. I. 4. (S. 429). F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 3. Hteil. I. 3. (S. 426). F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 3. Hteil. I. 3. (S. 428, 429). F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 3. Hteil. I. 1. (S. 419).

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gewinnung einer nicht mehr nach allgemeinen Zivilrecht und Sonderprivatrechten differenzierenden, großen systematischen Einheit« anstrebt.95

D. Die Stellung des Handels- und Verbraucherrechts zu den Pandekten Im Ergebnis ist F. Bydlinski allerdings nicht uneingeschränkt zu folgen. Denn sein pandektenlastiger Ansatz würde die innere und äußere Entscheidung der Systemzuordnung zu einer Wertungsfrage machen, die in ihrem Ergebnis mannigfaltig ausfallen könnte.96 Überträgt man seinen Systematisierungsversuch nur auf das Beispiel des Handels- und Verbraucherrechts, wird bereits deutlich, dass die Umsetzung der pandektenbezogenen Abgrenzung zu sehr unterschiedlichen Kategorisierungsergebnissen führen kann – je nachdem, welche Anforderungen man an die Aufteilungsfähigkeit der Sondermaterie stellt. I. Das Handelsrecht als Sonderprivatrecht mit defizitärer Abgrenzung Misst man etwa das Handelsrecht an dem Raster der pandektenbezogenen Begriffsbildung F. Bydlinskis, so ist es nach einhelliger Ansicht in der Literatur als Sonderprivatrecht einzustufen, weil es sich auf Grund seiner Eigentümlichkeiten speziell in Bezug auf Kaufleute bestimmte abweichende Bräuche und Worte mit konventioneller Bedeutung zu eigenen macht und an diese »wichtige Rechtsfolgen anschließ[t]« (»z. B. . . . ›an ordre‹, ›cif.‹, ›Wechsel‹«).97 Dementsprechend bejaht auch F. Bydlinski die Kategorisierung des Handelsrechts als Sonderprivatrecht: Das Handelsrecht bestehe »aus viel (allgemeinem und besonderem) Schuldrecht, etwas Sachenrecht, einer nicht unerheblichen Menge an allgemeinen Rechtsgeschäftsregeln, zB über Vertretungsprobleme oder den Vertragsschluß (Handelsbrauch; Schweigen) sowie aus personenrechtlichen Regeln über den ›Kaufmann‹ und seine Firma, aber auch über sein 95

F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 3. Hteil. I. 1. (S. 419). Divergierende Einschätzungen in der Literatur machen dies deutlich. So geht Endemann für das Recht der Handelsgeschäfte davon aus, »daß das Handelswesen eine Reihe eigenthümlicher Gestaltungen [hervorrufe], welche als unter die Rechtsbegriffe des gemeinen Zivilrechts nicht gehörig, dort nicht ihre Defi nition und Regelung zu fi nden vermögen« [Endemann, Der Entwurf eines deutschen Handelsgesetzbuchs in seinen drei ersten Büchern, 1. Buch (S. 2)]. Dagegen scheint Ehrenberg eine Aufteilung des Handelsrechts auf die ersten drei Bücher der Pandektensystematik grundsätzlich für möglich zu halten. Allerdings würde sie »dazu führen, daß Rechtsinstitute, die denselben oder verwandten wirtschaftlichen Zwecken dienen und für die kaufmännische Auffassung zusammengehören, an ganz verschiedenen Stellen dargestellt werden müßten.« Jedenfalls würde »die Übersichtlichkeit . . . darunter außerordentlich leiden« [Ehrenberg, in: Ehrenberg (Hrsg.), Hdb. des gesamten Handelsrechts, § 3 (S. 24)]. 97 Heck, AcP 92 (1902), 438 (444). 96

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Unternehmen (wo Personen-, Sachen- und Schuldrecht zusammenfl ießen).«98 Auf Grund dieser Eigenheiten lasse sich das Handelsrecht gerade nicht auf einen oder mehrere Teile der Pandekten ohne Aufgabe seines Eigengehalts aufteilen.99 Gleichwohl macht F. Bydlinski eine subtile Einschränkung. Zwar präsentiere sich das Handelsrecht als »existentes Sonderprivatrecht«; seine Ausgestaltung sei aber insofern irregulär, »als es ein umfassenderes Unternehmensrecht sein sollte, weil nur dann trennscharfe Abgrenzung des betroffenen Realitätsausschnitts (und damit des darauf bezogenen Rechtsstoffs) sowie ›normative Spezifität‹ zusammenstimmen«.100 Das Handelsrecht sei – selbst wenn man es als Sonderprivatrecht aufrecht erhalte – in seinem Geltungsbereich unzureichend entwickelt, es sei nur rudimentäres Unternehmensrecht der geschäftlichen Außenbeziehungen.101 II. Fehlender Sonderprivatrechtsgehalt des Verbraucherprivatrechts? Zu einer abweichenden Kategorisierung gelangt F. Bydlinsiki in Bezug auf das Verbraucherrecht, denn bei ihm handele es sich um eine »viel zu unscharfe Idee eines Sonderprivatrechts für Ungleichgewichtslagen«.102 Insbesondere der Verbraucherbegriff sei nicht in der Lage, »die – vielfältigen und ganz unterschiedlichen – Sachverhalte eines massiven Macht- bzw Informationsgefälles für rechtliche Schutzzwecke zureichend zu beschreiben und abzugrenzen«.103 Am Maßstab der Regelungen zum österreichischen Konsumentenschutzgesetz kommt F. Bydlinski zu dem Ergebnis, dass die Regeln des Verbraucherrechts für sich allein nicht verständlich und anwendbar wären, sondern auf Schritt und Tritt von den allgemeinen Regeln des Zivilrechts abhängig sind.104 In dem Verbraucherrecht sieht er daher nicht mehr als einen »globalen programmatischen Aufruf . . ., bei den Optimierungsbemühungen, die der Rechtsentwicklung beständig für die Abwägung der fundamentalen Prinzipien unter veränderten tatsächlichen Umständen aufgegeben sind, die heutigen realen Verhältnisse für Konsumenten sorgfältig zu beachten«105. Ein derart diffuses Postulat sei aber nicht einmal in der Lage, eine zureichende Begründung für auch nur einen Rechtssatz zu liefern.106 98

F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 3. Hteil. I. 3. b) (S. 427). Lurger/Augenhofer, Österreichisches und Europäisches Konsumentenschutzrecht, Ziff. 3.1 (S. 13 ff.). 100 F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 3. Hteil. II. 3. (S. 450). 101 F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 3. Hteil. II. 3. (S. 450). 102 F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 4. Hteil. IV. 4. (S. 718). 103 F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 4. Hteil. IV. 4. d) (S. 734); ähnlich: Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, § 2 II. 3. Rn. 15a (S. 9, 10). 104 F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 4. Hteil. IV. 4. d) (S. 734, 735). 105 F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 4. Hteil. IV. 4. (S. 719). 106 F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 4. Hteil. IV. 4. (S. 719). 99

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Wie F. Bydlinski weiter ausführt, sei bisher nicht einmal probeweise versucht worden, auch nur eine einzige Regel oder ein einziges Prinzip zu formulieren, das als Bestandteil eines umfassenden Sonderprivatrechts für Ungleichgewichtslagen tauglich wäre und im übrigen Privatrecht keine Rolle spiele.107 Genauso wenig wie das »überkommene« Privatrecht in kritischer oder apologetischer Absicht als ausschließliche Domäne des Prinzips gleicher formaler Freiheit begriffen werden könne, seien Schutztendenzen erkennbar, die ausschließlich dem Verbraucherrecht eigen seien.108 Dieser Ansicht folgen auch Lurger/Augenhofer und äußern Bedenken an der Sonderrechtsfähigkeit des Verbraucherrechts, zumal die Mehrzahl seiner Normen dem Schuldrecht zuzuordnen sei.109 Der Verbraucherbegriff sei nicht nur zu unscharf, sondern auf Grund seiner Situationsbezogenheit auch zu weitläufig, um als sonderprivatrechtlicher Abgrenzungsterminus in Betracht zu kommen.110 Drexl geht sogar noch einen Schritt weiter: Der Verbraucherschutz sei »nichts Besonderes im Verhältnis zum allgemeinen Privatrecht«; im Gegenteil mache die Verbraucherschutzproblematik »auf das richtige Verhältnis der Selbstbestimmung und dessen Schutz in der Privatrechtsordnung aufmerksam«.111

E. Pandektenexterne Freiheits- und Gleichheitstypisierung Wie Drexl an anderer Stelle aber selbst betont, kommt es für die Qualifi kation als Sonderprivatrecht maßgeblich auf »das Auffi nden eines gemeinsamen Bezugspunkts des Rechts« an.112 Hinweghelfen könnte ein solcher Referenzpunkt auch im vorliegenden Zusammenhang, um eine Alternative zu der Begriffskategorisierung zwischen Handels- und Verbraucherrecht zu entwickeln. Dabei ist als erstes auf die Vergleichbarkeit von Handels- und Verbraucherrecht abzustellen: Obwohl der Verbraucherbegriff keine feststehende Gruppe beschreibt, modifi zieren verbraucherrechtliche Vorschriften nicht weniger als handelsrechtliche Regelungen die schuldrechtlichen Vertragstypenleitbilder; sie erheben nicht weniger als das Handelsrecht den Anspruch, eine von dem allgemeinen Vertragsrecht selbstständige Ordnung aufzustellen. Schon dies macht es schwierig, dem Verbrauchervertragsrecht einen geringeren sonderprivatrechtlichen Eigengehalt als dem Handelsrecht zuzusprechen. 107

F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 4. Hteil. IV. 2. (S. 713). F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 4. Hteil. IV. 2. (S. 715). 109 Lurger/Augenhofer, Österreichisches und Europäisches Konsumentenschutzrecht, Ziff. 3.1 (S. 13 ff.). 110 Lurger/Augenhofer, Österreichisches und Europäisches Konsumentenschutzrecht, Ziff. 3.1 (S. 13 ff.). 111 Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 1 IV. 2. (S. 8); den Sonderprivatrechtscharakter des Verbraucherrechts dagegen offen lassend: Schöttler, Verbraucherschutz durch Verfahren, 1. Teil A. II. (S. 11 ff.). 112 Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 3 III. (S. 84). 108

§ 11 Begriff der Sonderprivatrechte – Systembegriff des Vertragsrechts?

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Berücksichtigt man dann noch, dass sich auch die Inhalts- und Ausübungskontrolle des Verbraucherrechts keineswegs besser als die Liberalisierungsmaßnahmen des Handelsrechts in das Pandektenrecht einfügen, gelangt in der fehlgeleiteten Differenzierung zwischen dem Handels- und Verbraucherrecht letzten Endes besonders anschaulich zum Ausdruck, dass es F. Bydlinski bedauernswerterweise offen lässt, auf Grund welcher Kriterien die Möglichkeit der Einordnung in das Pandektensystem konkret zu überprüfen ist. Persönliche und funktionale Kriterien stünden zur Auswahl: Würde man das Vorliegen eines Sonderprivatrechts beispielsweise nur dann bejahen, wenn der betreffende Normbereich auf Grund bestimmter persönlicher Eigenschaften der Vertragsparteien abweichende Regeln aufstellt und in die Pandektensystematik nicht eingeordnet werden kann, wäre nur das Sonderrecht der Handelsverträge als Sonderprivatrecht einzustufen.113 Würde man dagegen auch Normgruppen, die auf Grund einer funktionalen, vertragszweckbezogenen Betrachtung aus der Pandektensystematik herausfallen, als Sonderprivatrechte gelten lassen, könnte wohl auch das Verbraucherrecht als »Sonderprivatrecht« Geltung beanspruchen.114 Sicherlich dürfte es zu kurz gegriffen sein, wie Lurger/Augenhofer ein apodiktisches »Mehr-Weniger«-Verhältnis aufzustellen und lediglich die angeblich in größerem Maße abgrenzungstauglichen persönlichen Merkmale des Handelsrechts (Kaufmannsbegriff), nicht jedoch die weniger an den Status der Person anknüpfenden situativen Merkmale des Verbraucherrechts als »pandektenfremd« ausreichen zu lassen. Denn würde man situative Abgrenzungen generell als unzureichend erachten, ließe man außer Betracht, dass auch zweckbezogene Abgrenzungen (wie z. B. der Unternehmerbegriff, der das Betreiben eines Unternehmens mit einer bestimmten Betriebsorganisation voraussetzt) häufig auf persönlichen Merkmalen aufbauen. So können unterschiedliche Kriterien der Abgrenzung trotz rechtstechnischer Abweichungen zu dem gleichen Ergebnis führen, »dass nicht alle Personen, die in einer bestimmten Situation einen Vertrag mit einem bestimmten Inhalt abschließen, gleichermaßen geschützt werden«.115 Vor diesem Hintergrund erscheint es vorzugswürdig, nicht auf die formale Art der Abgrenzung, sondern auf die in materieller Hinsicht spürbar abweichende Ausgestaltung der Freiheits- und Gleichheitsparadigmen abzustellen, um eine wahrnehmbare Normengruppe als Sonderprivatrecht einzustufen. 113 So etwa: Medicus, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.): Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 61 (S. 69); vgl. auch: U. Neumann, Der persönliche Anwendungsbereich vertraglicher Schutzvorschriften, 3. Kap. A. (S. 17). 114 Vgl. auch: U. Neumann, Der persönliche Anwendungsbereich vertraglicher Schutzvorschriften, 3. Kap. A. (S. 17); Bülow/Artz, Verbraucherprivatrecht, 1. Teil 4. Abschnitt A. II. (S. 13). 115 U. Neumann, Der persönliche Anwendungsbereich vertraglicher Schutzvorschriften, 3. Kap. A. (S. 17).

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Dabei sollte im Rahmen des Defi nitionskriteriums »Überprüfung der Aufteilungseignung« darauf abgestellt werden, ob die jeweils in Frage stehende Normgruppe eine Selbstbestimmung propagiert, die von der formalen Gleichheit des Pandektenrechts abweicht und nicht ohne Änderung der im Gesamtkonzept als divergent in Erscheinung tretenden Freiheitsausgestaltung dem pandektistischen Privatrecht einverleibt werden könnte. Für ein Sonderprivatrecht wäre demnach begriffsbestimmend, dass die in Frage stehende Normengruppe auf einer spezifischen Typisierung aufbaut, die im klassischen Pandektenrecht nicht vorzufi nden ist, und dabei die Freiheit des Einzelnen und der typenbezogenen Gemeinschaft über spezifische Umsetzungsinstrumente (unverzichtbar) anders als das klassische Pandektenrecht regelt. Weil sowohl das Handels- als auch das Verbraucherrecht diese Kriterien erfüllen, wäre letztlich jede terminologische Differenzierung zwischen diesen beiden Sonderbereichen willkürlich.116

§ 12 Etatismus und Dualismus – makrojuristische Weichenstellung Erklärt man – wie vorstehend geschehen – die ungleiche Ausgestaltung der »Freiheit« zu einem Wesensmerkmal der Sonderprivatrechte, hat dies gleichsam zur Folge, dass eine wichtige Weichenstellung für die Beurteilung der vertragsrechtlichen Dreiteilung durch das Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft getroffen wird, was es näher zu untersuchen gilt. Für das Vertragsrecht ist es vor allem schicksalsbestimmend, inwiefern und mit welcher Nähe zur Privatrechtsgesellschaft dem Staat Interventionsbefugnisse zuzusprechen sind, um die im Grundsatz mit formaler Gleichheit verteilte Privatautonomie in einem dem Gemeinwohl möglichst dienlichen Sinne zu regulieren. Mit den Worten von John Stuart Mill zu sprechen, geht es darum, »[h]ow much of human life should be assigned to individuality, and how much to society«.117 Juristisch stehen für diese Strukturentscheidung zwei Modelle zur Verfügung. Entweder man betrachtet das Privatrecht als Bestandteil einer vorgegebenen Ordnung und räumt ihm einen Primat gegenüber der staatlichen Ordnung ein.118 Im Rahmen eines derart dualistischen Modells könnte man das Privatrecht etwa mit Savigny aus Aspekten wie dem »allgemeinen Volksgeist«119 ableiten oder seinen Vorrang mit naturrechtlichen Konstruktionen

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Im Ergebnis ebenso: K. Schmidt, BB 60 (2005), 837 (838). Mill, On Liberty and Utilitarianism, On Liberty IV. (S. 86). 118 So die historische Beschreibung bei: Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, I. (S. 10, 11). 119 von Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. 1, §§ 5 ff. (S. 9 ff.). 117

§ 12 Etatismus und Dualismus – makrojuristische Weichenstellung

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begründen120, also z. B. auf Kant121 oder Locke 122 rekurrieren, nach dessen Lehre das Eigentum – und damit das Privatrecht – bereits im Naturzustand vorhanden war. Das Privatrecht wäre nach diesem Ansatz jedenfalls historisch gewachsenes Recht, das sich durch tradierte Institutionen und Typen auszeichnet und folglich in der Hierarchie des Rechts prinzipiell vor dem staatlichen Gesetz rangierte. Die zweite, heute weitgehend einhellig vertretene Alternative bestünde darin, auch im Privatrecht den Vorrang der staatlichen Normenhierarchie anzuerkennen.

A. Staatliche Normenhierarchie und Selbstständigkeit des Privatrechts Wer die Volkssouveränität, die Demokratie und die Gewaltenteilung im Grundsatz achtet, kommt nicht umhin, das Modell einer in Gänze vorstaatlichen Privatrechtsordnung abzulehnen.123 Denn die allgemeinen Rechtsprinzipien, wie sie in der Verfassung und im EG-Recht enthalten sind, bilden für das Privatrecht nicht nur ein wichtiges Fundament, sondern beanspruchen geltungstheoretisch auch Vorrang, sodass staatliche Übergriffe auf den vertraglichen Geschäftsverkehr nicht per se mit dem Argument der »Vorrangigkeit des Privatrechts« abgewehrt werden können. Im einzelnen hat das Grundgesetz »in seinem Grundrechtsabschnitt objektive Grundentscheidungen getroffen, die für alle Bereiche des Rechts, also auch für das Zivilrecht, gelten«.124 Demzufolge dürfen insbesondere »Vorschriften des Privatrechts, die zwingendes Recht enthalten«, nicht in Widerspruch zu den Prinzipien treten, die in den Grundrechten zum Ausdruck kommen.125 Andererseits kann dies aber nicht bedeuten, dass regulative Eingriffe in den Privatrechtsverkehr allein deshalb gutzuheißen sind, weil sie nach dem Aufbau der Stufenordnung zulässig und nach dem Freiheitsmaßstab der Grundrechte verhältnismäßig sind.126 Denn eine derart etatistische Argumentations120 Hierzu die Übersicht bei: Müller-Freienfels, FS für Rittner (70. Gebtg.), S. 423 (S. 452 ff.). 121 Vgl. hierzu: Thöle, Kant und das Problem der Gesetzmäßigkeit der Natur, S. 6 ff.; Luf, Freiheit und Gleichheit, S. 14 ff. 122 Locke, Two treatises of Civil Government, Book II, Chap. V. § 26 ff. (S. 129 ff.). 123 Neuner, Privatrecht und Sozialstaat, Einleitung I. 1. a) (S. 1, 2); Böhm, in: Mestmäcker (Hrsg.): Freiheit und Ordnung in der Marktwirtschaft, I. 3. (S. 113, 114); Müller-Freienfels, in: FS für Rittner (70. Gebtg.), S. 423 (S. 426 ff.); Isensee, FS für Großfeld (65. Gebtg.), S. 485 (S. 492 ff.). 124 BVerfG – »Handelsvertreter« – Beschluss v. 07. 02. 1990, Az.: 1 BvR 26/84 – BVerfGE 81, 242 (254). 125 BVerfG – »Handelsvertreter« – Beschluss v. 07. 02. 1990, Az.: 1 BvR 26/84 – BVerfGE 81, 242 (254). 126 F. Bydlinski, Das Privatrecht im Rechtssystem einer »Privatrechtsgesellschaft«, I. (S. 2 ff.).

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struktur wäre Ausdruck einer bedenklich verantwortungsblinden Anpassungsfähigkeit, die im Vergleich zu ethisch-rationalen Ansätzen besonders großzügig staatliche Übergriffe auf die Privatrechtsgesellschaft zulassen würde. Sie wäre insbesondere in der Lage, ethische, ökonomische und rationale Erwägungen, die sich jenseits der Normenhierarchie bewegen, vollständig auszublenden.127 Auf diese Weise könnten lückenlose Rechtfertigungsmodelle auch jederzeit für antiliberale Privatrechtsordnungen totalitärer Regimes geliefert werden.128 Dieses Totalitarismusargument macht hinreichend deutlich, dass die Selbstständigkeit des Privatrechts trotz Anerkennung der staatlichen Normenhierarchie nicht vollständig aufgegeben werden darf.129 Gerade der »Vertrag« als zentrales privatrechtliches Kooperationsinstrument bringt die traditionelle Sonderstellung des Privatrechts im System der Gesamtrechtsordnung nach wie vor zum Ausdruck. Müller-Freienfels spricht gar von dem Privatrecht als dem »Reich des staatlich Ungeplanten«.130 Einerseits überschreiten Verträge die Grenze der soziologisch-gesellschaftsautarken Maßnahmen, indem sie in ihrer gesetzlichen Ausgestaltungsbedürftigkeit notwendig auf eine gesetzgeberische Anerkennung angewiesen sind.131 Andererseits werden Verträge aber auch nicht hundertprozentig den Vorstellungen etatistischer Modelle gerecht, weil sie – nicht einmal im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen132 – Resultat delegierter Rechtsetzung sind, sondern privatautonome Rechtsgestaltung verkörpern.133 Eine präsumtive Verbindlichkeit der staatlichen Normen mag damit zwar zur Folge haben, dass man »den methodologischen Einstiegsort für die Rechtsfi ndung in der staatlichen Rechtsordnung zu suchen [hat], ohne damit einem positivistischen Rigorismus das Wort zu reden«.134 Bei wertenden Systemrevisionen wie der vorliegenden dürfen ethisch-rationale und wirtschaftsfunktionale Überlegungen aber auch nicht unberücksichtigt bleiben135, worauf auch Müller-Freienfels mit der von ihm propagierten »Relativierung des Vorrangdenkens« hinweist136. 127 F. Bydlinski, Das Privatrecht im Rechtssystem einer »Privatrechtsgesellschaft«, VII. 3. (S. 76 ff.). 128 F. Bydlinski, Das Privatrecht im Rechtssystem einer »Privatrechtsgesellschaft«, I. (S. 7 ff.); ders., FS für Raisch (70. Gebtg.), S. 7 (S. 21). 129 Böhm, in: Mestmäcker (Hrsg.): Freiheit und Ordnung in der Marktwirtschaft, I. 3. (S. 110 ff.). 130 Müller-Freienfels, FS für Rittner (70. Gebtg.), S. 423 (S. 442). 131 Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, § 8 (S. 27). 132 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, § 4 I. (S. 29 ff.). 133 Vgl. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 2. Kap. § 1 I. 1. (S. 15, 16); Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, § 8 (S. 28, 29); Rittner, FS Müller-Freienfels (70. Gebtg.), S. 509 (S. 515). 134 Neuner, Privatrecht und Sozialstaat, Einleitung I. 1. a) (S. 1, 2). 135 F. Bydlinski, Das Privatrecht im Rechtssystem einer »Privatrechtsgesellschaft«, II., III. und IV. (S. 23 ff., S. 36 ff. und S. 45 ff.). 136 Müller-Freienfels, FS für Rittner (70. Gebtg.), S. 423 (S. 467 ff.); mit einer ähnlichen

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B. Die Zweiteilung der Rechtsordnung in öffentliches und privates Recht Einen engen Bezug zum Vorrangdenken der staatlichen Stufenordnung hat die Stellung des Vertragsrechts im System der Rechtsordnungsdichotomie von Privat- und öffentlichem Recht, welche traditionell als wichtige Schaltstelle bei der Bestimmung des richtigen Rechtsweges fungiert. Damit der Zweiteilung zwischen Privat- und öffentlichem Recht ebenfalls Vorgaben für die Ausgestaltung der Sonderprivatrechte entnommen werden könnten, müsste die Rechtsordnungsdichotomie auch bei dem Erlass von Rechtsakten eine apriorische, dem einfachen Gesetzesrecht vorgelagerte Funktion einnehmen. Wäre dies der Fall, müsste auch der Gesetzgeber, dem Zweck der jeweiligen Legislativmaßnahme entsprechend, die kategorischen Schranken zwischen Privatund öffentlichem Recht einhalten. Die Frage bedarf daher der Erörterung, ob der »abgrenzbare Realitätsausschnitt des Privatrechts, dh die (gegenwärtig) relativ staatsfernen gesellschaftlichen Verhältnisse«, wie F. Bydlinski propagiert, möglicherweise »weder positiv-verfassungsrechtlich noch gar rationalrechtsethisch zur freien Disposition der Gesetzgebung« stehen.137 I. Traditionelle Verortung des Vertragsrechts Im internationalen Vergleich ist »Vertragsrecht« nicht nur in Deutschland sondern in allen nordischen Staaten und so gut wie allen Ländern des civil law system fast ausschließlich privates Recht.138 Vertragsrechtliche Normen sind in der Regel kein Sonderrecht des Staates, der kraft seines Monopols über legitime physische Gewalt verfügt. Auch die Parteien selbst nehmen bei der Vertragsgestaltung keine hoheitlichen Aufgaben wahr, denn sie können in eigener Sache genauso wenig Gesetzgeber wie Richter sein.139 Im Gegensatz zu öffentlich-rechtlichen Normen sind vertragsrechtliche Normen nicht einmal auf einer Seite des Vertrages spezifisch an eine öffentliche Stelle in ihrer Eigenschaft als Hoheitsträger adressiert; vielmehr regeln sie die Rechtsverhältnisse zwischen mehreren Privatpersonen statusunabhängig.140 Vertragsrecht erlaubt die Regelung von Rechtsbeziehungen »auf der Grundlage von Gleichberechtigung und Privatautonomie . . . und [stellt] . . . dafür in Gestalt seiner Sachnormen die erforderlichen Regeln, Institutionen und Zielrichtung für eine »Freiheit durch Unterscheidung« plädierend: Isensee, FS für Großfeld (65. Gebtg.), S. 485 (S. 513, 514). 137 F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 1. Hteil. V. 2 a) (S. 80). 138 Hinsichtlich der nordischen Staaten vgl.: Nielsen, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Denmark, Tz. 22 ff. 139 Flume, Rechtsgeschäft und Privatautonomie, § 2 (S. 141); so auch: Flume, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 135 (S. 141); in Bezug auf AGB: Ulmer, in: Ulmer/ Brandner/Hensen (Hrsg.): AGB-Recht, Einl. Rn. 46. 140 F. Bydlinski, AcP 194 (1994), 319 (321).

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2. Kapitel: Sondervertragliche Systemvorgaben der Rechtsordnung

Prinzipien zur Verfügung«.141 Es beruht auf den Prinzipien der Privat-, Handlungs-, Güter- und Personalautonomie142 , wobei nicht die Institutionen öffentlich-rechtlicher Normen, sondern die Institutionen des Marktes und der dort herrschende Wettbewerb mit Angebot und Nachfrage über den Vertragsmechanismus wacht143. Auch wenn die eigentliche Anordnung für die Geltung eines Vertrages gemäß der herrschenden Anerkennungstheorie nicht von den Vertragsparteien, sondern von dem Gesetzgeber ausgesprochen wird, ist er seinerseits verpfl ichtet, die Selbstbestimmung der Parteien normativ zu achten.144 Vertragsrechtliche Normen dienen dem Staat nicht dazu, bestimmte Sachbereiche unabhängig von dem Willen der unterworfenen Bürger zu ordnen145 ; ihre Rechtsfolgen sind weder straf- noch ordnungsrechtlich, sondern vielmehr »non-criminal and non-administrative«146 ; teleologische Reduktion und Analogiebildung fi nden als Auslegungsinstrumente uneingeschränkt Anwendung.147 II. Historie und status quo der Rechtsordnungsdichotomie Obwohl bereits das römische Recht eine gewisse Trennung zwischen öffentlichem und privatem Bereich kannte148, zeigten sich erste Anzeichen für die im modernen Staat bedeutsame Aufteilung der Rechtsordnung in diese Unterkategorien des Rechtssystems erst im 16. Jahrhundert, als das Verfassungsrecht sich in Teilbereichen von dem gemeinen Stamm des Gemeinen Rechts loszulösen begann149. Dabei mag die dichotome Formel Ulpians die Herausbildung 141 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 1. Teil 3. Abschnitt § 1 (S. 35); vgl. auch: Rittner, FS Müller-Freienfels (70. Gebtg.), S. 509 (S. 519); Böhm, in: Mestmäcker (Hrsg.): Freiheit und Ordnung in der Marktwirtschaft, I. 3. (S. 105 ff.). 142 Trute, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 167 (S. 173). 143 Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, § 8 (S. 29, 30); vgl. auch: Richter R. /Furubotn, Neue Institutionenökonomik, IV (S. 148). 144 Flume, Rechtsgeschäft und Privatautonomie, § 2 (S. 142); Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 (163); Mestmäcker, JZ 19 (1964), 441 (442). 145 Trute, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 167 (S. 172). 146 Nielsen, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Denmark, Tz. 23, 24. 147 Vgl. aus rumänischer Sicht: Dincha, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Romania, Tz. 17. 148 Boehmer, Grundlagen der Bürgerlichen Rechtsordnung, 1. Buch, § 7 B. I. (S. 169 ff.); Molitor, Über öffentliches Recht und Privatrecht, 1. Kap. (S. 8, 9); gegen eine Funktion der Zweiteilung im römischen Recht: Bullinger, Öffentliches Recht und Privatrecht, 2. Abschnitt I. (S. 13 ff.). 149 L. Raiser, Die Zukunft des Privatrechts, II. (S. 17); vgl. auch: Bullinger, Öffentliches Recht und Privatrecht, 2. Abschnitt (S. 16 ff., S. 30 ff. und S. 37 ff.); Tilmann, Die Klauselrichtlinie 93/13/EWG auf der Schnittstelle zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht, 3. Teil 1. Kap. B. I. 1. (S. 42 ff.).

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der »öffentlich-privaten« Zweiteilung im Rahmen der Pandektenrezeption zwar auch begünstigt haben. Prägend wurden jedoch die auf Locke und Montesquieu zurückgehende Gewaltenteilungslehre sowie der individualistische Ausgangspunkt des späteren Naturrechts, das erst über den Gesellschaftsvertrag zum staatlichen Denken gelangte.150 In diesem Sinne wurde ab 1750 eine Entwicklung erkennbar, dass sich eine dem Wesen nach bürgerliche Gesellschaft von der Organisation des Staatsapparates abspaltete151, wodurch sich auch die Begriffskategorisierung in »öffentliches Recht« und »Privatrecht« verfestigte. Damit erreichte die Privat- und Vertragsrechtsentwicklung im 19. Jahrhundert einen Punkt, an dem der Staat fortan nur noch eine Rahmenordnung zur Verfügung stellte, um privatautonomes Handeln gleichberechtigter Geschäftspartner dezentral in eigener Verantwortung zu ermöglichen152 , ohne dass für den Gegenstand von Verträgen Inhaltsvorgaben oktroyiert würden. Es entstand das Leitbild der staatsfernen Bürgergesellschaft, die in die Lage versetzt werden sollte, »die Chancen einer ungesicherten selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit trotz ihrer Risiken zu ergreifen und auf diese Weise zugleich im Allgemeininteresse die Wirtschaftstätigkeit zu beleben«.153 In plastischer Übertreibung propagierte Savigny mit seiner Konzeption vom »reinen Privatrecht« ein Vertragsrecht, das wirtschafts- und sozialpolitisch neutral zu sein hatte.154 Die Förderung der Gemeinschaftsinteressen wies er als soziale Aufgabe ausschließlich dem Staat und nicht den Privaten zu. Ihre Regelung habe in öffentlich-rechtlichen Formen zu geschehen, denn seiner Meinung nach führte ein »soziales Privatrecht« gleichsam zur Auflösung des Privatrechts.155 Selbst die wirtschaftliche Gesetzgebung überantwortete er dem Gebiet des öffentlichen Rechts.156 Einen Markstein für die Distanzierung des Vertragsrechts von der Befehlsgewalt des Staates bildete in Deutschland unzweifelhaft die Einführung der Gewerbefreiheit (1869), mit der sich das Privatrecht als wirklich dezentrales Phänomen etablierte.157 Sie sollte die bürgerliche Erwerbsgesellschaft und die 150

Molitor, Über öffentliches Recht und Privatrecht, 1. Kap. (S. 12 ff.). Stolleis, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 41 (S. 55). 152 F. Bydlinski, AcP 194 (1994), 319 (340). 153 Bullinger, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 239 (S. 241); vgl. auch: Zöllner, Die Privatrechtsgesellschaft im Gesetzesund Richterstaat, III. 1. (S. 23). 154 von Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. 1, § 15 (S. 53 ff.); siehe hierzu auch: Rebe, Privatrecht und Wirtschaftsordnung, § 6 A. II. (S. 91 ff.). 155 Rebe, Privatrecht und Wirtschaftsordnung, § 6 A. II. (S. 91). 156 Rebe, Privatrecht und Wirtschaftsordnung, § 6 A. II. (S. 91). 157 Bullinger, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 239 (S. 241); Zöllner, Die Privatrechtsgesellschaft im Gesetzes- und Richterstaat, III. 1. (S. 23, 24). 151

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2. Kapitel: Sondervertragliche Systemvorgaben der Rechtsordnung

öffentliche Verwaltung »aus ihrer feudalen, patrimonialen und ständischen Verstrickung und Erstarrung« befreien und getrennten, strukturell gegensätzlichen Ordnungen unterwerfen, »die in funktioneller Verbindung wirtschaftliche Beweglichkeit und Entwicklungskraft versprachen«.158 Nicht nur der Liberalismus mit seinem scharfen politischen Gegensatz zwischen Staat und Gesellschaft, sondern auch der Idealismus hat einen Beitrag geleistet, die Dichotomie zwischen öffentlichem und privatem Recht als »apriorisch« hinzunehmen und die Abspaltung der staatsfernen Privatrechtsgesellschaft zu verfestigen.159 Seit dieser Zeit ist die Unterscheidung von öffentlichem Recht und privatem Recht allgemein anerkannt, sodass auch das Vertragsrecht nicht mit staatlicher Lenkung, Zentralismus und Ergebnisgleichheit sondern mit dezentraler Selbstbestimmung, staatlicher Zweckneutralität und Chancengleichheit in Verbindung zu bringen ist. Mittelbar erkennt inzwischen auch das EG-Recht die Staatsferne des Privatrechts an, indem es an versteckter Stelle die Dichotomie zwischen öffentlichem und privatem Recht übernommen hat.160 Zwar ist die EG kein Staat161, sondern ein Zustand »diffuser Zwischenstadien«162 bzw. »eine im Prozess fortschreitender Integration stehende Gemeinschaft eigener Art«163. Vereinzelt lässt aber auch das Gemeinschaftsrecht die Zweiteilungstradition erkennen, auch wenn der EG-Vertrag anders als das deutsche Grundgesetz weder bei der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen noch bei der Gewährung von Rechtsschutz ausdrücklich zwischen dem öffentlichen und privaten Recht differenziert. So nimmt etwa Art. 238 EG auf »öffentlich-rechtliche[.]« und »privatrechtliche[.]« Verträge Bezug und Art. 65 EG verweist auf die »justizielle[.] Zusammenarbeit in Zivilsachen«.164 Daneben hat der EuGH in seinem Eurocontrol-Urteil zum öffentlichen Dienstrecht der Gemeinschaft deutlich gemacht, dass auf Gemeinschaftsebene die Begriffe »öffentliches Recht« und »Privatrecht« als autonome Rechtsbegriffe anzuerkennen sind. Von öffentlichem Recht sei immer dann auszugehen, wenn »eine Behörde und eine Privatperson gegenüberstehen . . . [und] die 158 Bullinger, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 239 (S. 241). 159 Stolleis, in: Hoffmann/Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 41 (S. 55–57). 160 Vgl. Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 2 Rn. 51 ff. (S. 24, 25); ders., System und Prinzipien des Europäischen Privatrechts, § 3 II. (S. 42 ff.). 161 Müller-Graff, in: Müller-Graff (Hrsg.): Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, S. 267 (S. 275). 162 Börner, Studien zum deutschen und europäischen Wirtschaftsrecht, Bd. 4, S. 19. 163 BVerfG – »Solange I« – Urteil v. 29. 05. 1974, Az.: 2 BvR 52/71 – BVerfGE 37, 271 (278); vgl. auch: Börner, Studien zum deutschen und europäischen Wirtschaftsrecht, Bd. 4, S. 22. 164 Zum Begriff des Privatrechts in der Gemeinschaft mit substanziierten Ausführungen: Basedow, FS für Canaris (70. Gebtg.), Bd. I, S. 43 (S. 43 ff.).

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Behörde . . . im Zusammenhang mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse« tätig wird.165 Gleichermaßen unterscheidet nicht nur die Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten und Wettbewerbsregeln am Maßstab eines funktionellen Staatsbegriffs zwischen originär hoheitlicher Tätigkeit und nicht hoheitlicher Tätigkeit166, sondern auch in das Sekundärrecht hat die Unterscheidung zwischen privatem und öffentlichem Recht mittlerweile Eingang gefunden, indem etwa die »Brüssel I«-Verordnung ihren Geltungsbereich (unabhängig davon, welchem Rechtsbereich das entscheidende Gericht zuzuordnen ist) auf Zivilund Handelssachen beschränkt, wohingegen Steuer-, Zoll- und verwaltungsrechtliche Angelegenheiten ausgeklammert bleiben (Art. 1).167 III. Die Stellung des Vertragsrechts in der Rechtsordnungsdichotomie Von dem Verwaltungsaufbau des öffentlichen Rechts grenzt sich das Vertragsrecht eigens dadurch ab, dass der Gesetzgeber den Parteien lediglich durch das Bereitstellen eines Rechtsrahmens die Möglichkeit gibt, ihre tatsächlichen (Gestaltungs-) Vorstellungen mit freier Eigenverantwortlichkeit und gleichen Chancen auf der Grundlage eines rechtssicheren Systems zu verwirklichen.168 Ökonomisch wird die Dichotomie der Rechtsordnung vor diesem Hintergrund auch gleichgesetzt mit der Unterscheidung zwischen »price theory« (die sich mit einer Konnotation zum Privatrecht mit der Analyse von Markttransaktionen beschäftigt) und »public choice theory« (die mit einer Konnotation zum öffentlichen Recht politische Prozesse analysiert), rechtethisch mit der aristo-

165

EuGH – LTU/Eurocontrol – Urteil v. 27. 09. 1968, Rs. 29/76 – Slg. 1976, 1541

Tz. 4. 166 Bezüglich der Grundfreiheiten beispielhaft: EuGH – Kommission/Luxemburg – Urteil v. 02. 07. 1996, Rs. C-473/95 – Slg. 1996, I-3207 Tz. 32 ff.; Kommission/Italienische Republik – Urteil v. 16. 06. 1987, Rs. 225/85 – Slg. 1986, 2625 Tz. 7 ff.; Kommission/Französische Republik – Urteil v. 03. 06. 1986, Rs. 307/84 – Slg. 1986, 1725 Tz. 12; Kommission/Königreich Belgien – Urteil v. 17. 12. 1980, Rs. 149/79 – Slg. 1982, 1845 Tz. 10; bezüglich des Wettbewerbsrechts beispielhaft: EuGH – Strafverfahren Corbeau – Urteil v. 19. 05. 1993, Rs. C-320/91 – Slg. 1993, I-2533 Tz. 10 ff.; Hoefner & Elser/Macrotron – Urteil v. 23. 04. 1991, Rs. C-41/90 – Slg. 1991, I-1979 Tz. 20 ff. 167 Rat – Verordnung (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – ABl. 2001 Nr. L 12 S. 1. Ein anderes Beispiel bilden die Richtlinien zu den öffentlichen Bau-, Lieferund Dienstleistungsaufträgen, die bei der Defi nition ihres jeweiligen Anwendungsbereichs ausdrücklich auf das öffentliche Recht der Mitgliedstaaten verweisen (Rat – Verordnung 93/37/EWG zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge – ABl. 1993 Nr. L 199 S. 54; Verordnung 93/36/EWG zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge – ABl. 1993 Nr. L 199 S. 1; Verordnung 92/50/EWG zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge – ABl. 1992 Nr. L 209 S. 1). 168 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 (163).

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telischen Unterscheidung zwischen »corrective justice« (Privatrecht) und »distributive justice« (öffentliches Recht) in Verbindung gebracht.169 Reflektiert man anhand der Rechtsordnungsdichotomie das Recht der Sonderverträge, ist es für die Art der Einteilung als zunächst unbeachtlich zu erklären, dass das Verbrauchervertragsrecht überwiegend der Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Richtlinien dient. Zwar sind die Gemeinschaftsrichtlinien im Aufbau des Stufenbaus eher dem öffentlichen Recht zuzuordnen.170 Für die Qualifi zierung der nationalen Umsetzungsnormen trifft dies aber keine Vorentscheidung. Denn nicht die öffentlich-rechtliche Rechtsnatur der Rechtsangleichungsinstrumente (EG-Richtlinie) kann in diesem Zusammenhang ausschlaggebend sein, sondern allein die privat- oder öffentlichrechtliche Bereichszugehörigkeit der harmonisierten Rechtsmaterie. Nichtsdestotrotz weist das (umgesetzte) Verbrauchervertragsrecht bei näherer Betrachtung zahlreiche öffentlich-rechtliche Elemente auf. 1. Verbrauchervertragsrecht und Gemeinwohlbezug Anlass für eine Überprüfung am Maßstab der Rechtsordnungsdichotomie bietet aber bereits das Handelsvertragsrecht, das mit seiner Bezugnahme auf das Handelsregister signifi kante öffentlich-rechtliche Anklänge in sich trägt.171 Eine noch sichtbarere Verbundenheit mit dem öffentlichen Recht trägt jedoch das Verbraucherrecht zur Schau. Es überschreitet die »tradierte Fächereinteilung in Öffentliches Recht und Privatrecht«172 , indem es seine Zielsetzungen durch »[a]nspruchsvolle, aufeinander abgestimmte Steuerungskombinationen von öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Instrumenten« und durch das »unschädliche Zusammenspiel der Eigendynamiken verschiedener sozialer Subsysteme« zu erreichen versucht.173 Zieht man die üblichen Klassifi zierungskriterien heran, kommen im Verbraucherrecht verhältnismäßig viele Symptome zum Vorschein, die auf das Vorliegen von öffentlich-rechtlichen Normen hinweisen. Dies beginnt bereits bei den möglichen Sanktionsfolgen: Während im Handelsrecht die herkömmlichen Rechtsfolgen des Schadensersatzes, des Rücktritts und der Anfechtung etc. gelten, sind im Verbraucherrecht auch ge169

Cane, OxJLSt 25 (2005), 203 (212, 213). Riesenhuber, System und Prinzipien des europäischen Privatrechts, § 3 II. (S. 44). 171 K. Schmidt, in: K. Schmidt (Hrsg.): MünchKomm-HGB, Vor § 1 Rn. 2; ders., Handelsrecht, § 1 I. 1. a) (S. 3); Horn, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, Einleitung I Rn. 2, 6; Brüggemann, in: Canaris/Schilling/Ulmer (Hrsg.): Staub-HGB, Einl vor § 1 Rn. 14; Ensthaler, in: Ensthaler (Hrsg.): Gemeinschaftskommentar HGB, Einleitung Rn. 9, 10; eine starke Durchsetzung des Handelsrechts durch Vorschriften öffentlich-rechtlicher Natur behauptend, allerdings unter Einbeziehung des Firmen- und Bilanzierungsrechts: Röhricht, in: Röhricht/von Westphalen, HGB, Einleitung Rn. 26 ff. 172 Schuhmacher, in: Krejci (Hrsg.), Hdb. zum Konsumentenschutzgesetz, 1. Kap. II. A. (S. 8). 173 Schneider, DVBl. 110 (1995), 665 (666). 170

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meinwohlorientierte Klagemöglichkeiten von Verbraucherverbänden vorgesehen; sogar eine behördliche Erlaubnis- und Kontrollüberwachung für Kreditanbieter und -vermittler macht die Verbraucherkreditrichtlinie (1987) zur Voraussetzung.174 Darüber hinaus sind Analogiebildungen im Verbraucherrecht in geringerem Umfang als im allgemeinen Vertragsrecht möglich; aus Gründen der Rechtssicherheit kann die zwingende Nichtigkeitsfolge von verbraucherrechtlichem ius cogens nämlich nur dann Rechtsgeltung beanspruchen, wenn eine bestimmte Sachverhaltskonstellation von dem jeweiligen Normtatbestand ausdrücklich bezeichnet wird. Zudem ist die Zwecksetzung des Verbraucherrechts eine zum Teil öffentlich-rechtliche, indem es dem Gemeinwohl dienen will, um sozusagen eine »bessere Lebensqualität für alle« zu schaffen.175 Das unterstellte Interesse der Vertragsparteien an einer ausgewogenen Regelung wird zu einem öffentlichen Allgemeininteresse erklärt, sodass der Staat zu einem »Garant[en] für in freier Selbstbestimmung geschlossene und auch inhaltlich gerechte Verträge« avanciert.176 Indem der Gesetzgeber die Wirkungen eines Gesetzes mit dessen Zielen gleichsetzt, können sich nicht intendierte Wirkungen einstellen, die dann wieder zu Korrekturmaßnahmen führen, was »in aller Regel zusätzlichen Bürokratieaufwand nach sich zieh[t]«.177 2. Verbraucherrecht und subordinative Markterhaltung Ist die Zielsetzung des Verbraucherrechts dem Hoheitsbereich der Leistungsverwaltung vergleichbar, ähneln seine Instrumente den Maßnahmen der Eingriffsverwaltung. Der Gesetzgeber spricht sich die Befugnis zu, bestimmte Parteien »schützen« zu müssen178 – meint, »dafür Sorge tragen [zu müssen], daß der Verbraucher [. . .] angemessenen Schutz genießt«179 bzw. »sicherstellen [zu müssen], daß [. . .] keine missbräuchlichen Klauseln verwendet werden«180. Eine Funktionskumulierung und -vermischung ist die Folge. Das öffentliche Interesse an einer intakten Vertragsordnung und einer optimalen Güterverteilung in einem funktionierenden Wettbewerb verdrängt das private Interesse an einem gerechten Vertrag, sodass die vormals individuelle Ordnungsfunkti-

174 Art. 12 Verbraucherkreditrichtlinie (1987) bzw. Art. 28 Verbraucherkreditrichtlinie (2008). 175 Kommission – Mitteilung der Kommission vom 07. 05. 2002 – »Verbraucherpolitische Strategie 2002–2006«, KOM(2002) 208 endgültig, Ziff. 1.1 (S. 5). 176 Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 1. Teil A. II. 5. (S. 14). 177 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie – »Mehr Vertragsfreiheit, geringere Regulierungsdichte, weniger Bürokratie«, Stellungnahme vom 16. 09. 2006, Ziff. I. (S. 3). 178 Erwägungsgrund 9 Timesharingrichtlinie. 179 Erwägungsgrund 16 Verbraucherkreditrichtlinie (1987). 180 Erwägungsgrund 4 Verbraucherkreditrichtlinie (1987).

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on in eine sozial-generelle Ordnungsfunktion umgewandelt wird.181 Auch internationalprivatrechtlich macht sich dies bemerkbar: So wird vielfach argumentiert, dass demjenigen Staat, der eine bestimmte Verbraucherschutzvorschrift erlassen habe, auch international an der effektiven Durchsetzung der von ihm dadurch zum Ausdruck gebrachten Politik gelegen sei.182 Eine mittragende Ursache für die öffentlich-rechtliche Durchdringung des Verbraucherrechts könnte u. a. in dem Kompetenzdefi zit der EG begründet sein, die eben gerade keine originäre Befugnis zur Kodifi kation von Vertragsrecht hat, sondern lediglich einen funktional auf den Binnenmarkt gerichteten Harmonisierungsauftrag erfüllt.183 Wirkt binnenmarktbeeinträchtigend regelmäßig nur markterhaltendes (subordinativ regulierendes), nicht jedoch marktunterstützendes (liberal dezentralisiertes) Vertragsrecht, muss von der EG ein rechtspolitischer Druck ausgehen, markterhaltendes Recht vorrangig zu harmonisieren. Dies bringt es mit sich, dass mit jeder (Verbraucher-) Vertragsrechtsangleichung, die mit dem Auftrag der Binnenmarktförderung durchgeführt wird, ein bestimmter Grundgehalt öffentlicher Zwecksetzung einhergeht. Demgemäß weist harmonisiertes Vertragsrecht nicht selten einen deutlich höheren Gemeinwohlgehalt als Gesetze auf, die rein nationalen Ursprungs sind. Darüber hinaus muss die EG bei der Verabschiedung einer Richtlinie nicht nur die Zielvorstellungen der Aufgabenkataloge der Eingangsartikel des EG-Vertrages (Art. 2 und 3 EG), sondern auch die gemeinwohlorientierten Querschnittsklauseln der Gemeinschaftspolitiken berücksichtigen. IV. Jüngste Entwicklung der rechtsordnungsbezogenen Dichotomie Nichtsdestotrotz gilt es festzuhalten, dass sich die Rechtsordnungsdichotomie mit ihrer erneuten Rückwärtsbewegung, wie sie in jüngerer Zeit stattfi ndet, erkennbar auf ambivalente Mischrechtsbereiche wie das Verbraucherrecht zubewegt.184 Denn insgesamt und im Hinblick auf Verträge ist seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts wieder ein Schwund an Dezentralisierung und Staatsfer181

Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 1. Teil A. II. 5. (S. 14). Zu den sog. »governmental interests« siehe: Flessner, Interessenjurisprudenz im internationalen Privatrecht, § 2 I. (S. 5 ff.); S. Klauer, Das europäische Kollisionsrecht der Verbraucherverträge, 1. Kap. III. 2. b) (S. 29); Currie, Selected Essays on the Confl ict of Laws, Chapter 4 (S. 183 ff.). 183 Vgl. hierzu: Frie, Die Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, C. (S. 37 ff.). 184 Merz, Privatautonomie heute – Grundsatz und Rechtswirklichkeit, IV. 1. b) (S. 15); L. Raiser, Die Zukunft des Privatrechts, II. (S. 18); Tilmann, Die Klauselrichtlinie 93/13/ EWG auf der Schnittstelle zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht, 3. Teil 1. Kap. B. I. 2. (S. 44 ff.); zum Rückgang der Rechtsordnungsdichotomie aus spanischer Sicht vgl.: Vaquer, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Spain, Tz. 24; aus schwedischer Sicht vgl.: Adlercreutz, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Sweden, Tz. 20; Lurger, Grundfragen der Vereinheitlichung des Vertragsrechts in der EU, 1.5.6. (S. 127). 182

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ne festzustellen, der sich durch eine zunehmende Missachtung der Grenzen der rechtsordnungsspezifischen Zweiteilung auszeichnet.185 Während die Abschaffung der Monarchie und der Übergang zur Republik das Phänomen der Parlamentsgesetze gefördert hat (mit der Folge, dass man fortan Sachbereiche mit Gemeinwohlbezug aus Verhältnismäßigkeitsgründen vorzugsweise über Privat- statt über Verwaltungsgesetze kodifi zierte)186, scheint auch die Bundesrepublik mit ihrem Verfassungs- und Rechtsschutzsystem fast schon der guten Etikette halber – allerdings weniger unter tatsächlicher Wahrung einer stringenten Systemdichotomie – zu der tradierten Zweiteilung zurückgefunden zu haben.187 Dass die gemeinwohlorientierte Inanspruchnahme konsumentenorientierten Privatrechts schon lange als respektiertes Modell dient, gelangte bereits bei den Beratungen zum AbzG zum Ausdruck, als man eine öffentlichrechtliche Gewerbeaufsicht über den Abzahlungshandel zur Missbrauchsbekämpfung für ungeeignet hielt, weil »das Abzahlungsgeschäft nicht . . . eine sich äußerlich kennzeichnende, besondere Art des Gewerbebetriebs, sondern nur eine Form des Geschäftsabschlusses darstellt, die in den verschiedensten Arten von Gewerbebetrieben Anwendung fi nden kann«.188 Angesichts dieses Dilemmas wurden in der aufblühenden Industriewirtschaft in ständig steigendem Ausmaß »Gesetze zum Zwecke der wirtschaftlichen und sozialen Intervention und Planung in vieler Hinsicht« erlassen189, sodass zahlreiche Autoren zu der Annahme gelangten, »that the principle of contractual freedom was not an automatic key to justice and order in commercial relationships«.190 Ausgebaut wurde dieser Trend im 20. Jahrhundert, als der Gesetzgeber in großem Umfang zwingende privatrechtliche Normen erließ, von denen eine Vielzahl so konzipiert ist, dass sie die »inequality of bargaining power« korrigieren soll.191 185 Heiderhoff, Grundstrukturen des nationalen und europäischen Verbrauchervertragsrechts, 4. Kap. I. II. (S. 388 ff.). 186 Stolleis, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 41 (S. 58). 187 Bereits 1971 stellte Raiser fest, dass schon »seit dem 1. Weltkrieg, wesentlich verstärkt seit dem NS-Regime und, trotz der Rückkehr zu verfassungsrechtlichen Freiheitsgarantien und zu marktwirtschaftlichen Grundsätzen, seit 1945 . . . unter dem Druck der sozial- und wohlfahrtsstaatlichen Tendenzen . . . die staatlichen Einwirkungs- und Kontrollrechte auch im klassischen Privatrechtsbereich so deutlich zu[genommen hätten], daß von einem Funktionsverlust des Privatrechts, einer Schrumpfung seines Anwendungsbereichs gesprochen werden« könne [L. Raiser, Die Zukunft des Privatrechts, I. (S. 10)]. 188 Entwurf AbzG – Sten. Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, 9. Legislaturperiode, II. Session 1893/94, 1. Anlage-Bd., S. 720 (722). 189 Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, § 6 Ziff. 1 (S. 17). 190 Herbots, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Belgium, Tz. 51. 191 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 24 III. (S. 323).

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»The function of contracts is, however, in a process of change resulting in the division between private und public law becoming increasingly blurred. There is a trend towards increasing co-ordination between private law and public law.«192

Mittlerweile hat sich im Sinne dieser Entwicklungsbeschreibung eine ungeahnte Verflechtung zwischen öffentlich-rechtlicher Deregulierung und privatrechtlicher Regulierung, gewissermaßen eine »Entprivatisierung des Vertragsrechts« (Martinek) 193 eingestellt.194 Die veränderten sozioökonomischen Vertriebsstrukturen haben einen »öffentlich-/privatrechtlichen« (gesamtwirtschaftlich betrachtet u. U. sogar kosteneffi zienten) Vermischungsprozess heraufbeschworen, der zumindest aus Staatsperspektive mit deutlich geringeren Interventionskosten verbunden ist als wenn in dichotomer Tradition ein ausschließlich öffentlich-rechtlich konstituierter Verwaltungsapparat unterhalten werden müsste.195 Deutlich besser als ein monokratisch organisiertes Steuerungssystem lässt sich die neuerdings dezentrale Regulierung der Privatrechtsgesellschaft auch mit dem Paradigma einer globalisierten Wirtschaft abstimmen.196 Da die Orientierung an stark staatlich geprägten Eingriffsmechanismen einen höheren Kostenaufwand für länderübergreifende Transaktionen bedeutet, wird das Vertragsaxiom selbst rechtspolitisch und im Hinblick auf die internationale Wirtschaftsverflechtung pluralistisch: »[A] contract must be both useful for society and just«.197 V. Legitimität der Gemeinwohlorientierung des Verbraucherrechts Die einerseits traditionell starke Verankerung der Rechtsordnungsdichotomie und der andererseits zu verzeichnende Rückgang ihrer Ausgestaltung werfen die Frage auf, an welchem genauen Maßstab die verbraucherrechtliche Doppelfunktionalität nunmehr zu messen ist. Zum einen wird mit der Deregulierung des öffentlichen Rechts und dem Einbau von Zwangselementen in das Privatrecht zwar zugegebenermaßen »systemwidrige[r] Formentausch oder Formenmissbrauch« betrieben198, sodass sich »durchaus beachtliche Symptome für die Krise der wohlfahrts- und interventionsstaatlichen Umhegung

192 Nielsen, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Denmark, Tz. 25. 193 Martinek, in: Willoweit (Hrsg.): Rechtswissenschaft und Rechtsliteratur im 20. Jahrhundert, S. 141 (S. 156); so auch: Martinek, TSAR 2007, 1 (8). 194 Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 7 (S. 8, 9). 195 Eidenmüller, Effi zienz als Rechtsprinzip, Teil 2 § 3 B. III. (S. 106 ff.). 196 Schneider, DVBl. 110 (1995), 665 (666). 197 Herbots, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Belgium, Tz. 51. 198 Stolleis, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 41 (S. 58).

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der modernen Industriegesellschaft« ankündigen.199 Auf der anderen Seite folgt die »Struktur öffentlicher Aufgaben und gesellschaftlicher Problemlagen« aber insgesamt nicht mehr mit derselben Intensität wie vor einhundert Jahren »den Zäsuren der Rechtssystematik« und »den Feinheiten rechtswissenschaftlicher Disziplinenbildung«. 200 Vielmehr wirkt die iustitia distributiva – also die Verteilungsgerechtigkeit, wie sie im öffentlichen Recht vorherrscht – wegen der Verschränkung von öffentlichem Recht und Privatrecht heute generell in das Zivilrecht hinein. Ob aus den faktischen Überschneidungstendenzen ohne weiteres auch auf die Rechtswidrigkeit der Systemvermischung geschlossen werden darf, erscheint allerdings fraglich. Denn dazu müsste der Entwicklung der Rechtsordnungsdichotomie trotz des Dichotomierückgangs eine »Weichenstellung« zu entnehmen sein, »an der kein Gesetzgeber vorbeikommt«. 201 1. Dänische Dichotomieproblematik durch die Verbraucherrichtlinien Klar positioniert hat sich in dem Dichotomiewirrwarr der dänische Gesetzgeber, indem er einen rechtswidrigkeitsbegründenden Dichotomieverstoß der Verbraucherrichtlinien behauptete. Als Erwiderung auf die Verbraucherrichtlinien hat er sich geweigert, die Einwirkung auf sein Privatrechtssystem hinzunehmen und sich bemüht, die Entscheidungsgewalt über das Zivilrecht in seiner Kontrolle zu behalten, die selbstregulierende, autonome Struktur des Privatrechts zu konservieren und vor den Einflüssen der europäischen Verbraucherrechtsharmonisierung zu bewahren. 202 Bei der Umsetzung der Verbraucherrichtlinien hat er einen minimalistischen Ansatz verfolgt 203, sodass legislative Änderungen im dänischen Vertragsrecht soweit wie möglich vermieden wurden: »Denmark has used the distinction between private law and public law to shield off private law from EU intervention.«204 Ein prominentes Beispiel hierfür liefert die Umsetzung der Binnenmarktklausel der E-Commerce-Richtlinie (Art. 3), die von Dänemark dahingehend interpretiert worden ist, dass sie von vornherein nur öffentlich-rechtliche, nicht jedoch privatrechtliche Beschränkungen erfasse. 205 Gezielt hat es der dä199

Schneider, DVBl. 110 (1995), 665 (666). Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 8. 201 Müller-Freienfels, FS für von Caemmerer (70. Gebtg.), S. 583 (S. 587). 202 Nielsen, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Denmark, Tz. 26. 203 Nielsen, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Denmark, Tz. 26. 204 Nielsen, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Denmark, Tz. 26. 205 Nielsen, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Denmark, Tz. 26. 200

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nische Gesetzgeber daher unterlassen, vertragsrechtlichen Bestimmungen, die dem Wortlaut nach von der Binnenmarktklausel erfasst sein könnten, von den Vorschriften des dänischen E-Commerce-Gesetzes auszuklammern; frei nach dem Ansatz, dass die Verbraucherrichtlinien sowieso nur die öffentlich-rechtlichen Vorschriften harmonisierten, hielt der dänische Gesetzgeber es gar nicht für erforderlich, vertragsrechtliche Vorschriften freizustellen. 206 Ähnlich ging er bei der Umsetzung der Klausel- und Verbrauchsgüterkaufrichtlinie vor: Orientiert an der Unterscheidung zwischen Richtlinienartikeln mit privat- und öffentlich-rechtlichem Regelungsgehalt wurde auch hier eine Umsetzung in nationales Recht teilweise gezielt abgelehnt. 207 2. Zweiteilung und Verbraucherrecht aus deutscher Perspektive Zumindest einer derart apodiktischen Verweigerung ist allerdings zu widersprechen. Denn die Zweiteilung ist »kein zwingendes Gebot juristischer Logik, sondern, wie alle Begriffe und Systementwürfe der Rechtswissenschaft, nur der Versuch, Normenkomplexe zweckmäßig zusammenzuordnen und im Hinblick auf ihre Anwendung zu ›begreifen‹«. 208 Dass Gemeinwohlbelange – wie diejenigen, die das Verbrauchervertragsrecht verfolgt – grundsätzlich auch über zwingendes Vertragsrecht umgesetzt werden können, gelangt nicht nur in vielen Privatrechtsordnungen der übrigen EG-Mitgliedstaaten, sondern auch in der kollisionsrechtlichen Anerkennung zwingender Rechtsvorschriften zum Ausdruck (Art. 34 EGBGB). 209 Kategorische Kodifi kationsschranken lassen sich aus der Rechtsordnungsdichotomie daher nicht ableiten. Zu keinem anderen Ergebnis führen abstrakt-dogmatische Überlegungen. Zwar wird in der Literatur immer wieder vorgebracht, dass das »Recht der Umverteilung . . . primär öffentliches Recht« ist 210, wohingegen Umverteilung 206 Nielsen, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Denmark, Tz. 26. 207 Nielsen, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Denmark, Tz. 26; vgl. auch: EuGH – Kommission/Niederlande – Urteil v. 10. 05. 2001, Rs. C144/99 – Slg. 2001, I-3541. 208 L. Raiser, Die Zukunft des Privatrechts, II. (S. 19). 209 So werden in Frankreich zwingende Vorschriften als lois de police oder règles d’ordre public bzw. règles de droit impératives bezeichnet, in den Niederlanden als regels van openbare orde oder dwingende rechtsregels tituliert, in Italien als norme imperative gelten gelassen und in Spanien als normas cogentes zur Verfügung gestellt. Sogar im Bereich des common law scheint sich mit der zunehmenden Verabschiedung von Statutes die Unterscheidung zwischen zwingenden und dispositiven Regelungen zu etablieren. Diese Rechtsvergleichung zusammenfassend charakterisieren auch die Principles of European Contract Law zwingende Vorschriften als (zulässige) Privatrechtsnormen, von denen »die Parteien bei Abschluss ihres Vertrages nicht . . . abweichen können« [vgl. Kommission für Europäisches Vertragsrecht (Hrsg.): Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts (dt. Ausgabe v. Bar/ Zimmermann) – Anmerkungen zu Art. I:103 Ziffer 1. (S. 95)]. 210 Zacher, DÖV 23 (1970), 3 (13).

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durch Privatrecht als wenig sachgerecht erachtet wird. 211 Hieraus die denkbare Schlussfolgerung einer apriorischen Unzulässigkeit zwingenden Verbraucherprivatrechts zu ziehen, wäre jedoch unsachgemäß. Denn als Recht der Umverteilung kann das Verbraucherrecht rechtspolitisch erst gar nicht begriffen werden. Schließlich werden Verbraucher gerade nicht als Teilnehmer einer sozial für unterstützungswürdig gehaltenen gesellschaftlichen Gruppe defi niert, sondern setzen sich als situativ fokussierte Mitglieder aus einem ständig wechselnden Marktteilnehmerkreis zusammen. 212 Auch wenn beispielsweise der Umstand, dass ein Großteil der Timesharingkunden den gehobenen Einkommensschichten entstammt 213, es nahelegen mag, frei nach dem Grundsatz »Wer konsumiert, gehört nicht zu den Ärmsten der Armen« (Reichert-Facilides) das Verbraucherrecht als Recht der Wohlhabenden zu begreifen, könnten fi nanzschwache Bevölkerungsschichten allenfalls als Nebeneffekt eines unverhältnismäßigen Verbraucherschutzes aus dem Markt »herausgepreist« werden. 214 Auch verfassungsrechtlich sind verbraucherrechtliche Dichotomiedefi zite nicht erkennbar; denn weder Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG noch Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG lassen sich »defi nitive[.] Aussagen über die materiellen Grenzen einer legislatorischen Erstreckung des Solidarprinzips« entnehmen. 215 Mit Hilfe der deutschen Interessen-, Subordinations- und Zuordnungslehre einen über die »Seins«-Ermittlung hinausgehenden »Sollens«-Satz aufzustellen, um möglichst ex ante Kodifi kationsgegenstände dichotomisch zu kategorisieren, ist ebenfalls nicht möglich, weil diese Theorien keinen Maßstab bieten, um normative Zielsetzungen dem privaten oder dem öffentlichen Recht unmissverständlich zuzuordnen. Daneben lässt sich auch aus den an die Verwaltung gerichteten Dichotomievorgaben kein Gradierungsmaßstab hinsichtlich des zulässigen Gemeinwohlgehalts von vertragsrechtlichen Gesetzesnormen ableiten, sind doch bereits die Verwaltungsorgane im Rahmen des Gesetzesvollzugs grundsätzlich frei zu entscheiden, »ob sie sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben der Form des öffentlichen oder der des privaten Rechts bedien[en]«. 216 Ist nach der obergerichtlichen Rechtsprechung sogar die Verwaltung (die mit der Bindung an »Gesetz und Recht« einem subtiler geregelten Standard als 211

von Hippel, SGb 48 (2001), 352 (354). Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 11 IV. 3. d) (S. 263 ff.). 213 Kelp, Time-Sharing-Verträge, 1. Kap. § 3 III. (S. 35). 214 Direktes Zitat von: Reichert-Facilides, in: Schnyder/Heiss/Rudisch (Hrsg.): Internationales Verbraucherschutzrecht, S. 1 (S. 4); vgl. allgemein: Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 11 IV. 3. d) (S. 263 ff.). 215 BVerfG – Beschluss v. 18. 07. 2005, Az.: 2 BvF 2/01 – BVerfGE 113, 167 (197). 216 BVerwG – Urteil v. 11. 02. 1993, Az.: 1 4 C 18.91 – BVerwGE 92, 56 (64); ähnlich: BFH – Urteil v. 31. 01. 1975, Az.: VI R 171/74 – BGFE 115, 118 = BStBl. II 1975, 563 (566); restriktiver: BGH – Urteil v. 05. 04. 1984, Az.: III ZR 12/83 – BGHZ 91, 84 (95, 96). 212

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der Gesetzgeber zu genügen hat) befugt, zwischen privat- und öffentlich-rechtlichen Handlungsformen zu wählen, muss dies erst recht auf die Legislative zutreffen, hat diese sich doch verfassungsgemäß nur an die abstrakter gefassten Vorgaben der »verfassungsmäßige[n] Ordnung« zu halten (Art. 20 Abs. 3 GG). In diesem Sinne ist auch das BVerfG zu interpretieren, wenn es im LüthUrteil die grundsätzliche Zulässigkeit zwingenden Privatrechts konstatiert, also implizit auch Vertragsrechtsnormen anerkennt, die »aus Gründen des gemeinen Wohls . . . der Herrschaft des Parteiwillens entzogen sind«. 217 Diese Vorschriften gingen ihrem Zweck nach zwar »eine nahe Verwandtschaft mit dem öffentlichen Recht« ein, was aber nicht ihre Unzulässigkeit begründe, sondern sie lediglich »in besonderem Maße dem Einfluß des Verfassungsrechts aussetz[e]«. 218 3. Registersubsidiarität und »Pufferfunktion« des Wettbewerbs(-rechts) Auf diese Weise verkörpert die Rechtsordnungsdichotomie keinen eigenen, an den Formalkategorien der Zweiteilung orientierten Maßstab, sondern ist letztlich nur Ausdruck des hinter der Systemdichotomie stehenden Freiheitsrasters – ist also Sinnbild des Vorrangs der kollektiven Freiheit vor der staatlichen Maßnahme und Inbegriff der Verhältnismäßigkeit kollektiver Eingriffe in individuelle Freiheitspositionen. 219 Um bei dieser Ausgangslage den systematischen Dualismus zwischen öffentlichem und privatem Recht dennoch »nicht kunstvoll-gezielt als sinnlos oder doch zufällig und bedeutungslos dar[zu]stellen«, sollte man die Systemteilung des Rechts in »zwei eigenständige und gleichwertige Rechtsmassen normativ vom Subsidiaritätsprinzip her verstehen« (F. Bydlinski); je nach Aufgabe und Aufgabenerfüllung wäre auf diese Weise einmal der einen, dann wieder der anderen großen Rechtsmaterie der Vorrang einzuräumen. 220 Bereits im Hinblick auf die Dichotomieübergriffe des Handelsvertragsrechts durch das Handelsregister kann dieser Subsidiaritätsgedanke nutzbar gemacht werden: So wären die Eintragungspfl ichten in das Handelsregister aus Subsidiaritätsüberlegungen auf solche Informationsinteressen zu beschränken, die 217 BVerfG – »Lüth« – Urteil v. 15. 01. 1958, Az.: 1 BvR 400/51 – BVerfGE 7, 198 (206). 218 BVerfG – »Lüth« – Urteil v. 15. 01. 1958, Az.: 1 BvR 400/51 – BVerfGE 7, 198 (206). 219 So spricht sich etwa auch Bullinger dafür aus, auf eine »wertende Entgegensetzung von öffentlichem Recht und Privatrecht« zu verzichten [Bullinger, Öffentliches Recht und Privatrecht, 3. Abschnitt II. 3. (S. 112 ff.)]; vgl. zur Funktion der Differenzierung auch: Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 3. Kap. I. 3. b) (S. 50); Basedow, FS für Canaris (70. Gebtg.), Bd. I, S. 43 (S. 57). 220 F. Bydlinski, AcP 194 (1994), 319 (350); vgl. auch: F. Bydlinski, FS für Raisch (70. Gebtg.), S. 7 (S. 23); ders., Das Privatrecht im Rechtssystem einer »Privatrechtsgesellschaft«, VII. 3. (S. 77).

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dezentral – d. h. in Eigenregie durch die Privatrechtsgesellschaft – nicht zu erreichen wären. Richtungweisende Folgefragen wirft dieses Ausgangspostulat auf: Müsste wirklich für den (Einzel-) Kaufmannsstatus an sich bereits eine obligatorische Registerpublizität vorgesehen werden oder sollte nicht vielmehr die Registerpfl icht auf solche Funktionen beschränkt werden (wie etwa Firma und Vertretung), die auf dezentraler Ebene nicht verwirklicht werden können? Wäre eine obligatorische Registerpfl icht, sofern sie zur Erlangung der Kaufmannseigenschaft konstituierend ist, nicht auf Gesellschaften zu beschränken, bei denen bereits die Identität und Haftungsverfassung als solche Publizitätsbedarf erzeugen und nicht erst die Firmen- und Vertretungsfunktion eine Eintragungspfl icht erforderlich macht? Wäre die Frage der Eintragungspfl icht nicht generell sachgerechter an dem Begriffspaar der Gesellschaften und natürlichen Personen statt an dem Begriffspaar der Kaufleute und Nichtkaufleute auszurichten? Nicht bloß in Frageform, sondern resolutere Rückgeschlüsse sind im Hinblick auf das Verbrauchervertragsrecht zu ziehen, denn hier ermahnt die Rechtsordnungsdichotomie im Lichte des Subsidiaritätsprinzips vor allem zur Einhaltung der vertragsrechtlichen Marktermöglichungsfunktion, appelliert also dazu, markterhaltendes Recht zur Herstellung von Gerechtigkeit nur dann zum Einsatz zu bringen, wenn der Wettbewerb versagt. 221 Auf diese Weise ist auch aus Dichotomieperspektive in Erinnerung zu rufen, dass dem Wettbewerbs- im Verhältnis zum Verbraucherrecht die Funktion einer »Pufferzone gegenüber einer unmittelbaren Anwendung öffentlich-rechtlichen Instrumentariums, unter Zurückdrängung der Privatrechtsordnung« zugesprochen wird. 222 Wie eine solche Pufferzone ausgestaltet sein könnte, veranschaulichen Ausführungen wie diejenigen von Drexl bzw. Hadfi eld, Howse und Trebilcock. Indem Drexl »kompensatorische« Verbraucherschutzmaßnahmen, die materiale Privatautonomie ermöglichen, etwa nur dann für erforderlich hält, wenn zuvor getroffene »konstitutive« Verbraucherschutzmaßnahmen die Freiheit des Wettbewerbs nicht ausreichend gewährleisten – es also trotz Bestehens formaler Privatautonomie zu einem Vertrags- und Wettbewerbsversagen kommt 223, bringt er zum Ausdruck, dass dem Vertragsparadigma an sich ein nicht regulierter Freiraum verbleiben muss. 221 M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, § 5 III. 3. (S. 92); vgl. auch: Seiler, Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten, § 2 I. 2. (S. 26 ff.). 222 Schmidt-Tedd, Kaufmann und Verbraucherschutz in der EG, 2. Teil II. 1. e) (S. 50); in diesem Sinne für eine Abstimmung der gesamten Rechtsordnung auf die Grundprinzipien der Wettbewerbsordnung plädierend: Böhm, in: Mestmäcker (Hrsg.): Freiheit und Ordnung in der Marktwirtschaft, I. 1. (S. 26) ; vgl. hierzu: Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 1 IV. 4. (S. 9); Mohr, AcP 204 (2004), 660 (684, 685). 223 Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 7 IV. (S. 302); vgl. hierzu auch: Reich, Markt und Recht, 4. Kap. (S. 198 ff.).

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Aus eher ökonomischer Sicht nehmen auch Hadfi eld, Howse und Trebilcock die Abgrenzung zwischen Verbraucher- und Wettbewerbspolitik in Angriff: »Whereas competition policy engages a focus on the structure of markets and the options – price, quality, quantity – available to consumers, consumer protection policy engages a focus on the structure of transactions and, in particular, the match between what consumers expect and what they ultimately receive.«224

Würde der Konsument regelmäßig dagegen unter Missachtung der vorbeschriebenen Pufferzone (d. h. selbst in Fällen funktionierenden Wettbewerbs) durch Verbraucherrecht geschützt, würde dies die Kosten des Unternehmers nach oben treiben. Unter Wettbewerbsbedingungen hätte dies zur Folge, dass der Unternehmer die Mehrkosten auf den Abnehmer unvermittelt wieder überleitet. 225 Die eigentlich zum Schutz des Verbrauchers intendierten Spezialgesetze würden sich auf diese Weise (zumindest kostenmäßig) zu seinem Nachteil auswirken. 226 Dies macht deutlich, dass der Sinngehalt der Rechtsordnungsdichotomie Hand in Hand geht mit dem ökonomischen ultima ratioGedanken, wonach die Rechtsordnung ein hypothetisches Verhandlungsergebnis der Beteiligten grds. nur dann simulieren sollte, wenn private Verhandlungen an prohibitiv hohen Transaktionskosten scheitern und auch nicht möglich sind. 227

§ 13 Vertragsrechtsdivergenz und Einheit der Wirtschaftsverfassung Äußerst komplex werden die Dichotomieüberlegungen zu den Sonderprivatrechten, wenn man sie anhand wirtschaftsverfassungsrechtlicher Aspekte – insbesondere auch aus EG-Sicht – reflektiert. Die ideologischen Veränderungen, denen die Vertragsrechtsordnungen in Europa ausgesetzt sind, seitdem Regierungsgewalt nicht mehr vererblich, sondern disponibel ist, haben die deutsche Vertragsrechtsdivergenz nicht unbeeinflusst gelassen. Entsprach die Idee einer dichotomen, auf einen Gesetzgeber zurückzuführenden Rechtsordnung noch der Gedankenwelt des Nationalstaats, wird das Rechtsideal einer dezentral-privaten nationalen Vertragsrechtsordnung seit dem 19. Jahr224 Hadfi eld/Howse/Trebilcock, JCP 21 (1998), 131 (150); zum Verhältnis von Verbraucher- und Wettbewerbsrecht vgl. auch: G. Monti, ERCL 3 (2007), 295 (295 ff.). 225 Aus dem Blickwinkel der Umverteilung durch Privatrecht: von Hippel, SGb 48 (2001), 352 (353). 226 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie – »Mehr Vertragsfreiheit, geringere Regulierungsdichte, weniger Bürokratie«, Stellungnahme vom 16. 09. 2006, Ziff. I. (S. 3). 227 Eidenmüller, Effi zienz als Rechtsprinzip, Teil 2 § 4 (S. 112, 113).

§ 13 Vertragsrechtsdivergenz und Einheit der Wirtschaftsverfassung

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hundert durch zwischenstaatliche Abkommen und seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch die supranationale Systemebene des Gemeinschaftsrechts beeinflusst. 228

A. Supranationale Einflussebene und vertragsrechtliche Dreiteilung Auf diese Weise schlägt es sich auch wirtschaftsverfassungsrechtlich nieder, dass derzeit einzig das Verbraucherrecht nahezu geschlossen auf europarechtlichen Vorgaben basiert. Unweigerlich ist es dadurch zu einer (verbraucher-) vertragsrechtlichen Partikularharmonisierung gekommen, was gemeinschaftsrechtlich beeinflusste »einzelne Inseln« des (Verbraucher-) Vertragsrechts hervorrief, die keinen inneren Zusammenhang aufweisen, sondern fragmentarisch, unvollständig, widersprüchlich und ohne in sich stimmige Gesamtsystematik in Erscheinung treten. 229 Auf Grund der EG-rechtlich und mitgliedstaatlich abweichenden ideologischen Einflüsse hat sich das Vertragsrecht unter dem Bannkreis dieses »rechtspolitischen Zweiklangs« schon lange von der realitätsfernen Vorstellung Savignys verabschiedet, dass das »reine Privatrecht« der wirtschaftlichen Entwicklung freien Raum lassen müsse, indem es sich keiner bestimmten Richtung verschreibt und zukunftsoffen bleibt. 230 Es beschreitet quasi einen Mittelweg zwischen der individualistischen Eigentumstheorie, wonach die gesellschaftliche Funktion des Eigentums noch unauflöslich mit dessen individualistischer Natur verknüpft war, und den sozialistischen Eigentumstheorien, die Individualismus als Quelle fortdauernder Interessenkonfl ikte erachten. 231 Wie die vertragsrechtliche Zergliederung aus diesem Blickwinkel mit dem Postulat einer einheitlichen Wirtschaftsverfassung in Einklang zu bringen ist, erscheint allerdings fraglich. 232 Auch wenn man heute an dem Gedanken Savignys von der wirtschafts- und sozialpolitischen Neutralität des internationalen Phänomens »Privatrecht« und der daraus resultierenden freundlichen Zulassung fremden Rechts nicht mehr apodiktisch festhalten kann 233, erscheint es andererseits besorgniserregend, dass selbst Befürworter eines möglichst ausgeprägten Verbraucherrechts in dem derzeitigen Zustand des Ver228 Vgl. Schulte-Nölke/Schulze, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsanglei-chung und nationale Privatrechte, S. 11 (S. 18); I. Klauer, Die Europäisierung des Privatrechts, 1. Kap. § 2 II. 2. (S. 12). 229 W. Kilian, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 427 (S. 427 ff.); Micklitz, ZEuP 6 (1998), 253 (262, 263); vgl. auch: Zimmermann, EuZW 18 (2007), 455 (458); Rittner, JZ 50 (1995), 849 (851). 230 Rebe, Privatrecht und Wirtschaftsordnung, § 6 A. II. (S. 91). 231 Vgl. hierzu: Richter R. /Furubotn, Neue Institutionenökonomik, III (S. 87, 88). 232 Joerges, AG 28 (1983), 57 (66). 233 Vgl. hierzu: Rebe, Privatrecht und Wirtschaftsordnung, § 6 A. II. (S. 91, 92); Fetsch, Eingriffsnormen und EG-Vertrag, § 1 I. 1. (S. 6).

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tragsrechts nicht nur ein Spannungsverhältnis »zwischen einem kompetitiven Vertragsrechtsmodell und pacta sunt servanda« sowie zwischen »dem normativen Verbraucherleitbild des Gemeinschaftsrechts und dem etwa das deutsche Recht beherrschenden Unterlegenheitsschutz« erblicken, sondern auch einen Zielkonfl ikt zwischen »der ausgeprägten europäischen Gerechtigkeitslogik und einer sozialstaatlich distributiven Gerechtigkeitslogik« bzw. der allokativen (Markt-) Gerechtigkeit der Gemeinschaft und der distributiven (sozialen) Gerechtigkeit auf nationaler Ebene registrieren. 234

B. Wechselwirkungen zwischen Wirtschaftsund Vertragsrechtsordnung Wie sich diese Divergenzlage zu der Forderung nach einer einheitlichen Wirtschaftsverfassung verhält, kann anhand einer Kontrastierung der antagonistischen Leitgedanken von markt- und planwirtschaftlichen Vertragsrechtsmodellen veranschaulicht werden. Insbesondere am rechtsordnungsspezifischen Werdegang der vormals kommunistischen Staaten lässt sich evolutorisch nachvollziehen, dass zwischen der Wirtschaftsverfassung eines Landes und der Konzeptualisierung ihres Vertragsrechts Wechselwirkungen existieren. Während marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnungen bestrebt sind, den Geschäftsverkehr dezentral zu »steuern« und den einzelnen Wirtschaftsteilnehmern als Planträgern die Koordination der Pläne durch Mittel des Privatrechts zu überlassen 235, machen planwirtschaftliche Systeme sich typischerweise zum Ziel, den Menschen durch planende Vernunft und Rationalisierung der Güterproduktion und Güterverteilung von seiner wirtschaftlichen Unmündigkeit zu befreien. 236 Obwohl das Fehlen von Privateigentum nicht notwendig auf eine zentrale Leitungswirtschaft bzw. dessen Vorhandensein nicht unbedingt auf Gegenteiliges schließen lässt 237, fi nden Privatrechtsordnungen in dem marktwirtschaftlichen System als Grundlage einer Wirtschaftsverfassung typischerweise ihre Entsprechung. 238

234 Micklitz, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht Vor A 2 Rn. 27; ders., ZEuP 6 (1998), 253 (256). 235 Mestmäcker, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 53 (S. 57). 236 Rebe, Privatrecht und Wirtschaftsordnung, § 1 (S. 1 ff.). 237 Eucken, Die Grundlagen der Nationalökonomie, 2. Teil 2. Kap. II. B. (S. 88, 89). 238 Dagegen treten marktwirtschaftliche Privatrechtsordnungen aus marxistischer Sichtweise eher als »ein chaotisches Gegeneinander im Kampf um besitzfördernde Machtpositionen, [als] ein Zustand der Unfreiheit insbesondere für die wirtschaftlich Schwachen, in dem ›Zufall und Willkür ihr buntes Spiel (treiben)‹« in Erscheinung [Rebe, Privatrecht und Wirtschaftsordnung, § 1 (S. 1, 2)]; vgl. auch: Mestmäcker, Recht und ökonomisches Gesetz, I. 1. (S. 19, 20); Böhm, in: Mestmäcker (Hrsg.): Freiheit und Ordnung in der Marktwirtschaft, I. 1. (S. 13).

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Während nach klassischer Nationalökonomie die Wirtschaft dem Konsumenten zu dienen hat und ihm auch tatsächlich behilflich ist, stellt die marxistische Kritik dies in Abrede und behauptet, die Wirtschaft sei ausschließlich für das Kapital, für den Profit, aber nicht für den Konsumenten oder Menschen von Vorteil. 239 Leitet man aus dieser Perspektive exemplarisch auf die Vertragsrechtsentwicklung in den ehemals sozialistischen Staaten – etwa in Bulgarien – über, so wird zum einen deutlich, dass sozialistische Regimes üblicherweise kein freies Handelsrecht im marktwirtschaftlichen Sinne kennen, sondern ein stark reglementiertes Einheitszivilrecht aufweisen. 240 Darüber hinaus legt es die prä- bzw. postkommunistische Entwicklung in diesen Staaten nahe, dass eine einheitliche Privatrechtsordnung immer nur sukzessiv, niemals aber kumulativ gleichzeitig mehrere rechtspolitisch divergierende Vertragsrechtsmodelle in sich vereinigen kann. Während beispielsweise in Bulgarien das Zivilrecht ursprünglich aus dem romanischen Rechtskreis rezipiert wurde, konnte das Handelsrecht der germanischen Rechtsfamilie zugerechnet werden. 241 Diese Zweiteilung wurde auch nach Beendigung der Rezeption im Rahmen der Zivilrechtskodifi kation beibehalten. So wurde 1892 zunächst das Obligationen- und Vertragsgesetzbuch und 1897 das Handelsgesetzbuch verabschiedet. 242 Ab 1950 setzte dann aber ein Prozess der ideologischen »Vorwärts- und Rückwärtsbewegungen« ein, der den Adaptionszwang des Vertragsrechts an die Wirtschaftsverfassung verdeutlicht. So wurde das Obligationen- und Vertragsgesetzbuch (1892) sowie das Handelsgesetzbuch (1897) mit dem Beginn des sog. sozialistischen Rechtssystems zunächst aufgehoben und die vertragsrechtliche Zweiteilung aufgegeben. 243 Nicht nur ein neues einheitliches Obligationen- und Vertragsgesetzbuch sondern auch flankierende Vorschriften zur Sicherung der sozialistischen Ideale und Werte und zur Regelung von Plan und Vertrag wurden verabschiedet. Das Zivilrecht wurde vereinheitlicht und deprivatisiert. 244

239 M. Neumann, in: Dichtl (Hrsg.): Verbraucherschutz in der Marktwirtschaft, S. 11 (S. 11). 240 Huang/Chen, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, China R. P., Tz. 17; F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 1. Hteil. V. 1. (S. 75 ff.). 241 Stoichev, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Bulgaria, Tz. 27. 242 Stoichev, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Bulgaria, Tz. 27. 243 Stoichev, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Bulgaria, Tz. 28. 244 Stoichev, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Bulgaria, Tz. 28.

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Im Jahre 1993 kam es dann erneut zu einer politisch motivierten Wende. 245 Der liberal-marktwirtschaftlichen Orientierung entsprechend wurde jetzt die sozialistische Infi ltration des Vertragsrechts überarbeitet und im Zuge der Revitalisierung des dualistischen Gedankens ein dritter Teil über »Handelsgeschäfte« (Art. 286 bis 606e) dem Obligationen- und Vertragsgesetzbuch hinzugefügt. 246 Auf diese Weise ist die Konnexität zwischen Wirtschaftsverfassung und Vertragsrecht permanent erhalten geblieben, sodass das Vertragsrecht je nach ideologischer Ausrichtung von einem dualistischen zu einem monistischen und wieder zu einem dualistischen (Zivil- und Handels-) System ausgebaut wurde. 247 Zu ähnlichen Systemveränderungen ist es in Ungarn 248 und – weniger weitreichend – in Rumänien 249 gekommen. Vorliegend ableiten lässt sich aus den vorbeschriebenen Wechselbewegungen, dass Vertragsrechtsordnungen, die innerhalb desselben Systems im Hinblick auf ihre Weltanschauung divergieren und sich gerade nicht (wie in Bulgarien etc.) chronologisch nacheinander bilden (sondern innerhalb derselben Wirtschaftsverfassung koinzidieren), nicht nur der individuellen und kollektiven Freiheit im Privatrechtsverkehr keinen homogenen Ausübungsrahmen bieten, sondern u. U. auch dem Konzept einer einheitlichen Wirtschaftsverfassung zuwiderlaufen.

C. Vertragsfreiheit und Pluralität der Wirtschaftsverfassung Transferiert man diese Beobachtungen auf das Zusammenspiel von Privat- und Sonderprivatrechten, drängt sich die Annahme auf, dass vor allem die Parameter der individuellen Freiheit von den Sonderregimes des Handels- und Verbraucherrechts mit ökonomisch abweichenden Funktionsvorstellungen ausgestaltet werden. So wirken die Sonderprivatrechte freiheitsbezogen der demokratischen Idee entgegen, die »Wirtschaft einheitlich einem politischen

245 Dass die bulgarische Entwicklung kein Einzelfall ist, zeigt die Diskussion in Litauen, wo ebenfalls unmittelbar nach der Unabhängigkeit von 1990 debatiert wurde, ob kein Wechsel von dem bisherigen monistischen (Einheitsprivatrecht) zu einem dualistischen Zivilrechtsmodell (Zivil- und Handelsrecht) vorgenommen werden sollte [Mikelënienë/Mikelënas, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Lithuania, Tz. 36]. 246 Stoichev, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Bulgaria, Tz. 28. 247 Stoichev, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Bulgaria, Tz. 25 ff. 248 Jabbágyi/Fazekas, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Hungary, Tz. 22 ff. 249 Dinca, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Romania, Tz. 9 ff.

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Lebensgesetz zu unterwerfen«250 ; sie fungieren als Instrumente ideologischer Grabenkämpfe, um den Autonomiebegriff in unterschiedliche Abschattierungen aufzugliedern 251. Wendet sich das BGB an einen rational handelnden Adressaten, dessen Typisierung nach dem dialektischen Zivilrechtsverständnis von Marx »bestenfalls als Fiktion, schlimmstenfalls als Verschleierungstaktik« einzustufen wäre252 , scheint das Verbrauchervertragsrecht auch mit planwirtschaftlichen Zügen dem Gesetzgeber »die Rolle des Feldvermessers« zuzuschreiben 253, wobei die Wünsche der Bürger u. U. noch nicht einmal »in dem Inhalt respektiert [werden], wie sie tatsächlich geltend gemacht werden«254. I. Das BGB als Modell des Empfängerschutzes prozeduraler Fairness Charakteristisch für das BGB ist zunächst, dass in diesem die zentrale Bedeutung der Willenserklärung als Geltungsgrund privater Rechtsgeschäfte noch klassisch-loyal zum Ausdruck kommt. 255 Sie ist Instrument der Selbstbestimmung, ein konkretes rechtsfolgengerichtetes Verhalten nach außen zu tragen, und Ausgangspunkt der Selbstverantwortung, alle Rechtsfolgen willentlichen Verhaltens autark zu tragen. Ob eine Willenserklärung abgegeben wurde und diese Bindungswirkungen hervorruft, ist durch Auslegung des zum Ausdruck gebrachten Willens zu ermitteln. 256 Gesetzliche Zugangsvoraussetzung zur Privatautonomie ist allein die Rechts- und Geschäftsfähigkeit der handelnden Rechtsperson. Dabei abstrahiert die Rechtsfähigkeit von der conditio humana des jeweiligen Privatrechtssubjekts, indem sie keine normativ relevante Ungleichbehandlung veranlasst, sondern Sorge für gleiche Ausgangsvoraussetzungen im Geschäftsverkehr trägt. Nicht als Kopie der Wirklichkeit, sondern als Ausdruck originärer Gleichheit 257 stattet sie jeden Menschen mit der gleichen Fähigkeit zum Rechte- und Pfl ichtenerwerb aus. 258 250

Badura, Jus 16 (1976), 205 (209). Zu den Eingriffen von Verbraucherrecht in die Privatautonomie vgl.: Henke, in: Dichtl (Hrsg.): Verbraucherschutz in der Marktwirtschaft, S. 43 (S. 48 ff.); Helm, in: Dichtl (Hrsg.): Verbraucherschutz in der Marktwirtschaft, S. 61 (S. 61 ff.). 252 Reich, ZRP 7 (1974), 187 (190). 253 Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, § 9 Ziff. 3 (S. 31, 32). 254 Böhm, in: Mestmäcker (Hrsg.): Freiheit und Ordnung in der Marktwirtschaft, I. 2. (S. 89). 255 Flume, Rechtsgeschäft und Privatautonomie, § 4 b) (S. 155 ff.); ders., FS zum 100jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 135 (S. 155); Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, § 3 I. (S. 6); Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2. Kap. I. 1. und 5. (S. 44, 51 und 52); Schön, FS für Canaris (70. Gebtg.), Bd. I, S. 1191 (S. 1191 f.). 256 Flume, Rechtsgeschäft und Privatautonomie, § 4 a) (S. 154); vgl. von Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 3, § 131 (S. 242 ff.). 257 Dürig, in: Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 32. 258 Dürig, in: Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 29; begriffsgeschichtlich zur Rechtsfähigkeit: Weick, in: Staudingers Kommentar BGB, Vorbem zu § 1 Rn. 2. 251

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Dass der Mensch bei Geburt keineswegs frei und gleich, sondern »ausgesetzt, hilflos, in unterschiedliche Familien ›hineingeboren‹« wird, bleibt dabei unberücksichtigt 259 ; Differenzierungen wie »nicht lebensfähig«, »nicht bauernfähig«, »nicht ehefähig«, »nicht artrein« oder »nicht von Werktätigen abstammend« werden nicht getroffen 260 ; Bedingungen menschlicher Existenz (Kindheit, Heranwachsen, Pubertät, Reife, Alter, Krankheit usw.) werden übersprungen. 261 Normativ führt dies zu einer »Hebung des durchschnittlichen Standards, wobei das Hervorragende den Maßstab des Durchschnittlichen liefert«. 262 Lediglich durch die Regelungen über die Geschäftsfähigkeit trifft das BGB ansatzweise Differenzierungen mit Gruppenwertung. Während geschäftsunfähige Menschen kategorisch als unqualifi ziert zur Selbstbestimmung eingestuft werden, können sich Menschen, die in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind, zumindest partiell auf Privatautonomie berufen. Beides erfolgt nach objektiven Kriterien, sodass typisierte Personengruppen keine Privilegierung oder Schlechterbehandlung erfahren, sondern alle Marktteilnehmer nach individuellen Kriterien in Zugangs- und Nichtzugangsberechtigte kategorisiert werden. 263 Materielle Gerechtigkeitsaspekte kommen dabei nur dadurch zum Vorschein, dass sich Minderjährige lediglich in Bezug auf solche Geschäfte auf Vertragsfreiheit berufen können, die rechtlich keinen Nachteil für sie bringen. 264 In jedem Fall ist es irrelevant, ob zwischen den Vertragsparteien ein Ungleichgewicht besteht, folgen Verträge mit einem nicht voll Geschäftsfähigen doch den gleichen Regeln wie Geschäfte zwischen zwei nur beschränkt Geschäftsfähigen. 265 Was im Übrigen das Verhältnis zwischen mehreren Verhandlungspartnern anbelangt, schafft zunächst nur die Dogmatik zur Willenserklärung einen prozeduralen Ausgleich. Dürften ausgehend von dem eigentlichen Zweck der Privatautonomie nämlich nur solche Rechtsfolgen einer Willenserklärung eintreten, die »mit dem wirklichen Willen inhaltlich voll übereinstimmen«266, wird der Rechtsverkehr in Wirklichkeit nicht nur durch das geordnet, was jemand erklären will, sondern auch durch das gelenkt, was der andere verstehen darf267. Dem »privatautonomen Postulat, nur den wirklichen, mangelfreien 259

Dürig, in: Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 34. Dürig, in: Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 34. 261 Dürig, in: Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 35. 262 Dürig, in: Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 36. 263 Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 1. Teil B. I. (S. 17). 264 Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 1. Teil B. I. (S. 19 ff.). 265 Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 1. Teil B. I. (S. 18). 266 Larenz/M. Wolf, Allgemeiner Teil des BGB, § 35 I. 1. Rn. 1 (S. 642); so noch die Auffassung der Willenstheorie [vgl. hierzu Larenz/M. Wolf, Allgemeiner Teil des BGB, § 24 IV. 1. Rn. 26 (S. 441)]. 267 BGH – Urteil v. 07. 06. 1984, Az.: IX ZR 66/83 – BGHZ 91, 324 (324 ff.); bestätigend: BGH – Urteil v. 02. 11. 1989, Az.: IX ZR 197/88 – BGHZ 109, 171 (177). 260

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Willen gelten zu lassen«, stellt somit bereits das bürgerliche Vertragsrecht die Notwendigkeit gegenüber, »das Vertrauen des Erklärungsempfängers zu schützen und den Erklärenden an der Verantwortung für seine Erklärung festzuhalten«268. Auf diese Weise wird die selbstbestimmt zum Ausdruck gebrachte Willenserklärung durch die mit Selbstverantwortung zu tragenden Vertrauensbedürfnisse des Rechtsverkehrs relativiert. 269 Die Selbstverantwortung des Erklärenden (als Kehrseite seiner Selbstbestimmung) ist dabei verhältnismäßig weitreichend. Defi zite bei Abgabe der Willenserklärung und in dem Verfahren des Zustandekommens gehen bis zu einem defi nierbaren Grad zulasten des Erklärenden. 270 Selbst Täuschung oder Drohung berechtigen lediglich zu einer Anfechtung (§§ 123, 142 Abs. 1 BGB). Nichtig ist der objektiv gesetzte Rechtsschein einer Willenserklärung nur dann, wenn bereits der Wille fehlt, überhaupt tätig zu werden; die bloße Unkenntnis, eine rechtsgeschäftlich relevante Erklärung abzugeben, bereitet nach überwiegender Meinung dagegen lediglich die Möglichkeit der Anfechtung. Während bei einer Scherzerklärung das Nichtigkeitsverdikt bereits aus der objektiven Offensichtlichkeit der mangelnden Ernstlichkeit resultiert (§ 118 BGB), begründen die Fälle der Mentalreservation (§ 116 S. 2 BGB) und des Scheingeschäfts (§ 117 BGB) Vertragsnichtigkeit nur dann, wenn für den Erklärungsempfänger dieser Willensdefekt positiv erkennbar ist. II. Inhaltliche Fairness – kein Grundsatz des Vertragsrechtsfundaments Jenseits dieses prozeduralen Vertrauensschutzes ist dem BGB eine inhaltliche Modifi zierung des Selbstverantwortungsprinzips aus Fairnessgründen nicht inhärent. 271 Ein Äquivalenzprinzip (laesio enormis) oder eine clausula rebus sic stantibus haben in das BGB keinen Eingang gefunden. 272 Jeder Vertragspartner trägt mit formaler Stringenz die Folgen seines Handelns selbst 273, sodass es lediglich über die Regelungsmechanismen der Märkte zu einem außer268 Larenz/M. Wolf, Allgemeiner Teil des BGB, § 35 I. 1. Rn. 1 (S. 642); zur Diskussion hinsichtlich Wille und Verantwortung im Schrifttum des 19. Jahrhunderts im Überblick: Hofer, Freiheit ohne Grenzen?, 2. Teil 1. Abschnitt (S. 157 ff.). 269 M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, § 2 IV. 1. a) (S. 23 ff.); Flume, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 135 (S. 159). 270 Exemplarisch: F. Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpfl ichtenden Rechtsgeschäfts, 3. Teil I. 1. (S. 176 ff.). 271 Canaris, AcP 200 (2000), 273 (287); Martinek, in: Willoweit (Hrsg.): Rechtswissenschaft und Rechtsliteratur im 20. Jahrhundert, S. 141 (S. 151, 152). 272 Martinek, in: Willoweit (Hrsg.): Rechtswissenschaft und Rechtsliteratur im 20. Jahrhundert, S. 141 (S. 151, 152); ders., TSAR 2007, 1 (5). 273 Vgl. auch Flume, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 135 (S. 159, 160); Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 24 II. (S. 319).

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juristischen Ausgleich kommen kann. 274 Auf diese Weise werden die Interessen von geschäftsfähigen Vertragspartnern weitgehend »ihrer Geschicklichkeit, praktisch aber in Wahrheit oft dem Stärkeren überlassen«. 275 Der Schutz von Privatautonomie erfolgt abstrakt, ohne dass auf Schwächen und Stärken der Vertragskontrahenten Rücksicht genommen wird. 276 Ob ein Kräftegleichgewicht zwischen den Vertragsparteien existiert, ist für die Wirksamkeit des Vertragsschlusses irrelevant und führt unter bestimmten Voraussetzungen vorrangig zu einer Ausübungskontrolle (§ 242 BGB). 277 Nur in den gesetzlich bestimmten Nichtigkeitsfällen erfährt die Selbstverantwortung eine Einschränkung, wobei zwingende Vorschriften vornehmlich in solchen Fällen in den frei verhandelten Vertragsmechanismus eingreifen, in denen Effekte – d. h. die Abwälzung von Kosten und Nachteilen auf Dritte – verhindert werden sollen. 278 Ökonomisch korreliert dieser niedrige staatliche Interventionsgehalt am besten mit einem möglichst wettbewerbsintensiven und transparenten Markt – ein Markt mit vielen Teilnehmern, wenig Externalitäten und geringen Transaktionskosten. Denn selbst wichtige Individualinteressen führen, wie die form- und inhaltsbezogenen Nichtigkeitsverdikte deutlich machen, nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zu einer Durchbrechung des Selbstverantwortungsprinzips (§ 125 S. 1, §§ 134, 138 BGB). 279 Die bloße Störung der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung oder eine inhaltliche Unausgewogenheit genügen nicht. Wie § 138 Abs. 1 BGB demonstriert, muss ein Vertrag vielmehr nach Inhalt, Zweck und Motiv, also nach seinem Gesamtcharakter, sittenwidrig und zudem subjektiv vorwerfbar sein, um das Freiheits- und Verantwortungsprinzip außer Kraft zu setzen. 280 Auch im Rahmen des Wuchertatbestands kommt diese hohe Nichtigkeitsschwelle – ungeachtet der Reform von 1976281 – nach wie vor zum Ausdruck. 274 Kleindiek, in: Hommelhoff/Jayme/Mangold (Hrsg.): Europ. Binnenmarkt: IPR und Rechtsangleichung, S. 297 (S. 301). 275 F. Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpfl ichtenden Rechtsgeschäfts, 1. Teil VI. 1. (S. 103). 276 Singer, JZ 50 (1995), 1133 (1137); M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, § 2 II. 1. (S. 10). 277 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 24 II. (S. 320); Isensee, in: Bayer/Koch (Hrsg.): Schranken der Vertragsfreiheit, S. 9 (S. 18). 278 Vgl. Wagner, ZEuP 15 (2007), 180 (199, 200). 279 Gesetzliche Verbote können auch dem Gemeinschaftsrecht zu entnehmen sein, beispielsweise dem Kartell- oder Beihilferecht (Art. 81 Abs. 2, 87 Abs. 1, 88 Abs. 3 S. 3 EG); vgl. zur Eignung der Grundfreiheiten als Verbotsgesetze: Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 2. Teil 1. Abschnitt § 2 D. II. 2. und 3. (S. 72–74). 280 RG – Urteil v. 24. 03. 1930, Az.: VI 383/29 – RGZ 128, 92–102 (96); BGH – Urteil v. 28. 02. 1989, Az.: IX ZR 130/88 – BGHZ 107, 92 (97); RG – Beschluss v. 13. 03. 1936, Az.: V 184/35 – RGZ 150, 1 (2). 281 Während es früher auf die Ausbeutung der »Notlage«, des »Leichtsinns« oder der »Unerfahrenheit« ankam, genügt seit dem Reformgesetz eine »Zwangslage« und damit das

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Grundvoraussetzung ist ein »auffälliges Missverhältnis«, bei dem die Inäquivalenz von Leistung und Gegenleistung evident erkennbar ist. 282 Das dispositive Vertragstypenrecht übernimmt in erster Linie eine Ergänzungs- und keine Kontrollfunktion. 283 III. Materiale Selbstbestimmung und prozedurale Fairness Das Verbraucherrecht bleibt dagegen inhaltlich nicht bei der Dispositivität des Vertragstypenrechts stehen, sondern wandelt viele abdingbare Vorschriften des Vertragsrechtsfundaments materiell- und kollisionsrechtlich in (halb-) zwingendes Rahmenrecht um. Abweichend von dem Mill’schen Grundsatz, »that the individual is not accountable to society for his actions, in so far as these concern the interests of no person but himself«284, nimmt das Verbraucherrecht vor allem den Unternehmer in die Pfl icht. Anders als der Verbraucher kann der Unternehmer nicht nur auf die zu seinen Gunsten wirkenden Rechtspositionen freiwillig verzichten, sondern muss sich im Rahmen der Vertragsverhandlung auch um fremde Belange, nämlich diejenigen des Verbrauchers, kümmern. 285 Die Vertragstypenbilder des allgemeinen Rechts treten dabei teilweise als unabdingbare »Gerechtigkeitsmodelle« in Erscheinung, bei denen weniger die individuelle Absprache als vielmehr die gesetzliche Leitbildtypisierung als Garant ausgewogener Gerechtigkeit fungiert. 1. Verlagerung der Selbst- und Fremdverantwortung durch ius cogens Auch wenn Verbraucherschutz keine Frage der Geschäftsfähigkeit ist 286, hat der Richtliniengeber mit den Verbraucherrichtlinien den praeter legem-Handelndentypus »Verbraucher« kreiert, bei dem ähnlich wie bei der Beurteilung der Geschäftsfähigkeit Erwägungen über die tatsächliche Entscheidungsfreiheit und materielle Gerechtigkeit anzustellen sind. 287 Formal wird dem Verbraucher zwar volle Geschäftsfähigkeit zugesprochen, materiell sind rechtlich Vorliegen einer speziellen, zu einem unausweichlichen Sach- und Geldbedürfnis führenden Situation [1. WiKG – BGBl. I Nr. 93/1976, S. 2034 (S. 2038)]; siehe hierzu auch: Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 9. Kap. III. 2. (S. 144 ff.); Westermann, in: BMJ (Hrsg.): Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. 3, Verbraucherrecht, § 2 I. 2. (S. 29)]. 282 Rebe, Privatrecht und Wirtschaftsordnung, § 7 A. IV. 1. (S. 111); vgl. auch: Canaris, AcP 200 (2000), 273 (288). 283 Zur Ergänzungsfunktion und Inhaltskontrolle: Oechsler, in: Staudingers Kommentar BGB, Eckpfeiler des Zivilrechts, »Vertragstypen«, B. und C. (S. 494 ff. und S. 499 ff.). 284 Mill, On Liberty and Utilitarianism, On Liberty V. (S. 108). 285 Vgl. zum zwingenden Charakter generell: Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 1. Teil A. III. 1. (S. 23). 286 Larenz/M. Wolf, Allgemeiner Teil des BGB, § 6 III. 1. Rn. 27 (S. 116). 287 Vgl. zu den Wertungsaspekten des Rechts der Geschäftsfähigkeit: Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 1. Teil B. I. (S. 18 ff.).

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nachteilige Geschäfte aber ähnlich wie bei Minderjährigen eingeschränkt. 288 Vor dem Hintergrund des 1970er Jahre-Ansatzes einer systematischen »Verbrauchererziehung« scheint damit heute umso mehr die Einstufung des Verbrauchers als ignoranter, erwachsener Geschäftsunfähiger verbreitet zu sein. 289 »[C]ontrol . . . through the extension of individual choice« wird folglich nicht allen Erwachsenen gewährt 290, vielmehr die Gesellschaft in die Gruppe derer eingeteilt, »die in der Lage und Willens sind, selbstverantwortlich ihre Angelegenheiten rechtlich zu regeln, und derjenigen, bei denen nur noch staatliche Ordnung den Schutz und Geschäftserfolg des Einzelnen und vertragliche Austauschgerechtigkeit gewährleisten kann«291. Fordert das bürgerliche Recht nur den rechtlichen Freiraum des Einzelnen zum Vertragsschluss, nicht jedoch seine tatsächliche Möglichkeit zur Freiheitsausübung (formales Freiheitsverständnis), setzt das Verbraucherrecht zusätzlich materiale Vertragsautonomie im Sinne einer realen Autonomie, frei von faktischen Hindernissen, voraus. 292 Auch von außen herangetragene faktische Ereignisse und in der Person des Verbrauchers selbst begründete Defi zite sollen kompensiert werden. 293 Zum Tragen kommt auf diese Weise, dass das Verbraucherrecht »Präferenzautonomie« abweichend defi niert, d. h. eine normative (evaluierte) Präferenzautonomie einer positiven (eigengewollten) Präferenzautonomie in gewisser Hinsicht vorzieht. 294 Der Gesetzgeber attestiert dem Verbraucher implizit eine »schlechtere« Möglichkeit zur Willensbildung, unterstellt in b2c-Beziehungen also von vornherein ein latentes Spannungsverhältnis zwischen Privatautonomie und Gleichheit. 295 Er vermutet, dass die rein 288

Kritisch hierzu: Neuner, Privatrecht und Sozialstaat, 3. Teil II. 2. b) aa) (S. 277). In diese Richtung auch Malaurie tendierend, der das Verhältnis zwischen »législation consumériste« und »consommateur« wie folgt beschreibt: »elle tend à faire du consommateur un ignorant et un incapable majeur.« [Malaurie, in: Beauchard/Couvrat (Hrsg.): Droit civil, prodédure, linguistique juridique, S. 309 (S. 311)]; zum Ansatz der »Verbrauchererziehung« siehe: K. Simitis, Verbraucherschutz, Schlagwort oder Rechtsprinzip?, III. Kap. 2. (S. 91); Dichtl, in: Dichtl (Hrsg.): Verbraucherschutz in der Marktwirtschaft, S. 23 (S. 30); Berke, in: Dichtl (Hrsg.): Verbraucherschutz in der Marktwirtschaft, S. 161 (S. 161 ff.). 290 Aus der Perspektive der »Contractualization of Social Life«: Collins, Regulating Contracts, Part 1–2. (S. 20). 291 Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, Einführung D. (S. 5); vgl. auch: Zöllner, Die Privatrechtsgesellschaft im Gesetzes- und Richterstaat, III. 4. (S. 27, 28). 292 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2. Kap. II. 1. (S. 53, 54); Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, Einführung A. II. (S. 9); U. Neumann, Der persönliche Anwendungsbereich vertraglicher Schutzvorschriften, 2. Kap. B. I. 2. b) (S. 8, 9); Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 31 Rn. 897 ff. (S. 358 ff.); zur Unterscheidung zwischen rechtlicher und tatsächlicher Entscheidungsfreiheit siehe: Canaris, AcP 200 (2000), 273 (277 ff.). 293 Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, Einführung A. II. 1. (S. 10, 11). 294 Eidenmüller, Effi zienz als Rechtsprinzip, Teil 4 § 7 (S. 326). 295 Aus ökonomischer Sicht: Hutt, Economists and the Public, Chapter XV (S. 248 ff.). 289

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juristische Möglichkeit des Verbrauchers zur freien Verhandlung nicht automatisch Vertragsgerechtigkeit zur Folge hat, Freiheit und Gleichheit also nicht als »Partner«, sondern als »Gegenspieler« zu begreifen sind. 296 Auch der Bereich der Rechtswahlfreiheit wird hiervon mittlerweile erfasst 297, sodass auch kollisionsrechtlich autonome Entscheidungsstrukturen zwischen Anbieter und Verbraucher nur noch dann bejaht werden, wenn der Verbraucher wirklich selbst bestimmen kann, was er will, von seiner Vertragsfreiheit also »sinnvoll Gebrauch . . . machen« kann. 298 Vermittelt über die kollisionsrechtlich für zwingend erklärte Sachrechtstypisierung wird im Einzelfall selbst dann von der vertraglichen Inhaltskontrolle kein Abstand genommen, wenn der Verbraucher im konkreten Einzelfall selbstbestimmt agieren könnte oder er etwa sogar den Rechtsschein erweckt, Unternehmer zu sein. 299 Auf diese Weise kommt es nicht mehr zu einer individuell-verkehrswirtschaftlichen Wertbildung im Sinne einer Wertbildung von unten nach oben, sondern zu einer durch das Gemeinwesen vorgegebenen Wertebündelung von oben nach unten. 300 Ökonomisch betrachtet können aus den damit einhergehenden Marktinterventionen negative (externe) Effekte resultieren, erschweren die verbraucherrechtlich-regulierungsbedingten Transaktionskosten einem marktschwachen Unternehmer doch gegebenenfalls den Marktzutritt (oder machen ihn sogar unmöglich), was der Förderung zusätzlichen Wettbewerbs abträglich sein kann. 301 2. Kollisionsrechtliche Besonderheiten des Verbraucherrechts Während nach der allgemeinen Vermutungsregel des Art. 28 Abs. 2 EGBGB in den meisten Fällen die Erbringung der charakteristischen Leistung zum ausschlaggebenden Faktor avanciert, sodass Geschäfte und Leistungen eines unternehmerischen Anbieters regelmäßig nach dem Recht seiner Niederlassung 296 Wiedenmann, Verbraucherleitbilder und Verbraucherbegriff im deutschen und europäischen Privatrecht, B. III. 1. b) (S. 71). 297 S. Klauer, Das europäische Kollisionsrecht der Verbraucherverträge, 1. Kap. III. 5. c) (2) (S. 46). 298 So die generelle Umschreibung für ein materiales Verständnis der Vertragsfreiheit bei: Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 31 Rn. 898 (S. 359); vgl. im Hinblick auf den Ausgleich von Imparität bei der Rechtswahl: Flessner, Interessenjurisprudenz im internationalen Privatrecht, § 4 III. 4. (S. 109, 110); Imhoff-Scheier, Protection du Consommateur et Contrats Internationaux, 2. Kap. 2. Abschnitt § 1 B. (S. 81 ff.); Martiny, in: Reithmann/ Martiny (Hrsg.): Internationales Vertragsrecht, 1. Teil A. IV. 4. (Rn. 41 ff.); Leclerc, La protection de la partie faible dans les contrats internationaux, Tz. 221, 222 (S. 223, 224); Neuhaus, Die Grundbegriffe des internationalen Privatrechts, § 33 (S. 257 ff.); Vander Elst, FS für Rigaux, S. 507 (S. 515). 299 Zur Rechtsscheinshaftung ggb. einem Scheinunternehmer: Herresthal, JZ 61 (2006), 695 (703). 300 Eucken, Die Grundlagen der Nationalökonomie, 3. Teil 2. Kap. II. A. (S. 167, 168). 301 Eidenmüller, Effi zienz als Rechtsprinzip, Teil 2 § 4 B. (S. 144 ff.).

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und diejenigen eines privaten Anbieters nach dem Recht seines Wohnortes zu beurteilen sind, erklären verbraucherrechtliche Kollisionsnormen antagonistisch die Schutznormen des Verbraucherlandes für anwendbar. 302 Wird ein Vertrag nach klassischem IPR-Vertragsrecht also gewissermaßen dem Recht zugewiesen, dem es als Rechtsverhältnis – »seiner eigenthümlichen Natur« nach (Savigny) 303, gemäß dem »Schwerpunkt der räumlichen Beziehung« (O. von Gierke) 304 bzw. nach der »Natur der Sache« (C. L. von Bar) 305 – angehört306, propagiert das Verbraucherrecht eine Abkehr von dieser scharfen Trennung zwischen Kollisions- und materiellem Recht. Es weicht von der entpolitisierten Abgrenzung zwischen Staat und Gesellschaft ab307 und verhindert, dass die Parteien jenseits international zwingender Normen selbstbestimmt über ganze Rechtsordnungen disponieren können (Art. 27 EGBGB) 308. Es bildet ein Fairness hervorbringendes Substitut für den klassischen gerechtigkeitsindifferenten Grundsatz, dass ohne Rechtswahl die objektiv engste Verbindung des Vertrages ausschlaggebend sein soll (Art. 28 EGBGB). 309 Dementsprechend materialisieren verbraucherrechtliche Kollisionsnormen das Paradigma der Parteiautonomie, indem sie jenseits der allgemeinen Rückfallklausel des Art. 27 Abs. 3 EGBGB für den passiven Verbraucher materiellrechtlich zwingende Vorschriften unter Umgehung von Art. 34 EGBGB zu kollisionsrechtlich zwingenden Rechtswahlbeschränkungen hochstufen. 310 In evidenter Abkehr von der Maxime der Austauschbarkeit der Privatrechtsordnungen (nach der alle Rechtsordnungen als gleichwertig angesehen werden) 311, existieren in diesem Sinne mittlerweile zwei Sonderanknüpfungen für Verbraucherverträge, von denen Art. 29 EGBGB die Vorgaben des Art. 5 EVÜ und Art. 29a EGBGB die Vorgaben des IPR-Richtlinienrechts »transformiert« 302 S. Klauer, Das europäische Kollisionsrecht der Verbraucherverträge, 1. Kap. III. 5. c) (1) (S. 44, 45); G.-P. Calliess, Grenzüberschreitende Verbraucherverträge, 3. Kap. I. (S. 90 ff.). 303 von Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. 8, § 360 (S. 108). 304 O. von Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. I, § 25 III. 7. (S. 217). 305 C. L. von Bahr, Lehrbuch des internationalen Privat- und Strafrechts, § 31 a) (S. 107). 306 Zur alten Schule des IPR im Überblick: Martinek, TSAR 2007, 277 (277 ff.). 307 Junker, IPRax 18 (1998), 65 (65, 66). 308 Martiny, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.): Internationales Vertragsrecht, 1. Teil B. I. 1. b) (Rn. 56); Rinze, JBL 1994, 412 (412 ff.). 309 Junker, IPRax 18 (1998), 65 (65, 66); Leible, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 353 (S. 354). 310 S. Klauer, Das europäische Kollisionsrecht der Verbraucherverträge, 1. Kap. II. 2. (S. 17); für die Gleichsetzung sachrechtlich zwingenden mit kollisionsrechtlich zwingendem Verbraucherrecht plädierend: Freitag, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.): Internationales Vertragsrecht, 4. Teil B. II. 4. (Rn. 420). 311 Vgl. Leible, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 353 (S. 354); W.-H. Roth, in: FS für Sonnenberger (70. Gebtg.), S. 591 (S. 608).

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(Klausel-, Timesharing-, Fernabsatz- und Verbrauchsgüterkaufrichtlinie). 312 Die daraus resultierende Begünstigung des Verbrauchers wird u. a. damit gerechtfertigt, dass es ein professioneller Anbieter bedingt durch economies of scale wesentlich besser in der Hand habe, Vorkehrungen zu treffen, um die Unsicherheiten im Umgang mit internationalen Verträgen zu bewältigen. Er verfüge nicht nur bereichsspezifisch über mehr Erfahrung, sondern auch über bessere Organisationsstrukturen, um sich schon bei der Vertragsvorbereitung auf das Vertragsrecht bestimmter Staaten einzustellen. 313 IV. Das transzendierte Freiheitsverständnis des Handelsrechts Im Handelsvertragsrecht wird die Berücksichtigung von »Schwächerenpositionen« dagegen derzeit nur als künftige Entwicklung angedeutet. 314 Immer noch setzt das Handelsrecht sich kollisions- und sachrechtlich überwiegend aus marktunterstützenden Vorschriften zusammen, die aus ökonomischer Sicht eine Entlastungsfunktion erfüllen. Es gestaltet den Vertragsinhalt kostengünstig aus und will »nichts anderes als eine Ersatz- oder Reservevertragsordnung« zur Verfügung stellen. 315 Es folgt genauso wie das bürgerliche Recht dem Vorrang der erläuternden Auslegung, sodass bei Regelungen, bei denen der Parteiwille zumindest unvollkommen zum Ausdruck gelangt und erkennbar ist, ein Rückgriff auf gesetzliches Vertragstypenrecht gar nicht in Betracht kommt. 316 Nur im Übrigen, d. h. soweit eine objektiv-normative Auslegung unter Berücksichtigung des Text- und Sinnzusammenhangs sowie der Verkehrssitte als »Katalysator« der Privatautonomie nicht möglich erscheint, wird marktunterstützenden Rechtsvorschriften ein Anwendungsbereich eingeräumt. 317

312 Zu den Neuregelungen der Rom I-Verordnung, die im Dezember 2009 in Kraft treten, siehe: Europäisches Parlament/Rat – Verordnung 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) – ABl. 2008 Nr. L 177 S. 6. 313 S. Klauer, Das europäische Kollisionsrecht der Verbraucherverträge, 1. Kap. III. 5. b) (S. 40). 314 Erstmals gelangt dieser Ansatz in der Rom I-Verordnung zum Ausdruck [Art. 4 Abs. 1 e) und f)], wonach bei Franchise- und Vertriebsverträgen ausnahmsweise nicht die Niederlassung des Anbieters, sondern der gewöhnliche Aufenthalt des Abnehmers zum maßgeblichen Anknüpfungspunkt avanciert [siehe hierzu: Europäisches Parlament/Rat – Verordnung 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) – ABl. 2008 Nr. L 177 S. 6 (S. 11)]. 315 Grundmann, ZHR 163 (1999), 635 (650); Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 12. Kap. 3.1 (S. 426); Eidenmüller, Effi zienz als Rechtsprinzip, Teil 1 § 2 B. II. (S. 64). 316 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2. Kap. I. 4. (S. 48). 317 Martinek, Modernde Vertragstypen – Bd. I, § 2 I. 2. (S. 17, 18); Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2. Kap. I. 4. (S. 48).

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1. Modifizierung von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung Zwar setzt sich auch im Handelsvertragsrecht die Privatautonomie aus der Möglichkeit zur Selbstbestimmung und der Obliegenheit zur Selbstverantwortung zusammen. Anders als im Verbraucherrecht, in dem die bürgerlichrechtlichen Anforderungen an die Selbstbestimmung heraufgesetzt und korrespondierend dazu die Obliegenheit zur Selbstverantwortung herabgestuft ist, reduziert das Recht der Handelsgeschäfte die Voraussetzungen an die Selbstbestimmung allerdings, während es die Anforderungen an die Selbstverantwortung anhebt. Einerseits hat dies eine Erweiterung der Privatautonomie zur Folge, wodurch die Wirtschaft die Möglichkeit erhält, zeitgemäße Normen in erheblichem Umfang selbst durch Vertragsklauseln, Satzungsbestimmungen, AGB und Handelsbräuche zu schaffen. 318 Andererseits bewirkt diese Sonderbereichsentwicklung aber auch eine Einschränkung der Freiheit zur Untätigkeit, indem viele handelsrechtliche Rechtsfolgen nicht auf dem Willensprinzip, sondern auf dem Verkehrsschutzgedanken319 und der Rechtsscheinshaftung320 basieren. Die Privatautonomie wird somit gerade auf der anderen Seite der Materialisierungsskala modifi ziert, indem u. a. die »erhöhte Fähigkeit zur eigenverantwortlichen Vertragsgestaltung . . . durch einen erhöhten Freiraum auch zum Abschluss risikoreicherer Geschäfte« sanktioniert wird. 321 Insgesamt wird das Recht der Handelsgeschäfte durch ein Konglomerat an heterogenen Liberalisierungstendenzen durchzogen, die als eine »Sammlung von Variationen über bürgerlichrechtliche Themen« in Erscheinung treten. 322 Abgesehen von dem numerus clausus der kaufmännischen Orderpapiere323 kommt es zu Freiheitserweiterungen hinsichtlich des Vertragsabschlusses sowie des Inhalts handelsrechtlicher Sonderverträge, die durch zwingende Vorschriften bezüglich der Abwicklungs-, Kontroll- und Anpassungsphase einen Ausgleich erfahren (z. B. § 15 HGB, §§ 25, 27 HGB, §§ 49, 50 Abs. 1 HGB). 324 Dem Individualschutz wird auf diese Weise weniger Gewicht als dem Verkehrsschutz beigemessen325, sodass Rechtsfolgen dem Kaufmann nicht nur dann zugerechnet werden, wenn er sie will, sondern auch dann, wenn er sie

318 319 320 321

Herber, ZHR 144 (1980), 47 (47). K. Schmidt, Handelsrecht, § 19 II. 2. c) (S. 553). Canaris, Handelsrecht, § 23 Rn. 9 ff. (S. 356). Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 1. Teil A. II. 6. (S. 15,

16). 322

Canaris, Handelsrecht, § 1 Rn. 47 (S. 17). Vgl. hierzu: Horn, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, § 363 Rn. 6. 324 Vgl. auch: Horn, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, Einleitung I Rn. 5; Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 4 II. (S. 51 ff.). 325 Hagenguth, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatrecht , 3. Teil I. 2. a) (S. 99). 323

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mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns auch nur verhindern könnte. 326 Aber selbst auf die Inhaltsfreiheit im Rahmen der Anbahnungsphase kann sich die Maßstabssteigerung bezüglich Sorgfaltspfl ichten und Obliegenheiten letztlich auswirken, indem z. B. die AGB-mäßige Abbedingung der unverzüglichen Untersuchungs- und Rügepfl icht im Hinblick auf offene Mängel (§ 377 HGB) wegen Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung für nichtig erklärt werden kann (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). 327 2. Verkehrstypisches Verhalten als privatautonome Selbstbestimmung Insbesondere die Situationsabhängigkeit der Anforderungen, die an die Selbstbestimmung jeweils zu stellen sind, wird im Recht der Handelsgeschäfte auf diese Weise deutlich. Während Selbstbestimmung unter Nichtprofessionellen mit dem Willensprinzip nahezu gleichzusetzen ist, kann im Bereich der Handelsgeschäfte Selbstbestimmung auch durch eine dezimierte Form verkehrstypischer Verhaltensweisen zum Ausdruck gebracht werden. Anschaulich wird dies am Beispiel des § 362 HGB, der dem Kaufmann in bestimmten Situationen die Freiheit zum Untätigbleiben abspricht. Das Phänomen, dass Schweigen auf einen Antrag als Zustimmung gilt, wird in diesem Zusammenhang vielfach als Rechtsscheinshaftung kraft verkehrsmäßig typisierten Verhaltens defi niert. 328 Zwar wird im Handels- wie im bürgerlichen Recht Vertrauen auf den Schein nur dort geschützt, wo »der Verkehr es erfordert, und nur, soweit der andere Teil berechtigtermaßen auf den Schein vertrauen darf«. 329 Da die Verkehrsund Erwartungshaltung im Handelsverkehr allerdings eine qualifi zierte ist, kann die Rechtsscheinshaftung neben vertragsrechtlichen Nebenaspekten (Vollmacht, Abgabe einer Willenserklärung etc.) auch Surrogat für die eigentliche Willenserklärung sein. 330 Auch wenn dies auf den ersten Blick den Anschein einer systemwidrigen Durchbrechung des klassischen Willensprinzips hervorruft, ist das Vorliegen einer Willenserklärung bei genauer Betrachtung bereits für das bürgerliche Vertragsrecht keine unabdingbare Voraussetzung. Auch hier werden (wenn auch nicht im gleichen Maße) verkehrstypische Verhaltensweisen, die das Anforderungsprofi l einer Willenserklärung nicht erreichen, als selbstbestimmte Erscheinungsform eines vertragsbegründenden Ver326 Vgl. hierzu: M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, § 4 I. 1. (S. 75). So erstaunt es auch nicht, dass der Grundsatz von Treu und Glauben in Europa traditionell als Sonderphänomen des Handelsrechts angesehen wurde [Eckl, Treu und Glauben im spanischen Vertragsrecht, Teil 1 (S. 52)]. 327 LG Gera – Urteil v. 08. 07. 2004, Az.: 1 HK O 26/04 – MDR 2005, 101 (101, 102). 328 Canaris, Handelsrecht, § 23 Rn. 1 ff. (S. 353 ff.). 329 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 (134). 330 BGH – Urteil v. 30. 10. 1990, Az.: IX ZR 239/89 – WM 45 (1991), 554 (557); Urteil v. 04. 05. 1951, Az.: II ZR 52/50 – BGHZ 1, 353 (355, 356).

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haltens gelten gelassen – so etwa in der Situation der bürgerlichen Schenkung, wo ausnahmsweise auch Schweigen als Annahme angesehen wird (§ 516 Abs. 2 S. 2 BGB). 331 Demgemäß ist es folgerichtig, dass sich Ansichten nicht durchsetzen konnten, wonach § 362 HGB als typisierte Erklärung mit normierter Wirkung332 , als gesetzliche Fiktion einer Willenserklärung333 oder Folge einer Pfl icht- bzw. Obliegenheitsverletzung334 zu qualifi zieren ist, sondern vielmehr vom Vorliegen eines Tatbestands der Rechtsscheinshaftung335, eines Handelsbrauchs der Erwartung erhöhter individueller Geschäftsbereitschaft336 oder eines durch die berufl iche Spezialisierung hervorgerufenen Erwartungstatbestands337 auszugehen ist. In diesem Sinne bauen auch die Grundsätze zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben als Tatbestand der Rechtsscheinshaftung338 bzw. als Gewährleistungssatz der Verkehrssicherheit 339 weitgehend auf willensentkoppelten (objektiven) Elementen auf340, womit sich der Eindruck verfestigt, dass die auf den Rechtsgedanken der §§ 75 h, 91a, 362 HGB zurückzuführende Bindungswirkung des Schweigens zwar »im Verhältnis zu den bürgerlichrechtlichen Grundsätzen über die Behandlung des Schweigens im Rechtsverkehr Ausnahmecharakter hat«, innerhalb des Handelsrechts aber »durchaus einer Verallgemeinerung zugänglich« ist. 341

331 Hopt, AcP 183 (1983), 608 (635); zum Schweigen als Zustimmung vgl. auch § 416 Abs. 1 S. 2 BGB bzw. zum Schweigen als Ablehnung vgl. § 108 Abs. 2 S. 2, § 177 Abs. 2 S. 2 und § 415 Abs. 2 S. 2 BGB. 332 Schumann, Handelsrecht, Bd. II, § 3 I. (S. 26); Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, § 15 (S. 279 ff., 287); ders., Irrtum und Auslegung, § 15 (S. 274); Krause, Schweigen im Rechtsverkehr, § 4 I. (S. 127 ff.). 333 Flume, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 135 (S. 172 ff.); ders., Das Rechtsgeschäft, AT BGB Bd. 2, § 10 Ziff. 2 (S. 120); Welter, in: K. Schmidt (Hrsg.): MünchKomm-HGB, § 362 Rn. 15; Roth, W.-H. Roth, in: Koller/W.-H. Roth/Morck (Hrsg.), HGB, § 362 Rn. 4. 334 Hanau, AcP 165 (1965), 220 (236 ff.); Fabricius, JuS 6 (1966), 1 bzw. 50 (51 ff.); R. Schmidt, Die Obliegenheiten, 3. Teil 3. Abschnitt III. (S. 122 ff.). 335 Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, § 19 I. 2. (S. 200 ff.); ders., Handelsrecht, § 23 Rn. 1 ff. (S. 353 ff.). 336 K. Schmidt, Handelsrecht, § 19 II. 2. c) (S. 553). 337 Hopt., AcP 183 (1983), 608 (644 ff.). 338 Canaris, Handelsrecht, § 23 Rn. 9 (S. 356); ders., Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, § 19 II. (S. 206 ff.); zum gewohnheitsrechtlichen Charakter: Canaris, Handelsrecht, § 23 Rn. 10 (S. 356); Hopt., AcP 183 (1983), 608 (691); K. Schmidt, Handelsrecht, § 19 III. 1. b) (S. 564). 339 K. Schmidt, Handelsrecht, § 19 III. 1. c) (S. 565). 340 BGH – Urteil v. 08. 02. 2001, Az.: III ZR 268/00 – NJW-RR 16 (2001), 680 (680, 681); Urteil v. 31. 01. 1994, Az.: II ZR 83/93 – NJW 47 (1994), 1288 (1288); Urteil v. 20. 03. 1974, Az.: VIII ZR 234/72 – NJW 27 (1974), 991 (991–993); Urteil v. 09. 07. 1970, Az.: VII ZR 70/68 – BGHZ 54, 236 (236 ff.); 14. 10. 1969, Az.: VI ZR 208/68, VI ZR 209/68 – WM 23 (1969), 1452 (1452 ff.). 341 Canaris, Handelsrecht, § 23 Rn. 10 (S. 356); vgl. auch: Canaris, Die Vertrauenshaf-

§ 13 Vertragsrechtsdivergenz und Einheit der Wirtschaftsverfassung

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D. Grundrechte und Grundfreiheiten: substanzielle Verbindungsfaktoren Bereits diese Ausgangslage lässt erkennen, dass jede Vertiefung der Systemzergliederung Ergebnisse hervorrufen könnte, die den Konsens über ein einheitliches Freiheitsverständnis erschweren würde. Positiv ausgedrückt müsste man wohl sagen, dass sich die Partikularisierung der deutschen Vertragsrechtsordnung letztlich nur dann mit den Postulaten homogener Individualautonomie vereinbaren ließe, wenn man sie zuvor einem widerspruchsfreien Werteverständnis zuführte. 342 Zwar vertritt das BVerfG bekanntermaßen die Meinung, dass »[d]as Grundgesetz . . . weder die wirtschaftspolitische Neutralität der Regierungs- und Gesetzgebungsgewalt noch eine nur mit marktkonformen Mitteln zu steuernde ›soziale Marktwirtschaft‹ » garantiere. 343 Hieraus aber ein Recht des Gesetzgebers abzuleiten, verschiedene Vertragsrechtsmodelle innerhalb derselben Gesamtrechtsordnung zu kodifi zieren, die den Einheitsanspruch der Wirtschaftsverfassung effektiv gefährden, würde den Sinngehalt dieses Entscheidungsleitsatzes überstrapazieren. Vor allem würde eine derartige Derivation dem Gemeinschaftsrecht zuwiderlaufen, das »ungleich intensiver auch Koordinaten einer Wirtschaftsverfassung [enthält] . . . als etwa das Grundgesetz«. 344 I. Freiheitspostulate der Grundrechte – einheitsstiftender Faktor Auflösen ließe sich die beklagte contradictio in adiecto möglicherweise über gemeinsame Verbindungselemente – also vereinigende Regeln, welche der Vertragsrechtsordnung trotz ihrer Aufspaltung insgesamt zugrunde liegen. Anregung könnte hier das englische Recht geben, das Verträge häufig im Lichte ihrer »embeddedness«, d. h. im Lichte ihrer sozialen Einbettung betrachtet. 345 Collins assoziiert damit beispielsweise die Forderung, einen Zusammenhang tung im deutschen Privatrecht, § 20 (S. 217 ff.); a. A.: Hefermehl, in: Schlegelberger, HGBKommentar, § 346 Rn. 97; Horn, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, § 362 Rn. 4. 342 Auf abstrakter Ebene bringt diese Notwendigkeit Erbel zum Ausdruck, wenn er zu bedenken gibt, dass es »verfassungstheoretisch . . . ausgeschlossen [erscheint], unter dem Dach ein und derselben Verfassung ein wirtschaftspolitisches Konzept unterzubringen, das in seiner Grundsubstanz nicht klar dem Freiheitsprinzip folgt, sondern – in einer Exklave der Unentschiedenheit – zwischen Freiheitsprinzip und zentraldiktatorischem Prinzip angesiedelt sein soll« [Erbel, RiA 37 (1991), 18 (19)]. 343 BVerfG – »Investitionshilfe« – Urteil v. 20. 07. 1954, Az.: 1 BvR 459, 484, 548, 555, 623, 651, 748, 783, 801/52, 5, 9/53, 96, 114/54 – BVerfGE 2, 7 (17). 344 Grundmann, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 1 (S. 2); zur wettbewerbsverfassten Marktwirtschaft als gemeineuropäischem Prinzip: Müller-Graff, EuR 32 (1997), 433 (433 ff.); ders., ZHR 168 (2004), 1 (1 ff.); Mestmäcker, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 53 (S. 58). 345 Collins, Regulating Contracts, Part 1–2. (S. 25 ff.).

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2. Kapitel: Sondervertragliche Systemvorgaben der Rechtsordnung

zwischen dem Vertrag und anderen Bezugssystemen wie moralischen Grundsätzen, den Gesetzen des Marktes oder örtlichen bzw. internationalen Handelsbräuchen herzustellen. 346 Auch die Identität der Vertragsparteien sowie vorangegangene Beziehungen sollen eine Rolle spielen, wobei Collins angesichts der heutzutage häufig wechselhaften sozialen Kontakte die Identität anhand typisierender Merkmale festlegen möchte, »such as the qualification of being a professional doctor or lawyer which carries with it expectations of skill and competence in providing a service«. 347 Abgesehen von einer solchen sozialen Leitbildeinbettung könnten aus deutscher Sicht vor allem die Freiheits- und Gleichheitsaussagen der Verfassung und die Marktfreiheitsparadigmen der europäischen Grundfreiheiten einen Beitrag leisten, um der contradictio in adiecto Herr zu werden. Denn ruft man sich etwa die wesentlichen Aussagen des BVerfG aus dem Bürgschafts-Beschluss noch einmal in Erinnerung, so mögen die Schöpfer des BGB zwar »von einem Modell formal gleicher Teilnehmer am Privatrechtsverkehr« ausgegangen sein348 ; aber schon das Reichsgericht hat »diese Betrachtungsweise aufgegeben und ›in eine materiale Ethik sozialer Verantwortung zurückverwandelt‹«, sodass heute »weitgehende Einigkeit darüber [besteht], daß die Vertragsfreiheit nur im Falle eines annähernd ausgewogenen Kräfteverhältnisses der Partner als Mittel eines angemessenen Interessenausgleichs taug[t]«. 349 Gehört der Ausgleich gestörter Vertragsparität durch die Grundrechte demzufolge zu den »Hauptaufgaben des geltenden Zivilrechts«, so müssen die Freiheitspostulate der Verfassung auch in der Lage sein, wirtschaftsverfassungsrechtliche Homogenität herzustellen. Die Grundrechte mögen zwar aus der Sicht des BVerfG weder einen »›institutionellen Zusammenhang der Wirtschaftsverfassung‹, der durch verselbständigte, den individualrechtlichen Gehalt der Grundrechte überhöhende Objektivierungen begründet« werden könnte, konstituieren; noch erzeugen sie einen über die grundgesetzlichen Elemente hinausgehenden »Ordnungsund Schutzzusammenhang der Grundrechte«. 350 Sie enthalten aber individuelle Rechte, Menschen- und Bürgerrechte, die als objektive Prinzipien dem Gesetzgeber aufgeben, die Freiheit des einzelnen Bürgers zu wahren und sie bei der Ordnung der Wirtschaft zu respektieren. 351 Auf diese Weise schließen 346

Collins, Regulating Contracts, Part 1–2. (S. 26, 27). Collins, Regulating Contracts, Part 1–2. (S. 28). 348 BVerfG – »Bürgschaftsvertrag I« – Beschluss v. 19. 10. 1993, Az.: 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89 – BVerfGE 89, 214 (232, 233). 349 BVerfG – »Bürgschaftsvertrag I« – Beschluss v. 19. 10. 1993, Az.: 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89 – BVerfGE 89, 214 (232, 233). 350 BVerfG – »Mitbestimmungsgesetz« – Urteil v. 01. 03. 1979, Az.: 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und 1 BvL 21/78 – BVerfGE 50, 290 (337). 351 BVerfG – »Mitbestimmungsgesetz« – Urteil v. 01. 03. 1979, Az.: 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und 1 BvL 21/78 – BVerfGE 50, 290 (337); Geiger spricht auch von einer Wertord347

§ 14 Zusammenfassung und grundsätzliche Maßstabsbildung

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sie es aus, dass der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum dergestalt missbraucht, dass er in Teilbereichen der Vertragsrechtsordnung grundrechtliche Freiheiten verkürzt und bereichsspezifisch ein Leben in menschlicher Würde beschränkt. 352 II. Die Grundfreiheiten – wirtschaftsverfassungsrechtlicher Referenzrahmen Auf Gemeinschaftsebene bilden korrespondierend dazu die Grundfreiheiten einen Rahmen, um die Verbindungslinie zwischen allgemeinen und gruppenspezifischen Vertragsrechten über das Bindeglied übergeordneter Deregulierung wieder herzustellen. 353 Obwohl die Grundfreiheiten eigentlich bereits seit den 1960er Jahren Geltung beanspruchen, konnten sie ihre Entfaltungskraft im Wege richterlicher Rechtsfortbildung erst nach und nach entwickeln, sodass sie als ernst zu nehmende Maßstäbe für das Vertragsrecht erst seit kurzem Fuß gefasst haben. Heute treten allerdings auch sie als »wirtschaftsverfassungsrechtlicher Referenzrahmen« in Erscheinung, indem sie außerrechtliche Leitbilder übernehmen und projizieren. 354 So gehen beispielsweise aus dem (durch Rechtsfortbildung gewonnenen) Rechtfertigungselement des zwingenden Allgemeininteresses des »Verbraucherschutzes« Anhaltspunkte für das Leitbild eines informierbaren und mündigen Verbrauchers hervor, die auch für das Vertragsrecht verwertet werden können. Vor allem aber sorgt die liberale Zweckausrichtung der Grundfreiheiten für einheitsstiftende Marktkorrekturen, die – wenn auch nur indirekt durch Herstellung innerer Systemzusammenhänge – dazu eingesetzt werden können, das »krankhaft gewucherte Systemgeschwür« des sekundärrechtlichen Verbraucherschutzes durch eine längst fällige Operation von der Bösartigkeit zu befreien. 355

§ 14 Zusammenfassung und grundsätzliche Maßstabsbildung Es bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass Sonderprivatrechte nach der vorzugswürdigen Defi nition Normgruppen sind, mit denen der Ausgleich zwinung für die Privat- und Wirtschaftsordnung: Geiger, Die Grundrechte in der Privatrechtsordnung, S. 7 (S. 18). 352 BVerfG – »Mitbestimmungsgesetz« – Urteil v. 01. 03. 1979, Az.: 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und 1 BvL 21/78 – BVerfGE 50, 290 (338). 353 Vgl. auch dem Blickwinkel eines »Informationsmodells« der Rechtsordnung: Schön, FS für Canaris (70. Gebtg.), Bd. I, S. 1191 (S. 1198 ff.). 354 von Wilmowsky, JZ 51 (1996), 590 (590). 355 Martinek, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 511 (S. 511, 515).

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2. Kapitel: Sondervertragliche Systemvorgaben der Rechtsordnung

schen Freiheit und Gleichheit abweichend zu dem bürgerlichen Privatrecht pandektistischer Prägung erfolgt und deren Zerschlagung und Aufspaltung in die Pandektenbereiche des BGB nicht ohne Verlust inhaltlicher Konsistenz oder äußerer Übersichtlichkeit möglich wäre. An diesen Defi nitionsmerkmalen gemessen treten sowohl das Handels- als auch das Verbrauchervertragsrecht als Sonderprivatrechte in Erscheinung, weil sie den freiheitlichen Gewährleistungsgehalt in Bezug auf typisierte Personengruppen ungleich im Vergleich zu den personalen Grundsubjekten des BGB regeln. Der vorstehende Defi nitionsversuch veranschaulicht zugleich den Rechtfertigungsdruck, unter dem die Sonderprivatrechte in ihrer aktuellen Ausgestaltung stehen. Die Existenzberechtigung des Handels- und Verbrauchervertragsrechts steht und fällt mit der Beantwortung der Kernfrage, ob und auf welche Weise Art und Umfang der ungleichen Freiheitsgewährleistung normativ gerechtfertigt werden können. In diesem Zusammenhang ist als erstes in Erinnerung zu rufen, dass auch im Privatrecht, respektive in den Vertrags- und Sondervertragsrechten, der etatistische Stufenbau der Rechtsordnung grundsätzlich einzuhalten ist. Infolge der vertikalen Erweiterung durch die EG bedeutet dies Vorrang des Gemeinschafts- vor dem nationalen Recht und Vorrang des Verfassungs- vor dem einfachen Recht, jeweils mit der Besonderheit, dass im Vertragsrecht ökonomische, empirische und ethisch-moralische Reflexionen nicht ausgeblendet werden dürfen. Die Dichotomie der Rechtsordnung für sich betrachtet liefert dagegen keinen eigenen Maßstab, um den Interventionsbefugnissen des Staates in die Privatrechtsgesellschaft Einhalt zu gebieten. Sie ist vielmehr Ausdruck des dahinter stehenden Freiheits- und Subsidiaritätsrasters, sodass letztlich nur die Einzelnormen der Rechtsordnung Einheit zwischen Vertragsund Sondervertragsrechten herzustellen vermögen. Grundrechtsordnung und Grundfreiheiten nehmen dabei eine exponierte Stellung ein.

3. Kapitel

Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich Die Beantwortung der privatrechtlichen Kardinalfrage, »warum einem Normadressaten an sich eine günstige, einem anderen aber eine nachteilige Rechtsfolge zugeordnet wird« und »warum dies gerade im Verhältnis dieser beiden zueinander erfolgt« (Prinzip der relativen zweiseitigen Rechtfertigung)1, ist in der Gesamtbetrachtung der Systemdivergenz nur im Einklang mit der Korrespondenzfrage zu beantworten, »wann und inwieweit der Verbraucherbezug oder der Bezug zu einem Unternehmen wirklich eine so eigene faktische Struktur begründet, daß Sonderrecht und nicht mehr allgemeines Privatrecht zu setzen ist«. 2 Die grundrechtlichen Entscheidungen des BVerfG bilden dabei nur die Spitze des Legitimitätsrahmens gleicher Freiheit. Thematisch reichen sie von dem Berufstypus des Handelsvertreters, der sich »schon vor oder während der Vertragsbeziehungen für die Zeit nach deren Beendigung binden soll[.]«3, über den Typus der schwangeren Frau, die im vorehelichen Stadium eine erkennbar einseitige Lastenverteilung zu ihren Ungunsten hinnehmen soll4, bis zum Schuldnertypus des jungen, unerfahrenen Erwachsenen, der trotz geringfügiger Einkünfte für hohe Bankkredite haftet5. Welche Grundrechte auf das Privatrecht in seiner jeweiligen Zweckmodulierung Anwendung fi nden, hängt – wie auch bei anderen Grundrechtskonstellationen des Privatrechts – davon ab, welcher Gesetzgeber (EG oder Mitgliedstaat) die in Frage stehende Privatrechtsnorm jeweils erlassen hat. Während sich mit einer Freude am Subtilen problemlos danach differenzieren ließe, ob Normen des Handels- oder allgemeinen Vertragsrechts in Frage stehen, die vorrangig an den GG-Grundrechten zu messen wären, oder Normen des Verbrauchervertragsrechts betroffen sind, die wegen der EG-rechtlichen Harmonisierung primär den Gemeinschaftsgrundrechten Rechnung zu tragen hätten 1 F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 1. Hteil. V. 4 a) (S. 93); vgl. auch: Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 31 Rn. 935 ff. (S. 373, 374). 2 Grundmann, in: Grundmann/Bianca (Hrsg.): EU-Kaufrechtsrichtlinie, Einl. Rn. 25. 3 BVerfG – »Handelsvertreter« – Beschluss v. 07. 02. 1990, Az.: 1 BvR 26/84 – BVerfGE 81, 242 (257). 4 BVerfG – »Unterhaltsverzichtsvertrag« – Urteil v. 06. 02. 2001, Az.: 1 BvR 12/92 – BVerfGE 103, 89 (102). 5 BVerfG – »Bürgschaftsvertrag II« – Kammerbeschluss v. 05. 08. 1994, Az.: 1 BvR 1402/89 – NJW 47 (1994), 2749 (2749); »Bürgschaftsvertrag I« – Beschluss v. 19. 10. 1993, Az.: 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89 – BVerfGE 89, 214 (215).

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

(wobei noch zusätzlich zwischen einer gebundenen und einer ermessensgeprägten Richtlinienumsetzung unterschieden werden könnte) 6, ist vorliegend auf die Parameter der »Freiheit« und »Gleichheit« in Anbetracht des Grundsatzcharakters der Erörterungen nur in Gestalt von übergeordneten Normgrößen einzugehen. Dabei sollen die grundrechtlichen Problemlagen des »allgemeinen« bürgerlichen Rechts7 nicht interessieren; vielmehr soll das Vertragsrechtsfundament nur als tertium comparationis für die Herausarbeitung der sondervertragsrechtlichen Abweichungen dienen.

§ 15 Dogmatische Aufbereitung von Gleichheit und Freiheit Als systemgemäßer »Ausdruck ständischen Denkens« treten Typenbildungen nur dann in Erscheinung, wenn zwischen den umschriebenen Subjektgruppen unabhängig von den Umständen im Einzelfall solche Unterschiede bestehen, dass eine typisierte Ungleichbehandlung notwendig wird.8 »Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht« müssen existieren, »daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten«.9 Nicht nur das reine Willkürverbot muss eingehalten werden10, sondern auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen werden11, damit ein bestimmter Rechtfertigungsgrund die durch die vertragsrechtliche Typisierung bedingte Ungleichbehandlung abdeckt und umfasst. Dies bedeutet, dass auch die persönliche Geltungsbereichsabgrenzung des typisierten Normkomplexes in ihrer Ausgestaltung durch schutzwürdige Belange getragen werden muss, letztlich also weder gegen das Übermaßverbot noch gegen das Untermaßgebot verstoßen darf.12 Auf diese 6 Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, 2. Kap. B. III. 3. (S. 15); Lindner, EuZW 18 (2007), 71 (71 ff.). 7 . . . z. B. die grundrechtsproblematische Regelung, dass beschränkt geschäftsunfähige Personen zumindest rechtlich vorteilhafte Rechtsgeschäfte abschließen können, während Rechtsgeschäfte von Geschäftsunfähigen trotz größerer Schutzwürdigkeit apodiktisch unwirksam sind . . . [Canaris, JZ 42 (1987), 993 (996 ff.)]. 8 Vgl. Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1. Teil 3. Kap. I. (S. 27, 28). 9 BVerfG – Beschluss v. 07. 10. 1980, Az.: 1 BvL 40, 89/79, 1 BvR 240/79 – BVerfGE 55, 72 (88); vgl. auch: BVerfG – Beschluss v. 11. 01. 1995, Az.: 1 BvR 892/88 – BVerfGE 92, 53 (68, 69). 10 So noch: BVerfG – Beschluss 27. 09. 1978, Az.: 1 BvL 31/76 und 4/77 – BVerfGE 49, 192 (209); Beschluss v. 15. 01. 1969, Az.: 1 BvR 723/65 – BVerfGE 25, 101 (105); Beschluss v. 15. 12. 1959, Az.: 1 BvL 10/55 – BVerfGE 10, 234 (246 ff.); Urteil v. 23. 10. 1941, Az.: 2 BvG 1/51 – BVerfGE 1, 14 (52). 11 BVerfG – Beschluss v. 17. 05. 1983, Az.: 2 BvL 8/82 – BVerfGE 64, 158 (168 ff.); zum Kriterium der Verhältnismäßigkeit auf EG-Ebene: Odendahl, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.): Hdb. der Europäischen Grundrechte, § 43 V. (S. 1154 ff.). 12 Medicus, FS für Kitagawa (65. Gebtg.), S. 471 (S. 472).

§ 15 Dogmatische Aufbereitung von Gleichheit und Freiheit

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Weise setzt das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot, das nach prägenden Leitgedanken bzw. materiellrechtlich ausreichenden Sachgründen verlangt, einem Abrücken von dem Postulat systematischer Einheit und jeder Großzügigkeit gegenüber »internal contradictions of the law« Grenzen.13 Das BVerfG gesteht dem Gesetzgeber einen weiten Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zu, welche Typisierung er aufgreift – wann Ungleichgewichtslagen also so schwer wiegen, dass die Vertragsfreiheit durch zwingendes Gesetzesrecht begrenzt oder ergänzt werden muss.14 Weil die Einschätzung der für die Konfl iktlage maßgeblichen ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen, die Interessenbewertung und die Vorausschau auf die gesetzlichen Wirkungen in seiner politischen Verantwortung liegen15, ist eine typisierungsbedingte Verletzung des Gleichheitssatzes nur möglich, wenn ein »vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund« die gesetzliche Abwägung nicht rechtfertigt.16 Folglich wäre ein Verstoß gegen das Gebot formaler Gleichheit nur dann gegeben, wenn die Interessen eines Vertragspartners so stark untergeordnet würden, dass von einem angemessenen Ausgleich nicht mehr gesprochen werden könnte.17

A. Dienende Funktion der Gleichheit zur Freiheitsausgestaltung Die Gleichheit ist in diesem Interessenkonglomerat nach den Aussagen des Grundgesetzes kein normativer Wert an sich. Gegenteiliges würde tradierten Gerechtigkeitsvorstellungen widersprechen, wonach Veranstaltungen gleichen Leids wie das Gefängnis, das KZ, das Gefangenenlager, das Getto u. s. w. von vornherein nicht als Modelle einer gerecht verfassten Gesellschaft in Betracht kommen.18 Vielmehr nimmt die Gleichheit gegenüber der Freiheit eine dienende Funktion ein, und zwar »als Basis und als Bedingung der freien Entfaltung menschlicher Anders- und Einzigartigkeit«.19 Dabei können aus Freiheitser13 Zu den Alternativansätzen vgl.: Wilhelmsson, Critical Studies in Private Law, Chapt. II 3.1 (S. 30). 14 BVerfG – »Handelsvertreter« – Beschluss v. 07. 02. 1990, Az.: 1 BvR 26/84 – BVerfGE 81, 242 (255); Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 3. Kap. I. 5. b) dd) (S. 101, 102); für einen Primat des Gesetzgebers gegenüber der Judikative bei der Auflösung von Paritätsstörungen: Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, § 4 V. 5 (S. 33, 34). 15 BVerfG – »Kleinbetriebsklausel I« – Beschluss v. 28. 01. 1998, Az.: 1 BvL 15/87 – BVerfGE 97, 169 (176). 16 BVerfG – »Ehemäklerlohn« – Entscheidung v. 20. 04. 1966, Az.: 1 BvR 20/62, 1 BvR 27/64 – BVerfGE 20, 31 (33). 17 BVerfG – »Kleinbetriebsklausel I« – Beschluss v. 28. 01. 1998, Az.: 1 BvL 15/87 – BVerfGE 97, 169 (176, 177). 18 Dürig, in: Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 135. 19 Dürig, in: Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 135.

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

wägungen »Differenzierungen . . . geradezu notwendig sein, um eine sinnerfüllte Gleichheit herzustellen«. 20 Speziell der vertragsrechtliche Dreiklang macht den Funktionszusammenhang zwischen Gleichheit und Freiheit evident. Während im Rahmen des liberalen Grundkorsetts des Vertragsrechts alle Privatrechtssubjekte insofern »abstrakt gleich« sind, als ihnen formale Chancengleichheit zur Ausübung von Privatautonomie zugesprochen wird 21, werden die Gleichheits- und Freiheitsparameter durch Sonderprivatrechte wie das Handels- und Verbraucherrecht infolge von Partikularinteressen materialisiert. Das Gleichheitspostulat fungiert dabei als Legitimitätsschranke, weil Sachverhalte insbesondere nur dann typisiert aufgegriffen und unterschiedlich behandelt werden dürfen, wenn eine Differenzierung objektiv gerechtfertigt ist. 22 Auf Gemeinschaftsebene ist die Sekundierfunktion der Gleichheit in ähnlicher Weise verankert 23, was sich daraus ergibt, dass der EuGH den Gleichbehandlungsgrundsatz als EWG-Grundrecht und ungeschriebenen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts bereits Anfang der 1970er Jahre anerkannt hat 24. Nach dessen Bestätigung in zahlreichen Entscheidungen ist er als geltendes Grundrecht zu beachten, sodass im Rahmen der nachfolgenden Erörterungen von einem weitgehend uniformen Gewährleistungsgehalt des Gleichheits- und Freiheitsausgleichs auszugehen ist – unabhängig davon, ob Vorschriften des europäischen Richtlinien- oder des deutschen Gesetzgebers in Frage stehen. 25

B. Privatautonomie – Ausgestaltung und Gewährleistung Wenn das Grundgesetz bzw. das Gemeinschaftsrecht neben der Gleichheit auch die Freiheit als Wertaussage enthalten, wird die Gleichheit durch das

20 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1. Teil 3. Kap. I. (S. 27, 28); so auch: Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 3. Kap. I. 5. b) dd) (S. 98, 99). 21 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, B. II. 2. a) (S. 54, 55); Zöllner, JuS 28 (1988), 329 (330 ff.). 22 Richardi, FS für Söllner (70. Gebtg.), S. 957 (S. 958). 23 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 1. Teil 2. Abschnitt § 3 C. (S. 25). 24 Beschränkt auf den öffentlichen Dienst: EuGH – Bernardi/Europäisches Parlament – Urteil v. 16. 03. 1971, Az.: 48/70 – Slg. 1971, 175 Tz. 25/27; im Übrigen: EuGH – Deutschland/Rat – Urteil v. 10. 03. 1998, Rs. C-122/95 – Slg. 1998, I-973 Tz. 54; Queen/Minister of Agriculture – Urteil v. 17. 07. 1997, Rs. C-354/95 – Slg. 1997, I-4559 Tz. 61; Earl de Kerlast/Unicopa – Urteil v. 17. 04. 1997, Rs. C-15/95 – Slg. 1997, I-1961 Tz. 35; SMW Winzersekt/Land Rheinland-Pfalz – Urteil v. 13. 12. 1994, Rs. C-306/93 – Slg. 1994, I-5555 Tz. 30; Spanien/Kommission – Urteil v. 07. 07. 1993, Rs. C-217/91 – Slg. 1993, I-3923 Tz. 37; Ruckdeschel u. a./Hauptzollamt Itzehoe – Urteil v. 19. 10. 1977, verb. Rs. 117/76 und 16/77 – Slg. 1977, 1753 Tz. 7. 25 Vgl. hierzu: Odendahl, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.): Hdb. der Europäischen Grundrechte, § 43 Rn. 5 (S. 1144).

§ 15 Dogmatische Aufbereitung von Gleichheit und Freiheit

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Bedürfnis nach freiheitlicher Individualisierung ergänzt. 26 Insofern steht die Privatautonomie in ihrer Ausprägung als Vertragsfreiheit im Mittelpunkt des Vertragsinstituts und der vertragsrechtlichen Dreiteilung; sie betrifft als »Prinzip der eigenen Gestaltung der Rechtsverhältnisse durch den Einzelnen nach seinem Willen«27 die »individuelle Freiheit im Staat« und ist als »Nerv des Privatrechtssystems« der Privatrechtsordnung immanent und vorgelagert. 28 Obwohl weder der EG-Vertrag noch das Grundgesetz (im Gegensatz zur Weimarer Reichsverfassung 29 und einigen Länderverfassungen30 ) die Vertragsfreiheit ausdrücklich erwähnen, gehört sie zu dem gesicherten Bestand der freiheitlichen Grundrechte. 31 Während sie auf Gemeinschaftsebene seit dem EuGH-Urteil Stauder/Stadt Ulm »zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen« zählt, »deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat«32 , ist sie auf der Ebene des Grundgesetzes nicht nur einfach-verfassungsgesetzlich verankert, sondern in ihrem Kern Teil der Unabänderlichkeitsgarantie (Art. 79 Abs. 3 GG) 33. Sie ist Mittel der grundrechtlich gesicherten Persönlichkeitsentfaltung34 und Folge der sich aus Art. 1 GG ergebenden Intention, dass »der Staat um des Men26

Vgl. Dürig, in: Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 120 ff. BVerfG – »Elterliche Vertretungsmacht« – Urteil v. 13. 05. 1986, Az.: 1 BvR 1542/84 – BVerfGE 72, 155–175 (170); vgl. auch: Flume, Das Rechtsgeschäft, AT BGB Bd. 2, § 1 Ziff. 1 (S. 1); ders., Rechtsgeschäft und Privatautonomie, § 1 (S. 136); u. a. übernommen von: Roscher, Vertragsfreiheit als Verfassungsproblem, 3. Teil 2. Abschnitt III. (S. 54); Isensee, in: Bayer/Koch (Hrsg.): Schranken der Vertragsfreiheit, S. 9 (S. 15). 28 Hofer, Vertragsfreiheit am Scheideweg, A. (S. 7); zur Geschichte des Begriffs »Privatautonomie«: Murakami, FS für Müller-Freienfels (70. Gebtg.), S. 467 (S. 467 ff.). 29 Art. 152 Abs. 1 WRV. 30 Art. 151 Abs. 2 Bayerische Verfassung; Art. 52 Abs. 2 Verfassung von RheinlandPfalz; Art 44 Verfassung des Saarlandes. 31 Zum Grundrechtsschutz auf Gemeinschaftsebene vgl.: EuGH – Karner Industrie Auktionen/Troostwijk, Rs. C-71/02 – Slg. 2004, I-3025; Wachauf/BRD – Urteil v. 13. 07. 1989, Rs. 5/88 – Slg. 1989, 2609 Tz. 17; Nold/Kommission – Urteil v. 14. 05. 1974, Rs. 4/73 – Slg. 1974, 491 Tz. 13; Wachauf/BRD – Urteil v. 13. 07. 1989, Rs. 5/88 – Slg. 1989, 2609 Tz. 17; Prais/Rat – Urteil v. 27. 10. 1976, Rs. 130/75 – Slg. 1976, 1589 Tz. 12/19; Internationale Handelsgesellschaft/Vorratsstelle – Urteil v. 17. 12. 1970, Rs. 11/70 – Slg. 1970, 1125 Tz. 4; zur Vertragsfreiheit auf Gemeinschaftsebene: EuGH – Koenigreich Spanien/EG – Urteil v. 05. 10. 1999, Rs. C-240/97 – Slg. 1999, I-6571 Tz. 99; EuG – Automec/Kommission – Urteil v. 18. 09. 1992, Rs. T-24/90 – Slg. 1992, II-2223 Tz. 51; zur Formfreiheit als Unterprinzip der Vertragsfreiheit vgl.: EuGH – Bellone/Yokohama – Urteil v. 30. 04. 1998, Rs. C-215/97 – Slg. 1998, I-2191 Tz. 14; zur freien Wahl des Geschäftspartners als Unterprinzip der Vertragsfreiheit vgl.: EuGH – Jean Neu/Secrétaire d’État – Urteil v. 10. 07. 1991, verb. Rs. C-90/90 und C-91/90 – Slg. 1991, I-3617 Tz. 13. Mit der Charta der Grundrechte in der Europäischen Union (2000), die Eingang in die noch zu ratifi zierenden EU-Reformverträge gefunden hat, wurden die bisher ungeschriebenen Gemeinschaftsgrundrechte lediglich ausformuliert und katalogisiert [vgl. Abs. 4 der Präambel der Grundrechts-Charta; veröffentlicht ist die Charta der Grundrechte der Europäischen Union in: ABl. 2000 Nr. C 364 S. 1 (S. 1 ff.)]. 32 EuGH – Stauder/Stadt Ulm – Urteil v. 12. 11. 1969, Rs. 29/69 – Slg. 1969, 419 Tz. 7. 33 Neuner, Privatrecht und Sozialstaat, 3. Teil I. 1. b) (S. 223 ff.). 34 Canaris, JZ 42 (1987), 993 (994). 27

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

schen willen da (ist)«; sie spricht dem Einzelnen also die Kompetenz zu, seine Rechtsverhältnisse eigenverantwortlich zu ordnen35. Während Privatautonomie im Rahmen des Grundgesetzes u. a. aus dem Demokratieprinzip abgeleitet wird, die allen Volkszugehörigen in enger Verbindung mit den Grundwerten der Freiheit und Gleichheit das Recht zur Selbstbestimmung zuspricht36, wird sie auf Gemeinschaftsebene als allgemeiner Rechtsgrundsatz aus den mitgliedstaatlichen Verfassungsordnungen, der EMRK und der Charta der Grundrechte deriviert37, was Unterschiede in ihrem sachlichen Gewährleistungsgehalt allerdings nicht auslösen dürfte38. Auf beiden Ebenen besteht Privatautonomie einerseits nur in dem Rahmen, den die geltenden Gesetze vorgeben, während den Gesetzgeber andererseits jeweils die Verpfl ichtung trifft, den Einzelnen in die Lage zu versetzen, über grundrechtlich geschützte Positionen ohne staatlichen Zwang entscheiden und Rechtsbeziehungen eigenverantwortlich gestalten zu können. 39 Infolge der Ausgestaltungsbedürftigkeit der Privatautonomie kann der Einzelne seine Rechtsverhältnisse immer nur durch solche Akte privatautonom in die Hand nehmen, die »als Aktstypen rechtsgeschäftlicher Gestaltung« von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellt werden.40 Weil die Privatautonomie letztlich aber nicht zur Totaldisposition des Staates steht41, ist im Grunde von einem Interaktionsverhältnis zwischen positiver Ausgestaltung und vorgege35 So Neuner unter Berufung auf den Entwurf von Herrenchiemsee [abgedruckt: JöR 1 (1951), 48]: Neuner, Privatrecht und Sozialstaat, 3. Teil I. 1. b) aa) (S. 223, 224); ähnlich auch: Nipperdey, Grundrechte und Privatrecht, A. III. (S. 7); a. A. Nannen, der von einem unbenannten Freiheitsrecht der Vertragsfreiheit ausgeht: Nannen, Grundrechte und privatrechtliche Verträge, B: 2. Teil I. 2. (S. 64 ff.). 36 Canaris, JZ 42 (1987), 993 (994); Neuner, Privatrecht und Sozialstaat, 3. Teil I. 1. b) aa) (S. 223, 224); vgl. hierzu auch Schmidt-Rimpler, der den Vertrag als »volksgenössische Schaffung und Gestaltung von Rechtsverhältnissen« defi niert [AcP 147 (1941), 130 (138)]. 37 Zur Vertragsfreiheit vgl.: EuGH – Koenigreich Spanien/EG – Urteil v. 05. 10. 1999, Rs. C-240/97 – Slg. 1999, I-6571 Tz. 99; EuG – Automec/Kommission – Urteil v. 18. 09. 1992, Rs. T-24/90 – Slg. 1992, II-2223 Tz. 51; zur Formfreiheit als Unterprinzip der Vertragsfreiheit vgl.: EuGH – Bellone/Yokohama – Urteil v. 30. 04. 1998, Rs. C-215/97 – Slg. 1998, I-2191 Tz. 14; zur freien Wahl des Geschäftspartners als Unterprinzip der Vertragsfreiheit vgl.: EuGH – Jean Neu/Secrétaire d’État – Urteil v. 10. 07. 1991, verb. Rs. C-90/90 und C-91/90 – Slg. 1991, I-3617 Tz. 13. 38 Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 4 Rn. 133 (S. 63); Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 2. Kap. § 1 III. (S. 21, 22); vgl. auch: G.-P. Calliess, JJZ 2000, 85 (107, 108). 39 BVerfG – »Bürgschaftsvertrag I« – Beschluss v. 19. 10. 1993, Az.: 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89 – BVerfGE 89, 214 (231, 232); Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, § 5 Ziff. 5 (S. 15). 40 Flume, Das Rechtsgeschäft, AT BGB Bd. 2, § 1 Ziff. 2 (S. 2); vgl. auch: Flume, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 135 (S. 137); Canaris, AcP 184 (1984), 201 (217, 218); Larenz/M. Wolf, Allgemeiner Teil des BGB, § 22 I. Rn. 1 (S. 393). 41 U. Neumann, Der persönliche Anwendungsbereich vertraglicher Schutzvorschriften, 2. Kap. B. I. 1. (S. 6, 7).

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benem Autonomiepostulat auszugehen: Während die privatautonome Vertragsgestaltung zum einen nur Rechtswirksamkeit hat, wenn und soweit die Rechtsordnung dies bestimmt, legt zum anderen die Rechtsordnung die Rechtsfolgen gerade deshalb fest, weil es ein rechtliches Grundprinzip gibt, welches die Anerkennung der Privatautonomie als Teil der Anerkennung der Selbstbestimmung des Menschen fordert.42

§ 16 Prämissen und Maßstab der Gleichheitsund Freiheitsdivergenz Weil der Gesetzgeber das Vertragsrecht (einschließlich der Sonderprivatrechte) so ausgestaltet hat, dass jeder Marktteilnehmer situationsbedingt einmal eine vorteilhafte und ein anderes Mal eine weniger vorteilhafte Stellung einnimmt, ist trotz der zunehmenden Typisierungstendenz des Privatrechts eine vergleichsweise hohe Anpassungsfähigkeit an den Einzelfall gewährleistet.43 Eine apodiktische Spaltung der Privatrechtsgesellschaft in Erwerbs- und Nichterwerbstätige, zu der es gekommen wäre, wenn auch die Privatgeschäfte eines Kaufmanns dem Handelsrecht unterstellt worden wären, konnte der Gesetzbzw. Richtliniengeber auf diese Weise vermeiden.44 Demgemäß bilden die Sonderprivatrechte infolge ihres typisierten Zweckbezugs zwar Institutionen, auf die sich jeder einstellen kann, die in ihren Strukturen aber bereichsspezifisch divergieren.

A. Die individualisierte Willenserforschung im Rahmen des BGB In starkem Kontrast zu der bloß relativen Adaptibilität der Sonderprivatrechte stehen die Generalklauseln des BGB (z. B. §§ 138, 242 BGB).45 So enthält das BGB eine Vielzahl von tatbestandsausfüllungsbedürftigen Normen mit unbestimmten und wertausfüllungsbedürftigen Begriffen, über die der Richter nicht nur größtmögliche Einzelfallgerechtigkeit erzielen, sondern jederzeit 42 Flume, Rechtsgeschäft und Privatautonomie, § 1 (S. 137); ders., Das Rechtsgeschäft, AT BGB Bd. 2, § 1 Ziff. 2 (S. 2); vgl. auch: Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2. Kap. I. 5. (S. 51, 52); Isensee, in: Bayer/Koch (Hrsg.): Schranken der Vertragsfreiheit, S. 9 (S. 21). 43 Wiedenmann, Verbraucherleitbilder und Verbraucherbegriff im deutschen und europäischen Privatrecht, C. V. 1. a) und 2. a) (S. 171 und S. 182); Elßner/Schirmbacher, VuR 18 (2003), 247 (250). 44 Vgl. hierzu auch die Stufentheorie des BVerfG im »Apothekenurteil« in Bezug auf Art. 12 GG: Urteil v. 11. 06. 1958, Az.: 1 BvR 596/56 – BVerfGE 7, 377 (400 ff.). 45 Rebe, Privatrecht und Wirtschaftsordnung, § 7 A. I. (S. 103); Jung, in: Baldus/MüllerGraff (Hrsg.): Die Generalklausel im Europäischen Privatrecht, S. 37 (S. 39 ff.); hinsichtlich der Abänderbarkeit der Privatrechtsordnung zu weitgehend: Flume, Das Rechtsgeschäft, AT BGB Bd. 2, § 1 Ziff. 10 a) (S. 18, 19).

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

auch einen Wechsel über Wertvorstellungen in die Privatrechtsordnung integrieren könnte (»guten Sitten«, »Treu und Glauben«).46 Die Generalklauseln sind von einem Richter stets einzelfallbezogen zu entscheiden. So wird im bürgerlichen Vertragsrecht der Auftrag an den Richter – abgesehen von einem Eingreifen gesetzlicher Vermutungsregeln – nicht eingeschränkt. Entsteht im nachhinein Streit über eine bestimmte Normsituation, hat der Richter den Parteiwillen penibel zu erforschen, was eine ausgeprägte Einzelfallgerechtigkeit, aber auch ein hohes Maß an Aufwand und Beweiserhebung und eine gewaltige Rechtsunsicherheit ex ante zur Folge hat.47 Objektiver Ausgleich erfolgt (jenseits des dispositiven Rechts) nicht typisiert durch den Gesetzgeber, sondern individualisiert durch die Zivilgerichte, die »von Verfassungs wegen verpfl ichtet [sind], bei der Auslegung und Anwendung der Generalklauseln die Grundrechte als ›Richtlinien‹ zu beachten«.48 In diesem Sinne ist das bürgerliche Vertragsrecht – in plastischer Übertreibung formuliert – fast schon der dogmatischen Richtung des französischen Code civil verpfl ichtet, der in Abkehr von doktrinären Gewaltenteilungsvorstellungen die Forderung des droit intermédiaire, dass die Gerichte »s’adresseront au Corps législatif toutes les fois qu’ils croiront nécessaire soit d’interpréter une loi, soit d’en faire une nouvelle«, frühzeitig fallen ließ.49 Auf der Befugniswenn auch nicht auf der Verantwortungsebene ähneln die Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB auf diese Weise den Vorgaben von Art. 4 franzCcivil, sodass ein Richter, der »sous prétexte du silence, de l’obscurité ou de l’insuffisance de la loi« den Erlass einer Entscheidung verweigerte, sich ähnlich wie der französische Kollege dem Vorwurf einer Rechtsverweigerung aussetzte. Mit dem Aufstellen der Generalklauseln verbindet das BGB allgemeine Normbereiche, die es systematisch vor die Klammer gezogen den besonderen Vorschriften voranstellt. Dieses logische Aufbauprinzip, welches das BGB wie ein roter Faden durchzieht, erlaubt es, auf gesellschaftliche Neuheiten anpassungsfähig zu reagieren. Dies lässt gleichsam die Frage aufkommen, ob die Sondervertragsrechte nicht bereits deshalb ein Legitimitätsdefi zit aufweisen, weil das BGB bei nüchterner Betrachtung jedweden Kodifi kationsbedarf für Sonderregeln außerhalb seines Anwendungsbereichs durch den schlichten Hinweis auf die Anpassungsfähigkeit seiner eigenen Regeln entkräften könnte. 46 Vgl. hierzu: BVerfG – »Unterhaltsverzichtsvertrag« – Urteil v. 06. 02. 2001, Az.: 1 BvR 12/92 – BVerfGE 103, 89 (100); »Bürgschaftsvertrag I« – Beschluss v. 19. 10. 1993, Az.: 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89 – BVerfGE 89, 214 (233). 47 Zu dem Aspekt der Rechtsunsicherheit: Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 11 IV 4. b) (S. 262). 48 BVerfG – »Bürgschaftsvertrag I« – Beschluss v. 19. 10. 1993, Az.: 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89 – BVerfGE 89, 214 (229). 49 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 7 II. (S. 88).

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B. Das besitzende Bürgertum als heimlicher Normadressat des BGB Trotz des hohen Abstraktionsgrades des BGB sind aber auch Zweifel an seiner Gleichheitskomplementarität anzumelden. Entgegen der neutralen Defi nition seines Anwendungsbereichs lag dem BGB schon bei seinem Inkrafttreten ein ganz bestimmter (abstraktionsfeindlicher) Bezugspunkt zugrunde: Modell stand das besitzende Bürgertum, an dessen Unternehmerklasse sich seine Regelungen heimlich ausrichteten. 50 Obwohl gegen Ende des 19. Jahrhunderts bereits die Masse der Arbeiter ihren Anspruch auf Existenzsicherung und Wohlfahrtsförderung angemeldet hatte, kam im BGB immer noch das Selbstständigkeits- und Expansionsbedürfnis sowie der Besitzindividualismus des konstitutionell verfassten Beamten- und Militärstaats der Jahrhundertwende zum Ausdruck. 51 Während das deutsche Reich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts bereits anfi ng, Industriestaat zu sein, hatte das BGB fast ausschließlich die Gruppe der selbstständigen Wirtschaftsteilnehmer im Blick, konnten doch nur sie ohne Unterstützung des Staates von den Errungenschaften der Vertrags-, Eigentums- und Testierfreiheit sinnvoll Gebrauch machen. 52 Als Ausfluss dieser heimlichen Typenfi xierung stellten die liberalen Regelungen des BGB insbesondere für die mächtigsten und schwächsten Stände des Deutschen Reiches eine Bedrohung dar. 53 Während der neuen Schicht der Fabrikarbeiter, die in Abhängigkeit von ihrem Lohnherrn ohne Rückhalt eigenen Vermögens auf laufende Einkünfte angewiesen waren, mögliche Gefahren durch einseitige Interessenwahrung, ungleiche Machtverhältnisse und ungerechte Vertragsbedingungen drohten, wurden der regierende Hochadel und die Standesherren vor allem durch das bürgerliche Personen- und Familienrecht in ihren überlieferten Vorrechten beeinträchtigt. In den geschlossenen Vererbungszyklus der Großgrundbesitzer griff das System der freien Verfügung und Testierfreiheit ein; daneben setzte der freie Bodenkredit die Großgrundbesitzer der ungeschützten Überschuldung der Marktgesetze aus. 54 Weil man recht zuversichtlich war, die Probleme der Lohnarbeiterklasse und der Großgrundbesitzer über freien Wettbewerb in den Griff zu bekommen55, blieb eine Differenzierung innerhalb des BGB zunächst aus. 50 Basedow, in: Cian (Hrsg.): I cento anni del codice civile tedesco, S. 331 (S. 334, 335); Wieacker, Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, S. 9 (S. 16); ders., Das Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbücher, III. (S. 10); Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 11 I. (S. 142, 143); Westermann, AcP 178 (1978), 150 (152); Wilhelmsson, Critical Studies in Private Law, Chapt. II 3.2 (S. 35, 36). 51 Damm, JZ 33 (1978), 173 (174); L. Raiser, Die Zukunft des Privatrechts, II. (S. 17). 52 Larenz/M. Wolf, Allgemeiner Teil des BGB, § 2 II. 1. Rn. 38 (S. 30). 53 Krause, JuS 10 (1970), 313 (315); Larenz/M. Wolf, Allgemeiner Teil des BGB, § 2 II. 1. Rn. 40 (S. 31). 54 Wieacker, Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, S. 9 (S. 16). 55 Larenz/M. Wolf, Allgemeiner Teil des BGB, § 2 II. 1. Rn. 40 (S. 31). Der Hochadel entzog sich dagegen durch ein »Privatfürstenrecht« eigenmächtig der Gleichmacherei des

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

Nur außerhalb des BGB war scheinbar eine Partikulärgesetzgebung erwünscht. So wurden alle sozialen Aspekte des privaten Rechtsverkehrs gezielt der »Specialgesetzgebung« des Reiches oder der einzelnen Bundesstaaten überlassen. 56 In diesem Sinne setzte der Obrigkeitsstaat dem Liberalismus mit Einzelmaßnahmen zum Boden-, Gesinde- und Dienstrecht bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts Grenzen, um bestimmte gesellschaftliche Teilbereiche in konservative Vorbehalte zu retten. 57 Maßnahmen gegen die Gleichmacherei des bürgerlichen Rechts wurden auch durch die deutschen Länder initiiert, um privatrechtliche Sonderbereiche zugunsten des Privatfürstenrechts, des feudalen Grundbesitzes und bestimmter Gewerbetreibender zu bewahren. 58 Indem das BGB einerseits kein Forum für Schwächen und Stärken bot, 59 andererseits aber in Anspruch nahm, eine umfassende Kodifi kation zu sein, war sein Haus eigentlich »nur für die bürgerliche Schicht gebaut«.60

C. Das grundrechtliche Anpassungsdefi zit der Sondervertragsrechte Um zu der vorbeschriebenen Einseitigkeit einen klassenindifferenten Ausgleich zu schaffen, der Rolle der Transaktionskosten Rechnung zu tragen und den Problemen der begrenzten Rationalität und Informationsasymmetrie Herr zu werden, stellt das Verbraucherrecht einen qualifi zierten Verkehrsschutz zur Verfügung, der über Informationspfl ichten, Widerrufsrechte und zwingende Inhaltsvorgaben die Interessen der Verbraucher in besonderem Maße berücksichtigt.61 Dadurch bedingt tritt das (Verbraucher-) Sondervertragsrecht aber auch gleichzeitig als ausgesprochene Problemgruppe in Erscheinung, weil gerade die typisierende Abweichung zu den bürgerlichen Abstraktionsbegriffen Spiegelbild seiner grundrechtsbezogenen Statik ist. Abgesehen von dem Missbrauchstatbestand der Klauselrichtlinie ist die Gesetzgebungsmethodik des Verbraucherrechts nicht abstrakt-einzelorientiert sondern kasuistisch-typisierend, sodass keine Möglichkeit besteht, über abstrakte Normbegriffe sich ändernde Wertmaßstäbe in das Privatrecht zu transformieren.62 Vielmehr zählt es abschließend disparate Fallkonstellationen auf, ohne auf wertausfüllungsbedürftige Generalklauseln Rückgriff zu nehmen. formalen Bürgerrechts [Wieacker, Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, S. 9 (S. 16)]. 56 Planck, AcP 75 (1889), 327 (409, 410). 57 Wieacker, Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, S. 9 (S. 20); ders., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, § 28 (S. 543 ff.). 58 Wieacker, Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, S. 9 (S. 22). 59 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 1. Kap. V. (S. 39, 40); Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 4 I. (S. 48, 49). 60 Rübesamen, Das italienische Zivilgesetzbuch, E. II. 1. (S. 102, 103). 61 Vgl. G.-P. Calliess, Grenzüberschreitende Verbraucherverträge, 1. Kap. I. (S. 14, 15). 62 Art. 3 Klauselrichtlinie.

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I. Die mangelnde Progressionstauglichkeit der Verbraucherrichtlinien Als Normmaterie ist das Verbraucherrecht nicht wertneutral, sondern setzt über die hohe Zahl an zwingenden Rechtsnormen ideologisch geprägte Wertmaßstäbe im Sinne eines starren unflexiblen Verbraucherschutzes um.63 Auf Grund seiner halbzwingenden Vorschriften, die eine marktbezogene Momentaufnahme widerspiegeln, ist es auf ein bleibendes Grundrechtsverständnis angewiesen, das eindimensional und langfristig durch die moderne Grundrechtsfunktion der Leistungs- und Teilhaberechte geprägt sein müsste. In diesem Sinne orientiert es sich lediglich an dem aktuellen Gemeingeist.64 Einen Wertewandel bzw. eine grundlegende gesellschaftliche Veränderung, welche die gesetzliche Momentaufnahme der derzeit herrschenden »verbraucherrechtlichen Gerechtigkeit« hinter sich ließe und die eigenverantwortliche Freiheit in den Vordergrund stellte, könnte es nicht (bzw. nicht den praktischen Bedürfnissen eines beweglichen Wirtschaftssystems entsprechend) nachvollziehen.65 Damit die Gesetzgebungsorgane überhaupt mobilisiert werden könnten, müsste »evidence of a substantial need for a policy change« vorgelegt werden können.66 Welcher mühsame Prozess in einem solchen Fall in Gang zu setzen wäre, zeigen die derzeit auf Gemeinschaftsebene stattfi ndenden Revisionsbemühungen zum Verbraucherschutzrecht. So räumt mittlerweile auch die Kommission selbstkritisch ein, dass die »meisten Richtlinien, die Teil des gemeinschaftlichen Besitzstandes im Verbraucherschutz sind, . . . eher präskriptiver Art als grundsatzorientiert« sind.67 Nach Auffassung der Kommission werden sie den heutigen Anforderungen der sich rasch entwickelnden Märkte »größtenteils nicht mehr gerecht«.68 U. a. beruht dies darauf, dass im Zuge der technologischen Entwicklung ständig neue, im bisherigen Verbraucherrecht noch nicht erfasste Wege für Geschäfte zwischen Gewerbetreibenden und Verbrau63

Vgl. hierzu: Singer, JZ 50 (1995), 1133 (1133 ff.). Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, § 6 Ziff. 3 (S. 19). 65 Ein prominentes Beispiel hierfür liefert § 247 BGB a. F., wonach bei Vereinbarung eines höheren Zinssatzes als 6% für das Jahr »der Schuldner nach Ablauf von sechs Monaten das Kapital unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten kündigen« konnte. War ein solcher Kreditzins von 6% bei Schaffung des BGB noch hoch, wäre die Einstufung als »hoch« in den 1960er und 1970er des 20. Jahrhunderts geradezu grotesk gewesen, sodass der Rechtsanwender den »Wandel der Normsituation« allenfalls mit einer teleologischen Reduktion bewältigen konnte [Canaris, WM 32 (1978), 686 (687 ff.)]. Das gleiche Schicksal könnte die zwingenden Normen der Verbraucherrichtlinien bei einem »Wandel der Normsituation« ereilen [Zum »Wandel der Normsituation« vgl. generell: Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 4. Kap. Ziff. 3. b) (S. 350–353)]. 66 Hadfi eld/Howse/Trebilcock, JCP 21 (1998), 131 (149). 67 Kommission – Grünbuch »Die Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz« – ABl. 2007 Nr. C 61 S. 1 Tz. 3.1. 68 Kommission – Grünbuch »Die Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz« – ABl. 2007 Nr. C 61 S. 1 Tz. 3.1. 64

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

chern entstehen, was die Kommission bereits nach nur kurzer Geltungsdauer zu einer Reform der Richtlinien drängt.69 Ad hoc-Maßnahmen sind wegen der Statik der Richtlinien aber nicht möglich, um sie ungeachtet ihrer bisher nur kurzen Geltungsdauer an die gewandelten Verhältnisse anzupassen. Vielmehr müssen erst einmal empirische Studien in Auftrag gegeben werden, um einen Diskussionsprozess zu neuen zwingenden Typisierungstatbeständen in Gang zu setzen. Dass insbesondere technische Neuerungen eine legislative Änderung der Richtlinien erforderlich machen70, verdeutlicht die Fernabsatzrichtlinie: Fernabsatzverträge über das Internet führen nicht selten zu kollisionsrechtlichen Subsumtionsschwierigkeiten (Art. 28, 29 EGBGB), die bei der Verabschiedung des EVÜ noch gar nicht berücksichtigt werden konnten.71 Verbraucherrechtlich ist insbesondere umstritten, ob bei Fernabsatzverträgen eine auf den bestimmten Staat zielende Werbung oder ein auf einen bestimmten Staat zielendes Angebot erforderlich ist72 oder die Verfügbarkeit der Werbung bzw. des Angebots im Aufenthaltsstaat des Verbrauchers ausreicht73. Dass derart innovationsbedingte Normdefi zite insbesondere bei typisierend zwingenden Normen lediglich durch den Richtliniengeber zu reparieren sind, zeigt die »Rom I«-Verordnung, die vom Jusitzministerrat am 6. Juni 2008 verabschiedet wurde und im Dezember 2009 in Kraft treten wird.74 Gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. b) dieser Verordnung wäre in Reaktion zu den Auslegungsschwierigkeiten in Zukunft klarstellend eine auf das Heimatland des Verbrauchers »ausgerichtete Tätigkeit« des Unternehmers für eine Anknüpfung an das Verbraucherland für ausreichend zu erachten.75

69 Kommission – Grünbuch »Die Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz« – ABl. 2007 Nr. C 61 S. 1 Tz. 4. 70 Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, 4. Kap. C. X. (S. 125). 71 G.-P. Calliess, Grenzüberschreitende Verbraucherverträge, 3. Kap. I. 2. (S. 94 ff.); Kronke, RIW 42 (1996), 985 (985, 987 ff.). 72 Borges, ZIP 20 (1999), 565 (568 ff.); Rüßmann, K&R 1 (1998), 422 (424 ff.). 73 Micklitz, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht A 3 Rn. 193; Kronke, RIW 42 (1996), 985 (988); Martiny, in: Rebmann/Säcker/Rixecker (Hrsg.): MünchKomm-BGB, Art. 29 Rn. 35; Mankowski, RabelsZ 63 (1999), 203 (244 ff.); Magnus, in: Staudingers Kommentar BGB, Art. 29 EGBGB Rn. 70, 71. 74 BMJ – Pressemitteilung vom 06. 06. 2008 – EuZW 19 (2008), 389; Europäisches Parlament/Rat – Verordnung 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) – ABl. 2008 Nr. L 177 S. 6. 75 Europäisches Parlament/Rat – Verordnung 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) – ABl. 2008 Nr. L 177 S. 6 (S. 11 f.); hierzu auch: Kommission – Vorschlag vom 15. 12. 2005 für eine VO über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht (Rom I) – KOM(2005) 650 endgültig, Ziff. 4.2 (S. 7); G.-P. Calliess, Grenzüberschreitende Verbraucherverträge, 4. Kap. II. 2. (S. 160 ff.).

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II. Die Antiquiertheit der kaufmannsbezogenen Abgrenzung Dass gerade privatrechtliche Sondertypisierungen dazu prädestiniert sind, »mit zunehmender Alterung eine erhebliche Diskrepanz zwischen gesetzlicher Normierung und tatsächlichen Anschauungen sowie Wertungen innerhalb der Sozietät« hervorzurufen, wird signifi kant auch in der Typisierung des Kaufmannsbegriffs deutlich (§§ 1 ff. HGB).76 Beispielhaft ist hier auf die Land- und Forstwirte zu verweisen, deren Sonderbehandlung aus Leitbilderwägungen nicht mehr nachzuvollziehen ist.77 Zwar können Land- und Forstwirte mittlerweile durch Handelsregistereintragung den Kaufmannsstatus erlangen (§ 3 Abs. 2, § 2 HGB). Aber selbst diese Eintragungshürde schreibt letztlich nur allzu erkennbar die antiquiert rechtspolitische Einschätzung aus dem 19. Jahrhundert fort, wonach Land- und Forstwirte »entweder als Gutsherrn oder als ärmliche[.] Analphabeten« – »jedenfalls als ein vom ›Handelsstand‹ . . . weit entferntes Subjekt« – einzustufen waren.78 Im 19. Jahrhundert mag diese Qualifi zierung noch stichhaltig gewesen sein79, waren damals der »immobile, dem Publikum äußerlich erkennbare . . . Produktionsablauf« und die Mentalität der Land- und Forstwirte den Gepflogenheiten des Kaufmannsstands noch wenig artverwandt80. Heute sind professionelle land- und forstwirtschaftliche Betriebe aber in ganz ähnlicher Weise wie andere berufl iche Einheiten organisiert, sodass ihre Sonderstellung nicht zuletzt rechtspolitische Friktionen hervorruft.81 Zunehmend erfordern auch moderne land- oder forstwirtschaftliche Betriebe größeren Umfangs einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb82 , was den BGH schon im Jahre 1960 veranlasst hat, einen Landwirtschaftsbetrieb als Gewerbebetrieb im Sinne des § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB a. F. einzustufen83. Dem dadurch zum Ausdruck kommenden Anpassungsbedarf ist der Gesetzgeber dagegen selbst mit dem Änderungsgesetz aus dem Jahre 1976 nicht vollständig gerecht geworden.84 Denn auch im Rahmen des damaligen Erneuerungsprozesses stellte der Gesetzgeber Landwirte nur wahlweise den Kaufleuten gleich (letztlich vor allem wegen des Zugangs zur steuergünstigen

76

Neuner, ZHR 157 (1993), 243 (273). Raisch, JuS 7 (1967), 533 (538); P. Bydlinski, ZIP 19 (1998), 1169 (1172). 78 K. Schmidt, JZ 58 (2003), 585 (589). 79 Olshausen, ZHR 141 (1977), 93 (93); K. Schmidt, in: K. Schmidt (Hrsg.): MünchKomm-HGB, § 2 Rn. 4. 80 Schmidt-Tedd, Kaufmann und Verbraucherschutz in der EG, 2. Teil I. 3. a) (S. 20). 81 K. Schmidt, in: K. Schmidt (Hrsg.): MünchKomm-HGB, § 3 Rn. 4; zum Stand im Jahre 1975: Raisch, FS für Ballerstedt (70. Gebtg.), S. 443 (S. 451 ff.). 82 Hofmann, NJW 29 (1976), 1297 (1297). 83 BGH – Urteil v. 24. 10. 1960, Az.: III ZR 142/59 – BGHZ 33, 321 (321). 84 Gesetz über die Kaufmannseigenschaften von Land- und Forstwirten vom 13. Mai 1976 – BGBl. 1976 I, S. 1197. 77

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

GmbH & Co. KG) 85, obwohl schon seinerzeit z. B. Hofmann den generellen Ausschluss von Landwirten in Anbetracht geänderter Rahmenbedingungen seit der Jahrhundertwende für »anachronistisch« hielt86. Auf diese Weise trägt die Kaufmannstypisierung mit ihrem statischen Ansatz heute erst recht die sonderprivatrechtliche Unfähigkeit zur Schau, gesetzesimmanent Änderungen zu adaptieren.87 III. Typisierung und richterliche »Entscheidungsschranken« Zu der mangelhaften Adaptibilität kommt hinzu, dass insbesondere im Verbraucherrecht der Gesetzgeber den Richter durch die Rigidität der Typisierungstatbestände in gewissem Umfang vor »vollendete Tatsachen« stellt.88 Denn in Fällen, in denen an einem Vertrag typisierte Personengruppen beteiligt sind (Verbraucher, Unternehmer) und man es zudem mit einer typisierten Schutzsituation zu tun hat, beschränkt sich die richterliche Aufklärungspfl icht auf das tatsächliche Vorliegen der für den Typisierungstatbestand erforderlichen Normelemente. In diesem Zusammenhang wäre eine Prüfung der konkret-individuellen Schutzbedürftigkeit selbst dann nicht zulässig, wenn die typisierte Risikoverteilung im Einzelfall (etwa wegen eines Ausbrechens aus dem Typisierungsmuster) grob unbillig wäre.89 Das Ausmaß an richterlichem Aufwand wird erheblich verringert. Leff sieht sich dadurch sogar veranlasst, von einer judikativen »economy of scale« zu sprechen, seien individuelle Konstellationen in Anbetracht der legislativen Typisierung doch nicht mehr auf einer »case-by-case«-Basis jedes Mal aufs Neue zu entscheiden (»each one of which is economically trivial«).90 Andererseits wird durch die judikative »Kompetenzbeschränkung« aber auch die Einzelfallgerechtigkeit dezimiert und die Maßgeblichkeit des Parteiwillens abgeschwächt. Während die Verfasser des BGB nicht alle problematischen Fallgestaltungen ausdrücklich aufgegriffen und der Rechtsprechung Raum zu Gesetzeskonkretisierungen in unvorhersehbaren Einzelfällen gegeben haben, hat der Gesetzgeber vor allem im Verbraucherrecht abschließende Typisierungsentscheidungen getroffen, die selbst bei atypischen Sachverhal85 Hofmann, NJW 29 (1976), 1297 (1297 ff.); Ohlshausen, ZHR 141 (1977), 93 (93– 124); K. Schmidt, in: K. Schmidt (Hrsg.): MünchKomm-HGB, § 2 Rn. 4; K. Schmidt, JZ 58 (2003), 585 (589). 86 Hofmann, NJW 29 (1976), 1297 (1297). 87 K. Schmidt, JZ 58 (2003), 585 (589). 88 Vgl. auch Pfeiffer, der im Zusammenhang mit Generalklauseln im Hinblick auf das »Richtlinien-Privatrecht« von einer »besonders detailfreudige[n], manchmal fast detailbesessen anmutende[n] Regelungstechnik« spricht [Pfeiffer, in: Baldus/Müller-Graff (Hrsg.): Die Generalklausel im Europäischen Privatrecht, S. 25 (S. 30)]. 89 Vgl. in Bezug auf das Verbrauchervertragsrecht: Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 4. Kap. § 2 II. 2. c) (S. 196). 90 Leff, UnivPittsburghLR 31 (1970), 349 (356, 357).

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ten, sofern sie nur tatbestandsmäßig sind, eine judizielle Korrekturentscheidung ausschließen. Selbst in Fällen, in denen eine der Vertragsparteien offensichtlich eine Ermessensentscheidung treffen konnte und durfte (wie dies bei einem unternehmerischen Klauselverwender der Fall ist), verschärft das Verbraucherrecht die Freiheit zur Vertragsgestaltung, indem es ausschließlich transparente Abreden zulässt und ein etwaiger Verstoß gegen das Transparenzgebot nicht die Aufklärungspfl icht des Richters verstärkt, sondern schlicht in die Unwirksamkeit der betreffenden Klausel mündet (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB).91 Nüchtern betrachtet schüren die verbraucherrechtlichen Schutzvorgaben damit Zweifel, ob sie wirklich der Kategorie an Rechtssystemen mit einer starken judikativen Gewalt zugeordnet werden können. In plastischer Übertreibung erinnern sie eher an den doktrinär übersteigerten Gewaltenteilungsgrundsatz von Friedrich Wilhelm II., der es in seinem Publikationspatent zum Preußischen Landrecht den Richtern »bei Vermeidung Unserer höchsten Ungnade und schwerer Ahndung« ausdrücklich verbat, »von klaren und deutlichen Vorschriften der Gesetze, auf den Grund eines vermeintlichen philosophischen Raisonnements, oder unter dem Vorwande einer aus dem Zwecke und der Absicht des Gesetzes abzuleitenden Auslegung, die geringste eigenmächtige Abweichung . . . sich zu erlauben«.92 Ganz zu schweigen davon könnte man das Verbraucherrecht in Anbetracht der staatlichen Einflussdichte und der Rigidität seiner Normen schon fast als »Beschäftigungsprogramm für Rechtsanwälte« verstehen, wenn man bedenkt, dass es durch die hohe Anzahl seiner zwingenden Rechtsnormen regelmäßig auch eine größere Wahrscheinlichkeit der (partiellen) Vertragsnichtigkeit bietet.93 IV. Die schleichende Ausweitung der EuGH-Kompetenzen Darüber hinaus ragt das Verbraucherrecht in seinem Geltungsgrund auch dadurch hervor, dass es als umgesetztes Gemeinschaftsrecht im Lichte der jeweiligen Richtlinie auszulegen und anzuwenden ist.94 Die sowieso schon schwache Stellung des mitgliedstaatlichen Richters wird so auf der vertikalen 91

Zur Vertragsdurchführungstransparenz: Brock, ZVglRWiss 99 (2000), 29 (31). Vgl. Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 7 II. (S. 88). 93 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie – »Mehr Vertragsfreiheit, geringere Regulierungsdichte, weniger Bürokratie«, Stellungnahme vom 16. 09. 2006, Ziff. I. (S. 3). 94 Zur richtlinienkonformen Auslegung im einzelnen: Müller-Graff, in: Müller-Graff (Hrsg.): Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, S. 9 (S. 51, 52); W.H. Roth, in: Grundmann/Medicus/Rolland (Hrsg.): Europ. Kaufgewährleistungsrecht, S. 113 (S. 126 ff.); Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, 3. Kap. C. I. (S. 49 ff.); dies., Grundstrukturen des nationalen und europäischen Verbrauchervertragsrechts, 2. Kap. B. (S. 87 ff.); W.-H. Roth, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.): Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 25 (S. 30 ff.); I. Klauer, Die Europäisierung des Privatrechts, 1. Kap. § 4 II. 92

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

Ebene durch die Vorlagepfl icht an den EuGH noch einmal herabgesetzt (Art. 234 EG).95 Komplementär dazu erfährt die Stellung des EuGH eine Aufwertung, weil allein er in die Lage versetzt wird, für eine gemeinschaftsweit einheitliche und kohärente Auslegung zu sorgen.96 Wegen der konkreten Betrachtungsweise sind nicht nur letztinstanzliche Gerichte zur Vorlage verpfl ichtet (Art. 234 Abs. 3 EG), sondern beispielsweise auch Amts- oder Landgerichte, deren Entscheidungen wegen Nichterreichung der Berufungssumme unanfechtbar sind.97 Über die gesamte Auslegung urteilt der EuGH, lediglich die Würdigung der konkreten Einzelfallumstände verbleibt beim nationalen Richter.98 Mit der Ratifi kation der EU-Reformverträge könnte dieses Vorlagepostulat (Art. 234 EG) dann auch im Rahmen der »Brüssel I«-Verordnung sowie gegebenenfalls im Rahmen des reformierten EVÜ (»Rom I«-Verordnung«) Platz greifen, womit selbst die eingeschränkte Vorlageberechtigung des Art. 68 EG endgültig der Vergangenheit angehörte.99 Dass das Auslegungsmonopol des EuGH sich auch auf nicht harmonisiertes Vertragsrecht erstreckt, entspricht im Übrigen bereits der derzeit geltenden Rechtslage.100 Denn in der Leur-Bloem-Entscheidung hat der EuGH neue Maßstäbe gesetzt und festgestellt, dass sich die Auslegungskompetenz gemäß Art. 234 EG auch auf autonom nationales, nicht harmonisiertes (Vertrags-) Recht beziehen kann.101 Voraussetzung ist lediglich, dass »der nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung der Bestimmungen einer Richtlinie in nationales Recht beschlossen hat, rein innerstaatliche Realitätsausschnitte und Sachverhalte, die unter die Richtlinie fallen, gleichzubehandeln«.102 Er muss also seine innerstaatlichen Rechtsvorschriften an das Gemeinschaftsrecht lediglich angepasst haben, sei es, um Benachteiligungen der eigenen Staatsangehörigen zu 1. (S. 33 ff.); Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 2. Teil G. (S. 82 ff.). 95 Heiderhoff, Grundstrukturen des nationalen und europäischen Verbrauchervertragsrechts, 2. Kap. C. (S. 94 ff.); Georgiades, FS für Canaris (70. Gebtg.), Bd. II, S. 603 (S. 609). 96 Vgl. zur Kompetenzverteilung zwischen EuGH und nationalem Richter hinsichtlich der Auslegung und Anwendung der allgemeinen Bestimmungen der Missbräuchlichkeit nach der Klauselrichtlinie: EuGH – Freiburger Kommunalbauten/Hofstetter – Urteil v. 01.04. 2004, Rs. C-237/02 – Slg. 2004, I-3403 Tz. 15 ff. 97 Müller-Graff, in: Müller-Graff (Hrsg.): Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, S. 9 (S. 55, 56). 98 EuGH – Freiburger Kommunalbauten/Hofstetter – Urteil v. 01. 04. 2004, Rs. C237/02 – Slg. 2004, I-3403. 99 U. G. Schroeter, ZEuP 14 (2006), 515 (545, 546). 100 W.-H. Roth, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.): Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 25 (S. 35, 36). 101 EuGH – Leur-Bloem/Inspecteur – Urteil v. 17. 07. 1997, Rs. C-28/95 – Slg. 1997, I4161. 102 EuGH – Leur-Bloem/Inspecteur – Urteil v. 17. 07. 1997, Rs. C-28/95 – Slg. 1997, I4161 Leitsatz 5.

§ 17 Das Verhältnis zwischen Ausgestaltung und Einwirkung

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verhindern oder Wettbewerbsverzerrungen entgegen zu treten. In all diesen Fällen bestehe ein »klares Interesse der Gemeinschaft daran, dass die aus dem Gemeinschaftsrecht übernommenen Bestimmungen und Begriffe unabhängig davon, unter welchen Voraussetzungen sie angewandt werden sollen, einheitlich ausgelegt werden, um künftige Auslegungsunterschiede zu verhindern«.103

§ 17 Das Verhältnis zwischen Ausgestaltung und Einwirkung Ist allein auf Grund der dargestellten sonderprivatrechtlichen Eigenarten und Defi zite die Kohärenz des »inneren Vertragsrechtssystems« aber bereits gestört? – Nicht notwendigerweise. Typisierungen erkaufen größere Rechtssicherheit zwar bewusst mit geringerer Einzelfallgerechtigkeit – ein Konzept, dem Hilfskonstruktionen zur Abschwächung der Typisierungsintensität der Sonderprivatrechte wie diejenige von F. Bydlinski (teleologische Reduktion des Verbraucherbegriffs in Einzelkonstellationen fehlender Schutzbedürftigkeit104) gerade zuwiderlaufen würden. Andererseits zeigt aber bereits das klassische Privatrecht, dass Typisierung kein dem Wesen des Privatrechts an sich zuwiderlaufendes Spezialphänomen abdriftender »Normorganismen« ist. Zwar vollzieht das BGB keine Typisierung, wie sie den Sonderprivatrechten inhärent ist. Im Hinblick auf Einzelaspekte einer Person erlauben aber selbst die Grundnormen des BGB eine Aufteilung von Menschen in konkrete Vergleichsgruppen nach Alter, Bildung, Lebensstellung und anderen Typisierungsfaktoren. § 276 BGB macht dies am Beispiel des Verschuldensmaßstabs anschaulich.105 Das objektive Maß an Sorgfalt, das an eine Hausfrau gestellt wird, ist danach z. B. anders zu beurteilen als der Sorgfaltsmaßstab, der berufstätigen Ärzten oder Kaufleuten abzuverlangen ist.106 Obwohl sich § 276 BGB auf die gesetzliche »Verschuldens«-Dogmatik beschränkt, ist die damit einhergehende Typisierung bereits der Privat- und Vertragsrechtsdogmatik im klassischen Sinne institutsimmanent. Dies gibt Anlass, zu der Frage überzuleiten, ob auch die Herausbildung von Sonderprivat103 EuGH – Leur-Bloem/Inspecteur – Urteil v. 17. 07. 1997, Rs. C-28/95 – Slg. 1997, I4161 Tz. 32. 104 F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 4. Hteil. IV. 4 d) (S. 729 ff.); a. A.: Mohr, AcP 204 (2004), 660 (681). 105 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1. Teil 3. Kap. III. (S. 41). 106 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1. Teil 3. Kap. III. (S. 41); K. Schmidt., Handelsrecht, § 18 III. 1. a) (S. 526); Hefermehl, in: Schlegelberger, HGB-Kommentar, § 347 Rn. 1; Horn, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, § 347 Rn. 1, 2.

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

rechten nicht dem Vertragsbegriff an sich bereits eigen ist bzw. zumindest zu einem defi nierbaren Anteil einem natürlichen Vertragsverständnis entspricht. Zwar ist das Vertragsrecht kein natürliches Phänomen und als solches auch nicht der grundrechtlichen Kontrolle apriorisch vorgelagert. Um für den Schutz der Vertragsfreiheit einen normativ-realen Ausgangspunkt zu erlangen, muss aber ein den Grundrechten vorgelagerter Normbereich existieren, der die Frage danach, was unter einem von der Rechtsordnung akzeptierten Vertrag zu verstehen ist, defi niert und entsprechende Ausgestaltungsvorschriften bereit hält.107 Dadurch bedingt müssen die Grundrechte bei der Privatrechtsordnung eine Art »Anleihe« machen, um den Vertragsbegriff als rechtliches Gestaltungsmittel überhaupt zu defi nieren.108 Wäre in diesem Sinne bereits dem Vertragsbegriff eine gruppenbezogene Differenzierung inhärent, könnte es sich bei den Sondervertragsrechten um begriffsausgestaltende Vorschriften handeln, die der Prüfung an höherrangigen Legitimitätsmaßstäben – zu einem defi nierbaren Anteil – entzogen wären.109 Die Abspaltung von Sonderprivatrechten würde von vornherein kein Legitimitätsproblem aufwerfen, weil sie dem »inneren« System der Rechtsordnung bereits institutionsausgestaltend entsprechen würde.

107 Zwischen Vorschriften, die für die Privatrechtsgesellschaft konstitutiv sind, und solchen, die ihr entgegen wirken, differenzierend: Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 6 II. 1. c) (S. 233, 234). 108 Roscher, Vertragsfreiheit als Verfassungsproblem, 3. Teil 2. Abschnitt I. (S. 46); Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 3. Kap. I. 5 b) bb) (S. 92). 109 Sicherlich zu weitgehend sind die vertragsfreiheitlichen Vorrangmodelle von Struck, Roscher und Huber: So ist Struck etwa der Ansicht, dass vertragsfreiheitliche Erwägungen nicht verfassungsrechtlich veranlasst, sondern in ihrer Quintessenz Ausfluss gesellschaftsund wirtschaftspolitischer Erwägungen seien. Struck verneint daher die verfassungsrechtliche Absicherung der Vertragsfreiheit in toto: Greife der Gesetzgeber etwa aus Gründen des Verbraucherschutzes in den Freiheitsraum des einzelnen ein, sei er keiner spezifisch verfassungsrechtlichen Rechtfertigungspfl icht unterworfen [Struck, DuR 16 (1988), 39 (39 ff.)]. Einen ähnlichen Ansatz in relativierter Form vertritt Roscher: Er lehnt einen grundrechtlichen Schutz der Vertragsfreiheit ab, da der grundrechtliche Schutz der Selbstbestimmung und der einfachgesetzliche Schutz der Vertragsfreiheit nicht gleichgesetzt werden könnten. Vielmehr bestehe zwischen der Verfassung und dem Privatrecht ein Verhältnis von Grundsatz – das sei die grundrechtliche Selbstbestimmung – und Ausformung des Verfassungsrechts durch das einfache Recht – das sei die privatrechtliche Vertragsfreiheit. Demzufolge sei der Gesetzgeber aus Gründen des Grundrechtsschutzes nicht daran gehindert, von der Tradition der freiheitlich geprägten Vertragsrechtsordnung abzugehen, sofern nur die verfassungsrechtlich gewährleistete Handlungsfreiheit eingehalten werde [Roscher, Vertragsfreiheit als Verfassungsproblem, 3. Teil 2. Abschnitt I. und III. (S. 46 ff. und S. 55 ff.)]. Ähnlich ordnet auch Huber die Vertragsfreiheit weder den Grundrechten noch dem einfachen Recht zu. Vielmehr habe die Vertragsfreiheit ihre Wurzeln in einer Gesamtentscheidung des Grundgesetzes für eine Privatrechtsordnung. Sie sei zwar keine Institutsgarantie, aber ein Abstraktionsbegriff, der lediglich in seinem Kern eine der Institutsgarantie vergleichbare Wirkung entfalte (Huber, Die verfassungsrechtliche Bedeutung der Vertragsfreiheit, S. 19, 29 und S. 30, 31).

§ 17 Das Verhältnis zwischen Ausgestaltung und Einwirkung

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A. Vertragsrechtsmodelle in der Literatur Die vertragstheoretische Literatur zu der Frage, inwieweit ein unterschiedliches persönliches oder rollenspezifisches Sonderrecht für typisierbare Teilnehmer am Rechtsverkehr anzuerkennen ist, hat vor allem seit den 1970er Jahren unter dem Stichwort des »Verbraucherschutzes« zu einer kaum noch zu überschauenden Diskussion geführt.110 Dabei wird insbesondere im Hinblick auf die mögliche Begriffsimmanenz der sonderprivatrechtlichen Gruppentypisierung nicht einheitlich beurteilt, welche Vorschriften noch eine Ausgestaltung des Vertrages darstellen und welche Vorschriften bereits eine Einschränkung der Vertragsfreiheit und sonstiger Legitimitätsmaßstäbe postulieren. Abgesehen von der Ausbildung willenstheoretischer, konsenstheoretischer, wohlfahrtsökonomischer und welfaristischer Ansätze111, deren erschöpfende Behandlung den vorstehenden Rahmen übersteigen würde, hat häufig das jüngere Schrifttum eine antithetische Stellung gegenüber dem älteren Schrifttum bezogen, was wiederum auf der anderen Seite eine entsprechende Gegenstellungnahme hervorgerufen hat112 . I. Schmidt-Rimpler und die Lehre von der Richtigkeitsgewähr Ein oftmals behandeltes (aber an keiner Stelle im Hinblick auf die sonderprivatrechtliche Systembildung problematisiertes) Vertragsrechtsmodell geht auf Schmidt-Rimpler und dessen 1941 veröffentlichten Aufsatz zurück.113 Im Gegensatz zu dem bis dahin herrschenden rein prozeduralen Freiheitsbegriff stellte Schmidt-Rimpler die formal-prozedurale Freiheit in eine funktionale Beziehung zu dem materialen Aspekt der Gerechtigkeit.114 Als beherrschendes Prinzip seines Vertragsmodells erachtete er das Prinzip der Gerechtigkeit, das 110 Vgl. im Überblick: U. Neumann, Der persönliche Anwendungsbereich vertraglicher Schutzvorschriften, 2. Kap. C. (S. 12 ff.). 111 Hierzu im Überblick: Dreißigacker, Sprachenfreiheit im Verbrauchervertragsrecht, II. 1. c) (S. 136 ff.); Wilhelmsson, in: Wilhelmsson (Hrsg.): Perspectives of Critical Contract Law, S. 9 (S. 16 ff.); zum welfaristischen Modell: Wilhelmsson, Critical Studies in Private Law, Chapt. III (S. 51 ff.). 112 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 (132); Wilhelmsson, in: Wilhelmsson (Hrsg.): Perspectives of Critical Contract Law, S. 9 (S. 9 ff.). 113 Zum geschichtlichen Hintergrund dieses Modells (Verteidigung der Vertragsrechtsordnung »gegen die Zurückdrängung durch den nationalsozialistischen Staat«): Seiler, Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten, § 3 II. 1. b) (S. 133). 114 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 (130 ff.); vgl. hierzu auch: Limmer, in: RheinNotarK (Hrsg.): Notar und Rechtsgestaltung, S. 15 (S. 25); Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 1. Teil A. II. 2. (S. 11); M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, § 3 VIII. 2. (S. 68 ff.); Heiderhoff, Grundstrukturen des nationalen und europäischen Verbrauchervertragsrechts, 4. Kap. D. I. 3. b) (S. 300 ff.); Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 5. Kap. II. 1. (S. 174, 175); Limbach, KritV 72 (1986), 165 (176, 177); Seiler, Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten, § 3 II. 1. (S. 133 ff.).

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

er dem Oberbegriff der Richtigkeit der Rechtsfolge zuordnet.115 Das Zweckmäßige sei nur gerecht, wenn es der Gerechtigkeit nicht widerspreche.116 Als grundsätzliche Richtigkeitsprinzipien setzt er die Rechtssicherheit und Verkehrssicherheit voraus, die dem Lebensbedürfnis der Gemeinschaft nach Ordnung und Vertrauensschutz entspringen.117 Sie verschaffen dem Erwerber einen individuellen Vorteil und gehen regelmäßig zu Lasten der sachlichen Richtigkeit, weil etwa eine für den Erwerb erforderliche Voraussetzung fehlt.118 Vor diesem Hintergrund könne die Verkehrssicherheit niemals das Grundprinzip für den Erwerb einer Rechtsstellung sein, sondern immer nur eine Ausnahme zu der sachlichen Richtigkeit darstellen.119 Das rechtspolitische Problem des Vertrages ist nach Schmidt-Rimpler ein Ordnungsproblem. Dieses läuft auf die Frage hinaus, inwieweit das Richtigkeitsprinzip verwirklicht werden kann, indem privaten Vertragsparteien die Gestaltung ihrer Beziehungen privatautonom in eigener Verantwortung überlassen wird, und inwieweit hoheitliche Gestaltung durch die Gemeinschaft selbst eingreifen muss, um richtige Ergebnisse zu erzielen.120 Grundsätzlich ordnet Schmidt-Rimpler dem Hoheitsträger nur die Aufgabe zu, die Voraussetzungen festzulegen, unter denen der Einzelne auf ein Wollen, auf die Erklärung seines Willens und die Herbeiführung einer Rechtsfolge hin wirkt.121 Welche Verwirklichung des Willens das Recht vorschreibt, bestimme sich nach Richtigkeitserwägungen und folge nicht a priori aus dem Begriff der Willenserklärung oder der Rechtsfolge.122 Denn der Sinn des Rechtsgeschäfts sei es nicht, den einzelnen Rechtsgenossen die Gestaltung ihrer Verhältnisse zu beliebiger Selbstbestimmung zu überlassen, sondern einen Mechanismus zur Herbeiführung richtiger Regelungen zur Verfügung zu stellen.123 Durch die Kombination der beiden Gestaltungskräfte »individuell« und »überindividuell« (hoheitlich) 124 gelangt Schmidt-Rimpler zu der Erkenntnis, dass bei Verträgen die Richtigkeit der Rechtsfolge in aller Regel verbürgt sei; denn beide Parteien müssten der Rechtsfolge zustimmen. Der Ausgleichsprozess des Vertrages sei an sich bereits gerecht und führe zu »richtigen« Ergebnissen (individuell).125 Kein geeignetes Mittel zur Ordnung der Lebensverhältnisse sei der Vertrag dagegen, wenn die Funktionsvor115 Diese Ausrichtung kritisierend: Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, § 4 V. 2. (S. 52 ff.); Canaris, FS für Lerche (65. Gebtg.), S. 873 (S. 883); Enders, Neuerungen im Recht der Verbraucherdarlehensverträge, B. II. 3. c) (S. 39 ff.); zustimmend: Denkinger, Der Verbraucherbegriff, 1. Teil (S. 70 ff.). 116 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 (133). 117 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 (133, 134); zustimmend: F. Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpfl ichtenden Rechtsgeschäfts, 1. Teil VII. (S. 62 ff.). 118 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 (133 ff.). 119 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 (137, 138). 120 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 (138). 121 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 (147). 122 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 (147). 123 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 (155, 156). 124 Vgl. hierzu: Reinhardt, FS für Schmidt-Rimpler (70. Gebtg.), S. 115 (S. 117 ff.). 125 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 (154 ff.); vgl. auch: Brox, JZ 13 (1966), 761 (761, 762); diesen Aspekt in den Gesamtzusammenhang einer prozeduralen Vertragsge-

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aussetzungen seines Mechanismus versagen.126 Hiervon ist nach Schmidt-Rimpler z. B. auszugehen, wenn zwischen den Parteien eine solche Imparität besteht, dass die vereinbarte Rechtsfolge faktisch nur von einem Beteiligten »gewollt« ist.127 Um die Gefahr von Unrichtigkeiten zu vermeiden, sei in diesen Fällen eine hoheitliche Gestaltung durch den Gesetzgeber erforderlich (überindividuell) 128 – eine Notwendigkeit, welche der Liberalismus nicht zugelassen habe129.

Anhaltspunkte für einen gespaltenen Vertragsbegriff können Schmidt-Rimplers Ausführungen nur mittelbar entnommen werden. Ausdrücklich propagiert er weder bei Verbrauchern, Unternehmern noch Kaufleuten eine spezifisch sonderrechtliche Typenkorrektur – nicht einmal aus Richtigkeitsgründen. Selbst aus der Differenzierung zwischen funktionierendem Vertragsmechanismus (mit Richtigkeitsgewähr) und nicht funktionierendem Vertragsmechanismus (mit hoheitlicher Ausgestaltung) könnten Gebote sonderprivatrechtlicher Typisierung nur mit erheblichen Schwierigkeiten abgeleitet werden. Bei einer Funktionsstörung wäre ein staatlicher Eingriff zwar auch nach SchmidtRimpler auf der Grundlage staatlicher Sondertypisierung zulässig. Wann und mit welchem Typisierungsmuster dabei vorzugehen wäre, ließe sich aber lediglich dem Begriff der Richtigkeit entnehmen. Gerade dieser Ausgangsbegriff ist aber (obwohl Schmidt-Rimpler ihn zum Dreh- und Angelpunkt seiner Dogmatik macht) zu unpräzise, weil er ähnlich wie der utilitaristische Maßstab der »happiness« oder Richtlinien anderer philosophischer Strömungen keine eindeutigen Vorgaben für die sonderprivatrechtlichen Typenbildungen liefern kann.130 Vergleichbar dem »Greatest Happiness Principle« gibt es auch im Hinblick auf die Richtigkeit – den gesellschaftlichen Wertungen entsprechend – keine objektive, absolute Richtigkeit, sondern prinzipiell so viele »Richtigkeiten« wie Rechtssubjekte und Instanzen vorhanden sind, die über die Richtigkeit frei bestimmen.131 Schmidt-Rimpler selbst geht davon aus, dass unter Richtigkeit einerseits »die ethisch bestimmte Gerechtigkeit im engeren Sinne, andererseits aber auch die von der Gemeinschaft aus gesehene Zweckmäßigkeit« zu verstehen ist, wobei das Zweckmäßige nur richtig sein könne, wenn es der Gerechtigkeit nicht widerspreche.132 Auf diese Weise trete neben die Richtigkeit zur Wahrung des vertraglichen Interessenausgleichs die Richtigkeit zur rechtigkeit bringend: Canaris, AcP 200 (2000), 273 (284); kritisch: Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, § 4 II. (S. 9 ff.). 126 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 (157). 127 Vgl. Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 (151). 128 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 (165 ff.). 129 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 (157). 130 Zum Utilitarismus: Mill, On Liberty and Utilitarianism, Utilitarianism II. (S. 144). 131 L. Raiser, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 101 (S. 118); vgl. auch: Paw-lowski, Methodenlehre für Juristen, § 13 Rn. 588 ff. (S. 258 ff.). 132 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 (132, 133).

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

Wahrung der Gemeinschaftsbelange. Ausdrücklich deutet er die Möglichkeit vertragsbegriffl icher Typisierung nur entfernt durch Anerkennung rechtsgeschäftlicher »Sonderverbindungen« (Hilfsverbindungen) an, die der Versorgung oder dem Zusammenwirken dienen und nicht nur vertraglich, sondern auch hoheitlich geregelt werden können.133 Im vorliegenden Zusammenhang ist ausgerechnet diese Art der Typisierung allerdings von geringer Relevanz. II. Flume – Privatautonome Gestaltung und Wesen der Privatautonomie Flume stimmt mit Schmidt-Rimpler insofern überein, als der Vertrag zur Herbeiführung einer »richtigen« Regelung beitrage.134 Im Gegensatz zu SchmidtRimpler hält er als Begründung für dieses Phänomen jedoch nicht den Vertrag als »Mechanismus« für entscheidend, sondern die »Willensherrschaft« der Vertragsparteien.135 Der Vertrag sei allenfalls deshalb richtig, »weil und soweit er von der beiderseitigen Selbstbestimmung der Vertragsschließenden getragen« sei.136 Deshalb könne sich das Richtigkeitsurteil von vornherein nur auf die Art des Zustandekommens des Vertrages beziehen, die aus einer selbstbestimmten Regelung der Vertragsparteien besteht.137 Darüber hinaus wäre das Urteil der »Richtigkeit« oder »Unrichtigkeit« als rechtliches Urteil über den Inhalt der privatautonomen Gestaltung dagegen ein Widerspruch in sich.138 Nach der Dogmatik Flumes schließen sich Privatautonomie und rechtliches Urteil gegenseitig aus; soweit die Privatautonomie reicht, sind Normen, an denen die Richtigkeit ausgerichtet werden könnte, gar nicht vorhanden.139 Denn Flume begreift Privatautonomie als Gestaltung der Rechtsverhältnisse nach eigenem Willen ohne Fremdbestimmung, bei der die willentliche Entscheidung gilt, weil sie gewollt ist und der Wille des Einzelnen als solcher respektiert wird.140 Aufschlussreich für den Vertragsbegriff, von dem Flume ausgeht, ist das Verständnis, das er dem Verhältnis von Privatautonomie und Grundrechten zugrunde legt. Dabei lehnt Flume es ab, das Recht auf Selbstgestaltung der Rechtsverhältnisse mit den sons133

Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 (139, 140). Flume, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 135 (S. 142, 143); ders., Das Rechtsgeschäft, AT BGB Bd. 2, § 1 Ziff. 6 a) (S. 7, 8). 135 Flume, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 135 (S. 142); die Unterschiede zwischen Schmidt-Rimpler und Flume herausarbeitend: Brox, JZ 13 (1966), 761 (761, 762). 136 Flume, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 135 (S. 143); hierzu kritisch: Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 5. Kap. III. 2. (S. 191, 192). 137 Flume, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 135 (S. 143); ders., Das Rechtsgeschäft, AT BGB Bd. 2, § 1 Ziff. 6 a) (S. 8). 138 Flume, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 135 (S. 143). 139 Flume, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 135 (S. 143). 140 Flume, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 135 (S. 136, 141); ders., Das Rechtsgeschäft, AT BGB Bd. 2, § 1 Ziff. 1 (S. 1); kritisch: Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, § 4 I. (S. 8, 9). 134

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tigen im Grundrechtskatalog aufgeführten persönlichen Freiheitsrechten auf eine Stufe zu stellen. Die Vertragsfreiheit könne weder als »apriorisches Freiheitsrecht hypostasiert« werden noch dem Vorbehalt der »verfassungsmäßigen Ordnung« gemäß Art. 2 Abs. 1 GG ausgesetzt werden; vielmehr erfordere die Vertragsfreiheit die Rechtsordnung als Korrelat.141 Weil nur Rechtsverhältnisse gestaltet und Akte zur Gestaltung von Rechtsverhältnissen eingesetzt werden könnten, welche die Rechtsordnung anerkennt, postuliere die Zivilrechtsordnung keine Einschränkung der Freiheit; lediglich eine Bestätigung der Vertragsfreiheit gehe mit ihr einher, sodass ihre Normen nicht dem Rechtfertigungsmaßstab des Art. 2 Abs. 1 GG genügen müssten.142 Vor dem Hintergrund, dass sich aus der verfassungsmäßigen Gewährleistung der Privatautonomie keine Folgerungen für den Inhalt der Privatrechtsordnung ergäben, sei es dem Gesetzgeber sogar erlaubt, überkommene Rechtsfiguren aufzuheben und den Bereich privatautonomer Gestaltungsmöglichkeiten einzuengen.143 Nach Flumes Vorstellung muss die rechtliche Anerkennung der privatautonomen Gestaltung unabhängig davon erfolgen, ob die Freiheit unter idealen Bedingungen ausgeübt worden ist144 ; andererseits könne Privatautonomie als Rechtsprinzip aber nur verwirklicht werden, wenn auch tatsächlich die Macht zur Selbstbestimmung besteht145. Damit seien Zwang und Privatautonomie miteinander unvereinbar, sodass ungleiche Machtverteilung ein ewiges Dilemma der Privatautonomie begründe.146 Sonderprivatrechten und privatrechtlichen Teilbereichen, in denen die Vertragsfreiheit in vielfältiger Weise eingeschränkt wird, steht Flume kritisch gegenüber. In den zwingenden Regelungen des Arbeitsrechts, des Mietrechts, des Kontrahierungszwangs und der Allgemeinen Geschäftsbedingungen erblickt er einen Beleg dafür, dass im Laufe des 20. Jahrhunderts sich einerseits die Fälle einseitiger Machtlagen erheblich vermehrt haben, andererseits aber auch das Bewusstsein zur Regulierung dieser Machtlagen gewachsen sei.147 Seit dem 19. Jahrhundert habe sich nicht das Wesen der Privatautonomie geändert, sondern das Wesen selbst, also die tatsächlichen Umstände, unter denen von Selbstbestimmung Gebrauch gemacht werden kann.148

Anhaltspunkte dafür, ob und inwiefern Sonderprivatrechte dem Vertragsbegriff bereits inhärent sind, liefert Flume keine; die Anmaßung eines solchen Urteils würde nicht zuletzt auch seiner Vorstellung widersprechen, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Privatrechtsordnung keinen verfassungsrechtlichen Autonomieschranken unterliegt. Umso bemerkenswerter ist, dass Flume die Zunahme zwingender Rechtsvorschriften seit dem 19. Jahrhundert als Ausdruck dessen interpretiert, dass das Verständnis für das We141

Flume, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 135 (S. 136, 137). Flume, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 135 (S. 137); ders., Das Rechtsgeschäft, AT BGB Bd. 2, § 1 (S. 1 ff.). 143 Flume, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 135 (S. 138, 139). 144 Flume, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 135 (S. 141). 145 Flume, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 135 (S. 143); ders., Das Rechtsgeschäft, AT BGB Bd. 2, § 1 Ziff. 7 (S. 10). 146 Flume, Das Rechtsgeschäft, AT BGB Bd. 2, § 1 Ziff. 7 (S. 10); ders., FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 135 (S. 143). 147 Flume, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 135 (S. 145 ff.); ders., Das Rechtsgeschäft, AT BGB Bd. 2, § 1 Ziff. 7 (S. 10 ff.). 148 Flume, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 135 (S. 147). 142

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

sen der Privatautonomie bei den Juristen rückläufig ist.149 Auch wenn Flume damit einerseits dem Gesetzgeber keine verfassungsrechtlichen Schranken auferlegt, die Privatautonomie einzuengen und entsprechende Sonderprivatrechte zu etablieren, bringt er andererseits hinsichtlich des Wesens der Privatautonomie unverblümt ein formal-liberales Selbstbestimmungsverständnis zum Ausdruck. Ob zwingendes Recht mit Typisierungscharakter zu einer systemgerechten Ordnung führe, sei letztlich danach zu beurteilen, ob die damit einhergehenden »Einschränkungen auch wirklich aus dem Wesen der Privatautonomie gerechtfertigt sei[n könnten]«.150 Gerade dieses Wesen der Privatautonomie wird durch die Vertragsrechtsdivergenz allerdings in Frage gestellt, indem es eine Fülle von Interpretationsmöglichkeiten bietet. Eine »Institutsimmanenz der Sonderprivatrechte« lässt sich aus Flumes Ausführungen folglich nicht deduzieren. III. M. Wolfs Theorie der rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit M. Wolf führt den Gedanken der Selbstbestimmung fort und erweitert ihn in seiner Habilitationsschrift aus dem Jahre 1970 zum Dogma der rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit.151 Das selbsterklärte Ziel seiner Untersuchung besteht darin, orientiert an dem Prinzip der Privatautonomie in allen Fällen einer Beeinträchtigung der Selbstbestimmung auf Grund einheitlicher Schutzprinzipien Schutz zu gewähren.152 Dabei konzentriert er sich auf Konstellationen, in denen ein Vertragsteil in der selbstbestimmten Wahrnehmung seiner Interessen bei der Vertragsgestaltung beeinträchtigt ist und der andere Teil korrespondierend dazu die Möglichkeit erhält, einseitig seine Interessen durchzusetzen.153 Zu der Entwicklung allgemeiner Prinzipien über die rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit sah er sich veranlasst, weil die damalige Rechtsprechung die Vertragsfreiheit mit »zweierlei Maß« durchsetzte: Während bei dem Einzelarbeitsvertrag und den Allgemeinen Geschäftsbedingungen die ungleichen Machtverhältnisse in richterlicher Rechtsfortbildung überprüft wurden154, war man bei der Inhaltskontrolle sonstiger unangemes149

Flume, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 135 (S. 146). Flume, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 135 (S. 147). 151 M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, S. 1 ff.; ders., JZ 26 (1971), 376 (376 ff.); hierzu kritisch: Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 5. Kap. III. 4. (S. 194). 152 M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, § 1 I. 3. (S. 4). 153 M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, § 1 I. 2. (S. 2, 3). 154 Zum Einzelarbeitsvertrag von M. Wolf als Beispiel aufgeführt: BAG – Urteil v. 03. 05. 1962, Az.: AZR 451/61 – NJW 15 (1962), 1587 (1587); zu von M. Wolf AGB u. a. als Beispiele genannt: BGH – Urteil v. 22. 05. 1968, Az.: VIII ZR 133/66 – NJW 21 (1968), 1718 (1720); Urteil v. 08. 10. 1969, Az.: VIII ZR 20/68 – NJW 23 (1970), 29 (31); Urteil v. 150

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sener Vereinbarungen bei den Grundsätzen zum Knebelungsvertrag (§ 138 BGB) stehen geblieben155. Mit Flume stimmt M. Wolf insofern überein, als er die Selbstbestimmung als das bestimmende Element der Vertragsfreiheit begreift.156 Dabei stellt M. Wolf maßgeblich auf das Verhältnis zwischen Selbstbestimmung und Willen im Hinblick auf die Entscheidungsfreiheit sowie auf das Verhältnis zwischen Vertragsgerechtigkeit und Selbstbestimmung ab.157 Während individualbezogen nur der freie, nicht jedoch der aufgezwungene Wille die Gültigkeit einer Willenserklärung und damit die Grundlage für rechtsgeschäftliche Rechtsfolgen bilden könne158, dürfe gemeinwohlbezogen die Vertragsgerechtigkeit nur in Ausnahmefällen den selbstbestimmten Interessenausgleich verdrängen, weil ansonsten den Vertragsparteien die Gestaltungsfreiheit völlig entzogen wäre159. Übe eine Partei ihre Vertragsfreiheit unter Beeinträchtigung der Selbstbestimmung der anderen Partei missbräuchlich aus, indem sie die Vertragsfreiheit einseitig einsetze, müsse die Vertragsgerechtigkeit an die Stelle der Vertragsfreiheit treten, um die Ordnungsfunktion des mangels Selbstbestimmung fehlgeschlagenen Interessenausgleichs zu übernehmen.160 Grundsätzlich geht M. Wolf davon aus, dass die Wahrnehmung der jeweils eigenen Interessen durch Vertragsparteien, die auch die Möglichkeit zur Geltendmachung dieser Interessen haben, zu einem gerechten Interessenausgleich führt.161 Rechtsfolgen, deren Eintritt eine Partei zielbewusst gewollt hat oder deren Eintritt sie hätte vermeiden können, werden ihr als Ausfluss der Selbstverantwortung zugerechnet; lediglich in Konstellationen ungleicher Machtlagen, in denen eine Partei ihre Rechtsfolgen nicht selbstbestimmt herbeiführen oder verhindern könne, scheide auch die Selbstverantwortung als Zurechnungsgrund aus.162 In solchen Konstellationen setzten die Gemein29. 09. 1960, Az.: II ZR 25/59 – BGHZ 33, 216 (218 ff.); Urteil v. 29. 10. 1962, Az.: II ZR 31/61 – BGHZ 38, 183 (185); Urteil v. 17. 02. 1964, Az.: II ZR 98/62 – BGHZ 41, 151 (153); Urteil v. 05. 05. 1969, Az.: II ZR 263/67 – BGHZ 52, 61 (63, 64). 155 M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, § 1 I. 1. und § 3 II. 2. (S. 2 und S. 38, 39). 156 M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, § 2 III. 1. (S. 19). 157 M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, § 2 IV. 1. c) und § 3 (S. 27 und 35 ff.); im Rahmen der gerichtlichen Billigkeitskontrolle auf M. Wolf rekurrierend: BAG – Urteil v. 21. 12. 1970, Az.: 3 AZR 510/69 – WM 25 (1971, 573 (574). 158 M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, § 2 IV. 1. c) (S. 27). 159 M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, § 3 I. 3. b) (S. 35, 36). 160 M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, § 3 VII. 1. (S. 59 ff.). 161 M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, § 3 VIII. 2. a) (S. 69, 70). 162 M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, § 4 (S. 75 ff.).

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

schaftsinteressen ein, die in Form von zwingenden Vorschriften den Vorrang gegenüber der Selbstbestimmung beanspruchen könnten, um an Stelle der Selbstbestimmung Funktionsfähigkeit wiederherzustellen.163 Grundvoraussetzung eines selbstbestimmten Interessenausgleichs sei es, dass der Einzelne die Fähigkeit zur richtigen Beurteilung seiner Verhältnisse und Interessen habe, die auf eigener freier Beurteilung ruhende Entscheidung durchsetzen (Entscheidungsfreiheit) und die vom Vertragspartner gewollte Regelung inhaltlich erfassen könne (ordnungsgemäße Verständigung).164 Beeinträchtigt sieht M. Wolf die Entscheidungsfreiheit unter drei Voraussetzungen: Es müsse eine Verkoppelung vorliegen, bei welcher der stärkere Partner den Vertragsschluss von der Anerkennung unberechtigter Vertragsbedingungen abhängig macht; der stärkere Partner müsse sachfremde Interessen verfolgen; und die sachfremden Interessen müssen eine intensivere Wertausstrahlung einnehmen.165 Weil das Vorliegen von Entscheidungsfreiheit Gültigkeitsvoraussetzung sei, müsse deren Fehlen die vertragliche Bindung in irgendeiner Weise beeinträchtigen.166 In der Regel sei von der Unwirksamkeit derjenigen Regelung auszugehen, die ohne Entscheidungsfreiheit getroffen sei, wohingegen der wirksam vereinbarte Rest des Vertrages entgegen § 139 BGB in seiner Geltung unversehrt bleibe.167

M. Wolf fokussiert seine Untersuchungen nach eigenen Bekundungen ausdrücklich auf Ungleichgewichtslagen, bei denen die fehlende Entscheidungsfreiheit des zu Schützenden einer wirtschaftlichen Unterlegenheit entspringt.168 Weil gerade dieser Aspekt (d. h. der Aspekt der wirtschaftlichen Unterlegenheit) weder für die verbraucher- noch für die handelsrechtliche Sonderkodifikation leitbildprägend ist, liefert M. Wolf für die Legitimität der vorgenannten Sonderprivatrechte nur im entfernten Anhaltspunkte. Wirklich aufschlussreich ist lediglich seine »Verbraucher-Unternehmer«-Typisierung bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen: Während die Entscheidungsfreiheit von Endverbrauchern bereits dann gefährdet sei, wenn es um ihr Interesse auf Teilhabe an den zum allgemeinen Lebensstandard gehörenden Gütern und Leistungen gehe, sei die Entscheidungsfreiheit von Unternehmern nur hinsichtlich der Ausübung der Unternehmertätigkeit sowie hinsichtlich

163 M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, § 5 II. (S. 85 ff.). 164 M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, § 6 (S. 101 ff.); ähnlich: Zöllner, AcP 196 (1996), 1 (28); kritisch: Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, § 4 IV. 1. (S. 18 ff.). 165 M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, §§ 7 ff. 6 (S. 111 ff.). 166 M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, § 14 I. 1. (S. 278); hierzu kritisch: Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 1 IV. 3. (S. 8); Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, § 4 II. 3. (S. 40); Fikentscher, FS für Hefermehl (65. Gebtg.), S. 41 (S. 49, 50). 167 M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, § 14 III. (S. 281 ff.). 168 M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, § 2 II. 3. e) (S. 18).

§ 17 Das Verhältnis zwischen Ausgestaltung und Einwirkung

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der Erhaltung des Unternehmens im Konkurrenzkampf geschützt, nicht jedoch hinsichtlich des Interesses auf Gewinnerzielung.169 Zumindest teilweise scheint sich damit auch die Dogmatik der Entscheidungsfreiheit an der »Verbraucher-Unternehmer«-Typisierung zu orientieren, denn auch M. Wolf vertritt die nahe liegende Ansicht, dass von einem Unternehmer eher als von einem Verbraucher erwartet werden kann, dass er seine Marktchancen ausnutzt, seine Kenntnisse funktional anwendet und die im Markt geforderten Mittel effektiv zum Einsatz bringt.170 IV. Dauner-Lieb – »Liberales Informationsmodell« Weil »über Stellenwert und sachlichen Gehalt des Topos Verbraucherschutz . . . wenig Klarheit besteht«171, sah Dauner-Lieb sich in ihrer 1983 veröffentlichten Dissertation veranlasst, das Verhältnis zwischen einem sachbezogenen Abnehmerschutz, in den alle betroffenen Rechtssubjekte in Einlang mit dem privatrechtlichen Prinzip der formal-abstrakten Gleichheit einbezogen werden, und einem bewusst privatrechtlichen Verbraucherschutz als Instrument zum Schutz ganz bestimmter benachteiligter Abnehmergruppen näher zu beleuchten.172 Nach Ansicht von Dauner-Lieb bedeutet privatrechtlicher Verbraucherschutz Ungleichbehandlung, weil das Prinzip formal-abstrakter Gleichheit, d. h. die Gleichheit aller vor dem Gesetz, zugunsten bestimmter Abnehmergruppen bzw. des Verwendungszwecks »Konsum« partiell durchbrochen werde.173 Als Grundlagen des Verbraucherschutzes begreift DaunerLieb zwei miteinander unvereinbare Tendenzen, die man »als liberales Informationsmodell einerseits und als soziales Verbraucherschutzmodell andererseits, kennzeichnen könnte«.174

169 M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, § 12 VI. (S. 264). 170 M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, § 12 VI. (S. 265). 171 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, A. III. (S. 17). 172 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, A. IV., V. (S. 19 ff.). 173 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, A. VI. (S. 23). 174 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, A. VIII. (S. 26); vgl. hierzu aus der Perspektive der schwedischen Gesetzgebung auch: Ebersohl, Vertragsfreiheit und Verbraucherschutz in der schwedischen Gesetzgebung der letzten Jahrzehnte, 1. Teil 1. Kap. A. IV. und B. II. (S. 36, 37 und S. 45, 46); zum liberalen Informationsmodell vgl. auch: Seiler, Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten, § 2 IV. 2. a) (S. 104 ff.); Enders, Neuerungen im Recht der Verbraucherdarlehensverträge, B. I. 1. (S. 25 ff.); Weick, in: Staudingers Kommentar BGB, § 13 BGB Rn. 4; Schön, FS für Canaris (70. Gebtg.), Bd. I, S. 1191 (S. 1193 ff.).

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

Um zu untersuchen, ob der Systematik des allgemeinen Privatrechts bereits de lege lata ein verallgemeinerungsfähiger Ansatz zur Durchbrechung des Prinzips formal-abstrakter Gleichheit zugrunde liegt, geht Dauner-Lieb zunächst auf die Differenzierung zwischen dem bürgerlichen Recht und dem kaufmannsgeprägten Handelsrecht ein. Dabei bringt sie zum Ausdruck, dass die Unterscheidung zwischen Kaufleuten und Nichtkaufleuten in der Literatur vielfach mit einem negativen Verbraucherschutz gleichgesetzt wird, indem Kaufleute als weniger schutzbedürftig eingestuft würden.175 Ob ein derart am Nichtkaufmann orientierter Verbraucherschutz befürwortet werden könne, sei jedoch bereits wegen der mangelnden Tauglichkeit des Kaufmannsbegriffs als Anknüpfungs- und Abgrenzungskriterium zweifelhaft.176 Zudem fehle es materiell an einem Spannungsverhältnis zu dem Prinzip abstrakt-formaler Gleichheit, weil das HGB weitgehend schutzbedürftigkeitsneutrale Regelungen enthalte, die lediglich den Besonderheiten des kaufmännischen Geschäftsverkehrs Rechnung tragen.177 Nicht einmal den Befreiungsvorschriften der §§ 348, 350 HGB lasse sich entnehmen, dass bereits in der Dualität von HGB und BGB eine allgemeine Differenzierung nach schutzbedürftigen Personengruppen angelegt sei.178 Im einzelnen legt Dauner-Lieb anhand des damals relevanten AbzG, des AGB-Gesetzes und des sozialen Wohnungsmietrechts dar, dass bereits dem Zivilrecht selbst in gewisser Hinsicht eine Durchbrechung des Prinzips formal-abstrakter Gleichheit aller Vertragspartner inhärent ist. Mit den Regelungen des AbzG sei zwar ein erster Schritt in Richtung Anerkennung des Verbraucherschutzgedankens gegangen worden; seine Regelungen seien jedoch zu wenig homogen, als dass man ihnen verallgemeinerungsfähige Ansätze entnehmen könnte.179 Dagegen sei das AGB-Gesetz im Hinblick auf die Inhaltskontrolle trotz der Privilegierung des kaufmännischen Verkehrs schutzbedürftigkeitsneutral ausgestaltet worden.180 Selbst in der Anknüpfungsdogmatik des sozialen Wohnungsmietrechts komme nicht »die Anerkennung einer allgemeinen Unterlegenheit des Verbrauchers, sondern die existentielle Bedeutung des Vertragsgegenstands Wohnung« zum Ausdruck.181 Weil damit eine ausschließlich juristisch-pragmatische Lösung der Verbraucherschutz- und damit Sonderprivatrechtsproblematik am damals geltenden Recht nicht möglich war, sah Dauner-Lieb Anlass, die Rolle des Verbraucherschutzes bei der Weiterentwicklung des Zivilrechts aufzuwerfen.182 Dass ein Zielkonfl ikt zwischen Sonderprivatrechten und BGB besteht, begründet Dauner-Lieb letztlich damit, dass die Privatautonomie des BGB auf dem Postulat for175 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, B. I. (S. 28). 176 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, B. I. 1. (S. 29). 177 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, B. I. 1. a) (S. 31). 178 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, B. I. 1. a) (S. 33). 179 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, B. I. 1. b) (S. 34 ff.). 180 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, B. I. 1. c) (S. 43, 44). 181 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, B. I. 2. (S. 50). 182 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, B. I. 3. (S. 51).

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mal-abstrakter Gleichheit beruht, das alle Rechtssubjekte gleichermaßen für fähig und bereit erklärt, ihre wirtschaftlichen Angelegenheiten selbstständig und vernünftig wahrzunehmen.183 Ausgangspunkt dieser formal-abstrakten Gleichheit sei ein an liberalen, wirtschaftstheoretischen Vorstellungen orientiertes »liberales Sozialmodell«, das sowohl ein bestimmtes Menschenbild als auch eine Konzeption umfasse, wie die komplexen, wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Marktteilnehmern typischerweise beschaffen sind.184 Dem einzelnen Marktteilnehmer werde unterstellt, homo oeconomicus zu sein, d. h. die Fähigkeit zu besitzen, seine wirtschaftlichen Verhältnisse frei und vernünftig zu gestalten, was die Gewährleistung einer optimalen Ressourcenallokation sowie einer angemessenen Güterversorgung und Güterverteilung durch funktionierenden Wettbewerb und freies Unternehmertum voraussetze.185 Auf dieser Grundlage bestehe bei Verträgen eine Vermutung der Richtigkeitsgewähr, und zwar dahingehend, dass sich die Parteien ökonomisch sinnvoll verhalten und einen angemessenen Interessenausgleich herbeiführen.186

Weil bei Verträgen zwischen Verbrauchern und der Marktgegenseite die Parität wegen eines Informationsdefi zits des Verbrauchers typischerweise gestört sei, stellt Dauner-Lieb dem liberalen Sozialmodell ein liberales Informationsmodell zur Seite.187 Das Informationsdefi zit des Verbrauchers, welches subjektiv-intellektueller Art sei, trete dabei nur in konkret festzustellenden Situationen zu Tage; nur im Hinblick auf Leistung, Gegenleistung und Abwicklungsbedingungen seien mangelnde Kenntnisse denkbar.188 Während fehlende Kenntnisse über die Leistung und Gegenleistung ausschließlich Aufklärungspfl ichten rechtfertigten, sei bei einem Informationsdefi zit bezüglich der Abwicklungsbedingungen auch an eine auf AGB beschränkte Inhaltskontrolle zu denken; (halb-) zwingende Normen seien dagegen unzulässig.189 Da die Problematik ausreichender Information letztlich aber nicht allein den Verbraucher, sondern alle sonstigen schutzbedürftigen Personengruppen betreffe, sei die Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher aus dem liberalen Informationsmodell nicht ableitbar.190 183 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, B. II. 2. b) (S. 55). 184 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, B. II. (S. 52); im Grundsatz zustimmend: Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 2 V. 4. (S. 63). 185 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, B. II. 2. (S. 54). 186 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, B. II. 2. b) (S. 56). 187 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, C. I. (S. 63). 188 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, C. II. 1. (S. 67 ff.). 189 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, C. II. 2. (S. 69 ff.). 190 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, C. III. (S. 106, 107).

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

Angesichts dieser Erkenntnis gelangt Dauner-Lieb zu der Schlussfolgerung, dass allein das soziale Verbraucherschutzmodell die Herausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher stimmig zu rechtfertigen vermöge191 ; Ausgangspunkt dieses Gegenkonzepts zum liberalen Informationsmodell sei die Unterstellung, dass der Verbraucher wegen seiner Angewiesenheit auf Konsum selbst bei umfassender Information nicht vernünftig handeln könne.192 Einerseits ist Dauner-Lieb zwar der Ansicht, dass das soziale Verbraucherschutzmodell auf Grund dieser Annahme eine Relativierung des Grundsatzes »pacta sunt servanda« durch Einräumung umfassender Widerrufs- und Rücktrittsrechte193 , ein Verbot sozialpolitisch unerwünschter Geschäfte194 und selbst (halb-) zwingende Normen bei Individualvereinbarungen rechtfertigen könne195. Andererseits steht Dauner-Lieb diesem Modell jedoch äußerst kritisch gegenüber, weil es die gesamte Ordnung des BGB, welche »auf dem Grundsatz der Privatautonomie und dem Prinzip dezentralisierter Risikoverteilung« aufbaue, in Frage stelle.196

Eine vertragsbegriffl iche Gruppentypisierung propagiert Dauner-Lieb nicht. Vielmehr ist der Vertrag nach ihren Vorstellungen ein Kind des liberalen Sozialmodells. Auch wenn ihre Überlegungen damit keine Rechtfertigung für die aktuelle Vertragsrechtsdivergenz aus dem Vertragsmodell selbst heraus ermöglichen, liefert ihre Orientierung an dem liberalen Informationsmodell und dessen Gegenüberstellung zu dem sozialen Verbraucherschutzmodell zumindest wertvolle Anhaltspunkte für das Verhältnis zwischen bürgerlichem und sonderprivatrechtlichem Vertragsrecht. Beruht das bürgerliche Recht auf dem Prinzip formal-abstrakter Gleichheit und nimmt es zur Rechtfertigung dieser Ausgangslage auf den homo oeconomicus als idealtypischem Leitbild Bezug, so erlauben Dauner-Liebs Ausführungen die Schlussfolgerung, dass eine Durchbrechung des liberalen Sozialmodells nur dann erlaubt sein kann, wenn gleichsam abweichende Leitbilder für Unternehmer und Verbraucher als typisierungsfähige Personengruppen ermittelt werden können. V. Hönn – Multidimensionale Struktur der gestörten Vertragsparität Im Gegensatz zu Dauner-Lieb ging es Hönn in seiner 1981 erschienenen Habilitationsschrift um eine Standortbestimmung des (damals) geltenden Rechts. 191 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, D. (S. 109 ff.). 192 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, D. I. (S. 109 ff.). 193 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, D. II. 1. (S. 116 ff.). 194 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, D. II. 2. (S. 119, 120). 195 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, D. II. 4. (S. 127 ff.). 196 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, D. III. (S. 141); gegen Dauner-Lieb argumentierend: Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, § 4 V. 2. (S. 27 ff.); Joerges, KJ 30 (1987), 166 (173 ff.); Limbach, KritV 72 (1986), 165 (170, 171).

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Weil er die Funktion des Vertrages in diesem Sinne allgemein anging, lassen sich seinen Ausführungen aber auch heute noch Anhaltspunkte für die Frage nach der begriffl ichen Immanenz sonderprivatrechtlicher Typisierungsentscheidungen entnehmen.197 Das Problem der gestörten Vertragsparität und ihre Kompensation mit einem positivistischen Ansatz untersucht er unter der Prämisse, dass vertragliche Imparität in gewisser Weise fi ktiv ist, weil die Störung jeweils nur dort feststellbar ist, wo die Rechtsordnung vertragsbezogene individualschützende Regelungen bereit hält.198 Mit dieser Erkenntnis analysiert er anhand der damals geltenden Regelungen, was in der Rechtsordnung als Unterlegenheit betrachtet wird, wie die Bewältigung dieser Unterlegenheit strukturiert ist und welche Wertungen dabei eine Rolle spielen. Er leitet systematische Konsequenzen ab und unternimmt den Versuch, die Regelungen der Rechtsordnung in einen inneren Zusammenhang zu stellen.199 Ausgangspunkt seiner Betrachtung ist der Wandel des Vertragsrechts von der formal verstandenen Vertragsfreiheit zu einem durch Rechtsprechung, Schrifttum und Gesetzgeber fortentwickelten Vertragsrecht der materialen Äquivalenz, des Verkehrsschutzes und der Sicherung der Daseinsvorsorge. 200 Anhand eines Überblicks über die Konzeptionen zu den Vertragsfunktionen gelangt er zu der Erkenntnis, dass in der Literatur eine Umorientierung von der Selbstbestimmung als Funktionsvoraussetzung der Vertragsfreiheit zu einer betont vertragsinhaltsbezogenen Betrachtung stattgefunden hat 201 ; am Maßstab der institutionellen Betrachtung des Vertrages werde deutlich, »daß der Rechtswert der Selbstbestimmung im Sinne des Prinzips der Privatautonomie in der Gegenüberstellung mit den öffentlichen Interessen zur Kennzeichnung der Funktion des Vertrages nicht ausreicht«202 . Das methodische Prinzip der funktionalen Äquivalenz des Soziologen Niklas Luhmann 203 biete laut Hönn die Möglichkeit, die Rechtsordnung umfassend auf Problemlösungsmöglichkeiten hinsichtlich der Kompensation gestörter Vertragsparitäten zu befragen. 204

Ein zentrales Kompensationsmittel gestörter Vertragsparität sei Wettbewerb; das GWB sichere Wettbewerb nicht nur als Institution, sondern bezwecke auch die Sicherung der Selbstbestimmung. 205 Wettbewerb gebe nicht nur die Möglichkeit zum Verzicht auf einen Vertragsschluss, sondern auch die Chan197 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, Einführung (S. 1); kritisch: Limbach, KritV 72 (1986), 165 (172, 173). 198 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, Einführung (S. 2). 199 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, Einführung (S. 2). 200 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1. Kap. III. (S. 7 ff.). 201 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 2. Kap. II. 3. (S. 30). 202 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 2. Kap. III. (S. 36). 203 Luhmann, Soziologische Aufklärung, S. 9 ff.; m. w. N.: Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, Einführung und 5. Kap. II. 2. (S. 79 Fn. 27). 204 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, Einführung und 5. Kap. (S. 3 und S. 79 ff.). 205 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 7. Kap. I. (S. 109 ff.); gegen die Kompensationstauglichkeit der Wettbewerbsordnung argumentierend: Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, § 4 V. 3. (S. 30 ff.).

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

ce der positiven Mitbestimmung des Vertragsinhalts. 206 Das generelle Bindeglied zwischen dem Einfluss des Wettbewerbs und dem Vertragsschluss bestehe darin, dass die »Risiken und Chancen, die der Wettbewerber auf der wettbewerblichen Ebene trägt bzw. besitzt . . . das Spiegelbild der Chancen und Risiken der potentiellen Vertragspartner« seien. 207 Zwar lasse die Rechtsordnung nicht den Schluss zu, dass bei fehlendem Wettbewerb die Parität stets gestört sei; erst das Eingreifen bestimmter vertragsbezogener und individualschützender Regelungen rechtfertige es, auf Imparität zu schließen. 208 Gleichwohl führe Wettbewerb aber als Kompensationsmittel von Imparität regelmäßig dazu, dass der Schwächere auf den konkreten Vertrag verzichten könne, sodass ein subsidiäres Eingreifen sonstiger Kompensationsmittel überflüssig würde. 209 Anhand der damaligen GWB-Vorschriften untersuchte Hönn am Maßstab der »Wettbewerbsbeschränkungen durch Maßnahme« und der »Wettbewerbsbeschränkungen durch Zustand«, wann das Kartellrecht von einem Kompensationsbedarf gestörter Vertragsparität ausgeht. 210 Bei »Wettbewerbsbeschränkungen durch Maßnahme« stünden sich die Freiheitsinteressen der an der Beschränkungshandlung Beteiligten und die Freiheitsinteressen der von der Wettbewerbsbeschränkung negativ betroffenen Dritten gegenüber. 211 Indem die Rechtsordnung nicht alle Wettbewerbsbeschränkungen verbiete, sondern bestimmte erlaube, gebe sie zu erkennen, dass die Veränderung der Position des Dritten nur in den gesetzlich bestimmten Fällen – aber nicht ausnahmslos – als Paritätsstörung zu begreifen sei. 212 Bei den »Wettbewerbsbeschränkungen durch Zustand« sei ebenfalls nur in den Fällen von Imparität auszugehen, in denen neben die Marktmacht des beherrschenden Vertragspartners die Möglichkeit zur missbräuchlichen Ausnutzung bei Vertragsschluss trete. 213 Nach einem weitreichenden Überblick über die Kompensationsinstrumente des Privat- und öffentlichen Rechts gelangt Hönn schließlich zu dem Ausblick, dass der Schutz des Schwächeren auf vielerlei unterschiedlichen Wegen erreicht werden könne. 214 Den schlechthin Schwächeren gebe es nicht; vielmehr könne ein und dieselbe Person in ihren jeweiligen unterschiedlichen Beziehungen Unterlegener und Überlegener zugleich sein. 215 Entsprechend der unterschiedlichen Art der Unterlegenheit seien auch die Form ihres Ausgleichs für den Schwächeren und die damit für den Überlegenen verbundenen Konsequenzen verschieden: Man könne die Kompensation vor diesem Hintergrund als multidimensional bezeichnen. 216 Das innere System der Rechtsinstitution Vertrag setze sich dementsprechend aus formeller Vertragsfreiheit, vertragsbezogenem Individual206 207 208 209 210 211 212 213 214 215 216

Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 7. Kap. II. 2. (S. 115). Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 7. Kap. II. 2. (S. 115). Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 7. Kap. IV. (S. 117, 118). Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 7. Kap. IV. (S. 118). Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 8. Kap. (S. 119 ff.). Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 8. Kap. I. 2. c) (S. 123). Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 8. Kap. I. 2. c) (S. 123, 124). Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 8. Kap. II. 3. (S. 132). Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 14. Kap. III. (S. 309). Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 12. Kap. III. 4. a) (S. 278). Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 12. Kap. III. 4. (S. 278, 279).

§ 17 Das Verhältnis zwischen Ausgestaltung und Einwirkung

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schutz (Kompensation) und öffentlichen Interessen zusammen; angesichts seiner laufenden Veränderungen müsse dieses System denknotwendig offen sein. 217

Auf das Verbraucherrecht nimmt Hönn nur am Rande Bezug: Hinsichtlich der Struktur der Unterlegenheit sei der Verbraucherbegriff als Schlagwort des generell Schutzbedürftigen abzulehnen 218 ; die Erkenntnisse über die Kompensation gestörter Vertragsparität »verlangten vielmehr eine Orientierung an spezifischen Gefährdungen beschreibbarer Verbraucherbelange bei bestimmten Vertragsschlüssen«219. Hönn macht damit deutlich, dass auch das Phänomen von Sonderprivatrechten nicht allein mit einem bestimmten Vertragsmodell erklärbar ist; selbst die verbraucherrechtlichen Schutznormen können auf diese Weise nur als Einzelbestandteile der multidimensionalen Kompensationsstrategie begriffen werden. Dem Verfassungsrecht spricht Hönn die Kompetenz zu, die materielle Vertragsfreiheit »als Rechtsprinzip« zu legitimieren. 220 Auch wenn er sich vordergründig auf einen positivistischen Ansatz beschränkt, liefert er damit einen Anhaltspunkt, dass gegebenenfalls auch die gesetzgeberische Typisierung der Sonderprivatrechte als verfassungsgemäßer Gleichheits- und Freiheitsausgleich abgesegnet werden könnte. VI. L. Raiser – Soziale Funktion und Aufteilung nach Lebensbereichen Eine funktional-soziale Wende wurde für das Vertragsrechtsmodell bereits einige Zeit vor Hönn durch L. Raiser eingeläutet. Dass er Vertragsverhältnisse schon zu Beginn der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts funktional betrachtete, ist gerade verbraucherrechtlich von Interesse. Schon damals forderte er, dass nicht mehr die sich in dem Vertrag ereignende Willensübereinstimmung mehrerer Parteien zur Herbeiführung eines rechtlichen Erfolges, sondern die soziale Funktion, der Inhalt und die Wirkungen des Vertrages im Vordergrund der systematischen Auseinandersetzung stehen müssten. 221 Auf 217 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 13. Kap. III. (S. 301, 302); unter Berufung auf Hönn Vertragsfreiheit als Ausprägung eines »annährend ausgewogenen Kräfteverhältnisses« deutend: BVerfG – »Bürgschaftsvertrag I« – Beschluss v. 19. 10. 1993, Az.: 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89 – BVerfGE 89, 214 (233). 218 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 12. Kap. II. 2. (S. 307). 219 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 12. Kap. II. 2. (S. 308). 220 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 12. Kap. IV. 1. c) (S. 281 ff.). 221 L. Raiser, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 101 (S. 102); auf die Funktion des Vertrages aus dem Blickwinkel der Rechtsvergleichung abstellend: Zweigert, FS für Rheinstein (70. Gebtg.) – Bd. 2, S. 493 (S. 493); für einen funktionalistischen Ansatz hinsichtlich des Kontrahierungszwangs: W. Kilian, AcP 180 (1980), 47 (76); zur funktionalen Methode bezüglich der subjektiven Rechte in der Wirtschaftsverfassung: Rebe, Privatrecht und Wirtschaftsordnung, § 5 (S. 76 ff.); aus dem Blickwinkel des Gesellschaftsrechts: Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, § 3 Ziff. 3 (S. 14); kritisch: Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, § 4 IV. 2. (S. 21 ff.); Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 5. Kap. III. 2. (S. 192, 193).

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

Grund des Inhaltswandels der Privatautonomie im 20. Jahrhundert sei es mittlerweile »Gemeingut auch der liberalen Wirtschaftstheorie«, dass das Spiel der wirtschaftlichen Kräfte nicht sich selbst überlassen bleiben dürfe, sondern vom Recht gestützt, eingegrenzt und gegen Missbrauch gesichert werden müsse, um leistungsfähig zu sein. 222 Denn die wirtschaftliche Funktion der Vertragsfreiheit verändere sich wesentlich, sobald ein Vertragspartner sich dem Wettbewerb entziehen könne und den Vertrag als Instrument der Herrschaft über den anderen einsetzen könne. 223 L. Raiser plädierte dafür, dass sich die Zivilrechtsordnung unter den geänderten Lebensbedingungen der Gesellschaft nicht mehr damit begnügen dürfe, »in strikter Neutralität zu sanktionieren, was Parteien in formaler Freiheit vereinbart haben«; vielmehr müsse sie zu der Frage durchstoßen, »ob der formalen auch eine soziale und wirtschaftliche Freiheit auf beiden Seiten entsprach, oder ob eine Partei ihre Überlegenheit ausgenützt hat, den Vertrag zum Herrschaftsinstrument zu machen«. 224 Bei der Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts sei die in der Vergangenheit vernachlässigte Frage nach der Funktion und der Wirkung des Vertrags in der Gesamtrechtsordnung zu stellen. 225 Das Bild von den Vertragspartnern als gleichgestellten Genossen in einer beide Teile umgreifenden Rechtsgemeinschaft habe das Problem der durch die formale Freiheit hervorgerufenen Ungleichheit lange Zeit verstellt. Weil durch die indifferente Rechts- und Handlungsfähigkeit »das ius commercii für jedermann mit jedermann gesichert schien«, sei die Ungleichheit in der Vertragsrechtsordnung lange Zeit verborgen geblieben. 226 Vor diesem Hintergrund stellt L. Raiser der privaten Selbstbestimmung die Gerechtigkeitsvorstellungen der Gesamtrechtsordnung gegenüber; dabei lenkt er den Blick auch auf die außerrechtlichen Erscheinungen und plädiert dafür, den einzelnen Vertrag in einen größeren sozialen Wirkungszusammenhang zu stellen. 227 Die aus der Selbstbestimmung entstehenden partikulären Ordnungen träten nur insoweit als rechtliche Ordnungen in Erscheinung, als sie Aussicht hätten, von der Gesamtrechtsordnung anerkannt und geschützt zu werden, also deren Voraussetzungen zu erfüllen. 228 Vor dem Hintergrund, dass der Staat »der guten Ordnung willen« auch die Pfl icht habe, private 222 L. Raiser, JZ 13 (1958), 1 (3); ders., Rechtsschutz und Institutionenschutz im Privatrecht, S. 145 (S. 145 ff.). 223 L. Raiser, JZ 13 (1958), 1 (3). 224 L. Raiser, JZ 13 (1958), 1 (6); diesen Ansatz weiterführend: Wiedenmann, Verbraucherleitbilder und Verbraucherbegriff im deutschen und europäischen Privatrecht, B III. 2. (S. 84 ff.). 225 L. Raiser, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 101 (S. 104); u. a. diese funktionale Betrachtung in einen verfassungsrechtlichen Kontext stellend: Huber, Die verfassungsrechtliche Bedeutung der Vertragsfreiheit, IV. (S. 16 ff.). 226 L. Raiser, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 101 (S. 106). 227 L. Raiser, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 101 (S. 120); ähnlich auch: Rebe, Privatrecht und Wirtschaftsordnung, § 4 A. II. 1. (S. 53, 54). 228 L. Raiser, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 101 (S. 119).

§ 17 Das Verhältnis zwischen Ausgestaltung und Einwirkung

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Rechte zu schützen 229, könnten die von den Vertragsparteien einzuhaltenden Voraussetzungen »weit oder eng gefasst, nur formeller oder auch inhaltlicher Art sein«230 . Regelmäßig sei den Parteien zwar zu unterstellen, dass sie bestrebt sind, die Voraussetzungen einzuhalten. 231 Es liege aber im Wesen der privat eingeräumten Freiheit, dass sich die Vorstellungen von zweckmäßiger oder gerechter Ordnung der Parteien von denen der Rechtsgemeinschaft unterscheiden könnten.

Auch wenn L. Raiser konkrete Vorgaben für eine gesetzliche Typisierung durch Sonderprivatrechte nicht aufstellt, macht er durch seine funktionale Betrachtungsweise und seine Orientierung an Lebenssachverhalten hinreichend deutlich, dass er einer Modifi zierung der Freiheitsfunktion und einer Anpassung des Willensprinzips an typisierbare Sondersituationen nicht ablehnend gegenüber steht. Aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang insbesondere seine Ausführungen zum Bedeutungsverlust der Willenserklärung: Maßgeblich für den Vertragsschluss seien mittlerweile nicht mehr die Einzelperson und ihr Wille, sondern »die zwischenmenschlichen Beziehungen und die Einordnung des Einzelnen in dieses Beziehungsnetz«; das Handeln des Einzelnen sei somit nicht allein »nach dem . . . mehr oder weniger adäquat zum Ausdruck kommenden Willen, sondern danach zu beurteilen, wie derartiges Handeln in bestimmten, häufig wiederkehrenden Situationen des geschäftlichen Verkehrs üblicherweise aufgefaßt« wird. 232 Die Abschwächung der Willenserklärung im HGB, etwa durch § 362 HGB, könnte diese situationsabhängige Betrachtungsweise legitimieren. Konkret zur Berücksichtigung des wachsenden Öffentlichkeitsgehalts im Privatrecht schlägt L. Raiser ein Systematisierungskonzept vor. So sei das Privatrecht nach Funktionsbereichen zu gliedern, die typischen Lebensbereichen der Gesellschaft entsprächen, wobei als Unterscheidungskriterium der Grad der Privatheit und der Öffentlichkeit dieser Bereiche verwendet werden könne. 233 Grundsätze, die vom Gedanken der sozialen Verantwortlichkeit geprägt seien, könnten dabei umso deutlicher zur Geltung kommen, je stärker der Öffentlichkeitsgehalt des betroffenen Lebensbereichs in den Vordergrund trete. 234 Als einteilungsfähige Funktionsbereiche schlägt er in nicht abschließender Weise vor, den Bereich der privaten Lebenssphäre von der auch öffentlichen Schicht der modernen Industriegesellschaft, dem Wirtschaftsverkehr zwischen Unternehmen und dem öffentlich-rechtlich gehaltvollen Bereich der industrierechtlichen Großorganisationen abzugrenzen. 235

Auch wenn in L. Raisers privatrechtlicher Bereichsaufteilung nach dem Kriterium des Öffentlichkeitsgehalts der zu ordnenden Lebensbereiche die damals 229 230 231 232 233 234 235

L. Raiser, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 101 (S. 115). L. Raiser, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 101 (S. 119). L. Raiser, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 101 (S. 119). L. Raiser, FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT – Bd. 1, S. 101 (S. 124). L. Raiser, Die Zukunft des Privatrechts, IV. (S. 29). L. Raiser, Die Zukunft des Privatrechts, IV. (S. 29, 30). L. Raiser, Die Zukunft des Privatrechts, IV. (S. 30 ff.).

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

bestehende »Gesamtnormlage« zum Ausdruck kam, versinnbildlicht seine Funktionsbetrachtung auch heute noch ein offenes System, das es nicht ausschließt, Willensmodifi zierungen – etwa in Gestalt der »Annahme durch Schweigen« (Handelsrecht) oder der »Widerruflichkeit ohne Sachgrund« (Verbraucherrecht) – mit dem inneren System der Rechtsordnung in Einklang zu stellen. VII. Reifners prinzipielle und symptomatische Zivilrechtskritik Einen – im Vergleich hierzu – eindimensionalen Sozialbezug fordert Reifner in seiner Abhandlung aus dem Jahre 1979. Indem er die Abhängigkeiten des Rechts zu gesellschaftlichen Vorgängen betont, stellt er die sozialwissenschaftliche Verankerung des Zivilrechts in den Vordergrund. 236 Seine Suche nach den sozialen Funktionen des persönlichen Verbrauchs mündet schließlich in eine soziale Auslegung, die er als maßgeblichen Faktor eines anzustrebenden Systemwechsels propagiert. Die verschiedenen Aspekte seiner Kritik fasst er in dem Vorwurf zusammen, »daß die Zivilrechtsdogmatik soziale Funktionen menschlicher Handlungen nicht in ihr System aufnimmt« und damit eine Vertragsfreiheit des Verbrauchers suggeriert, die in Wirklichkeit gar nicht besteht. 237 Das Zivilrecht versuche bewusst, diesen existierenden Widerspruch zwischen Recht und Gerechtigkeit zu legitimieren 238 ; sozialwissenschaftlichen Einflüssen werde kein Zugang zum Recht gewährt. Normative Theorien und die Gewährleistung von Rechtssicherheit fungierten als fadenscheinige Argumente, um den Widerspruch zwischen Sein und Sollen aufrecht zu erhalten. 239 Reifner ließ schon damals anklingen, dass die Ausklammerung sozialer Aspekte bei der Verwendung zivilrechtsdogmatischer Grundbegriffe nicht auf Dauer aufrecht erhalten werden könne. Erste Anzeichen hierfür sah er in der Anerkennung sozial motivierter Phänomene wie dem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, der culpa in contrahendo, dem Wegfall der Geschäftsgrundlage und dem kurze Zeit zuvor verabschiedeten AGB-Gesetz. 240 Diese Ausgangslage nahm Reifner zum Anlass und mahnte an, es nicht bei diesen singulären Verbraucherschutzmaßnahmen zu belassen, da sie Widersprüche im Gesamtsystem produzierten. 241 Vielmehr solle die Zivilrechts236

Vgl. Wilhelmsson, Critical Studies in Private Law, Chapt. II 3.1 (S. 31). Reifner, Alternatives Wirtschaftsrecht am Beispiel der Verbraucherverschuldung, Teil A. I. und VI. (S. 24–28 und S. 43). 238 Reifner, Alternatives Wirtschaftsrecht am Beispiel der Verbraucherverschuldung, Teil A. III. und VI. (S. 31–33 und S. 43). 239 Reifner, Alternatives Wirtschaftsrecht am Beispiel der Verbraucherverschuldung, Teil A. (S. 28 ff. und S. 43). 240 Reifner, Alternatives Wirtschaftsrecht am Beispiel der Verbraucherverschuldung, Teil A. IV. und VI. (S. 33 ff. und S. 43). 241 Reifner, Alternatives Wirtschaftsrecht am Beispiel der Verbraucherverschuldung, Teil A. V. und VI. (S. 38–42 und S. 43). 237

1. 1. 1. 1. 1.

§ 17 Das Verhältnis zwischen Ausgestaltung und Einwirkung

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wissenschaft vor dem Hintergrund, »daß religiöse Wertsysteme oder das Naturrecht ihre Bedeutung als unmittelbare Lösungsangebote weitgehend eingebüßt haben«, den Begriff »sozial« als Wertungsfaktor berücksichtigen, um »in den Verknüpfungen der ›sozialen Adäquanz‹, ›sozialen Richtigkeitskontrolle‹, ›Berücksichtigung sozialer Belange‹ und der ›sozialen Funktion der Rechtsinstitute‹ eine Erweiterung und Veränderung der Zivilrechtsdogmatik [zu] legtimier[en] . . .«242 Das Zivilrecht sei vor die Aufgabe gestellt, den Prinzipienpragmatismus der Vergangenheit aufzugeben und »über den ›rechtlich relevanten Sachverhalt‹ hinaus die Sozialität der zu bewertenden Handlungen zu berücksichtigen«. 243

Konstruktiv – und in seinen Ausführungen konsequent – bringt Reifner eine prinzipielle und eine symptomatische Kritik am damaligen Zivilrecht an. Im Rahmen seiner prinzipiellen Kritik macht er deutlich, dass eine neue Zivilrechtsdogmatik die Legitimationsfrage privater Herrschaft stellen und in ein demokratisches Verhältnis zu den Grundwerten der Privatrechtsgesellschaft bringen müsse. Bezug nimmt er dabei ausdrücklich auf Marx, knüpft also an ein dialektisches Zivilrechtsverständnis an. Dabei stellt er die Überlegung an, dass »die Gestaltungsprinzipien des bürgerlichen Rechts, die sich aus dem marktmäßigen Warentausch ergeben, die entscheidende Verzerrung der Wirklichkeit darstell[en]«. 244 Das Recht werde zwar durch die gesellschaftlichen Verhältnisse bestimmt. Die Zivilrechtsdogmatik hinke den realen gesellschaftlichen Verhältnissen jedoch hinterher, da sie nicht die soziale Wirklichkeit widerspiegele, sondern mit dem Eigentum als entscheidender Rechtsform noch auf die Leitprinzipien des klassischen Bürgertums abstelle. 245 Damit stehe selbst das Verbraucherrecht, indem es formale Aspekte der Tauschwirtschaft betont (Eigentum, Privatautonomie, Willensbegriff) und nicht ausreichend sozialen Zwängen und Konsumbedürfnissen Rechnung trage, im Dienste der Erwerbswirtschaft und lasse die Bedürfnisse der Verbraucher und deren Arbeits- und Lebensbedingungen außer acht. 246 Letztlich seien die formalen Paradigmen der Freiheit und des Eigentums lediglich Legitimationsgrundlage dafür, dass die unternehmerischen Mitglieder der Gesellschaft weiterhin über die Verwendung des Produzierten verfügen könnten, was im Gegenzug den Verbraucher zu prinzipienfremder Kollektivität, Sozialität und Prävention provoziere. 247 Damit sei die traditionelle Zivilrechtsdog-

242 Reifner, Alternatives Wirtschaftsrecht Teil A. VI. (S. 43, 44 und 45). 243 Reifner, Alternatives Wirtschaftsrecht Teil A. VI. und B. III. (S. 43 und S. 62). 244 Reifner, Alternatives Wirtschaftsrecht Teil A. VI. und C. I. (S. 43 und S. 68). 245 Reifner, Alternatives Wirtschaftsrecht Teil A. VI. und C. I. (S. 43 und S. 69). 246 Reifner, Alternatives Wirtschaftsrecht Teil A. VI. und C. I. (S. 43 und S. 69 ff.). 247 Reifner, Alternatives Wirtschaftsrecht Teil A. VI. und C. I. (S. 43 und S. 74, 75).

am Beispiel der Verbraucherverschuldung, 1. am Beispiel der Verbraucherverschuldung, 1. am Beispiel der Verbraucherverschuldung, 1. am Beispiel der Verbraucherverschuldung, 1. am Beispiel der Verbraucherverschuldung, 1. am Beispiel der Verbraucherverschuldung, 1.

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

matik in einen offenen Widerspruch zu den objektiv-sozialen Organisationsprinzipien der Gesellschaft getreten. 248

Diese prinzipielle Kritik macht Reifner zur Grundlage seiner symptomatischen Kritik: Die von der Rechtsdogmatik zugelassenen Ausnahmen sozialer Berücksichtigung im formalen System müssten zur Regel gemacht werden, damit materielle Wirklichkeit in eine alternative Auslegung der Zivilrechtsgesetze münden könne. 249 Dies impliziere inhaltlich den Übergang von der Willenserklärung zum Vertrauensschutz und zu sozialpfl ichtigem Verhalten, den Ausgleich zwischen formaler Freiheit und sozialem Interesse und den Bedeutungsverlust formaler Eigentumspositionen. Um Freiheit und Gleichheit aller herzustellen, müssten Sozialität und wirtschaftliche Notwendigkeiten Berücksichtigung fi nden. 250 Aus dem Blickwinkel der Sonderprivatrechte begnügt sich Reifner damit nicht mit der Etablierung einer konsumentenfreundlichen Situationstypisierung, sondern fordert eine Sozialisierung der gesamten Zivilrechtsdogmatik. 251 Zu der im vorliegenden Zusammenhang interessierenden Freiheitstypisierung der Sondervertragsrechte leistet er keinen Beitrag. Denn bedingt durch die soziale Indienstnahme der Vertragsfreiheit, die er in umfassender Weise propagiert, entspräche seinen Ausführungen ausschließlich ein pauschal-sozialwissenschaftlicher Systemwechsel, den selbst das Verbrauchervertragsrecht jedoch nicht anstrebt. 252 VIII. Reichs sozialwissenschaftliches Verbraucherschutzmodell Eine ähnliche Fundamentalkritik an der allgemeinen Zivilrechtstheorie hat Reich in den 1970er Jahren geübt. Auch er erhob den Vorwurf, dass die verbraucherrechtlichen Einzelgesetze an der eigentlichen Problematik vorbeigingen, »daß gerade das Zivilrecht, das zu einem großen Teil die vermögensmäßige Rechtsstellung des Verbrauchers umschreibt und fi xiert, tendenziell den ökonomisch Stärkeren, d. h. den Unternehmer schützt«. 253 Dieser allgemeine Befund mache deutlich, dass eine sozialwissenschaftlich abgesicherte Zivilrechtsdogmatik, »die auf Grund einer theoretischen Reflexion über die öko248 Reifner, Alternatives Wirtschaftsrecht am Beispiel der Verbraucherverschuldung, 1. Teil A. VI. und C. I. (S. 43 und S. 76). 249 Reifner, Alternatives Wirtschaftsrecht am Beispiel der Verbraucherverschuldung, 1. Teil A. VI. und C. II. (S. 43 und S. 82, 83). 250 Reifner, Alternatives Wirtschaftsrecht am Beispiel der Verbraucherverschuldung, 1. Teil A. VI. und C. II. (S. 43 und S. 82). 251 Vgl. auch: Joerges, Verbraucherschutz als Rechtsproblem, II. 1. c) (S. 27); Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 2 IV. 2. b) (S. 31 ff.); Seiler, Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten, § 2 IV. 2. b) bb) (S. 110 ff.). 252 Reifner, Alternatives Wirtschaftsrecht am Beispiel der Verbraucherverschuldung, 1. Teil A. VI. (S. 44, 45). 253 Reich, ZRP 7 (1974), 187 (187).

§ 17 Das Verhältnis zwischen Ausgestaltung und Einwirkung

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nomische Verankerung des Zivilrechts einerseits und über seine verfassungsrechtliche Stellung andererseits verbraucherschützenden Konzeptionen zur Durchsetzung verhilft«, erst noch entwickelt werden müsse. 254 An sie seien folgende Anforderungen zu stellen: (1) ökonomische Verankerung des Zivilrechts in den aktuellen Gesellschaftsverhältnissen, (2) Auslotung der Relation von Zivilrecht und Verfassungsrecht, (3) Reflexion des Wechselspiels von dispositivem und zwingendem Recht und (4) Erarbeitung einer allgemeinen Dogmatik zur Umsetzung in die juristische Praxis. 255 Reich unterbreitete – wie bereits an anderer Stelle erwähnt 256 – in Anlehnung an Überlegungen der sozialistischen Zivilrechtstheorie den Vorschlag, das allgemeine Vermögensrecht in drei Bereiche zu unterteilen: den Rechtsverkehr zwischen Unternehmen (Unternehmensrecht), den Warenaustausch zwischen Unternehmen und Endverbrauchern (Verbraucherrecht im engeren Sinne) und den Bereich des privaten Rechtsverkehrs zwischen Bürgern (Bürgerrecht). Während das Unternehmensrecht den Bereich des Produktionskapitals betreffe, regele das Verbraucherrecht das Verhältnis des Produktionsmitteleigentums zum Eigentum an Konsumgütern; das Bürgerrecht wiederum betreffe Zuordnung und Austausch von Konsumtionsmitteleigentum. 257 Wichtig sei diese Unterscheidung vor allem deshalb, weil man mit dieser Systematik deutlich machen könne, »wo man sinnvollerweise die zivilrechtliche Grundkategorie der Privatautonomie anwenden« k[önne] und wo nicht«. 258

Im Bereich des Unternehmensrechts und des Bürgerrechts könne darauf verzichtet werden, das traditionelle Freiheits- und Autonomieverständnis der Zivilrechtsdogmatik anzugreifen. Zwar werde auch hier in Einzelfällen das formale Freiheitspostulat durchbrochen; als Korrekturinstrumente stünden dafür aber in ausreichendem Umfang die zivilrechtlichen Generalklauseln und das Kartellrecht zur Verfügung. 259 Anders sei die Ausgangslage dagegen im Verbraucherrecht, wo die bestehenden Zivilrechtsprinzipien notwendig zu kurz griffen. Hier sei es notwendig, »ähnlich wie im Arbeitsrecht, nach anderen Lösungen zu suchen . . ., um das Machtgefälle zwischen Unternehmen und Verbraucher . . . anders zu relativieren«. 260 Zum Ausbau des Verbraucherrechts müssten auch die Grundrechte im Lichte der verfassungsrechtlichen Sozialstaatsklausel »nicht so sehr als Schutz- und Abgrenzungsrechte, denn als Teilhabe- und soziale Rechte« interpretiert werden. 261 Im Bereich des Verbraucherrechts sei das Verhältnis von dispositivem und zwingendem Recht umzu-

254 255 256 257 258 259 260 261

Reich, ZRP 7 (1974), 187 (187, 188). Reich, ZRP 7 (1974), 187 (188). Siehe: Einleitendes Kap. § 3 (S. 19 f.). Reich, ZRP 7 (1974), 187 (188). Reich, ZRP 7 (1974), 187 (188). Reich, ZRP 7 (1974), 187 (188). Reich, ZRP 7 (1974), 187 (188). Reich, ZRP 7 (1974), 187 (189).

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

kehren und – anders als im Unternehmens- und Bürgerrecht – die Möglichkeit von Haftungsausschlüssen zu versagen. 262 Die Unfähigkeit des Juristen, die Stellung des Verbrauchers zu umschreiben, beruhe darauf, dass die Stellung des Verbrauchers keine genuin rechtliche, sondern eine sozial-ökonomische sei; Aspekte der Ökonomie und Soziologie würden daher fälschlicherweise ausgeblendet. 263 Als Ansatzpunkte der Systemerneuerung müssten insbesondere auch Aspekte der sozialwissenschaftlichen Ideologiekritik, rollensoziologische Überlegungen zur Konsumentenforschung, Aspekte der Politökonomie und der Wettbewerbstheorie berücksichtigt werden. 264 Das Konzept der Konsumentensouveränität sei realitätsfern, der Modelltypus des homo oeconomicus in der Wirklichkeit nicht vorzufi nden und das marktkomplementäre Informationsmodell unzureichend. 265 Die sozial-ökonomische Stellung des Verbrauchers müsse durch rollensoziologische Überlegungen korrigiert werden, die den Verbraucher in seiner durch Umwelt, Rollensender, eigene Tätigkeit und Sozialstruktur geprägten Position begreifen. 266 Unter Wettbewerb versteht Reich nicht einen sich selbst regulierenden Entdeckungs-, sondern einen komplexen Sozialprozess. Um Wettbewerb sozial-ökonomisch Rechnung zu tragen, verlangt Reich über die Maßnahmen des Kartell- und Wettbewerbsrechts hinaus nach sozial-ökonomischen Marktinterventionsmaßnahmen in Gestalt von Anbietermacht- und Anbieterverhaltenskontrolle, Bereitstellung von Gegeninformationen (jenseits der Unternehmensinformationspolitik), Bildung von nachfrageorientierter Gegenmacht und gesetzgeberischen Maßnahmen zur Steigerung des Individualschutzes. 267 Der Verbraucher müsse zum wesentlichen Bestandteil, zum Subjekt, nicht nur zum Alibi des Wettbewerbes werden; diesem Ziel werde das traditionelle Wettbewerbsrecht, das zur »Missbrauchsbekämpfung« zivilrechtlicher Privatautonomie unter Abweisung eines besonderes Verbraucherrechts eingesetzt werde, nicht gerecht. Hier stelle sich Verbraucherschutz lediglich mittelbar – bei optimalen Wettbewerbsbedingungen – ein. 268

Reichs rollensoziologischer Ansatz ist im Ergebnis zwar zu weitgehend. Denn von einer schützenswerten Verbraucherstellung geht er schon dann aus, »wenn der Erwerb eines Gutes oder die Inanspruchnahme einer Dienstleistung nicht zu ›geschäftlichen Zwecken‹ . . . oder durch Unternehmen . . ., sondern zu persönlicher Bedarfsbefriedigung im weiteren Sinne geschieht«. 269 Bei konsequenter Umsetzung hieße dies letztlich nichts anderes, als dass das allgemeine 262

Reich, ZRP 7 (1974), 187 (189). Reich, ZRP 7 (1974), 187 (189, 190). 264 Reich, ZRP 7 (1974), 187 (189–191). 265 Reich, ZRP 7 (1974), 187 (190). 266 Reich, ZRP 7 (1974), 187 (190). 267 Reich, ZRP 7 (1974), 187 (191–194); vgl. hierzu auch die Analyse von Seiler, Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten, § 2 IV. 2. b) cc) (S. 113 ff.). 268 Reich, ZRP 7 (1974), 187 (191). 269 Reich, ZRP 7 (1974), 187 (194). 263

§ 17 Das Verhältnis zwischen Ausgestaltung und Einwirkung

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Vertragsrecht zur Ausnahmeerscheinung degradiert würde. Unterstützung verdient jedoch sein methodologischer Ansatz – dies zumindest insofern, als Reich Bestrebungen zeigt, die Aktivitäten von Gesetzgebung und Rechtsprechung in ein zivilrechtliches System zu ordnen. Auch wenn Reichs konkreter Vorschlag, das Zivilrecht kategorisch in ein Unternehmens-, Verbraucher- und Bürgerrecht zu unterteilen, nur bedingt überzeugt, macht er durch seine Ausführungen hinreichend deutlich, dass die Unternehmer- und Verbrauchertypisierung vertragstheoretisch nicht apriorisch ist, sondern durch außerjuristische Leitbilderwägungen gerechtfertigt werden muss. Letzten Endes bleibt er aber eine Begründung schuldig, welche ökonomischen bzw. soziologischen Leitbilderwägungen er konkret für ausschlaggebend hält, um zu seiner Aufteilung in drei Vertragsbereiche zu gelangen. IX. Ökonomische Analyse des Rechts – Maßstab der Vertragsrechtsordnung? In einen noch intensiveren außerjuristischen Sinnzusammenhang lassen sich die Freiheitsmodifi zierungen der Sonderprivatrechte durch die ökonomische Analyse des Rechts stellen. 270 Neben der Ausgangserwägung, dass Menschen in Alternativen entscheiden und bei diesen Entscheidungen Opportunitätskosten als Ertrag der nicht gewählten Option entstehen 271, beruht das ökonomische Entscheidungsmodell auf dem Optimierungsgebot. Dabei steht die Effi zienz der Mittelverwendung im Vordergrund: Es geht um die Idee, dass entweder ein bestimmtes Ziel mit möglichst wenig Input an knappen Ressourcen erzielt werden soll (Minimalprinzip) oder dass ein bestimmter Ressourceneinsatz, der zur Verfügung steht, zu einem möglichst hohen Zielerreichungsgrad führen soll (Maximalprinzip). 272 Rechtsnormen werden nach einer alternativen Folgenbewertung beurteilt, die für die Mitglieder der Gesellschaft herbeigeführt werden. 273 Jede Änderung des Rechts einschließlich der Etablierung von Sonderprivatrechten verändert die Anreize, unter denen Entscheidungen getroffen werden können.

270 Zur ökonomischen Analyse des Vertragsrechts im Überblick: Martinek, in: Willoweit (Hrsg.): Rechtswissenschaft und Rechtsliteratur im 20. Jahrhundert, S. 141 (S. 161 ff.); ders., TSAR 2007, 1 (14 ff.). 271 Zu den Opportunitätskosten: Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 3. Kap. 4.1 (S. 81). 272 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 3. Kap. 2.1 (S. 59); vgl. auch: Mestmäcker, A Legal Theory without Law, II. (S. 11 ff.). 273 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, Einleitung 2. (S. 2); Mackaay, Economics of Information and Law, 1. Kap. A. (S. 4).

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

1. Ökonomische Rechtsanalyse und Vertragsrecht Bewährtes Referenzsubjekt der ökonomischen Theorie bei der Ermittlung der Realfolgen von Rechtsnormen ist das rational und eigennützig handelnde Individuum, der sog. »homo oeconomicus«. Dieser verfügt über ein vollständiges, nicht-widersprüchliches, transitives und stabiles Präferenzsystem (REMM = resourceful, eva-luative, maximizing man). Als Akteur lässt sich der homo oeconomicus von egoistischen Interessen leiten, ist gegen moralische Kategorien und Pfl ichtbewusstsein grundsätzlich immun und verfolgt Ziele, die seinen eigenen Nutzen vergrößern. 274 Würde das abstrahierende Konstrukt der REMM-Hypothese einer Abstufung in verschiedene Privatrechtstypisierungen wegen der unterstellt einheitlichen Prognosezwecke grundsätzlich zuwiderlaufen, legt die Kritik an dem rational choise-Ansatz Zeugnis für den Bedarf nach ungleichen Sonderregelungen ab. So stellt etwa Simon dem vollkommen rational handelnden Akteur der ökonomischen Modellwelt sein Konzept eines nur eingeschränkt rationalen Verhaltens, die sog. »bounded rationality«, gegenüber. 275 Auch die Arbeiten von Kahneman, Tversky, Thaler und Smith wenden sich von dem homo oeconomicus wegen dessen nur unvollkommener Fähigkeit zur Informationsaufnahme- und verarbeitung, dessen Entscheidungsverhalten und dessen Grads an Uneigennützigkeit ab. 276 Aus ökonomischer Sicht ist Vertragsfreiheit vor allem deshalb wichtig, weil sie in einem funktionsfähigen Wettbewerb die Ressourcen an den Ort ihrer wertvollsten Verwendung steuert. 277 Es bilden sich Güterpreise, welche die echten Knappheitsverhältnisse anzeigen und Gütermengen, die bei gegebenem Stand der Produktionsmöglichkeiten die effi ziente Produktionsstruktur gewährleisten; es werden Anreize vermittelt, neue Produktionsmethoden zu entdecken, Möglichkeiten der Produktivitätssteigerung zu verwirklichen und somit den materiellen Wohlstand einer Gesellschaft anzuheben. 278 Gleichzeitig existieren aber auch Vertragsrisiken: So wissen Vertragspartner nicht, wie sich während der Vertragslaufzeit die Umwelt verändert (Risiko), ob der jeweils andere Partner wichtige Informationen verheimlicht (hidden informati274 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, Einleitung 3. und 3. Kap. 2. (S. 3 und S. 58 ff.); Eidenmüller, JZ 60 (2005), 216 (217). 275 Simon, QJEcon 69 (1955), 99 (99 ff.); ders., in: Eatwell/Milgate/Newman (Hrsg.): The New Palgrave Dictionary of Economics, Vol. 1, Stichwort: »bounded rationality«, S. 266, 267; Oehler, VuR 21 (2006), 294 (296 ff.). 276 Tversky/Kahnemann, JournBusiness 59 (1986), S251 (S254 ff.); dies., CognPschol 5 (1973), 207 (207 ff.); Thaler, JEconBehavOrg 1 (1980), 39 (39 ff.); Kahnemann/Knetsch/ Thaler, JEconPersp 5 (1991), 193 (194 ff.); dies., JPE 98 (1990), 1325 (1342 ff.); Jolls/Sunstein/Thaler. StanLRev 50 (1998), 1471 (1476 ff.). 277 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 10. Kap. 1. (S. 393). 278 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 10. Kap. 1. (S. 393).

§ 17 Das Verhältnis zwischen Ausgestaltung und Einwirkung

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on) und ob der jeweils andere Partner nachteilige Handlungen begeht (hidden action); außerdem können Vertragspartner vertragsspezifische Investitionen tätigen, die sich außerhalb des Vertrages gegebenenfalls nicht realisieren. 279 Das Vertragsrecht erleichtert anonyme Transaktionen, indem es Risiken zuordnet sowie den ex ante- und ex post-Opportunismus der Parteien vor und nach Vertragsschluss reduziert. 280 Dabei werden rationale Parteien im Falle eines vollständigen Vertrages die Risiken nicht beliebig sondern effi zient verteilen, sodass der Vertrag durch beiderseitige Nutzenförderung die Funktion der Wohlfahrtssteigerung erfüllen kann (Pareto-Kriterium). 281 Der vollständige Vertrag, bei dem die Parteien sich ex ante über die Zuordnung sämtlicher Risiken, die mit der Vertragsdurchführung verbunden sind, geeinigt haben, ist allerdings nur ein Gedankenspiel; die Praxis lässt wegen der ansonsten zu hohen Transaktionskosten nur unvollständige Verträge entstehen. 282 Als kostengünstige Rekonstruktionsfaktoren des vollständigen Vertrages fungieren daher Gesetz und Rechtsprechung 283 ; bei der Verteilung der Risiko- und Versicherungslasten sollten diese sich an dem Kaldor-Hicks-Kriterium orientieren und Kollektiventscheidungen nur dann durchführen, wenn aus dem Gewinn eines Begünstigten Benachteiligte unter Verbleib eines Nettogewinns beim Begünstigten voll entschädigt werden können 284. Demgemäß sollten Risiken, die nicht Gegenstand der Vereinbarung waren, dem »cheapest cost avoider« zugeordnet werden, vorausgesetzt, die Risikovermeidungskosten sind niedriger als der Erwartungswert des Risikos (Learned Hand-Formel). 285 Bei versicherbaren Risiken sollte der »cheapest insurer« haften. 286 Bei

279

Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 10. Kap. 3. (S. 396,

397). 280 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 10. Kap. 4. (S. 398). 281 Pareto, Manual of Political Economy, S. 1 ff.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 11. Kap. 1. und 12. Kap. 1. (S. 401 und S. 422); Eidenmüller, Effi zienz als Rechtsprinzip, Teil 1 § 1 C. II. 1. (S. 48 ff.); Mestmäcker, A Legal Theory without Law, II. (S. 12); Posner, Economic Analysis of Law, Chapt. 1 § 1.2 (S. 12 ff.). 282 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 11. Kap. 1. (S. 401, 402). 283 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 11. Kap. 2. (S. 403). 284 Eidenmüller, Effi zienz als Rechtsprinzip, Teil 1 § 1 C. II. 2. (S. 52); Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 2 Kap. 6.1 (1) (S. 32); zum KaldorHicks-Kriterium vgl. auch: Hicks, EconJournal 49 (1939), 696 (696 ff.); Kaldor, EconJournal 49 (1939), 549 (549 ff.). 285 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 11. Kap. 3. (S. 406). 286 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 11. Kap. 4.1 (S. 407).

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

nicht versicherbaren Risiken, die keine Partei mit vertretbarem Aufwand vermeiden kann, sollte der »superior risk bearer« haften. 287 Ein wichtiges Entscheidungskriterium bei der Risikobewertung und -zuordnung bilden die möglichen »Verhaltenskategorien unter Unsicherheit«, bei denen zwischen drei verschiedenen Haltungen differenziert werden kann: Risikoneigung, Risikoneutralität und Risikoaversion. Während risikogeneigte Vertragspartner zur Abwehr eines Risikos lediglich bereit sind, eine Versicherungsprämie zu zahlen, die unter dem Erwartungswert des Schadens liegt, ist ein risikoneutraler Partner bereit, eine Versicherungsprämie zu zahlen, die genau dem Erwartungswert des Risikos entspricht. 288 Nur risikoaverse Vertragspartner fi nden sich damit ab, eine Versicherungsprämie aufzuwenden, die in Anbetracht der verkehrsüblichen Kosten über dem Erwartungswert des Schadens liegt, sodass nur bei ihnen eine vertragliche Versicherung überhaupt zustande kommen kann. 289 Gesamtbetrachtend ist nach den ökonomischen Vertragsparadigma ein gültiger Vertrag jedenfalls nur dann gegeben, wenn eine Vereinbarung den Nutzen für beide Parteien fördert und auf diese Weise die ökonomische Funktion des Vertrags erfüllt; ein Vertrag, der nicht ex ante betrachtet Pareto-superior ist, sollte von Rechts wegen korrigiert werden. 290 Ähnlich wie der homo oeconomicus fungieren dabei die Abstraktionstypen des risikogeneigten, risikoneutralen und risikoaversen Marktteilnehmers als Orientierungsgrößen, um anhand des Kaldor-Hicks-Kriteriums den cheapest cost avoider, den cheapest insurer und den cheapest risk bearer ausfi ndig zu machen. 2. Ökonomische Analyse – Legitimation der Vertragsrechtsspaltung? Im vorliegenden Zusammenhang stellt sich vor allem die Frage, ob und inwiefern die ökonomische Begründung der Vertragsfreiheit einschließlich der aus den ökonomischen Vertragsparadigma abgeleiteten Schlussfolgerungen in Einklang mit bestimmten sonderprivatrechtlichen Modellen – insbesondere dem Handels- und Verbraucherrecht – gebracht werden können. 291

287

Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 11. Kap. 6. (S. 412,

413). 288 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 11. Kap. 4.2 (S. 408). 289 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 11. Kap. 4.2 (S. 409); vgl. zu den Aspekten der Risikoneigung, Risikoneutralität und Risikoaversion am Beispiel der Finanz- bzw. Kapitalmärkte: Posner, Economic Analysis of Law, Chapt. 15 (S. 405 ff.). 290 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 12. Kap. 1 (S. 422). 291 Vgl. auch: Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 12. Kap. 2. (S. 422 ff.).

§ 17 Das Verhältnis zwischen Ausgestaltung und Einwirkung

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Pauschal gehen Schäfer und Ott zumindest davon aus, dass das ökonomische und das rechtliche Vertragskonzept grundsätzlich übereinstimmen; ein Vertrag, der unter Verstoß gegen Fairness-Bedingungen zustande gekommen ist, könne weder ökonomisch noch rechtlich legitimiert und als »gültig« behandelt werden. 292 Ähnlich ist auch Eidenmüller der Ansicht, dass der homo oeconomicus »im Lichte stabiler und relevanter Rationalitätsdefizite, die systemimmanent bisher nicht erklärbar sind«, rekonstruiert werden müsse; nach der erforderlichen Anpassung werde das ökonomische Verhaltensmodell dann zu weniger weit reichenden, also spezielleren Theorien (Mikrotheorien) führen, als sie auf der Grundlage des »klassischen« homo oeconomicus möglich gewesen wären. 293 Dass auch der homo oeconomicus als positives Verhaltensmodell der Ökonomik einer Sonderbereichsbildung zugänglich sein könnte, wird durch Äußerungen wie diese also bestätigt. Gleichzeitig gibt Eidenmüller unter dem Eindruck der »Behavioral Law and Economics« aber zu bedenken, dass die Ausrichtung der gesamten Rechtspolitik am real existierenden Individuum mit allen seinen Rationalitätsdefi ziten zwar verhindern würde, dass es zu Fehlschlägen des Gesetzgebers käme, die auf irrigen Verhaltensannahmen aufbauten. Rationalitätsdefi zite abbauen würde das Recht in diesem Fall aber keine; vielmehr würde der real existierende – nur beschränkt rationale – (Verbraucher-) Typus mit all seinen Defi ziten eingerichtet und stabilisiert. 294 M. Lehmann wiederum sieht gerade in der rechtspolitischen Diskussion über die richtige Dimensionierung eines privatrechtlichen Verbraucherschutzes auch aus ökonomischer Sicht den Versuch, »der Nachfrageseite eine ihrer ökonomischen Funktion adäquate wirtschaftliche – und damit auch wirtschaftsrechtlich stärkere Position zu verschaffen«. 295 Das Handelsrecht und dabei insbesondere die Regelungen der Handelsgeschäfte im dritten und vierten Buch des HGB könnten dagegen aus ökonomischer Sicht als ein Instrument aufgefasst werden, »das gegenüber dem Bürgerlichen Recht die Transaktions- und Informationskosten, die mit Güteraustauschvorgängen notwendigerweise zusammenhängen, senken soll«. 296 Im Grunde würde die Annahme, dass die Sonderprivatrechte (Handels- und Verbraucherrecht) einer ökonomischen Fundierung zugänglich sind, allerdings voraussetzen, dass der legislative Grad freiheitsbezogener Ungleichbehandlung sich im Wege einer Kostenanalyse genau errechnen ließe. Dabei wären die Regulierungskosten mit den dadurch zu erzielenden Vorteilen in eine 292 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 12. Kap. 2. (S. 424). 293 Eidenmüller, JZ 60 (2005), 216 (221). 294 Eidenmüller, JZ 60 (2005), 216 (223). 295 M. Lehmann, Bürgerliches Recht und Handelsrecht – eine juristische und ökonomische Analyse, I. 2. (S. 8). 296 M. Lehmann, Bürgerliches Recht und Handelsrecht – eine juristische und ökonomische Analyse, VII. 2. (S. 262).

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

Waagschale zu werfen. 297 Dass das Ergebnis einer solchen pekuniären Abwägung genau oder zumindest annährend dem Typisierungsgrad der Sonderprivatrechte entspräche, ist jedoch unwahrscheinlich. Die ökonomische Analyse im Sinne eines möglichen Rechtfertigungsinstruments für eine bestimmte Einteilung von Verhaltensmodellen erscheint daher hypothetisch, um nicht zu sagen spekulativ. Dementsprechend vermag die ökonomische Analyse im vorliegenden Zusammenhang letztlich nicht mehr als eine Hilfestellung zu liefern, um die Abspaltung der Sonderprivatrechte anhand eines marktwirtschaftlichen Vorverständnisses mit einer größeren Überzeugungskraft zu untermauern und »auch die Funktion [der] Rechtsordnung als ein Instrument des social-engineering besser zu verstehen«. 298

B. (Sonder-) Vertragskonzeption im Rechtsordnungsvergleich Als Zwischenergebnis der vorstehenden Ausführungen lässt sich an dieser Stelle festhalten, dass weder ökonomische Effi zienzüberlegungen noch vertragstheoretische Modelle in der Lage sind, den Sondervertragsrechten zu einer apriorischen Begriffsimmanenz im Hinblick auf das Vertragsinstitut zu verhelfen. Greift man allerdings einen anderen Gedanken, nämlich den der »corrective justice theory« auf, wonach die Aufgabe des Rechts, ausgleichende Gerechtigkeit zwischen den Vertragsparteien zu schaffen 299, immanent aus dem Recht selbst heraus entwickelt werden muss, wäre in Erwägung zu ziehen, ob nicht aus den positiven Rechtsnormen der EU-Mitgliedstaaten ein entsprechendes Erklärungsmodell abgeleitet werden kann. Herausbilden ließe sich ein solches Modell im Wege der Rechtsvergleichung als ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, was allerdings voraussetzen würde, dass sich aus dem positiven Recht – seinen Begriffen, Regeln, Prinzipien und seiner Dogmatik300 – hinreichende Anhaltspunkte für das Dogma einer generellen b2c- bzw. b2bTypisierung ergäben. Um herauszufi nden, ob und inwiefern einer begriffsimmanenten Akzeptanz der Sondervertragsrechte, insbesondere auf Gemeinschaftsebene, das Wort zu reden ist, müsste daher untersucht werden, wie die Rechtsordnungen der EUMitgliedstaaten die Grenze zwischen Ausgestaltung und Einschränkung der Vertragsfreiheit determinieren.

297

Hadfi eld/Howse/Trebilcock, JCP 21 (1998), 131 (148, 164). M. Lehmann, Bürgerliches Recht und Handelsrecht – eine juristische und ökonomische Analyse, VIII. (S. 308). 299 Röckrath, ARSP 83 (1997), 506 (506, 507). 300 Röckrath, ARSP 83 (1997), 506 (506, 507). 298

§ 17 Das Verhältnis zwischen Ausgestaltung und Einwirkung

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I. Die kontinentalen Gesetzgebungen mit dualistischem Privatrecht Eine wichtige Rechtstradition für das Gemeinschaftsrecht ist die romanischkontinentale. Das moderne Vertragsrecht der Rechtsordnungen, die diesem Rechtskreis angehören, fi ndet seine historische Grundlage in der Tradition des römischen Gemeinen Rechts. Seine Kodifi kationsvorlage bildet der französische Code civil von 1804. 301 Im Gegensatz zum BGB, das den Vertrag implizit voraussetzt, sehen die übrigen modernen Kodifi kationen kontinentalromanischer Prägung eine gesetzliche Defi nition des Vertrages als Willenseinigung vor302 , entweder ausgehend von dem Eigentum303, dem Eigentumserwerb304, den Sachenrechten305 oder der Obligation306. 1. Französisches Vertragsrecht – Willensprinzip und Vertragsfreiheit Die französische Privatrechtsordnung weist mittlerweile, ähnlich wie die deutsche, ein System der vertragsrechtlichen Dreiteilung – bestehend aus allgemeinem, Handels- und Verbrauchervertragsrecht – auf. Dabei sind Verträge zunächst einmal Gegenstand der allgemeinen Regeln, wie sie im »Titre III« des Code civil (franzCcivil) enthalten sind, unterliegen aber davon abgesehen neben dem EG-rechtlich veranlassten Verbrauchervertragsrecht auch einem handelsrechtlichen Sonderregime. Die Einheit des Vertragsrechts wird maßgeblich durch die Willenstheorie gesichert (»théorie de l’autonomie de la volonté«), wobei der Liberalismusgedanke der Kodifi kationszeit heute noch in Art. 1134 Abs. 1 franzCcivil gesetzespositivistisch zum Ausdruck gelangt. 307 301

Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 6 I. (S. 74). So versteht Art. 1101 des französischen Code civil unter einem Vertrag »une convention par laquelle une ou plusieurs personnes s’obligent, envers une ou plusieurs autres, à donner, à faire ou à ne pas faire quelque chose«. Detaillierter und unter Formulierung seiner zentralen Voraussetzungen defi niert dagegen § 861 des österreichischen ABGB den Vertrag wie folgt: »Wer sich erklärt, dass er jemandem sein Recht übertragen, das heißt, dass er ihm etwas gestatten, etwas geben, dass er für ihn etwas tun, oder seinetwegen etwas unterlassen wolle, macht ein Versprechen; nimmt aber der andere das Versprechen gültig an, so kommt durch den übereinstimmenden Willen beider Teile ein Vertrag zustande. Solange die Unterhandlungen dauern, und das Versprechen noch nicht gemacht, oder weder zum voraus, noch nachher angenommen ist, entsteht kein Vertrag.« 303 Dabei bildet in den historisch ältesten Kodifi kationen, dem französischen Code civil von 1804 und dem österreichischen ABGB von 1811, das Eigentum – und nicht der Vertrag – den systematischen Ausgangspunkt des Kodifi kationsaufbaus. 304 Im französischen, belgischen und rumänischen Code civil sind Verträge im »Titre III« unter der Überschrift »Des différentes manières dont on acquiert la propriété« aufgeführt. 305 Im österreichischen ABGB werden Verträge im »Zweiten Teil« unter den »Teil«- und »Abteilungs«-Überschriften »Von dem Sachenrecht« bzw. »Von den persönlichen Sachenrechten« erörtert. 306 Erst der spanische Código civil von 1889 widmete dem Vertragsrecht und den vertraglichen Obligationen als bemerkenswerte Neuerung ein selbstständiges Viertes Buch (»De las obligaciones y contratos«). 307 »Les conventions légalement formées tiennent lieu de loi à ceux qui les ont faites«: Die 302

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

Der Gattungsbegriff der Generalklausel ist in der französischen Rechtstheorie nicht in gleichem Maße wie im BGB verankert. 308 Umso größer ist der Einfluss der Willenstheorie auf das gesamte Vertragsverständnis. So müssen die Vertragsparteien vor allem frei sein zu entscheiden, ob sie einen Vertrag eingehen wollen oder nicht. Sie können unter Ausschluss gerichtlicher Kontrolle grds. alle Vereinbarungen treffen, die inhaltlich nicht gegen zwingende öffentliche Interessen verstoßen. 309 Seinem Leitbild nach zu urteilen, ist der Code civil (1804) in seiner ursprünglichen Fassung das Gesetzbuch der Bourgeoisie, die sich in den Kämpfen der Französischen Revolution gegen die feudalen Herrschaftsstrukturen des ancien régime durchgesetzt hatte. 310 Auch der Code de commerce war mit seiner objektiven Ausrichtung an dem Begriff der »actes de commerce« gesetzgeberischer Ausdruck dieser Zeitepoche. Bereits in seiner ursprünglichen Fassung (1808) war er darauf angelegt, möglichst nicht noch zwischen verschiedenen Formen von Kaufleuten zu differenzieren, nachdem ohnehin schon die Berechtigung, überhaupt ein Sonderprivatrecht für bestimmte im Handelsverkehr auftretende Personen zu schaffen, angesichts des revolutionären Gleichheitsgedankens fragwürdig erschien. 311 Auch heute noch sieht das französische Recht nicht verschiedene Formen von Kaufleuten vor, sondern enthält lediglich Tendenzen, für kleinere Kaufleute vereinfachte Regeln zu entwickeln. 312 Verbraucherrechtlich weist Frankreich seit 1972 gesetzliche Regelungen zu Haustürgeschäften auf (Gesetz Nr. 72–1137) 313, besitzt seit 1978 ein Schutzgesetz für den Bereich der Kreditgeschäfte (Gesetz Nr. 78–22) 314 bzw. ein Verbrauchergesetz mit einem Verwaltungskontrollsystem für missbräuchliche

neuere Forschung hat ergeben, dass die Verfasser des Code Civil die Formeln der Art. 544 und 1134 franzCcivil, die schon seit Jahrhunderten in der europäischen Jurisprudenz verbreitet waren, ohne viel Nachdenken übernommen haben. Erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurden sie zu liberalen Programmsätzen aufgewertet (Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 7 I. (S. 85). 308 Jung, in: Baldus/Müller-Graff (Hrsg.): Die Generalklausel im Europäischen Privatrecht, S. 37 (S. 41). 309 Schmidt-Szalewski, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, France, Tz. 41. 310 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 7 III. (S. 92). 311 Müller-Freienfels, FS für von Caemmerer (70. Gebtg.), S. 583 (S. 600); Kort, AcP 193 (1993), 453 (465, 466); Hamel/Lagarde, Traité de Droit Commercial, Bd. 1, Chapitre 1 Section II § 4 (S. 30 ff.); Sonnenberger, Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht, II 48 (S. 68); Raisch, Die Abgrenzung des Handelsrechts vom Bürgerlichen Recht, IV. (S. 48). 312 Sonnenberger, Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht, II 48 (S. 68); Kort, AcP 193 (1993), 453 (466). 313 Loi ní 72–1137 – J. O. 1972, S. 13348 ff.; vgl. auch: Micklitz, in: Grabitz/Hilf, EUV/ EGV, Sekundärrecht Nach A 2 Rn. 25 ff. 314 Loi ní 78–22 – J. O. 1978, S. 299 ff.; vgl. auch: Denkinger, Der Verbraucherbegriff, 2. Teil A. V. 2. (S. 198 ff.).

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Klauseln (Gesetz Nr. 78–23) 315 und verfügt seit 1988 über ein Verbrauchergesetz zum Teleshopping (Gesetz Nr. 88–21) 316. Mit Erlass des Code de la consommation (Gesetz Nr. 93–949) wurden diese Gesetze im Wege der »codification à droit constant« in ein neu geschaffenes Verbrauchergesetzbuch überführt317, über das heute alle wesentlichen Verbraucherrichtlinien umgesetzt sind318. Neben dem »consommateur« fällt auch der »non-professionnel« unter den Schutzbereich des Verbraucherrechts – eine eigentümliche Erweiterung, die auch Handwerker und Kaufleute ohne berufsspezifische Spezialkenntnisse auf dem Gebiet des jeweiligen Vertrages als schutzbedürftig einstuft. 319 Anders als im deutschen Recht geht die Missbrauchskontrolle traditionell nicht von dem Begriff der AGB, sondern von dem Individualvertrag aus, konzentriert sich dafür aber auf »les contrats conclus entre professionnels et non-professionnels ou consommateurs« (L 132–1 franzCcon). 320 Obwohl das Zivilrecht insgesamt Aufgabe des Gesetzgebers ist (während Rspr. und Lehre gesetzliche Regeln lediglich konkretisieren sollen321), hat in der Vergangenheit vor allem die Rspr. die überkommenen Regeln an die modernen Erfordernisse adaptiert322 . Weil das Vertragsrecht seit 1804 durch gesetzgeberische Reformen weitgehend unbehelligt blieb323, musste notgedrungen die Rechtslehre das Vertragsverständnis an die geänderten Verhältnisse anpassen. 324 Beeinflussen nach dem Gesetz z. B. Irrtum, Zwang oder Täuschung die Wirksamkeit des vertraglichen Willenskonsenses (Art. 1109 franzCcivil), hat die Rspr. eine Täuschungsanfechtung auch für den Fall entwickelt, 315 Loi ní 78–23 – J. O. 1978, S. 301 ff.; vgl. auch: Sonnenberger, RIW 36 (1990), 165 (166); Lemmer, Die EG-Richtlinie über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 4. Kap. D. (S. 84 ff.); Denkinger, Der Verbraucherbegriff, 2. Teil A. V. 3. (S. 208 ff.). 316 Loi ní 88–21 – J. O. 1988, S. 271 ff.; vgl. auch: Micklitz, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht Nach A 3 Rn. 30 ff. 317 Gesetz Nr. 93–949 vom 26. 07. 1993 – J. O. 1993, S. 10538; vgl. auch: Witz/Wolter, ZEuP 3 (1995), 35 (35 ff.); Berger-Walliser, RIW 42 (1996), 459 (460). 318 Loi no 95–96 – J. O. 1995, S. 1755 ff.; vgl. auch: Witz/Wolter, ZEuP 3 (1995), 885 (885 ff.). 319 Cour de Cassation v. 25. 05. 1992 – Semaine Juridique 1992, édition générale, IV. Tableaux de Jurisprudence (1992) – 2142; Witz/Wolter, ZEuP 3 (1995), 885 (886); Fages, ZEuP 11 (2003), 514 (515); Berger-Walliser, RIW 42 (1996), 459 (461); Pfeiffer, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 21 (S. 34). 320 Berger-Walliser, RIW 42 (1996), 459 (459, 462); Witz, FS für Sandrock (70. Gebtg.), S. 1045 (S. 1045 ff.); Burckhardt, Das AGB-Gesetz unter dem Einfluss der EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, B. II. 3. (S. 47 ff.). 321 Sonnenberger, ZEuP 15 (2007), 421 (422). 322 Vgl. zur allgemeinen Rechtswicklung: Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 7 III. (S. 93, 94). 323 Sonnenberger, ZEuP 15 (2007), 421 (421); Fauvarque-Cosson, ZEuP 15 (2007), 428 (430 ff.). 324 Zur Beurteilung der conditions générales: Sonnenberger, RIW 36 (1990), 165 (165 ff.).

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

dass zwar keine Täuschung im engeren Sinne vorliegt, aber jemand die Zwangslage, in die ein anderer ohne sein Zutun geraten ist, erkennt und in missbräuchlicher Weise zu seinem eigenen Vorteil ausnutzt. 325 Eine solche Anfechtung wegen »dol« muss sich etwa gefallen lassen, wer das hohe Alter, die schwere Krankheit, die jugendliche Unerfahrenheit oder eine Zwangslage seines Kontrahenten ausnutzt, indem er ihm keine Zeit zu ruhiger Überlegung lässt oder ihm die Beratung durch seine Familienangehörigen oder einen Rechtsanwalt ausredet oder die Tragweite des Vertrags verharmlost oder verschleiert. 326 Vorerst sind zwar die seit 1804 gesetzlich verankerten Grundsätze des Code civil nach wie vor in Kraft327, sodass etwa für eine wirksame Vertragsabrede folgende vier Voraussetzungen wesentlich sind (Art. 1108 franzCcivil): »Le consentement de la partie qui s’oblige; Sa capacité de contracter; Un objet certain qui forme la matière de l’engagement; Une cause licite dans l’obligation.« Abgesehen davon hat das in Art. 1134 Abs. 3 franzCcivil angedeutete Gebot von Treu und Glauben, dem in Frankreich traditionell nicht der gleiche Einfluss wie in Deutschland zukommt328, in den letzten 25 Jahren jedoch erheblich an Bedeutung gewonnen329. Dies hat zur Folge, dass bereits aktuell zu einem gewissen Ausmaß natürliche Ungleichheiten über vertragliche Vereinbarungen bereinigt werden können. 330 In Zukunft könnte sich diese Tendenz durch gesetzgeberische Maßnahmen verstärken: Denn bedingt durch internen Reformdruck und die Turbulenzen der europäischen Vertragsrechtsentwicklung331 wurde dem französischen Justizminister im Jahre 2005 ein Vorentwurf für eine Reform des »Titre III« vorgelegt (»Avant-projet«) 332 , mit dem das seit 1804 bestimmende Willensprinzip eingeschränkt werden soll333. Der Vorentwurf enthält zahlreiche Neuerungen, wobei nicht nur die »bonne fois« durch gegenseitige Loyalitäts-, Kooperations- und sogar Fürsorge325

Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 24 II. (S. 321). Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 24 II. (S. 321). 327 Schmidt-Szalewski, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, France, Tz. 41. 328 Witz, ZEuP 12 (2004), 503 (505, 506); ders. /Wolter, ZEuP 3 (1995), 885 (889). 329 Fages, ZEuP 11 (2003), 514 (517 ff.); vgl. auch die Übersicht bei: Whittaker/Zimmermann, in: Whittaker/Zimmermann (ed.): Good Faith in European Contract Law, Part 1–1. V. (p. 32 ff.); Groves, ConstLJ 15 (1999), 265 (265 ff.). 330 Schmidt-Szalewski, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, France, Tz. 41. 331 Sonnenberger, ZEuP 15 (2007), 421 (422, 423); Fauvarque-Cosson, ZEuP 15 (2007), 428 (431, 432). 332 Vgl. Pierre Catala (Hrsg.): Avant-projet de réforme du droit des obligations et du droit de la prescription, URL: http://lesrapports.ladocumentationfrancaise.fr/BRP/054000 622/0000.pdf (04. 08. 2008); im Überblick: Sonnenberger, ZEuP 15 (2007), 421 (421 ff.); Fau-varque-Cosson, ZEuP 15 (2007), 428 (428 ff.). 333 Sonnenberger, ZEuP 15 (2007), 421 (425). 326

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pfl ichten präzisiert wird334, sondern auch weitere Vorschriften für das vertragliche Gleichgewicht Sorge tragen und sicherstellen sollen, dass die vertraglichen Rechte in sozialer Verantwortung wahrgenommen werden335. Darüber hinaus sieht der Entwurf Informationspfl ichten vor, die dem kenntnisstärkeren Verhandlungspartner gegenüber dem anderen auferlegt sind (Art. 1110). Obwohl auch der Verbraucher ausdrücklich benannt wird (Art. 1382–2 Abs. 2), bleiben das Recht der Handelsgeschäfte und verbrauchervertragsrechtliche Regelungen insgesamt ausgespart. In der Gesamtbetrachtung (mit den unveränderten handels- und verbraucherrechtlichen codices) basiert das französische Vertragsrecht damit immer noch auf einem Vertragsmodell, welches neben die abstrakt-generellen Regeln des allgemeinen Vertragsrechts gruppenspezifische Sonderregeln für Verbraucher, Unternehmer und Kaufleute stellt. Anhaltspunkte, die gegen einen dreidimensionalen Vertragsbegriff sprechen könnten, sind der französischen Privatrechtsordnung nicht zu entnehmen. 2. Vertragsrecht in Belgien – französische Wurzeln und Fortentwicklung Einer ähnlichen Dreiteilung folgt auch das zur französischen Rechtsfamilie gehörende belgische Vertragsrecht336, das sich ähnlich wie das französische Vertragsrecht durch eine starke Stellung des Gesetzgebers unter Degradierung der Judikative zum »Sprachrohr der Gesetzgebung« auszeichnet337. Nachdem das Gebiet des heutigen Belgien im Frieden von Campo Formio 1797 Frankreichs Staatsgebiet einverleibt wurde, trat dort 1804 automatisch der Code civil des Mutterlandes338 und zum 01. Januar 1808 auch der französische Code de commerce339 in Kraft. Selbst als Belgien in der Revolution von 1830 seine Unabhängigkeit erlangte und die neue Verfassung eine grundlegende Reform der Zivilgesetzbücher anmahnte, blieb der französische Code civil bestehen. 340 Ein größerer Einfluss des common law sowie niederländischer und deutscher Traditionen macht sich erst seit dem Zweiten Weltkrieg bemerkbar: Während seitdem die französischsprachigen Juristen immer noch nach Einflüssen im

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Vgl. Art. 1104, 1110 und 1150. Vgl. Art. 1121–4, 1121–5, 1135–2. 336 Herbots, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Belgium, Tz. 17. 337 Herbots, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Belgium, Tz. 18. 338 Convent, ZEuP 8 (2000), 733 (733); Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 8 II. (S. 99). 339 Ryn/Heenen, Principes de Droit Commercial, Chap. II Sect. I (S. 28); Hoffmann E., Grundzüge des belgischen Handels-, Gesellschafts- und Wirtschaftsrechts, § 1 (S. 1). 340 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 8 II. (S. 99). 335

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

Süden suchen (Frankreich), wenden die Flamen ihren Blick auch in Richtung common law, Niederlande und Deutschland. 341 Das Recht der Kaufleute, das u. a. durch den Code de commerce geregelt wird342 , stellte bis zum 18. Jahrhundert ein Ausnahmeregime innerhalb des Privatrechts dar, wohingegen es nach heutiger Konzeption dem Code civil nicht mehr untergeordnet ist. 343 Hinsichtlich der Abgrenzung des Handelsvon dem bürgerlichen Recht geht das belgische Handelsgesetzbuch einen Mittelweg zwischen objektiver und subjektiver Methode: Während Art. 1 belgCcom Kaufleute als Personen defi niert, die an sich bereits qualifi zierte »Handelsgewerbe« (hauptberufl ich oder nebenberufl ich) ausüben, folgt anschließend im Gesetz eine abschließende, jedoch unvollständige und unsystematische Aufzählung von gesetzlich defi nierten Handelstätigkeiten und gewissen Ausnahmen. 344 Für das Vertragsrecht im allgemeinen ist der Grundsatz der Vertragsfreiheit konstituierend (Art. 1134 belgCcivil), wobei traditionell wie im französischen Recht die Willenstheorie eine prädominante Rolle spielt. 345 Dagegen liegt der belgischen Vertragsdefi nition die Idee der Ausgewogenheit fern, setzt nach dem belgischen Selbstverständnis ein Vertrag doch nicht zwangsläufig die Erbringung einer angemessenen Gegenleistung für ein Versprechen voraus. Wirksamkeitsvoraussetzung ist lediglich, dass das jeweils Vereinbarte nicht gegen die öffentliche Ordnung verstößt. 346 Allenfalls im Hinblick auf Immobilien weist das Kaufvertragsrecht einen öffentlich-rechtlichen Ordnungscharakter auf, indem nach Art. 1674 ff. belgCcivil ein Verkauf unter Wert zur Vertragsaufhebung führen kann (lésion). 347 Eine Tendenz zur Regulierung bestimmter Verbraucherschutzbereiche existierte in Belgien bereits vor Umsetzung der europäischen Richtlinien. 348 Das 341 Herbots, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Belgium, Tz. 17. 342 Vgl. zu den in der Rspr. »entwickelten« Handelsbräuchen zum Handelskauf: Hoffmann E., Grundzüge des belgischen Handels-, Gesellschafts- und Wirtschaftsrechts, § 2 Teil 3 (S. 18 ff.). 343 Hoffmann E., Grundzüge des belgischen Handels-, Gesellschafts- und Wirtschaftsrechts, § 1 (S. 1); Van Ryn/Heenen, Principes de Droit Commercial, Tome 1, Chap. 1 Sect. I (S. 3). 344 Vgl. van Ryn/Heenen, Principes de Droit Commercial, Chap. 1 Sect. III (S. 15 ff.); Herbots, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Belgium, Tz. 33; Hoffmann E., Grundzüge des belgischen Handels-, Gesellschafts- und Wirtschaftsrechts, § 1 (S. 2); Stuyck, in: Blanpain (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Commercial & Economic Law, Belgium, Tz. 26. 345 Herbots, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Belgium, Tz. 37, 51. 346 Herbots, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Belgium, Tz. 44. 347 Hoffmann E., Grundzüge des belgischen Handels-, Gesellschafts- und Wirtschaftsrechts, § 2 Teil 2 I. B. (S. 7). 348 Hoffmann E., Grundzüge des belgischen Handels-, Gesellschafts- und Wirtschafts-

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seinerzeitige »loi sur les pratiques du commerce« (1971), das den Wettbewerb und die guten Sitten im Geschäftsverkehr behandelte, wurde durch das Gesetz über Handelspraktiken vom 14. Juli 1991 (GesHandprakt) abgelöst. 349 Heute dient dieses Gesetz der Transformation der Haustürgeschäfte-, Klausel- und Fernabsatzrichtlinie, wohingegen zur Umsetzung der Timesharing- und Verbraucherkreditrichtlinie jeweils ein gesondertes Gesetz erlassen worden ist. 350 Dagegen hat die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zur Einfügung einer isolierten Sektion in den Code civil geführt (Art. 1649bis – 1649octies belgCcivil). 351 Generell hat der belgische Gesetzgeber vielfach von den Mindestharmonisierungsklauseln Gebrauch gemacht, wobei etwa bemerkenswert ist, dass eine Missbrauchskontrolle auch bei individuell ausgehandelten Verbraucherverträgen stattfi nden kann352 bzw. die Verbrauchereigenschaft verloren geht, wenn eine Ware oder Dienstleistung für gemischt private und geschäftliche Zwecke erworben werden soll (Art. 1 Nr. 7 GesHandprakt). 3. Vertragsrecht in Spanien – Zentralgewalt und Comunidades Autónomas Auch in Spanien hat die Unterscheidung zwischen Handels- und Zivilvertragsrecht Tradition; anders als in Deutschland hat sie sogar eine verfassungsrechtliche Bedeutung. Als im 19. Jahrhundert unter dem Eindruck der französischen Kodifi kation der Plan entstand, ein einheitliches spanisches Zivilrecht zu schaffen353, konnte 1829 zunächst nur für das Handelsrecht eine Kodifi kation (Código de comercio) auf der Grundlage des französischen Code de commerce in Kraft gesetzt werden. 354 Der Código civil (spanCcivil), der auch heute noch Geltung beansprucht, wurde dagegen erst 1889 verkündet. 355 Hinsichtlich Inhalt und Struktur wurde er durch den französischen Code civil rechts, § 12 (S. 124 ff.); Schulte-Nölke/Twigg-Flesner/Ebers (Hrsg.): EG-Verbraucherrechtskompendium, Teil II. B. I. (S. 53, 54). 349 Moniteuer Belge 23. 12. 1998, S. 40703 ff.; deutsche Übersetzung abgedruckt in: Hoffmann E., Grundzüge des belgischen Handels-, Gesellschafts- und Wirtschaftsrechts, Anhang 1. (S. 188 ff.). 350 Schulte-Nölke/Twigg-Flesner/Ebers (Hrsg.): EG-Verbraucherrechtskompendium, Teil II. B. (S. 53 ff.); zum Verbraucherkreditgesetz vom 12. 06. 1991 vgl.: Hoffmann E., Grundzüge des belgischen Handels-, Gesellschafts- und Wirtschaftsrechts, § 12 II. (S. 124 ff.); zur Umsetzung der Klauselrichtlinie: Lemmer, Die EG-Richtlinie über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 4. Kap. A. (S. 79, 80). 351 Jacobs, Die Sachmängelgewähr im deutschen und belgischen Kaufrecht, 2. Kap. 2. Teil (S. 125 ff.); Schulte-Nölke/Twigg-Flesner/Ebers (Hrsg.): EG-Verbraucherrechtskompendium, Teil II. B. (S. 53). 352 Schulte-Nölke/Twigg-Flesner/Ebers (Hrsg.): EG-Verbraucherrechtskompendium, Teil II. B. IV. (S. 55). 353 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 8 IV. (S. 106). 354 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 8 IV. (S. 106); im Überblick: Raisch, Die Abgrenzung des Handelsrechts vom Bürgerlichen Recht, V. 2. (S. 56 ff.). 355 Peuster, Código Civil: Das spanische Zivilgesetzbuch, Einleitung Ziff. 1 (S. XXXI).

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

beeinflusst. 356 Noch heute sind die Handelsgeschäfte in der Spezialkodifikation des Código de comercio (spanCcom) geregelt, der im Jahre 1885 wesentlich modernisiert worden ist. Zahlreiche privatrechtliche Regelungen sind in ihm enthalten, die in anderen Ländern wie Frankreich, der Schweiz und Deutschland, zum bürgerlichen Recht zählen. 357 Neben einer allgemeinen, nationalen Rechtsordnung (ordenamiento jurídico español) weist Spanien verschiedene Foralrechte (derechos forales) auf, bei denen es sich um selbstständige Rechtsordnungen einzelner spanischer Regionen (Comunidades Autónomas) handelt. 358 Während die Rechtsetzungskompetenz zum Handelsrecht ausschließlich der gesamtstaatlichen Legislative zugeordnet ist (Art. 149 Abs. 1 Ziff. 6 ConstEspañ), obliegt die Rechtsetzungskompetenz für das Zivilrecht sowohl dem gesamtspanischen Parlament als auch den Legislativorganen einiger Regionen (Art. 149 Abs. 1 Ziff. 8 ConstEspañ); dabei ist im Hinblick auf das Schuld- und Vertragsrecht wiederum die Besonderheit zu beachten, dass es der Rechtsetzungskompetenz der Regionen zugunsten der Zentralgewalt entzogen ist (Art. 149 Abs. 1 Ziff. 8 Nr. 2 ConstEspañ). Sind bestimmte Rechtsinstitute in den Regionen nicht geregelt, verweist unter bestimmten Voraussetzungen die Subsidiaritätsklausel des Art. 149 Abs. 3 ConstEspañ auf den gesamtspanischen Código civil. 359 Eckpfeiler des spanischen Vertragsrechts ist die Vertragsfreiheit (vgl. Art. 1255 spanCcivil), wobei der Código civil mit dem französischen Code civil das »Modell« persönlicher Freiheit unter weitgehender Außerachtlassung materialer Gerechtigkeit im Sinne einer individualistisch-liberalen Rechtsauffassung grds. teilt. 360 Abgesehen von den Fällen der Art. 1291 Nr. 1 und 2 spanCcivil (d. h. bei Verträgen, die von einem Vormund ohne gerichtliche Zustimmung oder die in Vertretung von Abwesenden geschlossen wurden, wenn eine Schädigung eintritt, die mehr als ein Viertel des Vertragsgegenstandes beträgt) kann ein Vertrag wegen laesio enormis nicht aufgehoben werden (Art. 1293 spanCcivil). Im Übrigen abstrahiert das spanische Recht ähnlich 356 Vaquer, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Spain, Tz. 14; Matthies, Die Unwirksamkeit von Verträgen im deutschen, englischen und spanischen Recht, III. 3.1 (S. 134, 135); vgl. zum direkten Vergleich in tabellenähnlicher Form: Schön, Allgemeines Vertragsrecht und Kaufvertragsrecht, Teil 1 VI. B. (S. 63 ff.). 357 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1. Teil 2. Kap. III. (S. 20). 358 Die Comunidades Autónomas mit einer Rechtssetzungskompetenz sind namentlich Katalonien (Cataluña), Baskenland (País vasco), Galicien (Galicia), Aragonien (Aragón), Navarra und die Balearen (Islas Baleares); vgl.: Navas Navarro, ZfRV 45 (2004), 212 (213). 359 Navas Navarro, ZfRV 45 (2004), 212 (214). 360 Martínez de Aguirre, ADC 1994/I, 31 (34); Eckl, Treu und Glauben im spanischen Vertragsrecht, § 4 A. II. 1. (S. 65); Vaquer, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Spain, Tz. 17, 30; Matthies, Die Unwirksamkeit von Verträgen im deutschen, englischen und spanischen Recht, III. 3.2.1 (S. 136).

§ 17 Das Verhältnis zwischen Ausgestaltung und Einwirkung

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wie im deutschen Recht über die generelle Anerkennung der Rechtsfähigkeit von der jeweiligen conditio humana und gewährt allen Geschäftsfähigen die formal gleiche Möglichkeit zur Vertragsautonomie. 361 Andererseits haben aber in Spanien bereits in den 1920er und 1930er Jahren, angestoßen u. a. von Alguer und Castán Tobeñas, Bemühungen um eine größere »Sozialisierung«, »Ent-Individualisierung«, »Moralisierung« bzw. »Humanisierung« des Privatrechts eingesetzt. 362 Auch Autoren wie de Cossio y Corral (1955) suchten nach Mitteln und Wegen, sozialen Anschauungen einen größeren Stellenwert einzuräumen. 363 Während die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts in diesem Zusammenhang noch durch eine Phase des Suchens und Orientierens geprägt war, sticht die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem durch die Reform des Einführungstitels zum Código civil hervor (1973). 364 Seitdem ist auch im ersten Titel des Código civil die »buena fe« verankert (Art. 7 Abs. 1 spanCcivil), die damit implizit den Charakter eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes (principio general) einnimmt. 365 Die Vorschrift sieht vor, dass Rechte im Einklang mit den Anforderungen von Treu und Glauben auszuüben sind. Über Treu und Glauben gibt das spanische Zivilrecht den Vertragsparteien Nebenpfl ichten und Verhaltensanforderungen auf, schränkt subjektive Rechte ein und gewährt dem Richter die Möglichkeit, bestimmte Verhaltensstandards ex offi cium zu formulieren. 366 Neben der Reform des Título Preliminar hat das Phänomen der Moralisierung und Sozialisierung des Vertragsrechts auch in die Rechtsanwendung Eingang erhalten. Ansatzpunkte hierfür liefert nicht nur die Rechtsanwendung zu Art. 1256 spanCcivil, wonach Wirksamkeit und Erfüllung nicht dem Ermessen eines Vertragsschließenden anheim gestellt werden können; auch Art. 1258 spanCcivil lässt entsprechende Anhaltspunkte erkennen, indem er spezifisch für das Vertragsrecht auf die »buena fe« Bezug nimmt. 367 Andere Literaturstimmen sehen gerade in dieser Entwicklung ein Krisenszenario des Vertragsrechts. 368 361 Vaquer, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Spain, Tz. 115 ff. 362 Alguer, RJC 1927, 422 und 507 (422 ff. und 507 ff.); Castán Tobeñas, Hacia un Nuevo Derecho civil, S. 5 ff.; im Überblick: Eckl, Treu und Glauben im spanischen Vertragsrecht, Teil 1 § 4 B. II. und IV. (S. 75 ff. und S. 92 ff.); vgl. auch: Martínez de Aguirre, ADC 1994/I, 31 (58 ff.). 363 De Cossio y Corral, El dolo en el derecho civil, S. 1 ff.; vgl. auch: Eckl, Treu und Glauben im spanischen Vertragsrecht, Teil 1 § 4 C. I. (S. 112 ff.). 364 Eckl, Treu und Glauben im spanischen Vertragsrecht, Teil 1 § 5 (S. 139 ff.). 365 Eckl, Treu und Glauben im spanischen Vertragsrecht, Teil 1 § 5 B. (S. 149). 366 Vaquer, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Spain, Tz. 67, 68. 367 Eckl, Treu und Glauben im spanischen Vertragsrecht, Teil 2 § 8 D. (S. 220 ff.). 368 Siehe m. W. N. etwa: Váquez de Castro, Determinación del contendo del contrato, VIII. (S. 134).

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

Gegenüber dem allgemeinen Zivilrecht (Derecho común o general) ist das Handelsrecht (Derecho especial o particular) lex specialis. 369 Als objektives Abgrenzungskriterium fungiert dabei der »acto de comercio«. Gleichzeitig gibt es aber auch Bestimmungen, die an die Kaufmannseigenschaft anknüpfen, sodass über die Anwendbarkeit des Código de comercio ein »doppeltes Kriterium« entscheidet, »welches sowohl objektive als auch subjektive Elemente enthält«. 370 Im Verbraucherschutz nahm die Rechtsetzungsaktivität seit den 1980er Jahren ihren Lauf, wobei teilweise den Umsetzungsverpfl ichtungen der EG-Verbraucherrichtlinien bereits vorgegriffen wurde. 371 Denn bereits seit der Verabschiedung von Art. 51 der spanischen Verfassung vom 27. Dezember 1978 hatten die staatlichen Behörden den Auftrag, den Schutz von Verbrauchern und Nutzern zu garantieren372 , sodass schon 1984 ein allgemeines Verbraucherschutzgesetz verkündet werden konnte373. Die einzelnen EG-Verbraucherrichtlinien wurden dann in Spanien durch separate Umsetzungsgesetze in Kraft gesetzt, wobei allerdings bei keiner Richtlinie die vorgeschriebene Umsetzungsfrist eingehalten wurde. 374 Davon abgesehen ist seit geraumer Zeit eine Reformdiskussion im Gange, wie der Dreiklang zwischen Zivil-, Handels- und Verbraucherrecht erneuert werden könnte. Auch der Vorschlag Reichs zur Dreiteilung des Zivilrechts (Unternehmens-, Bürger- und Verbraucherrecht) fand dabei Beachtung375, wurde aber letztlich von Alternativvorschlägen verdrängt. So hat A. Bercovitz Rodríguez-Cano etwa die Möglichkeit aufgezeigt, das Verbraucherrecht als Medium zu betrachten, um die Vereinigung des Handels- und des allgemeinen Zivilrechts zu einem neuen Handelsrecht, d. h. zu einem Privatrecht des Wirtschaftsverkehrs voranzutreiben. 376 In ähnlicher Weise plädiert auch GarcíaCruces González für eine Überwindung des klassischen Inhalts des Handelsrechts und fordert ebenfalls ein neues Privatrecht des Wirtschaftsverkehrs mit 369

Navas Navarro, ZfRV 45 (2004), 212 (215). Navas Navarro, ZfRV 45 (2004), 212 (215). 371 Zur AGB-Inhaltskontrolle: Pfeiffer, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht A 5 Vorbem. Rn. 74; zu Haustürgeschäften: Micklitz, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht Nach A 2 Rn. 59; zu Fernabsatzgeschäften: Micklitz, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht Nach A 3 Rn. 84 ff. 372 K. C. Fischer, Verbraucherschutz im spanischen Vertragsrecht, Teil 2 A. II. und C. I. (S. 25 ff. und S. 35 ff.); Micklitz, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht Nach A 2 Rn. 59. 373 K. C. Fischer, Verbraucherschutz im spanischen Vertragsrecht, Teil 2 C. III. 2. (S. 55 ff.); Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen (Hrsg.): AGB-Recht, Einl. Rn. 143. 374 Schulte-Nölke/Twigg-Flesner/Ebers (Hrsg.): EG-Verbraucherrechtskompendium, Teil II. W. (S. 162 ff.); zur Umsetzung der Klauselrichtlinie: Trejo/Vestweber, ZVglRWiss 97 (1998), 454 (454 ff.); Forner, ICCLR 11 (2000), N31 (N31 ff.). 375 Reich, Mercado y Derecho, Capítulo IV. II. 2. (S. 173 ff.). 376 A. Bercovitz Rodriguez-Cano, in: A. Bercovitz Rodriguez-Cano/R. Bercovitz Rodriguez-Cano (Hrsg.): Estudios jurídicos sobre protección de los consumidores, 1. IV. 2. (S. 35, 36). 370

§ 17 Das Verhältnis zwischen Ausgestaltung und Einwirkung

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integriertem Verbraucherrecht. 377 Dagegen hält etwa Bustos Pueche Konzepte wie diese für nicht ausreichend; er befürwortet eine Runderneuerung des gesamten Privatrechts, insbesondere eine Vereinheitlichung des Vertragsrechts auf der Basis des Handels-, Zivil- und Verbraucherrechts. 378 II. Österreich – Assimilierung von Unternehmerrecht und Verbraucherrecht Auch wenn Österreich im weiteren Sinne als »member of the German legal family« bezeichnet werden kann379, hat es im Verhältnis zu Deutschland mittlerweile vor allem handelsrechtlich eine Sonderentwicklung durchlaufen. Nachdem am 1. Juli 1963 das in Deutschland geltende ADHGB in Kraft getreten war, wurde während der Okkupation durch Deutschland mit Wirkung zum 1. März 1939 auch das deutsche HGB übernommen. 380 Wegen des Nebeneinanders einiger mitübernommener deutscher BGB-Vorschriften und des östABGB kam es dadurch zu einer eher befremdlichen Zweiteilung zwischen Zivil- und Handelsrecht381, die erst durch den Paradigmenwechsel des Handelsrechtsänderungsgesetzes (HaRÄG) 2005 beseitigt worden ist. Im Rahmen dieser Reform hat der österreichische Gesetzgeber ein Unternehmensgesetzbuch (östUGB) geschaffen, das nicht nur das ABGB in wichtigen Ordnungsfragen erneuerte, sondern auch den Wandel vom Handels- zum Unternehmensrecht bzw. vom Kaufmanns- zum Unternehmerrecht in die Wege geleitet hat. 382 Obwohl auch im österreichischen Vertragsrecht eines der Leitprinzipien die Privatautonomie ist und die Willensübereinkunft als zentrales Element für das Zustandekommen von Verträgen gilt383, war die Lehre vom Rechtsgeschäft mit ihren Voraussetzungen und Konsequenzen dem östABGB im Gegensatz zum deutschen BGB nicht in die Wiege gelegt. Vielmehr wurde die Rechtsgeschäftslehre in Österreich erst nachträglich rezipiert. So konservierte das östABGB in seiner ursprünglichen Fassung noch die gemeinrechtlichen Traditionen und das Naturrecht, wie sie zum Zeitpunkt seiner Verabschiedung (1811) vorzufi nden waren. 384 Dies äußerte sich zum einen darin, dass nicht die 377

García-Cruces González, RDM 192 (1989), 327 (392 ff.). Bustos Pueche, La Ley 1990–3, 857 (857 ff.). 379 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 12 I. (S. 156). 380 Vierte Verordnung zur Einführung handelsrechtlicher Vorschriften im Lande Österreich – DRGBl. 1938 I, S. 1999; vgl. auch: Barth, Ergebnisse der Rechtsangleichungsbestrebungen, B. I. 3. (S. 55); Krejci, in: Krejci (Hrsg.): Reform-Komm. UGB/ABGB, Einführung Rn. 6 und 9; Siems, ICCLR 15 (2004), 273 (273). 381 Krejci, in: Krejci (Hrsg.): Reform-Komm. UGB/ABGB, Einführung Rn. 10. 382 Im Überblick: Fritz, GmbHR 97 (2007), 34 (34 ff.); Lurger, RIW 52 (2006), 408 (411, 412); Siems, ICCLR 15 (2004), 273 (273 ff.); Krejci, ZHR 170 (2006), 113 (113 ff.). 383 Posch, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Austria, Tz. 29. 384 Stagl, ZEuP 15 (2007), 37 (41). 378

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

fünf Teile der späteren deutschen Pandektensystematik, sondern die auf Gaius und Iustinian zurückgehende dreigliedrige Einteilung in personae, res und actiones für den Aufbau des ABGB bestimmend wurde. 385 Zum anderen nahm das ursprüngliche ABGB (noch) nicht die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, sondern das Eigentum und den Vertrag zum Ausgangspunkt seiner Dogmatik. 386 Erst über die maßgeblich durch Unger 387 beeinflusste Rezeption der Lehre vom Rechtsgeschäft und die Gesetzesänderung von 1916 wurde die Lehre vom Rechtsgeschäft zusammen mit der Pandektistik und der historischen Rechtsschule tonangebend. 388 Eine weitere Besonderheit des österreichischen Systems bildet die laesio enor mis, die auf die Vertragsinhaltsfreiheit in spezifischer Weise einwirkt. 389 Ihre Grundsätze fi nden nach §§ 934, 935 ABGB Anwendung, wenn eine Partei eines synallagmatischen Vertrages weniger als fünfzig Prozent des Wertes ihrer selbst zu erbringenden Leistung zugute hat. Der wirtschaftlich Benachteiligte ist in diesem Fall berechtigt, die Aufhebung des Vertrages und die Herstellung in den vorigen Stand zu fordern. 390 Aber auch im Übrigen wird in der Literatur vielfach eine äquivalente ökonomische und intellektuelle Machtverteilung als Voraussetzung eines Vertragsschlusses gefordert, was die liberale Vertragskonzeption mittlerweile durch die Idee ersetzt, dass das Vertragsrecht auch die Aufgabe des Schwächerenschutzes hat. 391 Zur Verwirklichung dieses Schutzgedankens hat sich seit den 1970er Jahren ein spezielles Konsumentenvertragsrecht herausgebildet. 392 Mit Wirkung zum 1. Oktober 1979 mündete diese Entwicklung in ein Konsumentenschutzgesetz (östKonsG) 393, 385 Im ABGB: »Von dem Personenrechte/Von dem Sachenrechte/Von den Gemeinschaftlichen Bestimmungen der Personen- und Sachenrechte«; vgl. auch: Stagl, ZEuP 15 (2007), 37 (41). 386 Stagl, ZEuP 15 (2007), 37 (41 ff.). 387 Unger, System des österreichischen allgemeinen Privatrechts, Bd. 1, S. 1 ff.; ders., System des österreichischen allgemeinen Privatrechts, Bd. 2, S. 1 ff. 388 Stagl, ZEuP 15 (2007), 37 (46 ff.); Posch, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Austria, Tz. 30 ff. 389 Posch, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Austria, Tz. 186. 390 Seit der Änderung von § 935 ABGB (1979) ist § 934 östABGB vertraglich nicht mehr disponibel. Bis 01. 01. 2007 war es lediglich Kaufleuten nach § 351a östHGB a. F. verwehrt, ein Geschäft wegen mangelnder Äquivalenz der Leistungen unter Berufung auf § 934 ABGB anzufechten. Durch die Neuschaffung des östUGB zum 01. 01. 2007 wurde diese Besonderheit wegen des »größenunabhängigen Unternehmerbegriffes« des neuen Gesetzes jedoch beseitigt, sodass seitdem § 934 östABGB grds. auch für Unternehmer verpfl ichtend zur Anwendung gelangt, aber im Handelsverkehr nach § 351 östUGB vertraglich ausgeschlossen werden kann [vgl.: Reischauer, in: Rummel (Hrsg.): ABGB Kommentar, § 934 Rn. 1a; Schauer, in: Krejci (Hrsg.): Reform-Komm. UGB/ABGB, § 351 UGB Rn. 1 ff.]. 391 Posch, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Austria, Tz. 35; Rummel, in: Rummel (Hrsg.): ABGB Kommentar, § 859 Rn. 17. 392 Lurger, Vertragliche Solidarität, 3. Kap. (S. 65). 393 Konsumentenschutzgesetz – BGBl. 1979 Nr. 140, S. 775 (S. 775 ff.).

§ 17 Das Verhältnis zwischen Ausgestaltung und Einwirkung

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mit dem sowohl die Willensbildung des Verbrauchers als auch die Inhaltskontrolle von Verbraucherverträgen einer stärkeren Überprüfung unterzogen werden sollten394 ; Vorschriften über Haustürgeschäfte, missbräuchliche Klauseln und Unterlassungsklagen waren in ihm enthalten395. Die EG-Verbraucherrichtlinien hat Österreich meist durch Änderung bzw. Ergänzung des östKonsG umgesetzt. Lediglich im Hinblick auf die Timesharing-, die Verbraucherkredit- und die Fernabsatzrichtlinie wurden eigene Rechtsakte verabschiedet. 396 Letztlich wird die vorstehend nur schemenhaft skizzierte Trennung zwischen Vertrags- und Verbrauchervertragsrecht formal allerdings nicht stringent durchgehalten. Während § 6 östKonsG einen Katalog von missbräuchlichen Klauseln enthält, die nur für den Verbraucher nicht verbindlich sind, erstreckt § 879 Abs. 3 östABGB die AGB-rechtliche Generalklausel auch auf den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern. 397 U. a. dadurch bedingt wird ein Großteil der Vorschriften zur AGB-Kontrolle und zum Verbrauchsgüterkauf im östABGB geregelt. Andererseits enthält auch das östKonsG (insbesondere in seinem Dritten Teil) Vorschriften, an denen nicht notwendigerweise ein Verbraucher beteiligt sein muss. Es geht über den »Verbrauchervertrag« der Richtlinien hinaus, da es alle Arten von gegenseitigen Verträgen und auch einseitige Rechtshandlungen wie Auslobungen und öffentliche Vertragsschlussangebote einbezieht; selbst juristische Personen können als Verbraucher Schutz erfahren. 398 III. Die kontinentalen Gesetzgebungen mit monistischem Privatrecht Jenseits der vorgenannt beispielhaft erörterten Rechtsordnungen (Frankreich, Belgien, Spanien) wird innerhalb der Staaten mit romanischer Tradition zunehmend der Übergang vom dualistischen System (Trennung von Handelsund Zivilrecht) zu einem monistischen Privatrechtssystem vollzogen. Im vorliegenden Zusammenhang sind diesbezüglich besonders die Kodifi kationen in Italien, Litauen und den Niederlanden von Interesse. 394

Krejci, in: Krejci (Hrsg.), Hdb. zum Konsumentenschutzgesetz, 3. Kap. I. (S. 86). Schulte-Nölke/Twigg-Flesner/Ebers (Hrsg.): EG-Verbraucherrechtskompendium, Teil II. A. I. (S. 48); Micklitz, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht Nach A 2 Rn. 46 ff.; zum Schutz vor unbilligen Klauseln: Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen (Hrsg.): AGB-Recht, Einl. Rn. 134, 135. 396 Schulte-Nölke/Twigg-Flesner/Ebers (Hrsg.): EG-Verbraucherrechtskompendium, Teil II. A. II. (S. 48); zu Fernabsatzgeschäften: Micklitz, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht Nach A 3 Rn. 67 ff. 397 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 24 IV. (S. 330); Lemmer, Die EG-Richtlinie über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 4. Kap. J. (S. 98, 99); Pfeiffer, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht A 5 Vorbem. Rn. 70, 71; Engel, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 321 (S. 326 ff.). 398 Schulte-Nölke/Twigg-Flesner/Ebers (Hrsg.): EG-Verbraucherrechtskompendium, Teil II. A. V. (S. 49). 395

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

1. Das integrierte Zivil- und Handelsrecht in Italien So besitzt seit geraumer Zeit Italien ein einheitliches Gesetzbuch für das Zivilund Handelsrecht. 399 Als Kodifi kationsbeispiel eines integrierten Handelsrechts läuft es einer Aufspaltung des Vertragsbegriffs tendenziell zuwider. Weil der Codice civile bereits seit seinem Inkrafttreten im Jahre 1942 Regelungen enthält, die sich speziell mit dem Problem der AGB beschäftigen (Art. 1341, 1342 und 1370 italCcivile), wird ihm zudem ein Modernitätsvorsprung bescheinigt.400 Im Grunde basiert aber auch das italienische Privatrecht auf römischen Rechtseinflüssen, die insbesondere auf die Rezeption des Corpus iuris civilis zurückzuführen sind. Nachdem der napoleonische Einfall in fast allen italienischen Staaten zur Einführung des französischen Code civil und des französischen Code commercial 401 und die große Einigungsbewegung des »Risorgimento« 1861 zur Ausrufung des Königreichs von Italien geführt hatte, wurden 1865 der Codice civile und der Codice di commercio als Rechtseinheit schaffende Gesetzbücher für ganz Italien verabschiedet.402 Bereits 1882 wurde ein neuer Codice di commercio erlassen, der als »modernste handelsrechtliche Kodifi kation im romanischen Rechtskreis« galt.403 Wenige Jahre danach übte der italienische Rechtswissenschaftler Vivante in seiner Habilitationsschrift »Per un Codice unico delle obbligazione« am Maßstab der einseitigen Handelsgeschäfte (Art. 54 italCcom) Kritik an dem Abgrenzungsprinzip zwischen Handelsrecht und bürgerlichen Recht und stellte die Forderung nach einem einheitlichen Privatrechtssystem auf. Auf diese Weise fand Endemanns Einheitsbetrachtung, die dieser für das deutsche Privatund Handelsrecht entwickelt hatte404, im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts in Italien eine kraftvolle Fortsetzung und Erweiterung.405 Trotzdem hielt 399

Gesetzestext-Synopse »italienisch-deutsch«: Patti (Hrsg.): Codice Civile Italiano,

S. 2 ff. 400 Micklitz/Brunetta d’Usseaux, ZEuP 6 (1998), 104 (106); Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 24 IV. (S. 332); Pfeiffer, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht A 5 Vorbem. Rn. 64; Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen (Hrsg.): AGB-Recht, Einl. Rn. 126, 127. 401 Monetari/Musy/Chiaves, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Italy, Tz. 11; Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 8 IV. (S. 102, 103). 402 Monetari/Musy/Chiaves, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Italy, Tz. 12; Rübesamen, Das italienische Zivilgesetzbuch, B. und C. IV. 1. (S. 15 ff. und 47 ff.); Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 8 IV. (S. 103). 403 Rübesamen, Das italienische Zivilgesetzbuch, C. IV. 1. (S. 48); vgl. auch: Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 3. Teil 2. Abschnitt 2. Kap. I. 2. (S. 146 ff.). 404 Siehe: 1. Kap. E. I. 1. (S. 83 ff.). 405 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 3. Teil 2. Abschnitt 2. Kap. I. 1. (S. 146).

§ 17 Das Verhältnis zwischen Ausgestaltung und Einwirkung

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die königliche Kommission in ihrem Entwurf für ein Handelsgesetzbuch aus dem Jahre 1925 an der Trennung zwischen Handelsrecht und allgemeinem Schuld- und Mobiliarsachenrecht fest.406 In eine andere Richtung zielten die Reformbemühungen einer 1923 eingesetzten Kommission, die in den Jahren 1930 bis 1936 Entwürfe der vier Bücher eines neuen Codice civile vorlegte.407 Nachdem man Ende 1939 den Entschluss gefasst hatte, das Zivilgesetzbuch wesentlich zu erweitern408 und auch das Handelsrecht in die Einheitskodifi kation mit einzubeziehen409, trat der neue – einem solchen Einheitsmodell folgende – Entwurf am 21. April 1942 in Kraft; er beansprucht noch heute (in seiner vom Faschismus bereinigten Form) Geltung.410 Seitdem ist das vormals selbstständige Handelsrecht unselbstständiger Bestandteil des Zivilgesetzbuchs411, sodass die Regeln über Verträge unterschiedslos allen Rechtssubjekten offenstehen und »nach den Bedürfnissen des Unternehmens und der kaufmännischen Welt gestaltet« sind412 . Die Parteien können den Vertragsinhalt frei bestimmen, und zwar »nei limiti imposti dalla legge . . . e dalle norme corporative« (Art. 1322 italCcivile). Dabei sind in napoleonischer Tradition für einen wirksamen Vertrag vier Voraussetzungen erforderlich: (1) »l’accordo delle parti« (Art. 1326 ff. italCcivile), (2) »la causa« (Art. 1343 ff., 1895 italCcivile), (3) »l’oggetto« (Art. 1346 ff. italCcivile) und (4) »la forma, quando risulta che è prescritta dalla legge sotto pena di nullità« (Art. 1350 ff. italCcivile). Seit 1942 kennt das italienische Zivilgesetzbuch fast nur noch Vertragstypen, die für alle Rechtsunterworfenen in gleicher Weise gelten. So sind im dritten Teil (»Die singoli contratti«) des vierten Buchs »Delle obbligazioni« (Art. 1470 ff. italCcivile) nicht nur die herkömmlichen Vertragstypen im Sinne der naturrechtlichen Doktrin und der bürgerlich-rechtlichen Kodifi kationen des 19. Jahrhunderts, sondern auch spezifisch handelsrechtliche Vertragsformen enthalten. Die Vorschriften über Beförderungsverträge (Art. 1678 ff. italCcivile) richten sich mit dem Schwerpunkt »Del trasporto di cose« (Art. 1683 bis 1702) nicht nur an gewerbsmäßige Beförderer, sondern an alle Rechtsgenossen, die eine Beförderung übernehmen.413 In ähnlicher Weise erstrecken sich auch die 406 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 3. Teil 2. Abschnitt 2. Kap. II. (S. 154 ff.). 407 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 8 IV. (S. 103). 408 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 8 IV. (S. 103, 104). 409 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 8 IV. (S. 104). 410 Rübesamen, Das italienische Zivilgesetzbuch, C. IV. und D. III. (S. 47 und S. 75 ff.); Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 8 IV. (S. 104). 411 Monetari/Musy/Chiaves, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Italy, Tz. 25. 412 Rübesamen, Das italienische Zivilgesetzbuch, C. IV. 3. (S. 55). 413 Vgl. Art. 1678 italCcivile: »Col contratto di trasporto il vettore sie obbliga, verso corrispetivo . . ., a trasferire persone . . . o cose . . . da un luogo a un altro.«

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

Regelungen zum Kommissionsvertrag (Art. 1731 ff. italCcivile), zum Speditionsvertrag (Art. 1737 ff. italCcivile) und zur Kontokorrentabrede (Art. 1823 ff. italCcivile) auf sämtliche Rechtssubjekte. Ebenfalls einheitlich sind im italienischen Recht Vertragstypen ausgestaltet, die im deutschen Recht teilweise im BGB und HGB geregelt sind: So sind die Vorschriften zum Maklervertrag (Art. 1754 ff. italCcivile) und Verwahrungsvertrag (Art. 1766 ff. italCcivile) erst einmal persönlich indifferent für alle Rechtsgenossen geregelt, wobei allerdings Sondervorschriften für Berufsmakler (Art. 1760 italCcivile) und öffentliche Lagerhäuser (Art. 1787 ff. italCcivile) existieren. Spezialrecht bilden die Vorschriften über Bankverträge (Art. 1834 ff. italCcivile). Reste besonderen Handelsrechts gelangen im fünften Buch zum Ausdruck (»Del lavoro«), indem unter anderem Sondervorschriften zur Arbeit im Unternehmen (Art. 2082 ff. italCcivile), zu dem Handelsregister (Art. 2188 ff. italCcivile) sowie den Kapital- und Handelsgesellschaften (Art. 2247 ff. italCcivile) zur Verfügung gestellt werden. Während nach der Grundideologie des 19. Jahrhunderts Verträge im wesentlichen noch als Frage der personalen Freiheit angesehen wurden, verlor diese Doktrin mit der Wende zum 20. Jahrhundert an Einfluss. Laissez faire wurde auch in Italien durch Wirtschaftstheorien ersetzt, die auf dem Verständnis eines Staates aufbauen, der in die Wirtschaftsabläufe eingreift, um schwache Marktteilnehmer zu schützen und die Ökonomie anzukurbeln.414 Die Idee der Vertragsfreiheit des 18. Jahrhunderts wurde in eine kontrollierte und eingeschränkte Vertragsfreiheit umgewandelt, die im Lichte des öffentlichen Interesses zu funktionieren hat.415 Obwohl Schwächerenschutz – ungeachtet der originär wettbewerbsorientierten Vertragsrechtskonzeption des italienischen Rechts416 – bereits vor der Umsetzung der EG-Verbraucherrichtlinien durch die allgemeinen Bestimmungen des Codice civile gewährleistet wurde417, hat sich der italienische Gesetzgeber bei der Richtlinienumsetzung im wesentlichen auf die copy-and-paste-Methode beschränkt.418 Von den

414 Monetari/Musy/Chiaves, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Italy, Tz. 46. 415 Monetari/Musy/Chiaves, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Italy, Tz. 47. 416 Monetari/Musy/Chiaves, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Italy, Tz. 47. 417 Schulte-Nölke/Twigg-Flesner/Ebers (Hrsg.): EG-Verbraucherrechtskompendium, Teil II. M. I. (S. 112). 418 Zu den Haustürgeschäften: Decreto legislativo Nr. 50 vom 15. Januar 1992 – GURI, Supplemento ordinario Nr. 27 vom 03. Februar 1992, S. 24; Micklitz, in: Grabitz/Hilf, EUV/ EGV, Sekundärrecht Nach A 2 Rn. 37 ff.; zur AGB-Kontrolle: Micklitz/Brunetta d’Usseaux, ZEuP 6 (1998), 104 (107 ff.); Wurmnest, ZEuP 12 (2004), 971 (971 ff.); Pfeiffer, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht A 5 Vorbem. Rn. 64 ff.; zu Fernabsatzgeschäften: Micklitz, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht Nach A 3 Rn. 51 ff.; im

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Öffnungsklauseln wurde nur singulär Gebrauch gemacht419, woran sich auch durch das am 23. Oktober 2005 neu in Kraft getretene Verbrauchergesetzbuch, dessen Hauptziel in der systematischen Neuordnung der zahlreichen und bruchstückhaften Verbraucherschutzgesetze durch ein einheitliches Gesetzbuch bestand, nichts wesentliches geändert hat.420 2. Niederlande – Burgerlijk Wetboek und Verbraucherrichtlinien Prägend ist ein einheitliches Zivilgesetzbuch auch für die Niederlande geworden, auch wenn dies historisch betrachtet nicht zwingend war. Nachdem Napoleon 1810 die Niederlande seinem Kaiserreich einverleibt hatte, setzte er in dem neu erworbenen Gebiet die Originalfassung des Code civil in Kraft.421 Nach der Befreiung des Landes und der Errichtung eines – Belgien einschließenden – Königreichs der Niederlande wurde der Code civil zunächst aufrechterhalten.422 Erst 1838 verabschiedete der niederländische Gesetzgeber das »Burgerlijk Wetboek«, das zwar in seinem System vom Code civil abwich, aber im großen und ganzen eine Übersetzung des französischen Gesetzbuchs darstellte.423 Zeitgleich mit diesem bürgerlichen Gesetzbuch wurde 1838 nach dem französischen Vorbild auch ein niederländisches Handelsgesetzbuch erlassen.424 Die Erkenntnis, dass die Gesetzbücher von 1838 Lücken und Defi zite aufwiesen, führte nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem Entwurf für ein einheitliches niederländisches Zivilgesetzbuch, dessen einzelne Bücher seit 1959 bis heute nach und nach kodifi ziert worden sind.425 Bücher sechs und sieben über Obligationen im allgemeinen und spezifische Vertragstypen sind zum 1. Januar 1992 in Kraft getreten.426 Das neue Gesetzbuch regelt im zweiten Buch u. a. das Gesellschaftsrecht (»Rechtspersonen«), im siebenten Buch u. a. handelsrechtliche Verträge wie Versicherung und Wertpapiere (»Bijzondere overeenkomsten«) und im achten Buch das gesamte Transportrecht (Verkeer en vervoer). Damit ist die AufspalÜberblick: Schulte-Nölke/Twigg-Flesner/Ebers (Hrsg.): EG-Verbraucherrechtskom-pendium, Teil II. M. (S. 110 ff.). 419 Schulte-Nölke/Twigg-Flesner/Ebers (Hrsg.): EG-Verbraucherrechtskompendium, Teil II. M. IV. (S. 113). 420 Verabschiedet durch Gesetzesverordnung Nr. 206 vom 06. 09. 2005 – veröffentlicht in der Gazzetta Ufficiale Nr. 235 vom 08. 10. 2005, Serie ordinaria Nr. 162; im Überblick hierzu: Omodei-Salè, ZEuP 15 (2007), 785 (785 ff.). 421 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 8 II. (S. 100). 422 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 8 II. (S. 100). 423 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 8 II. (S. 100). 424 Hartkamp/Tillema/ter Heide, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Argentina, Tz. 11. 425 Hartkamp/Tillema/ter Heide, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Argentina, Tz. 22; Hartkamp/Tillema, Contract Law in the Netherlands, Tz. 22 (S. 39, 40). 426 Hondius, in: Weyers (Hrsg.): Europäisches Vertragsrecht, S. 45 (S. 63).

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tung des Privatrechts in ein zivilrechtliches und ein handelsrechtliches Gesetzbuch, wie sie in den Niederlanden aus der französischen Zeit herrührte, nunmehr aufgehoben.427 Korrespondierend dazu spielt das Vertrauensprinzip im Vertragsrecht insgesamt eine wesentlich größere Rolle als im übrigen Zivilrecht. So ist bei einem Rechtsgeschäft, bei dem Wille und Erklärung auseinanderfallen, die Bindung im Gegensatz zum deutschen Recht endgültig, sodass der Erklärungsempfänger nicht nur in seinem Erfüllungsinteresse, sondern auch in seinem Vertrauen auf das Zustandekommen des Rechtsgeschäfts geschützt wird (Art. 3: 35 BW). Nicht zuletzt der Umstand, dass auch durch das Gebot von Treu und Glauben unter Umständen eine Berufung auf die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit bzw. auf die Rechtsfolgen derselben eingeschränkt sein kann, macht deutlich, dass die Rechtsfolgen der Unwirksamkeit im neuen Gesetzbuch weitgehend zurückgedrängt sind; zumindest kann die Nichtigkeit von Gerichten auf die Fälle beschränkt werden, in denen eine Unwirksamkeit unausweichlich ist.428 Die relativ junge Erscheinung des Verbraucherschutzrechts, deren Aufkommen mit der Ausarbeitung des BW zusammenfiel, konnte in die Entwürfe bereits organisch eingegliedert werden, wenn auch hauptsächlich erst in der Phase der Einführungsgesetzgebung (ab 1980).429 So sind im ersten Titel des siebenten Buchs spezielle Vorschriften für Verbraucherverträge enthalten, z. B. das Prinzip der Konformität, wonach alle gelieferten Waren, um vertragsgemäß zu sein, die Qualitätsmerkmale aufweisen, die ein Verbraucher berechtigterweise erwarten kann (Art. 7: 17 BW). Im Burgerlijk Wetboek inbegriffen sind im fünften Teil des sechsten Buches sowie im siebenten Buch aber auch Vorschriften über allgemeine Geschäftsbedingungen und verbraucherrechtliche Sonderbestimmungen, die zu derselben Zeit mit den Büchern drei, fünf und sechs in Kraft getreten sind (Konsumentenkauf, Konsumentenbürgschaft).430 Angesichts der formalen Integration des Verbraucherrechts geht Hondius sogar davon aus, dass das niederländische Verbraucherrecht nunmehr »nicht mehr als Sonderrecht, sondern als allgemeines Zivilrecht betrachtet werden muss«.431 Von den allgemeinen Geschäftsbedingungen zu unterscheiden ist die neue Rechtsfigur der Standardregelung (»standaardregeling«). Hierbei handelt es sich um eine Art von gesetzlichen Regelungen eines speziellen Vertragstyps, den ein vom Justizminister eingesetzter Ausschuss aufgestellt hat und der von 427

Hartkamp/Tillema, Contract Law in the Netherlands, Tz. 11 (S. 32). Hartkamp, AcP 191 (1991), 396 (402). 429 Hartkamp, AcP 191 (1991), 396 (399); Schulte-Nölke/Twigg-Flesner/Ebers (Hrsg.): EG-Verbraucherrechtskompendium, Teil II. R. (S. 135). 430 Im Überblick: Hondius, VuR 11 (1996), 295 (296 ff.); zum AGB-Schutz: Ulmer, in: Ulmer/ Brandner/Hensen (Hrsg.): AGB-Recht, Einl. Rn. 132, 133. 431 Hondius, VuR 11 (1996), 295 (295). 428

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der Regierung verkündet worden ist (Art. 6: 214 BW). Ein unter den Anwendungsbereich der Regelungen fallender Vertrag ist ipso iure einem Gesetz unterworfen. Es steht den Parteien zwar frei, von den Regelungen abzuweichen, dies aber nur unter Einhaltung einer bestimmten Form, falls die Regelungen eine solche vorschreiben.432 Einen bemerkenswerten Schutz des Einzelhändlers sieht Art. 6: 244 BW vor. Werden seine AGB, die er gegenüber seinem Käufer stellt, angefochten oder sind sie durch ein Unterlassungsurteil betroffen, so kann es passieren, dass es einem Vormann in der Vertriebskette, zu dessen Bedingungen die angefochtenen Bedingungen in engem Zusammenhang stehen, seinerseits wegen Treu und Glauben verwehrt ist, sich auf die von ihm bedungenen Vertragsklauseln (AGB oder Individualvereinbarungen) zu berufen (vgl. auch Art. 6: 247 BW). Außerhalb des Umsetzungsbereichs der EG-Verbraucherrichtlinien werden die Rechtsfolgen eines jeden Vertrages (neben der Parteivereinbarung) weniger von typisierten Gruppeninteressen als vielmehr durch das personenindifferente Prinzip von Treu und Glauben bestimmt (Art. 6: 2 und 248 BW); dabei nehmen Treu und Glauben nicht nur eine Lücken füllende, sondern auch eine korrektorische Funktion ein.433 3. Litauen – Marktwirtschaft und monistisches Vertragsrechtssystem Maßgeblichen Einfluss haben die Zivilgesetzbücher Italiens und der Niederlande auf die Struktur des litauischen Civilinio kodekso patvirtinimo (litCkod) ausgeübt, der sich seit 1. Juli 2001 in Kraft befi ndet.434 Die Hauptziele bei der Erstellung dieses neuen litauischen Zivilgesetzbuchs, mit dem das vormals kommunistisch beeinflusste Zivilgesetzbuch (1964) ersetzt worden ist435, bestanden darin, das Zivilrecht an die im Lande wesentlich geänderten wirtschaftlichen, sozialen und politischen Bedingungen anzupassen; günstigere Voraussetzungen sollten zur Entwicklung von Unternehmen geschaffen werden, die Personenrechte und -freiheiten gestärkt und ein effektives Rechtsschutzsystem eingeführt werden.436 Vor dem Hintergrund, dass Litauens Privatrechtssystem historisch betrachtet als Mischsystem zwischen der napoleonisch-lateinischen und germanischen Rechtsfamilie in Erscheinung tritt, kann man sagen, dass sich der litauische Gesetzgeber nach der Unabhängigkeit im Jahre 1990 nach eingehender Auseinandersetzung mit den Vor- und Nachtei-

432

Hartkamp, AcP 191 (1991), 396 (404, 405). Hartkamp, AcP 191 (1991), 396 (405). 434 Mikelënienë/Mikelënas, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Lithuania, Tz. 36. 435 Mikelënienë/Mikelënas, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Lithuania, Tz. 61 ff. 436 Mizaras/Nekrosius, ZEuP 10 (2002), 466 (466, 467). 433

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len des dualistischen und monistischen Systems bewusst für die Einheitskodifi kation entschieden hat.437 Für das Vorliegen eines Vertrages sind mehrere, für kontinentale Privatrechtssysteme typische Voraussetzungen erforderlich (vgl. Art. 6.154 und 6.159 litCkod). So können nur aktiv zivilrechtsfähige Personen438 über eine Willensübereinstimmung eine vertragsrechtliche Beziehung zueinander begründen und Erklärungen abgeben, die Rechtswirkungen hervorrufen. Eine doctrine of consideration, wie sie dem common law eigen ist, kennt das litauische Recht nicht.439 Dafür ist in allen Stadien des Vertrages das Prinzip von Treu und Glauben präsent.440 Jede Vertragspartei ist verpfl ichtet, in ihren vertraglichen und vorvertraglichen Beziehungen in Übereinstimmung mit Treu und Glauben zu agieren (Art. 6.158 und Art. 1.163 litCkod); auch die Auslegung von Verträgen hat sich an Treu und Glauben zu orientieren.441 Neben den allgemeinen Vertragsvorschriften enthält das Zivilgesetzbuch auch spezifische Vorschriften zu Verbraucherverträgen (vgl. Art. 1.39 litCkod) und b2b-Vorschriften zum Finanzierungsleasing (vgl. Art. 6.567 litCkod), sodass dem litauischen Privatrecht die Unterscheidung zwischen b2c, b2b und c2c trotz seiner monistischen Verfassung nicht völlig fremd ist. Während im vormaligen sowjetischen Zivilgesetzbuch vom 7. Juli 1964 noch keine Verbraucherschutzbestimmungen existierten, die denen der Verbraucherrichtlinien vergleichbar wären442 , wurden mit der Annahme des Gesetzes vom 10. November 1994 Nr. I-657 zum Verbraucherschutz (eine Folge des am 1. Februar 1998 in Kraft getretenen Europäischen Abkommens zur Schaffung einer Gemeinschaft zwischen der Europäischen Kommission, den EG-Mitgliedstaaten und der Republik Litauen) auch die EG-Verbraucherrichtlinien mit dem acquis communautaire in litauisches Recht transformiert. Seit dem Beitritt Litauens sind die Bestimmungen zu allen Verbraucherrichtlinien in einem spezifischen Verbraucherschutzgesetz enthalten, welches zum 30. April 2004 in

437 Mikelënienë/Mikelënas, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Lithuania, Tz. 14, 36 und 63 ff. 438 Hierzu näher: Mikelënienë/Mikelënas, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Lithuania, Tz. 285 ff. 439 Mikelënienë/Mikelënas, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Lithuania, Tz. 52 und 201 ff. 440 Mikelënienë/Mikelënas, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Lithuania, Tz. 150 ff. 441 Mikelënienë/Mikelënas, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Lithuania, Tz. 152. 442 Schulte-Nölke/Twigg-Flesner/Ebers (Hrsg.): EG-Verbraucherrechtskompendium, Teil II. O. I. (S. 121).

§ 17 Das Verhältnis zwischen Ausgestaltung und Einwirkung

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Kraft getreten ist.443 Von der Möglichkeit der Mindestharmonisierung wurde dabei kein Gebrauch gemacht.444 IV. Die Kooperationsgesetzgebung der nordischen Staaten Besondere Aufmerksamkeit verdient aus dem Blickwinkel der Sonderprivatrechte die Vertragsrechtssystematik in den nordischen Ländern, die einen »Mittelweg zwischen dem deutschen abstrakt-theoretischen System und dem englischen konkret-pragmatischen System« beschreiten445 und somit als Untergruppe des civil law system verstanden werden können.446 Auf Grund ihrer geografischen, historischen, kulturellen und sprachlichen Verbindungselemente weisen die Vertragsrechtssysteme in Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden tiefverwurzelte konzeptionelle Ähnlichkeiten auf, auch wenn sie sich bedingt durch den unterschiedlichen EU-Mitgliedschaftsstatus bzw. den divergierenden E(W)G-Beitrittszeitpunkt marginal voneinander entfernt haben.447 1. Vertragsgesetz und traditioneller Verbraucherschutz in Dänemark Im Gegensatz zum deutschen weist das dänische Privatrecht weder eine Einteilung in einen »Allgemeinen Teil« des kodifi zierten Privatrechts noch eine kodifi katorische Aufteilung in Handels- und bürgerliches Recht auf.448 In Dänemark gibt es kein das gesamte Privatrecht umfassendes Bürgerliches Gesetzbuch, sondern lediglich bereichsspezifische Einzelgesetze. So ist das Vertragsrecht unter anderem im Kaufgesetz von 1906 (købeloven) und im Vertragsgesetz von 1917 (aftaleloven) geregelt.449 Eine grundsätzliche Trennung zwischen bürgerlichem Recht und Handelsrecht existiert nicht, auch wenn einige Bestimmungen der einzelnen Gesetze nur für Handelsverhältnisse Geltung beanspruchen (z. B. § 21 Abs. 3 dänKaufG).450 Lediglich die richterliche 443 Schulte-Nölke/Twigg-Flesner/Ebers (Hrsg.): EG-Verbraucherrechtskompendium, Teil II. O. II. (S. 122). 444 Schulte-Nölke/Twigg-Flesner/Ebers (Hrsg.): EG-Verbraucherrechtskompendium, Teil II. O. IV. (S. 122). 445 Iversen, ZEuP 10 (2002), 403 (410); vgl. auch: Nielsen, Contract Law in Denmark, Tz. 25 ff. (S. 23, 24); dies., in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Denmark, Tz. 31. 446 Nielsen, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Denmark, Tz. 9. 447 Nielsen, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Denmark, Tz. 1, 12; dies., Contract Law in Denmark, Tz. 16 (S. 22); Korkisch, Einführung in das Privatrecht der nordischen Länder, Einleitung I. (S. 3 ff.); Wilhelmsson, Critical Studies in Private Law, Chapt. I 4. (S. 17, 18). 448 Nielsen, Contract Law in Denmark, Tz. 59 (S. 32). 449 Iversen, ZEuP 10 (2002), 403 (406); Nielsen, Contract Law in Denmark, Tz. 34 (S. 27). 450 Iversen, ZEuP 10 (2002), 403 (407).

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

Auslegung weist in originär handelsrechtlichen Streitigkeiten einige Besonderheiten auf.451 Insgesamt erscheinen Verträge durch die Zwischenschaltung der Voraussetzungen von »good faith« und »fair dealing« leichter revidierbar als etwa in den Ländern des common law.452 Als ein Vorreiter kann Dänemark in der Entwicklung des Verbraucherrechts angesehen werden. Bereits in den 1970er Jahren entstand das Verbraucherrecht als ein eigenständiger Teil des Rechts neben dem allgemeinen Recht – teils durch Sondergesetze für Verbraucher, teils durch Sonderbestimmungen für Verbraucher in den allgemeinen Privatrechtsgesetzen.453 Eine wichtige Neuerung brachte in diesem Zusammenhang der 1975 in das Vertragsgesetz eingefügte Art. 36, der heute als »most important provision in nordic contract law« bezeichnet wird.454 Danach kann ein Vertrag durch einen Richter ganz oder in Teilen abgeändert oder aufgehoben werden, wenn es unangemessen wäre oder im Widerspruch zu Treu und Glauben stünde, ihn zu vollziehen. Aus Anlass der Umsetzung der Klauselrichtlinie wurde Art. 36 dänVertrG schließlich durch ein Kapitel 4 ergänzt (Art. 38a bis 38d dänVertrG), dessen Bestimmungen bezogen auf Verbraucherverträge Art. 36 dänVertrG modifizieren und auf ihn verweisen.455 Was den Vollzug von Verbraucherrecht anbelangt, gelangen in skandinavischen Ländern vorherrschend staatlich-zentrale Agenturen zum Einsatz, die Konfl iktfelder überwiegend durch Kooperation auflösen.456 So gründete man in Dänemark etwa zeitgleich mit den Vorbereitungen des EWG-Beitritts (1969) eine Verbraucherschutzkommission, die durch vier Berichte zum Verbraucherschutz erste Maßnahmen einer nationalen Verbraucherschutzpolitik anstieß. 1974 wurde im Zuge dessen ein Gesetz über Handelspraktiken erlassen, das mittlerweile – u. a. zwecks Umsetzung der Klausel-, Fernabsatz- und Verbrauchsgüterkaufrichtlinie – mehrmals geändert worden ist. Institutionell wurde die Position eines Verbraucher-Ombudsmann geschaffen, dem ein marktgerichtliches Verfahren nachgeschaltet ist. Ebenfalls große Bedeutung hat das 1987 erlassene und 2000 revidierte Gesetz zu bestimmten Verbrau451 Nielsen, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Denmark, Tz. 30. 452 Nielsen, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Denmark, Tz. 31. 453 Iversen, ZEuP 10 (2002), 403 (407); Micklitz, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht Nach A 2 Rn. 16 ff.; ders., in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht Nach A 3 Rn. 17 ff.; Pfeiffer, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht A 5 Vorbem. Rn. 48; Micklitz, VuR 18 (2003), 2 (4). 454 Nielsen, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Denmark, Tz. 45 und 48 ff. 455 Nielsen, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Denmark, Tz. 242 ff.; dies., Contract Law in Denmark, Tz. 391 ff. (S. 105); Lemmer, Die EGRichtlinie über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 4. Kap. B. (S. 80, 81). 456 Micklitz, VuR 18 (2003), 2 (4).

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cherverträgen, über das heute die Haustürgeschäfterichtlinie sowie Teile der Klausel- und der Fernabsatzrichtlinie umgesetzt sind.457 Die Verbraucherkreditrichtlinie wurde wiederum durch ein Gesetz transformiert, das in seiner dänischen Ursprungsfassung bereits auf das Jahr 1954 zurückreicht.458 Die vertragsrechtlichen Modifi kationen durch die EG-Verbraucherrichtlinien hat die skandinavische Literatur gleichwohl nicht reaktionslos hingenommen.459 So kritisiert Wihelmsson etwa die Klauselrichtlinie mit dem Argument, dass sie den sozial-vertragsrechtlichen Pragmatismus des dänischen Rechts einschränke.460 In ähnlicher Weise stellt Madsen das skandinavische Modell des sozialen Vertragsrechts den europäischen Einflüssen gegenüber, wobei er die Europäische Union dafür verantwortlich macht, dass die flexiblen Rechtstraditionen Skandinaviens durch ein statisches Modell unter formaler Festsetzung von Rechtspositionen zunichte gemacht würden.461 Laut Nielsen resultiert in Dänemark aus den EG-Verbraucherrichtlinien sogar »a shift from a formal or content-neutral contract model, within which the events at the time of the conclusion of the contract are decisive for the content to the contractual obligation, towards a more material or content-oriented model where the substantive fairness of the outcome of a contract is of primary relevance when deciding whether a contractual obligation is binding«.462 2. Schweden – ein weiteres Beispiel nordischer Rechtskultur Auch das schwedische Recht trägt als Rechtssystem der nordischen Rechtsfamilie Züge des kontinentalen wie auch des englischen Rechtssystems.463 Obwohl in dem schwedischen Gesetzbuch von 1734 erste Regeln zum Warenkauf in dem als »Handels Balk« genannten Teil enthalten waren, kennt das schwedische Recht heute weder ein spezielles Handelsgesetzbuch noch spezifische Handelsgerichte. Seit der Aufhebung und Neukodifi zierung des Kaufgesetzes im Jahre 1905 hat sich die Zahl der Sonderregelungen für Kaufleute nochmals verringert, z. B. was strengere Regelungen hinsichtlich Verzug, Anzeige457 Nielsen, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Denmark, Tz. 47. 458 Nielsen, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Denmark, Tz. 52. 459 Im Überblick: Schulte-Nölke/Twigg-Flesner/Ebers (Hrsg.): EG-Verbraucherrechtskompendium, Teil II. X. (S. 67 ff.). 460 Wilhelmsson, REDC 1992, 59 (59 ff.); vgl. auch: Wilhelmsson, TulJIntCompL 1 (1993), 23 (26 ff.). 461 Madsen, in: Wilhelmsson (Hrsg.): Perspectives of Critical Contract Law, S. 107 (S. 110 ff.). 462 Nielsen, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Denmark, Tz. 33. 463 Adlercreutz, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Sweden, Tz. 10 ff.

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

pfl ichten etc. anbelangt.464 Marginale Unterschiede sind jedoch geblieben; so erfolgt die Anwendung von Verzugs- und Anzeigeregelungen mit einer sehr viel größeren Nachsicht als in »non-commercial relations«. Gesetzliche Grundlage des allgemeinen Vertragsrechts ist das Vertragsgesetz aus dem Jahre 1915 (»The Act on Contracts and other acts in the law within the field of the law of contracts and property«). Sein Titel zeigt bereits, dass das Gesetz nicht auf andere als vermögensrechtliche Rechtsgeschäfte anzuwenden ist. Davon abgesehen will es keine erschöpfende Regelung zur Verfügung stellen; generelle Defi nitionen werden in nordischer Tradition gemieden.465 Es ist wesentlich von dem Grundgedanken der Vertragsfreiheit geprägt, wie sie bereits in der königlichen Verordnung über die Wirtschaftsfreiheit aus dem Jahre 1864 schriftlich verankert worden war.466 Unter Einbeziehung des kaufmännischen Geschäftsverkehrs will das Vertragsgesetz, ähnlich wie das vormalige Kaufgesetz aus dem Jahre 1905, gerade auch den Interessen des Wirtschaftsverkehrs dienen, wobei es vielleicht noch stärker als das deutsche BGB die marktliberale Grundhaltung des frühen 20. Jahrhunderts widerspiegelt.467 Der Grundsatz von Treu und Glauben spielt auch im schwedischen Recht eine große Rolle. So gewährt Art. 33 schwVertrG den Gerichten einen weiten Spielraum, Verträge wegen Unvereinbarkeit mit Treu und Glauben für nichtig zu erachten468 – etwa in Konstellationen, in denen eine Vertragspartei die Bedeutung ihrer Erklärung aus verschiedenen Gründen nicht erkennen konnte oder hinsichtlich des Rechtsgeschäftes eines qualifi zierten Motivirrtums erlegen ist.469 Darüber hinaus enthält, bedingt durch die Verbraucherschutzreform von 1970 bis 1976, auch das schwedische Vertragsgesetz in Art. 36 eine Generalklausel, wonach ein Vertrag ganz oder teilweise angepasst oder unbeachtet bleiben kann, wenn eine Vertragsbestimmung etwa im Hinblick auf den Vertragsinhalt, die Vertragsumstände, das Zustandekommen des Vertrages oder nachfolgende Ereignisse unangemessen ist.470 Ähnlich wie in

464 Adlercreutz, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Sweden, Tz. 21. 465 Adlercreutz, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Sweden, Tz. 26. 466 Ebersohl, Vertragsfreiheit und Verbraucherschutz in der schwedischen Gesetzgebung der letzten Jahrzehnte, 2. Teil 1. Kap. A. V. (S. 71, 72). 467 Ebersohl, Vertragsfreiheit und Verbraucherschutz in der schwedischen Gesetzgebung der letzten Jahrzehnte, 2. Teil 1. Kap. A. V. (S. 72, 73). 468 Adlercreutz, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Sweden, Tz. 177 ff., 198 ff. und 216 ff. 469 Adlercreutz, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Sweden, Tz. 202, 203. 470 Vgl. Ranieri, in: Riesenhuber (Hrsg.): Privatrechtsgesellschaft, S. 355 (S. 364 ff.).

§ 17 Das Verhältnis zwischen Ausgestaltung und Einwirkung

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Dänemark ist die Angemessenheit einer speziellen Bestimmung unter Einbeziehung einer Gesamtbetrachtung zu prüfen.471 Verbraucherrecht wird in skandinavischen Ländern als eigenes Marktverhaltensrecht verstanden, wobei regulatorische Eingriffe zwischen Privatisierung und Etatisierung wechseln.472 So entstand auch in Schweden das Verbraucherrecht als eigenständiger Teil des allgemeinen Rechts bereits lange bevor die EG-Verbraucherrichtlinien in Kraft getreten sind.473 Neben Art. 36 schwVertrG wurde 1994 zur Umsetzung der EG-Klauselrichtlinie ein Gesetz zu Vertragsklauseln in Verbraucherverträgen (schwGVV) erlassen, dessen Art. 11 teilweise auf Art. 36 schwVertrG verweist.474 Bereits in den 1970er Jahren waren Maßnahmen ergriffen worden, um den Gebrauch von missbräuchlichen Werbepraktiken abzuwehren.475 In diesem Zusammenhang wurde als Kontrollinstanz auch in Schweden ein Verbraucher-Ombudsmann geschaffen, der Fälle mit unangemessenen Klauseln vor das ein- und letztinstanzliche Marktgericht bringen kann.476 Neben einem Verbraucherkreditgesetz (1977) 477 hat der schwedische Gesetzgeber ein Gesetz zum Verbrauchsgüterkauf (1973) 478, ein Schutzgesetz zu den Haustürgeschäften (1981) 479 und ein 471 Adlercreutz, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Sweden, Tz. 236. 472 Dahl, in: Dahl/Melchior/Tamm (Hrsg.): Danish law in a European Perspective, S. 413 (413 ff.); Micklitz, VuR 18 (2003), 2 (4). 473 Ebersohl, Vertragsfreiheit und Verbraucherschutz in der schwedischen Gesetzgebung der letzten Jahrzehnte, 2. Teil (S. 81 ff.); Micklitz, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht Nach A 2 Rn. 53 ff.; Denkinger, Der Verbraucherbegriff, 2. Teil A. III. (S. 156 ff.); Bernitz, RabelsZ 40 (1976), 593 (593 ff.); Korkisch, RabelsZ 37 (1973), 755 (755 ff.). 474 Lag (SFS 1994:1512); Lemmer, Die EG-Richtlinie über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 4. Kap. L. (S. 102, 103); Ebersohl, Vertragsfreiheit und Verbraucherschutz in der schwedischen Gesetzgebung der letzten Jahrzehnte, 2. Teil 3. Kap. B. I. (S. 208 ff.); Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen (Hrsg.): AGB-Recht, Einl. Rn. 140. 475 Vgl. im Überblick: Schulte-Nölke/Twigg-Flesner/Ebers (Hrsg.): EG-Verbraucherrechts-kompendium, Teil II. X. I. (S. 169); Adlercreutz, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Sweden, Tz. 22 und 244 ff.; Denkinger, Der Verbraucherbegriff, 2. Teil A. III. 2. (S. 162 ff.). 476 Ebersohl, Vertragsfreiheit und Verbraucherschutz in der schwedischen Gesetzgebung der letzten Jahrzehnte, 2. Teil 2. Kap. B. I. 2. a) (S. 98, 99); Adlercreutz, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Sweden, Tz. 245 ff.; K. Simitis, Verbraucherschutz, Schlagwort oder Rechtsprinzip?, XI. Kap. V. (S. 294 ff.). 477 Lag (SFS 1977:981); Ebersohl, Vertragsfreiheit und Verbraucherschutz in der schwedischen Gesetzgebung der letzten Jahrzehnte, 2. Teil 3. Kap. B. II. (S. 214 ff.). 478 Lag (SFS 1973:877); zur Reform des Verbraucherkaufgesetzes im Jahr 1991: Ebersohl, Vertragsfreiheit und Verbraucherschutz in der schwedischen Gesetzgebung der letzten Jahrzehnte, 2. Teil 3. Kap. A. II. (S. 188 ff.). 479 Lag (SFS 1981:1361); vgl. auch: Ebersohl, Vertragsfreiheit und Verbraucherschutz in der schwedischen Gesetzgebung der letzten Jahrzehnte, 2. Teil 2. Kap. B. III. (S. 144 ff.); Adlercreutz, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Sweden, Tz. 101 ff.; Schulte-Nölke/Twigg-Flesner/Ebers (Hrsg.): EG-Verbraucherrechtskompen-dium, Teil II. X. I. (S. 170).

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

Verbraucherdienstleistungsgesetz (1985) erlassen480, die teilweise aus Anlass der Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie geändert werden mussten481. V. Vertragsrecht und common law – schwache Ansätze einer Systemdivergenz Mit den nordischen Ländern hat das common law gemeinsam, dass auch ihm ein besonderes Handelsrecht wesensfremd ist; eigene Handelsgerichte oder ein eigenes Handelsgesetzbuch kennt es nicht.482 Im Gegensatz zu dem kontinentalen Recht ist es primär weder an Gesetzestexten und ihrer Interpretation noch an der begriffl ichen Zergliederung eines Lebenssachverhalts und an seiner Einordnung in das System interessiert.483 Vorrangig baut es vielmehr an Präjudizien und Fallgruppen auf und wendet sich dabei in erster Linie einer Problemdiskussion zu, die vorzugsweise konkret und historisch als abstrakt und systematisch abläuft.484 Dabei ist die Rechtsfigur des »contract« maßgeblich dadurch geprägt, dass in England weder im Mittelalter noch in der Neuzeit eine Rezeption des römischen Gemeinen Rechts stattgefunden hat. Den Ausgangspunkt der Entwicklung bestimmte nicht das materielle Recht, sondern die Rechtspraxis der Königlichen Gerichte in Westminster durch unterschiedliche prozessuale forms of action, deren Verfahren jeweils durch die Gewährung eines writ einzuleiten waren.485 1. Das Vertragsrecht nach common law historisch betrachtet Wurde in England anfangs nur eine deliktische Klage aus trespass, das heißt der rechtswidrigen Schädigung von Körper und Eigentum anerkannt, sprachen die Gerichte ab dem 12. Jahrhundert auch den Ersatz von Schäden zu, die jemand dem Eigentum eines anderen, welches er in irgendeiner Weise zu

480 Lag (SFS 1985:716); vgl. auch: Ebersohl, Vertragsfreiheit und Verbraucherschutz in der schwedischen Gesetzgebung der letzten Jahrzehnte, 2. Teil 3. Kap. A. I. (S. 176 ff.); Bernitz, EuZVR 3 (1988), 179 (179 ff.). 481 SFS 2002:587; SFS 2002:588; SFS 2002, 565; avgl. auch: Sandstedt, IHR 7 (2007), 90 (90 ff. und 150 ff.). 482 O’Connor/Friel, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Ireland, Tz. 25. 483 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 14 I. (S. 177); Samuel/ Rinkes, in: Müller-Graff (Hrsg.): Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, S. 163 (S. 166). 484 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 14 I. (S. 177). 485 Ranieri, Europäisches Obligationenrecht, Kap. 1. Ziff. 3. (S. 19); Samuel/Rinkes, in: Mül-ler-Graff (Hrsg.): Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, S. 163 (S. 166, 167).

§ 17 Das Verhältnis zwischen Ausgestaltung und Einwirkung

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behandeln versprochen hatte, zufügte.486 Über die action of assumpsit 487 und die action of debt 488 sowie andere prozessuale Figuren entwickelten die englischen Gerichte im 16. Jahrhundert die Vorstellung einer vertraglichen, prozessual durchsetzbaren Verpfl ichtung.489 Eingeführt wurde das Institut der consideration, das seitdem in der Form eines Gegenversprechens vertragliche Wirksamkeitsvoraussetzung ist.490 Vor allem in der zweiten Hälfte der 19. Jahrhunderts bewegten sich englische Richter allerdings weg von dem rein »procedural mechanism approach« und wandten sich einem mehr substantiven »law of contract«-Gedanken zu.491 Ende des 18. Jahrhunderts war schließlich der Weg von den einzelnen, aktionsrechtlich verstandenen Tatbeständen zu dem materiellrechtlich gefassten Vertragsbegriff vollendet.492 Gefördert und unterstützt wurde diese Entwicklung durch die im 19. Jahrhundert in England neu entstandene theoretische Rechtswissenschaft, deren Vertreter auch von dem kontinentalen Recht, vor allem von der deutschen Pandektenwissenschaft und der Naturrechtslehre, beeinflusst wurden.493 Heute wird das Vertragsrecht maßgeblich durch das »concept of bargain, including in particular the doctrine of consideration« beeinflusst.494 Ein Vertrag nach englischem Recht kommt wie im deutschen Recht zunächst nur aufgrund von inhaltlich korrespondierenden Erklärungen geschäftsfähiger Vertragspartner zustande. Einem Angebot (offer) hat eine Annahme (acceptance) zu entsprechen.495 Erforderlich ist des Weiteren ein rechtlicher Bindungswille (intention to create legal relations).496 Verträge sind nach englischem Rechtsverständnis regelmäßig entgeltlich, der Leistung muss also grds. eine Gegenleistung entsprechen (consideration). Verlangt wird die Verschaffung von »some right, interest, profit or benefit« von dem Versprechenden und im Aus486

Ranieri, Europäisches Obligationenrecht, Kap. 1. Ziff. 3. (S. 19, 20). Ranieri, Europäisches Obligationenrecht, Kap. 1. Ziff. 3. (S. 21); Simpson, in: Furmston (Hrsg.): Cheshire/Fifoot/Furmston’s Law of Contract, 1. B. (S. 4 ff.). 488 Ranieri, Europäisches Obligationenrecht, Kap. 1. Ziff. 3. (S. 22, 23); Simpson, in: Furmston (Hrsg.): Cheshire/Fifoot/Furmston’s Law of Contract, 1. C. (S. 6, 7). 489 Ranieri, Europäisches Obligationenrecht, Kap. 1. Ziff. 3. (S. 23). 490 Ein Verhalten, das auf Seiten des Adressaten bereits abgeschlossen ist, wenn diesem eine Zusage gemacht wird, kann allerdings nicht als consideration für dieses Versprechen gelten. Eine past consideration reicht nicht aus, um bei Verletzung eines Versprechens Schadensersatz zu erlangen [Ranieri, Europäisches Obligationenrecht, Kap. 1. Ziff. 3. (S. 25)]; vgl. auch: Simpson, in: Furmston (Hrsg.): Cheshire/Fifoot/Furmston’s Law of Contract, 1. D. (S. 7 ff.). 491 Samuel/Rinkes, in: Müller-Graff (Hrsg.): Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, S. 163 (S. 172, 173). 492 Ranieri, Europäisches Obligationenrecht, Kap. 1. Ziff. 3. (S. 28). 493 Ranieri, Europäisches Obligationenrecht, Kap. 1. Ziff. 3. (S. 28, 29); Zimmermann, ZEuP 1 (1993), 4 (46). 494 Wheeler/Shaw, Contract Law, I. 2. III. A. (S. 52). 495 Treitel, The Law of Contract, Chapter 2 (S. 8 ff.). 496 Treitel, The Law of Contract, Chapter 4 (S. 162 ff.). 487

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tausch das Aufsichnehmen von »some detriment, forbearance, loss or responsibility« durch den Versprechensempfänger.497 Die consideration muss letztlich nur einen gewissen Wert besitzen – »something of value in the eyes of the law«; sie kann in einem Versprechen, aber auch in einer tatsächlichen Leistung bestehen.498 Das moderne Modell des Vertragsrechts legt damit den Fokus auf die vertragliche Vereinbarung, das Vertragsverhältnis erwächst aus dem freiwilligen Verhandeln (bargain), das seinerseits für die zentralen Vertragselemente bestimmend ist.499 Ausgehend von diesem Leitbild sucht das neoklassische Vertragsrecht den Ausgleich zwischen den individualistischen Idealen des klassischen Vertragsrechts und der Verantwortung gegenüber anderen: »In deciding the scope of contractual liability, courts weigh the classical values of liberty, privacy, and efficiency against the values of trust, fairness, and cooperation, which have been identified as important by post-classical scholars.«500 Eine Lehre von den Willenserklärungen und zu den Rechtsgeschäften kennt das common law dagegen nicht. 501 An abstrakten Begriffen gibt es grds. nur den Vertrag (contract) und seltener den des Leistungsversprechens (promise), wobei unter einem Vertrag nach der Standarddefi nition des common law »a promise or set of promises which the law will enforce« zu verstehen ist. 502 Weil das englische Recht – von Ausnahmen abgesehen – keine Vertragstypen aufweist, bei denen die Parteien nur einzelne Punkte zu regeln brauchen und die restlichen Bedingungen von der Rechtsordnung bereitgestellt werden, können Regelungslücken entstehen, welche die Gerichte mit Hilfe der »doctrine of implied terms« beheben. 503 2. Materialisierungstendenzen und Instrumentalisierung des Vertragsrechts Nach der klassischen contract theory gewährt das Vertragsrecht einen Freiraum, damit Individuen unbeeinflusst von staatlichem Zwang Vereinbarungen schließen können. 504 Wegen des hohen Abstraktionsgrades und der Generali497 Hierzu: Dunlop v. Selfridge [1915] AC 847 (855); Furmston, in: Furmston (Hrsg.): Cheshire/Fifoot/Furmston’s Law of Contract, 4. 1. (S. 70). 498 Thomas v. Thomas (1842) 2 QB 851 (851 ff.); vgl. auch: Chappel & Co. Ltd. v. Nestlé Co. Ltd. [1959] 2 All ER 701 (709 ff.); Furmston, in: Furmston (Hrsg.): Cheshire/Fifoot/ Furmston’s Law of Contract, 4. (S. 76 ff.). 499 Wheeler/Shaw, Contract Law, I. 2. III. A. (S. 54). 500 Wheeler/Shaw, Contract Law, I. 2. III. A. (S. 54). 501 Matthies, Die Unwirksamkeit von Verträgen im deutschen, englischen und spanischen Recht, III. 2.2.1 (S. 87). 502 Wheeler/Shaw, Contract Law, I. 1. VI. (S. 25); vgl. auch: Rinkes/Samuel, Contractual and non-contractual obligations in English law, Chapter 6 § 2 (S. 103 ff.). 503 Furmston, in: Furmston (Hrsg.): Cheshire/Fifoot/Furmston’s Law of Contract, 6. 2. (S. 126 ff.); Matthies, Die Unwirksamkeit von Verträgen im deutschen, englischen und spanischen Recht, III. 2.2.1 (S. 88). 504 Wheeler/Shaw, Contract Law, I. 2. III. A. (S. 53).

§ 17 Das Verhältnis zwischen Ausgestaltung und Einwirkung

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sierungstendenz des »nine-teenth-century doctrinal systems of contract law« kristallisierte sich im Laufe der Zeit aber auch im englischen Vertragsrecht der Mangel heraus, nicht ausreichend zwischen verschiedenen Vertragskonstellationen zu differenzieren. Während es bei Handelsgeschäften zwischen mehreren Geschäftsleuten nach wie vor sachgerecht erscheint, dass die Parteien privatautonom derjenigen Vertragspartei die Vertragsrisiken zuordnen können, welche die Risiken am kosteneffi zientesten vermeiden kann, versuchten englische Instanzgerichte etwa bei Verbraucherverträgen, einen Ausgleich über die »doctrine of ›fundamental breach‹« und andere »doctrinal developments« zu schaffen. 505 So wurde es einer Vertragspartei, die sich in einer besonderen Zwangslage auf eine für sie nachteilige Vertragsänderung eingelassen hat, etwa zugestanden, sich auf economic duress zu berufen. 506 Nach der doctrine of restraint of trade ist es einer Vertragspartei zudem verwehrt, Verträge durchzusetzen, durch die sich der andere Vertragsteil einer übermäßigen Beschränkung seiner persönlichen oder wirtschaftlichen Handlungsfreiheit aussetzt. 507 Voraussetzung ist, dass unter den Parteien des Vertrages eine besondere Vertrauensbeziehung bestand, aufgrund derer die eine Partei sich darauf verlassen durfte, von der anderen loyal beraten und vollständig informiert zu werden. 508 In diesem Sinne wäre es mit den Grundprinzipien der freiheitlichen Rechts- und Wirtschaftsordnung etwa unvereinbar, einen Vertrag als wirksam anzusehen, durch den sich ein Darlehensnehmer verpfl ichtet, nicht ohne schriftliche Zustimmung des Gläubigers seine Wohnung oder seinen Arbeitsplatz zu wechseln, weitere Darlehen aufzunehmen oder über sein Vermögen zu verfügen. Besondere Bedeutung haben auch die Regeln über die Aufhebung eines Vertrages wegen undue infl uence erlangt. 509 Dass diese verschiedenen Regeln ein allgemeines Prinzip verkörpern – wie Lord Denning dies vertritt510 – wurde vom Court of Appeal allerdings zurückgewiesen511. Demnach kann nach common law jedenfalls nicht von einem allgemeinen Prinzip ausgegangen werden, wonach eine Partei einen für sie offensichtlich nachteiligen Vertrag rückgängig machen kann, wenn sie zu dessen Abschluss durch Ausnutzung ihrer Zwangslage oder eines anderen Verhand505

Collins, Regulating Contracts, Part 2–3. (S. 47, 48). Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 24 II. (S. 322). 507 Furmston, in: Furmston (Hrsg.): Cheshire/Fifoot/Furmston’s Law of Contract, 12. 3. (S. 380 ff.); Matthies, Die Unwirksamkeit von Verträgen im deutschen, englischen und spa-nischen Recht, III. 2.2.3 (S. 95). 508 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 24 II. (S. 322). 509 Matthies, Die Unwirksamkeit von Verträgen im deutschen, englischen und spanischen Recht, III. 2.2.3 (S. 122). 510 Lloyd’s Bank Ltd. v. Bundy [1945], 3 All ER 757 (761 ff.); hierzu auch: Zweigert/ Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 24 II. (S. 322). 511 National Westminster Bank v. Morgan [1985] 1 All ER 821 (822 ff.). 506

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3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

lungshandicaps bestimmt worden ist. 512 Vielmehr wird die übervorteilte Partei nach case law lediglich durch eine Reihe verstreut umherliegender Regeln unter ganz unterschiedlichen Voraussetzungen geschützt. Vor diesem Hintergrund ist es letztlich auch in England zu Interventionen des Gesetzgebers gekommen, vor allem in den Bereichen des Verbraucher- und Arbeitsvertragsrechts, um den sozialen und ökonomischen Veränderungen in größerem Umfang Rechnung zu tragen. 513 Trotz gesetzgeberischer Intervention nimmt das englische Recht aber selbst verbraucherrechtlich eine Sonderstellung unter den europäischen Rechtsordnungen ein. Denn insgesamt reagieren common law-Länder auf verbraucherpolitische Fragen auffallend »pragmatisch-politisch«. 514 Präzise Regulierung in eng begrenzten Handlungsfeldern wird mit dem Vertrauen auf Selbstregulierung in allen übrigen Bereichen kombiniert. 515 So wurde Verbraucherschutz einerseits schon lange vor jeglichen europäischen Aktivitäten anerkannt; andererseits hat der englische Gesetzgeber sich im Rahmen der Richtlinienumsetzung regelmäßig mit der copy-and-paste-Methode begnügt. 516 Bereits Teil III des Fair Trading Act 1973 ermächtigte den Generaldirektor des Office of Fair Trading zu Maßnahmen, um Gewerbetreibende von rechtswidrigem Verhalten abzuhalten und auf angemessene Vertragsbedingungen hinzuwirken; die Grundlage für eine gerichtliche Kontrolle unangemessener Vertragsklauseln wurde dann durch den Unfair Contract Terms Act 1977 (UCTA) geschaffen. Zwecks Umsetzung der Klauselrichtlinie folgten schließlich die »Unfair Terms in Consumer Contracts Regulations 1994« als zweites System der Klauselkontrolle. 517 Dagegen musste der Consumer Credit Act 1974 infolge der Verbraucherkreditrichtlinie nur marginal geändert werden. 518 Auch der Sale of Goods Act 1979 und der Timesharing Act 1992 wurden unter Beachtung des Verbraucherschutzgedankens reformiert.

512

Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 24 II. (S. 322). Collins, Regulating Contracts, Part 2–3. (S. 48 ff.). 514 Micklitz, VuR 18 (2003), 2 (4). 515 Micklitz, VuR 18 (2003), 2 (4). 516 Im Überblick: Schulte-Nölke/Twigg-Flesner/Ebers (Hrsg.): EG-Verbraucherrechtskompendium, Teil II. Y. (S. 173 ff.). 517 Lemmer, Die EG-Richtlinie über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 4. Kap. F. (S. 91); zum »Umsetzung« von good faith in diesem Zusammenhang: Teubner, ModLawRev 61 (1998), 11 (11 ff.). 518 Lomnicka, JBL (2004), 129 (130). 513

§ 18 Zusammenfassende Auswertung und weiterer Prüfungsbedarf

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§ 18 Zusammenfassende Auswertung und weiterer Prüfungsbedarf Der vorstehende Überblick hat zunächst einmal paradigmatisch gezeigt, dass Gleichheit kein normativer Wert an sich ist, sondern in Bezug auf Freiheit stets eine unterstützende Funktion einnimmt. Die Freiheit, insbesondere diejenige zur privatautonomen Vertragsgestaltung, steht ihrerseits in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den Tätigkeiten des Gesetzgebers. So kann die Freiheit zum Vertragsabschluss und zur Vertragsgestaltung grundsätzlich nur wirksam ausgeübt werden, wenn und soweit die Rechtsordnung dies bestimmt, wobei das Institut der Freiheit allerdings nicht zur Totaldisposition des Staates steht. Was die Tätigkeit des Gesetzgebers in concreto anbelangt, legt zwar die heimliche Typenfi xierung des BGB auf den selbstständigen »Besitzbürger« einen Bedarf nach ausdrücklichen Sondertypisierungen nahe; andererseits können die Normgruppen des Handels- und Verbrauchervertragsrechts in ihrer statischen Fixierung und ihrer Unfähigkeit zur Adaption gesellschaftlicher Wertungswandel dieses reale Abstraktionsdefi zit aber nicht auf Dauer ausgleichen. Ungeachtet dessen bedarf es einer Rechtfertigung oder zumindest eines Erklärungsmusters für die Ungleichbehandlung. In Anbetracht des Umstandes, dass die grundrechtliche Verbürgung der Vertragsfreiheit bei der Rechtsordnung eine Anleihe machen muss um zu eruieren, was unter einem grundrechtlich als vorgegeben zu akzeptierenden Vertrag überhaupt verstanden werden kann, wäre der Gedanke nicht fernliegend, die sonderprivatrechtliche Typisierung zu einem defi nierbaren Anteil bereits als institutsimmanent zu qualifi zieren. Wie aus dem vorstehenden Überblick allerdings hervorgeht, ist ein solcher Ansatz recht schnell zum Scheitern verurteilt. Denn weder vertragstheoretische Modellansätze noch ein im Wege der Rechtsvergleichung zu ermittelnder ungeschriebener EG-Systematisierungsgrundsatz sind in der Lage, Anhaltpunkte zu liefern, dass bereits im Vertragsinstitut eine handels- oder verbraucherrechtliche Ungleichbehandlung apriorisch angelegt wäre. Zwar weisen wichtige Rechtsordnungen des romanisch-kontinentalen Rechtskreises (Frankreich, Belgien, Spanien) eine ähnliche Dreiteilung des Vertragsrechts wie Deutschland auf. Andererseits distanzieren sich einige Staaten aber auch von dem traditionellen Dualismus zwischen Zivil- und Handelsrecht (Italien, Niederlande, Litauen). In wiederum anderen Staaten wie den nordischen Ländern und denjenigen des common law würde ein besonderes Handelsrecht bereits der eigenen Rechtstradition widersprechen. Das Verbraucherrecht ist zwar bedingt durch die EG-Richtlinien in allen Mitgliedstaaten vergleichbar ausgestaltet. Unterschiede bleiben jedoch vorhanden. 519 519 Vgl. auch die Übersicht bei: Lurger, Grundfragen der Vereinheitlichung des Vertragsrechts in der EU, 3.2.1. (S. 305 ff.).

238

3. Kapitel: Sonderrechtlicher Gleichheits- und Freiheitsausgleich

Reich schreibt dem europäischen Verbraucherrecht unter dem Leitbild einer Maximierungsstrategie sogar hypostasierend einen eigenen Rechtskreis zu und stellt ihn dem Pragmatismus der common law-Länder, dem Zentralismus der romanischen Länder, dem Perfektionismus der deutsch-rechtlichen Länder und der Effi zienz und Effektivität der skandinavischen Länder gegenüber. 520 Gleichwohl erkenntnisreich waren die vertragsmethodischen Untersuchungen insofern, als sie es in ihrer Gesamtschau nahelegen, dass Privatrechtsbildung durch gesetzliche Sondertypisierung der Vertragstheorie nicht per se widerspricht, jedoch ein Legitimationsgrund bzw. Erklärungsmuster gefunden werden muss, um das systematische Abweichen von dem Grundsatz formaler Gleichheit zu rechtfertigen: Hält Schmidt-Rimpler beispielsweise Ungleichbehandlung bei Einhaltung transnormativer Bezugspunkte wie der »Richtigkeit« für legitim, fragt Dauner-Lieb im Hinblick auf Sonderprivatrechte nach den zugrunde liegenden Leitbildvorstellungen und kombiniert L. Raiser Ungleichbehandlung mit festzulegenden Funktionsbereichen, lässt die Fortführung dieser Ansätze den Ruf nach einer hinreichenden Konkretisierung aufkommen, welcher Bezugspunkt, welches Leitbild bzw. welche Funktionsvorstellungen in der Lage sind, die Sonderprivatrechte in ihrer Existenzberechtigung zu stützen und gleichsam zu kontrollieren.

520

Micklitz, VuR 18 (2003), 2 (5).

4. Kapitel

Leitbilder – Legitimation ungleicher Ausgestaltung? Sind weder vertragstheoretische noch rechtsvergleichende Ansätze in der Lage, die vertragsrechtliche Typenbildung zu erklären, bieten gegebenenfalls die Schutzpfl ichten- bzw. Drittwirkungsgedanken oder Rechtsprinzipien genereller Art einen legitimen Maßstab für die Verschiebung der Freiheitsparameter durch das Handels- und Verbraucherrecht. Während die Drittwirkungsproblematik in Bezug auf die Grundrechte und Grundfreiheiten eng mit der Frage nach dem Verflechtungsgrad zwischen Hoheits- und Privatrechtsbereich verknüpft ist, kann die Schutzpfl ichtenlehre auch maßgeblich dazu herangezogen werden, die Lenkungsaufgaben des Staates im Privatrechtsverkehr zu distribuieren. Rechtsprinzipien treten wiederum als »richtungsgebende Maßstäbe rechtlicher Normierung« in Erscheinung, »die vermöge ihrer eigenen Überzeugungskraft rechtliche Entscheidungen zu rechtfertigen vermögen«1, sodass sie möglicherweise auch für die Typenbildung durch Sonderprivatrechte ein Erklärungsmuster liefern können.

§ 19 (Un-)Mittelbare Drittwirkung – Vorgaben für die Normgestaltung? Die »Auflösung der nebulosen Formel von der ›Dritt-Wirkung‹ der Grundrechte«2 ist eng mit der Frage verknüpft, in welcher ihrer verschiedenen Funktionen die Grundrechte auf das Privatrecht einwirken – nämlich als Eingriffsverbote, Auslegungsrichtlinien, Grundsatznormen, institutionelle Garantien oder Schutzgebote. 3 Weil die Verpfl ichtung, das Vertragsinstitut an sich und die Umstände von Vertragsabschlüssen einfachgesetzlich auszugestalten, bereits per defi nitionem ausschließlich an den Gesetzgeber adressiert ist, kann sich die Frage, ob Private untereinander unmittelbar oder nur mittelbar an die Grundrechte gebunden sind, von vornherein nur auf die voluntativen Elemente 1 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Kap. Ziff. 3. a) (S. 474); so auch: Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Privatrechts, § 2 II. 2. a) aa) (S. 12, 13). 2 Geiger, Die Grundrechte in der Privatrechtsordnung, S. 7 (S. 9). 3 Canaris, AcP 184 (1984), 201 (202); Rengeling/Szczekalla, Grundrechte in der EU, § 6 A. Rn. 397.

240

4. Kapitel: Leitbilder – Legitimation ungleicher Ausgestaltung?

eines Vertragsabschlusses beziehen. Auf diese Weise provoziert die Frage nach der Drittwirkung der Grundrechte eine echte Grundsatzdebatte über die Wächterfunktion des Staates, die sich insbesondere mit der Wechselwirkung zwischen Grundrechtsgeltung und Privatrechtsgesellschaft befasst: Je größer sich der Geltungsgehalt der Grundrechte zwischen Privaten darstellt, desto geringer wird die Staatsdistanz der Privatrechtsgesellschaft und der Freiheitsgehalt formaler Selbstständigkeit.4

A. Gesetzgeberische Grundrechtsbindung bei (Privatrechts-) Gesetzen Für die Gesetzgebung ist der Streit um die Drittwirkung der Grundrechte nur indirekt erheblich. Denn der Gesetzgeber muss die Grundrechte – ungeachtet zum Teil undifferenzierter Ausführungen zu diesem Bereich 5 – bei dem Erlass privatrechtlicher Legislativakte in gleicher Weise wie bei dem Erlass öffentlich-rechtlicher Gesetze einhalten.6 Diese rigide Grundrechtsbindung der Gesetzgebung folgt in Bezug auf das Grundgesetz aus Art. 1 Abs. 3 GG und in Bezug auf die EU-Grundrechte aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass die EG- und mitgliedstaatszugehörigen Legislativorgane unmittelbar an die EU-Grundrechte gebunden sind.7 Dass im Privatrecht ein vertraglicher Willensakt der Parteien hinzutreten muss, damit eine gesetzliche Regelung zwischen den Parteien Geltung entfalten kann, ist für die (unmittelbare) Grundrechtsbindung des Gesetzgebers unbeachtlich8, exemplifi ziert doch vor allem das Verbraucherrecht, dass die Parteien oftmals keine andere Wahl haben als die vorgegebenen Vorschriften des Gesetzgebers in ihren vertraglichen Regelungskanon aufzunehmen. Vorstehendes bedeutet andererseits aber auch, dass die Diskussion um die Drittwirkungsproblematik im legislativen Bereich nicht völlig irrelevant ist. Denn gerade das Vertragsrecht zeichnet sich durch einen Auftrag an den Gesetzgeber aus, divergierende Grundrechtspositionen mehrerer Vertragspartner auf der Grundlage praktischer Konkordanz in einen verfassungsgemäßen 4 Vgl. Lurger, Grundfragen der Vereinheitlichung des Vertragsrechts in der EU, 2.1.1.1. (S. 228). 5 Vgl. im Überblick: Canaris, AcP 184 (1984), 201 (210, 211); Nannen, Grundrechte und privatrechtliche Verträge, A: 1. Teil (S. 4 ff.). 6 Canaris, JZ 42 (1987), 993 (993, 994); F. Bydlinski, in: Rack (Hrsg.): Grundrechtsreform, S. 173 (S. 174); Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 6 II. 1. a) (S. 230); a. A.: Diederichsen, AcP 198 (1998), 171 (225 ff.); ders., in: Starck (Hrsg.): Rangordnung der Gesetze, S. 39 (S. 46 ff.). 7 Vgl. hinsichtlich des Grundgesetzes: W. Roth, in: Wolter/Riedel/Taupitz (Hrsg.): Einwirkungen der Grundrechte auf das Zivilrecht, Öffentliche Recht und Strafrecht, S. 229 (S. 230); Canaris, Grundrechte und Privatrecht, II. (S. 11 ff.); ders., JZ 42 (1987), 993 (993, 994). 8 W. Roth, in: Wolter/Riedel/Taupitz (Hrsg.): Einwirkungen der Grundrechte auf das Zivilrecht, Öffentliche Recht und Strafrecht, S. 229 (S. 233 ff.).

§ 19 (Un-)Mittelbare Drittwirkung – Vorgaben für die Normgestaltung?

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Ausgleich zu bringen.9 Hat der Gesetzgeber zum Schutz der einen Partei und zu Lasten der anderen Partei bereits gesetzliche Vorschriften erlassen, sind diese zwar unmittelbar an den Grundrechten zu messen. Bei der Frage, wie im Gesetzgebungsverfahren der Schutzanspruch des einen Vertragspartners mit dem typisierten Abwehranspruch des anderen Vertragspartners in einen gerechten Ausgleich zu bringen ist, sind gleichwohl aber ähnliche Erwägungen wie bei der richterlichen Beurteilung rein privater Handlungsakte anzustellen. Zumindest inzident liefert damit die Auflösung der Drittwirkungsproblematik auch wichtige Abwägungshinweise, die der Gesetzgeber bei der Verabschiedung von Vertragsrechtsnormen grundrechtsspezifisch verwerten kann.10 I. Die Drittwirkungsproblematik im Handels- und bürgerlichen Recht In Deutschland wird die Frage nach der unmittelbaren oder mittelbaren Drittwirkung zwar immer noch streitig behandelt.11 Im Grunde ist ihre Beantwortung durch den Verfassungswortlaut und die Rechtsprechung des BVerfG aber klar vorgezeichnet.12 Die maßgeblichen Argumente für eine nur mittelbare Grundrechtswirkung wurden vielfach ausgetauscht und sind bekannt.13 Bereits der Wortlaut des Grundgesetzes spricht gegen eine unmittelbare Drittwirkung, sind nach Art. 1 Abs. 2 S. 2 GG die Grundrechte doch nicht für jedermann, sondern nur für die staatliche Gewalt, also für Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht bindend (Art. 1 Abs. 3 GG).14 Aber auch im Übrigen wäre eine unmittelbare Grundrechtsbindung von Privatrechtssubjekten nicht begründbar. Die rechtstheoretische Erkenntnis, dass 9 W. Roth, in: Wolter/Riedel/Taupitz (Hrsg.): Einwirkungen der Grundrechte auf das Zivilrecht, Öffentliche Recht und Strafrecht, S. 229 (S. 244 ff.). 10 Vgl. auch: Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, III. (S. 28 ff.). 11 Diederichsen, AcP 198 (1998), 171 (199 ff.); Singer, JZ 50 (1995), 1133 (1134 ff.); Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpfl ichten, E. I. (S. 66 ff.); eine unmittelbare Drittwirkung ablehnend: Geiger, Die Grundrechte in der Privatrechtsordnung, S. 7 (S. 18); eine unmittelbare Drittwirkung bejahend: Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, § 14 I. 4. (S. 221 ff.); ders., NJW 27 (1974), 670 (670 ff.); ders., AcP 185 (1985), 1 (1 ff.); ders., Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte, IV. (S. 75 ff.). 12 Vgl. im Überblick: Canaris, AcP 184 (1984), 201 (201 ff.); Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 3. Kap. II. 3. (S. 112 ff.); Jaeckel, Schutzpfl ichten im deutschen und europäischen Recht, 1 Kap. A. II. 2. (S. 40 ff.). 13 Canaris, Grundrechte und Privatrecht, IV. (S. 33 ff.); Oeter, AöR 119 (1994), 529 (530 ff.). 14 Canaris, AcP 184 (1984), 201 (203, 204); ders., JuS 29 (1989), 161 (161, 162); Nannen, Grundrechte und privatrechtliche Verträge, A: 1. Teil I. (S. 8); Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 6 II. 1. a) (S. 230); Isensee, in: Bayer/Koch (Hrsg.): Schranken der Vertragsfreiheit, S. 9 (S. 23); Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 3. Kap. II. 3. b) bb) (S. 117).

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4. Kapitel: Leitbilder – Legitimation ungleicher Ausgestaltung?

die privatautonome »Rechtsetzungsbefugnis« sich aus staatlichen Normen ableitet und identischen Rechtssystemen angehört wie die staatlichen Normen, liefert keine ausreichende Begründung dafür, Unternehmer dem gleichen Pfl ichtenstatus wie staatliche Organe zu unterstellen.15 Mit dem Grundgesetz sollte vor allem der staatlichen Diktatur des Nationalsozialismus eine scharfe Absage erteilt werden, sodass die vorrangige Bindung von Hoheitsträgern nicht zuletzt genetischen Ursprung hat.16 Darüber hinaus sind auch die Gesetzesvorbehalte der Grundrechte ersichtlich auf den Staat als Grundrechtsadressaten zugeschnitten und lassen sich auf Privatrechtssubjekte nur schwer übertragen.17 Folglich würde jede unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte den privatautonomen Wirtschaftsverkehr zum Erliegen bringen und Eingriffsrechtfertigungen angesichts der auf die öffentliche Hand zugeschnittenen Schrankenvorbehalte erschweren.18 II. Die EG-rechtliche Drittwirkungsproblematik im Verbraucherrecht Lediglich für das Verbraucherrecht, das auf Grund seiner EG-rechtlichen Wurzeln primär an den Gemeinschaftsgrundrechten zu messen ist, könnte die Frage nach der Drittwirkung abweichend zu beantworten sein. Der EuGH hat bislang zu dieser Frage noch nicht Stellung bezogen.19 Nur hinsichtlich der EMRK steht verlässlich fest, dass sie keine unmittelbare Drittwirkung zwischen Privaten entfaltet, sondern allenfalls staatliche Schutzpfl ichten begründen kann. 20 1. Unmittelbare Grundrechtsbindung im Verbraucherrecht? Auch die Grundrechtsordnungen der Mitgliedstaaten bieten ein zu heterogenes Bild, um als ausreichende Erkenntnisquelle eines (auf Rechtsvergleichung beruhenden) allgemeinen Rechtsgrundsatzes zu fungieren, demzufolge die EG-Grundrechte unmittelbare Drittwirkung besäßen. So wird eine unmit-

15

So aber: Kelsen, Allgemeine Staatslehre, § 26 C. (S. 153 ff.). Canaris, AcP 184 (1984), 201 (205); Reimers, Die Bedeutung der Grundrechte für das Privatrecht, S. 11; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 3. Kap. II. 3. b) bb) (S. 117, 118). 17 Canaris, AcP 184 (1984), 201 (204, 205); ders., JuS 29 (1989), 161 (162). 18 Canaris, AcP 184 (1984), 201 (208, 209); Reimers, Die Bedeutung der Grundrechte für das Privatrecht, S. 19; Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, II. (S. 25); Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 3. Kap. II. 3. b) bb) (S. 118); Hönn, Jura 6 (1984), 57 (63). 19 Rengeling/Szczekalla, Grundrechte in der EU, § 4 B. III. Rn. 331; Nowak, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.): Hdb. der Europäischen Grundrechte, § 6 IV. (S. 254). 20 Rengeling/Szczekalla, Grundrechte in der EU, § 4 B. III. 3. Rn. 339. 16

§ 19 (Un-)Mittelbare Drittwirkung – Vorgaben für die Normgestaltung?

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telbare Drittwirkung in Frankreich 21, Irland 22 , den Niederlanden 23, Portugal 24 und Spanien 25 zwar anerkannt, in Dänemark 26 und Luxemburg 27 aber verneint. Eine noch nicht ausgereifte Kontroverse über die Drittwirkungsproblematik ist wiederum in Belgien 28, Österreich 29 und Griechenland30 anzutreffen. Im Vergleich subtiler ist die Grundrechtsdogmatik zwischen Privaten in Italien ausgestaltet: Während dort in gleichgeordneten Rechtsbeziehungen von einer mittelbaren Grundrechtsbindung ausgegangen wird, werden Private, die in Verhältnissen gestörter Vertragsparität die stärkere Ausgangsposition haben, einer unmittelbaren Drittwirkung unterworfen. 31 In Finnland ist als Besonderheit ein ausgeprägteres Subordinationsdenken vorzufinden: Auch wenn der Einzelne hier nicht selbst an die Grundrechte gebunden ist, werden in privaten Ungleichgewichtslagen zumindest staatliche Schutzpfl ichten aus den Grundrechten abgeleitet. 32 Angesichts dieser Heterogenität ist grundrechtsdogmatisch keine hinreichende Grundlage gegeben, um auf Gemeinschaftsebene (mittelbar also im Verbraucherrecht) eine unmittelbare Drittwirkung ohne weiteres anzunehmen. Dass der EuGH im Bereich einiger Grundfreiheiten eine unmittelbare Bindung von privaten Kollektivgruppierungen33 – und teilweise auch von Indi-

21 Savoie, in: Grabitz (Hrsg.): Grundrechte in Europa und USA, 4. Kap. VI. 2. (S. 232, 233); Classen, JöR 36 (1987), 29 (39 ff.); Itin, Grundrechte in Frankreich, 2. Teil A. 4. (S. 47, 48). 22 Grehan, in: Grabitz (Hrsg.): Grundrechte in Europa und USA, 5. Kap. VI. 2. (S. 318, 319); Costello, in: Weber (Hrsg.): Fundamental Rights in Europe und North America – Ireland, Chapt. 5 III. (S. IRE 56 ff.). 23 De Blois/Heringa, in: Grabitz (Hrsg.): Grundrechte in Europa und USA, 8. Kap. VI. 2. (S. 541 ff.). 24 Thomashausen, in: Grabitz (Hrsg.): Grundrechte in Europa und USA, 9. Kap. VI. 2. (S. 627); Polakiewicz, ZaöRV 54 (1994), 340 (377 ff.). 25 Prats-Canut, in: Grabitz (Hrsg.): Grundrechte in Europa und USA, 10. Kap. VI. 2. (S. 682); Polakiewicz, ZaöRV 54 (1994), 340 (377 ff.). 26 Germer, in: Grabitz (Hrsg.): Grundrechte in Europa und USA, 2. Kap. VI. 2. (S. 105). 27 Pieters, in: Grabitz (Hrsg.): Grundrechte in Europa und USA, 7. Kap. VI. 2. (S. 479, 480). 28 Pieters, in: Grabitz (Hrsg.): Grundrechte in Europa und USA, 1. Kap. VI. 2. (S. 43 ff.). 29 Berka, Die Grundrechte: Grundfreiheiten und Menschenrechte in Österreich, Rn. 225 ff. (S. 129 ff.). 30 Iliopoulos-Strangas, JöR 32 (1983), 395 (422 ff.); siehe auch: Doris, FS für Canaris (70. Gebtg.), Bd. II, S. 535 (S. 535 ff.). 31 Monaco, in: Grabitz (Hrsg.): Grundrechte in Europa und USA, 6. Kap. VI. 2. (S. 406 ff.); vgl. auch: Luther, JöR 43 (1995), 475 (488 ff.). 32 Scheinin, in: Weber (Hrsg.): Fundamental Rights in Europe und North America – Finland, Chapt. 5 III. 1. (S. FIN 47). 33 EuGH – Walrave & Koch/A. U. C. I. – Urteil v. 12. 12. 1974, Rs. 36/74 – Slg. 1974, 1405 Tz. 16/19.

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4. Kapitel: Leitbilder – Legitimation ungleicher Ausgestaltung?

viduen34 – bejaht hat, lässt sich angesichts der unterschiedlichen Zielkonzeptualisierung auf die Grundrechte nicht übertragen. Vielmehr würde eine Pauschalanerkennung der unmittelbaren Drittwirkung von Grundrechten nicht nur einen Verstoß gegen das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung darstellen, wonach die Gemeinschaft nur dann Kompetenzen wahrnehmen sowie Rechte und Pfl ichten des Einzelnen begründen darf, wenn die Mitgliedstaaten ihr hierzu eine ausdrückliche Ermächtigung eingeräumt haben. Sie würde auch der Wirtschaftsverfassung des EG-Vertrages zuwiderlaufen und insbesondere die Systempfeiler der Wettbewerbspolitik untergraben. 2. Grundrechtsdogmatische Besonderheiten im Verbraucherrecht? Nichtsdestotrotz könnte bezüglich des Verbraucherrechts das übliche Argument, dass zwischen Privatrechtssubjekten nicht dasselbe Machtgefälle wie zwischen dem Staat und seinen Bürgern existiert (insbesondere Zwangsmittel wie Normerlass, Verwaltungsakt und Strafverhängung nicht zur Verfügung stehen) 35, dazu verleiten, speziell in diesem Sonderbereich doch eine stärkere Grundrechtsbindung zu propagieren. Denn ausgehend von der Überlegung, dass sich Unternehmer und Verbraucher in einer Zwischenstufe zur Über- und Unterordnung des öffentlichen Rechts gegenüberstehen, wäre zumindest auf Unternehmerseite in Erwägung zu ziehen, eine unmittelbare Grundrechtsbindung zu postulieren. 36 Eine solche Differenzierung in Erwägung zu ziehen, heißt jedoch, sie im Ergebnis zu verneinen. Denn Unternehmer stärker als alle übrigen Marktteilnehmer an Grundrechte zu binden, wäre letztlich nicht nur willkürlich, sondern würde auch der klassischen Auffassung des BVerfG widersprechen, wonach die mittelbare Ausstrahlungswirkung der Grundrechte privatrechtsübergreifend nur über bestimmte Einbruchstellen zum Tragen kommen kann. 37 Als Einbruchstellen in diesem Sinne fungieren nicht nur die privatrechtlichen Generalklauseln, sondern auch die zwingenden Rechtsvorschriften des Privatrechts sowie solche Normen, über die der Gesetzgeber originär staatliche Aufgaben auf Privatleute delegiert. 38 Die Tatsache, dass als Einbruchstellen neben den zivilrechtlichen Generalklauseln gerade auch zwingende Vertragsrechtsvorschrif34 EuGH – Angonese/Cassa di Risparmio – Urteil v. 06. 06. 2000, Rs. C-281/98 – Slg. 2000, I-4139 Tz. 36. 35 Canaris, AcP 184 (1984), 201 (205, 206); Jaeckel, Schutzpfl ichten im deutschen und europäischen Recht, 1 Kap. A. II. 2. (S. 41). 36 Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass das BAG eine unmittelbare Grundrechtsgeltung für das Arbeitsrecht, also einem Sonderprivatrecht mit ähnlich disparater Ausgestaltung wie dem Verbraucherrecht, vertritt [BAG – Urteil v. 10. 05. 1957, Az.: 1 AZR 249/56 – BAGE 4, 274 (274)]. 37 BVerfG – »Lüth« – Urteil v. 15. 01. 1958, Az.: 1 BvR 400/51 – BVerfGE 7, 198 (198 ff.). 38 BVerfG – »Lüth« – Urteil v. 15. 01. 1958, Az.: 1 BvR 400/51 – BVerfGE 7, 198 (206).

§ 19 (Un-)Mittelbare Drittwirkung – Vorgaben für die Normgestaltung?

245

ten (also Vorschriften, die wie das Verbraucherrecht »der Herrschaft des Parteiwillens entzogen« sind39) anerkannt sind, zeigt, dass es auch an einem praktischen Bedürfnis für eine spezifisch verbraucherrechtliche Drittwirkungsqualifi zierung fehlt. Als Legitimationsgrund vertragsrechtlicher Sphärenbetrachtungen ist der Aspekt einer qualifi zierten Drittwirkung der Grundrechte daher selbst im Verbrauchervertragsrecht abzulehnen.40

B. Systemvorgaben durch die Drittwirkung der Grundfreiheiten? Eindeutiger ist die Drittwirkungsfrage im Hinblick auf die Grundfreiheiten zu beantworten. Denn diesbezüglich hat der EuGH unmissverständlich klargestellt, dass auch private Rechtsträger die Vorgaben der Grundfreiheiten zu beachten haben.41 Diese Rechtsfortbildung erfolgte im Bereich der Arbeitnehmer-, Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit letztlich in zwei Schritten. In einem ersten Schritt machte der EuGH deutlich, dass jedenfalls privatrechtliche Akte mit gesetzesähnlichem Charakter (z. B. Satzungen von Berufsorganisationen und Verbänden) dem Beschränkungsverbot der Grundfreiheiten unterliegen.42 Das »Verbot der unterschiedlichen Behandlung g[elte] nicht nur für Akte der staatlichen Behörden, sondern erstreck[e] sich auch auf sonstige Maßnahmen, die eine kollektive Regelung im Arbeits- und Dienstleistungsbereich enthalten«.43 In einem zweiten Schritt ging der EuGH dann dazu über, die Grundfreiheiten selbst in solchen Fällen zwischen Privaten anzuwenden, in denen punktuelle – also keine verbandsmäßigen – Akte privater Rechtsträger in Rede stehen. Das »Verbot der Diskriminierung auf Grund der Staatsangehörigkeit g[elte] . . . auch für Privatpersonen«44, sei von Privatpersonen also auch außerhalb verbandsmäßiger Selbstorganisationsstrukturen einzuhalten45. 39

BVerfG – »Lüth« – Urteil v. 15. 01. 1958, Az.: 1 BvR 400/51 – BVerfGE 7, 198 (206). Vgl. Mestmäcker, Recht und ökonomisches Gesetz, IV. 1. (S. 373). 41 Im Überblick: Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, § 2 (S. 33 ff.); a. A.: Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 3 Rn. 100, 101 (S. 48, 49). 42 EuGH – Union royale/Bosman – Urteil v. 15. 12. 1995, Rs. C-415/93 – Slg. 1995, I4921 Tz. 92 ff.; Haug-Adrion/Versicherungs-AG – Urteil v. 13. 12. 1984, Rs. 251/83 – Slg. 1984, 4277 Tz. 14 ff.; Dona/Mantero – Urteil v. 14. 07. 1976, Rs. 13/76 – Slg. 1976, 1333 Tz. 17/18; Walrave & Koch/A. U. C. I. – Urteil v. 12. 12. 1974, Rs. 36/74 – Slg. 1974, 1405 Tz. 16/19. 43 EuGH – Walrave & Koch/A. U. C. I. – Urteil v. 12. 12. 1974, Rs. 36/74 – Slg. 1974, 1405 Tz. 16/19. 44 EuGH – Angonese/Cassa di Risparmio – Urteil v. 06. 06. 2000, Rs. C-281/98 – Slg. 2000, I-4139 Tz. 36. 45 A. A.: W.-H. Roth, der die unmittelbare Drittwirkung unter privaten Rechtsträgern auf die Konstellationen »kollektiver Rechtsetzung« beschränkt wissen will: W.-H. Roth, FS für Everling – Bd. 2 (70. Gebtg.), S. 1231 (S. 1246, 1247). 40

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4. Kapitel: Leitbilder – Legitimation ungleicher Ausgestaltung?

Bei konsequenter Umsetzung der EuGH-Rechtsfortbildung wird damit sogar der Marktbürger im Bereich seiner privatautonomen Eigensphäre in die Verantwortung genommen, keine Schranken zu errichten, welche die Schaffung des Binnenmarktes beeinträchtigen könnten. Dementsprechend würden die »EuGH-Urteile zu den Marktfreiheiten . . . nicht mehr so sehr – wie es der formalen Konstruktion des EG-Vertrages entspricht – als gegen einen Mitgliedstaat gerichtet wahrgenommen . . ., sondern [wirkten] unmittelbar als Hinweise für Verbote oder Erlaubnisse bei der Vertragsgestaltung von Privatrechtssubjekten«.46 Nach Ansicht von Ganten entspricht allein diese unmittelbare Drittwirkung dem telos des EG-Vertrages.47 Aber selbst wenn man mit dem EuGH (entgegen einiger Stimmen in der Literatur48) von einer unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten ausgehen würde, lieferte dies kein Argument, die Aufspaltung des Vertragsrechts, die Aufrechterhaltung von Sonderprivatrechten und die Berücksichtigung von Gruppeninteressen zu rechtfertigen. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall: Denn entsprechend ihrem Schutzzweck sind die Grundfreiheiten gerade nicht auf Regulierung – also nicht auf Markterhaltung durch gesetzliche Sonderregimes –, sondern auf Deregulierung von Vorschriften mit Protegierungsgehalt gerichtet.49 Allenfalls mittelbar ließe sich ein Zusammenhang zwischen der Sonderbereichsbildung im Vertragsrecht und dem deregulierenden Drittwirkungsgehalt der Grundfreiheiten konstruieren. Denn indem die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten die Privatautonomie beschränkt, kann es zu einem Bedeutungsverlust formal gleicher Privatautonomie zugunsten einer binnenmarktspezifischen Freiheitsmaterialisierung kommen. 50 Aber auch unter Betonung dieses Einzelaspekts ließe sich eine Legitimationsbasis zugunsten der Sondervertragsrechte nicht herleiten. So ist die Grundfreiheitenverpfl ichtung Privater weder mit den Bereichscharakteristika des Handelsvertragsrechts noch mit den Leitbilderwägungen des Verbrauchervertragsrechts deckungsgleich. Genauer gesagt lassen sich der Drittwirkung als solcher keine konkreten Leitbildaussagen entnehmen, die als Referenzmodell für sonderprivatrechtliche Vertragsmodelle dienen könnten.

46 W. Kilian, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 427 (S. 430); a. A.: Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, 2. Kap. C. II. 1. (S. 18). 47 Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, § 3 V. (S. 106 ff.). 48 Reich, in: Reich/Micklitz (Hrsg.): Europäisches Verbraucherrecht, § 2 I. 1. (S. 54, 55). 49 Vgl. in diesem Zusammenhang: Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Privatrechts, § 5 III. 2. (S. 103, 104). 50 Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.): EU/EG, Art. 28 EG Rn. 306; Wölker/Grill, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.): EU/EG, Art. 39 EG Rn. 17, 18.

§ 20 Die vertragsrechtlichen Schutzpfl ichten des Staates

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§ 20 Die vertragsrechtlichen Schutzpflichten des Staates Neben dem Drittwirkungsgehalt der Grundrechte und Grundfreiheiten wird das Verhältnis der Privatrechtsgesellschaft zum Staat schon seit Thomas Hobbes (1588–1679)51, Edward Coke (1552–1634)52 und John Locke (1632– 1704) 53 maßgeblich durch staatliche Schutzpfl ichten geprägt. 54 Während heutzutage die Pfl icht zur einfachgesetzlichen Ausgestaltung des Vertragsinstituts und des Zustandekommens von Verträgen kein originärer Schutzauftrag des Staates gegenüber dem Individuum, sondern ein Auftrag gegenüber der Allgemeinheit ist, treten die grundrechtlichen Schutzpfl ichten als Pfl ichten gegenüber bestimmten Personen (-gruppen) in Erscheinung, was sie auf den ersten Blick als Legitimationsfaktor der Sonderprivatrechte geradezu prädestinieren könnte. Vertragsrechtlich zum Tragen kommen sie, wenn der Gesetzgeber die rechtliche Privatautonomie eines typisierungsfähigen Personenkreises entweder vollständig ungeregelt lässt, nicht hinreichend ausgestaltet oder die Rahmenumstände zur tatsächlichen Freiheitsausübung allgemein einschränkend oder einseitig belastend festlegt.

A. Grundrechtliche Schutzpflichten – symmetrischer Grundrechtsschutz? Seit einiger Zeit haben die grundrechtlichen Schutzpfl ichten ihren Siegeszug durch ganz Europa angetreten. 55 Als erstes haben sie wohl Eingang in die Rechtsprechung des deutschen BVerfG gefunden, das sie aus der objektivrechtlichen Funktion der Grundrechte abgeleitet hat. 56 Unter dem synonymen Begriff der »positiven Pfl ichten« sind sie inzwischen auch fester Bestandteil 51

Hobbes, De Cive, Chap. XIII. (S. 156 ff.). Coke, The fi rst part of the Institutes of the lawes of England, S. 1 ff.; ders., The second part of the Institutes of the lawes of England, S. 1 ff. 53 Locke, Two treatises of Civil Government, Book I, Chap. II. (S. 5 ff.), Book II, Chap. VI. (S. 141 ff.). 54 Im Überblick: Jaeckel, Schutzpfl ichten im deutschen und europäischen Recht, Einleitung B. (S. 20 ff.). 55 Ausführlich hierzu: Szczekalla, in: Rengeling (Hrsg.): Hdb. zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Bd. 1, § 12 Rn. 20 ff. (S. 325 ff.); ders., Die sog. grundrechtlichen Schutzpfl ichten im deutschen und europäischen Recht, 2. Teil (S. 459 ff.); Suerbaum, EuR 38 (2003), 390 (390 ff.); Jaeckel, Schutzpfl ichten im deutschen und europäischen Recht, S. 29 ff.; in Bezug auf Österreich: Kind, ÖJZ 57 (2002), 81 (89 ff.). 56 BVerfG – »Schwangerschaftsabbruch I« – Urteil v. 25. 02. 1975, Az.: 1 BvF 1, 2, 3, 4, 5, 6/74 – BVerfGE 39, 1–68 (42 ff.); siehe auch: Bleckmann, FS für Bernhardt (70. Gebtg.), S. 309 (S. 311); Szczekalla, Die sog. grundrechtlichen Schutzpfl ichten im deutschen und europäischen Recht, 1. Teil A. (S. 92 ff.); Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpfl ichten, C. II. (S. 29 ff.). 52

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4. Kapitel: Leitbilder – Legitimation ungleicher Ausgestaltung?

der Rechtsprechung des EuGMR. 57 Hinzu kommt ihre Aufnahme in den internationalen Menschenrechtsschutz, namentlich in den IPbürgR. 58 Exemplarisch und modellhaft mag in diesem Zusammenhang die Judikatur des österreichischen Verfassungsgerichtshofs erscheinen, welcher früher einer objektiven Werteordnung gänzlich ablehnend gegenüber gestanden und die Grundrechte strikt auf ihre Funktion als subjektive Abwehrrechte des Einzelnen gegenüber dem Staat reduziert hatte59, während es in neueren Entscheidungen unter Hinweis auf den EuGMR den Begriff der Schutzpfl ichten ausdrücklich in Bezug nimmt60. Nicht zuletzt enthält auch die EU-Grundrechtscharta in Art. 1 S. 2 eine Bestimmung zur positiven Achtung und zum Schutz der Menschenwürde61, sodass von einem Herleitungs- oder Rechtsquellenproblem der Schutzpfl ichten auch auf Gemeinschaftsebene nicht auszugehen ist62 . I. Der Wirkungsgehalt der grundrechtlichen Schutzpflichten Die Schutzpfl ichten verpfl ichten die gesamte öffentliche Gewalt zur Bewahrung der Integrität der grundrechtlichen Schutzgüter (status quo). Dies geschieht vor allem im Wege der Gesetzesmediatisierung – also durch den Erlass von Gesetzen, bei denen es nicht um den Schutz vor Verletzungen durch den Staat, sondern um den Schutz vor Verletzungen durch Privatpersonen, folglich um die klassische Ausgestaltung einer Drittwirkungsproblematik geht.63 Im Vertragsrecht ist dabei die grundrechtlich garantierte Vertragsfreiheit der ei57 EGMR – Odièvre/Frankreich – Urteil v. 13. 02. 2003, Az.: 42326/98 – NJW 56 (2003), 2145 (2145 ff.); Plattform »Ärzte für das Leben«/Österreich – Urteil v. 21. 06. 1988 – EuGRZ 16 (1989), 522 (522 ff.); X und Y/Niederlande – Urteil v. 26. 03. 1985 – EuGRZ 12 (1985), 297 (297 ff.); Artico/Italien – Urteil v. 13. 05. 1980 – EuGRZ 7 (1980), 662 (662 ff.); Airey/ Irland – Urteil v. 09. 10. 1979 – EuGRZ 6 (1979), 626 (626 ff.); Marckx/ Belgien – Urteil v. 13. 06. 1979 – EuGRZ 6 (1979), 454 (454 ff.); vgl. auch: Bleckmann, FS für Bernhardt (70. Gebtg.), S. 309 (S. 310 ff.); Dröge, Positive Verpfl ichtungen der Staaten in der EMRK, S. 11 ff. 58 Im Überblick: Klein, in: Klein (Hrsg.): The Duty to Protect and to Ensure Human Rights, S. 295 (S. 295 ff.); vgl. auch: Human Rights Committee – General Comment 31, Nature of the General Legal Obligation on States Parties to the Covenant, U. N. Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.13 (2004), insbesondere Tz. 6 – URL: http://www.unhchr.ch/tbs/ doc.nsf/(Symbol)/CCPR.C.21.Rev.1.Add.13.En?Opendocument (04. 08. 2008). 59 VfGH (Wien) – Erkenntnis v. 03. 10. 1977, Az.: G 13/76, G7/77 – EuGRZ 5 (1978), 7 (13 ff.); Erkenntnis v. 11. 10. 1974, Az.: G 8/74 – EuGRZ 2 (1975), 74 (76). 60 Beginnend: VfGH (Wien) – Erkenntnis v. 05. 10. 1981, Az.: W I-9/79 – EuGRZ 9 (1982), 22 (25); vgl. auch: VfGH (Wien) – Erkenntnis v. 12. 10. 1990, Az.: B 20/89 – EuGRZ 17 (1990), 550 (550 ff.). 61 Ähnlich: L. V. Schmidt, ZEuS 5 (2002), 631 (631 ff.). 62 Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der EG, B. III. 4. b) bb) (2) (S. 59 ff.). 63 Canaris, AcP 184 (1984), 201 (225, 226); ders., Grundrechte und Privatrecht, VI. 2. b) (S. 75); Hermes, NJW 43 (1990), 1764 (1765); Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 6 II. 1. d) (S. 234, 235).

§ 20 Die vertragsrechtlichen Schutzpfl ichten des Staates

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nen Vertragspartei mit der grundrechtlich geschützten Selbstbestimmung der anderen Partei in einen Ausgleich zu bringen.64 Der Richtlinien- bzw. Gesetzgeber hat die Entwicklung der tatsächlichen und rechtlichen Lage zu beobachten (Beobachtungspfl icht) und die bestehenden Gesetze gegebenenfalls nachzubessern (Nachbesserungspfl icht).65 Sieht der einfache Gesetzgeber davon ab, »zwingendes Vertragsrecht für bestimmte Lebensbereiche oder für spezielle Vertragsformen zu schaffen«, bedeutet dies allerdings nicht, »daß die Vertragspraxis dem freien Spiel der Kräfte unbegrenzt ausgesetzt wäre«.66 Bereits aus den grundrechtlichen Schutzpfl ichten in Verbindung mit den bürgerlichrechtlichen Generalklauseln könnte (verbraucherrechtlicher) Schwächerenschutz gewährleistet werden67, wobei sich lediglich die Aufgabe der Konkordanzprüfung auf den Richter verlagern würde.68 II. Der Vorrang der dezentralisierten Eigenverantwortlichkeit Speziell im Vertragsrecht bestehen für die Annahme einer gesetzgeberischen Schutzpfl icht allerdings hohe Hürden.69 Denn grundsätzlich sind Privatpersonen nur in die Lage zu versetzen, ihre Rechtsbeziehungen auf der Grundlage der Privatautonomie, die Strukturelement einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung ist, eigenverantwortlich und ohne staatliche Modifi zierung gestalten zu können (formale Vertragsfreiheit).70 Die Vertragsparteien »bestimmen selbst, wie ihre gegenläufigen Interessen angemessen auszugleichen sind, und verfügen damit zugleich über ihre grundrechtlich geschützten Positionen ohne staatlichen Zwang. Der Staat hat die im Rahmen der Privatautonomie getroffenen Regelungen erst einmal zu respektieren.«71 Die Wirksamkeit eines Vertrages darf nicht schon bei jeder Störung des Verhandlungsungleichgewichts nachträglich in Frage gestellt werden.72 Frei nach dem Grundsatz »volenti non fit iniuria« sind Verträge, deren Verhandlungsergebnis in freiwilliger Selbstbindung gefunden worden ist, für richtig zu halten, auch wenn sie objektiv inäquivalent und unvernünftig sind.73 64

Nannen, Grundrechte und privatrechtliche Verträge, C: 3. Teil I. 1. b) aa) (S. 94 ff.). Szczekalla, Die sog. grundrechtlichen Schutzpfl ichten im deutschen und europäischen Recht, 1. Teil A. V. 4. (S. 174 ff.). 66 BVerfG – »Handelsvertreter« – Beschluss v. 07. 02. 1990, Az.: 1 BvR 26/84 – BVerfGE 81, 242 (255, 256). 67 Oeter, AöR 119 (1994), 529 (538). 68 BVerfG – »Handelsvertreter« – Beschluss v. 07. 02. 1990, Az.: 1 BvR 26/84 – BVerfGE 81, 242 (256); vgl. auch: Hillgruber, AcP 191 (1991), 69 (76). 69 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 3. Kap. II. 2. (S. 109 ff.). 70 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 3. Kap. II. 2. (S. 112). 71 BVerfG – »Handelsvertreter« – Beschluss v. 07. 02. 1990, Az.: 1 BvR 26/84 – BVerfGE 81, 242 (254). 72 BVerfG – »Bürgschaftsvertrag I« – Beschluss v. 19. 10. 1993, Az.: 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89 – BVerfGE 89, 214 (232). 73 Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 1. Teil A. I. (S. 9). 65

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4. Kapitel: Leitbilder – Legitimation ungleicher Ausgestaltung?

Nur bei (typisierbaren) Fallgestaltungen, bei denen die strukturelle Unterlegenheit des einen Vertragsteils erkennbar ist, und die Folgen des Vertrages für den unterlegenen Vertragsteil ungewöhnlich belastend sind, kann bzw. muss der Gesetzgeber reagieren und Maßnahmen treffen, die der grundrechtlichen Gewährleistung der Privatautonomie Rechnung tragen.74 Es muss sich um solche Fälle handeln, in denen »mit den Mitteln des Vertragsrechts allein kein sachgerechter Interessenausgleich zu gewährleisten« wäre.«75 Dabei braucht die Grundrechtskollision »keineswegs immer durch eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen den Grundrechten zu erfolgen«, sondern kann auch in eine generelle und abstrakte Vorrangentscheidung zugunsten eines der beiden Grundrechte münden.76 Ist der Staat verpfl ichtet einzugreifen, weil eine Vertragspartei ein so starkes Übergewicht hat, dass sie vertragliche Regelungen faktisch einseitig setzen kann und die andere Vertragspartei fremdbestimmt77, ist der mit der gesetzgeberischen Schutzmaßnahme korrespondierende Eingriff in aller Regel als gerechtfertigt zu erachten (Symmetrie des Grundrechtsschutzes). Nur in derartigen Übergriffsfällen wird die Schutzpfl icht zur negativen Ausgrenzung der Freiheitssphären aktiviert, ohne ein dauerhaftes (positives) Pfl ichtenverhältnis zu begründen.78 III. Die mangelnde Generalisierungseignung der Schutzpflichtenlehre Als typisierungsfeindlich ist die Schutzpfl ichtenlehre insofern zu qualifi zieren, als die genaue Grenzziehung, inwiefern die Privatautonomie des einen eingeschränkt werden muss, damit der andere von seiner Selbstbestimmung frei Gebrauch machen kann, weder dem EG-Vertrag noch der Verfassung unmittelbar zu entnehmen ist.79 Auch Rechtsprechung und Literatur haben in der Vergangenheit keine verlässlichen Kriterien oder Anhaltspunkte entwickelt, wann Ungleichgewichtslagen so schwer wiegen, dass die Vertragsfreiheit

74 BVerfG – Beschluss v. 19. 10. 1993, Az.: 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89 – BVerfGE 89, 214 (232); Hillgruber, AcP 191 (1991), 69 (75, 76); Wiedenmann, Verbraucherleitbilder und Verbraucherbegriff im deutschen und europäischen Privatrecht, B III. 4. (S. 108 ff.); Denkinger, Der Verbraucherbegriff, 1. Teil C. IV. (S. 92); kritisch: Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 6 III. 4. a) (S. 273 ff.). 75 BVerfG – »Handelsvertreter« – Beschluss v. 07. 02. 1990, Az.: 1 BvR 26/84 – BVerfGE 81, 242 (255). 76 Canaris, JuS 29 (1989), 161 (164). 77 BVerfG – »Bürgschaftsvertrag I« – Beschluss v. 19. 10. 1993, Az.: 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89 – BVerfGE 89, 214 (233). 78 Noch restriktiver: Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 3. Kap. II. 2. (S. 112). 79 Trotzdem erachtet es Zöllner als »Aufgabe der Rechtswissenschaft und der Gerichte, nach Regeln oder wenigstens Prinzipien zu suchen, anhand derer sich Gang und Ausmaß rechtlicher Beschränkungen der Vertragsfreiheit bestimmen lassen« [Zöllner, Die Privatrechtsgesellschaft im Gesetzes- und Richterstaat, IV. (S. 29)].

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durch zwingendes Gesetzesrecht begrenzt oder ergänzt werden müsste.80 So hat bereits Zöllner darauf hingewiesen, dass die Gründe für eine fehlende Selbstbestimmung (als Rechtfertigungsbasis für das Eingreifen von grundrechtlichen Schutzpfl ichten) z. B. »geringes Lebensalter (21), Fehlen qualifi zierter Berufsausbildung, Fehlen großer Lebenserfahrung, fehlende Gewandtheit und Erfahrung in Geldgeschäften und dadurch hervorgerufene Undurchschaubarkeit von Bedeutung und Ausmaß des übernommenen Risikos, schließlich der Zwang zur Unterschrift durch familiäre Bindung an den Hauptschuldner, . . .«

sämtlich Umstände sind, »deren Auswirkung auf die Selbstbestimmung – sprich Entscheidungsfreiheit – sich nicht im Vorhinein allgemein festlegen läßt«.81 Anhaltspunkte bietet zwar Canaris mit seinem Konzept zur relativen Wirkungsschwäche der Schutzgebotsfunktion82 , das auf der Überlegung basiert, »daß die Wirkungskraft der Schutzgebotsfunktion i.V. mit dem Untermaßverbot grundsätzlich schwächer ist als die der Eingriffsverbotsfunktion i. V. mit dem Übermaßverbot«.83 Die Argumentationsschwelle, um den Gesetzgeber von seinem »Untätigbleiben« (im Sinne staatlicher Zurückhaltung gegenüber der Privatrechtsgesellschaft) zu lösen (Schutzfunktion), wäre danach höher, als der Begründungsbedarf, um in vergleichbaren Fällen gegen ein staatliches Eingreifen vorgehen zu können (Abwehrfunktion). Letztlich sind aber selbst Hilfskonstruktionen wie diese, die im Zweifel zum Schutz formaler Freiheit tendieren, zu abstrakt, um ein normativ fundiertes Legitimationsmodell für sonderprivatrechte Typenbildungen verlässlich festzuschreiben. Realistischerweise ist vielmehr einzugestehen, dass ein exakter allgemeiner Maßstab für das Vorliegen der Schutzbedürftigkeit bzw. Unterlegenheit nicht existiert und angesichts der Vielfältigkeit möglicher Lebenskonstellationen auch kaum festzustellen ist.84 Konkretisierungsversuche wie derjenige von Wellenhofer-Klein, die Begriffe der strukturell ungleichen Verhandlungsmacht zur näheren Eingrenzung durch den Begriff der »existenziellen Abhängigkeit« zu ersetzen (unter den Arbeit und Wohnung, nicht jedoch die »viel beschworene, allgemeine Unterlegenheit des Verbrauchers« eingeordnet werden könnte) 85, tragen das unzureichende Deduktionssubstrat der grundrechtlichen Schutzpfl ichten plakativ zur Schau, betreffen die grundrechtlichen 80 Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, § 1 (S. 1). 81 Zöllner, AcP 196 (1996), 1 (31). 82 Canaris, Grundrechte und Privatrecht, IV. 3. c) (S. 43 ff.); vgl. auch: Canaris, JuS 29 (1989), 161 (163, 164). 83 Canaris, Grundrechte und Privatrecht, IV. 3. c) (S. 43); a. A.: Hager, JZ 49 (1994), 373 (381 ff.). 84 Hönn, Jura 6 (1984), 57 (74); Limmer, in: RheinNotarK (Hrsg.): Notar und Rechtsgestaltung, S. 15 (S. 40); Mohr, 204 (2004), 660 (679). 85 Wellenhofer-Klein, ZIP 18 (1997), 774 (775).

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4. Kapitel: Leitbilder – Legitimation ungleicher Ausgestaltung?

Schutzpfl ichten unmittelbar doch einen ganz anderen Rechtsstoff als der vertragliche Leistungsaustausch86. Würde man die Typisierungstatbestände der sonderprivatrechtlichen Normen an der Schutzpfl ichtenlehre messen, wären demgemäß auch sie dem permanenten Verdacht ausgesetzt, die Schutzpfl ichtendogmatik nicht maßstabsgerecht widerzuspiegeln. Man denke nur an diverse Situationen, in denen auch Nichtverbraucher gegenüber Unternehmern Schutz bedürfen (z. B. Subunternehmer gegenüber Generalunternehmern) 87 oder Verbraucher Schutz gerade nicht benötigen88.

B. Die Deliberalisierungswirkung der Grundfreiheiten Im Gegensatz zu dem grundrechtlichen Auftrag zur aktiven Regulierung erteilen die Schutzpfl ichten, die mit den Grundfreiheiten einhergehen, einen Auftrag zur aktiven Deregulierung. Ähnlich wie die Grundrechte entfalten sie nicht nur negativ wirkende Verbote hinsichtlich binnenmarktbeschränkender Maßnahmen, sondern verpfl ichten in Verbindung mit dem Grundsatz der Gemeinschaftstreue (Art. 10 EG) die Mitgliedstaaten auch positiv dazu, Maßnahmen zu ergreifen, damit die Deregulierungswirkungen der Grundfreiheiten auf ihrem Gebiet Wirkungen entfalten können. I. Urteil »désordre public« als Anerkennung von Schutzpflichten Wie der EuGH in seinem »désordre public«-Urteil (1997) unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, können auch die Grundfreiheiten einen Mitgliedstaat zu aktivem Handeln verpfl ichten.89 In diesem Vorabentscheidungsverfahren wurde Frankreich vorgeworfen, gegenüber protestierenden und randalierenden französischen Landwirten keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen zu haben, damit eine Beschränkung des freien Warenverkehrs (Verbringen von Obst und Gemüse) durch Handlungen von Privatpersonen verhindert wurde.90 Konkret seit 1993 waren die französischen Behörden untätig geblie86 So auch Oechsler im Hinblick auf die Deduktionsmöglichkeit von Vertragsgerechtigkeit aus der Verfassung: »Der vertragliche Leistungsaustausch erzeugt . . . erkennbar eigene Probleme und Rechtsfragen, deren konsistente Lösung (Gleichbehandlung gleicher, Ungleichbehandlung ungleicher Fälle) nicht auf der Grundlage der allgemeinen Verfassungsnormen erfolgen kann . . .« [Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, § 2 II. 5. b) bb) (S. 142)]. 87 Vgl. hierzu: Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 11 III. 3. f) bb) (S. 255); Denkinger, Der Verbraucherbegriff, 1. Teil C. IV. 2. (S. 103). 88 Martinek, TSAR 2007, 1 (10); ders., in: Willoweit (Hrsg.): Rechtswissenschaft und Rechtsliteratur im 20. Jahrhundert, S. 141 (S. 157). 89 Im Überblick: Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 3 Rn. 71 und Rn. 116 ff. (S. 35 und S. 55, 56). 90 EuGH – Kommission/Französische Republik – Urteil v. 09. 12. 1997, Rs. C-265/95 – Slg. 1997, I-6959 Tz. 1.

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ben, obwohl französische Privatleute und Bauern u. a. Gewalttaten gegenüber landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten, insbesondere aus Spanien, verübt hatten. Die Taten bestanden im einzelnen u. a. im Anhalten von Lastwagen, Vernichtung ihrer Ladungen, Angriffen auf Lastwagenfahrer, in der Bedrohung französischer Supermärkte, die landwirtschaftliche Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten verkauften, und in der Beschädigung von Importwaren, welche in französischen Geschäften auslagen.91 In Anbetracht dieser Ausgangslage folgte der Gerichtshof dem Votum des Generalanwalts Lenz, der in seinem Schlussantrag den Vorschlag unterbreitet hatte, »festzustellen, daß die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpfl ichtungen aus den gemeinsamen Marktorganisationen für Agrarprodukte und aus Artikel 30 in Verbindung mit Artikel 5 EG-Vertrag verstossen hat[te], daß sie nicht alle erforderlichen und angemessenen Maßnahmen ergriffen hat[te], damit der freie Warenverkehr mit Obst und Gemüse nicht durch Ausschreitungen von Privatpersonen behindert wird.«92 Somit steht die Warenverkehrsfreiheit nach Ansicht des EuGH nicht nur Maßnahmen entgegen, »die auf den Staat zurückzuführen sind und selbst Beschränkungen für den Handel zwischen den Mitgliedstaaten schaffen, sondern [fi ndet] auch dann Anwendung [. . .], wenn ein Mitgliedstaat keine Maßnahmen ergriffen hat, um gegen Beeinträchtigungen des freien Warenverkehrs einzuschreiten, deren Ursachen nicht auf den Staat zurückzuführen sind«.93 Der innergemeinschaftliche Handelsverkehr könne »ebenso wie durch eine Handlung dadurch beeinträchtigt werden, daß ein Mitgliedstaat [. . .] es versäumt, ausreichende Maßnahmen zur Beseitigung von Hemmnissen für den freien Warenverkehr zu treffen, die insbesondere durch Handlungen von Privatpersonen [. . .] geschaffen wurden«.94 Im Jahre 2003 bestätigte der EuGH im Urteil Schmidberger/Österreich die vorgenannte Rechtsfortbildung: Obwohl die Republik Österreich nicht die grundfreiheitlich gebotenen Maßnahmen gegen eine ca. 30-stündige Blockade der Brenner-Autobahn durch eine nach österreichischem Recht zulässige Demonstration unternommen hatte, verneinte der EuGH im Ergebnis allerdings eine Verletzung des freien Warenverkehrs.95 Die Freiheit der Meinungsäußerung und die Versammlungsfreiheit sowie das weite Ermessen Österreichs bei 91 EuGH – Kommission/Französische Republik – Urteil v. 09. 12. 1997, Rs. C-265/95 – Slg. 1997, I-6959 Tz. 2. 92 Generalanwalt Lenz - Schlussanträge Kommission/Französische Republik, Rs. C265/95 – Slg. 1997, I-6959 Tz. 79. 93 EuGH – Kommission/Französische Republik – Urteil v. 09. 12. 1997, Rs. C-265/95 – Slg. 1997, I-6959 Tz. 30. 94 EuGH – Kommission/Französische Republik – Urteil v. 09. 12. 1997, Rs. C-265/95 – Slg. 1997, I-6959 Tz. 31. 95 EuGH – Schmidberger/Österreich – Urteil v. 12. 06. 2003, Rs. C-112/00 – Slg. 2003, I-5659.

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4. Kapitel: Leitbilder – Legitimation ungleicher Ausgestaltung?

der Auswahl der zum Schutz dieser Grundrechte erforderlichen Maßnahmen gaben dabei den Ausschlag.96 Dies verdeutlicht, dass der EuGH den Mitgliedstaaten bei der Auswahl der Schutzmaßnahmen im einzelnen einen weiten Beurteilungsspielraum zugesteht. So ist es eine Frage des mitgliedstaatlichen Ermessens, »zu entscheiden, welche Maßnahmen in einer bestimmten Situation am geeignetsten sind, um Beeinträchtigungen der Einfuhr zu beseitigen. Es ist daher nicht Sache der Gemeinschaftsorgane, sich an die Stelle der Mitgliedstaaten zu setzen und ihnen vorzuschreiben, welche Maßnahmen sie erlassen und tatsächlich anwenden müssen, um den freien Warenverkehr in ihrem Gebiet zu gewährleisten.«97 Dass der Gerichtshof aus den Grundfreiheiten keinen Anspruch auf konkrete Schutzmaßnahmen ableitet, sondern lediglich ein am effet utile des Binnenmarktes orientiertes Schutzergebnis fordert, ist in Anbetracht des Rechtscharakters der Grundfreiheiten nur konsequent. Denn im Gegensatz zu den Grundrechten sind die Grundfreiheiten nicht in erster Linie individual-, sondern institutionenschützend, sodass nicht bei jeder individuellen Freiheitsbeeinträchtigung, sondern nur dann ein Handlungsauftrag hervorgerufen wird, wenn aus den individuellen Freiheitsbeschränkungen eine Beeinträchtigung der Errichtung und des Funktionierens des Binnenmarktprinzips erwächst.98 Dies setzt wiederum voraus, dass das eigenverantwortliche Handeln von Privatpersonen »zu massiven Handelsbehinderungen führ[t] . . ., ohne daß ihm durch Marktmechanismus, Wettbewerb oder Wettbewerbsregeln Einhalt geboten würde.99 Die Handelsbeeinträchtigung durch Private muss eine objektive Schwere besitzen, sodass ähnlich wie beim Spürbarkeitsmerkmal in Art. 81 EG nicht jede Behinderung ausreichend ist.100 Hinsichtlich der dann zu ergreifenden Schutzmaßnahmen genießt jeder Mitgliedstaat einen Ermessensund Gestaltungsspielraum, der nur auf evidente Ermessensfehler überprüfbar ist.101 II. Grundfreiheitliche Schutzpflichten und Privatrecht Eine Ausweitung der grundfreiheitlichen Schutzpfl ichten auf den Erlass privatrechtlicher Gesetze ist im Ergebnis zu verneinen. Eine solche Ausdehnung wird in der Literatur zwar vertreten, weil insbesondere Lücken im Bereithal96 EuGH – Schmidberger/Österreich – Urteil v. 12. 06. 2003, Rs. C-112/00 – Slg. 2003, I-5659 Tz. 78 ff. und Tz. 93, 94. 97 EuGH – Kommission/Französische Republik – Urteil v. 09. 12. 1997, Rs. C-265/95 – Slg. 1997, I-6959 Tz. 33, 34. 98 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 3. Teil 1. Abschnitt § 3 A. II. 5. (S. 393). 99 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 3. Teil 1. Abschnitt § 3 A. II. 5. (S. 393, 394). 100 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 3. Teil 1. Abschnitt § 3 A. II. 5. (S. 393). 101 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 3. Teil 1. Abschnitt § 3 A. II. 4. (S. 392); Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 3 Rn. 103 (S. 49, 50).

§ 20 Die vertragsrechtlichen Schutzpfl ichten des Staates

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ten sachenrechtlicher Rechtsinstitute (numerus clausus des Sachenrechts) oder das legislative Untätigbleiben, marktabschottende Verträge zu verbieten (Ausschließlichkeitsbindungen), eine Verletzung der Grundfreiheiten hervorrufen könnten.102 Dies würde jedoch voraussetzen, dass man die Grundfreiheiten an sich als Rechtsinstitute qualifi ziert, die auch verantwortlich dafür sind, dass die Schaffung marktunterstützender Normen des Privatrechts oder die Bereitstellung gruppentypisierter Sondernormbereiche angemahnt wird. Würde man einen solch weitgehenden Ansatz vertreten, ließe man außer Betracht, dass im Grunde lediglich hinsichtlich der Integrationsfunktion eine Überschneidung der Zielsetzung von Privatrecht und Grundfreiheiten eintritt, indem beide Rechtsmaterien mit mehr oder weniger starkem Impetus auf die Verwirklichung des Binnenmarktprinzips ausgerichtet sind. Was dagegen die eigentliche Marktfunktion anbelangt, können die Grundfreiheiten weder marktermöglichende noch markterhaltende Vorschriften erzwingen, sondern setzen diese lediglich voraus. Das Fehlen privatrechtlicher Normen als solches ist grds. »nicht geeignet, die Grundfreiheiten zu verletzen, solange den privaten Wirtschaftsteilnehmern die Möglichkeit privatautonomer Selbstgestaltung gelassen wird« (Körber).103 Genauso wenig könnte das Fehlen gruppentypisierter Sondernormbereiche den Schutzpfl ichten der Grundfreiheiten zuwiderlaufen. Zwar käme eine aktive Fördergesetzgebung auch dem zwischenstaatlichen Handelsverkehr zugute; die Ermöglichung des Tauschverkehrs ist jedoch keine originäre Aufgabe der Grundfreiheiten, sondern des Privatrechts. Da die Grundfreiheiten traditionell als Deregulierungsinstrumente Wirkung entfalten, »erscheint es recht fernliegend, . . . [d]aß eine zu geringe Regulierungsdichte gegen die Grundfreiheiten verstoßen könnte«.104 Inwiefern ein (Mitglied-) Staat marktunterstützende Basisvorschriften des Privatrechts zur Verfügung stellt, liegt grds. in seinem Ermessen, das im legislativen Bereich noch größer ist als in dem durch das »désordre public«-Urteil angesprochenen Vollzugsbereich. Selbst der verbreitete Gedanke, dass spezifisch der aktive Verbraucher im grenzüberschreitenden Handelsverkehr geschützt werden müsse105, kann es vor diesem Hintergrund nicht rechtfertigen, den Grundfreiheiten positive Förderpfl ichten zum Schutz privatrechtlicher Sondernormgruppen abzuverlangen.

102 Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, Abschnitt 2 I. (S. 49); Reich, in: Basedow/ Schwark/Schwintowski (Hrsg.), Informationspfl ichten – Europäisierung des Versicherungswesens, S. 91 (S. 109 ff.); vgl. auch: von Wilmowsky, Europäisches Kreditsicherungsrecht, § 2 I. 1. (S. 32 ff.). 103 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 3. Teil 1. Abschnitt § 3 B. II. (S. 396). 104 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 3. Teil 1. Abschnitt § 3 B. III. (S. 397). 105 Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, 4. Kap. B. II. (S. 82, 83).

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4. Kapitel: Leitbilder – Legitimation ungleicher Ausgestaltung?

§ 21 Rechtsprinzipien – Maßstab freiheitlicher Ungleichbehandlung Vorstehendes vorausgeschickt, liegt angesichts der mangelnden Legitimationseignung der Schutzpfl ichten bzw. der Drittwirkungsgebote die volle Argumentationslast schließlich auf der Frage, ob bestimmte Rechtsprinzipien festgestellt werden könnten, welche die Freiheitsmodifi zierungen der Sonderprivatrechte rechtfertigen können. Als »materiale Rechtsgedanken« sind Rechtsprinzipien besondere Ausprägungen der Rechtsidee, wie sich diese auf einer bestimmten historischen Entwicklungsstufe darstellt und in Gesetzgebung und Rechtsprechung, vor allem in dieser, fortdauernd konkretisiert. Einige von ihnen sind in der Verfassung oder in anderen Gesetzen ausdrücklich ausgesprochen; andere können aus der gesetzlichen Regelung, ihrem Sinnzusammenhang, im Wege einer »Gesamtanalogie« oder des Rückganges auf die ratio legis erschlossen werden; einige sind in der Lehre oder der Rechtsprechung, meist im Hinblick auf bestimmte, nicht anders lösbare Fälle, erstmals »gefunden« und ausgesprochen worden, und haben sich sodann dank der ihnen innewohnenden Überzeugungskraft im »allgemeinen Rechtsbewusstsein« durchgesetzt.106 In allen Fällen bleibt entscheidend ihr Sinnbezug auf die Rechtsidee.107 Rechtsprinzipien bedürfen ausnahmslos der Konkretisierung, wobei sich verschiedene Konkretisierungsstufen unterscheiden lassen.108 Auf der höchsten Stufe enthält das Prinzip noch keine Sonderung von Tatbestand und Rechtsfolge, sondern nur einen »allgemeinen Rechtsgedanken«, an dem sich die weitere Konkretisierung als an einem Leitfaden orientiert. In der Regel bedarf es weiterer Konkretisierungen, die zunächst einmal der Gesetzgeber vornimmt. Die letzte Konkretisierung erfolgt immer durch die Rechtsprechung im Hinblick auf den jeweiligen Einzelfall. Im Gesamtbild ergibt sich damit eine Wechselbeeinflussung der verschiedenen Konkretisierungsebenen. Das Prinzip wird aus seinen Konkretisierungen, und diese werden aus ihrer sinnhaften Verbindung in dem Prinzip deutlich gemacht. Die Bildung des »inneren Systems« erfolgt durch einen Prozess »wechselseitiger Erhellung«, der als die hermeneutische Grundstruktur der »Verstehensprozesse« im engeren Sinne begriffen werden kann.109

106

Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Kap. Ziff. 3. a) (S. 474). Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Kap. Ziff. 3. a) (S. 474). 108 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Kap. Ziff. 3. a) (S. 474, 475); Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Privatrechts, § 2 II. 2. a) aa) (S. 13). 109 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Kap. Ziff. 3. a) (S. 475); Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Privatrechts, § 2 II. 2. a) bb) (S. 14). 107

§ 21 Rechtsprinzipien – Maßstab freiheitlicher Ungleichbehandlung

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A. Die Peronenbilder als rollenspezifische Rechtsprinzipien Als maßgeblicher Sachgrund für die ungleiche Freiheitsausgestaltung durch die (sonder-) vertragsrechtlichen Normgruppen könnten in Gestalt von Rechtsprinzipien die Peronenbilder begriffen werden, die der Gesetz- und Richtliniengeber seiner Normgestaltung jeweils zugrunde legt. In diesem Sinne könnte methodologisch – bezogen auf die Sonderprivatrechte – das Verbraucher- und Unternehmerleitbild dazu dienen, das »Ob« und »Wie« der ungleichen Freiheitsgewähr im vertragsrechtlichen Dreiklang mustergültig zu erklären. Denn vertragsrechtlich betrachtet könnte die Bestimmung von Leitbilderwägungen in einen engen Zusammenhang mit dem Autonomieverständnis und dem Maß an Eigenständigkeit gebracht werden, das den Teilnehmern am Rechtsverkehr normativ zuzusprechen wäre. Art und Beschaffenheit des jeweils konstruierten Personenbildes könnten Aussagen darüber treffen, ob die Grenzen zwischen staatlicher Fremd- und individueller Eigenverantwortung weit oder eng zu ziehen wären.110 Bereits der Lauf der Geschichte hat gezeigt, dass verschiedene Vorstellungsbilder von dem Durchschnittstypus der Rechtsgenossen möglich sind111, um einen Maßstab zu gewinnen, anhand dessen ein Ausgleich zwischen der Schutz- und Eigenverantwortungssphäre über privatrechtliche Vorschriften hergestellt werden kann. In diesem Sinne lieferte bereits das damalige Abzahlungsgesetz ein Beispiel für eine idealisierte Variante des homo oeconomicus, die zwar nicht so weit wie das heutige Verbraucherleitbild ging, aber dennoch einem ganz bestimmten Menschentyp, der meist am Anfang seiner Kapitalbildung stand, ein Kompensationsmittel für seine wirtschaftliche Unterlegenheit zur Verfügung stellte.112 Desweiteren hat etwa auch die Nationalökonomie über historische Auswertungen verschiedene Typen langfristig und kurzfristig planender Marktteilnehmer herausgebildet.113 Während z. B. der Mensch des späten 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts Wirtschaftspläne für lange Fristen machte (sparte, um für die Zukunft zu sorgen), waren die Wirtschaftspläne der ersten Christen eher kurzfristig ausgestaltet, weil sie sich im Glauben an das baldige Kommen des Gottesreiches um spätere Zeiten gar nicht sorgten.114

110 Im Hinblick auf das Verbraucherleitbild: Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 9 III. 1. (S. 414). 111 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1. Teil 3. Kap. I. (S. 30). 112 Baltes, Das Abzahlungsgesetz als Verbraucherschutzgesetz, 1. Teil A. II. 2. a) (S. 52); Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, B. I. 1. b) (S. 37, 38). 113 Eucken, Die Grundlagen der Nationalökonomie, 3. Teil 5. Kap. (S. 341). 114 Eucken, Die Grundlagen der Nationalökonomie, 3. Teil 5. Kap. (S. 340, 341).

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4. Kapitel: Leitbilder – Legitimation ungleicher Ausgestaltung?

I. Leitbilder als empirisch-normative Sachgründe Vor diesem Hintergrund ist die Vermutung gerechtfertigt, dass hinter typisierten Sonderprivatrechten regelmäßig prinzipientaugliche Leitbilder stehen. Diese Leitbilder haben mehrere Facetten, bedenkt man, dass das »Personenbild« in den Privat- und Sonderprivatrechten mit einer empirisch-normativen Doppelseitigkeit Verwendung fi ndet: Während sich regelmäßig eine Seite damit befasst, wie der Mensch ist (empirisches Leitbild), beschäftigt sich eine zweite mit der Frage, wie er sein sollte (normatives Leitbild).115 In diesem Sinne liegt dem Vertragsrecht aufbauend auf empirischen Vermutungen ein normativ-konstruiert idealisiertes Rollenverständnis zugrunde, woraus sich ein »positives Modell menschlichen Verhaltens« ergibt, das es ermöglicht, »die Folgen rechtlicher Regeln ab[zu]schätzen und im Lichte (vorgegebener) gesetzgeberischer Zielvorstellungen [zu] bewerten«.116 Bedeutet dies nun aber, dass die Leitbilder, die dem Vertragsrecht bzw. bestimmten Normgruppen zugrunde liegen, rein empirisch oder normativ sind? Nichts von beiden in der reinen Form. Vielmehr ist generell – sowie im Rahmen der vorliegenden Untersuchung – davon auszugehen, dass es sich bei den Leitbildern um normative Maßstäbe handelt, die gruppen- bzw. schichtenspezifische Anschauungen zum Ausdruck bringen und durch Rechtsschöpfung oder -auslegung in das Gesetz Eingang erhalten haben.117 Sie sind prinzipientauglich entweder aus höherrangigem Recht abzuleiten oder hilfsweise aus empirischen bzw. ökonomischen Selbstverständlichkeiten zu deduzieren.118 Normativ erfüllen sie eine »Schaltstellenfunktion«, indem sie immer dann zum Einsatz gelangen, wenn Ungleichbehandlungen in Bezug auf Freiheitsgewährungen gerechtfertigt werden sollen. Daraus folgt, dass Leitbilder Sonderprivatrechten nicht nur zugrunde liegen können, sondern sogar müssen. Bei dem Unterfangen, eine Personengruppe mit einem anderen Freiheitsgehalt als eine vergleichbare Personengruppe auszustatten, nehmen Leitbilder auf diese Weise eine ähnlich legitimierende Funktion ein wie der sachliche Grund bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung einer grundrechtsrelevanten Ungleichbehandlung im Rahmen einer Prüfung, ob ein Grundrecht verletzt oder eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist.

115 Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 9 III. 4. a) (S. 430, 431); vgl. auch: Seibt, GRUR 104 (2002), 465 (466). 116 Eidenmüller, JZ 60 (2005), 216 (217). 117 Vgl. Enders, Neuerungen im Recht der Verbraucherdarlehensverträge, B. II. 4. b) aa) (S. 62); siehe hierzu die Ausführungen zum »Sozialmodell« bei: Westermann, AcP 178 (1978), 151 (158, 159); gegen ein normatives Menschenbild argumentierend: F. Bydlinski, FS für Großfeld (65. Gebtg.), S. 119 (S. 120, 121). 118 Vgl. hierzu auch: Micklitz, in: Rebmann/Säcker/Rixecker (Hrsg.): MünchKommBGB, Vor §§ 13, 14 Rn. 98 ff.

§ 21 Rechtsprinzipien – Maßstab freiheitlicher Ungleichbehandlung

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II. Die Legitimationseignung der sonderprivatrechtlichen Personenbilder Woraus leiten Leitbilder aber ihre Legitimationseignung ab? – Die Beantwortung dieser Frage geht Hand in Hand mit der Art der Ermittlung des jeweiligen Leitbildes. Denn aus dem Stufenbau der Rechtsordnung folgt, dass Leitbilder, die in höherrangigen Rechtsnormen verankert und wiedergegeben werden, auch in niederrangigen Vorschriften kongruent übernommen werden müssen. Hat der Verfassungs- bzw. Gesetzgeber – aufbauend auf bestimmten empirischen Erkenntnissen – ein Leitbild von einer typisierungsfähigen Menschengruppe gezeichnet, ist der Gesetzgeber bei der Gestaltung anderer Rechtsnormen, die im Stufenbau darunter anzusiedeln sind, nicht mehr ohne weiteres berechtigt, von diesen Leitbilderwägungen willkürlich abzuweichen. Ansonsten würde er Ungleichheit produzieren, die ohne Sachgrund dastünde, möglicherweise sogar verfassungswidrig wäre. Vor dem Hintergrund, dass Leitbilder letztlich aber als nicht mehr als eine normative Reflexion bestimmter empirischer Abläufe und Eigenschaften in Erscheinung treten, kann die Tatsache, dass ein Leitbild einmal normativen Ausdruck gefunden hat, nicht bedeuten, dass beim Erlass anderer staatlicher Maßnahmen keine Abweichung mehr von ihm möglich wäre. Vielmehr können gesellschaftliche Veränderungen oder Erkenntnisse, die empirisch nachgewiesen werden, jederzeit dazu führen, dass der Gesetzgeber ein bestimmtes Leitbild als Rechtsprinzip neu defi niert und im Zuge dessen u. U. auch von einem höherrangig kodifi zierten, aber obsoleten Leitbild abweicht. Um den Inhalt der Leitbilder, welche den Sonderprivatrechten zugrunde liegen, zu ermitteln, ist demzufolge in erster Linie auf das Primärrecht der Gemeinschaft, auf das Sekundärrecht der Gemeinschaft, auf die Leitbildaussagen der Verfassung und auf die Leitbilderwägungen der einfachgesetzlichen Normen abzustellen. Auf empirische Erwägungen wäre dagegen nur dann Rückgriff zu nehmen, wenn normativ ermittelte Leitbildaspekte erkennbar im Widerspruch zu nachgewiesenen (neuen) empirischen Erkenntnissen stünden oder eine normative Abbildung des betreffenden Leitbilds bisher gar nicht stattgefunden hat. Damit ergibt sich die Legitimationseignung letztlich aus der empirischen Verwurzelung des über den Stufenbau der Rechtsordnung normativ abgebildeten Menschentypus. Als empirisch vermutete Personenbildprofile, die jeweils eine Typisierungseignung aufweisen und sich von anderen Personenbildern unterscheiden, bieten Leitbilder auf prinzipientauglicher Ebene einen nachvollziehbaren Sachgrund, dessen Verallgemeinerungsfähigkeit und stufenförmige Abbildung im inneren System der Rechtsordnung zum Ausdruck gelangt.

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4. Kapitel: Leitbilder – Legitimation ungleicher Ausgestaltung?

B. Leitbild und Personenbild der (Sonder-) Vertragsrechte Dass ein »einheitliches Menschenbild als orientierende Regelungsvorgabe für Rechtsetzung und Rechtsanwendung . . . überhaupt nicht konstruierbar« ist, hat bereits Rebe überzeugend dargelegt.119 Zu Recht hat er eingewandt, dass nicht nur die Sozialwissenschaft, sondern auch das Recht danach differenzieren müsse, »ob es den Menschen in seinem legitimen und rechtlich geschützten Anspruch auf Freiheit in seiner Privatsphäre, seinem sozial irrelevanten Fürsichsein oder als soziales Wesen in einem gesellschaftlichen Interaktionsprozeß anspricht, in dem er die Freiheit für Entscheidungen beansprucht, die nicht nur Wirkung auf Dritte haben, sondern . . . für die Integration der Gesamtordnung von Bedeutung sind«.120 Dieses Freiheitsverständnis sei »nicht auf ein neues oder anderes, universal gemeintes Menschenbild bezogen, sondern am wirtschaftenden Menschen ›als solchen‹ ausgerichtet, der als ökonomischer Rollenträger begriffen wird«.121 Einer ähnlichen Leitbildpluralität redet auch Herresthal das Wort, indem er privates und unternehmerisches Handeln für »deutlich verschiedene Stufen ökonomisch-rationalen Handelns« hält, »wobei das private Handeln durch eine typischerweise substantiell geringere ökonomische Rationalität sowie eine Ansprechbarkeit für unökonomische, v. a. emotionale Argumente geprägt wird«.122 I. Das Personenbild des homo oeconomicus als Vertragsrechtsgrundlage Innerhalb dieser Rollenfunktionsbetrachtung liegt dem BGB als Grundkodifikation des Privatrechts das Menschenbild des ethischen Personalismus zugrunde. Es geht davon aus, dass der Mensch als vernunftmäßig bestimmte Person sein Dasein und seine Umwelt im Rahmen der ihm jeweils gegebenen Möglichkeiten frei und verantwortlich gestaltet, sich Ziele setzt und sich selbst Schranken auferlegt.123 Der im BGB reflektierte Menschentypus beansprucht unabhängig davon Geltung, ob ein Individuum zur Bedarfsdeckung oder zu Erwerbszwecken tätig wird. In beiden Fällen nimmt es einen rationalen Typus zum Modell, der seine durch individuellen Arbeitseinsatz knapp erzielten Ressourcen möglichst optimal zur Deckung seiner Bedürfnisse einsetzen will.124 119 Rebe, Privatrecht und Wirtschaftsordnung, § 4 A. I. 2. (S. 54); ähnlich auch: F. Bydlinski, FS für Großfeld (65. Gebtg.), S. 119 (S. 122). 120 Rebe, Privatrecht und Wirtschaftsordnung, § 4 A. I. 2. (S. 55). 121 Rebe, Privatrecht und Wirtschaftsordnung, § 4 A. I. 2. (S. 55). 122 Herresthal, JZ 61 (2006), 695 (697). 123 Larenz/M. Wolf, Allgemeiner Teil des BGB, § 2 I. Rn. 2 (S. 21); Wiedenmann, Verbraucherleitbilder und Verbraucherbegriff im deutschen und europäischen Privatrecht, A. III. 1. a) (S. 67). 124 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, B. II. 1. (S. 52 ff.); Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 1. Kap. V. (S. 38); E. Schmidt, JZ 35 (1980), 153 (154).

§ 21 Rechtsprinzipien – Maßstab freiheitlicher Ungleichbehandlung

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Mit formaler Gleichheit wählt das BGB ein simplifi ziertes Sozialmodell zum Ausgangspunkt seiner Typisierungen, nach dem die Bedürfnisbefriedigung des Menschen über Märkte erfolgt, auf denen jeder Einzelne potenziell als Anbieter oder Nachfrager und Teil der Gesamtheit die Möglichkeit hat mitzuentscheiden, welche Güter zu welchem Preis und zu welchen Konditionen angeboten werden.125 Normativ zum Ausdruck gelangt dieses Personenbild darin, dass die vertragsrechtsrelevanten Vorschriften des BGB – wie bereits dargelegt werden konnte – im Grundsatz nur ein Modell der prozeduralen Fairness (Empfängerschutz) kennen, grundsätzlich jedoch keine Ausgleichsnormen zur Schaffung inhaltlicher Fairness kennen.126 Vielfach wird das BGB-Personenbild in Anlehnung an die neoklassische Theorie mit dem ökonomischen Verhaltensmodell des homo oeconomicus in Verbindung gebracht.127 Geistesgeschichtlich kann dieses Verhaltensmodell wiederum als Nachfahre des utilitaristischen Individuums aufgefasst werden, dessen ganzes Streben laut Bentham der Vermeidung von Schmerz und dem Gewinn von Freude gilt.128 Als homo oeconomicus ist der BGB-Marktteilnehmer darauf aus, seine materiellen Lebensverhältnisse zu verbessern und seine individuellen Präferenzen möglichst kostengünstig zu befriedigen. Unabhängig von seinen beruflichen und persönlichen Kenntnissen, seinen sozialen Lebensumständen und seinem Einkommen hat er die Fähigkeit, seine wirtschaftlichen Belange frei und selbstverantwortlich zu gestalten.129 Sowohl in der Rolle des Kaufmanns als auch in der Rolle des Verbrauchers oder Unternehmers kann er seine Bedürfnisse eigenständig artikulieren und sie mit den ihm zur Verfügung stehenden fi nanziellen Mitteln und dem Marktpreis in Einklang bringen.130 Er entwickelt eine auf seine Person und seine Verhältnisse abgestimmte Bedürfnishierarchie und stellt eine Zweck-Mittel-Relation zwischen dem zur Verfügung stehenden Einkommen, eigenen Präferenzen und dem Preis der angebotenen Güter her.131 125 Berens, Fremdbestimmung des Konsumenten bei der Vertragsanbahnung insbesondere durch Irreführung, Einleitung (S. 30); Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, B. II. 1. (S. 52 ff.); Joerges, Verbraucherschutz als Rechtsproblem, II. 1. a) (S. 18). 126 Hierzu im Einzelnen: 2. Kap. § 13 C. I. und II. (S. 174 ff.). 127 Wiedenmann, Verbraucherleitbilder und Verbraucherbegriff im deutschen und europäischen Privatrecht, B. III. 1. a) (S. 67). 128 Bentham, A Fragment on Government and An Introduction to the Principles of Morals and Legislation, Part: An Introduction to the Principles of Morals and Legislation, Chap. I Sec. 7 (S. 127); vgl. auch: Eidenmüller, Effi zienz als Rechtsprinzip, Teil 1 § 1 A. III. (S. 28). 129 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, B. II. 1. a) (S. 52); Martinek, in: Willoweit (Hrsg.): Rechtswissenschaft und Rechtsliteratur im 20. Jahrhundert, S. 141 (S. 151). 130 Larenz/M. Wolf, Allgemeiner Teil des BGB, § 2 II. 1. Rn. 37 (S. 30); Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 24 I. (S. 315). 131 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, B. II. 1. a) (S. 52).

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4. Kapitel: Leitbilder – Legitimation ungleicher Ausgestaltung?

II. (Verbraucher-) Personenbild – soziologische Leitbildmodifizierung Im Gegensatz zu dem vorgenannten Leitbild des BGB, das gewissermaßen Grundlage des Privatrechts insgesamt ist, bemüht sich das Verbraucherrecht deutlich mehr darum, die Wechselwirkungen von Wirtschaft, Institutionen und Gesellschaft zu berücksichtigen und das Personenbild des homo oeconomicus um vermeintlich realitätsnähere Annahmen zu ergänzen. Ähnlich wie die Nationalökonomie (deren klassische Theorie noch unterstellte, dass alle Menschen Kaufleute seien und »wie die Besucher einer Börse« handelten, deren neoklassische Vertreter aber zu der Erkenntnis gelangten, dass dieses Schema auf den Verbrauch und den Verbraucher überhaupt nicht anwendbar ist132) musste auch das Privatrecht von der bürgerlich-rechtlichen Vorstellung des homo oeconomicus das Verbraucherleitbild als Ausnahme zulassen. Demgemäß liegt im Verbraucherrecht der homo oeconomicus nur dem Unternehmerbegriff zugrunde. Auf der Seite des Verbrauchers wird dagegen von der REMM-Hypothese abgewichen, indem unterstellt wird, dass der Verbraucher sich gegen alle Vernunft in Versuchung führen lässt, beeinflussbar ist und nur begrenzte Handlungskapazitäten besitzt.133 Veranlasst durch diese Unvollkommenheit, wie sie in der christlich-abendländischen Überlieferung zum Ausdruck kommt, liefert das Verbraucherleitbild das Schutzprofil, um formal nicht herstellbare Gerechtigkeit in Vertragsverhältnissen zu gewährleisten.134 Teilweise wird dem Verbraucherleitbild ein eigenständiger Erkenntnis- und Legitimationswert zwar von Grund auf abgesprochen.135 »Leitbilder wie das des Verbrauchers oder das des Unternehmers« nähmen nur eine »Vermittlungs- und Vereinfachungsfunktion« ein; sie bildeten »eine Kurzformel, die gerade durch ihre bildliche Umschreibung einfach zu handhaben« sei.136 Eine derart oberflächliche Einstufung des Verbraucherleitbilds als »bloß formelhafte Umschreibung der maßgeblichen Wertungen« würde jedoch die Rechtsnatur von Leitbilderwägungen verkennen.137 Denn der Struktur nach handelt es sich bei dem Verbraucherleitbild um weit mehr als um ein »Tatbestandsmerkmal« oder um eine »Form der Regel, das in Kurzform den Ausgleich von 132 Mises, Grundprobleme der Nationalökonomie, Bemerkungen zum Grundproblem der subjektivistischen Wertlehre, III. und IV. (S. 164 und S. 168). 133 N. Neumann, Bedenkzeit vor und nach Vertragsschluss, Teil 1 Kap. 1 I. A. 2. (S. 14); Pfeiffer, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 21 (S. 31). 134 Pfeiffer, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 21 (S. 31); vgl. auch: Weick, in: Staudingers Kommentar BGB, § 13 BGB Rn. 6. 135 So sprechen Dauses und Sturm etwa davon, dass das gemeinschaftsrechtliche Verbraucherleitbild »kein klar umrissenes« sei [Dauses/Sturm, ZfRV 37 (1996), 133 (141)]. 136 Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 7 Rn. 214 (S. 100); vgl. auch: Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Privatrechts, § 12 III. (S. 264 ff.). 137 Anders: Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 7 Rn. 213 (S. 100).

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verschiedenen Prinzipien zusammenfaßt«.138 Ausgehend von der Annahme, dass Verbrauchergesetze als Institutionen, also als Systeme von Regeln und Normen begriffen werden können, entscheidet das Verbraucherleitbild eigenständig darüber, welche Verbrauchererwartungen »berechtigt« sind.139 Kraft rechtsprinzipieller Ausgestaltung kann es freiheitliche Ungleichbehandlungen rechtfertigen und ungeschriebene Ausnahmen zu den Grundfreiheiten qua eigener Geltungskraft begründen. 1. Verbraucherleitbild und Verbraucherbegriff In diesem Sinne will das Leitbild des Verbrauchers kein bloßes Abbild der Wirklichkeit oder schlichtes Produkt einfachgesetzlicher Maßnahmen sein, sondern bildet »eine normativ-typisierende Modell- oder Zielgröße zur inhaltlichen Kennzeichnung bestimmter Merkmale, namentlich von Kompetenzen bzw. Inkompetenzen von Verbrauchern«.140 Es beinhaltet ein Bild, »das sich der Normgeber von denjenigen Personen macht, denen der Verbraucherschutz zugute kommen soll«.141 Nicht zu verwechseln ist das Verbraucherleitbild vor diesem Hintergrund mit dem Verbraucherbegriff.142 Spricht der Verbraucherbegriff den subjektiven Geltungsbereich der verbraucherrechtlichen Vorschriften an, beschreibt das Verbraucherleitbild die kognitiven Eigenschaften und die intellektuellen Fähigkeiten, die typischerweise bei Verbrauchern vorausgesetzt werden dürfen.143 Es ist gleichbedeutend mit dem »Bild, welches sich der Gesetzgeber von den schutzwürdigen Rechtspersonen macht, denen er unter dem diffusen Schlagwort vom Verbraucherschutz seine Wohltaten angedeihen lässt«.144 Es betrifft die Charakterisierung und Mentalitätsbestimmung zur Gewinnung eines sachgerechten Regelungsmaßstabes, fragt aber nicht danach, wer überhaupt Verbraucher ist. Dementsprechend kann von der Abgrenzungsqualität des Verbraucherbegriffs nicht ohne weiteres auf den status quo des Leitbildverständnisses geschlossen werden. Denn das Verbraucherleitbild stellt in erster Linie ein Referenzmodell zur Verfügung. Es tritt – auch im Rahmen der Auslegung145 – als normativer Maßstab in Erscheinung und kann nicht bereits deshalb falsch sein, weil die bloße Möglichkeit besteht, dass es mit empirischen Befunden 138

Anders: Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 7 Rn. 213 (S. 100). Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, 4. Kap. C. V. (S. 111 ff.). 140 Damm, VersR 50 (1999), 129 (133). 141 Blaurock, JZ 54 (1999), 801 (802); ähnlich auch: Dreher, JZ 52 (1997), 167 (170). 142 Mohr, AcP 204 (2004), 660 (674, 675). 143 Wiedenmann, Verbraucherleitbilder und Verbraucherbegriff im deutschen und europäischen Privatrecht, D. (S. 198); Zwicker, Das europäische Verbraucherleitbild bei Finanzdienstleistungen, § 2 II. 2. (S. 12). 144 Dreher, JZ 52 (1997), 167 (170); vgl. auch: Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, 4. Kap. B. III. 2. (S. 86 ff.); Denkinger, Der Verbraucherbegriff, 1. Teil D. I. 2. (S. 109 ff.). 145 Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, 4. Kap. B. III. 2. (S. 87). 139

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4. Kapitel: Leitbilder – Legitimation ungleicher Ausgestaltung?

nicht übereinstimmt.146 Als Reflexionsmaßstab und Sachgrund der verfassungsrechtlichen Ungleichbehandlung stellt es entscheidende Weichen dafür, ob ein informatorischer, konstitutiver oder kompensatorischer Schwächerenschutz zur Verfügung zu stellen ist.147 Obwohl absolute Deckungsgleichheit mit dem Realtypus des Durchschnittsverbrauchers, wie er mit Hilfe von demoskopischen und sozial-empirischen Überlegungen zu ermitteln wäre, normativ nicht zu erlangen ist148, orientiert sich das Verbraucherleitbild in aller Regel an dem vermeintlichen Durchschnittsverbraucher, wobei es im Fokus seiner Leitbildbemühungen weder auf besonders schutzbedürftige noch auf besonders aufgeklärte Konsumentengruppen Rücksicht nimmt149. 2. Die Notwendigkeit perspektivischer Konzentration Um das Leitbild des Verbrauchers allerdings prinzipientauglich ermitteln zu können, müssen bestimmte Verwässerungs- und Ausbreitungstendenzen ausgeblendet werden, die sich daraus ergeben, dass das Verbraucherprivatrecht vielfach mit begriffsverwandten Rechtsbereichen in Verbindung gebracht wird – Rechtsbereiche, die mit dem Verbraucherrecht im engeren Sinne wenig gemeinsam haben. In einem sehr weitgehenden Umfang wird der Verbraucherschutz als Querschnittsmaterie und soziologische Strömung heute herangezogen, um auf diffuse gesellschaftliche Bereiche Einfluss auszuüben.150 Konstellationen, in denen der Verbraucher als Sachwalter von Gemeinbelangen auftritt, um kollektive Bürgerinteressen zu vertreten, werden mit dem eigentlichen Kernbereich vermischt, in dem der Verbraucher als Vertreter egoistischer Eigeninteressen tätig wird.151 Sollte Verbraucherschutz ursprünglich primär Konsum sichern, hat mit der wachsenden Ökologisierung auch der Umweltschutz Bedeutung gewonnen.152 Selbst so unterschiedliche Bereiche wie die Ernährungspolitik, die Lebens- und Arzneimittelüberwachung sowie die Wohnraummiete werden spätestens seit dem Übergang zur risikofreien Ge-

146 Zwicker, Das europäische Verbraucherleitbild bei Finanzdienstleistungen, § 2 II. 2. (S. 12). 147 Vgl. hierzu auch Micklitz’ Konzeptdifferenzierung: Micklitz, in: Rebmann/Säcker/ Rixecker (Hrsg.): MünchKomm-BGB, Vor §§ 13, 14 Rn. 67 ff. 148 Vgl. Doepner, WRP 43 (1997), 999 (1000). 149 Zwicker, Das europäische Verbraucherleitbild bei Finanzdienstleistungen, § 2 II. 2. (S. 12). 150 Für einen umfassenden Verbraucherschutz: von Hippel, Verbraucherschutz, § 1 II. (S. 21 ff.). 151 Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, § 2 I. (S. 103, 104). 152 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, A. II. (S. 14); Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 2 V. 2. (S. 58, 59).

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sellschaft153 als Verbraucherschutzprobleme deklariert.154 Nicht »nur private, sondern auch öffentliche, dh nicht über den Markt bereitgestellte Güter« werden in seinen Schutzbereich einbezogen.155 Diese Bereichsausweitung kam bereits im ersten EWG-Verbraucherschutzprogramm vom 14. April 1975 zum Ausdruck, wonach »[d]er Verbraucher . . . jetzt nicht mehr lediglich als Käufer oder Benutzer von Gütern und Dienstleistungen für den persönlichen, familiären oder kollektiven Bedarf betrachtet [werden sollte], sondern . . . jemand [ist], der an allen Aspekten des sozialen Lebens, die unmittelbar oder mittelbar auf ihn als Verbraucher Auswirkungen haben können, Anteil nimmt«.156 Die weitläufige Verbindung des Verbraucherschutzes mit der Daseinsvorsorge, mit der Gesundheits-, Umwelt- und Sozialpolitik sowie mit Elementen der Bürgerwehr betrifft lediglich altruistische Interessen der Verbrauchergesellschaft157, die den Verbraucher nicht in seiner originären Konsumtionsrolle ansprechen158. Weil das Verbrauchervertragsrecht in erster Linie die individuell-verhandlungsbezogenen – egoistischen – Interessen des Verbrauchers und keine bürgeraltruistischen Aspekte schützen will, ist das Verbraucherleitbild, um einer Zerfaserung oder Verfälschung vorzubeugen, auf diejenigen Leitbilderwägungen zu konzentrieren, die den Schutz als Individuum im Blickfeld haben. 3. Das Verbraucherleitbild im primärrechtlichen Koordinatensystem Verallgemeinerungsfähige Anhaltspunkte, die im Hinblick auf das Verbraucherleitbild einen eigenständigen Aussagegehalt und nicht bloß eine »griffige Kurzformel« für die Praxis verkörpern159, bietet die Rspr. zur Warenverkehrsfreiheit. Zwar ist der Verbraucher weder in Art. 28 EG noch in Art. 30 EG als Schutzsubjekt ausdrücklich verankert. Dennoch sind der Rspr. zu den Grund153 Vgl. hierzu: Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, A. II. (S. 14, 15); Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 2 V. 3. (S. 59–61). 154 Tonner, JZ 51 (1996), 533 (535); vgl. auch den Verbraucherschutzkatalog bei: K. Simitis, Verbraucherschutz, Schlagwort oder Rechtsprinzip?, II. Kap. (S. 21 ff.). 155 Schuhmacher, in: Krejci (Hrsg.), Hdb. zum Konsumentenschutzgesetz, 1. Kap. II. B. (S. 11); so auch: Stober, FS für Lukes (65. Gebtg.), S. 591 (S. 592). 156 Rat – Erstes Programm der EWG für eine Politik zum Schutz und zur Unterrichtung der Verbraucher v. 14. 04. 1975 – ABl. 1975 Nr. C 26 S. 2 Tz. 3; vgl. zur Terminologie in der jüngeren Vergangenheit: Kommission – Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, den Rat, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, KOM(2002) 208 endgültig, Ziff. 1.2 (S. 6). 157 Vgl. hierzu Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 2 V. 2. (S. 58). 158 Schuhmacher, in: Krejci (Hrsg.), Hdb. zum Konsumentenschutzgesetz, 1. Kap. II. B. (S. 11). 159 So aber im Hinblick auf Leitbilder: Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 7 Rn. 216 (S. 101).

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freiheiten substanzielle Kernaussagen zum Verbraucherleitbild zu entnehmen.160 Zurückzuführen ist dies auf die Rechtsfortbildung des EuGH, Handelsregelungen als gerechtfertigt erscheinen zu lassen, die eigentlich geeignet wären, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar, mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, aber diskriminierungsfrei in einem Notwendigkeitszusammenhang mit einem zwingenden Erfordernis des Allgemeinwohls stehen. Weil als Ausprägung des Verbraucherleitbilds gerade der »Verbraucherschutz« als zwingendes Allgemeininteresse anerkannt worden ist161 und jeder Mitgliedstaat bei der Auswahl zwischen mehreren zum Verbraucherschutz gleich geeigneten Mitteln aus Verhältnismäßigkeitsgründen auf Maßnahmen zurückgreifen muss, welche die Warenverkehrsfreiheit am wenigsten beschränken162 , spiegelt die Rspr. zu den Grundfreiheiten das empirisch-normative Eigenschaftsprofil des Verbrauchers anschaulich wider, ist für eine Induktion des Verbraucherleitbildes also geradezu prädestiniert.163 a) Verbraucherschutz als zwingendes Allgemeininteresse der Grundfreiheiten Den Dreh- und Angelpunkt der Rspr. zu den Grundfreiheiten bildet das Cassis de Dijon-Urteil aus dem Jahre 1978. Der Entscheidung lag ein Vorlageverfahren zugrunde, in dem die Klägerin des Ausgangsstreites, die Rewe-Zentral AG, eine Partie »Cassis de Dijon« von Frankreich nach Deutschland importieren wollte. Die deutsche Bundesmonopolverwaltung versagte ihr dies mit der Begründung, dass die Einfuhrware einen Alkoholgehalt von weniger als 20% aufwies, was den Verbrauchervorstellungen nach dem Branntweingesetz widerspreche.164

Der EuGH befand, dass die Einfuhrversagung der Bundesmonopolverwaltung einen Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit darstellte, der durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses nicht zu rechtfertigen war. Obwohl die Bun160 Im Überblick: Sack, WRP 44 (1998), 264 (266, 267); ders., GRUR 100 (1998), 871 (873); W.-H. Roth, VuR 22 (2007), 161 (163, 164); Seiler, Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten, § 4 II. 2. (S. 159 ff.). 161 EuGH – Kommission/BRD (Reinheitsgebot) – Urteil v. 12. 03. 1987, Rs. 178/84 – Slg. 1987, 1227 Tz. 28 ff.; Drei Glocken & Kritzinger/Centro-Sud & Bolzano – Urteil v. 14. 07. 1988, Rs. 407/85 – Slg. 1988, 4233 Tz. 15 ff.; Kommission/BRD – Urteil v. 11. 05. 1989, Rs. 76/86 – Slg. 1989, 1021 Tz. 15 ff. 162 Vgl. EuGH – Buet/Ministère Public – Urteil v. 16. 05. 1989, Rs. 382/87 – Slg. 1989, 1235 Tz. 11; Kommission/Deutschland – Urteil v. 18. 09. 1986, Rs. 116/82 – Slg. 1986, 2519 Tz. 21; Hauer/Rheinland-Pfalz – Urteil v. 13. 12. 1979, Rs. 44/79 – Slg. 1979, 3727 Tz. 23; Rewe Zentral/Bundesmonopolverwaltung (Cassis de Dijon) – Urteil v. 20. 02. 1978, Rs. 120/78 – Slg. 1979, 649 Tz. 8. 163 Im Überblick: Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.): EU/EG, Art. 28 EG Rn. 214 ff. 164 EuGH – Rewe Zentral/Bundesmonopolverwaltung (Cassis de Dijon) – Urteil v. 20. 02. 1978, Rs. 120/78 – Slg. 1979, 649 Tz. 1–4.

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desregierung vorgetragen hatte, dass es sich bei Alkohol um den teuersten Likörbestandteil handelt, hielt der Gerichtshof ein Einfuhrverbot nicht für erforderlich, um den Verbraucher vor einem niedrigprozentigen und damit wirtschaftlich weniger werthaltigen und qualitativ minderwertigen Likör zu schützen.165 Aus Verbraucherschutzperspektive wäre eine ausreichende Etikettierung, etwa durch die Angabe von Herkunft und Alkoholgehalt auf der Verpackung des Erzeugnisses, weniger einschneidend und in gleicher Weise geeignet gewesen.166 Damit hat der EuGH den Auftakt zu der Leitbildeinführung des informierbaren Verbrauchers gegeben, »der die auf Waren angebrachten Angaben liest und in seinen Entscheidungsprozess mit einbezieht«.167 Dieses Leitbild hat der EuGH in einer Vielzahl von Urteilen bestätigt.168 Zur Konkretisierung haben insbesondere Entscheidungen aus den 1970er Jahren beigetragen, in denen sich der Gerichtshof mit verbraucherschützenden Produktinhaltsvorgaben auseinandersetzen musste. Gegenständlich bezogen sich diese Entscheidungen u. a. auf Verbote, Lebensmittel mit Obstessig- statt Weinessigsäure zu vertreiben169, Brot ohne einen bestimmten Anteil an Trockenmasseanteil in den Verkehr zu bringen170, Bier zu verkaufen, dessen Säuregehalt unter einem bestimmten Mindestsäuregehalt liegt oder nicht nach einer bestimmten Brauart gebraut ist171, und Milchpulver bzw. Kondensmilch anzubieten, die überwiegend aus Ersatzstoffen bestand172 . Außerdem befasste sich der Gerichtshof mit Verboten, Teigwaren zu vertreiben, die nicht mit Hartweizen gefertigt waren173, tief165 EuGH – Rewe Zentral/Bundesmonopolverwaltung (Cassis de Dijon) – Urteil v. 20. 02. 1978, Rs. 120/78 – Slg. 1979, 649 Tz. 14. 166 EuGH – Rewe Zentral/Bundesmonopolverwaltung (Cassis de Dijon) – Urteil v. 20. 02. 1978, Rs. 120/78 – Slg. 1979, 649 Tz. 13. 167 Zwicker, Das europäische Verbraucherleitbild bei Finanzdienstleistungen, § 5 I. 1. a) (S. 42). 168 EuGH – Rau Lebensmittelwerke/P. V. B. A. Smedt – Urteil v. 10. 11. 1982, Rs. 261/81 – Slg. 1982, 3961 Tz. 17; Strafverfahren Prantl – Urteil v. 13. 03. 1984, Rs. 16/83 – Slg. 1984, 1299; EuGH – Kommission/BRD – Urteil v. 04. 12. 1986, Rs. 179/85 – Slg. 1986, 3879; Strafverfahren van der Laan – Urteil v. 09. 02. 1999, Rs. C-383/97 – Slg. 1999, I0731 Tz. 43. 169 EuGH – Kommission/Italienische Republik – Urteil v. 09. 12. 1981, Rs. 193/80 – Slg. 1981, 3019; Strafverfahren Gilli & Andres – Urteil v. 26. 06. 1980, Rs. 788/79 – Slg.1980, 2071 Tz. 1, 2 und 7. 170 EuGH – Strafverfahren Fabriek – Urteil v. 19. 02. 1981, Rs. 130/80 – Slg. 1981, 527 Tz. 1, 2 und 12. 171 EuGH – Kommission/BRD (Reinheitsgebot) – Urteil v. 12. 03. 1987, Rs. 178/84 – Slg. 1987, 1227; Strafverfahren Kikvorsch – Urteil v. 17. 03. 1983, Rs. 94/82 – Slg. 1983, 947 Tz. 2, 12. 172 EuGH – Kommission/BRD – Urteil v. 11. 05. 1989, Rs. 76/86 – Slg. 1989, 1021; Kommission/Französische Republik – Urteil v. 23. 02. 1988, Rs. 216/84 – Slg. 1988, 793 Tz. 3, 16. 173 EuGH – Drei Glocken & Kritzinger/Centro-Sud & Bolzano – Urteil v. 14. 07. 1988, Rs. 407/85 – Slg. 1988, 4233.

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gefrorenen statt frischen Joghurt zu verkaufen174, Käse einzuführen, der einen bestimmten Fettgehalt nicht überstieg175, und Fleischerzeugnisse in den Verkehr zu bringen, die fleischfremde Stoffe enthielten176. Die entscheidende Leitaussage all dieser Urteile besteht darin, dass der Gerichtshof eine zwingende Regelung über die Produktzusammensetzung oder die Verpackungsform aus Gründen des Verbraucherschutzes immer dann für gerechtfertigt hält, wenn der Verbraucher über Informationsregeln ausreichend geschützt werden kann (sog. »Labelling«-Doktrin).177 Demnach reicht grundsätzlich die Verpfl ichtung zu einer produktbezogenen Information aus. Von Verbrauchern könne nicht nur »die Akzeptanz unbekannter Waren«, sondern auch »ein Mindestmaß an Kritikfähigkeit, soll heißen mehr als eine ›flüchtige‹ Betrachtungsweise der Werbeangaben« verlangt werden.178 Berechtigten Verbrauchererwartungen wird nach der »Labelling«-Doktrin ausreichend dadurch Rechnung getragen, dass auf der Warenetikettierung Art, Inhaltsstoffe und Eigenschaften der Produkte mitgeteilt werden. Auch für das Verbrauchervertragsrecht könnte dies als Postulat für einen Vorrang von Informationspfl ichten vor freiheitseinschneidenderen Widerrufsrechten und Inhaltsvorgaben gedeutet werden. b) Keine übertriebenen Anforderungen an Produktangaben Einen zweiten Leitgedanken zum informierbaren Verbraucher liefert der EuGH insofern, als an die auf der Etikettierung ausgewiesenen Produktangaben keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden dürfen. Der informierbare Verbraucher muss nicht mit allen, sondern nur mit produktwesentlichen Informationen versorgt werden.179 So darf neben einer hinreichenden Etikettierung aus dem Ursprungsmitgliedstaat für ein rechtmäßig in den Verkehr gebrachtes Produkt etwa allein wegen Überschreitung eines bestimmten Alkoholgehalts keine zusätzliche Etikettierung unter der Bezeichnung »Likeur« verlangt werden.180 Ein Etikettierungsschutz durch das Bestimmungsland wird stets überflüssig, wenn die Etikettierungsvorgaben des Ursprungs174 EuGH – Unternehmenssanierung Smanor – Urteil v. 14. 07. 1988, Rs. 298/87 – Slg. 1988, 4489. 175 EuGH – Ministere Public/Deserbais – Urteil v. 22. 09. 1988, Rs. 286/86 – Slg. 1988, 4907 Tz. 19. 176 EuGH – Kommission/BRD – Urteil v. 02. 02. 1989, Rs. 274/87 – Slg. 1989, 229 Tz. 13. 177 Dauses/Sturm, ZfRV 37 (1996), 133 (140); Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 2. Teil 1. Abschnitt § 6 C. III. 3. c) (S. 131, 132); Reich, in: Reich/Micklitz (Hrsg.): Europäisches Verbraucherrecht, § 2 I. 4. b) (S. 86). 178 A. H. Meyer, WRP 39 (1993), 215 (223). 179 EuGH – Pall/Dahlhausen – Urteil v. 13. 12. 1990, Rs. C-238/89 – Slg. 1990, I-4827 Tz. 19. 180 EuGH – Strafverfahren Fietje – Urteil v. 16. 12. 1980, Rs. 27/80 – Slg. 1980, 3839 Tz. 12.

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landes einen zumindest äquivalenten Informationsgehalt aufweisen.181 Demzufolge dürfen solange keine zusätzlichen Informationsmaßnahmen ergriffen werden, als »die Angaben auf dem ursprünglichen Etikett des eingeführten Erzeugnisses einen Informationsgehalt haben, der zumindest die gleichen Informationen vermittelt und ebenso verständlich für die Verbraucher des Einfuhrstaates ist wie die nach den Vorschriften dieses Staates verlangte Bezeichnung«.182 Aus Verbraucherschutzgründen wäre es beispielsweise nicht zu rechtfertigen, dass der Einfuhrstaat das Inverkehrbringen einer in einem anderen Mitgliedstaat mit Pflanzenfett an Stelle von Butter und Eiern hergestellten Sauce béarnaise und Sauce hollandaise von einem zusätzlichen Hinweis auf die Verwendung von Pflanzenfett abhängig macht, obwohl das allgemeine Zutatenverzeichnis diese Angabe bereits enthält.183 Die Leitbildkoordinaten würden in ähnlicher Weise überschritten, wenn für die Verwendung des gelb färbenden Zusatzstoffes »E 160 F« in Keks- und Gebäckerzeugnissen ein besonderer Hinweis in Verbindung mit der Verkehrsbezeichnung verlangt werden würde.184 Im Hinblick auf das Verbrauchervertragsrecht soll an dieser Stelle der Hinweis genügen, dass auch auf dessen Vorschriften die vorgenannten Leitbildvorgaben abfärben könnten, was die Informationspfl ichten der Timesharingrichtlinie, sogar vertragliche Nebeninformationen nicht nur in den vorvertraglichen Prospekt sondern auch in identischer Ausgestaltung in den eigentlichen Vertrag mit aufnehmen zu müssen185, in einem zweifelhaften Licht erscheinen ließe. c) Zugang zu wahren Informationen und situationsspezifi sche Leitbildfl exibilität Ebenfalls leitbildprägend ist die Aussage, dass dem informierten Verbraucher der Zugang zu wahren Informationen nicht versperrt werden darf. So hielt der Gerichtshof es beispielsweise für unzulässig, ein Werbeverbot aufzustellen, wonach bei einem Sonderangebot nicht die Dauer des Angebots angegeben und dem neuen niedrigeren der alte höhere Preis gegenüber gestellt werden 181 EuGH – Strafverfahren Fietje – Urteil v. 16. 12. 1980, Rs. 27/80 – Slg. 1980, 3839 Tz. 12. 182 EuGH – Strafverfahren Fietje – Urteil v. 16. 12. 1980, Rs. 27/80 – Slg. 1980, 3839 Tz. 12; vgl. auch: EuGH – Strafverfahren Robertson – Urteil v. 22. 06. 1982, Rs. 220/81 – Slg. 1982, 2349; Piageme/Peeters – Urteil v. 18. 06. 1991, Rs. 369/89 – Slg. 1991, I-2971; Strafverfahren Robertson – Urteil v. 22. 06. 1982, Rs. 220/81 – Slg. 1982, 2349 Tz. 11, 12. 183 EuGH – Kommission/BRD – Urteil v. 26. 10. 1995, Rs. C-51/94 – Slg. 1995, I-3559 Tz. 41. 184 EuGH – Kommission/BRD – Urteil v. 26. 10. 1995, Rs. C-51/94 – Slg. 1995, I-3559 Tz. 41. 185 Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Spstr. 1 Timesharingrichtlinie.

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darf.186 Auch ein Verbot des blickfangmäßigen Gegenüberstellens von alten und neuen Preisen sei zum Schutz des Verbrauchers nicht erforderlich, sofern Werbung betroffen sei, die in keiner Weise irreführe. Derartige Gegenüberstellungen können sehr nützlich sein, um es dem Verbraucher zu ermöglichen, seine Wahl in voller Kenntnis der Sachlage zu treffen187, sodass Vorschriften, die dem Verbraucher den Zugang zu vergleichbaren Informationen verwehren, nicht durch zwingende Erfordernisse des Verbraucherschutzes gerechtfertigt werden können.188 Zudem sind die leitbildorientierten Anforderungen, die der Gerichtshof an die Gesetzgebung stellt, keine »situationsunabhängig statischen«. Vielmehr richten sie sich nicht nur nach der Art des vertriebenen Produkts und nach der Beschaffenheit des betroffenen Wirtschaftssektors, sondern auch nach der Vorgehens- und Verhaltensweise des Unternehmers bei der Vertragsanbahnung. Als besonders sensiblen Bereich erkannte der EuGH beispielsweise den Markt für Edelmetalle an. Der Verbraucher könne in diesem Bereich leicht getäuscht werden und bedürfe bereits deshalb eines Schutzes, weil er nicht in der Lage sei, »durch Betasten oder Augenschein den genauen Feingehalt eines Gegenstandes aus Edelmetall zu bestimmen«.189 Überdurchschnittlich schutzbedürftig seien zudem Käufer von pädagogischem Material, da diese in der Regel eine Wissenslücke auffüllen wollten, also zu einem Bevölkerungskreis zählten, der einen Bildungsrückstand aufweise. Ihre Schutzbedürftigkeit potenziere sich, wenn es sich um einen Kauf von Unterrichtsmaterial in einer Haustürgeschäftesituation handele.190 Eine wesentliche Bedeutung für den Verbraucherschutz räumt der EuGH auch dem Banken- und Versicherungssektor ein, mit dem für den Verbraucher jeweils besondere Schutzbedürfnisse einhergingen.191 Dem Verbraucher falle es beispielsweise schwer, den Versicherungsbedingungen den Umfang der Deckung zu entnehmen192 , komplexe Anlageformen wie z. B. solche an Warenterminmärkten zu durchschauen193 und wesentliche Informationen wie z. B. sol186 EuGH – GB-INNO/Confederation du Commerce – Urteil v. 07. 03. 1990, Rs. 362/88 – Slg. 1990, I-667 Tz. 13 ff. 187 Schutzverband/Yves Rocher – Urteil v. 18. 05. 1993, Rs. C-126/91 – Slg. 1993, I-2361 Tz. 17. 188 EuGH – GB-INNO/Confederation du Commerce – Urteil v. 07. 03. 1990, Rs. 362/88 – Slg. 1990, I-667 Tz. 18. 189 EuGH – Strafverfahren Houtwipper – Urteil v. 15. 09. 1994, Rs. C-293/93 Tz. 14. 190 EuGH – Buet/Ministere Public – Urteil v. 16. 05. 1989, Rs. 382/87 – Slg. 1989, 1235. 191 EuGH – Parodi/Banque Albert de Bary – Urteil v. 09. 07. 1997, Rs. C-222/95 – Slg. 1997, I-3899 Tz. 22. 192 EuGH – Kommission/BRD – Urteil v. 04. 12. 1986, Rs. 205/84 – Slg. 1986, 3755 Tz. 30. 193 EuGH – Alpine Investments/Minister van Financien – Urteil v. 10. 05. 1995, Rs. C384/93 – Slg. 1995, I-1141.

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che über die Art der Einlagensicherung bei der Einrichtung eines Sparkontos richtig zu würdigen194. Bei dem Abschluss eines Vertrages über ein Hypothekendarlehen sei der Verbraucher beispielsweise anderen Risiken und damit einem größeren Schutzbedürfnis als bei der Anlage von Geld ausgesetzt.195 Dabei ist der höhere Verbraucherschutz nicht Folge fehlender Fachkompetenz, sondern Resultat des generell hohen Schadenspotenzials, der Komplexität der betreffenden Produkte und der schwierigen Situation des Verbrauchers, wenn er in sensiblen Märkten tätig werden möchte.196 Dass auch die Verhaltensweise des Unternehmers die erforderliche Schutzintensität beeinflussen kann, lässt sich den EuGH-Urteilen zu aggressiven Werbemaßnahmen entnehmen.197 Während die Phase der Vertragsanbahnung grundsätzlich im Verantwortungsbereich der Beteiligten liegt, hat der EuGH in den Urteilen Alpine Investments und Parodi zum Ausdruck gebracht, dass aggressive Werbemaßnahmen im Einzelfall verboten werden können. Zumindest in sensiblen Bereichen wie dem Versicherungs- oder Bankensektor, die für den Verbraucher wenig durchschaubar sind, müsse er vor aggressiver Werbung geschützt werden.198 In solchen Märkten bestehe traditionell eine größere informatorische Asymmetrie zwischen Verbraucher und Anbieter; zudem seien zukünftige Schäden schwerer abschätzbar und die sektorspezifi schen Vertragsabschlüsse wiesen oftmals Massecharakter auf.199 d) Das Leitbild des verständigen Durchschnittsverbrauchers Trotz der Sektorabhängigkeit der Leitbildaussagen wäre dem Prinzipiencharakter des Leitbilds nicht ausreichend Rechnung getragen, wenn man davon ausginge, dass in das Verbraucherleitbild je nach Schutzaspekt unterschiedliche Wertungen einfl ießen. Es wäre systematisch zu kurz gegriffen zu unterstellen, dass die Informationspfl ichten gegenüber Verbrauchern nicht Ausdruck des Verbraucherleitbilds selbst, sondern etwa im rechtsgeschäftlichen Verkehr auf dem Prinzip der wirtschaftlichen Selbstbestimmung beruhen und

194 Generalanwalt Léger - Schlussanträge Deutschland/Parlament u. Rat, Rs. C-233/94 – Slg. 1997, I-2405 Tz. 158, 159. 195 EuGH – Parodi/Banque Albert de Bary – Urteil v. 09. 07. 1997, Rs. C-222/95 – Slg. 1997, I-3899 Tz. 29. 196 Zwicker, Das europäische Verbraucherleitbild bei Finanzdienstleistungen, § 5 II. 6. a) (S. 84). 197 EuGH – Alpine Investments/Minister van Financien – Urteil v. 10. 05. 1995, Rs. C384/93 – Slg. 1995, I-1141; Parodi/Banque Albert de Bary – Urteil v. 09. 07. 1997, Rs. C222/95 – Slg. 1997, I-3899. 198 EuGH – Alpine Investments/Minister van Financien – Urteil v. 10. 05. 1995, Rs. C384/93 – Slg. 1995, I-1141 Tz. 46. 199 EuGH – Parodi/Banque Albert de Bary – Urteil v. 09. 07. 1997, Rs. C-222/95 – Slg. 1997, I-3899 Tz. 22; Kommission/BRD – Urteil v. 04. 12. 1986, Rs. 205/84 – Slg. 1986, 3755 Tz. 30, 31.

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4. Kapitel: Leitbilder – Legitimation ungleicher Ausgestaltung?

im Deliktsrecht auf dem Prinzip des Rechtsgüterschutzes basieren. 200 Differenzierungs-, Sach- und Rechtfertigungsgrund für die normative Ungleichbehandlung, warum in einem Fall Informationspfl ichten bestehen und Rechtsgüterschutz gewährt wird, in anderen Fällen dagegen nicht, ist vielmehr das Verbraucherleitbild selbst als tonangebendes Typisierungsprinzip. Als Rechtsprinzip beansprucht es in gleicher Weise im Vertragsrecht Geltung, auch wenn der EuGH es bedingt durch die Vorgaben der Rechtsanwendung aus staatlichen Einfuhrbeschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung deduziert hat. Die Ausgangssituationen zwischen staatlichen Einfuhr- und Vertragsbeschränkungen mögen zwar sachbereichverschieden sein. Sie sind jedoch nicht derart wesensverschieden, dass es gerechtfertigt wäre, das Vertragsrecht dem rechtsordnungsimmanenten Prinzip der Leitbildaussagen zu entziehen. Gerade der EuGH selbst stellt in seinen Entscheidungen auf die Bedeutung des irreführenden Umstandes für den Vertragsabschluss ab. 201 Folglich können Maßnahmen, welche ein Mitgliedstaat der Einfuhr und dem Vertrieb von Waren und Dienstleistungen aus Verbraucherschutzgründen nicht entgegen setzen darf, genauso wenig zugelassen werden, um eine staatliche Intervention in das b2c-geprägte Vertragsverhältnis zu rechtfertigen. Um den Verbraucher nicht stärker vor Interventionen des Unternehmens als vor Interventionen des Staates zu schützen, ist ihm letztlich auch in Vertragsverhältnissen die Fähigkeit zuzusprechen, verständiger Verbraucher zu sein. 202 Exemplarisch hierfür ist die Mars-Entscheidung des EuGH 203, deren Ausgangssachverhalt darin bestand, dass auf der Verpackung von Eiskremriegeln der Aufdruck »+ 10% Eiskrem« angebracht war. Dieser Hinweis entsprach zwar der Wahrheit, nahm auf der Verpackung aber mehr Platz ein, als es einer 10%igen Erhöhung der Menge tatsächlich gleichwertig gewesen wäre. Den EuGH veranlasste dies festzustellen, dass »[v]on verständigen Verbrauchern . . . erwartet werden [könne], daß sie wissen, dass zwischen der Größe von Werbeaufdrucken, die auf eine Erhöhung der Menge des Erzeugnisses hinweisen, und dem Ausmaß dieser Erhöhung nicht notwendig ein Zusammenhang besteh[e].«204 Aussagen wie diese beanspruchen nicht nur für Handelsverkehrsbeschränkungen und wettbewerbsrelevante Werbemaßnahmen Geltung, 200

So aber: Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 7 Rn. 215 (S. 101). Sack, GRUR 100 (1998), 871 (882); unter Hinweis auf: EuGH – Pall/Dahlhausen – Urteil v. 13. 12. 1990, Rs. C-238/89 – Slg. 1990, I-4827 Tz. 19. 202 Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 2. Teil D. (S. 74, 75); ohne weitere Begründung eine Verallgemeinerung für problematisch haltend: Pfeiffer, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 153 EGV Rn. 22. 203 EuGH – Verein gg. Unwesen in Handel u. Gewerbe/Mars – Urteil v. 06. 07. 1995, Rs. C-470/93 – Slg. 1995, I-1923. 204 EuGH – Verein gg. Unwesen in Handel u. Gewerbe/Mars – Urteil v. 06. 07. 1995, Rs. C-470/93 – Slg. 1995, I-1923 Tz. 24; vgl. zum Leitbild des verständigen Verbrauchers auch: 201

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sondern sind in gleicher Weise auch auf das Individualvertragsrecht anzuwenden. Wie die Leitbildaussagen auch im Vertragsrecht zum Einsatz gebracht werden können, lässt sich in ähnlich abstrakter Weise den Vorgaben der Estée Lauder-Entscheidung entnehmen. Der EuGH stufte in dieser Entscheidung ein Vertriebsverbot, wonach die Einfuhr und der Vertrieb kosmetischer Produkte wegen täuschungstauglicher Gleichstellung des Bezeichnungszusatzes »lifting« mit einem operativen Gesichtslifting als unverhältnismäßig ein, weil »die klinische oder medizinische Konnotation des Begriffs ›Clinique‹ angesichts der Tatsache, daß die betreffenden Erzeugnisse weder in Apotheken erhältlich noch als Arzneimittel aufgemacht sind« einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher nicht irreführen könnten. 205 Dies macht deutlich, dass das leitbildprägende Element der Verständigkeit durchgehend ein gewisses »Mindestmaß an Reflexionsfähigkeit und gesundem Menschenverstand voraussetzt«. 206 In diesem Sinne ist auch für das Vertragsrecht zu berücksichtigen, dass gemäß den Bestimmungen des EG-Vertrages grds. »auf die mutmaßliche Erwartung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers« abzustellen ist. 207 4. Verbraucherschutz durch die Europäische Grundrechte-Charta (GRCh) Dass der Vertragsfreiheit des Verbrauchers eine andere Rechtsqualität als der Vertragsfreiheit des Unternehmers beizumessen ist, folgt darüber hinaus auch aus den grundrechtlichen Vorgaben. So werden zwar nicht nur professionelle, sondern auch privat agierende Teilnehmer am Geschäftsverkehr durch die Grundrechte in ihrer Vertragsabschluss- und Vertragsausübungsfreiheit geschützt. Während Verbraucher und privat handelnde Vertragspartner aber in Deutschland lediglich über das Auffangsgrundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) in ihrer Privatautonomie Schutz erfahren, können sich Unternehmer und alle sonstigen Berufstätigen im Rahmen ihrer berufsausübenden Tätigkeit auf das Sondergrundrecht auf Berufsfreiheit stützen (Art. 12 Abs. 1 GG). 208 Für ein Grundrecht auf unternehmerische Dispositionsfreiheit, dessen Rechtsgehalt aus Art. 2 Abs. 1 GG abzuleiten wäre, verEuGH – Verband sozialer Wettbewerb/Clinique & Estée Lauder – Urteil v. 02. 02. 1994, Rs. C-315/92 – Slg. 1994, I-317. 205 EuGH – Estée Lauder/Lancaster – Urteil v. 15. 06. 1998, Rs. C-220/98 – Slg. 2000, I-1891 2. Leitsatz. 206 Zwicker, Das europäische Verbraucherleitbild bei Finanzdienstleistungen, § 5 I. 2. a) (S. 53); kritisch zur Frage eines einheitlichen Verbraucherleitbilds der Grundfreiheiten: Sack, GRUR 100 (1998), 871 (879 ff.). 207 EuGH – Estée Lauder/Lancaster – Urteil v. 15. 06. 1998, Rs. C-220/98 – Slg. 2000, I-1891 Tz. 27; so auch: Mohr, AcP 204 (2004), 660 (675). 208 BVerfG – Urteil v. 09. 10. 2000, Az.: 1 BvR 1627/95 – GRUR 2001, 266 (266 ff.).

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4. Kapitel: Leitbilder – Legitimation ungleicher Ausgestaltung?

bleibt wegen des Vorrangs der speziellen Normen kaum ein Anwendungsbereich. 209 Die damit einhergehende Divergenz in der Reichtweite des jeweiligen Schutzbereichs gelangt anschaulich bereits darin zum Ausdruck, dass die Berufsausübungsfreiheit in den Grenzen der Verhältnismäßigkeit nur auf der Grundlage von ausreichenden Gründen des Gemeinwohls – zu denen antagonistisch auch der Verbraucherschutz zählt – eingeschränkt werden kann 210, wohingegen die allgemeine Handlungsfreiheit unter dem weitergehenden Vorbehalt der verfassungsmäßigen Ordnung steht 211. Darüber hinaus wird ausschließlich der Verbraucherschutz mit der verfassungsrechtlichen Staatszielbestimmung des Sozialstaatsprinzips in Verbindung gebracht. 212 In diesem Sinne werden ordnungspolitische Belange des Sozialstaates als Grundlage des wirtschaftlichen Verbraucherschutzes aufgefasst, mit dem Ziel, den schwächeren oder weniger informierten Marktteilnehmer vor der Übervorteilung zu bewahren. 213 Dagegen nicht zum Tragen gelangt diese ordnungspolitische Komponente im Rahmen der unternehmerischen Handlungsfreiheit. Über kurz oder lang wird die Sonderrolle des Verbrauchers zudem durch die EU-Grundrechte Rückhalt erfahren. Zwar verbürgt Art. 38 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh), zumindest derzeit, kein subjektives Recht auf Verbraucherschutz, sondern rundet subjektiv-rechtliche Teilaspekte des Verbraucherschutzes – vergleichbar einer Staatszielbestimmung – objektiv-rechtlich ab. 214 Bereits jetzt aber wird Art. 38 GRCh eine »Leitbildfunktion für die Auslegung und Anwendung von Unionssekundärrecht« zugesprochen. 215 Diese könnte sich künftig an den Leitbildinhalt, wie er durch die Cassis-Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten zum Ausdruck gelangt, anpassen und auf diese Weise dem Personenbild des verständigen Durchschnittsverbrauchers eine verfassungsrechtliche Grundlage geben.

209 Erichsen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.): Hdb. des Staatsrechts, § 152 Rn. 62 (S. 1212 f.). 210 BVerfG – Urteil v. 12. 12. 2006, Az.: 1 BvR 2576/04 – NJW 2007, 979 (980 ff.); Urteil v. 28. 03. 2006, Az.: 1 BvR 1054/01 – NJW 2006, 1261 (1263 ff.). 211 BVerfG – »Preisgesetz« – Beschluss v. 12. 11. 1958, Az. 2 BvL 4/56, 2 BvL 26/56, 2 BvL 40/56, 2 BvL 1/57, 2 BvL 7/57 – BVerfGE, 8, 274 (328). 212 Neuner, Privatrecht und Sozialstaat, 3. Teil II. 2. b) bb) aaa) (S. 278); vgl. auch: BVerfG – »Bürgschaftsvertrag II« – Kammerbeschluss v. 05. 08. 1994, Az.: 1 BvR 1402/89 – NJW 47 (1994), 2749 (2750); »Bürgschaftsvertrag I« – Beschluss v. 19. 10. 1993, Az.: 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89 – NJW 1994, 36 (38). 213 Breuer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.): Hdb. des Staatsrechts, § 148 Rn. 22 (S. 975); vgl. auch: BVerfG – Beschluss v. 25. 10. 1977 – »Margarinegesetz«, Az.: 1 BvR 173/75 – BVerfGE 49, 246 (257). 214 Pielow, in: Kölner Gemeinschaftskommentar zur Europ. GRCh, Art. 38 Rn. 6; Riedel, in: Meyer (Hrsg.): Charta der Grundrechte der EU, Art. 38 Rn. 5. 215 Wichard, in: C. Calliess/Ruffert, EUV/EGV-Kommentar, Art. 38 GRCh Rn. 6.

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Art. 38 GRCh wurde anlässlich des Europäischen Rates von Nizza am 7. Dezember 2000 unterzeichnet und feierlich verkündet; er sieht vor, dass die Union ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherstellt. Auch wenn der Verbraucherschutz im Vergleich zu thematisch verwandten Vorschriften (Datenschutz, Informationszugang) verhältnismäßig spät in den Grundrechtekonvent Eingang gefunden hat 216, steht 38 GRCh systematisch in enger Verbindung mit der im EG-Vertrag enthaltenen Querschnittsaufgabe des »Verbraucherschutzes«. Durch die eng an Art. 153 EG angelehnte Formulierung wird dies unterstrichen. 217 Art. 38 GRCh verkörpert damit als Bestandteil des grundrechtlichen Wertekonsenses einen Ausläufer des primärrechtlichen Verbraucherleitbilds, der durchaus als Bekräftigung und Fortführung des verständigen Durchschnittsverbraucherprofils (Grundfreiheiten) aufgefasst werden kann. 5. Lokalisierung der Normvorgaben für das Verbraucherleitbild Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass die empirischen Elemente des Verbraucherleitbildes – wenn man die höherrangigen Normen der Rechtsordnung durchleuchtet – in den Grundfreiheiten und Grundrechten zum Ausdruck gelangen. Aus welchen höherrangigen Regelungen kann der normative Aussagegehalt des Verbraucherleitbildes aber konkret abgeleitet werden? Oder anders gefragt: Kann das Verbraucherleitbild überhaupt aus einer oder mehreren bestimmten Normen deduziert werden? Bei dem Verbraucherschutz handelt es sich um ein von der Rechtsprechung anerkanntes zwingendes Allgemeininteresse bzw. um einen Grund des Gemeinwohls, der Freiheitsbeschränkungen legitimiert. Er stellt eine anerkannte Zielgröße dar, zu dessen Verfolgung nicht nur die Grundrechte – respektive das Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit –, sondern auch die Grundfreiheiten eingeschränkt werden können. Er bietet einen Maßstab, mit dem materiale Schutzräume in formale Freiheitsgewährleistungen »mit Fug und Recht« gemeißelt werden dürfen. Das Verbraucherleitbild fungiert in diesem Rahmen als personalisiertes Schutzprofi l, anhand dessen der typisierte Schutzbedarf konkret festgelegt werden kann. Weil der Verbraucherschutz ein normübergreifendes Allgemeininteresse ist, das Freiheitsgarantien üblicherweise antagonistisch gegenüber gestellt wird, lässt es sich nicht positiv über singuläre Freiheitsrechte lokalisieren, sondern nur negativ über legitime Beschränkungskonstellation konkretisieren – Beschränkungskonstellationen, wie sie von der Rechtsprechung wiederholt anerkannt wurden. Sowohl über die Grundfreiheiten als auch über die Grund216

Pielow, in: Kölner Gemeinschaftskommentar zur Europ. GRCh, Art. 38 Rn. 1. Pielow, in: Kölner Gemeinschaftskommentar zur Europ. GRCh, Art. 38 Rn. 1; vgl. auch: Wichard, in: C. Calliess/Ruffert, EUV/EGV-Kommentar, Art. 38 GRCh Rn. 2. 217

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4. Kapitel: Leitbilder – Legitimation ungleicher Ausgestaltung?

rechte (z. B. Art 12 Abs. 1 GG) tritt das Verbraucherleitbild als gerichtlich anerkanntes Marktteilnehmerprofi l in Erscheinung, das dem einfachen Gesetzgeber eine Hilfestellung gibt, Beschränkungsmaßnahmen zu fi xieren, die aus Verbraucherschutzgründen erforderlich sind. Normativ zum Ausdruck gelangt es letzten Endes über den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wobei die Grundfreiheiten und Grundrechte lediglich als unterschiedliche Abbildungssphären zu begreifen sind. Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass das Verbraucherleitbild nicht bestimmten höherrangigen Normen zugeordnet werden kann, sondern ein empirisches Marktteilnehmerprofi l darstellt, das bei der (richterlichen) Auslegung höherrangiger Freiheitsgarantien immer wieder als Rechtfertigungsmaßstab herangezogen wird und erst in Verbindung mit dem Übermaßverbot und konkreten Freiheitsbeschränkungskonstellationen Gestalt annimmt. III. Das Unternehmerleitbild als Personenbild des Handelsrechts Korrespondierend dazu ist auch das Unternehmerleitbild nicht lediglich als Zusammenfassung heterogener Wertungsaussagen zu begreifen. Auch seine Leitbildaussagen liefern prinzipielle Anhaltspunkte, warum einigen (unternehmerischen) Marktteilnehmern ein anderes Maß an individueller Freiheit zugesprochen wird als anderen (nicht unternehmerischen) Marktteilnehmern. Es handelt sich um »Wertungen, die . . . die geltende Rechtsordnung beherrschen«. 218 So stellen z. B. Art. 81 und 82 EG nur für Unternehmen, d. h. für alle Einheiten, die unabhängig von Rechtsform und Art der Finanzierung eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben 219, einen Maßstabskatalog der individuellen Freiheitsbeschränkung auf, von dem Verbraucher wiederum profitieren sollen. Ähnliche Abstufungen sind im Bereich der Grundfreiheiten festzustellen, wo Arbeitnehmer (Art. 39 EG) und selbständige Unternehmer (Art. 43 EG) eine andere Freiheitsbehandlung erfahren als Verbraucher und sonstige Unionsbürger. Die Antwort auf die Frage nach dem Sachgrund dieser Differenzierung besteht auch hier aus einem Leitbild, das sich aus dem Eigenschafts- und normativen Verhaltensmodell des geschäftsgewandten Unternehmers zusammensetzt (Unternehmerleitbild). Dieses muss lediglich aus der ratio legis und dem inneren Gesamtzusammenhang der Rechtsordnung herausgebildet, erkannt und beim Namen genannt werden. Auch wenn es in unterschiedlichen Normzusammenhängen zum Einsatz gelangt, bringt es als Leitbild nicht le218

Canaris, WM 32 (1978), 686 (696). EuGH – Job Centre coop., Rs. 55/96 – Slg. 1997, I-7119 Tz. 21; Fédération Francaise des Societés d’Assurance,Rs. C-244/94 – Slg. 1995, I-4113 Tz. 14; SAT Fluggesellschaft/Eurocontrol, Rs. C-364/92 – Slg. 1994, I-43 Tz. 18; Höfner & Elser/Macrotron, Rs. C-41/90 – Slg. 1991, I-1979 Tz. 21; ebenso: Kommission – Entscheidung Karton, 94/601/EG – ABl. 1994 Nr. L 243 S. 1 Tz. 140. 219

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diglich einen bereichsabhängigen »Teil der maßgeblichen Wertungen« zum Ausdruck, sondern tritt selbst als eigenständiges Rechtsprinzip in Erscheinung. Mit prinzipientreuer Konstanz stellt es einen empirisch-normativen Sachgrund für freiheitliche Ungleichbehandlung zur Verfügung, und zwar unabhängig davon, ob es mit dem Korrespondenzprinzip der Wettbewerbsfreiheit, dem Vertrauensschutz oder der individuellen Vertragsfreiheit zusammentrifft. 220 1. Der Aussagegehalt des Unternehmerleitbilds Inhaltlich weicht das Unternehmerleitbild von dem grundsätzlichen Personenbild des BGB sowie den Aussagen des Verbraucherleitbilds nicht unerheblich ab, führt doch bereits der »Stand der Kaufleute« nicht umsonst »seine Bezeichnung nach einer rechtsgeschäftlichen Thätigkeit«221. Ähnlich wie das bürgerliche Personenbild des gemeinen Bürgers folgt auch das kaufmännische Personenbild dem homo oeconomicus, spricht allerdings nur die professionelle Seite dieses Personenbilds an. Frei nach Mises will der Kaufmann »jedes einzelne Geschäft mit dem höchsten erzielbaren Geldgewinn durchführen, er will so billig als möglich einkaufen, so teuer als möglich verkaufen«. 222 Im Sinne des Erwerbs- und nicht bloß des Bedarfsdeckungsprinzips trachtet er danach, »durch Fleiß und Aufmerksamkeit alle Fehlerquellen auszuschalten, damit der Erfolg seines Handelns nicht durch Unkenntnis, Nachlässigkeit, Irrtum u. dgl. mehr beeinträchtigt« wird. 223 Unverzichtbar für die Prägung des Unternehmerleitbilds sind diese Aspekte allerdings nicht. Zwar beruht die Kalkulation des Unternehmertypus weniger auf dem Einsatz knapp erzielter Ressourcen, als vielmehr auf der Anlage von Überschüssen, um im Idealfall noch größere Überschussgewinne einfahren zu können. Leitbildprägend sind aber nicht nur die Massenhaftigkeit der Rechtsgeschäfte und der spekulative Charakter des Handels, sondern auch die Berufsmäßigkeit der Kapitalansammlung und »die Funktion des Unternehmers im Volksganzen« (Krause). 224 Diese Betrachtung legt die Gleichstellung aller berufl ich am Markt Tätigen nahe, führen der Bauer und der Unternehmer doch in gleicher Weise ihre Tätigkeit zur »wirtschaftliche[n] Erhaltung des Volkes [Anm. d. Verf.: bzw. der »Volkswirtschaft«] durch[.], jeder auf seinem Gebiet, in seiner Weise, mit seinen Mitteln« (Krause). 225 Damit bilden neben 220

A. A.: Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 7 Rn. 215 (S. 100, 101). Heck, AcP 92 (1902), 438 (456). 222 Mises, Grundprobleme der Nationalökonomie, Bemerkungen zum Grundproblem der subjektivistischen Wertlehre, IV. (S. S. 168). 223 Mises, Grundprobleme der Nationalökonomie, Bemerkungen zum Grundproblem der subjektivistischen Wertlehre, IV. (S. S. 168). 224 Krause, ZHK 1938, 69 (127). 225 Krause, ZHK 1938, 69 (127). 221

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4. Kapitel: Leitbilder – Legitimation ungleicher Ausgestaltung?

der Gewinnorientierung an sich auch Art und Sinn der Markttätigkeit bezogen auf die Gemeinschaft ein Sachargument für die besondere Ausgestaltung des Handelsvertragsrechts. 226 Daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, dass auch soziologische Erwägungen in einem engeren Sinne für das Unternehmerleitbild relevant seien, wäre gleichwohl zu weitgehend. Vielmehr würden Bestrebungen, den Unternehmer im Sinne einer »Lehre von der kaufmännischen Klugheit« (Thöls) zum homo sociologicus zu stilisieren 227, wiederum mit den handelsrechtlichen Paradigmen der Verkehrserleichterung kollidieren, nach denen der Bedarf nach Beschleunigung primär in der Zwecksetzung unternehmerischer Tätigkeit und weniger in den intellektuellen Sonderfähigkeiten der professionell Agierenden begründet ist. Beispiele unzulässiger Vermischungen zwischen dem, was idealiter sein sollte und dem, was soziologisch feststeht 228, spielten sich in der Vergangenheit etwa im schweizerischen Bundesrat ab, der 1879 die Ausweitung kaufmännischer Rechtsinstitute (ADHGB) auf das allgemeine Obligationenrecht (1881) mit der hohen Schulbildung und der geschäftlichen Begabung des schweizerischen Volkes rechtfertigte. 229 Ebenfalls in diese Richtung wies die Begründung der Redaktoren eines italienischen Handelsgesetzbuchs, die in ihrem Entwurf aus dem Jahre 1925 die Beibehaltung der Trennung von Handelsrecht und allgemeinem Schuldrecht mit dem Hinweis auf die vorwiegend bäuerliche Struktur mancher Regionen Italiens verteidigten. 230 2. Ableitung des Unternehmerleitbilds aus den Grundrechten Bleibt die zentrale Frage zu beantworten, aus welchen höherrangigen Rechtsordnungselementen normative Aussagen des Unternehmerleitbilds konkret abgeleitet werden können. a) Die unternehmerische Freiheit nach der Europäischen Grundrechtecharta (GRCh) Auf EU-Ebene sieht Art. 16 GRCh seit 2000 – wenn auch zunächst nur als soft law-Regelung – vor, dass die unternehmerische Freiheit nach dem Gemeinschaftsrecht und den einzelnen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten aner226

Krause, ZHK 1938, 69 (127). Thöl, Das Handelsrecht – Bd. 1, § 2 (S. 5, 7 ff.); zum Modellmensch des homo sociologicus vgl.: Richter R. /Furubotn, Neue Institutionenökonomik, I.14 (S. 47); Schmoller, Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre, 1. größerer Teil, Einleitung II. 5. und 7. (S. 26 ff. und S. 41 ff.). 228 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1. Teil 3. Kap. I. (S. 29). 229 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 2. Teil 2. Abschnitt 3. Kap. III. 2. (S. 92). 230 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 3. Teil 2. Abschnitt 2. Kap. II. (S. 154). 227

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kannt wird. Diese Regelung war in der vom Präsidium des Grundrechtekonvents herausgegebenen Grundrechtsliste zunächst nicht enthalten, wurde dann aber aufgenommen, um in der Charta auch die wirtschaftlichen Rechte zu berücksichtigen und nicht zu stark auf die Rechte von abhängig Beschäftigten abzustellen. 231 Sachlich erfasst Art. 16 GRCh nicht nur die Freiheit, eine Wirtschafts- und Geschäftstätigkeit auszuüben, sondern bezieht sich auch auf die hier in Frage stehende Vertrags- und Wettbewerbsfreiheit von Unternehmern. 232 In persönlicher Hinsicht gewährleistet Art. 16 GRCh die unternehmerische Betätigungsfreiheit für alle Selbstständigen, wobei sowohl natürliche als auch juristische Personen in seinen Schutzbereich fallen. 233 Die in Art. 16 GRCh kodifi zierte Garantie der unternehmerischen Freiheit ist in engem Zusammenhang mit der in Art. 15 GRCh gewährleisteten Berufsfreiheit und der in Art. 17 GRCh kodifi zierten Eigentumsfreiheit zu sehen. Gemäß Art. 15 GRCh hat jede Person das Recht, zu arbeiten und einen frei gewählten oder angenommenen Beruf auszuüben. Für den Berufsbegriff fi ndet sich in der Rechtsprechung des EuGH zwar keine Defi nition. 234 Die Literatur geht in Anbetracht der bisherigen EuGH-Rechtsprechung jedoch davon aus, dass unter den Berufsbegriff jede »entgeltliche«, nicht nur vorübergehende, dem Erwerb dienende Tätigkeit fällt 235, sodass nach deutscher Diktion nicht nur Kaufleute, sondern auch Freiberufler und Landwirte unter den Berufsbegriff einzustufen sind. Flankierend zur Berufsfreiheit hat nach Art. 17 GRCh jede Person das Recht, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen, darüber zu verfügen und es zu vererben. Bezüglich des Schutzes wohlerworbener vermögenswerter Rechte differenziert Art. 17 GRCh dabei nicht danach, von welcher natürlichen oder juristischen Person ein Eigentumsrecht zu welchem privaten oder unternehmerischen Zweck erworben worden ist. Während die unternehmerische Initiative über Art. 16 GRCh einen besonderen Schutz erfährt – also Unternehmer im Rahmen ihrer Vertragsabschlussund Vertragsinhaltsfreiheit einen spezifischen Freiheitsgrad zugesprochen erhalten – (Art. 16 GRCh), erfolgt der Schutz für den Bestand eines Vermögensguts unabhängig davon, ob der jeweilige Grundrechtsträgers Unternehmer oder sonstiger Marktteilnehmer ist bzw. zu einem privaten oder beruflichen Zweck er agiert (Art. 17 GRCh). 236

231 Bernsdorff, in: Meyer (Hrsg.): Charta der Grundrechte der EU, Art. 16 Rn. 4 ff.; Blanke, in: Kölner Gemeinschaftskommentar zur Europ. GRCh, Art. 16 Rn. 1. 232 Bernsdorff, in: Meyer (Hrsg.): Charta der Grundrechte der EU, Art. 16 Rn. 11 ff.; Blanke, in: Kölner Gemeinschaftskommentar zur Europ. GRCh, Art. 16 Rn. 10 f. 233 Ruffert, in: C. Calliess/Ruffert, EUV/EGV-Kommentar, Art. 16 GRCh Rn. 3. 234 Schwier, Der Schutz der unternehmerischen Freiheit, 4. Teil B. I. 2. (S. 133). 235 Blanke, in: Kölner Gemeinschaftskommentar zur Europ. GRCh, Art. 15 Rn. 25 ff. 236 Schwier, Der Schutz der unternehmerischen Freiheit, 4. Teil C. III. (S. 163).

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4. Kapitel: Leitbilder – Legitimation ungleicher Ausgestaltung?

b) Die Rechtsprechung des EuGH zum unternehmerischen Grundrechtsschutz Weil mit der Europäischen Grundrechtecharta keine neue Ordnung entworfen, sondern das bestehende Gemeinschaftsrecht kodifi ziert und weiterentwickelt werden sollte, kommt der Rechtsprechung des EuGH für die Ausprägung des Unternehmerleitbilds maßgebliche Bedeutung zu. Zwar schützt der EuGH die Freiheit des Unternehmers nicht als Gesamtkonzept im Sinne einer umfassenden Freiheitsgarantie. Im Laufe seiner Rechtsprechung hat er jedoch diverse Teilaspekte des Grundrechtsschutzes hervorgebracht (Ausübung der Wirtschafts- und Geschäftstätigkeit, Vertragsfreiheit, Wettbewerbsfreiheit), die gesamtbetrachtend als Ausläufer eines unternehmerischen Freiheitsprofi ls begriffen werden können. (1) Freiheit zur Ausübung einer Geschäftstätigkeit und Eigenverantwortung. Ein für den Wirtschaftsverkehr konstituierender Teilbereich des durch den EuGH entwickelten Schutzes unternehmerischer Interessen betrifft die Freiheit zur Ausübung einer Geschäftstätigkeit. Ein in diesem Zusammenhang oft zitiertes Urteil ist das Urteil J. Nold/Kommission. In diesem wandte sich die Firma Nold gegen eine Entscheidung der Kommission, mit der eine neue Handelsregelung der Ruhrkohle AG genehmigt worden war. Diese ermöglichte es der Ruhkohle AG, die Firma Nold als Großhändler erster Hand aus dem Vertrieb mit Kohle auszuschließen. 237 Die Firma Nold rügte neben anderen Positionen, in ihrem Grundrecht auf Eigentumsschutz, der freien Entfaltung der Persönlichkeit und der Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung verletzt worden zu sein. Zwar verneinte der Gerichtshof apodiktisch eine Verletzung der geltend gemachten Grundrechtspositionen 238, erkannte implizit aber die Existenz eines unternehmerischen Grundrechtsschutzes auf Gemeinschaftsebene an 239. Trotz der Knappheit seiner Ausführungen arbeitet der EuGH heraus, dass unternehmerische Freiheit nicht mit »Anspruch auf Protektionismus« gleichgesetzt werden kann, sondern »Freiraum zur Eigenverantwortlichkeit« bedeutet. Denn nach Ansicht des Gerichtshofs war es »[a]ngesichts der Veränderungen in der Wirtschaft, zu denen der Rückgang der Kohleerzeugung nötigte«, Sache der Firma Nold, »sich mit der neuen Lage auseinanderzusetzen und ihrerseits die unerlässlichen Umstellungen vorzunehmen«. 240

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EuGH – J. Nold/Kommission – Urteil v. 14. 05. 1974, Rs. 4/73 – Slg. 1974, 491 Tz. 1 ff. 238 EuGH – J. Nold/Kommission – Urteil v. 14. 05. 1974, Rs. 4/73 – Slg. 1974, 491 Tz. 14 f. 239 Schwier, Der Schutz der unternehmerischen Freiheit, 3. Teil A. II. 1. a) bb) (S. 94). 240 EuGH – J. Nold/Kommission – Urteil v. 14. 05. 1974, Rs. 4/73 – Slg. 1974, 491 Tz. 15.

§ 21 Rechtsprinzipien – Maßstab freiheitlicher Ungleichbehandlung

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Das relativ hohe Maß an Eigenverantwortung, welches der Gerichthof Unternehmern auferlegt, fi ndet sich auch in der S. p. A. Eridania-Entscheidung wieder. 241 Dieser lag als Sachverhalt zugrunde, dass sich die Gesellschaft S. p. A. Eridania (Zuckerhersteller) gegen eine italienische Ministerialverordnung wehrte, mit welcher der Minister für Landwirtschaft die der Gesellschaft zugewiesene »Grundquote« zur Zuckerherstellung herabgesetzt und gleichzeitig die Produktionsquote für einen Konkurrenten erhöht hatte. Der EuGH hielt es für ausgeschlossen, dass die Beschneidung eines solchen Vorteils als Verletzung eines Grundrechts angesehen werden könne. Er begründete dies damit, dass sich ein Unternehmen »nicht auf ein wohlerworbenes Recht auf Beibehaltung eines Vorteils berufen [könne], der sich für dieses Unternehmen aus der Einführung der Gemeinsamen Marktorganisation ergibt und der ihm zu einem bestimmten Zeitpunkt zugute gekommen ist«. 242 In der Entscheidung Rau/Bundesanstalt bestätigte der EuGH den Grundsatz, dass Unternehmer auf existierende Marktorganisationen nicht – grundrechtlich geschützt – vertrauen können und weitete die Grundannahme, dass Unternehmer sich eigenständig auf sich ändernde Marktverhältnisse einstellen müssen, auch auf Marktteilnehmer aus, die an sich gar nicht unter die betreffende Marktorganisation fallen. 243 Im Ergebnis verneinte der Gerichtshof eine Verletzung der »Grundsätze der freien Berufsausübung, der allgemeinen Handlungsfreiheit und der Wettbewerbsfreiheit«. 244 (2) Vertrauensschutz und Schutzbereich der unternehmerischen Freiheit. Fortgeführt und zugleich weiterentwickelt hat der EuGH den Grundsatz, dass Unternehmer in ihrer grundrechtlichen Freiheit durch die Beibehaltung oder Änderung einer gemeinsamen Marktorganisation nicht beeinträchtigt werden können, in der Entscheidung Finsider/Kommission. 245 Diesem Verfahren lag als Sachverhalt zugrunde, dass der italienische Stahlerzeuger Finsider eine neue Walzstraße gebaut hatte, weil die damals geltenden EG-rechtlichen Regelungen eine Erhöhung der Produktionsquote im Anschluss an eine solche Baumaßnahme vorsahen. Wegen zwischenzeitlicher Änderung der gesetzlichen Lage lehnte die Kommission jedoch eine Produktionsquotenerhöhung ab, weshalb das Unternehmen Finsider eine Verletzung des Rechts auf wirt241 EuGH – S. p. A. Eridania/Minister für Landwirtschaft – Urteil v. 27. 09. 1979, Rs. 230/78 – Slg. 1979, 2749. 242 EuGH – S. p. A. Eridania/Minister für Landwirtschaft – Urteil v. 27. 09. 1979, Rs. 230/78 – Slg. 1979, 2749 Tz. 22. 243 EuGH – Rau/Bundesanstalt – Urteil v. 21. 05. 1987, Rs. 133 bis 136/85 – Slg. 1987, 2289 Tz. 18. 244 EuGH – Rau/Bundesanstalt – Urteil v. 21. 05. 1987, Rs. 133 bis 136/85 – Slg. 1987, 2289 Tz. 19. 245 EuGH – Finsider/Kommission – Urteil v. 19. 09. 1985, Rs. 63 und 147/84 – Slg. 1985, 2857.

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4. Kapitel: Leitbilder – Legitimation ungleicher Ausgestaltung?

schaftliche Betätigungsfreiheit vor dem EuGH rügte. 246 Der EuGH verneinte eine Grundrechtsverletzung wegen der vorgetragenen Rentabilitätserwägungen und stellte darauf ab, dass es dem Unternehmen durch die geänderte Rechtslage nicht versagt werde, die neue Anlage (wenn auch weniger rentabel) in Betrieb zu nehmen. 247 Eine Art »Wendepunkt« in der EuGH-Rechtsprechung zur unternehmerischen Eigentumsfreiheit wird in der Entscheidung Deutschland/Rat gesehen. 248 Mit der Anfechtungsklage in diesem Verfahren begehrte die Bundesrepublik Deutschland die Nichtigerklärung der Verordnung über die gemeinsame Marktorganisation für Bananen, die u. a. zu einer Beschränkung der Einfuhr von sog. »Drittlandsbananen« in die Bundesrepublik Deutschland führte. Die Bundesrepublik machte geltend, dass solche Unternehmer in ihrem Grundrecht auf freie Berufsausübung beeinträchtigt seien, deren Geschäftsbereich gerade auf den Import und den Vertrieb solcher Drittlandsbananen zugeschnitten war. 249 Der EuGH bestätigte zunächst, dass das Eigentumsrecht und die freie Berufsausübung zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehören, gleichwohl aber die »Ausübung des Eigentumsrechts und die freie Berufsausübung . . . im Rahmen einer gemeinsamen Marktorganisation Beschränkungen unterworfen werden« könnten. 250 Die Beschränkungen müssten lediglich »tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Gemeinschaft entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet«. 251 Letztlich bemerkenswert ist die Entscheidung Deutschland/Rat insofern, als der EuGH im Grundsatz einen Eingriff in den Schutzbereich der unternehmerischen Berufsausübungsfreiheit bejaht, weil »die Einführung des Zollkontingents und des Mechanismus seiner Aufteilung tatsächlich die Wettbewerbsstellung insbesondere der Wirtschaftsteilnehmer auf dem deutschen Markt ändert«, und lediglich im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung den Eingriff für gerechtfertigt hält. 252

246 EuGH – Finsider/Kommission – Urteil v. 19. 09. 1985, Rs. 63 und 147/84 – Slg. 1985, 2857 Tz. 23. 247 EuGH – Finsider/Kommission – Urteil v. 19. 09. 1985, Rs. 63 und 147/84 – Slg. 1985, 2857 Tz. 24. 248 Schwier, Der Schutz der unternehmerischen Freiheit, 3. Teil A. II. 2. a) bb) (S. 100). 249 EuGH – Deutschland/Rat – Urteil v. 05. 10. 1994, Rs. C-280/93 – Slg. 1994, I-4973 Tz. 1 ff. 250 EuGH – Deutschland/Rat – Urteil v. 05. 10. 1994, Rs. C-280/93 – Slg. 1994, I-4973 Tz. 78. 251 EuGH – Deutschland/Rat – Urteil v. 05. 10. 1994, Rs. C-280/93 – Slg. 1994, I-4973 Tz. 78. 252 EuGH – Deutschland/Rat – Urteil v. 05. 10. 1994, Rs. C-280/93 – Slg. 1994, I-4973 Tz. 81 ff.

§ 21 Rechtsprinzipien – Maßstab freiheitlicher Ungleichbehandlung

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(3) Die Privatautonomie als notwendiger Bestandteil der unternehmerischen Freiheit. Die Freiheit der Wirtschafts- und Geschäftstätigkeit setzt notwendig voraus, dass Unternehmer von ihrer Möglichkeit zur privatautonomen Vertragsbindung und -gestaltung frei Gebrauch machen können. 253 Auf diesen Zusammenhang zwischen unternehmerischer Freiheit und Vertragsfreiheit macht auch das Präsidium des Konvents in seinen Erläuterungen aufmerksam. 254 Der EuGH selbst hat in der Entscheidung Sukkerfabriken/Landwirtschaftsministerium implizit anerkannt, dass der Grundsatz der Vertragsfreiheit auf Gemeinschaftsebene existiert, auch wenn es im Ergebnis eine Verletzung dieses Grundsatzes in dem betreffenden Verfahren verneinte. 255 In Frage stand u. a. eine Regelung, welche den Mitgliedstaaten die Befugnis einräumte, Vorgaben für die Aufteilung der Zuckerrübenmenge auf der Grundlage eines gemeinschaftsweiten Quotensystems zuzuteilen. 256 Bislang war diese Aufteilung – abgesehen von grundlegenden Rahmenbedingungen – in den Aufgabenbereich der Unternehmer gefallen, welche die Aufteilung auf der Grundlage privatautonomer Gestaltung vorgenommen hatten. Der Gerichtshof erachtete die neue Regelung als grundrechtlich wenig problematisch, weil sie nicht darauf abzielte, die Vertragsfreiheit zu beschränken, sondern »lediglich präzisieren soll[te], dass die gemeinsamen Marktorganisationen einem Eingreifen der Mitgliedstaaten in den bezeichneten Fällen nicht entgegensteht [sic!]«. 257 Eine ausdrückliche Bekräftigung der (unternehmerischen) Vertragsfreiheit enthält die Entscheidung Spanien/Kommission, in welcher der EuGH feststellte, »daß das Recht der Parteien, von ihnen geschlossene Verträge zu ändern, auf dem Grundsatz der Vertragsfreiheit beruht und daher nicht eingeschränkt werden kann, wenn es keine Gemeinschaftsregelung gibt, die in dieser Beziehung besondere Beschränkungen festlegt«. 258 Indem Art. 16 GRCh nunmehr mit der unternehmerischen Freiheit einen besonderen Schutzbereich für die Vertragsfreiheit von Unternehmern bzw. Berufstätigen zur Verfügung stellt, macht er in vorliegendem Zusammenhang (Unternehmerleitbild) deut-

253

Schwier, Der Schutz der unternehmerischen Freiheit, 3. Teil A. III. (S. 104). Abgedruckt in: Kölner Gemeinschaftskommentar zur Europ. GRCh, Art. 15 Ziff. A. IV. vor Rn. 1. 255 EuGH – Sukkerfabriken/Landwirtschaftsministerium – Urteil v. 16. 01. 1979, Rs. 151/78 – Slg. 1979, 1. 256 EuGH – Sukkerfabriken/Landwirtschaftsministerium – Urteil v. 16. 01. 1979, Rs. 151/78 – Slg. 1979, 1 Tz. 2 ff. 257 EuGH – Sukkerfabriken/Landwirtschaftsministerium – Urteil v. 16. 01. 1979, Rs. 151/78 – Slg. 1979, 1 Tz. 19. 258 EuGH – Spanien/Kommission – Urteil v. 05. 10. 1999, Rs. C-240/97 – Slg. 1999, I6571 Tz. 99. 254

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4. Kapitel: Leitbilder – Legitimation ungleicher Ausgestaltung?

lich, dass die Privatautonomie des Unternehmers einen gehobenen Freiheitsgehalt verkörpert und eine ganz spezielle Schutzqualität genießt. 259 (4) Die Vertragsabschlussfreiheit als Ausfl uss der Berufsausübungsfreiheit. In der Annahme, dass die unternehmerische Freiheit zum Vertragsschluss qualifi ziert geschützt ist und einen gegenüber der Vertragsfreiheit von Nichtberufstätigen eigenständigen Rechtsgehalt aufweist, wird man durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs auch im Übrigen bestätigt. So brachte der EuGH etwa in der Entscheidung Jean Neu/Secrétaire d’État zum Ausdruck, dass die unternehmerische Freiheit zur »Wahl des Geschäftspartners« nicht wie bei sonstigen Bürgern bzw. Verbrauchern aus der allgemeinen Handlungsfreiheit abzuleiten ist, sondern eine Ausprägung der grundrechtlichen Freiheit zur Berufsausübung darstellt. Dem betreffenden Vorabentscheidungsverfahren lag als Sachverhalt zugrunde, dass der Staatssekretär für Landwirtschaft in Luxemburg eine Entscheidung erlassen hatte, wonach in Luxemburg ansässige Milcherzeuger 10% der Milchquote an eine nationale Reserve des Großherzogtums Luxemburg abführen mussten, falls sie einen Käuferwechsel im Rahmen ihrer Geschäftsbeziehungen (Auswahl einer anderen Molkerei) vollzogen. 260 Der Gerichtshof stellte fest, »daß die freie Berufsausübung, die nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes [. . .] zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehört, als einen besonderen Ausdruck die freie Wahl des Geschäftspartners umfasst«. 261 Dieses Wahlrecht wäre nach Ansicht des Gerichthofs nicht gewährleistet, wenn der auf Betreiben des Erzeugers eingetretene Wechsel in der Zugehörigkeit zu einer Molkerei vermittels der Zuweisung eines Teils der individuellen Referenzmenge des Erzeugers zur nationalen Reserve zu einer Kürzung dieser Referenzmenge führen könnte, während diese Kürzung nicht vorgenommen werden könnte, wenn der Erzeuger der gleichen Molkerei angeschlossen bleibt. Eine solche Regelung sei mit der Berufsausübungsfreiheit unvereinbar, weil sie den Erzeuger davon abhalten könne, den Käufer zu wechseln, um sich der Molkerei anzuschließen, die ihnen die günstigsten Konditionen bietet. 262

259 Vgl. Schwier, Der Schutz der unternehmerischen Freiheit, 3. Teil A. III. (S. 104 ff.); a. A. scheinbar Schöbener/Stork, welche die Vertragsfreiheit dogmatisch in Verbindung mit der allgemeinen Handlungsfreiheit bzw. der Eigentumsgarantie (Art. 17 GRCh) bringen möchten: Schobener/Storck, ZEuS 7 (2004), 43 (57). 260 EuGH – Jean Neu/Secrétaire d’État – Urteil v. 10. 07. 1991, Rs. C-90/90 und C-91/90 – Slg. 1991, I-3617 Tz. 1 ff. 261 EuGH – Jean Neu/Secrétaire d’État – Urteil v. 10. 07. 1991, Rs. C-90/90 und C-91/90 – Slg. 1991, I-3617 Tz. 13. 262 EuGH – Jean Neu/Secrétaire d’État – Urteil v. 10. 07. 1991, Rs. C-90/90 und C-91/90 – Slg. 1991, I-3617 Tz. 13.

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Der EuGH setzt mit dieser Entscheidung die Vertragsfreiheit nicht nur in einen funktionalen Zusammenhang mit der Berufsausübungsfreiheit und macht implizit deutlich, dass die Vertragsabschlussfreiheit grundrechtlich bedingt bei Erwerbstätigen (Berufsfreiheit) eine andere Qualität besitzt als bei Nichterwerbstätigen (allgemeine Handlungsfreiheit). 263 Er gibt darüber hinaus auch zu verstehen, dass die Vertragsfreiheit eine »grundrechtliche« Freiheitsgarantie ist, die als Verkehrs- und Marktausübungsfreiheit Bestandteil und spezifische Ausprägung der berufl ichen Freiheitssphäre ist. 264 (5) Vertragsfreiheit und der Eigentumsschutz wohlerworbener Rechte. Dass Unternehmer in ihrer Vertragsabschluss- und Vertragsinhaltsfreiheit wegen des Grundrechts der Berufsfreiheit einem Sonderschutzregime unterliegen und lediglich auf der (verbleibenden) Ebene der Eigentums- und allgemeinen Handlungsfreiheit denselben Schutzbereichen wie Bürger und Verbraucher unterliegen, lässt auch die EuGH-Entscheidung von Deetzen/Hauptzollamt Oldenburg erkennen. 265 Gegenstand dieses Verfahrens war eine Vorlage des Finanzgerichts Hamburg, ob eine EWG-Verordnung zulässig ist, nach der die einem Milchbetrieb jeweils zugewiesene Reverenzmenge unter bestimmten Voraussetzungen beim Verkauf oder einer Verpachtung des Betriebs der europäischen Gemeinschaftsreserve zugeführt wird. 266 Ähnlich wie in der Entscheidung Biovilac/EWG kam der EuGH hier nicht auf die bei Unternehmern (als Ausfluss der Berufsfreiheit) spezifisch ausgeprägte Vertragsfreiheit zu sprechen, sondern prüfte und verneinte eine Verletzung der Eigentumsgarantie. 267 Letztlich ging es in beiden Entscheidungen nicht um Regelungen, die den Vertrag bzw. den Vertragsabschluss an sich betrafen, sondern um negative mittelbare Folgen (Stichwort: Verlust wohlerworbener Rechte), die lediglich an einen Geschäftsabschluss als Ereigniseintritt anknüpften. c) Die Unternehmerfreiheit in den EU-Mitgliedstaaten Ein Kerngehalt der unternehmerischen Freiheit ist auch den Verfassungstraditionen der einzelnen Mitgliedstaaten zu entnehmen. Für das Unternehmerleitbild aus Gemeinschaftsperspektive ist dies ebenfalls von Interesse, weil die 263

Schwier, Der Schutz der unternehmerischen Freiheit, 3. Teil A. III. 2. b) (S. 109). Vgl. Schwier, Der Schutz der unternehmerischen Freiheit, 3. Teil A. III. 2. b) (S. 109); zur Berufsfreiheit siehe auch: EuGH – Hauer/Rheinland-Pfalz – Urteil v. 13. 12. 1979, Rs. 44/79 – Slg. 1979, 3727. 265 EuGH – von Deetzen/Hauptzollamt Oldenburg – Urteil v. 22. 10. 1991, Rs. 44/89 – Slg. 1991, I-5119. 266 Zum Sachverhalt im einzelnen: EuGH – von Deetzen/Hauptzollamt Oldenburg – Urteil v. 22. 10. 1991, Rs. 44/89 – Slg. 1991, I-5119 Tz. 1 ff. 267 EuGH – von Deetzen/Hauptzollamt Oldenburg – Urteil v. 22. 10. 1991, Rs. 44/89 – Slg. 1991, I-5119 Tz. 26 ff.; EuGH – Biovilac/EWG – Urteil v. 06. 12. 1984, Rs. 59/83 – Slg. 1984, 4057 Tz. 22. 264

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mitgliedstaatlichen Verfassungstraditionen neben der EMRK als wesentliche Bezugsquellen der grundrechtlichen Entwicklung auf Gemeinschaftsebene fungieren. (1) Verfassungen mit ausdrücklicher Unternehmerfreiheitsgarantie. Die Verfassung des Königreichs Spanien aus dem Jahr 1978 erkennt die »Unternehmerfreiheit im Rahmen der Marktwirtschaft« ausdrücklich an (Art. 38 S. 1 spanVerf). Der öffentlichen Gewalt erteilt sie den Auftrag, die »Ausübung [der Unternehmerfreiheit] und die Erhaltung der Produktivität [zu gewährleisten und zu schützen], in Einklang mit den Erfordernissen der allgemeinen Wirtschaft und gegebenenfalls der Planung« (Art. 38 S. 2 spanVerf). Die Berufsfreiheit wird – ähnlich wie in der Europäischen Grundrechtecharta – in einem separaten Artikel geschützt (Art. 35 spanVerf). Der Anschein eines »besonders exponierten Schutzes unternehmerischer Tätigkeit durch die spanische Verfassung« sollte allerdings nicht überbewertet werden. 268 Denn zum einen handelt es sich bei der Unternehmerfreiheit nach der spanischen Verfassungsdogmatik gewissermaßen um ein »Grundrecht zweiter Klasse«. 269 Zum anderen wird in erster Linie die Aufnahme unternehmerischer Tätigkeit geschützt, wohingegen der vertragsrechtsrelevante Bereich der Ausübung unternehmerischer Tätigkeit lediglich als objektive institutionelle Garantie Schutz genießt. 270 Schutz erfährt die Unternehmerfreiheit auch in Italien, wo in Art. 41 Abs. 1 italVerf die »privatwirtschaftliche Initiative« als frei erklärt wird. Im Gegensatz zum spanischen Verfassungsrecht wird dabei nicht nur die Aufnahme, sondern auch die Ausübung der wirtschaftlichen Initiative als Grundrecht geschützt. 271 Neben der freiheitlichen Entscheidung des Einzelnen über Art, Umfang etc. der produzierten oder angebotenen Güter erfährt über dieses Grundrecht auch die Gewährleistung freien Wettbewerbs mit privaten Konkurrenten sowie die unternehmerische Vertragsfreiheit einen spezifischen Schutz. 272 Zwar werden vom persönlichen Schutzbereich freie »geistige« Berufe sowie abhängige und hoheitliche Tätigkeiten nicht erfasst. Im Übrigen wird aber 268

Schwier, Der Schutz der unternehmerischen Freiheit, 2. Teil C. I. 1. (S. 61). Schwier, Der Schutz der unternehmerischen Freiheit, 2. Teil C. I. 1. (S. 61); Ibler, JZ 54 (1999), 287 (289 ff.). 270 Schwier, Der Schutz der unternehmerischen Freiheit, 2. Teil C. I. 1. (S. 60 f.); Günter, Berufsfreiheit und Eigentum, 2. Kap. XI. 2. b) (S. 166 f.); Sommermann, Der Schutz der Grundrechte in Spanien, 4. Kap. III. 3. b) hh) (S. 181 f.). 271 Schwier, Der Schutz der unternehmerischen Freiheit, 2. Teil C. I. 2. (S. 64); Stadler, Die Berufsfreiheit in der EG, V. Kap. 1. Abschnitt 9. b) (S. 293); Weber, Menschenrechte, 9. Kap. B. I. (S. 744). 272 Schwier, Der Schutz der unternehmerischen Freiheit, 2. Teil C. I. 2. (S. 64); zur Vertragsfreiheit: Ritterspach, EuGRZ 3 (1976), 118 (118 f.); Astuti, EuRGZ 8 (1981), 77 (81). 269

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jede Form von selbstständiger Betätigung handwerklicher bzw. gewerblicher Tätigkeit und das Betreiben von Handelsgesellschaften geschützt. 273 Der Unternehmerfreiheit in der italienischen Verfassung vergleichbar ist das Recht auf Schutz der privaten Wirtschaftsinitiative, wie es in der portugiesischen Verfassung geschützt wird. Art. 61 Abs. 1 portVerf sieht in diesem Zusammenhang vor, dass sich »die Wirtschaftsinitiative von Privaten« innerhalb »des in der Verfassung und im Gesetz festgelegten Rahmens . . . frei entfalten [kann], solange sie als Instrument dem kollektiven Fortschritt dient«. Zwar erfasst auch die hierin zum Ausdruck kommende Freiheitsgarantie neben der Aufnahme der wirtschaftlichen Betätigung die unternehmerische Tätigkeit an sich. 274 Ähnlich wie in Spanien handelt es sich aber auch in Portugal bei der Unternehmerfreiheit materiell um eine Grundrechtsgarantie zweiten Ranges. 275 Eine relativ extensive Schutzregelung bezüglich der Unternehmerfreiheit weist wiederum die luxemburgische Verfassung auf. Gemäß Art. 11 Abs. 5 gewährleistet sie »die Freiheit des Handelns und der Industrie sowie die Ausübung der freien Berufe und der landwirtschaftlichen Arbeit, vorbehaltlich der Einschränkungen, welche die gesetzgebende Gewalt festlegt«. 276 Mit einem inhaltlich vergleichbaren Wortsinn gewährleistet auch die irische Verfassung die Unternehmerfreiheit, allerdings nicht im systematischen Rahmen der allgemeinen klassischen Freiheitsrechte, sondern innerhalb der Grundsätze zur Sozialpolitik (Art. 45 irischVerf). Nach Art. 45 Abs. 3 irischVerf begünstigt und unterstützt der Staat die Privatinitiative in Industrie und Handel, sofern dies notwendig ist. (2) Die Unterenehmerfreiheit als Konglomerat mehrerer Grundrechtsgarantien. Zahlreiche andere europäische Verfassungen – allen voran das deutsche Grundgesetz – enthalten zwar keine gesonderte Grundrechtsnorm zur Gewährleistung der Unternehmerfreiheit, stellen aber über mehrere Einzelnormen einen besonderen Freiheitsgrad für die unternehmerische Betätigung zur Verfügung. Im Geltungsbereich des deutschen Grundgesetzes sind als relevante Grundrechte zum Schutz der spezifisch unternehmerischen Vertragsfreiheit die Freiheit des Berufs (Art. 12 GG), die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) und die wirtschaftliche Freizügig273 Schwier, Der Schutz der unternehmerischen Freiheit, 2. Teil C. I. 2. (S. 64); Stadler, Die Berufsfreiheit in der EG, V. Kap. 1. Abschnitt 9. b) (S. 293); Dicke, Verfassungsrechtliche Möglichkeiten und Grenzen der Wirtschaftslenkung, 2. Kap. (S. 22 ff.); Weber, Menschenrechte, 9. Kap. B. I. (S. 744 f.). 274 Schwier, Der Schutz der unternehmerischen Freiheit, 2. Teil C. I. 3. (S. 65). 275 Schwier, Der Schutz der unternehmerischen Freiheit, 2. Teil C. I. 3. (S. 66). 276 Schwier, Der Schutz der unternehmerischen Freiheit, 2. Teil C. I. 4. (S. 67).

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keit (Art. 11 GG) zu nennen. Schon früh erkannte das BVerfG die Unternehmerfreiheit als einen Teilaspekt der Freiheitsgarantie des Art. 12 Abs. 1 GG an 277 und erklärte einen angemessenen Spielraum zur Entfaltung der Unternehmerinitiative für unantastbar278. Besonders anschaulich gelangt die vertragsrechtliche Sonderposition des Unternehmerleitbilds aber in der Verortung der Vertragsfreiheit in dem Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit zum Ausdruck. Zwar neigte das BVerfG in früheren Entscheidungen dazu, die Vertragsfreiheit als Teilgewährleistung der allgemeinen Handlungsfreiheit unter Art. 2 Abs. 1 GG zu subsumieren 279, auch wenn dies teilweise darauf beruhte, dass keine Berufsträger in die einschlägigen Ausgangsverfahren involviert waren 280. Die nunmehr h. M. ordnet den Schutz der unternehmerischen Vertragsfreiheit wegen des Sachzusammenhangs zwischen der Bestätigung, Verträge abzuschließen, und anderen berufl ichen Einzelfreiheiten, aber vorrangig Art. 12 Abs. 1 GG zu. 281 Damit können sich allein Berufsträger auf einen besonderen Schutzbereich – demgegenüber das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit subsidiär ist – stützen, um Privatautonomie einzufordern. 282 Ähnlich ist die Ausgangssituation in Österreich, wo die unternehmerische Vertragsfreiheit zwar nicht explizit durch ein spezielles Grundrecht geschützt wird, aber Art. 6 Abs. 1 österStGG einen besonderen Schutztatbestand zur Verfügung stellt, wonach »[j]eder Staatsbürger« u. a. »unter den gesetzlichen Bedingungen jeden Erwerbszweig ausüben« kann. 283 Mit einem größeren Berufsbezug als in Österreich wird die unternehmerische Vertragsfreiheit wiederum in Schweden geschützt. Historisch bedingt 277 BVerfG – »Arbeitnehmer-Überlassung« – Urteil v. 04. 04. 1967, Az.: 1 BvR 84/65 – BVerfGE 21, 261 (266); vgl. auch: BVerfG – »Krankenhausfi nanzierungsgesetz« – Beschluss v. 12. 06. 1990, Az.: 1 BvR 355/86 – BverfGE 82, 209 (223 f., 229 f.); Beschluss v. 19. 11. 1985, Az. 1 BvR 38/78 – BverfGE 71, 183 (194 ff.); »Mitbestimmungsgesetz« – Urteil v. 01. 03. 1979, Az.: 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und 1 BvL 21/78 – BVerfGE 50, 290 (362 f.). 278 BVerfG – »Mitbestimmungsgesetz« – Urteil v. 01. 03. 1979, Az.: 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und 1 BvL 21/78 – BVerfGE 50, 290 (366); Beschluss v. 14. 10. 1970, Az.: 1 BvR 306/68 – BverfGE 29, 260 (267); Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), GG, Art. 2 Rn. 33. 279 BVerfG – Beschluss v. 16. 05. 1961, Az.: 2 BvF 1/60 – BverfGE 12, 341 (347); »Mitbestimmungsgesetz« – Urteil v. 01. 03. 1979, Az.: 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und 1 BvL 21/78 – BVerfGE 50, 290 (327 f.). 280 BVerfG – »Grundstücksverkehrsgesetz« – Urteil v. 12. 01. 1967, Az.: 1 BvR 335/63 – BVerfGE 21, 87 (90 f.). 281 BVerfG – Urteil v. 09. 10. 2000, Az.: 1 BvR 1627/95 – GRUR 2001, 266 (266 ff.); Scholz, in: Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 12 Rn. 123. 282 Schwier, Der Schutz der unternehmerischen Freiheit, 2. Teil B. II. 3. b) (S. 49 f.); vgl. auch: Scholz, in: Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 12 Rn. 122; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 80. 283 Schwier, Der Schutz der unternehmerischen Freiheit, 2. Teil C II. 1. (S. 70 ff.).

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sind dort die Grundrechte keine klassischen Abwehrrechte, sondern vielmehr »schriftlich fi xierte, gesellschaftliche Wertekonsense bzw. Ausformulierungen bestimmter, gemeinschaftlich beschlossener Handlungsaufträge an Hoheitsträger«. 284 Zwar ist in Schwedens Verfassung keine ausdrückliche Garantie der Unternehmerfreiheit vorzufi nden; in der Fassung vom 1. Januar 1995 schützt sie jedoch die Freiheit unternehmerischer Betätigung zumindest mittelbar. So sieht § 20 schwVerf vor, dass »Einschränkungen des Rechts, Erwerb zu treiben oder einen Beruf auszuüben[,] nur vorgenommen werden [dürfen], um dringende öffentliche Interessen zu schützen und niemals zu dem einzigen Zweck, bestimmte Personen oder Unternehmen wirtschaftlich zu begünstigen«. Die in dieser Form geschützte Erwerbs- und Berufsfreiheit, die auch für die unternehmerische Vertragsfreiheit prägend ist, wird durch die wirtschaftsrelevanten Garantien des Eigentums (§ 18 schwVerf) und der Vereinigungsfreiheit (§ 14 Abs. 2 schwVerf) flankiert. 285 Andere europäische Grundrechtsordnungen wie die französische, englische, dänische, belgische und niederländische kennen zwar weder eine ausdrücklich kodifi zierte oder über die Berufsfreiheit ableitbare unternehmerische Freiheit, erkennen aber in anderer Weise (z. B. als richterlich entwickelter Rechtsgrundsatz) die Freiheit der spezifisch wirtschaftlichen Betätigung an. 286 Somit lassen sich gesamtbetrachtend auch den europäischen Verfassungen hinreichende Anhaltspunkte entnehmen, dass Berufstätigen bzw. Wirtschaftstreibenden eine andere – tendenziell mit einem liberaleren Ansatz grundrechtlich geschützte – Privatautonomie zuzusprechen ist als Bürgern und Verbrauchern. 3. Der negative Aussagegehalt der Cassis-Grundfreiheitendogmatik Prinzipielle Aussagen im Hinblick auf das Unternehmerleitbild lassen sich auch der Grundfreiheitendogmatik entnehmen. Zwar tritt das Unternehmerleitbild nicht derart offensichtlich wie das Verbraucherleitbild – nämlich nicht in Gestalt eines »zwingenden Allgemeininteresses« – über die Grundfreiheiten in Erscheinung. Zumindest mittelbar liefern die Grundfreiheiten jedoch leitbildrelevante Rückschlüsse, indem sie nur zur Verfolgung zwingender Gründe nichtwirtschaftlicher Art die Möglichkeit einer gerechtfertigten Grundfreiheitenbeschränkung vorsehen. 287 Nur bei unmittelbaren oder mittelbaren, 284

Schwier, Der Schutz der unternehmerischen Freiheit, 2. Teil C II. 3. (S. 75). Schwier, Der Schutz der unternehmerischen Freiheit, 2. Teil C II. 3. (S. 75 f.). 286 Vgl. im Überblick: Schwier, Der Schutz der unternehmerischen Freiheit, 2. Teil C III. (S. 78 ff.). 287 Vgl. hierzu die ausdrücklichen Rechtfertigungstatbestände der Art. 30 EG, Art. 39 Abs. 3 und 4 EG, Art. 45, 46, Art. 55 EG, Art. 58 EG sowie die immanenten Schranken der Cassis-Dogmatik (Rechtsfortbildung des EuGH); zu den Rechtfertigungsgründen der Cassis-Formel im Überblick: Kingreen, in: C. Calliess/Ruffert, EUV/EGV-Kommentar, Art. 28–30 EGV Rn. 80 ff. 285

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tatsächlichen oder potenziellen Beschränkungen des zwischenstaatlichen Handelsverkehrs, die etwa dem Verbraucherschutz, der Lauterkeit des Handelsverkehrs, einer wirksamen steuerlichen Kontrolle oder wichtigen (nichtwirtschaftlichen) Grundrechten notwendig dienen, können Grundfreiheitenbeschränkungen gerechtfertigt werden. 288 Rein berufsorientierte, erwerbswirtschaftlich geprägte Lebensbereiche unterliegen dagegen vorbehaltslos den grundfreiheitlichen Beschränkungsverboten. Auf diese Weise wird der »beschränkbare« Vertragsverkehr der Bürgerund Verbrauchergeschäfte dem »nicht beschränkbaren« Vertragsverkehr von Unternehmern und Professionsträgern implizit gegenüber gestellt. Folgenden Umkehrschluss erlauben die Grundfreiheiten somit: Zumindest dadurch, dass im Bereich der Grundfreiheiten weder ausdrückliche noch immanente Rechtfertigungstatbestände im Hinblick auf die (i. d. R. rein wirtschaftlichen) Interessen des Unternehmertypus eingreifen, trifft der EG-Vertrag implizit Systemaussagen, die auf Konturen eines besonders liberal geprägten Unternehmerleitbilds schließen lassen. Indem die ausdrücklichen Rechtfertigungstatbestände des EG-Vertrages (Art. 30, Art. 45, 46 EG etc.) und die Rechtsfortbildung der Cassis-Rechtsprechnung gerade auf Gründe nichtwirtschaftlicher Art abstellen, um den Handelsverkehr einzuschränken, perpetuieren sie einen negativen Profi labdruck der entgegengesetzt auf Ökonomisierung abzielenden Unternehmertypisierung. Dadurch also, dass Gründe, die im Interesse des Unternehmers stehen, eine Grundfreiheitenbeschränkung gerade nicht rechtfertigen können, produzieren die Grundfreiheiten in ihrer Grundkonzeption (d. h. ohne Berücksichtigung von Rechtfertigungstatbeständen) einen auf Liberalisierung angelegten Leitbildrahmen. 4. Die freiheitswahrende Funktion der Wettbewerbsregeln Noch deutlichere Anhaltspunkte für ein vertragsrechtliches Unternehmerleitbild lassen sich den EG-Wettbewerbsregeln entnehmen. Während die Grundfreiheiten den Unternehmer davor bewahren wollen, dass ein Hoheitsträger – beispielsweise ein Mitgliedstaat – in seine (Vertrags-) Freiheit eingreift, sollen die EG-Wettbewerbsregeln ihn davor schützen, dass seine (Vertrags-) Freiheit durch Maßnahmen anderer Unternehmen verkürzt werden könnte. 289 Nach Art. 81 Abs. 1 EG sind mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten alle kooperativen Maßnahmen zwischen Unternehmen, die den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Wettbewerbsbeschränkung innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder 288 Hierzu m. w. N.: Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.): EU/EG, Art. 28 EG Rn. 186 ff. 289 Schröter, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.): EU/EG, Vorbem. zu den Artikeln 81 bis 89 EG Rn. 13.

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bewirken. Zulässig sind derartige Maßnahmen nach dem ausdrücklichen Rechtfertigungstatbestand des Art. 81 Abs. 3 EG u. a. nur dann, wenn Marktteilnehmer mit nicht professioneller Zwecksetzung – nämlich Verbraucher – am Gewinn beteiligt werden. Ebenfalls verboten ist nach Art. 82 EG die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen. Resultiert eine Wettbewerbsbeschränkung daraus, dass ein oder mehrere Unternehmen an den Abschluss von Verträgen die Bedingung knüpfen, dass die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen, führt dies nach Art. 81 Abs. 1 lit. e) EG bzw. Art. 82 S. 2 lit. d) EG zur Unwirksamkeit einer derartigen Vereinbarung bzw. zur Unzulässigkeit einer derartigen Maßnahme. Während zwischen Verbrauchern auch derartige Vereinbarungen zumindest kartellrechtlich nicht verboten wären, bringen die Wettbewerbsregeln in Bezug auf Unternehmen zum Ausdruck, dass ein bestimmtes Mindestmaß an liberalem Bewegungsspielraum stets erhalten bleiben muss, damit Wettbewerb zwischen Unternehmen bewahrt und entwickelt werden kann. Zudem können privat agierende Bürger bzw. Verbraucher durch staatliche Zuschüsse auch grundsätzlich unterstützt werden, selbst wenn damit eine Stärkung beim Abschluss oder bei der Durchführung von Verträgen einhergehen sollte. Dagegen sind staatliche Beihilfen, die Unternehmer (im Vertragsverkehr) begünstigen, nach Art. 87 EG in weitem Maße unzulässig, jedenfalls soweit sie den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen. Damit gelangt auch über die Wettbewerbsregeln des EG-Vertrages zum Ausdruck, dass die unternehmerische (Vertrags-) Freiheit stets eine besonders liberale und qualifi zierte sein muss. Sie dient keinem Selbstzweck, sondern soll stets auch den unverfälschten Wettbewerb bewahren. 290 Einer dominierenden Stellung von einzelnen oder mehreren Unternehmen oder einer Kartellierung von Unternehmen soll vorgebeugt werden, um die Kräfte des freien Marktverkehrs zu erhalten und letztlich auch den Verbraucher als Abnehmer auf der Marktgegenseite hiervon profitieren zu lassen. 291 5. Das Unternehmerleitbild des umsichtigen Wirtschaftsteilnehmers Was die inhaltliche Konkretisierung des normativen Unternehmerleitprofi ls anbelangt, lassen sich ebenfalls der EuGH-Rechtsprechung präzisierende Vorgaben entnehmen. Der Gerichtshof nahm in seiner Rechtsprechung bereits wiederholt auf den Typus des »umsichtigen Unternehmers« bzw. »umsichtigen 290 Mestmäcker, JZ 19 (1964), 441, 442 ff.; aus nationalökonomischer Sicht: Herdzina, Wettbewerbspolitik, Ziff. 1.2.1 (S. 12 ff.). 291 Zum Wettbewerbs- bzw. Effi zienzprinzip aus Verbraucherperspektive: Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2004, 195 ff.

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Wirtschaftsteilnehmers« Bezug, um unbestimmte Rechtsbegriffe auszufüllen und differenzierte Eigenschaftsmuster zu entwickeln. 292 Verallgemeinerungsfähige Grundsätze zu dem unternehmerischen Leitbildprofi l hat der EuGH vor allem im Bereich von währungspolitischen Ausgleichsbeträgen sowie bei der Gewährung von Ausfuhrlizenzen und staatlichen Beihilfen aufgestellt, wo sich für Unternehmer häufig die Frage des Vertrauensschutzes stellt. 293 Im Urteil UNCAC/Kommission hatte etwa die französische Union Nationale des Coopératives Agricoles de Céréales (UNCAC) mit dem polnischen Unternehmen Rollimpex einen Ausfuhrvertrag über 35.000 Tonnen europäische Gerste geschlossen. 294 Im einzelnen hatte die UNCAC bei der vertraglichen Festsetzung von Preis und Konditionen mit der zu diesem Zeitpunkt in Geltung befi ndlichen Berechnungsmethode der Ausgleichsbeträge für landwirtschaftliche Ausfuhren kalkuliert. Nach Abschluss des Ausfuhrvertrages änderte der Rat die Berechnungsmethode der Ausgleichsbeträge zu Lasten der UNCAC, woraufhin die UNCAC unter Berufung auf Vertrauensschutz Schadensersatz forderte.

Den EuGH veranlasste dies, mit dem Leitbild des »umsichtigen Unternehmers« zu argumentieren und festzustellen, dass es »für einen umsichtigen Unternehmer zumindest klar erkennbar [hätte] sein [müssen], dass die Einführung einer neuen Berechnungsmethode unmittelbar bevorstand«. 295 Demgemäß käme eine Haftung der Gemeinschaft – wie der EuGH in dem nachfolgenden Urteil Merkur Außenhandel klargestellt hat – grds. nur dann in Betracht, wenn die Abschaffung oder Änderung von Ausgleichsbeträgen »für einen umsichtigen Wirtschaftsteilnehmer nicht vorhersehbar« sei. 296 Im Urteil ODS/Landbrugsministeriet konkretisierte der EuGH den Eigenverantwortungsgrad des typischerweise umsichtigen Unternehmers. 297 Ein Unternehmer hatte die Verlängerung einer Ausfuhrlizenz beantragt, weil er infolge eines sich bereits bei ursprünglicher Beantragung anbahnenden Streiks in Dänemark nur eingeschränkt von dieser Ausfuhrlizenz Gebrauch machen konnte. 298 Der EuGH stellte fest, dass die Streikbeeinträchtigungen keinen unvorhersehbaren und ungewöhnlichen Charakter 292 Vgl. EuGH – Pall/Dahlhausen – Urteil v. 13. 12. 1990, Rs. C-238/89 – Slg. 1990, I4827 Tz. 21. 293 EuGH – UNCAC u. a./Kommission – Urteil v. 10. 12. 1975, verb. Rs. 95 bis 98/74, 15 und 100/75 – Slg. 1975, 1615 Tz. 38/41. 294 EuGH – ODS/Landbrugsministeriet – Urteil v. 07. 05. 1991, Rs. C-338/89 – Slg. 1991, I-2315 Tz. 21; Merkur Außenhandel/Kommission – Urteil v. 08. 06. 1977, Rs. 97/76 – Slg. 1977, 1063 Tz. 5; UNCAC u. a./Kommission – Urteil v. 10. 12. 1975, verb. Rs. 95 bis 98/74, 15 und 100/75 – Slg. 1975, 1615 Tz. 38/41. 295 EuGH – UNCAC u. a./Kommission – Urteil v. 10. 12. 1975, verb. Rs. 95 bis 98/74, 15 und 100/75 – Slg. 1975, 1615 Tz. 38/41. 296 EuGH – Merkur Außenhandel/Kommission – Urteil v. 08. 06. 1977, Rs. 97/76 – Slg. 1977, 1063 Tz. 5. 297 EuGH – ODS/Landbrugsministeriet – Urteil v. 07. 05. 1991, Rs. C-338/89 – Slg. 1991, I-2315. 298 EuGH – ODS/Landbrugsministeriet – Urteil v. 07. 05. 1991, Rs. C-338/89 – Slg. 1991, I-2315 Tz. 6 ff.

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gehabt hätten, sodass sie in den Risikobereich des Konservenfabrikanten fielen. Als ungewöhnlich hätte der Streik nur dann erachtet werden können, wenn er »von einem umsichtigen und mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns handelnden Unternehmer als unwahrscheinlich« hätte angesehen werden müssen 299, was jedoch nicht der Fall gewesen sei. 300 Auch der Beihilfenrechtsprechung des EuG sind ähnliche Anhaltspunkte zu entnehmen: Nur »außergewöhnliche Umstände« könnten ein schutzwürdiges Vertrauen eines Unternehmers auf die Ordnungsmäßigkeit einer Beihilfe begründen. 301 Dies setze regelmäßig voraus, dass eine Beihilfe unter Einhaltung des Verfahrens nach Artikel 88 EG gewährt worden sei, müsse sich ein »umsichtiger Wirtschaftsteilnehmer« doch »normalerweise vergewissern . . ., ob dieses Verfahren beachtet worden [sei]«. 302

Mit Erwägungen wie diesen orientiert sich der EuGH zunehmend an dem »normativen Leitbild eines dynamischen eigenverantwortlichen Unternehmers«, dessen auf den Markt gerichtete Tätigkeit unabhängig von dem Umstand ist, ob die ausgeübte wirtschaftliche Aktivität in ihrer Durchführung privatrechtlich, öffentlich-rechtlich oder freiberufl ich ist. 303 Damit ist das Leitbild des Unternehmers, das der EuGH zeichnet, nicht mehr »durch heteronome Vorgaben ständischer Korporationen im Rahmen staatlicher Aufgabenzuweisung« begrenzt, sondern vorwiegend geprägt durch das unternehmerische Modell der Marktpräsenz. 304 6. Keine Gleichsetzung von Leitbild und Kaufmannsprofil Die vorstehenden Leitbilderwägungen demonstrieren, dass das Unternehmerleitbild nicht simplifi zierend gleichgestellt werden kann mit dem tatsächlichen Marktteilnehmerprofi l, welches dem Adressatenkreis des HGB – den Kaufleuten – zugrunde liegt. 305 Denn im Gegensatz zum handelsrechtlichen Unternehmerleitbild, das Gegenstand originärer Erkenntnis ist, ist das HGB nicht mehr als ein Produkt von Gesetzgebungshoheit und handwerklicher Gesetzgebungstechnik. 306 Dies hat zur Folge, dass der Kaufmannsbegriff genauso wenig wie der Unternehmensbegriff (Art. 81, 82 EG), der Begriff des selbststän299 EuGH – ODS/Landbrugsministeriet – Urteil v. 07. 05. 1991, Rs. C-338/89 – Slg. 1991, I-2315 Tz. 21. 300 EuGH – ODS/Landbrugsministeriet – Urteil v. 07. 05. 1991, Rs. C-338/89 – Slg. 1991, I-2315 Tz. 21. 301 EuG – Alzetta Mauro u. a./Kommission – Urteil v. 15. 06. 2000, verb. Rs. T-298/97, T-312/97, T-313/97, T-315/97, T-600/97 bis 607/97, T-1/98, T-3/98 bis T-6/98 und T23/98 – Slg. 2000, II-2319 Tz. 171. 302 EuG – Alzetta Mauro u. a./Kommission – Urteil v. 15. 06. 2000, verb. Rs. T-298/97, T-312/97, T-313/97, T-315/97, T-600/97 bis 607/97, T-1/98, T-3/98 bis T-6/98 und T23/98 – Slg. 2000, II-2319 Tz. 171. 303 Micklitz/Keßler, WRP 49 (2003), 919 (924, 925); zum Unternehmerleitbild aus Verbrauchersicht: Sack, WRP 44 (1998), 264 (268); ders., GRUR 100 (1998), 871 (880). 304 Micklitz/Keßler, WRP 49 (2003), 919 (925). 305 Raisch, JA 32 (1990), 259 (261). 306 K. Schmidt, JuS 25 (1985), 249 (250).

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dig Erwerbstätigen (Art. 43) oder der Begriff des Arbeitnehmers (Art. 39 EG) als Sinnbild des Unternehmertypus, sondern lediglich als dessen positivrechtliche Abbildung begriffen werden kann. Bereits dem Gesetzeswortlaut lässt sich entnehmen, dass insbesondere der Kaufmannsbegriff keine »vorgesetzliche«307, sondern lediglich eine unter mehreren denkbaren Typisierungsmöglichkeiten unternehmerischer Verkehrs- und Marktteilnahmebedürfnisse bildet, die einer verifi zierenden Legitimationsprüfung am zugrunde liegenden Leitbildprinzip nicht entzogen sein kann. So nimmt etwa § 2 S. 2 HGB neben Kaufleuten noch auf andere (leitbildäquivalente) Unternehmer Bezug, indem er den Kleingewerbetreibenden als »Unternehmer« bezeichnet und ihn nur dann zum Kaufmann stilisiert, wenn er für sein Unternehmen »nach den für die Eintragung kaufmännischer Firmen geltenden Vorschriften« die Eintragung in das Register herbeiführt. Auch durch den weiter gefassten Unternehmerbegriff des Handelsvertreterrechts, der seit der Gesetzesnovelle von 1953 auch Nichtkaufleute erfasst308, wird deutlich, dass das Kaufmannsrecht nur einen – möglicherweise unvollständigen – Ausschnitt des Unternehmerleitbilds verkörpert. 309 Von Unternehmern, die keine Kaufleute sind, ist ausdrücklich in § 91 Abs. 1 HGB sogar die Rede. Darüber hinaus demonstrieren neben dem EG-rechtlich harmonisierten UStG (das in § 2 Abs. 1, § 6a Abs. 4, § 25d Abs. 1 UStG jedem gewerblich und berufl ich Selbstständigen die »Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns« abverlangt), und § 9a Abs. 3 GmbHG (der die »Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns selbst von Gesellschaftern und Geschäftsführern einfordert) auch die steuerrechtlichen Buchführungspfl ichten, dass nicht primär die Kaufmannseigenschaft, sondern neben anderen Aspekten auch eine bestimmte Höhe des Gesamtumsatzes, des Betriebsvermögens oder des Gewerbeertrags unternehmerische Kardinalpfl ichten begründen können (§ 141 AO). 310 Ganz ähnlich vom Betrieb her wird das Unternehmerleitbild durch die gesetzliche Unfallversicherung bestimmt, die ausdrücklich z. B. von dem »Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens« spricht (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. a SGB VII). 311 Vor allem die Rspr. macht letztlich deutlich, dass nicht »rein äußerlich das Wort«, sondern »der sachliche Gehalt« entscheidend für die Herausarbeitung eines inhaltlich bestimmten Unternehmerleitbilds ist. 312 Vor diesem Hintergrund ist auch die »große prätorische Leistung« des BVerfG zu sehen, in rechtsfortbildender Weise den dürren Text des Art. 12 Abs. 1 GG anhand der 307

F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 3. Hteil. II. 1. b) (S. 434). Canaris, Handelsrecht, § 15 Rn. 5, 6 (S. 249). 309 Vgl. zum Unternehmerbegriff der §§ 84 ff. HGB: Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 84 Rn. 27. 310 Krause, ZHK 1938, 69 (75). 311 Vgl. auch: Krause, ZHK 1938, 69 (86). 312 Krause, ZHK 1938, 69 (90). 308

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Differenzierung der Dreistufentheorie zu rechtstatsächlichem Leben erweckt zu haben. 313 Die damit einhergehende Unterscheidung zwischen verschiedenen Freiheitssphären (Berufswahl und Berufsausübung) und den dazu korrespondierenden Rechtfertigungsmaßstäben (qualifi zierte Gemeinschaftsgüter und vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls) lässt sich nur nachvollziehen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass dieser Freiheitssphärenabstufung maßgeblich das Unternehmerleitbild als stillschweigende »Schaltstelle« zugrunde liegt. In ähnlicher Weise schlagen sich die Leitbildaussagen in ihrer unverfälschten Form in der einfachgesetzlichen Rechtsfortbildung zu den – mittlerweile gewohnheitsrechtlichen – Grundsätzen zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben nieder. 314 Auch hier wird leitbildgemäß jeder Marktteilnehmer einem Kaufmann gleichgestellt, der »ähnlich wie ein Kaufmann am Rechtsverkehr teilnimmt«. 315 Der Umstand, dass die Grundsätze zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben nach ständiger Rspr. nicht nur dann gelten, wenn der Bestätigende Kaufmann ist, sondern auch dann eingreifen, wenn er ähnlich einem Kaufmann am Geschäftsleben teilnimmt316, hat im vorliegenden Zusammenhang Signalwirkung. Ähnlich marktbezogen wie das BVerfG sämtlichen Marktteilnehmern, die einen Beruf ausüben, einen sondergeregelten Freiheitsanspruch verbürgt, nutzt die Rspr. an dieser Stelle die Gelegenheit, sich ohne die Verzerrung der positivrechtlichen Kodifi kation mit den prinzipiellen Aussagen des Unternehmerleitbilds einschließlich der daraus resultierenden Freiheitsdifferenzierung auseinanderzusetzen. Einen ähnlich hohen Erkenntniswert wie das Gewohnheitsrecht haben auch die Handelsbräuche. 317 So kam die Rspr. bereits in der Vergangenheit zu dem Ergebnis, dass »[e]in Handelsbrauch . . . auch unter Nichtkaufleuten normative Anwendung fi nden [kann], wenn im allgemeinen Rechtsverkehr ein gleicher Brauch besteht«. 318 Umso mehr gilt dies in der Praxis, »wenn die Vertragspartner geschäftserfahren sind«. 319

313 Ossenbühl, AöR 115 (1990), 1 (9); siehe auch: BVerfG – Urteil v. 11. 06. 1958, Az.: 1 BvR 596/56 – BverfGE 7, 377 (377 ff.). 314 BGH – Urteil v. 08. 02. 2001, Az.: III ZR 268/00 – NJW-RR 2001, 680 (680, 681); Urteil v. 31. 01. 1994, Az.: II ZR 83/93 – NJW 1994, 1288 (1288); Urteil v. 20. 03. 1974, Az.: VIII ZR 234/72 – NJW 1974, 991 (991–993); Urteil v. 09. 07. 1970, Az.: VII ZR 70/68 – BGHZ 54, 236 (236 ff.); 14. 10. 1969, Az.: VI ZR 208/68, VI ZR 209/68 – WM 1969, 1452 (1452 ff.); im Überblick: Canaris, Handelsrecht, § 23 Rn. 8 ff. (S. 355 ff.). 315 OLG Hamm – Urteil v. 15. 11. 1999, Az.: 18 U 38/99 – VersR 2001, 1240 (1240,1241); vgl. auch: BGH – Urteil v. 04. 03. 1976, Az.: IV ZR 59/74 – BB 1976, 664 (664, 665). 316 BGH – Urteil v. 25. 06. 1963, Az.: VIII ZR 61/62 – BGHZ 40, 42 (42 ff.); OLG Düsseldorf – Urteil v. 26. 11. 1993, Az.: 7 U 260/92 – NJW-RR 1995, 501 (501, 502). 317 K. Schmidt, JuS 25 (1985), 249 (253). 318 LG Darmstadt – Urteil v. 23. 01. 1997, Az.: 6 S 388/96 – NJW 1997, 2689 (2689); so auch: K. Schmidt, in: K. Schmidt (Hrsg.): MünchKomm-HGB, § 346 Rn. 12. 319 LG Darmstadt – Urteil v. 23. 01. 1997, Az.: 6 S 388/96 – NJW 1997, 2689 (2689).

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Überlegungen wie diese versinnbildlichen die Ansicht Krejcis, dass es dem Handelsrecht schon »vor 100 Jahren . . . keineswegs nur um den ›Handel‹ oder den ›Kauf‹« ging, sondern entscheidend hinter der Entwicklung dieses Sonderrechtsbereichs die »professionelle, unternehmerische Tätigkeit« stand. 320 7. Leitbildkonkretisierung und Unternehmensbegriff Wenig Bedeutung ist aus Leitbilderwägungen dagegen der objektiven Komponente des Unternehmens zu zollen, auch wenn sich K. Schmidt bis in die jüngste Vergangenheit für ein Handelsrecht als Außenrecht des Unternehmens einsetzt. 321 Weiterführend ist der Begriff des Unternehmens nur insofern, als er demonstriert, dass der typische HGB-Adressat im Gegensatz zum Verbraucher auf eine berufl iche Organisationseinheit angewiesen ist, und darüber hinaus auch deutlich macht, dass der Kaufmannsbegriff mit tatsächlichen Organisationsvorstellungen harmonieren muss. 322 Die Betonung des Unternehmens als leitbild- und interessentaugliches Vehikel, um die Kaufmannsterminologie aus der überkommenen Deduktion von Handelsusancen und der überholten Differenzierung zwischen originär Gewerbetreibenden und Freiberuflern zu befreien, mag in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sicher hilfreich gewesen sein323, ist heute in Anbetracht der gemeinschaftsrechtlich vorangetriebenen Unternehmertypisierung aber eher rückständig als vorbildhaft. Sie verkennt, dass es nicht um das Unternehmen als solches geht, sondern um dessen Rechtsträger – also um den Unternehmer. 324 a) Der Umweg der Unternehmensausrichtung Bei der Skizzierung des unternehmerischen Marktteilnehmers begnügt sich K. Schmidt nicht mit den Merkmalen der »Selbständigkeit« und der »anbietenden und entgeltlichen rechtsgeschäftlichen Tätigkeit am Markt«, sondern konzentriert sich mit dem Erfordernis der »Planmäßigkeit und Ausrichtung auf Dauer« auch gezielt auf die Organisationseinheit an sich. Durch die übertriebene Gewichtung des »Unternehmens«-Begriffs bringt er zum Ausdruck, dass nicht allein der vertrags- und verkehrsrelevante Marktauftritt, sondern zu einem erheblichen Anteil auch die hinter der eigentlichen Markttätigkeit etablierte »Unternehmensinstitution« eine Rolle spielt. 325 Nicht nur die mangelnde 320

Krejci, in: Krejci (Hrsg.): Reform-Komm. UGB/ABGB, Einführung Rn. 1. K. Schmidt, ZIP 18 (1997), 909 (909 ff.); kritisch bzgl. des Unternehmensbegriffs: Hildebrandt, in: Schlegelberger, HGB-Kommentar, Einl. vor § 1 Ziff. IV. 2. (S. 8, 9). 322 Vgl. Brüggemann, in: Canaris/Schilling/Ulmer (Hrsg.): Staub-HGB, Einl vor § 1 Rn. 6. 323 Kritisch: F. Bydlinski, Handels- oder Unternehmensrecht als Sonderprivatrecht, VIII. (S. 19 ff.). 324 Zöllner, in: Harrer/Mader (Hrsg.): Die HGB-Reform in Österreich, S. 1 (S. 6). 325 Vgl. hierzu: K. Schmidt, Handelsrecht, § 4 I. 2. (S. 65 ff.). 321

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Einheitlichkeit des Unternehmensbegriffs326, sondern auch die Tatsache, dass K. Schmidt z. B. bei Kleingewerbetreibenden, Apothekern, Ärzten und Notaren trotz der Übersichtlichkeit ihrer Organisationseinheit und der engen Verbindung mit der Person des jeweiligen Berufsträgers das dahinter stehende Unternehmen schlicht »fi ngiert«327, könnte in diesem Zusammenhang zu Widersprüchen führen. So wird die Begründung für die Unternehmensfi ktion nicht etwa – wie in Anbetracht der Betonung des Unternehmensbegriffs zu erwarten wäre – auf die eigentliche Unternehmensorganisation, sondern auf das unternehmertypische Auftreten am Markt gestützt. 328 Bereits in der Vergangenheit hatten mit einem ähnlichen Ansatz Wieland und Raisch das Unternehmerleitbild um die objektive Komponente des Unternehmens ergänzt. 329 So ist Wieland vorausschauend schon 1920 der Frage nachgegangen, ob der Begriff der »Unternehmung« nicht vorpositiver Maßstab für die Abgrenzung des Handelsrechts von dem bürgerlichen Recht sein könne. 330 Vor dem Hintergrund, dass der Warenhandel und Geldwechsel sich als die ältesten Formen der Unternehmung darstellten, versuchte er den Nachweis, dass die gesetzlichen Tatbestände des Handels im Rechtssinne zu einem weit überwiegenden Teile im Unternehmensbegriff ihr gemeinsames Merkmal aufwiesen. 331 Teilweise unter Bezugnahme auf Wieland hat Raisch diesen Ansatz fortgeführt und in Anbetracht der Tatsache, dass jeder Unternehmer zwangsläufig mit seinem Unternehmen verbunden ist, in grundsätzlicher Weise die Aufstellung einer Unternehmerleitbilddogmatik vorangetrieben. 332

Daneben haben auch andere das Handelsunternehmen zum Ausgangspunkt ihrer Betrachtung genommen333 – wie etwa J. von Gierke, der in dem Handelsunternehmen ein »einheitliches Gedankengebilde« gesehen hat, »das dem gesamten Handelsrecht zugrunde liegt« und zu dem grundsätzlich ein Unternehmer gehört334.

326 Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, Einl v § 1 Rn. 31 ff.; Kindler, in: Ebenroth/Boujong/Joost (Hrsg.): HGB-Kommentar, § 1 Rn. 12 ff. 327 Zöllner, ZGR 12 (1983), 82 (85). 328 K. Schmidt, Handelsrecht, § 4 I. 3. b) (S. 69). 329 Siehe im Überblick hierzu: Ensthaler, in: Ensthaler (Hrsg.): Gemeinschaftskommentar HGB, vor §§ 1–7 Rn. 15; Röhricht, in: Röhricht/von Westphalen, HGB, Einleitung Rn. 19. 330 Wieland, Handelsrecht – Bd. 1, § 21 (S. 239 ff.). 331 Wieland, Handelsrecht – Bd. 1, § 15 (S. 145). 332 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 4. Teil 1. Abschnitt (S. 179 ff.); ders., JA 32 (1990), 259 (261). 333 Müller-Erzbach, Deutsches Handelsrecht, C. I. b) (S. 72 ff.); Hubmann, ZHR 117 (1955), 41 (41 ff.). 334 J. von Gierke, Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, § 1 (S. 5); vgl. auch: Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, B. I. 1. a) (S. 31).

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b) Die indirekten Leitbildaussagen des Unternehmensbegriffs Eine Leitbildzentralisierung auf den Unternehmensbegriff zu propagieren, ließe allerdings außer acht, dass das Unternehmen als Inbegriff von Vermögensgegenständen nicht Rechtssubjekt, sondern Rechtsobjekt ist335, sodass es im Rechtsverkehr in erster Linie auf die »Vorstellungen« ankommt, die von dem Unternehmer persönlich ausstrahlen. Vor allem über seinen Marktauftritt tritt die Einheit des Unternehmens in Erscheinung, was dem Unternehmen einen Großteil einer möglicherweise eigenständigen Bedeutung nimmt. Selbst Raisch geht demgemäß bei aller Verschiedenheit von einem »in seinen Grundzügen weitgehend übereinstimmende[n] Realtypus des Unternehmens und des Unternehmers« aus. 336 Die verschiedenen Aspekte des einheitlichen Unternehmergedankens, die der Gesetzgeber in Einzelregelungen aufgreife, vereinigten sich »in der Sinneinheit des Unternehmens, die als Idealtypus der Einheit in der Verschiedenheit Ausdruck« gebe. 337 Der »Ausdruck Unternehmer als auch Unternehmen« fi nde in der heutigen Rechtswissenschaft weitgehend in gleichen gedanklichen Zusammenhängen Verwendung. Beide Begriffe kennzeichneten »ein Gedankenbilde; jeder allerdings eine andere Seite dieser Sinneinheit«. 338 Der Unternehmer sei nicht ohne Unternehmen, das Unternehmen sei nicht ohne Unternehmer denkbar. Wenn nicht ausschließlich die personale oder die gegenständliche Seite gemeint sei, seien beide Begriffe synonym einsetzbar. 339 Weiterführend sind vorliegend vor allem die Deduktionen, die Raisch hieraus ableitet: So sei leitbildprägend, dass jeder Unternehmer hinsichtlich seines Unternehmens »Planungs- und Entscheidungsfreiheit« entfalten kann, mit der Folge, dass nur rechtlich selbstständige Personen den Unternehmertypus verkörpern können. 340 Charakteristisch für ein Unternehmen sei die Ausrichtung auf Geschäftsabschlüsse. Das Unternehmen müsse sich mit seinem Angebot an die Allgemeinheit im Sinne einer unbestimmten Zahl von Personen wenden; es könne also dann nicht von einem Unternehmen ausgegangen werden, wenn nur für den Eigenbedarf produziert werde. 341 Das Angebot müsse sich 335 Ensthaler, in: Ensthaler (Hrsg.): Gemeinschaftskommentar HGB, vor §§ 1–7 Rn. 10; vgl. auch: BGH – Urteil v. 28. 11. 2001, Az.: VIII ZR 37/01 – NJW 55 (2002), 1042 (1043); Urteil v. 11. 10. 1967, Az.: Ib ZR 144/65 – WM 22 (1968), 242 (242 ff.). 336 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 3. Teil 1. Abschnitt 2. Kap. I. (S. 120). 337 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 3. Teil 1. Abschnitt 2. Kap. I. (S. 120). 338 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 3. Teil 1. Abschnitt 2. Kap. I. (S. 120). 339 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 3. Teil 1. Abschnitt 2. Kap. I. (S. 120). 340 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 4. Teil 1. Abschnitt 1. Kap. I. 1. (S. 181, 182). 341 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 4. Teil 1. Abschnitt 1. Kap. I. 2. (S. 182).

§ 21 Rechtsprinzipien – Maßstab freiheitlicher Ungleichbehandlung

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auf wirtschaftlich werthaltige Leistungen beziehen und nicht nur einmalig oder gelegentlich, sondern wiederholt vorgenommen werden. 342 In Anbetracht dieser Dauerhaftigkeit müsse das Unternehmen auf eine organisierte Wirtschaftseinheit zurückgreifen können. 343 Die Momente eines besonderen Kapitalwagnisses, der Gewinnabsicht oder eines spezifischen Berufs- und Fachwissens hält Raisch dagegen nicht für leitbildprägend. Vielmehr geht er (anders als Wieland, der noch maßgeblich auf das besondere Kapitalwagnis des Unternehmers abgestellt hatte344) davon aus, dass das bloße Verlustrisiko im Hinblick auf das eingesetzte Kapital ausreichend ist; ein Totalverlustrisiko hinsichtlich des gesamten eigenen Vermögens sei dagegen nicht erforderlich345. Diese Ansicht entspricht auch heute noch der Verkehrsanschauung zu unternehmerischer Tätigkeit (wenn auch nicht uneingeschränkt der Rspr. des BGH346), sodass in erster Linie die Unternehmensführung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen und die Tätigkeit am Markt im Wettbewerb mit Privatunternehmen, nicht jedoch die Absicht dauernder Gewinnerzielung entscheidend sein kann. 347 Vertritt Raisch darüber hinaus (im Gegensatz zu Wieland, der als Unternehmen unter dem sinnfälligen Ausdruck einer Buchführung nur einen »planmäßig überdachten und geleiteten Organismus« gelten lässt) 348, dass die Anwendung eines spezifischen Berufs- oder Fachwissens für das Betreiben eines Unternehmens entbehrlich sei349, so lässt sich auch diese Aussage im Sinne einer marktauftrittsorientierten, nicht notwenig eine bestimmte Berufsausbildung oder Qualifi kation voraussetzenden Unternehmertypisierung nutzbar machen.

342 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 4. Teil 1. Abschnitt 1. Kap. I. 3. und 5. (S. 182, 183, 185 und 186). 343 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 4. Teil 1. Abschnitt 1. Kap. I. 4. (S. 183 ff.). 344 Wieland, Handelsrecht – Bd. 1, § 15 (S. 145, 146). 345 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 4. Teil 1. Abschnitt 1. Kap. II. 2. (S. 188, 189). 346 BGH – Urteil v. 02. 07. 1985, Az.: X ZR 77/84 – BGHZ 95, 155 (157 ff.); Urteil v. 22. 04. 1982, Az.: VII ZR 191/81 – BGHZ 83, 382 (386); Urteil v. 11. 01. 1962, Az.: VII ZR 188/60 – BGHZ 36, 273 (276); anders dagegen die Unternehmertypisierung zum Verbrauchsgüterkauf, bezüglich welcher der BGH ausdrücklich klargestellt hat, dass die »Unternehmerstellung des Verkäufers nicht voraus[setzt], dass dieser mit seiner Geschäftstätigkeit die Absicht verfolgt, Gewinn zu erzielen« [BGH – Urteil v. 29. 03. 2006, Az.: VIII ZR 173 /05 – NJW 49 (2006), 2250 (2250 ff.)]; vgl. auch: Ensthaler, in: Ensthaler (Hrsg.): Gemeinschaftskommentar HGB, § 1 Rn. 2a. 347 Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 1 Rn. 16; Kindler, in: Ebenroth/Boujong/Joost (Hrsg.): HGB-Kommentar, § 1 Rn. 27 ff. 348 Wieland, Handelsrecht – Bd. 1, § 15 (S. 151). 349 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 4. Teil 1. Abschnitt 1. Kap. II. 3. (S. 189 ff.).

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4. Kapitel: Leitbilder – Legitimation ungleicher Ausgestaltung?

c) Der Unternehmer als berufs- und gemeinschaftsrechtlich induzierter Leitbegriff Für die Maßgeblichkeit des Unternehmer- und nicht des Unternehmenstypus spricht auch der Konkretisierungsversuch Hopts, der in dem selbstständigen berufl ichen Auftreten am Markt einen maßgeblichen topos für die Sonderregeln des deutschen Vertrags-, Quasivertrags- und Deliktsrechts erblickt. 350 Aus den drei Komplexen der Vertragsfolgen ohne privatautonomen Vertragsschluss mittels Fiktionen (§ 362 HGB, fi ktive Auskunftsverträge), der Rechtsscheinshaftung, Verwirkung bzw. Erwirkung und Selbstbindung ohne Vertrag (Bestätigungsschreiben, Anscheinsvollmacht, Rat und Gutachten) sowie der Einstands-, Schutz- und Verkehrspfl ichten (Sachwalter-, Prospekt-, Gutachterhaftung) leitet er ein Berufsrecht als Teil eines privaten Marktrechts mit vier Schichten ab: Berufsrecht als Vertragsinhalt, berufsrechtliche Vertragsfolgen ohne privatautonomen Vertragsschluss, berufl iche Einstandspfl ichten und berufl iche Schutzpfl ichten. 351 Dabei kann die Berufskonkretisierung jeweils mit bestimmten Besonderheiten marktspezifisch, berufsspezifisch oder privatautonom erfolgen. 352 Im Sinne dieses Berufstopos versteht Hopt als Beruf jede selbstständige, nicht rein private und außerhalb des Erwerbslebens liegende Tätigkeit einer Person am Markt. 353 Rechnung trägt diese berufs- und marktorientierte Leitbildtypisierung u. a. dem EG-rechtlichen Usus, in Abgrenzung zum Verbrauchertypus sämtlichen Gewerbetreibenden und Berufsausübenden als Unternehmern eine vertragsrechtliche Verkehrserleichterung zuzutrauen. 354 Nicht nur der europäische Richtliniengeber rekurriert in seinen vertragsrechtsrelevanten Rechtsangleichungs- und Rechtsvereinheitlichungsmaßnahmen auf den Unternehmer als denjenigen, der Erwerbstätigkeit am Markt ausübt. Auch erscheint es angezeigt, im Wege eines Umkehrschlusses aus dem Verbraucherleitbild, welches der EuGH-Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten zu entnehmen ist, alle nicht bloß konsumierenden Verkehrsteilnehmer, also alle Berufsträger, dem Konträrleitbild des Unternehmers zuzuordnen. Dafür, das Leitbild des handelsrechtlichen Unternehmers an dasjenige des marktorientierten (verbraucherrechtlich induzierten) Unternehmerleitbilds anzupassen, besteht nicht zuletzt in Anbetracht des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts Anlass.

350 Hopt, AcP 183 (1983), 608 (608 ff.); diesen berufsrechtlichen Ansatz in die Nähe des unternehmensrechtlichen Ansatzes bringend: Röhricht, in: Röhricht/von Westphalen, HGB, Einleitung Rn. 20. 351 Hopt, AcP 183 (1983), 608 (612 ff., 634 ff.). 352 Hopt, AcP 183 (1983), 608 (663 ff.). 353 Hopt, AcP 183 (1983), 608 (670). 354 Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 7 Rn. 183 ff. (S. 90 ff.).

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Dass dieses gemeinschaftsrechtlich induzierte Leitbild weniger von einer unternehmens- als vielmehr von einer unternehmergeprägten Betrachtungsweise ausgeht, lässt implizit auch das EuGH-Urteil Di Pinto erkennen. In diesem Verfahren machte der EuGH deutlich, dass sich die gesteigerte Selbstverantwortung und der qualifi zierte Sorgfaltsmaßstab eines Unternehmers zwar auf seinen Gewerbebetrieb beschränkt, ein entfernter Zweckzusammenhang im Sinne eines weiten Unternehmerleitbilds jedoch ausreichend ist. 355 In der Sache ging es darum, ob »ein Gewerbetreibender, der im Wege eines Haustürgeschäfts als Kunde einen Werbevertrag im Hinblick auf den Verkauf seines Gewerbebetriebs abschließt«, in den Anwendungsbereich der Haustürgeschäfterichtlinie fällt. 356 Der EuGH verwarf das enge Unternehmerleitbild, welches die Kommission noch vertreten hatte, und führte aus, dass »ein durchschnittlich erfahrener Gewerbetreibender den Wert seines Gewerbebetriebs und die Bedeutung aller Rechtsgeschäfte, die dessen Verkauf erfordert«, kenne 357, selbst wenn der Verkauf des eigentlichen Unternehmens betroffen sei. 358

Im Urteil Benincasa führte er diesen Gedanken fort und konstatierte in anderem Zusammenhang, dass selbst eine »zukünftige[.] berufl iche[.] oder gewerbliche[.] Tätigkeit« – also eine Tätigkeit ohne aktuelles Unternehmen – ausreichen könne, um einem Marktteilnehmer den durchschnittlichen Verkehrsschutz zu versagen. 359 8. Lokalisierung der Normvorgaben für das Unternehmerleitbild Stellt man abschließend die Schlüsselfrage, aus welchen übergeordneten Regelungen der normative Aussagegehalt des Unternehmerleitbildes konkret abzuleiten ist, fällt der Fokus der Betrachtung auf alle höherrangigen Freiheitsverbürgungen, die spezifisch die berufl iche bzw. unternehmerische Markttätigkeit schützen und in diesem Zusammenhang auch die Vertragsabschlusssphäre betreffen. Anders als das Verbraucherleitbild tritt das Unternehmerleitbild nicht als Negativabdruck von Freiheitsbeschränkungskonstellationen in Erscheinung, sondern kann normativ mit dem positiven Sonderschutzgehalt gleichgesetzt werden, den Unternehmer und Berufstätige grundrechtlich sowie grundfreiheitlich genießen. Über das spezielle Grundrecht auf Berufsfreiheit (und nicht lediglich durch das Auffanggrundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit) 355 EuGH – Strafverfahren Di Pinto – Urteil v. 14. 03. 1991, Rs. C-361/89 – Slg. 1991, I-1189. 356 EuGH – Strafverfahren Di Pinto – Urteil v. 14. 03. 1991, Rs. C-361/89 – Slg. 1991, I-1189 Tz. 14. 357 EuGH – Strafverfahren Di Pinto – Urteil v. 14. 03. 1991, Rs. C-361/89 – Slg. 1991, I-1189 Tz. 18. 358 EuGH – Strafverfahren Di Pinto – Urteil v. 14. 03. 1991, Rs. C-361/89 – Slg. 1991, I-1189 Tz. 16. 359 EuGH – Benincasa/Dentalkit – Urteil v. 03. 07. 1997, Rs. 269/95 – Slg. 1997, I-3767 Tz. 19.

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4. Kapitel: Leitbilder – Legitimation ungleicher Ausgestaltung?

werden Unternehmer in ihrer Vertragsfreiheit »besonders« geschützt. Dabei erlangt das Unternehmerleitbild sein liberales Gepräge dadurch, dass die grundrechtlich derart geschützte Vertragsfreiheit nicht bereits im Rahmen des Übermaßverbots durch formelle Gesetze im Rahmen der »verfassungsmäßigen Ordnung«, eingeschränkt werden kann. Vielmehr sind – wie Art. 12 Abs. 1 GG mit der Dreistufentheorie demonstriert – zumindest vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls erforderlich. 360 Der Regelungsvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG, der abgesehen von dem Verb »regeln« im Vergleich zu anderen Grundrechtsschranken eigentlich keine Besonderheit erkennen lässt (»Die Berufsausübungsfreiheit kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden«), demonstriert durch die Dogmatik, welche das BVerfG kraft richterlicher Rechtsfortbildung in ihn hineinprojiziert, nicht nur augenscheinlich den besonderen Schutzgehalt der Garantie auf Berufsfreiheit (im Vergleich zur allgemeinen Handlungsfreiheit), sondern ist auch Sinnbild der höheren Hürden für verfassungsgemäße Einschränkungsmöglichkeiten. Nach h. M. bezieht sich das Grundrecht auf Berufsfreiheit nicht nur auf die freie Berufsausübung, sondern auch auf die freie Berufswahl und sämtliche Teilfreiheiten des einheitlichen Grundrechts auf Berufsfreiheit. Um der unterschiedlichen Bedeutung bzw. Freiheitswertigkeit dieser einzelnen Teilfreiheiten gerecht zu werden, hat das BVerfG mit der sog. Stufentheorie eine differenzierte Schrankensystematik entwickelt, wobei als maßgebende Richtschnur das Übermaßverbot und die unterschiedlichen Wertigkeiten der einzelnen Teilfreiheiten gelten. 361 Entwickelt hat das BVerfG die Stufentheorie, bei der es von der Höherrangigkeit der freien Berufswahl und der Nachrangigkeit der freien Berufsausübung ausgeht, im Apothekenurteil vom 11. Juni 1958. Während die Freiheit der Berufswahl – unter Beachtung von hier nur am Rande interessierenden Subkategorisierungen (objektive oder subjektive Berufswahlbeschränkungen) – nur eingeschränkt werden darf, soweit der Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter es zwingend erfordert, kann die Freiheit der Berufsausübung nur beschränkt werden, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls es zweckmäßig erscheinen lassen. 362 Regelungen mit berufsregelnder Tendenz müssen stets auf der Stufe mit dem geringsten Eingriff vorgenommen werden, wohingegen die nächste Stufe durch den Gesetzgeber erst dann betreten werden darf, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit die befürchteten Gefahren mit

360

Im Überblick: Scholz, in: Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 12 Rn. 335 f. BVerfG – »Apothekenurteil« – Urteil v. 11. 07. 1958, Az.: 1 BvR 596/56 – BVerfGE 7, 377 (377 ff.). 362 BVerfG – »Apothekenurteil« – Urteil v. 11. 07. 1958, Az.: 1 BvR 596/56 – BVerfGE 7, 377 (405). 361

§ 21 Rechtsprinzipien – Maßstab freiheitlicher Ungleichbehandlung

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Mitteln der vorausgehenden Stufe nicht (wirksam) bekämpft werden können. 363 Im Ergebnis stellt die Stufentheorie »keine Rechtsschöpfung ›contra legem‹« dar, sondern ist als »schöpferische Vervollständigung der Verfassungsaussage des Art. 12 Abs. 1« zu begreifen. 364 Einerseits verschafft sie dem Gesetzgeber über die legitimatorischen Schrankengüter der »vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls« und der »besonders wichtigen Gemeinschaftsgüter« bzw. der »überragend wichtigen Gemeinschaftsgüter« zwar ein außerordentliches Maß an wirtschafts-, arbeits- und sozialpolitischer Entscheidungsfreiheit (»Kompetenz zur eigenen, materiellen Schrankenbestimmung«). 365 Andererseits trifft sie dadurch, dass sie »besonders gemeinwohlorientierte« Schutzüberlegungen fordert, aber eine Vorentscheidung dafür, dass Eingriffe in die Vertragsfreiheit von Berufsträgern mit objektiv berufsregelnder Tendenz nicht auf der Grundlage eines »bloß verfassungsgemäßen« Gesetzes möglich sind. Die Vertragsfreiheit von Berufsträgern steht gerade nicht mit dem in Art. 2 Abs. 1 GG verankerten weiten, an die Positivität der Rechtsordnung anknüpfenden Begriffsverständnis der verfassungsmäßigen Ordnung in Verbindung. Sie wird gerade nicht durch den weiten Schrankenvorbehalt der »verfassungsmäßigen Rechtsordnung« (Art. 2 Abs. 1 GG) ausgestaltet und erfährt ihre Begrenzung korrespondierend auch nicht bereits in der Summe aller Rechtsnormen, die formell und materiell mit der Verfassung im Einklang stehen und dem Übermaßverbot und Vertrauensschutzprinzip ausreichend Rechnung tragen. 366 Diesen besonders liberalen Schutzgehalt der (Vertrags-) Freiheit von Berufsträgern sieht das BVerfG bereits in dem Wortlaut des Begriffs »regeln« (Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG) angelegt: »[D]er Ausdruck ›regeln‹, den der Grundgesetzgeber hier offenbar bewußt statt des in den Grundrechtsbestimmungen sonst üblichen ›beschränken‹ oder ›einschränken‹ gebraucht, [deutet] darauf hin, daß eher an eine nähere Bestimmung der Grenzen von innen her, d. h. der im Wesen des Grundrechts selbst angelegten Grenzen, gedacht ist als an Beschränkungen, durch die der Gesetzgeber über den sachlichen Gehalt des Grundrechts selbst verfügen, nämlich seinen natürlichen, sich aus rationaler Sinnerschließung ergebenden Geltungsbereich von außen her einengen würde. [.] Das Grundrecht soll die Freiheit des Individuums schützen, der Regelungsvorbehalt ausreichenden Schutz der Gemeinschaftsinteressen sicherstellen. . . . Wird dabei festgehalten, daß nach der Gesamtauffassung des Grundgesetzes die freie menschliche Persönlichkeit der oberste Wert ist, daß ihr somit auch bei der Berufswahl die größtmögliche Freiheit

363 BVerfG – »Apothekenurteil« – Urteil v. 11. 07. 1958, Az.: 1 BvR 596/56 – BVerfGE 7, 377 (410 f.). 364 Scholz, in: Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 12 Rn. 336. 365 Scholz, in: Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 12 Rn. 336. 366 Vgl. Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 39 ff.

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4. Kapitel: Leitbilder – Legitimation ungleicher Ausgestaltung?

gewahrt bleiben muß, so ergibt sich, daß diese Freiheit nur so weit eingeschränkt werden darf, als es zum gemeinen Wohl unerläßlich ist.«367

Persönlich profitieren von diesem besonderen Freiheitsgehalt nicht nur Kaufleute und Gewerbetreibende, sondern grundsätzlich alle Personen, die eine bestimmte Tätigkeit, die sie gegen Vergütung ausüben, zur Grundlage ihrer Lebensführung machen und in diesem Zusammenhang Verträge schließen. 368 Zwar können sich nach dem Wortlaut des Art. 12 Abs. 1 GG eigentlich nur Deutsche auf diese besondere Freiheitsgarantie berufen. Jedoch gewährleisten nicht nur die übrigen EU-Mitgliedstaaten in ihren Verfassungsordnungen in ähnlicher Weise die Freiheit der Berufstätigkeit369 ; auch der EG-Vertrag selbst stellt durch die Prinzipien der Arbeitnehmerfreizügkeit (Art. 39 ff. EG), der Niederlassungsfreiheit (Art. 43 ff. EG), der Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 ff. EG), des Nichtdiskriminierungsgrundsatzes (Art. 12 EG) und der Kompetenznorm für die berufl iche Bildung (Art. 149 EG) Rechtsverbürgungen zur Verfügung, »die nach der Rechtsprechung des EuGH in ähnliche Freiheit der Berufstätigkeit aller mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen münden und zur partiellen Aufhebung der Beschränkung des Grundrechts auf Deutsche führen«370. Vor allem die Arbeitnehmer- und die Dienstleistungsfreiheit lassen in diesem Zusammenhang eine deutlich berufsfreiheitliche Ausrichtung erkennen. 371

§ 22 Privatrechtliche Leitbilder als legislative Differenzierungsgebote Als Zwischenergebnis kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass weder aus den grundrechtlichen oder grundfreiheitlichen Schutzpfl ichten noch aus dem Drittwirkungsgehalt dieser Freiheiten bestimmte Differenzierungsgebote im Sinne von normativen Typisierungsgeboten an den Gesetzgeber abgeleitet werden können. Als maßgeblicher Sachgrund für die ungleiche Freiheitsausgestaltung, welche mit den (sonder-) vertragsrechtlichen Normgruppen einhergehen, sind vielmehr bestimmte Personenbilder zu begreifen, welche in Gestalt von Rechtsprinzipien den sonderprivatrechtlichen Normgruppen jeweils zugrunde liegen müssen. Bei diesen Leitbildern handelt es sich um empirisch367 BVerfG – »Apothekenurteil« – Urteil v. 11. 07. 1958, Az.: 1 BvR 596/56 – BVerfGE 7, 377 (404 f.). 368 Vgl. BVerfG – »Schankerlaubnissteuer« – Entscheidung v. 30. 10. 1961, Az.: 30. 10. 1961 – BVerfGE 13, 181 (181 ff.). 369 Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), GG, Art. 12 Rn. 19. 370 Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), GG, Art. 12 Rn. 6 m. w. N. 371 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 2. Teil 1. Abschnitt § 3 (S. 74 f.).

§ 22 Privatrechtliche Leitbilder als legislative Differenzierungsgebote

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normative Maßstäbe, die in erster Linie aus den immanenten Leitbildvorgaben höherrangiger Rechtsnormen abzuleiten sind. Vor dem Hintergrund, dass es sich bei den normativ verankerten Leitbildern in der Regel um die Wiedergabe empirisch oder ökonomisch vermuteter Eigenschaften handelt, sind die in der normativen Stufenordnung vorzufi ndenden Leitbilder keine dauerhaften, sondern können durch empirischen Nachweis widerlegt werden. Während das Vertragsrechtsfundament des BGB von dem Leitbild einer vernunftmäßig bestimmten Person diktiert wird, die – unabhängig davon, ob sie zu Bedarfs- oder Erwerbszwecken handelt – rational, frei und selbstverantwortlich ihre knapp erzielten Ressourcen möglichst optimal zur Bedürfnisbefriedigung einsetzt, unterstellt das Verbraucherleitbild derart optimale Prämissen nur noch auf der Seite des Unternehmers. Im Übrigen sind die Leitbilderwägungen, die dem Verbraucherrecht zugrunde zu legen sind, der EuGH-Rechtsprechung zum Verbraucherschutz als zwingendem Allgemeininteresse (Grundfreiheiten) und der Grundrechte-Rechtsprechung zum Verbraucherschutz als vernünftiger Gemeinwohlerwägung (Grundrechte) zu entnehmen. Inbesondere die EuGH-Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten bringt dabei zum Ausdruck, dass auf Konsumentenseite regelmäßig auf die mutmaßliche Erwartung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist. Das Leitbild des Unternehmers, welches wiederum für das Handelsrecht prägend sein dürfte, tritt seinerseits anschaulich in der Berufsausrichtung vieler Freiheitsrechte, unter anderem auch der Privatautonomie, zutage. Neben der verfassungsrechtlichen Unternehmerfreiheit und den – besonders auf Wirtschaftlichkeit fokussierenden – Grundfreiheiten zeichnet dabei insbesondere das Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit dafür verantwortlich, dass die Vertragsfreiheit von Unternehmern nur abgestuft einschränkbar und nach formalen Einschränkungskategorien vergleichsweise liberal ausgestaltet ist. Zum Tragen kommt dabei die Vorstellung vom Unternehmer als dynamischem eigenverantwortlichem Marktteilnehmer. Der Stufenbau der Rechtsordnung bringt es mit sich, dass die normativen Vorgaben des Verbraucher- und Unternehmerleitbilds – soweit sie bislang empirisch nicht widerlegt werden konnten – auch bei dem Erlass der EG-sekundärrechtlichen und der (national) einfachgesetzlichen Vertragsrechtsvorschriften beachtet werden müssen. Als einheintsstifende Rechtsprinzipien verkörpern sie auch Wertaussagen für das Sonderprivatrecht der Handels- und Verbraucherverträge.

5. Kapitel

Typisierungskonvergenz des Handels-/Verbraucherrechts Zwecks typisierter Anwendung sind das Verbraucher- und Unternehmerleitbild auf gesetzliche Umsetzungsinstrumente angewiesen, wobei die Umsetzung durch die handels- und verbraucherrechtlichen Normgruppen ihrerseits jeweils leitbild- und prinzipientreu in Erscheinung treten müsste. Die Leitbilder selbst haben als Rechtsprinzipien nur den Charakter von leitenden Rechtsgedanken, aus denen Entscheidungen eines Einzelfalls nicht unmittelbar, sondern nur vermöge ihrer Konkretisierung im Gesetz oder durch die Rechtsprechung gewonnen werden können.1 Andererseits können die sonderprivatrechtlichen Umsetzungsinstrumente aber nur dann einen gleichheitsund freiheitsbezogen legitimen Ausgleich bieten, wenn sie das jeweilige Leitbild persönlich und sachlich in eine kongruente Typisierung umwandeln. Vor dem Hintergrund, dass die verbraucher- und handelsrechtlichen Normgruppen in ihrer Abgrenzung in erster Linie auf dem subjektiven System aufbauen, nehmen »Verbraucher« und »Unternehmer« auch auf der Ebene der gesetzlichen Leitbildumsetzung - wenn auch hier lediglich als Begriffstypen – eine zentrale Stellung ein. Auch hier vermitteln Verbraucher und Unternehmer eine Modellvorstellung von den sondervertragsrechtlichen Leitgedanken und stellen gleichsam ein »Vorbild« bzw. »Urbild« sowie einen empirischen Gestaltungstypus für die sonderprivatrechtlichen Personengruppen zur Verfügung. 2 Sie treten als »normative Realtypen« in Erscheinung, die – kongruent zu den zugrunde liegenden Leitbildern – sowohl empirische als auch normative Elemente enthalten. 3

§ 23 Leitbildkongruenz des Verbrauchervertragsrechts Wendet man sich der Umsetzung des Verbraucherleitbilds durch das Verbraucherrecht zu, erscheint es auf den ersten Blick zweifelhaft, ob insbesondere die Verbraucherrichtlinien das Leitbild des verständigen Durchschnittsverbrau1

Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Kap. Ziff. 3. a) (S. 479). Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Kap. Ziff. 2. a) (S. 463). 3 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Kap. Ziff. 2. b) (S. 465); Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1. Teil 3. Kap. II. (S. 37). 2

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5. Kapitel: Typisierungskonvergenz des Handels- /Verbraucherrechts

chers der Grundfreiheiten-Rechtsprechung kongruent abbilden. Obwohl auch in den Richtlinien eine Priorität der Verbraucherinformation zum Ausdruck kommt4, geht die Literatur vielfach davon aus, dass die Leitbildvorstellungen der Verbraucherrichtlinien von den primärrechtlichen Vorgaben der Grundfreiheiten abweichen5. Zurückzuführen sei dies auf die rollenspezifi schen Schutzlagen und die unterschiedlichen Zielsetzungen der Richtlinien6, die für ein Schutzbedürfnis, dem stets der gleiche Personenkreis als angehörig gedacht wird, keine einheitliche Grundlage bildeten.7 Andere unterstellen dagegen eine Identität zwischen dem Verbraucherleitbild der Grundfreiheiten und demjenigen der Richtlinien8. Zumindest überwiegend verkörperten die Richtlinien die Zielvorstellung eines informierten und eigenverantwortlichen bzw. eines »in den Binnenmarkt vertrauenden« Verbrauchers9 ; auch die Richtlinien gingen von einem Verbraucher aus, der »auf der Grundlage aller nötigen korrekten Informationen, die ihm zur Verfügung stehen, aus eigenem Antrieb eine autonome Entscheidung über eine Verbrauchertransaktion« treffe.10 Eine dritte Gruppe von Autoren beschreitet wiederum einen Mittelweg. So schärft Dreher etwa den Blick auf die Öffnungsklauseln in den Verbraucherrichtlinien und meldet Bedenken an, ob die Richtlinien trotz ihres hohen Schutzniveaus wirklich von einem völlig unmündigen Verbraucher ausgehen, implizierten die Öffnungsklauseln doch unverkennbar die Möglichkeit eines in jedem Fall noch höheren Schutzniveaus.11 Eine partielle Divergenz unterstellt wiederum Micklitz: Während »noch die Haustürwiderrufsrichtlinie ganz im Sinne des deutschen Verständnisses von Verbraucherrecht als Schutzrecht den unterlegenen, schutzbedürftigen Verbraucher im Auge [gehabt 4 Wiedenmann, Verbraucherleitbilder und Verbraucherbegriff im deutschen und europäischen Privatrecht, D. I. 1. (S. 199 ff.). 5 Limmer, in: RheinNotarK (Hrsg.): Notar und Rechtsgestaltung, S. 15 (S. 20, 21); Micklitz, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht Vor A 2 Rn. 25; Wiedenmann, Verbraucherleitbilder und Verbraucherbegriff im deutschen und europäischen Privatrecht, D. I. (S. 198, 199); Lurger, Vertragliche Solidarität, 4. Kap. (S. 89). 6 So weist Micklitz etwa auf die unterschiedliche Zielrichtung von Haustürgeschäfterichtlinie und Fernabsatzrichtlinie hin (in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht Vor A 2 Art. Rn. 25). 7 H. Roth, JZ 54 (1999), 529 (531); Lieb, AcP 183 (1983), 327 (348 ff.); Faber, ZEuP 6 (1998), 854 (854 ff.); Hönn, Keio Law Review No. 6 1990, 201 (223). 8 Wiedenmann, Verbraucherleitbilder und Verbraucherbegriff im deutschen und europäischen Privatrecht, D. I. 2. (S. 203); so wohl auch Staudenmayer, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 63 (S. 75); für eine Identität zwischen dem Verbraucherbegriff des Wettbewerbsrechts und den Grundfreiheiten auf der einen Seite und dem Schuldvertragsrecht auf der anderen Seite: Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, 2. Teil D. (S. 74, 75). 9 Zwicker, Das europäische Verbraucherleitbild bei Finanzdienstleistungen, § 6 III. 7. a) und § 7 (S. 139–141, 204 ff.). 10 Staudenmayer, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 63 (S. 75). 11 Dreher, JZ 52 (1997), 167 (171).

§ 23 Leitbildkongruenz des Verbrauchervertragsrechts

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habe], der an der Haustür von einem Vertreterbesuch überrascht wird, bau[e] die Fernabsatzrichtlinie auf den Verbraucher, der sich die Möglichkeiten des grenzüberschreitenden Fernabsatzgeschäftes zunutze mach[e]«.12 Von einer noch deutlicheren Abweichung geht Heiderhoff aus: Bereits die Haustürgeschäfterichtlinie habe eher dem »schwachen Verbraucher« gedient; die AGB-Kontrolle deute auf ein eher »unterdurchschnittliches Verbraucherleitbild« hin und spätestens die »Richtlinie über den Verbrauchsgüterkauf erweck[e] nun aber endgültig den Anschein, als werde von einem doch denkbar unmündigen Verbraucher ausgegangen«.13

A. (Leit-) Typusabbildung durch die Verbraucherrichtlinien Begriffsjuristisch haben die Verbraucherrichtlinien zwar dazu geführt, dass die »Verbraucher-Unternehmer«-Begegnung zum typischen Ausgangspunkt der verbrauchervertragsrechtlichen Situationsbeschreibung geworden ist. Dafür, dass die einzelnen Verbraucherrichtlinien die Begriffe des »Verbrauchers« und »Unternehmers« bisher nicht einheitlich defi nieren14, scheint eine »fundierte Begründung« allerdings zu fehlen15. Ursächlich könnte zum einen die tatsächliche Überlegung sein, dass Personen, die Haustürgeschäfte abschließen (Hausfrauen bzw. -männer, Rentner oder andere, nicht im Erwerbsleben stehende Personen), regelmäßig ein anderes Abnehmerprofi l aufweisen als Privatpersonen, die Timesharing- oder Fernabsatzgeschäfte eingehen.16 Maßgeblich könnte aber auch die rechtliche Systemüberlegung sein, dass Vorschriften einer Richtlinie stets im Lichte ihres jeweiligen Geltungsbereichs auszulegen sind und »je nach Integrationsart und . . . konkreter Zielsetzung« unterschiedliche Verbraucher- und Unternehmerbegriffe hervorgerufen werden können.17 12 Micklitz, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht Vor A 2 Rn. 25; ebenfalls von einer partiellen Divergenz ausgehend: Howells/Wilhelmsson, EC Consumer Law, Ziff. 9 (S. 318). 13 Heiderhoff, Grundstrukturen des nationalen und europäischen Verbrauchervertragsrechts, 4. Kap. C. III. 5. b) aa) (S. 284). 14 Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, 4. Kap. B. III. 1. b) (S. 84); im Überblick: Wiedenmann, Verbraucherleitbilder und Verbraucherbegriff im deutschen und europäischen Pri-vatrecht, C. I. (S. 135 ff.). 15 Kommission – Grünbuch »Die Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz« – ABl. 2007 Nr. C 61 S. 1 Tz. 4.1. 16 Reich spricht in diesem Zusammenhang von der »ökonomische[n] Rolle«, die dem Verbraucher jeweils zugesprochen wird: Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz in der Europäischen Union, II. 3. a) (S. 12); vgl. hierzu auch: Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf HaustürWG – BT-Drucks. 10/2876 S. 1 (S. 6). 17 Reich, in: Reich/Micklitz (Hrsg.): Europäisches Verbraucherrecht, § 1 V. 2., Rn. 1.38 (S. 46, 47); vgl. auch: Kommission – Mitteilung vom 11. 07. 2001 an den Rat und das Europäische Parlament zum Europäischen Vertragsrecht, KOM(2001) 398 endgültig – Ziff. 3.3 Rn. 37; Limmer, in: RheinNotarK (Hrsg.): Notar und Rechtsgestaltung, S. 15 (S. 20, 21); Mohr, AcP 204 (2004), 660 (671).

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5. Kapitel: Typisierungskonvergenz des Handels- /Verbraucherrechts

Die Einführung der allgemeinen Legaldefi nitionen (§§ 13, 14 BGB) durch das am 27. Juni 2000 verkündete Gesetz über Fernabsatzverträge18 ist in Anbetracht dieser Begriffsdiversifi kation jedenfalls als oberflächlicher Versuch zur Herstellung von Einheitlichkeit einzustufen.19 Denn realistischerweise könnte man mit Reich allenfalls von einem gemeinschaftsrechtlichen Kernbegriff des Verbrauchers als passivem Marktbürger ausgehen 20, dessen Essenz darin bestünde, dass (1) »Verbraucher grundsätzlich nur natürliche Personen« sind, (2) sich die »Tätigkeit des Verbrauchers . . . funktional von der des Unternehmers, des Selbständigen und des Arbeitnehmers, wie sie die Grundfreiheiten des Gemeinschaftsrechts umschreiben, . . . unterscheide[t]« und (3) sich die »Verbraucherrolle . . . nicht auf eigenkonsumptive Tätigkeit [beschränkt], sondern . . . auch der Unterstützung fremden Konsums dien[t], sofern dies nicht gewerbs- oder berufsmäßig erfolg[t]«. 21 Ähnlich ließe sich auch für den Begriff des Verbrauchervertrages allenfalls durch eine vergleichende Querschnittsbetrachtung aller schutzrelevanten Einzelregelungen ein rudimentäres Defi nitionsraster zusammenstellen. 22 I. Das Verhältnis zwischen b2c-Begegnungen und Leitbilderwägungen Das Zusammenspiel zwischen Kerngehalt und Bereichsmodifi zierung wird bei einer Gesamtbetrachtung der Richtlinien deutlich. Als erste und damit Weichen stellende Richtlinie verlangt die Haustürgeschäfterichtlinie auf der Verbraucherseite eine »natürliche Person, die . . . zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer berufl ichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann«. 23 Auf Unternehmerseite setzt sie »eine natürliche oder juristische Person« voraus, »die beim Abschluss des betreffenden Geschäfts im Rahmen ihrer 18 Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro – BGBl. Teil I 2000, S. 897 (S. 899). 19 § 13 BGB löste die im AGB-Gesetz (§ 24a), Verbraucherkreditgesetz (§ 1 Abs. 1), Haustürgeschäftewiderrufsgesetz (§ 1) und Teilzeitwohnrechtegesetz (§ 1 Abs. 1) vorhandenen, zum Teil differierenden Verbraucherbegriffe ab. Bevor die Verbraucherschutzgesetze mit der Schuldrechtsreform 2002 in das BGB inkorporiert worden sind, geschah dies zunächst durch (nicht ausdrücklichen) Verweis auf die Verbraucherschutzgesetze. Vgl. in diesem Zusammenhang auch: U. Neumann, Der persönliche Anwendungsbereich vertraglicher Schutzvorschriften, 3. Kap. E. I. (S. 77); Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, 4. Kap. B. III. 1. c) (S. 84 ff.); Ultsch, Der einheitliche Verbraucherbegriff, 5. Kap. und 8. Kap. (S. 221 ff. und S. 273); zu Unrecht für eine einheitliche Auslegung der §§ 13, 14 BGB unabhängig von der zugrunde liegende Verbraucherrichtlinie: Elßner/Schirmbacher, VuR 18 (2003), 247 (247). 20 Reich, in: Reich/Micklitz (Hrsg.): Europäisches Verbraucherrecht, § 1 V. 2., Rn. 1.38, 1.39 (S. 46–48). 21 Reich, in: Reich/Micklitz (Hrsg.): Europäisches Verbraucherrecht, § 1 V. 2., Rn. 1.39 (S. 48); ähnlich: Schöttler, Verbraucherschutz durch Verfahren, 1. Teil A. I. (S. 7 ff.). 22 G.-P. Calliess, Grenzüberschreitende Verbraucherverträge, 2. Kap. II. (S. 37 ff.). 23 Art. 2 Spstr. 1 Haustürgeschäfterichtlinie.

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gewerblichen oder berufl ichen Tätigkeit« bzw. »im Namen und für Rechnung eines Gewerbetreibenden handelt«. 24 Als »Spiegelbild der Haustürgeschäfterichtlinie«25 folgt die Fernabsatzrichtlinie derselben Abgrenzung. 26 Die Verbraucherkreditrichtlinie gibt wiederum die Rollenverteilung fest vor: So ist Kreditgeber immer der Unternehmer, Kreditnehmer immer der Verbraucher. Ähnlich beschränkt sich auch die Timesharingrichtlinie auf Verträge, die auf Veräußererseite durch einen Unternehmer und auf Erwerberseite durch einen Verbraucher eingegangen werden 27, was sich analog selbst in der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie entsprechend fortsetzt. 28 Die Klauselrichtlinie nimmt unter den Richtlinien insofern eine Sonderstellung ein, als sie nicht bestimmte verbraucherfokussierte Vertragstypen (Verbraucherkredit, Timesharing etc.) oder Situationen (Fernabsatz, Haustürgeschäft etc.) regelt, sondern den Verbraucher in allen Konstellationen vor vorformulierten Vertragsklauseln schützt. 29 1. Wirtschaftliche Schwäche des Verbrauchers als Leitbilderwägung? Angesichts dieser so gut wie durchgehenden b2c-Relevanz stellt sich die Frage, ob die persönliche b2c-Typisierung bereits ausreichend für eine vollständige Leitbildumsetzung ist. Teilweise wird dies mit Hinweis auf die geringe Kapitalstärke des Verbrauchers bejaht. 30 So wird z. B. die persönliche Bereichsabgrenzung der Verbraucherkreditrichtlinie mit dem Hinweis gerechtfertigt, dass Verbraucher zwingend auf Kredite angewiesen seien, um überhaupt Zugang zu bestimmten Gütern und Dienstleistungen zu erlangen. Betrachtet man den Aspekt der überlegenen »Kapitalausstattung« des Unternehmers aber genau, kann er letztlich nicht ausschlaggebend sein. Bereits empirische Untersuchungen haben gezeigt31, dass ökonomische Rahmenbedingungen für die Verbrauchermanipulation nicht maßgeblich sind. Die Kapitalausstattung eines Unternehmers kann nicht nur äußerst dünn sein, etwa wenn er überwiegend mit Fremdkapital arbeitet oder ihm die Insolvenz droht; auch können es gerade die Verbraucher sein, die aus ihrer berufl ichen Sphäre hohe Einkommensbezüge generiert und persönliche Ersparnisse angesammelt haben. 32 Dies zeigt, dass »Reichtum und Armuth« als Bestandteile von Rechts24

Art. 2 Spstr. 2 Haustürgeschäfterichtlinie. Micklitz, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht Vor A 2 Rn. 10. 26 Art. 2 Ziff. 2 und 3 Fernabsatzrichtlinie. 27 Art. 2 Spstr. 3 und 4 Timesharingrichtlinie. 28 Art. 1 Abs. 2 lit. a) und c) Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. 29 Art. 2 lit. b) und c) Klauselrichtlinie. 30 Vgl. etwa: Scholz, ZIP 2 (1981), 1051 (1053); Kemper, Verbraucherschutzinstrumente, § 3 C. (S. 59 ff.). 31 Berens, Fremdbestimmung des Konsumenten bei der Vertragsanbahnung insbesondere durch Irreführung, 1. Teil 3. (S. 140). 32 F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 4. Hteil. IV. 5. b) (S. 740); Mohr, AcP 204 (2004), 660 (680). 25

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sätzen ungeeignet sind33, was Zöllner sogar veranlasst, die Annahme, dass »Unterschiede des Einkommens oder Vermögens zwischen den Vertragsparteien . . . per se unterschiedlichen Einfluss auf den Vertragsinhalt bewirken«, als eine »kaum auszurottende Fehlvorstellung« zu beklagen. 34 Als zentrales Argument gegen die Maßgeblichkeit der wirtschaftlichen Verhältnisse spricht vor allem, dass das Verbraucherleitbild ausschließlich eine situationsspezifisch-bedarfsorientierte und gerade keine soziale Dimension verfolgt. Es will kein Instrument der ökonomischen Umverteilung sein. 35 Korrespondierend dazu spricht es typischerweise der individuellen Kapitalausstattung der Vertragsparteien auf den Vorgang des einzelnen Vertragsschlusses keine Auswirkungen zu. 36 Vielmehr haben im Regelfall weder Verbraucher noch Unternehmer Anhaltspunkte bei Vertragsschluss, ob und inwieweit die abstrakte Kapitalmacht des jeweils anderen Partners größer ist als die eigene. 37 Zwar mag dem als Kreditnehmer auftretenden Verbraucher im Gegensatz zu sonstigen Marktteilnehmern bereits auf Grund seines Bedarfs nach Fremdkapital eine gewisse wirtschaftliche Schwäche immanent sein, wobei den überdurchschnittlich schwachen Kreditnehmer die Folgen einer unbedacht eingegangenen Darlehensverpfl ichtung besonders stark in seiner wirtschaftlichen Existenz bedrohen. 38 Dennoch möchte selbst die Verbraucherkreditrichtlinie mit ihren Informationspfl ichten weniger vor den Folgen, als vielmehr vor der unbedachten Eingehung von kreditvertraglichen Verpfl ichtungen schützen. 39 Mit einem gegenteiligen Ansatz würde man dagegen heraufbeschwören, »gesellschaftspolitische Wunschvorstellungen als geltendes Recht zu deklarieren oder dieses entsprechend umzufunktionieren«40. 2. Die Verneinung einer rollensoziologischen Verbraucherposition Dass weder der Verbrauchertypus an sich noch seine Stellung gegenüber dem Unternehmer einen rollensoziologischen Schutzbedarf auslöst41, wird besonders anschaulich an dem Beispiel der Klauselrichtlinie deutlich. Durch ihre 33

Planck, AcP 75 (1889), 327 (409). Zöllner, JuS 28 (1988), 329 (335). 35 Wagner, ZEuP 15 (2007), 180 (208 ff.); vgl. dazu auch: Eidenmüller, Effi zienz als Rechtsprinzip, Teil 3 § 6 B. I. 2. (S. 289 ff.); Zacher, DÖV 23 (1970), 3 (13). 36 Zöllner, Die Privatrechtsgesellschaft im Gesetzes- und Richterstaat, IV. 2. (S. 36). 37 F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 4. Hteil. IV. 5. b) (S. 739). 38 Martinek, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 511 (S. 535). 39 U. Neumann, Der persönliche Anwendungsbereich vertraglicher Schutzvorschriften, 3. Kap. E. III. 2. b) ee) (S. 95). 40 Hopt, AcP 183 (1983), 608 (651); vgl. zur klassentheoretischen Argumentationsweise: Reich, Markt und Recht, 4. Kap. II. 2. (S. 192). 41 Schwartze, Europäische Sachmängelgewährleistung beim Warenkauf, A. III. 1. a) bb) (S. 345, 346); Zöllner, Die Privatrechtsgesellschaft im Gesetzes- und Richterstaat, IV. 2. (S. 36); Enders, Neuerungen im Recht der Verbraucherdarlehensverträge, B. II. 4. a) aa) 34

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Fokussierung auf b2c-Begegnungen kombiniert mit der hohen Schutzdichte ihrer Regelungen trägt die Klauselrichtlinie zwar Wertungen zur Schau, die den Verbraucher als »typischerweise verhandlungsschwächere und unterlegene Partei« projizieren42 , als verdiene allein er Einbeziehungs- und Inhaltsschutz bezüglich AGB. Dieser erste Eindruck spiegelt aber nicht den tatsächlichen Verständnishorizont wieder, von dem der Richtliniengeber bei der Leitbildbetrachtung des AGB-Rechts und der Ausgestaltung der einzelnen Richtlinienbestimmungen berechtigterweise ausgehen durfte. Dass die Klauselrichtlinie im Grunde darauf gerichtet ist, den informationswilligen und fähigen Verbraucher zu schützen, geht aus ihrem Transparenzgebot hervor (Art. 5). Danach müssen Vertragsklauseln stets klar und verständlich den Verbraucher in die Lage versetzen, eigenverantwortlich die eigene Situation abzuwägen, sodass sich die Richtlinie insofern erkennbar an den mündigen Verbraucher richtet, der Klauseln verstehen und auswerten kann. Mit der letztlich in Kraft getretenen Entwurfsfassung hat man von dem Konzept des ersten Entwurfs der Klauselrichtlinie gezielt Abstand genommen, sodass sich die Klauselrichtlinie in ihrer verabschiedeten Version nicht mehr an der generellen Unterlegenheit im Sinne einer apodiktischen Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers orientiert.43 Als Entwicklung ist dies zu begrüßen, hätten kategorische Unterlegenheitssituationen mit der »Verbraucher-Unternehmer«-Begegnung allein doch gar nicht sachgerecht eingegrenzt werden können. Zwar macht sich auch im Wettbewerb die Tatsache negativ bemerkbar, dass Verbraucher nicht mit Tauschwert- sondern mit bloßem Eigenbedarfsinteresse handeln, weil die individuelle Nachfragemacht eines Konsumenten wegen seiner bloßen Eigenbedarfszwecksetzung relativ gering erscheint.44 Effektiv beeinträchtigen würde dies die Verhandlungsmacht des Verbrauchers jedoch lediglich im Falle eines Wettbewerbsversagens.45 Hat der Verbraucher dagegen auch nur eine Abschlussalternative zu dem jeweils in (S. 51 ff.); differenzierend: Schirmbacher, Verbrauchervertriebsrecht, 2. Teil A. I. 2. (S. 122 ff.). 42 Martinek, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 511 (S. 514, 515). 43 Vgl. zum ersten Entwurf: Kommission – Vorschlag für eine Richtlinie über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen vom 24. 07. 1990 – ABl. 1990 Nr. C 243 S. 2 ff.; zum ersten Entwurf im Überblick: Pfeiffer, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht A 5 Vorbem. Rn. 6; Frie, Die Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, B. III. 1. a) aa) (S. 22 ff.); den ersten Entwurf kritisierend: Canaris, FS für Lerche (65. Gebtg.), S. 873 (S. 887 ff.). 44 Wiedenmann, Verbraucherleitbilder und Verbraucherbegriff im deutschen und europäischen Privatrecht, B. IV. 2. b) (S. 126 ff.); Reich, Markt und Recht, 4. Kap. I. 1. und 2. (S. 180 ff.). 45 Hingegen eine apodiktische Schutzbedürftigkeit vertretend: Reifner, Alternatives Wirtschaftsrecht am Beispiel der Verbraucherverschuldung, 1. Teil A. (S. 38 ff.); Reich, ZRP 7 (1974), 187 (188); K. Simitis, Verbraucherschutz, Schlagwort oder Rechtsprinzip?, V. Kap. 4. (S. 161); Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen (Hrsg.): AGB-Recht, Einl. Rn. 89.

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Frage stehenden Vertrag, ist seine Marktmachtstellung genaugenommen von geringem Interesse.46 3. Marktstruktur und moderne Informationstheorie Andererseits muss aber auch betont werden, dass ideale Wettbewerbsbedingungen nicht zwangsläufig zu vorteilhaften Verbraucherkonditionen führen müssen. Denn sogar Märkte mit niedrigen Zugangsbarrieren, geringen »sunk costs«, vielen Wettbewerbern und hohen Raten von Zutritts- und Abgangswilligen (aus wettbewerbsorientierter Sicht also ein Lehrbuchmodell für vollständigen Wettbewerb) können zur Folge haben, dass sich der Verbraucher mit ernsthaften Informationsproblemen konfrontiert sieht.47 Mögen ältere Modellbetrachtungen des Wettbewerbs sich noch mit einer relativ kleinen Anzahl von Variablen wie der Angebots- und Nachfrageelastizität sowie der Marktstruktur als Voraussageelementen begnügt haben, hängen moderne Modelle der Wirtschaftsordnung von einer Vielzahl von Detailaspekten wie Information, Überzeugungen, Transaktionskosten und langfristigen Strategien ab, was mannigfaltige Marktprognosen erlaubt.48 In diesem Sinne geht die moderne Transaktionskostentheorie davon aus, dass der wahre Fokus von Verbraucherschutzpolitik, in Abgrenzung zur Wettbewerbspolitik, nicht auf die Wettbewerbsbedingungen an sich zu legen ist, sondern Qualität und Kosten von Verbraucherinformation maßgeblich miteinzubeziehen sind.49 Marktstrukturbeobachtungen zeigen nicht selten, dass hochwertige Luxusgüter auch von potenten Privatleuten auf verbraucheruntypischen Spezialmärkten bezogen werden – Märkten, die durchaus einen Angebotsüberhang aufweisen können. Auch wohlhabende Verbraucher, die Vermögensverwaltung betreiben, können als Beleg für Privatpersonen angeführt werden, die im Einzelfall gerade weniger dringend als der anbietende Unternehmer auf einen Geschäftsabschluss angewiesen sind. 50 Die Relevanz der Marktstruktur konterkarrierend ließe sich sogar die These aufstellen, dass der Monopolist nicht ohne Hinzutreten weiterer Umstände in der Lage ist, die Entscheidungsfreiheit seines Vertragspartners beeinträchtigend auszunutzen. 51 Zwar resultieren typischerweise daraus, dass der Unternehmer bestimmte Geschäfte im Gegensatz zum Verbraucher nicht zufällig sondern mit wiederkehrender Regelmäßigkeit abschließt, geschäftsspezifische Wissens- und Erfahrungsdivergenzen

46 47 48 49 50 51

Adams, BB 43 (1989), 781 (783). Hadfi eld/Howse/Trebilcock, JCP 21 (1998), 131 (153). Hadfi eld/Howse/Trebilcock, JCP 21 (1998), 131 (135). Hadfi eld/Howse/Trebilcock, JCP 21 (1998), 131 (152). Medicus, FS für Kitagawa (65. Gebtg.), S. 471 (S. 485). Zöllner, AcP 196 (1996), 1 (30).

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zwischen den Parteien. 52 Diese branchenspezifische Geschäftsroutine ist jedoch nicht allein ausreichend, um den Verbraucher als »member[.] of a vulnerable group«53, also als in persona weniger verständig einzustufen. 54 Selbst wenn Verbraucher bei Geschäftsabschlüssen überdurchschnittlich häufig Informationsdefi zite aufweisen, kann ab Behebung dieser punktuellen Mängel eine Unfähigkeit zur Eigenverantwortung nicht mehr unterstellt werden. 55 Eine solche Unmündigkeit trotz Aufklärung wäre allerdings erforderlich, wollte man sogar bei landläufigen Verträgen wie einem Kaufvertrag ein bloß aus der b2c-Begegnung abgeleitetes Ungleichgewicht ausreichen lassen, um ein Versagen des Wettbewerbs- und Vertragsmechanismus zu unterstellen. 56 Davon abgesehen sei nur am Rande darauf hingewiesen, dass es auch im Gesamtbild einen Widerspruch hervorrufen würde, bestimmte Menschen in ihrer Rolle als Verbraucher als »hilflose[.] Manipulationsopfer« abzustempeln, ihnen »in den umfassenden und schwierigen Angelegenheiten des Gemeinwesens durch demokratische Wahlen« aber eine eigenverantwortliche Entscheidung zuzutrauen. 57 Von einer apodiktisch marktstrukturellen, rechtsgeschäftlichen oder intellektuellen Unterlegenheit des Verbrauchers kann folglich nicht ausgegangen werden, um die zwingende Ausgestaltung herkömmlicher Vertragsrechtsbereiche zu rechtfertigen. 58 II. Die objektive Situationseingrenzung als entscheidendes Leitbildventil Gibt es keinen einheitlichen Grund für Verbraucherschutz an sich59, geben letztlich objektive Situationen und Momente – gewissermaßen die »Sachgrenzen« der jeweils betroffenen Schutznorm60 – den Ausschlag für die Materialisierung der Vertragsfreiheit. Diese objektiven Aspekte treten zu der »Verbraucher-Unternehmer«-Begegnung hinzu und dienen ihrerseits als verlässlicher Maßstab, um zu ermitteln, ob der aus der b2c-Typisierung abgeleitete Perso52 Wiedenmann, Verbraucherleitbilder und Verbraucherbegriff im deutschen und europäischen Privatrecht, C. IV. 1. (S. 161); Elßner/Schirmbacher, VuR 18 (2003), 247 (250). 53 Hadfi eld/Howse/Trebilcock, JCP 21 (1998), 131 (145). 54 Zöllner, Die Privatrechtsgesellschaft im Gesetzes- und Richterstaat, IV. 2. (S. 36). 55 Grundmann, in: Grundmann/Bianca (Hrsg.): EU-Kaufrechtsrichtlinie, Einl. Rn. 122; Schäfer, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 559 (S. 560). 56 U. Neumann, Der persönliche Anwendungsbereich vertraglicher Schutzvorschriften, 3. Kap. E. III. 6. b) bb) (S. 110). 57 F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 4. Hteil. IV. 5. b) (S. 740). 58 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, § 6 I. 1. c) bb) (S. 83); Elßner/ Schirmbacher, VuR 18 (2003), 247 (250); Pfeiffer, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 21 (S. 29); H. Roth, JZ 54 (1999), 529 (531); Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, § 5 II. 5. c) (S. 208). 59 Medicus, FS für Kitagawa (65. Gebtg.), S. 471 (S. 484). 60 Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, § 2 III. (S. 160 ff. und 166).

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nenkreis leitbildkongruent eingegrenzt ist.61 Sie wirken der Gefahr entgegen, dass es auf Grund der negativen Begriffsbestimmung des Verbrauchers, der ohne objektive Einschränkung alle nichtunternehmerischen Tätigkeitsbereiche gegenüber einem Unternehmer erfassen würde, zu einer unverhältnismäßigen Ausweitung des verbraucherrechtlichen Schutzbereichs käme.62 Sie tragen darüber hinaus der Vorrangstellung des Kartell- und Wettbewerbsrechts Rechnung, indem sie sicherstellen, dass sich die verbraucherrechtliche Marktregulierung auf die Verarztung von Marktdefekten beschränkt, die sich ›inside the head‹ of ultimate consumers« abspielen.63 Die Ausgangsprämisse besteht dabei darin, dass der Verbraucher zwar in der Lage ist, rationale Entscheidungen zu treffen, Informationsunzulänglichkeiten ihn hieran aber hindern.64 Dementsprechend sollte Konsumentenregulierung Verbraucher von vornherein nur vor internen Marktdefi ziten wie »overt coercion«, »undue influence«, »deception«, »incomplete information« und »confusing information« schützen65, was die objektiven Schutzauslöser (Defi zitsituationen), welche die Verbraucherrichtlinien jeweils aufgreifen, in folgendem Licht erscheinen lässt: Bei der Haustürgeschäfterichtlinie entpuppt sich im Grunde das den Verbraucher ereilende »Überraschungsmoment« als objektiver Schutzauslöser, kann bedingt durch die Örtlichkeit und die Vertragsabschlusssituation der Unternehmer den Verbraucher doch überrumpeln und ihm die Möglichkeit nehmen, Qualität und Preis des Angebots mit anderen Angeboten zu vergleichen.66 Mit einer ähnlichen Absatzsituation werden Verbraucher im Rahmen der Fernabsatzrichtlinie konfrontiert, die sich im Gegensatz zur Haustürgeschäfterichtlinie nicht (wie noch im ersten Verbraucherschutzprogramm als ausreichend erachtet) auf die Bekämpfung missbräuchlicher Handelspraktiken durch Zusendung unbestellter Ware beschränkt67, sondern die Thematik des 61 Kleindiek, in: Hommelhoff/Jayme/Mangold (Hrsg.): Europ. Binnenmarkt: IPR und Rechtsangleichung, S. 297 (S. 304 ff.); Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 7 II. (S. 284 ff.); Martinek, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 511 (S. 531); Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 7 Rn. 200 (S. 96); H. Roth, JZ 54 (1999), 529 (531). 62 Mohr, AcP 204 (2004), 660 (677); Pfeiffer, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 21 (S. 29). 63 Averitt/Lande, AntitrustLJ 65 (1997), 713 (733). 64 Averitt/Lande, AntitrustLJ 65 (1997), 713 (733). 65 Averitt/Lande, AntitrustLJ 65 (1997), 713 (733). 66 Erwägungsgrund 5 Haustürgeschäfterichtlinie; Micklitz, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht Vor A 2 Rn. 19; Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 8 IV. 1. (S. 312, 313); Martinek, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 511 (S. 533, 534); Canaris, AcP 200 (2000), 273 (346). 67 Rat – Entschließung vom 14. 04. 1975 betreffend ein Erstes Programm der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft für eine Politik zum Schutz und zur Unterrichtung der Ver-

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Fernabsatzes unter dem konstruktiven Aspekt neuer Technologieeinsatzmöglichkeiten aufgreift.68 So will die Fernabsatzrichtlinie Informationsdefi zite kompensieren69, die daraus resultieren, dass der Verbraucher wegen der Fernkommunikation keine Möglichkeit hat, vor Vertragsschluss den Vertragsgegenstand persönlich in Augenschein zu nehmen und sich von der Integrität des Vertragspartners zu überzeugen70. Bei der Verbraucherkreditrichtlinie besteht das objektive Schutzauslösermoment dagegen weniger in dem Ausgleich einer situativen Paritätsstörung, sondern resultiert aus der Komplexität der Vertragsmaterie, verlangen Kreditgeschäfte wegen ihrer langfristigen Bindung und komplizierten Zinsberechnung doch situationsunabhängig einen materialen Ausgleich.71 Die Timesharingrichtlinie wiederum hat mit der Fernabsatzrichtlinie die Gemeinsamkeit, dass sie ein verhältnismäßig neues Vertriebsmodell regelt, bei dem eine Vielzahl von Personen sich durch ein von den Promotern der Immobilienindustrie geschaffenes Tourismusprodukt langfristig hinsichtlich einer jeweils zeitlich begrenzten, aber periodisch wiederkehrenden Nutzung einer Immobilie, meist einer Ferienimmobilie, binden.72 Mit der Verbraucherkreditrichtlinie hat die Timesharingrichtlinie andererseits aber die Komplexität der Vertragsmaterie gemeinsam, was in den unterschiedlichen Erscheinungsbildern der Vertragsgestaltung seinen Niederschlag fi ndet: Neben der Übertragung rein obligatorischer Nutzungsrechte sind die Begründung eines dinglichen Rechts an einer Immobilie sowie der Eintritt des Erwerbers in einen Verein oder eine Gesellschaft verbreitet.73 Dagegen baut die Klauselrichtlinie auf der typisierten Möglichkeit des Unternehmers zur Ausnutzung einseitiger Vertragsgestaltungsmacht auf und stellt (anders als noch in ihrem zweiten Entwurf vorgesehen74) weniger auf ein

braucher – ABl. 1975 Nr. C 92 S. 1 Tz. 24; siehe auch: Martinek, NJW 51 (1998), 207 (207 ff.). 68 Zu den Gründen für Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten: Seiler, Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten, § 6 III. (S. 216 ff.). 69 Erwägungsgrund 11 Fernabsatzrichtlinie. 70 Erwägungsgrund 14 Fernabsatzrichtlinie. 71 Bülow/Artz, Verbraucherprivatrecht, 3. Teil 3. Abschnitt (S. 80); Enders, Neuerungen im Recht der Verbraucherdarlehensverträge, B. III. 2. d) (S. 89). 72 Kelp, Time-Sharing-Verträge, 1. Kap. § 1 I. (S. 19). Der Bezug zu Ferienimmobilien kommt auch in der Legaldefi nition des § 481 Abs. 1 S. 1 BGB zum Ausdruck (». . . zu Erholungs- oder Wohnzwecken . . .). 73 Martinek, Modernde Vertragstypen – Bd. III, § 27 II. (S. 265 ff.); ders., in: Grabitz/ Hilf, EUV/EGV, A 13 Vorbem. Rn. 11 ff.; Kelp, Time-Sharing-Verträge, 1. Kap. § 1 III. (S. 23, 24); Kohlhepp, Teilzeiteigentum an Ferienwohnungen, 6. Teil II. 2. (S. 142 ff.); Lenz, Das Time-Sharing, I. 4. (S. 14 ff.); de Sousa, Das Timesharing an Ferienimmobilien in der EU, 2. Teil D. (S. 56 ff.); Schalch, Time-Sharing an Ferienimmobilien, §§ 9 ff. (S. 64 ff.). 74 Zum zweiten Richtlinienentwurf: Kommission – Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen vom 05. 03. 1992 – ABl. 1992

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konkret festzustellendes b2c-Machtgefälle, sondern in erster Linie auf die fehlende Klauselaushandlung als objektivem Eingriffsmoment ab. III. Schutzerforderlichkeit und situationsangemessener Leitbildausgleich Im Sinne einer derart objektiv vermittelten b2c-Fokussierung die Anschlussfrage zu stellen, ob und inwiefern die einzelnen Verbraucherrichtlinien mit ihren jeweiligen Schutzinstrumenten als leitbildgemäße Umsetzung in Erscheinung treten, bedeutet zwangsläufig, das Übermaßverbot als Prüfungsmaßstab mit einzubeziehen. Letztlich führt dies bei strikter Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dazu, dass »Eingriffe in das Markt- und Vertragsgeschehen sowie die Markt- und Vertragsergebnisse« durch inhaltliche Kontrollmaßnahmen nur als ultima ratio zur Verfügung stehen75, was übertragen auf die Schutzinstrumente des Verbraucherrechts im Sinne eines Vorrangs der marktkomplementären Aufklärungspflichten vor dem stärkeren Schutzinstrument der verlängerten Überlegungsfrist durch Widerrufsrechte verstanden werden muss76. 1. Verhältnismäßigkeit der haustürspezifi schen Ausgleichsmaßnahmen Die Haustürgeschäfterichtlinie tritt selbst bei einer derartigen Verhältnismäßigkeitsprüfung als im wesentlichen leitbildkongruente Umsetzungsmaßnahme in Erscheinung.77 Zwar beschränkt das bedingungslose Widerrufsrecht, über das der Verbraucher schriftlich aufzuklären ist78, den Unternehmer in seiner formalen Handlungsfreiheit, ist dieser doch verpfl ichtet, den Verbraucher über ein selbstschädigendes Widerrufsrecht aufzuklären, das den Unternehmer in eigener Person einem wirksamkeitshemmenden Schwebezeitraum während des Laufs der Widerrufsfrist aussetzt. Andererseits werden die Grenzen legislativer Gestaltungsspielräume dadurch aber nicht überschritten. Widerrufsrecht und Aufklärungspfl icht sollen dem Verbraucher einen tatsächlichen Ausgleich bieten, dass er bei Vertragsschluss keine Möglichkeit zum Leistungs- und Preisvergleich hat und er auf Grund der überrumpelnden Haustürsituation auch keine Anstrengungen übernimmt, sich über seine Rech-

Nr. C 73 S. 7 (S. 9); im Überblick: Pfeiffer, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht A 5 Vorbem. Rn. 7. 75 Martinek, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 511 (S. 531). 76 Schirmbacher, Verbrauchervertriebsrecht, 2. Teil B. I. 1. (S. 149 ff.). 77 Der in diesem Zusammenhang anwendungsrelevante Umsetzungsakt des deutschen Gesetzgebers wurde bereits vorab, durch ein am 15. November 1985 verabschiedetes Gesetz, in Kraft gesetzt (hierzu im Überblick: Micklitz, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht Nach A 2 Rn. 2 ff.). 78 Art. 4 und 5 Haustürgeschäfterichtlinie.

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te als Abnehmer zu informieren.79 Ein derart situationsspezifischer Schutz ist mit dem primärrechtlichen Leitbild des verständigen Durchschnittsverbrauchers vereinbar. Mehrfach hat der EuGH in der Vergangenheit betont, dass verbraucherleitbildorientierte Schutzerwägungen nicht nur an dem jeweils betroffenen Wirtschaftssektor und dem vertragsgegenständlichen Produkt, sondern auch an der spezifischen Vertragsanbahnungssituation auszurichten sind. Implizit hat er im Buet-Urteil sogar konkrete Leitbildvorgaben für den Bereich des Haustürvertriebs aufgestellt, indem er hinsichtlich des Haustürverkaufs von pädagogischem Material selbst ein vollständiges Verbot der Kundenwerbung an der Haustür als zulässige Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit erachtet hat. Analog dazu hat er unter Berufung auf den Verbraucherschutz in der Entscheidung A-Punkt Schmuckhandels auch ein lückenloses Haustürvertriebsverbot für Silberschmuck gebilligt. 80 Hält der EuGH in Bezug auf die vorgenannten Produkte, die in casu alltägliche Anschaffungen von nicht allzu hohem Wert betrafen81, ein vollständiges Werbe- bzw. Verkaufsverbot für verhältnismäßig82 , kann das in der Richtlinie vorgesehene Widerrufsrecht, das auch wirtschaftlich weit folgenschwerere Vertragsgegenstände mit einbezieht und weniger einschränkend als ein Verbot wirkt, den freien Waren- bzw. Dienstleistungsverkehr nicht verletzen. Weil die Haustürgeschäfterichtlinie nur dann eingreift, wenn der Unternehmer die Überrumpelungssituation selbst herbeiführt, hat dieser es letztlich in eigener Person in der Hand, ob er den Verbraucher in seine Geschäftsräume bestellt, mit der Folge, dass ein sofort wirksamer Vertrag vorliegt, oder ihn – wie in der Richtlinie beschrieben – überrascht und damit die Rechtsfolgen des Widerrufsrechts auslöst.83 Überrumpelt er den Verbraucher, hat dieser zwar die Möglichkeit zum Widerruf. Als unverhältnismäßig kann dieses Schutzinstrument allerdings nicht erachtet werden, weil in Bezug auf die typisierte Haustürsituation ein evident weniger einschneidendes Schutzinstrument nicht ersichtlich ist. Insbesondere die existierenden wettbewerbsrechtlichen Vorschriften könnten die Individualinteressen des Verbrauchers nicht gleichwer79 Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 4. Kap. § 2 I. 6. (S. 167); Møgelvang-Hansen/Terryn/Schulze, in: Acquis Group (Hrsg.): Contract I, Chapt. 5 Sect. 2 Art. 5: 201 Rn. 6 (S. 196, 197). 80 EuGH – A-Punkt Schmuckhandels/Schmidt – Urteil v. 23. 02. 2006, Rs. C-441/04 – Slg. 2006, I-2093 Tz. 27 ff. 81 So etwa im A-Punkt Schmuckhandels-Urteil »höchstens 40 Euro«: EuGH – A-Punkt Schmuckhandels/Schmidt – Urteil v. 23. 02. 2006, Rs. C-441/04 – Slg. 2006, I-2093 Tz. 4. 82 EuGH – Buet/Ministère Public – Urteil v. 16. 05. 1989, Rs. 382/87 – Slg. 1989, 1235 Tz. 15. 83 Zudem kann der Widerrufsschutz in Bagatellfällen, bei denen der zu zahlende Gegenwert 60 ECU nicht übersteigt, ausgeschlossen werden [Art. 3 Abs. 1 Haustürgeschäfterichtlinie; in Deutschland umgesetzt über § 312 Abs. 3 Nr. 2 BGB (40 Euro)].

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tig befriedigen, weil sie sich gegen unbestellte Vertreterbesuche und Freizeitveranstaltungen nur bei Hinzutreten besonderer Umstände des Einzelfalls richten (vgl. § 3 UWG).84 Daneben wäre auch ein gesetzlich verankertes Formerfordernis für Haustürgeschäfte (z. B. Schriftform) kein weniger einschneidendes Schutzäquivalent, würde die Aufstellung einer Formunwirksamkeit mit nachträglicher Heilungsmöglichkeit doch lediglich das Verhältnis zwischen vorläufiger Wirksamkeit (Widerrufsrecht) und vorläufiger Unwirksamkeit (Schriftform) umkehren, den Unternehmer in seiner Handlungsfreiheit aber nicht weniger tangieren. 2. Die verbraucherrechtliche Leitbildtreue der Fernabsatzrichtlinie Als grds. ebenfalls leitbildkongruent sind die Schutzinstrumente der Fernabsatzrichtlinie einzustufen, auch wenn die Fernabsatz- mehr als die Haustürgeschäfterichtlinie den aktiven Verbraucher im Blickvisier hat, indem sie aktive Marktöffnung durch Förderung neuer Absatztechniken betreibt.85 Mit der Fernabsatzrichtlinie hat der Richtliniengeber das aus der Haustürgeschäfterichtlinie bekannte »Recht auf Belehrung« zu einem »Recht auf Sachinformation« gemacht86, indem auch solche Informationspfl ichten harmonisiert wurden, die über die Aufklärung hinsichtlich des in der Richtlinie eingeräumten Widerrufsrechts hinausgehen. Der Unternehmer wird nicht nur einem Widerrufsrecht ausgesetzt, sondern muss auch wesentliche Angaben über seinen Gewerbebetrieb (Identität und Anschrift), den in Aussicht gestellten Vertrag (z. B. Merkmale von Ware oder Dienstleistung, Preis, gegebenenfalls anfallende Lieferkosten, Gültigkeitsdauer befristeter Angebote) und das verbraucherseitige Widerrufsrecht zur Verfügung stellen.87 Bereits vor Vertragsschluss muss der Unternehmer den Verbraucher über die Identität des Unternehmers, Preis und Kosten des Vertragsgegenstands sowie die Vertragsabwicklung informieren.

84 Micklitz, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht Nach A 2 Rn. 11; im Überblick: Mankowski, in: Fezer (Hrsg.): Lauterkeitsrecht (UWG), § 7 Rn. 151 ff.; BGH – »Telefonwerbung« – Urteil v. 19. 06. 1970, Az.: I ZR 115/68 – BGHZ 54, 188 (188 ff.); vgl. hierzu auch den I. Zivilsenat des BGH in Bezug auf das Ansprechen von Verbrauchern in der Öffentlichkeit (§ 1 UWG): »Mit der Gefahr einer Verstrickung oder Überrumpelung des Verbrauchers läßt sich die Unlauterkeit der in Rede stehenden Werbemethode nicht mehr begründen. Für den mündigen Verbraucher besteht in der Regel nicht die Gefahr, daß er sich hierdurch zu einem ihm an sich unerwünschten Vertragsschluß bewegen läßt.« [BGH – Urteil v. 01. 04. 2004, Az.: I ZR 227/01 – NJW 57 (2004), 2593 (2594). 85 Micklitz, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht Vor A 2 Rn. 19. 86 Micklitz, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht Vor A 2 Rn. 47. 87 Art. 4 Fernabsatzrichtlinie; zur Umsetzung vgl. § 312c Abs. 1 BGB i. V. m. § 1 Abs. 1 BGB-InfoV.

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a) Die Verhältnismäßigkeit der vor- und nachvertraglichen Aufklärungspflichten Im Grundsatz spiegeln die Informationspfl ichten im Fernabsatz das Leitbild eines mündigen Verbrauchers wider.88 Ganz überwiegend sind sie zur Leitbildumsetzung erforderlich, weil der Verbraucher ansonsten keine reelle Chance hätte, Kenntnis über die Identität seines Geschäftspartners, die Seriosität von dessen Vertriebs- und Dienstleistungssystem und die Konditionen des abgeschlossenen Geschäfts zu erlangen. Insbesondere der neun Punkte aufweisende Informationskatalog gemäß Art. 4 Abs. 1 erscheint nicht so weitgehend, als dass er seinen Zweck verfehlen könnte. Während beispielsweise die Pfl icht zur Mitteilung des Kundendienstes und der Garantiebedingungen dem Verbraucher die Geltendmachung etwaiger Mängel- und Serviceansprüche ermöglichen, erleichtern ihm die Informationen zu dem Lieferer seine Rechtsverfolgung. Selbst die Pfl icht, den Verbraucher darüber zu informieren, wann der Vertrag zustande kommt, hat ihre Berechtigung89, kann der Verbraucher doch beispielsweise bei Internetversteigerungen nur anhand dieser Informationen beurteilen, ob es sich um eine »echte« Versteigerung oder lediglich um einen bloßen »Kauf gegen Höchstgebot« handelt90. b) Das Widerrufsrecht der Fernabsatzrichtlinie Ebenfalls leitbildkongruent erscheint das zugunsten des Verbrauchers vorgesehene Widerrufsrecht. Es soll dem Unternehmer die Gestaltungsmacht nehmen, das Zustandekommen und den Inhalt des ausgehandelten Vertrages bedingt durch Örtlichkeit und Kommunikation einseitig zu beeinflussen. Korrespondierend dazu räumt es dem Verbraucher die Möglichkeit ein, den Vertragsgegenstand vor Eintritt der Vertragsbindung zu sehen und ihn mit Konkurrenzgütern zu vergleichen.91 Denn auch ein aufmerksamer Verbraucher vermag nicht die Beschaffenheit eines Erzeugnisses bzw. die Eigenschaften einer Dienstleistung zu beurteilen, bevor er sie nicht gesehen hat. 92 In diesem Sinne dürfte sich selbst die (alternative) Einräumung eines Rückgaberechts 88 Vgl. auch Heiderhoff, Grundstrukturen des nationalen und europäischen Verbrauchervertragsrechts, 4. Kap. C. III. 5. b) aa) (S. 284). 89 Vgl. § 312c Abs. 1 Nr. 1 BGB i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 3 BGB-InfoV. 90 Rünz, Verbraucherschutz im Fernabsatz, 2. Teil C. II. 4. a) (S. 86); zu Internetversteigerungen vgl. auch: BGH – Urteil v. 03. 11. 2004, Az.: VIII ZR 375/03 – NJW 58 (2005), 53 (53 ff.); AG Itzehoe – Urteil v. 18. 05. 2005, Az. 57 C 361/04 – CR 2004, 705 (705, 706); AG Osterholz-Scharmbeck – Urteil v. 23. 07. 2002, Az.: 8 C 130/01 – ITRB 2003, 239 (239, 240). 91 Erwägungsgrund 14 Fernabsatzrichtlinie; vgl. hierzu auch: Rünz, Verbraucherschutz im Fernabsatz, Einleitung (S. 1); BGH – Urteil v. 03. 11. 2004, Az.: VIII ZR 375/03 – NJW 58 (2005), 53 (54, 55); Urteil v. 21. 10. 2004, Az.: III ZR 380/03 – BGHZ 160, 393 (399); Urteil v. 19. 03. 2003, Az.: VIII ZR 295/01 – BGHZ 154, 239 (242, 243). 92 Møgelvang-Hansen/Terryn/Schulze, in: Acquis Group (Hrsg.): Contract I, Chapt. 5 Sect. 2 Art. 5: 201 Rn. 6 (S. 197).

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durch den deutschen Gesetzgeber noch in den Grenzen der Verhältnismäßigkeit bewegen93, gehen mit diesem doch nicht nur verbraucherseitige Nachteile (Vorleistungspfl icht) sondern auch korrespondierende Vorteile einher (Fristverlängerung und keine Rücksendekosten) 94. Leitbildkongruent trägt das Widerrufsrecht dem Umstand Rechnung, dass der Verbraucher wegen der Eigenheiten des Fernabsatzes dazu tendiert, Verträge abzuschließen, die seinen tatsächlichen Vorstellungen nicht entsprechen.95 Insbesondere für den Katalog- und Warenkauf bildet dies einen tragenden Rechtfertigungsgrund.96 Bereits die fehlende Hemmschwelle des persönlichen Gegenübers und des Sofort-Bezahlens macht das Widerrufsrecht notwendig, um dem Verbraucher einen Ausgleich dafür zu bieten, dass bei einem Vertragsabschluss zu Hause, am Telefon oder Computer oder per Bestellkarte die alarmierende Förmlichkeit fehlt, die ein Käufer im traditionellen Absatz regelmäßig zu spüren bekommt, wenn er in ein Geschäft geht und Geld ausgibt. Flankierend zu dieser generellen Überlegung hat der Richtliniengeber dem Übermaßverbot Rechnung getragen, indem er Konstellationen, in denen das Unternehmerinteresse am Fortbestand des Vertrages das Verbraucherinteresse an der Rückgängigmachung überwiegt, der Vertragsschluss auch nur teilweise im Direktmarketing erfolgt oder der Vertragsschluss zu hohen Opportunitätskosten bei dem Unternehmer führen, vom Anwendungsbereich des Widerrufsrechts ausgeklammert hat.97 3. Die Verbraucherleitbildkongruenz der Verbraucherkreditrichtlinie In Abgrenzung dazu betrifft die Verbraucherkreditrichtlinie mit dem Kreditvertrag einen Geschäftsgegenstand, dessen Abschluss typischerweise weit reichende fi nanzielle Folgen und rechtliche Risiken impliziert, die für den Durchschnittsverbraucher nicht ohne weiteres abschätzbar sind. Die Richtlinie will der Praxis entgegen wirken, dass viele Anbieter von Verbraucherkrediten trotz restriktiver werberechtlicher Beurteilung des Bereichs der Preisirreführung mit unklaren Angaben hinsichtlich des effektiven Zinssatzes werben.98 Neben 93

§§ 312d Abs. 1 S. 2, 356 BGB. Rünz, Verbraucherschutz im Fernabsatz, 3. Teil B. III. 1. c) (S. 150, 151). 95 Seiler, Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten, § 6 III. (S. 216 ff.). 96 Art. 6 Fernabsatzrichtlinie; vgl. auch § 312d BGB. 97 Vgl. hierzu: Art. 3 Abs. 2 bzw. Art. 6 Abs. 3 Fernabsatzrichtlinie; zur Bereichsnahme für bestimmte Dienste, die eine Reservierung erforderlich machen und deshalb auf der Seite des Unternehmers zu Opportunitätskosten führen (Art. 3 Abs. 2 Spstr. 2 Fernabsatzrichtlinie) siehe: Generalanwältin Stix-Hackl - Schlussanträge easyCar/OFT, Rs. C-336/03 – Slg. 2005, I-1947 Tz. 24, 64 ff.; zur Bereichsausnahme der »Anfertigung nach Kundenspezifi kation« (Art. 6 Abs. 3 Spstr. 3 Fernabsatzrichtlinie) siehe: BGH – Urteil v. 19. 03. 2003, Az.: VIII ZR 295/01 – BGHZ 154, 239 (244). 98 Berens, Fremdbestimmung des Konsumenten bei der Vertragsanbahnung insbesondere durch Irreführung, 1. Teil 1.2.1.1. (S. 43). 94

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zwingenden Inhaltsvorgaben (Möglichkeit der vorzeitigen Schuldtilgung bzw. Einredenerhalt bei Abtretung des Herauszahlungsanspruchs99) sieht die Richtlinie Aufklärungspfl ichten vor, die den Verbraucher in die Lage versetzen sollen, die Kreditbedingungen und -kosten trotz ihrer Komplexität angemessen einzuschätzen.100 U. a. der Aufklärungsbedarf hinsichtlich der zu erbringenden Gegenleistung soll befriedigt werden101, indem der Unternehmer dem Verbraucher den Jahreszins für den Kredit oder, wenn dies nicht möglich ist, den für den Kredit zurückzuzahlenden Gesamtbetrag mitteilen muss102 . Zu dokumentieren ist der Informationstransfer über bestimmte Nachweispflichten, mit denen die Richtlinie sicherstellt, dass z. B. Angaben zum effektiven Jahreszins, zu dessen Änderungsbedingungen, zum Zins- und Tilgungsplan und zur Kostenaufstellung in den Kreditvertrag Eingang fi nden.103 Vor allem in den Informationspfl ichten gelangt zum Ausdruck, dass Verbraucherkredite mit besonderen, in erster Linie wirtschaftlichen Risiken behaftet sind, deren Auswertung dem Verbraucher in Anbetracht der generellen Vertragskomplexität Schwierigkeiten bereitet. Weil dem Verbraucher die Zeit bis zur technischen Willensäußerung in der Regel nicht ausreicht, um die zur Verfügung gestellten Kerninformationen sachlich zu verarbeiten, gewährt der deutsche Gesetzgeber zusätzlich zu den Aufklärungspfl ichten der Richtlinie ein fristgebundenes Widerrufsrecht (§ 495 BGB), wodurch die Überlegungsfrist des Verbrauchers verlängert wird.104 Auch die erst anlässlich des technischen Vertragsschlusses zugehenden Informationen kann der Kreditnehmer auf diese Weise in seine Revisionsüberlegungen mit einbeziehen105, sodass sich das Widerrufsrecht im Grunde nicht nur als logische Fortführung der Informationspfl ichten darstellt106, sondern sich auch »aus dem Vertragsgegenstand« selbst heraus defi niert107. Selbst den typischen Gefahren der »Abschlusssituation« wird Rechnung getragen, indem das Widerrufsrecht eine Kompensation 99 Art. 8 und 9 Verbraucherkreditrichtlinie (1987) bzw. Art. 16 und 17 Verbraucherkreditrichtlinie (2008). 100 Art. 6 Verbraucherkreditrichtlinie (1987); vgl. hierzu auch: Generalanwältin Léger Schlussanträge Berliner Kindl/Siepert, Rs. C-208/98 – Slg. 2000, I-1741 Tz. 55 ff. 101 Zur Gegenleistung als Bezugspunkt von Informationsdefi ziten: Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, C. II. 1. (S. 67, 68). 102 Erwägungsgrund 9 Verbraucherkreditrichtlinie (1987) bzw. Erwägungsgrund 20 Verbraucherkreditrichtlinie (2008). 103 Art. 4 Abs. 2 und 3 Verbraucherkreditrichtlinie (1987) bzw. Art. 10 Abs. 2 und 3 Verbraucherkreditrichtlinie (2008). 104 Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 8 V. 3. (S. 324). 105 So auch: Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf VerbrkrG u. a. – BT-Drucks. 11/5462 S. 1 (S. 12); Canaris, ÖBA 38 (1990), 882 (894). 106 Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 4. Kap. § 2 II. 1. (S. 173); U. Neumann, Der persönliche Anwendungsbereich vertraglicher Schutzvorschriften, 3. Kap. E. III. 2. b) bb) (S. 91). 107 Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 8 V. 3. (S. 324).

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dazu bietet, dass Kreditverträge häufig übereilt wegen der Verlockungswirkung abgeschlossen werden, ohne unmittelbare Gegenleistung zusätzlich und sofort verfügbare Kaufkraft zu erlangen.108 Leitbildkongruent greift diese Aspekte nun auch die am 7. April 2008 vom Rat neu verabschiedete Verbraucherkreditrichtlinie auf, die dazu führen wird, dass – wie bereits in den ursprünglichen Kommissionsvorschlägen der 1970er Jahre vorgesehen109 – ein originär EG-rechtlich veranlasstes, europaweit geltendes Widerrufsrecht in Kraft treten wird.110 Nicht einwenden lässt sich gegen die Leitbildkongruenz des Widerrufsrechts, dass der Verbraucher bei Kreditverträgen im Gegensatz zu Haustürund Fernabsatzgeschäften nicht mit einer exogen verursachten Überrumpelung, sondern mit seinen eigenen intellektuellen Verarbeitungsgrenzen konfrontiert wird. Denn Widerrufsrechte bilden nicht nur zu Überrumpelungen, die von außen herantreten, sondern auch zu einem sonstigen Vertrags- und Wettbewerbsversagen einen legitimen Gegenpol.111 Nicht zuletzt spricht auch der Bankensektorbezug für die Zulässigkeit der durch § 495 BGB verursachten Schutzniveauerhöhung. Denn wie der EuGH im Parodi-Urteil zur Dienstleistungsfreiheit festgestellt hat, ist »[d]er Bankensektor . . . ein im Hinblick auf den Schutz der Verbraucher besonders sensibler Bereich«, bei dem im Hinblick auf die Erwartungen an den Verbraucherschutz »zwischen der Art der betreffenden Banktätigkeit und dem Risiko, das für den Dienstleistungsempfänger besteht, zu unterscheiden« ist.112 Wegen der Besonderheiten dieses Sektors erscheint das Widerrufsrecht selbst bei verbundenen Geschäften nicht unverhältnismäßig, sodass auch in der Gesamtbetrachtung die Schlussfolgerung gerechtfertigt sein dürfte, dass die Instrumente des Verbraucherkredits objektiv nicht das überschreiten, was auch dem Verbraucherprofi l der Grundfreiheiten noch entsprechen würde. 4. Die gegenständliche Leitbildkonvergenz der Klauselkontrolle Einer differenzierten Betrachtung bedarf die gegenständliche Leitbildprüfung der Klauselrichtlinie. Ausgehend von der Differenzierung zwischen Allgemei108 Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 4. Kap. § 2 II. 1. (S. 175 ff.); Canaris, AcP 200 (2000), 273 (348, 349). 109 Vgl. hierzu: Hüttebräuker, Die Entstehung der EG-Richtlinien über den Verbraucherkredit, B. II. und E. V. 1. c) (S. 131). 110 Art. 11 Verbraucherkreditrichtlinie (2008); zur Verabschiedung der Verbraucherkreditrichtlinie (2008) siehe: BMJ – Pressemitteilung vom 08. 04. 2008 – EuZW 19 (2008), 262; Beck-aktuell vom 17. 01. 2008 – VuR 23 (2008), 52; Beck-aktuell vom 21. 01. 2008 – VuR 23 (2008), 94; GPR 5 (2008), 51. 111 Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 4. Kap. § 2 II. 1. (S. 174); Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 8 V. 3. (S. 324). 112 EuGH – Parodi/Banque Albert de Bary – Urteil v. 09. 07. 1997, Rs. C-222/95 – Slg. 1997, I-3899 Tz. 22, 29.

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nen Geschäftsbedingungen (»standard forms«) und vorformulierten Vertragsklauseln mit Einmalverwendungsabsicht (»adhesion terms«) ist für die Vorschriften der Klauselrichtlinie festzustellen, dass im Grunde »zwei Herzen in ihrer Brust schlagen«.113 Im Prinzip beinhaltet sie, bedingt durch die Notwendigkeit des Aufeinanderzugehens auf EG-Ebene, eine Kompromisslösung, die sich aus zwei führenden mitgliedstaatlichen Modellen zusammensetzt. Verschmolzen wurden in ihr – auch wenn dies aus ihrem Wortlaut nicht ausdrücklich hervorgeht – das deutsche Modell des vormaligen AGB-Gesetzes, das sowohl Handels- als auch Verbraucherverträge erfasste, und das französische Modell, das maßgeblich und umfassender den Verbraucher infolge seiner geringeren Vertragsmacht schützte.114 a) Das Transparenz- und Informationsdefizit bei »standard forms« Weil Art. 3 der Richtlinie sämtliche Vertragsklauseln erfasst, »die nicht im einzelnen ausgehandelt wurden«, stellt er erst recht ein Forum für »standard forms« dar, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind. Aus der Perspektive des Verwenders sind diese »standard forms« ökonomisch effi zient, weil sie seine Transaktionskosten reduzieren und economies of scale hervorrufen, wovon im Idealfall auch der Abnehmer profitieren kann.115 Sie gewähren dem Klauselverwender einen Informationsvorteil bezüglich des Inhalts der vorformulierten Klauseln, wobei sich die Investition in diesen Informationsvorteil zumindest solange auszahlt, wie die Gegenseite die für einen Ausgleich erforderlichen Überprüfungskosten scheut.116 Anders stellt sich die Bewertung aus der Perspektive des Vertragspartners dar. Infolge seiner geringen Vertragsgestaltungsmacht fehlt ihm nicht nur die Möglichkeit zur Einflussnahme auf den Vertragsinhalt, er hat auch Schwierigkeiten ihn zu verstehen. Denn das Verständnis von AGB-Klauseln setzt in aller Regel Kenntnisse von ihrem Zusammenwirken mit anderen rechtlichen Regelungen vor113 Zu dieser Differenzierung vgl.: Defl orian, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 119 (S. 138 ff.). 114 Defl orian, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 119 (S. 141, 142); Tenreiro/Karsten, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 223 (S. 227); im Überblick zu den Unterschieden der beiden Modelle: Lardeux, ZEuP 15 (2007), 448 (469, 470); Tilmann, Die Klauselrichtlinie 93/13/EWG auf der Schnittstelle zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht, 2. Teil 1. Kap. B. und C. (S. 17 ff. und S. 22 ff.); die Meinung vertretend, dass die Klauselrichtlinie dem französischen Recht »bedeutend näher« steht: Burckhardt, Das AGB-Gesetz unter dem Einfluss der EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, B. II. 3. (S. 47, 48). 115 Tenreiro/Karsten, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 223 (S. 225, 226); Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen (Hrsg.): AGB-Recht, Einl. Rn. 4; Friedrichs, Verbraucherschutz und AGB, II. 2. a) (S. 5, 6). 116 Schwartze, Europäische Sachmängelgewährleistung beim Warenkauf, A. III. 1. a) bb) (S. 342 ff.).

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aus, bedingt also ein Systemverständnis, welches juristische Laien grundsätzlich nicht aufweisen.117 Die schwierige Verständlichkeit beruht unter anderem auf der Notwendigkeit, dass der Verwender mit juristischer Fachsprache eine möglichst streitvermeidende Regelung in seinem Interesse für eine große Zahl denkbarer Fälle treffen muss.118 Dem Vertragspartner wäre nicht einmal gedient, wenn der Verwender ihm neben den AGB auch »einen Kommentar zu diesen in die Hand drücken müsste«.119 Nicht einmal dann würde der Kunde sich die Mühe machen, einen AGB-Vergleich zur Ermittlung der günstigsten Bedingungen vor Vertragsabschluss anzustellen.120 Denn in den meisten Fällen müsste er externen Rat in Anspruch nehmen, was aus ex ante-Sicht mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden wäre.121 Durch den Verzicht der Kunden auf die Überprüfung der AGB vor Vertragsschluss avanciert der Vertrag zu einem »Kauf von Erfahrungsgütern«, bei dem der Kunde Teile der charakteristischen Leistung, nämlich seine in den AGB geregelten Rechte und Pfl ichten, gar nicht zur Kenntnis nimmt, was dem Verkäufer die Möglichkeit zur Verwendung »schlechter« Vertragsklauseln einräumt.122 Das Verständlichkeitsdefi zit steht einem echten Konditionenwettbewerb entgegen123, sodass sich der Wettbewerb ausschließlich auf diejenigen Parameter verlagert, die der Kunde beurteilen und einschätzen kann, insbesondere auf den Produktpreis.124 Dabei nötigt der bestehende Wettbewerbsdruck den Anbieter, seine Geschäftsbedingungen so auszugestalten, dass ihm möglichst geringe Kosten entstehen. Auf diese Weise bildet sich ein »Markt für Zitronen« (Akerlof), weil wichtige Qualitätsmerkmale nicht erkannt und nicht mit der Bereitschaft honoriert werden, höhere Preise zu zahlen. Es wird profitabler, schlechtere, aber billigere Qualität zu liefern, was nicht nur Anbieter qualitativ hochwertiger Waren vom Markt verdrängt125, sondern auch die Mög117 Adams, BB 43 (1989), 781 (784); F. Bydlinski, FS für von Kastner (70. Gebtg.), S. 45 (S. 47). 118 Adams, BB 43 (1989), 781 (783). 119 F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 4. Hteil. V. 5. d) e’) (S. 758, 759). 120 Adams, BB 43 (1989), 781 (784). 121 Micklitz, in: Reich/Micklitz (Hrsg.): Europäisches Verbraucherrecht, § 13 I. (S. 494). 122 Adams, BB 43 (1989), 781 (784 ff.). 123 F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 4. Hteil. V. 5. d) e’) (S. 759); Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen (Hrsg.): AGB-Recht, Einl. Rn. 8, 9; Wellenhofer-Klein, ZIP 18 (1997), 774 (777); vgl. auch: K. Simitis, Verbraucherschutz, Schlagwort oder Rechtsprinzip?, II. Kap. 4. (S. 46); vgl. Burckhardt, Das AGB-Gesetz unter dem Einfluss der EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, B. II. 1. (S. 42). 124 Wagner, ZEuP 15 (2007), 180 (197). 125 Akerlof, QJEcon, 84 (1970), 488 (488 ff.); vgl. auch: Wendlandt, VuR 19 (2004), 117 (118, 119); Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, § 4 II. 3. a) (S. 121, 122); Carlton/Perloff, Modern Industrial Organization, Chapter 13 (S. 423 ff.).

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lichkeit bietet, unerkannte Risiken auf den Vertragspartner zu verlagern126. Die Klauselrichtlinie wirkt diesem Marktversagen entgegen und bietet ein Instrument zum Ausgleich der kundennachteiligen Informationsasymmetrie.127 Die Erforderlichkeitsgrenzen werden dabei nicht überschritten, weil nur durch die Missbrauchskontrolle, nicht jedoch durch eine bloße Transparenzsteigerung das Wettbewerbsdefi zit im Bereich der preisfremden Vertragskonditionen auszugleichen ist.128 Selbst die Verlängerung der Überlegungsfrist durch ein Widerrufsrecht würde im Vergleich zur Missbrauchskontrolle kein gleich geeignetes, weniger einschneidendes Mittel darstellen. b) Einseitige Vertragsgestaltungsmacht bei »adhesion terms« Aus einem anderen Blickwinkel ist die gegenständliche Leitbildkongruenz im Hinblick auf vorformulierte Klauseln mit Einmalverwendungsabsicht zu würdigen (»adhesion terms«).129 Denn die Ausführungen zu »standard forms« können auf »adhesion terms« nicht ohne weiteres übertragen werden, betreffen letztere doch nicht nur andere Vertragsabschlusssituationen, sondern sind wegen ihrer nur einmaligen Verwendung auch ökonomisch nicht ohne weiteres effi zient. Dementsprechend können die angesprochenen Legitimationserwägungen in einer anderen Gewichtung zum Tragen kommen. Während bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen »Informationsasymmetrie« und »einseitige Vertragsgestaltungsmacht« ausschlaggebende Aspekte sind, spielen bei »adhesion terms« Informationsdefi zite eine nur untergeordnete Rolle. Die maßgebliche Zwecksetzung beruht hier auf der Verhinderung des Missbrauchs der Vertragsfreiheit und der Überforderung des Vertragspartners in seiner Selbstvorsorge.130 Trotz dieser nicht abstreitbaren Unterschiede bringt die Klauselrichtlinie undifferenziert dieselben Markterhaltungsinstitutionen wie bei »standard forms« zum Einsatz. Allein das identische Schutzinstrument (Missbrauchskontrolle) und die bei »adhesion terms« geringere Missbrauchsgefahr zum Anlass zu nehmen, die Klauselrichtlinie insgesamt in Frage zu stellen und nur bei »standard forms« eine Missbrauchskontrolle für leitbildkongruent zu halten, wäre allerdings 126

Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen (Hrsg.): AGB-Recht, Einl. Rn. 5. Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 8 VI. 1. a) (S. 329). 128 Zur Wettbewerbsfunktion des Transparenzgebots: Brock, ZVglRWiss 99 (2000), 29 (31). 129 Zum Grenzfall der Vorformulierung für eine Vielzahl von Fällen durch einen Dritten kombiniert mit einer Einmalverwendungsabsicht des Verwenders: BGH – Urteil v. 16. 11. 1990, Az.: V ZR 217/89 – NJW 42 (1991), 843 (843, 844); Urteil v. 24. 11. 2005, Az.: VII ZR 87/04 – WM 60 (2006), 247 (247 ff.). 130 Vgl. Wellenhofer-Klein, ZIP 18 (1997), 774 (777 ff.); so auch Fastrich, allerdings nur bezüglich AGB, nicht jedoch bezüglich vorformulierter Verträge: Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, § 6 (S. 86 ff. und S. 94 ff.). 127

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überstürzt. Denn gerade das (identische) Rechtsfolgenregime der Klauselrichtlinie ist in der Lage, anpassungsfähig der u. U. größeren Transparenz von »adhesion terms« sowie der nicht völlig unausgewogenen Vertragsgestaltungsmacht Rechnung zu tragen. Vor allem die Generalklauseln der Richtlinie können einen im Einzelfall geringeren Schutzbedarf flexibel austarieren. So lassen sich die Spezifitäten von »adhesion terms« nicht nur über den unbestimmten Begriff der »Missbräuchlichkeit« und der »Benachteiligung entgegen dem Gebot von Treu und Glauben«, sondern auch durch das Erfordernis eines erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses der vertraglichen Rechte und Pfl ichten« – basierend auf einer »case by case«-Analyse – berücksichtigen. Ähnlich wie bei »standard forms« ließe sich auch bei »adhesion terms« selbst über umfangreiche Informationspfl ichten die Gefahr der »take it or leave it«Situation nicht in den Griff bekommen, sodass auch die Erforderlichkeit der Missbrauchskontrolle als Voraussetzung gewahrt erscheint. 5. Die defizitäre Leitbildkonvergenz der Timesharingrichtlinie Teilweise überschritten wird der objektive Erforderlichkeits- und Geeignetheitsrahmen allerdings durch die Bestimmungen der Timesharingrichtlinie. Dies betrifft insbesondere den »äußerst umfangreichen Katalog von Informationspfl ichten« (bestehend aus den im Anhang der Richtlinie aufgeführten Mindestangaben)131, der in Anbetracht des berechtigten Einwands, dass »zu viele Informationen . . . auch verwirren«, zur Befriedigung der erwerberseitigen Informationsbedürfnisse keinen wirklichen Beitrag leistet132 . Häufig ist bereits die Anpreisung von Timesharing als Investition in »Immobilieneigentum« für den Erwerber nicht nachvollziehbar. Denn jenseits des – keinen Markt- und Wertschwankungen unterliegenden133 – Erwerbspreises trägt er nicht nur das Inflationsrisiko hinsichtlich der jährlich zu zahlenden Nebenund Urlaubskosten134, sondern muss auch das Risiko der fortdauernden Attraktivität der ausgesuchten Ferienregion einschließlich der Möglichkeit auf sich nehmen, über Tauschbörsen auch an entfernt gelegene Urlaubseinheiten zu gelangen135. Trotz der Intransparenz bezüglich des Erwerbspreises, der sich 131

Dreher, JZ 52 (1997), 167 (171); vgl. Art. 4 Timesharingrichtlinie. Vorgebracht wurde dieser Einwand etwa im Anhörungsverfahren zur Änderung der Verbraucherkreditrichtlinie: Kommission – Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über den Verbraucherkredit vom 07. 10. 2005 – KOM(2005) 483 endgültig, Ziff. 5.4 (S. 6); vgl. auch: Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, 4. Kap. C. III. 1. (S. 103); Eidenmüller, JZ 60 (2005), 216 (218); Wendlandt, VuR 19 (2004), 117 (118). 133 Kelp, Time-Sharing-Verträge, 1. Kap. § 3 III. (S. 36); de Sousa, Das Timesharing an Ferienimmobilien in der EU, 2. Teil C. II. (S. 52). 134 Martinek, Modernde Vertragstypen – Bd. III, § 27 I. 2. (S. 262); Kelp, Time-SharingVerträge, 1. Kap. § 3 III. (S. 36). 135 Kelp, Time-Sharing-Verträge, 1. Kap. § 3 II. und III. (S. 34, 36). 132

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zu einem maßgeblichen Prozentsatz neben den Kosten für das »Immobilieneigentum« aus Werbungs- und Vertriebskosten zusammensetzt136, erscheint es letztlich zweifelhaft, ob die Richtlinie mit ihrer Informationslastigkeit nicht gegen die primärrechtliche Leitbildvorgabe verstößt, dass an Informationsangaben keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden dürfen. a) Verarbeitungskapazitäten und Umfang der Informationspflichten Ausgangspunkt der leitbildüberschreitenden Informationspfl ichten der Timesharingrichtlinie sind die Prospektpfl ichten, die der Unternehmer beim Timesharing auf Wunsch des Verbrauchers erfüllen muss. Auf Verlangen ist dem Verbraucher über die jeweils betroffene Immobilie ein Schriftstück auszuhändigen, das außer einer allgemeinen Beschreibung des Objekts fast alle Informationsangaben der Anlage zur Timesharingrichtlinie enthalten muss, wobei sich die gemäß Richtlinienanhang zu erteilenden Informationen auf über dreizehn Punkte erstrecken (lit. »a« bis einschließlich »m«). Innerhalb jedes Buchstabens erfolgt wiederum eine Untergliederung auf bis zu fünf Unterpunkte (»1.« bis einschließlich »5.«), wobei jeder (Unter-) Punkt durchschnittlich zwei bis drei Einzelinformationen aufweist. Dies ergibt insgesamt eine Informationsverpfl ichtung des Unternehmers, die sich auf circa 42 Einzelinformationen erstreckt; im Amtsblatt machen diese knapp eine Druckseite aus. Nach dem Willen des Richtliniengebers ist der Erwerber mit diesen Informationen – mit Ausnahme von Punkt »h« – nicht nur im vorvertraglichen Prospekt, sondern ein weiteres Mal auch im Vertrag selbst zu konfrontieren.137 Mit dieser nachgelagerten Informationsdokumentation wird der Zweck verfolgt, dem Erwerber den Vertrag als Ganzen – also einschließlich der zuvor übergebenen Prospektinformationen – zu liefern138. Dies ergibt gesamtbetrachtend einen Informationsfluss von insgesamt bis zu 80 Einzelinformationen. Durch den Kommissionsvorschlag zur Neufassung der Richtlinie (07. 06. 2007) könnte sich dieser Informationsumfang noch einmal erhöhen. Denn an Stelle eines einheitlichen Anhangs könnte die Richtlinie in Zukunft vier verschiedene Anhänge aufweisen, unterteilt nach den Sachbereichen »Teilzeitnutzungsrechte«, »im Bau befi ndliche Unterkünfte«, »langfristige Urlaubsprodukte«, »Wiederkauf« und »Tausch«. Dabei würde der Informationsumfang im traditionellen Bereich der »Teilzeitnutzungsrechte« (Anhang I) sogar um sechs neue Buchstaben erweitert.139 136 Kelp, Time-Sharing-Verträge, 1. Kap. § 3 III. (S. 35, 36); zur Wirtschaftlichkeit des Timesharing an Ferienimmobilien aus der Sicht des Erwerbers – mit Modellkalkulationen –: Tonner, Das Recht des Time-sharing an Ferienimmobilien, Rn. 41 ff. (S. 19 ff.). 137 Art. 3 und 4 Timesharingrichtlinie. 138 Vgl. Martinek, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 511 (S. 521). 139 Kommission – Vorschlag für eine Richtlinie über den Schutz der Verbraucher im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Teilzeitnutzungsrechten, langfristigen Urlaubsprodukten

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In diametralem Gegensatz steht der vorbeschriebene Informationsumfang der Timesharingrichtlinie zu neueren Untersuchungen zur Speicherkapazität im Kurzzeitgedächtnis, wonach ein Mensch im Durchschnitt nur fünf bis sieben Einzelinformationen auf einmal verarbeiten kann.140 Geht die Informationsmenge über einen bestimmten Grenzwert hinaus, überschreitet der Informationsumfang also die optimale Belastungsgrenze des Konsumenten, sinkt die Effi zienz von Kaufentscheidungen typischerweise erheblich herab (sog. information overload).141 Dies kann nicht nur zu einem Abbruch der gesamten Informationsverarbeitung sondern auch zu einer latenten Unwilligkeit des Verbrauchers führen, Entscheidungsalternativen auszuwerten und auszunutzen.142 Das Risiko, dass der Verbraucher unwichtige Nebeninformationen überbewertet und bedeutsame Kerninformationen übersieht, wird bei größer dimensionierten Informationsflüssen (selbst wenn sie doppelt erteilt werden) erhöht.143 Vor diesem Hintergrund wäre es angezeigt gewesen, dass sich der Richtliniengeber auf wichtige Schlüsselinformationen wie z. B. solche über den Preis des Nutzungsrechts sowie die laufenden Kosten der Nutzung und Verwaltung des Wohngebäudes beschränkt und zweitrangige Zusatzinformationen nur auf Verlangen des Verbrauchers zu Aufklärungspflichten gemacht hätte.144 Stattdessen verlangt es die Richtlinie jedem unternehmerischen Timesharinganbieter ab, Informationen zur Verfügung zu stellen, die in ihrer Reichweite keinerlei Schwerpunktsetzung erkennen lassen und auch so nebensächliche Aspekte wie die Schwimmbadbenutzung betreffen. Angesichts seiner fehlenden Gewichtung lädt der timesharingspezifische Informationskatalog den Unternehmer geradewegs zur Gesetzestreue ein, da er dann dem Verbraucher eine selektive Informationsverarbeitung besonders schwierig machen und

sowie des Wiederverkaufs und Tausches derselben vom 07. 06. 2007 – KOM(2007) 303 endgültig, S. 22, 23. 140 Vgl. Wendlandt, VuR 19 (2004), 117 (120). 141 Vahrenkamp, Verbraucherschutz bei asymmetrischer Information, 2.3 (S. 38); Kupsch/Hufschmied, In: Meffert/Steffenhagen/Freter (Hrsg.): Konsumentenverhalten und Information, S. 225 (S. 241 ff.); Diller, in: Hansen/Stauss/Riemer (Hrsg.): Marketing und Verbraucherpolitik, S. 274 (S. 280); Behrens, Konsumentenverhalten, 3.2.3.3. (S. 155, 156); Nieschlag/Dichtl/Hörschgen: Marketing, 2.3.3. (S. 343). 142 Martinek, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 511 (S. 524, 525); ders., in: Staudingers Kommentar BGB, Vorbem. zu §§ 481–487 Rn. 56, 57. 143 Vgl. etwa Behrens, der darlegt, dass der Verbraucher Informationsselektion durch Konzentration auf für ihn erkennbare Schlüsselinformationen betreibt: Behrens, Konsumentenverhalten, 3.2.3.3. (S. 157). 144 Martinek, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 511 (S. 526); ders., in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, A 13 Vorbem. Rn. 78; Wendlandt, VuR 19 (2004), 117 (121 ff.); vgl. auch: Behrens, Konsumentenverhalten, 3.2.3.3. (S. 157).

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absatzschädigende Kerninformationen kaschieren kann.145 Indem er etwa die Aufmerksamkeit auf solche Informationselemente lenkt, denen der Verbraucher trotz ihrer Nebensächlichkeit größere Aufmerksamkeit schenkt, kann er den Verwirrungsgrad des Verbrauchers aktiv beeinflussen. Auf diese Weise ließe sich das menschliche Defi zit ausnutzen, dass der Verbraucher typischerweise nicht alle relevanten Informationen in der konkreten Entscheidungssituation korrekt aufnehmen und verarbeiten kann. b) Leitbildkonvergenz des timesharingbezogenen Widerrufsrechts Entsprechend den Informationspfl ichten wirft auch das gestaffelte Rücktrittsrecht, welches die Richtlinie vorsieht146, Kompatibilitätsprobleme mit dem Verbraucherleitbild auf. Genauso wie die Informationspfl ichten soll es dem Verbraucher die Komplexität der Vertragsmaterie begreifl ich machen und ihm die Möglichkeit geben, »die sich aus geschlossenen Verträgen ergebenden Verpfl ichtungen und die damit zusammenhängenden Rechte besser . . . beurteilen« zu können.147 Abgesehen davon, dass eine Verlängerung der Überlegungsfrist wegen der Exorbitanz des Informationskatalogs wenig Sinn ergibt (was für eine Abfärbung der Leitbildwidrigkeit auf das Widerrufsrecht spräche)148, liefert das Widerrufsrecht darüber hinaus – vor allem aus deutscher Sicht – ein Anschauungsexempel dafür, dass mitgliedstaatliche Schutztraditionen bei der Richtlinienkonzipierung nicht ausreichend Berücksichtigung finden (z. B. § 311b BGB i. V. m. dem dt. BeurkG). Wie die Harmonisierung neuer Schutzinstrumente (Widerrufsrechte) unter Beibehaltung nationaler Schutztraditionen (Form- bzw. Beurkundungserfordernisse) eine unverhältnismäßige Schutzstandardverdoppelung im Sinne einer »Über«-Materialisierung der Vertragsfreiheit produziert, lässt sich aus deutscher Sicht am Maßstab von Widerrufsrecht und Beurkundungsverfahren veranschaulichen. So kann ein Timesharingvertrag beurkundungspfl ichtig sein (§ 311b Abs. 1 BGB), bei dem der Verbraucher einen unabgeteilten Mitei145 Martinek, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 511 (S. 521). 146 Die Widerrufsfrist richtet sich gemäß Art. 5 Abs. 1 Timesharingrichtlinie danach, ob bestimmte Angaben im Vertrag enthalten sind oder nicht. Während die Richtlinie von einer zehntägigen Widerrufsfrist ausgeht, hat der deutsche Gesetzgeber die Frist auf vierzehn Tage festgesetzt. Sie verlängert sich auf einen Monat, wenn die Widerrufsbelehrung erst nach Vertragsschluss geliefert wird (§ 355 Abs. 2 S. 2 BGB) oder dem Verbraucher der vorvertragliche Prospekt nicht ordnungsgemäß ausgeliefert wurde (§ 483 Abs. 3 BGB). Im Falle des fristgerechten Widerrufs wandelt sich nicht nur der betreffende Timesharingvertrag in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis um (§§ 357, 346 ff. BGB); auch an ein verbundenes Finanzierungsgeschäft ist der Verbraucher nicht mehr gebunden (§ 358 BGB). 147 Erwägungsgrund 11 Timesharingrichtlinie. 148 Eine Fristverlängerung von »one or several months« in Erwägung ziehend: Møgelvang-Hansen/Terryn/Schulze, in: Acquis Group (Hrsg.): Contract I, Chapt. 5 Sect. 2 Art. 5: 202 Rn. 5 (S. 207).

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gentumsanteil – also Bruchteilseigentum – an einem Grundstück oder an einer gebildeten Wohnungseigentumseinheit erwirbt (§ 4 Abs. 3 WEG).149 Ist dies der Fall, wird bereits durch das deutsche Beurkundungsverfahren ein ausreichender Übereilungsschutz gewährt, der jedes Widerrufsrecht in Ergänzung dazu überflüssig macht. Die Einschaltung des Notars, der als neutraler Dritter im Falle einer Amtspfl ichtverletzung nach § 19 BNotO haftet, führt nicht nur dazu, dass der Wille der Parteien erforscht, der Sachverhalt aufgeklärt, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehrt und ihre Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift wiedergegeben werden (§ 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG); der Notar hat darüber hinaus auch darauf zu achten, dass Irrtümer und Zweifel vermieden und der Erwerber als unerfahrener und ungewandter Beteiligter nicht benachteiligt wird (§ 17 Abs. 1 S. 2 BeurkG).150 Dies gilt auch für die Gestaltung des Beurkundungsverfahrens (§ 17 Abs. 2a S. 1 BeurkG). Spezifisch bei Verbraucherverträgen wie dem Timesharingvertrag hat der Notar sicherzustellen, dass der Erwerber seine Erklärung bei Beurkundung persönlich oder durch eine Person seines Vertrauens abgibt; zudem muss dem Erwerber im vorhinein ausreichend Gelegenheit gegeben werden, sich mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinanderzusetzen. Der beabsichtigte Text des Timesharinggeschäfts ist ihm mindestens zwei Wochen vor der Beurkundung zur Verfügung zu stellen (§ 17 Abs. 2a Nr. 2 BeurkG), was beurkundungsrechtlich eine unverzichtbare Amtspfl icht des Notars darstellt.151 Am Tag des Abschlusses ist der Vertrag vollständig zu verhandeln und zu verlesen.

Könnte der Verbraucher im Geltungsbereich dieses beurkundungsspezifischen Schutzverfahrens zusätzlich noch von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen, käme es zu einer unverhältnismäßigen Vervielfachung des verbraucherseitigen Übereilungsschutzes, die mit bloßen Leitbilderwägungen nicht mehr zu rechtfertigen wäre. Dass derartige Verdoppelungstendenzen die Freiheitsrechte verkürzen und demzufolge zu vermeiden sind, gelangt mittlerweile sogar in der Systemperzeption der Kommission zum Ausdruck. So setzt eine »ausgewogene Lösung« nach Ansicht der Kommission »die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes voraus, wobei gegebenenfalls Harmonisierung und gegenseitige Anerkennung miteinander kombiniert werden müssen«.152 Im Grünbuch zur 149 Mäsch, DNotZ 1997, 180 (182, 183); zur Miteigentumskonstruktion vgl.: Martinek, in: Staudingers Kommentar BGB, Vorbem. zu §§ 481–487 Rn. 16 ff.; ders., ZEuP 2 (1994), 470 (483 ff.); Schober, FS für von Weitnauer (75. Gebtg.), S. 83 (S. 114 ff.); Tonner, Das Recht des Time-sharing an Ferienimmobilien, Rn. 102 ff. (S. 40 ff.). 150 Schöttler, Verbraucherschutz durch Verfahren, 1. Teil C. II. (S. 40 ff.). 151 Jeweils m. w. N.: Brambring/Hertel, in: Hagen/Brambring/Krüger/Hertel (Hrsg.): Der Grundstückskauf, Rn. 280 (S. 75); Brambring, in: Brambring/Jerschke (Hrsg.): Beck’sches Notar-Handbuch, A. I. Rn. 326 ff. (S. 169). 152 Kommission – Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie über Verbraucherkreditverträge vom 07. 10. 2005 – KOM(2005) 483 endgültig, Ziff. 5.11 (S. 8).

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Überarbeitung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz zieht sie daher für die Zukunft zwei Alternativen bei der Verfolgung eines angemessenen Harmonisierungsgrades in Betracht.153 Sie stellt die Option der Vollharmonisierung der Option der Mindestharmonisierung gegenüber und kombiniert beide Modellalternativen hinsichtlich der nicht (vollständig) harmonisierten Bereiche mit dem Gebot der gegenseitigen Anerkennung.154 Zur Folge hätte dies, dass eine Ignorierung und Abschaffung der national bereits etablierten Schutzmechanismen (wie z. B. des Beurkundungsverfahrens) grundsätzlich nur insoweit in Betracht käme, als die EG zur Vollharmonisierung überwechseln würde. Gerade mit der Vollharmonisierung – wie sie nun mit der jüngst neu verabschiedeten Verbraucherkreditrichtlinie und dem Vorschlag zur Timesharingrichtlinie propagiert wird155 – würde jedoch ein Abbau an wünschenswertem Wettbewerb um die besseren Verbraucherschutzkonzepte einhergehen156, was insbesondere im Hinblick auf das Subsidiaritätsprinzip bedenklich wäre.157 Würde die Gemeinschaft, um diese Bedenken zu umgehen, bei dem Prinzip der Mindestharmonisierung verbleiben, wäre andererseits aber die Akkumulierung von EG-rechtlich veranlasstem Widerrufsrecht und den dazu nicht abgestimmten nationalen Schutztraditionen (verbraucher-) leitbildbezogen unverhältnismäßig. Zum Ausgleich der Leitbildüberschreitung müssten für nationale Traditionen wie dem Beurkundungsverfahren Ausnahmen von dem Widerrufsrecht vorgesehen werden, zumal die notarielle Beurkundung im direkten Vergleich zum Widerrufsrecht das weitergehende (weil keinen Schwebezeitraum duldende) Schutzinstrument darstellt.158 Über einen ausdrücklichen Ausnahmetatbestand zur Richtlinie wäre nicht nur dem Verbraucherleitbild, sondern auch der bereits jetzt schon vertretenen Ansicht klarstellend

153 Kommission – Grünbuch »Die Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz« – ABl. 2007 Nr. C 61 S. 1 Tz. 4.5. 154 Kommission – Grünbuch »Die Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz« – ABl. 2007 Nr. C 61 S. 1 Anhang 1 Tz. 3. 155 Zur Verbraucherkreditrichtlinie (2008): BMJ – Pressemitteilung vom 08. 04. 2008 – EuZW 19 (2008), 262; zur Timesharingrichtlinie: Gaedtke, VuR 23 (2008), 130 (135 f.). 156 Vgl. DNotV – Stellungnahme zum Vorschlag einer Richtlinie über den Schutz der Verbraucher im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Teilnutzungsrechten, langfristigen Urlaubsprodukten sowie des Wiederverkaufs und Tausches derselben, KOM (2007) 303 endgültig, Ziff. 2. a) – URL: http://www.dnotv.de/Dokumente/Stellungnahmen.html (04. 08. 2008). 157 Vgl. DNotV – Stellungnahme zum Vorschlag einer Richtlinie über den Schutz der Verbraucher im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Teilnutzungsrechten, langfristigen Urlaubsprodukten sowie des Wiederverkaufs und Tausches derselben, KOM (2007) 303 endgültig, Ziff. 2. a) – URL: http://www.dnotv.de/Dokumente/Stellungnahmen.html (04. 08. 2008); Lurger, Regulierung und Deregulierung im europäischen Privatrecht, III. 2. (S. 110 ff.). 158 Martinek, in: Staudingers Kommentar BGB, Vorbem. zu §§ 481–487 Rn. 58.

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Rechnung zu tragen, dass ein nationales Beurkundungserfordernis für alle Timesharingverträge (ohne Widerrufsrecht) mit der Timesharingrichtlinie im Einklang steht.159 6. Die fehlende Leitbildkongruenz der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie Ein im Vergleich dazu noch eklatanteres Legitimitätsdefi zit weist die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie auf. Mit ihr wird das Übermaßverbot ohne Umschweife überschritten, indem der Richtliniengeber die Rechte des Verbrauchers in Fällen vertragswidriger Warenlieferung auf ein nicht abdingbares Schutzniveau festschreibt. Die Mindestvorgaben der Richtlinie sind – wie auch in allen übrigen Verbraucherrichtlinien – einseitig zwingendes Recht, was zur Folge hat, dass Vereinbarungen, durch welche die mit der Richtlinie gewährten Rechte zu Lasten des Verbrauchers ausgeschlossen oder eingeschränkt werden, für ihn keine Bindungen erzeugen.160 Ohne dass ein leitbildprägender Schutzanlass für diese ius cogens-Perversion vorläge, billigt die Richtlinie dem Käufer in einer ersten Stufe Nachbesserung oder Ersatzlieferung und in einer zweiten Stufe das Recht zur Minderung oder Vertragsauflösung zu.161 Vorgesehen ist eine Mindestverjährungsfrist von zwei Jahren162 , wobei die Mitgliedstaaten während der ersten sechs Monate nach der Lieferung des Gutes eine Beweislastumkehr zu Gunsten des Käufers vorsehen müssen163. a) Das Fehlen eines objektiven Schutzauslösers beim Verbrauchsgüterkauf In seiner harmonisierten Form verkörpert der »Verbrauchsgüterkauf« ein neuartiges Konzept der Angleichung nationaler Rechte, das aus dem Verbraucherleitbild völlig herausfällt.164 Die Richtlinie regelt im Gegensatz zu den anderen Verbraucherrichtlinien keine verbraucherspezifische Absatz- bzw. Schutzsituation (Haustürgeschäfte, Fernabsatz), hat keinen besonders risikoreichen Sachbereich zum Gegenstand (Verbraucherkredit) und knüpft auch nicht an einen besonders komplexen Vertragsgegenstand an (Timesharing). Vielmehr nimmt sie den Kauf als Prototyp des alltäglichen Rechtsgeschäfts zum Anlass,

159 Martinek, in: Staudingers Kommentar BGB, Vorbem. zu §§ 481–487 Rn. 58; Limmer, in: RheinNotarK (Hrsg.): Notar und Rechtsgestaltung, S. 15 (S. 44, 45); Kaufhold, DNotZ 1998, 254 (272); vgl. hierzu auch folgende Ausnahmemöglichkeit in Bezug auf den Verbraucherkredit: Erwägungsgrund 13 Verbraucherkreditrichtlinie (1987); Art. 2 Abs. 4 Verbraucherkreditrichtlinie (1987). 160 Art. 7 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie; vgl. auch § 475 BGB. 161 Art. 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. 162 Art. 5 Abs. 1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. 163 Art. 5 Abs. 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. 164 Staudenmayer, in: Grundmann/Medicus/Rolland (Hrsg.): Europ. Kaufgewährleistungsrecht, S. 27 (S. 27, 28).

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um den Verbraucher vor den mit der Teilnahme am Rechtsverkehr üblicherweise verbundenen Geschäftsrisiken zu schützen.165 Dabei können weder die ökonomischen Grundfunktionen von Gewährleistungsregeln (Versicherung gegen Produktfehler166, Signalisierung von Qualität167 und Anreizschaffung zur Risikominimierung168) noch der Aspekt der Risikominimierung durch Verhinderung negativer Externalitäten zu Lasten der Allgemeinheit oder der »Gruppe« der Verbraucher169 einen ausreichenden Rechtfertigungsgrund zur Einschränkung der formalen Vertragsfreiheit bieten. Widersprüchlich ist vor allem die weitgehende Anlehnung an das UN-Kaufrecht170, das seinerseits ausschließlich den zweiseitigen Handelskauf im grenzüberschreitenden Verkehr betrifft.171 Die Orientierung an dem UN-Kaufrecht erstaunt bereits deshalb, weil das CISG im Gegensatz zum Verbrauchsgüterkauf gerade für Konstellationen konzipiert ist, in denen man die geringsten Schutzbedürfnisse vermuten würde.172 Mit seiner bescheidenen praktischen Relevanz ist es im Gegensatz zum Verbrauchsgüterkauf eher als »internationales, hervorragend dokumentiertes Modell« denn als »angewandtes und gelebtes Einheitsrecht in den großen Industrienationen« konzipiert.173 Trotz dieser Divergenzen sind die inhaltlichen Abweichungen der Richtlinie nur auf wenige Punkte beschränkt. Verstärkt wird die Absurdität des Gleichlaufs, indem die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie – anders als das CISG – durchgehend zwingend ausgestaltet ist, was auch aus Leitbildperspektive den größten Inkompatibilitätsfaktor darstellt (Art. 6 CISG).174 Die dadurch bedingten Freiheitsrestriktionen machen sich nicht nur im Rahmen des üblichen Kaufvertrages, sondern auch bei Tausch- und Werklieferungsverträgen (§§ 474 ff. BGB

165 U. Neumann, Der persönliche Anwendungsbereich vertraglicher Schutzvorschriften, 3. Kap. E. III. 6. b) bb) (S. 110); Mohr, AcP 204 (2004), 660 (687). 166 Grundmann, in: Grundmann/Bianca (Hrsg.): EU-Kaufrechtsrichtlinie, Einl. Rn. 73; Schwartze, Europäische Sachmängelgewährleistung beim Warenkauf, A. I. 1. a) (S. 29). 167 Grundmann, in: Grundmann/Bianca (Hrsg.): EU-Kaufrechtsrichtlinie, Einl. Rn. 74 ff.; Schwartze, Europäische Sachmängelgewährleistung beim Warenkauf, A. I. 1. a) (S. 28). 168 Grundmann, in: Grundmann/Bianca (Hrsg.): EU-Kaufrechtsrichtlinie, Einl. Rn. 78 ff.; Schwartze, Europäische Sachmängelgewährleistung beim Warenkauf, A. I. 1. a) (S. 27). 169 Collins, Regulating Contracts, Part 1–2. (S. 23, 24). 170 Vgl. zum Grad der Deckungsgleichheit mit dem CISG: Staudenmayer, in: Grundmann/Me-dicus/Rolland (Hrsg.): Europ. Kaufgewährleistungsrecht, S. 27 (S. 31 ff.); Magnus, in: Grundmann/Medicus/Rolland (Hrsg.): Europ. Kaufgewährleistungsrecht, S. 79 (S. 83 ff.); ders., in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht A 15 Vorbem. Rn. 11 ff. 171 Vgl. Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 lit. a CISG). 172 Grundmann, in: Grundmann/Bianca (Hrsg.): EU-Kaufrechtsrichtlinie, Einl. Rn. 6. 173 Grundmann, in: Grundmann/Bianca (Hrsg.): EU-Kaufrechtsrichtlinie, Einl. Rn. 5. 174 Art. 7 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie; vgl. auch § 475 BGB.

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i. V. m. § 480 BGB bzw. § 651 BGB) sowie – kraft EG-rechtlicher Vorgaben – bei Sukzessivlieferungsverträgen bemerkbar.175 b) Fehlende Schutzsituation und Missachtung des Wettbewerbsvorrangs Indem die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie offensichtlich davon ausgeht, dass der vollständige Ausschluss der Dispositionsfreiheit (neue Verbrauchsgüter) bzw. die nur eingeschränkte Ausschlussmöglichkeit der Verkäuferhaftung (gebrauchte Verbrauchsgüter) erforderlich sei, um ein bestimmtes Markt- bzw. Wettbewerbsversagen zu nivellieren176, missachtet sie den Subsidiaritätsgedanken, wonach der Ausgleich von Marktmachtdiskrepanzen eigentlich nicht Aufgabe des Verbraucherrechts ist.177 Die Richtlinienbestimmungen intervenieren unabhängig davon in den frei verhandelten Vertragsmechanismus, ob der Verbraucher infolge von Marktmachtdiskrepanzen, intellektueller Defi zite, besonderer Vertragskomplexität oder einer spezifischen Situationsgefahr überfordert sein könnte.178 Eine Fokussierung auf solche Vertriebssituationen, die einem wettbewerblichen Bereinigungsprozess typischerweise nicht zugänglich sind, lässt die Richtlinie vermissen. Statt dessen schützt sie den Verbraucher nicht spezifisch davor, durch irrationale objektive Aspekte in der Vertragsabschlussentscheidung beeinflusst zu werden, sondern drängt ihm situationsunabhängig bestimmte Gewährleistungsversicherungen wie die auf zwei Jahre angelegte »Zwangsversicherung gegen Sachmängel« auf.179 In sachlicher Hinsicht bezieht sich die Richtlinie sogar auf modisch und technisch schnell veraltete Waren, bei denen der Verbraucher aus eigenem Antrieb keine hohe Zahlungsbereitschaft für eine Gewährleistungsversicherung zeigen würde.180 Selbst gebrauchte Güter – also Antiquitäten im weiteren Sinne (Kunst, Sammlerstücke, Bücher und Juwelen) – fallen in ihren Anwendungsbereich, bei denen die Mängelgewährleistung funktionslos ist, weil nicht Verlässlichkeit, Funktionstüchtigkeit oder Brauchbarkeit für bestimmte Zwecke, 175 Vgl. zur Richtlinienvorgabe hinsichtlich von Werklieferungsverträgen: Art. 1 Abs. 4 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie; im Übrigen: Luna Serrano, in: Grundmann/Bianca (Hrsg.): EU-Kaufrechtsrichtlinie, Art. 1 Rn. 14 ff.; Magnus, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht A 15 Art. 1 Rn. 5 ff. 176 Martinek, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 511 (S. 544); Mohr, AcP 204 (2004), 660 (687). 177 Kleindiek, in: Hommelhoff/Jayme/Mangold (Hrsg.): Europ. Binnenmarkt: IPR und Rechtsangleichung, S. 297 (S. 302, 303). 178 Schwartze, Europäische Sachmängelgewährleistung beim Warenkauf, A. III. 1. a) aa) (S. 339). 179 Schwartze, Europäische Sachmängelgewährleistung beim Warenkauf, A. III. 1. a) cc) (S. 348, 349); vgl. Mestmäcker, Recht und ökonomisches Gesetz, IV. 1. (S. 374); Schäfer, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 559 (S. 565). 180 Schäfer, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 559 (S. 565).

§ 23 Leitbildkongruenz des Verbrauchervertragsrechts

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sondern Authentizität und Wert entscheidend sind.181 War es vormals geradezu verkehrsüblich, dass der Verbraucher beim Kauf gebrauchter Immobilien und Fahrzeuge freiwillig einen Gewährleistungsverzicht einging und daraus Vorteile zog182 (indem er unter bewusster Inkaufnahme des Risikos, etwaige Mängel auf eigene Kosten zu beseitigen, einen erheblich geringeren Kaufpreis vereinbarte183), schneidet die Richtlinie diese Möglichkeit jetzt ab.184 Die Richtlinie überschreitet die Grenzen objektiver Leitbildkongruenz, indem sie keinen Raum mehr für eine dispositive Wahlmöglichkeit belässt, mit welcher der Verbraucher die eigene Nutzungsintensität und seine Qualitätserwartungen unter Rückgriff auf heterogene Maßstäbe an Informationsasymmetrien befriedigen könnte.185 IV. Leitbildkonvergenz der subjektiven Geltungsbereichseingrenzung (b2c) Sieht man von der Leitbildüberschreitung durch die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ab, lässt sich zusammenfassend die Zwischenbilanz ziehen, dass der Mehrzahl der Verbraucherrichtlinien ein ausreichender Schutzauslöser zugrunde liegt, der in objektiver Hinsicht eine Einschränkung formaler Freiheitspositionen zugunsten einer materialen Freiheitsförderung der schwächeren Vertragspartei rechtfertigt. Um die Leitbildkontrolle zu vervollständigen, stellt sich in Bezug auf die Verbraucherrichtlinien allerdings die Folgefrage, ob ihre Regelungen auch im Übrigen als leitbildgemäße Umsetzung eingestuft werden können, was zusätzlich voraussetzt, dass auch die subjektive Abgrenzung des jeweiligen Geltungsbereichs das Übermaß- bzw. Untermaßverbot wahrt.

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Grundmann, in: Grundmann/Bianca (Hrsg.): EU-Kaufrechtsrichtlinie, Einl. Rn. 94. Basedow, in: Cian (Hrsg.): I cento anni del codice civile tedesco, S. 331 (S. 333, 334); Martinek, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 511 (S. 537); Grziwotz, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.): Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 477 (S. 477 ff.). 183 U. Neumann, Der persönliche Anwendungsbereich vertraglicher Schutzvorschriften, 3. Kap. E. III. 6. b) bb) (S. 111); G. Monti, ERCL 3 (2007), 295 (296, 297); Heiderhoff, ELRev 32 (2007), 740 (747); aus der Perspektive des englischen Vertragsrechts: Collins, Regulating Contracts, Part 4–11. (S. 259). 184 Zur Wirksamkeit des Gewährleistungsausschlusses bei Vortäuschung eines gewerblichen Verwendungszwecks: BGH – Urteil v. 22. 12. 2004, Az.: VIII ZR 91/04 – NJW 58 (2005), 1045 (1045 ff.); vgl. auch: Junker, DZWir 7 (2007), 271 (279). 185 Martinek, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 511 (S. 537 ff.); Grundmann, in: Grundmann/Bianca (Hrsg.): EU-Kaufrechtsrichtlinie, Einl. Rn. 124. 182

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5. Kapitel: Typisierungskonvergenz des Handels- /Verbraucherrechts

1. Persönliche Geltungsbereichsbegrenzung der Haustürgeschäfterichtlinie Was die subjektive Geltungsbereichsabgrenzung der Haustürgeschäfterichtlinie anbelangt (b2c), übt die Literatur teilweise Kritik.186 So ist Lorenz etwa der Ansicht, dass der nicht geschäftsmäßig Handelnde in ähnlicher Weise wie ein Unternehmer an Geschäftsgewandtheit überlegen sein könne, sodass es für die Schutzbedürftigkeit des Kunden hinsichtlich der für ihn unerwarteten Vertragssituation keinen Unterschied mache, ob er einem geschäftsmäßig Handelnden oder einem Privaten gegenüberstehe.187 Korrespondierend wirft er die Frage auf, ob nicht auch geschäftsmäßig Handelnde auf der Nachfrageseite geschützt werden sollten. Denn zwischen gewitzten Vertretern und Kleingewerbetreibenden könnten in ähnlicher Weise ungleiche Verhandlungslagen und Überrumpelungseffekte hervorgerufen werden.188 Zudem hält er es für widersprüchlich, dass Existenzgründer nur im Rahmen von Verbraucherkrediten, nicht jedoch bei Haustürgeschäften zu den schutzwürdigen Personen zählten.189 Durch Forderungen wie diese wird jedoch vernachlässigt, dass die subjektive Abgrenzung mit dem objektiven Situationszuschnitt in einem inneren Korrelationsverhältnis steht. In diesem Sinne würden mit jeder Ausweitung des persönlichen Anwendungsbereichs der Haustürgeschäfterichtlinie unsachgemäße Freiheitseinschränkungen einhergehen.190 Einerseits wäre es unbillig, einem Kunden gegenüber einem geschäftlich unerfahrenen Verbraucher ein Widerrufsrecht einzuräumen.191 Andererseits wäre das handelsrechtliche Bedürfnis nach Verkehrserleichterung tangiert, wenn auch Unternehmer als Abnehmer die Möglichkeit zum Widerruf hätten.192 Lorenz selbst argumentiert bei der Frage, warum der Anbieter es verdient, dem Schwebezustand des Widerrufsrechts ausgesetzt zu sein, mit dem Risikoprinzip bzw. mit dem Grundgedanken der Gefährdungshaftung.193 Maßgeblich für die Legitimität des Widerrufsrechts sei allein die von dem Anbieter ausgehende beherrschbare Gefährdung der Entscheidungsfreiheit des anderen Teils.194 Gerade der Maßstab der Risikoverteilung zeigt jedoch besonders anschaulich die Unverhältnismä186 Zur generellen Kritik an dem Verbraucherbegriff: F: Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 4. Hteil. V. 5. d) h’) (S. 766). 187 Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 4. Kap. § 2 I. 4. c) (S. 144). 188 Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 4. Kap. § 2 I. 4. c) (S. 145). 189 Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 4. Kap. § 2 I. 4. c) (S. 145). 190 Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 9 II. 2. b) (S. 401, 402). 191 U. Neumann, Der persönliche Anwendungsbereich vertraglicher Schutzvorschriften, 3. Kap. E. III. 1. b) gg) (S. 88). 192 U. Neumann, Der persönliche Anwendungsbereich vertraglicher Schutzvorschriften, 3. Kap. E. III. 1. b) gg) (S. 88). 193 Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 4. Kap. § 2 I. 5. (S. 164). 194 Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 4. Kap. § 2 I. 5. (S. 164, 165).

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ßigkeit, die mit einer Risikoaufbürdung an einen nichtkommerziellen Anbieter bzw. einer kompletten Risikofreistellung eines gewerblichen Nachfragers verbunden wäre. Dass gerade Haustürsituationen für b2c-Zusammenstellungen prädestiniert sind, lässt sich bereits aus dem Primärrecht deduzieren. So hat der EuGH in einem Urteil zur Warenverkehrsfreiheit den Verbraucherbegriff bei einem Haustürverkauf gerade auch deswegen bejaht (Buet/Ministère Public), weil »[d]er potentielle Kunde . . . zu einer Kategorie von Personen [gehörte], die aus dem einen oder anderen Grund einen Bildungsrückstand ha[tt]en, den sie aufholen woll[t]en«. Im Speziellen dieser Umstand mache die abnehmende Person »besonders schutzlos gegenüber Verkäufern von pädagogischem Material, die sie davon zu überzeugen versuch[t]en, daß die Benutzung dieses Materials ihnen eine berufl iche Zukunft sicher[e]«.195 Obwohl ein zentraler Schutzgrund bei Haustürgeschäften sicherlich in der objektiven Situationsgefahr des »haustürgeschäftlichen« Direktvertriebs liegt196, lassen sich die vorgenannten Leitbildaussagen des EuGH auch auf die b2c-Fokussierung übertragen. Zumindest implizit deutet der EuGH an, dass eine Überrumpelung regelmäßig weitaus weniger wahrscheinlich ist, wenn kein persönlich defi niertes Gefälle an professioneller Erfahrung und Kompetenz zwischen Anbieter und Kunde existiert. Besonders deutlich wird die Leitbildkonvergenz der b2c-Begegnung einschließlich ihres korrelaten Bezugsverhältnisses zur schutzauslösenden Haustürsituation schließlich in dem Rechtsprechungswandel des BGH zum Haustürwiderrufsschutz von akzessorischen Sicherheiten. So hatte der IX. Zivilsenat im Anschluss an das EuGH-Urteil Dietzinger 197 zunächst noch entschieden, dass ein Bürgschaftsvertrag, der zur Absicherung eines gewerblichen Kredits geschlossen wird, kein Geschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 HWiG a. F. sei.198 Diese primär positivrechtlich bedingte Desorientierung der Rechtsanwendung wurde in der Literatur heftig anhand von »Leitbildargumenten« kritisiert.199 195 EuGH – Buet/Ministère Public – Urteil v. 16. 05. 1989, Rs. 382/87 – Slg. 1989, 1235 Tz. 13. 196 U. Neumann, Der persönliche Anwendungsbereich vertraglicher Schutzvorschriften, 3. Kap. E. III. 1. b) ff) (S. 87, 88); Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 7 Rn. 205 (S. 97). 197 EuGH – Bayerische Hypo/Dietzinger – Urteil v. 17. 03. 1998, Rs. C-45/96 – Slg. 1998, I-1199. 198 BGH – Urteil v. 14. 05. 1998, Az.: IX 56/95 – BGHZ 139, 21 (21 ff.). 199 Ann, in: Bamberger/Roth (Hrsg.): BGB-Kommentar, § 312 Rn. 8; Allstadt-Schmitz, in: Ebenroth/Boujong/Joost (Hrsg.): HGB-Kommentar, BankR IV Rn. 522; Auer, ZBB 11 (1999), 161 (168); Canaris, AcP 200 (2000), 273 (353, 354); Drexl, JZ 53 (1998), 1046 (1055 ff.); Horn, ZIP 22 (2001), 93 (94); Kulke, JR 1999, 485 (491 ff.); Lorenz, NJW 51 (1998), 2937 (2939, 2940); Medicus, JuS 39 (1999), 833 (836, 837); Pfeiffer, ZIP 19 (1998), 1129 (1137); Reinicke/Tiedtke, ZIP 19 (1998), 893 (894 ff.); Riehm, JuS 40 (2000), 138 (143); Treber, WM 52 (1998), 1908 (1918, 1919); Knops, in: Derleder/Knops/Bamberger

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5. Kapitel: Typisierungskonvergenz des Handels- /Verbraucherrechts

Es wurde zu Recht als willkürlich empfunden, dass bürgenden Verbrauchern je nachdem, ob der Hauptschuldner ebenfalls in einer b2c-Konstellation stand oder nicht, Widerrufsschutz gewährt oder versagt wurde. Vor dem Hintergrund, dass die Situationsgefahr des Bürgen unabhängig davon präsent ist, »ob die Hauptschuld ein Verbraucherdarlehen oder ein gewerblicher Kredit ist und ob der Hauptschuldner ebenfalls durch eine Haustürsituation zum Vertragsschluß bestimmt worden ist«200, hat der XI. Zivilsenat des BGH dem Verbraucherleitbild letztlich nun doch wieder zum Durchbruch verholfen, indem trotz Sicherheitenakzessorietät in Zukunft ausschließlich auf die b2cHaustürsituation im Bürgschaftsverhältnis abzustellen sein wird 201. 2. Die Beschränkung auf b2c-Situationen bei Fernabsatzgeschäften Ähnlich wie Lorenz im Hinblick auf die Haustürgeschäfterichtlinie gibt auch Remien im Hinblick auf die Fernabsatzrichtlinie zu bedenken, dass »die Position des bestellenden Kaufmanns oder Unternehmers identisch mit der des Verbrauchers« sei. Die Bereichseingrenzung der Richtlinie auf Verbraucher hält er daher schon fast für willkürlich. 202 Selbst dieser Beurteilung ist jedoch entgegen zu treten. Zwar bestehen die situativen Gefahren des Fernabsatzes, insbesondere die fehlende Möglichkeit, den Vertragsgegenstand vor Abschluss des Vertrags zu sehen, unabhängig von der individuellen Geschäftskapazität des Kunden. Professionelle Abnehmer schließen Geschäfte typischerweise aber in voller Kenntnis ihrer Tragweite ab, zumal in b2b-Konstellationen selbst Fernabsatzgüter oftmals mit einer gewissen Regel- wenn nicht sogar Massenhaftigkeit bezogen werden. Darüber hinaus ist auch in allen übrigen Fällen einem Abnehmer, der über professionelle Geschäftserfahrung im jeweils betroffenen Absatzsegment verfügt, eher zuzumuten, selbstständig für die Informationsakquise bezüglich Vertragspartner und Vertragsgegenstand zu sorgen. 203 Auch ökonomisch lässt sich dies begründen, weil sich allein bei Unternehmern wegen der »Vielzahl gleichartiger Geschäfte« ein »größerer Aufwand bei der (auch juristischen) Vorbereitung lohnt«. 204 Vor allem dem im professi(Hrsg.): Hdb. für deutsches und europäisches Bankrecht, § 20 Rn. 64 (S. 597, 598); a. A.: Vowinckel, DB 54 (2002), 1362 (1364). 200 BGH – Urteil v. 10. 01. 2006, Az.: XI ZR 169/05 – BGHZ 165, 363 (367). 201 BGH – Urteil v. 10. 01. 2006, Az.: XI ZR 169/05 – BGHZ 165, 363 (367, 368); vgl. auch: BGH – Urteil v. 02. 05. 2007, Az.: XII ZR 109/04 – NJW 60 (2007), 2110 (2111). 202 Remien, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 107 (S. 114). 203 Zur Widerrufsbelehrungspfl icht eines geschäftsmäßigen Anbieters über e-bay: OLG Karlsruhe – Urteil v. 27. 04. 2006, Az.: 4 U 119/04 – WRP 52 (2006), 1038 (1038 ff.); LG Hannover – Beschluss v. 15. 04. 2005, Az.: 18 O 115/05 – WRP 51 (2005), 1194. 204 S. Klauer, Das europäische Kollisionsrecht der Verbraucherverträge, 1. Kap. III. 1. (S. 24)

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onellen Geschäftsverkehr bestehenden Bedürfnis nach Leichtigkeit und Schnelligkeit der Geschäftsabwicklung würde es letztlich aber widersprechen, die Informationspfl ichten und das Widerrufsrecht im Fernabsatz auch auf Berufsträger als Abnehmer von Fernabsatzprodukten auszuweiten. 205 Vielmehr machen es der fehlende Individualschutzbedarf des Unternehmers und das Beschleunigungsinteresse des professionellen Handelsverkehrs geradezu notwendig, fernabsatzgeprägte Zuliefergeschäfte in b2b-Verhältnissen mit sofortiger Wirkung auszustatten, ohne besondere Informationspfl ichten zwingend vorzuschreiben. 206 Ähnlich unverhältnismäßig wäre es auf der anderen Seite, auch nichtunternehmerischen Anbietern in gleicher Weise die qualifi zierten Sorgfalts- und Risikoübernahmepfl ichten der Richtlinie aufzuerlegen. Denn auch im Fernabsatz lassen sich Rechtskenntnisse, welche auf Anbieterseite die Entstehung eines schutzwürdigen Vertrauens in die Bindungswirkung des Vertrags ausschließen (also die Erfüllung umfassender Informationspfl ichten rechtfertigen), nur dann unterstellen, wenn ein professioneller Veräußerer tätig wird. 207 3. Die persönliche Leitbildtreue der Verbraucherkreditrichtlinie Im Ergebnis nicht anders zu bewerten ist die persönliche b2c-Fokussierung der Verbraucherkreditrichtlinie. Zwar resultiert auch hier der eigentliche Legitimationsimpuls für die Geltungsbereichseingrenzung nicht aus den persönlichen Verarbeitungsdefi ziten des Verbrauchers, sondern aus der spezifischen Komplexität des Verbraucherkredits, der bereits als Sachmaterie den Kreditnehmer ungeachtet seiner individuellen intellektuellen Fähigkeiten und Erfahrungen überfordert. Die Kompliziertheit der Vertragsmaterie bringt es zugleich aber auch mit sich, dass sich berufsbezogenes Spezialwissen und Routine bei dem Vertragsabschluss anders als bei sonstigen Verträgen besonders spürbar bemerkbar machen, mit der Folge, dass das Gegenübertreten von Unternehmern und Verbrauchern mit überdurchschnittlicher Intensität als ein Verstärker des fachspezifischen Erfahrungsgefälles in Erscheinung tritt. 208 Auch das Prinzip der volkswirtschaftlichen Arbeitsteilung ist an dieser Stelle anzuführen, nach dem der Einzelne nur auf den Gebieten Kompetenz erwirbt, auf die er sich mit seinen begrenzten Möglichkeiten spezialisiert. 209 Weil der 205 Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 11 IV. 3. d) cc) (S. 266). 206 U. Neumann, Der persönliche Anwendungsbereich vertraglicher Schutzvorschriften, 3. Kap. E. III. 5. b) (S. 108). 207 U. Neumann, Der persönliche Anwendungsbereich vertraglicher Schutzvorschriften, 3. Kap. E. III. 5. b) (S. 108). 208 Vgl. Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 7 Rn. 194 (S. 94); Enders, Neuerungen im Recht der Verbraucherdarlehensverträge, B. III. 2. (S. 80). 209 M. Neumann, in: Dichtl (Hrsg.): Verbraucherschutz in der Marktwirtschaft, S. 11 (S. 15).

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Konsum – und damit auch der Konsumentenkredit – aber von Natur aus unspezialisiert ist, wird der Verbraucher im Gegensatz zum professionellen Kreditgeber regelmäßig als Laie tätig. 210 Dementsprechend tritt die Verlockungswirkung des sofort verfügbaren Kapitals im Privatbereich in einem ganz anderen Gewand in Erscheinung als im Bereich der unternehmerischen Notwendigkeit. 211 Zusammen mit dem Umstand, dass von einem Privatmann nicht in gleicher Weise die Einhaltung der bis ins einzelne gehenden Form-, Inhalts- und Informationsanforderungen wie von einem Unternehmer erwartet werden kann, muss die b2c-Fokussierung auch im Bereich des Verbraucherkredits letztlich als leitbildgemäß eingestuft werden. 212 Ähnlich wie § 350 HGB den Formschutz der §§ 766, 780, 781 BGB bei Geschäften von Kaufleuten für entbehrlich hält, sieht auch die Verbraucherkreditrichtlinie weder Anlass noch Bedarf, die Detailregelungen des Verbraucherkredits auf b2b-Situationen auszudehnen. 213 Auf diese Weise berücksichtigt auch die Verbraucherkreditrichtlinie implizit die qualifi zierten Verkehrsbedürfnisse der professionellen Geschäftskreise, sodass sie als Komplementärabgrenzung zum Sonderbereich des Handelsvertragsrechts begriffen werden kann. 214 Leitbildbezogen macht dies deutlich, dass die Richtlinie im Grunde nicht nur das Leitbild des verständigen Durchschnittsverbrauchers umsetzt, sondern auch die gesteigerten Verkehrsbedürfnisse des professionellen Handelsverkehrs befriedigt (Unternehmerleitbild). 4. Die AGB-kontrollrechtliche Geltungsbereichseinschränkung Dagegen wirft die Klauselrichtlinie hinsichtlich ihrer subjektiven Leitbildkongruenz erst einmal die Frage auf, ob in ihrem Anwendungsbereich die b2c-Fokussierung nicht dem Umstand widerspricht, dass die persönlich indifferente Vertragsgestaltungsmacht des Verwenders der eigentliche Schutzauslöser der AGB-Kontrolle ist. 215 Wäre vor diesem Hintergrund nicht sämtlichen Verkehrsteilnehmern Schutz vor vorformulierten Vertragsklauseln einzuräumen? 210 M. Neumann, in: Dichtl (Hrsg.): Verbraucherschutz in der Marktwirtschaft, S. 11 (S. 15). 211 Canaris, AcP 200 (2000), 273 (350). 212 U. Neumann, Der persönliche Anwendungsbereich vertraglicher Schutzvorschriften, 3. Kap. E. III. 2. b) ff) (S. 95, 96); Elßner/Schirmbacher, VuR 18 (2003), 247 (250). 213 Vgl. U. Neumann, Der persönliche Anwendungsbereich vertraglicher Schutzvorschriften, 3. Kap. E. III. 2. b) ee) (S. 95); Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 7 Rn. 206 (S. 98). 214 Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 7 Rn. 192 (S. 93); vgl. zu den Argumenten während der Entstehung der Richtlinie: Hüttebräuker, Die Entstehung der EGRichtlinien über den Verbraucherkredit, E. I. 1. c) (S. 91). 215 Lieb, AcP 178 (1978), 196 (201–203); F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 4. Hteil. IV. 1. (S. 708); Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, § 9 II. 2. d) (S. 410 ff.); Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 7 Rn. 207 (S. 98).

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Im Ergebnis ist diese Frage nur teilweise zu bejahen. Denn auch im Hinblick auf die Abgrenzung des persönlichen Geltungsbereichs macht sich bei der Klauselrichtlinie die Unterscheidung zwischen »standard forms« und »adhesion terms« bemerkbar. Die Kontrolle von »standard forms«, d. h. von AGB, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind, bildet wegen des im Vergleich zu »adhesion terms« typischerweise größeren Informationsgefälles und Transparenzdefi zits ein berechtigtes Anliegen des gesamten Geschäftsverkehrs. In Fällen dieser Art arbeitet der Verwender üblicherweise mit professioneller Unterstützung fi ligrane Klauselwerke aus, die unter Berücksichtigung möglichst vieler Umstände hochgradig auf die eigenen Bedürfnisse abgestimmt sind. Da in diesen Konstellationen auch professionelle Abnehmer situativ überfordert und vor vollendete Tatsachen gestellt werden, erscheint der Anwendungsbereich der Richtlinie, was »standard forms« anbelangt, als zu eng. Lediglich über die Öffnungsklausel haben die Gesetzgebungsorgane der Mitgliedstaaten noch die Möglichkeit sicherzustellen, dass die Missbrauchskontrolle von »standard forms« leitbildkonform auf alle Marktteilnehmer für anwendbar erklärt wird. Abweichend stellt sich die Interessenlage dagegen in Bezug auf »adhesion terms« dar, bei denen die b2c-Fokussierung den Leitbildvorgaben wegen ihres geringeren Eingriffspotenzials zweifellos gerecht wird. Bei ihnen hat die Vorformulierung meist Vorschlagscharakter, das Transparenzgebot ist weniger stark tangiert und der Vertragspartner wird in Anbetracht der nicht so feingliedrigeren Ausarbeitung in geringerem Grade übervorteilt, sodass die persönliche Geltungsbereichsfokussierung der Missbrauchskontrolle regelrecht geboten erscheint. 216 Anhand der einzelnen Typenkonstellationen lässt sich dies veranschaulichen: Während bei Verträgen zwischen mehreren Verbrauchern vorformulierte Einmalklauseln an sich bereits eine Seltenheit sind, bilden sie im rein unternehmerischen Bereich einen durchaus üblichen Bestandteil des natürlichen Verhandlungsprozesses. Häufig werden im Rahmen standardisierter Vertragsverhandlungen zwischen mehreren Unternehmern vorformulierte Individualverträge gezielt eingesetzt, um maßgeschneiderte Regelungen für größere Transaktionen, insbesondere eingebettet in Dauerschuldverhältnisse, zu erlangen. Für beide Parteien ist die individuelle Überprüfung der vorformulierten Klauseln ökonomisch sinnvoll und unter Hinzuziehung professionellen Rechtsrates geradezu geschäftsüblich. Aus der Perspektive des Verbrauchers, der sich derartige Geschäftsgepflogenheiten im privaten Bereich nicht leisten kann bzw. will, geht von einem berufl ich tätigen Klauselverwender demzufolge eine gesteigerte Verwendungs216 Burckhardt, Das AGB-Gesetz unter dem Einfluss der EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, C. I. 2. a) (1) (S. 101, 102); a. A.: WellenhoferKlein, ZIP 18 (1997), 774 (779).

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5. Kapitel: Typisierungskonvergenz des Handels- /Verbraucherrechts

gefahr aus. Selbst in dem seltenen Fall, in dem ein Verbraucher als »Klauseleinmalverwender« auftritt, ist der Unternehmer von vornherein einer geringen Überrumpelungsgefahr ausgesetzt. Von ihm kann eher als von einem privat handelnden Abnehmer erwartet werden, dass er sich auf die Verwendung vorformulierter Einmalklauseln einstellt und in der Lage ist, ihren Inhalt zu durchschauen. 217 Lohnt sich für einen Verbraucher die eigenverantwortliche Klauselüberprüfung nur selten, ist zwischen Unternehmern das Wechselspiel zwischen individueller Vorformulierung, eigenverantwortlicher Überprüfung und einzelfallbezogener Gegenformulierung nicht nur freiheitsbewahrend, sondern geradezu rentabel. 218 Um die Abstufung zu vervollständigen, hätten wohl auch andere Konstellationen, in denen die Missbrauchsgefahr der Vorformulierung weniger augenscheinlich oder gar nicht in Erscheinung tritt (z. B. Vorformulierung durch einen neutralen Dritten), über einschränkende Sonderregelungen berücksichtigt werden sollen. 219 Jedenfalls »adhesion terms« betreffend hätte jede persönliche Geltungsbereichsausweitung zu unverhältnismäßigen Freiheitsbeschränkungen geführt. 220 5. Die Bereichsbegrenzung der Timesharingrichtlinie auf b2c-Situationen Ein ähnliches Zusammenspiel zwischen sachlicher und persönlicher Abgrenzung ist im Hinblick auf die Timesharingrichtlinie zu konstatieren. Auch wenn § 311b BGB sachbereichsverwandt zum Timesharing das beste Beispiel für eine Konstellation liefert, in der »jeder vor jedem« Schutz verdient, ruft die b2c-Fokussierung der Timesharingrichtlinie wegen ihres abweichenden Situationsausschnitts keine Bedenken hervor. Vielmehr ist auf der Seite des Veräußerers eine Beschränkung auf Unternehmer schon deshalb erforderlich, weil nur Personen, die über eine professionell geprägte rechtsgeschäftliche Erfahrung verfügen, zuzumuten ist, den umfassenden Informationspfl ichten der Richtlinie nachzukommen. Vor dem Hintergrund, dass gerade zwischen Unternehmern die Timesharinginstrumente dem professionellen Bedürfnis nach Verkehrserleichterung zuwiderlaufen würden 221, ist aber auch die nachfrageseitige Beschränkung auf Verbraucher leitbildkongruent. Denn professionelle

217 K. Simitis, Verbraucherschutz, Schlagwort oder Rechtsprinzip?, II. Kap. 4. (S. 43, 44); F. Bydlinski, FS für von Kastner (70. Gebtg.), S. 45 (S. 47). 218 Lemmer, Die EG-Richtlinie über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 3. Kap. A. III. 1. a) (S. 74). 219 Vgl. Frie, Die Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, B. IV. 1. a) (S. 30); Limmer, in: RheinNotarK (Hrsg.): Notar und Rechtsgestaltung, S. 15 (S. 46 ff.). 220 Ulmer, EuZW 4 (1993), 337 (343); Hommelhoff/Wiedenmann, ZIP 14 (1993), 562 (571). 221 U. Neumann, Der persönliche Anwendungsbereich vertraglicher Schutzvorschriften, 3. Kap. E. III. 4. b) (S. 105).

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Nachfrager laufen weniger als Verbraucher Gefahr, Opfer einer missbräuchlichen Inanspruchnahme der Vertragsfreiheit zu werden. Zwischen mehreren Verbrauchern könnte Timesharing zwar theoretisch dadurch realisiert werden, dass sich eine kleine Gruppe von Privatpersonen beispielsweise auf eigene Initiative zu der gemeinsamen Nutzung einer Ferienwohnung zusammenschließt. Aus Leitbilderwägungen dürfte es aber bereits an einem praktischen Bedarf fehlen, diese Form des c2c-Timesharing in den Anwendungsbereich der Richtlinie einzubeziehen. Wird Timesharing überhaupt in c2c-Konstellationen praktiziert, werden die Verträge meist individuell ausgehandelt. 222 Ebenfalls individuell verhandelt werden die Verträge gewöhnlicherweise in b2b-Konstellationen, etwa wenn ein Unternehmer Timesharing-Anteile z. B. zwecks Veranstaltung von Seminaren oder Kongressen kauft. 223 Der unternehmerische Erwerber ist in diesem Fall nicht nur in der Lage, sich eigenverantwortlich in Kenntnis zu setzen, sondern kann auch mit dem Risiko besser umgehen, dass für das Timesharing ein funktionierender Markt für die Weiterübertragung der Nutzungsrechte de facto nicht besteht. 224 Demgemäß ist die b2c-Fokussierung auch aus dieser Perspektive leitbildgemäß. V. Ius cogens und Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung Welche Schlussfolgerungen lassen sich nun aber aus der sachlichen und persönlichen Leitbildkongruenz der Richtlinien (soweit vorhanden) im Hinblick auf ihre zwingende Ausgestaltung und ihre Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung ziehen? 1. Kompetenzüberschreitung durch die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie Zumindest was die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie anbelangt, ist die Evaluierung der Leitbildkongruenz auch in dieser Hinsicht ernüchternd: Der Richtliniengeber wäre nicht nur gut beraten gewesen, »auf eine marktkonforme Verbesserung der Transparenz beim Angebot von Waren und sonstigen Leistungen hinzuwirken«225, um dem Leitbild des informierten und verständigen Durchschnittsverbrauchers Rechnung zu tragen und einer Primärrechtswidrigkeit wegen Missachtung des Übermaßverbots entgegen zu wirken 226. Er hätte im Hinblick auf die objektiv und subjektiv zweckwidrige Geltungsbe222

Kelp, Time-Sharing-Verträge, 1. Kap. § 1 III. 1. d) (S. 26). Vgl. hierzu auch: Kelp, Time-Sharing-Verträge, 1. Kap. § 1 III. 1. d) (S. 25 Fn. 64). 224 Kelp, Time-Sharing-Verträge, 1. Kap. § 3 III. (S. 35, 36). 225 Martinek, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 511 (S. 543). 226 Grundmann, in: Grundmann/Bianca (Hrsg.): EU-Kaufrechtsrichtlinie, Einl. Rn. 33; ebenfalls kritisch: Kircher, ZRP 30 (1997), 290 (290 ff.). 223

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reichseingrenzung auch auf eine zwingende Ausgestaltung verzichten sollen. So wie verabschiedet ist die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie jedenfalls dem Leitbild eines denkbar unmündigen Verbrauchers verschrieben, dem es nicht zugetraut wird, etwa eigenmächtig über die zweijährige Verjährungsfrist und etwaige andere Haftungsansprüche (z. B. aus Kostengründen) zu verzichten. 227 Zudem erscheint auch die Wahrung der Kompetenzgrundlage zweifelhaft (Art. 95 EG), wenn man bedenkt, dass auch die Schaffung und Förderung des Binnenmarktes als zentrale Zielsetzung des EG-Vertrages in erster Linie auf eine Erweiterung der (Markt-) Freiheit und weniger auf deren Beschränkung angelegt ist. 228 2. Kompetenzwahrung und zwingende Ausgestaltung bei Haustürgeschäften Dagegen stehen die Regelungen der Haustürgeschäfterichtlinie, die in ihrer Veranlassung und Geltungsbereichsabgrenzung leitbildkongruent sind, auch mit den Kompetenzvorgaben des Art. 94 EG im Einklang. Durch die tatsächliche bzw. potenzielle Gefahr, dass die Mitgliedstaaten zwingende Vorschriften zum Schutz von Haustürgeschäften mit unterschiedlichen Auswirkungen erlassen bzw. beibehalten, konnte sich der Richtliniengeber veranlasst sehen, gegen diese mögliche Funktionsstörung des Gemeinsamen Marktes einzuschreiten. 229 Seine Einschätzungsprärogative hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung, die gerichtlich nur beschränkt überprüfbar ist, hat er dabei nicht überschritten. 230 Weil die Zielsetzungen der Richtlinie effektiv nur dadurch zu erreichen waren, dass das verbraucherseitige Widerrufsrecht nicht über rechtsgeschäftliche Ausschlussklauseln gleich wieder entzogen werden kann 231, ist auch die zwingende Ausgestaltung der Richtlinienbestimmungen leitbildkongruent. Zwar ist davon auszugehen, dass auch ohne den ius cogens-Charakter der Richtlinienvorgaben zumindest ein AGB-mäßiger Ausschluss des Widerrufsrechts wegen Abweichung von »wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung« (§ 307 Abs. 2 S. 1 BGB) als unwirksam zu erachten wäre. Nichtsdestotrotz bestünde in diesem Fall aber die Gefahr, dass der Unternehmer den Verbraucher außerhalb der §§ 305 ff. BGB über einen individuell ausgehandelten Widerrufsausschluss schutzlos stellen könnte; dabei würde die Ausschlussvereinbarung keinen geringeren Überrumpelungscharakter einnehmen als der eigentliche Vertragsabschluss. 227 Heiderhoff, Grundstrukturen des nationalen und europäischen Verbrauchervertragsrechts, 4. Kap. C. III. 5. b) aa) (S. 284); Mohr, AcP 204 (2004), 660 (686). 228 Ehmann/Rust, JZ 54 (1999), 853 (853, 854); a. A.: Magnus, in: Grabitz/Hilf, EUV/ EGV, Sekundärrecht A 15 Vorbem. Rn. 5 ff.; Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, 2. Teil § 5 III. 2.12 Rn. 10 (S. 291). 229 Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, 2. Teil § 5 II. 2.01 Rn. 6 (S. 149 ff.). 230 Kahl, in: C. Calliess/Ruffert, EUV/EGV-Kommentar, Art. 94 EGV Rn. 12. 231 Art. 6 Haustürgeschäfterichtlinie.

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Was dagegen die ius cogens-Ausweitung auf den kollisionsrechtlichen Bereich anbelangt, tritt die Haustürgeschäfterichtlinie leitbilddefi zitär dadurch in Erscheinung, dass eine Art. 5 EVÜ ergänzende – über Art. 29a EGBGB umzusetzende – IPR-Klausel für Haustürgeschäfte fehlt. Das daraus resultierende Schutzdefi zit dürfte sich in der Praxis allerdings nicht auswirken, sprechen Haustürgeschäfte den Verbraucher meistens doch in seiner Rolle als passiven, bereits von Art. 29 EGBGB geschützten Marktteilnehmer an. 232 3. Die zwingende Ausgestaltung durch die Fernabsatzrichtlinie Ähnlich wie bei der Haustürgeschäfterichtlinie bestehen auch bei der Fernabsatzrichtlinie keine Anhaltspunkte, dass ihre – in der Gesamtbetrachtung binnenmarktfördernden – Bestimmungen die Grenzen der Ermächtigungsgrundlage (Art. 95 EG) überschreiten. 233 Zudem ist auch hier die (halb-) zwingende Ausgestaltung leitbildkongruent, würde ohne den materiellrechtlichen ius cogens-Charakter ihrer Bestimmungen für den Verbraucher doch das Risiko bestehen, dass der Unternehmer ihm durch eine AGB- oder individualvertragliche Ausschlussvereinbarung den gesetzlich gewährten Informations- und Widerrufsschutz uno actu wieder nehmen könnte. Kollisionsrechtlich flankiert wird dieser Umgehungsschutz durch Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie, der den Mitgliedstaaten zur Auflage macht, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, »damit der Verbraucher den durch die[.] Richtlinie gewährten Schutz nicht verliert, wenn das Recht eines Drittlands als das auf den Vertrag

232 Die Folgen drohender IPR-Schutzlücken zeigt der EuGH in seiner Entscheidung Ingmar auf, in der er den Schutznormen der Handelsvertreterrichtlinie, die ebenfalls keine ausdrückliche IPR-Klausel enthält, eine Rechtswahlbeschränkung im Hinblick auf ein Drittstaatenrecht entnommen hat [EuGH – Ingmar/Eaton Leonhard – Urteil v. 09. 11. 2000, Rs. C-381/98 – Slg. 2000, I-9305 Tz. 25]. In der Literatur wird diese Entscheidung analog auf die Verbraucherrichtlinien ohne IPR-Klausel übertragen (Haustürgeschäfte-/ Verbraucherkreditrichtlinie). Zur dogmatischen Verankerung im nationalen Recht stützt sich die Literatur – teilweise zu weitgehend – auf das Eingreifen eines europäischen ordre public [Kropholler, Internationales Privatrecht, § 36 III. 2. c) (S. 250); vgl. Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, 5. Kap. G. III. 3 c) bb) (S. 204 ff.); Martiny, in: FS für Sonnenberger (70. Gebtg.), S. 523 (S. 523 ff.)], eines ungeschriebenen kollisionsrechtlichen Gebots [Staudinger, NJW 54 (2001), 1974 (1977); Schurig, FS für Jayme (70. Gebtg.), Bd. 1, S. 837 (S. 837 ff.); vgl. Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, 5. Kap. G. III. 3 b) dd) (S. 207)], oder auf die Ansicht, dass verbraucherrechtliche Vorschriften als Eingriffsnormen in Erscheinung treten [G. Fischer, FS für Großfeld (65. Gebtg.), S. 277 (S. 287 ff.); restriktiv bzgl. EG-Verbraucherrecht: Sonnenberger, IPRax 23 (2003), 104 (104 ff.); Stoll, FS für Jayme (70. Gebtg.), Bd. 1, S. 905 (S. 908); vgl. Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, 5. Kap. G. III. 3 b) aa) (S. 202 ff.)]. Diese Entwicklung kritisch beurteilend: Verhagen, ICLQ 51 (2002), 135 (135 ff.). 233 Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, 2. Teil § 5 II. 2.02 Rn. 7 (S. 227); vgl. hinsichtlich der Voraussetzungen von Art. 95 EG: Kahl, in: C. Calliess/Ruffert, EUV/ EGV-Kommentar, Art. 94 EGV Rn. 16 ff.

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anzuwendende Recht gewählt wurde und der Vertrag einen engen Zusammenhang mit dem Gebiet eines oder mehrerer Mitgliedstaaten aufweist«. 234 Die doppelte Rechtswahlbeschränkung, mit der neben dem üblichen IPRSchutz (Art. 29 EGBGB) auch die verbraucherschädliche Rechtswahl zu dem Recht eines EG- oder EWR-Drittstaates eingedämmt wird (Art. 29a EGBGB), hat bei Fernabsatzgeschäften zur Folge, dass neben die allseitige Verweisungsvorschrift klassischen Zuschnitts eine einseitige Sonderanknüpfung tritt, die ausschließlich das Verbrauchervertragsrecht der EG- bzw. der EWR-Mitgliedstaaten, nicht jedoch Drittstaatenverbraucherrecht für anwendbar erklärt. Aus Unternehmersicht kann dies vor allem zu einer Schlechterbehandlung von Unternehmern aus einem Drittstaat führen, was für diese – wenn ihre Rechtsordnung nur ein niedrigeres Verbraucherschutzniveau kennt – zu verbraucherschutzspezifischen Marktzugangsschranken führen kann. Aus Verbrauchersicht produziert die einseitige Verweisung des Art. 29a EGBGB dagegen einen homogenen Schutzgehalt, der unabhängig davon eingreift, wo der Verbraucher sich genau aufhält und wo der Fernabsatzvertrag jeweils geschlossen worden ist. 4. Das kollisionsrechtliche Umsetzungsdefizit bei Verbraucherkrediten Im Gegensatz dazu enthält die Verbraucherkreditrichtlinie als Besonderheit keine richtlinieninhärente IPR-Klausel, wenngleich ein entsprechender Schutz des Verbrauchers nicht bewusst ausgeschlossen werden sollte. 235 Damit ist der Kollisionsschutz im Verbraucherkredit vergleichsweise defi zitär ausgestaltet, zumal der Wortlaut des Art. 29 EGBGB »Finanzierungsgeschäfte« nicht erschöpfend berücksichtigt, sondern nur dann erfasst, wenn die Finanzierung eines Geschäfts über eine Warenlieferung oder die Finanzierung einer Dienstleistungserbringung betroffen ist. Weil auch unter die Vertragsnorm des Art. 5 EVÜ Kreditverträge nur insofern fallen, als sie u. a. der Finanzierung einer Dienstleistung dienen, können Verbraucherkredite – trotz des Dietzinger-Urteils des EuGH 236 – nicht ohne weiteres als Dienstleistungen begriffen werden. 237

234 Ob Art. 95 EG als Kompetenzgrundlage allerdings auch eine Harmonisierung kollisionsrechtlicher Regelungen zulässt, wird stritt behandelt; ablehnend: Frie, Die Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, E. II. 4. d) (S. 134). 235 S. Klauer, Das europäische Kollisionsrecht der Verbraucherverträge, 3. Kap. I. 2. b) (S. 169, 170). 236 EuGH – Bayerische Hypotheken- und Wechselbank/Dietzinger – Urteil v. 17. 03. 1998, Rs. C-45/96 – Slg. 1998, I-1199 Tz. 18; S. Klauer, Das europäische Kollisionsrecht der Verbraucherverträge, 3. Kap. I. 2. b) (S. 168 ff.). 237 Magnus, in: Staudingers Kommentar BGB, Art. 29 EGBGB Rn. 54; BGH – Urteil v. 13. 12. 2005, Az.: XI ZR 82/05 – BGHZ 165, 248 (248 ff.); G. Fischer, FS für Großfeld (65. Gebtg.), S. 277 (S. 278).

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Abhilfe wird in diesem Zusammenhang erst die im Dezember 2009 in Kraft tretende »Rom I«-Verordnung bringen. Sie wird mit Wirkung unter den EGMitgliedstaaten die geschützten Verbraucherverträge in Art. 5 »EVÜ« zukünftig nicht mehr einzeln aufführen, sondern grundsätzlich alle Verbraucherverträge (mit Ausnahme von Verträgen über im Ausland zu erbringende Dienstleistungen, bestimmte Beförderungsverträge und bestimte Verträge über dingliche Grundstücksrechte) erfassen. 238 Momentan ist der kollisionsrechtliche Umgehungsschutz in Bezug auf Verbraucherkredite allerdings noch defi zitär ausgestaltet, wohingegen für eine Überschreitung der Kompetenzgrenzen des Art. 94 EG in Anbetracht des Gesamtkonzepts der Richtlinie und der materiellrechtlich zwingenden Ausgestaltung kein Leitbildverstoß zu erkennen ist. 239 5. Binnenmarktkonvergenz der (Klausel-) Missbrauchskontrolle Anlass, von einer Überschreitung des durch Art. 95 EG eingeräumten Ermessensspielraums auszugehen, gibt auch die Klauselrichtlinie nicht. 240 Binnenmarktbezogen hat der Richtliniengeber die Harmonisierung in diesem Bereich dazu einsetzt, um gegen die Hindernisse vorzugehen, die Verbraucher aus Sorge vor unangemessenen Vertragsklauseln ausländischer Anbieter von einem Auslandseinkauf abhielten. Anlass hierzu war vorhanden, da zum Zeitpunkt des Richtlinienerlasses Umfragen in den Mitgliedstaaten ergeben hatten, dass 24% der Verbraucher im Jahre 1991 und 31% der Verbraucher im Jahre 1993 Ungewissheit im Zusammenhang mit AGB als wichtigsten Vorbehalt gegen Einkäufe im Ausland anführten. 241 Auch konzeptionell verstoßen die Bestimmungen der Richtlinie nicht gegen das Übermaßverbot, obwohl sie eigentlich zu der Generation der »jüngeren Verbraucherrichtlinien« zählt, die nicht nur einen höheren Verbraucherschutzstandard verkörpern, sondern auch kollisionsrechtlich flankierend zu der generellen IPR-Klausel (Art. 29 EGBGB) Verbraucherverträge mit Drittstaatenbezug spezifisch schützen (Art. 29a EGBGB).

238 Europäisches Parlament/Rat – Verordnung 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) – ABl. 2008 Nr. L 177 S. 6 (S. 11 f.); im Überblick: G.-P. Calliess, ZEuP 14 (2006), 742 (742 ff.); zum Reformbedarf im internationalen Verbrauchervertragsrecht: W.-H. Roth, in: FS für Sonnenberger (70. Gebtg.), S. 591 (S. 591 ff.). 239 Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, 2. Teil § 7 III. 4.10 Rn. 8 (S. 661, 662); zum Streit zwischen Europäischem Parlament und Kommission während der Verabschiedung der Richtlinie vgl.: Hüttebräuker, Die Entstehung der EG-Richtlinien über den Verbraucherkredit, C. I. c) (S. 21 ff.). 240 Pfeiffer, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht A 5 Vorbem. Rn. 9; Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, 2. Teil § 5 III. 2.10 Rn. 8 (S. 254). 241 Vgl. Pfeiffer, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht A 5 Vorbem. Rn. 2.

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Gesamtbetrachtend wird die Verhältnismäßigkeit dadurch gewahrt, dass das Nichtigkeitsverdikt stets ultima ratio eines im Einzelfall vorzunehmenden Abwägungsprozesses ist, bei dem neben der Art und Weise der Vertragsverhandlungen, des Kräfteverhältnisses zwischen den Vertragspositionen, der Art der Güter bzw. Dienstleistungen und dem Gebot von Treu und Glauben auch die Einwirkungsmöglichkeit des Verbrauchers auf den Klauselinhalt in die Bewertung mit einzubeziehen sind. 242 Nicht die verbraucherseitige Mündigkeit wird dadurch in Frage gestellt, sondern allein die fehlende Einflussmöglichkeit des Verbrauchers kompensiert. Ist dem Verbraucher dagegen die Möglichkeit zur Einwirkung eröffnet, wird ihm auch tatsächlich zugetraut, die eigenen Interessen selbstverantwortlich und mündig vertreten zu können. Unter Berücksichtigung der unbestimmten Rechtsbegriffe, die das Missbrauchsverbot aufweist, erlaubt die Klauselrichtlinie auf diese Weise auch eine flexible Berücksichtigung des jeweiligen Verkehrsteilnehmerprofi ls, gibt also die Möglichkeit, das »Leitbild des mündigen und informierbaren Verbrauchers« in der Gestalt umzusetzen, wie es die Grundfreiheiten vermitteln. 243 6. Die kollisionsrechtlich leitbilddefizitäre Ausgestaltung des Timesharing Wiederum ambivalent tritt die Timesharingrichtlinie in Erscheinung, bei welcher der ius cogens-Charakter einer differenzierten Betrachtung bedarf. Zwar durfte sich der Richtliniengeber auch hier gemäß Art. 95 EG veranlasst fühlen, die Unterschiede zwischen den mitgliedstaatlichen Vorschriften zu harmonisieren, welche »das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarktes . . . behindern sowie Wettbewerbsverzerrungen und eine Abschottung der einzelstaatlichen Märkte . . . bewirken«. 244 Denn auf Grund seiner grenzüberschreitenden Bezüge ist Timesharing laut statistischer Erhebungen zu rund 93% ein internationales Phänomen. 245 Fragt man dagegen, ob auch die materiell- und kollisionsrechtlichen Regelungen der Richtlinie im einzelnen in Anbetracht ihrer zwingenden Ausgestaltung leitbildgemäß sind, ist dem materiellrechtlichen ius cogens-Schutz bereits deshalb Leitbildwidrigkeit zu testieren, weil die inhaltliche Ausgestaltung der Informations- und Widerrufsbestimmungen unverhältnismäßig ist. 242

Erwägungsgrund 16 Klauselrichtlinie, Art. 3 und 4 Klauselrichtlinie. Pfeiffer, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht A 5 Vorbem. Rn. 24; so auch: Howells/Wilhelmsson, EC Consumer Law, Ziff. 9 (S. 316); vgl. auch: BGH – Urteil v. 12. 06. 2001, Az.: XI ZR 274/00 – BGHZ 148, 74 (81); Twigg-Flesner/Whilhelmsson, in: Acquis Group (Hrsg.): Contract I, Chapt. 2 Sect. 2 Art. 2: 202 Rn. 2 ff. (S. 81, 82). 244 Erwägungsgrund 1 Timesharingrichtlinie; vgl. auch: Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, 2. Teil § 7 II. 4.02 Rn. 7 (S. 636). 245 Kelp, Time-Sharing-Verträge, 1. Kap. § 4 IV. und 3. Kap. (S. 41 und S. 201); von Schwaller, Das Teilzeit-Wohnrechtsgesetz, 5. Kap. (S. 140); Mäsch, DNotZ 1997, 180 (205). 243

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Dagegen verdient der kollisionsrechtliche ius cogens-Schutz vor allem deswegen Kritik, weil weder EVÜ- noch richtlinienbezogen ein kohärentes Timesharingstatut vorhanden ist. 246 So ist bei Nichtvorliegen einer Rechtswahl (Art. 27 EGBGB) für das rein schuldrechtliche Timesharing meistens das am Ort der Belegenheit der Immobilie geltende Recht berufen (Art. 28 Abs. 3 EGBGB); im Einzelfall kann jedoch auch an den Niederlassungsort des Anbieters (Art. 28 Abs. 2 EGBGB) oder an ein anderes Recht (Art. 28 Abs. 5 EGBGB) anzuknüpfen sein. 247 Beim dinglich ausgestalteten Timesharing kommt hinsichtlich des Verfügungsgeschäfts eine Beurteilung nach der lex rei sitae in Betracht (Art. 43 Abs. 1 EGBGB). 248 In Bezug auf das gesellschaftsrechtlich ausgestaltete Timesharing ist aus deutscher Sicht wiederum die Sitztheorie heranzuziehen, vorausgesetzt das Ergebnis dieser Anknüpfung verletzt die EG-Niederlassungsfreiheit nicht (vgl. Art. 37 Nr. 2 EGBGB). 249 Eine Fortsetzung erfährt diese Uneinheitlichkeit auf der Ebene des Verbrauchertimesharingstatuts. Hier fi ndet Art. 29 EGBGB grds. keine Anwendung, weil wesentliche Vertragsleistung bei Timesharingverträgen die Überlassung einer Ferienimmobilie zum Gebrauch ist, sodass der Schwerpunkt der Vertragspfl ichten zumindest nicht in der Erbringung von Dienstleistungen an sich besteht. 250 Dagegen enthält Art. 29a Abs. 3 EGBGB für das Verhältnis zu Drittstaaten sogar eine Sonderverweisung.

Diese Kombination zwischen dem defi zitären (Verbraucher-) Kollisionsschutz nach Art. 29 EGBGB und der besonders ausgeprägten Sonderanknüpfung des Art. 29a EGBGB stößt in der Literatur auf berechtigte Kritik. 251 Vorgeworfen wird dem deutschen Gesetzgeber, dass er durch die großzügige Richtlinienumsetzung (Art. 29a EGBGB) nicht nur die durch das EVÜ gezogenen Grenzen überschritten (Art. 20 EVÜ) 252 , sondern auch gegen die Timesharingrichtlinie selbst verstoßen habe253. Zu einer Reduzierung der Kluft zwischen Art. 29a EGBGB und Art. 29 EGBGB wird letztlich aber die im Dezember 2009 in Kraft tretende »Rom I«-Verordnung beitragen, nach welcher zukünftig auch Timesharingverträge umfassend unter den Begriff der Verbraucherverträge gefasst werden (Art. 6 Rom I-VO). 254 246

Kelp, Time-Sharing-Verträge, 3. Kap. § 1 (S. 203 ff.). Kelp, Time-Sharing-Verträge, 3. Kap. § 1 I. 2. (S. 227 ff.). 248 Kelp, Time-Sharing-Verträge, 3. Kap. § 1 II. (S. 231, 232); Mankowski, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.): Internationales Vertragsrecht, 5. Teil F. III. 2. (Rn. 1083). 249 Kelp, Time-Sharing-Verträge, 3. Kap. § 1 III. (S. 232 ff.). 250 S. Klauer, Das europäische Kollisionsrecht der Verbraucherverträge, 3. Kap. I. 2. a) (S. 164 ff.); Kelp, Time-Sharing-Verträge, 3. Kap. § 1 I. 1. e) (S. 209 ff.); Lenz, Das TimeSharing, I. 6.2.1.3 (S. 54); Mankowski, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.): Internationales Vertragsrecht, 5. Teil F. II. 1. (Rn. 1071 ff.); vgl. auch: BGH – Urteil v. 19. 03. 1997, Az.: VIII ZR 316/96 – BGHZ 135, 124 (124 ff.). 251 Jayme, in: Hommelhoff/Jayme/Mangold (Hrsg.): Europ. Binnenmarkt: IPR und Rechtsangleichung, S. 35 (S. 38 ff.); Mankowski, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.): Internationales Vertragsrecht, 5. Teil F. V. (Rn. 1090 ff.). 252 Kelp, Time-Sharing-Verträge, 3. Kap. § 5 I. (S. 269 ff.). 253 Kelp, Time-Sharing-Verträge, 3. Kap. § 5 II. (S. 283 ff.). 254 Europäisches Parlament/Rat – Verordnung 593/2008 über das auf vertragliche 247

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B. Fehlende Rechtfertigung und Anpassungsbedarf In summa hat der vorstehende Überblick gezeigt, dass vor allem die Verbraucherrichtlinien der jüngeren Generation, in concreto die Timesharing- und Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, ein Leitbild zum Ausdruck bringen, das den Verbraucher als teilweise schutzbedürftiger einstuft, als das Primärrecht, respektive die Grundfreiheiten dies zuzulassen scheinen. Obwohl drohende Leitbildmodifi zierungen, die zusätzlich noch von den einzelnen Mitgliedstaaten über die Öffnungsklauseln der Verbraucherrichtlinien herbeigeführt werden können, im Rahmen der vorausgegangen Ausführungen nicht berücksichtigt wurden, könnten bei einer ins Detail gehenden Systemanalyse auch solche Modifi zierungen nicht unbehandelt bleiben. 255 Nur beispielhaft sei an dieser Stelle zu Demonstrationszwecken kurz angeschnitten, welche Leitbildüberschreitungen etwa der deutsche Gesetzgeber im Rahmen der Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie hervorgerufen hat. Durch Gebrauchmachen von der Öffnungsklausel (Art. 14) hat er die vor- und vertragsbegleitenden Informationspfl ichten auf eine Art und Weise ausgestaltet, welche die Grenzen der Leitbilderforderlichkeit überschreitet. Bemerkbar macht sich dies etwa bei der Pfl icht des Unternehmers, den Verbraucher vor Vertragsschluss über das Bestehen eines Vorbehalts aufzuklären, eine in Qualität und Preis gleichwertige Leistung zu erbringen bzw. die versprochene Leistung im Falle ihrer Nichtverfügbarkeit nicht zu erbringen. 256 Aufklärungspfl ichten wie diese gehen nicht nur über die Vorgaben der Fernabsatzrichtlinie hinaus, wozu bereits aus AGB-rechtlicher Sicht kein Anlass besteht (weil Änderungs- und Nichtverfügbarkeitsvorbehalte bereits nach § 308 Nr. 3, § 308 Nr.§ 8 i. V. m. § 305 Abs. 2 BGB nur dann Vertragsbestandteil werden, wenn der Unternehmer den Verbraucher bei Vertragsschluss auf die AGB hinweist und ihm die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von ihnen Kenntnis zu nehmen 257). Sie überschreiten auch die Zulässigkeitsgrenzen des Verbraucherleitbilds, indem sie den Unternehmer zwingen, über allgemeine Konditionen zu informieren, die keinerlei fernabsatzspezifi schen Aufklärungsbedarf befriedigen. 258 Ähnlich leitbildfremde Erwägungen hat der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung der nachvertraglichen Aufklärungs- und Perpetuierungspfl ichten angestellt. Zwar ist an der EG-rechtlich veranlassten Grundpfl icht, die elekSchuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) – ABl. 2008 Nr. L 177 S. 6 (S. 11 f.); im Überblick: G.-P. Calliess, ZEuP 14 (2006), 742 (742 ff.). 255 Vgl. Dreher, JZ 52 (1997), 167 (171); zur Kollision zwischen europäischem und nationalem Verbraucherleitbild vgl. auch: Micklitz, ZEuP 6 (1998), 253 (259). 256 Vgl. § 312c Abs. 1 Nr. 1 BGB i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 5 BGB-InfoV. 257 Vgl. H. Schmidt, in: Ulmer/Brandner/Hensen (Hrsg.): AGB-Recht, § 308 Nr. 8 BGB Rn. 1 ff. 258 Rünz, Verbraucherschutz im Fernabsatz, 2. Teil C. II. 5. a) cc) 3) (S. 92, 93).

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tronisch übermittelten Informationen für den Verbraucher archivierungsfähig und beständig zu machen, nichts auszusetzen. 259 An einem vernünftigen Sachgrund fehlt es aber etwa, wenn der deutsche Gesetzgeber dem Unternehmer auch zur Rechtspfl icht macht, den Verbraucher über die gesetzlichen Gewährleistungsrechte zu informieren. 260 Lässt sich die richtlinienbedingte Informationspfl icht hinsichtlich Garantiebedingungen noch dadurch rechtfertigen, dass der Verbraucher vertraglich begründete Rechte effektiv nur nutzen kann, wenn sie auch nach Vertragsschluss noch in Textform zur Verfügung stehen, erscheinen Dokumentationspfl ichten hinsichtlich der gesetzlichen Gewährleistungsrechte unverhältnismäßig. Denn auch beim Fernabsatz besteht keinerlei Anlass von dem Grundsatz abzuweichen, dass es in den Eigenverantwortungsbereich des Verbrauchers fällt, gesetzliche Mängelrechte in Erfahrung zu bringen. 261 I. Sachliche Rechtfertigung der Leitbilddiskrepanzen? Damit steht letztlich nicht nur hinsichtlich der jüngeren Verbraucherrichtlinien, sondern auch – wie vorstehend angedeutet – im Hinblick auf die mitgliedstaatlichen Schutzniveauerhöhungen das Verdikt der Leitbildwidrigkeit im Raum. 262 Ob eine Rechtfertigung dieser Leitbilddiskrepanzen über sachliche Erklärungsmodelle möglich ist, avanciert daher zu einer der zentralen Fragen. 1. Leitbildheterogenität und unterschiedlicher Systemzusammenhang Zwicker ist etwa der Meinung, dass das vom EuGH »entwickelte Verbraucherleitbild . . . natürlich zunächst einmal nur im Anwendungsbereich der Grundfreiheiten [gelte] und . . . keine darüber hinausreichenden [sic!] Geltung als universelle gemeinschaftsrechtliche Norm« habe. 263 Implizit macht er damit den jeweiligen Norm- und Systemzusammenhang für die sekundärrechtliche Leitbildabweichung verantwortlich. Zugutezuhalten ist diesem Ansatz, dass die Grundfreiheiten dem Binnenmarktprinzip in der Tat in einer anderen Funktion als das Sekundärrecht nützlich sind, was Unberath/Johnston sogar veranlasst, von einer »uneasy tension between negative and positive harmonization« zu sprechen. 264 So sollen die Grundfreiheiten deregulierend Verbrau259 Vgl. Erwägungsgrund 13 Fernabsatzrichtlinie; Art. 5 Fernabsatzrichtlinie; zum Umsetzung vgl. § 312c Abs. 2 BGB i. V. m. § 1 Abs. 2 und 3 BGB-InfoV. 260 § 312c Abs. 2 BGB i. V. m. § 1 Abs. 3 Nr. 3 BGB-InfoV. 261 Rünz, Verbraucherschutz im Fernabsatz, 2. Teil C. II. 5. a) gg) (S. 97). 262 Zur Entwicklung des abweichenden Verbraucherleitbilds des BGH, allerdings in lauterkeitsrechtlicher Hinsicht: Seiler, Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten, § 4 II. 2. c) (S. 166 ff.). 263 Zwicker, Das europäische Verbraucherleitbild bei Finanzdienstleistungen, § 5 I. 3. (S. 59). 264 Unberath/Johnston, CMLRev 44 (2007), 1237 (1253).

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cherschutzstandards abbauen, die in der Lage sind, zu Hemmnissen im zwischenstaatlichen Handelsverkehr zu führen. 265 Sie propagieren eine »Rechtsangleichung«, die von unten – nämlich von den Normadressaten – ausgeht (bottom up-Ansatz) 266, bei der das Verbraucherleitbild also einen Maßstab für die anvisierte Deregulierung bildet 267. Aufbauend auf der Vermutung, dass freier Handel dem Verbraucher am besten dient, fi ndet Verbraucherschutz lediglich als Bestandteil eines Rechtfertigungstatbestands und Gegenspieler einer »Negativ-Integration« Berücksichtigung. 268 In einem ähnlichen Deregulierungszusammenhang steht das Verbraucherleitbild, wenn die Auslegung (nicht jedoch der Erlass) von Sekundärrecht in Frage steht. 269 So geht der EuGH im Nissan-Urteil (Werberichtlinie) von einem verständigen Verbraucher aus, der durch eine Niedrigpreiswerbung für ein parallel importiertes Fahrzeug erst dann irregeführt wird, wenn nachgewiesen sei, dass eine erhebliche Zahl von Verbrauchern, an die sich die Werbung richte, ihre Kaufentscheidung getroffen hätten, ohne zu wissen, dass der niedrigere Preis aus dem geringeren Zubehörumfang parallel importierter Fahrzeuge resultiert. 270 Im Darbo-Urteil (Etikettierungsrichtlinie) führte der Gerichtshof aus, dass die Angabe »naturrein« auf dem Etikett einer Erdbeerkonfitüre nicht geeignet sei, den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher in die Irre zu führen, selbst wenn diese Konfitüre das auf dem Etikett aufgeführte Geliermittel Pektin sowie geringe Mengen eines Pestizids und der Umweltgifte Blei und Cadmium enthält. 271 Auch die Urteile Gut Springenheide und Sektkellerei Kessler (Legehennenverordnung, Schaumweinverordnung) lassen eine ausdrückliche Bezugnahme auf den »durchschnittlich informierte[n], aufmerksame[n] und verständige[n] Durchschnittsverbraucher« erkennen. 272

Mit einer sichtbar abweichenden Zielsetzung gelangt das Verbraucherleitbild dagegen beim Richtlinienerlass zum Einsatz. Hier geht es um die Rechtsangleichung von oben (top down-Ansatz) 273, bei der das Verbraucherleitbild zu einem Vehikel avanciert, um nationale Normen, selbst wenn sie Beschränkungspotenzial aufweisen, in harmonisierter Form zu konservieren 274. Im 265

Unberath/Johnston, CMLRev 44 (2007), 1237 (1245 ff.). Kirchner, in: Grundmann/Medicus/Rolland (Hrsg.): Europ. Kaufgewährleistungsrecht, S. 95 (S. 97). 267 Unberath/Johnston, CMLRev 44 (2007), 1237 (1240). 268 Weatherill, EU Consumer Law and Policy, Ziff. 2 (S. 39, 40); I. Klauer, Die Europäisierung des Privatrechts, 1. Kap. § 2 I. 3. (S. 8). 269 Hierzu etwa: Rüffl er, WBl 1998, 381 (381 ff.). 270 EuGH – Strafermittlungsverfahren gegen X – Urteil v. 16. 01. 1992, Rs. C-129/91 – GRUR Int. 1993, 951 (952). 271 EuGH – Verein gegen Unwesen in Handel und Gewerbe/Darbo – Urteil v. 04. 04. 2000, Rs. C-465/98 – Slg. 2000, I-2297 Tz. 33, 34. 272 EuGH – Gut Springenheide/Steinfurt – Urteil v. 16. 07. 1998, Rs. C-210/96 – Slg. 1998, I-4656 Tz. 37; Verbraucherschutzverein/Sektkellerei Kessler – Urteil v. 28. 01. 1999, Rs. C-303/97 – Slg. 1999, I-513 Tz. 38. 273 Kirchner, in: Grundmann/Medicus/Rolland (Hrsg.): Europ. Kaufgewährleistungsrecht, S. 95 (S. 97). 274 Unberath/Johnston, CMLRev 44 (2007), 1237 (1238 ff.). 266

§ 23 Leitbildkongruenz des Verbrauchervertragsrechts

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Rahmen dieser »Positiv-Integration« ist das Verbraucherleitbild normsystematischer Regelfall und nicht bloß rechtfertigungsbedürftige Ausnahme. 275 Es erwächst zum Maßstab zielgesetzter Angleichung, was den Richtliniengeber zugunsten größtmöglicher Harmonisierung veranlasst, im Zweifel stets von einem weniger verständigen Verbraucher auszugehen. In diesem Sinne wird der Verbraucherbegriff »teilweise mit dem Ziel verwendet . . ., bestehende nationale Restriktionen und Schutzmechanismen zurückzudrängen, teilweise aber auch mit der Begründung, liberale Mechanismen des jeweiligen Mitgliedstaates zu verschärfen«. 276 Rechtfertigen lässt sich die Existenz dieses normerlassbezogenen Sonderleitbilds allerdings nicht. Selbst aus Art. 95 Abs. 3 EG kann die Kreation eines eigenen richtlinienerlassbezogenen Verbraucherleitbilds nicht abgeleitet werden. Eingeführt wurde diese Vorschrift als vormaliger Art. 100a Abs. 3 EWGV a. F. durch die Einheitliche Europäische Akte mit Wirkung zum 1. Juli 1987 (Art. 18 EEA). Während in der Ursprungsfassung nur die Kommission in ihren Vorschlägen von einem hohen Verbraucherschutzniveau auszugehen hatte, wurde Art. 100a Abs. 3 EGV a. F. durch den Vertrag von Amsterdam um einen zweiten Satz ergänzt, der nunmehr auch das Europäische Parlament und den Rat entsprechend in die Pfl icht nimmt. 277 Standen am Maßstab der zeitlichen Abfolge betrachtet die vor der EEA verabschiedeten Verbraucherrichtlinien noch dem primärrechtlichen Leitbild nahe, scheinen die seit diesem Zeitpunkt erlassenen Richtlinien (vor allem zum Timesharing und zum Verbrauchsgüterkauf) den Verfall zum weniger verständigen Verbraucher zu demonstrieren. Selbst wenn in diesem Sinne für die Verwässerung des Verbraucherleitbilds die Änderungschronologie des heutigen Art. 95 Abs. 3 EG verantwortlich zu machen wäre, könnte allein durch diese Vorschrift die Divergenz zwischen dem grundfreiheitlichen und richtlinienbezogenen Personenbild letztlich nicht überbrückt werden. Denn selbst heute wird mit dem Terminus des »hohen Verbraucherschutzniveaus« lediglich im Sinne des Vorsorgeprinzips die Berücksichtigung aller auf wissenschaftlichen Ergebnissen gestützten Entwicklungen angemahnt; es wird jedoch nicht einmal nach der Einhaltung des höchsten Schutzniveaus innerhalb der EG und schon gar nicht nach einem den Grundfreiheiten widerstrebenden Schutzniveau verlangt. 278 Selbst nach seinem Bedeutungszuwachs enthält Art. 95 Abs. 3 EG daher keineswegs die Aussage, dass für den Bereich der Rechtsangleichung ein höheres bzw. ein anderes 275

Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, § 2 II. 5. d) (S. 126). Limmer, in: RheinNotarK (Hrsg.): Notar und Rechtsgestaltung, S. 15 (S. 21). 277 Vgl. hierzu: Schroeder, DVBl. 117 (2002), 213 (214, 215). 278 Vgl. Kahl, in: C. Calliess/Ruffert, EUV/EGV-Kommentar, Art. 95 EGV Rn. 27; Pipkorn/ Bardenhewer-Rating/Taschner, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.): EU/EG, Art. 95 EG Rn. 7; Tietje, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 95 EGV Rn. 74 ff. 276

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5. Kapitel: Typisierungskonvergenz des Handels- /Verbraucherrechts

Verbraucherschutzniveau als für den Bereich der primärrechtlichen Deregulierung (Grundfreiheiten) zu beachten wäre. Ganz im Gegenteil besteht auch heute die eigentliche Aufgabe der Schutzniveauklausel darin, ein einheitliches Leitbildverständnis im Vergleich zu den anderen Gemeinschaftspolitiken zu verfestigen, um dem Verbraucherleitbild in seinem primärrechtlich originären Zustand Gehör zu verschaffen. 2. Der Unternehmer als alleiniger Normadressat? Dieses Homogenitätsgebot sollte auch Steinwachs beachten, der den unterschiedlichen Verbraucherleitbildern anhand eines simplifi zierenden Perspektivenwechsels einfach keine Beachtung schenken will, weil sie im Grunde keine unterschiedlichen Personenbilder widerspiegelten. Normadressat sei im Verbraucherrecht allein der Unternehmer. Nur dem Unternehmer gegenüber bezweckten verbraucherrechtliche Normen eine Verhaltensänderung. Da aber sowohl der BGH als auch der EuGH in Bezug auf den Unternehmer gerade von einem einheitlichen Leitbild ausgingen, nämlich dem des homo oeconomicus, sei die Divergenz des Verbraucherleitbilds als unbeachtlich einzustufen. 279 Steinwachs fährt fort, dass sich verbraucherrechtliche Normen an den Verbraucher selbst entweder gar nicht richteten oder ihm ein Angebot eröffneten, etwa einen Anspruch geltend zu machen. 280 Folglich komme dem Verbraucherleitbild keine entscheidende Bedeutung zu: Es sei »[f]ür die mit einer Normsetzung verbundene Verhaltensänderungserwartung . . . gleichgültig, ob von einem besonders verantwortungsvollen oder eher besonders unkritischen Verbraucher ausgegangen w[e]rd[e]«. 281 Die übrige juristische Literatur ist zu Recht gegenteiliger Auffassung. Denn zum einen dürfte es bereits eine nicht belegbare Unterstellung sein, dass der Verbraucher kein Verhaltensänderungsadressat des Verbraucherrechts ist. Betrachtet man beispielsweise die zwingenden Vorschriften des Verbrauchsgüterkaufs, die auch den Verbraucher wegen ihrer Unabdingbarkeit tangieren, erscheint eine Einstufung des Verbrauchers als bloß reflexartigem Schutzobjekt der Rechtsordnung absurd. Vielmehr ist der Verbraucher unmittelbares Normsubjekt. 282 Selbst wenn man artifi ziell voraussetzte, dass der Unternehmer der einzige Verhaltensänderungsadressat des Verbraucherrechts wäre, könnte der Gegenstand der verbraucherrechtlich zu normierenden Verhaltensänderung jedenfalls nur anhand der Schutzbedürfnisse ermittelt werden, die das Leitbild des Verbrauchers aufstellt. 283 Da divergierende Verbraucherleit279 280 281 282 283

Steinwachs, Menschenbilder und Verhaltensmodell im Recht, 3.2.2 (S. 24). Steinwachs, Menschenbilder und Verhaltensmodell im Recht, 3.2.2 (S. 24). Steinwachs, Menschenbilder und Verhaltensmodell im Recht, 3.2.2 (S. 24). Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, 4. Kap. B. I. (S. 81). Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, 4. Kap. B. I. (S. 81).

§ 23 Leitbildkongruenz des Verbrauchervertragsrechts

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bilder aber zwangsläufig zu einem fluktuierenden Schutzstandard führen, kann auch Steinwachs’ Unternehmerfokussierung die Leitbildspaltung nicht rechtfertigen. 3. Die Beeinfl ussung des Verbraucherleitbilds durch situative Elemente Ähnlich an Überzeugungskraft mangelt es dem Rechtfertigungsmodell, dass die Modifi zierung des Verbraucherleitbilds von dem mündigen zu dem unmündigen Konsumenten Ergebnis der Einwirkung situativer Aspekte sei. Zwar ist der Überlegung, dass der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher in bestimmten Vertragssituationen zu einem unverständigen, unmündigen und nur eingeschränkt informationsfähigen Konsumenten wird, im Ansatz zuzustimmen. 284 Schließlich zeichnet auch der EuGH das Bild eines Durchschnittsverbrauchers, dessen Eigenverantwortungsgrad und Unterstützungsbedürftigkeit sich unter anderem nach dem Sachbereich und den Produkten richtet, die jeweils Gegenstand eines Vertrages sind. 285 Ein je nach betroffenem Sachbereich variables Verbraucherleitbild lässt sich aus dieser Sachbereichsabhängigkeit aber nicht ableiten. Trotz des Situationsbezugs des Verbraucherrechts ist ein einheitliches Verbraucherleitbild als orientierende Regelungsvorgabe unverzichtbar. Auch wenn im Rahmen der Normgebung auf die »jeweils typischen Versuchungen, Missbrauchsmöglichkeiten oder sonstigen situationsbedingten Fehlmotivationen« abzustellen ist, »aus denen dann nach den einschlägigen Erfahrungen ein ›Menschenbild‹« zu formen ist286, hat die Situationsbezogenheit der Leitbildbetrachtung keine Aufspaltung von Leitbilderwägungen zur Folge. Vielmehr ist sie gerade Ausdruck des einheitlichen Verbraucherleitbilds des verständigen Durchschnittsverbrauchers, dem in bestimmten Sachbereichen schlichtweg weniger zugemutet werden kann als in anderen Lebenslagen. Eine darüber hinausgehende Abweichung von diesem einheitlichen (die konkrete Sachlage bereits berücksichtigenden) Verbraucherleitbild kann selbst die situative Komponente als Sachgrund nicht rechtfertigen. II. Gegenständliche Leitbildüberschreitung und Anpassungsbedarf Vor diesem Hintergrund sollte sich der Richtliniengeber (und wo entsprechender Anlass besteht auch der deutsche Gesetzgeber) die tatsächlich existierenden Abweichungen des normerlass- von dem normauslegungsbezogenen 284 Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, 4. Kap. B. III. 2. (S. 87, 88); W.-H. Roth, VuR 22 (2007), 161 (163, 164). 285 EuGH – Parodi/Banque Albert de Bary – Urteil v. 09. 07. 1997, Rs. C-222/95 – Slg. 1997, I-3899 Tz. 22; Kommission/BRD – Urteil v. 04. 12. 1986, Rs. 205/84 – Slg. 1986, 3755 Tz. 30, 31. 286 Rebe, Privatrecht und Wirtschaftsordnung, § 4 A. II. 2. (S. 54).

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5. Kapitel: Typisierungskonvergenz des Handels- /Verbraucherrechts

Verbraucherleitbild vergegenwärtigen, sich der Bedeutung des Stufenbaus der Rechtsordnung (wieder) bewusst werden und dem Vorrang des primär- vor dem sekundärrechtlichen Verbraucherleitbild Geltung verschaffen. Auf Grund des Stufenbaus der Rechtsordnung müsste sich das Leitbild des verständigen Verbrauchers der Grundfreiheiten de lege ferenda nicht nur gegenüber dem Richtlinienrecht, sondern auch gegenüber mitgliedstaatlichen Schutzniveauerhöhungen durchsetzen. Insgesamt wäre ausuferndem Verbraucherschutz entgegen zu wirken, indem das Leitbild des verständigen Verbrauchers der Grundfreiheiten (dessen Eigenschaften und Erwartungshorizont bisher nicht empirisch widerlegt wurden) kohärenzfördernd zum Einsatz gebracht würde. Dogmatisch hat diese Berufung auf den Vorrang des grundfreiheitlichen Verbraucherleitbilds allerdings nur Appellcharakter. Zwar mag das durch die Grundfreiheiten vorgegebene Verbraucherleitbild auch der hinter der jeweiligen Richtlinie stehende telos verkörpern. Daraus aber hinsichtlich der leitbildüberschreitenden Verbraucherrichtlinien die Möglichkeit einer teleologischen Reduktion abzuleiten, würde gegen das Gesamtkonzept der jeweils autonom auszulegenden Richtlinie verstoßen. 287 Dies hat zur Folge, dass der Rechtsanwendung nichts anderes übrig bleibt, als die leitbildüberschreitenden Richtlinien in ihrem mitgliedstaatlichen Umsetzungsgewand weiter anzuwenden, bis der Richtlinien- bzw. Gesetzgeber die innere Widersprüchlichkeit seiner Normgebung erkennt und das Verbraucherleitbild in seiner primärrechtlichen Konzeption in die Revisionsgesetzgebung der Zukunft entsprechend einfl ießen lässt. Dass die Rechtsanwendung ad hoc-Schlussfolgerungen aus der sekundärrechtlichen Wertungsdiskrepanz zieht, ist trotz der unmissverständlichen Leitbildverzerrungen daher unwahrscheinlich.

§ 24 Die Begriffsspaltung des deutschen Kaufmannstypus Probleme anderer Art fördert die Untersuchung der handelsrechtlichen Umsetzung des Unternehmerleitbilds zutage, bei der positivrechtlich der Kaufmannsbegriff als maßgeblicher Abgrenzungstypus in Erscheinung tritt. An seiner Konzeptualisierung richtet sich die »Chancengleichheit im Handelsverkehr« aus, »denn wer Kaufmann ist, unterliegt besonderen Pfl ichten und hat eine gesteigerte Verantwortlichkeit gegenüber Dritten, insbesondere dem Vertragspartner gegenüber«. 288 Das Unternehmerleitbild, bei dem die Flexibilisie287 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Kap. Ziff. 2. c) (S. 391 ff.); vgl. beispielhaft zur Zulässigkeit einer teleologischen Reduktion hinsichtlich eines Zusatzes in der Widerrufsbelehrung bei einem Haustürgeschäft: BGH – Urteil v. 24. 04. 2007, Az.: XI ZR 191/06 – BGHZ 172, 157 (157 ff.). 288 Hagenguth, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatrecht, 3. Teil III. (S. 130, 131).

§ 24 Die Begriffsspaltung des deutschen Kaufmannstypus

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rung des Geschäftsverkehrs im Vordergrund steht, dient zwar letztlich einem anderen Schutzzweck als das Verbraucherleitbild. Werden professionellen Marktteilnehmern aus Erwägungen des Verbraucherleitbilds aber Retardationen des Geschäftsverkehrs zugemutet, gebieten Freiheit und Gleichheit es, ihnen korrespondierend zu der Verantwortungssteigerung gegenüber dem Verbraucher auch äquivalenten Zugang zu den Verkehrserleichterungen im rein professionellen Segment zu verschaffen. 289 Obwohl also »consumer protection and business enterprise law are not exactly two sides of the same coin«290, wäre es letztlich widersprüchlich, Unternehmer berechtigterweise dem Verbraucherrecht zu unterstellen, ohne ihnen im Gleichklang hierzu die Einhaltung der qualifi zierten Anforderungen des Handelsrechts zuzutrauen. 291 Dass das Unternehmerleitbild zur Bestimmung des Personenkreises dient, dessen Mitglieder vermutet mit einer gesteigerten Selbstverantwortlichkeit agieren, kann also nicht ohne Berücksichtigung der komplementären Leitbildwertungen des Verbraucherrechts umgesetzt werden. 292 Hierbei handelt es sich nicht lediglich um eine petitio principii 293, sondern um eine aus den Grundfreiheiten und dem EG-Sekundärrecht ableitbare Leitbildaussage, also um eine Grundwertung der Stufenordnung, die es auch auf die Leitbildüberprüfung der Kaufleute kraft Gewerbebetriebs, der Formkaufleute, der Kaufleute kraft Eintragung, der nicht gewerblichen Freiberufler, Wissenschaftler und Künstler und der unselbstständig Berufstätigen niederschlagen muss. Vor allem hinsichtlich der freien Berufe, der Kleingewerbetreibenden und der Urproduktion liegt eine defi zitäre Umsetzung des Unternehmerleitbilds daher nahe.

A. Die Grundpfeiler der subjektiven Abgrenzung des Kaufmannsbegriffs Weitgehend im Einklang mit der Systemperzeption des Unternehmerleitbilds stehen der materielle Typus des Kaufmanns kraft Gewerbebetriebs (§ 1 Abs. 2 289

Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 7 Rn. 196, 197 (S. 94, 95). Siems, ICCLR 15 (2004), 273 (277). 291 Eine Einbeziehung des Verbraucherrechts in das HGB in Erwägung ziehend: W.-H. Roth, in: Grundmann/Medicus/Rolland (Hrsg.): Europ. Kaufgewährleistungsrecht, S. 95 (S. 142); für eine Anpassung des Kaufmannsbegriffs in Österreich an EU-rechtliche Verbraucherbestimmungen plädierend: 1058 BlgNR XXII. GP, in: Krejci (Hrsg.): ReformKomm. UGB/ABGB, EläutRV (S. 19); vgl. in Bezug auf § 24 AGBGB a. F.: Burckhardt, Das AGB-Gesetz unter dem Einfluss der EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, C. II. 3. (S. 130). 292 A. A. wegen der Unterschiedlichkeit der Normzwecke: Zöllner, in: Harrer/Mader (Hrsg.): Die HGB-Reform in Österreich, S. 1 (S. 8, 9). 293 So: Zöllner, in: Harrer/Mader (Hrsg.): Die HGB-Reform in Österreich, S. 1 (S. 9). 290

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5. Kapitel: Typisierungskonvergenz des Handels- /Verbraucherrechts

HGB) sowie der formelle Typus des Formkaufmanns (§ 6 HGB), sofern man sie als Grundtypen des Handelsvertragsrechts versteht, die andere Berufsgruppen nicht ausschließen. Als Systempfeiler der kaufmannsbezogenen Leitbildumsetzung versinnbildlichen sie, dass Tätigkeit und Form die maßgeblichen Grundelemente der kaufmännischen Gesetzestypisierung darstellen. I. Der materielle Typus des Kaufmanns kraft Gewerbebetriebs Mit der Ausgangstypisierung des § 1 Abs. 2 HGB umschreibt das HGB für den Anwendungsbereich der §§ 343 ff. HGB eine Gruppe von Personen, die eine ausreichende rechtsgeschäftliche Erfahrung und Kompetenz mit sich bringen, um etwa mit den Ausnahmen zu den BGB-Schutzmechanismen zurecht zu kommen (§§ 348 ff. HGB), die Unwirksamkeit von Abtretungsverboten zu antizipieren (§ 345a HGB) und den Sonderregelungen zum Zurückbehaltungsrecht (§ 369 HGB) und Handelskauf (§§ 373 ff. HGB) Rechnung zu tragen. Weil sie jeweils ein Gewerbe betreiben, das schon nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Gewerbebetrieb erfordert, sind sie bereits zur Aufrechterhaltung der Betriebsorganisation darauf angewiesen, in den Anwendungsbereich der qualifi zierten Entgeltlichkeitsvermutungen einbezogen zu werden (§§ 352 ff. HGB) und von der Beschleunigungsfunktion der Obliegenheitstatbestände zu profitieren (§§ 362, 377 HGB). Analog zum verbraucherrechtlichen Unternehmertypus bezieht sich ihre geschäftliche Routine und ihr branchenspezifisches Erfahrungswissen auch auf Nebengeschäfte294, die nur einen entfernten, lockeren Zusammenhang zum Handelsbetrieb aufweisen 295 (teils privatmotivierte Geschäfte296, Hilfs- bzw. Nebengeschäfte297, Vorbereitungsgeschäfte298). 294 Auch Nebengeschäfte nimmt der Kaufmann mit abgeschwächter Regelmäßigkeit und unter Aneignung professionellen Erfahrungswissens vor, sodass ihm auch diesbezüglich eine eigenverantwortliche Abwägung aller Umstände eher zuzumuten ist als einem Marktteilnehmer ohne jeden Berufsbezug [Wiedenmann, Verbraucherleitbilder und Verbraucherbegriff im deutschen und europäischen Privatrecht, C. IV. 3. (S. 165)]. Nebengeschäfte bilden u. a. bereits deshalb einen Bestandteil der kaufmännischen Gesamtkalkulation, weil Unternehmer auch insofern fachspezifisches Know-how durch Einschaltung anderer Berufsträger – meist mit Steuervorteilen – in Anspruch nehmen können. 295 BGH – Urteil v. 20. 03. 1997, Az.: IX ZR 83/96 – NJW 50 (1997), 1779 (1780); Urteil v. 10. 06. 1974, Az.: VII ZR 44/73 – BGHZ 63, 32 (35); Hefermehl, in: Schlegelberger, HGB-Kommentar, § 343 Rn. 15. 296 Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 343 Rn. 3; Hefermehl, in: Schlegelberger, HGBKommentar, § 343 Rn. 22. 297 Horn, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, § 343 Rn. 12; Hefermehl, in: Schlegelberger, HGB-Kommentar, § 343 Rn. 17; Koller, in: Canaris/Schilling/Ulmer (Hrsg.): StaubHGB, § 343 Rn. 18. 298 Horn, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, § 343 Rn. 11; Hefermehl, in: Schlegelberger, HGB-Kommentar, § 343 Rn. 18; Koller, in: Canaris/Schilling/Ulmer (Hrsg.): StaubHGB, § 343 Rn. 22; RG – 01. 12. 1930, Az.: 200/30 – HRR 7 (1931), 528 (528).

§ 24 Die Begriffsspaltung des deutschen Kaufmannstypus

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II. Fehlende Leitbildkonvergenz der Registerpflicht bei Einzelunternehmern Unter Subsidiaritäts- und Leitbilderwägungen folgerichtig ist, dass formelle Aspekte wie die Eintragung in das Handelsregister für den Kaufmann irrelevant sind (§ 1 Abs. 2 HGB). 299 Wie bereits bei den Ausführungen zur öffentlich-/privatrechtlichen Systemdichotomie angedeutet wurde, ist die Handelsregisterfunktion aus Subsidiaritätserwägungen auf die Befriedigung von notwendigen Informationsinteressen zu beschränken – Informationsinteressen, welche die Privatrechtsgesellschaft eigenständig nicht erfüllen könnte. Daher legt es auch die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nahe, die registerrechtlichen Eintragungspfl ichten im wesentlichen auf den gesellschaftsrechtlichen Bereich zur Verlautbarung der Identitäts- und Haftungsfunktion und auf die auch Einzelkaufleute betreffende Firmen- und Vertretungsfunktion des Handelsregisters zu reduzieren. 300 Weil die Registereintragung bei einem Einzelunternehmer professionelle Eigenverantwortlichkeit weder begründen noch entfallen lässt und der Einzelkaufmann seine Rechtspersönlichkeit bereits auf natürlichem Wege erlangt, besteht aus Sicht der §§ 343 ff. HGB ein vorrangiges Bedürfnis, die Kaufmannseigenschaft von der Handelsregisterpublizität abhängig zum machen. 301 Stimmen in der Literatur, die dennoch den Erwerb der Kaufmannseigenschaft trotz pfl ichtwidriger Nichteintragung kritisieren (§ 1 Abs. 2 HGB) 302 , zielen dagegen in die falsche Richtung. 303 Denn was den Wirkungsgehalt der §§ 343 ff. HGB anbelangt, würde die ständige Lektüre des Bundesanzeigers und die tatsächliche Registereinsicht vor jedem Handelsgeschäft selbst den professionellen Teilnehmer am Rechtsverkehr überfordern. 304 Kein Marktteilnehmer durchforstet ex ante die Bekanntmachungen des Bundesanzeigers oder nimmt Einsicht in das Handelsregister, um etwa zu ermitteln, ob in eigener Person eine Untersuchungs- und Rügeobliegenheit gemäß § 377 HGB einschlägig sein könnte, wenn er mit einer natürlichen Person kontrahiert. Weil nicht einmal die Vorschriften zum Gutglaubenserwerb (§§ 366, 367 HGB) auf der Publizitätsfunktion des Handelsregisters aufbauen (sondern primär auf den registerentkoppelten Vertrauenstatbeständen des professionellen Geschäftsverkehrs basieren), würden Eintragungspfl ichten bei Einzelkaufleuten, 299

Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 7 Rn. 196 (S. 94). Vgl. auch die praxisrelevanten Beispiele bei Canaris, Handelsrecht, § 5 Rn. 2 ff. (S. 50). 301 J. von Gierke, Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, § 12 (S. 57); Wieland, Handelsrecht – Bd. 1, § 20 (S. 220); Müller-Erzbach, Deutsches Handelsrecht, C. I. a) 3. (S. 66). 302 Treber, AcP 199 (1999), 525 (561 ff.); Kaiser, JZ 54 (1999), 495 (497 ff.); Krebs, DB 49 (1996), 2013 (2018); P. Bydlinski, ZIP 19 (1998), 1169 (1171, 1172). 303 Schirrmeister, ZHR 49 (1900), 29 (41). 304 Vgl. hierzu auch die Äußerungen von Canaris in: Canaris, Handelsrecht, § 4 Rn. 3 (S. 43, 44). 300

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5. Kapitel: Typisierungskonvergenz des Handels- /Verbraucherrechts

welche die Firmen- und Vertretungsfunktion überschreiten, nicht nur dem Subsidiaritätsgedanken zuwiderlaufen, sondern auch dem Handelsregister an sich eine unangemessene Funktion der Weichenstellung für die Anwendung von Sonderprivatrecht zusprechen. 305 III. Formkaufl eute (§ 6 HGB) und Handelsgesellschaften Völlig verschieden ist die Registerfunktion dagegen bei Handelsgesellschaften, bei denen die Registereintragung vielfach identitätskonstituierend wirkt. Bereits zur Erlangung des Status der Handelsgesellschaft ist die Registerpublizität von essenzieller Bedeutung, welche dem Erwerb der Kaufmannseigenschaft zumindest bei Formkaufleuten in aller Regel vorgelagert ist (§ 6 HGB). Unabhängig davon, ob beispielsweise der Gegenstand einer AG, KGaA oder GmbH kaufmännisch oder freiberufl ich ist, gelten diese Gesellschaften kraft gesetzlicher Defi nition als Handelsgesellschaft (§§ 3, 278 Abs. 3 AktG, § 13 Abs. 3 GmbHG), sobald sie entstanden, also im Register eingetragen sind. Gleiches gilt für die Societas Europaea (SE) 306 und die Genossenschaft (§ 17 Abs. 2 GenG). 1. (Form-) Kaufmannseigenschaft juristischer Personen Was die Eintragungspfl ichtigkeit von Formkaufleuten anbelangt, ist aus Leitbildperspektive sauber zu trennen. Weil als Formkaufleute nur Handelsgesellschaften in Betracht kommen, setzt bereits die Konstituierung der Rechtsidentität bei diesen Personen überwiegend eine Eintragung in das Handelsregister voraus. 307 Demgemäß dient die Eintragungspfl icht vor allem dem allgemeinen Vertrauensschutz im Rechtsverkehr: Vertragspartner, die mit Gesellschaften in vertragsrechtliche Beziehungen treten, sollen sicher gehen können, mit wem, durch wen vertreten und durch wen haftend sie Vereinbarungen schließen. Schlagwortartig lässt sich in diesem Sinne zusammenfassen, dass das Handelsregister bei (Handels-) Gesellschaften vornehmlich eine Identitäts-, Vertretungs- und Haftungsverlautbarungsfunktion erfüllt. Die Eintragungsmaßgeblichkeit wird in dieser Hinsicht auch dem Subsidiaritätsprinzip gerecht, gebietet es doch bereits die Sicherheit des Rechtsverkehrs, juristische Personen unabhängig von ihrem Tätigkeitsfeld nur im Falle einer Registereintragung entstehen zu lassen.

305 Bereits Schirrmeister beanstandete im Jahre 1900 vor allem im Hinblick auf Einzelkaufleute, dass es zu einer »formale[n] Versteifung« des Kaufmannsbegriffs durch die Registereintragungspfl icht gekommen sei [Schirrmeister, ZHR 49 (1900), 29 (41)]. 306 Auf sie sind nach Art. 9 Abs. 1 lit. c) ii) SE-VO die Vorschriften über die AG anzuwenden. 307 Vgl. § 41 Abs. 1 S. 1, § 278 Abs. 3 AktG, § 11 Abs. 1 GmbHG, § 13 GenG.

§ 24 Die Begriffsspaltung des deutschen Kaufmannstypus

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Anders zu beurteilen ist die Eintragungspfl icht von Formkaufleuten dagegen aus dem Blickwinkel des Unternehmerleitbilds. Denn aus dieser Perspektive kommt es nicht deswegen zu einer Durchbrechung des sonst materiellen Kaufmannsbegriffs, weil Formkaufleute nur im Falle ihrer Eintragung dem Charakterbild des Unternehmertypus entsprechen. Vielmehr ist die eigentliche Entstehung der Handelsgesellschaft einschließlich des Informationsbedarfs des Publikums bezüglich Identität, Haftung und Vertretung nur im Anschluss an eine Registereintragung gewährleistet. 308 Dass bei juristischen Personen zufälligerweise gleichzeitig an die Registereintragung auch die Eigenschaft als Kaufmann geknüpft wird, basiert in erster Linie darauf, dass ein Eingrenzungskriterium für die Verleihung der Kaufmannseigenschaft an rechtsfähige Gesellschaften gefunden werden musste, kann aber in keiner Weise Ausdruck dessen sein, dass die Registereintragung an sich bereits Geschäftserfahrenheit und Unternehmergeist versinnbildlicht. Letztlich nicht wegen der Registereintragung, sondern bereits infolge ihrer Haftungsverfassung werden Körperschaften im Rahmen der Unternehmertypisierung als eigenständige Zurechnungssubjekte wahrgenommen. Dass in diesem Sinne bei der Kaufmannskategorisierung juristischer Personen die fehlende persönliche Gesellschafterhaftung eine wichtige Rolle spielt, ist letztlich vor allem spiegelverkehrt leitbildkongruent zu der Kaufmannseigenschaft von Komplementärgesellschaftern. Denn werden bei der oHG und KG neben der (Handels-) Gesellschaft auch deren Komplementäre als Kaufleute behandelt, weil sie unter Inkaufnahme der persönlichen Gesellschafterhaftung ein Handelsgeschäft der Gesellschaft abschließen309, liegt es nahe, die Kaufmannseigenschaft bei Körperschaften in Anbetracht der fehlenden persönlichen Haftung ihrer Mitglieder ausschließlich der juristischen Person selbst zuzuschreiben. Darüber hinaus entspricht die (Form-) Kaufmannseigenschaft juristischer Personen auch den verbraucherrechtlichen Parallelwertungen. 310 Denn vor allem der EuGH lässt keine Ausnahme zu dem Grundsatz zu, dass juristische Personen nicht als Verbraucher auftreten können. 311 Er tritt damit partikulären Stimmen entgegen, welche die vollständige Herausnahme der juristischen Person aus dem Verbraucherbegriff als »wertungssystematisch . . . (ver308

Kort, AcP 193 (1993), 453 (454). BGH – Urteil v. 28. 06. 1968, Az.: I ZR 142/67 – WM 1968, 1055 (1055 ff.); Urteil v. 05. 05. 1960, Az.: II ZR 128/58 – NJW 1960, 1852 (1852, 1853); OLG Karlsruhe – Urteil v. 19. 10. 1990, Az.: 15 U 150/90 – DB 1991, 903 (903, 904); Canaris, Handelsrecht, § 2 Rn. 20 (S. 24); Kort, AcP 193 (1993), 453 (459); Hefermehl, in: Schlegelberger, HGB-Kommentar, § 343 Rn. 8; Kindler, in: Ebenroth/Boujong/Joost (Hrsg.): HGB-Kommentar, § 1 Rn. 84. 310 Vgl. zur Unternehmereigenschaft von juristischen Personen: Micklitz, in: Rebmann/ Säcker/Rixecker (Hrsg.): MünchKomm-BGB, § 14 Rn. 6 ff. 311 A. A.: Elßner/Schirmbacher, VuR 18 (2003), 247 (250). 309

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fehlte) Ausnahme . . . qualifi zieren«. 312 Zugegebenermaßen könnte man zwar auf den Gedanken kommen, dass mit der Einbeziehung gemeinnütziger Gesellschaften in den Anwendungsbereich der §§ 343 ff. HGB unternehmensspezifische Grundwertungen auf einen nichtunternehmerischen Bereich ausgedehnt werden. Auch in diesem Zusammenhang dürfte es aber als Erwägung für die vollständige Unternehmertypisierung juristischer Personen ausreichen, dass das in einer rechtsfähigen Gesellschaft verselbstständigte Wirken zugunsten des Geschäftsverkehrs bestimmten qualifi zierten Regeln unterworfen werden muss. 313 Vor dem Hintergrund, dass gemeinnützige Körperschaften nach überwiegender Ansicht verbraucherrechtlich als Unternehmer in Erscheinung treten314, erscheint selbst die Ausdehnung der handelsrechtlichen Verkehrserleichterungen auf Non-Profit-Einheiten im Ergebnis widerspruchsfrei. 2. Die marginale personengesellschaftsrechtliche Leitbilddivergenz Gewisse registerbedingte Unstimmigkeiten kommen dagegen im Recht der Personengesellschaften zum Vorschein. So ist es im Hinblick auf den Aspekt der Geschäftsgewandtheit zwar an sich nachvollziehbar, dass das Gesetz bei der oHG und KG eine Ausnahme zu der Vorrangigkeit der Registereintragung stipuliert, indem systemdurchbrechend davon ausgegangen wird, dass diese Gesellschaften, ähnlich wie Einzelkaufleute, bereits kraft Betreibens eines Handelsgewerbes Kaufmann sind (§ 105 Abs. 1, § 161 Abs. 1 HGB). 315 Denn auch bei gewerblich tätigen Handelsgesellschaften könnte die Registereintragung im Grunde keine spezifischen Unternehmerfähigkeiten begründen, indiziert doch auch hier bereits die Tätigkeit der Gesellschaft an sich das Vorliegen der handelsrechtlichen Charakteristika. Kritisch zu beurteilen ist die Ausnahme von der Konstitutivwirkung der Registereintragung aber aus dem Blickwinkel der Gewährleistung allgemeiner Rechtssicherheit. Denn propagiert das Handelsrecht Verkehrsbeschleunigung via Publizitätssteigerung, kann es bei Unternehmergesellschaften die Anwendung der §§ 343 ff. HGB von der Registerverlautbarung verkehrswesentlicher Identitäts-, Vertretungsund Haftungsfragen nicht abkoppeln. Sicherlich erfährt der handelsvertragliche Partner einer Personengesellschaft auch ohne kaufmannskonstituierende Registerpfl icht einen gewissen Ver312 Pfeiffer, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 21 (S. 39, 40). 313 Vgl. aus dem Blickwinkel des Verbraucherrechts: Wiedenmann, Verbraucherleitbilder und Verbraucherbegriff im deutschen und europäischen Privatrecht, C. V. 1. (S. 173 ff.); vgl. in Bezug auf Österreich: Dehn, in: Krejci (Hrsg.): Reform-Komm. UGB/ABGB, Vor § 1 UGB Rn. 4. 314 Micklitz, in: Rebmann/Säcker/Rixecker (Hrsg.): MünchKomm-BGB, § 14 Rn. 7. 315 Zur Frage, ob die nach oHG und KG Formkaufleute sind: K. Schmidt, in: K. Schmidt (Hrsg.): MünchKomm-HGB, § 105 Rn. 9.

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kehrsschutz, indem Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft etwa nur dann beschränkt persönlich haften, wenn ihre Haftsumme geleistet und die Beschränkung der persönlichen Haftung im Handelsregister eingetragen ist. Aber welche Eintragung trägt bei Gesamthandsgesellschaften überhaupt dem Grundanliegen jedes Vertragspartners (vor allem im b2b-Verkehr) Rechnung, Auskunft darüber zu erlangen, dass die Gesellschaft existiert und Träger von Gesamthandsvermögen sein kann? – Auf die Grundsätze zum Scheinkaufmann zu verweisen, wäre anachronistisch, könnte doch durch Rückgriff auf das Handelsregister, also durch Nutzbarmachung einer bereits bestehenden Institution und deren Ausweitung zu einem allgemeinen (Unternehmer-) Gesellschaftsregister, wesentlich effektiver dem handelsvertragsrechtlichen Publizitätsbedürfnis Rechnung getragen werden. Um die Grundlagen für Publizität und Verkehrsbeschleunigung erst einmal zu legen, wären demzufolge alle professionell und mit Einnahmeerzielung am Markt tätigen Gesellschaften (oHG, KG, EWIV, GbR und PartG) zu verpfl ichten, ihre Identitäts-, Haftungs- und Vertretungsverhältnisse registermäßig offen zu legen, um im Anschluss daran die §§ 343 ff. HGB umfassend – d. h. mit der Weitläufigkeit des verbraucherrechtlichen Unternehmerbegriffs316 – für anwendbar zu erklären.

B. Defi zitäre Umsetzung bei Freiberuflern und Kleingewerbetreibenden Ein echtes Defi zit in der Umsetzung des Unternehmerleitbilds drängt sich vor allem hinsichtlich der freien Berufe und der Kleingewerbetreibenden auf. 317 I. Die Sonderbehandlung von Berufsträgern mit freiberuflicher Tätigkeit In der Literatur wird die Unanwendbarkeit des Handelsvertragsrechts auf professionelle Berufsträger, die einer freiberuflichen Tätigkeit nachgehen, schon lange kritisiert. 318 Eine Klassifi zierung als Kaufmann scheidet bei diesen Personen nach h. M. mangels Handelsgewerbes aus (§ 1 HGB), wobei die fehlende Gewerbeausübung teilweise bereits in anderen Gesetzen verankert ist (Rechtsanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Ärzte, Zahn316 Zur Verbrauchereigenschaft der GbR: Elßner/Schirmbacher, VuR 18 (2003), 247 (247 ff.); in Bezug auf Österreich: 1058 BlgNR XXII. GP, in: Krejci (Hrsg.): ReformKomm. UGB/ ABGB, EläutRV (S. 19); vgl. auch: Rünz, Verbraucherschutz im Fernabsatz, 1. Teil A. I. 2. (S. 9); Weick, in: Staudingers Kommentar BGB, § 13 BGB Rn. 35, 36. 317 Zur defi zitären Umsetzung bzgl. Land- u. Forstwirte: 3. Kap. § 2 C. II. (S. 207, 208). 318 K. Schmidt, in: K. Schmidt (Hrsg.): MünchKomm-HGB, § 1 Rn. 32 ff.; P. Bydlinski, ZIP 19 (1998), 1169 (1172); Raisch, FS für Rittner (70. Gebtg.), S. 471 (S. 471 ff.); Henssler, ZHR 161 (1997), 13 (24 ff.); Heinemann, FS für Fikentscher (70. Gebtg.), S. 349 (S. 374); Raisch, JA 32 (1990), 369 (373); Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 1 Rn. 19.

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ärzte) 319, im Grunde jedoch durch überlieferte Verkehrsvorstellungen vorgeprägt ist (z. B. bei Sachverständigen, Dolmetschern, Privatlehrern, Architekten, Schriftstellern, Systemanalytikern, Softwareentwicklern, selbstständigen Ingenieuren und Chemikern). 320 Nicht einmal die Handelsregistereintragung soll hieran etwas ändern können, zumal die Verkehrsschutzbestimmung des § 5 HGB keine Anwendung fi nden soll. 321 1. Die fehlende Rechtfertigung für die Ausklammerung Dass eine vollständige Bereichsausnahme für Freiberufler unverhältnismäßig ist, ergibt sich im Grunde bereits aus dem HGB selbst. Insbesondere ließe sich die Tatsache, dass Freiberufler überwiegend ideelle Leistungen erbringen322 , sachlich-persönliche Weisungsfreiheit genießen323, eine qualifi zierte Ausbildung zur schöpferischen Befähigung durchlaufen haben324 und ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Auftraggeber einhalten müssen325, ohne weiteres auch im Rahmen der §§ 343 ff. HGB berücksichtigen. So hätte eine Anwendung des § 346 HGB lediglich eine Verweisung auf bereits bestehende Handelsusancen zur Folge, würde jedoch keine Ausweitung auf Verkehrsbräuche nach sich ziehen, mit denen Freiberufler nichts anfangen könnten. Ähnlich würde auch § 347 HGB wenig Veränderung bringen, indem er wie bereits § 276 BGB das objektivierte Sorgfaltsprofi l des Freiberuflertypus berücksichtigen würde. 326 Dagegen würde eine echte Änderung aus § 348 HGB resultieren: So wären Vertragsstrafeversprechen ohne Herabsetzungsmöglichkeit etwa auch durch Schönheitschirurgen im Rahmen ihrer Erwerbstätigkeit möglich, was andererseits aber auch nicht unbillig wäre, wenn man bedenkt, dass Freiberufler im Rahmen ihres speziellen Marktauftritts nicht weniger geschäftserfah319 Vgl. § 2 Abs. 2 BRAO; § 2 S. 3 BNotO; § 1 Abs. 2 S. 2 WiPrO; § 32 Abs. 2 S. 2 StBerG; § 1 Abs. 2 BÄO; § 1 Abs. 4 ZHG; vgl. auch: Kort, AcP 193 (1993), 453 (459). 320 Kort, AcP 193 (1993), 453 (459); vgl. auch: BayObLG – Beschluss v. 21. 03. 2002, Az.: 3Z BR 57/02 – NJW-RR 17 (2002), 968 (969); Raisch, JA 32 (1990), 369 (373); W.H. Roth, in: Koller/W.-H. Roth/Morck (Hrsg.), HGB, § 1 Rn. 12, 13; Hopt, in: Baumbach/ Hopt, HGB, § 1 Rn. 19; K. Schmidt, in: K. Schmidt (Hrsg.): MünchKomm-HGB, § 1 Rn. 33; Raisch, FS für Rittner (70. Gebtg.), S. 471 (S. 471 ff.); Kindler, in: Ebenroth/ Boujong/Joost (Hrsg.): HGB, § 1 Rn. 38. 321 Kindler, in: Ebenroth/ Boujong/Joost (Hrsg.): HGB, § 5 Rn. 20; Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 5 Rn. 2; a. A. K. Schmidt, der entgegen der h. M. für eine Anwendung auf jeden als Kaufmann eingetragenen Rechtsträger plädiert, unabhängig davon, ob dieser ein Handelsgewerbe betreibt oder nicht [in: K. Schmidt (Hrsg.): MünchKomm-HGB, § 5 Rn. 22 ff.]. 322 Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, § 3 B. III. 4. (S. 42 ff.). 323 Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, § 3 B. III. 4. (S. 44 ff.). 324 Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, § 3 B. III. 4. (S. 49 ff.). 325 Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, § 3 B. III. 4. (S. 52 ff.); Steindorff, Freie Berufe – Stiefkinder der Rechtsordnung?, IV. (S. 29). 326 Anders dagegen: Zöllner, in: Harrer/Mader (Hrsg.): Die HGB-Reform in Österreich, S. 1 (S. 13).

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ren agieren und häufig gerade mit besonders schutzbedürftigen Gütern zu tun haben (z. B. Leib, Leben bzw. persönlicher Finanzstatus). 327 Konsequent wäre auch die Ausweitung der §§ 349, 350 HGB, wenn man etwa an die »Wertungswidersprüche« denkt328, die dadurch entstehen, dass sich z. B. »der ›vollkaufmännische‹ Inhaber einer Bäckerei mündlich verbürgen kann, das in gleicher Weise abgegebene Bürgschaftsversprechen des Inhabers eines großen Architektenbüros mit zahlreichen Angestellten aber unwirksam« sein soll. 329 Was die höhere Verzinsung anbelangt (§§ 352 ff. HGB), wendet Zöllner zwar Inadäquanz im freiberufl ichen Geschäftsverkehr ein, weil »selbständige Berufe . . . typischerweise nicht mit fremdem Geld arbeiten«. 330 Dieser Aspekt, der erst einmal nur die geschäftliche Finanzierungsgrundlage betrifft, ändert aber nichts an der Tatsache, dass auch die freiberufl iche Tätigkeit, sofern sie am Markt zum Zwecke des Lebensunterhalts und zur Kapitalakkumulierung vorgenommen wird, auf Entgeltlichkeit angelegt ist. Nicht unangemessen, sondern konsequent wäre auch die Ausweitung des § 362 HGB, der mangels Geschäftsverbindung bzw. -erbietung gewiss nicht den freischaffenden Künstler beträfe, der nur sporadisch und wenig geschäftsgewandt Aufträge entgegen nimmt; denn bereits tatbestandlich setzt § 362 HGB genauso wie die Grundsätze zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben einen gewissen Geschäftsanfall auf der Seite des zur Reaktion aufgerufenen Berufsträgers voraus. 331 Eher marginal wären Freiberufler durch die Vorschriften zum Handelskauf (§§ 373 ff. HGB) betroffen. Während die §§ 373 ff. HGB die eigene Leistungserbringung, die sich üblicherweise nicht auf Waren oder bewegliche Sachen sondern auf Dienstleistungen erstreckt, von vornherein nicht tangierte, würde die Einbeziehung betriebsnotwendiger Warengeschäfte, bei denen der Freiberufler als Käufer auftritt (z. B. Anschaffung von Büromaterial, medizinischen Geräten etc.), ihn nicht unangemessen benachteiligen. Schließlich sind auch Freiberufler, soweit sie am Markt Dienste zum Zwecke des eigenen Lebensunterhalts oder zur Verbesserung der Vermögenssituation anbieten, aus notwendigem Eigeninteresse schon im Rahmen ihrer Betriebsorganisation gezwun327 Kritisch: Zöllner, in: Harrer/Mader (Hrsg.): Die HGB-Reform in Österreich, S. 1 (S. 13). 328 Canaris, Handelsrecht, § 1 Rn. 42 (S. 15); vgl. auch: Neuner, Privatrecht und Sozialstaat, 3. Teil II. 2. a) bb) aaa) (S. 276). 329 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1. Teil 1. Kap. (S. 9); Röhricht, in: Röhricht/von Westphalen, HGB, Einleitung Rn. 17; kritisch: Zöllner, in: Harrer/Mader (Hrsg.): Die HGB-Reform in Österreich, S. 1 (S. 13). 330 Zöllner, in: Harrer/Mader (Hrsg.): Die HGB-Reform in Österreich, S. 1 (S. 14). 331 Im Ergebnis ebenso: Röhricht, in: Röhricht/von Westphalen, HGB, Einleitung Rn. 17; eine Ausweitung von § 362 HGB für unbillig erachtend: Zöllner, in: Harrer/Mader (Hrsg.): Die HGB-Reform in Österreich, S. 1 (S. 14).

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gen, bestellte Waren abzunehmen (§ 373 HGB), erforderliche Bestimmungen zu treffen (§ 374 HGB) und erhaltene Waren unverzüglich zu überprüfen (§ 377 HGB). 332 Zudem ist auch kein Grund ersichtlich, ihnen die Vorzüge des § 376 HGB im Rahmen ihrer Geschäftsorganisation vorzuenthalten. 2. Standesrechtliche Organisation und vertragsorientierter Marktauftritt Mit der organisationsrechtlichen Selbstverantwortung bzw. -verwaltung, auf die Freiberufler angewiesen sind, kann ihre vertragsrechtliche Sonderbehandlung bereits deshalb nicht gerechtfertigt werden, weil hierdurch primär das Verhältnis zur Obrigkeit und zu Wettbewerbern, nicht aber gegenüber dem jeweiligen Geschäftspartner betroffen wird. 333 Zwar geben die eingeschränkten Werbemöglichkeiten bzw. die gesetzlichen Wettbewerbsrestriktionen (z. B. im Preissegment), die zur Konstituierung der freiberufl ichen Unabhängigkeit unverzichtbar sind, dem Marktverhalten von Freiberuflern eine spezifische Prägung. Das Angewiesensein auf eine Unabhängigkeit bewahrende Marktorganisation schließt es andererseits aber nicht aus, dass Freiberufler im Rahmen dieser Sonderparameter geschäftsgewandt tätig werden. Das (vertraglich geschuldete) Schaffen eines Arztes oder Künstlers mag zugegebenermaßen weniger auf Massenabfertigung als vielmehr auf einzelfallorientierter Know-howAnwendung und geistreicher Kreativität aufbauen. Dies schließt es andererseits aber nicht aus, dass selbst schöpferische Tätigkeiten wie diese, sobald sie nicht mehr auf Liebhaberei, sondern auf Erwerbsmotiven basieren, in eine unternehmerische Geschäftsorganisation eingebunden sind. Selbst wenn qualifi zierte Tätigkeiten traditionell nicht auf Massenabfertigung ausgerichtet sind, stattet man sie typischerweise mit einer Akquisitionsund Abwicklungsorganisation aus, die in den Grenzen standespolitischer Zurückhaltung und berufsbildadäquater Selbstbeherrschung auf kapitalistischen Organisationsprinzipien aufbaut. 334 Relativiert durch die Komplexität der Tätigkeit, die typischerweise auf Sorgfalt und nicht auf Schnelligkeit basiert, sind auch für den Freiberufler gewinnbringende Geschäftsabschlüsse wichtig. Zu glauben, dass das Geschäftsverhalten von Freiberuflern in ethischer Motivation reinen Altruismus versinnbildlicht, wäre vor diesem Hintergrund genauso blauäugig, wie die Gegenleistung des Kunden nicht als Entgelt, sondern als freigiebigen Beitrag zum Lebensunterhalt zu stilisieren. 335 Selbst wenn man 332 A. A.: Zöllner, in: Harrer/Mader (Hrsg.): Die HGB-Reform in Österreich, S. 1 (S. 14). 333 Steindorff, Freie Berufe – Stiefkinder der Rechtsordnung?, IV. (S. 26). 334 Steindorff, Freie Berufe – Stiefkinder der Rechtsordnung?, III. (S. 10); a. A. offensichtlich: Zöllner, in: Harrer/Mader (Hrsg.): Die HGB-Reform in Österreich, S. 1 (S. 10). 335 In diese Richtung etwa der BFH: »Bei Freiberuflern soll [. . .] nicht das Gewinnstreben im Vordergrund stehen; sie sollen sich in erster Linie vom Berufsethos und vom Standesrecht leiten lassen« [BFH – Urteil v. 14. 02. 1956, Az.: I 84/55 U – NJW 19 (1956), 728

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in Freiberuflern »Halbbeamte« sähe336, ließe sich eine in das Gewand der Daseinsvorsorge eingekleidete Sonderrolle im Vertragsrecht nicht rechtfertigen. 337 Zwar hatte etwa Krause noch im Jahre 1938 zum Ausdruck gebracht, dass die freien Berufe »mitten im Prozeß der Umschmelzung zum öffentlich gebundenen Dienst« stünden338 : »Der Arzt ›erfüllt eine durch . . . Gesetz geregelte öffentliche Aufgabe‹, gleiches ist vom Tierarzt gesagt. Der Beruf des Rechtsanwalts ›ist kein Gewerbe, sondern Dienst am Recht‹. Musiker, Künstler, Schauspieler, Schriftsteller, Architekten sind in der Reichskulturkammer zusammengefasst, deren Aufgabe es ist, ›die deutsche Kultur in Verantwortung für Volk und Reich zu fördern‹. Die Tätigkeit als Schriftleiter erscheint als eine ›in ihren berufl ichen Pfl ichten und Rechten vom Staat . . . geregelte öffentliche Aufgabe‹.«339

Heute wäre ein derart öffentlich assoziiertes Begriffsverständnis von Freiberuflern jedoch rückständig, denn insbesondere die Grundfreiheiten legen mittlerweile nahe, dass Freiberufler genauso wie alle anderen professionellen Marktteilnehmer nur insoweit eine Sonderrolle einnehmen, als nichtwirtschaftliche zwingende Erfordernisse (z. B. Grundrechtsgarantien, Gewährleistung der Unabhängigkeit, Neutralitätserwägungen etc.) dies notwendig erscheinen lassen oder ihre Tätigkeit dauernd oder zumindest zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden ist (Art. 45 EG). 340 Dass die daraus im Lichte des europäischen Verbrauchervertragsrechts erwachsende Wertung eines »Schuldvertragsrechts der beruflich Tätigen« (Grundmann) 341 auch (handels-) vertragsrechtlich nicht unberücksichtigt bleiben kann, ist zwangsläufige Folge des bereits dargestellten »Stufenbaus der Leitbilderwägungen«. 3. Bedeutungsgehalt des § 5 HGB – eine Argumentationsgrundlage? Deutlich wird der Bedarf nach einer Öffnung des HGB gegenüber allen kaufmannsfremden Professionen auch durch § 5 HGB. Nach dieser Vorschrift kann sich jemand, dessen Firma im Handelsregister eingetragen ist, nicht darauf berufen, dass das unter der Firma betriebene Gewerbe kein Handelsgewerbe ist. Weil es sich bei § 5 HGB um keine Rechtsscheinsnorm handelt342 , (728); Steindorff, Freie Berufe – Stiefkinder der Rechtsordnung?, II. (S. 6); vgl. Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, § 3 B. III. 4. (S. 63 ff.). 336 Steindorff, Freie Berufe – Stiefkinder der Rechtsordnung?, II. (S. 7). 337 Vgl. zu den historischen Wurzeln: Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, § 3 C. II. (S. 113 ff.). 338 Krause, ZHK 1938, 69 (92). 339 Krause, ZHK 1938, 69 (92). 340 EuGH – Kommission/Italienische Republik – Urteil v. 31. 05. 2001, Rs. C-283/99 – Slg. 2001, I-4363 Tz. 20. 341 Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, 1. Teil § 1 II. 2. Rn. 14 (S. 11). 342 Canaris, Handelsrecht, § 3 Rn. 51 (S. 40); K. Schmidt, Handelsrecht, § 10 III. 1. a) (S. 298).

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gilt er unabhängig davon, ob der andere Teil die wahre Sachlage kennt und wirkt überdies auch zugunsten des Eingetragenen selbst343. Er sorgt auf diese Weise dafür, dass die Eintragung eines Gewerbebetriebes im Handelsregister die Kaufmannseigenschaft des Eingetragenen auch dann sicherstellt, wenn sie zu Unrecht erfolgt ist. 344 Allerdings besteht seit 1976 zumindest bei Land- und Forstwirten bzw. seit 1998 bei Kleingewerbetreibenden gar kein Bedürfnis für eine Anwendung des § 5 HGB mehr, weil diese Personengruppen seitdem jeweils mit kaufmannsbegründender Wirkung in das Handelsregister eingetragen werden können. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn man dogmatisch zwischen einer klarstellenden, deklaratorischen Handelsregisteranmeldung auf der Grundlage der §§ 1, 29 HGB und einer konstitutiven Registereintragung nach § 2 S. 2 (i. V. m. § 3 Abs. 1) HGB differenzieren und davon ausgehen würde, dass im Rahmen des § 2 S. 2 (i. V. m. § 3 Abs. 1) HGB ein Erwerb des Kaufmannsstatus nur möglich ist, wenn gegenüber dem Registergericht zusätzlich zur Anmeldung auch eine materiell rechtsgestaltende Willenserklärung (den Kaufmannsstatus erlangen zu wollen) abgeben wird. 345 Eine solche Dogmatik würde jedoch der traditionellen Sichtweise zuwiderlaufen, dass Anmeldungen zum Handelsregister Verfahrenshandlungen und keine Erklärungen rechtsgeschäftlichen Inhalts sind. 346 Dass § 5 HGB mit der Reform von 1998 trotzdem nicht aufgehoben worden ist, kann folglich nur dann einen Sinn ergeben, wenn auch alle anderen Professionen, die bei vollständiger Abbildung des handelsrechtlichen Personenbildes als Unternehmer anzuerkennen wären, in den Anwendungsbereich der Vorschrift einzubeziehen wären. 347 Nur, wenn das in § 5 HGB enthaltene Wörtchen »Gewerbe« 343

Canaris, Handelsrecht, § 3 Rn. 51 (S. 40). Canaris, Handelsrecht, § 3 Rn. 59 (S. 42). 345 Ein Gewerbetreibender, der fälschlicherweise die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 HGB für gegeben erachtet oder sie nachträglich verliert (und eine solche Gestaltungserklärung nicht abgegeben hat), würde den Kaufmannsstatus trotz Eintragung nicht erlangen und lediglich dem Anwendungsbereich des § 5 HGB (nicht aber demjenigen der §§ 238 ff., 242 ff. HGB bzw. §§ 283 ff. StGB) unterfallen. Diese Dogmatik würde der Normaussage des § 2 HGB jedoch eindeutig widersprechen. In § 2 HGB ist von einer Gestaltungserklärung nicht die Rede; allein auf den Zustand der Eintragung kommt es an. Gemäß § 2 S. 1 HGB (»gilt«) werden eingetragene Kleingewerbetreibende unabhängig davon Kaufleute, welche Motive sie ihrer Eintragung zugrunde gelegt haben; eine materiellrechtliche Option ist nicht Gegenstand des Eintragungsverfahrens; für eine materiellrechtliche Gestaltungserklärung plädierend: Canaris, Handelsrecht, § 3 Rn. 14, 19, 20, 49 und 50 (S. 29, 31, 32 und 39); Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 2 Rn. 4; Lieb, NJW 52 (1999), 35 (36); ablehnend: K. Schmidt, ZHR 163 (1999), 87 (91 ff.). 346 Hüffner, in: Canaris/Schilling/Ulmer (Hrsg.): Staub-HGB, § 8 Rn. 43; Kindler, in: Ebenroth/Boujong/Joost (Hrsg.): HGB-Kommentar, § 2 Rn. 15. 347 K. Schmidt, JZ 58 (2003), 585 (588, 589); ders., Handelsrecht, § 10 III. 2. b) (S. 301); a. A.: W.-H. Roth, in: Koller/W.-H. Roth/Morck (Hrsg.), HGB, § 5 Rn. 1; zurückhaltend dagegen: Kindler, in: Ebenroth/Boujong/Joost (Hrsg.): HGB-Kommentar, § 2 Rn. 21. 344

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durch den Begriff des »Unternehmens« ersetzt werden würde (K. Schmidt) 348, wäre dem Rechtsgedanken ausreichend Rechnung getragen, dass die »normativen Leitziele des Handelsrechts . . . vom Kaufmannsbegriff unabhängig« sind349. Würde man Freiberufler von dem Anwendungsbereich des § 5 HGB dagegen ausschließen, hätte die Vorschrift keinen eigenen Bedeutungsgehalt mehr. 350 4. Verbraucher- und gesellschaftsrechtliche Vergleichsbetrachtung Die Erweiterung des Handelsvertragsrechts auf sämtliche Berufsgruppen legt letztlich auch das Richtlinienrecht der Verbraucherverträge nahe. Auch wenn das Verbraucherrecht einen eigenen Sonderrechtsbereich bildet, gehen von ihm gemeinschaftsrechtliche Leitbildaussagen aus, die sich in Anbetracht des Stufenbaus der Rechtsordnung auch gegenüber dem (weitgehend national mitgliedstaatlich geregelten) Handelsrecht durchsetzen müssen. Unternehmer, die in den Geltungsbereich des Handelsrechts fallen, verdienen verbraucherrechtlich keinen Sonderschutz; oder umgekehrt ausgedrückt: Personen, die gegenüber Unternehmern keines Schutzes bedürfen, sind in der Regel selbst in der Lage, sich trotz des gesteigerten handelsrechtlichen Sorgfaltsmaßstabs im Rechtsverkehr zu bewähren. Nichts anderes ergibt sich aus der jüngeren Kodifi kationspraxis zum Gesellschaftsrecht, in der dieselbe Fortentwicklung vom Kaufmann zum Unternehmer bereits in der Vergangenheit erkennbar geworden ist. So fi nden nicht nur die Vorschriften zur oHG seit 1994 weitgehend auch auf die Partnerschaftsgesellschaft Anwendung351, sondern auch das Gesetz zur »RechtsanwaltsGmbH« hat seit 1998 zur Folge, dass anwaltliche Freiberufler, die in gesellschaftsrechtlicher Verbundenheit agieren, dem Handelsrecht zu unterstellen sind (§ 59c Abs. 1 BRAO, § 13 Abs. 3 GmbHG, § 6 HGB) 352 . Vor allem verdient aber die EWIV Beachtung: Obwohl sie auch Freiberuflern offen steht, fi nden nach § 1 Halbs. 2 EWIV-Ausführungsgesetz handelsrechtliche Vorschriften auf sie Anwendung. 353 Dass man gerade auch die 348 K. Schmidt, Handelsrecht, § 10 III. (S. 298 ff.); ders., ZHR 163 (1999), 87 (96); vgl. auch: Müller-Erzbach, Deutsches Handelsrecht, C. I. a) 2. á. V. (S. 63); Wieland, Handelsrecht – Bd. 1, § 13 (S. 124); P. Bydlinski, ZIP 19 (1998), 1169 (1172); ähnlich auch: J. von Gierke, Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, § 13 (S. 68); Göppert, Eintragungen ins Handelsregister von besonderer Eigenart, S. 17. 349 Treber, AcP 199 (1999), 525 (548). 350 K. Schmidt, ZHR 163 (1999), 87 (96, 97); a. A.: Oetker, Handelsrecht, § 2 F. I. Rn. 52, 53 (S. 29, 39); differenzierend: Hohmeister, NJW 53 (2000), 1921 (1922). 351 Vgl. Begründung zum Gesetzentwurf PartGG – BT-Drucks. 12/6152 S. 1 (S. 8). 352 Gesetz zur Änderung der BRAO u. a. – BGBl. I Nr. 60/1998, S. 2600 (S. 2600 ff.); vgl. auch: BT-Drucks. 13/9820 S. 1 (S. 4 ff.); BT-Drucks. 13/9820 S. 1 (S. 1, 2); zur gesetzlichen Regelung im einzelnen beispielhaft: Henssler, NJW 52 (1999), 241 (241 ff.). 353 EWIV-Ausführungsgesetz – BGBl. I Nr. 16/1988, S. 514 (S. 514 ff.); ebenfalls abge-

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5. Kapitel: Typisierungskonvergenz des Handels- /Verbraucherrechts

EWIV zum Formkaufmann gekürt hat, ist erstaunlicherweise nicht Ergebnis einer EG-rechtlichen Vorgabe, sondern Resultat einer Eigeninitiative des deutschen Gesetzgebers. 354 Betreibt der deutsche Gesetzgeber gesellschaftsrechtlich mit einer derartigen Vehemenz die Einbeziehung der Freiberufler in den Bereich der Formkaufleute, kann er nicht andererseits Freiberufler, die einzeln auftreten, von den Vorschriften über Einzelkaufleute isolieren. 355 Hüten sollte man sich allerdings vor pauschalierenden Verallgemeinerungen. In keinerlei Zusammenhang steht die vertragsrechtliche Leitbildkomplettierung mit der standes-, wettbewerbs- und steuerrechtlichen Makroorganisation der Freiberufler. So ändert die vertragsrechtliche Emanzipation des Freiberuflers aus Gründen des Unternehmerleitbilds nichts an der Tatsache, dass zur Wahrung der Unabhängigkeit gewachsener Berufsbilder wie etwa von Ärzten und Rechtsanwälten Preisregulierungen und gegebenenfalls Zugangsbeschränkungen erforderlich sind, um ein qualifi ziertes und – soweit das jeweilige Berufsbild dies erfordert – neutrales Leistungsverhalten zu gewährleisten (z. B. bei Notaren). 356 In ähnlicher Weise unangebracht wäre es, aus der notwendigen Neuorganisation der §§ 343 ff. HGB Rückschlüsse auf den Adressatenkreis der Buchführungspfl ichten oder die Subjektseingrenzung bei der Gewerbesteuer zu ziehen. 357 Vor allem den Subsidiaritätsgedanken würde man ausblenden, wenn man auch Freiberuflern – jenseits der (Unternehmer-) Gesellschaften – eine Eintragungspfl icht für das Handelsregister auferlegte, trägt bei ihnen doch weitgehend bereits die standesrechtliche Selbstorganisation der notwendigen Klarheit über die Namensgebung Rechnung. 358

druckt in: Müller-Gugenberger/Schotthöfer (Hrsg.): Die EWIV in Europa, Teil 2 Abschnitt 1 (S. 279 ff.). 354 Begründung zum Gesetzesentwurf EWIVG – BT-Drucks. 11/352 S. 1 (S. 7); ebenfalls abgedruckt in: Müller-Gugenberger/Schotthöfer (Hrsg.): Die EWIV in Europa, Teil 2 Abschnitt 1 (S. 279 ff.). 355 Vgl. Treber, AcP 199 (1999), 525 (559); Röhricht, in: Röhricht/von Westphalen, HGB, Einleitung Rn. 17. 356 Vgl. hierzu: BVerfG – »Facharztbeschluss« – Beschluss v. 09. 05. 1972, Az.: 1 BvR 518/62, 1 BvR 308/64 – BVerfGE 33, 125 (125 ff.). 357 Vgl. 1058 BlgNR XXII. GP, in: Krejci (Hrsg.): Reform-Komm. UGB/ABGB, EläutRV (S. 22); K. Schmidt, in: K. Schmidt (Hrsg.): MünchKomm-HGB, § 1 Rn. 36; ders., JZ 58 (2003), 585 (589, 590); ders., Handelsrecht, § 9 IV. 2. a) cc) (S. 282); vgl. zur Verfassungsmäßigkeit der Differenzierung zwischen Gewerbetreibenden und Freiberuflern bei der Umsatz- bzw. Gewerbesteuer: BVerfG – Beschluss v. 15. 01. 2008, Az.: 1 BvL 2/04 – WM 2008, 1175 (1175 ff.); Beschluss v. 19. 03. 1974, Az.: 1 BvR 416/68, 1 BvR 767/68, 1 BvR 779/68 – BVerfGE 37, 38 (38 ff.); »Gewerbesteuerpfl icht des Handelsvertreters« – Beschluss v. 25. 10. 1977, Az.: 1 BvR 15/75 – BVerfGE 46, 224 (224 ff.). 358 Vgl. Zöllner, in: Harrer/Mader (Hrsg.): Die HGB-Reform in Österreich, S. 1 (S. 12).

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II. Fehlende Kaufmannseigenschaft unselbstständig berufstätiger Personen Einen Grenzbereich zwischen Verbraucher- und Handelsrecht betrifft die vertragsrechtliche Stellung von unselbstständigen Gewerbetreibenden. 359 Ihre Kategorisierung ist nicht nur im Recht der Handelsgeschäfte sondern auch im Verbraucherrecht umstritten, betrifft also einen Graubereich denkbarer Typisierungsmöglichkeiten. 360 Zwar differenzieren die Verbraucherrichtlinien selbst nicht zwischen selbstständiger und unselbstständiger Tätigkeit (bejahen also in beiden Fällen den Unternehmerbegriff). 361 Der deutsche Gesetzgeber ist in Ausnutzung der Öffnungsklauseln aber über diesen Mindestverbraucherschutz hinausgegangen: In § 13 BGB qualifi ziert er unselbstständige Marktteilnehmer auch dann als Verbraucher, wenn sie im Rahmen ihrer Betriebszugehörigkeit auf eigenen Namen Geschäfte schließen. 362 Auf diese Weise wird ein gewisser Gleichklang zum handelsrechtlichen Kaufmannsbegriff erzeugt363, bei dem die h. M. ebenfalls davon ausgeht, dass unselbstständige Gewerbetreibende keine Verkehrserleichterung verdienen364. Nur dezente Anhaltspunkte für die fehlende Unternehmereigenschaft unselbstständiger Berufsträger geben die Grundfreiheiten. Während die Niederlassungsfreiheit lediglich selbstständigen Professionsträgern das umfassende Recht einräumt, in einem anderen Mitgliedstaat eine Erwerbstätigkeit mit fortlaufenden Geschäftsabschlüssen aufzunehmen (Art. 43 EG), beschränkt die Freiheit unselbstständiger Arbeitnehmer sich im wesentlichen darauf, grenzüberschreitend eine Anstellung einzugehen (Art. 39 EG). Zwar mag diese pauschale Gegenüberstellung nicht bereits zu der Annahme berechtigen, unselbstständigen Berufsträgern zu unterstellen, dass sie die Tragweite ihrer Entscheidungen typischerweise nicht mit demselben Maße im Auge behalten wie selbstständige. Andererseits ist es nach den Leitbildaussagen der Grundfreiheiten bzw. empirischen Leitbildüberlegungen aber auch nicht ausgeschlossen, dass unselbständige Marktteilnehmer gerade nicht mit derselben Eigenverantwortung, demselben Risiko und derselben persönlichen Haftung wie selbständige agieren. 365

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Vgl. Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 1 Rn. 10. Zum Verbraucherrecht: Wiedenmann, Verbraucherleitbilder und Verbraucherbegriff im deutschen und europäischen Privatrecht, C. V. 2. b) (4) (S. 187 ff.). 361 Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, 4. Kap. B. III. 4. d) (S. 90). 362 Zu Unrecht von einer Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des deutschen Verbraucherbegriffs wegen persönlicher Überschreitung der Öffnungsklauseln ausgehend: Mohr, AcP 204 (2004), 660 (672). 363 Vgl. Rünz, Verbraucherschutz im Fernabsatz, 1. Teil A. I. 2. (S. 9); Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, 4. Kap. B. III. 5. d) (S. 93). 364 Vgl. Canaris, Handelsrecht, § 2 Rn. 2 (S. 20); Kort, AcP 193 (1993), 453 (458, 459). 365 Faber, ZEuP 6 (1998), 854 (873); P. Bydlinski, Die Bürgschaft im österreichischen und deutschen Handels-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht, 1. Kap. IV. C. 2. e) (S. 32). 360

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5. Kapitel: Typisierungskonvergenz des Handels- /Verbraucherrechts

Mag die Ausklammerung unselbstständiger Tätigkeiten bei Personen mit besonderer beruflicher Erfahrung – wie z. B. Managern, Prokuristen, Vorstandsmitgliedern und Gesellschaftergeschäftsführern – im Einzelfall auch Diskussionsbedarf auslösen366, in der Gesamtbetrachtung mit der verbraucherrechtlichen Begriffskategorisierung ist sie jedenfalls systemkohärent. 367 III. Kleingewerbetreibende – Eintragungsoption mit konstitutiver Wirkung Subtilere Wertungswidersprüche sind dagegen bei der Leitbildbetrachtung von Kleingewerbetreibenden aufzulösen. Als Kleingewerbetreibende gelten im Gegensatz zu Personen, die in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2 HGB fallen, solche Marktteilnehmer, deren Gewerbebetrieb nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert. Ohne weiteres fi nden auf sie nur einige Sondervorschriften für Handelsvertreter, Handelsmakler, Kommissionäre, Frachtführer, Spediteure und Lagerhalter Anwendung (§ 84 Abs. 4, § 93 Abs. 3, § 383 Abs. 2, § 407 Abs. 3 S. 2, § 467 Abs. 3 S. 2 HGB). Den Kaufmannsstatus erlangen sie – auch bei gesellschaftsrechtlicher Konstituierung (§ 105 Abs. 2, § 161 Abs. 2 HGB) – erst durch konstitutive Eintragung368 ihres Gewerbes in das Handelsregister (§ 2 HGB). 369 1. Sachgrund für die Sonderbehandlung von Kleingewerbetreibenden? Damit gelten Kleingewerbetreibende erst einmal als normale BGB-Bürger und werden nur dann dem Handelsrecht unterstellt, wenn sie ihre Eintragungsoption zum Handelsregister wahrnehmen. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum HRefG soll dadurch dem Schutzbedürfnis dieser Personengruppe Rechnung getragen werden, »nicht in aller Strenge dem HGB und den kaufmännischen Vorschriften« – also den »ungewohnten Regeln des HGB 366 Preis, ZHR 158 (1994), 567 (591, 592); für eine analoge Anwendung: Canaris, Handelsrecht, § 24 Rn. 13 (S. 370); für eine Ausweitung des § 350 HGB auf den »soziologischen« Typ des Kaufmanns: K. Schmidt, Handelsrecht, § 18 I. 1. d) aa) (S. 519, 520); K. Schmidt, in: K. Schmidt (Hrsg.): MünchKomm-HGB, § 350 Rn. 10; ders., ZIP 7 (1986), 1510 (1510 ff.). 367 Vgl. BGH – Urteil v. 08. 11. 2005, Az.: XI ZR 34/05 – BGHZ 165, 43 (47, 48). 368 Unterbleibt die Eintragung, wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass es sich bei dem Gewerbetreibenden um einen Kaufmann im Sinne des § 1 Abs. 2 HGB handelt [Treber, AcP 199 (1999), 525 (533, 534); kritisch zu dieser Beweislastumkehr: Canaris, Handelsrecht, § 3 Rn. 5 (S. 27)]. 369 Damit hat der Gesetzgeber das Regel-Ausnahmeverhältnis, wie es vor dem HRefG 1998 bestand, umgekehrt: Fielen zuvor Kleingewerbetreibende als Minderkaufleute – abgesehen von §§ 348 bis 350 HGB bzw. §§ 48 bis 53 HGB – in den Anwendungsbereich des HGB (§§ 4, 351 HGB a. F.), sind handelsrechtliche Vorschriften nunmehr auf Kleingewerbetreibende grundsätzlich unanwendbar, können dafür aber in vollem Umfang zur Anwendung gebracht werden (§ 2 HGB).

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unterworfen [zu] werden, von denen sie seit Bestehen des HGB in diesem Jahrhundert . . . ausgenommen waren«. 370 In der Literatur stößt die Neukonzipierung des § 2 HGB durch das HRefG nicht ausnahmslos auf Zustimmung. Dabei rankt sich die Diskussion weniger um Leitbildtreue und Vertragsfreiheit als vielmehr um die Rechtssicherheit im Handelsverkehr. 371 a) Schutzbedürftigkeit wegen defizitärer Geschäftserfahrenheit? Vorliegend soll die Neutypisierung der Kleingewerbetreibenden allerdings nur aus vertragsrechtlicher Perspektive interessieren. Dabei sind Zweifel anzubringen, warum Verträge eines Kleingewerbetreibenden, die »als zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehörig« abgeschlossen werden (vgl. § 344 HGB), nicht in gleicher Weise dem Schnelligkeits- und Verlässlichkeitsstandard der handelsrechtlichen Sondervorschriften wie Verträge von Kaufleuten unterliegen sollen. Nicht besonders aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang der Regierungsentwurf zum HRefG, der den besonderen Schutzbedarf unter anderem darin sieht, »daß in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit immer mehr Menschen ohne entsprechende kaufmännische Vorkenntnisse und geschäftliche Erfahrungen in die Selbständigkeit dräng[t]en und ihren Lebensunterhalt mit der Führung eines kleinen ›Ein-Mann-Unternehmens‹ zu verdienen versuch[t]en«; daher sei es unbillig, diese Personen bedingungslos den strengen handelsrechtlichen Vorschriften zu unterstellen. 372 Zwar steht hinter der Optionsmöglichkeit zum Kaufmann unter anderem der Gedanke, dass derjenige, der funktionell und organisatorisch auf keine kaufmännische Einrichtung oder Organisation angewiesen ist, nicht ohne weiteres durch Gleichstellung mit Kaufleuten den ungewohnten Regelungen des Rechts der Handelsgeschäfte unterstellt werden soll. 373 Dass bei Kleingewerbetreibenden aber symptomatisch eine geringere Geschäftserfahrenheit als bei sonstigen Unternehmern unterstellt werden könnte, bringt selbst der Gesetzgeber nicht zum Ausdruck; so wurden Kleingewerbetreibende mit dem HRefG unter der Begründung, »einer unangemessenen Einschränkung der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber (Klein-) Gewerbetreibenden« entgegen wirken zu müssen, auch aus dem persönlichen Ausnahmebereich zum AGB-Recht herausgenommen (§ 24 Abs. 1 Nr. 1 AGBGB a. F.). 374 Dieser Schritt entspricht der tatsächlichen Praxis, dass ein größer werdender Teil spezialisierter Dienstleistungserbringer trotz hoher

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Regierungsentwurf HRefG – BT-Drucks. 13/8444 S. 1 (S. 27, 28). Kaiser, JZ 54 (1999), 495 (495 ff.); Canaris, Handelsrecht, § 3 Rn. 5 (S. 27). 372 Regierungsentwurf HRefG – BT-Drucks. 13/8444 S. 1 (S. 28). 373 Regierungsentwurf HRefG – BT-Drucks. 13/8444 S. 1 (S. 27 ff.); K. Schmidt, in: K. Schmidt (Hrsg.): MünchKomm-HGB, § 2 Rn. 2. 374 Regierungsentwurf HRefG – BT-Drucks. 13/8444 S. 1 (S. 47). 371

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Professionalität auf einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erst gar nicht angewiesen ist. b) § 2 HGB und verbraucherrechtlicher Unternehmerbegriff Die eintragungsabhängige Sonderbehandlung von Kleingewerbetreibenden sollte vor allem aus dem Blickwinkel des Verbrauchervertragsrechts von Grund auf überdacht und Einklang zwischen den Sonderprivatrechten hergestellt werden: Warum Kleingewerbetreibende, wenn sie als Fernabsatzverkäufer auftreten, einem sachgrundlosen verbraucherseitigen Widerrufsrecht aussetzen375, wenn sie andererseits im Handelverkehr vor Registereintragung noch nicht einmal auf das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht Rückgriff nehmen können (§ 369 HGB)? Die verbraucherseitigen Widerrufskosten sollen sie (als Unternehmer) tragen376, aber andererseits nicht ohne weiteres qualifi zierte Zinsansprüche geltend machen können (§§ 352 ff. HGB)? Werden Kleinunternehmer auf der freiheitlich einschneidenderen Ebene des Verbraucherschutzes allen sonstigen Unternehmern als Schutzverpfl ichtete gleichgestellt, sollten sie auch bedingungslos in die professionell verkehrsbeschleunigenden Regeln des Handelsvertragsrechts mit einbezogen werden. Der umgekehrte Weg, nämlich Kleinunternehmer zur Beilegung des Dilemmas aus dem Verpfl ichtungsbereich des Verbrauchervertragsrechts auszuklammern377, könnte dagegen potenziell als Verstoß gegen die Leitbildaussagen des höherrangigen Richtlinienrechts ausgelegt werden. Dem Einwand, durch eine umfassende Herabstufung des Kleinunternehmers zum Verbraucher gegen die prinzipiellen Grundwertungen des höherrangigen Richtlinienrechts zu verstoßen, könnte zwar durch Rückgriff auf die Öffnungsklauseln der Mindestharmonisierung entgangen werden (Stichwort: »Erhöhung des Verbraucherschutzniveaus«). Die damit einhergehende Markterhaltung würde letztlich jedoch nicht nur neue Beschränkungen im (zwischenstaatlichen) Handelsverkehr hervorrufen, sondern auch dem Subsidiaritäts- und Wettbewerbsprinzip widersprechen, wonach staatliche Eingriffe selbst im (minder-) professionellen Geschäftsverkehr Marktparameter verfälschen können. Aufrechterhalten ließe sich die Optionsmöglichkeit nach § 2 HGB im Lichte des Verbrauchervertragsrechts folglich nur dann, wenn Kleinunternehmer auch konsumentenrechtlich eine Sonderstellung einnehmen würden. Derartige Tendenzen sind aber allenfalls im Bereich der Existenzgründung sowie im Bereich gemischt zweckbezogener Tätigkeiten vorzufi nden – Strömungen, denen es bereits verbraucherrechtlich an Überzeugungskraft mangelt. 378 Zwar 375

Art. 6 Fernabsatzrichtlinie; §§ 312d, 355 ff. BGB. Umkehrschluss aus § 357 Abs. 2 S. 3 BGB. 377 So aber: Zöllner, in: Harrer/Mader (Hrsg.): Die HGB-Reform in Österreich, S. 1 (S. 19)]. 378 In diesem Sinne für die Unternehmereigenschaft eines Existenzgründers: BGH – Ur376

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hat der deutsche Gesetzgeber den Verbraucherbegriff teilweise auf Existenzgründer erweitert (§ 507 BGB, § 8 Abs. 4 VVG) 379, sich hiermit aber in offenen Widerspruch zu den Unternehmerleitbildvorstellungen des EuGH gesetzt, der seinerseits bereits eine künftige berufl iche Tätigkeit als unternehmerisch erachtet380. Defi nitiv zu weitgehend erschiene es, aus dem Verbrauchercharakter einer partikulär-professionellen Tätigkeit eines voll Berufstätigen (= Mischtypus) auf den Verbrauchercharakter einer vollprofessionellen Tätigkeit eines partikulär Berufstätigen (= Kleingewerbetreibenden) zu schließen. Müssen Kleingewerbetreibende in b2c-Konstellationen gesteigerte Verantwortung tragen, ist somit kein Grund ersichtlich, sie – wenn es um den Materialisierungsgrad ihrer eigenen Vertragsfreiheit geht – einem normdifferenzierenden Selbstschutz zu unterziehen. 2. Schutzbedarf des Klein- gegenüber dem Großunternehmer? Eine Möglichkeit, die Sonderstellung von Kleingewerbetreibenden trotzdem zu erklären, bestünde allenfalls darin, sie als Ausprägung einer spezifischen Schutzlage des Klein- gegenüber dem Großunternehmer zu begreifen, was in der Literatur vielfach in Erwägung gezogen wird. 381 teil v. 24. 02. 2005, Az.: III ZB 36/04 – BGHZ 162, 253 (253 ff.); OLG Rostock – Urteil v. 17. 03. 2003, Az.: 3 U 107/02 – OLGR Rostock 2003, 505 (505 ff.); OLG Oldenburg – Urteil v. 27. 04. 1989, Az.: 1 U 256/88 – NJW-RR 4 (1989), 1081 (1081, 1082); Habermann, in: Staudingers Kommentar BGB, § 14 BGB Rn. 45; Schmidt-Räntsch, in: Bamberger/H. Roth (Hrsg.): BGB, § 14 Rn. 13; für die Behandlung eines Existenzgründers als Verbraucher: OLG Düsseldorf – Urteil v. 23. 11. 1995, Az.: 10 U 29/95 – OLGR Düsseldorf 1996, 39 (39 ff.); OLG Koblenz – Urteil v. 24. 07. 1986, Az.: 6 U 677/85 – NJW 40 (1987), 74 (74, 75); vgl. zu der Sonderkonstellation, dass eine Tätigkeit die Entscheidung, ob es überhaupt zu einer Existenzgründung kommen soll, lediglich vorbereiten soll (dann: Verbraucher): BGH – Urteil v. 15. 11. 2007, Az.: III ZR 295/06 – juris-Datenbank. 379 Während § 507 BGB neben der Kreditaufnahme zu privaten Zwecken auch den Vertragsabschluss zum Zwecke der Aufnahme einer gewerblichen oder selbstständig-beruflichen Tätigkeit erfasst (sofern der Nettodarlehensbetrag oder Barzahlungspreis den Betrag von 50.000,– A nicht übersteigt), werden Existenzgründer beim Abschluss von mehr als einjährigen Versicherungsverträgen geschützt, indem § 8 Abs. 4 VVG ein Recht zum Widerruf von Versicherungsverträgen lediglich in den Fällen versagt, in denen »die Versicherung nach dem Inhalt des Antrags für die bereits ausgeübte gewerbliche oder selbständige Tätigkeit des Versicherungsnehmers bestimmt ist«. 380 EuGH – Benincasa/Dentalkit – Urteil v. 03. 07. 1997, Rs. 269/95 – Slg. 1997, I-3767 Tz. 19; vgl. auch: Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, 4. Kap. B. III. 4. c) (S. 89, 90); vgl. auch: Ebers, in: Acquis Group (Hrsg.): Contract I, Chapt. I Sect. 2 Art. I: 201 A. 3. Rn. 15 (S. 27, 28). 381 Kleindiek, in: Hommelhoff/Jayme/Mangold (Hrsg.): Europ. Binnenmarkt: IPR und Rechtsangleichung, S. 297 (S. 306); Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 11 III. 3. d) (S. 252, 253); ders., in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 107 (S. 113 ff.); Preis, ZHR 158 (1994), 567 (608, 609); Denkinger, Der Verbraucherbegriff, 1. Teil C. IV. 2. (S. 103); Defl orian, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 119 (S. 123); Burckhardt, Das AGB-Gesetz unter dem Ein-

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a) Regelungsgehalt und mangelnde Verallgemeinerungsfähigkeit von § 354a HGB Normativ zum Ausdruck gelangt dieser Gedanke etwa in § 354a HGB, der die freie Vereinbarung eines Abtretungsausschlusses für Forderungen eines Kaufmanns gegenüber einem anderen Kaufmann einschränkt. Inhaltlich betrifft § 354a HGB, der mit Wirkung zum 30. Juli 1994 in das HGB eingefügt worden ist, eine Dreieckskonstellation; er will der einseitigen Vertragsgestaltungsmacht von Großunternehmern durch Auferlegung von Abtretungsverboten gegenüber positionsschwächeren Abnehmern entgegen wirken. Während alle sonstigen Regelungen im Rahmen der §§ 343 ff. HGB vergleichsweise geringfügige Modifi kationen des Allgemeinen Schuldrechts zur Folge haben, stellt § 354a HGB eine »massive Abweichung von § 399 BGB« dar. 382 Der typische Ausgangssachverhalt besteht darin, dass Kaufleute untereinander eine Forderung begründen und deren Abtretung vertraglich ausschließen (§ 399 Alt. 2 BGB). Nimmt der Gläubiger im Anschluss trotzdem eine Abtretung vor, wäre die Abtretung in Anbetracht des Abtretungsverbots eigentlich unwirksam. Denn nach der ständigen, wenngleich heftig umstrittenen Rechtsprechung des BGH, halten derartige Abtretungsverbote im Sinne des § 399 Alt. 2 BGB grundsätzlich der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand und führen zu einer absoluten, gegenüber jedermann wirkenden Unwirksamkeit der Abtretung. 383 § 354a S. 1 HGB macht hiervon eine Ausnahme, indem er mit zwingender Wirkung (§ 354 S. 3 HGB) die Unbeachtlichkeit des Abtretungsverbots anordnet. Während üblicherweise die Kaufmannseigenschaft dem Gesetzgeber »nur als Anknüpfungspunkt für Erweiterungen der Vertragsfreiheit« dient, behandelt § 354a HGB »genau umgekehrt . . . deren Einschränkung«. 384 Im Grunde genommen handelt es sich bei § 354a HGB daher um eine »Verbrauchervorschrift auf vorgelagerter Vertriebsstufe«: Während die Verbraucherrichtlinien symptomatisch den Schutz des Endabnehmers im Visier haben, will § 354a HGB den Gewerbetreibenden auf der mittleren Vertriebsstufe – den typischen Zulieferer – vor dem Großunternehmen der vorgelagerten Vertriebsstufe schützen. 385 Dennoch reicht der Aussagegehalt des § 354a HGB nicht so weit, fluss der EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, C. II. 3. (S. 131). 382 Canaris, Handelsrecht, § 26 Rn. 14 (S. 395). 383 BGH – Urteil v. 31. 10. 1990, Az.: IV ZR 24/90 – BGHZ 112, 387 (389 ff.); Urteil v. 18. 06. 1980, Az.: VIII ZR 119/79 – BGHZ 77, 274 (275). 384 Canaris, Handelsrecht, § 26 Rn. 17 (S. 396); vgl. auch: Canaris, in: Canaris/Schilling/Ulmer (Hrsg.): Staub-HGB, § 354a Rn. 6. 385 Nach der Gesetzesbegründung soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass »[n]ahezu alle Großunternehmen in Deutschland . . . in ihren Einkaufsbedingungen die Abtretung von Forderungen aus Warenlieferungen und Dienstleistungen aus[schließen]«. In Anbetracht der Tatsache, dass die Forderungen gegen die Großunternehmer von einwandfreier Bonität seien, nähmen sie den mittelständischen Vertragspartnern die Möglichkeit,

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dass man daraus die Notwendigkeit eines handelsspezifischen Schutzrechts ableiten könnte, mit dem über zwingende Rechtsvorschriften die Vertragsfreiheit von Kleingewerbetreibenden generell im Verhältnis zu Unternehmern materialisiert würde. Zwar lag der Grund für die Einführung von § 354a HGB darin, »den Refinanzierungsspielraum für kleine und mittlere Unternehmen zu verbessern«386, sodass § 354a HGB eigentlich prädestiniert wäre, vor allem Kleingewerbetreibende als Zedenten vor der Vertragsgestaltungsmacht von Großunternehmern bei der Durchsetzung von Abtretungsverboten zu schützen387. Einen zwingenden Kleinunternehmerschutz gegenüber dem (Groß-) Unternehmer – ähnlich dem Verbraucherschutz – zu propagieren, würde jedoch auch dem Wertungsgehalt des Handelsvertreter-, Kommissions-, Vertragshändler- und Franchiserecht widersprechen, wonach zwingende Rechtsvorschriften im interprofessionellen Handelsverkehr nur bei einem gewissen Grad an absatzspezifischer Vertikalinstitutionalisierung gerechtfertigt sein können. 388 Vor dem Hintergrund, dass § 354a HGB zugunsten von Kleingewerbetreibenden sowieso nur über den Umweg von § 2 HGB bzw. § 383 Abs. 2 S. 2, § 407 Abs. 3 S. 2, § 453 Abs. 3 S. 2, § 467 Abs. 3 S. 2 HGB Anwendung fi ndet, kann er erst recht nicht zu dem allgemeinen Schutzgedanken erweitert werden, dass Kleingewerbetreibende generell vor Großunternehmern in ihrer Vertragsfreiheit geschützt werden müssten. 389 Eine derartige Materialisierung der Vertragsfreiheit innerhalb des Handelsrechts zu propagieren, würde nicht nur dem Bedürfnis des professionellen Geschäftsverkehrs nach dispositiven Vorschriften widersprechen, sondern auch zu unverhältnismäßigen Eingriffen in den freien Wettbewerb führen. 390 b) Die EG-rechtliche Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) Auch die EG-rechtliche Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) kann letztlich für die Sonderbehandlung der Kleingewerbetreibenden nicht ins Feld geführt werden. 391 Denn abgesehen von der Initiative zur Bekämpfung ihre Außenstände als Finanzierungsinstrument einzusetzen. Die Geltendmachung der Rechte aus dem Abtretungsverbot stelle demzufolge eine zu missbilligende Ausübung von Marktmacht dar [BT-Drucks. 12/7912 S. 1 (S. 24)]. 386 OLG Jena – Urteil v. 21. 01. 2003, Az.: 5 U 1473/01 – OLGR Jena 2003, 345 (345 ff.); vgl. auch: W.-H. Roth, in: Koller/W.-H. Roth/Morck (Hrsg.), HGB, § 354a Rn. 1. 387 Für eine Einbeziehung von Kleingewerbetreibenden auf der Schuldnerseite: Canaris, Handelsrecht, § 3 Rn. 18 (S. 30). 388 Vgl. im Überblick: Canaris, Handelsrecht, S. 247 ff. 389 Gegen eine analoge Anwendung von § 354a HGB über dessen Adressatenkreis hinaus: Horn, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, § 354a HGB Rn. 14. 390 Ebenfalls ablehnend: Tonner, JZ 51 (1996), 533 (535). 391 Vgl. hierzu auch: Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EGVertrages, § 11 III. 3. d) (S. 252, 253).

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des Zahlungsverkehrs im Geschäftsverkehr392 handelt es sich hierbei um keine intendiert zivilrechtliche Privilegierung, sondern in erster Linie um eine industriepolitische Grundsatzentscheidung der EG. 393 Sie baut nicht auf der Überzeugung von einer typisierungstauglichen Benachteiligung im Privatrechtsverkehr, sondern auf der Wertung des Art. 157 EG auf. Seit 1992 sieht Art. 157 Abs. 1 Ua. 2 Spstr. 3 EG ausdrücklich vor, dass EG und Mitgliedstaaten die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie nach außen durch die »Förderung eines für die Initiative und Weiterentwicklung der Unternehmen . . ., insbesondere der kleinen und mittleren Unternehmen, günstigen Umfelds« anstreben; die Querschnittsklausel des Art. 157 Abs. 3 S. 1 EG soll die Beachtung dieser Förderung bei der Anwendung der Vertragsbestimmungen sicherstellen. 394 Auf das Vertragsrecht lässt sich die Sonderbehandlung von KMU, insbesondere deren Defi nition anhand der Mitarbeiterzahlen und fi nanziellen Schwellenwerte nach Maßgabe der Kommissionsempfehlung395, gleichwohl nicht übertragen. Wie aus dem Grünbuch der Kommission »zur Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz« hervorgeht, sollen die KMU nicht etwa von einem verbraucherähnlichen Schwächerenschutz, sondern vielmehr »von einem stärker vorausschaubaren Regelungsumfeld und unkomplizierteren EU-Vorschriften profitieren können«. 396 Mit dieser Strategie bringt die Kommission insgesamt zum Ausdruck, dass KMU nicht etwa auf der individual-vertragsrechtlichen Mikroebene protegiert werden sollen, sondern industriepolitischen Unterstützungsbedarf aufweisen, »damit sie ihren Aufwand für die Einhaltung der EU-Vorgaben reduzieren können und generell in die Lage versetzt werden, leichter als bisher EU-weit Handel zu betreiben, und zwar unabhängig davon, wo sie ihren Sitz haben«. 397 3. Eintragungsunabhängige Anwendung der §§ 343 ff. HGB Nicht zuletzt in Anbetracht dieser vertragsrechtlichen Indifferenz der KMUFörderung wäre dem Unternehmerleitbild und dessen Komplementarität zum 392 Rat – Richtlinie 2000/35/EG zur Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr – ABl. 2000 Nr. L 200 S. 35; Kommission – Empfehlung vom 12. Mai 1995 über die Zahlungsfristen im Handelsverkehr – ABl. 1995 Nr. L 127 S. 19; vgl. auch: I. Klauer, Die Europäisierung des Privatrechts, 3. Kap. § 1 II. (S. 160, 161). 393 Vgl. Kommission – Pressemitteilung vom 12. 03. 2008 – EuZW 19 (2008), 226; siehe auch die Pressemitteilung vom 25. 06. 2008 zum »Small Businecc Act« – EuZW 19 (2008), 418 (418 f.). 394 Gasse, Die Bedeutung der Querschnittsklauseln, 1. Teil 1 A IV. (S. 41 ff.). 395 Vgl. Kommission – Empfehlung vom 06. 05. 2003 betreffend die Defi nition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen – ABl. 2003 Nr. L 124 S. 36. 396 Kommission – Grünbuch »Die Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz« – ABl. 2007 Nr. C 61 S. 1 Tz. 2.1. 397 Kommission – Grünbuch »Die Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz« – ABl. 2007 Nr. C 61 S. 1 Tz. 2.1.

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Verbraucherleitbild letztlich nur durch eine bedingungslose Einbeziehung der Kleingewerbetreibenden in den Geltungsbereich des Rechts der Handelsgeschäfte genüge getan. 398 Bereits der handelsrechtliche Grundtatbestand wäre auf Kleinunternehmer zu erstrecken und lediglich im Hinblick auf segmentäre Grenzfälle eine Rückausnahme in Erwägung zu ziehen. 399 Eine Eintragungspflicht mit deklaratorischer Wirkung wie bei Kaufleuten gemäß § 1 Abs. 2 HGB müsste aus dieser Gleichstellung genauso wenig folgen wie eine Ausweitung anderer handelsrechtlicher Vorschriften (z. B. §§ 238 ff. HGB). So würde eine obligatorische Registereintragung für Kleingewerbetreibende auch an dieser Stelle vernachlässigen, dass es sich bei der Registerpublizität zwar um einen möglichen (Stichwort: Unternehmer-Gesellschaft), aber nicht um einen maßgeblichen Differenzierungsgrund (Stichwort: Einzelunternehmer) für die Kaufmannseigenschaft handelt.

4. Letztverkäuferregress – Gebot zur dispositiven Ausgestaltung? Zur Abstimmung der Kleinunternehmergleichstellung mit dem übrigen Vertragsrecht wäre zudem sicherzustellen, dass die Umsetzung des Unternehmerleitbilds nicht durch zwingende Regelungen zum Schutz des einen vor dem anderen Unternehmer Gefahr läuft, torpediert zu werden. Jedenfalls systemwidrig sind in diesem Sinne die zwingenden Regelungen zum Letztverkäuferregress (§§ 478, 479 BGB), wonach der (Klein-) Unternehmer, wenn er Letztverkäufer ist, gegenüber seinem (unternehmerischen) Lieferanten für den Fall, dass er von dem Verbraucher wegen eines Mangels des gekauften Verbrauchsguts in Anspruch genommen wurde, die Mängelrechte des § 437 BGB (§ 478 Abs. 1 BGB) und wahlweise den Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 478 Abs. 2 BGB geltend machen kann.400 Während Art. 4 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie die Privatautonomie im Verhältnis des Unternehmers zum Lieferanten gerade unberührt lässt401, verbirgt sich hinter § 478 Abs. 4 S. 1 BGB »das – rechtspolitisch zu recht kritisierte und gesetzlich auch nicht konsequent durchgeführte – Leitbild des Schutzes des ›meist schwächeren Händlers‹ ge-

398 Vgl. zur Ausweitung der Prorogationsmöglichkeit (§ 38 Abs. 1 ZPO) auf Kleinunternehmer: U. Neumann, Der persönliche Anwendungsbereich vertraglicher Schutzvorschriften, 2. Kap. B. IV. 4. a) (S. 44, 45). 399 P. Bydlinski, ZIP 19 (1998), 1169 (1173); so auch hinsichtlich des HaRÄG in Österreich: 1058 BlgNR XXII. GP, in: Krejci (Hrsg.): Reform-Komm. UGB/ABGB, EläutRV (S. 25). Die im Anwendungsbereich der §§ 343 ff. HGB oft nicht einfache Abgrenzung zum kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetrieb würde sich damit relativieren [Treber, AcP 199 (1999), 525 (565 ff.); vgl. zu dieser Abgrenzung auch: U. Neumann, Der persönliche Anwendungsbereich vertraglicher Schutzvorschriften, 3. Kap. B. III. 2. b) (S. 28, 29)]. 400 Im Überblick: Lepsius, AcP 207 (2007), 340 (340 ff.). 401 Magnus, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht A 15 Art. 4 Rn. 1.

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genüber dem mächtigeren Großhändler bzw. Hersteller«402 . Auch das flankierende Umgehungsverbot des § 478 Abs. 4 S. 3 BGB könnte allenfalls im Zusammenhang mit Verbraucher-, nicht aber in Konnotation mit dem Unternehmerleitbild verhältnismäßig sein.403 Eine konfl iktgeladene Überlagerung zwischen Verbraucher- und Unternehmerleitbild fi ndet an dieser Stelle statt: Lag bereits im letzten Glied der Lieferantenkette ein Verbrauchsgüterkauf vor404, wird als Ausfluss dessen auch der letztverkaufende (Klein-) Unternehmer wie ein Verbraucher behandelt405. Systemwidrig wird die Vertragsbeziehung zu seinem Lieferanten an den Maßstäben des strengen Verbrauchsgüterkaufrechts gemessen406, wobei § 478 Abs. 5 BGB die Regelungen, die im Verhältnis zwischen dem Letztverkäufer und seinem Lieferanten gelten, sogar auf sämtliche Kaufverträge mit vorangegangenen Unternehmern in der Lieferantenkette erstreckt. Dies erzeugt vor allem einen Widerspruch zu § 478 Abs. 6 BGB, der in »HGB-Tradition« klarstellt, dass die Untersuchungs- und Rügepfl icht des § 377 HGB für den Regress des Unternehmers unberührt bleibt. Auf diese Weise können Unternehmer plötzlich Regressrechte verlieren, die vor Entdeckung des Mangels noch unverzichtbar waren.407 Zu einer unbeabsichtigten Fortsetzung dieser Leitbildvermischung kommt es in grenzüberschreitenden Absatzketten, in denen ein Eingreifen des CISG zum Abbruch der Regresskette führen kann, wenn die Parteien die Geltung des CISG nicht ausgeschlossen haben (Art. 6 CISG).408 Die leitbildgemäße Schlussfolgerung aus dieser Überlagerung ist eindeutig: Bedenkt man nämlich, dass jede zwingende Ausgestaltung der Regressrechte (b2b) dem Unternehmerleitbild zuwiderläuft, lässt sich die Zielsetzung von Art. 4 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie im Grunde nur dadurch realisieren, dass man dispositive Regressansprüche in der Lieferkette (Unternehmerleitbild) mit einem zwingenden Direktanspruch des Verbrauchers gegenüber dem Hersteller (Verbraucherleitbild) kombiniert.409

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Lorenz, in: Rebmann/Säcker/Rixecker (Hrsg.): MünchKomm-BGB, § 478 Rn. 7. Vgl. Lorenz, in: Rebmann/Säcker/Rixecker (Hrsg.): MünchKomm-BGB, § 478 Rn. 46. 404 Tröger, AcP 204 (2004), 115 (123, 124). 405 Vgl. von Sachsen Gessaphe, in: FS für Sonnenberger (70. Gebtg.), S. 99 (S. 111). 406 K. Richter, AcP 206 (2006), 3 (14). 407 Vgl. Lorenz, in: Rebmann/Säcker/Rixecker (Hrsg.): MünchKomm-BGB, § 478 Rn. 54; weniger kritisch: Emmerich/Hoffmann, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, vor § 373 Rn. 16. 408 Hierzu näher: Dutta, ZHR 171 (2007), 79 (86 ff.). 409 Ablehnend diesbezüglich: Begründung zum Gesetzesentwurf SMG: BT-Drucks. 14/6040 S. 1 (S. 247). 403

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C. Einseitige Handelsgeschäfte – neuralgischer Punkt der Abgrenzung In ähnlicher Weise beschreibt auch die Vorschrift zu einseitigen Handelsgeschäften (§ 345 HGB) einen »neuralgischen Punkt im Spannungsfeld von bürgerlichem Recht, Handelsrecht und Verbraucherschutzrecht«.410 Gemäß § 345 HGB gelten, wo nichts anderes gesagt ist, die Vorschriften über Handelsgeschäfte auch dann, wenn das Geschäft nur für einen Beteiligten Handelsgeschäft ist, wenn also der andere nicht Kaufmann ist oder wenn er zwar Kaufmann ist, das Geschäft aber nicht zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehört.411 I. Rechtspolitische Bedenken und verfassungsrechtliche Fragestellung In der Literatur hat die Vorschrift des § 345 HGB zu Recht zahlreiche Kritik erfahren.412 Zwar hat bereits O. von Gierke sie als »eine der bedenklichsten Bestimmungen des bisherigen Handelsgesetzbuches« bezeichnet.413 Aber auch heute lässt sich ihre Existenz nur noch historisch erklären, wenn auch nicht rechtfertigen.414 Die einseitigen Handelsgeschäfte haben als »überaus zähle410

Schuhmacher, Verbraucher und Recht in historischer Sicht, C. 1. d) (S. 39). Teilweise wird im Schrifttum davon ausgegangen, dass die am Ende von § 345 HGB stehende Rückausnahme (»soweit nicht aus diesen Vorschriften sich ein anderes ergibt«) nicht bereits im Wortlaut der betreffenden Norm verankert sein muss, sondern sich auch aus ihrem Sinn und Zweck ergeben kann [Canaris, Handelsrecht, § 20 Rn. 12 (S. 331); E. Bydlinski, JBl. 111 (1989), 409 (410 ff.)]. Für die Praxis hat diese progressive Ansicht jedoch nur geringe Bedeutung, weil die meisten Vorschriften, die eine bestimmte Partei handelsspezifisch belasten, bereits ihrem Wortlaut nach ausdrücklich festschreiben, dass das (einseitige) Handelsgeschäft – jedenfalls auf Seiten der belasteten Partei – ein Handelsgeschäft zu sein hat (§§ 347 bis 350 HGB, § 362 HGB). 412 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1. Teil 3. Kap. I. (S. 30 ff.); ders., JuS 7 (1967), 533 (535); K. Schmidt, in: K. Schmidt (Hrsg.): MünchKomm-HGB, § 345 Rn. 5; ders., BB 60 (2005), 837 (841); Brüggemann, in: Canaris/Schilling/Ulmer (Hrsg.): Staub-HGB, Einl vor § 1 Rn. 49; differenzierend: Horn, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, § 345 Rn. 3; a. A. Koller, der die Kritik an § 345 HGB für nicht berechtigt hält (Koller, in: Canaris/Schilling/Ulmer (Hrsg.): Staub-HGB, § 345 Rn. 6). 413 O. von Gierke, ZGH 45 (1896), 441 (451). 414 Hatte der preußische Entwurf als Grundlage für die Kodifi kationsarbeiten zum ADHGB noch keine ausdrückliche Regelung zu einseitigen Handelsgeschäften enthalten, fand mit Art. 277 ADHGB, wonach bei einseitigen Handelsgeschäften die Bestimmungen des vierten Buches über Handelsgeschäfte auch auf den Nichtkaufmann prinzipiell anzuwenden waren, eine dem heutigen § 345 HGB identische Regelung in das ADHGB Eingang. Die Protokolle zu den Lesungen zum ADHGB belegen, dass zwar eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Abgrenzungsproblematik zu dem allgemeinen Privatrecht stattfand, nach einer systematisch überzeugenden Lösung aber nicht gesucht wurde [Schuhmacher, Verbraucher und Recht in historischer Sicht, C. 1. d) (S. 39 ff.)]. Während der ersten Lesung zum ADHGB wurde etwa hervorgehoben, dass eine Ausklammerung von einseitigen Handelsgeschäften aus dem Anwendungsbereich des ADHGB keinen inneren Grund habe, 411

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biges Provisorium« die historische Situation ihrer Kodifi kation überdauert, »ohne irgendwie an systematisch-normativer Rechtfertigung zu gewinnen«.415 In Anbetracht der Tatsache, dass auf »Verbraucher-Unternehmer«-Konstellationen gerade das entschärfte Konsumentenschutzrecht in Gestalt von »einseitigem Unternehmerrecht«416 Anwendung fi nden sollte, stellt die Vorschrift des § 345 HGB dem Zustand von BGB und HGB ein »schlechtes Zeugnis« aus«.417 Sein Anwendungsbereich ragt bedenklich weit in das Recht der Handelsgeschäfte hinein, da er sämtliche Sondervorschriften erfasst, die nicht ausdrücklich ein beiderseitiges Kaufmannsgeschäft voraussetzen.418 Insbesondere der innere Existenzgrund für § 345 HGB als Sondernorm wirft Fragen auf. Verfassungsrechtlich könnte man in § 345 HGB zwar eine aus Gleichheitserwägungen gebotene Rückausgleichsnorm für Sonderbehandlungen sehen, indem man ihn für erforderlich hält, damit ein Unternehmer nicht allein deshalb dem qualifi zierten Sorgfaltsmaßstab der §§ 343 ff. HGB wieder entzogen wird, weil er mit einem Verbraucher (und nicht wie üblich mit einem Unternehmer) in Geschäftskontakt tritt: Der Unternehmer wäre in diesem Sinne nicht allein deshalb »besser« oder »anders« zu behandeln, weil er einem nichtunternehmerischen Vertragspartner gegenüber steht. Auf der anderen Seite liegt es aber näher, die Gegenposition zu vertreten und kritisch aus der Perspektive des Verbrauchers zu fragen, wieso ein Nichtunternehmer schlicht aus dem Grund, dass er mit einem Unternehmer einen Vertrag abschließt, handelsrechtlichen »denn es sei nicht abzusehen, warum zB der Verkauf von 25 Zentnern Sämereien an den Gutsherrn nach Civilrecht beurteilt werden solle, während der Verkauf einer weit geringeren Quantität, wenn er an einen Kaufmann für seine Handelszwecke erfolge, dem Handelsrechte unterworfen sei«. Höchstens bei dem »Verkaufe in offenem Kram und Laden« könne die Anwendung des Handelsrechts entbehrlich sein, »da dieser nichts besonderes Kaufmännisches an sich habe. Da es aber nicht möglich sei, zwischen diesen und den übrigen Verkaufsgeschäften eine sichere Grenze zu ziehen, werde es sich empfehlen, auch diese dem Handelsrechte zu unterwerfen, zumal hiermit eine Reihe von Streitigkeiten darüber abgeschnitten würde, ob ein bestimmtes Geschäft eines Kaufmannes ein Handelsgeschäft sei oder nicht« [Lutz, Protokolle der Kommission zur Berathung eines allgemeinen deutschen HGB, II. Theil, LX. Sitzung (S. 541, 542)]. In der zweiten Lesung, deren Abstimmung ebenso wie die erste zugunsten der Verabschiedung des Art. 277 ADHGB ausfiel, wurde eine Ausklammerung von Detailverkäufen an Konsumenten unter anderem deswegen verweigert, weil der Begriff des Handverkaufs zu unbestimmt sei, was im Falle einer Auslagerung auf das bürgerliche Recht »große Schwierigkeiten und Verwicklungen in der Anwendung hervorrufen« würde. In der ersten Lesung zum HGB erörterte man den Vorschlag zwar, einseitige Handelsgeschäfte dem bürgerlichen Recht zu unterstellen. Letztlich verpasste man aber die Gelegenheit, das HGB in ein sachgerechtes Verhältnis zu dem BGB zu bringen [Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 3. Teil 1. Abschnitt 1. Kap. I. (S. 105 ff.)]. 415 F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 3. Hteil. II. 1. b) (S. 435). 416 Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, 4. Kap. B. I. (S. 81). 417 K. Schmidt, BB 60 (2005), 837 (841); vgl. auch: K. Schmidt, in: K. Schmidt (Hrsg.): MünchKomm-HGB, § 345 Rn. 5 ff. 418 Vgl. etwa: das Kontokorrentrecht (§§ 355 ff. HGB), die Regeln über die Leistungszeit (§§ 358 ff. HGB), die Bestimmungen über kaufmännische Orderpapiere (§§ 363 ff. HGB), die Regeln über den Handelskauf (§§ 373 ff. HGB) mit Ausnahme der Mängelanzeige (§ 377 HGB) und die Bestimmungen über die Kommission (§§ 383 ff. HGB).

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Normen unterstellt werden sollte. 419 Denn zumindest in eigener Person gibt der Verbraucher keinen Anlass, dem Unternehmer auch bei einseitigen Handelsgeschäften die mit dem Recht der Handelsgeschäfte verbundenen Verkehrserleichterungen zu gewähren.

II. Einseitige Handelsgeschäfte zu Lasten des Nichtunternehmers Unbedenklich ist § 345 HGB lediglich in den Fällen, in denen nach der herkömmlichen (leitbildwidrigen) Diktion ein einseitiges Handelsgeschäft vorliegen würde, trotzdem aber auf der Seite des Nicht-Kaufmanns kein Verbraucher, sondern ein Marktteilnehmer betroffen ist, der bei leitbildgemäßer Unternehmertypisierung eigentlich unter den Anwendungsbereich der §§ 343 ff. HGB gefasst werden müsste (Freiberufler, Kleinunternehmer etc.).420 Diese Konstellationen sollen – weil sie im Anschluss an eine leitbildgebotene Bereichsausweitung originäre b2b-Verhältnisse darstellen würden – von den nachfolgenden Revisionsanregungen von vornherein nicht angesprochen sein. In dem Restbereich originärer b2c-Begegnungen, in denen sich einseitige Handelsgeschäfte zu Lasten des Verbrauchers auswirken, dürfte § 345 HGB dagegen bereits aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu rechtfertigen sein.421 Am Maßstab der §§ 355, 356, 357 HGB bzw. der §§ 373, 375, 376 HGB lässt sich dies darlegen. 1. Die Zinsverbotslockerung in Kontokorrentverhältnissen Stellt § 355 HGB als handelsrechtliche Ausgangsnorm zu Kontokorrentverhältnissen in Ausprägung des Entgeltlichkeitsgrundsatzes im Handelsverkehr im Rahmen von b2b-Konstellationen eine Erleichterung zu § 248 BGB zur Verfügung, die wegen des Bedürfnisses nach Schnelligkeit und Entgeltlichkeit des Handelsverkehrs nicht zu beanstanden ist, sind solche Fallgestaltungen in b2c-Verhältnissen abweichend zu bewerten. Hier dürfte es häufig bereits an der tatsächlichen Ausgangskonstellation fehlen, dass der Zahlungs- und Abrechnungsverkehr zwischen Personen, die miteinander in laufender Geschäftsbeziehung stehen, vereinfacht werden soll.422 Aber selbst in den praxisrelevanten Fällen des privaten Bankkundenkontokorrents bzw. des nichtkaufmännischen Mandantenkontokorrents423 wirft die Verbraucherbenachteili419

Raisch, JuS 7 (1967), 533 (535). Vgl. K. Schmidt, in: K. Schmidt (Hrsg.): MünchKomm-HGB, § 343 Rn. 2. 421 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1. Teil 3. Kap. I. (S. 31); a. A.: Canaris, Handelsrecht, § 20 Rn. 12 ff. 422 Vgl. Hefermehl, in: Schlegelberger, HGB-Kommentar, § 355 Rn. 2. 423 Vgl. zum Kontokorrent zwischen einem Steuerberater und einem nichtkaufmännischen Mandanten: BGH – Urteil v. 10. 07. 1986, Az.: III ZR 77/85 – WM 40 (1986), 1355 (1355 ff.). 420

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gung ungeklärte Fragen auf – insbesondere ob das bloß einseitige Unternehmerverlangen nach Entgeltlichkeit bzw. nach einer Beschleunigung des Geschäftsverkehrs als Legitimationsgrundlage schon ausreichend sein kann.424 Fadenscheinig wäre sicher der Sachgrund, dass der Verbraucher durch die Ausschaltung der Inhaltsverbotsvorschrift des § 248 BGB im b2c-Verkehr auch in eigener Person in den Genuss des Zuflusses von Zinseszinsen gelangen sollte. Denn das gesamte Verbrauchervertragsrecht baut auf dem entgegen gesetzten Gedanken auf, bestimmte Gefährdungskonstellationen wie § 248 BGB in b2c-Begegnungen durch verbraucherschützendes ius cogens zu untermauern. Würde man § 355 HGB die konträre »Vermutung« zugrunde legen, dass Verbraucher bereits infolge formal-gleicher Freiheit im Verhandlungswege dem Unternehmer das Wasser reichen können, wäre die Existenzberechtigung des Verbrauchervertragsrechts insgesamt in Frage gestellt. Gleichsam würde man den Sinngehalt von § 248 BGB und seine Eignung als gesetzliches Leitbild (vgl. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) torpedieren, weil durch die Einbeziehung einseitiger Handelsgeschäfte in keiner Weise mehr vermittelbar wäre, warum ein Verbraucher gegenüber einem Unternehmer die mit § 355 HGB verbundene Freiheit genießen können soll, gegenüber einem anderen Verbraucher jedoch nicht. Um die Kernaussagen des Verbraucher- und Unternehmerleitbilds wieder in eine widerspruchsfreie Balance zu bringen, müsste der Gesetzgeber folglich entweder das Zinseszinsverbot (§ 248 BGB) vollständig aufgeben oder den persönlichen Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift (§ 355 HGB) in dem Maße einschränken, dass er – jedenfalls im Hinblick auf die Aufhebung des Verbots von Zinseszinsen – nur auf b2b-Geschäfte Anwendung fi ndet.425 2. Akzessorietätslockerung für Sicherheiten bei Kontokorrenten Ähnlich, aber zum Teil abweichend, fällt die Leitbildreflexion zu § 356 HGB aus. Um sie nachvollziehen zu können, ist zunächst auf die wichtigsten Funktionen und Rechtsfolgen des Kontokorrents einzugehen: Es bringt zum einen eine Vereinfachung durch automatische Verrechnung der in das Kontokorrent eingestellten Forderungen mit sich; zum anderen verfolgt es eine Siche424 Vgl. Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1. Teil 3. Kap. I. (S. 32). 425 A. A. Horn, der die Rechtsfolgen des Kontokorrents im b2c-Verkehr »ohne weiteres auch dem Privatmann, der z. B. ein Bankkonto unterhält, zumut[en] will« [Horn, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, § 345 Rn. 3] und eine Analogie im Hinblick auf den reinen c2cVerkehr lediglich für erwägenswert hält [Horn, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, § 355 Rn. 7]; ähnlich, aber enger am Gesetz argumentierend: Canaris, in: Canaris/Schilling/Ulmer (Hrsg.): Staub-HGB, § 355 Rn. 31, 32.

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rungsfunktion, indem durch das automatische Verrechnen bezüglich der so getilgten Ansprüche ein verringertes Insolvenzrisiko besteht. 426 Auf diese Weise führt das Kontokorrent zu einer Bindung der während der Periode unter die Kontokorrentabrede fallenden Ansprüche beider Teile. 427 Eine gesonderte Geltendmachung ist ausgeschlossen (»Lähmung«), weil die Einzelforderungen ihre Selbstständigkeit verlieren und zum reinen Rechnungsposten innerhalb des Kontokorrents werden. 428 Am Ende der Periode werden die in das Kontokorrent eingestellten Forderungen saldiert. Die Saldomitteilung an den Geschäftspartner beinhaltet das Angebot zum Abschluss eines abstrakten Schuldanerkenntnisses in Höhe des Saldos (§§ 780, 781 BGB), das mit Annahme in einen abstrakten Saldoanspruch mündet. 429

Erst an dieser Stelle entfaltet § 356 HGB seinen besonderen Geltungsgehalt. Wurde die Einzelforderung vor dem Aufstellen des Periodensaldos bereits durch ein Pfand, eine Bürgschaft oder in anderer Weise gesichert, »so wird der Gläubiger durch die Aufstellung des Rechnungssaldos nicht gehindert, aus der Sicherheit insoweit Befriedigung zu suchen, als sein Guthaben aus der laufenden Rechnung und die Forderung sich decken«. Mit dieser Grundaussage folgt aus § 356 HGB eine Ausnahme zu dem Akzessorietätsgrundsatz und eine Ausweitung des Verkehrs von Sicherheiten. Gleichwohl ist § 356 HGB aus Gleichheitserwägungen nicht haltbar – und zwar unabhängig davon, ob man der Novationstheorie folgt, derzufolge die Einzelforderungen (einschließlich Sicherheiten) mit dem Periodenabschluss erlöschen430, oder ob man von einem Fortbestand der gesicherten Einzelforderungen bzw. der durch Verrechnung entstandenen Kausalforderung bis zum Erlöschen des abstrakten Saldoanspruchs ausgeht431.

426 Canaris, Handelsrecht, § 25 Rn. 5 (S. 376); ders., in: Canaris/Schilling/Ulmer (Hrsg.): Staub-HGB, § 355 Rn. 3 ff.; K. Schmidt, Handelsrecht, § 21 I. 2. a) und b) (S. 615). 427 Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 355 Rn. 7. 428 Canaris, Handelsrecht, § 25 Rn. 7 ff. (S. 376, 377); Hefermehl, in: Schlegelberger, HGB-Kommentar, § 355 Rn. 32. 429 Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 355 Rn. 7; Hefermehl, in: Schlegelberger, HGBKommentar, § 355 Rn. 43. 430 BGH – Urteil v. 11. 03. 1999, Az.: IX ZR 164/98 – BGHZ 141, 116 (120); Urteil v. 13.03. 1981, Az.: I ZR 5/79 – BGHZ 80, 172 (176); Urteil v. 08. 03. 1972, Az.: VIII ZR 40/71 – BGHZ 58, 257 (260); Urteil v. 28. 06. 1968, Az.: I ZR 156/66 – BGHZ 50, 277 (279); Urteil v. 28. 11. 1957, Az.: VII ZR 42/57 – BGHZ 26, 142 (150); so auch: RG – Urteil v. 03.10. 1929, Az.: VI 14/29 – RGZ 125, 411 (416); vgl. hierzu auch: Hefermehl, in: Schlegelberger, HGB-Kommentar, § 356 Rn. 1; Canaris, in: Canaris/Schilling/Ulmer (Hrsg.): Staub-HGB, § 355 Rn. 118 ff. 431 Canaris, Handelsrecht, § 25 Rn. 29 ff. (S. 382 ff.); ders., DB 25 (1972), 421 (421, 422); Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 356 Rn. 1; zustimmend auch: K. Schmidt, Handelsrecht, § 21 V. 1. b) (S. 628); Hefermehl, FS für Lehmann (80. Gebtg.), Bd. II, S. 547 (S. 549 ff.); vgl. hierzu auch: Hefermehl, in: Schlegelberger, HGB-Kommentar, § 356 Rn. 2.

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5. Kapitel: Typisierungskonvergenz des Handels- /Verbraucherrechts

Ist Sicherungsgeber (§ 356 Abs. 1 HGB) bzw. Drittsicherungsgeber (§ 356 Abs. 2 HGB) ein Unternehmer, mag der qualifi zierte Sorgfaltsmaßstab, dem Unternehmer unterliegen, zwar die »Erweiterung« des Sicherungsumfangs rechtfertigen. Einen Nichtunternehmer aber allein deshalb der »strengeren« Haftung des § 356 HGB zu unterstellen, weil ein Unternehmer sein Vertragspartner ist, ruft einen offenen Widerspruch hervor, insbesondere wenn man die kontrastierende Vorschrift des § 350 HGB in die Betrachtung einbezieht, mit welcher der Gesetzgeber sich gerade weigert, den Verbraucher als Sicherungsgeber ohne Schutz zu stellen. 3. Pfändung des Zustellungssaldos beim Kontokorrent Noch eklatanter fällt der durch § 357 HGB verursachte Leitbildverstoß aus. Die Vorschrift des § 357 HGB eröffnet der Pfändung in ein Kontokorrent – abweichend von den allgemeinen Grundsätzen – günstigere Vollstreckungsmöglichkeiten. Denn eigentlich wird die jeweilige Einzelforderung durch die Einstellung der einzelnen Forderungen in das Kontokorrent unpfändbar. Da die Saldoforderung selbst erst nach Abschluss der jeweiligen Periode entsteht, wäre eine Pfändung somit erst mit dem Entstehen dieses abstrakten Saldoanspruchs möglich. Um einem Gläubiger während der Zwischenzeit (also bis zum jeweiligen Periodenabschluss) die Pfändungsmöglichkeit nicht zu nehmen, bereitet § 357 HGB den Weg, abweichend zu den allgemeinen Grundsätzen, die Pfändung des so genannten Zustellungssaldos vorzunehmen, also des ad hoc zu berechnenden Saldos im Zeitpunkt der Pfändung.432 Dies wirft unweigerlich Folgefragen auf: Soll der jeweilige Zustellsaldo des Verbrauchers etwa nur deswegen für pfändbar erklärt werden, weil er ein Kontokorrentverhältnis mit einem Unternehmer pflegt? Warum werden auch Gläubiger, die in b2b-Konkorrente vollstrecken, besser gestellt? Bereits anhand dieser Zweifelsfragen wird hinreichend deutlich, dass § 357 HGB im Grunde eine reine Gläubigerschutzvorschrift ist, die sich ohne Rechtfertigungsgrund in das Recht der Handelsgeschäfte verirrt hat und eigentlich ihren Platz in der Zivilprozessordnung verdient.433 Entsprechend eindeutig fällt das aus Leitbilderwägungen gebotene Werturteil aus: Entweder die Vorschrift würde gestrichen; oder der Gesetzgeber würde den in § 357 HGB verankerten Gläubigerschutz für verallgemeinerungsbedürftig halten und erklärte § 357 HGB insgesamt und unterschiedslos für anwendbar.

432 Canaris, Handelsrecht, § 25 Rn. 48 (S. 388); ders., in: Canaris/Schilling/Ulmer (Hrsg.): Staub-HGB, § 357 Rn. 11 ff.; Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 357 Rn. 2; K. Schmidt, Handelsrecht, § 21 VI. 2. b) aa) (S. 637); Hefermehl, in: Schlegelberger, HGBKommentar, § 357 Rn. 3; Horn, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, § 357 Rn. 8. 433 Vgl. Canaris, in: Canaris/Schilling/Ulmer (Hrsg.): Staub-HGB, § 357 Rn. 1.

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4. Einseitige Handelsgeschäfte beim Handelskauf Dass das Recht der Handelsgeschäfte auch kaufrechtlich »den Anschluß an die Praxis des Rechtsverkehrs verloren hat«, veranschaulichen schließlich die §§ 373, 375, 376 HGB, deren Obsoleszenz vor allem im direkten Vergleich zur Verbrauchsgüterkaufrichtlinie deutlich wird.434 Im Rahmen von b2c-Konstellationen untragbar ist bereits § 373 HGB, der dem Verkäufer ein über § 383 BGB hinausgehendes Hinterlegungsrecht sowie die Möglichkeit zum Selbsthilfeverkauf auf Kosten des Käufers gewährt, wenn sich der Käufer mit der Abnahme der Ware in Verzug befi ndet.435 Dabei können abweichend von § 383 BGB jegliche Arten von Waren auch an anderen Stellen als bei einem Amtsgericht hinterlegt werden. 436 Die Hinterlegung erfolgt auf Gefahr und Kosten des Käufers; Erfüllung tritt allerdings keine ein (§ 378 BGB). 437

Ist allein der Verkäufer, nicht jedoch der Käufer Unternehmer438, kann das bloße Bedürfnis nach Schnelligkeit im Handelsverkehr die verschärften Rechtsfolgen für den Käufer (§ 373 HGB) nicht rechtfertigen.439 Gleiches muss für den umgekehrten Fall gelten, dass allein der Käufer Unternehmer ist, würde § 373 HGB dem Verbraucher hier doch eine Verkehrsbeschleunigung ermöglichen, auf welche er als Nichtunternehmer keinen Wert legt.440 Im Lichte von § 345 HGB in gleicher Weise leitbildwidrig ist die Vorschrift zum Bestimmungskauf (§ 375 HGB), die dem Verkäufer die Möglichkeit gibt, jenseits des üblichen Instruments der Selbstspezifi kation den Vertrag im Falle eines Bestimmungskaufs unmittelbar zu liquidieren, sei es mit oder ohne Schadensersatz.441 Ist allein der Verkäufer Unternehmer, der Käufer dagegen Nichtunternehmer, trägt § 375 HGB zwar dem Interesse des Verkäufers an einer zügigen und reibungslosen Abwicklung des Kaufvertrages Rechnung. Andererseits kann der Verbraucher aber allein deswegen, weil er mit einem Unternehmer als Verkäufer zu tun hat, keinem erhöhten Pfl ichtenkanon ausgesetzt werden.442 Auch im umgekehrten Fall, dass allein der Verkäufer Ver434 K. Schmidt, Das HGB und die Gegenwartsaufgaben des Handelsrechts, III. 1. b) (S. 26). 435 Canaris, Handelsrecht, § 29 Rn. 9 (S. 429); Emmerich/Hoffmann, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, vor § 373 Rn. 6 und §§ 373, 374 Rn. 6 ff. und 10 ff.; Achilles, in: Ensthaler (Hrsg.): Gemeinschaftskommentar HGB, § 373, 374 Rn. 4 ff. und 8 ff.; G. Müller, in: Ebenroth/Boujong/Joost (Hrsg.): HGB-Kommentar, § 373 Rn. 21 ff. und 29 ff. 436 Canaris, Handelsrecht, § 29 Rn. 7 (S. 428); K. Schmidt, Handelsrecht, § 29 II. 2. a) aa) (S. 784). 437 Canaris, Handelsrecht, § 29 Rn. 8 (S. 428, 429). 438 K. Schmidt, Handelsrecht, § 29 II. 2. b) (S. 785). 439 Relativierend: Canaris, Handelsrecht, § 29 Rn. 14 (S. 430). 440 Relativierend: Canaris, Handelsrecht, § 29 Rn. 15 (S. 430). 441 Canaris, Handelsrecht, § 29 Rn. 23 (S. 432); Emmerich/Hoffmann, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, § 375 Rn. 14 ff. 442 Relativierend: Canaris, Handelsrecht, § 29 Rn. 24 (S. 432).

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5. Kapitel: Typisierungskonvergenz des Handels- /Verbraucherrechts

braucher ist, wird der von § 375 Abs. 1 HGB vorausgesetzte Normzweck nicht erreicht, weil einem Eigenbedarf deckenden Verbraucher eine besonders zügige Abwicklung typischerweise nicht weiterhilft. Gleichermaßen zur Sinnverfälschung trägt § 345 HGB im Rahmen der Vorschrift zum Fixhandelskauf (§ 376 HGB) bei. Ohne spezifi ziert zwischen Käufer und Verkäufer zu differenzieren, stellt § 376 HGB einerseits den Gläubiger einer nicht »fi x« erbrachten Leistung im Vergleich zum bürgerlichen Recht besser, weil er ihm auch die Möglichkeit zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung gibt443 ; andererseits verlangt er aber auch mehr von ihm, indem er auch in eigener Person aktiv werden muss, wenn er bei Nichtleistung zu dem bestimmten Zeitpunkt seinen eigenen Primärleistungsanspruch behalten möchte 444 .

Durch diese Rechte- und Pfl ichtenerhöhung auf der Gläubigerseite trägt § 376 HGB zwar in b2b-Verhältnissen der Schnelligkeit und Zuverlässigkeit im Handelsverkehr Rechnung, erzeugt im Rahmen von b2c-Verhältnissen aber notgedrungen »gewisse Wertungswidersprüche« (Emmerich/Hoffmann) 445, muss der Verbraucher doch nur wegen der gewerblichen Prägung seines Vertragspartners vermehrte Pfl ichten ertragen. III. Resümierende Auswertung der einseitigen Handelsgeschäfte Der vorstehende Überblick hat beispielhaft die Leitbildwidrigkeit veranschaulicht, die § 345 HGB dadurch hervorruft, dass er die Rechtstellung des Nichtunternehmers verschlechtert, ohne damit zwangsläufig zu einer legitimen Befriedigung von Unternehmerinteressen beizutragen.446 Während diejenigen HGB-Normen, die bereits tatbestandlich auf b2b-Verhältnisse zugeschnitten sind (z B. § 377 HGB) zwar im »Spiegel der Rechtswirklichkeit« noch von praktischem Interesse, aber sachlich nicht mehr zeitgemäß sind (Stichwort: just in time delivery, elektronische Lagerverwaltung) 447, treten einseitige Handelsgeschäfte schon »[r]echtspolitisch . . . mißglückt« in Erscheinung448. Milder fällt das Urteil lediglich hinsichtlich derjenigen (einseitigen Handelsrechts-) Vorschriften aus, die bereits kraft gesetzlicher Anordnung ausschließlich zu Lasten eines Unternehmers, niemals jedoch zu seinen Gunsten als einseitige Handelsgeschäfte Geltung beanspruchen. 449 Vor allem die §§ 348, 349, 350 HGB sind in diesem Zusam443 Canaris, Handelsrecht, § 29 Rn. 29 (S. 433, 434), Emmerich/Hoffmann, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, § 376 Rn. 15 ff. 444 Canaris, Handelsrecht, § 29 Rn. 33 (S. 434); Emmerich/Hoffmann, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, § 376 Rn. 11. 445 Emmerich/Hoffmann, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, vor § 373 Rn. 3. 446 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1. Teil 3. Kap. I. (S. 33). 447 K. Schmidt, Handelsrecht, § 29 I. 2. b) (S. 783); vgl. auch: K. Schmidt, Das HGB und die Gegenwartsaufgaben des Handelsrechts, III. 1. b) (S. 26). 448 K. Schmidt, Handelsrecht, § 29 I. 2. b) (S. 783). 449 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwand-

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menhang betroffen. Zwar könnte man auch diesbezüglich einwenden, dass selbst bei diesen Vorschriften der handelsrechtlich verfolgte Beschleunigungseffekt nicht sachgerecht erreicht werden könnte, weil der bloß einseitig unternehmerischen Selbstverantwortlichkeitssteigerung nicht das Pendant einer wirklichen Geschäftsverkehrsbeschleunigung gegenüber steht. Allein deswegen können die §§ 348, 349, 350 HGB aber nicht als leitbildwidrig eingestuft werden, basieren sie bei sachgerechter Sichtweise doch in erster Linie auf der Überlegung, dass es aus der Sicht des Unternehmers nicht nachvollziehbar wäre, Unternehmer gegenüber einem Verbraucher stärker zu schützen als gegenüber einem anderen Unternehmer. Somit liegt die Betonung auf der Person des Unternehmers, dessen Sorgfaltsmaßstab nicht variabel danach ausgerichtet sein soll, ob begünstigter Vertragspartner ebenfalls ein Unternehmer oder ein Verbraucher ist. Mit einer ähnlichen Konzeptualisierung tritt nicht zuletzt auch die Gutglaubensvorschrift des § 366 HGB in Erscheinung, auch wenn bei ihr weniger der Sorgfalts- und Selbstverantwortungsmaßstab des Unternehmers als vielmehr die Vermutung seiner Verfügungsmacht im Raum steht. Auch hier macht die Sonderbehandlung einseitiger Handelsgeschäfte Sinn, weil die erweiterte Möglichkeit des Gutglaubenserwerbs, die dem Verbraucher bei einem Erwerb von einem Unternehmer zuteil wird, ersichtlich auf der Erwägung basiert, dass bei Kaufleuten eine besondere Wahrscheinlichkeit für das Bestehen von Verfügungsmacht gegeben ist. 450 Auch und gerade wenn der Erwerber Nichtunternehmer ist, lässt es dieser Umstand gerechtfertigt erscheinen, dass § 366 HGB den Schutzumfang der §§ 932 ff. BGB erhöht. So ist z. B. ein Kommissionär zwar nicht Eigentümer der von ihm veräußerten Waren, typischerweise aber zu Verfügungen über diese befugt. Die Kaufmannseigenschaft als zusätzliche Rechtsscheinsgrundlage ergänzt hier den Besitz, wobei genau genommen die Berufsstellung des Verfügenden und die Zugehörigkeit des Geschäfts zum Betrieb seines Handelsgewerbes die maßgeblichen Aspekte sind. 451

Indem der Scheintatbestand bei § 366 HGB eigentlich nicht in der Kaufmannseigenschaft als solcher, sondern in der berufl ichen Stellung und der mit dieser typischerweise verbundenen Verfügungsmacht begründet ist, liefert § 366 HGB darüber hinaus auch ein weiteres Beispiel für den Ausweitungsbedarf von der Kaufmanns- zu der generellen Unternehmerdogmatik. Kann auch im Rahmen von § 366 HGB praktisch bei sämtlichen Unternehmern die Notwendigkeit, eigene Verfügungsmacht ständig nachweisen zum müssen, in Widerspruch zu der Verankerung des Instituts des gutgläubigen Erwerbs im Rechtsscheinsprinzip geraten452 , schließt sich der Kreis zwischen dem einseitigen Handelsgeschäft und dem Aspekt der subjektiv inkohärenten Geltungsbereichsabgrenzung wieder453. lung des Handelsrechts, 1. Teil 3. Kap. I. (S. 31, 32); vgl. zur einseitig zu Lasten des Unternehmers gehenden Anwendung von § 347 HGB auch: AG Duisburg – Urteil v. 04. 02. 2004, Az.: 35 C 4722/03 – CR 2004, 827 (828, 829). 450 Canaris, Handelsrecht, § 27 Rn. 2 (S. 403, 404). 451 Canaris, Handelsrecht, § 27 Rn. 2 (S. 404); ders., in: Canaris/Schilling/Ulmer (Hrsg.): Staub-HGB, § 366 Rn. 8 ff.; Wiegand, JuS 14 (1974), 545 (548). 452 Canaris, Handelsrecht, § 27 Rn. 2 (S. 404). 453 Selbst wenn Kleingewerbetreibende nicht Kommissionär, Frachtführer, Spediteur oder Lagerhalter sind (§ 383 Abs. 2 S. 2, § 407 Abs. 3 S. 2, § 453 Abs. 3 S. 2, § 467 Abs. 3 S. 2

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D. Erzeugung von Leitbildtreue: Auslegungsoder Gesetzeskorrektur? Zusammenfassend lässt sich damit feststellen, dass sich das Defi zit der zu eng defi nierten Kaufmannseigenschaft durch das gesamte Handelsvertragsrecht zieht: Außerhalb des originären Kaufmannsrechts bleiben gleichheitswidrig wesentliche Bereiche des professionellen Geschäftsverkehrs unberücksichtigt454, was unweigerlich die Folgefrage aufwirft, welche ad hoc-Schlussfolgerungen die Rechtsanwendung aus dieser defi zitären Leitbildumsetzung ziehen kann. I. Möglichkeit und Zulässigkeit von Analogiebildungen Dem Sinn und Zweck des Rechtsscheinsprinzip nicht ausreichend Rechnung tragen würde sicherlich die Methode, die Figur des Scheinkaufmanns zu instrumentalisieren, um nichtkaufmännische Unternehmer dem Recht der Handelsverträge zu unterstellen.455 Daneben sind im Handelsvertragsrecht aber auch einer Analogiebildung enge Grenzen gesetzt. Denn jede praeterlegale Ausweitung des Kaufmannsbegriffs würde sich (insbesondere seit dem HRefG 1998) unweigerlich dem Vorwurf der Missachtung des gesetzgeberischen Willens aussetzen.456 Dass Stimmen in der Literatur – beispielhaft Canaris – trotzdem eine analoge Anwendung handelsrechtlicher Normen auf »kaufmannsähnliche« Personen zur Gesetzeskorrektur vorschlagen457, beschwört dagegen erneut den Konfl ikt zwischen der Ansicht herauf, das Handelsrecht sei AusHGB), müsste § 366 HGB folglich auch kleingewerbliche Warenverkäufer erfassen [Canaris, Handelsrecht, § 27 Rn. 6, 7 (S. 404, 405); K. Schmidt, Handelsrecht, § 23 II. 1. a) (S. 675)]. 454 F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 3. Hteil. II. 3. (S. 450 ff.). 455 K. Schmidt, JuS 25 (1985), 249 (251, 252); Kort, in: Ebenroth/Boujong/Joost (Hrsg.): HGB-Kommentar, § 343 Rn. 20. 456 . . . so bereits der BGH im Jahre 1972, als er eine Korrektur des Kaufmannsbegriffs – Einbeziehung von Bauunternehmen in die Grundhandelsgewerbe des § 1 HGB – ablehnte: »Die Gerichte sind . . . nicht befugt, vom Gesetzgeber gewollte Abgrenzungen durch andere ihnen geeigneter erscheinende Merkmale zu ersetzen, zumal der Gesetzgeber die letzte Änderung des § 1 HGB durch das Gesetz über die Kaufmannseigenschaft von Handwerkern vom 31. März 1953 . . . nicht zum Anlaß genommen hat, die Bauunternehmen in den Kreis der Grundhandelsgewerbe einzubeziehen« [BGH – Urteil v. 13. 07. 1972, Az.: II ZR 111/70 – BGHZ 59, 179 (182, 183)]; vgl. auch: BGH – Urteil v. 07. 01. 1960, Az.: II ZR 228/59 – BGHZ 31, 397 (401); Koller, in: Canaris/Schilling/Ulmer (Hrsg.): Staub-HGB, Vor §§ 343 ff. Rn. 35; Kort, in: Ebenroth/Boujong/Joost (Hrsg.): HGB-Kommentar, § 343 Rn. 20; einen »Usus modernus« des positiven Rechts fordernd: Vossius, JuS 25 (1985), 936 (939). 457 Canaris, Handelsrecht, § 1 Rn. 25 (S. 8, 9); vgl. auch: Raisch, ZHR 154 (1990), 567 (567 ff.); K. Schmidt, in: K. Schmidt (Hrsg.): MünchKomm-HGB, § 343 Rn. 19; Horn, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, § 343 Rn. 5; Koller, in: Canaris/Schilling/Ulmer (Hrsg.): Staub-HGB, Vor §§ 343 ff. Rn. 33 ff.; Kort, in: Ebenroth/Boujong/Joost (Hrsg.): HGBKommentar, § 343 Rn. 20.

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nahmerecht (teoria civilista) und deshalb restriktiv auszulegen, und der Gegenansicht, das Handelsrecht sei Sonderrecht (teoria mercantilista) und infolgedessen einer Ausdehnung zugänglich458. 1. Canaris: Analogiebildung im Einzelfall Mit der Analogiebildung im Einzelfall will sich Canaris nach eigenen Angaben gezielt von K. Schmidts Lehre vom Außenprivatrecht der Unternehmen abgrenzen, der seinerseits gerade eine einzelnormunabhängige Ausweitung des Handelsrechts propagiert.459 Nach Ansicht von Canaris hat dies den Vorteil, dass jede einzelne Analogie im Hinblick auf die jeweilige Sachnorm der gesonderten Prüfung und Begründung bedarf. Allein dieses Vorgehen hält er als Gesetzeskorrektur für gesetzeskonform, weil auf diese Weise im Gegensatz zu der Lehre vom Außenprivatrecht der Unternehmen die Argumentationslast nicht in gesetzeswidriger Weise umgekehrt werde.460 Demgemäß könnten nichtkaufmännische Unternehmer nur unter einer gesonderten Argumentationslast dem Anwendungsbereich der §§ 343 ff. HGB unterstellt werden. Zur Begründung seines Analogieansatzes verweist Canaris darauf, dass schon heute in richterlicher Rechtsfortbildung die Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens einem erheblich erweiterten Adressatenkreis zur Verfügung gestellt würden.461 Ähnliche Tendenzen seien bei § 362 HGB auszumachen.462 Selbst für § 377 HGB, einem klassischen Beispiele für die verschärften Sorgfaltsanforderungen im Handelsrecht, werde die Erweiterung der Untersuchungs- und Rügeobliegenheit auf Nichtkaufleute in unterschiedlichem Umfang vorgeschlagen.463 Während Canaris bei § 369 Abs. 1 HGB eine analoge Anwendung verwirft464, spricht er sich etwa im Rahmen von § 366 Abs. 1 HGB ausdrücklich 458

Müller-Freienfels, FS für von Caemmerer (70. Gebtg.), S. 583 (S. 596, 597). Canaris, Handelsrecht, § 1 Rn. 25 (S. 8, 9); als Überblick über die Kritik vgl.: F. Bydlinski, Handels- oder Unternehmensrecht als Sonderprivatrecht, V. (S. 13, 14). 460 Canaris, Handelsrecht, § 1 Rn. 25 (S. 9). 461 Canaris, Handelsrecht, § 23 Rn. 45, 46 (S. 364); vgl. auch: K. Schmidt, Handelsrecht, § 19 III. 2. (S. 567 ff.); Horn, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, vor § 343 Rn. 9 und § 346 Rn. 63; Hefermehl, in: Schlegelberger, HGB-Kommentar, § 346 Rn. 136. 462 Canaris, Handelsrecht, § 23 Rn. 7 (S. 355); vgl. auch: Hopt, AcP 183 (1983), 608 (686); Neuner, ZHR 157 (1993), 243 (286); a. A.: Horn, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, § 362 Rn. 5; Hefermehl, in: Schlegelberger, HGB-Kommentar, § 362 Rn. 8; Wagner, in: Röhricht/von Westphalen, HGB, § 362 Rn. 6. 463 Für eine Ausweitung aus der Sicht der ökonomischen Analyse des Rechts: M. Lehmann, Bürgerliches Recht und Handelsrecht – eine juristische und ökonomische Analyse, VII. 1.1 (S. 251 ff. und S. 258 ff.); Recknagel, Die Trennung von Zivil- und Handelsrecht unter besonderer Berücksichtigung der Untersuchungs- und Rügepfl icht nach § 377 HGB, 5. Teil (S. 210, 211 und S. 219, 220); ablehnend: F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 3. Hteil. II. 2. Fn. 483 (S. 445). 464 Canaris, Handelsrecht, § 28 Rn. 3 (S. 418, 419). 459

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für eine Erstreckung auf kleingewerbliche Warenverkäufer aus465. Vereinzelt propagiert er selbst in Bezug auf solche Normen eine Ausweitung auf Freiberufler und Kleingewerbetreibende, bei denen die Rechtsprechung einen Analogieschluss ausdrücklich ablehnt, wie z. B. hinsichtlich einer Einbeziehung von Freiberuflern und Kleingewerbetreibenden in die Schuldnerstellung des § 354a HGB 466 oder einer analogen Anwendung von § 350 HGB auf geschäftsführende Allein- bzw. Mehrheitsgesellschafter einer GmbH467. 2. Die Generalisierung der HGB-Sondernormen bei Neuner Mit identischer Absicht wie Canaris (Ausweitung der §§ 343 ff. HGB), aber anhand einer unterschiedlichen Fragestellung nimmt Neuner das Problem der gesetzesimmanenten Fortbildung der Kaufmannsdogmatik in Angriff. Seiner Meinung nach geht es abstrakt formuliert um die Generalisierbarkeit von Sondervorschriften, ob und inwiefern eine subsidiäre Anwendung von HGB-Bestimmungen auf rein bürgerlich-rechtliche Verhältnisse möglich ist.468 Dabei stellt er grundsätzlich darauf ab, ob die betreffende HGB-Norm einen allgemeinen Rechtsgedanken konstituiere oder im Gegensatz dazu eine Ausnahmeregelung darstelle. Im Wege der konkreten Gesetzesauslegung sei bei der Ermittlung dieser Frage klar zwischen generalisierbaren Sondervorschriften und restriktiven Ausnahmebestimmungen zu differenzieren.469 Ergebe die Auslegung, dass es sich bei der betreffenden HGB-Norm um eine Ausnahmevorschrift handele, könne aus dem Ausnahmetatbestand kein allgemeines Prinzip abgeleitet werden, weil ansonsten das normierte Regel-Ausnahme-Verhältnis missachtet und die gesetzliche Bestimmung derogiert würde.470 Führe die Auslegung dagegen zu dem Resultat, dass dem explizit geregelten HGB-Ausnahmetatbestand ausweislich des Normtextes und der Gesetzesmaterialien ein zweiter explizit geregelter Ausnahmetatbestand gleichgestellt werden könne, sei die Ausdehnung der betreffenden HGB-Norm auf andere Unternehmer als Kaufleute nicht von vornherein mit dem Hinweis auf den Charakter des HGB als Sondergesetz abzublocken.471 Eine derart verallgemeinerungsfähige Vorschrift liege etwa vor, wenn sich weder aus der konkreten Norm noch aus anderen Bestimmungen ein konträrer Rechtssatz entnehmen lasse, der die Regelung als Ausnahmetatbestand charakterisiere. 465

Canaris, Handelsrecht, § 27 Rn. 7 (S. 405). Canaris, Handelsrecht, § 26 Rn. 35 (S. 400, 401); im Gegensatz dazu: BGH – Urteil v. 13. 07. 2006, Az.: VII ZR 51/05 – NJW 59 (2006), 3486 (3486, 3487). 467 Canaris, Handelsrecht, § 24 Rn. 13 (S. 370); im Gegensatz dazu: BGH – Urteil v. 08. 11. 2005, Az.: XI ZR 34/05 – BGHZ 165, 43 (47 ff.). 468 Neuner, ZHR 157 (1993), 243 (246). 469 Neuner, ZHR 157 (1993), 243 (246). 470 Neuner, ZHR 157 (1993), 243 (246, 247). 471 Neuner, ZHR 157 (1993), 243 (247). 466

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Sei diese Voraussetzung erfüllt, ergebe sich »das Gebot der Generalisierung aus Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheitssatz), Art. 20 Abs. 2 GG (Effektuierung des legislativen Rechtsetzungsprimats) sowie nicht zuletzt auch unmittelbar aus der Rechtsidee«.472 Letztlich reduziert Neuner die Frage nach der Generalisierbarkeit handelsrechtlicher Sondervorschriften auf eine allgemeine Methode der Lückenfeststellung, die aus zwei Blickrichtungen zu erfolgen hat: Einmal aus der Perspektive des BGB, wobei danach zu fragen sei, ob dieses in Bezug auf das maßgebliche Rechtsproblem eine planwidrige Unvollständigkeit aufweist; zum anderen aus der Sicht der einschlägigen handelsrechtlichen Bestimmung, wobei in diesem Zusammenhang zu eruieren sei, inwieweit die betreffende HGB-Norm eine abschließende Regelung verkörpert und damit zu einem argumentum e contrario zwingt.473 Diese Methodik führt Neuner schließlich zu einer Subsystematisierung in zwei Fallgruppen: zum einen jene HGB-Bestimmungen, die im Grunde nur einen BGB-immanenten, dort aber nicht explizierten Grundsatz aussprechen; zum anderen solche, die einen eigenständigen Regelungsgehalt aufweisen.474 Bei der Anwendung dieser Grundsätze gelangt Neuner beispielhaft zu dem Ergebnis, dass etwa § 354 Abs. 1 HGB eine Analogiebasis liefere, weil er lediglich den BGB-immanenten Grundsatz aufgreife, dass für berufl ich erbrachte Leistungen grundsätzlich ein Entgelt zu leisten ist (§ 612 Abs. 1, § 632 Abs. 1, § 653 Abs. 1, § 689 BGB).475 Dagegen verkörpere die Möglichkeit der Zinseszinsnahme im Rahmen von Kontokorrenten eine eigenständige Wertung des HGB; aber auch in diesem Zusammenhang sieht er kein begründetes Hindernis, diese HGB-inhärente Wertung auf bürgerlich-rechtliche Sachverhalte analog zu übertragen.476 Lediglich Vorschriften wie §§ 348, 350 HGB und § 366 Abs. 3 HGB exemplifi zieren in Neuners Augen evidente Ausnahmetatbestände, deren analoge Anwendung auf nichtkaufmännische Sachverhalte ausgeschlossen sei.477 Darüber hinaus hält Neuner – unter Bezugnahme auf den vormaligen Enumerationskatalog der Grundhandelsgewerbe – eine Analogiebildung im Einzelfall, etwa auf den Handel mit elektrischer Energie (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 HGB a. F.) oder das Factoring (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 HGB a. F.), für möglich.478 Was die generelle Erweiterung des Adressatenkreises des HGB anbelangt, macht er jeweils deutlich, dass allenfalls eine contralegale Ausdehnung des 472 473 474 475 476 477 478

Neuner, ZHR 157 (1993), 243 (247). Neuner, ZHR 157 (1993), 243 (247). Neuner, ZHR 157 (1993), 243 (248). Neuner, ZHR 157 (1993), 243 (248, 249). Neuner, ZHR 157 (1993), 243 (251, 252). Neuner, ZHR 157 (1993), 243 (253 ff.). Neuner, ZHR 157 (1993), 243 (262, 263).

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5. Kapitel: Typisierungskonvergenz des Handels- /Verbraucherrechts

handelsrechtlichen Adressatenkreises in Betracht zu ziehen sei.479 Einer solchen apodiktischen Ausweitung erteilt Neuner allerdings eine klare Absage, da der Gesetzgeber ausweislich zahlreicher Gesetzesnovellierungen gerade an dem Kaufmannsbegriff festhalten wollte. Allenfalls über das Prinzip des Vertrauensschutzes sei angesichts des entgegen stehenden Gesetzgeberwillens eine contralegale Ausdehnung des Adressatenkreises des HGB denkbar. Aber auch diese Möglichkeit würde wiederum nur dann eine ernsthafte Alternative bieten, wenn man den Kompetenzkonfl ikt zwischen Judikative und Legislative ausblenden und den verfassungsrechtlich durch Art. 3 Abs. 1 GG gebotenen Gang zum Bundesverfassungsgericht systemwidrig überspringen würde.480 3. K. Schmidts Plädoyer für eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung Gleicht man die Analogiebemühungen der Literatur (von denen die beiden vorstehenden lediglich als Beispiele aufgegriffen wurden) mit dem Unternehmerleitbild ab, bleiben sie alle hinter dem zurück, was eine vollständige Leitbildumsetzung eigentlich voraussetzen würde. Je weiter sie sich einer lückenlosen Leitbildumsetzung nähern, desto mehr setzen sie sich dem Vorwurf einer Missachtung des Gesetzgeberwillens aus. Selbst wenn man, um die Gesetzesintention den Umständen entsprechend ernst zu nehmen, den vielfach empfohlenen Ausweg ginge, die Analogiebildung auf die Erweiterung der »sachlichen« HGB-Einzelnormen und damit auf das dispositive Schuldvertragsrecht zu beschränken481, würde dieses Vorgehen auf den Zirkelschluss hinauszulaufen, dass mit der Ausweitung des Kaufmannsbegriffs zwar dem Vorwurf einer pauschalen Gesetzgeber-Willensmissachtung entgegen getreten werden könnte. Im Grunde würde aber auch aus einer gegenständlichen Gesetzesausdehnung wie dieser trotz der gepriesenen »Analogiebildung im Einzelfall« nichts anderes als eine persönliche Bereichsausweitung des Handelsrechts resultieren. a) Ausgangsbetrachtung und Rechtsfortbildungsansatz Vor allem K. Schmidt versucht den Spagat der sachlichen Analogiebildung unter Schonung der Gesetzgeber-Intention. Ausgehend von der Frage, inwiefern »die Rechtsvorschriften des HGB . . . einer Ausdehnung praeter legem bedürfen«, und weniger darauf abstellend, »ob einzelne Unternehmer als ›kaufmannsähnlich‹ einzustufen sind«,482 gelangt auch er recht zügig zu der Einsicht, dass vor dem Hintergrund, dass »der Gesetzgeber von 1998 höchst 479

Neuner, ZHR 157 (1993), 243 (272). Neuner, ZHR 157 (1993), 243 (285 ff.). 481 So K. Schmidt, JuS 25 (1985), 249 (253, 254); Röhricht, in: Röhricht/von Westphalen, HGB, Einleitung Rn. 17. 482 K. Schmidt, Handelsrecht, § 3 II. 3. c) (S. 56). 480

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absichtsvoll nur noch die nichteingetragenen Kleingewerbetreibenden und die Freiberufler vom Kaufmannsbegriff ausgenommen . . . und bestimmte Regeln sogar für auf die Kleingewerbetreibenden anwendbar erklärt« hat, von einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes nicht mehr gesprochen werden könne.483 Demzufolge sei eine analoge Anwendung von einzelnen Bestimmungen auf nichtkaufmännische Unternehmensgruppen nur noch als »gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung im Interesse von Verkehrserwartungen« zulässig.484 Diesem Konzept der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung zieht K. Schmidt nur über bestimmte Rückausnahmen Grenzen. Als Vorschriften, deren analoge Anwendung sich auf nichtkaufmännische Unternehmer verbiete, klassifi ziert er zum einen die Regelungen für das Handelsregister.485 Ebenfalls für unzulässig hält er eine praeterlegale Ausweitung strafrechtlich sanktionierter Handelsrechtsnormen.486 Schließlich sei die Analogiebildung von privatrechtlichen Schutzvorschriften, die nach dem klaren Gesetzeswillen nur die Kaufleute als einzige Unternehmer von ihrem Schutz ausnehmen und andere, schutzbedürftige Unternehmer den Nichtunternehmern gleichstellen, besonders kritisch zu prüfen487. Von derartigen privatrechtlichen Schutzvorschriften müsse insbesondere bei handelsrechtlichen Normen ausgegangen werden, mit denen ein Verzicht auf bürgerlich-rechtliche Schutzgedanken einhergehe (§§ 348 bis 350, § 355 HGB).488 Einer Ausdehnung verfahrensrechtlicher Vorschriften wie § 38 Abs. 1 ZPO stehe zudem der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit herkömmlicherweise entgegen.489 b) Die methodologischen Hürden der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung Ob die hohen Hürden für eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung als gegeben zu erachten sind (wie K. Schmidt es propagiert), erscheint methodologisch betrachtet allerdings zweifelhaft.490 Zwar ist eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung bei Unmöglichkeit gesetzesimmanenter Rechtsfortbildung (Einzel- oder Gesamtanalogie) grundsätzlich in Betracht zu ziehen. Als Rechtsfortbildung »extra legem« aber »intra ius«491 ist sie als ultima ratio 483

K. Schmidt, Handelsrecht, § 3 II. 3. c) (S. 56). K. Schmidt, Handelsrecht, § 3 II. 3. c) (S. 56). 485 K. Schmidt, Handelsrecht, § 3 II. 3. c) (S. 57). 486 K. Schmidt, Handelsrecht, § 3 II. 3. c) (S. 57). 487 K. Schmidt, Handelsrecht, § 3 II. 3. c) (S. 57, 58). 488 K. Schmidt, Handelsrecht, § 3 II. 3. c) (S. 58). 489 K. Schmidt, Handelsrecht, § 3 II. 3. c) (S. 59). 490 Zöllner, ZGR 12 (1983), 82 (83, 84); Koller, in: Canaris/Schilling/Ulmer (Hrsg.): Staub-HGB, Vor §§ 343 ff. Rn. 35; zur gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung: Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Kap. Ziff. 4. d) (S. 426). 491 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Kap. Ziff. 4. a) (S. 414). 484

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5. Kapitel: Typisierungskonvergenz des Handels- /Verbraucherrechts

aber nur dann zulässig, wenn sie »kraft Natur der Sache« oder mit Rücksicht auf ein rechtsethisches Prinzip geboten ist.492 Zugegebenermaßen kommt der Natur der Sache große Bedeutung bei der Forderung an den Gesetzgeber, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln, zu, woraus sich etwa das Gebot der zivilrechtlichen Differenzierung zwischen Kindern, Heranwachsenden und Erwachsenen herleiten lässt.493 Bei jedem verfassungsrechtlichen Gleichheitsverstoß das Bundesverfassungsgericht und den Gesetzgeber auszublenden und in instanzgerichtlicher Eigenverantwortlichkeit auf die Methodik einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung kraft Natur der Sache Rückgriff zu nehmen, würde jedoch einen Verstoß gegen das Prinzip der Gewaltenteilung nach sich ziehen.494 Ähnlich aussichtslos erscheinen die Möglichkeiten einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung mit Rücksicht auf das Unternehmerleitbild als rechtsethischem Prinzip.495 Zwar kann das Unternehmerleitbild vermöge seiner eigenen Überzeugungskraft als »richtungsgebende[r] Maßstab rechtlicher Normierung« rechtliche Entscheidungen rechtfertigen.496 Eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung mit Rücksicht auf ein rechtsethisches Prinzip käme grundsätzlich aber nur dann in Betracht, »wenn ein solches Prinzip, oder doch ein neuer Anwendungsbereich für ein solches Prinzip, erstmalig erkannt und in überzeugender Weise ausgesprochen« worden wäre.497 Gerade davon kann in Anbetracht der jahrzehntelangen Diskussion um die gleichheitswidrige Abgrenzung des HGB bei dem Unternehmerleitbild aber nicht die Rede sein. Auch die Dogmatik des Unternehmensträgers sowie die Aufdeckung des Außenrechts der Unternehmen, wie sie K. Schmidt vertritt, lässt sich nur schwerlich als »juristische Entdeckung« im Sinne eines rechtsfortbildungstauglichen Prinzips qualifi zieren498, sondern ist trotz ihrer Eigendynamik im Grunde nicht mehr als das Resultat einer lang gewachsenen Gleichheitsdiskussion. II. Keine teleologische Reduktion: Appell an den Gesetzgeber Korrespondierend dazu kann aus entsprechenden Erwägungen auch eine teleologische Reduktion der Vorschrift zu den einseitigen Handelsgeschäften (§ 345 HGB) nicht in Betracht gezogen werden. Außer in den Fällen, in denen 492 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Kap. Ziff. 4. b) und c) (S. 417 ff., 421 ff.). 493 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Kap. Ziff. 4. b (S. 418). 494 Zöllner, ZGR 12 (1983), 82 (83 ff.). 495 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Kap. Ziff. 4. c) (S. 421 ff.). 496 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Kap. Ziff. 4. c) (S. 421). 497 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Kap. Ziff. 4. c) (S. 421). 498 Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Kap. Ziff. 4. c) (S. 421, 422).

§ 25 Zwischenresultat und vorläufige Auswertung

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der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts zum Tragen kommt, würde in Konstellationen einseitiger Verbraucherbenachteiligung jede Anwendung von § 345 HGB zwar leitbildverzerrend und u. U. sogar verfassungswidrig sein. Gleichwohl sind einer Nichtanwendung durch die Rechtsanwendung enge Grenzen gesteckt: So steht abermals auch an dieser Stelle der Möglichkeit einer teleologischen Reduktion die fehlende Planwidrigkeit der Gesetzeslücke entgegen, was regelmäßig auch applikatorische Verkürzungsbemühungen in das Fahrwasser der gesetzgeberischen Willensmissachtung manövrieren würde. Vor diesem Hintergrund adressiert das Ergebnis der Leitbildreflexion in erster Linie den Gesetzgeber: Dieser sollte sich unter Würdigung des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebots sowie der Aussagen des Unternehmerleitbilds aufgerufen fühlen, die subjektiven Defi zite der deutschen Kaufmannseigenschaft aus der Welt zu schaffen (Freiberufler, Kleingewerbetreibende, Land- und Forstwirte etc.) und auch die objektiven Widersprüche im Recht der Handelsgeschäfte auszugleichen (einseitige Handelsgeschäfte, zwingender Letztverkäuferregress etc.).

§ 25 Zwischenresultat und vorläufige Auswertung Die Ausführungen in diesem Kapitel haben gezeigt, dass das Handels- und Verbrauchervertragsrecht jeweils nur teilweise mit den zugrunde liegenden Leitbildern im Einklang steht. So bilden die Verbraucherrichtlinien bislang das zugrunde liegende Leitbild hinsichtlich der subjektiven Abgrenzung zwar vorgabengemäß ab, überschreiten teilweise aber in sachlicher Hinsicht die prinzipiellen Leitbildgrenzen, etwa durch überzogene Informationspfl ichten (z. B. im Timesharing) oder das Aufgreifen von Situationen wie den Verbrauchsgüterkauf, die nicht per se Verbraucherschutz erforderlich machen. Dagegen ist es im Bereich des Handelsvertragsrechts (abgesehen von den § 345 HGB, §§ 477, 478 BGB) in erster Linie die persönliche Typisierung, die von den zugrunde liegenden Leitbildvorstellungen abweicht. Die Leitbildgrundlage des HGB betrifft heute keineswegs mehr nur den Kaufmann, sondern jeden Unternehmer, »der selbständig auf professionelle Weise wirtschaftlich werthafte Leistungen gegen Entgelt am Markt anbietet«.499 Defi zitär leitbildkongruent ist daher die Ausklammerung der Freiberufler sowie die Sonderbehandlung der Kleingewerbetreibenden und der Land- und Forstwirte, also im Grunde: die Ausklammerung aller nichtkaufmännischen professionellen Marktteilnehmer. 499 So auch in Österreich: 1058 BlgNR XXII. GP, in: Krejci (Hrsg.): Reform-Komm. UGB/ABGB, EläutRV (S. 18).

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5. Kapitel: Typisierungskonvergenz des Handels- /Verbraucherrechts

Eine Sonderstellung nimmt bei der persönlichen Bereichsabgrenzung im Handelsvertragsrecht die Pfl icht zur Handelsregistereintragung ein. Leitbilderwägungen spielen in diesem Zusammenhang keine Rolle. Vielmehr ist die Notwendigkeit der öffentlich-rechtlichen Registerpfl icht an dem Subsidiaritätsgedanken zu messen, sodass nur solche Eintragungspfl ichten letztlich vorgesehen werden sollten, mit denen ein berechtigtes Informationsinteresse (Firma, Rechtspersönlichkeit, Haftung, Vertretung) verfolgt wird, das anderweitig nicht befriedigt werden kann. Ad hoc-Schlussfolgerungen lassen sich aus den vorstehenden Leitbildmissachtungen nur begrenzt ziehen. Zwar verkörpern die Leitbilder auch den hinter den jeweiligen Richtlinien und Gesetzen stehenden telos. Daraus aber im Verbrauchervertragsrecht die Möglichkeit einer teleologischen Reduktion abzuleiten, würde gegen das Gesamtkonzept der jeweils autonom auszulegenden Verbraucherrichtlinie verstoßen. Ähnlich eng gesteckt sind die Grenzen für eine Analogiebildung bzw. teleologische Reduktion im Handelsvertragsrecht. Denn hier würde sich jede Ausweitung des Kaufmannsbegriffs praeter legem, zumindest seit dem HRefG 1998, dem Vorwurf der Missachtung des gesetzgeberischen Willens aussetzen. Dementsprechend haben Leitbildüber- bzw. Leitbildunterschreitungen vor allem Appellcharakter an den Richtlinien- bzw. Gesetzgeber, der sich unter Würdigung des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots bewusst machen sollte, dass die unterschiedlichen Leitbilder des Handels- und Verbrauchervertragsrechts den maßgeblichen Rechtfertigungs- und Sachgrund für die ungleiche Freiheitsgewährung in diesen Bereichen bilden: Das Verbraucher- und Unternehmerleitbild bietet jeweils einen prinzipientauglichen Sachgrund für die typisiert freiheitliche Ungleichbehandlung von Verbrauchern, Unternehmern und Kaufleuten und führt auf diese Weise zu einem Legitimationsrahmen, mit dem mehr Systemkohärenz für die ungleiche Ausgestaltung der Freiheit erreicht werden kann. Nicht zuletzt fördert die Leitbildbetrachtung die Einheit im Privatrecht: – In der business-Sphäre zwingt sie dazu, von einem einheitlichen Unternehmerleitbild auszugehen, das aus höherrangigen Normaussagen – insbesondere den Grundrechten – abgeleitet werden kann und sowohl im Handels- als auch im Verbrauchervertragsrecht zu übernehmen ist. Seine einheitliche Anwendung trägt dazu bei, normative Widersprüche zwischen den beiden Sonderprivatrechten zu korrigieren: Widersprüche, die etwa daraus resultieren, dass zahlreiche Unternehmer im Verbraucherrecht den Unannehmlichkeiten der Informationspfl ichten und verbraucherseitigen Widerrufsrechte ausgesetzt sind, andererseits aber die »Vorzüge« des beschleunigten Handelsvertragsrechts nicht in Anspruch nehmen können, weil sie unter den enger defi nierten Kaufmannsbegriff nicht subsumiert werden können.

§ 25 Zwischenresultat und vorläufige Auswertung

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– Im Rahmen der consumer-Sphäre hat die Umsetzung des Verbraucherleitbilds als Rechtsprinzip zur Folge, dass die Leitbildaussagen der Grundrechte und Grundfreiheiten mit identischem Maßstab auch dem Sekundärrecht der Gemeinschaft (Verbraucherrichtlinien) zugrunde zu legen sind. Auf diese Weise ließe sich das Leitbild des verständigen Verbrauchers der Grundfreiheiten mit dem Argument des Stufenbaus der Rechtsordnung (also des Vorrangs des Primär- vor dem Sekundärrecht) dazu einsetzen, den teilweise ausufernden Verbraucherschutz der Verbraucherrichtlinien, insbesondere der Richtlinien der jüngeren Generation, in die Schranken zu weisen.

6. Kapitel

Grundfreiheiten und Marktliberalisierung Weil der Handelsverkehr und das Vertragsrecht zunehmend zwischenstaatliche Relevanz aufweisen und insbesondere das Verbrauchervertragsrecht maßgeblich durch die Binnenmarkterrichtung vorbestimmt wird, ist die Dreiteilung des Vertragsrechts auch notwendig an den Maßstäben der Handelsliberalisierung und den EG-Grundfreiheiten zu überprüfen. Wie bereits gezeigt werden konnte, ist auf prinzipieller Ebene vor allem den Grundfreiheiten die dem einfachen Gesetzesrecht zugrunde liegende Unterscheidung zwischen Verbraucher- und Unternehmerleitbild inhärent. Dabei nehmen die Aspekte der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit einen besonderen Stellenwert ein. Die Grundfreiheiten belegen bei der Neukonzipierung der Vertragsrechtsordnung eine wichtige »Anpassungsfunktion«1, eine Auslegungs-, Garantieund Schutzfunktion sowie eine negative (kassatorische) Funktion (»Schrankenfunktion«). 2 Sie setzen Maßstäbe für hoheitliches Tätigwerden und gewähren dem Einzelnen einen subjektiv-rechtlichen Schutzgehalt. 3 Ihr Wirkungsgehalt reicht im Falle eines Verstoßes gegen ihr Freiheitsgebot im Sinne eines Anwendungsvorrangs über die bloße Rechtswidrigkeit einer Norm hinaus, sodass nationale Richter infolgedessen zur »Missachtung« des nationalen Beschränkungsgesetzes verpfl ichtet sein können.4

§ 26 Unternehmerleitbild und Freiheitsschutz der Grundfreiheiten Gewissermaßen als Transportgrößen der Freiheitserweiterung dienen den Grundfreiheiten die einzelnen Schutzbereiche des freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs. Dabei bieten die Grundfreiheiten vor 1

Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, Einleitung E. (S. 4, 5). Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, Einleitung E. (S. 4, 5); Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 3 Rn. 65 ff. (S. 32 ff.); a. A.: Lurger, Vertragliche Solidarität, 4. Kap. 4.1. (S. 96). 3 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 2. Teil 1. Abschnitt § 6 A. II. (S. 108). Bereits die Forderung nach einer fünften Grundfreiheit für Standardverträge (»freedom to circulate documents«) wird in der Literatur erhoben [Collins, ELJ 10 (2004), 787 (802 ff.)]. 4 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 2. Teil 1. Abschnitt § 6 A. III. 1. (S. 110). 2

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6. Kapitel: Grundfreiheiten und Marktliberalisierung

allem dem Unternehmer ein Vehikel zur grenzüberschreitenden Freiheitserweiterung; sie sind für das Unternehmerleitbild in seiner gemeinschaftsrechtlichen Dimension prägend. 5 Obwohl die Warenverkehrsfreiheit formaljuristisch alle Unionsbürger betrifft6, schafft sie vor allem für Berufsträger ein attraktives Umfeld, Güter in oder aus einem anderen Mitgliedstaat zu verbringen, um sie im Zielmitgliedstaat abzusetzen oder zu erwerben; internationalprivatrechtlich korrespondiert damit die Wahlfreiheit, die produktbezogenen Vorschriften im Bestimmungsland zugunsten der Produktvorschriften des Herkunftslandes abzuwählen.7 Flankierend dazu gewährt die Dienstleistungsfreiheit das Recht, Serviceleistungen von Anbietern aus anderen Mitgliedstaaten in Anspruch zu nehmen oder solche in anderen Mitgliedstaaten selbst anzubieten8, womit kollisionsrechtlich die Freiheit einhergeht, eine Rechtswahl, z. B. zur Rechtsordnung des Herkunftslandes, zu vereinbaren. Die Kapitalverkehrsfreiheit liefert ein Pendant auf der Ebene der Devisengeschäfte mit grenzüberschreitendem Bezug9, während einen ausdrücklichen Berufsbezug wiederum die Personenfreiheiten aufweisen (Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit).10

A. Leitbilderwägungen und institutionelle Marktfreiheit Von den Grundrechten unterscheiden sich die Grundfreiheiten nicht zuletzt dadurch, dass sie sich in der Ausgestaltung ihres Schutzbereichs nicht direkt am Vertragsbegriff (»Vertragsfreiheit«), sondern in erster Linie an der Errichtung des Binnenmarktes (»Marktfreiheiten«) orientieren. Im Gegensatz zu den Grundrechten, die primär subjektive Freiheitsrechte verkörpern und nur sekundär als Institutsgarantien fungieren, wirken die Grundfreiheiten in erster Linie institutionenschützend, indem sie der Lieberalisierung des innergemeinschaftlichen Handels dienen. Sie stehen und fallen mit der Errichtung des Binnenmarktes, der seinerseits gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. c) EG eine der zentralen Zielsetzungen der Gemeinschaft darstellt. Demgemäß schützen die Grundfreiheiten die freie Ausübung der Handelstätigkeit in den einzelnen Mitgliedstaaten nicht als Selbstzweck, sondern gewährleisten lediglich mittelbar (über den binnenmarktorientierten Institutionenschutz) eine möglichst ungehinder-

5 Vgl. auch: Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost (Hrsg.): HGB-Kommentar, Vor § 343 Rn. 21 ff. 6 Kingreen, in: C. Calliess/Ruffert, EUV/EGV-Kommentar, Art. 28–30 EGV Rn. 32 ff. 7 Vgl. auch: Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 1. Teil 2. Abschnitt § 4 A. (S. 30). 8 Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 49, 50 EGV Rn. 14 ff.; Kluth, in: C. Calliess/Ruffert, EUV/EGV-Kommentar, Art. 49, 50 EGV Rn. 21 ff. 9 Bröhmer, in: C. Calliess/Ruffert, EUV/EGV-Kommentar, Art. 56 EGV Rn. 6. 10 Brechmann, in: C. Calliess/Ruffert, EUV/EGV-Kommentar, Art. 39 EGV Rn. 10 ff.; Bröhmer, in: C. Calliess/Ruffert, EUV/EGV-Kommentar, Art. 43 EGV Rn. 9 ff.

§ 26 Unternehmerleitbild und Freiheitsschutz der Grundfreiheiten

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te Wahrnehmung der Privatautonomie im grenzüberschreitenden Güter- und Serviceverkehr.11 Nur über das Vehikel der Binnenmarktinstitutionalisierung beinhalten die Grundfreiheiten subjektive Rechte und erweitern auf diese Weise auch die Privatautonomie in ihrer grenzüberschreitenden Dimension.12 Dabei legen die EuGH-Urteile, die gegen die Mitgliedstaaten seit Gründung der Gemeinschaft ergangen sind, Zeugnis dafür ab, dass sich in der ganz überwiegenden Zahl der Verfahren gerade beruflich oder gewerblich am Markt tätige Unternehmer gegen eine Grundfreiheitenverletzung durch einen Mitgliedstaat gewandt haben. Dagegen musste der Verbraucherschutz als Antipol erst im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung entwickelt werden (Cassis), sodass erst im nachhinein der uneingeschränkten eine verbraucherbetont eingeschränkte Grundfreiheitengeltung gegenübergestellt und gleichzeitig damit den Prinzipienstrukturen beider Leitbilder Geltung verschafft werden konnte.

B. Die grundfreiheitliche Stellung des Handelsvertragsrechts Während das bürgerliche Vertragsrecht wegen der weitgehenden Parteiautonomie, wie sie Art. 27 EGBGB (Art. 3 EVÜ) festschreibt, nicht unbedingt im Regelungszenit der Grundfreiheiten steht13, zeichnet sich das Handelsrecht für seinen Teil zumindest durch eine gewisse »Sachbereichsverwandtschaft« zu den Grundfreiheiten aus. Es weist im Vergleich zu dem Verbraucher- und bürgerlichen Recht eine auffallende tatsächliche Relevanz für die Grundfreiheiten auf. So besitzen handelsrechtliche Sachverhalte nicht nur öfter als Realitätsausschnitte des bürgerlichen oder Verbrauchervertragsrechts ihren Ausgangspunkt im internationalen Handelsverkehr, sondern setzen auch genauso wie die Grundfreiheiten eine entgeltliche Markttätigkeit voraus. Denn grundsätzlich profitieren allein entgeltliche Geschäftsabschlüsse von der Liberalisierungswirkung der Grundfreiheiten. Während dies im Hinblick auf die Warenverkehrsfreiheit bereits aus der Natur des Warenverkehrs und dem Marktparadigma folgt, das ein Aushandeln von Leistung und Gegenleistung 11 Vgl. hierzu Generalanwalt Tesauro, der sich in seinen Schlussanträgen zur Hünermund-Entscheidung die Frage stellt, ob »Art. 30 EWG-Vertrag eine Vorschrift zur Liberalisierung des innergemeinschaftlichen Handels« ist, oder ob er »allgemein die freie Ausübung der Handelstätigkeit in den einzelnen Mitgliedstaaten fördern« soll: Generalanwalt Tesauro - Schlussanträge Hünermund u. a./Landesapothekerkammer, Rs. C-292/92 – Slg. 1993, I-6787 Tz. 1. 12 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 2. Teil 1. Abschnitt § 6 A. III. 2. und 2. Abschnitt § 2 C. VI. 6. b) bb) (S. 110, 111 und 191); Müller-Graff, in: von der Groeben/ Schwarze (Hrsg.): EU/EG, Vorbem. zu den Artikeln 28 bis 31 EG Rn. 3; ders., in: MüllerGraff (Hrsg.): Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, S. 9 (S. 28, 29); ders., NJW 46 (1993), 13 (13). 13 Vgl. von Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1 (3 ff.).

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6. Kapitel: Grundfreiheiten und Marktliberalisierung

voraussetzt14, ist die Entgeltlichkeit bezüglich der Dienstleistungsfreiheit ausdrücklich in der gesetzlichen Defi nition des EG-Vertrages vorzufi nden (»die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden«).15 Für das deutsche Handelsrecht sind unentgeltliche Transaktionen oder Leistungserbringungen genauso untypisch wie für die Grundfreiheiten. Während es sich bei der Entgeltlichkeit im Handelsrecht um ein überliefertes Charakteristikum handelt, das sich auch positivrechtlich im Gesetz niederschlägt (§ 354 HGB), demonstrieren die Grundfreiheiten über ihren Schutzbereich, dass sie nur Tätigkeiten abdecken, die zumindest mittelbar auf einen entgeltlichen Vorgang ausgerichtet sind. In der Internationalität des Geschäftsverkehrs weisen beide Rechtsbereiche einen gemeinsamen Bezugspunkt auf, was sich im Hinblick auf die Grundfreiheiten auch im Wortlaut des EG-Vertrages widerspiegelt. Während Art. 30 S. 2 EG etwa von einer »Beschränkung des Handels« spricht, hat Art. 31 EG die »staatlichen Handelsmonopole« zum Gegenstand, wohingegen die Niederlassungsfreiheit wiederum den Verkehr der Unternehmer als Freiheit der selbstständigen Erwerbstätigkeit erwähnt (Art. 43 EG).16 Vor allem die Warenverkehrs- und Niederlassungsfreiheit sind auf diese Weise Ausdruck des Unternehmerleitbilds in seiner marktfreiheitlichen Dimension.

C. Grundfreiheiten und Verbrauchervertragsrecht Verbraucherverträge sind im grenzüberschreitenden Bereich trotz Globalisierung eine Ausnahmeerscheinung. Obwohl die Verbraucherrichtlinien in ge14 Anerkannt ist demzufolge, dass zwar das Zurverfügungstellen von Waren zur Verkaufsförderung oder die Bestellung einer Sicherheit noch einen ausreichenden Entgeltbezug aufweist, reine Stiftungen oder Schenkungen ohne Entgeltbezug aber nicht mehr unter den Anwendungsbereich der Warenverkehrsfreiheit gefasst werden können [Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 2. Teil 1. Abschnitt § 3 D. (S. 76 ff.)]. 15 Im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit ergibt sich der Entgeltbezug wiederum aus der Rechtsprechung des EuGH, nach der nur solche Personen, die »während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbring[en]«, für die sie »als Gegenleistung eine Vergütung« erhalten, in den Schutzbereich der Freizügigkeit gelangen (EuGH – Lehtonen & Namur-Braine/FRBSB – Urteil v. 13. 04. 2000, Rs. C-176/96 – Slg. 2000, I-2681 Tz. 45; vgl. auch: EuGH – Lawrie-Blum/Land Baden-Württemberg – Urteil v. 03. 07. 1986, Rs. 66/85 – Slg. 1986, 2121 Tz. 16 ff.). Gleiches gilt für die Niederlassungsfreiheit, die nur dann einschlägig ist, wenn der »Auslandsaufenthalt auf eine entgeltliche Erwerbstätigkeit gerichtet ist oder jedenfalls damit in Zusammenhang steht«. Lediglich hinsichtlich der Kapitalverkehrsfreiheit ist eine Ausnahme zu konstatieren, werden von ihrem Schutzbereich doch anders als bei den übrigen Grundfreiheiten auch Kapitalübertragungen im rein persönlichen Bereich erfasst (z. B. Schenkungen, Stiftungen, Mitgiften und Erbschaften), selbst wenn sie mit einer entgeltlichen Tätigkeit nicht einmal mittelbar im Zusammenhang stehen [Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 2. Teil 1. Abschnitt § 3 D. (S. 76, 77)]. 16 Troberg/Tiedje, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.): EU/EG, Vorbem. zu den Art. 43 bis 48 EG Rn. 1.

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wisser Weise einen »Verbraucherbinnenmarkt« herbeiwünschen, decken Endkonsumenten ihren Konsumbedarf traditionell noch immer bei einem Händler mit regionalem Einzugsgebiet.17 Noch immer stehen relativ hohe rechtliche und tatsächliche Transaktionskosten dem grenzüberschreitenden Außenhandel entgegen, sodass der zwischenstaatliche Handelsverkehr nach wie vor in einer Gruppe von kaufmännischen Zwischenhändlern gebündelt wird. Zwar will der EuGH die Warenverkehrs- und die Dienstleistungsfreiheit jeweils auch als passive Marktfreiheiten verstanden wissen, sodass es insbesondere den im Grenzgebiet eines Mitgliedstaats ansässigen Verbrauchern möglich sein muss, »sich frei in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats begeben zu können, um dort unter denselben Bedingungen wie die ortsansässige Bevölkerung einzukaufen«.18 Dies ändert aber nichts daran, dass die eigentlichen Träger der wirtschaftlichen Integration Europas nach wie vor die Unternehmer sind, die sich mit grenzüberschreitenden Aktivitäten neue Kundenschichten in anderen Mitgliedstaaten erschließen.19 Auch wenn es vor allem in Grenzgebieten Konsumenten gibt, die durch ihre Einkäufe in Nachbarstaaten zur Integration der grenznahen Märkte beitragen, sind solche Einkäufe indessen schon wegen der damit verbundenen Transportkosten räumlichen Beschränkungen ausgesetzt. 20 Unternehmer können ihre Aktivitäten im Gegensatz zu Verbrauchern in viel größerem Umfang betreiben und dabei Größenvorteile (economies of scale) des grenzüberschreitenden Handels ausnutzen, die den Verbrauchern bei ihren Einkäufen nicht zu Gebote stehen. 21 Gerade in der Rechtsprechung zur Warenverkehrsfreiheit wird deutlich, dass die Grundfreiheiten von dem Leitbild eines liberalisierungskohärenten Unternehmertypus ausgehen, der von dem freien Warenverkehr durch die Erschließung neuer Märkte profitieren kann. Dem gegenübergestellt ist der nachfragende Verbraucher, dem der Deregulierungsansatz der Grundfreiheiten vielfach zuwiderläuft und der durch – möglichst harmonisierte – Regelungen mit Markterhaltungspotenzial Schutz vor grenzüberschreitenden Angeboten begehrt.

17 Vgl. Burckhardt, Das AGB-Gesetz unter dem Einfluss der EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, B. II. 1. (S. 41). 18 EuGH – GB-INNO/Confédération – Urteil v. 07. 03. 1990, Rs. 362/88 – Slg. 1990, I-667 Tz. 8; vgl. auch: EuGH – Cowan/Tresor Public – Urteil v. 02. 02. 1989, Rs. 186/87 – Slg. 1989, 195 Tz. 15; Luisi & Carbone/Ministerio des Tesoro – Urteil v. 31. 01. 1984, verb. Rs. 286/82 und 26/83 – Slg. 1984, 377 Tz. 10. 19 Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1 (18). 20 Vgl. Junker, DZWir 7 (2007), 271 (275). 21 Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1 (18, 19).

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6. Kapitel: Grundfreiheiten und Marktliberalisierung

§ 27 Der Rechtsfortbildungsstand der Grundfreiheiten Abgesehen von den Leitbildaussagen, welche die Grundfreiheiten verkörpern, ist Voraussetzung dafür, dass die Vorschriften des deutschen Handels-, Verbraucher- und bürgerlichen Vertragsrechts an den Grundfreiheiten gemessen werden können, das Vorliegen eines grenzüberschreitenden Sachverhalts. 22 Dabei macht es für die Anwendbarkeit der Grundfreiheiten dogmatisch keinen Unterschied, welchem bestimmten Rechtsbereich eine Norm nach der Rechtsordnung des jeweiligen Mitgliedstaates zuzuordnen ist (z. B. öffentliches Recht, Privatrecht). 23 Ebenfalls irrelevant ist es, ob ein betroffener Marktteilnehmer im Rahmen seiner Berufsausübung oder als Privatmann 24, als Anbieter oder Nachfrager25, als natürliche Person, Personenvereinigung oder juristische Person 26 am Wirtschaftsverkehr partizipiert. Sowohl Unionsbürger als auch Drittstaatsangehörige werden geschützt 27, sodass Funktion und Status der handeltreibenden Person sekundär ist. Nimmt eine Person am Wirtschaftsverkehr teil, kann sie sich als Unternehmer genauso auf die Grundfreiheiten berufen wie als Kaufmann, Privatmann oder in anderer Funktion. 28 Selbst die wirtschaftlich als Nachfrager in Erscheinung tretenden Verbraucher fallen in ihren Schutzbereich. Dabei gewährleisten die Grundfreiheiten nicht 22 Kingreen, in: C. Calliess/Ruffert, EUV/EGV-Kommentar, Art. 28–30 EGV Rn. 16; Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 3. Teil 1. Abschnitt § 4 C. I. (S. 406, 407). 23 Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.): EU/EG, Art. 28 EG Rn. 162; I. Klauer, Die Europäisierung des Privatrechts, 1. Kap. § 5 I. (S. 46 ff.). 24 EuGH – Schumacher/Hauptzollamt Frankfurt – Urteil v. 07. 03. 1989, Rs. 215/87 – Slg. 1989, 617 Rn. 19 ff.; Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, Einleitung B. und 2. Teil 1. Abschnitt § 3 B. (S. 75). 25 Für die Dienstleistungsfreiheit: EuGH – Luisi & Carbone/Ministerio des Tesoro – Urteil v. 31. 01. 1984, verb. Rs. 286/82 und 26/83 – Slg. 1984, 377 Tz. 16; vgl. hierzu auch: Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 8 II. 6. (S. 206). 26 Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.): EU/EG, Art. 28 EG Rn. 1. 27 Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.): EU/EG, Art. 28 EG Rn. 1. 28 Der EuGH selbst bestätigte dieses weite Schutzbereichsverständnis bereits in seinem Urteil Gaston Schul/Inspecteur der Invoerrechten aus dem Jahre 1982. Den Gegenstand dieses Vorlageverfahrens bildete die Frage, ob die niederländische Steuerverwaltung auf die Einfuhr eines Sportbootes, das ein Privatmann aus Frankreich einem Privatmann aus den Niederlanden verkauft hatte, Umsatzsteuer in Höhe von 18% erheben konnte (Gaston Schul/Inspecteur der Invoerrechten – Urteil v. 05. 05. 1982, Rs. 15/81 – Slg. 1982, 1409 Tz. 2). Im Rahmen der Begründung der Vorlagefragen erläuterte der Gerichtshof, dass der Gemeinsame Markt »auf die Beseitigung aller Hemmnisse im innergemeinschaftlichen Handel mit dem Ziele der Verschmelzung der nationalen Märkte zu einem einheitlichen Markt« abstellt. Es sei »wichtig, dass die Vorteile dieses Marktes über den berufsmäßigen Handel hinaus auch Privatleuten zugute kommen, wenn sie grenzüberschreitende wirtschaftliche Transaktionen durchführen« (EuGH – Gaston Schul/Inspecteur der Invoerrechten – Urteil v. 05. 05. 1982, Rs. 15/81 – Slg. 1982, 1409 Tz. 33).

§ 27 Der Rechtsfortbildungsstand der Grundfreiheiten

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nur aktive (»Anbieterfreiheiten«), sondern auch passive Freiheiten (»Nachfragerfreiheiten«). 29

A. Gemeinsamer Rechtsfortbildungsstand der Grundfreiheiten Alle Grundfreiheiten enthalten nach ständiger Rechtsprechung des EuGH unmittelbar wirkende Verbote. 30 Dies hat zur Folge, dass sich der jeweils begünstigte Marktteilnehmer im Sinne eines subjektiv-öffentlichen Rechts vor den Gerichten und der Verwaltung eines Mitgliedstaates darauf berufen kann, dass die Grundfreiheiten von den nationalen Gesetzgebern, Gerichten und Behörden bei der Setzung, Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts zu beachten sind. 31 Bei der Frage, ob nationale Vorschriften gegen die Grundfreiheiten verstoßen, sind die mitgliedstaatlichen Bestimmungen, soweit möglich, grundfreiheitenkonform auszulegen. 32 Können allerdings die Voraussetzungen für eine gemeinschaftskonforme Auslegung nicht geschaffen werden, setzt sich der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts durch, mit der Folge, dass die nationalen Bestimmungen innerhalb der Reichweite der grundfreiheitlichen Verbote nicht zur Anwendung gelangen. 33 I. Stufenbau und Grundfreiheitenbindung Primäre Verbotsadressaten der Grundfreiheiten sind ihrem originären Schutzzweck gemäß die Mitgliedstaaten. Alle staatlichen Stellen auf jeder Organisationsebene sind demnach aufgerufen, Handels- und Freizügigkeitshemmnisse im zwischenstaatlichen Handelsverkehrs abzubauen und die Verbotswirkungen der Grundfreiheiten zu beachten. 34 Ob die betreffenden Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapitalien aus dem in Frage stehenden Mitgliedstaat stammen oder in ihn überführt werden sollen, ist dabei gleichgültig. 35 29 EuGH – Decker/Caisse de maladie – Urteil v. 28. 04. 1998, Rs. C-120/95 – Slg. 1998, I-1831 Tz. 31 ff.; Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 2. Teil 1. Abschnitt § 3 C. (S. 75, 76). 30 EuGH – Pigs Marketing Board /Redmond – Urteil v. 29. 11. 1978, Rs. 83/78 – Slg. 1978, 2347 Tz. 66/67. 31 Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.): EU/EG, Vorbem. zu den Art. 28 bis 31 EG Rn. 12. 32 Wegener, in: C. Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 220 Rn. 31, 32. 33 Wegener, in: C. Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 220 Rn. 27 ff. 34 Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.): EU/EG, Art. 28 EG Rn. 289. 35 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 2. Teil 1. Abschnitt § 4 A. II (S. 80). Von der Frage der Bindung an sich (»ob«) ist in diesem Zusammenhang der inhaltliche Maßstab zu unterscheiden (»wie«), der zwischen Herkunfts- und Bestimmungsstaat – wie die unterschiedliche Rechtsprechung zu Art. 28 und 29 EG verdeutlicht – variieren kann. So verstoßen nach ständiger Rspr. des EuGH Ausfuhrbeschränkungen (Art. 29 EG) im Gegensatz zu Einfuhrbeschränkungen nur unter qualifi zierten Voraussetzungen gegen die Warenverkehrsfreiheit. Nur solche nationale Bestimmungen werden von Art. 29 EG erfasst, »die spe-

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6. Kapitel: Grundfreiheiten und Marktliberalisierung

Sowohl Bestimmungs- als auch Herkunftsland sind bei der Gesetzgebung an die Grundfreiheiten gebunden. 36 Auch mitgliedstaatliche Privatrechtsbestimmungen sind betroffen, da kein Sachbereich kraft Natur der Sache von dem Anwendungsbereich der Grundfreiheiten ausgenommen ist. 37 1. Grundfreiheiten, Richtlinien und nationales Verbrauchervertragsrecht Obwohl auch das Privatrecht von den Grundfreiheiten erfasst wird, nehmen die deutschen verbraucherrechtlichen Normen eine Sonderstellung ein. Weil sie fast ausschließlich als umgesetztes Richtlinienrecht in Erscheinung treten, sind sie in erster Linie an den Verbraucherrichtlinien und nur mittelbar an den Grundfreiheiten zu messen. Zwar ist das (nationale) Verbraucherrecht im Rahmen der Richtlinienumsetzung mit einem gemeinschaftsrechtlichen »Anwendungsbefehl« ausgestattet, sodass eine Berufung auf die Rechtfertigungsgründe der Grundfreiheiten mangels Regelungskompetenz der Mitgliedstaaten ausscheidet. 38 Die These des EuGH, dass »eine nationale Maßnahme, die eine Gemeinschaftsnorm ordnungsgemäß umsetzt, . . . keine gegen Artikel 28 EG verstoßende Beschränkung des freien Verkehrs dar[stellen kann]«39, beschreibt den Stufenbau des für das Verbrauchervertragsrecht maßgeblichen Rechts aber nur unvollständig. So unterliegen auch mitgliedstaatliche Schutzniveauerhöhungen auf Grund richtlinieninhärenter Öffnungsklauseln, die es den Mitgliedstaaten erlauben, strengere Verbraucherschutzvorschriften beizubehalten oder einzuführen, der direkten Grundfreiheitenkontrolle.40 Darüber hinaus wird auch zifische Beschränkungen der Ausfuhrströme bezwecken oder bewirken und damit zu einer Ungleichbehandlung des Binnenhandels und des Außenhandels eines Mitgliedstaats führen, so daß die inländische Produktion oder der Binnenmarkt des betreffenden Staates einen besonderen Vorteil erlangt« (EuGH – Chemische Afvalstoffen Dusseldorp/Minister van Volkshuisvesting – Urteil v. 25. 06. 1998, Rs. C-203/96 – Slg. 1998, I-4075 Tz. 40). Im Schrifttum stößt die Differenzierung des EuGH zwischen Ein- und Ausfuhrbeschränkungen überwiegend auf Ablehnung (hierzu m. w. N.: Kingreen, in: C. Calliess/Ruffert, EUV/EGVKommentar, Art. 28–30 EGV Rn. 129, 130). 36 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 2. Teil 1. Abschnitt § 4 A. II. (S. 80). 37 Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.): EU/EG, Art. 28 EG Rn. 162 ff. 38 EuGH – Strafverfahren Vanacker u. a. – Urteil v. 12. 10. 1993, Rs. C-37/92 – Slg. 1993, I-4947 Tz. 9; Kingreen, in: C. Calliess/Ruffert, EUV/EGV-Kommentar, Art. 28–30 EGV Rn. 18; Generalanwalt Rozès - Schlussanträge Syndicat/Inter-Huiles, Rs. 172/82 – Slg. 1983, 571 Tz. 3. 39 EuGH – Bellamy/English Shop – Urteil v. 05. 04. 2001, Rs. C-123/00 – Slg. 2001, I2795 Tz. 21. 40 In Bezug auf die Haustürgeschäfterichtlinie: EuGH – A-Punkt Schmuckhandels/ Schmidt – Urteil v. 23. 02. 2006, Rs. C-441/04 – Slg. 2006, I-2093 Tz. 12; in Bezug auf die Fernabsatzrichtlinie und unter Betonung, dass von der Öffnungsklausel des Art. 14 ausdrücklich nur im Einklang »mit dem EG-Vertrag« Gebrauch gemacht werden darf: EuGH – Apothekerverband/DocMorris – Urteil v. 11. 12. 2003, Rs. C-322/01 – Slg. 2003, I-14887 Tz. 64, 65.

§ 27 Der Rechtsfortbildungsstand der Grundfreiheiten

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im Geltungsbereich von umgesetztem Richtlinienrecht die durch die Grundfreiheiten gewährte Marktfreiheit nur insoweit überlagert, als ein Rechtfertigungstatbestand der Grundfreiheiten in Frage steht und der Richtliniengeber den Weg einer Vollharmonisierung gegangen ist.41 Aber auch hier ist zu differenzieren. So sorgen in Bereichen, in denen man den Weg der Vollharmonisierung gegangen ist oder eine Richtlinienbestimmung auf nationaler Ebene ohne Einsatz mitgliedstaatlichen Ermessens umgesetzt hat, zwar die jeweils einschlägigen Richtlinienbestimmungen an Stelle der Grundfreiheiten dafür, dass der Verbraucher »zu den Gütern und Dienstleistungen eines anderen Mitgliedstaats zu den gleichen Bedingungen Zugang« erlangt.42 Zumindest mittelbar ist den Grundfreiheiten aber auch hier weiter Relevanz beizumessen – vorausgesetzt auch die Gemeinschaftsorgane wären beim Erlass von Richtlinienrecht an die Grundfreiheiten gebunden. Weil im Falle einer Grundfreiheitenbindung des Richtliniengebers selbst die Verbraucherrichtlinien gegen die Grundsätze des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs verstoßen könnten, ist das Ausmaß, mit dem die Gemeinschaftsorgane dem Geltungsgehalt der Grundfreiheiten gerecht werden müssen, auch für das nationale Verbrauchervertragsrecht von (zumindest mittelbarer) Bedeutung. Wäre nämlich eine Richtlinienbestimmung infolge einer unzulässigen Beschränkung des freien Handelsverkehrs für nichtig zu erklären (Art. 231 EG), wäre auch der betreffende nationale Umsetzungsakt wieder direkt an den Grundfreiheiten zu messen. 2. Bindung der Gemeinschaftsorgane an die Grundfreiheiten Die Frage der Grundfreiheitenbindung der Gemeinschaftsorgane ist vorliegend daher von Bedeutung. Die hierzu vertretenen Literaturansichten divergieren: Sie reichen im einzelnen von dem Standpunkt, dass die Grundfreiheiten auf die Gemeinschaftsorgane unmittelbar Anwendung fi nden43, bis zu

41 EuGH – Apothekerverband/DocMorris – Urteil v. 11. 12. 2003, Rs. C-322/01 – Slg. 2003, I-14887 Tz. 64; DaimlerChrysler/Baden-Württemberg – Urteil v. 13. 12. 2001, Rs. C-324/99 – Slg. 2001, I-9897 Tz. 32; W.-H. Roth, VuR 22 (2007), 161 (163, 171); MüllerGraff, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.): EU/EG, Art. 28 EG Rn. 198. 42 Erwägungsgrund 2 Fernabsatzrichtlinie. 43 Generalanwalt Capotorti - Schlussanträge Yoshida/Kamer, Rs. 34/78 – Slg. 1979, 115 Tz. 8; von Bogdandy, EuZW 3 (1992), 9 (14); Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.): EU/EG, Art. 28 EG Rn. 294 ff.; Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 8 III. 2. (S. 214 ff.); Reich, in: Reich/Micklitz (Hrsg.): Europäisches Verbraucherrecht, § 2 I. 1. (S. 52); Wägenbaur, EuZW 9 (1998), 709 (712, 713); so scheinbar auch: Neuner, Privatrecht und Sozialstaat, 2. Teil V. 1. a) (S. 203); Mestmäcker, FS für von der Groeben (80. Gebtg.), S. 9 (S. 18); Barents, CMLRev 18 (1981), 271 (275); Schaefer, Die unmittelbare Wirkung des Verbots der nichttarifären Handelshemmnisse, 2. Kap. IV. 2. (S. 44 ff.).

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6. Kapitel: Grundfreiheiten und Marktliberalisierung

der Abstufung, dass sie auf Gemeinschaftsebene nur mittelbar44, analog45 oder überhaupt nicht46 heranzuziehen sind.47 Der EuGH vertritt in ständiger Rechtsprechung die gleichbleibende Ansicht, dass »[d]as Verbot von mengenmäßigen Beschränkungen sowie von Maßnahmen gleicher Wirkung . . . nicht nur für nationale Maßnahmen, sondern auch für Maßnahmen der Gemeinschaftsorgane« gilt.48 Auch wenn die Grundfreiheiten »in erster Linie auf einseitige Maßnahmen der Mitgliedstaaten ab[zielen]«, müssten »auch die Gemeinschaftsorgane die Freiheit des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs, die ein fundamentaler Grundsatz des Gemeinsamen Marktes ist, beachten.«49 Diese Einstufung des EuGH erscheint systemgerecht. Denn zu der Grundfreiheitenbindung der Gemeinschaftsorgane sind folgende Überlegungen anzustellen: Der Wortlaut der Vertragsbestimmungen gibt zu der Frage nach dem Bindungsinhalt zwar keine Anhaltspunkte, steht andererseits einer uneingeschränkten Geltung, wie sie der EuGH propagiert, aber auch nicht entgegen. Insbesondere die Vorschriften, die für die Grundfreiheiten von zentraler Bedeutung sind (Art. 25, 28, 29, 39, 43, 49 und 56 EG), legen sich hinsichtlich des jeweils verpfl ichteten Adressaten nicht fest; sie richten sich gegen jegliche Handelsbeschränkungen »zwischen den Mitgliedstaaten«, gleichgültig ob sie von den Mitgliedstaaten oder den Gemeinschaftsorganen herrühren. 50 Wären nur die Mitgliedstaaten, nicht aber die Gemeinschaftsorgane an die Grundfreiheiten gebunden, könnte der Gemeinschaftsgesetzgeber die sich im Primärrecht widerspiegelnden Leitbilder durch sekundärrechtliche Maßnahmen unterwandern. Vor allem spricht aber die systematische Stellung der Grundfreiheiten im EG-Vertrag für eine Bindung des Gemeinschaftsgesetzgebers: Da sich die Grundfreiheiten im dritten Teil des Vertrages befi nden (»Die Politiken der Gemeinschaft«), in dem auch die anderen Politiken stehen, welche die Gemeinschaftsorgane verpfl ichten, wäre es widersprüchlich, den Grundfreiheiten 44 Schwemer, Die Bindung des Gemeinschaftsgesetzgebers an die Grundfreiheiten, 1. Teil § 1 III. 3. b) und IV. (S. 44, 45); W.-H. Roth, FS für Mestmäcker (70. Gebtg.), S. 725 (S. 731); Hüffer/Ipsen/Tettinger, Die Transitrichtlinien für Gas und Elektrizität, 3. Teil A. I. 4. (S. 116). 45 Scheffer, Die Marktfreiheiten des EG-Vertrages als Ermessensgrenze, § 5 (S. 134 ff.). 46 Kingreen, in: C. Calliess/Ruffert, EUV/EGV-Kommentar, Art. 28–30 EGV Rn. 110. 47 Differenzierend: Ress, in: Rill/Griller (Hrsg.): Europäischer Binnenmarkt und österreichisches Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 81 (S. 122, 123). 48 EuGH – Denkavit/Hoofproduktschap – Urteil v. 17. 05. 1984, Rs. 15/83 – Slg. 1984, 2171 Tz. 15; vgl. auch: EuGH – Meyhui/Schott Zwiesel Glaswerke – Urteil v. 09. 08. 1994, Rs. C-51/93 – Slg. 1994, I-3879 Tz. 11. 49 EuGH – Rewe-Zentrale/Landwirtschaftskammer Rheinland, Rs. 37/83 – Slg. 1984, 1229 Tz. 18. 50 Vgl. Scheffer, Die Marktfreiheiten des EG-Vertrages als Ermessensgrenze, § 2 I. 1. (S. 32, 33).

§ 27 Der Rechtsfortbildungsstand der Grundfreiheiten

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nicht dieselbe Bindungskraft wie den Gemeinschaftspolitiken zuzubilligen. Darüber hinaus richtet sich auch Art. 3 EG an die Gemeinschaft und gibt ihr ausdrücklich auf, nicht nur »Zölle[.] und mengenmäßige[.] Beschränkungen bei der Ein- und Ausfuhr von Waren sowie aller sonstigen Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten« zu verbieten, sondern auch »einen Binnenmarkt [zu schaffen], der durch die Beseitigung der Hindernisse für den freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten gekennzeichnet ist«. Allgemein ist hieraus abzuleiten, dass die Gemeinschaft nicht nur für einen Abbau der mitgliedstaatlichen Freihandelshindernisse sorgen muss, sondern auch keine neuen Hindernisse im zwischenstaatlichen Handel errichten darf. 51 Vor diesem Hintergrund ist es nur folgerichtig, dass der EuGH davon ausgeht, dass die Verbote der Grundfreiheiten auch auf die Maßnahmen der Gemeinschaftsorgane Anwendung fi nden. 52 3. Die Verbotsdichte der Gemeinschaftsbindung Umstritten bleibt jedoch der Inhalt der Bindungswirkung, also die Verbotsdichte, mit denen die Gemeinschaftsorgane die Grundfreiheiten zu beachten haben. Einige Stimmen tendieren dazu, dem Gemeinschaftsgesetzgeber einen größeren Ermessensspielraum als den Mitgliedstaaten einzuräumen53 bzw. die Grundfreiheiten auf mitgliedstaatlicher Ebene als weite Beschränkungsverbote und auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene als enge Diskriminierungsverbote zu interpretieren54. Andere stellen dieses Verhältnis entsprechend um. So kategorisiert Ullrich die Grundfreiheiten auf mitgliedstaatlicher Ebene als Diskriminierungs- und Beschränkungsverbote, während er sie auf Gemeinschaftsebene als wirtschaftliche Grundrechte, die nicht zwischenstaatliche Beeinträchtigungen, sondern jegliche Freiheitsbeschränkungen bekämpfen, verstanden wissen möchte. 55 Ähnlich will auch Remien die Keck-Rechtsprechung des EuGH nur auf Maßnahmen der Mitgliedstaaten anwenden, die Ge-

51

Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.): EU/EG, Art. 28 EG Rn. 295. EuGH – Strafverfahren Kieffer & Thiell – Urteil v. 25. 06. 1997, Rs. C-114/96 – Slg.1997, I-3629 Tz. 27; Meyhui/Schott Zwiesel Glaswerke – Urteil v. 09. 08. 1994, Rs. C51/93 – Slg. 1994, I-3879 Tz. 11; Denkavit Nederland/Hoofproduktschap – Urteil v. 17. 05. 1984, Rs. 15/83 – Slg. 1984, 2171 Tz. 15. 53 W.-H. Roth, EuR 22 (1987), 7 (13 ff.); Schwemer, Die Bindung des Gemeinschaftsgesetzgebers an die Grundfreiheiten, 1. Teil § 2 IV. (S. 61 ff.). 54 Barents, GYIL 33 (1990), 9 (25); im Sinne einer schwächeren Intensität ähnlich auch: Möller, Sicherheiten im Recht der EG, 5. Teil D. I. 2. (S. 215, 216). 55 Ullrich, RIW Beilage 23 zu Heft 12/1990, 1 (4 ff.); ders., in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.): Wettbewerbsrecht, Bd. 1 EG/Teil 2, GRUR Rn. 39 (S. 48). 52

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meinschaftsorgane selbst dagegen ohne die Einschränkungen der Verkaufsmodalitäten-Rechtsprechung an die Grundfreiheiten binden. 56 Die überwiegende Meinung geht wiederum davon aus, dass die Verbotsreichweite auf Mitgliedstaats- und Gemeinschaftsebene gleich ausgestaltet ist, wobei einzelne Beschränkungen, die der Richtliniengeber als Bestandteil eines übergreifenden Harmonisierungskonzeptes anordnet, für unschädlich gehalten werden. 57 Allein dieser Ansatz trägt dem Stufenbau der Rechtsordnung, dem Vorrang des Primär- vor dem Sekundärrecht und dem Bedürfnis nach einer homogenen Ausgestaltung des Unternehmer- und Verbraucherleitbilds hinreichend Rechnung. In diese Richtung tendiert auch der EuGH. In seinen Urteilen lässt er erkennen, dass der Richtliniengeber einerseits zwar unmittelbar und uneingeschränkt an die Gemeinschaftsvorgaben gebunden ist, dass ihm andererseits aber – insbesondere bei gesetzgeberischen Maßnahmen – ein weiter Gestaltungsspielraum zuzuerkennen sei. 58 In Rewe-Zentrale hatte der EuGH zu beurteilen, ob es mit EG-Recht vereinbar ist, dass die Landwirtschaftskammer Rheinland bei der Einfuhr von Obst und Kartoffeln aus anderen Mitgliedstaaten phytosanitäre Untersuchungen vornahm. 59 Die Untersuchungen basierten auf einer EG-Richtlinie, mit der vormalige Grenzkontrollen der Mitgliedstaaten stufenweise abgebaut werden sollten. Der Gerichtshof stellte zunächst fest, dass auch »die Gemeinschaftsorgane die Freiheit des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs . . . beachten« müssten. 60 Er betonte, »dass die streitige Richtlinie in keiner Weise darauf abzielte, den Warenverkehr zu hemmen, sondern im Gegenteil schrittweise Maßnahmen gleicher Wirkung abbaute. 61 Diesen lediglich schrittweisen Abbau hielt der EuGH für zulässig, weil den Gemeinschaftsorganen ein Ermessensspielraum zustehe, eine Harmonisierung nur in Etappen durchzuführen. Was die verbleibenden Hemmnisse anbelangte, stellte der EuGH lapidar fest: »Angesichts der Besonderheiten der Materie wie sie in den Begründungserwägungen der Richtlinie dargestellt sind, sowie der bis heute nur sehr unvollständig erfolgten Harmonisierung gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Rat seinen Ermessensspielraum [Hervorhebung durch den Verfasser] überschritten hat, indem er durch die streitige Vorschrift stichprobenartige Kontrollen an bis zu einem Drittel der Sendungen zugelassen hat«. 62 56 Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 8 III. 4. (S. 220). 57 Vgl. Götz, JZ 44 (1989), 1021 (1023); W.-H. Roth, FS für Mestmäcker (70. Gebtg.), S. 725 (S. 732); Perau, Werbeverbote im Gemeinschaftsrecht, 2. Abschnitt § 5 A. I. (S. 251, 252). 58 Vgl. auch: Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.): EU/EG, Art. 28 EG Rn. 298. 59 EuGH – Rewe-Zentrale/Landwirtschaftskammer Rheinland, Rs. 37/83 – Slg. 1984, 1229 Tz. 2. 60 EuGH – Rewe-Zentrale/Landwirtschaftskammer Rheinland, Rs. 37/83 – Slg. 1984, 1229 Tz. 18. 61 EuGH – Rewe-Zentrale/Landwirtschaftskammer Rheinland, Rs. 37/83 – Slg. 1984, 1229 Tz. 19. 62 EuGH – Rewe-Zentrale/Landwirtschaftskammer Rheinland, Rs. 37/83 – Slg. 1984, 1229 Tz. 20.

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Gegenstand des Urteils Procureur de la Republique/ADBHU war dagegen die Rechtmäßigkeit einer Richtlinie über die Beseitigung von Altöl, welche die Mitgliedstaaten verpfl ichtete, die erforderlichen Maßnahmen zur schadlosen Sammlung und Beseitigung von Altölen zu treffen. 63 Da es in diesem Urteil nicht um den schrittweisen Abbau, sondern um eine eigenständige Errichtung eines Entsorgungssystems ging, stellte der EuGH keine Erwägungen zum Gestaltungsermessen der Mitgliedstaaten an, sondern untersuchte primär, ob die Richtlinie die Warenverkehrsfreiheit einschränkte oder nicht. Letztlich kam er zu dem Ergebnis, dass »die in der Richtlinie enthaltenen Maßnahmen den innergemeinschaftlichen Handel nicht behindern; soweit sie . . . den freien Handel . . . [dagegen] einschränk[t]en . . ., dürf[t]en sie weder diskriminierend sein noch über die unvermeidlichen Beschränkungen hinausgehen, die aus Gründen des Umweltschutzes, eines im Allgemeininteresse liegenden Ziels, gerechtfertigt« seien. 64

Diese Ausführungen stehen im Einklang mit den Urteilsgründen eines Verfahrens, in dem der EuGH bereits einige Jahre zuvor auf Vortrag der Kommission, dass eine Verordnung des Rates gegen Art. 28, 29 EG verstoße, indem sie die Ausfuhr von Rum aus dem Vereinigten Königreich in andere Mitgliedstaaten verhinderte65, klargestellt hatte: »Es ist hervorzuheben, dass diese Bestimmung, wenn sie, wie die Kommission meint, ein Verbot der Ausfuhr aus dem Vereinigten Königreich nach den übrigen Mitgliedstaaten enthielte, tatsächlich die Vorschriften des Vertrages über den freien Warenverkehr verletzte.«66 Der EuGH zog aus diesem Grund »eine Auslegung, . . . bei der die Bestimmung mit dem Vertrag vereinbar ist, derjenigen vor[.], die zur Feststellung ihrer Unvereinbarkeit mit dem Vertrag führt[e]«.67 Auch im Urteil Delhaize & Le Lion hat der EuGH noch einmal bekräftigt, dass eine Qualitätswein-Verordnung des Rates »nicht dahin ausgelegt werden könne, dass sie »die Mitgliedstaaten ermächtigt, Bedingungen vorzuschreiben, die den Vertragsbestimmungen über den Warenverkehr zuwiderlaufen. 68 Das gleiche gilt für das Clinique-Urteil, in dem der EuGH darauf rekurrierte, dass die Kosmetik-Richtlinie »wie das gesamte abgeleitete Recht im Lichte der Bestimmungen des EWG-Vertrages über den freien Warenverkehr auszulegen« sei. 69 Auch in die-

63 EuGH – Procureur de la Republique/ADBHU – Urteil v. 07. 02. 1985, Rs. 240/83 – Slg. 1985, 531 Tz. 3, 4. 64 EuGH – Procureur de la Republique/ADBHU – Urteil v. 07. 02. 1985, Rs. 240/83 – Slg. 1985, 531 Tz. 15. 65 EuGH – Kommission/Rat – Urteil v. 13. 12. 1983, Rs. 218/82 – Slg. 1983, 4063 Tz. 7. 66 EuGH – Kommission/Rat – Urteil v. 13. 12. 1983, Rs. 218/82 – Slg. 1983, 4063 Tz. 13. 67 EuGH – Kommission/Rat – Urteil v. 13. 12. 1983, Rs. 218/82 – Slg. 1983, 4063 Tz. 15. 68 EuGH – Delhaize & Le Lion/Promalvin & Bodegas – Urteil v. 09. 06. 1992 – Slg. 1992, I-3669 Tz. 26. 69 EuGH – Verband sozialer Wettbewerb/Clinique & Estée Lauder – Urteil v. 02. 02. 1994, Rs. C-315/92 – Slg. 1994, I-317 Tz. 12.

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6. Kapitel: Grundfreiheiten und Marktliberalisierung

sem Fall überprüfte er eine Bestimmung des sekundären Gemeinschaftsrechts am Maßstab der Warenverkehrsfreiheit.

Der EuGH-Rechtsprechung sind damit insgesamt ausreichende Anhaltspunkte zu entnehmen, dass auch die Gemeinschaftsorgane die Grundfreiheiten unmittelbar – wenn auch mit einem entsprechenden Ermessensspielraum – einzuhalten haben. Vor diesem Hintergrund ist bei der Überprüfung der Sondervertragsrechte nicht mehr gesondert zu differenzieren, ob eine sonderprivatrechtliche Norm auf die Umsetzung einer EG-Richtlinie zurückzuführen ist oder auf einer autonomen Entscheidung des deutschen Gesetzgebers beruht. Der Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten ist in jedem Fall der gleiche und von zentraler Bedeutung. II. Inländergleichbehandlung und Beschränkungsverbot Was den inhaltlichen Ausstrahlungsgehalt der Grundfreiheiten auf die Mitgliedstaaten und die Gemeinschaft anbelangt, geht mit allen Grundfreiheiten zunächst einmal ein Verbot jeder offenen oder unmittelbaren Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit bzw. der Herkunft einer Ware oder Dienstleistung einher. Die Mitgliedstaaten und die Gemeinschaft sind verpfl ichtet, Staatsangehörige, Waren und Dienstleistungen aus anderen Mitgliedstaaten genauso zu behandeln wie die eigenen Staatsangehörigen bzw. wie die im Inland produzierten Waren bzw. erbrachten Dienstleistungen. Während die ursprünglich durch die Grundfreiheiten bekämpften offenen Diskriminierungen bereits in ihrer Formulierung Ausländer, eingeführte Produkte oder grenzüberschreitende Kapitaltransfers im Verhältnis zu Inländern, einheimischen Produkten und Inlandstransfers ausdrücklich schlechter stellten70, gehen die in gleicher Weise binnenmarktschädlichen versteckten Diskriminierungen zwar nicht offen gegen Ausländer vor, differenzieren aber nach Kriterien, die typischerweise inländischen Personen, Gütern oder Dienstleistungen einen Vorteil verschaffen und auf diese Weise den Handelsverkehr beeinträchtigen71. Um in Umgehung der Grundfreiheiten ihre Partikularinteressen zu wahren, gingen die Mitgliedstaaten dazu über, auf eng defi nierte Marktabschottungsverbote mit verdeckten Diskriminierungen und auf das Verbot versteckter Diskriminierungen mit subtilen Beschränkungen zu antworten. Den EuGH veranlasste dies wiederum zu einer Rechtsfortbildung, die in der DassonvilleFormel ihren vorläufigen Höhepunkt fand.72 Seit diesem Urteil ragt der Ver70

Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 2. Teil 1. Abschnitt § 5 A. I. (S. 95 ff.). Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 2. Teil 1. Abschnitt § 5 A. II. (S. 98 ff.). 72 EuGH – Staatsanwaltschaft/Dassonville – Urteil v. 11. 07. 1974, Rs. 8/74 – Slg. 1974, 837 Tz. 5; vgl. hierzu auch: EuGH – Strafverfahren Prantl – Urteil v. 13. 03. 1984, Rs. 16/83 – Slg. 1984, 1299 Tz. 21; Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.): EU/EG, 71

§ 27 Der Rechtsfortbildungsstand der Grundfreiheiten

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botstatbestand der Grundfreiheiten weit über die Bekämpfung offener und verdeckter Diskriminierungen hinaus, sodass heute gegen jegliche Beschränkungen, die unterschiedslos auf inländische und eingeführte Waren Anwendung fi nden, also keinen diskriminierenden Charakter aufweisen, vorgegangen wird.73 Voraussetzung ist lediglich, dass ein Marktbürger bei seiner Teilnahme am Wirtschaftsleben beeinträchtigt wird74, sprich dass die betreffende Maßnahme den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell behindert75. Eine Erschwerung der Wareneinfuhr ist nicht unbedingt notwendig, denn auch Maßnahmen, die den Absatz eingeführter Güter behindern und sich auf diese Weise erschwerend auf den Marktzugang auswirken, werden erfasst.76

B. Rechtsfortbildungsbesonderheiten der einzelnen Grundfreiheiten Das vorbeschriebene Deregulierungsprogramm ist allerdings nicht ohne Rückausnahmen geblieben. Zwar werden von der Warenverkehrsfreiheit infolge der vorgenannten Schutzverbotsausweitung auch grundsätzlich eine Vielzahl von Produkt- und Vermarktungsvorschriften absorbiert, die unterschiedslos einheimische und eingeführte Waren betreffen. Als Ausgleich für diesen formalen Freiheitsansatz hat der EuGH jedoch – wiederum im Wege der Rechtsfortbildung – materiale Ausgleichstatbestände und zusätzliche Rechtfertigungsmodelle entwickelt.77

Art. 28 EG Rn. 39 ff.; Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 3 Rn. 74, 75 (S. 36, 37); Reich, in: Reich/Micklitz (Hrsg.): Europäisches Verbraucherrecht, § 2 I. 3. (S. 57, 58); Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft, § 4 II. 1. a) (S. 123 ff.). 73 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 2. Teil 1. Abschnitt § 6 C. II. 1. (S. 127). 74 EuGH – Staatsanwaltschaft/Dassonville – Urteil v. 11. 07. 1974, Rs. 8/74 – Slg. 1974, 837 Tz. 5; siehe auch: EuGH – A-Punkt Schmuckhandels/Schmidt – Urteil v. 23. 02. 2006, Rs. C-441/04 – Slg. 2006, I-2093 Tz. 14; Strafverfahren Burmanjer u. a. – Urteil v. 26. 05. 2005, Rs. C-20/03 – Slg. 2005, I-4133 Tz. 23; Apothekerverband/DocMorris – Urteil v. 11. 12. 2003, Rs. C-322/01 – Slg. 2003, I-14887 Tz. 66; Christelle Deliège/Ligue francophone – Urteil v. 11. 04. 2000, Rs. C-51/96 und C-191/97 – Slg. 2000, I-2549 Tz. 41; Union royale belge/Bosman – Urteil v. 15. 12. 1995, Rs. 415/93 – Slg. 1995, I-4921, Randnr. 73; Walrave & Koch/A. U. C. I. – Urteil v. 12. 12. 1974, Rs. 36/74 – Slg. 1974, 1405 Tz. 4. 75 Gegen eine nur mittelbare und für eine konkrete Beeinträchtigung plädierend: Schwintowski, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 457 (S. 477). 76 EuGH – Kommission/BRD (»Reinheitsgebot für Bier«) – Urteil v. 12. 03. 1987, Rs. 178/84 – Slg. 1987, 1227 Tz. 24 ff.; I. Klauer, Die Europäisierung des Privatrechts, 1. Kap. § 5 III. 5. (S. 81, 82). 77 Im Überblick: Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.): EU/EG, Art. 28 EG Rn. 183 ff. und Rn. 237 ff.; Leible, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 28 EGV Rn. 18 ff. und Rn. 27 ff.; Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 3 Rn. 74 ff. (S. 36 ff.); Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1 (7 ff.).

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6. Kapitel: Grundfreiheiten und Marktliberalisierung

I. Freier Warenverkehr: Produktregelungen und Verkaufsmodalitäten Die bereits mehrfach erwähnte Cassis-Rechtsprechung trägt in diesem Zusammenhang dem Bedürfnis nach Herstellung materialer Freiheit Rechnung. So können seit dem Cassis de Dijon-Urteil auch diskriminierungsfreie Beschränkungen tatbestandsimmanent gerechtfertigt sein, soweit sie zur Erreichung eines zwingenden Allgemeininteresses nichtwirtschaftlicher Art erforderlich sind.78 Auf diese Weise bildet (neben den ausdrücklichen Rechtfertigungstatbeständen des EG-Vertrages und so wichtigen Gütern wie Leben und Gesundheit) auch der Verbraucherschutz als zwingendes Allgemeininteresse eine Rechtfertigungsbasis, um Sicherheitsstandards, Regeln über die Produktzusammensetzung und andere nichtdiskriminierende Beschränkungen zu legitimieren. Wie der EuGH ausdrücklich festgestellt hat, ist es »[i]n Ermangelung einer gemeinschaftlichen Regelung der Herstellung und Vermarktung [einer Ware] . . . Sache der Mitgliedstaaten, alle die Herstellung und Vermarktung . . . betreffenden Vorschriften für ihr Hoheitsgebiet zu erlassen. Hemmnisse für den Binnenhandel der Gemeinschaft, die sich aus den Unterschieden der nationalen Regelungen über die Vermarktung dieser Erzeugnisse ergeben, müssen hingenommen werden, soweit diese Bestimmungen notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen gerecht zu werden.«79 Weil die zwingenden Erfordernisse formal als Tatbestandsrestriktionen behandelt werden (»immanente Schranken«) 80 , funktional aber als Rechtfertigungsgründe in Erscheinung treten81 , ist ihre dogmatische Einordnung zwar umstritten. 82 Unbestritten sind aber ihre Auswirkungen: Rufen produktbezogene Maßnahmen eines Mitgliedstaates keine diskriminierenden Beschränkungen hervor, sind sie zulässig, soweit sie einem zwingenden Erfordernis nicht wirtschaftlicher Art dienen und zu dessen Erreichung erforderlich sind.

Um auch den im marktwirtschaftlichen Handelsverkehr essentiellen Vertriebsregelungen Rechnung zu tragen, hat der EuGH in der Keck & Mithouard-Entscheidung einen Weg gefunden, um dem Praxisbedürfnis nach be78 Vgl. hierzu: Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 2. Teil 1. Abschnitt § 6 C. III. (S. 129 ff.); Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.): EU/EG, Art. 28 EG Rn. 183 ff. 79 EuGH – Rewe-Zentral/Bundesmonopolverwaltung für Branntwein – Urteil v. 20. 02. 1979, Rs. 120/78 – Slg. 1979, 649 Tz. 8. 80 Arndt, JuS 34 (1994), 469 (470); Becker, EuR 29 (1994), 162 (165); Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.): EU/EG, Art. 28 EG Rn. 190; Everling, ZLR 31 (1994), 221 (225). 81 Schilling, EuR 29 (1994), 50 (52, 53); Becker, NJW 49 (1996), 179 (180); die Cassis de Dijon-Rspr. generell ablehnend: Schwintowski, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 457 (S. 472 ff.); Kingreen, in: C. Calliess/Ruffert, EUV/EGV-Kommentar, Art. 28 EGV Rn. 48. 82 Vgl. im Überblick: Jarass, EuR 30 (1995), 202 (224); ders., FS für Everling – Bd. 1 (70. Gebtg.), S. 593 (S. 606); tendenziell gegen eine solche Differenzierung: G. Hirsch, ZEuS 2 (1999), 502 (511); Ahlfeld, Zwingende Erfordernisse im Sinne der Cassis-Rechtsprechung des EuGH, 2. Teil I. 3. (S. 81 ff.).

§ 27 Der Rechtsfortbildungsstand der Grundfreiheiten

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schränkenden Verkaufsmodalitäten besser Rechnung zu tragen. Seitdem zählt es zum gefestigten Rechtsfortbildungsbestand, dass »allgemeine Verkaufsmodalitäten« von »produktbezogenen Regelungen« abzugrenzen sind, um »allgemeine Verkaufsmodalitäten« einer erleichterten Inhaltskontrolle zuzuführen.83 In die Worte des EuGH gekleidet, stellt sich die Keck-Dogmatik wie folgt dar: »[E]ntgegen der bisherigen Rechtsprechung [ist] die Anwendung nationaler Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten . . . unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, sofern diese Bestimmungen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren.«84

Über die Keck-Dogmatik fi nden auf diese Weise die Vermarktungsinteressen in- und vor allem ausländischer Unternehmer Berücksichtigung, die unter jeweils gleichen Bedingungen ihre Produkte und Dienstleistungen vertreiben können sollen. Während produktbezogene Maßnahmen weiterhin der allgemeinen Beschränkungsdogmatik unterliegen, fallen bloße Verkaufsmodalitäten trotz Beschränkungspotenzials von vornherein nicht in den Anwendungsbereich der Warenverkehrsfreiheit. Sie müssen lediglich für alle Wirtschaftsteilnehmer gelten und auf den Absatz inländischer und eingeführter Erzeugnisse die gleiche Wirkung haben, sich also nicht einseitig zu Lasten eingeführter Erzeugnisse auswirken. War anhand dieser Differenzierung das französische Verbot des Weiterverkaufs mit Verlust z. B. als »allgemeine Verkaufsmodalität« einzustufen85, ein Werbeverbot für Apotheker bezüglich praktisch jeder Form der Werbung außerhalb der Apotheke für apothekenübliche Waren als vertriebsbezogene Maßnahme zu kategorisieren86 und auch ein Vertriebsverbot für Arzneimittel über das Internet dem Anwendungsbereich der KeckRechtsprechung zuzurechnen87, musste der EuGH in Abgrenzung dazu etwa

83 EuGH – Strafverfahren/Keck & Mithouard – Urteil v. 24. 11. 1993, verb. Rs. C267/91 und C-268/91 – S. 1993, I-6097. 84 EuGH – Strafverfahren/Keck & Mithouard – Urteil v. 24. 11. 1993, verb. Rs. C267/91 und C-268/91 – S. 1993, I-6097 Tz. 16. 85 EuGH – Strafverfahren/Keck & Mithouard – Urteil v. 24. 11. 1993, verb. Rs. C267/91 und C-268/91 – S. 1993, I-6097 Tz. 2 ff. 86 EuGH – Hünermund/Landesapothekerkammer – Urteil v. 15. 12. 1993, Rs. C-292/92 – Slg. 1993, I-6787 Tz. 1 ff. 87 EuGH – Apothekerverband/DocMorris – Urteil v. 11. 12. 2003, Rs. C-322/01 – Slg. 2003, I-14887 Tz. 68 ff.

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6. Kapitel: Grundfreiheiten und Marktliberalisierung

bei der Beurteilung eines absoluten Vertriebsverbots für Preisrätsel die Schwelle zur »produktbezogenen Regelung« als überschritten erachten88. Damit bedeutet »Vertriebsbezug« nicht automatisch »Verkaufsmodalität«. Vielmehr bedarf es einer Auswertung der konkreten Auswirkungen des Einzelfalls. II. Die Dienstleistungsfreiheit als allgemeines Beschränkungsverbot Auch in Bezug auf Dienstleistungen hat der EuGH frühzeitig entschieden, dass die Dienstleistungsfreiheit über ein Diskriminierungsverbot hinaus allen Maßnahmen entgegen steht, durch die Dienstleistungen im zwischenstaatlichen Verkehr unterschiedslos beeinträchtigt werden.89 Dieser Ausweitung lag der Gedanke zugrunde, dass Dienstleistungen von Anbietern aus anderen Mitgliedstaaten, die nur vorübergehender Art und zeitlich beschränkt sind, in ihrer Verwirklichung erheblich erschwert wären, wenn sie denselben Beschränkungen unterliegen würden, die auch für Leistungen durch niedergelassene Anbieter gelten, die ihren ständigen Sitz in dem beschränkenden Mitgliedstaat haben. Korrespondierend zu dieser Tatbestandsausweitung hält der EuGH auch im Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit in Parallelität zu der Cassis de Dijon-Rpsr. Maßnahmen für zulässig, die gleichermaßen für Inländer und Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten gelten und durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind.90 Ob allerdings auch die mit der Keck-Rspr. eingeführte Unterscheidung zwischen vertriebsbezogenen und sonstigen Modalitäten auf die Dienstleistungsfreiheit übertragbar ist, ließ der EuGH bislang offen. Fände auch die Keck-Rspr. auf die Dienstleistungsfreiheit Anwendung, wären selbst in diesem Zusammenhang lediglich nichtdiskriminierende Beschränkungen, die den Zugang zum Dienstleistungsmarkt betreffen, nicht aber solche, die sich auf das Anbieten und Ausüben der Dienstleistungen beziehen, am eigentlichen Grundfreiheitentatbestand zu messen.91 88 EuGH – Familiapress/Heinrich Bauer Verlag – Urteil v. 26. 06. 1997, Rs. C-368/95 – Slg. 1997, I-3689 Tz. 2 ff. 89 EuGH – Strafverfahren Arblade – Urteil v. 23. 11. 1999, Rs. C-369/96 und 376/96 – Slg. 1999, I-8453 Tz. 33; Reisebuero Broede/Gerd Sandker – Urteil v. 12. 12. 1996, Rs. C3/95 – Slg. 1996, I-6511 Tz. 25; van Binsbergen/Bestuur – Urteil v. 03. 12. 1974, Rs. 33/74 – Slg. 1974, 1299. 90 EuGH – Strafverfahren Arblade – Urteil v. 23. 11. 1999, Rs. C-369/96 und 376/96 – Slg. 1999, I-8453 Tz. 34. 91 Auch in der verbraucherrechtlich häufig zitierten Alpine Investments-Entscheidung konnte der Gerichtshof die Frage unbeantwortet lassen, inwiefern die Keck-Rechtsprechung auf die Dienstleistungsfreiheit Anwendung fi ndet. Das in Frage stehende Verbot der telefonischen Kundenwerbung war über eine reine Verkaufmodalität hinausgegangen, sodass es selbst nach der Keck-Rechtsprechung nicht hätte ungeprüft bleiben können (EuGH – Alpine

§ 27 Der Rechtsfortbildungsstand der Grundfreiheiten

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Berücksichtigt man die strukturellen Ähnlichkeiten zwischen Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit, ist es letzten Endes naheliegend, vertriebsbezogene Maßnahmen, die das Anbieten und Ausüben von Dienstleistungen regeln, nach den Vorgaben der Keck-Entscheidung zugunsten eines einheitlichen Unternehmerleitbildes aus dem Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit auszuklammern.92 Für vertragsrechtliche Normen würde dies bedeuten, dass zwingende Vorschriften zu Dienstleistungsverträgen im weiteren Sinne, welche nicht den Abschluss und die Existenz des Vertrages an sich in Frage stellen, sondern lediglich die Modalitäten der Dienstleistungserbringung ansprechen, trotz zwischenstaatlichen Beschränkungspotenzials zulässig wären, vorausgesetzt sie wirkten weder objektiv noch subjektiv diskriminierend.

III. Freizügigkeit/Niederlassungsfreiheit – allgemeine Beschränkungsverbote Im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit ist dem EuGH der Übergang vom Diskriminierungs- zum allgemeinen Beschränkungsverbot deutlich schwerer gefallen. Der Grund hierfür mag darin liegen, dass sich der von diesen Freiheiten Geschützte dauerhaft in einen anderen Mitgliedstaat begibt. Da er sich – anders als bei der Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit – nicht nur vorübergehend in die Wirtschaft und Gesellschaft des Zielmitgliedstaates eingliedert, wäre es eigentlich nicht unbillig, ihn den gleichen Bestimmungen zu unterwerfen, wie sie auch für Inländer gelten. Der EuGH hat trotz dieser Grundüberlegung aber auch im Bereich der Personenfreiheiten den Ausbau vom Diskriminierungs- zum allgemeinen Beschränkungsverbot vollzogen.93 Dabei hat er diese Ausweitung allerdings nicht absolut und uneingeschränkt vorgenommen. Während Maßnahmen, welche die Berufsausübung betreffen, weiterhin allein am Maßstab des Diskriminierungsverbots zu prüfen sind, müssen Regelungen bezüglich des Zugangs zum Markt in jedem Fall am allgemeinen Beschränkungsverbot gemessen werden: »[D]ie Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten [haben] . . . das unmittelbar aus dem Vertrag abgeleitete Recht, ihr Herkunftsland zu verlassen, um sich zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben und sich dort aufzuhalten. . . . Auch unterschiedslos anwendbare Bestimmungen, die einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats daran hindern oder davon abhalten, sein Herkunftsland zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, stellen daher BeeinInvestments/Minister van Financien – Urteil v. 10. 05. 1995, Rs. C-384/93 – Slg. 1995, I1141 Tz. 35–39). 92 So auch: Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 8 II. 5. a) (S. 200); Kort, JZ 51 (1996), 132 (136). 93 EuGH – Volker Graf/Filzmoser Maschinenbau – Urteil v. 27. 01. 2000, Rs. C-190/98 – Slg. 2000, I-493 Tz. 23, 24; Centros/Erhvervs- og Selskabsstyrelsen – Urteil v. 09. 03. 1999, Rs. C-212/97 – Slg. 1999, I-1459 Tz. 14 ff.; Union royale belge/Bosman – Urteil v. 15. 12. 1995, Rs. C-415/93 – Slg. 1995, I-4921 Tz. 92 ff.; vgl. im Überblick: Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 2. Teil 4. Abschnitt § 2 B. I. 1. (S. 303, 304).

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6. Kapitel: Grundfreiheiten und Marktliberalisierung

trächtigungen dieser Freiheit dar. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn sie den Zugang der Arbeitnehmer zum Arbeitsmarkt beeinflussen.«94

Damit ist für die Personenfreiheiten eine ähnliche Differenzierung getroffen, wie sie im Bereich der Warenverkehrsfreiheit durch die Keck-Rechtsprechung eingeführt wurde. Während vertriebsbezogene Maßnahmen (Ausübung der Berufstätigkeit) dem allgemeinen Diskriminierungsverbot unterliegen, müssen produktbezogene Maßnahmen (Zugang zum Beruf) dem strengeren Beschränkungsverbot genügen.95

§ 28 Binnenmarktkonvergenz des Privatrechts Nicht gerade im Visier der Grundfreiheitenkontrolle stehen traditionell privatrechtliche Normen.96 Obwohl sie überwiegend als marktunterstützende Vorschriften in Erscheinung treten, bilden sie andererseits aber auch keine kategorische Ausnahme zu den Grundfreiheiten.97

A. Grundfreiheitliche Würdigung der Dreiteilung an sich Die Prüfung, ob und inwieweit die Ausgestaltung der Sondervertragsrechte mit den Grundfreiheiten im Einklang steht, wirft als erstes die Frage auf, ob die in Deutschland existierende Bereichsaufteilung in Sondervertragsrechte möglicherweise per se gegen die Zielkoordinaten des Binnenmarktes verstößt. Denn aus dem Blickwinkel der Grundfreiheiten produziert die Tendenz zur Sonderbereichsbildung, wie sie dem deutschen Privatrecht eigen ist, Rechtsunterschiede interner Art, die – indoktriniert durch das Unternehmer- und Verbraucherleitbild – zu den gebietsbezogenen Abweichungen zwischen den Privatrechtssystemen der einzelnen Mitgliedstaaten hinzutreten. Vor dem Hintergrund, dass ein Zwang zur konkreten Betrachtungsweise letztlich »das Rechtssystem . . . in Einzelfallbetrachtungen auflöse[en]« und »die Infrastruktur des Privatrechts und gerade auch des Vertragsrechts gefährde[n]« würde98, 94 EuGH – Volker Graf/Filzmoser Maschinenbau – Urteil v. 27. 01. 2000, Rs. C-190/98 – Slg. 2000, I-493 Tz. 23, 24. 95 Zum Beschränkungsverbot hinsichtlich des Zugangs vgl. auch: EuGH – CaixaBank/ Ministère – Urteil v. 15. 10. 2004, Rs. C-442/02 – Slg. 2004, I-8961; für ein allgemeines Beschränkungsverbot ohne Differenzierung: Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.): EU/EG, Art. 43 EG Rn. 102, 103. 96 Caruso, ELJ 3 (1997), 3 (9); Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1 (5); vgl. im Überblick auch: Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, 2. Kap. C. II. (S. 17 ff.). 97 Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, Abschnitt 5 I. (S. 57, 58); von Wilmowsky, JZ 51 (1996), 590 (591 ff.); Mülbert, ZHR 159 (1995), 2 (3 ff.); Remien, ZfRV 36 (1995), 116 (129). 98 Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 11 IV. 5. c) (S. 268).

§ 28 Binnenmarktkonvergenz des Privatrechts

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erscheint es allerdings zweifelhaft, ob bereits die »Sonderbereichstypisierungen en bloc« den Grundfreiheiten zuwiderlaufen können. I. Rechtsordnungsunterschiede und Maßgeblichkeit der Erlassebene Seit seiner Walt Wilhelm-Entscheidung aus dem Jahre 1969 judiziert der EuGH in ständiger Rechtsprechung, dass materielle Ausländerbenachteiligungen, die ausschließlich aus den Unterschieden zwischen mehreren Rechtsordnungen verschiedener Hoheitsträger resultieren, nicht ohne weiteres eine nach dem EG-Vertrag verbotene Diskriminierung darstellen: »[Das Diskriminierungsverbot] erfasst . . . nicht Unterschiede in der Behandlung und Verzerrungen, die sich für die dem Gemeinschaftsrecht unterstehenden Personen und Unternehmen aus Unterschieden zwischen den Rechtsordnungen der einzelnen Mitgliedstaaten ergeben, sofern diese Rechtsordnungen auf alle ihrer Herrschaft unterworfenen Personen nach objektiven Merkmalen und ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit der Betroffenen anwendbar sind.«99 Konkretisiert hat der Gerichtshof diesen Grundsatz in der Entscheidung Strafverfahren van Dahm im Jahre 1979.100 In zahlreichen nachfolgenden Entscheidungen verfestigte sich auf diese Weise die Rechtsprechung, dass das Diskriminierungsverbot nicht allein dadurch verletzt wird, dass »ein Mitgliedstaat strengere Vorschriften anwendet als die von anderen Mitgliedstaaten auf dem gleichen Sachgebiet angewandten, sofern jene Vorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang stehen und auf alle der Hoheitsgewalt jenes Staates unterliegenden Personen in gleicher Weise angewandt werden.« Damit verstoßen Rechtsunterschiede in den mitgliedstaatlichen Privatrechtssystemen, die ausschließlich darauf beruhen, dass mehrere Hoheitsträger eigene Privatrechtsordnungen für ihr jeweiliges Hoheitsgebiet etablieren, nicht ohne weiteres gegen die Grundfreiheiten. Eine Diskriminierung setzt vielmehr stets voraus, dass rechtsordnungsspezifische Systemaufteilungen auf den gleichen Hoheitsträger zurückzuführen sind.101 99 EuGH – Walt Wilhelm/Bundeskartellamt – Urteil v. 13. 02. 1969, Rs. 14/68 – Slg. 1969, 1 Tz. 13; vgl. auch: EuGH – Phil Collins/Imtrat – Urteil v. 20. 10. 1993, verb. Rs. C92/92 und C-326/92 – Slg. 1993, I-5145 Tz. 30; Pesca Valentia/Minister for Fisheries – Urteil v. 19. 01. 1988, Rs. 223/86 – Slg. 1988, 83 Tz. 18; Ministere Public/Lambert – Urteil v. 14. 07. 1988, Rs. 308/86 – Slg. 1988, 4369 Tz. 21, 22; Smit Transport/CGB – Urteil v. 25. 01. 1983, Rs. 126/82 – Slg. 1983, 73 Tz. 27. 100 EuGH – Strafverfahren van Dahm – Urteil v. 03. 07. 1979, verb. Rs. 185 bis 204/78 – Slg. 1979, 2345 Tz. 10; vgl. auch: EuGH – Queen/Fishermen’s Organisations – Urteil v. 17. 10. 1995, Rs. 44/94 – Slg. 1995, I-3115 Tz. 45; Alpine Investments/Minister van Financien – Urteil v. 10. 05. 1995, Rs. C-384/93 – Slg. 1995, I-1141 Tz. 27; Strafverfahren Peralta – Urteil v. 14. 07. 1994, Rs. C-379/92 – Slg. 1994, I-3453 Tz. 48; Pesca Valentia/Minister for Fisheries – Urteil v. 19. 01. 1988, Rs. 223/86 – Slg. 1988, 83 Tz. 18; Smit Transport/ CGB – Urteil v. 25. 01. 1983, Rs. 126/82 – Slg. 1983, 73 Tz. 27; Bußgeldverfahren Oebel – Urteil v. 14. 07. 1981, Rs. 155/80 – Slg. 1981, 1993 Tz. 9. 101 Zuleeg, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.): EU/EG, Art. 12 EG Rn. 6.

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II. Würdigung der vertragsrechtlichen Rechtsordnungsunterschiede Eine rechtsordnungsspezifische Systemaufteilung durch den gleichen Hoheitsträger ist im deutschen Privatrecht nur im Hinblick auf das Handels- und bürgerliche Vertragsrecht zu verzeichnen. Lediglich insofern hatte der deutsche Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum, sich autonom zu einer Systemaufspaltung zu entscheiden. Dagegen resultierten die Rechtsunterschiede des Verbraucherrechts – abgesehen von den Schutzniveauerhöhungen, die durch die bloße Mindestharmonisierung bedingt sind – aus der Richtlinienpraxis der Gemeinschaft, letztlich also auf Systemvorgaben eines abweichenden Hoheitsträgers, sodass die en bloc-Abspaltung in dieser Hinsicht ähnlich wie die territorialen Rechtsordnungsunterschiede zwischen mehreren Mitgliedstaaten auf unterschiedliche Hoheitsträger zurückgehen. Aber auch hinsichtlich der Sondernormierung des Handelsrechts fehlt es an Anhaltspunkten, dass durch die Typisierung von allgemeinen Verträgen und Handelsgeschäften sichtbar höhere Kosten als in anderen Mitgliedstaaten entstehen und diese Zusatzkosten eine marktzugangsversperrende Wirkung zeitigen würden, zumal Zusatzkosten allein einen Grundfreiheitenverstoß gar nicht begründen könnten. Zusatzkosten aus der Einholung von Rechtsinformationen entstehen für Unternehmen in Bezug auf jede ausländische Rechtsordnung. Selbst um zu beurteilen, ob Rechtsvorschriften gegen die Grundfreiheiten verstoßen, müssen Informationskosten aufgewendet werden.102 Zudem beruhen die Koordinaten der Systemaufteilung in Handels- und Verbraucherverträge jeweils nicht auf Abgrenzungskriterien, die sich an der Staatsangehörigkeit, der Herkunftsoder Zielbestimmung eines Privatrechtssubjekts ausrichten; vielmehr fügen sie sich in die Verbraucher- und Unternehmertypisierung, wie sie dem EG-Vertrag zugrunde liegt, abstrakt betrachtet ein. Bereits in der Entscheidung BASF/Präsident des Deutschen Patentamts hatte der EuGH festgehalten, dass allein die Tatsache, dass der Binnenmarkt in Zonen unterschiedlich intensiven Rechtsschutzes aufgespalten ist, nicht bereits ein rechtfertigungsbedürftiges Freihandelshindernis darstellt.103 Gleiches muss für sachbereichsspezifische Zonen innerhalb eines Mitgliedstaates gelten, zumal weder das Handels- noch das Verbraucherrecht an die herkunftsgeprägten Kriterien der Staatsangehörigkeit, des (Wohn-) Sitzes oder des Aufenthaltes anknüpfen.

102 Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 8 II. 3. a) (S. 189). 103 EuGH – BASF/Präsident des Deutschen Patentamts – Urteil v. 21. 09. 1999, Rs. C44/98 – Slg. 1999, I-6269 Tz. 17 ff.

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B. Die Prüfung privatrechtlicher Normen an den Grundfreiheiten Demgemäß liegt der Schwerpunkt der Grundfreiheitenprüfung auf der vertragsrechtlichen Einzelnorm. Dabei ist zu beachten, dass privates Vertragsrecht im Gegensatz zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften kein zweidimensionales Verhältnis betrifft, bei dem ein Mitgliedstaat gegenüber einem Marktbürger subordinative Maßnahmen erlässt, die sich auf das Ein- und Ausfuhrverhalten des Marktbürgers zwangsläufig niederschlagen. Vielmehr setzten sie systembedingt ein dreidimensionales Verhältnis voraus, das einerseits aus der Subordinationsbeziehung der Vertragspartner zu dem Mitgliedstaat und andererseits aus dem Gleichordnungsverhältnis der Vertragspartner untereinander besteht. Diese Dreidimensionalität hat zur Folge, dass vertragsrechtliche Normen kraft Natur der Sache keine unmittelbaren, sondern allenfalls mittelbare Behinderungen des zwischenstaatlichen Handelsverkehrs hervorrufen können. Stets muss eine autonome Willensübereinkunft der Vertragsparteien hinzutreten, damit die Vertragsrechtsnormen des betreffenden Mitgliedstaats überhaupt geeignet sind, handelsbeschränkend zu wirken. Können vertragsrechtliche Vorschriften nur indirekt eine Behinderung des zwischenstaatlichen Handelsverkehrs hervorrufen, ist stets eine Kumulation von vertragsrechtlicher Norm und autonomem Willensakt (welcher die vertragsrechtliche Norm für anwendbar erklärt) erforderlich. Lässt man mit dieser Zusatzerkenntnis die Dassonville-Formel des EuGH Revue passieren, verbleibt für eine Verletzung der Grundfreiheiten durch vertragsrechtliche Vorschriften von vornherein nur ein eingeschränkter Anwendungsbereich. Auch wenn ein Umfang und Intensität betreffendes Spürbarkeitserfordernis den Verbotstatbeständen der Grundfreiheiten nicht zu entnehmen ist104, kann eine Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels immer nur dann eintreten, wenn die Behinderungseignung in ihrer Art und Weise hinreichend substanziierbar ist105. Weil Beeinträchtigungen, die durch vertragsrechtliche Normen hervorgerufen werden, häufig zu entfernt und vage sind, kann aus ihren Auswirkungen nur dann die Verletzung einer Grundfreiheit resultieren, wenn die Beschränkung des zwischenstaatlichen Handelsverkehrs in substanziierbarer Weise (potenziell) bevorsteht. I. Die Beurteilung der mittelbaren Behinderungseignung in der Literatur Wann genau eine vertragsrechtliche Norm geeignet ist, eine derart mittelbartatsächliche bzw. -potenzielle Beschränkung des zwischenstaatlichen Handelsverkehrs hervorzurufen, wird in der Literatur nicht einheitlich beurteilt. 104 Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.): EU/EG, Art. 28 EG Rn. 59; a. A.: Sack, GRUR 100 (1998), 871 (873). 105 Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.): EU/EG, Art. 28 EG Rn. 60.

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Vielfach wird die These vertreten, dass nur zwingende Normen des Privatrechts – also Normen, die weder durch Rechtswahl zu einer anderen Rechtsordnung noch durch materiellrechtliche Derogation abbedungen werden können –, nicht jedoch dispositive Vorschriften die Grundfreiheiten beeinträchtigen könnten.106 Dispositive Vorschriften seien von vornherein ungeeignet, in eine Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handelsverkehrs zu münden.107 Wirtschaftstheoretisch trete dispositives Privatrecht nämlich als marktunterstützendes Recht in Erscheinung, das zur Rationalisierung der Vertragsgestaltung beitrage, Transaktionskosten sparen helfe und der Nichtigkeit von Vereinbarungen infolge unerkannten Dissenses vorbeuge. Es schränke im Gegensatz zu zwingendem Recht die Privat- bzw. Parteiautonomie der Vertragspartner nicht ein, sondern fördere den Handelsverkehr. Andere Stimmen in der Literatur bezweifeln die Richtigkeit dieser Differenzierung. So wird teilweise auch zwingendes Privatrecht als ermöglichende Rahmenordnung den Grundfreiheiten entzogen108, während die Gegenstimmen in ihrer Mehrzahl wiederum auch dispositive Vorschriften an den Grundfreiheiten messen wollen109. Zumindest mittelbar verkörpere dispositives Recht stets auch zwingende Gerechtigkeitsvorstellungen, sodass bei mangelnder Abweichung durch die Vertragsparteien Handelshindernisse hervorgerufen werden könnten.110 Die bloße Möglichkeit der Rechtswahl könne für die 106 So im Ergebnis: Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EGVertrages, § 8 II. 3. (S. 186 ff.); ders., ZfRV 36 (1995), 116 (129); Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 3 Rn. 91 und 96 (S. 42 und S. 44); Grundmann, ZHR 163 (1999), 635 (656 ff.); ders., in: Ebenroth/Boujong/Joost (Hrsg.): HGB-Kommentar, Vor § 343 Rn. 29, 30; Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, 1. Teil § 2 I. 3. Rn. 66 (S. 51, 52); Martiny, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.): Internationales Vertragsrecht, 4. Teil B. II. 2. a) (Rn. 410); vgl. auch: Reich, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.): Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 79 (S. 83 ff.); Mülbert, ZHR 159 (1995), 2 (33). 107 Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 3 Rn. 87 ff. (S. 42 ff.); ders., System und Prinzipien des Europäischen Privatrechts, § 5 II. 2. (S. 96); W.-H. Roth, RabelsZ 55 (1991), 623 (652); ders., VersR 44 (1993), 129 (133); Drasch, Das Herkunftslandprinzip im internationalen Privatrecht, 2. Teil A. (S. 211). 108 Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, 2. Kap. C. II. 3. c) (S. 22, 23); dies., Grundstrukturen des nationalen und europäischen Verbrauchervertragsrechts, 1. Kap. E. V. (S. 75 ff.). 109 Müller-Graff, in: Müller-Graff (Hrsg.): Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, S. 9 (S. 16); Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, Abschnitt 7 I. 2. (S. 78, 79); von Wilmowsky, JZ 51 (1996), 590 (595, 596). 110 Langner, RabelsZ 65 (2001), 222 (227); Müller-Graff, in: Müller-Graff (Hrsg.): Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, S. 9 (S. 16); Lurger, Grundfragen der Vereinheitlichung des Vertragsrechts in der EU, 2.2.2.7. (S. 274); Steindorff, EGVertrag und Privatrecht, Abschnitt 7 I. 2. (S. 78, 79); von Wilmowsky, Europäisches Kreditsicherungsrecht, § 2 I. 2. b) (S. 41); ders., JZ 51 (1996), 590 (595, 596); vgl. aus dem Blickwinkel der Grundrechte: Medicus, AcP 192 (1992), 35 (47); Lurger, Regulierung und Deregulierung im europäischen Privatrecht, II. B. (S. 89).

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Nichtanwendbarkeit der Grundfreiheiten nicht maßgeblich sein.111 Bereits das Erfordernis einer Rechtswahl stelle in Anbetracht der Kostenintensität und schweren Durchsetzbarkeit eine Beschränkung dar112 ; auch dispositive Vorschriften riefen Beratungsbedarf und Transaktionskosten hervor und begründeten auf diese Weise ein Hemmnis für den Handelsverkehr.113 Aus dem Blickwinkel des Ergebnisses einer zwischenstaatlichen Handelsbeeinträchtigung sei es irrelevant, ob die Parteien im vorhinein die Rechtsfolgen hätten abbedingen können. Hilfsweise wirkten sich dispositive Vorschriften stets über ihre »Leitbildfunktion« – insbesondere im AGB-Recht – aus, die der Parteidisposition in jedem Fall entzogen sei (§ 307 Abs. 2 BGB).114 II. Anhaltspunkte zur Behinderungseignung in der EuGH-Rechtsprechung Der EuGH musste sich mit der Frage, inwiefern privatrechtliche Normen gegen die Grundfreiheiten verstoßen, in der Entscheidung Alsthom Atlantique (1991) befassen.115 Anlass dieses Vorabentscheidungsverfahrens war ein Rechtsstreit zwischen der Firma Alsthom und der Firma Sulzer über das schlechte Funktionieren zweier Schiffsmotoren vor dem Tribunal de Commerce in Paris. Die Schiffsmotoren hatte die Firma Sulzer an die Firma Alsthom für zwei, an eine niederländische Gesellschaft verkaufte Kreuzfahrtschiffe geliefert. Den Gegenstand der Vorlagefrage bildete Artikel 1643 des französischen Code Civil, der Folgendes bestimmt: »Der Verkäufer haftet für die verborgenen Mängel, selbst wenn er sie nicht gekannt hat, es sei denn, er hat in diesem Fall seine Gewährleistungspfl icht vertraglich ausgeschlossen.« Dabei war zu berücksichtigen, dass die französische Cour de Cassation aus diesem Artikel in ständiger Rechtsprechung eine unwiderlegliche Vermutung entnimmt, wonach ein gewerblicher Hersteller oder Verkäufer Mängel der verkauften Sache gekannt hat und er diese Vermutung zudem nur im Rahmen von Vertragsbeziehungen mit einem Gewerbetreibenden der gleichen Branche widerlegen kann.

Neben der Vereinbarkeit mit dem Kartellverbot hatte sich der EuGH die Frage zu stellen, ob Artikel 1643 in seiner Auslegung durch die Cour de Cassation 111 Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, § 1 II. 2. (S. 24, 25); so wohl auch: Mülbert, ZHR 159 (1995), 2 (10). 112 Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, § 1 II. 2. (S. 25, 26); Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, 2. Kap. C. II. 3. c) (S. 23); dies., Grundstrukturen des nationalen und europäischen Verbrauchervertragsrechts, 5. Kap. E. IV. 2. a) (S. 70); Burckhardt, Das AGB-Gesetz unter dem Einfluss der EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, C. I. 1. (1) (S. 86). 113 Müller-Graff, in: Müller-Graff (Hrsg.): Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, S. 9 (S. 16). 114 Fetsch, Eingriffsnormen und EG-Vertrag, § 6 I. 1. b) (S. 130 Fn. 24); vgl. aus dem Blickwinkel der Grundrechte: Medicus, AcP 192 (1992), 35 (47). 115 EuGH – Alsthom Atlantique/Construction Meanique Sulzer – Urteil v. 24. 01. 1991, Rs. 339/89 – Slg. 1991, I-107; vgl. hierzu auch: von Wilmowsky, JZ 51 (1996), 590 (594, 595).

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eine mengenmäßige Ausfuhrbeschränkung oder eine Maßnahme gleicher Wirkung hervorruft (Art. 29 EG). Der Gerichtshof verneinte beides. Dabei ist im vorliegenden Zusammenhang von besonderem Interessen, dass er die Begründung hierfür unter anderem darauf stützte, dass »es den Parteien eines internationalen Kaufvertrags im allgemeinen frei [steht], das auf ihre Vertragsbeziehungen anwendbare Recht zu bestimmen und so die Unterwerfung unter das französische Recht zu vermeiden«. Aus diesen Ausführungen könnte die Schlussfolgerung gezogen werden, dass der EuGH generell nur solche privatrechtlichen Normen im Sinne der Dassonville-Formel für geeignet hält, eine unmittelbare oder mittelbare, tatsächliche oder potenzielle Beschränkung des innergemeinschaftlichen Handelsverkehrs herbeizuführen, die von den Parteien weder durch Rechtswahl noch durch abweichende Sachvereinbarung derogiert werden können.116 III. Die ausschließliche Grundfreiheitenrelevanz zwingenden Rechts Die Differenzierung, dass nur zwingende Normen in den Kontrollbereich der Grundfreiheiten fallen, ist überzeugend. Allein der Umstand, dass dispositive Vorschriften bei Nichtabweichung als staatliche Handelsschranken in Erscheinung treten könnten, kann nicht entscheidend sein.117 Vielmehr ist eine ex ante-Betrachtung vorzunehmen: Haben die Parteien bei Geschäftsabschluss die Möglichkeit, handelsbeeinträchtigende Normen (durch Rechtswahl oder materiellrechtliche Vereinbarung) abzuwählen und sich für eine binnenmarktfreundliche Variante zu entscheiden, so kann den betreffenden Normen materiell betrachtet keine reale Eignung zur Beeinträchtigung zuerkannt werden. Die Möglichkeit zur Abbedingung kann also entweder kollisionsrechtlicher oder sachprivatrechtlicher Natur sein. Für die fehlende Anwendbarkeit der Grundfreiheiten reicht es aus, dass eine Norm entweder kollisionsrechtlich durch Rechtswahl oder sachprivatrechtlich durch vertragliche Abrede umgangen werden kann; tatsächlich muss eine abweichende Vereinbarung nicht einmal stattgefunden haben. Auch die wirtschaftstheoretische Sichtweise bestätigt dieses Ergebnis: Aus ökonomischer Perspektive können grundsätzlich nur markterhaltende (zwingende), nicht jedoch marktunterstützende (disponible) Normen einen Verstoß gegen das Binnenmarktprinzip hervorrufen.118 Nur bei zwingenden Normen, welche den Wirtschaftsteilnehmern integrationshemmende Verhaltensweisen bindend vorschreiben, ist eine zumindest mittelbare und potenzielle Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handelsverkehrs vorstellbar. Sind privatrechtliche Vorschriften dagegen disponibel – können die Parteien also ohne 116 117 118

Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 2. Teil 1. Abschnitt § 6 B. III. 2. (S. 126). Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 3. Teil 1. Abschnitt § 4 D. I. 3. a) (S. 413). Grundmann, ZHR 163 (1999), 635 (656 ff.).

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weiteres von ihnen abweichen – ist es fernliegend, dass ein Mitgliedstaat durch den Erlass solcher Vorschriften unüberwindbare Hindernisse hervorruft, die gegen die Grundfreiheiten verstoßen könnten. Das verbleibende Argument, dass vertragsrechtliche Vorschriften selbst im Falle der Abdingbarkeit über die Leitbildfunktion der AGB-Kontrolle Zwangscharakter erhalten, ist im Ergebnis nicht überzeugend. Denn selbst wenn dispositives Recht über § 307 Abs. 2 BGB den AGB-rechtlichen Kontrollmaßstab modifi ziert, sind es letztlich nicht die disponiblen Leitbilder, sondern allein die von Natur aus zwingenden Vorschriften des AGB-Rechts, die als Durchsetzungsinstrumente fungieren und handelsbeeinträchtigende Wirkungen entfalten.119 Würde man dagegen auch dispositive Vorschriften generell in den Anwendungsbereich der Grundfreiheiten aufnehmen, würde praktisch jede Rechtsverschiedenheit als Beschränkung deklariert.120 Totale Rechtseinheit und Zentralisierung hätte dies zur Folge, was der »Gemeinschaftsphilosophie« des Binnenmarktes eklatant zuwider liefe.121

C. Verkaufs- und Produktmodalitäten im Vertragsrecht Neben der Grundkategorie, die sich aus der Abdingbarkeit von Vertragsrechtsnormen ergibt, ist vor allem die Frage, ob und inwiefern die Keck-Rechtsprechung auf vertragsrechtliche Normen übertragen werden kann, nicht einfach zu beantworten. Die Ansichten in der Literatur sind hierzu unterschiedlich.122 Teilweise wird sogar die Meinung vertreten, dass die Differenzierung zwischen den Kategorien »produkt- und vertriebsbezogen in vielen Privatrechtsdisziplinen keinen Sinn mache[.]«.123 I. Vertragsexistenz und Modalitäten der Vertragsdurchführung Zu stark nominell ausgerichtete Übertragungsbemühungen wären in diesem Zusammenhang sicherlich unangebracht, zumal das Vertragsrecht nur selten reine Vertriebsaspekte, sondern i. d. R. die eigentliche Beschreibung des Leis-

119

Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 3. Teil 1. Abschnitt § 4 D. I. 3. c) (S. 414,

415). 120 Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 8 II. 3. a) (S. 188); Grundmann, ZHR 163 (1999), 635 (658). 121 Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 8 II. 3. a) (S. 188); vgl. hierzu aus dem speziellen Blickwinkel des Versicherungsvertrages: Steindorff, ZHR 144 (1980), 447 (449 ff.). 122 Die Keck-Rspr. generell ablehnend: Schwintowski, in: Grundmann (Hrsg.): Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 457 (S. 457 ff.). 123 I. Klauer, Die Europäisierung des Privatrechts, 1. Kap. § 5 III. 2. (S. 66); ähnlich ablehnend: von Wilmowsky, JZ 51 (1996), 590 (594).

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tungsinhalts betrifft.124 Vernachlässigen würde eine zu sehr am Wortlaut orientierte Betrachtung, dass es bei der Unterscheidung zwischen »produkt-« und »vertriebsbezogenen« Beschränkungen letztlich um nicht mehr geht als um die Differenzierung zwischen Maßnahmen, die das »ob« des Vertriebs betreffen (Produktregelungen), und Maßnahmen, welche das »wie« des Vertriebs zum Inhalt haben (Verkaufsmodalitäten). Für vertragsrechtliche Normen würde dies bedeuten, dass zwingende Vorschriften, die Abschluss und Existenz eines Vertrages ansprechen, weil sie produktbezogene Vorgaben für alle Vertriebswege treffen, »produktbezogen« sind, während zwingende Vorschriften, welche lediglich die Modalitäten der Vertragsdurchführung regeln, weil sie im Hinblick auf ein bestimmtes Produkt nur einen spezifi schen Vertriebskanal tangieren, als »Verkaufsmodalitäten« in Erscheinung treten. Ähnlich trifft auch Remien die Unterscheidung zwischen Fragen der »Vertragsausführung«, die als Verkaufsmodalitäten gelten (Art und Weise des Vertragsschlusses und seiner Durchführung) und Fragen der »Vermarktbarkeit der Leistung«, die produktbezogen sind (Existenz und Inhalt des Vertrages).125 Zusätzlich ist er jedoch der Meinung, dass die Keck-Rechtsprechung nur mitgliedstaatliche Maßnahmen, nicht jedoch eigene Maßnahmen der EG-Organe begünstige.126 Derartige Anhaltspunkte sind der EuGH-Rechtsprechung allerdings nicht zu entnehmen. Eine solche Differenzierung wäre nur sachgerecht, würde man die Sonderstellung von Verkaufsmodalitäten mit Remien als Ausprägung des Subsidiaritätsprinzips und nicht als Ausdruck des objektiven Sinngehalts der Grundfreiheiten begreifen.127 Zu restriktiv ist auch die Ansicht Gantens. Seiner Meinung nach geht ein Vertrag über eine Verkaufsmodalität nur dann hinaus, wenn er auch gegenüber nicht am Vertrag Beteiligten Marktzutrittsbeschränken hervorruft.128 Diese Haltung Gantens dürfte letztlich allein darauf beruhen, dass er den Produktcharakter aus der Perspektive der Vertragspartner und nicht – wie vorliegend – am Maßstab vertragsrechtlicher Normen untersucht. Sie ist daher nicht verallgemeinerungsfähig. II. Die Konkretisierung vertriebsbezogener Maßnahmen durch den EuGH Wertvolle Anhaltspunkte, wie mit der Keck-Rechtsprechung bei vertragsrechtlichen Normen zu verfahren ist, lassen sich den Ausführungen des EuGH in den Urteilen Burmanjer und A-Punkt Schmuckhandels entnehmen.129 Geht 124

I. Klauer, Die Europäisierung des Privatrechts, 1. Kap. § 5 III. 2. (S. 66). Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 8 II. 4. d) (S. 199). 126 Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 8 III. 4. (S. 220). 127 Remien, JZ 49 (1994), 349 (353). 128 Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, § 4 II. 6. (S. 136 ff.). 129 EuGH – A-Punkt Schmuckhandels/Schmidt – Urteil v. 23. 02. 2006, Rs. C-441/04 – 125

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man auf die Hauptaussagen dieser Urteile näher ein, so lag der BurmanjerEntscheidung als Sachverhalt zugrunde, dass u. a. Herr Burmanjer in Ostende auf einer öffentlichen Straße ohne die dort erforderliche Genehmigung für ein Wandergewerbe Zeitschriftenabonnements verkaufte, weswegen ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet wurde.130 Der EuGH gelangte bei der Beurteilung des strafbewehrten Genehmigungserfordernisses zu dem Ergebnis, dass ein Verstoß gegen Art. 28 EG nicht gegeben sei, weil das Genehmigungserfordernis für das Wandergewerbe eine reine Verkaufsmodalität darstellte und als solches nicht gegen das Diskriminierungsverbot verstieße.131 Ähnlich betraf das A-Punkt Schmuckhandels-Urteil die Ausgangskonstellation, dass eine in Deutschland ansässige Unternehmerin im Wege des Wandergewerbes Silberschmuck in österreichischen Privatwohnungen, z. B. im Rahmen von sog. »Schmuckpartys«, verkaufen wollte.132 Nach der in Österreich maßgeblichen Gewerbeordnung ist der Vertrieb von Silberschmuck im Wege von Haustürgeschäften allerdings verboten.133 Obwohl diese österreichische Regelung in größerem Umfang als das im Burmanjer-Urteil behandelte Genehmigungserfordernis die unternehmerische Handlungsfreiheit beschränkt, ging der EuGH auch im A-Punkt Schmuckhandels-Urteil davon aus, dass das in Rede stehende Verbot als Vertriebsmethode lediglich am Maßstab der Keck-Dogmatik zu beurteilen sei.134 Als generelle Schlussfolgerung ist (auch) aus diesen Urteilen abzuleiten, dass Regelungen, die lediglich eine bestimmte Art des Vertriebs regeln, einschränken oder verbieten, andere Vertriebswege für das betreffende Produkt aber unberührt lassen, stets in den Bereich der Keck-Rechtsprechung fallen. Sichtbare Ausstrahlungswirkung hat diese Keck-Interpretation auf die Beurteilung der Haustürgeschäfte- und Fernabsatzrichtlinie. Denn auch diese Richtlinien betreffen und regulieren jeweils nur bestimmte Modalitäten des Vertriebs, machen den Vertrieb für das jeweils in Frage stehende Produkt aber nicht generell unmöglich. Innerhalb ihres Anwendungsbereichs erstrecken sie sich auf in- und ausländische Marktteilnehmer jeweils mit einem identischen Wirkungsgehalt, sodass die Richtlinien trotz des ius cogens-Charakters ihrer VorSlg. 2006, I-2093; Strafverfahren Burmanjer u. a. – Urteil v. 26. 05. 2005, Rs. C-20/03 – Slg. 2005, I-4133. 130 EuGH – Strafverfahren Burmanjer u. a. – Urteil v. 26. 05. 2005, Rs. C-20/03 – Slg. 2005, I-4133 Tz. 8, 9. 131 EuGH – Strafverfahren Burmanjer u. a. – Urteil v. 26. 05. 2005, Rs. C-20/03 – Slg. 2005, I-4133 Tz. 37. 132 EuGH – A-Punkt Schmuckhandels/Schmidt – Urteil v. 23. 02. 2006, Rs. C-441/04 – Slg. 2006, I-2093 Tz. 4, 5. 133 EuGH – A-Punkt Schmuckhandels/Schmidt – Urteil v. 23. 02. 2006, Rs. C-441/04 – Slg. 2006, I-2093 Tz. 3. 134 EuGH – A-Punkt Schmuckhandels/Schmidt – Urteil v. 23. 02. 2006, Rs. C-441/04 – Slg. 2006, I-2093 Tz. 17.

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6. Kapitel: Grundfreiheiten und Marktliberalisierung

gaben sämtliche Keck-Kriterien erfüllen. Als nichtdiskriminierende Verkaufsmodalitäten werfen sie grundfreiheitlich betrachtet von vornherein keine Bedenken auf.

§ 29 Verbrauchervertragsrecht und Grundfreiheiten Im Übrigen könnten die verbraucherrechtlichen kollisions- und sachrechtlichen Vorschriften bereits aufgrund ihres Rechtsangleichungscharakters als grundfreiheitenkonform einzustufen sein, schließlich dienen die Verbraucherrichtlinien gerade dazu, den grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungsverkehr zu verstärken. Ein vorschnelles Bejahen der Grundfreiheitenkonvergenz der Verbraucherrichtlinien würde allerdings nicht nur dem Umstand zuwiderlaufen, dass auch der Gemeinschaftsgesetzgeber an die Grundfreiheiten gebunden ist, sondern auch verkennen, dass das Konzept der Verbraucherrichtlinien – bisher zumindest – auf dem Konzept der Mindestharmonisierung aufbaut und viele Mitgliedstaaten von den Öffnungsklauseln der einzelnen Richtlinien durch einen Verbraucherschutz Gebrauch gemacht haben, der die Mindestvorgaben der jeweiligen Richtlinie überschreitet.135 Erfassen die Grundfreiheiten im Sinne der Dassonville-Rspr. sämtliche nichtdiskriminierenden Beschränkungen durch die Mitgliedstaaten, besteht kein einleuchtender Grund, sie nicht auch auf solche Hindernisse zu beziehen, die auf ein festgeschriebenes Mindestniveau markterhaltenden Rechts durch die Gemeinschaft zurückzuführen sind. Denn es ist nicht Ziel des EG-Vertrages, mitgliedstaatliche Marktinterventionen durch gemeinschaftliche zu ersetzen; vielmehr ist die gemeinschaftliche Wirtschaftsordnung insgesamt marktwirtschaftlich und freiheitlich auszugestalten.136 Misst der EuGH nichtdiskriminierende Beschränkungen der Mitgliedstaaten an den Grundfreiheiten (und zwar auch dann, wenn mehrere Mitgliedstaaten zufällig inhaltsidentische Beschränkungsnormen erlassen haben sollten), können harmoni135 Freitag, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.): Internationales Vertragsrecht, 4. Teil B. II. 2. b) aa) (Rn. 415); zu den mitgliedstaatlichen Maßnahmen richtlinienübergreifend im Überblick: Schulte-Nölke/Twigg-Flesner/Ebers (Hrsg.): EG-Verbraucherrechtskompendium, Teil II. (S. 46 ff.); hinsichtlich der Fernabsatzrichtlinie: Kommission – Mitteilung zur Umsetzung der Richtlinie 1999/44/EG zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter – KOM(2007) 210 fi nal, Tz. 2 ff. und 13; Mitteilung zur Umsetzung der Richtlinie 1997/7/EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz vom 21. 09. 2006 – KOM(2006) 514 endgültig, Tz. 4 ff. und 10; hinsichtlich der Verbraucherkreditrichtlinie: Kommission – Vorschlag für eine Richtlinie zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über den Verbraucherkredit vom 11. 09. 2002 – KOM(2002) 443 endgültig, Ziff. 2.2 (S. 5 ff.). 136 von Bogdandy, EuZW 3 (1992), 9 (14).

§ 29 Verbrauchervertragsrecht und Grundfreiheiten

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sierte Maßnahmen mit zwischenstaatlichem Beschränkungspotenzial von dem Anwendungsbereich der Grundfreiheiten nicht ausgeklammert werden. Demnach gilt es auch im Hinblick auf die Verbraucherrichtlinien zu berücksichtigen: »EC directives . . . may paradoxically in fact create new differences.«137 Davon abgesehen kann die »Positiv-Integration« durch das harmonisierte Recht erst an der Stelle ansetzen, wo die »Negativ-Integration« durch die Grundfreiheiten an ihre Grenzen stößt; sie soll nur dort zum Einsatz kommen, »wo Regelungen des nationalen Rechts, die zu Hindernissen für den grenzüberschreitenden Verkehr führen, aus übergeordneten Gründen (z. B. Gesundheitsschutz, Verbraucherschutz, Umweltschutz etc.) gerechtfertigt sind und ihr Abbau nur unter erheblichen Einbussen für diese Rechtsgüter möglich wäre«.138 Gerade dies hat aber auch zur Folge, dass die sekundärrechtliche Harmonisierung den Gemeinschaftsgesetzgeber von vornherein nicht dazu legitimieren kann, den Integrationsstand, den die Grundfreiheiten erreicht haben, wieder rückgängig zu machen. Denn dadurch bliebe unberücksichtigt, dass es sich bei den beiden Begriffl ichkeiten der »Positiv«- und »Negativ-Integration« um »zwei Seiten derselben Medaille« handelt, sie also »zwei Mittel zur Erreichung desselben Ziels« darstellen: »Verwirklichung der Integrationsziele des Binnenmarktes und . . . Entwicklung eines europafähigen Privatrechts«.139

A. Die Beurteilung der verbraucherrechtlichen Kollisionsnormen Wegen ihrer zwingenden Rechtsnatur sind die Normen des (Verbraucher-) Kollisionsrechts und diejenigen des (Verbraucher-) Sachvertragsrechts als grundfreiheitliche Prüfungsobjekte geradezu prädestiniert.140 Dabei bieten sich als Ausgangspunkt der Prüfung die Kollisionsnormen an (Art. 29, 29a EGBGB etc.). Sie geben dem Unternehmer die Möglichkeit, sich durch Wahl einer bestimmten Rechtsordnung von der Bürde zu befreien, die Modalitäten aller Rechtsordnungen der Gemeinschaft einkalkulieren zu müssen.141 Unter welchen Voraussetzungen kollisionsrechtliche Regelungen an den Grundfreiheiten gemessen werden können bzw. ob die Grundfreiheiten möglicherweise selbst kollisionsrechtliche Vorgaben beinhalten, ist allerdings umstritten.

137

Collins, CYEL 7 (2005), 81 (82). I. Klauer, Die Europäisierung des Privatrechts, 1. Kap. § 2 I. 3. (S. 8). 139 I. Klauer, Die Europäisierung des Privatrechts, 1. Kap. § 2 I. 3. (S. 8). 140 Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, 1. Teil § 2 I. 5. a) Rn. 74 ff. (S. 56 ff.). 141 von Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1 (5). 138

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6. Kapitel: Grundfreiheiten und Marktliberalisierung

I. Meinungen zum kollisionsrechtlichen Regelungsgehalt der Grundfreiheiten Verbreitet ist die Ansicht, dass Kollisionsnormen den Grundfreiheiten von vornherein entzogen sind oder zumindest nicht gegen sie verstoßen können.142 Die Begründungen hierfür variieren. Während Rohe betont, dass nur Ergebnisse der Sachrechtsanwendung, nicht jedoch bloßes Rechtsanwendungsrecht die Grundfreiheiten verletzen könnten143, ist Franzen der Ansicht, dass IPRNormen der Grundfreiheitenkontrolle generell vorgelagert seien144. Mehrheitlich wird dagegen die Möglichkeit einer Grundfreiheitenkontrolle bejaht.145 Sonnenberger hält dies etwa für möglich, wenn eine Kollisionsnorm auf eine grundfreiheitenwidrige Sachnorm verweist und demzufolge gleichsam Anteil an diesem Verstoß habe und daher auch selbst als grundfreiheitenwidrig einzustufen sei.146 Basedow geht einen Schritt weiter: Nicht die abstrakte nationale Sachnorm als solche könne gegen die Grundfreiheiten verstoßen, da sie nur reine Inlandsfälle betreffe; vielmehr könne der Anwendungsbereich der Grundfreiheiten erst durch das Hinzutreten einer Kollisionsnorm, die in zwischenstaatlichen Sachverhalten der Sachnorm notwendig vorgeschaltet sei, eröffnet werden.147 Einen ähnlichen, aber resoluteren Ansatz vertritt Armbrüster, der lediglich die Kollisionsnorm und gar nicht mehr das materiell anwendbare Recht an den Grundfreiheiten messen möchte.148 Darüber hinaus wird auch vertreten, dass die Grundfreiheiten selbst einen kollisionsrechtlichen Regelungsgehalt149 oder eine »unpräzise Umschreibung einer Kollisionsnorm«150 bzw. »versteckte kollisionsrechtliche Verweisung«151 enthalten. Stimmen in der Literatur, die dies vertreten, lassen sich in drei Strömungen unterteilen. Nach der ersten treten die Grundfreiheiten selbst an die Stelle des IPR; nach der zweiten gebieten sie eine Berufung auf das Herkunftslandprinzip gegenüber dem mitglied142 Im Überblick: Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 3. Teil 2. Abschnitt § 1 B I. (S. 435). 143 Rohe, RabelsZ 61 (1997), 1 (58 ff.). 144 Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft, § 4 III. 2. b) (S. 145 ff.). 145 Vgl. etwa: W.-H. Roth, RabelsZ 55 (1991), 623 (645 ff.); Taupitz, ZEuS 1 (1998), 17 (24 ff.); Fetsch, Eingriffsnormen und EG-Vertrag, § 6 (S. 125 ff.); Pfeiffer, NJW 50 (1997), 1207 (1208 ff.); Gounalakis/Radke, ZVglRWiss 98 (1999), 1 (11 ff.); Magnus, in: Staudingers Kommentar BGB, Vorbem zu Art. 27–37 EGBGB Rn. 5; Drasch, Das Herkunftslandprinzip im internationalen Privatrecht, 2. Teil D. II. (S. 256 ff.). 146 Sonnenberger, ZVglRWiss 95 (1996), 3 (22 ff.). 147 Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1 (12). 148 Armbrüster, RabelsZ 60 (1996), 72 (76). 149 Brödermann/Iversen, Europäisches Gemeinschaftsrecht und Internationales Privatrecht, Teil 1 § 4 (S. 60 ff.). 150 Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1 (13). 151 Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1 (15).

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staatlichen Kollisionsrecht; nach der dritten schließlich verlangen sie nach einem anbieterorientierten Günstigkeitsprinzip. So sieht M. Wolf etwa in sekundärrechtlichen Normen im Lichte der Grundfreiheiten die gegenseitige Ankerkennung nationaler Rechtsinstitute der Mitgliedstaaten152 , während Dethloff mit dem reinen Herkunftslandprinzip argumentiert153. Vorsichtiger, aber in die gleiche Richtung zielend, formuliert Bernhard ein eingeschränktes Herkunftslandprinzip, indem er lediglich die »tendenzielle Geltung des Herkunftslandrechts« propagiert.154 Andere ziehen aus den Grundfreiheiten schlicht die kollisionsrechtliche Schlussfolgerung, dass das Bestimmungsland nur daran gehindert sei, sein im Vergleich zum Herkunftslandrecht strengeres Sachrecht durchzusetzen.155 Aus dem europäischen Gemeinschaftsrecht selbst folge, dass das Recht des Herkunftslandes anzuwenden sei.156 Der Anwendung eigener Normen, die wirtschaftliche Verhaltensweisen großzügiger zuließen als das Herkunftslandrecht, stünden die Grundfreiheiten dagegen nicht entgegen. Bei einer solchen Ausgangskonstellation sei als Anknüpfungsstatut das nationale Kollisionsrecht des Empfangsstaates zu beachten.157 Zur Folge hätte dies, dass grundsätzlich entweder das Recht des Bestimmungs- oder Herkunftslandes Anwendung fände, und zwar je nachdem, welche Rechtswirkungen für den Anbieter jeweils günstiger wären. Ein so verstandenes Günstigkeitsprinzip würde letztendlich als »Konglomerat aus Elementen des Gemeinschaftsrechts und des nationalen Wirtschaftskollisionsrechts« in Erscheinung treten.158 II. Auswertung des kollisionsrechtlichen Regelungsgehalts Spätestens seit dem Urteil Überseering/Nordic Construction, in welchem die Anwendung der Sitztheorie in einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit mündete159, dürfte es gesicherte Erkenntnis sein, dass der EuGH auch kollisionsrechtliche Normen am Maßstab der Grundfreiheiten überprüft. An anderer Stelle hat der EuGH ausdrücklich festgestellt, dass es sich bei der Kontrolle durch den Herkunftslandmitgliedstaat selbst im primären Gemeinschaftsrecht nicht um ein im EG-Vertrag verankertes Prinzip handelt.160 Weder das 152

M. Wolf, WM 44 (1990), 1941 (1942). Dethloff, JZ 55 (2000), 179, (183); dies., Europäisierung des Wettbewerbsrechts, 5. Kap. B. II. (S. 268 ff.). 154 Bernhard, EuZW 3 (1992), 437 (439 ff.). 155 Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1 (14 ff.); Chrocziel, EWS 2 (1991), 173 (178). 156 Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1 (16). 157 Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1 (17). 158 Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1 (17). 159 EuGH – Überseering/Nordic Construction – Urteil v. 05. 11. 2002, Rs. C-208/00 – Slg. 2002, I-9919 Tz. 82. 160 EuGH – Deutschland/Parlament und Rat – Urteil v. 13. 05. 1977, Rs. C-233/94 – Slg. 1997, I-2405 Tz. 64. 153

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Herkunftslandprinzip noch das Günstigkeitsprinzip ist in den Grundfreiheiten als Absolutheitsgrundsatz verankert. Beide bilden jeweils weder eine hinreichende noch eine notwendige Bedingung für die Verwirklichung der Grundfreiheiten.161 Das Herkunftslandprinzip kann demzufolge allenfalls als Instrument des sekundären Gemeinschaftsrechts – als eine »aus den Grundfreiheiten abzuleitende Metaregel« – eingestuft werden, die als allgemeine Regel zu einschichtig ist und oftmals, aber keineswegs immer, die Harmonisierung von Produktanforderungen bestimmt.162 Einen nachvollziehbaren Aussagegehalt verkörpert das Herkunftslandprinzip allenfalls in zweidimensionalen Verhältnissen (Mitgliedstaat – Marktbürger), in denen der Marktbürger als Ex- oder Importeur von den niedrigeren Produktstandards seines Herkunftsstaates profitieren soll. In dreidimensionalen Verhältnissen (Marktbürger – Marktbürger – Mitgliedstaat), in denen ein Vertragsverhältnis zwischen zwei Marktbürgern in Frage steht, würde das Herkunftslandprinzip einen der beiden Vertragspartner aber notorisch benachteiligen. Würde man bei internationalen Kreditverträgen etwa unabdingbar an den Sitz des Darlehensgebers (Herkunft der Ware) anknüpfen, wäre der (Verbraucher-) Kreditnehmer ausnahmslos schlechter gestellt.163 Eine eigene Kollisionsregel verkörpern die Grundfreiheiten daher nicht.164 Bereits die Ziele, die durch Grundfreiheiten und Kollisionsrecht verfolgt werden, sind unterschiedlich: Während das IPR bestrebt ist, die Rechtsordnung zu ermitteln, der das Rechtsverhältnis seiner eigentümlichen Natur nach angehört, treten die Grundfreiheiten lediglich als »negative KollisionsrechtsAusgestaltungsverbote« in Erscheinung165, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem die anzuwendende Rechtsordnung bereits feststeht166. III. Die Art. 27 Abs. 3, Art. 29 und 29a EGBGB vor den Grundfreiheiten In diesem Sinne scheidet ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten von vornherein aus, wenn bereits kollisionsrechtlich Rechtswahlfreiheit garantiert wird.167 161 S. Klauer, Das europäische Kollisionsrecht der Verbraucherverträge, 2. Kap. II. 2. b) (1) (S. 103 ff.); Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 3. Teil 2. Abschnitt § 2 A. IV. (S. 447); von Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1 (11 ff.). 162 von Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1 (12); Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, 5. Kap. G. IV. 6. (S. 212). 163 von Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1 (14); zur Dreidimensionalität vgl. auch: S. Klauer, Das europäische Kollisionsrecht der Verbraucherverträge, 2. Kap. II. 2. b) (1) (S. 113). 164 Kelp, Time-Sharing-Verträge, 3. Kap. § 5 III. 2. a) (S. 295, 296 ff.); Martiny, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.): Internationales Vertragsrecht, 1. Teil IV. 2. a) (Rn. 36 ff.). 165 Kreuzer, in: Müller-Graff (Hrsg.): Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, S. 457 (S. 516). 166 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 3. Teil 2. Abschnitt § 2 A. IV. 1. (S. 449). 167 W.-H. Roth, RabelsZ 55 (1991), 623 (652); Riesenhuber, System und Prinzipien des

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Ist die Kollisionsnorm dagegen zwingend, kommt ein Grundfreiheitenverstoß durch sie per se nur dann in Betracht, wenn mit ihr eine mit dem EG-Vertrag unvereinbare Anknüpfung einhergeht, sie etwa in diskriminierender Weise die Staatsangehörigkeit für maßgeblich erachtet oder in sonstiger Weise marktzugangsversperrend wirkt.168 In der Regel wird dagegen die aus der (zwingenden) Kollisionsnorm resultierende Verweisung maßgeblich dafür sein, ob ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten denkbar ist. Damit verweisungsbedingt ein Grundfreiheitenverstoß vorstellbar ist, muss auch die für maßgeblich erklärte Sachnorm unabdingbar sein.169 Generelle Kategorisierungen wie z. B. die pauschale Verneinung von Verkaufmodalitäten (Keck) können aber auch in diesem Fall nur schwer getroffen werden.170 Vielmehr lässt sich in den meisten Fällen nur in einer Gesamtschau mit dem anwendbaren Sachrecht beurteilen, wie die Kollisionsnorm im Anwendungsbereich der Grundfreiheiten konkret einzustufen ist.171 Überträgt man die vorstehenden Grundsätze auf die verbraucherrechtlichen Kollisionsnormen, könnten gegebenenfalls bereits die Art. 27 Abs. 3, 29 bzw. 29a EGBGB gegen die Grundfreiheiten verstoßen, wenn man bedenkt, dass sie den grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr erheblich belasten können.172 Sie erschweren eine verlässliche Prognose über das auf einen Vertrag anwendbare Recht und zwingen Anbieter dazu, ihr Angebot auf die von der lex fori jeweils aufgestellten Regeln auszurichten.173 Zudem haben Vertragsparteien bei Vertragsschluss meist Schwierigkeiten abzuschätzen, nach welcher Rechtsordnung ihr Vertrag später in einem gerichtlichen Verfahren einmal zu beurteilen sein wird.174 1. Art. 27 Abs. 3 EGBGB bei Sachverhaltsverbindung mit einem Staat Art. 27 Abs. 3 EGBGB ist die erste Kollisionsvorschrift, die im Hinblick auf das Verbrauchervertragsrecht aus Grundfreiheitensicht relevant ist. Zwar normiert sie formal betrachtet eine alle Verträge erfassenden Grenze der Rechtswahlfreiheit, indem nach ihrem Regelungsgehalt die Wahl eines anderen Rechts die Anwendung sämtlicher zwingender Normen desjenigen Staates Europäischen Privatrechts, § 5 II. 2. c) (S. 99 ff.); Magnus, in: Staudingers Kommentar BGB, Vorbem zu Art. 27–37 EGBGB Rn. 9. 168 Vgl. S. Klauer, Das europäische Kollisionsrecht der Verbraucherverträge, 2. Kap. II. 2. b) (1) (S. 112). 169 Fetsch, Eingriffsnormen und EG-Vertrag, § 6 I. 1. (S. 127 ff.). 170 So aber: Freitag, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.): Internationales Vertragsrecht, 4. Teil B. II. 2. a) (Rn. 411). 171 Kelp, Time-Sharing-Verträge, 3. Kap. § 5 III. 1. d) (S. 294, 295). 172 von Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1 (4); W.-H. Roth, Internationales Versicherungsvertragsrecht, § 10 I. 1. (S. 434 ff.). 173 Kelp, Time-Sharing-Verträge, 3. Kap. § 5 III. 2. b) (S. 297, 298). 174 von Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1 (4).

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nicht berührt, zu dem der Sachverhalt – abgesehen von der Rechtswahl – ausschließlich eine Verbindung aufweist. Vor dem Hintergrund, dass ein überdurchschnittlicher Anteil der materiellrechtlich zwingenden Vorschriften gerade im Verbrauchervertragsrecht ihren Ursprung hat, betrifft Art. 27 Abs. 3 EGBGB faktisch das Sachprivatrecht der Verbraucherverträge aber in besonderem Maße.175 Gleichwohl bereitet Art. 27 Abs. 3 EGBGB hinsichtlich der Grundfreiheitenkontrolle bereits deswegen keine Probleme, weil die Grundfreiheiten auf die von Art. 27 Abs. 3 EGBGB erfassten innerstaatlichen Sachverhalte von vornherein keine Anwendung fi nden. Wie Körber zu Recht ausführt, könnte nur ausnahmsweise dann etwas anderes gelten, wenn die Anwendung einer Norm auf einen kollisionsrechtlich »rein innerstaatlichen« Sachverhalt mittelbar geeignet wäre, importbeeinträchtigend zu wirken und daher aus der Perspektive der Grundfreiheiten einen hinreichenden grenzüberschreitenden Bezug aufweisen würde.176 Fallkonstellationen wie diese mögen zwar im Anwendungsbereich der Warenverkehrsfreiheit denkbar sein, z. B. wenn die Anwendung einer Vertriebsregelung auf den rein innerstaatlichen Weiterverkauf eingeführter Waren das Einfuhrvolumen beschränken könnte. Allerdings würde auch für solche lediglich mittelbar einfuhrbezogenen Regelungen nach Maßgabe der Keck-Rechtsprechung lediglich ein Diskriminierungsverbot gelten, gegen das im Recht der Verbraucherverträge in der Regel nicht verstoßen wird.177 Art. 27 Abs. 3 EGBGB kann daher für sich betrachtet in keinen Konfl ikt mit den Grundfreiheiten geraten. Allein dass er die Parteiautonomie beschränkt, begründet keinen Verstoß gegen die Grundfreiheiten, zumal auch die Grundfreiheiten die Parteiautonomie nicht als solche schützen.178 2. Die verbraucherrechtliche Sonderverweisung des Art. 29 EGBGB Eher im Relevanzbereich zwischenstaatlicher Sachverhalte steht die Kollisionsnorm des Art. 29 EGBGB. Sie enthält für den Fall einer anderweitigen Rechtswahl eine einseitige Verweisung auf das zwingende Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Anwendung fi ndet Art. 29 EGBGB nur unter der Voraussetzung, dass der Vertrag hinsichtlich seines Gegenstands und der Umstände seines Zustandekommens ein »Verbrauchervertrag« im Sinne des Art. 29 EGBGB ist. Dies setzt erstens voraus, 175 Inhaltlich entspricht Art. 27 Abs. 3 EGBGB der Regelung des Art. 3 Abs. 3 EVÜ, die ihrerseits ab Dezember 2009 durch Art. 3 Abs. 3 der Rom I-Verordnung abgelöst werden wird (siehe hierzu: Europäisches Parlament/Rat – Verordnung 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) – ABl. 2008 Nr. L 177 S. 6 (S. 10)]. 176 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 3. Teil 3. Abschnitt § 3 E. I. (S. 496). 177 Vgl. Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 3. Teil 3. Abschnitt § 3 E. I. (S. 496). 178 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 3. Teil 3. Abschnitt § 3 E. I. (S. 496).

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dass mindestens der Leistungsempfänger Verbraucher ist; zweitens muss sich der Vertrag auf die Lieferung beweglicher Sachen, die Erbringung von Dienstleistungen oder die Finanzierung eines solchen Geschäfts beziehen; drittens muss der Vertrag unter bestimmten – in Art. 29 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EGBGB näher spezifi zierten – Umständen bei aktiver, grenzüberschreitender Mitwirkung des Anbieters zustande gekommen sein.179 Liegen diese Voraussetzungen vor, können die Vertragsparteien zwar eine Rechtswahl treffen; dies kann allerdings nach Maßgabe des Art. 29 Abs. 1 EGBGB nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz der zwingenden (oder zu seinen Gunsten halb zwingenden) Normen seines Aufenthaltsrechts entzogen wird. Letztlich setzt sich das Aufenthaltsrecht nur dann durch, wenn das gewählte Recht keinen mindestens gleichwertigen Schutz bietet, was durch einen ergebnisbezogenen Günstigkeitsvergleich zu ermitteln ist.180 Aus dem Blickwinkel der Grundfreiheiten wird Art. 29 EGBGB in der Literatur unterschiedlich bewertet. Vielfach wird ein Konfl ikt der rechtswahlergänzenden Sonderanknüpfung zwingender Verbraucherschutzvorschriften nach Art. 29 Abs. 1 EGBGB mit der Waren- und Dienstleistungsfreiheit behauptet.181 Diese These hat ihre Berechtigung. Art. 29 Abs. 1 EGBGB durchbricht den Grundsatz der einheitlichen Anknüpfung der Rechtsverhältnisse182 , hat er in der Gesamtschau mit dem zur Anwendung gelangenden Sachrecht doch zur Folge, dass die zwingenden Vorschriften des Rechts am Wohnsitz des Verbrauchers immer dann Anwendung fi nden, wenn sie für den Verbraucher günstiger sind als die Normen der gewählten Sachrechtsordnung. Im Gegenschluss bedeutet dies für den Unternehmer, dass Art. 29 Abs. 1 EGBGB stets auf Vorschriften verweist, die sich aus Anbieterperspektive als nachteilig erweisen.183 Dem Unternehmer wird die Geltung der ihm bekannten Herkunftsrechtsordnung abgeschnitten, was ihn zumindest mittelbar und potenziell von dem Handel mit einem ausländischen Verbraucher abhalten könnte. Eine Beschränkung des zwischenstaatlichen Handelsverkehrs ist daher denkbar. Art. 29 EGBGB fi ndet seinem Wortlaut nach aber auf inländische und ausländische Waren bzw. Dienstleistungen unterschiedslos Anwendung, wobei allein der kollisionsrechtliche Charakter der Norm nicht bereits im Sinne einer 179 Zur Ausweitung des Anwendungsbereichs der verbraucherrechtlichen Kollissionsregel durch Art. 6 der Rom I-Verordnung siehe: Europäisches Parlament/Rat – Verordnung 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) – ABl. 2008 Nr. L 177 S. 6 (S. 11 f.). 180 Magnus, in: Staudingers Kommentar BGB, Art. 29 EGBGB Rn. 105 ff. 181 Vgl. im Überblick: Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 3. Teil 3. Abschnitt § 3 E. III. 1. (S. 498). 182 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 3. Teil 3. Abschnitt § 3 E. III. 1. (S. 499). 183 Vgl. Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 8 II. 3. b) (S. 190).

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Häufigkeitsvermutung die Schlussfolgerung erlaubt, dass ausländische Waren bzw. Dienstleistungen öfter betroffen sind. Weil bereits eine Rechtswahl an sich genügen würde, damit Art. 29 EGBGB zur Anwendung gelangt, ist sein Regelungscharakter nicht diskriminierend, sodass eine Rechtfertigung nach der Cassis de Dijon-Rechtsprechung in Betracht kommt. Auch die zur Rechtfertigung vorauszusetzende Erforderlichkeit zum Schutz des Verbrauchers scheint gewahrt. Nicht nur an der Eignung von Art. 29 Abs. 1 EGBGB, den Verbraucher vor einem Verlust sachlicher Rechte durch Vereinbarung einer fremden Rechtsordnung zu bewahren, besteht kein Zweifel (Schutz vor zusätzlichen Informationskosten und -risiken bezüglich einer fremden Rechtsordnung).184 Auch der Verhältnismäßigkeitsrahmen wird nicht überschritten185, denn nur die zwingenden Vorschriften des Verbraucherlandes werden von der Sonderanknüpfung erfasst. Für alle nachgiebigen Rechtsnormen bleibt eine Rechtswahl dagegen möglich, wobei zusätzlich einschränkend nur diejenigen Fälle der Parteiautonomie entzogen sind, in denen der Anbieter (also nicht der Verbraucher) die kommerzielle Initiative im Konsumentenland ergriffen hat. Eine Globalanknüpfung an das Wohnsitzstatut des Verbrauchers schreibt Art. 29 EGBGB also nicht vor.186 Dass andererseits gerade durch diese Aufspaltung eine einheitliche Anknüpfung des Vertragsstatuts verhindert wird, ruft für sich betrachtet ebenfalls keine Verletzung der Grundfreiheiten hervor. Vielmehr ist es aus dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit gerade höher zu bewerten, dass die Alternative einer einheitlichen objektiven Anknüpfung an das Aufenthaltsrecht des Verbrauchers, die jeden ausländischen Anbieter potenziell noch stärker belasten würde, verhindert wird.187 Zwar kann Art. 29 EGBGB in seltenen Ausnahmefällen zu unbilligen Ergebnissen führen – etwa dann, wenn Heimat- und Aufenthaltsstaat des Verbrauchers unterschiedlich sind (»ein in Deutschland ansässiger Franzose [schließt] Verträge mit einem französischen Versandhaus«). Dies allein reicht aber nicht aus, um von einer Überschreitung des Typisierungs- und Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers ausgehen zu können.188 Vielmehr sind die mit Art. 29 EGBGB einhergehenden Beschränkungen des Handelsverkehrs grds. gerechtfertigt und stehen im Einklang mit dem grundfreiheitlich propagierten Verbraucherleitbild.

184

von Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1 (22). So auch: Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1 (29, 30); Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 3. Teil 3. Abschnitt § 3 E. III. 1. (S. 497 ff.). 186 Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 8 II. 3. b) (S. 190). 187 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 3. Teil 3. Abschnitt § 3 E. III. 1. (S. 499); vgl. auch: Martiny, in: Rebmann/Säcker/Rixecker (Hrsg.): MünchKomm-BGB, Art. 29 Rn. 59 ff.; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 52 V. 3. (S. 484). 188 Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1 (29, 30). 185

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3. Die EG-bezogene Rückverweisung des Art. 29a EGBGB Eine weitere Sonderanknüpfung für Verbraucherschutznormen enthält Art. 29a EGBGB. Tatbestandlich setzt er eine Rechtswahl der Vertragsparteien voraus, die eigentlich zur Anwendung der Rechtsordnung eines NichtEG- bzw. Nicht-EWR-Staates führen würde. Weist der Vertrag in diesem Sinne einen engen Zusammenhang zu einem EG- bzw. EWR-Staat auf und handelt es sich um einen Verbrauchervertrag, so sind die im Gebiet dieses Staates geltenden Bestimmungen zur Umsetzung der Verbraucherschutzrichtlinien gleichwohl anzuwenden.189 Nach Ansicht von Körber kann von einem Grundfreiheitenverstoß durch Art. 29a EGBGB schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil die damit einhergehende Rechtswahlbeschränkung nur die Wahl eines Drittlandrechts tangiert. Ein Grundfreiheitenverstoß komme auch durch die Regelung des Art. 29a Abs. 3 EGBGB nicht in Betracht, die im Gegensatz zu den ersten beiden Absätzen nicht allseitig anknüpfe, sondern einseitig das deutsche Recht berufe.190 Der Befund, dass es kollisionsrechtlich sinnvoller gewesen wäre, auch diese Norm allseitig zu formulieren191, sei für sich genommen nicht geeignet, sie in Konfl ikt mit den Grundfreiheiten zu bringen, da die Grundfreiheiten nicht einseitigen Anknüpfungen als solchen, sondern nur solchen einseitigen Anknüpfungen entgegen stünden, die diskriminierend oder marktzugangsbeschränkend wirkten192 . Unbeschadet eines solchen Ausnahmefalles obliege die Auswahl der kollisionsrechtlich besten Anknüpfung den nationalen Gesetzgebern bzw. Gerichten. Dass eine Regelung aus kollisionsrechtlicher Perspektive »suboptimal« erscheine, mache sie nicht grundfreiheitenwidrig.193 Bei Berücksichtigung aller unter 29a EGBGB subsumierbaren Anwendungsfälle wäre eine vollständige Ausklammerung der Vorschrift von dem Anwendungsbereich der Grundfreiheiten – wie Körber sie propagiert – jedoch zu kurz gegriffen. Ohne weiteres ist es etwa vorstellbar, dass ein in einem EGMitgliedstaat ansässiger Unternehmer mit einem in einem anderen EG-Mitgliedstaat ansässigen Verbraucher eine Rechtswahl zu einem EG- bzw. EWRDrittstaat vereinbart, obwohl der materiellrechtliche Vertragsinhalt unter den Anwendungsbereich der Klausel-, Timesharing-, Fernabsatz- oder Verbrauchsgüterkaufrichtlinie fällt.194 Bei einer solchen Ausgangskonstellation würde Art. 29a EGBGB die Rechtswahlfreiheit im Rahmen eines innergemeinschaft189

Im Überblick: Magnus, in: Staudingers Kommentar BGB, Art. 29a EGBGB Rn. 51 ff. So auch Kelp, Time-Sharing-Verträge, 3. Kap. § 5 III. 3. d) (S. 303, 304). 191 So zu Recht: Freitag/Leible, EWS 11 (2000), 342 (348 ff.). 192 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 3. Teil 3. Abschnitt § 3 E. III. 2. (S. 501). 193 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 3. Teil 3. Abschnitt § 3 E. III. 2. (S. 501). 194 Zu den Anwendungsvoraussetzungen im einzelnen vgl. Magnus, in: Staudingers Kommentar BGB, Art. 29a EGBGB Rn. 28 ff. 190

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6. Kapitel: Grundfreiheiten und Marktliberalisierung

lichen Anwendungsfalles beschränken und wäre demzufolge geeignet, einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten hervorzurufen. Ob dieser Verstoß auch eine Verletzung einer Grundfreiheit zur Folge hätte, müsste allerdings im Rahmen einer Gesamtschau mit der materiell konkret anzuwenden Verbraucherschutznorm beurteilt werden, sodass die grundfreiheitliche Vereinbarkeit von Art. 29a EGBGB letztlich von der zwingend anzuwendenden Sachnorm abhinge.

B. Die Beurteilung des zwingenden Sachvertragsrechts Angesichts dieser kollisionsrechtlichen Ausgangslage treten die materiellrechtlich zwingenden Vorschriften des Verbraucherrechts regelmäßig auch als kollisionsrechtlich zwingende Regelungen in Erscheinung. Anders ausgedrückt könnte man auch sagen, dass die materiellrechtlichen Vorschriften, die in Umsetzung der Verbraucherrichtlinien ergangen sind, wegen der Kollisionsregeln der Art. 29, 29a EGBGB in aller Regel nicht zum Nachteil des Verbrauchers abgewählt werden können, was seinerseits zur Folge hat, dass nicht nur die zwingenden Normen des Kollisionsrechts, sondern auch die zwingenden Normen des verbraucherrechtlichen Sachvertragsrechts (Informationspfl ichten, Widerrufsrechte und Inhaltskontrollvorschriften) auf dem (Deregulierungs-) Prüfstand der Grundfreiheiten stehen. I. Die grundfreiheitliche Beurteilung von Informationspflichten Verbraucherrechtliche Informationspfl ichten, denen Unternehmer unterliegen, werden in der Literatur vielfach eindimensional bewertet: Informationspfl ichten führten generell zu mehr Markttransparenz und könnten demzufolge nur »schwerlich marktzugangsversperrend wirken«.195 Trotz ihres (halb-) zwingenden Charakters beträfen sie entweder den vorvertraglichen Bereich oder den Bereich der Vertragsdurchführung. Sie verpfl ichteten den Unternehmer zwar grundsätzlich, den Verbraucher über bestimmte Geschäftsaspekte zu informieren, übten letztlich aber auf die Wirksamkeit des Geschäfts keinen direkten Einfluss aus. Es sei deshalb davon auszugehen, dass verbraucherrechtliche Informationspfl ichten nicht die Zirkulationsfähigkeit der vertraglichen Leistungen tangierten, sondern lediglich vertriebsbezogene Nebenpfl ichten anbelangten. In aller Regel handele es sich nicht um »produktbezogene« Regelungen, sondern um bloße »Verkaufsmodalitäten« im Sinne der Keck-Rechtsprechung, die typischerweise nicht in den grundfreiheitlichen Kernbereich des Beschränkungsverbots, sondern lediglich in das allgemeine Diskriminierungsverbot 195

Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 3. Teil 4. Abschnitt § 2 B. V. 2. (S. 613).

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eingreifen.196 Nur in Ausnahmefällen, wenn mit den Informationsgeboten Pfl ichten einhergingen, die typischerweise für ausländische Produkte oder Dienstleistungen erhebliche Nachteile oder Schwierigkeiten bereiten, sei ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten ernsthaft in Erwägung zu ziehen.197 1. Die generelle Beurteilung von Aufklärungspfl ichten Vielfach beruft sich die Literatur dabei auf das CMC Motorradcenter-Urteil, in dem der EuGH im Hinblick auf eine Aufklärungspfl icht aus culpa in contrahendo andeutete, dass die Anordnung von Informationspfl ichten an sich den Grundfreiheiten nicht zuwiderlaufe: Das CMC Motorradcenter hatte über einen deutschen Importeur ein Yamaha-Motorrad bezogen, das der Importeur seinerseits bei einem französischen Vertragshändler gekauft hatte. Im Anschluss daran verkaufte das Motorradcenter das Motorrad an Frau Baskiciogullari weiter. Bei diesem Weiterverkauf hatte es nicht darüber aufgeklärt, dass die deutschen Yamaha-Vertragshändler sich im allgemeinen weigern, Gewährleistungsreparaturen an parallel importierten Motorrädern durchzuführen.198 Auf Vorlage des LG Augsburg stellte der EuGH fest, dass die streitgegenständliche Aufklärungspfl icht keine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung darstellen könne, weil »die restriktiven Wirkungen, die von . . . Aufklärungspfl icht[en] auf den freien Warenverkehr ausgehen könnten, zu ungewiß und zu mittelbar [seien], als daß diese Verpfl ichtung als geeignet angesehen werden könnte, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu behindern«.199 Nicht die Aufklärungspfl icht, sondern allenfalls das, worauf sie sich beziehe, also der Aussagegehalt der Aufklärungspfl icht (z. B. Verweigerung von Gewährleistungsarbeiten), könne handelsbeschränkend wirken. 200

Bei näherer Betrachtung ist die kategorische Schlussfolgerung aus dem CMC Motorradcenter-Urteil, Aufklärungspfl ichten stets als vertriebsbezogene Maßnahmen einzustufen, allerdings nicht gerechtfertigt. 201 Grds. mag es sicher zutreffen, dass Aufklärungspfl ichten lediglich im Sinne von »Verkaufsmodalitäten« den Vertrag nicht an sich in Frage stellen, weil sie binnenmarktfördernd wirken. Denn harmonisierte Informationspfl ichten liefern einen 196 Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 12 IV. 2. (S. 288, 289). 197 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 3. Teil 4. Abschnitt § 2 B. V. 2. (S. 613, 614). 198 EuGH – CMC Motorradcenter/Baskiciogullari – Urteil v. 13. 10. 1993, Rs. C-93/92 – Slg. 1993, I-5009 Tz. 4. 199 EuGH – CMC Motorradcenter/Baskiciogullari – Urteil v. 13. 10. 1993, Rs. C-93/92 – Slg. 1993, I-5009 Tz. 12. 200 EuGH – CMC Motorradcenter/Baskiciogullari – Urteil v. 13. 10. 1993, Rs. C-93/92 – Slg. 1993, I-5009 Tz. 11; vgl. auch: Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.): EU/EG, Art. 28 EG Rn. 165. 201 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 3. Teil 4. Abschnitt § 2 B. V. 2. (S. 614, 615); vgl. auch: Brüsselbach, JuS 35 (1995), 21 (23); Fezer, JZ 49 (1994), 623 (625); Langner, RabelsZ 65 (2001), 222 (233).

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6. Kapitel: Grundfreiheiten und Marktliberalisierung

wichtigen Beitrag zur Schaffung eines einheitlichen Kenntnisstandes über die Grenze hinweg. Sie können zu mehr Markttransparenz führen und das Geschäftsabschlussverhalten der Marktteilnehmer steigern, sodass besser informierte Verbraucher i. d. R. schneller zu einem Geschäftsabschluss gelangen als orientierungslose Konsumenten, die über die Vertragsmodalitäten nicht im Bilde sind. Andererseits handelt es sich bei Informationspfl ichten aber um Regelungen der Vermarktungsform, deren Nichteinhaltung verbraucherrechtlich zu einem Widerruf und damit zu einer Revision des gesamten Vertrages führen kann. Genauso wie Vorschriften über bestimmte Verpackungsformen, Etikettierungen und sonstige Angaben können sie sich auf das Produkt selbst beziehen und handelsbehindernde Wirkungen hervorrufen, indem sie etwa Kosten und Marktzutrittsschranken verursachen. 202 Damit ist die grundfreiheitliche Einstufung von Informationspfl ichten letztlich einzelfallabhängig und offen, hat selbst der EuGH in dem zitierten CMC Motorradcenter-Urteil doch keine generelle Kategorisierung vorgenommen. Ganz zu schweigen davon hätte er eine Einordnung in die vertriebs- und produktbezogene Zweiteilung auch (noch) gar nicht treffen können, ist die KeckRpsr. dem CMC Motorradcenter-Urteil doch zeitlich nachgefolgt. 203 Lediglich mit Blick auf die fallbezogene Aufklärungspfl icht aus culpa in contrahendo hat der EuGH konstatiert, dass die von einer solchen Aufklärungspfl icht ausgehenden Wirkungen auf Wareneinfuhren »zu ungewiß und mittelbar« seien, als dass damit eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne der DassonvilleFormel verbunden sein könne. 204 Der EuGH hat den Anwendungsbereich der Warenverkehrsfreiheit also nicht a priori wegen der Rechtsnatur von »Aufklärungspfl ichten«, sondern einzelfallbezogen wegen der schwachen Intensität ihrer konkret prognostizierten Wirkungen verneint. Je nachdem, wie stark eine verbraucherrechtliche Aufklärungspfl icht den Absatz eines Vertragsgegenstandes insgesamt (also nicht nur den Vertrieb innerhalb bestimmter Wege) beeinträchtigen kann, ist das Vorliegen einer »Produktregelung« daher denkbar. 205

202 Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.): EU/EG, Art. 28 EG Rn. 94; Bürkle, EuZW 17 (2006), 685 (688). 203 Während das Urteil CMC Motoradcenter/Baskiciogullari am 13. 10. 1993 ergangen ist, datiert das zeitlich spätere Urteil in Sachen Strafverfahren/Keck & Mithouard vom 24. 11. 1993 (EuGH – Strafverfahren/Keck & Mithouard – Urteil v. 24. 11. 1993, verb. Rs. C-267/91 und C-268/91 – S. 1993, I-6097). 204 EUGH – CMC Motoradcenter/Baskiciogullari – Urteil v. 13. 10. 1993, Rs. C-93/92 – Slg. 1993, I-5009 Tz. 7 und 12. 205 So ist etwa das OLG Düsseldorf davon ausgegangen, dass eine bestimmte Informationspfl icht, die einen Vermittler von Lotteriespielen traf, eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellte, die erst über die Cassis-Rechtsprechung gerechtfertigt werden könne: OLG Düsseldorf – Urteil v. 06. 06. 2007, Az.: VI-U (Kart) 26/06 – juris-Datenbank Tz. 60.

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2. Interdependenz zwischen Sprachregime und Beeinträchtigungswirkung Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen dürften die verbraucherrechtlichen Informationspfl ichten zwar grds. als Vertriebsregelungen in Erscheinung treten und grundfreiheitenkonform sein. Dies gilt insbesondere für die Aufklärungspfl ichten der Haustürgeschäfte- und Fernabsatzrichtlinie, die bereits auf Grund der Tatsache, dass sie nur bestimmte Vertriebswege tangieren, als Verkaufsmodalitäten einzustufen sind. Anders zu beurteilen sind jedoch die Informationspfl ichten der Verbraucherkredit- bzw. Timesharingrichtlinie, die im Hinblick auf bestimmte Produkte (»Kredit« bzw. »Timesharing«) Vorgaben machen, die den Produktvertrieb insgesamt (d. h. auf allen denkbaren Vertriebswegen) betreffen. Werden im Rahmen von derart produktbezogenen Richtlinien Informationspfl ichten vorgegeben, die übertriebene Anforderungen an den Unternehmer stellen oder mit denen ein Aufwand verbunden ist, der in keinem Verhältnis zu dem bei dem Verbraucher zu erwartenden Informationsgewinn steht, ist eine Beschränkung des zwischenstaatlichen Geschäftsverkehrs nicht auszuschließen. a) Das Sprachregime der harmonisierten Informationspflichten Zwar sind die Informationspfl ichten der (produktbezogenen) Verbraucherrichtlinien weitgehend infolge der Mindestharmonisierung in den einzelnen Mitgliedstaaten identisch oder zumindest vergleichbar. Selbst im Falle einer vollständig homogenen Angleichung schließt dies jedoch nicht aus, dass mit harmonisierten Informationspfl ichten weiterhin mittelbare bzw. faktische Behinderungen im zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehr verbunden sein können. Indirekte Beeinträchtigungen können nach wie vor etwa dadurch hervorgerufen werden, dass Informationen in den einzelnen Mitgliedstaaten trotz Harmonisierung in unterschiedlicher Sprache wiederzugeben sind. 206 Teilweise bestimmen bereits die Richtlinien selbst abstrakte Sprachvorgaben. 207 So fordert etwa die Klauselrichtlinie, dass »Verträge . . . in klarer und verständlicher Sprache abgefasst« formuliert sein müssen. 208 Teilweise stellen es die Richtlinien den Mitgliedstaaten aber auch frei, für ihr jeweiliges Gebiet vor-

206 Im einzelnen zeichnen sich die Verbraucherrichtlinien hinsichtlich der Sprachvorgaben durch fehlende Eindeutigkeit und Einheitlichkeit aus. Reich bezeichnet die Rechtslage sogar als »außerordentlich verworren und unübersichtlich« [Reich, in: Reich/Micklitz (Hrsg.): Europäisches Verbraucherrecht, § 1 III. 1. c) (S. 26)]; vgl. auch: Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 10 Rn. 249 ff. (S. 114 ff.); Dreißigacker, Sprachenfreiheit im Verbrauchervertragsrecht, II. 1. c) (S. 198 ff.); Dreißigacker, Sprachenfreiheit im Verbrauchervertragsrecht, II. 3. (S. 198 ff.). 207 Im Überblick vgl.: Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Privatrechts, § 12 II. 1. (S. 280). 208 Erwägungsgründe der Klauselrichtlinie; vgl. auch Art. 5 Klauselrichtlinie.

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zuschreiben, dass die zu erteilenden Informationen in einer oder mehreren Amtssprachen der Gemeinschaft zur Verfügung gestellt werden müssen. 209 Engere Vorgaben macht dagegen die Timesharingrichtlinie, indem sie von den Mitgliedstaaten verlangt, dass Timesharingverträge nach Wahl des Erwerbers in der Amtssprache seines Wohnsitz- oder Staatsangehörigkeits-Mitgliedstaates abgefasst sein müssen 210, wobei ersatzweise auch die Abfassung in einer Amtssprache der Gemeinschaft mit beglaubigter Übersetzung des Vertrages in eine Amtssprache des Belegenheitsstaates in Betracht kommt 211. Für die Vertriebsorganisation des Unternehmers bedeutet dies, dass er die Vertragsklauseln und Informationen in den Sprachen aller Mitgliedstaaten bereit halten muss, in denen er seine Dienstleistungen und Produkte anbietet. 212 Durch den Vorschlag zur Neufassung der Timesharingrichtlinie könnte sich dieser betriebliche Aufwand noch einmal erhöhen. Er könnte sich im Falle der Verabschiedung des Kommissionsvorschlags selbst dann einstellen, wenn ein Unternehmer nur in einem Mitgliedstaat tätig werden möchte; denn nach dem Vorschlag zur Neufassung der Timesharingrichtlinie soll es im Belieben des Verbrauchers stehen, welche Sprachfassung er präferiert: Allein die von dem Verbraucher »gewünschte[.] Amtssprache der Gemeinschaft« wäre dann maßgeblich für die Sprachfassung, die der Unternehmer zur Verfügung zu stellen hätte. 213 b) Das Zusammentreffen von Sprachumsetzungsund Informationspflichten Vor diesem Hintergrund ist insbesondere bei der produktbezogenen Verbraucherkredit- bzw. Timesharingrichtlinie ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten bei einem Zusammentreffen von umfangreichen Aufklärungs- und Sprachum-

209 Vgl. z. B. Art. 6 Abs. 4 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie; vgl. auch: Riesenhuber, Europäi-sches Vertragsrecht, § 10 Rn. 267 ff. (S. 121, 122); ders., System und Prinzipien des Europäischen Privatrechts, § 12 II. 2. (S. 283 ff.). 210 Art. 4 Spiegelstrich 2 Timesharingrichtlinie. 211 Art. 4 Spiegelstrich 2 Timesharingrichtlinie: Der deutsche Gesetzgeber hat diese Sprachvorgaben in § 483 BGB umgesetzt, mit der Maßgabe, dass im Falle einer Beurkundung des Timesharingvertrags vor einem deutschen Notar dem Verbraucher eine beglaubigte Übersetzung des Vertrags in der von dem Verbraucher gewählten Sprache auszuhändigen ist (§ 483 Abs. 2 BGB). Ein Verstoß gegen die vorgeschriebene Vertragssprache führt in jedem Fall gemäß § 483 Abs. 3 BGB zur Nichtigkeit des Vertrags, wohingegen ein Verstoß gegen die Prospektsprache nur das Hinausschieben des Fristenlaufs für den Verbraucherwiderruf zur Folge hat (§ 485 Abs. 3 BGB). 212 Reich, in: Reich/Micklitz (Hrsg.): Europäisches Verbraucherrecht, § 1 III. 1. c) (S. 26); Rünz, Verbraucherschutz im Fernabsatz, 2. Teil B. II. 1. a) cc) (S. 50). 213 Kommission – Vorschlag für eine Richtlinie über den Schutz der Verbraucher im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Teilzeitnutzungsrechten, langfristigen Urlaubsprodukten sowie des Wiederverkaufs und Tausches derselben vom 07. 06. 2007 – KOM(2007) 303 endgültig, S. 17; Busch, GPR 5 (2008), 13 (14).

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setzungspfl ichten nicht auszuschließen. 214 Der EuGH selbst hat in der Meyhui-Entscheidung festgestellt, dass das Verbot aus einer Gemeinschaftsrichtlinie, Etikettierungen auf einem eingeführten Produkt in einer anderen Sprache als der Sprache des jeweiligen Einfuhrmitgliedstaates anzubringen, eine Behinderung des gemeinschaftsrechtlichen Handels darstellen kann. 215 Ein solches Verbot habe zur Folge, dass »die aus anderen Mitgliedstaaten stammenden Erzeugnisse mit anderen Etiketten versehen werden müssen, was zusätzliche Aufmachungskosten verursacht«. 216 Wie der EuGH im Colim-Urteil weiter ausführte, muss es sich bei sprachlichen Anforderungen nicht notwendig um bloße Verkaufmodalitäten im Sinne der Keck-Rspr. handeln. 217 Nichts anderes kann im Hinblick auf (harmonisierte) vertragsrechtliche Informationspfl ichten gelten, die in jedem Vertriebsmitgliedstaat in der jeweiligen Landessprache angeboten werden müssen. Bereits der Umstand, dass der Unternehmer die Mehrkosten für die unterschiedlichen Sprachfassungen selbst aufbringen muss, kann für den Vertrieb in einem anderen Mitgliedstaat ein Hindernis bilden. 218 Empirische Daten scheinen diese Aussage zu stützen: Nach Umfragen werden 51% der Einzelhändler durch die aus der grenzüberschreitenden Lieferung resultierenden Zusatzkosten und immerhin 43% von den generell aus Sprachunterschieden resultierenden Zusatzkosten (ohne Berücksichtigung spezifischer Aufklärungspfl ichten) bereits abgeschreckt. 219 Überschreitet bei dieser Ausgangsmentalität der Informationsumfang darüber hinaus noch einen bestimmten Grenzbereich, kann die informationsbedingte Mehrkostenbelastung zu künstlichen Marktzutrittsschranken führen; die Möglichkeit der Mehrkostenabwälzung auf den Verbraucher kann die potenziell abschreckende Erstbelastung des Unternehmers möglicherweise relativieren, aber nicht beseitigen. 220 Im Extremfall könnte daraus bei produktbezogenen Richtlinien (»Verbraucherkredit« bzw. »Timesharing«) folgen, dass sich den Marktzugang nur noch Unternehmer leisten können, die eine ausreichende Finanzkraft besitzen, um für diese Nebenkosten in Vorleistung zu treten. Anderen Unternehmern wäre der Marktzugang dagegen versperrt. 214

Vgl. Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 10 Rn. 249 ff. (S. 114 ff.). EuGH – Meyhui/Schott Zwiesel Glaswerke – Urteil v. 09. 08. 1994, Rs. C-51/93 – Slg. 1994, I-3879 Tz. 13. 216 EuGH – Meyhui/Schott Zwiesel Glaswerke – Urteil v. 09. 08. 1994, Rs. C-51/93 – Slg. 1994, I-3879 Tz. 13. 217 EuGH – Colim/Bigg’s Continent Noord – Urteil v. 03. 06. 1999, Rs. C-33/97 – Slg. 1999, I-3175 Tz. 36. 218 EuGH – Kommission/Belgien – Urteil v. 16. 11. 2000, Rs. 217/99 – Slg. 2000, I-10251 Tz. 18. 219 Kommission – Flash Barometer Untersuchung – Flash EB Serie Nr. 186 (S. 3 und 9), URL: http://ec.europa.eu/public_opinion/flash/fl _186_sum_de.pdf (04. 08. 2008). 220 Vgl. Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.): EU/EG, Art. 28 EG Rn. 94. 215

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6. Kapitel: Grundfreiheiten und Marktliberalisierung

c) Die Grundfreiheitenwidrigkeit der timesharingbezogenen Informationspflichten Reflektiert man gemäß dieser Erkenntnisse die Informationspfl ichten der produktbezogenen Verbraucherrichtlinien, dürften sich die Vorgaben der Verbraucherkreditrichtlinie jedenfalls noch innerhalb des Liberalisierungsrahmens der Grundfreiheiten bewegen. Selbst wenn man eine zumindest mittelbare und potenzielle Beschränkung der Grundfreiheiten durch die Informationspfl ichten dieser Richtlinie bejahen wollte, wäre die zu fordernde Notwendigkeit zur Erreichung des Verbraucherschutzes als zwingendem Erfordernis jedenfalls gewahrt, was bereits bei den Ausführungen zur Umsetzung des Verbraucherleitbilds veranschaulicht werden konnte. 221 Weitaus kritischer sind die Informationspfl ichten der Timesharingrichtlinie zu beurteilen. Denn wie ebenfalls bereits im Rahmen der Leitbildumsetzung ausgeführt werden konnte, überschreiten die Informationsvorgaben dieser Richtlinie nach dem derzeitigen Stand der Konsumverhaltensforschung den Umfang dessen, was ein aufgeklärter Durchschnittsverbraucher überhaupt verarbeiten kann. 222 Somit sei Folgendes noch einmal in Erinnerung gerufen: Jeder TimesharingAnbieter muss Vertrags- und Prospektmuster in sämtlichen Amtssprachen der EU bereit halten, um damit den jeweiligen Interessenten nach dessen Wahl in einer Sprache eines EU-Wohnsitzes oder seiner EU-Staatsangehörigkeit bedienen zu können. Hervorrufen kann dies eine Beschränkung des zwischenstaatlichen Handelsverkehrs, die nach den Maßstäben der Cassis de Dijon-Rechtsprechung nur dann zu rechtfertigen wäre, wenn sie zur Erreichung eines zwingenden Erfordernisses, insbesondere des Verbraucherschutzes, notwendig wäre. Dass es an diesem Erforderlichkeitszusammenhang jedoch gerade fehlt, wurde an anderer Stelle bereits ausgeführt. 223 Als Schlussfolgerung kann daraus nur gezogen werden, dass die timesharingbezogenen Aufklärungspfl ichten in Anbetracht ihres Umfangs, ihres Übersetzungsaufwands und der daraus resultierenden (Vorfi nanzierungs-) Kosten für Unternehmer potenziell marktzugangsversperrend wirken, dem Verbraucher- und Unternehmerleitbild also tendenziell zuwiderlaufen. II. Verlängerung der Überlegungsfrist durch Widerrufsrechte Der zweite im Hinblick auf die Grundfreiheiten kritisch zu würdigende Bereich betrifft die verbraucherrechtlichen Widerrufsrechte. Können Informationen als Wegbereiter einer eigenverantwortlichen Entscheidung nicht mehr rechtzeitig übermittelt bzw. verarbeitet werden, bieten Widerrufsrechte dem Verbraucher als nachvertragliche Schutzinstrumente die Möglichkeit einer 221 222 223

Siehe: 5. Kap. § 1 A. III 3., IV. 3 und V. 4. (S. 364 ff., 387, 388 und 397). Siehe: 5. Kap. § 1 A. III. 5. a) (S. 372 ff.). Siehe: 5. Kap. § 1 A. III. 5. a) (S. 372 ff.).

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verlängerten Überlegungsfrist. Weite Teile der Literatur qualifi zieren Widerrufsrechte daher generell als bloße Verkaufsmodalitäten im Sinne der KeckDogmatik. Erst durch das Widerrufsrecht werde dem Verbraucher nämlich eine selbstbestimmte Entscheidung zum Vertragsschluss ermöglicht. Demzufolge wird die Ansicht vertreten, dass auch die Widerrufsrechte nach der Timesharingrichtlinie und nach Verbraucherkreditrecht von vornherein nur am Diskriminierungsverbot zu messen seien. 224 Eine exemplarische Begründung für diese Haltung liefert Körber: »[Widerrufsrechte] könn[t]en . . . wegen der von ihnen ausgehenden Hinauszögerung der Sicherheit über den Bestand eines Geschäfts lästig und auch mit Blick auf die Frustration der Vertragsanbahnungskosten und mögliche Rückabwicklungskosten fi nanziell belastend wirken. Doch reich[e] dies für sich genommen nicht aus, um sie in Widerspruch zu den Grundfreiheiten zu bringen, solange diese Kostenbelastung ausländische Anbieter nicht relativ stärker trifft als einheimische. Eine Diskriminierung . . . [sei] ebenso wenig ersichtlich wie eine Eignung zur Marktabschottung«. 225 Betrachtet man den Marktmechanismus dagegen subtiler, müssen Widerrufsrechte nicht immer und ausnahmslos – wie von der Literatur behauptet – als bloße Verkaufsmodalitäten in Erscheinung treten. Je nach Regelungsintention können sie auch produktbezogen ausgerichtet und den strengeren Vorgaben des Beschränkungsverbots ausgesetzt sein. 226 Zwar können allein der Übersetzungsaufwand hinsichtlich des Widerrufsbelehrungstexts bzw. die von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ausgestalteten Rückabwicklungsregeln nicht bereits Konfl iktpotenzial mit den Grundfreiheiten begründen, sind die daraus resultierenden Auswirkungen auf den Binnenmarkt doch im Gesamtzusammenhang betrachtet »zu ungewiss und von nur mittelbarer Bedeutung«. 227 »Vertragsvernichtend« kann jedoch das Widerrufsrecht an sich wirken. Wären mit einem bestimmten Vertragstyp beispielsweise strukturelle Risiken verbunden, auf Grund derer sich jeder verständige Durchschnittsverbraucher bei einer nur lang genug bemessenen Widerrufsfrist von dem in Frage stehenden Typ »Risikogeschäft« letztlich wieder distanzierte, könnte auch mit einem Widerrufsrecht diesen Zuschnitts eine Regelung über das »ob« des Geschäftsabschlusses einhergehen. Beurteilt man aus diesem Blickwinkel die Widerrufsrechte der Haustürgeschäfte- bzw. Fernabsatzrichtlinie, so sind die Regelungen dieser Richtlinien 224 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 3. Teil 4. Abschnitt § 2 B. VI. 1. (S. 616, 617); Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 15 III. 4. (S. 337 ff.). 225 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 3. Teil 4. Abschnitt § 2 B. VI. 1. (S. 616). 226 So auch: Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 15 III. 4. a) (S. 337, 338). 227 Zu dieser Formel in Bezug auf das Pfandrecht des niederländischen Fiskus: EuGH – Krantz/Ontvanger – Urteil v. 07. 03. 1990, Rs. 69/88 – Slg. 1990, I-583 Tz. 11.

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6. Kapitel: Grundfreiheiten und Marktliberalisierung

auch in Bezug auf ihre Widerrufsrechte von vornherein als unbedenklich einzustufen. Sie regulieren nur einen bestimmten Vertriebweg unter mehreren und stellen demzufolge »Verkaufsmodalitäten« im Sinne der Keck-Rechtsprechung dar. Bereits in Anbetracht ihrer nicht diskriminierenden Ausgestaltung sind sie zulässig. Dagegen könnten die produktbezogenen Widerrufsrechte der Timesharingrichtlinie und des deutschen Verbraucherkreditrechts im Hinblick auf ihre produktbezogene Einschränkung des Bindungsprinzips (pacta sunt servanda) in der Lage sein, die Grundfreiheiten zu beeinträchtigen. Selbst wenn man in diesem Sinne aber davon ausginge, dass die Widerrufsrechte der Verbraucherkredit- bzw. Timesharingrichtlinie »Produktregelungen« im Sinne der Keck-Dogmatik darstellen, wäre zumindest das verbraucherkreditbezogene Widerrufsrecht einer Rechtfertigung zugänglich. Wie bereits gezeigt werden konnte, wäre diesbezüglich nämlich der Erforderlichkeitszusammenhang zum Verbraucherleitbild gewahrt. Hingegen wäre in Bezug auf das Timesharing eine »Abfärbung« der leitbildwidrigen Informationspfl ichten auf das Widerrufsrecht nahe liegend, sodass eine Rechtfertigung nach den Cassis-Grundsätzen auch insofern fraglich erschiene. III. Grundfreiheiten und verbraucherrechtliche Inhaltskontrolle Als drittes bieten schließlich die Klausel- bzw. Verbrauchsgüterkaufrichtlinie Anlass zu der Prüfung, ob und inwieweit die Missbrauchskontrolle bzw. die zwingenden Inhaltsvorgaben, die von dieser Richtlinie ausgehen, den Grundfreiheiten zuwiderlaufen. 1. Die AGB-Missbrauchskontrolle – eine produktbezogene Regelung? Die Regeln über die Missbrauchs- und Inhaltskontrolle nach der Klauselrichtlinie könnten eine Beschränkung der Grundfreiheiten hervorrufen, wenn sie die Gestaltungs- und wirtschaftliche Planungsfreiheit des Verwenders maßgeblich beeinträchtigen und einen Marktteilnehmer daran hindern könnten, grenzüberschreitend Verträge einzugehen. 228 Grds. kann die Kontrolle von AGB in der Tat vergleichbar einer behördlichen Präventivkontrolle Diversifikationszwänge hervorrufen, etwa wenn ein Dienstleistungsprodukt in verschiedenen Mitgliedstaaten vertrieben werden soll, dessen Inhalt auch durch AGB bestimmt wird. 229 Diesen Ansatz ausschmückend geht Pfeiffer z. B. davon aus, dass die Klauselrichtlinie »einen Eingriff in den Schutzbereich der EG-vertraglichen Grundfreiheiten« begründet, »vor allem in die Freiheit des

228 Vgl. Burckhardt, Das AGB-Gesetz unter dem Einfluss der EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, C. I. 1. b) (2) (a) (S. 87). 229 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 4. Teil 3. Abschnitt § 2 B. III. 1. a) cc) (S. 594, 595).

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Waren- und Dienstleistungsverkehrs« eingreift. 230 Bevor eine solche Schlussfolgerung allerdings gezogen werden könnte, müsste vorrangig erst einmal gefragt werden, ob es sich bei den Kontrollvorschriften der Klauselrichtlinie wirklich um beschränkungstaugliche Produktregelungen oder nicht um bloße Verkaufsmodalitäten im Sinne der Keck-Rspr. handelt. Gelegentlich werden die Regelungen der Klauselrichtlinie mit der Begründung als Verkaufsmodalitäten angesehen, dass es um die Untersagung unlauterer Handelspraktiken gehe. 231 Allerdings ist diese Begründung recht pauschal und undifferenziert und berücksichtigt nicht die besonderen Auswirkungen einer Klausel. Teilweise wird in der Literatur hinsichtlich der Überprüfung der gerichtlichen AGB-Kontrolle am Maßstab der Grundfreiheiten auch danach unterschieden, ob es sich bei dem angebotenen Produkt um ein so genanntes »Rechtsprodukt« (Versicherungen, Bankdienstleistungen) handelt oder nicht. 232 Im ersten Fall, bei dem das Produkt selbst aus einem vertraglichen Versprechen besteht, soll jeder Zwang zur Abänderung der AGB anders als im zweiten Fall potenziell grundfreiheitenwidrig sein. Allerdings ist diese Abgrenzung – wie Körber zu Recht einwendet – schon mit Blick auf die mangelnde Trennschärfe des Begriffs des »Rechtsprodukts« zweifelhaft. 233 Auch in der Sache kann sie nicht überzeugen. Der Erbringer eines Rechtsprodukts (Versicherer, Bank) wird durch den Zwang zur Abänderung rein vertriebs-, gegenleistungs-, sekundärleistungs- oder nebenleistungsbezogener AGB nicht stärker belastet als ein Leasinggeber oder Warenverkäufer, dessen AGB entsprechende Regelungen enthalten. 234 Burckhardt sieht wiederum in der AGB-Kontrolle weder eine produkt- noch eine vertriebsbezogene Maßnahme, verneint aber trotzdem wie bei Produktvorschriften eine Maßnahme gleicher Wirkung wegen Vorliegens eines Allgemeininteresses. 235 Remien will dagegen danach differenzieren, »inwieweit die von der Kontrolle betroffenen Klauseln das Produkt der Leistung defi nieren oder eben nur dessen Vermarktungsumstände, und wie die wirtschaftliche Auswirkung zu beurteilen ist«. 236 Im ersten Fall sei die Vermarktbarkeit der Leistung selbst betroffen, im zweiten nur die Ausführung der Vermarktung. Mit dieser Grunddifferenzierung rekurriert Remien auf die Regelung in Art. 4 230

Pfeiffer, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Sekundärrecht A 5 Vorbem. Rn. 16. van Huffel, REDC 1997, 262 (278). 232 Fetsch, Eingriffsnormen und EG-Vertrag, § 7 III. 3. (S. 179 ff.). 233 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 4. Teil 3. Abschnitt § 2 B. III. 1. a) cc) (S. 595). 234 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 4. Teil 3. Abschnitt § 2 B. III. 1. a) cc) (S. 595). 235 Burckhardt, Das AGB-Gesetz unter dem Einfluss der EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, C. I. 1. b) (2) (a) (S. 92, 93). 236 Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 19 IV. 4. a) (S. 490); ähnlich für die Versicherungswirtschaft: Präve, NVersZ 1 (1998), 49 (51). 231

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Abs. 2 Klauselrichtlinie, wonach der Hauptgegenstand des Vertrags und das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht der Missbrauchskontrolle nach der Richtlinie unterliegt. Es sei naheliegend, dass es sich bei den Kernbedingungen, die gemäß Art. 4 Abs. 2 aus der Klauselkontrolle hinausfielen, um das Produkt selbst defi nierende Klauseln handele, die über bloße Verkaufsmodalitäten im Sinne der Keck-Rechtsprechung hinausgingen. 237 Die außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 4 Abs. 2 zu kontrollierenden Klauseln würden dagegen in der Regel als Verkaufsmodalitäten in Erscheinung treten, z. B. Klauseln über Verzugszinsen, Abtretungsverbote usw. 238 Dieser Differenzierung Remiens liegt letztlich eine bedenklich vertragsobjektbezogene Dogmatik zugrunde. Betreffe die verbotene Klausel den Vertragsgegenstand – nach der Kategorisierung von Remien also das »Produkt« – sei eine Beschränkung naheliegend; im übrigen handele es sich um eine Verkaufsmodalität. 239 Insbesondere der Keck-Rspr. dürfte diese Einteilung nur unzureichend Rechnung tragen. Denn im Grunde muss es bei der Differenzierung zwischen produkt- und vertriebsbezogener Klauselkontrolle, jedenfalls aus vertragsrechtlicher Perspektive, darum gehen, ob die Kontrollbestimmung die Vertragsdurchführung an sich vereitelt (dann produktbezogen) oder nur die Vertragsmodalitäten modifi ziert (dann Verkaufsmodalität). Die Orientierung an der Nähe zum Produkt ist daher missverständlich. In diesem Lichte betrachtet könnte den §§ 305 ff. BGB, mit denen die Klauselrichtlinie unter anderem umgesetzt worden ist, allenfalls in Ausnahmefällen produktbezogene Wirkung zugesprochen werden. 240 Vor diesem Hintergrund lässt sich feststellen, dass die in den §§ 308 und 309 BGB aufgeführten Klauselverbote durchweg lediglich die Modalitäten des Vertragsschlusses oder seiner Abwicklung betreffen. Auch die allgemeine Regelung des § 307 BGB dient primär dem Ziel, ein angemessenes Verhältnis von Leistung und Gegenleistung zu gewährleisten, sodass auch über diese Vorschrift die Parameter von Vertragsabschluss und -durchführung nicht insgesamt vereitelt werden können. 241 Anderes könnte allenfalls auf Regelungen wie § 309 Nr. 9 lit. a) BGB zutreffen, wonach durch AGB auch bei Verträgen über wiederkehrende Dienst- oder Werkleistungen keine bindende Laufzeit von mehr als zwei Jahren vereinbart werden darf. Nur durch derart weitrei237 Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 19 IV. 4. a) (S. 490). 238 Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, § 19 IV. 4. a) (S. 490, 491). 239 Ähnlich: Burckhardt, Das AGB-Gesetz unter dem Einfluss der EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, C. I. 1. b) (2) (a) (S. 91). 240 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 4. Teil 3. Abschnitt § 2 B. III. 1. a) cc) (S. 596). 241 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 4. Teil 3. Abschnitt § 2 B. III. 1. a) cc) (S. 596).

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chende Klauselverbote kann nämlich der Vertrag an sich in Frage gestellt werden. Sofern eine Beschränkung in derartigen oder vergleichbaren Normen wirklich in Betracht käme, würde allerdings wiederum eine Rechtfertigung aus Gründen des Verbraucherschutzes naheliegen. 242 Ein Verstoß der Klauselkontrolle gegen die Grundfreiheiten erscheint vor diesem Hintergrund fernliegend. 243 2. Der produktregelnde Charakter der Sachmängelregelungen Daneben werfen die halbzwingenden Vorschriften der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie die Frage auf, inwiefern die Grundfreiheiten gegenüber Gewährleistungsregelungen im allgemeinen und kaufrechtlichen Sachmängelgewährleistungsregelungen im besonderen Anwendung fi nden. Weil die zwingenden Vorgaben der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie diskriminierungsfrei ausgestaltet sind, könnten sie von vornherein nur dann gegen die Grundfreiheiten verstoßen, wenn sie als produktbezogene Regelungen an dem allgemeinen Beschränkungsverbot zu messen wären. In der Literatur wird die Frage, ob die Regelungen der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie produkt- oder vertriebsbezogen sind, überaus kontrovers diskutiert. 244 Teilweise wird davon ausgegangen, es handele sich bei Ware und Gewährleistungsrecht um ein »gekoppeltes Produkt«, wobei die Gewährleistungsregeln ökonomisch betrachtet als Versicherungszusage anzusehen seien, die einerseits den Wert des Produkts und die Kosten des Verkäufers erhöhten und die andererseits einen von der Beschaffenheit des Produkts abhängigen Anspruch begründeten. 245 In die gleiche Richtung weisen Aussagen, die an eine Herstellergarantie knüpfende Regelungen den Produktregelungen zuordnen: Obwohl solche Garantien nicht körperlich dem Produkt anhaften, sollen sie als produktbezogen anzusehen sein, weil sie ein wertbildendes Merkmal des Produkts darstellen. 246 Diese Koppelung zwischen Ware und »Mängelversicherung« kann im Ergebnis jedoch nicht überzeugen. Denn einerseits verbieten es Gewährleistungsregeln den Herstellern nicht, besonders weitreichende Garantiezusagen zu treffen und ihre Produkte dadurch besonders attraktiv zu machen. 247 Andererseits lässt sich aus dem Umstand, dass eine separate Versicherung gegebenenfalls den Schutz der Dienstleistungsfreiheit genießen wür242 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 4. Teil 3. Abschnitt § 2 B. III. 1. a) cc) (S. 596). 243 Im Ergebnis ebenso: Burckhardt, Das AGB-Gesetz unter dem Einfluss der EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, C. I. 1. b) (S. 83 ff.). 244 Im Überblick: Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 4. Teil 3. Abschnitt § 2 B. IV. 1. b) (S. 610 ff.). 245 Langner, RabelsZ 65 (2001), 222 (232). 246 Leible, WRP 43 (1997), 517 (522). 247 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 4. Teil 3. Abschnitt § 2 B. IV. 1. b) (S. 611).

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de, noch nicht entnehmen, dass die Reichweite der Warenverkehrsfreiheit entsprechend zu erweitern wäre, wenn der Hersteller selbst eine solche »Versicherung« anbietet. Darüber hinaus spricht gegen die Einordnung der kaufrechtlichen Gewährleistungsregeln als Produktregeln, dass sie weder explizit bestimmte Produkteigenschaften vorschreiben noch unmittelbar den Marktzugang ausländischer Produkte beeinträchtigen. 248 Dass Produktgestaltung und Produktbeobachtung, Versicherung und Gewährleistungshaftung Kosten verursachen können, ist nicht zu bestreiten. Allerdings sind solche Kosten aus der Perspektive der Grundfreiheiten nach Maßgabe der Keck-Rechtsprechung nur dann geeignet, eine Maßnahme gleicher Wirkung zu begründen, wenn sie sich marktabschottend oder diskriminierend zu Lasten ausländischer Produkte auswirken. 249 Nicht ausreichend für die Einordnung als Produktregelung kann dagegen die bloße Eignung einer Regelung sein, den Profit des Anbieters zu schmälern, zumal es dem Anbieter unbenommen bliebe, das sich aus seiner möglichen Haftung ergebende Kostenrisiko einzugehen und das potenziell mangelhafte Produkt trotzdem unverändert weiter zu vertreiben. 250 Vor diesem Hintergrund fehlt dem Sachmängelgewährleistungsrecht gerade die für eine Produktregelung im Sinne der Keck-Rechtsprechung typische Wirkung, den Vertrieb von im Ausland legal im Verkehr befi ndlichen Produkten, »so, wie sie sind«, ohne Anpassung an das Bestimmungslandrecht unmöglich zu machen. 251 Die mögliche, aber keineswegs gewisse Eignung, Produktmodifi kationen auszulösen, erweist sich angesichts dieser fortbestehenden unternehmerischen Entscheidungsfreiheit als viel »zu ungewiss und mittelbar«, um das Sachmängelgewährleistungsrecht den Produktregelungen im Sinne der Keck-Rspr. gleichzustellen. Aus der Sicht der Waren- und Dienstleistungsfreiheit sind daher auch Gewährleistungsregelungen und freiwillige Garantien grds. dem Bereich Verkaufsmodalitäten zuzuordnen. 252 Sollten sie im Einzelfall den Produktcharakter erreichen, dürften sie durch Erwägungen gerechtfertigt sein, die »im Allgemeininteresse ›zwingende Erfordernisse‹ darstellen, die auch etwaige Binnenmarktbeschränkungen rechtfertigen würden«. 253 248 Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft, § 4 III. 1. c) (S. 135). 249 W.-H. Roth, ZEuP 2 (1994), 5 (28). 250 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 4. Teil 3. Abschnitt § 2 B. IV. 1. b) (S. 611); Freitag, Der Einfluß des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf das internationale Produkthaftungsrecht, § 9 II. (S. 306 ff.). 251 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 4. Teil 3. Abschnitt § 2 B. IV. 1. b) (S. 611). 252 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 4. Teil 3. Abschnitt § 2 B. IV. 1. b) (S. 611, 612). 253 Schwartze, Europäische Sachmängelgewährleistung beim Warenkauf, Einleitung 1. b) (S. 10).

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C. Zusammenfassung und Auswertung Dies vorausgeschickt, dürften sich die zwingenden Regelungen des Verbraucherkollisions- und Verbrauchersachvertragsrechts weitgehend innerhalb des Legitimitätsrahmens der Grundfreiheiten bewegen. Bei Maßnahmen, die bereits nach der Untersuchung im fünften Kapitel als kongruente Abbildung des Verbraucherleitbildes eingestuft werden konnten, scheidet eine Verletzung der Grundfreiheiten regelmäßig aus. Denn zwingende Vorschriften, die zur Erreichung des aus der Cassis de Dijon-Rechtsprechung deduzierten Verbraucherleitbildes erforderlich sind, könnten gegen die Grundfreiheiten nur dann verstoßen, wenn sie in ausländerdiskriminierender Weise ausgestaltet wären. Dies ist bei den verbraucherrechtlichen Vorschriften jedoch nicht der Fall. Kombiniert mit dem nur marginalen Produktcharakter der verbraucherrechtlichen Vorschriften führt dies dazu, dass von vornherein nur ein geringer Berührungsbereich mit den Grundfreiheiten besteht. Die Kombination aus fehlender Ausländerdiskriminierung und weitgehendem Vertriebscharakter hat zur Folge, dass die Vorschriften zu den Verbraucherverträgen nur in Ausnahmefällen die grundfreiheitliche Marktfreiheit verletzen. Bedenklich erscheinen vor allem verbraucherrechtliche Informationspfl ichten, die mit umfangreichen Sprachübersetzungsvorgaben ausgestattet sind und gegen das Übermaßverbot verstoßen, soweit sie hinsichtlich ihres Umfangs in keinem Verhältnis zu den Leitbilderwägungen des Verbrauchertypus stehen.

§ 30 Die gruppenspezifi sche Sonderbehandlung im Handelsrecht Von vornherein anders positionieren sich die Vorschriften des Handelsvertragsrechts in ihrem Verhältnis zu den Grundfreiheiten. Da hier in erster Linie die persönliche Typisierung des Kaufmannsbegriffs von dem zugrunde liegenden Unternehmerleitbild abweicht, soll auch aus grundfreiheitlicher Perspektive der Kaufmannsbegriff besonders interessieren. Auch wenn das Recht der Handelsverträge wegen seiner kollisionsrechtlichen Abwählbarkeit eigentlich nur vereinzelt an den Grundfreiheiten zu messen wäre, sind andererseits Verstöße gegen die Grundfreiheiten auch nicht von vornherein auszuschließen. 254 Negativ tritt vor allem in Erscheinung, dass trotz der Neigung handelsrechtlicher Verträge zur Internationalität weder das EGBGB noch das EVÜ eine (vereinheitlichte) Sonderanknüpfung für spezifisch handelsrechtliche Sachver254 Vgl. Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost (Hrsg.): HGB-Kommentar, Vor § 343 Rn. 27 ff.

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halte aufweisen. Während demzufolge das Vertragsstatut auch im Handelsrecht nach den allgemeinen Regeln anzuknüpfen ist (Art. 27 ff. EGBGB), wirft die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft nach wie vor offene Fragen auf.

A. Die Problematik um die Anknüpfung handelsrechtlicher Normen Ob handelsrechtliche Sondervorschriften anzuwenden sind, richtet sich grundsätzlich nach dem Vertragsstatut. Weil aber die deutschen handelsrechtlichen Sachvorschriften darüber hinaus regelmäßig die Kaufmannseigenschaft voraussetzen, gilt es in zwischenstaatlichen Sachverhalten zusätzlich zu ermitteln, wie dieser persönliche Umstand jeweils anzuknüpfen ist. Dabei bedeutet die Aussage, dass das Vertragsstatut auch über die Anwendung von Handelsrecht entscheidet, nicht zugleich, dass das Vertragsstatut die Kaufmannseigenschaft der Beteiligten bestimmt. Offen bleiben könnte diese Streitfrage allenfalls dann, wenn die Defi nitionen der Kaufmannseigenschaft in allen Rechtsordnungen gleich wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. I. Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im europäischen Vergleich Schwierigkeiten bereitet die Beurteilung der Kaufmannseigenschaft insbesondere bei Personen aus solchen Ländern, die von dem dualistischen System der Trennung zwischen bürgerlichem Recht und Handelsrecht zugunsten eines einheitlichen Zivilrechts mittlerweile abgewichen sind (z. B. Italien). Besonders diffi zil ist die Beurteilung der Kaufmannseigenschaft aber auch bei Marktteilnehmern aus England, wo der Terminus »commercial law« bzw. »mercantile law« von vornherein keinen eigenständigen Rechtsbereich bezeichnet, sondern lediglich eine Sammelbezeichnung für alle Rechtsnormen darstellt, die eine besondere Affi nität zum Handel besitzen und an den Universitäten als eigener Kursbereich angeboten werden. 255 Das englische Recht kennt »no separate body of rules for commercial transactions, and in this sense no ›commercial law‹«. 256 Die Bezeichnung »commercial law« hat vielmehr prozeduralen Charakter im Sinne von »commercial actions«, die unter erleichterten Verfahrensvoraussetzungen bei speziellen Richtern einzureichen sind. 257 Demgemäß wäre die Frage nicht einfach zu beantworten, wie ein englischer Gewerbetreibender als Vertragspartner eines deutschen Bauträgers im Rahmen des § 7 Abs. 2 Nr. 2 MaBV zu behandeln wäre, wonach nur solche 255 Herbots, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Belgium, Tz. 31. 256 Herbots, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Belgium, Tz. 31. 257 Herbots, in: Herbots (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Contracts, Belgium, Tz. 31.

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Kaufleute nicht unter den Schutzbereich der Makler- und Bauträgerverordnung fallen, die im Handelsregister eingetragen sind. 258 II. Die deutsche Literatur zur Anknüpfung des Kaufmannsbegriffs Kollisionsrechtlich kann die Frage nach der Kaufmannseigenschaft nicht als bloßes Problem der Qualifi kation eingestuft werden, sodass nicht einfach auf die lex fori bei ihrer Ermittlung abzustellen ist. Würde man die Anknüpfungsfrage tatsächlich auf die Ebene der Qualifi kation vorverlagern, ließe man außer acht, dass in Bezug auf den Kaufmannsbegriff von vornherein überhaupt keine kollisionsrechtliche Norm existiert, bei der sich die Frage nach der Qualifi kation der Kaufmannseigenschaft stellen könnte. 259 Vielmehr betrifft die Kaufmannseigenschaft im deutschen Handelsrecht stets eine Teilfrage bei der Anwendung einer materiellrechtlichen Vertragsrechtsnorm, die kollisionsrechtlich keine ausdrückliche Regelung erfährt. 260 Damit sich die kollisionsrechtliche Frage nach der Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft überhaupt stellen kann, muss das deutsche Vertragsstatut – insbesondere in Bezug auf die §§ 343 ff. HGB – erst einmal zur Anwendung gelangen. 261 Der deutsche Gesetzgeber hat allerdings im EGBGB keine Regelung hinsichtlich der Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft getroffen – eine Lücke, die auch durch das EVÜ nicht geschlossen wurde. Selbst eine gewohnheitsrechtliche Norm für die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft hat sich bislang im Gegensatz zu vielen anderen Bereichen des deutschen internationalen Privatrechts (wie für die juristische Person und die Stellvertretung) nicht herausgebildet. 262 So hätte sich kollisionsrechtliches Gewohnheitsrecht nämlich nur dann einstellen können, wenn die Rechtsgenossen durch eine längere tatsächliche Übung, die dauernd und ständig, gleichmäßig und allgemein sein müsste, eine bestimmte Anknüpfungsregel als verbindlich anerkannt hätten. 263 Dass eine solche Norm sich jedoch in Bezug auf die Kaufmannseigenschaft – bereits mangels consuetudo – nicht herausbilden konnte, zeigt nicht zuletzt die geringe Zahl an Gerichtsentscheidungen, die zur Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft ergangen sind. Selbst Entscheidungen wie diejenigen des

258 Vgl. zu der ähnlichen Problematik des vormaligen § 8 AbzG: OLG Naumburg – Urteil v. 19. 05. 1993, Az.: 2 U 495/92 – WM 48 (1994), 906 (908). 259 Hagenguth, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatrecht, 3. Teil II. 1. (S. 124 ff.). 260 Kindler, in: Ebenroth/Boujong/Joost (Hrsg.): HGB-Kommentar, Vor 1 § Rn. 80, 81. 261 Hagenguth, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatrecht, 3. Teil II. 2. (S. 127 ff.). 262 Hagenguth, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatrecht, 3. Teil I. 1. b) (S. 97). 263 BVerfG – Beschluss v. 18. 02. 1970, Az.: 1 BvR 226/69 – BVerfGE 28, 21 (28 ff.).

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LG Hamburg (1957) 264, des OLG Naumburg (1993) 265 und des LG Essen (2001) 266, die bei der Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft auf den Ort der gewerblichen Niederlassung abstellen, konnten auf diese Weise einen relativ hohen Bekanntheitsgrad erreichen. In der Literatur gibt es dagegen eine Fülle von Ansichten 267, wenngleich die Auffassung, die auf den Ort der gewerblichen Niederlassung abstellt 268, vielfach vertreten wird; unangefochten ist diese Meinung allerdings nicht. So erfährt vor allem in jüngster Zeit die Lehre, die das Schuldstatut (lex causae) ermittelt und auch die Kaufmannseigenschaft nach dem auf diese Weise festgestellten Recht beurteilt, erkennbaren Zulauf. 269 Daneben wird auch die Anknüpfung an den Gründungsakt vereinzelt vertreten, wonach über die Kaufmannseigenschaft einer Person das Recht befi nden soll, nach dem sie ihr Unternehmen gegründet hat. 270 Nur eine Abweichung von dieser Theorie stellt die These dar, bestimmend für die Kaufmannseigenschaft sei das Recht, nach dem ein Unternehmen tatsächlich organisiert ist. 271 Vorwiegend theoretisch erörtert wird dagegen die Ansicht, dass das Recht desjenigen Landes zur Beurteilung der Kaufmannseigenschaft berufen sei, dessen Staatsangehörigkeit die betreffende Person habe oder in dessen Territorium sich ihr Wohnsitz befi nde. 272 Allgemein auf Ablehnung stößt die gedankliche Alternative, die

264 LG Hamburg – Urteil v. 12. 11. 1957, Az: 2 OH 5/56 – IPRspr. 1958–1959 Nr. 22 (S. 69 ff.). 265 OLG Naumburg – Urteil v. 19. 05. 1993, Az.: 2 U 495/92 – WM 48 (1994), 906 (908). 266 LG Essen – Urteil v. 20. 06. 2001, Az.: 44 O 155/00 – IPrax 22 (2002), 396 (398). 267 Ausführungen zu älteren Theorien bei: Hagenguth, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatrecht, 2. Teil IV. (S. 52 ff.); vgl. auch die Übersicht bei: Kindler, in: Ebenroth/Boujong/Joost (Hrsg.): HGB-Kommentar, Vor 1 § Rn. 74 ff. 268 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 17 IV. 4. (S. 533); Bumeder, Die inländische Zweigniederlassung ausländischer Unternehmen im deutschen Register- und Kollisionsrecht, Rn. 108 (S. 90, 91); Wolff, Das internationale Privatrecht Deutschlands, § 22 III. (S. 113); Sura, DB 34 (1981), 1269 (1271); Reichert-Facilides, VersR 29 (1978), 481 (482 Fn. 13); für eine funktionale Betrachtung plädierend, die allerdings mit der Sitzanknüpfung übereinstimmt: Hübner, NJW 33 (1980), 2601 (2606, 2607); Geiler, in: Düringer/Hachenburg: HGB – Bd. 1, Einleitung C. II. 1. (S. 38 ff.); Frankenstein, Internationales Privatrecht (Grenzrecht), Bd. 2, § 44 IV. 1. b) (S. 408, 409); Ebenroth, RIW 30 (1984), 165 (167 Text bei Fn. 31); Brüggemann, in: Canaris/Schilling/Ulmer (Hrsg.): Staub-HGB, Vor § 1 Rn. 30. 269 Kindler, in: Ebenroth/Boujong/Joost (Hrsg.): HGB-Kommentar, Vor 1 § Rn. 104 ff.; Birk, in: Rebmann/Säcker/Rixecker (Hrsg.): MünchKomm-BGB, Art. 7 Rn. 44; Großfeld, in: Staudingers Kommentar BGB, IntGesR Rn. 326 ff. 270 Vgl. hierzu im Überblick: Kindler, in: Ebenroth/Boujong/Joost (Hrsg.): HGB-Kommentar, Vor 1 § Rn. 89, 90. 271 von Gierke/Sandrock, Handels- und Wirtschaftsrecht, Bd. 1, § 5 A. I. 2. (S. 63, 64). 272 Vgl. hierzu: van Venrooy, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im deutschen Internationalen Privatrecht, I. 1. (S. 2); Kindler, in: Ebenroth/Boujong/Joost (Hrsg.): HGBKommentar, Vor 1 § Rn. 89, 91 ff.

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Rechtsordnung desjenigen Staates für anwendbar zu erklären, in dessen Territorium das in Frage stehende Rechtsgeschäft örtlich jeweils getätigt wird. 1. Anknüpfung an den Ort der gewerblichen Niederlassung Als ausgesprochener Befürworter einer Anknüpfung nach dem Ort der gewerblichen Niederlassung lehnt auch Hagenguth einen Rückgriff auf die Rechtsordnung des jeweiligen Vertragsabschlussortes ab. 273 Dabei stützt er die Begründung für die Zurückweisung einer so verstandenen lex loci actus-Regel auf ihre fehlende Praktikabilität. Viele Verträge würden über Telefon geschlossen oder kämen erst nach langwierigen Vertragsgesprächen zustande. 274 In beiden Fällen werde der Vertrag häufig nicht zu lokalisieren sein. Zudem würde die Anknüpfung an das jeweilige Ortsrecht zu einer fragwürdigen Begünstigung des Einheimischen gegenüber dem Ausländer führen; Geschäftspartner, die in ständiger Verbindung stünden, wären überrascht, wenn sie je nach Vertragsort einmal Kaufmann wären und ein anderes Mal nicht. 275 Darüber hinaus weist Hagenguth auch eine Generalanknüpfung der Kaufmannseigenschaft nach der lex fori zurück, weil sie ungeeignet sei, Sachverhalte, die sich auf fremdem Gebiet abspielen und lediglich inländisch verhandelt werden, zu beurteilen. 276 Ebenfalls zu Recht wendet sich Hagenguth gegen eine strikt personale Anknüpfung, bei der die Kaufmannseigenschaft analog zur Geschäftsfähigkeit nach der Staatsangehörigkeit anzuknüpfen wäre. 277 Denn im Gegensatz zur Geschäftsfähigkeit kann die Kaufmannseigenschaft gerade nicht ohne eigenes Zutun erlangt werden; sie ist nicht für alle, sondern nur für die berufsmäßig ausgeübten Geschäfte relevant. 278 Das Nationalitätsprinzip, das seinen Ursprung in der gleichen Abstammung, Sprache, Lebenserfahrung und Geschichte fi nde, ist für die auf Zeit angelegte Kaufmannseigenschaft von geringerer Bedeutung; dem Interesse ortsansässiger ausländischer Kaufleute an Chancengleichheit im Rechtverkehr kann es nicht hinreichend Rechnung tra273 Hagenguth, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatrecht, 3. Teil III. 1. a) (1) (a) (S. 135 ff.). 274 Hagenguth, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatrecht, 3. Teil III. 1. a) (1) (a) (S. 137). 275 Hagenguth, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatrecht, 3. Teil III. 1. a) (1) (a) (S. 136, 137); ebenfalls für eine einheitliche Anknüpfung plädierend: Kindler, in: Ebenroth/Boujong/Joost (Hrsg.): HGB-Kommentar, Vor 1 § Rn. 78 ff. 276 Hagenguth, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatrecht, 3. Teil III. 1. c) (2) (S. 151, 152). 277 Hagenguth, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatrecht, 3. Teil III. 2. a) (S. 155, 156). 278 Hagenguth, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatrecht, 3. Teil III. 2. a) (S. 156, 157); ähnlich auch: Kindler, in: Ebenroth/Boujong/Joost (Hrsg.): HGB-Kommentar, Vor 1 § Rn. 93.

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gen. 279 Mit ähnlich guten Gründen erteilt Hagenguth einem gemäßigten Personalitätsprinzip durch Anknüpfung an das Domizil eine Absage: Es sei kein Grund dafür ersichtlich, das Recht des Wohnsitzes zu verwenden, wenn die Berufstätigkeit an diesem Ort nicht ausgeübt werde. 280 Über diese Negativauslese gelangt Hagenguth letztlich zu zwei ernsthaft in Betracht zu ziehenden Anknüpfungsmöglichkeiten: Der eine Weg sei eine Sonderanknüpfung an die Niederlassung, der andere Weg sei eine unselbstständige Bestimmung über das jeweilige Wirkungsstatut, also nach der lex causae. 281 Vorrangig hält er dabei die Anknüpfung nach dem Niederlassungsort für maßgeblich 282 , wobei er als Niederlassung den »natürliche[n] Mittelpunkt der kaufmännischen Berufsausübung« versteht – also den Ort, wo die berufl iche Tätigkeit effektiv ausgeübt wird, sich die betrieblichen Einrichtungen befi nden, wo das Personal arbeitet und wohin sich die Kunden wenden. 283 Im Falle mehrerer Niederlassungen sei die Kaufmannseigenschaft nach dem Recht am Ort der sachnächsten Niederlassung zu beurteilen. 284 Bezüglich der Anwendung eines ausländischen Kaufmannsbegriffs allerdings macht Hagenguth eine bedeutende Einschränkung, indem ein ausländischer Kaufmannsbegriff zur Abwehr von Unstimmigkeiten im Inland nur dann Beachtung fi nden könne, wenn er dem vom Wirkungsstatut verwendeten Begriff gleichwertig sei. 285 Im Wege einer Äquivalenzprüfung möchte Hagenguth methodologisch sicherstellen, dass ein ausländischer Kaufmannsbegriff dem Begriff des Wirkungsstatuts standhält, der Defi nition der Kaufmannseigenschaft nach der lex causae also wirklich gleichwertig ist. Dabei komme es maßgeblich darauf 279 Hagenguth, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatrecht, 3. Teil III. 2. a) (S. 157–159). 280 Hagenguth, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatrecht, 3. Teil III. 2. b) (S. 163). 281 Unproblematisch sei die Entscheidung zwischen den beiden Alternativen, wenn das Vertragsstatut und das Recht am Ort der gewerblichen Niederlassung identisch seien; dagegen könnten Anwendungsschwierigkeiten auftreten, wenn sich die Niederlassung des zu beurteilenden Gewerbetreibenden außerhalb des Geltungsbereichs des Wirkungsstatuts befi nde. In diesem Fall stelle sich nach der lex causae-Regel das Problem, ob der ausländische Gewerbetreibende die handelsrechtlichen Voraussetzungen des Vertragsstatuts erfülle, während bei einer Sonderanknüpfung nach der Niederlassung zum Problem werden könne, ob sich der ausländische Begriff des Kaufmanns ohne Schwierigkeiten in das inländische Vertragsstatut integrieren lasse [Hagenguth, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatrecht, 3. Teil IV. (S. 202, 203)]. 282 A. A. etwa: Kindler, in: Ebenroth/Boujong/Joost (Hrsg.): HGB-Kommentar, Vor 1 § Rn. 87, 88. 283 Hagenguth, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatrecht, 3. Teil III. 2. c) (1) (S. 165 ff.). 284 Hagenguth, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatrecht, 3. Teil III. 2. d) (S. 182). 285 Hagenguth, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatrecht, 3. Teil IV. 1. a) (S. 205).

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an, bis zu welchem Grad Abweichungen hingenommen werden könnten. Nicht schon bei jeder Unterschiedlichkeit sei die Äquivalenz gestört. Es müsse sich vielmehr um eine erhebliche Abweichung von der Vorstellung nach der lex causae handeln. 286 Wann diese Erheblichkeit vorliege, sei im Einzelfall im Hinblick auf den Zweck derjenigen Sachnorm zu ermitteln, welche die Vorfrage der Kaufmannseigenschaft aufgeworfen habe. 287 Über eine exemplarische Untersuchung des englischen, amerikanischen, französischen und italienischen Rechts macht Hagenguth in diesem Zusammenhang deutlich, dass im Erstfall der praktischen Anwendung seiner Theorie wohl lediglich der Kaufmannsbegriff nach dem französischen Recht dem deutschen Kaufmannsbegriff tatsächlich als gleichwertig zu erachten wäre. 288 Stelle das ausländische Recht keinen dem Wirkungsstatut vergleichbaren Kaufmannsbegriff zur Verfügung, empfiehlt Hagenguth auf die lex causae als Ersatzrecht zurückzugreifen. 289 Denn in dem Umstand, dass das ausländische Recht keinen entsprechenden Begriff kenne, sei eine versteckte Rückverweisung auf die lex causae zu sehen. 290 Weil der ausländische Gewerbetreibende im Anwendungsgebiet des Wirkungsstatuts aber keine Niederlassung besitze, sei die Frage, wie bei dieser Ersatzlösung das Wirkungsstatut konkret angewendet werden könne, anhand des jeweiligen Einzelfalls zu beantworten. 291 Stets sei darauf abzustellen, ob die gleiche Berufstätigkeit, im räumlichen Anwendungsbereich der lex causae ausgeübt, die Kaufmannseigenschaft nach dem Recht des lex causae zur Folge hätte. 292 Fordere das Recht nach der lex causae eine konstitutive Registereintragung, sei vorrangig auf materielle Umstände und nicht auf die Registereintragung abzustellen, auch nicht auf eine solche im Ausland 293 ; habe die Registereintragung den Charakter einer Optionsmöglichkeit zum Kaufmann, sei anhand materieller Umstände, etwa anhand der »davorliegenden vertraglichen Beziehungen« – nicht aber anhand

286 Hagenguth, Die Anknüpfung recht, 3. Teil IV. 1. a) (S. 209). 287 Hagenguth, Die Anknüpfung recht, 3. Teil IV. 1. a) (S. 209). 288 Hagenguth, Die Anknüpfung recht, 3. Teil IV. 1. c) (S. 211 ff.). 289 Hagenguth, Die Anknüpfung recht, 3. Teil IV. 1. d) (S. 228 ff.). 290 Hagenguth, Die Anknüpfung recht, 3. Teil IV. 1. d) (S. 231). 291 Hagenguth, Die Anknüpfung recht, 3. Teil IV. 2. (S. 232 ff.). 292 Hagenguth, Die Anknüpfung recht, 3. Teil IV. 2. b) (S. 237). 293 Hagenguth, Die Anknüpfung recht, 3. Teil IV. 2. b) (2) (S. 237).

der Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatder Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatder Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatder Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatder Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatder Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatder Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatder Kaufmannseigenschaft im internationalen Privat-

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der Registereintragung – zu ermitteln, ob die Wahl durchgeführt worden ist oder nicht 294. 2. Van Venrooys Anknüpfung an dem Sinngehalt der Sachnorm Im Gegensatz zu Hagenguth geht Van Venrooy von der Überlegung aus, das es keinen unmittelbaren internationalprivatrechtlichen Zugang zu der Problematik der Kaufmannseigenschaft gibt. Die herrschende Auffassung von der Maßgeblichkeit der gewerblichen Niederlassung kritisiert er insofern, als sie auf rechtsvergleichender Grundlage herausgeformt worden sei, ohne dass man in eine Prüfung dessen eingetreten sei, was die einzelne konkrete Sachnorm eigentlich will. 295 Eine solche Theoriekonstruktion auf rechtsvergleichender Grundlage ohne Betrachtung der involvierten Sachnormen entspreche nicht den Gegebenheiten des IPR. 296 Entscheidend müsse vielmehr sein, ob man die Kaufmannseigenschaft »für eine (per defi nitionem) separat zu behandelnde Vorfrage oder aber nur für eine Teilfrage halte[.]«. 297 Diese erste Frage müsse stets nach der lex causae, also nach derjenigen Rechtsordnung beurteilt werden, nach der auch die Hauptfrage, also das Vertragsverhältnis selbst, zu prüfen sei. 298 Die lex causae sei demzufolge stets maßgeblich dafür, ob die Kaufmannseigenschaft selbstständig oder unselbstständig angeknüpft werden müsse. 299 Während bei selbstständiger Anknüpfung das Kollisionsrecht der lex fori zu konsultieren sei, müsse bei unselbstständiger Anknüpfung die lex causae auch für die Beurteilung der Kaufmannseigenschaft herangezogen werden. 300 Andere Wege seien nicht gangbar. Auf die Staatsangehörigkeit oder den Wohnsitz einer Person zur Beurteilung ihrer Kaufmannseigenschaft abzustellen, seien Erwägungen, die sich zum Inhalt des Handelsrechts disparat verhielten. Ob die am Handelsverkehr berechtigt Teilnehmenden im Geltungsbereich eines vorgegebenen Handelsrechts wohnten oder die dortige Staatsangehörigkeit hätten, seien keine Gesichtspunkte, die mit dem Handelsverkehr zu tun 294 Hagenguth, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatrecht, 3. Teil IV. 2. b) (5) (S. 245, 246). 295 van Venrooy, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im deutschen Internationalen Privatrecht, I. 2. (S. 4). 296 van Venrooy, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im deutschen Internationalen Privatrecht, I. 2. (S. 4). 297 van Venrooy, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im deutschen Internationalen Privatrecht, II. 1. (S. 7). 298 van Venrooy, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im deutschen Internationalen Privatrecht, II. 2. (S. 9). 299 van Venrooy, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im deutschen Internationalen Privatrecht, II. 2. (S. 9, 10). 300 van Venrooy, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im deutschen Internationalen Privatrecht, II. 2. (S. 10); a. A.: Kindler, in: Ebenroth/Boujong/Joost (Hrsg.): HGBKommentar, Vor 1 § Rn. 96.

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hätten. 301 Auch das Recht der Gründung oder der tatsächlichen Organisation eines Unternehmens könne nicht als entscheidend erachtet werden. Zwar werde hier »das kaufmännische Unternehmen als solches ins Spiel gebracht«, doch sei der Umstand der Gründung als schon längst vergangener nicht geeignet, zur Beurteilung eines aktuellen Falles herangezogen zu werden. 302 Daneben sei die tatsächliche Organisation ein »unternehmensinterner Befund«, von dem keine drittwirkende Verbindung zu den von diesem Unternehmen getätigten Geschäften ausgehen könne. 303 Über seine sachnormbezogene Anknüpfung gelangt van Venrooy im Ergebnis zu einer sehr differenzierten Anknüpfungsdogmatik. So hält er es im Rahmen der Handelsbräuche im Sinne des § 346 HGB für sachgerecht, eine Anknüpfung zu wählen, bei der sich der Anwendungsbereich des § 346 HGB auf solche Personen beschränkt, welche die jeweils maßgeblichen Handelsgewohnheiten und Handelsbräuche jedenfalls kennen könnten. 304 Daher sei es am besten, als Kaufmann im Sinne des § 346 HGB nur denjenigen gelten zu lassen, der nach dem am Ort der gewerblichen Niederlassung herrschenden Verständnis Kaufmann sei. 305 Ebenfalls nach dem Ort der gewerblichen Niederlassung möchte er § 354 HGB anknüpfen, da sich die Annahme, dass ein Kaufmann stets eine Vergütung verlange, praktisch nur aus den Verhältnissen an dem Ort der gewerblichen Niederlassung ableiten ließe. 306 Gleiches müsse für die Ausnahme von dem Verbot der Zinseszinsenvereinbarung bei Kontokorrentverhältnissen (§ 355 HGB) 307, für die Sonderbestimmung bezüglich der Leistungszeit (§ 358 HGB) 308, für den Gutglaubenserwerb bei fehlender Verfügungsbefugnis (§ 366 Abs. 1 HGB) 309 und für das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht (§ 369 Abs. 1 HGB) gelten; im Rahmen des § 369 Abs. 1 HGB hält er eine Anknüpfung nach dem Ort der gewerblichen Niederlassung

301 van Venrooy, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft nalen Privatrecht, IV. 3. (S. 27, 28). 302 van Venrooy, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft nalen Privatrecht, IV. 3. (S. 28). 303 van Venrooy, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft nalen Privatrecht, IV. 3. (S. 28) 304 van Venrooy, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft nalen Privatrecht, IV. 3. a) aa) (S. 28, 29). 305 van Venrooy, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft nalen Privatrecht, IV. 3. a) aa) (S. 29). 306 van Venrooy, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft nalen Privatrecht, IV. 3. a) bb) (S. 30, 31). 307 van Venrooy, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft nalen Privatrecht, IV. 3. a) cc) (S. 31). 308 van Venrooy, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft nalen Privatrecht, IV. 3. a) dd) (S. 31, 32). 309 van Venrooy, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft nalen Privatrecht, IV. 3. a) ee) (S. 32, 33).

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allerdings lediglich für die Kaufmannseigenschaft des Gläubigers, nicht jedoch für die diejenige des Schuldners für angebracht310. Bei den meisten übrigen Sondervorschriften plädiert van Venrooy dagegen für eine Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft nach der lex causae. Bei der Sondervorschrift des § 347 Abs. 1 HGB über den gesteigerten Sorgfaltsmaßstab sei dies deswegen gerechtfertigt, weil es sich bei der Festlegung des Sorgfaltsmaßstabs um die Festlegung eines »Standards innerhalb von Anspruchsbeziehungen« handele, die keinen spezifischen Bezug zur gewerblichen Niederlassung hätten. 311 Mit einer ähnlichen Argumentation bejaht er auch im Rahmen der Sondervorschriften für Vertragsstrafen (§ 348 HGB) 312 , für den Ausschluss der Einrede der Vorausklage bei Bürgschaften (§ 349 HGB) 313, für die Einschränkungen des bürgerlich-rechtlichen Formzwangs (§ 350 HGB) 314, für den gesetzlichen Zinsfuß (§ 352 HGB) 315, für Fälligkeitszinsen (§ 353 HGB) 316, für das Schweigen des Kaufmanns auf Vertragsanträge (§ 362 HGB) 317 und für den Pfandverkauf (§ 368 Abs. 1 HGB) 318 eine Anknüpfung nach der lex causae. Auch im Rahmen des § 369 Abs. 1 HGB befürwortet er – allerdings nur auf der Schuldnerseite – eine Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft nach der lex causae, weil der schuldende Kaufmann im Gegensatz zum anspruchsberechtigten nicht im Besitz der zurückbehaltenen Sache sei, sodass es bei ihm an einem spezifischen Bezug zum Ort der gewerblichen Niederlassung fehle. 319 Bei den verbleibenden Vorschriften räumt van Venrooy wiederum ein, dass es sich um Spezialfälle handele, die sich in das Alternativschema »lex causae/ Ort der gewerblichen Niederlassung« nicht einordnen ließen. Aus diesem Grund müsse die Kaufmannseigenschaft im Rahmen des § 363 Abs. 1 HGB 310 van Venrooy, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft nalen Privatrecht, IV. 3. a) ff) (S. 33, 34). 311 van Venrooy, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft nalen Privatrecht, IV. 3. b) aa) (S. 34, 35). 312 van Venrooy, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft nalen Privatrecht, IV. 3. b) bb) (S. 35, 36). 313 van Venrooy, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft nalen Privatrecht, IV. 3. b) cc) (S. 36, 37). 314 van Venrooy, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft nalen Privatrecht, IV. 3. b) dd) (S. 37, 38). 315 van Venrooy, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft nalen Privatrecht, IV. 3. b) ee) (S. 38, 39). 316 van Venrooy, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft nalen Privatrecht, IV. 3. b) ff) (S. 39). 317 van Venrooy, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft nalen Privatrecht, IV. 3. b) gg) (S. 39, 40). 318 van Venrooy, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft nalen Privatrecht, IV. 3. b) hh) (S. 40, 41). 319 van Venrooy, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft nalen Privatrecht, IV. 3. b) ii) (S. 41).

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über die lex cartae sitae, d. h. über das Wertpapiersachstatut angeknüpft werden, welches auf das Recht des Ortes verweise, an dem die Urkunde sich befi nde. 320 Einen weiteren Spezialfall sieht van Venrooy in § 367 Abs. 1 HGB verankert. Weil nach dem Sachgehalt dieser Vorschrift die Veröffentlichung im deutschen Bundesanzeiger Bedingung für den Ausschluss des guten Glaubens sei, könne Kaufmann im Sinne dieser Vorschrift von vornherein nur derjenige sein, der nach deutschem Recht Kaufmann ist, weil er in Deutschland seine gewerbliche Niederlassung habe. 321 3. Präferenzbestrebungen zum Wirkungsstatut (lex causae) Martiny stimmt mit van Venrooy insofern überein, als auch er die Anknüpfung nach dem Ort der gewerblichen Niederlassung des Betroffenen für problematisch hält, insbesondere wenn es um die Anwendung besonderer Rechtssätze wie im Handelsvertragsrecht geht. Da sich die Kaufmannsbegriffe der verschiedenen Rechtsordnungen keineswegs entsprechen, könnten abweichende Maßstäbe des Niederlassungsrechts zu Spannungen mit dem Vertragsstatut führen. 322 Kindler und Großfeld sehen sich vor diesem Hintergrund veranlasst, zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen dieser Art die Kaufmannseigenschaft generell nach dem Wirkungsstatut anzuknüpfen. 323 Dagegen präferiert Martiny einen vermittelnden Ansatz: Zwar wirft auch er die Vergleichsbetrachtung auf, dass schließlich auch niemand an eine Sonderanknüpfung denken würde, wenn eine Rechtsordnung bestimmte Aktivitäten – ohne Verwendung des Kaufmannsbegriffs – einfach beschreibt und besonderen Regeln unterwirft. 324 Letztlich gelangt er im Gegensatz zu Kindler bzw. Großfeld aber nur indirekt zur Maßgeblichkeit der lex causae: Nur wenn die Kaufmannseigenschaft des Niederlassungsortes derjenigen der lex causae nicht entspreche, sei die Berufs- oder Gewerbeausübung nach dem Wirkungsstatut zu beurteilen. 325

320 van Venrooy, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im deutschen Internationalen Privatrecht, IV. 3. c) aa) (S. 42). 321 van Venrooy, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im deutschen Internationalen Privatrecht, IV. 3. c) bb) (S. 43, 44). 322 Martiny, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.): Internationales Vertragsrecht, 2. Teil IV. 3. (Rn. 259). 323 Kindler, in: Ebenroth/Boujong/Joost (Hrsg.): HGB-Kommentar, Vor 1 § Rn. 104 ff.; Großfeld, in: Staudingers Kommentar BGB, IntGesR Rn. 326 ff.; ebenso: Birk, in: Rebmann/Säcker/Rixecker (Hrsg.): MünchKomm-BGB, Art. 7 Rn. 44. 324 Martiny, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.): Internationales Vertragsrecht, 2. Teil IV. 3. (Rn. 259). 325 Martiny, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.): Internationales Vertragsrecht, 2. Teil IV. 3. (Rn. 259).

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4. Interessenlage der Vertragsparteien bezüglich der Anknüpfungsfrage Wiederum ganz anders würde sich die Anknüpfungsfrage darstellen, wenn man den Gedanken des Vertrauensschutzes aufgreifen würde. Würde man wie im Verbraucherkollisionsrecht argumentieren und den Vertragsabschluss dem Recht unterstellen, auf dessen Schutzstandards der Verbraucher vertraut bzw. vertrauen darf326, müsste man in Bezug auf die Anknüpfungsmethode des Kaufmannsbegriffs jedem Marktteilnehmer das Recht zusprechen, seinen jeweiligen Vertragspartner nach den Grundsätzen des eigenen Handelsrechts als Unternehmer bzw. Kaufmann zu behandeln. Die Frage des höheren Sorgfaltsmaßstabs sowie des niedrigeren Individualschutzes wäre regelmäßig aus Empfängersicht festzulegen. Vor allem bei einseitigen Handelsgeschäften würde ein derartiger Gedankengang wegen der Sinnverwandtschaft zum Verbraucherrecht auch naheliegen. Bedeuten würde dies allerdings, dass auch die Kaufmannseigenschaft nicht nach der Rechtsordnung am Ort der gewerblichen Niederlassung des Kaufmanns, sondern nach der Rechtsordnung am Wohnbzw. Geschäftssitz des jeweiligen Vertragspartners anzuknüpfen wäre. Abweichende Interessen würde bei dieser Betrachtung der Gewerbetreibende selbst verfolgen. Selbst wenn er Ausländer ist, würde er nämlich Wert darauf legen, unabhängig von dem Ort des jeweiligen Geschäftsabschlusses nach dem Ortsrecht seiner Niederlassung beurteilt zu werden. 327 Die Interessen zwischen dem Betroffenen und seinem Vertragspartner würden so regelmäßig einen Interessenkonfl ikt heraufbeschwören, in dem sich mit den Antagonisten der unternehmerfreundlichen Anknüpfung nach dem Ort der gewerblichen Niederlassung und der vertragspartnerfreundlichen Maßgeblichkeit der lex causae im Prinzip das vertragsstatutarische Spannungsverhältnis zwischen Art. 28 Abs. 2 und Art. 29 EGBGB entsprechend fortsetzte. Dabei könnte die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft immer nur einen sehr eingeschränkten Vertrauensschutz vermitteln. Sie könnte den (Nicht-) Kaufmann lediglich davor schützen, in einer fremden Rechtsordnung dem jeweils liberaleren Handelsrechtsregime unterstellt zu werden, würde ihm regelmäßig aber keine Gewissheit verschaffen, im Ausland einen bestimmten Vertragsrechtsrahmen vorzufi nden. 328 Denn wo funktionsgleiche Normen in der einen Rechtsordnung »Sonderrecht für Kaufleute« bilden, sind sie in der anderen Rechtsordnung u. U. »allgemeines Zivilrecht«. 329 326 Vgl. hierzu im Überblick: S. Klauer, Das europäische Kollisionsrecht der Verbraucherverträge, 1. Kap. III. 4. (S. 34, 35). 327 Hagenguth, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatrecht, 3. Teil V. 1. a) (S. 254). 328 Hagenguth, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatrecht, 3. Teil V. 1. a) (S. 257). 329 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1. Teil 1. Kap. (S. 5).

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III. Kollisionsrechtliche Lösungsmöglichkeiten anderer Rechtsordnungen In Anbetracht des vorstehenden Überblicks bleibt festzuhalten, dass sich die in der Literatur vertretenen Varianten zur Kaufmannsanknüpfung letztlich auf zwei Modelle konzentrieren: den Ort der gewerblichen Niederlassung des Unternehmers und die lex causae. Während Hagenguth im Grundsatz auf den Ort der gewerblichen Niederlassung rekurriert und die Anknüpfung nach der dortigen Rechtsordnung nur dann nicht für maßgeblich hält, wenn das dortige materielle Recht keinen dem deutschen Recht vergleichbaren Kaufmannsbegriff kennt, und Van Venrooy beispielhaft danach fragt, welche Anknüpfung nach der jeweiligen Sachrechtsnorm maßgeblich sein soll (wobei er teilweise zu einer Anknüpfung nach dem Ort der gewerblichen Niederlassung, teilweise zu einer Anknüpfung nach der lex causae gelangt), tendieren etwa Kindler und Großfeld wiederum zu einer generellen Anwendung des Wirkungsstatuts. 330

Weil damit die Grundfreiheitenkonvergenz der Kaufmannsanknüpfung letztlich maßgeblich auch von einer Vergleichsbetrachtung ausländischer Kaufmannskonzepte abhängt331, erscheint ein repräsentativer Überblick, wie er nachfolgend in sachrechtlicher Hinsicht in Bezug auf ausländische Regelungsmodelle vorgenommen werden soll, im Grunde unerlässlich: Auf die Kaufmannsregimes der französischen, österreichischen, italienischen und englischen Rechtsordnung ist beispielhaft näher einzugehen. 1. Das französische Handelsrecht – Vergleichbarkeit zu Deutschland Dem deutschen Anknüpfungssystem vergleichbar sind das französische Handelsrecht und Handelsrechtssysteme, die sich eng an das französische Handelsrecht anlehnen. In Frankreich hat sich kodifi ziertes Sonderprivatrecht bereits in der Ordonnance sur le Commerce (Code Savary) von 1673 wiedergefunden332 ; fortgeführt wurde der handelsrechtliche Sonderstatus durch den Code de commerce von 1807, bei dem allerdings die Kontrolle von Handeltreibenden noch im Vordergrund stand. Auf die als missglückt kritisierte Kodifi kation von 1807 folgte eine Dekodifi zierungswelle, an deren Ende der ursprünglich über 600 Artikel aufweisende Code »auf nicht mehr als 150 Bestimmungen zusammengeschrumpft sein [sollte], von denen lediglich ein paar Dutzend ihre ursprüngliche Formulierung beibehalten hatten«. 333 Im Zuge der Rekodifi zierung als »codifi kation à droit constant« wurde der Code de com-

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Kindler, in: Ebenroth/Boujong/Joost (Hrsg.): HGB-Kommentar, Vor 1 § Rn. 104 ff. Vgl. Jayme, ZHR 142 (1978), 105 (116 Fn. 57a). 332 Hamel/Lagarde/Jauffret, Droit Commercial, Tome I – Vol. 1, Chapitre I. Section II. § 3, 22. (S. 37); Reinhard/Chazal, Droit commercial, Tz. 15 ff. (S. 13, 14); Rehme, in: Ehrenberg, Hdb. des gesamten Handelsrechts, Bd. I, § 16 (S. 183 ff.). 333 Licari/Bauerreis, ZEuP 12 (2004), 132 (135, 136). 331

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merce im Jahre 2002 neu gefasst erlassen. 334 Im Gegensatz zum deutschen Handelsrecht, das wegen seiner Orientierung am Kaufmannsbegriff vielfach als subjektiv bezeichnet wird335, fassen viele das französische Handelsrecht als objektiv, d. h. an der Tätigkeit der agierenden Personen orientiert auf. 336 Letztlich dürfte der neue Code de commerce aber »weder ein Gesetzbuch der Kaufleute noch ein Gesetzbuch der Handelsgeschäfte bzw. der für Kaufleute typischen Berufsfelder« sein. 337 Auch sollten mit ihm weder die wesentlichen Grundlagen des Handelsrechts noch die für das Handelsrecht spezifischen Regelungen systematisch zusammengestellt werden. 338 Commercant, d. h. Kaufmann nach französischem Recht, ist grundsätzlich derjenige, der in Ausübung seines Berufes gewöhnlich Handelsgeschäfte ausübt (Art. 1 franzCcom). Wie § 1 HGB geht damit auch Art. 1 franzCcom von einem materiellen Kaufmannsbegriff aus, bei dem eine öffentlich-rechtliche Zulassung zur Kaufmannschaft aus Gesichtspunkten der Handels- und Gewerbefreiheit zur Begründung der Kaufmannseigenschaft ebenfalls nicht erforderlich ist. 339 Ähnlich wie im deutschen Recht hat auch der Umfang der Geschäftstätigkeit Einfluss auf die französische Kaufmannseigenschaft. Rekurriert wird dabei auf die Ausdrücke »opérations« und »entreprise« (Art. 632 franzCcom), denn manche Tätigkeiten werden nur kaufmännisch genannt, wenn sie häufig oder im Rahmen eines Unternehmens ausgeführt werden. Bei der Bereichsabgrenzung stellt der Code de commerce allerdings nicht den Begriff des »commercant«, sondern den des »acte de commerce« in den Vordergrund. 340 Kaufleute sind diejenigen, die Handelsgeschäfte betreiben (»qui exercent des actes de commerce«), und zwar in einer bestimmten, nämlich gewerblichen Weise (»en font leur profession habituelle«). Die für die Anwendbarkeit des Handelsrechts entscheidenden »actes de commerce« werden in Art. 632 ff. franzCcom aufgezählt. Keine Defi nition, sondern lediglich eine Aufl istung einzelner Arten von Handelsgeschäften, die nach h. M. nicht abschließend ist, wird zur Verfügung gestellt und zwischen mehreren Kategorien von actes des 334

Licari/Bauerreis, ZEuP 12 (2004), 132 (132 ff.). Wolter, Jura 10 (1988), 169 (169); Landwehr, ZHR 150 (1986), 39 (51); Röhricht, in: Röhricht/von Westphalen, HGB, Einleitung Rn. 2; Wieland, Handelsrecht – Bd. 1, § 8 (S. 50); K. Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.): MünchKomm-HGB, Vor § 1 Rn. 3, Brüggemann, in: Canaris/Schilling/Ulmer (Hrsg.): Staub-HGB, Einl vor § 1 Rn. 6 ff. 336 Hamel/Lagarde/Jauffret, Droit Commercial, Tome I – Vol. 1, Chapitre IV. Section I., 142. (S. 216); de Juglart/Ippolito, Cours de droit commercial, Vol. 1, S. 103; Mestre/Pancrazi, Droit commercial, S. 33, 34; im Überblick: Kort, AcP 193 (1993), 453 (453 ff.). 337 Licari/Bauerreis, ZEuP 12 (2004), 132 (147); vgl. auch: Kort, AcP 193 (1993), 453 (453 ff.). 338 Licari/Bauerreis, ZEuP 12 (2004), 132 (147). 339 Ripert/Roblot, Traité de Droit Commercial, Tome I – Vol. 1, Tz. 102 (S. 96, 97); Kort, AcP 193 (1993), 453 (467). 340 de Juglart/Ippolito, Cours de droit commercial, Vol. 1, S. 103 ff.; Kort, AcP 193 (1993), 453 (453 ff.). 335

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commerce unterschieden: actes de commerce par la nature, actes des commerce par accessoire, actes de commerce par la forme und actes mixtes. 341 Acte de commerce par la nature sind vor allem der Handelskauf, aber auch andere Geschäfte, die unabhängig von den beteiligten Personen Handelscharakter haben; oft wird zumindest ein wiederholtes (und nicht bloß einmaliges) Handeln verlangt, so z. B. beim Kauf zwecks Weiterverkauf. 342 Bei actes de commerce par accessoire wird dagegen ein rechtsgeschäftliches oder auch bloß tatsächliches Handeln (oder Unterlassen) allein deshalb nach Handelsrecht beurteilt, weil der Agierende Kaufmann ist (z. B. Ankauf von Anlagegegenständen für das Unternehmen). 343 Actes de commerce par la forme sind wiederum (unabhängig von der Person des jeweils Handelnden) alle Wechselgeschäfte sowie alle Geschäfte von Formkaufleuten344, wobei Handelsgesellschaften wie im deutschen Recht automatisch Formkaufleute sind. 345 Mit den actes mixtes werden die einseitigen Handelsgeschäfte bezeichnet, die im Gegensatz zu § 345 HGB allerdings nur für die kaufmännische Seite in vollem Umfang gelten, wohingegen die andere Seite (der Nicht-Kaufmann) ausschließlich zivilrechtlichen Normen unterstellt wird. 346 Wie im deutschen Recht ist Voraussetzung für die Begründung der Kaufmannseigenschaft, dass der Handelnde im eigenen Namen und auf eigene Rechnung tätig wird, sodass etwa Handlungsgehilfen und Mitglieder des Geschäftsführungsorgans juristischer Personen als Kaufleute nicht in Betracht kommen. 347 Freie Berufe unterfallen – ebenso wie nach h. M. im deutschen Recht – nicht dem Kaufmannsbegriff; dabei werden im wesentlichen ähnliche Personengruppen wie in Deutschland vom Kaufmannsbegriff ausgeklammert. 348 Gesondert behandelt werden auch die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe, die prinzipiell nicht 341 Im Überblick: Kort, AcP 193 (1993), 453 (468 ff.); de Juglart/Ippolito, Cours de droit commercial, Vol. 1, S. 120 ff.; dazu auch: Mestre/Pancrazi, Droit commercial, S. 35 ff. 342 Sonnenberger, Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht, II 4 (S. 48, 49); Kort, AcP 193 (1993), 453 (468). 343 de Juglart/Ippolito, Cours de droit commercial, Vol. 1, S. 140 ff.; Reinhard/Chazal, Droit commercial, Tz. 312 ff. (S. 235 ff.); Hess-Fallon/Simon, Droit commercial et des affaires, Ziff. 4. (S. 23); Kort, AcP 193 (1993), 453 (469). 344 Reinhard/Chazal, Droit commercial, Tz. 300 ff. (S. 224 ff.); Kort, AcP 193 (1993), 453 (469). 345 Vgl. Art. 1 Loi n? 66–537 du 24 juillet 1966 sur les sociétés commerciales. 346 de Juglart/Ippolito, Cours de droit commercial, Vol. 1, S. 149 ff.; Mestre/Pancrazi, Droit commercial, S. 35 ff.; Reinhard/Chazal, Droit commercial, Tz. 322 (S. 244); Sonnenberger, Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht, II 6 (S. 49, 50); Kort, AcP 193 (1993), 453 (472). 347 Francis/Lefebvre, Droit des affaires, Tz. 990 ff. (S. 138 ff.); Reinhard/Chazal, Droit commercial, Tz. 406 (S. 316, 317); Ripert/Roblot, Traité de Droit Commercial, Tome I – Vol. 1, Tz. 175 ff. (S. 146 ff.); Kort, AcP 193 (1993), 453 (474). 348 Reinhard/Chazal, Droit commercial, Tz. 338 (S. 257, 258); Ripert/Roblot, Traité de Droit Commercial, Tome I – Vol. 1, Tz. 171 ff. (S. 143 ff.); Kort, AcP 193 (1993), 453 (476).

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kaufmännisch sind und zudem im Gegensatz zum deutschen Recht keine Möglichkeit haben, sich fakultativ als Kaufleute in das Handelsregister eintragen zu lassen (vgl. § 3 Abs. 2 HGB). 349 Auch die Urerzeugung fällt im allgemeinen nicht unter den französischen Kaufmannsbegriff350 ; gleiches gilt für Handwerker351. Eine Gemeinsamkeit zwischen dem deutschen und französischen Handelsrecht besteht wiederum in der Einrichtung von Handelsregistern. Im Detail bestehen allerdings Unterschiede. So gleicht die französische Konzeption der Handelsregistereintragung zwar § 1 HGB, indem von einer Pfl icht von Kaufleuten zur Registrierung ausgegangen wird352 ; sowohl dem (Einzel-) Kaufmann als auch jeder Handelsgesellschaft obliegt eine Anmeldepfl icht353. Von den §§ 2, 3 HGB weicht das französische Recht jedoch ab, indem es keine Fallgruppen kennt, in denen die Registereintragung konstitutive Wirkung hat. 354 Zudem wirkt sich eine Nichteintragung unterschiedlich aus, indem das französische Recht es dem nicht Eingetragenen verwehrt, sich auf die Vorteile der Kaufmannseigenschaft im Rechtsverkehr zu berufen355 ; die Pfl ichten eines Kaufmanns treffen dagegen auch den nicht Eingetragenen, etwa die Buchführungspfl icht oder die Pfl ichten im Rahmen eines Sanierungs- oder Liquidationsverfahrens356. Erfolgt die Eintragung zu Unrecht, löst dies lediglich eine Vermutung für das Bestehen der Kaufmannseigenschaft aus, gegen die sich der Betroffene mit allen Beweismitteln wehren kann357; eine gesetzliche Fiktion wie diejenige nach § 5 HGB gibt es nicht358. 2. Das österreichische Handelsrecht: Genereller Unternehmerbezug Eine bemerkenswerte Fortentwicklung ist im europäischen Rechtsvergleich hinsichtlich des österreichischen Handelsrechts zu verzeichnen. So wurde in 349

Kort, AcP 193 (1993), 453 (474, 475). Kort, AcP 193 (1993), 453 (475). 351 Kort, AcP 193 (1993), 453 (475, 476). 352 Francis/Lefebvre, Droit des affaires, Tz. 1015 (S. 145); Sonnenberger, Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht, II 70 (S. 79); Kort, AcP 193 (1993), 453 (467). 353 de Juglart/Ippolito, Cours de droit commercial, Vol. 1, S. 277, 278; Sonnenberger, Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht, II 66 (S. 77); Ripert/Roblot, Traité de Droit Commercial, Tome I – Vol. 1, Tz. 230 (S. 230 ff.). 354 de Juglart/Ippolito, Cours de droit commercial, Vol. 1, S. 292 ff.; Ripert/Roblot, Traité de Droit Commercial, Tome I – Vol. 1, Tz. 297 ff. (S. 240 ff.); Kort, AcP 193 (1993), 453 (467); Sonnenberger, Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht, II 76 (S. 82). 355 de Juglart/Ippolito, Cours de droit commercial, Vol. 1, S. 292 ff.; Ripert/Roblot, Traité de Droit Commercial, Tome I – Vol. 1, Tz. 297 ff. (S. 240 ff.); Sonnenberger, Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht, II 76 (S. 82); Kort, AcP 193 (1993), 453 (467). 356 de Juglart/Ippolito, Cours de droit commercial, Vol. 1, S. 304 ff.; Kort, AcP 193 (1993), 453 (480). 357 Ripert/Roblot, Traité de Droit Commercial, Tome I – Vol. 1, Tz. 298 (S. 240). 358 Kort, AcP 193 (1993), 453 (479). 350

§ 30 Die gruppenspezifi sche Sonderbehandlung im Handelsrecht

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Österreich im Jahre 2005 durch das Handelsrechts-Änderungsgesetz (HaRÄG) der Wechsel vom »Sonderprivatrecht der Kaufleute« zum »Sonderprivatrecht der Unternehmer« vollzogen. 359 Den Anstoß zu dieser Reform hatte das deutsche HRefG gegeben360, wobei das österreichische HaRÄG im Gegensatz zum deutschen Vorgänger »konsequenter« und »beherzter« in den bisherigen Regelungsbestand des HGB eingreift361. Den gegliederten Grundtatbestand, der dem Rechtsanwender eine ähnliche Vielzahl differenzierter »Kaufleute« wie vor 1998 in Deutschland bescherte, gibt es nicht mehr. An seine Stelle ist der »Unternehmer« getreten, der zwar auch einige Varianten kennt, die aber wesentlich bescheidener ausgefallen sind; so gibt es neben dem eigentlichen, sehr einfach konzipierten Unternehmer (§ 1 östUGB) auch den »Unternehmer kraft Rechtsform« oder »Formunternehmer« (§ 2 östUGB) und den »Unternehmer kraft Eintragung« oder Fiktivunternehmer (§ 3 östUGB); auch der nach wie vor gesetzlich nicht geregelte »Unternehmer kraft Auftretens« ist weiterhin vorhanden. Die Unterscheidung zwischen Grundhandelsgewerbe und sonstigen gewerblichen Unternehmern ist dagegen abgeschafft. 362 Gemäß § 1 Abs. 1 östUGB ist »Unternehmer . . ., wer ein Unternehmen betreibt«. Dabei wird unter einem Unternehmen »jede auf Dauer angelegte Organisation selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit verstanden, mag sie auch nicht auf Gewinn gerichtet sein« (§ 1 Abs. 2 östUGB). Dieser Unternehmerbegriff ist größenunabhängig und unterscheidet damit nicht mehr zwischen großen und kleinen Unternehmern im Sinne der bisherigen Differenzierung zwischen Voll- und Minderkaufleuten. 363 Bei der OG und KG ist zumindest auch die Gesellschaft selbst Unternehmer. 364 Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts kann dagegen kein Unternehmer sein, weil in Österreich ihre Rechtsfähigkeit nicht anerkannt ist. 365 Dagegen sind die AG, die GmbH, die Erwerbsund Wirtschaftsgenossenschaft, der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, die Sparkassen, die EWIV, die SE und die SCE Unternehmer kraft Rechtsform (§ 2 östUGB). Da Vereine nicht zu den Formkaufleuten des § 2 östUGB zählen, kommt es bei ihnen darauf an, ob sie tatsächlich ein Unternehmen im Sinne des § 1 HGB betreiben. 366 359 Krejci, in: Krejci (Hrsg.): Reform-Komm. UGB/ABGB, Einführung Rn. 1; im Überblick: Fritz, GmbHR 97 (2007), 34 (34 ff.); Lurger, RIW 52 (2006), 408 (411, 412); Siems, ICCLR 15 (2004), 273 (273 ff.); Krejci, ZHR 170 (2006), 113 (113 ff.). 360 Krejci, in: Krejci (Hrsg.): Reform-Komm. UGB/ABGB, Einführung Rn. 14. 361 Krejci, in: Krejci (Hrsg.): Reform-Komm. UGB/ABGB, Einführung Rn. 21. 362 Krejci, in: Krejci (Hrsg.): Reform-Komm. UGB/ABGB, Einführung Rn. 1. 363 1058 BlgNR XXII. GP, in: Krejci (Hrsg.): Reform-Komm. UGB/ABGB, EläutRV (S. 22). 364 Dehn, in: Krejci (Hrsg.): Reform-Komm. UGB/ABGB, § 1 UGB Rn. 10 ff. 365 Dehn, in: Krejci (Hrsg.): Reform-Komm. UGB/ABGB, § 1 UGB Rn. 11. 366 Dehn, in: Krejci (Hrsg.): Reform-Komm. UGB/ABGB, § 1 UGB Rn. 51 ff.

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6. Kapitel: Grundfreiheiten und Marktliberalisierung

Österreich hat damit das östUGB allen Unternehmern geöffnet. Größenkriterien spielen nur mehr im Rechnungslegungsrecht, bei der Eintragungspfl icht und beim Rechtsformzwang zur OG oder KG eine Rolle. Auch hier gab Österreich die Generalklausel vom Erfordernis eines nach Art und Umfang kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetriebs auf und stellt nunmehr auf einen jährlichen Umsatzerlös von 400.000,– A ab. Im Gegensatz zu Deutschland können sich die einzelunternehmerisch in Österreich tätigen Freiberufler sowie Land- und Forstwirte freiwillig dem östUGB durch Eintragung in das Firmenbuch unterwerfen. Das steht ihnen ebenso frei wie allen sonstigen Unternehmern, für die keine Eintragungspfl icht besteht (vgl. § 4 Abs. 2 östUGB). Im Gegensatz zum deutschen System unterfallen Freiberufler und Land- und Forstwirte jedoch auch ohne Eintragung dem zweiten (»OG, KG und stille Gesellschaft«) und vierten Buch des UGB (»Unternehmensbezogene Geschäfte«). Die Eintragung in das Firmenbuch verliert für Einzelunternehmer an Bedeutung. Sie unterstehen auch ohne Eintragung dem östUGB. Konstitutiv wirkt nur die Eintragung solcher Personen, die keine Unternehmer sind. 367 Ausnahmslos konstitutiv ist gleichwohl die Eintragung der OG/KG, fast aller »Formunternehmer« und der Privatstiftungen. 368 3. Italien – ehemals kaufmannsbezogene Anknüpfung Im italienischen Recht ist der Begriff des »comerciante« dagegen seit der Einführung des Codice Civile 1942 verschwunden. Die Systematik des alten Handelsgesetzbuchs von 1882 (Codice di comercio), welches die Kaufmannseigenschaft in Art. 3 noch in Anlehnung an den französischen Code de commerce defi niert hatte, wurde 1942 aufgegeben. Während sich dieses alte Sondergesetz zur Abgrenzung des Handels- von dem Zivilrecht noch auf einen über 24 Ziffern verteilten Katalog verschiedener Arten von Handelsgeschäften gestützt hatte (atti di commercio) und dabei erheblich über den französischen Code de commerce hinausgegangen war369, ist eine dem deutschen System verwandte Kaufmannsdogmatik in dem Zivilgesetzbuch von 1942 nicht mehr enthalten370. Einen Restbestand an handelsspezifischen Regelungen enthält der Codice civile in seinem fünften Buch (»Del lavoro«). In ihren wirtschaftlichen, arbeitsrechtlichen und zivilrechtlichen Ausprägungen regelt dieses Buch in seinem zweiten Titel die Unternehmensverfassung (»Del lavoro nell’impresa«). Enthalten sind insbesondere Vorschriften zu Unternehmen im allgemeinen 367

Krejci, in: Krejci (Hrsg.): Reform-Komm. UGB/ABGB, Einführung Rn. 24. Krejci, in: Krejci (Hrsg.): Reform-Komm. UGB/ABGB, Einführung Rn. 24. 369 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 3. Teil 2. Abschnitt 2. Kap. I. 2. (S. 148). 370 Zum Verhältnis von Handels- und Zivilrecht vgl.: Ferri, Manuale di diritto commerciale, Ziff. 5 (S. 10 ff.). 368

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(Art. 2082 ff. italCcivile), landwirtschaftlichen Unternehmen (Art. 2135 ff. italCcivile) sowie Handelsunternehmen und anderen im Handelsregister registrierungspfl ichtigen Unternehmen (Art. 2188 ff. italCcivile). Der dem deutschen Kaufmann vergleichbare Typus des Unternehmers ist der »imprenditore commerciale«, der in Art. 2082 italCcivile eine Legaldefi nition erfährt. Danach ist Unternehmer, wer berufsmäßig eine organisierte wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, die dem Zwecke der Erzeugung oder des Austausches von Gütern oder Dienstleistungen dient. 371 Im Gegensatz zum selbstständigen Werkunternehmer nach Art. 2222 italCcivile erbringt der »imprenditore« eine organisatorische Leistung durch Einsatz von Kapital und Verwendung fremder Arbeitskraft, die ihr Äquivalent im Unternehmergewinn von ungewisser Höhe fi ndet. 372 Somit steht der betriebswirtschaftliche Standpunkt im Mittelpunkt der Defi nition. 373 Das bedeutsamste Element der Legaldefi nition in Art. 2082 italCivile ist der Begriff »professionalmente«, der auf die Berufsmäßigkeit und die ungewisse Dauer der ausgeübten Tätigkeit abstellt. 374 Die weitere Voraussetzung »un’attività economica organizzata« bezieht sich auf die notwendig organisierte Form der unternehmerischen Tätigkeit. 375 Damit steht nicht die Person des Unternehmers als solche, sondern das Unternehmen im betriebswirtschaftlichen Sinne im Mittelpunkt der Defi nition. 376 Nicht die persönliche Erfahrung ist wichtig, sondern die Produktionsweise und die Einrichtung des Betriebsablaufs (»della produzione o dello scambio di beni o di servizi«). Die freien Berufe haben in Art. 2229 ff. italCcivile eine gesonderte Regelung erfahren (»Delle professioni intellettuali«). Über die Verweisung in Art. 2238 Abs. 1 italCcivile können auch Freiberufler Träger von Unternehmen sein, mit der Folge, dass die Vorschriften über den »imprenditore commerciale« auf sie entsprechende Anwendung fi nden. Weil selbst Freiberufler mit einer gewissen Organisationsform ausgestattet sein können (z. B. einem größeren Büro), ist der Ausdruck »della produzione o dello scambio di beni o di servizi« unter Einbeziehung von Freiberuflern grundsätzlich weit auszulegen. Auch landwirtschaftliche Unternehmen werden davon erfasst, wobei der zweite Abschnitt 371 Art. 2082 italCcivile: »E imprenditore . . . chi esercita professionalmente . . . un’attività economica organizzata al fi ne della produzione o dello scambio di beni o di servizi . . . .« 372 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 3. Teil 2. Abschnitt 2. Kap. IV. 3. (S. 162). 373 Hagenguth, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatrecht, 3. Teil IV. 1. c) (5) (S. 226); vgl. auch: Ferri, Manuale di diritto commerciale, Ziff. 14 (S. 33 ff.). 374 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 3. Teil 2. Abschnitt 2. Kap. IV. 3. (S. 162). 375 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 3. Teil 2. Abschnitt 2. Kap. IV. 3. (S. 162, 163). 376 Kindler, Italienisches Handels- und Wirtschaftsrecht, § 2 Rn. 10 ff. (S. 67, 68).

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6. Kapitel: Grundfreiheiten und Marktliberalisierung

des zweiten Titels (»Dell’impresa agricola«) für Landwirte Sondervorschriften bereit hält, in denen u. a. besondere Vertragsformen für landwirtschaftliche Verhältnisse geregelt sind (Art. 2135 ff. italCcivile). Einerseits ist der italienische Begriff des »imprenditore« sehr viel weiter als der deutsche Kaufmannsbegriff, weil er nahezu alle Tätigkeiten erfasst; andererseits ist er sehr viel enger, weil Gewerbetreibende, wie z. B. die Einzelhändler und Kommissio-näre, die ihr Geschäft ohne entsprechende Organisation alleine betreiben, als Unternehmer von vornherein ausscheiden. 377 Von der Unternehmereigenschaft zu unterscheiden ist nach italienischem Recht die Frage, ob ein Unternehmer verpfl ichtet ist, sich im Handelsregister registrieren zu lassen (»Imprenditori soggetti a registrazione«). Diese Frage wird von Art. 2195 italCcivile beantwortet, wonach im wesentlichen nur Unternehmer, die einer industriellen Tätigkeit, einer Mittlertätigkeit im Warenverkehr, einer Beförderungstätigkeit, einer Banktätigkeit oder einer Unterstützungstätigkeit zu den vorstehenden Tätigkeitsbereichen nachgehen, registrierungspfl ichtig sind. Dabei sind nur die größeren Handelsunternehmen zur Eintragung verpfl ichtet; Kleinunternehmer (»piccoli imprenditori«), worunter nach Art. 2083 italCcivile vor allem Handwerker und Kleinkaufleute ohne Beschäftigung familienfremder Arbeitskräfte fallen, sind von dem Registrierungszwang dagegen ausgenommen (Art. 2202 italCcivile). Abgesehen von den inhaltlichen Unterschieden hat der italienische Begriff des »imprenditore« eine andere Funktion als der Kaufmann des französischen und deutschen Rechts. Neben vertragsrechtlichen Besonderheiten treffen den Unternehmensträger unter anderem auch Verpfl ichtungen öffentlich-rechtlicher Art. So ist es nach Art. 2085 italCcivile Aufgabe des Staates, die Ausrichtung der Produktion und des Handels im Hinblick auf das Gesamtinteresse der inländischen Wirtschaft auf die vom Gesetz und von den ständischen Vorschriften vorgesehene Art und Weise zu überwachen. Weil das italienische Recht keine systematische Unterscheidung zwischen Handelsrecht und sonstigem Zivilrecht trifft, hat der »imprenditore« auch nicht die Funktion, diese Abgrenzung im Sinne eines streng subjektiven Systems zu beschreiben und nachzuvollziehen. 378 Der italienische Unternehmer erwartet auch gar nicht, dass seine Eigenschaft Einfluss auf die Anwendung von gesondertem Recht haben könnte. Es besteht deshalb von vornherein keine Vertrauensposition, die im Rahmen einer Sonderanknüpfung geschützt werden könnte. 379

377 Hagenguth, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatrecht, 3. Teil IV. 1. c) (5) (S. 226). 378 Kindler, Italienisches Handels- und Wirtschaftsrecht, § 2 Rn. 1 ff. (S. 64 ff.). 379 Hagenguth, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im internationalen Privatrecht, 3. Teil IV. 1. c) (5) (S. 227).

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4. Englisches common law – kein besonderes Handelsrecht Das englische Vertragsrecht kennt kein Sonderrecht der Kaufleute oder Unternehmen380, auch wenn es nicht ganz unumstritten ist, »whether commercial law is a subject of sufficient distinction to merit examination«381. Ein Sonderrecht für den kaufmännischen Bereich, etwa ein Recht der Handelsgeschäfte oder ein besonderes handelsrechtliches Vertragsrecht, ist grundsätzlich nicht vorhanden. Zwar existieren im englischen Recht die Begriffe »commercial law« bzw. »mercantile law«. Diese Begriffe sind konzeptionell allerdings schwer zu fassen, sodass viele Stimmen in der Literatur »commercial law« als »incapable of strict defi nition« abtun, weil es sehr unkonkret »that portion of the law of England« bezeichnet, »which is more especially concerned with commerce, trade and business«. 382 Die Begriffe »commercial law« und »mercantile law« geben nur ganz allgemein einen Umriss der Rechtsgeschäfte, die auf Handel und Handeltreiben ausgerichtet sind, sodass in England das, was unter »Handelsrecht« verstanden wird, nur schwer eingrenzbar ist. 383 Am einheitlichsten erscheinen noch die Wurzeln des modernen Handelsrechts, die auf die lex mercatoria des Mittelalters zurückzuführen sind. 384 Zwar haben englische Richter in einer Vielzahl von Fällen Urteile zu dem Bereich des Handelsverkehrs getroffen. Bestrebungen, daraus einen eigenen Rechtsbereich zu kreieren, wurden gleichsam jedoch durch einige bedeutende Richter wieder zunichte gemacht, und zwar »by the assimilation of commercial cases into the common law«. 385 Die Defi nitionen zum Begriff commercial law sind sehr weitläufig386, wohingegen Begriffe wie Kaufmann oder Handelsgeschäft generaliter gar nicht vorkommen. Vielmehr hat man den Eindruck, dass jede Defi nition so wenig wie möglich einschränken möchte, um das Betätigungsfeld des Handels soweit wie möglich offen zu halten. So wird unter Handel in den meisten gesetzlichen Defi nitionen nicht ausschließlich Güterumsatz verstanden, sondern jede Betätigung mit Wirtschaftsbezug. Für den Begriff des Kaufmanns gibt es keine einheitliche gesetzliche Defi nition und deshalb auch keine allgemein verbindlichen Kriterien für eine rechtliche Einordnung. 387 Lediglich in einigen statutes und acts fi nden sich Defi nitionen in 380 Siems, ICCLR 15 (2004), 273 (275, 276); Triebel/Hodgson/Kellenter/Müller, Englisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Tz. 200 (S. 94). 381 Omar, ICCLR 10 (1999), 81 (82); ders., ICCLR 18 (2007), 235 (239). 382 Omar, ICCLR 10 (1999), 81 (81); ders., ICCLR 18 (2007), 235 (237). 383 Castello, Anknüpfungspunkte für die Anwendbarkeit von Handelsrecht, 2. Teil E. III. (S. 209); Omar, ICCLR 10 (1999), 81 (81); Siems, ICCLR 15 (2004), 273 (275, 276). 384 Omar, ICCLR 10 (1999), 81 (81). 385 Omar, ICCLR 10 (1999), 81 (82). 386 Vgl. im Überblick: Castello, Anknüpfungspunkte für die Anwendbarkeit von Handelsrecht, 2. Teil E. III. (S. 210). 387 Castello, Anknüpfungspunkte für die Anwendbarkeit von Handelsrecht, 3. Teil B. I. 2.5 (S. 261).

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6. Kapitel: Grundfreiheiten und Marktliberalisierung

Form von Beschreibungen, die allerdings dann nur für dieses jeweilige Gesetz Gültigkeit besitzen. Sie können allenfalls zur Kennzeichnung des Personenkreises bzw. zum Verständnis, welche Vorstellung sich hinter dem Kaufmann verbirgt, herangezogen werden. Der Begriff des merchant wird lediglich in Verbindung mit dem mercantile agent gesetzlich defi niert. Häufiger wird dagegen der Begriff des traders gebraucht. Dabei ist den Defi nitionen allenfalls gemeinsam, dass es sich immer um eine Person handelt, die unternehmerisch handelt (in the course of business). Diesen Anhaltspunkt könnte man als Kriterium für einen Kaufmannsbegriff heranziehen. Da aber nicht alle »persons in the course of business« Kaufleute sind, ist der Begriff des Kaufmanns im Englischen als Adressat letztlich von völlig untergeordneter Bedeutung. Auch ist ein Handelsgewerbebegriff im eigentlichen Sinne dem englischen commercial law unbekannt. 388 Vergleichbar wäre eventuell nur der Begriff des business, der durch commercial transactions geprägt ist. Commercial transactions wiederum sind diejenigen Geschäfte, die zwischen Personen im Rahmen eines Geschäfts oder zum Betreiben eines Unternehmens abgeschlossen werden. Darunter fallen nicht nur Geschäfte unter Kaufleuten, sondern eben alle in einen geschäftlichen Zusammenhang zu bringenden Transaktionen. Sie repräsentieren in einem sehr weiten Sinne einen Handelsgewerbebegriff und können so auch in einen weiten Unternehmensbegriff eingeordnet werden. Einen Gewerbebegriff aus der englischen Rechtsordnung herauszufi ltern, bereitet demzufolge Probleme, denn letztlich ist dieser nicht anders als der Begriff des business oder commerce 389. Klare Abgrenzungsmerkmale wie »offen« oder »selbständig« gibt es schlicht nicht. Darüber hinaus existiert auch kein Handelsregister wie in den übrigen EG-Mitgliedstaaten. Es gibt nur das Gesellschaftsregister, weshalb sich der sole trader (Einzelunternehmer) auch nicht in das Register eintragen lassen kann. 390 Lediglich sein Firmenname kann in ein Namensregister aufgenommen werden, um ihn zu schützen. 391 Dem europäischen Handels- oder Firmenregister ist allenfalls das Gesellschaftsregister in seiner Funktion vergleichbar. Für einige Gesellschaften (companies, partnerships, deren Mitgliederzahl 20 übersteigt, limited partnerships) ist es Entstehungsvoraussetzung, in das Register eingetragen zu sein, zumal nur eingetragene Gesellschaften ein certificate of corporation erhalten. Nicht unbedingt eine Aussage trifft das Register dagegen über die Ausrich388 Castello, Anknüpfungspunkte für die Anwendbarkeit von Handelsrecht, 3. Teil B. II. 1.4 (S. 272). 389 Castello, Anknüpfungspunkte für die Anwendbarkeit von Handelsrecht, 3. Teil B. II. 2 (S. 274). 390 Savage/Bradgate, Business Law, Chapter 31 (S. 467). 391 Castello, Anknüpfungspunkte für die Anwendbarkeit von Handelsrecht, 2. Teil B. I. 4. (S. 269).

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tung der Gesellschaft, da als companies nicht nur wirtschaftliche sondern – zumindest optional – auch ideale Vereine zugelassen sind. 392 IV. Kollisionsrechtliche Lösungsmöglichkeiten anderer Rechtsordnungen Zusammenfassend ist damit festzustellen, dass das Unternehmerleitbild im Rechtsordnungsvergleich in den anderen europäischen Privatrechtsordnungen eine höchst heterogene Umsetzung erfährt. Einen »Partner« mit ähnlicher Ausgestaltung fi ndet die deutsche HGB-Systematik lediglich in dem französischen System der actes de commerce. Dagegen weicht das österreichische System mittlerweile erheblich von der deutschen Kaufmannstypisierung ab. In Italien und England ist eine Kaufmannstypisierung überhaupt nicht vorhanden. Diese Divergenzen zwischen den einzelnen Rechtssystemen wirken sich in Anbetracht der Tatsache, dass die im Rahmen der §§ 343 ff. HGB relevante Kaufmannseigenschaft internationalprivatrechtlich über das materielle Recht am Ort der gewerblichen Niederlassung bzw. über das materielle Recht der lex causae zu ermitteln ist, auch auf die Grundfreiheitenkonvergenz des Handelsvertragsrechts aus.

B. Sondervorschriften zur Vertragsstrafe und zur Formfreiheit Um vor diesem Hintergrund die deutsche Umsetzung des Unternehmerleitbilds in seiner subjektiven Abgrenzung am Maßstab der Grundfreiheiten zu überprüfen, bietet sich eine Fokussierung auf die wenigen nicht dispositiven Regelungen mit HGB-Relevanz an. Die meisten handelsrechtlichen Vorschriften sind entweder kollisionsrechtlich oder materiellrechtlich dispositiv. So können der kaufmannsspezifische Sorgfaltsmaßstab (§ 347 HGB), der Verzicht auf die Einrede der Vorausklage (§ 349 HGB) sowie der gesetzliche Verzugs- und Fälligkeitszinssatz (§ 352 HGB) von den Parteien kollisions- und materiellrechtlich problemlos abbedungen und durch anderweitige Abreden ersetzt werden. Auch zu den Vorschriften über die Leistungszeit (§ 358 HGB) und die Gattungsschulden (§ 360 HGB) können die Vertragsparteien anderweitiges vereinbaren. Schließlich sind auch sämtliche Vorschriften über den Handelskauf derogierbar (§§ 373 ff. HGB). Vor diesem Hintergrund sollen nachfolgend allein die in ihrem Befreiungs- und Begünstigungsgehalt nicht derogierbaren §§ 348, 350, 354a und 366 HGB näher untersucht werden, um mögliche Kollisionspunkte zwischen dem freiheitlichen Handelsrecht und den ebenfalls auf Liberalisierung ausgerichteten Grundfreiheiten offen zu legen.

392

Davies, Gower and Davies’ Principles of Modern Company Law, 1. (S. 17, 18).

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6. Kapitel: Grundfreiheiten und Marktliberalisierung

I. Die HGB-Liberalisierung bei Vertragsstrafeversprechen (§ 348 HGB) Zunächst besteht Anlass, im Zusammenhang mit der Grundfreiheitenkonvergenz des Kaufmannsbegriffs auf § 348 HGB näher einzugehen. Inhaltlich ordnet § 348 HGB an, dass eine Vertragsstrafe, die von einem Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes versprochen ist, selbst im Falle ihrer Unverhältnismäßigkeit nicht nach § 343 BGB durch einen Richter herabgesetzt werden kann. Ob § 348 HGB der Kontrolle der Grundfreiheiten, insbesondere der Waren- und Dienstleistungsfreiheit, unterliegt, lässt sich in Anbetracht der Tatsache, dass § 348 HGB eine Sondervorschrift zu der komplementären Ausgangsnorm des § 343 BGB bildet, zwangsläufig nur durch eine Gesamtbetrachtung mit der Ausgangsnorm des § 343 BGB beurteilen. Denn die eigentliche Freiheitsbeschränkung ruft im Wirkungsbereich des § 348 HGB nicht die handelsrechtliche Sondervorschrift, sondern die BGB-Grundnorm hervor, zu der § 348 HGB lediglich eine – nicht durch die Vertragsparteien erweiterbare – Befreiung erteilt. Stellt man in diesem Sinne im Rahmen der Anwendbarkeitsprüfung der Grundfreiheiten hinsichtlich § 348 HGB in erster Linie auf die Abdingbarkeit bzw. Unabdingbarkeit von § 343 BGB ab393, gelangt man zu dem Ergebnis, dass in Bezug auf § 343 BGB eine abweichende Rechtswahl nicht in Betracht kommt. Wegen ihres zwingenden Schutzzwecks zählt die Herabsetzung unangemessener Vertragsstrafen (§ 343 BGB) nach h. M. zum deutschen ordre public (Art. 6 EGBGB). Sie ist folglich auch dann möglich, wenn das Schuldstatut sie nicht kennt. 394 Über eine Rechtswahl kann § 343 BGB daher nicht ausgehebelt werden, zumal die Vertragsstrafe stets dem Statut der Hauptverpfl ichtung untersteht, deren vertragsgemäße Erfüllung sie sichern soll. 395 Folglich wäre eine Kontrolle an den Grundfreiheiten grundsätzlich zwar möglich, führt aber bei näherer Betrachtung zu keiner Grundfreiheitenverletzung. Denn § 348 HGB postuliert diskriminierungsfrei eine Ausnahme zu § 343 BGB, die auf In- und Ausländer gleichermaßen Anwendung fi ndet. Weil Vertragsstrafeversprechen in aller Regel nur Nebenabreden betreffen und demzufolge ihre Nichtigkeit die Hauptabrede nicht an sich in Frage stellt (sodass die richterliche Herabsetzung grundfreiheitlich als vertriebs- und nicht als produktbezogene Maßnah393 Zur zwingenden Rechtsnatur von § 343 BGB: Horn, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, § 348 Rn. 11; K. Schmidt, in: K. Schmidt (Hrsg.): MünchKomm-HGB, § 348 Rn. 6. 394 Martiny, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.): Internationales Vertragsrecht, 2. Teil V. 3. f) (Rn. 281); Wolff, Das internationale Privatrecht Deutschlands, § 14 V. (S. 66); Hohloch, in: Westermann (Hrsg.): Erman BGB, Art. 32 EGBGB Rn. 12; Raape/Sturm, Internationales Privatrecht. Bd. I, § 13 (S. 213); a. A.: Rau, RIW 24 (1978), 23 (26); Frankenstein, Internationales Privatrecht (Grenzrecht), Bd. 2, § 37 B. IV. (S. 232). 395 Martiny, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.): Internationales Vertragsrecht, 2. Teil V. 3. f) (Rn. 281).

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me in Erscheinung tritt), ist § 348 HGB i. V. m. § 343 BGB auf Grund seiner diskriminierungsfreien Ausgestaltung grundfreiheitenkonform. Obwohl also § 348 HGB mit einer zwingenden Vertragsrechtsnorm, nämlich § 343 BGB, in einem inhaltlichen Zusammenhang steht, ist er letztlich ungeeignet um zu überprüfen, ob die subjektive Geltungsbereichsabgrenzung des Handelsvertragsrechts mit den Vorgaben der Grundfreiheiten zu vereinbaren ist. II. Die HGB-spezifi sche Erweiterung von Erwerb und Abtretbarkeit Ähnliches ist hinsichtlich § 366 HGB zu konstatieren, der eine verkehrsbezogene Sondernorm zu § 932 BGB darstellt. In Erweiterung zu §§ 932 ff. BGB ermöglicht er einen Gutglaubenserwerb an beweglichen Sachen auch dann, wenn der Veräußerer ein nicht verfügungsberechtigter Kaufmann ist. Auch bei der Grundfreiheitenüberprüfung von § 366 HGB gilt es zunächst nach dessen kollisionsrechtlicher Abdingbarkeit zu fragen. Weil das Sachenrecht in der EG noch nicht angeglichen worden ist396, entscheidet nach geltendem Recht über die dingliche Rechtslage regelmäßig das Recht desjenigen Staates, in dem sich die Sache befi ndet (lex rei sitae). Diese in Art. 43 EGBGB verankerte Regel gilt insbesondere auch für Mobilien. Das so bestimmte Recht umfasst auch die Eigentumsvermutungen sowie die Voraussetzungen und die sachenrechtlichen Folgen eines gutgläubigen Erwerbs. 397 Mit Rücksicht auf die Verkehrssicherheit wird nach deutschem Recht eine abweichende Rechtswahl im Verhältnis zu Art. 43 EGBGB zwar für unzulässig erachtet. 398 Dennoch ist die Grundfreiheitenrelevanz von § 366 HGB eher gering. Denn § 366 HGB schließt den Warenhandel zwischen den EG-Mitgliedstaaten nicht aus noch schränkt er ihn ein. Er regelt lediglich eine Sonderkonstellation des Gutglaubenserwerbs, nämlich diejenige, dass der Erwerber den Veräußer nicht für den Eigentümer, aber für einen verfügungsbefugten Berechtigten hält; nur für diese Sonderkonstellation erweitert er die Möglichkeit des Gutglaubenserwerbs unter der Voraussetzung, dass ein Kaufmann die jeweils in Frage stehende bewegliche Sache veräußert. Eine Handelsbeschränkung (Dassonville) durch einen Vertragspartner, der von einem Nichtberechtigten erwirbt, scheidet daher von vornherein aus. 396 Drobnig, in: Martiny/Witzleb (Hrsg.), Auf dem Wege zu einem Europäischen Zivilgesetzbuch, S. 169 (S. 169 ff.). 397 OLG Köln – Urteil v. 21. 07. 1999, Az.: 13 U 147/98 – VersR 51 (2000), 462 (463); OLG Brandenburg – Urteil v. 12. 12. 2000, Az.: 11 U 14/00 – NJW-RR 16 (2001), 597 (597–598); a. A. beispielsweise von Wilmowsky, der im Falle eines Gutglaubenserwerbs von einem Nichtberechtigten eine Ausnahme von der Situsregel vorsehen und an den Parteiwillen anknüpfen will: von Wilmowsky, Europäisches Kreditsicherungsrecht, § 8 III. (S. 355 ff.). 398 Junker, RIW 46 (2000), 241 (251, 252); genetisch betrachtet: Wagner, IPRax 18 (1998), 429 (435); kritisch: Stoll, IPRax 20 (2000), 259 (264).

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6. Kapitel: Grundfreiheiten und Marktliberalisierung

Lediglich in Fällen, in denen ein Marktteilnehmer von einem Berechtigten erwirbt, wäre an eine Beschränkung des zwischenstaatlichen Handelsverkehrs durch § 366 HGB zu denken. So ließe sich argumentieren, dass der von einem Berechtigten Erwerbende durch § 366 HGB von einem Eigentumserwerb abgehalten werden könnte, weil er sein Eigentum später leichter durch eine Nichtberechtigtenverfügung als nach bürgerlichem Recht verlieren könnte. Dies allein kann für eine Grundfreiheitenbeschränkung jedoch nicht ausreichend sein. Zu entfernt und vage ist diese Prognose, steht im Zeitpunkt des Erwerbs doch weder verbindlich das Sachenrechtsstatut der späteren Weiterveräußerung fest noch ist die Person eines Nichtberechtigten als Weiterveräußernder bereits ausgemacht. 399 In ähnlicher Weise nicht vorstellbar ist ein Grundfreiheitenverstoß durch die dinglich wirkende Abtretbarkeitsanordnung des § 354a HGB. Weil § 354a HGB letztlich nur einen Ausschluss der Abtretbarkeit außer Kraft setzt, der von den Parteien selbst angeordnet worden ist, würde man durch eine Überprüfung des § 354a HGB am Geltungsgehalt der Grundfreiheiten im Grunde nur gegen eine von den Vertragsparteien privatautonom vereinbarte Nichtabtretbarkeit vorgehen.400 III. »(Kaufmann-) Erleichterung« von BGB-Formvorschriften (§ 350 HGB) Exemplarisch überprüfen lässt sich die Grundfreiheitenkonkordanz der persönlichen Geltungsbereichsabgrenzung des HGB dagegen am Beispiel der kaufmännischen Bürgschaft und der kaufmannsabhängigen Formerleichterung (§ 350 HGB). 1. Die Grundfreiheitenrelevanz der bürgschaftsrechtlichen Formvorschrift Auch im Hinblick auf § 350 HGB lässt sich die Frage, inwiefern die Grundfreiheiten infolge einer etwaigen kollisions- bzw. materiellrechtlichen Unabdingbarkeit zur Anwendung gelangen, nur im Zusammenhang mit der komplementären BGB-Grundnorm (§ 766 BGB) als freiheitsbeschränkender Ausgangsvorschrift beurteilen. Nach § 766 BGB muss die Verpfl ichtungserklärung eines Bürgen in Schriftform erteilt werden. Lediglich die Bürgschaftserklärung eines Kaufmanns, die er im Rahmen seines Handelsgewerbes abgibt, ist gemäß §§ 350, 343 HGB auch mündlich wirksam.401 Im Übrigen hat die Nichteinhaltung des § 766 BGB gemäß § 125 S. 1 BGB zur Folge, dass bei fehlender Wahrung der Schriftform das betreffende Rechtsgeschäft unwirk399 400 401

Vgl. von Wilmowsky, Europäisches Kreditsicherungsrecht, § 8 I. 2. (S. 349 ff.). von Wilmowsky, Europäisches Kreditsicherungsrecht, § 10 I. 2. a) (S. 381, 382). Canaris, Handelsrecht, § 24 Rn. 7 ff. (S. 369).

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sam ist. Eine Heilung der Nichtigkeit kann gemäß § 766 S. 2 BGB nur dann eintreten, wenn der Bürge tatsächlich leistet, sodass § 766 BGB materiellrechtlich zwingender Charakter zuzusprechen ist. Damit der Anwendungsbereich der Grundfreiheiten eröffnet wäre, dürfte § 766 BGB i. V. m. § 350 HGB allerdings auch kollisionsrechtlich nicht abdingbar sein. a) Die Ermittlung des Bürgschafts- und Formstatuts In Deutschland ist es unstreitig, dass auf die Verbindlichkeit eines Bürgen nicht automatisch das Recht der Hauptschuld anwendbar ist402 , sondern das anwendbare Recht internationalprivatrechtlich selbstständig zu ermitteln ist403. Dabei sind Bürgschaften einer Rechtswahl der Vertragsparteien grundsätzlich zugänglich.404 Bürge und Gläubiger haben erst einmal die Möglichkeit, für die schuldrechtliche Verpfl ichtung aus der Bürgschaft ein bestimmtes Recht zu vereinbaren (Art. 27 Abs. 1 EGBGB).405 Aber auch das gewählte Bürgschaftsstatut ist nicht umfassend. Zwar erstreckt es sich etwa auf die Fragen, ob und wie lange der Bürge haftet, wie weit der Bürge haftet und inwieweit dem Bürgen Einreden zustehen.406 Es regelt jedoch nicht die im Rahmen des § 766 BGB zentrale Frage des Formstatuts.407 Zwar wird die Form eines Bürgschaftsvertrages grundsätzlich nach dem Bürgschaftsstatut beurteilt. Relativiert wird diese Verweisung jedoch durch die Sonderanknüpfung nach Art. 11 EGBGB. Denn danach genügt für die Einhaltung von Formerfordernissen auf jeden Fall die Ortsform (Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB). Wird also der Vertrag zwischen Personen geschlossen, die sich in verschiedenen Staaten befi nden, genügt es, wenn die Formvorschriften eines der Staaten eingehalten werden (Art. 11 Abs. 2 EGBGB).408 402 OLG Hamburg – Urteil v. 01. 12. 1976, Az: 5 U 111/76 – IPRspr. 1976 Nr. 147 (S. 427 ff.); LG Hamburg – Urteil v. 15. 10. 1992, Az.: 302 O 2/92 – RIW 39 (1993), 144 (145); Martiny, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.): Internationales Vertragsrecht, 5. Teil J. I. 3. (Rn. 1183); von Hoffmann, in: Soergel/Siebert: BGB, Bd. 10, Art. 28 EGBGB Art. 285; Reiß, Die Bürgschaft im deutsch-italienischen Rechtsverkehr, § 3 I. 1. (S. 49). 403 Kropholler, Internationales Privatrecht, § 52 III. 3. f) (S. 471); Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 18 I. 1. d) (S. 582); Martiny, in: Rebmann/Säcker/Rixecker (Hrsg.): MünchKomm-BGB, Art. 28 Rn. 330 ff.; Martiny, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.): Internationales Vertragsrecht, 5. Teil J. I. 3. (Rn. 1183); Heldrich, Palandt BGB, (IPR) EGBGB 28 Rn. 21; Reiß, Die Bürgschaft im deutsch-italienischen Rechtsverkehr, § 3 I. 1. (S. 49); Hakenberg, in: Ebenroth/Boujong/Joost (Hrsg.): HGB-Kommentar, § 350 Rn. 22. 404 MPIPriv. (Hrsg.): Die Bürgschaft im Recht der Mitgliedstaaten der EG, 1. Teil Tz. 118 (S. 57). 405 Martiny, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.): Internationales Vertragsrecht, 5. Teil J. I. 2. (Rn. 1183). 406 Martiny, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.): In ternationales Vertragsrecht, 5. Teil J. I. 3. (Rn. 1186 ff.). 407 Hakenberg, in: Ebenroth/Boujong/Joost (Hrsg.): HGB-Kommentar, § 350 Rn. 23. 408 Vgl. Martiny, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.): Internationales Vertragsrecht, 5. Teil J. IV (Rn. 1209).

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6. Kapitel: Grundfreiheiten und Marktliberalisierung

Ob die Möglichkeit der alternativen Anknüpfung im Rahmen des Art. 11 Abs. 1 EGBGB allerdings durch Rechtswahl gemäß Art. 27 EGBGB im Einzelfall abbedungen werden kann, ist umstritten. Zumindest für zulässig hält es die überwiegende Literatur in Deutschland einschließlich des BGH, die Rechtswahlmöglichkeit zum Ortsrecht als alternative Formanknüpfung auszuschließen.409 Dabei soll es für den Ausschluss der Ortsform bereits ausreichen, dass die Parteien ausdrücklich oder eindeutig erkennbar auch für die Form ein bestimmtes Recht gewählt haben bzw. die Vertragsauslegung einen stillschweigenden Ausschluss der Ortsform ergibt.410 Einen solchen Ausschluss der Ortsform für unzulässig halten dagegen andere Stimmen in der Literatur, die ihre Auffassung damit begründen, dass von den Parteien vor allem die Wirksamkeit des Geschäfts gewollt ist. Sie unterstellen den Parteien, dass ihnen die Klarheit über die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts im Zweifel wichtiger ist als die Ungewissheit über die anzuwendenden Formvorschriften. Obwohl das Vertragsstatut grundsätzlich der Rechtswahlmöglichkeit unterliege, gelte dies nach der EVÜ- und BGB-Systematik jedenfalls nicht für das Statut der Form.411 b) Die »faktische« Unabdingbarkeit der Formbefreiung Angesichts dieser Unsicherheit über die Zulässigkeit einer (formbezogenen) Rechtswahl lässt sich der Wirkungsgehalt von § 350 HGB i. V. m. § 766 BGB faktisch nur bedingt umgehen, sodass im Zweifel von der Geltung der §§ 350 HGB, 766 BGB im Falle des Eingreifens von Art. 11 Abs. 2 EGBGB auszugehen ist. Diese faktisch nur bedingte Ausschlussmöglichkeit lässt es gerechtfertigt erscheinen, den persönlich eingeschränkten Befreiungsgehalt von § 350 HGB auch grundfreiheitlich zu überprüfen. Um dabei aus § 350 HGB i. V. m. § 766 BGB einen Verstoß gegen den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs ableiten zu können, müsste er den zwischenstaatlichen Handelsverkehr beschränken. Damit dies auf abstrakter Grundlage ermittelt werden kann, bietet sich eine Exemplifi zierung anhand typisierter Fallkonstellationen an. Dabei kann die fehlende Systemkohärenz des subjektiven Kaufmannsbegriffs über eine Gesamtbetrachtung zweier Exempel einprägsam veranschaulicht werden, nämlich anhand eines »Exempels 1«, wonach ein EU-ausländischer Architekt gegenüber einem deutschen Marktbürger unter Rechtswahl zum deutschen Recht eine Bürgschaft übernimmt, sowie 409 Spellenberg, in: Rebmann/Säcker/Rixecker (Hrsg.): MünchKomm-BGB, Art. 11 Rn. 32; Martiny, in: Rebmann/Säcker/Rixecker (Hrsg.): MünchKomm-BGB, Art. 29 Rn. 59 ff.; vgl. auch: BGH – Urteil v. 03. 12. 1971, Az.: V ZR 126/69 – BGHZ 57, 337 (339, 340). 410 BGH – Urteil v. 03. 12. 1971, Az.: V ZR 126/69 – BGHZ 57, 337 (339, 340). 411 Reiß, Die Bürgschaft im deutsch-italienischen Rechtsverkehr, § 6 I. 3. c) (S. 86).

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anhand eines »Exempels 2«, wonach ein deutscher Architekt gegenüber einem EU-ausländischen Marktbürger eine Bürgschaftsverpfl ichtung übernimmt. Als EU-ausländische Bezugsländer mit repräsentativen Kategorien handelsrechtlicher Regelungsmodelle sollen im Grundfall dabei Frankreich, in exemplarischen Fallvarianten jeweils Österreich, Italien und England dienen. 2. »Exempel 1«: Bürgschaft eines EU-ausländischen Architekten Der Ausgangssachverhalt des »ersten Exempels« ist recht unkompliziert: Ein EU-ausländischer Architekt (Franzose; Fallalternativen: Österreicher, Italiener, Engländer) gibt im Rahmen seines im EU-Ausland (Frankreich; Fallvarianten: Österreich, Italien, England) befi ndlichen Geschäftsbetriebs zugunsten eines in Deutschland sich aufhaltenden deutschen Verbrauchers telefonisch gegen ein Entgelt ein Bürgschaftsversprechen ab, wobei die Parteien vertraglich eine Rechtswahl zum deutschen Sachrecht vereinbaren; von der Rechtswahl ausgeklammert wird das Formstatut. Eine schriftliche Fixierung der Vereinbarung soll zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen, was aber versäumt wird. Die Voraussetzungen des Verbrauchergerichtsstands gemäß Art. 15 Abs. 1 lit. c) EuGVO liegen vor, sodass der Gerichtsstand in Deutschland liegt. a) Der Produktcharakter der Bürgschaftsform Weil Deutschland und Frankreich (Fallvarianten: Österreich, Italien, England) jeweils Mitgliedstaaten des EVÜ sind412 , wäre die Rechtswahl zum deutschen Vertragsstatut grds. anzuerkennen (Art. 27 EGBGB). Zwar würde die kollisionsrechtliche Abdingbarkeit der §§ 766 ff. BGB eigentlich dazu führen, dass die Grundfreiheiten nicht anwendbar sind. Ebenfalls berücksichtigt werden müsste jedoch die »Abdingbarkeit« der Bürgschaftsform(-erleichterung). Die Formgültigkeit des Bürgschaftsvertrages beurteilt sich gemäß Art. 11 Abs. 1 EGBGB bzw. Art. 9 Abs. 1 EVÜ alternativ nach dem Bürgschaftsstatut (1. Alternative) oder nach dem Ort der Vornahme, dem sog. Ortsrecht (2. Alternative). Bei Distanzgeschäften wie der telefonischen Abgabe eines Bürgschaftsversprechens zwischen Parteien in verschiedenen Staaten genügt neben der Einhaltung des Geschäftsrechts (lex causae) die Wahrung der Formerfordernisse derjenigen Staaten, in welchen sich die Vertragsschließenden aufhalten (Art. 11 Abs. 2 EGBGB). Die Rom I-Verordnung wird ab Dezember 2009 dazu führen, dass gemäß Art. 11 Abs. 2 dieser Verordnung alternativ auch die 412 Vgl. hinsichtlich der Vertragsstaaten des EVÜ: Martiny, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.): Internationales Vertragsrecht, 1. Teil A. II. 2. a) (Rn. 6); vgl. hinsichtlich Italien: Mengozzi, in: Verschraegen (Hrsg.): International Encyclopaedia of Laws – Private International Law, Italy, Tz. 22 ff.

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6. Kapitel: Grundfreiheiten und Marktliberalisierung

Formerfordernisse desjenigen Staates ausreichen, in dem eine der Parteien bei Vertragsschluss ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte.413 Vorliegend wäre in jedem Fall die Einhaltung der Formerfordernisse des Bürgschaftsstatuts (Deutschland) oder der Ortsform (Frankreich; Fallvarianten: Österreich, Italien, England) ausreichend. Auch wenn keine dieser alternativen Anknüpfungsmöglichkeiten im Sinne einer zwingenden Vorschrift gemäß Art. 34 EGBGB bzw. im Sinne eines ordre public der Vorrang einzuräumen ist414, hätte die alternative Formanknüpfungsmöglichkeit im Anwendungsbereich der Grundfreiheiten denselben Effekt, wie wenn § 350 HGB i. V. m. § 766 BGB kollisionsrechtlich nicht abdingbar wären. Denn gleichgültig, welche Rechtsordnung die Vertragsparteien für ihr Vertragsverhältnis vereinbaren, die Formbefreiung des § 350 HGB mit ihrem persönlich beschränkten Anwendungsbereich würde stets zur Anwendung gelangen. Dies hätte einerseits zur Folge, dass auf Grund des »zwingenden« Charakters von § 350 HGB i. V. m. § 766 BGB der Geltungsbereich der Dienstleistungsfreiheit eröffnet wäre. Andererseits ergäbe sich daraus aber auch, dass durch die Formvorgabe mit ihrem durch § 350 HGB geprägten Anwendungsbereich eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne der Dassonville-Formel gegeben wäre. Von vornherein ausgeschlossen wäre eine Beschränkung des innergemeinschaftlichen Handelsverkehrs nur dann, wenn entweder nach deutschem oder nach französischem (Fallvariante: österreichischem, italienischem, englischem) Recht eine bürgschaftsrelevante Formbefreiung einschlägig wäre. b) Die Reichweite der Formbefreiung in den einzelnen Mitgliedstaaten Ausgehend vom Grundfall (französischer Architekt als Schuldner – deutscher Gläubiger) ist im Hinblick auf das französische Recht als Hintergrundinformation festzuhalten, dass in Frankreich nach Art. 1326 franzCcivil Bürgschaften schriftlich abzufassen und mit dem handschriftlichem Zusatz »Lu et approuvé. Bon pour caution . . . en principal plus les intéréts . . . %« zu versehen sind.415 Diese Formvorschrift greift allerdings nach der französischen Rechtsprechung zu Art. 109 franzCcom nicht ein bei einer Bürgschaft, die von einem Kaufmann abgegeben wird.416 Auch die Vorgabe, dass im Rechtsstreit nur der Urkundenbeweis für alle Verträge zulässig ist, deren Wert einen ganz geringen Betrag übersteigt, fi ndet keine Anwendung, wenn die Übernahme der Sicherungsverpfl ichtung ein Handelsgeschäft ist (Art. 1341 franzCcivil).417 413

Europäisches Parlament/Rat – Verordnung 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) – ABl. 2008 Nr. L 177 S. 6 (S. 14). 414 Reiß, Die Bürgschaft im deutsch-italienischen Rechtsverkehr, § 6 I. 2. a) (S. 80 ff.). 415 Vgl. Fülbier, RIW 41 (1995), 627 (628). 416 Vgl. Konzelmann, JuS 37 (1997), 435 (437). 417 MPIPriv. (Hrsg.): Die Bürgschaft im Recht der Mitgliedstaaten der EG, 1. Teil Tz. 38 (S. 30).

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In Österreich (1. Fallvariante) ist die dem § 350 HGB deutscher Fassung äquivalente Formbefreiungsvorschrift durch das HARäG 2005 dagegen aufgehoben worden418, sodass es in dieser Fallkonstellation für die Frage eines Grundfreiheitenverstoßes darauf ankäme, ob die Formbefreiung für Bürgschaften nach deutschem Recht ihren Tatbestandsvoraussetzungen nach einschlägig wäre (§ 350 HGB). In Italien (2. Fallvariante) wiederum ist für die Bürgschaftsverpfl ichtung an sich zwar nur eine (formfreie) ausdrückliche Erklärung erforderlich (Art. 1937 italCcivile), zu Beweiszwecken im Prozess ist jedoch die Schriftform notwendig (Art. 2721 italCcivile). Diese prozessuale Formvorgabe ergibt sich daraus, dass Art. 2721 italCcivile den Zeugenbeweis grds. dann ausschließt, wenn der Wert des Vertragsgegenstandes einen geringen Betrag übersteigt. Obwohl Art. 2721 italCcivile eigentlich nur die Beweisbarkeit erschwert, wird ihm aus deutscher Sicht im deutsch-italienischen Rechtsverkehr Formcharakter zugesprochen: Die Verknüpfung der vorgenannten Prozessvorschrift mit dem materiellen Recht manifestiere sich rein »äußerlich« bereits dadurch, dass Art. 2721 italCcivile nicht in der italienischen Zivilprozessordnung, sondern im Codice civil enthalten sei.419 In England (3. Fallvariante) bedarf eine guarantee, welche der deutschen Bürgschaft vergleichbar ist, nach h. M. gemäß dem vierten Absatz des Statute of Frauds von 1677 der Schriftform.420 Die Nichteinhaltung der Schriftform führt allerdings nicht zur Nichtigkeit wie bei § 766 BGB i. V. m. § 125 S. 1 BGB; vielmehr schließt sie lediglich den Erfolg einer Bürgschaftsklage aus, wenn kein schriftlicher Beweis beigebracht werden kann (»unenforceable in an English court of justice«).421 Vor dem Hintergrund, dass die französischen Befreiungsvorschriften nicht einschlägig wären, weil Bürgschaften von Architekten in Frankreich keine Handelsgeschäfte sind und der Formzwang auch in den Fallvarianten (Österreich, Italien, England) materiell oder zumindest prozessual eingreifen würde, käme es bei der Frage eines Grundfreiheitenverstoßes auf die deutsche Formerleichterung des § 350 HGB an (Art. 11 Abs. 1 Alt. 1 EGBGB). Ein Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG) wäre nur dann ausgeschlossen, wenn § 350 einschlägig wäre und infolgedessen die Wirksamkeit des Bürgschaftsversprechens nicht beeinträchtigt wäre. Während die gegenständlichen 418

Schauer, in: Krejci (Hrsg.): Reform-Komm. UGB/ABGB, § 350 UGB Rn. 1 ff. LG Mannheim – Urteil v. 16. 03. 1971, Az.: 2 O 323/69 – NJW 24 (1971), 2129 (2130); vgl. auch: Reiß, Die Bürgschaft im deutsch-italienischen Rechtsverkehr, § 6 I. 1. (S. 80). 420 Berensmann, Bürgschaft und Garantievertrag im englischen und deutschen Recht, Teil A. IV. 1. (S. 24 ff.). 421 Leroux v. Brown (1852) 12 C. B. 801 (824); vgl. auch: Treitel, The Law of Contract, Chapter 5 2. (S. 8 ff.); Berensmann, Bürgschaft und Garantievertrag im englischen und deut-schen Recht, Teil A. IV. 2. (S. 26). 419

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6. Kapitel: Grundfreiheiten und Marktliberalisierung

Tatbestandsmerkmale von § 350 HGB zweifellos gegeben wären, müsste in persönlicher Hinsicht näher untersucht werden, ob der französische (Fallvarianten: österreichische, italienische, englische) Architekt als Kaufmann im Sinne des § 350 HGB eingeordnet werden könnte. Um diese Frage zu beantworten, wäre im Beispielsfall u. a. die Diskussion um die korrekte internationalprivatrechtliche Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft aufzulösen (»Ort der gewerblichen Niederlassung« versus »Sinn und Zweck der Sachnorm«). c) Anknüpfung nach dem Ort der gewerblichen Niederlassung Eine Anknüpfung nach dem Ort der gewerblichen Niederlassung hätte vorliegend zur Folge, dass die Frage, ob der französische (Fallvarianten: österreichische, italienische, englische) Architekt in casu unter den Kaufmannsbegriff des § 350 HGB subsumiert werden könnte, primär nach französischem (Fallvarianten: österreichischem, italienischem, englischem) Recht zu beurteilen wäre. Während ein Architekt nach französischem Recht nicht als »commercant« einzustufen ist, wäre ihm nach italienischem Recht die Kaufmannseigenschaft zuzugestehen; nach englischem Recht wäre dagegen fraglich, ob überhaupt von einer äquivalenten Dogmatik zum deutschen Recht ausgegangen werden könnte, sodass gegebenenfalls mangels Vergleichbarkeit unvermittelt wieder auf die deutsche Kaufmannsdogmatik zurückgegriffen werden müsste. Damit wäre in der französischen und englischen Variante (bei letzterer: wohl infolge einer Anwendung der §§ 1 ff. des deutschen HGB) der persönliche Anwendungsbereich des § 350 HGB zu verneinen (= Unwirksamkeit der Bürgschaft), wohingegen man bei der Bürgschaft des italienischen Architekten von deren Wirksamkeit ausgehen könnte. Eine interessante Sonderkonstellation würde sich bei der Untersuchung der Kaufmannseigenschaft nach österreichischem Recht einstellen. So sind nach der Neufassung des östUGB als Freiberufler auch Architekten grds. Unternehmer (§ 1 östUGB). Allerdings werden sie nicht in allen Büchern des neuen östUGB und allen Bereichen gewerblichen Unternehmern gleichgestellt. Einerseits unterliegen sie den Vorschriften über die Rechnungslegung nicht (drittes Buch); zudem fi nden die allgemeinen Bestimmungen des ersten Buchs (Firmenbuch, Firma, Unternehmensübergang, Prokura und Handlungsvollmacht) auf sie nur Anwendung, wenn sie sich ihnen freiwillig durch Eintragung in das Firmenbuch unterstellt haben (§ 4 Abs. 2 östUGB). Unter die Vorschriften über die OG, KG und stille Gesellschaft (zweites Buch) sowie unter die vorliegend maßgebenden Sondervorschriften zum Vertragsrecht, die sog. unternehmensbezogenen Geschäfte (viertes Buch), fallen Freiberufler ohne weiteres.

Vor diesem Hintergrund wäre der in casu betroffene österreichische Architekt nach dem Recht am Ort der gewerblichen Niederlassung wohl »Kaufmann«, wobei die Gleichwertigkeit zur deutschen Kaufmannseigenschaft gewährleistet wäre. § 350 HGB wäre einschlägig, die Bürgschaft formwirksam erteilt.

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d) Anknüpfung nach dem Sinngehalt der Sachnorm bzw. nach der lex causae Zu einem abweichenden Ergebnis würde man dagegen nach der sachnormbezogenen Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft gelangen, wie sie van Venrooy vertritt. Van Venrooy geht nach dem Sinngehalt der Formbefreiung nach § 350 HGB davon aus, dass die Kaufmannseigenschaft in dieser Vorschrift stets nach der lex causae anzuknüpfen ist. Dies hätte vorliegend zur Folge, dass die Frage, ob es sich bei dem französischen (Fallvarianten: österreichischen, italienischen, englischen) Architekten um einen Kaufmann im Sinne des § 350 HGB handelt, nach Maßgabe der §§ 1 ff. HGB zu beurteilen wäre. Bei der Subsumtion unter das deutsche Recht wäre die Kaufmannseigenschaft zu verneinen, weil Architekten als Freiberufler kein Handelsgewerbe betreiben (§ 1 Abs. 2 HGB). Die Formbefreiung des § 350 HGB würde in persönlicher Hinsicht nicht zur Anwendung gelangen, sodass bei der Anknüpfung nach dem Sinngehalt der Sachnorm die Bürgschaft mangels Formwahrung nicht wirksam abgegeben und damit nichtig wäre. Aus grundfreiheitlicher Perspektive wäre die weitere Konsequenz dieser Anknüpfungsmethode, dass wegen der Nichtigkeitsfolge eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs gegeben wäre. Da das Bürgschaftsversprechen an sich in Frage gestellt wäre, könnte der Formzwang nach §§ 766, 125 S. 1 BGB (wie er durch § 350 HGB persönlich ausgestaltet ist) nicht mehr als bloß vertriebsbezogene Vorschrift im Sinne der Keck-Rechtsprechung eingestuft werden; vielmehr wäre von einer produktbezogenen Maßnahme auszugehen. Weil der Dienstleistungsfreiheit auch nichtdiskriminierende Beschränkungen widersprechen, die den freien Dienstleistungsverkehr potenziell und mittelbar einschränken, würde es für das Vorliegen eines Grundfreiheitenverstoßes ausreichen, dass die §§ 766 BGB, 350 HGB unterschiedslos auf rein inländische und ausländische Sachverhalte zur Anwendung gelangen. In Anbetracht der nichtdiskriminierenden Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehr wäre eine Rechtfertigung nach der Cassis de Dijon-Rechtsprechung des EuGH erforderlich. 3. »Exempel 2«: Bürgschaft eines deutschen Architekten Die Rechtfertigungsfrage nach der Cassis-Rechtsprechung würde sich noch dringender stellen, wenn man den Ausgangssachverhalt umstellt und ihn insofern abwandelt, dass nicht ein französischer (Fallvarianten: österreichischer, italienischer, englischer), sondern ein deutscher Freiberufler im Rahmen seines in Deutschland befi ndlichen Geschäftsbetriebs gegenüber einem sich in Frankreich (Fallvarianten: Österreich, Italien, England) aufhaltenden französischen (Fallvarianten: österreichischen, italienischen, englischen) Verbraucher telefonisch, entgeltlich und unter Rechtswahl zum deutschen Vertragssta-

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6. Kapitel: Grundfreiheiten und Marktliberalisierung

tut ein Bürgschaftsversprechen abgibt. Zu unterstellen wäre, dass der Verbrauchergerichtsstand nicht einschlägig wäre (Art. 15 EuGVO), eine etwaige Klage also vor einem deutschen Gericht anhängig gemacht werden würde (Art. 2 Abs. 1 EuGVO). Auf Grund der Rechtswahl wäre auch bei dieser Variante Vertragsstatut deutsches Recht (Art. 3 EVÜ). Über das nach Art. 11 Abs. 2 EGBGB anzuknüpfende Formstatut wäre das mündliche Bürgschaftsversprechen ausreichend, vorausgesetzt § 350 HGB i. V. m. § 766 BGB wären gemäß ihrer Anwendungsvoraussetzungen einschlägig. Dazu müsste der deutsche Architekt Kaufmann im Sinne des § 350 HGB sein. In Anbetracht der Tatsache, dass der in Frage stehende Architekt nicht nur seine gewerbliche Niederlassung in Deutschland hat, sondern auch die Anknüpfung nach der lex causae wegen des deutschen Vertragsstatuts zur Anwendung der §§ 1 ff. HGB führen würde, müsste die Kaufmannseigenschaft sich gemäß aller vertretener Anknüpfungsvarianten nach deutschem Recht (§§ 1 ff. HGB) beurteilen. Weil Architekten kein Handelsgewerbe betreiben (§ 1 Abs. 2 HGB), wäre die Bürgschaft mangels Einschlägigkeit von § 350 HGB unwirksam. Da auch nach französischem, österreichischem und italienischem Recht ein Schriftformerfordernis eingreifen würde – also lediglich nach englischem Recht kein sachrechtlicher Formzwang eingreifen würde –, wäre in der überwiegenden Zahl der Fallvarianten kein wirksames Bürgschaftsversprechen gegeben (Art. 9 Abs. 2 EVÜ). Damit würde es auch in der Mehrzahl der Fallalternativen zum »Exempel 2« zu einer Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs kommen. Im Sinne der Dassonville-Formel wäre von einem zumindest mittelbaren und potenziellen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit auszugehen. Weil die einschlägigen Formvorschriften jeweils unterschiedslos auf In- und Ausländer Anwendung finden würden, wäre wiederum die Rechtfertigungsfrage nach der Cassis de Dijon-Rechtsprechung fallentscheidend. 4. »Exempel 1 und 2«: Rechtfertigungsmöglichkeit nach Cassis Demnach würde es letztlich in beiden Exempeln mehr oder weniger darauf ankommen, ob § 766 BGB i. V. m. § 350 HGB durch zwingende Erfordernisse im Sinne der Cassis-Rechtsprechung gerechtfertigt werden könnten. Wenngleich als rechtfertigungstaugliches zwingendes Allgemeininteresse in erster Linie an den Verbraucherschutz zu denken wäre, ist in Bezug auf die Beispielsfälle offensichtlich, dass Architekten keine »Verbraucher«, sondern als Freiberufler »Unternehmer« sind. Ganz zu schweigen davon soll § 350 HGB auch nicht den Verbraucher schützen, sondern den unternehmerischen Geschäftsverkehr erleichtern.422 Ergo kann es sich bei der Kombination von § 766 BGB 422

Koller, in: Canaris/Schilling/Ulmer (Hrsg.): Staub-HGB, § 350 Rn. 1; B. Schmidt, in:

§ 30 Die gruppenspezifi sche Sonderbehandlung im Handelsrecht

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und § 350 HGB auch nicht um eine Regelung handeln, die in Umsetzung des Verbraucherleitbilds ergangen ist. Vielmehr ist § 766 BGB als Vorschrift zu begreifen, die allgemeinen Übereilungsschutz gewährt, wozu § 350 HGB zur Umsetzung des Unternehmerleitbilds eine Ausnahme vorsieht. Sind Freiberufler gar keine Verbraucher, sondern unzweifelhaft Unternehmer, kann der Verbraucherschutz als zwingendes Erfordernis auch keine Rechtfertigungsbasis liefern, um dem von einem Freiberufler erteilten Bürgschaftsversprechen nach § 766 BGB i. V. m. § 350 HGB die Anerkennung zu versagen. Hilfsweise wäre als alternatives Allgemeininteresse im Sinne der CassisRechtsprechung an das Eingreifen anderer zivilrechtsrelevanter Erfordernisse zu denken. Dabei müsste allerdings auf solche Allgemeininteressen nichtwirtschaftlicher Art zurückgegriffen werden, die der EuGH bisher noch nicht anerkannt hat, die dem zwingenden Erfordernis des Verbraucherschutzes aber – insbesondere aus zivilistischer Sicht – gleichwertig wären. In Betracht kämen etwa die »Beweisbarkeit im Rechtsverkehr« oder die »Notwendigkeit eines generellen Warn- und Übereilungsschutzes im Sinne eines verbraucherunabhängigen Schuldnerschutzes«. Zwar spricht grds. nichts dagegen, auch die »Beweisbarkeit von Tatsachen im Rechtsverkehr«, die »Beweisbarkeit durch Urkunden im Prozess«, den »Schutz der Marktteilnehmer vor dem Verlust von Vermögenswerten« oder den »Ausgleich von vertragstypischen Disparitätssituationen« als zwingende Erfordernisse für ein zivilrechtliches Formerfordernis einzustufen. Auf derartige Aspekte hat der deutsche Gesetzgeber die Kombination von § 766 BGB und § 350 HGB aber ersichtlich nicht gestützt. Vielmehr basiert der telos von § 766 BGB i. V. m. § 350 HGB gerade auf dem Grundgedanken, dass ein unternehmerischer Marktteilnehmer eines Warnund Übereilungsschutzes bei der Übernahme von Sicherheiten nicht bedarf.423 Es ist evident, dass § 350 HGB demgemäß in engem Zusammenhang mit den prinzipiellen Leitbildaussagen des Unternehmerleitbilds steht. Vor diesem Hintergrund führt das Rechtfertigungsdefi zit im Rahmen der Cassis-Dogmatik vorliegend zu dem Dilemma, dass weder der Verbraucherschutz noch ein generelles zivilistisches Allgemeininteresse auf die Befreiungsvorschrift des § 350 HGB richtig passen. Sowohl zu dem Aspekt eines personenindifferenten Übereilungs- bzw. Beweissicherungsgrunds als auch zu dem Verbraucherschutz als zwingendem Allgemeininteresse fehlt es an einem inneren Zusammenhang.424 Auf diese Weise fällt die Unanwendbarkeit von § 350 HGB auf nichtkaufmännische Berufsträger in einen bedenklichen Zwischenraum, der anscheinend durch kein zwingendes Erfordernis kongruent zu rechtfertigen ist: Ensthaler (Hrsg.): Gemeinschaftskommentar HGB, § 350 Rn. 12; Hakenberg, in: Ebenroth/Boujong/Joost (Hrsg.): HGB-Kommentar, § 350 Rn. 1; K. Schmidt, in: K. Schmidt (Hrsg.): MünchKomm-HGB, § 350 Rn. 1. 423 Horn, in: Horn (Hrsg.): Heymann – HGB, § 350 Rn. 3. 424 Vgl. Preis, ZHR 158 (1994), 567 (604).

490

6. Kapitel: Grundfreiheiten und Marktliberalisierung

Während bezüglich des Verbraucherschutzes als zwingendem Erfordernis die Erforderlichkeit der Schutzbereichsausweitung auf nichtkaufmännische Berufsträger zu verneinen ist, fehlt es aus dem Blickwinkel des generellen Übereilungs- bzw. Beweissicherungsgrundes an der Geeignetheit des aus dieser Sicht »halbherzigen« kaufmannsexkludierenden Schuldnerschutzes. Damit geht mit dem persönlichen Geltungsbereichszuschnitt von § 350 HGB ein Verstoß gegen das Gebot der Folgerichtigkeit einher, weil er im Kanon der Allgemeininteressen entweder als ungeeignet zu qualifi zieren ist (genereller Übereilungsschutz) oder gegen das Übermaßverbot verstößt (Verbraucherschutz).

C. Fehlende Folgerichtigkeit der Kaufmannseigenschaft Insgesamt macht § 350 HGB als Beispiel am Maßstab der Grundfreiheiten damit deutlich, dass die subjektive HGB-Geltungsbereichsabgrenzung zu einem inkonsequenten Interimsrecht zwischen Unternehmer- und Verbraucherleitbild führt. Aus grundfreiheitlicher Sicht hätte der deutsche Gesetzgeber problemlos die BGB-Formvorschriften als so wichtig einstufen können, dass er wegen der gegenständlichen Bedeutung der §§ 766, 780, 781 BGB alle Wirtschaftsteilnehmer dem Übereilungsschutz unterstellt; in diesem Fall hätte er wie der österreichische Gesetzgeber von der Befreiung nach § 350 HGB insgesamt Abstand nehmen können. Diesen Weg ist der Gesetzgeber jedoch nicht gegangen, sondern hat spezifisch Kaufleute von dem Übereilungsschutz ausgeklammert. Dabei setzt das Zusammenspiel der §§ 766 BGB, 350 HGB anschaulich auseinander, dass dem Gesetzgeber teleologisch betrachtet daran gelegen war, eigentlich jeden Nichtunternehmer von dem Formschutz der §§ 766, 780, 781 BGB auszunehmen. Die Umsetzung des § 350 HGB ist folglich inkonsequent. Sie ist Ausdruck der generell fehlenden Systemkohärenz des deutschen Kaufmannsbegriffs. Einen ähnlichen Gedanken der fehlenden Folgerichtigkeit hat bereits der EuGH im Urteil zum deutschen Reinheitsgebot aufgegriffen. Das Argument, dass das Reinheitsgebot zum Schutze der Gesundheit erforderlich sei, wies er unter anderem deswegen zurück, weil die für das Bier verbotenen Zusatzstoffe nach deutschem Recht vielen anderen Getränken ohne weiteres beigemischt werden durften.425 Zwar ist es zweifelhaft, aus Urteilen wie diesen ein allgemeines normatives Postulat der Folgerichtigkeit abzuleiten, was auch Basedow zu bedenken gibt, wenn er feststellt, dass »Rechtsordnungen . . . nun einmal nicht aus einem Guß [sind], sondern . . . unter dem Einfluss wechselnder 425 EuGH – Kommission/Deutschland – Urteil v. 12. 03. 1987, Rs. 178/84 – Slg. 1987, 1227 Tz. 49.

§ 31 Zusammenfassung und Résumé der Grundfreiheitenprüfung

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wirtschaftlicher und technischer, kultureller und politischer Einflüsse sehr ungleichmäßig [zusammenwachsen]«.426 Auf der anderen Seite räumt aber auch Basedow ein, dass der Vorwurf der Inkonsequenz aus grundfreiheitlicher Sicht jedenfalls bei »groben Wertungsdiskrepanzen« gerechtfertigt sein dürfte, wobei er auch dann dazu tauglich wäre, einer »aus anderen Gründen antiquiert empfundenen Regelung den Todesstoß zu versetzen«.427 Ein solcher Vorwurf erscheint in Bezug auf § 766 BGB i. V. m. § 350 HGB jedenfalls gerechtfertigt. Unternehmerleitbild und defi zitärer Kaufmannsbegriff prallen hier unvermittelt aufeinander.

§ 31 Zusammenfassung und Résumé der Grundfreiheitenprüfung Der vorstehende Überblick hat Folgendes gezeigt: Während das Handelsvertragsrecht wegen seiner kollisionsrechtlichen Abwählbarkeit nur vereinzelt an den Grundfreiheiten gemessen werden kann, ist die Prüfung des Verbrauchervertragsrechts wegen Art. 29, 29a EGBGB nahezu umfassend möglich. Dabei steht die bloße Tatsache, dass das Verbrauchervertragsrecht nach dem Prinzip der Mindestharmonisierung europaweit angeglichen worden ist, einem Verstoß gegen die Grundfreiheiten nicht von vornherein entgegen. Denn letztlich ist der Gemeinschaftsgesetzgeber in gleicher Weise an die Beachtung und Einhaltung der Grundfreiheiten gebunden wie der nationale Gesetzgeber. Dabei treten die zwingenden Inhaltsvorgaben und Widerrufsrechte des Verbrauchervertragsrechts allerdings überwiegend als Verkaufmodalitäten im Sinne der Keck-Rechtsprechung in Erscheinung. Sie geben bloße Regelungen von Vertragsmodalitäten wieder und stellen den geschlossen Vertrag grds. nicht an sich in Frage. Verbraucherrechtliche Informationspfl ichten erscheinen nur im Falle ihrer Unverhältnismäßigkeit bedenklich, wenn sie zur Umsetzung des Verbraucherleitbilds nicht erforderlich sind. Gehen mit ihnen umfangreiche Sprachübersetzungsvorgaben einher, können sie für den Unternehmer Marktzutrittsschranken bedeuten und müssen wegen des Anwendungsvorrangs der Grundfreiheiten im Ernstfall unbeachtet bleiben. Im Recht der Handelsverträge ist nur vereinzelt eine Kollision mit den Marktvorgaben der Grundfreiheiten möglich. Denkbar erscheint dies nur dann, wenn die betreffende Sachnorm weder kollisions- noch materiellrechtlich abdingbar ist. Im Handelsvertragsrecht ist dies nur ausnahmsweise der Fall. Liegt eine zwingende HGB-Norm in diesem Sinne vor, kann es zu einem Rechtfertigungsdefi zit kommen, weil die persönliche Geltungsbereichsab426 427

Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1 (23). Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1 (23).

492

6. Kapitel: Grundfreiheiten und Marktliberalisierung

grenzung nach Maßgabe des deutschen Kaufmannsbegriffs weder mit dem zwingenden Allgemeininteresse des Verbraucherschutzes noch mit einem sonst erdenklichen personenindifferenten zivilistischen Allgemeininteresse in Einklang zu bringen ist. Die vorstehenden Ausführungen erlauben daher das Résumé, dass HGBVorschriften nur singulär mit den Grundfreiheiten wegen mangelnder Folgerichtigkeit der Kaufmannstypisierung in Konfl ikt geraten können, während das Verbrauchervertragsrecht allenfalls durch unverhältnismäßige Informationspfl ichten Gefahr läuft, gegen die Grundfreiheiten zu verstoßen.

Abschließendes Kapitel

Zusammenfassung und Thesenbildung Obwohl Verträge auf dem Willensprinzip aufbauen, Ausdruck privatautonomen Handelns sind und (sowohl im gewerblichen Bereich als auch im Rahmen privater »Liebhaberei«) typischerweise als Eigenverantwortung abbildende Kooperationsinstrumente in Erscheinung treten, haben Gesetzgebung und Rechtsanwendung das Vertragsrecht von den Einflüssen lebensbereichsabhängiger Typisierungstendenzen nicht freihalten können.1

§ 32 Die Ausgangsproblematik der Vertragsrechtsdivergenz Zwar wird die selbstregulierende Kraft der Vertragsautonomie seit jeher hochgehalten, um intervenierenden Maßnahmen des Staates in die Sphäre der Privatrechtsgesellschaft entgegen zu wirken. Auf der anderen Seite wird aber auch die (vermeintlich über- bzw. unterdurchschnittliche) Schutzbedürftigkeit typisierungsfähiger Personen- und Sachbereiche gerne aufgegriffen, um Entfaltungsspielräume für sonderprivatrechtliche Subsysteme zu kreieren. Die Grundparadigmen der »Freiheit« und »Gleichheit« werden dabei aus ihren Bahnen geworfen. Vor allem durch die Gegenüberstellung von handels- und verbraucherrechtlichen Sonderregimes und bürgerlich-rechtlicher Basisordnung hat der Gesetzgeber den einheitlichen Rechtsrahmen der Geschäftsbeziehungen aufgespalten. In Anbetracht der sich daraus ergebenden Dreiecksbetrachtung muss sich der Gesetzgeber (trotz der möglicherweise größeren Wirklichkeitsnähe der sich daraus ergebenden Regelungswirkung) mit den Vorwürfen konfrontieren, nicht nur eine wechselhafte Trennlinie zwischen (staats-) hoheitlicher Nichteinmischung und privatautonomer Selbstregulation gezogen, sondern auch die Gleichheit der Privatrechtssubjekte untereinander zu einer unstabilen Größe degradiert zu haben. Eine hypostasierende Trennung zwischen wirtschaftender und konsumierender sowie zwischen zweckkonvergenten (b2b, c2c) und zweckdivergenten Kontrahierungskonstellationen (b2c, c2b) hat sich

1

Vgl. Einl. Kap. § 1 (S. 2 ff.).

494

Abschließendes Kapitel: Zusammenfassung und Thesenbildung

daraus ergeben. Auch die Gleichordnungsfi ktion der subjekteigenen Rechtsund Geschäftsfähigkeit blieb dadurch nicht unberührt. 2 Die handels- und verbraucherrechtliche Sachbereichsfokussierung ist geradezu prädestiniert, um diese sonderprivatrechtliche Durchdringung des freiheitlichen Gleichordnungsmodells auf paradigmatischer Ebene einer Systemrevision zu unterziehen. Denn nicht nur normmethodisch (»handelsrechtliche Deregulierung« versus »verbraucherrechtliche Regulierung) und normfunktional (»handelsrechtliche Schrittmacherfunktion« versus »verbraucherrechtliche Ausgleichsfunktion«), sondern auch marktlokalisierend (»Außenhandel« versus »Endabsatz an den Verbraucher«) treten die handels- und verbraucherrechtlichen Normgruppen als Antipoden in Erscheinung und stellen Eigendynamik entwickelnde Gegenspielflächen zur bürgerlich-rechtlichen Einheitsbetrachtung zur Verfügung. Dabei warten sie mit Sondercharakteristika und traditionsdurchbrechenden Umsetzungsinstrumenten auf: Während sich die handelsrechtlichen Vertragsrechtsmodifi zierungen durch normgruppenfundierende Eigentümlichkeiten auszeichnen (Selbstverantwortlichkeit der Kaufl eute, Entgeltlichkeitsvermutung im Geschäftsverkehr, Sorgfaltsund Abschlusstaktsteigerung, Vertrauensschutzerhöhung), gehen mit dem verbraucherrechtlichen Schwächerenschutz teilweise nonkonformistische Eingriffsinstrumente einher (Informationpflichten, grundlose Widerrufsrechte, Maßnahmen der Inhaltskontrolle, kollisionsrechtliche Sonderanknüpfung). 3 Makrojuristisch sieht sich der Betrachter mit einer »Dreiteilung« der Vertragsrechtsordnung konfrontiert, die nicht nur für einen vertragsrechtlichen Methodenpluralismus steht und einen hohen Exemplifi kationsgrad der sonderprivatrechtlichen Tendenzbewegung verkörpert, sondern auch eine besonders geeignete Ausgangsbasis für eine vertragstheoretische Wesensbetrachtung bildet.4 Die handels- und verbrauchervertraglichen Normgruppen verkörpern anknüpfungstaugliche Regelungsszenarien, deren Revision die Beachtung des Subsidiaritätsprinzips (vor allem in überregulierten Vertragsrechtsbereichen) verbessern5, die nationale Vertragsrechtsdivergenz mit ihren internationalen Komplementärkonzepten (Stichwort: »Nichtberücksichtigung des Kaufmannsbegriffs«) in Einklang bringen6 und der verbraucherrechtlichen Remanipulation des bürgerlichen Rechts entgegen wirken kann7. Unzureichend wäre eine bloß kosmetische Neuordnung der abstrakten Begriffe; eine Reflexion der inneren Systemzusammenhänge ist vielmehr geboten.8 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. Einl. Kap. § 1 (S. 4 ff.). Hierzu im Einzelnen: Einl. Kap. § 2 A. und B. (S. 8 ff. und S. 13 ff.). Vgl. Einl. Kap. § 3 (S. 19 ff.). Vgl. Einl. Kap. § 3 B. (S. 22 ff.). Vgl. Einl. Kap. § 4 (S. 24 ff.). Vgl. Einl. Kap. § 4 D. (S. 36 ff.). Vgl. Einl. Kap. § 5 (S. 41).

§ 33 Die Geschichtsrelevanz der (sonder-) privatrechtlichen Dreiteilung

495

§ 33 Die Geschichtsrelevanz der (sonder-) privatrechtlichen Dreiteilung Die Frage nach der Legitimation der Vertragsrechtsdreiteilung wird immer drängender. Obwohl in der Vergangenheit Bestrebungen zur Integration älterer Sonderbereiche (wie dem Handelsrecht) oder zur Assimilation jüngerer Spezialregimes (wie dem Verbraucherrecht) nicht ernsthaft in Betracht gezogen wurden, ist der Entwicklungsstand der Zivilrechtskodifi kation in ihrem geschichtlichen Kontext zu bewerten.9 Auch wenn sozialer Schwächerenschutz bei der Kodifi kation des BGB bewusst stiefmütterlich behandelt wurde, haben sich die Generalklauseln und Allgemeinbegriffe des BGB im Laufe der Zeit als geeignetes Perzeptionsmedium erwiesen, um mit dem Ethisierungsgehalt, der vor allem von der Weiterentwicklung der Grundrechte ausgegangen ist, Schritt zu halten und die von den Grundrechten ausstrahlende objektive Werteordnung auf die Ebene des zivilen Nebeneinanders der Privatrechtssubjekte zu übertragen.10 Der jüngste Rechtsprechungswandel zu den Bürgschaften und Eheverträgen ist Sinnbild dieser Entwicklungsfähigkeit.11 Gleichwohl konnte sich eine ausgeprägte Typendogmatik im Sinne einer personalen Gruppenschutzstandardheraufsetzung praeter legem nicht bilden.12 Das Handelsrecht (dessen Kodifikation der Gesetzgeber als erstes aufgegriffen hat) ist in seiner Entstehung maßgeblich auf das Standesrecht des Mittelalters zurückzuführen. Seine genetischen Wurzeln sind vor allem der damaligen Ausweitung des Geschäftsverkehrs, der Bildung kaufmännischer Standesgruppen und der antagonistischen Wirkung der christlichen Wucherlehre zu verdanken.13 Kodifi kationsbemühungen in großem Stil wurden auf deutschem Boden erst im 19. Jahrhundert ergriffen (wobei z. B. in Baden mit den Gesetzbüchern des Land- und Handelsrechts eine dem Verhältnis von BGB und HGB vergleichbare Normsituation geschaffen wurde).14 Mit dem Streben nach Rechtseinheit kam es zu dem Entwurf des ADHGB (1861 abgeschlossen und 1871 zum Reichsgesetz erhoben).15 War das ADHGB mit seinen allgemeinen Regelungen (z. B. zur direkten Stellvertretung, zum Eigentumsübergang, zur Geschäftsfähigkeit und zur Schuldnermehrheit) trotz seiner Kaufmannstypisierung noch kein privatrechtliches Sondergesetz, ist es mit der Kodifi kation des BGB (und der fl ankierenden Verabschiedung des HGB) zu einer Systemwende gekommen.16 Die Orientierung am Kaufmanns9

Hierzu im Einzelnen: 1. Kap. (S. 43 ff.). Vgl. 1. Kap. § 7 A. (S. 48 ff.). 11 Hierzu im Einzelnen: 1. Kap. § 7 B. (S. 50 f.). 12 Hierzu im Einzelnen: 1. Kap. § 7 C. (S. 52 ff.). 13 Hierzu im Einzelnen: 1. Kap. § 8 (S. 54 ff.). 14 Hierzu im Einzelnen: 1. Kap. § 8 B. (S. 57 f.). 15 Hierzu im Einzelnen: 1. Kap. § 8 B. I: (S. 59). 16 Hierzu im Einzelnen: 1. Kap. § 8 B. (S. 61 ff.). 10

496

Abschließendes Kapitel: Zusammenfassung und Thesenbildung

begriff wurde dabei beibehalten, obwohl sich die Kausalfaktoren für diese Ausrichtung (Stichwort: kanonisches Zinsverbot, Gilden, Zünfte) schon längst erledigt hatten.17 Die Beibehaltung dieser Anleihe hat das deutsche Handelsrecht – vor allem EG-rechtlich – in eine rechtspolitische Abseitsposition gedrängt.18 Zu der Frage nach der Sinngebung eines kaufmannsgeprägten Handelsrechts hat die Literatur zwar Prognosen erstellt (so etwa Endemann, Goldschmidt, Gareis); realiter haben sich diese jedoch nur teilweise bewahrheitet.19 Während das Handelsrecht mit dem Wandel der Wirtschaftsstruktur nur unzureichend Schritt gehalten hat 20, ist das Verbraucherrecht seit den 1970er Jahren in die Rolle des »Jungbrunnens« bzw. des »Pioniers der Rechtsentwicklung« eingetreten. Dass sich das Verbrauchervertragsrecht im Grunde erst seit vierzig Jahren herausbildet, mag auf den ersten Blick erstaunen, wenn man bedenkt, dass ein tatsächliches Bedürfnis, den Käufer vor den Abnahmegefahren beim Erwerb von Waren und Dienstleistungen zu schützen, eigentlich schon immer bestand. 21 Lange Zeit war der Verbraucher jedoch ausreichend durch die mittelalterlichen Marktregulierungen geschützt, die dem Verkäufer von vornherein keine Möglichkeit zu einem aggressiven Warenabsatz gaben (Wettbewerbsbeschränkungen unter den Zunftmitgliedern, Besichtigungs- und Beschlagnahmerecht der Zünfte, Regulierung der Preispolitik, »Marktplatz«-Prinzip mit Vorwegverkaufsverbot etc.). 22 Der lebenstatsächliche Grundstein für verbraucherpolitische Vertragsrechtsmodelle wurde erst mit den sozio-ökonomischen Veränderungen des 20. Jahrhunderts gelegt (Wissensspezialisierung, Stärkung des Dienstleistungssektors, innovative Vertriebswegekooperationen und vertikale Gruppenkooperation, Anonymisierung des Marktgeschehens, Konsumentenkredit). Bildete der deutsche Gesetzgeber anfangs nur zaghaft (auf der rechtspolitischen Basis der Verbraucherbotschaft John F. Kennedys) Schutzregelungen ohne spezifischen Verbrauchergehalt 23, hat der Verbraucherschutz in seinem Fortgang (mit dem Übergang zur EG-rechtlichen Systembeeinfl ussung) eine sonderprivatrechtliche Eigendynamik entwickelt. Nachdem er jahrzehntelang ständig ausweitet wurde (Verbraucherprogramme des Rates, Cassis-Rechtsprechung des EuGH, Binnenmarktverwirklichung durch die EEA, Verbraucherpolitik von Maastricht und Amsterdam), muss sich die jüngste Entwicklungsphase des EG-rechtlichen Verbraucherschutzes mit kritischen Äu17 18 19 20 21 22 23

Hierzu im Einzelnen: 1. Kap. § 8 C. (S. 64 f.). Vgl. 1. Kap. § 8 D. (S. 65 ff.). Vgl. 1. Kap. § 8 E. I. (S. 69 ff.). Hierzu im Einzelnen: 1. Kap. § 8 E. II. (S. 75 ff.). Vgl. 1. Kap. § 9 C. I. (S. 92 f.). Hierzu im Einzelnen: 1. Kap. § 9 C. I. (S. 93 f.). Hierzu im Einzelnen: 1. Kap. § 9 A. (S. 78 ff.).

§ 34 Der Bedeutungsgehalt des Begriffs »Sonderprivatrecht«

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ßerungen zu den Verbraucherrichtlinien auseinandersetzen, was eine Überarbeitung des gemeinschaftlichen Besitzstands erforderlich macht. 24

§ 34 Der Bedeutungsgehalt des Begriffs »Sonderprivatrecht« Ein bereichsübergreifender Meinungskonsens über den Bedeutungsgehalt von Sonderprivatrechten, dem auch Anhaltspunkte für die Divergenzgründe und den Revisionsbedarf des Handels- und Verbraucherrechts entnommen werden könnte, ist bislang (trotz der Zivilrechtslehrertagung von 1977) ausgeblieben. 25 Im Einzelnen können unter den meinungsbildenden Defi nitionsansätzen weder die inhaltlich orientierten (Exklusivität und Spezialität der Sonderprivatrechte 26) noch die formal geprägten (Aufspaltung in Nebengesetze 27) überzeugen. Vielmehr sind die maßgeblichen Abgrenzungsmodi an Kriterien des inneren Systems auszurichten. 28 Hier sticht F. Bydlinskis Ansatz hervor. Seiner Ansicht nach zeichnen sich Sonderprivatrechte im Gegensatz zu bloßen Nebengesetzen dadurch aus, dass sie nicht einheitlich einem Teil des Pandektensystems zugeordnet werden können. F. Bydlinski ruft mit den Pandekten nicht nur die römische Tradition des Privatrechts in Erinnerung, sondern macht mit einer dynamisch aufgebauten Systematisierungsprüfung deutlich, dass für Sonderprivatrechte ein ständig latenter Rechtfertigungszwang besteht. 29 Im Ergebnis ist ihm aber nicht uneingeschränkt zu folgen. Denn offen lässt er, auf Grund welcher Kriterien die Möglichkeit der Einordnung in das Pandektensystem konkret zu überprüfen ist (personale oder funktionale Kriterien), was am Beispiel der handels- und verbraucherrechtlichen Normgruppen – die er teils als sonderprivatrechtlich qualifi ziert (Handelsrecht), teilweise aber auch nicht (Verbraucherrecht) – besonders deutlich wird. 30 Aus diesem Grund ist sein Defi nitionsansatz dahingehend zu ergänzen, dass innerhalb der »Aufteilungseignung« (der Sondernormgruppe auf die Einzelbereiche des Pandektensystems) darauf abgestellt werden sollte, ob der Einzelne bzw. der jeweils angesprochene Adressatenkreis in seinem Freiheitsanspruch in typisiert anderer Art und Weise als durch das klassische Pandektenrecht tangiert wird (Sonderprivatrecht) oder nicht (kein Sonderprivatrecht). 31 Auch das Verbrauchervertragsrecht ist demnach Sonderprivatrecht. 24 25 26 27 28 29 30 31

Hierzu im Einzelnen: 1. Kap. § 9 B. (S. 89 ff.). Hierzu im Einzelnen: 2. Kap. § 11 (S. 103 f.). Hierzu im Einzelnen: 2. Kap. § 11 A. (S. 105 ff.). Hierzu im Einzelnen: 2. Kap. § 11 B. (S. 101 ff.). Hierzu im Einzelnen: 2. Kap. § 11 C. (S. 113 ff.). Hierzu im Einzelnen: 2. Kap. § 11 C. II. (S. 116 ff.). Hierzu im Einzelnen: 2. Kap. § 11 D. (S. 118 ff.). Hierzu im Einzelnen: 2. Kap. § 11 E. (S. 120 ff.).

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Abschließendes Kapitel: Zusammenfassung und Thesenbildung

§ 35 Die Sonderprivatrechte im Lichte der Systemvorgaben Auch wenn das Vertragsrecht in die staatlich gebundene Normenhierarchie eingebunden ist (Stufenbau der Rechtsordnung), kann auf ethisch-rationale und wirtschaftsfunktionale Überlegungen bei der Vertragsrechtsrevision nicht verzichtet werden. 32 Zwar ist Vertragsrecht (im internationalen Vergleich nicht nur in Deutschland sondern in allen nordischen Staaten und so gut wie allen Ländern des civil law system) fast ausschließlich privates Recht33, was das Verbrauchervertragsrecht in Anbetracht seiner zahlreichen öffentlichrechtlichen Elemente nicht anzuerkennen scheint. 34 Trotzdem können der Zweiteilung der Rechtsordnung in öffentliches und privates Recht aber keine apriorischen Vorgaben für die Ausgestaltung der Sonderprivatrechte entnommen werden. 35 Denn im Grunde steht das Verbraucherrecht nicht nur im Einklang mit jüngeren Entwicklungstendenzen, die ambivalenten Mischrechtsbereichen einen größeren Gestaltungsspielraum zuerkennen. Auch abstrakt-dogmatische Überlegungen und verfassungsrechtliche Reflexionsbetrachtungen führen zu der Erkenntnis, dass die Rechtsordnungsdichotomie keine kategorischen Kodifi kationsschranken aufzustellen vermag, sondern vertragsrechtlich lediglich anmahnt, den Vorrang des Wettbewerbs vor der Regulierung zu beachten. 36 Im Lichte der Forderung nach einer einheitlichen Wirtschaftsverfassung betrachtet scheint das Vertragsrecht mehrere rechtspolitisch divergierende Vertragsrechtsmodelle in sich zu vereinigen37: – Das BGB geht ersichtlich von einem Modell bloß prozeduraler Fairness aus, das sich durch ein hohes Maß an Selbstverantwortung und eine grundsätzliche Ablehnung inhaltlicher Fairnessüberlegungen (aufbauend auf einer von der conditio humana abstrahierten Rechts- und Geschäftsfähigkeit) auszeichnet. 38 Abgesehen von eng begrenzten Einzeldurchbrechungen des Selbstverantwortungsprinzips (§ 125 S. 1, §§ 134, 138 BGB) übernimmt das Vertragstypenrecht mit seiner dispositiven Ausgestaltung in erster Linie eine Ergänzung- und keine Kontrollfunktion. 39 – Bei dieser Dispositivität bleibt das Verbraucherrecht nicht stehen, sondern wandelt viele abdingbare Vorschriften des Vertragsrechtsfundaments materiell- und kollisionsrechtlich in (halb-) zwingendes Rahmenrecht um.40 Dem 32 33 34 35 36 37 38 39 40

Vgl. 2. Kap. § 12 A. (S. 123 f.). Vgl. 2. Kap. § 12 B. I. (S. 125 f.). Hierzu im Einzelnen. 2. Kap. § 12 B. III. (S. 129 ff.). Hierzu im Einzelnen: 2. Kap. § 12 B. (S. 134 ff.). Hierzu im Einzelnen: 2. Kap. § 12 B. V. 3. (S. 138 ff.). Hierzu im Einzelnen: 2. Kap. § 13 (S. 140 ff.). Hierzu im Einzelnen: 2. Kap. § 13 C. I. (S. 145 ff.). Hierzu im Einzelnen: 2. Kap. § 13 C. II. (S. 147 ff.). Vgl. 2. Kap. § 13 C. III. (S. 149 ff.).

§ 36 Begriffsimmanenz des Gleichheits- und Freiheitsausgleichs?

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Verbraucher wird zwar formal volle Geschäftsfähigkeit zuerkannt, materiell sind rechtlich nachteilige Geschäfte aber ähnlich wie bei Minderjährigen eingeschränkt. Kollisionsrechtlich schlägt sich dies dergestalt nieder, dass sich IPR-Vorschriften am materialen Recht und nicht an autarken Kriterien orientieren.41 – Im Gegensatz hierzu gelangt im Handelsrecht ein geradezu transzendiertes Freiheitsverständnis zum Ausdruck. Die bürgerlich-rechtlichen Anforderungen an die Selbstbestimmung werden nicht herauf- sondern herabgesetzt und die Obliegenheit zur Selbstverantwortung korrespondierend dazu nicht erhöht sondern verringert.42 Viele Rechtsfolgen beruhen nicht auf dem Willensprinzip, sondern auf dem Verkehrsschutzgedanken. Müsste jede Vertiefung der Systemzergliederung bei dieser Ausgangslage Ergebnisse hervorrufen, die den Konsens über ein einheitliches Freiheitsverständnis erschweren, besteht andererseits berechtigter Anlass zu der Annahme, dass die vorbeschriebene contradictio in adiecto über gemeinsame Verbindungselemente (wie den Freiheits- und Gleichheitsaussagen der Verfassung und den Marktparadigmen der europäischen Grundfreiheiten) aufgelöst werden kann. Während es die Grundrechte als objektive Prinzipien ausschließen, dass der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum dergestalt missbraucht, dass er spezifisch nur in Teilbereichen der Vertragsrechtsordnung grundrechtliche Freiheiten verkürzt, bieten die Grundfreiheiten auf Gemeinschaftsebene einen Rahmen, um die Verbindungslinie zwischen allgemeinen und gruppenspezifischen Vertragsrechten über das Bindeglied übergeordneter Deregulierung wieder herzustellen.43

§ 36 Begriffsimmanenz des Gleichheitsund Freiheitsausgleichs? Betrachtet man im Sinne dieser gemeinsamen Verbindungselemente zunächst die Grundrechte als Legitimitätsparameter für den sondervertragsrechtlichen Gleichheits- und Freiheitsausgleich, ist als Ausgangsbetrachtung festzustellen, dass sonderprivatrechtliche Typenbildungen nur dann dem Gleichheitssatz standhalten können, wenn zwischen den umschriebenen Systemgruppen unabhängig von den Umständen im Einzelfall solche Unterschiede bestehen, dass eine typisierende Ungleichbehandlung notwendig wird.44 Dem Gesetzgeber

41 42 43 44

Hierzu im Einzelnen: 2. Kap. § 13 C. III. 2. (S. 151 f.). Hierzu im Einzelnen: 2. Kap. § 13 C. IV. (S. 153 ff.). Hierzu im Einzelnen: 2. Kap. § 13 D. (S. 157 ff.). Vgl. 3. Kap. § 15 (S. 162).

500

Abschließendes Kapitel: Zusammenfassung und Thesenbildung

steht dabei ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zu.45 Die Gleichheit bildet in diesem Interessenkonglomerat nach den Aussagen des Grundgesetzes keinen normativen Wert an sich, sondern erfüllt gegenüber der Freiheit nur eine dienende Funktion.46 Die Privatautonomie ihrerseits steht auf Grund ihrer grundrechtlichen Perpetuierung nicht zur Totaldisposition des Staates, sondern erfährt im Grunde durch das Interaktionsverhältnis zwischen positiver Ausgestaltung und vorgegebenem Autonomiepostulat ihre Prägung: Während die privatautonome Vertragsgestaltung zum einen nur Rechtswirksamkeit hat, wenn und soweit die Rechtsordnung dies bestimmt, legt zum anderen die Rechtsordnung die Rechtsfolgen gerade deshalb fest, weil es ein rechtliches Grundprinzip gibt, welches die Anerkennung der Privatautonomie als Teil der Anerkennung der Selbstbestimmung des Menschen fordert.47 Obwohl das BGB mit seinen Generalklauseln in Anbetracht der stets einzelfallbezogenen Entscheidungsmöglichkeit den Anschein erweckt, als wären ihm jegliche Typisierungstendenzen fremd, lag ihm bereits bei seinem Inkrafttreten ein ganz bestimmter (abstraktionsfeindlicher) Bezugspunkt zugrunde: Modell stand das besitzende Bürgertum, an dessen Unternehmerklasse sich die Regeln des BGB heimlich ausrichteten.48 Auch wenn das Verbraucherrecht zu dieser heimlichen Typenfi xierung einen interessengerechten Ausgleich zur Verfügung stellt, indem es für feststehende Situationstypen genau defi nierte Ausgleichsinstrumente bereit hält, zeichnet es sich methodologisch durch eine grundrechtsbezogene Statik aus. Als Normmaterie ist es nicht wertneutral, sondern spezifisch durch den aktuellen Gemeingeist geprägt (moderne Grundrechtsfunktion der Leistungs- und Teilhaberechte) und könnte sich demzufolge einem grundrechtlichen Wertewandel nicht mit der real erforderlichen Flexibilität anpassen.49 Weil es sich bei dem Vertragsbegriff um kein natürliches Phänomen, sondern um einen normativ-realen Abstraktionsbegriff handelt, ist man im Rahmen jeder Grundrechtsprüfung darauf angewiesen, bei der (einfachgesetzlichen) Rechtsordnung eine Anleihe zu machen, um anhand der notwendigen Ausgangskonstante zu erfahren, von welchem Vertragsbegriff grundrechtlich überhaupt auszugehen ist. 50 Eine berechtigte Frage, die sich vor diesem Hintergrund sonderprivatrechtlich stellt, besteht darin, ob möglicherweise bereits der (im Ausgang nicht zu hinterfragende) Vertragsbegriff Elemente sonderprivatrechtlicher Systembildung aufweist. Die Vertragsrechtsdivergenz wäre dann (bis zu einem bestimmten Grade) systemimmanent. Ob und inwieweit 45 46 47 48 49 50

Vgl. 3. Kap. § 15 (S. 163). Hierzu im Einzelnen: 3. Kap. § 15 A. (S. 163 f.). Hierzu im Einzelnen: 3. Kap. § 15 B. (S. 164 ff.). Hierzu im Einzelnen: 3. Kap. § 16 B. (S. 169 f.). Hierzu im Einzelnen: 3. Kap. § 16 C. I. (S. 171 f.). Vgl. 3. Kap. § 17 (S. 177 f.).

§ 36 Begriffsimmanenz des Gleichheits- und Freiheitsausgleichs?

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von einer derartigen Systemimmanenz auszugehen ist, lässt sich nur induktiv ermitteln, nämlich anhand einer Untersuchung, in welchem Maße die in der Literatur vertretenen Vertragsrechtsmodelle einer sonderprivatrechtlichen Begriffsimmanenz das Wort reden bzw. ob im Wege der Rechtsvergleichung der Vertragsrechtskodifi kationen der EG-Mitgliedstaaten ein sonderprivatrechtlicher Begriffsgehalt festzustellen ist. 51 – Anhand der vertragstheoretischen Literatur ist die Frage nicht einfach zu beantworten, inwieweit ein unterschiedliches persönliches oder rollenspezifisches Sonderrecht für typisierbare Teilnehmer am Rechtsverkehr bereits dem Vertragsbegriff zugrunde liegt. Abgesehen von der pluralistischen Ausrichtung vertragstheoretischer Ansätze (willenstheoretisch, konsenstheoretisch, wohlfahrtsökonomisch, welfaristisch) werden sonderprivatrechtliche Methodenfragen in der Literatur meist nur am Rande erörtert. So liefert Schmidt-Rimplers Lehre von der Richtigkeitsgewähr zwar wertvolle Hinweise im Hinblick auf praeterlegale Bezugspunkte, leistet bei der sonderprivatrechtlichen Konkretisierung des Vertragsbegriffs aber keine Hilfestellung. 52 Ebenso lassen sich Flumes Ausführungen zur Privatautonomie keine Anhaltspunkte für eine »Institutsimmanenz der Sonderprivatrechte« entnehmen. 53 In M. Wolfs Dogmatik zur Entscheidungsfreiheit gelangen zumindest implizit Sympathiebekundungen für die Sachgerechtigkeit von b2c-Typisierungen zum Ausdruck 54 , während Dauner-Lieb dem sozialen Verbraucherschutzmodell und vertragsbegriffl ichen Gruppentypisierungen skeptisch gegenüber steht 55. Hönn scheint eine Qualifi zierung der sonderprivatrechtlichen Typisierungen als verfassungsgemäßen Gleichheits- und Freiheitsausgleich nicht auszuschließen (auch wenn er zu der Frage der Begriffsimmanenz solcher Konzepte keine direkten Aussagen trifft) 56 und auch L. Raisers Funktionsbetrachtung macht es nicht unmöglich, Willensmodifi zierungen – etwa in Gestalt der »Annahme durch Schweigen« (Handelsrecht) oder der »Widerrufl ichkeit ohne Sachgrund« (Verbraucherrecht) – mit dem inneren Rechtsordnungssystem in Einklang zu bringen. 57 Reichs Vorschlag, das Zivilrecht kategorisch in ein Unternehmens-, Verbraucher- und Bürgerrecht zu unterteilen, ist in seiner sozialen Dimension zwar ähnlich realitätsfern wie Reifners prinzipielle und symptomatische Zivilrechtskritik 58 ; zumindest liefert er aber hilfreiche Anhaltspunkte, die Unternehmer- und Verbrauchertypisierung vertragstheoretisch nicht als apriorisch zu deklarieren, sondern sie durch außerjuristische Leitbilderwägungen zu rechtfertigen 59. Auch die ökonomische Rechtsanalyse leistet letztlich nicht mehr als eine Hilfestellung. 60

51 52 53 54 55 56 57 58 59 60

Hierzu im Einzelnen: 3. Kap. § 17 (S. 179 ff.). Hierzu im Einzelnen: 3. Kap. § 17 A. I. (S. 179 ff.). Hierzu im Einzelnen: 3. Kap. § 17 A. II. (S. 182 ff.). Hierzu im Einzelnen: 3. Kap. § 17 A. III. (S. 184 ff.). Hierzu im Einzelnen: 3. Kap. § 17 A. IV. (S. 187 ff.). Hierzu im Einzelnen: 3. Kap. § 17 A. V. (S. 190 ff.). Hierzu im Einzelnen: 3. Kap. § 17 A. VI. (S. 193 ff.). Hierzu im Einzelnen: 3. Kap. § 17 A. VII. (S. 196 ff.). Hierzu im Einzelnen: 3. Kap. § 17 A. VIII. (S. 198 ff.). Hierzu im Einzelnen: 3. Kap. § 17 A. IX. (S. 201 ff.).

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Abschließendes Kapitel: Zusammenfassung und Thesenbildung

– Ähnlich ambivalent fällt die Suche nach einem allgemeinen Rechtsgrundsatz aus, mit dem (anhand einer Rechtsvergleichung der Rechtsordnungen der EU-Mitgliedstaaten) die Grenze zwischen Ausgestaltung und Einschränkung der Vertragsfreiheit festgelegt werden könnte.61 Innerhalb des romanisch-kontinentalen Rechtskreises mit dualistischem Privatrecht basiert jedenfalls das französische Vertragsrecht trotz jüngerer Reformbestrebungen immer noch auf einem Vertragsmodell, welches neben die abstrakt-generellen Regeln des allgemeinen Vertragsrechts gruppenspezifi sche Sonderregeln für Verbraucher, Unternehmer und Kaufleute stellt; Anhaltspunkte, die gegen einen dreidimensionalen Vertragsbegriff sprechen, sind nicht ersichtlich. 62 Eine ähnliche Aussage lässt sich im Hinblick auf das belgische 63 und spanische Vertragsrecht treffen, auch wenn in Bezug auf Letzteres bereits systemändernde Reformüberlegungen diskutiert worden sind64 . Vollzogen wurde ein höchst innovativer Schritt in jüngster Zeit in Österreich, wo zwar weiterhin ein vertragsrechtlicher Dreiklang existiert, das Handelsrecht aber an die verbraucherrechtliche Terminologie angepasst worden ist. 65 Davon abgesehen ist auch im romanischen Rechtskreis zunehmend der Übergang vom traditionell dualistischen System (Trennung von Handels- und Zivilrecht) zu einem monistischen Privatrechtssystem zu verzeichnen (Italien, Niederlande, Litauen). 66 Die nordischen Länder (Dänemark, Schweden) zeichnen sich als Mittelsländer zwischen kontinental-europäischem Recht und common law durch eine Symbiose zwischen abstrakt-theoretischem und konkret-pragmatischem System aus. Als Rechtsordnungen ohne spezielles Handelsrecht und mit langer Verbraucherrechtstradition treten sie vor allem durch ihren sozial-vertragstheoretischen Pragmatismus in Erscheinung. 67 Zwar kennt auch das englische common law kein besonderes Handelsrecht; auch eine typisierte Verbraucherdogmatik konnte sich hier in der klassischen »contract theory« (abgesehen von speziellen »doctrinal developments«) aber nicht entwickeln. 68

Vor diesem Hintergrund kann resümierend nur die Schlussfolgerung gezogen werden, dass für einen gemeineuropäischen Rechtsgrundsatz, aus dem sich die Begriffsimmanenz der Sonderprivatrechte ergäbe, mangels ausreichender Anhaltspunkte die notwendige Ausgangsbasis fehlt.

§ 37 Drittwirkungsgehalt und Schutzpflichtenlehre Auch Schutzpfl ichten- bzw. Drittwirkungsgedanken können im Ergebnis keinen Legitimationsrahmen für die Verschiebung der Freiheitsparameter durch das Handels- und Verbraucherrecht liefern. Während die Schutzpfl ichtenlehre 61 62 63 64 65 66 67 68

Vgl. 3. Kap. § 17 B. (S. 206 ff.). Hierzu im Einzelnen: 3. Kap. § 17 B. I. 1. (S. 207 ff.). Hierzu im Einzelnen: 3. Kap. § 17 B. I. 2. (S. 211 ff.). Hierzu im Einzelnen: 3. Kap. § 17 B. I. 3. (S. 213 ff.). Hierzu im Einzelnen: 3. Kap. § 17 B. II. (S. 217 ff.). Hierzu im Einzelnen: 3. Kap. § 17 B. III. (S. 219 ff.). Hierzu im Einzelnen: 3. Kap. § 17 B. IV. (S. 227 ff.). Hierzu im Einzelnen: 3. Kap. § 17 B. V. (S. 232 ff.).

§ 37 Drittwirkungsgehalt und Schutzpfl ichtenlehre

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auch maßgeblich dazu herangezogen wird, die Lenkungsaufgaben des Staates im Privatrechtsverkehr zu distribuieren, ist die Drittwirkungsproblematik in Bezug auf die Grundrechte und Grundfreiheiten eng mit der Frage nach dem Verflechtungsgrad zwischen Hoheits- und Privatrechtsbereich verknüpft.69 Für die Gesetzgebung ist der Streit um die Drittwirkung der Grundrechte nur indirekt erheblich. Während grundsätzlich unstreitig ist, dass bei dem Erlass privatrechtlicher Legislativakte in gleicher Weise wie bei dem Erlass öffentlich-rechtlicher Gesetze die Grundrechte einzuhalten sind, können beim Interessenausgleich im Rahmen des gesetzgeberischen Abwägungsprozesses die zur mittelbaren Drittwirkung anerkannten Auslegungsgrundsätze Bedeutung gewinnen.70 Zwischen Privaten ist eine unmittelbare Drittwirkung allerdings abzulehnen, zumal sie als Legitimationsgrund vertragsrechtlicher Sphärenbetrachtungen selbst im Verbrauchervertragsrecht ungeeignet ist.71 Im Bereich der Grundfreiheiten ist eine unmittelbare Drittwirkung zwar zu bejahen, was zur Folge hat, dass auch der Marktbürger im Bereich seiner privatautonomen Eigensphäre in die Verantwortung genommen wird, keine Schranken zu errichten, welche die Schaffung des Binnenmarktes beeinträchtigen könnten. Ein Argument, die Aufspaltung des Vertragsrechts, die Aufrechterhaltung von Sonderprivatrechten und die Berücksichtigung von Gruppeninteressen zu rechtfertigen, liefert dies jedoch nicht, denn ihrem Schutzzweck entsprechend sind die Grundfreiheiten gerade nicht auf Regulierung angelegt.72 Die grundrechtlichen Schutzpflichten kommen vertragsrechtlich dann zum Tragen, wenn der Gesetzgeber die Privatautonomie eines typisierungsfähigen Personenkreises entweder vollständig ungeregelt lässt, nicht hinreichend ausgestaltet oder die Rahmenumstände zur tatsächlichen Freiheitsausübung allgemein einschränkend oder einseitig belastend festlegt.73 Anerkennung fi nden sie nicht nur in der Rechtsprechung des BVerfG sondern auch im Rahmen der EG.74 Speziell im Vertragsrecht bestehen für die Annahme einer gesetzgeberischen Schutzpfl icht allerdings hohe Hürden, denn frei nach dem Grundsatz »volenti non fit iniuria« sind Verträge, deren Verhandlungsergebnis in freiwilliger Selbstbindung gefunden worden ist, auch dann für richtig zu halten, wenn sie objektiv inäquivalent und unvernünftig sind.75 Für die Vertragsrechtsdivergenz sind die Schutzpfl ichten in ihren Aussagen zu vage, um als Rechtfertigungsfaktor dienen zu können.76 Dies gilt auch im Hinblick auf die Grundfreiheiten, in deren Anwendungsbereich Schutzpfl ichten zwar seit dem 69 70 71 72 73 74 75 76

Vgl. 4. Kap. § 19 (S. 239 f.). Vgl. 4. Kap. § 19 A. (S. 240 f.). Vgl. 4. Kap. § 19 A. (S. 241 f.). Vgl. 4. Kap. § 19 B. (S. 245 f.). Vgl. 4. Kap. § 20 (S. 247). Hierzu im Einzelnen: 4. Kap. § 20 A. (S. 247 ff.). Hierzu im Einzelnen: 4. Kap. § 20 A. II. (S. 249). Hierzu im Einzelnen: 4. Kap. § 20 A. III. (S. 250 ff.).

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Abschließendes Kapitel: Zusammenfassung und Thesenbildung

»désordre public«-Urteil des EuGH anerkannt sind, das Fehlen privatrechtlicher Normen als solches aber nicht geeignet ist, einen Grundfreiheitenverstoß hervorzurufen.77

§ 38 Prinzipienbildung durch Leitbilderwägungen Als maßgeblicher Sachgrund für die ungleiche Freiheitsausgestaltung der Sonderprivatrechte kommen nur Rechtsprinzipien in Betracht, die der Gesetzgeber den sonderprivatrechtlichen Normgruppen sichtbar in Gestalt von Personenbildern zugrunde legt. Art und Ausmaß des jeweils konstruierten Personenbildes treffen Aussagen darüber, ob die Grenzen zwischen staatlicher Fremd- und Eigenverantwortung weit oder eng zu ziehen sind.78 – Dem BGB liegt als Grundkodifi kation des Privatrechts das Personenbild des ethischen Personalismus zugrunde; es geht davon aus, dass der Mensch als vernunftmäßig bestimmte Person sein Dasein und seine Umwelt im Rahmen der ihm jeweils gegebenen Möglichkeiten frei und verantwortlich gestaltet, sich Ziele setzt und sich selbst Schranken auferlegt.79 – Das Verbraucherrecht bringt dieses Personenbild nur auf der Ebene des Unternehmers zum Einsatz, während es der Ebene des Verbrauchers das EGprimärrechtlich durch die Grundfreiheiten geprägte Leitbild des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers zugrunde legt.80 – Für das Handelsrecht ist wiederum das Leitbild des umsichtigen Wirtschaftsteilnehmers maßgebend, was sich dogmatisch u. a. aus dem besonderen Rechtsgehalt des Grundrechts auf Unternehmer- bzw. Berufsfreiheit ableiten lässt.81 Im Einzelnen sind die Leitbilder Resultat des Stufenbaus der Rechtsordnung; in der Regel sind sie in höherrangigen Rechtsnormen (vor allem in den Grundfreiheiten und den Grundrechten) verankert. Hat der Verfassungs- bzw. Gesetzgeber – aufbauend auf bestimmten empirischen Erkenntnissen – ein Leitbild von einer typisierungsfähigen Menschengruppe gezeichnet, ist der Gesetzgeber bei der Gestaltung anderer Rechtsnormen, die im Stufenbau darunter anzusiedeln sind, nicht mehr ohne weiteres berechtigt, von diesen Leitbilderwägungen willkürlich abzuweichen. Ansonsten würde er Ungleichheit produzieren, die ohne Sachgrund dastünde, möglicherweise sogar verfassungswidrig 77 78 79 80 81

Hierzu im Einzelnen: 4. Kap. § 20 B. (S. 252 ff.). Hierzu im Einzelnen: 4. Kap. § 21 A. (S. 257 ff.). Hierzu im Einzelnen: 4. Kap. § 21 B. I. (S. 260 f.). Hierzu im Einzelnen: 4. Kap. § 21 B. II. (S. 262 ff.). Hierzu im Einzelnen: 4. Kap. § 21 B. III. (S. 276).

§ 39 Typisierungskonvergenz des Handels- und Verbraucherrechts

505

wäre. Können gesellschaftliche Veränderungen oder Erkenntnisse nachgewiesen werden, mit denen ein bestimmtes Leitbild neu zu defi nieren ist, bilden sich auf empirischer Grundlage neue Leitbildkoordinaten.82 Demgemäß sind die in der normativen Stufenordnung vorzufi ndenden Leitbilder nicht dauerhaft, sondern durch empirischen Nachweis widerlegbar.83 Zwischen der (einfach-) gesetzlichen Ausgestaltung des Handels- und Verbraucherrechts und den zugrunde liegenden Leitbildern existiert eine Wechselwirkung. Einerseits haben die Leitbilder als Rechtsprinzipien nur den Charakter von leitenden Rechtsgedanken, aus denen Entscheidungen eines Einzelfalls nicht unmittelbar, sondern nur vermöge ihrer Konkretisierung im Gesetz oder durch die Rechtsprechung gewonnen werden können; andererseits kann das Handels- und Verbraucherrecht nur dann Ausdruck eines gleichheits- und freiheitsbezogen legitimen Ausgleichs sein, wenn es das jeweilige Leitbild persönlich und sachlich in eine kongruente Typisierung umwandelt.84 Weil das Handels- und Verbraucherrecht in seiner positiv-rechtlichen Ausgestaltung maßgeblich auf dem subjektiven System aufbaut, sind der »Verbraucher«- und »Unternehmer«-Typus nicht nur konstituierender Baustein des jeweils zugrunde liegenden Leitbilds, sondern prägen als »normative Realtypen« (handelsrechtlich fl ankiert durch die Tradition des Kaufmannsbegriffs) auch den Typisierungsgehalt der (einfach-) gesetzlichen Umsetzung.85

§ 39 Typisierungskonvergenz des Handelsund Verbraucherrechts Hinsichtlich der Verbraucherrichtlinien wird in der Literatur die Frage nach der Leitbilddivergenz bzw. -konvergenz bereits diskutiert; es werden unterschiedliche Meinungen vertreten. Die b2c-Typisierung ist für eine kongruente Leitbildumsetzung jedenfalls nicht ausreichend.86 Vielmehr müssen objektive Situationen und Momente hinzutreten, um die implizite Unterstellung zu vermeiden, dass dem Verbraucher per se eine besondere wirtschaftliche Schwäche, intellektuelle Unterlegenheit oder marktstrukturell nachteilige Position eigen sei.87 Im Sinne einer derart objektiv vermittelten b2c-Fokussierung die Anschlussfrage zu stellen, ob und inwiefern die einzelnen Verbraucherrichtlinien mit ihren jeweiligen Schutzinstrumenten als leitbildgemäße Umsetzung

82 83 84 85 86 87

Hierzu im Einzelnen: 4. Kap. § 21 A. II. (S. 259). Vgl. 4. Kap. § 22 (S. 304 f.). Vgl. 5. Kap. (S. 307). Vgl. 5. Kap. (S. 307 ff., 358 ff.). Hierzu im Einzelnen: 5. Kap. § 23 A. I. (S. 310 ff.). Hierzu im Einzelnen: 5. Kap. § 23 A. I. 3. (S. 314 f.).

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Abschließendes Kapitel: Zusammenfassung und Thesenbildung

in Erscheinung treten, bedeutet zwangsläufig, das Übermaßverbot als Prüfungsmaßstab mit einzubeziehen.88 – Dies vorausgeschickt treten verbraucherrechtlich die Haustürgeschäfte-, die Fernabsatz- und die Verbraucherkreditrichtlinie als im wesentlichen leitbildkongruente Umsetzungsmaßnahmen in Erscheinung.89 Was die Klauselrichtlinie anbelangt, ist die dort vorgesehene Missbrauchskontrolle nicht nur in Bezug auf »standard forms« sondern auch in Bezug auf »adhesion terms« als verhältnismäßig einzustufen.90 »Standard forms« betreffend ist die persönliche Schutzeingrenzung auf b2c-Konstellationen allerdings zu eng.91 Teilweise überschritten wird der objektive Erforderlichkeits- und Geeignetheitsrahmen durch die Bestimmungen der Timesharingrichtlinie, die nicht nur die Informationsverarbeitungskapazitäten des Verbrauchers überstrapazieren (Informationspflichten), sondern in Gestalt ihres Widerrufsrechts auch ein Beispiel dafür bieten, dass Mindestharmonisierungskonzepte, die keine ausreichenden Rückausnahmen für gewachsene nationale Schutzinstrumente bieten (z. B. für einen Belehrungs- und Übereilungsschutz durch nationale Beurkundungsverfahren), gegen das Übermaßverbot verstoßen.92 Noch eklatanter ist das Legitimationsdefi zit bei der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie: Nicht nur der erforderliche objektive Schutzauslöser ist hier nicht vorhanden, sondern auch der Vorrang des freien Wettbewerbs wird durch die zwingende Ausgestaltung der Richtlinie missachtet.93 – Reflektiert man das Recht der Handelsverträge am Maßstab des Unternehmerleitbilds, so stehen der materielle (§ 1 Abs. 2 HGB) und formelle Typus des Kaufmannsbegriffs weitgehend im Einklang mit der leitbildgeprägten Systemperzeption.94 Formelle Aspekte wie die Eintragung in das Handelsregister sind für den Einzelkaufmann unerheblich, bei Formkaufleuten und Handelsgesellschaften dagegen konstituierend.95 Auch bei unternehmerischen (Personen-) Gesellschaften sollte sie (aus Subsidiaritätserwägungen) zwingend vorgesehen werden. Leitbilddefi zitär ist die Umsetzung des Unternehmerleitbilds hinsichtlich der freien Berufe und der Kleingewerbetreibenden 96, wohingegen sich die fehlende Unternehmereigenschaft von unselbstständig Berufstätigen noch in den äußeren Grenzen der Leitbildkonvergenz bewegt97. Wiederum in sachlicher Hinsicht nicht zu rechtfertigen ist die gesetzliche Ausgestaltung 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97

Hierzu im Einzelnen: 5. Kap. § 23 A. III. (S. 318 ff.). Hierzu im Einzelnen: 5. Kap. § 23 A. (S. 318 ff.). Hierzu im Einzelnen: 5. Kap. § 23 A. III. 4. (S. 324 ff.). Hierzu im Einzelnen: 5. Kap. § 23 A. IV. 5. (S. 342 ff.). Hierzu im Einzelnen: 5. Kap. § 23 A. III. 5. und V. 6. (S. 328 ff., 350 f.). Hierzu im Einzelnen: 5. Kap. § 23 A. III. 6. und V. 1. (S. 344 ff., 345 f.). Hierzu im Einzelnen: 5. Kap. § 24 A. (S. 359 ff.). Hierzu im Einzelnen: 5. Kap. § 24 A. (S. 361 ff.). Hierzu im Einzelnen: 5. Kap. § 24 B. (S. 365 ff., 374 ff.) Hierzu im Einzelnen: 5. Kap. § 24 B. II. (S. 373 ff.).

§ 40 »Privatrechtliche Marktliberalisierung« und Grundfreiheitenkonvergenz 507

des Letztverkäuferregresses (§§ 478, 479 BGB).98 Einen neuralgischen Punkt der Umsetzung betreffen die einseitigen Handelsgeschäfte (§ 343 HGB), die nur insofern als leitbildkongruent erachtet werden könnten, als sie sich auf verbrauchergünstige Regelungen beschränkten.99 Ac hoc-Schlussfolgerungen lassen sich aus den handels- und verbraucherrechtlichen Leitbildverzerrungen methodologisch nicht ziehen. Denn trotz der teilweisen Systemwidrigkeit des Handels- und Verbraucherrechts ist dem Richtlinien- bzw. Gesetzgeber eine teleologische Reduktion nicht möglich (Verbraucherrecht) 100 ; andererseits sind ihm mangels planwidriger Regelungslücken Analogieschlüsse verwehrt (Handelsrecht).101

§ 40 »Privatrechtliche Marktliberalisierung« und Grundfreiheitenkonvergenz Was grenzüberschreitende Sachverhalte anbelangt, setzen die Grundfreiheiten durch den von ihnen ausgehenden Anwendungsvorrang nicht nur Maßstäbe für hoheitliches Tätigwerden und gewähren marktfreiheitliche Rechte, sondern stellen wegen des Stufenbaus der Rechtsordnung auch einen maßgeblichen Pfeiler für die sonderprivatrechtliche Leitbildgewinnung dar. Von ihnen geht nicht nur ein Verbot jeder offenen oder unmittelbaren Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit bzw. der Herkunft einer Ware oder Dienstleistung aus; auch diskriminierungsfreie Beschränkungen werden erfasst und können verboten sein. Allerdings ist in diesem Zusammenhang zwischen Produkt- und Verkaufsmodalitäten sowie gegebenenfalls zwischen dem Anwendungsbereich der einzelnen Grundfreiheiten zu differenzieren. Wie sich aus der Rechtsfortbildung zur Warenverkehrsfreiheit ergibt, die auch auf die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit zu übertragen sein dürfte, können diskriminierungsfreie Beschränkungen – trotz Nichteingreifens eines ausdrücklichen Rechtfertigungstatbestandes – zulässig sein, wenn sie erforderlich sind, um ein zwingendes Allgemeininteresse nichtwirtschaftlicher Art zu verfolgen (Produktmaßnahmen) oder wenn sie in- und ausländische Wirtschaftsteilnehmer rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise betreffen (Verkaufsmodalitäten).102 Auch wenn primäre Verbotsadressaten der Grundfreiheiten die Mitgliedstaaten sind, lässt nicht zuletzt die EuGH-Rechtsprechung Rückschlüsse darauf zu, dass auch die Gemeinschaftsorgane beim 98

Hierzu im Einzelnen: 5. Kap. § 24 B. III. 4. (S. 381 ff.). Hierzu im Einzelnen: 5. Kap. § 24 C. (S. 383 ff.). 100 Vgl. 5. Kap. § 23 B. II. (S. 357 f.). 101 Hierzu im Einzelnen: 5. Kap. § 24 D. (S. 392 ff.). 102 Hierzu im Einzelnen: 6. Kap. § 27 B. (S. 417 ff.). 99

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Abschließendes Kapitel: Zusammenfassung und Thesenbildung

Normerlass an die Vorgaben der Grundfreiheiten gebunden sind.103 Für die (Leitbild-) Überprüfung am Maßstab der Grundfreiheiten hat dies zur Folge, dass zwischen dem (überwiegend auf EG-Rechtsakten beruhenden) Verbraucherrecht und dem (überwiegend autark national kodifizierten) Handelsrecht keine Unterschiede zu machen sind.104 Von einem per se-Verstoß der Vertragsrechtsdivergenz gegen die Grundfreiheiten kann nicht ausgegangen werden, da bei reinen Rechtsordnungsunterschieden nur unter qualifi zierten Voraussetzungen eine Beeinträchtigung des Binnenmarktprinzips in Betracht zu ziehen ist.105 Die Grundfreiheiten verkörpern auch keine eigenen Kollisionsregeln für den Privatrechtsverkehr; vielmehr sind kollisionsrechtliche Vorschriften an ihrem Beschränkungsverbot zu messen.106 Vertragsrechtliche Einzelnormen (bei denen im Gegensatz zu öffentlich-rechtlichen Normen kein zwei- sondern ein dreidimensionales Verhältnis betroffen ist) können ihrerseits nur dann gegen die Grundfreiheiten verstoßen, wenn die mit ihnen einhergehende mittelbare bzw. potenzielle Beschränkung des zwischenstaatlichen Handelsverkehrs hinreichend substanziierbar ist.107 Dies setzt voraus, dass die in Frage stehende Norm weder kollisions- noch sachprivatrechtlich abdingbar ist, für die Vertragsparteien also eine zwingende Wirkung entfaltet.108 Ist im Einzelfall eine derart zwingende Norm gegeben, muss an zweiter Stelle regelmäßig die Einordnung der jeweils in Frage stehenden (zwingenden) Norm in die Kategorien der Produktmaßnahmen (Notwendigkeit zur Verfolgung eines zwingenden Allgemeininteresses) und Verkaufsmodalitäten (diskriminierungsfreie Anwendung) erfolgen. Sachgerecht dürfte in diesem Zusammenhang die Differenzierung sein, dass Regelungen, die lediglich eine bestimmte Art des Vertriebs betreffen, einschränken oder verbieten, andere Vertriebswege für das in Frage stehende Produkt aber unberührt lassen, als bloße Verkaufsmodalitäten einzustufen sind; zwingende Vorschriften dagegen, die den Vertrieb für das betreffende Produkt generell unmöglich machen, würden als Produktmaßnahmen in Erscheinung treten.109 Verglichen mit den handelsrechtsrelevanten Normen können die verbraucherrechtlichen kollisions- und sachrechtlichen Vorschriften nicht allein wegen ihres Rechtsangleichungscharakters als grundfreiheitenkonform eingestuft werden. Denn dies würde dem Umstand widersprechen, dass auch die Gemeinschaftsorgane die Vorgaben der Grundfreiheiten einhalten müssen 103 104 105 106 107 108 109

Hierzu im Einzelnen: 6. Kap. § 27 A. I. 2. (S. 411 ff.). Hierzu im Einzelnen: 6. Kap. § 27 A. (S. 416 ff.). Hierzu im Einzelnen: 6. Kap. § 28 A. (S. 422 ff.). Hierzu im Einzelnen: 6. Kap. § 29 A. (S. 433 ff.). Hierzu im Einzelnen: 6. Kap. § 28 B. (S. 425 ff.). Hierzu im Einzelnen: 6. Kap. § 28 B. III. (S. 428 ff.). Hierzu im Einzelnen: 6. Kap. § 28 C. (S. 429 ff.).

§ 40 »Privatrechtliche Marktliberalisierung« und Grundfreiheitenkonvergenz 509

und (diskriminierungsfreie) Beschränkungen durch die EG-Organe keine geringeren marktfreiheitlichen Eingriffe hervorrufen als (diskriminierungsfreie) Beschränkungen, die – gegebenenfalls konzertiert – von den Mitgliedstaaten ausgehen.110 In Anbetracht der Tatsache, dass die für das Verbraucherrecht maßgeblichen kollisionsrechtlichen Vorschriften weitgehend zwingend sind (vgl. Art. 29, 29a EGBGB)111, können die (auch materiellrechtlich in der Regel zumindest halbzwingenden) verbraucherrechtlichen Sachnormen so gut wie durchgängig an den Grundfreiheiten des Gemeinschaftsrechts gemessen werden. – Hinsichtlich der Zulässigkeit der verbraucherrechtlichen Informationspflichten ist dabei wie folgt zu differenzieren: Grundsätzlich treten Aufklärungspfl ichten als Verkaufsmodalitäten in Erscheinung, weil sie einen Vertrag nicht an sich in Frage stellen sondern binnenmarktfördernd wirken. Sie liefern einen wichtigen Beitrag zur Schaffung eines einheitlichen Kenntnisstandes über die Grenze hinweg und können so zu mehr Markttransparenz führen und das Geschäftsabschlussverhalten der Marktteilnehmer steigern. Andererseits handelt es sich bei Informationspfl ichten um Regelungen der Vermarktungsform, deren Nichteinhaltung verbraucherrechtlich zu einem Widerruf und damit zu einer Revision des gesamten Vertrages führen kann.112 Dies vorausgeschickt sind die Aufklärungspfl ichten der Haustürgeschäfte- und Fernabsatzrichtlinie als reine Vertriebsmodalitäten einzustufen und infolgedessen unproblematisch.113 Als produktbezogen treten dagegen die Informationspfl ichten der Verbraucherkredit- und Timesharingrichtlinie in Erscheinung, wobei der Beschränkungsgehalt des timesharingbezogenen Aufklärungskatalogs letztlich über das hinausgeht, was zum Schutz eines verständigen Durchschnittsverbrauchers notwendig und geeignet ist.114 – Verbraucherrechtliche Widerrufsrechte sind zwar grundsätzlich als Vertriebsmodalitäten einzustufen, je nach Regelungsintention können sie aber auch produktbezogene Wirkung entfalten.115 Während die Widerrufsrechte der Haustür- und Fernabsatzrichtlinie in Anbetracht ihres Vertriebscharakters unproblematisch sind, wäre das verbraucherkreditbezogene Widerrufsrecht – selbst wenn man von einer Produktmaßnahme ausginge – zumindest einer Rechtfertigung zugänglich (Erforderlichkeit zum Schutz des verständigen Durchschnittsverbrauchers). »Brüchig« ist dagegen die Rechtfertigungsbasis für das Widerrufsrecht nach der Timesharingrichtlinie, insbesondere

110 111 112 113 114 115

Vgl. 6. Kap. § 29 (S. 432 ff.). Vgl. 6. Kap. § 29 A. III. (S. 436 ff.). Vgl. 6. Kap. § 29 B. I. 1. (S. 443 f.). Vgl. 6. Kap. § 29 B. I. 2. (S. 445). Hierzu im Einzelnen: 6. Kap. § 29 B. I. 2. (S. 445 ff.). Hierzu im Einzelnen: 6. Kap. § 29 B. II. (S. 448 ff.).

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Abschließendes Kapitel: Zusammenfassung und Thesenbildung

wenn man davon ausginge, dass die Leitbildwidrigkeit der Informationspfl ichten auf die Verlängerung der Überlegungsfrist abfärben würde.116 – Was die Inhaltskontrolle nach der Klausel- bzw. Verbrauchsgüterkaufrichtlinie anbelangt, bestehen grundsätzlich keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten.117 Von dem Recht der Handelsverträge geht in Anbetracht seiner kollisionsrechtlichen Abwählbarkeit zwar grundsätzlich nicht die Gefahr einer realistischen Grundfreiheitenverletzung aus. In Anbetracht der (kollisionsrechtlich zwingenden) Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft ist ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten aber auch nicht auszuschließen.118 Die in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Varianten zur Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft beschränken sich im wesentlichen auf zwei Modelle: den Ort der gewerblichen Niederlassung des Unternehmens und die lex causae.119 Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das Unternehmerleitbild im Rechtsordnungsvergleich eine ausgesprochen heterogene Umsetzung erfahren hat (Kaufmannsbegriff, Unternehmerbegriff, Fehlen jeglicher Kaufmannstypisierung etc.) 120, ist in Fällen, in denen ausnahmsweise (kollisions- und sachprivatrechtlich) zwingende Normen des Handelsrechts grundfreiheitlich zur Überprüfung anstehen, nicht auszuschließen, dass die Art und Weise der deutschen Kaufmanntypisierung dem Binnenmarktprinzip zuwider läuft.121 Steht beispielsweise im Anwendungsbereich der § 766 BGB, § 350 HGB die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft in Frage und kann ein Freiberufler je nachdem, ob seine Kaumannsqualifi zierung sich nach österreichischem Recht (Bejahung der »Kaufmanns«-Eigenschaft) oder deutschem Recht beurteilt (Verneinung der Kaufmannseigenschaft), ein Bürgschaftsversprechen formfrei oder nur formbedürftig übernehmen, so setzt sich die Abgrenzung des deutschen Kaufmannsbegriffs (in Anbetracht der Tatsache, dass der Übereilungsschutz nach § 766 BGB nur als genereller oder als verbraucherspezifi scher grundfreiheitlich rechtfertigungsfähig wäre) einmal mehr dem Vorwurf der fehlenden Folgerichtigkeit aus.122

116 117 118 119 120 121 122

Hierzu im Einzelnen: 6. Kap. § 29 B. II. (S. 450 f.). Hierzu im Einzelnen: 6. Kap. § 29 B. III. (S. 450 ff.). Vgl. 6. Kap. § 30 (S. 455 f.). Hierzu im Einzelnen: 6. Kap. § 30 A. (S. 456 ff.). Hierzu im Überblick: 6. Kap. § 30 A. III. (S. 467 ff.). Vgl. 6. Kap. § 30 B. (S. 477 ff.). Vgl. hierzu die verständnisfördernden Fallbeispiele im 6. Kap. § 30 (S. 480 ff.).

§ 41 Resümierende Thesen zur Vertragsrechtsdivergenz

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§ 41 Resümierende Thesen zur Vertragsrechtsdivergenz Bereits nach der Defi nition für Sonderprivatrechte sind die handels- und verbraucherrechtlichen Normgruppen auf Rückeingliederung in das Pandektensystem angelegt. Denn Sonderprivatrechte wie das Handels- und Verbraucherrecht zeichnen sich dadurch aus, dass sie den Einzelnen bzw. den jeweils angesprochenen Adressatenkreis in seinem Freiheitsanspruch in typisiert anderer Art und Weise als das klassische Pandektenrecht tangieren. Diese anders typisierte Freiheitsgewähr ließe sich nur dann aufrechterhalten, wenn eine Aufgliederung der sonderprivatrechtlichen Normmaterie auf die Systemteile des Pandektenrechts nicht ohne wesentliche Modifi kationen der Sondernormmaterie möglich wäre bzw. für die typisierungsbedingte Ungleichbehandlung keine ausreichende Rechtfertigungsbasis existierte. Letztlich kommen als Legitimationsgrund der sonderprivatrechtlichen Ungleichbehandlung Leitbilder in Gestalt von Rechtsprinzipien in Betracht (Verbraucher- bzw. Unternehmerleitbild), die normativ aus höherrangigen Normen bzw. aus (abweichenden) empirischen Erkenntnissen gewonnen werden müssen. Sie treten als ausreichender Rechtfertigungs- bzw. Sachgrund in Erscheinung, um eine nicht am Individualtypus, sondern am Typenmodell orientierte Ungleichbehandlung in der Freiheitsgewähr konstituieren (und kontrollieren) zu können. Dagegen bilden weder vertragstheoretische Modellansätze noch grundrechtliche oder grundfreiheitliche Schutzpfl ichten per se einen rechtfertigenden Sachgrund für den Gesetzgeber, Handels- und Verbraucherverträge typisierend abweichend zu regeln. Auch ließe sich im Wege der Rechtsvergleichung kein allgemeiner ungeschriebener Systematisierungsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts ermitteln, der eine solche Sonderbehandlung erforderlich machte. Aus der Zulässigkeit der Reflexion von Leitbilderwägungen (und der Möglichkeit, Unternehmer- und Verbraucherleitbilder normativ bzw. empirisch herzuleiten) besteht kein konkreter Anlass, einer generellen Integration des Handels- und Verbraucherrechts in das bürgerliche Recht im Sinne einer pauschalen Abschaffung der Sonderprivatrechte das Wort zu reden. Von einem Vorrang der »Generalklausel« vor dem »Typisierungstatbestand« bzw. einer Nachrangigkeit des objektiven gegenüber dem subjektiven System dürfte demgemäß nicht auzugehen sein. Andererseits stellt sich bei der Durchführung der (zur Aufrechterhaltung als Sonderprivatrecht notwendigen) Leitbildreflexion allerdings heraus, dass das aktuelle Recht der Handelsverträge an einem erkennbar subjektiv ausgerichteten Liberalisierungsdefi zit krankt, wohingegen das Verbrauchervertragsrecht primär objektive Materialisierungsüberhänge aufweist.

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Abschließendes Kapitel: Zusammenfassung und Thesenbildung

Im einzelnen sorgt das Verbraucherrecht über unverhältnismäßige Informationspfl ichten und zwingende Gewährleistungsregeln dafür, dass nicht nur auf nationaler Ebene eine Systemüberschreitung von Leitbilderwägungen, sondern auch auf zwischenstaatlichem Niveau eine Kollision mit den grundfreiheitlichen Beschränkungsverboten hervorgerufen werden kann. Demgegenüber sind es im Handelsvertragsrecht neben dem generellen Adaptionsbedarf an die moderne Vertragspraxis die Wertungswidersprüche im Recht der einseitigen Handelsgeschäfte sowie die mangelnde Folgerichtigkeit des Kaufmannsbegriffs, die nach einer leitbildkongruenten Neuausrichtung verlangen. Historisch liegt der Vorwurf nahe, dass es sich bei den aktuellen Leitbildüber(bzw. unter-)schreitungen teilweise um entwicklungsbedingte Defi zite handelt – Defi zite, die im Handelsvertragsrecht subjektiv in Erscheinung treten (indem der Kaufmannsbegriff bereits bei seiner ursprünglichen Kodifikation u. a. vorschnell aus obsoleten Handelsusancen deduziert wurde, um Rechtseinheit im Deutschen Reich herzustellen), bzw. – Defi zite, die sich im Verbrauchervertragsrecht objektiv bemerkbar machen (indem b2c-Schutzregeln zwecks EU-Integrationssteigerung u. a. auf Sachbereiche ausgedehnt wurden, die das Prädikat Verbraucherschutz systematisch nicht verdienen). Die Leitbildreflexion als privatrechtliches Methodenmittel stellt eine fortwährende Diagnosemöglichkeit zur Verfügung um zu überprüfen, inwiefern die handels- und verbraucherrechtlichen Normen mit den ihnen zugrunde liegenden Leitbildern übereinstimmen oder mit dem Aussagegehalt dieser Rechtsprinzipien in Widerspruch stehen. Auch bei der Konzeption des künftigen europäischen Einheitsrechts sollte dies berücksichtigt werden, wobei gerade Deutschland durch eine wirklichkeitsgerechte Systemrevision des Handelsvertragsrechts eine wichtige Vorreiterrolle einnehmen könnte.

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auf das Zivilrecht, öffentliche Recht und Strafrecht: Mannheimer Fakultätstagung über 50 Jahre Grundgesetz, Heidelberg: C. F. Müller, 1999 Wolter, Udo: Was ist heute Handelsrecht? – Eine Einführung in einige grundsätzliche Probleme eines prekären Rechtsgebiets –, in: Jura 10 (1998), 169–178 Zacher, Hans F.: Zur Rechtsdogmatik sozialer Umverteilung, in: DÖV 23 (1970), 3– 14 Zimmermann, Reinhard: Das römisch-kanonische ius commune als Grundlage europäischer Rechtseinheit, in: JZ 47 (1992), 8–22 – : Der europäische Charakter des englischen Rechts, in: ZEuP 1 (1993), 4–51 – : Konturen eines Europäischen Vertragsrechts, in: JZ 50 (1995), 477–491 – : Historische Verbindungen zwischen civil law und common law, in: Müller-Graff, Peter-Christian (Hrsg.): Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, 2. Aufl., Baden-Baden: Nomos, 1999, S. 103–125 – : Der Gemeinsame Referenzrahmen – ZEuP-Symposium Graz, in: ZEuP 15 (2007), 109–117 – : European Contract Law: General Report, in: EuZW 18 (2007), 455–462 Zimmermann, Reinhard/Knütel, Rolf/Meincke, Jens Peter (Hrsg.): Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, Heidelberg: C. F. Müller, 1999 Zöllner, Wolfgang: Wovon handelt das Handelsrecht, in: ZGR 12 (1983), 82–91 – : Die politische Rolle des Privatrechts, in: JuS 28 (1988), 329–336 – : Die Privatrechtsgesellschaft im Gesetzes- und Richterstaat, Köln: Dr. Otto Schmidt, 1996 – : Regelungsspielräume im Schuldvertragsrecht: Bemerkungen zur Grundrechtsanwendung im Privatrecht und zu den sogenannten Ungleichgewichtslagen, in: AcP 196 (1996), 1–36 – : Grundsatzfragen zu Konzept und System des österreichischen Ministerentwurfs eines Unternehmensgesetzbuchs, in: Harrer, Friedrich/Mader, Peter (Hrsg.): Die HGB-Reform in Österreich, Wien: LexisNexis, 2005, S. 1–23 Zoll, Fryderyk: Die Grundregeln der Acquis-Gruppe im Spannungsverhältnis zwischen acquis commun und acquis communautaire, in: GPR 5 (2008), 106 ff. Zweigert, Konrad: »Rechtsgeschäft« und »Vertrag« heute, in: von Caemmerer, Ernst/ Mentschikoff, Soia/Zweigert, Konrad (Hrsg.): Ius Privatum Gentium: Festschrift für Max Rheinstein zum 70. Geburtstag am 5. Juli 1969, Bd. II: Nationales und vergleichendes Privatrecht, Tübingen: Mohr Siebeck, 1969, S. 492–504 Zweigert, Konrad/Kötz, Hein: Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiet des Privatrechts, 3. Aufl., Tübingen: Mohr Siebeck, 1996 Zwicker, Frank: Das europäische Verbraucherleitbild bei Finanzdienstleistungen, Bonn, 2003 (zugl. Diss. Univ. Bonn 2003)

Register Abtretungsausschluss 378 f., 394, 480 Abwehrfunktion der Grundrechte 49, 248 Abzahlungsgesetz (AbzG) 21, 78 f., 81, 188 Acquis Group 33 acquis communautaire 226 acte de commerce (Frankreich) 60, 468 ff., 477 acto de commercio (Spanien) 216 adhesion terms 325 ff., 342 ff. adverse Effekte 100 Äquivalenzprinzip 147 f. AGB-Gesetz 80 f., 89, 188, 196 Aktionspläne der EG zur Verbraucherpolitik 86 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) 186 f., 220, 313, 324 ff., 342 ff. allgemeine Handlungsfreiheit 287 ff., 303 Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch (ADHGB) 58 ff. – Kodifi kation 59 f., 495 f. – Aufbau und Inhalt 60 f. Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten 57, 110 Amsterdam siehe Vertrag von Amsterdam Analogiebildungen 392 ff. Anbieterfreiheiten 408 f., 420 Anerkennungstheorie 126 Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts siehe Vorrang des Gemeinschaftsrechts Arbeitnehmerfreizügigkeit 421 f. Arbeitsrecht 20, 183 Argentinisches Privatrecht 112 atti di commercio (Italien) 472 ff. Aufklärungspfl ichten siehe Informationspfl ichten

Auslegungsmonopol des EuGH 176 Außenprivatrecht der Unternehmen 296 ff., 393, 396 ff. Ausübungskontrolle 50 f., 148 b2b-Konstellation 345, 365, 382, 385 ff. b2c-Konstellation 107, 150 f., 187, 309 ff., 337 ff., 385 ff. Badisches Handelsrecht 57 Badisches Landrecht 57 bargain 234 Begriff der Sonderprivatrechte 103 ff., 497 begriffl iche Logik 41 behavioral law and economics 205 Belgisches Vertragsrecht 211 ff. Berichte der Bundesregierung zur Verbraucherpolitik 79 f. Berufsfreiheit 273 f., 279 ff. Beschleunigung des Handelsverkehrs 11 f., 385, 391 Beschränkungsverbot (Grundfreiheiten) 416 ff. Besichtigungs- und Beschlagnahmerecht der Zünfte 93 Bestimmungskauf 389 f. Beurkundungsverfahren 331 ff. Bilanzrichtliniengesetz 66 f. Bildungsbürgertum 49, 169 f. Bindung der Gemeinschaftsorgane an die Grundfreiheiten 411 ff. Binnenmarktkonvergenz der Vertragsrechtsdivergenz 422 ff., 508 Binnenmarktkonvergenz des Verbraucherrechts 346 ff. Binnenmarktprinzip 85 f., 345 ff., 404 ff. Binnenmarktvollendung 85 f., 102, 246, 345 ff., 404 ff., 429, 433 bounded rationality 202

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Brüssel I-Verordnung 129, 176 Bürgerliches Recht 46 ff., 145 ff., 167 ff., 260 f. Bürgschaftsstatut 481 ff. Bürgschaftsverträge 50 f., 339 f., 464, 480 ff. Bulgarisches Vertragsrecht 143 f. Bundesregierung – Berichte zur Verbraucherpolitik 79 f. Burgerlijk Wetboek (Niederlande) 223 ff. Bydlinskis Begriffsbestimmung der Sonderprivatrechte 113 ff. c2c-Konstellation 345 Cassis de Dijon-Rechtsprechung 84 f., 289 f., 305, 405, 418, 420, 448, 455, 487 ff. Charakteristika des Handelsvertragsrechts 8 ff. – Entgeltlichkeit des Geschäftsverkehrs 10 f., 385, 405 f., 463 – Beschleunigung des Handelsverkehrs 11 f., 385, 391 – gesteigerte Sorgfaltspfl ichten 11 f., 293, 384 f., 391, 464 – Selbstverantwortlichkeit der Kaufleute 8 f. – Verkehrs- und Vertrauensschutz im Handelsverkehr 12 f., 154 ff., 499 christliche Wucherlehre 56 civil law system 227 Civilinio kodekso patvirtinimo (Litauen) 225 ff. clausula rebus sic stantibus 147 Code civil (Belgien) 211 ff. Code civil (Frankreich) 207 ff., 213 f., 220 Code de commerce (Frankreich) 57 f., 208, 211, 220, 223, 467 ff. Codice civile (Italien) 112 f., 220 ff., 472 ff. Codice di commercio (Italien) 220 Código civil (Spanien) 213 ff. Código de comercio (Spanien) 213 f., 216 Common Core Project 35 Common Frame of Reference siehe Gemeinsamer Referenzrahmen

common law 212, 232 ff., 456, 475 ff. conditio humana 145, 215 consideration 226, 233 f. Consumer Credit Act 1974 (England) 236 consumer sovereignty siehe Selbstbestimmung des Verbrauchers contract theory 234 ff. copy-and-paste-Methode 222, 236 Corpus iuris civilis 114, 220 corrective justice 130, 206 culpa in contrahendo 196, 444 Dänisches Verbraucherrecht 135 f. Dänisches Vertragsrecht 135 f., 227 ff. Dekodifi kation 111 f. Deregulierung 134, 159, 246, 255, 353 f., 417 ff. Dichotomie der Rechtsordnung siehe Zweiteilung der Rechtsordnung Dienstleistungsfreiheit 420 f., 482 ff. Diskriminierungsverbot (Grundfreiheite n) 416 ff. distributive justice 130 doctrine of »fundamental breach« 235 doctrine of restraint of trade 235 Draft Common Frame of Reference (DCFR) 33 f. Dreistufentheorie 295, 302 ff. Dreiteilung der Vertragsrechtsordnung 1 ff., 6 ff., 19 ff., 25, 43 ff., 117 f., 216 f., 226, 493 ff. – Binnenmarktkonvergenz 422 ff. – Kritik an der Dreiteilung 43 ff., 216 f. – rechtsvergleichende Betrachtung 206 ff., 226 – Vertragsrechtsdivergenz 140 ff., 157 ff., 184 »Dreistufen«-Ursachenbetrachtung des Handelsrechts 73 f. Drittwirkung der Grundfreiheiten 245 ff., 503 Drittwirkung der Grundrechte 239 ff., 503 Dualismus 122 ff. dualistische Privatrechtsordnungen 206 ff., 456 E-Commerce-Richtlinie 89, 135 f.

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economic duress 235 economies of scale 153, 174, 325, 407 EG-Aktionspläne zur Verbraucherpolitik 86 EG-rechtliche Verbraucherrechtsentwicklung 83 ff. EG-Verbraucherpolitik 86 ff. Eheverträge 50 f. Eigentumsgarantie 279 f. Eigenverantwortung 280 ff. Einheit der Wirtschaftsordnung 142 ff., 157 ff. Einheit des Privatrechts 1 f., 44, 140 ff., 157 ff. Einheitliche Europäische Akte (EEA) 85 f. Einheitsrecht siehe Internationales Einheitsrecht Einheitstheorie (Handels- und Zivilrecht) 70 f., 220 einseitige Handelsgeschäfte 60 f., 220, 383 ff., 398 f., – Frankreich 469 – Handelskauf 389 f. – Kontokorrent 385 ff. einseitige Vertragsgestaltungsmacht 317 f., 327 f., 343 f. Einzelfallgerechtigkeit 168, 174, 177 embeddedness 157 England und Bürgschaftsform 485 England und Handelsrecht 475 ff. Entgeltlichkeit des Geschäftsverkehrs 10 f., 385, 405 f., 463 Entscheidungsfreiheit 184 ff. Entwicklungsgeschichtliche Innovationsbetrachtung des Handelsrechts 72 f. Erbbaurechtsverordnung 111 Etatismus 122 ff. EU-Grundrechtecharta 88, 166, 248, 273 ff., 278 ff. EU-Reformverträge 176 EU-Verbraucherpolitik 86 ff., 353 ff. Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) 166, 242, 286 Europäisches Vertragsrechtsübereinkommen (EVÜ) 25 f., 483 Europäisches Zivilgesetzbuch 30 ff. – Acquis Group 33 – Common Core Project 35

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– Draft Common Frame of Reference (DCFR) 33 f. – Gandolfi-Gruppe 35 – Lando-Kommission 34 – Gemeinsamer Referenzrahmen 31 ff. – Pavia-Group 35 – Principles of European Contract Law (PECL) 34 f. – Principles of European Tort Law 35 – Study Group on a European Civil Code 33 – Tilburg-Gruppe 35 EWG-Verbraucherprogramme des Rates 84, 265 EWIV 365, 371 f. Existenzgründer 376 f. Fair Trading Act 1973 (England) 236 Fernabsatzgesetz 89 Fernabsatzrichtlinie 88 f., 172, 213, 228 f., 311, 316, 320 ff., 340 f., 347 f., 445 Fernunterricht-Gesetz 81 Fixhandelskauf 390 Formale Gleichheit 52, 78 f., 120 ff., 161 ff., 187 ff. Formale Vertragsfreiheit 150, 249 Formerfordernisse 331 f., 480 ff. Formerleichterung im Handelsverkehr 394, 464, 480 ff. Formkaufmann 362 ff. Formstatut 481 ff. Französisches Formstatut für Bürgschaften 484 Französisches Handelsrecht 467 ff. Französisches Vertragsrecht 207 ff. freier Warenverkehr 252 ff., 266 ff., 418 ff., 444 Freiberufler 365 ff., 394, 472 f., 482 ff. Freiheit 120 ff., 157 ff., 161 ff., 275 f., 499 Funktionale Betrachtungsweise des Vertrages 193 ff. Gandolfi-Gruppe 35 Gemeinsamer Referenzrahmen 31 ff. – »Opt-in«-Modell 32 – »Opt-out«-Modell 32 Gemeinschaftsrecht

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– Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts siehe Vorrang des Gemeinschaftsrechts – Harmonisierung des nationalen Rechts 27 f., 86 Generalklauseln 50 ff., 89, 167 f., 208, 230, 244, 500 Geschäftsfähigkeit 145 f., 149 ff., 215 geschichtliche Entwicklung der Sondervertragsrechte siehe Historische Entwicklung der Sondervertragsrechte Gesetz zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht 81 gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung 396 ff. gesteigerte Sorgfaltspfl ichten im Handelsverkehr 11 f., 293, 384 f., 391, 464 gestörte Vertragsparität 190 ff. Gewerbefreiheit 93 f., 127 f. Gewohnheitsrecht 110 f., 457 f. Gilden und Zünfte 55 f., 64 Gläubigerschutz 388 Gleichbehandlungsgrundsatz 163 ff., 384 f., 395 f., 398 Gleichheit der Privatrechtssubjekte 1 ff., 398 Gleichheit in Freiheit 1 f., 5 f., 21 f., 52 ff., 161 ff., 395 f., 398, 493 f. governmental interests 132 Grünbuch zur Verbraucherrechtsüberprüfung 36 f., 90 f., 333 Grundfreiheiten 157 ff., 245 ff., 289 f., 353 f., 369, 403 ff. – Arbeitnehmerfreizügigkeit 421 f. – Beschränkungsverbot 416 ff. – Bindung der Gemeinschaftsorgane 411 ff. – Deregulierungsfunktion 246, 255, 353 f. – Dienstleistungsfreiheit 420 f., 482 ff. – Diskriminierungsverbot 416 ff. – Drittwirkung 245 ff., 503 – freier Warenverkehr 252 ff., 266 ff., 418 ff., 444 – »Labelling«-Doktrin 268 – Niederlassungsfreiheit 421 f. – Schutzfunktion 252 ff., 503 f.

Grundfreiheitenkonforme Auslegung 409 Grundfreiheitenkonvergenz des Handelsvertragsrechts 455 ff. Grundfreiheitenkonvergenz des Verbrauchervertragsrechts 432 ff. Grundfreiheitenrechtsprechung 266 ff., 289 f. Grundrechte 157 ff., 161 ff., 171, 182 f. – Abwehrfunktion 49, 248 – Berufsfreiheit 273 f., 279 ff. – Dreistufentheorie 295, 302 ff. – Drittwirkung 239 ff., 503 – Eigentumsgarantie 279 f. – kollisionsrechtlicher Regelungsgehalt 434 ff. – objektive Werteordnung 49, 495 – Rechtsprechungswandel bei Bürgschaften 50 f., 495 – Rechtsprechungswandel bei Eheverträgen 50 f., 495 – Schrittmacherfunktion der Grundrechte 48 ff. – Schutzfunktion 49, 171, 247 ff., 503 – Teilhabefunktion 49, 171 – unternehmerische Freiheit 279 ff. Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung 28, 244, 345 ff. Günstigkeitsprinzip 435 Gutglaubenserwerb 361, 391, 393 f., 463, 479 f. Gutglaubensschutz 12, 361, 391 Handelsbräuche 463 Handelskauf 21, 367 f., 389 f. Handelsrecht 8 ff., 54 ff., 118, 153 ff., 276 ff., 358 ff. – Außenprivatrecht der Unternehmen 296 ff., 393, 396 ff. – Charakteristika 8 ff. – »Dreistufen«-Ursachenbetrachtung 73 f. – Einheitstheorie 70 f., 220 – Entwicklungsgeschichtliche Innovationsbetrachtung 72 f. – Grundfreiheitenkonvergenz 455 ff. – handelsrechtliche Kodifi kationsbewegung 57 ff., 495 f.

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– Internationalität des Handelsrechts 73 f. – kausale Erklärungsmodelle 69 ff. – Korrelationstheorie 70 f. – Schrittmacherfunktion 6, 72 ff., 77 – Spezialität 106 f. – Systemwechsel zur Sonderkodifi kation 61 ff. Handelsrechtsänderungsgesetz 2005 (Österreich) 217, 470 ff. Handelsrechtsreformgesetz 43 Handelsgesellschaften 364 f. Handelsgewohnheitsrecht 110 f. handelsrechtliche Kodifi kationen 56 ff., 495 f. Handelsregister 138 ff., 361 ff., 369 ff., 380 f. Handelsvertragsrecht – Charakteristika 8 ff. – Kausalfaktoren für die Entstehung 8 ff., 54 ff. Handelsvertreterrichtlinie 67 Harmonisierung 27 f., 86 – Mindestharmonisierung 91, 213, 333, 432, 445 – Vollharmonisierung 91, 333 Haustürgeschäfterichtlinie 85, 213, 228 f., 310, 316, 318 ff., 338 ff., 346 f., 445 Haustürwiderrufsgesetz 89 Herkunftslandprinzip 91, 434 ff. Hinterlegungsrecht im Handelsverkehr 389 historische Entwicklung der Sondervertragsrechte 45 ff., 78 ff. Historische Rechtsschule 115 homo oeconomicus 189 f., 200, 202 ff., 257, 260 ff., 277, 356 homo sociologicus 278 Idealismus 128 implied terms 234 Individualschutz 154 f. Industrialisierung 56 f. information overload 329 ff. Informationsasymmetrie 271, 325 ff. Informationspfl ichten im Verbraucherrecht 14 f., 269 ff., 321, 323 f., 328 ff., 443 ff.

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Informationstheorie 100, 314 f. inhaltliche Fairness 147 ff., 261 Inhaltskontrolle 17 f., 50 f., 148, 175, 378 f., 450 ff. Inländergleichbehandlung 416 ff. Inneres System der Rechtsordnung 41 Interessenlage bei der IPR-Anknüpfung 466 Internationales Einheitsrecht 25 f. Internationalität des Handelsrechts 73 f. IPR-Verbraucherschutz 87 f., 151 ff. Italien und Bürgschaftsform 485 Italienisches Handelsrecht 472 ff. Italienisches Vertragsrecht 112 f., 220 ff., 278, 472 ff. ius cogens siehe zwingendes Recht ius commune 34 ius gentium 55, 74 iustitia distributiva 135 Joint Network on European Private Law siehe Netzwerk der Exzellenz just in time delivery 96 Kaldor-Hicks-Kriterium 203 Kanonisches Recht 55 ff., 64 Kartelle 93 f. Kartellierung 93 Kaufmännisches Bestätigungsschreiben 11, 295 Kaufmann kraft Gewerbebetrieb 360 Kaufmannsbegriff 29 f., 41, 64 f., 76 f., 100 f., 173 f., 293 ff., 358 ff., 456 ff. – Formkaufmann 362 ff. – Freiberufler 365 ff., 394, 472 f. – Kaufmann kraft Gewerbebetrieb 360 – Kleingewerbetreibende 365, 374 ff., 394 – kollisionsrechtliche Anknüpfung 456 ff. – unselbstständig Gewerbetreibende 373 f. Kaufmannsstatut 456 ff. Kausalfaktoren der Sonderprivatrechte 8 ff., 54 ff. kausale Erklärungsmodelle des Handelsrechts 69 ff. – Einheitstheorie 70 f., 220 – Korrelationstheorie 70 f.

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Keck-Rechtsprechung 413 f., 418 ff., 429 ff., 438, 449 ff., 487 Kennedys Verbraucherbotschaft 78, 84 Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts 51 klassische Nationalökonomie 143 Klauselkontrolle 186 f. Klauselrichtlinie 37, 86, 213, 228 f., 236, 311 ff., 317 f., 324 ff., 342 ff., 349 f., 445, 450 ff. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) 379 f. Kleingewerbetreibende 365, 374 ff., 394 Kodifi kation des HGB 61 ff., 495 f. – »Kleine Lösung« des HGB 62 ff. – »Große Lösung« des HGB 63 Kodifi kationsbewegung 46 ff., 57 ff., 495 f. Kodifi kationsidee 46 Kodifi kationszeit 46 ff. Kollisionsrecht 18 f., 87 f., 151 ff., 347 ff. – Sonderanknüpfung 18 f., 87 f. – Rechtswahlfreiheit 151, 347 ff., 436 ff., 478, 482 ff. – Grundfreiheiten 434 ff. Komplexität der Vertragsmaterie als Auslöser für Verbraucherschutz 317, 341 f. Konsumgenossenschaften 94 Kontokorrent 75, 386 ff., 463 Korrelationstheorie (Zivil- und Handelsrecht) 70 f. Krise des Vertragsrechts 99 »Labelling«-Doktrin (Grundfreiheiten) 268 laesio enormis 147, 214, 218 Lando-Kommission 34 Land- und Forstwirte 173, 370, 469 f., 472 ff. Learned Hand-Formel 203 Lehre von der Richtigkeitsgewähr (Schmidt-Rimpler) 179 ff. Leitbilder 201, 239 ff., 258 ff., 504 f. – Bürgerliches Recht 260 f. – Verbraucherrecht 262 ff., 307 ff., 352 ff. – Handelsrecht 276 ff., 358 ff., 396 ff.

– Rechtfertigung verbraucherrechtlicher Leitbilddiskrepanzen 353 ff. Leitbildkongruenz des Verbrauchervertragsrechts 309 ff. Letztverkäuferregress 381 f. lex mercatoria 475 liberales Informationsmodell 187 ff., 200 Liberalismus 47, 128, 169 f., 222 Litauisches Vertragsrecht 225 ff. Lohnarbeiter 94, 169 f. long term contracts 96 f. Maastricht siehe Vertrag von Maastricht Mängelrüge 11 Makler- und Bauträgerverordnung 83, 456 f. market for lemons (Akerlof) 326 f. markterhaltendes Recht 132, 428 Marktfreiheit 78, 85, 346, 403 ff. Marktstruktur 314 f. marktunterstützendes Recht 66, 132, 153, 426, 428 marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnungen 142 ff. materiale Vertragsfreiheit 150 Mehrebenenprivatrecht 24 ff., 140 ff. Mindestharmonisierung 91, 213, 333, 432, 445 Missbrauchskontrolle 327 f., 349 f., 450 ff. Mittelalter 55 moderne Vertragstypen 48 monistische Privatrechtsordnungen 219 ff. Nachfragefreiheiten 408 f. Naturrechtswissenschaft 233 Nebengesetze 109 ff. Neoliberalismus 79 f. Netzwerk der Exzellenz 33 ff. Niederländisches Vertragsrecht 223 ff. Niederlassungsfreiheit 421 f. Nizza siehe Vertrag von Nizza numerus clausus des Sachenrechts 255 objektive Werteordnung der Grundrechte 49

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objektives Element bei b2c-Situationen 315 ff., 337 ff., 357 ökonomische Analyse 201 ff. ökonomisches moral hazard 37 Ort der gewerblichen Niederlassung 459 ff., 477, 486 Österreich und Bürgschaftsform 485 Österreichisches Handelsrecht 217, 470 ff. Österreichisches Konsumentenschutzgesetz 119, 218 f. Österreichisches Vertragsrecht 217 ff. ordoliberale Schule 78 pacta sunt servanda 190 Pandekten 4, 113 ff., 217 f., 233 Parteiautonomie 405, 426 ff. Pauschalreiserichtlinie 39 f., 86 Pavia-Group 35 Personenbilder 257 ff. – Bürgerliches Recht 260 f. – Verbraucherrecht 262 ff. – Handelsrecht 276 ff. planwirtschaftliche Wirtschaftsordnungen 142 ff. Preiswettbewerb 10, 93 Preistheorie 78, 129 Principles of European Contract Law (PECL) 34 f. Principles of European Tort Law 35 Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung 28, 244, 345 ff. Prinzip der relativen zweiseitigen Rechtfertigung 161 prinzipielle und symptomatische Kritik (Reifner) 197 f. Privatautonomie 154 f., 164 ff., 182 ff., 188 f., 283 f., 404 ff., 426 ff., 500 Privatrechtsgesellschaft 38 f. produktbezogene Regelungen 418 ff., 429 ff., 449 ff., 483, 507 Prorogationsverbot 83 prozedurale Fairness 145 ff. public choice theory 129 Publizitätsrichtlinie 67 Querschnittsklausel zum Verbraucherrecht 88

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Rechtsfähigkeit 145, 215 Rechtsfortbildung 357 f., 392 ff. Rechtsgeschäftslehre 217 f. Rechtsnatur des Vertragsrechts 125 f. Rechtsordnungsunterschiede 424 Rechtsprinzipien 256 ff., 504 f. Rechtsscheinshaftung 155 f. Rechtsscheinslehre 12, 392 Rechtsprechungswandel bei Bürgschaften 50 f. Rechtsprechungswandel bei Eheverträgen 50 f. Rechtssicherheit 177 Rechtswahlfreiheit 151, 347 ff., 436 ff., 478, 482 ff. Registereintragung von Einzelunternehmern 361 f., 380 f. Registerpublizität 139, 369 ff., 380 f. Regulierung 134, 354 f. Reisevertragsgesetz 81 relational contracts 76 f. REMM-Hypothese 202 Rechtsangleichung siehe Harmonisierung Rechtsvereinheitlichung 27 f. Richtlinie 27 f. richtlinienkonforme Auslegung 175 ff. Römische Rechtsrezeption 56 f. Rollensoziologisches Verbraucherschutzmodell 200, 312 ff. Rom I-Verordnung 91, 153, 172, 176, 349, 351, 483 f. Rumänisches Vertragsrecht 144 Sachmängelregeln 453 f. Sale of Goods Act 1979 (England) 236 Schiedsverfahrensneuregelungsgesetz 81 f. Schrittmacherfunktion der Grundrechte 48 ff. Schrittmacherfunktion des Handelsrechts 6, 72 ff., 77 Schub-Prinzip und Sog-Prinzip im Vertrieb 96 Schuldrechtsreform 36, 44, 53, 75, 88 f. Schutzfunktion der Grundrechte 49, 171, 247 ff., 503 Schwächerenschutz im Privatrecht 78 ff., 222, 249

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Schwedisches Vertragsrecht 229 ff. Schweigen im Handelsverkehr 11, 155 f., 195 f., 367, 393, 464 Schweizer Obligationenrecht 112, 278 Selbstbestimmung 182, 185 ff., 191 Selbstbestimmung des Verbrauchers 13, 154 Selbstbestimmung der Kaufleute 154 f. Selbstverantwortlichkeit der Kaufleute 8 f., 154 f. Sicherheiten bei Kontokorrenten 386 ff. Sittenwidrigkeit 167 f. situatives Element bei b2c-Situationen 315 ff., 337 ff., 357 Sitztheorie 435 Sonderanknüpfung 18 f., 87 f. Sonderprivatrechte 1 ff., 54 ff., 78 ff., 103 ff., 149 ff., 153 ff., 177 ff., 262 ff., 307 ff., 403 ff. – Begriff 103 ff., 497 – historische Entwicklung 45 ff., 78 ff. – Kausalfaktoren 8 ff. – Typisierung durch Sonderprivatrechte 5, 21 f., 174 f., 177 f. – Kausalfaktoren für die Entstehung 54 ff., 78 ff. Sorgfaltsmaßstab 177, 293, 384 f., 391 soziale Auslegung 196 ff. sozialer Schwächerenschutz 47 soziales Mietrecht 81, 183, 188 soziales Privatrecht 127, 215, 229 soziales Verbraucherschutzmodell 187 ff., 198 ff. sozialistische Zivilrechtstheorie 199 Sozialstaatsprinzip 274 Spanisches Vertragsrecht 213 ff. Spezialität der Sonderprivatrechte 106 ff. spot contracts 97 Sprachregime der Informationspfl ichten 445 ff. standard terms siehe Allgemeine Geschäftsbedingungen Standardregelungen 224 f. Study Group on a European Civil Code 33 Stufenbau der Rechtsordnung 160, 259, 358, 371, 401, 409 ff., 504 f.

subjektive Geltungsbereichseingrenzung (b2c) 337 ff. subjektives System 106 ff., 337 ff., 359 ff. Subsidiaritätsprinzip 22 ff., 87, 138 ff., 333, 336, 361 ff., 430 Teilhabefunktion der Grundrechte 49, 171 tertium comparationis des Willkürverbots 8, 162 Theorie der rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit (M. Wolf) 184 ff. Tilburg-Gruppe 35 Timesharing Act 1992 (England) 236 Timesharingrichtlinie 90 f., 213, 269, 317, 328 ff., 344 f., 350 f., 445 ff. Transaktionskosten 100, 140, 314 TRANSTAAFL 98 Treu und Glauben 167 f., 210 f., 215, 224 f., 226 ff., 230 Trucksystem 94 Typenbildung 161 ff. Typisierung durch Sonderprivatrechte 5, 21 f. Überprüfung des VerbraucherschutzAcquis 36 f., 89 ff. Überraschungsmoment als Auslöser für Verbraucherschutz 316, 318 ff., 338 ff., 346 f. Umsetzungsinstrumente des Verbraucherrechts 13 ff. Umverteilung 137, 312 UN-Warenkaufsübereinkommen 25, 30, 335 ff., 382 undue influence 235 Unfair Contract Terms Act 1977 (England) 236 Ungarisches Vertragsrecht 144 unselbstständig Gewerbetreibende 373 f. Unternehmensbegriff 29, 296 ff. unternehmensbezogene Geschäfte (Österreich) 486 Unternehmensgesetzbuch (Österreich) 218 Unternehmerbegriff 29, 39 f., 41, 107, 376 f., 471 ff.

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unternehmerische Freiheit 279 ff., 285 ff. Unternehmerleitbild 276 ff., 358 ff., 396 ff., 403 ff., 477 ff., 504 Untersuchungs- und Rügepfl icht im Handelsverkehr 155, 361, 393 usus modernus pandectarum 115 Utilitarismus 181 Verbraucherbegriff 39 f., 41, 107, 119 ff., 193, 263 f., 376 f. Verbraucherbinnenmarkt 406 f. Verbraucherbotschaft Kennedys 78, 84 Verbrauchererziehung 150 Verbraucherkredite 97 Verbraucherkreditgesetz 82, 89 Verbraucherkreditrichtlinie 85 f., 90, 131, 228 f., 236, 311, 317, 322 ff., 341 f., 348 f., 445 ff. Verbraucherleitbild 262 ff., 307 ff., 352 ff., 504 Verbraucher-Ombudsmann 228, 231 Verbraucherpolitik der EG 86 ff. Verbraucherpolitische Strategie der EG 89 f. Verbraucherprogramme der EG 84, 265 Verbraucherrecht 170 ff., 193, 224 f., 228 f., 231 f. – Drittwirkung der Grundrechte 242 ff., 503 – EWG-Verbraucherprogramme 84, 265 – Gemeinwohlbezug 130 f. – Grundfreiheitenkonvergenz 432 ff. – historische Entwicklung 78 ff. – Informationspfl ichten 14 f., 269 ff., 321, 323 f., 328 ff., 443 ff. – Inhaltskontrolle 17 f., 148, 175, 378 f. – Leitbild 262 ff., 504 f. – prinzipielle und symptomatische Kritik (Reifner) 197 f. – Remanipulation des bürgerlichen Rechts 36 ff. – rollensoziologisches Verbraucherschutzmodell 200, 312 ff. – Sonderanknüpfung im Kollisionsrecht 18 f., 87 f. – Spezialität 107 f. – Umsetzungsinstrumente 13 ff.

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– Widerrufsrechte 15 f., 321 f., 331 ff., 448 ff. verbraucherrechtliche Querschnittsklausel siehe Querschnittsklausel zum Verbraucherrecht Verbraucherrichtlinien 83 f. Verbraucherschutzdebatte 98 ff., 179 Verbrauchervertragsstatut 438 ff. Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 21, 36 f., 89, 99, 228 f., 231 f., 334 ff., 453 f. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 139 f., 266 ff., 282, 318 ff., 345 ff. Verkaufsmodalitäten 418 ff., 429 ff., 449 ff., 507 Verkehrs- und Vertrauensschutz im Handelsverkehr 12 f., 154 ff., 499 Verordnung 27 f. Versicherungsvertragsrecht 82 Verträge als privatrechtliche Kooperationsinstrumente 124 Vertrag von Amsterdam 88 f. Vertrag von Maastricht 86 ff. Vertrag von Nizza 89 Vertragsbegriff 177 ff., 404, 500 Vertragsfreiheit 144 ff., 164 ff., 178 ff., 214, 222, 277 ff., 283 ff., 404 ff. Vertragsfunktionen 3 Vertragsgerechtigkeit 150 f., 179 ff. Vertragsrecht 3 ff., 129 ff., 144 ff., 177 ff., 206 ff. – Anerkennungstheorie 126 – funktionale Betrachtungsweise 193 ff. – Rechtsnatur 125 f. – Vertragsrechtsmodelle der Literatur 179 ff. – rechtsvergleichende Betrachtung 206 ff., 502 Vertragsstrafeversprechen 9, 464, 478 f. Vertrauensschutz 224, 277, 466 Vertrieb 95 ff. – just in time delivery 96 – Schub-Prinzip und Sog-Prinzip 96 vertriebsbezogene Regelungen siehe Verkaufsmodalitäten Vertriebssituation als Auslöser für Verbraucherschutz 316 f., 320 ff., 340 f. Vollharmonisierung 91, 333, 411

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Vorrang des Gemeinschaftsrechts 27 ff., 67 f., 409 Vorrang des Wettbewerbs vor Verbraucherschutz 23 f., 54, 138 ff., 336 f. Wegfall des Zunftwesens 92 ff. Weimarer Reichsverfassung 49 Wertpapiersachstatut 465 Wettbewerb 54, 93 f., 99, 138 ff., 191 f., 200, 254, 291, 313 f., 379 Wettbewerbsfreiheit 94, 277, 281, 286 f., 290 f. Wettbewerbsregeln 276 f., 290 f. Widerrufsrechte im Verbraucherrecht 15 f., 321 f., 331 ff., 448 ff. Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers 82 Wiener Vertragsrechtsübereinkommen zum Warenkauf siehe UN-Warenkaufsübereinkommen Willensprinzip 146 f., 155 f., 195 f., 207, 234, 249 f., 493, 499 Wirkungsstatut 462 ff., 477, 487 wirtschaftliche Betätigungsfreiheit 281 ff. wirtschaftliche Freizügigkeit 287 f.

wirtschaftliche Geschäftsunfähigkeit 52 f. Wirtschaftsverfassung 141 ff. Wohnungseigentumsgesetz 111 Wuchertatbestand 148 f. Zahlungsverzugsrichtlinie 67, 89 Zinsverbotslockerung in Kontokorrentverhältnissen 385 f. Zivilrechtslehrertagung (1977) 104 Zünfte und Gilden 55 f., 64, 92 ff. Zurückbehaltungsrecht im Handelsverkehr 393, 463 Zweigniederlassungsrichtlinie 67 Zweiteilung der Rechtsordnung 125 ff., 408 – Einordnung des Vertragsrechts 125 f. – Gemeinwohlbezug des Verbraucherrechts 130 f. – geschichtliche Entwicklung 126 ff. zwingendes Allgemeininteresse (Grundfr eiheiten) 266 ff. zwingendes Recht 133, 136 ff., 148 ff., 184 f., 244 f., 334 ff., 345 ff., 378 f., 381 f., 386, 426 ff., 478 f.